Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 73. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte den Schriftführer Herrn Abgeordneten Dr. Zawadil, die Liste der fehlenden Mitglieder zur Verlesung zu bringen.
Wegen Erkrankung fehlen die Abgeordneten Morgenthaler, Frau Dr. Brökelschen, Ritzel, Dr. von Campe, Hellwege, Wartner, Wittmann, Loritz, Dr. Richter ({0}). Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Schröter, Neuburger, Dr. Dr. Müller ({1}), Mensing, Frau Dr. Weber, Hagge, Dr. Kopf, Junglas, Dr. Henle, Dr. Schmid ({2}), Freitag, Görlinger, von Knoeringen, Frau Schroeder ({3}), Dr. Oellers, Dr. Middelhauve, Wirths, Aumer, Dr. Falkner, Dr. Bertram, Wallner. Außerdem fehlen die Abgeordneten Reimann, Rische, Renner, Vesper, Müller ({4}).
Meine Damen und Herren! Ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
({0})
Der Bundesrat hat in seinen Sitzungen am 23. und
30. Juni 1950 den folgenden Gesetzen zugestimmt: Gesetz über Reichsmarkverbindlichkeiten zwischen Gebietskörperschaften,
Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Lohnstops,
Gesetz über eine vorübergehende Erweiterung der Geschäfte der Hypotheken- und Schiffspfandbriefbanken,
Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes,
Gesetz über die Erhebung von Abgaben auf dem Gebiet der Ernährungswirtschaft,
Gesetz über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter,
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Europarat,
Gesetz zur Erleichterung der Annahme an Kindes Statt
und schließlich
Volkszählungsgesetz.
Der Bundesrat hat weiter gemäß den Vorschlägen des Vermittlungsausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes den Änderungen zum Gesetz über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet gemäß Art. 78 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 84 Abs. 1 und 5 des Grundgesetzes zugestimmt.
Weiterhin hat der Bundesrat zu den Abänderungsvorschlägen des Vermittlungsausschusses zu dem Gesetz zur Änderung des Soforthilfegesetzes gemäß Art. 77 Abs. 3 des Grundgesetzes keinen Einspruch eingelegt.
Der Herr Bundeskanzler hat in Ausführung des am 25. Januar 1950 gefaßten Beschlusses des Bundestags, Drucksache Nr. 337, unter dem 21. Juni 1950 über die Förderung der bildenden Kunst berichtet. Das Schreiben finden Sie als Drucksache Nr. 1085.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 20. Juni 1950 die Anfrage Nr. 75 der Abgeordneten Strauß, Spies und Genossen betreffend Fortführung der Schulspeisung, Drucksache Nr. 910, beantwortet, und zwar unter Drucksache Nr. 1095.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 26. Juni 1950 die Anfrage Nr. 84 der Abgeordneten Frau Korspeter, Frau Döhring, Priebe, Richter ({1}) und Fraktion der SPD betreffend Auswirkung der Leistungssteigerungen des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes, Drucksache Nr. 1026, unter Drucksache Nr. 1115 beantwortet.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 24. Juni 1950 die Anfrage Nr. 85 der Abgeordneten Dr. Baade und Genossen, Nr. 1028 der Drucksachen, betreffend Steigerung des Kunstdüngerverbrauchs unter Drucksache Nr. 1116 beantwortet.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 26. Juni 1950 die Anfrage Nr. 86 der Abgeordneten Wirths, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP, Nr. 1031 der Drucksachen, betreffend Marinepersonal-Dokumentenzentrale unter Drucksache Nr. 1104 beantwortet.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat unter dem 29. Juni 1950 die Anfrage Nr. 88 der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen, Nr. 1055 der Drucksachen, betreffend Bekämpfung des Kartoffelkäfers unter Drucksache Nr. 1130 beantwortet.
Ich habe weiter auf folgendes hinzuweisen. In der 72. Sitzung des Bundestages am 23. Juni 1950 ist über den Mündlichen Bericht des Vermittlungsausschusses auf Drucksache Nr. 1074 betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet beschlossen worden. Nach Rücksprache im Ältestenrat habe ich insoweit eine redaktionelle Änderung vorgenommen, als in die Ausfertigung des Beschlusses hinter den Worten „oder aus sonstigen" das Wort „zwingenden" eingefügt wurde, da dies auch dem vom Herrn Berichterstatter seinerzeit vorgetragenen Wortlaut seiner Ausführungen entspricht und in der Drucksache Nr. 1074 vergessen worden war. Die Ziffer 2 lautet demgemäß wie folgt:
Diese besondere Erlaubnis darf Personen nicht verweigert werden, die wegen einer drohenden Gefahr für Leib und Leben, für die persönliche Freiheit oder aus sonstigen zwingenden Gründen die in Absatz 1 genannten Gebiete verlassen mußten.
Ich darf das Haus noch um die nachträgliche Zustimmung zu der redaktionellen Abänderung in dieser Verfahrensweise bitten. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Bundesbahngesetz ({2}).
Ich darf Ihr Einverständnis damit annehmen, daß gemäß dem Vorschlag des Ältestenrats nach § 88 der Geschäftsordnung für die Begründung seitens der Herren Antragsteller 10 Minuten, für die Beantwortung - und insoweit appelliere ich an den Herrn Bundesverkehrsminister - 10 Minuten und für die Aussprache etwa 40 Minuten in Anspruch genommen werden. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Wer von den Herren Antragstellern wünscht die Interpellation zu begründen? - Herr Abgeordneter Jahn für die Herren Interpellanten!
Jahn ({3}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Bundesbahn war wiederholt Gegenstand der Diskussion in diesem Hohen Hause. Anlaß dazu gab sowohl die unbefriedigende Finanz- und Betriebslage der Bundesbahn als auch die Notwendigkeit ihres Wiederaufbaus. Immerhin repräsentieren die Anlagen und Betriebsmittel der Deutschen Bundesbahn einen Wert von etwa 11,9 Milliarden Mark. Die Zahl der Beschäftigten beträgt zur Zeit 540 758. Davon sind 347 460 Arbeiter und 193 298 Beamte. Die Deutsche Bundesbahn ist daher nicht nur das größte und wertvollste Vermögen des Bundes, sie ist gleichzeitig als Betrieb sein wichtigster und empfindlichster Nervenstrang in der Wirtschaft und Gesellschaft des Volkes.
Ihre Entwicklung ging über die Bildung der Staatsbahnsysteme der Länder vom Jahre 1879 bis 1920 zur Reichsbahn laut Vertrag des Reiches mit den Ländern vom 11. April 1920. Am 12. Februar 1924 wurde die Deutsche Reichsbahn aus dem Reichshaushalt herausgenommen und als selbständiges Unternehmen in die sogenannte Reichsbahngesellschaft umgebildet. Diese bestand bis 1937. Mit Gesetz vom 10. Februar 1937 wurde dann die Deutsche Reichsbahn geschaffen, das entsprechende Gesetz am 4. Juli 1939 neu gefaßt. Dieses Gesetz gilt mit bestimmten Einschränkungen heute noch. Die Schaffung einer neuen, den heutigen Verhält({4})
nissen angepaßten gesetzlichen Grundlage für die Deutsche Bundesbahn ist daher dringend erforderlich.
Die Folgen des bisherigen gesetzlichen Schwebezustandes sind eher mit dem Wort „Verkehrschaos" als mit dem Prädikat „Verkehrsordnung" zu bezeichnen. Die Auswirkungen dieses Zustandes spüren wir jeden Tag schmerzvoller. Es gilt demnach, jetzt schon die Voraussetzungen zu schaffen, die Verkehrsbedienung insgesamt so preiswert wie möglich zu gestalten, auseinanderstrebende Tendenzen innerhalb der Verkehrswirtschaft zusammenzufassen, die Verhältnisse der Verkehrsträger in sich, unter sich und zum Staat zu ordnen, die Verkehrsträger zu einer Verkehrsgemeinschaft zusammenzuschließen oder, wie es das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung für Verkehr vom 12. September 1948 bezeichnet, die Verkehrszweige zu koordinieren. Leider bemerken wir von der damals entwickelten Initiative heute so gut wie nichts mehr.
Nun gibt Art. 73 des Grundgesetzes dem Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die Bundeseisenbahnen. Nach Art. 134 wird das Reichsbahnvermögen zum Vermögen des Bundes. Der Bund führt die Bundeseisenbahnen nach Art. 87 in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau. Er übernimmt nach Art. 130 die. bisherigen Verwaltungsorgane des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, also auch dessen Eisenbahnorgane, sowie das Eisenbahnorgan der französischen Zone, nämlich die Betriebsvereinigung der südwestdeutschen Eisenbahnen.
Bei der Verabschiedung eines neuen Bundeseisenbahngesetzes können wir wahrscheinlich nicht daran vorübergehen, daß Deutschland noch besetzt ist. Das Ruhrstatut sieht in Ziffer 10 für die internationale Ruhrbehörde die Vollmacht vor, sicherzustellen, daß die deutschen Behörden nicht irgendwelche künstlichen oder diskriminierenden Transport-, Preis- und Handelspraktiken, Quoten, Tarife und ähnliche behördliche Maßnahmen oder Handelsabmachungen einrichten, durchführen oder gestalten, die Ruhrkohle, Koks oder Stahl in den internationalen Handel ablenken würden. Wie sich diese Verpflichtung gegenüber der Bundesbahn auswirken wird, erscheint ungewiß. Das Besatzungsstatut enthält hinsichtlich der Verkehrsmittel keine besonderen Vorbehalte. Man kann daher vielleicht annehmen, daß die Ausgestaltung des Eisenbahnwesens alleinige Sache der Bundesregierung ist. Immerhin erscheint es zweckmäßig, durch Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren alle Eventualitäten von vornherein zu klären.
Der finanzielle Status der Deutschen Bundesbahn ist nach wie vor ernst. Die Einnahmen sind gegenüber dem Voranschlag für das Wirtschaftsjahr 1950 bereits wieder um 87 Millionen DM zurückgeblieben. Eine entscheidende Wendung in diesem unbefriedigenden Zustand muß baldigst herbeigeführt werden. Voraussetzung hierfür ist, daß die Regierung bei der Beantwortung von Interpellationen wie dieser etwas mehr Eifer an den Tag legt. Nach DPA finden zur Zeit Verhandlungen statt, die die Bereitstellung von ERP-Mitteln für die Deutsche Bundesbahn anstreben. Die Besprechungen haben bisher zu keinem Erfolg geführt. Wie in diesem Zusammenhang verlautet, soll von amerikanischer Seite das mangelnde Interesse der Bundesregierung an der Deutschen Bundesbahn kritisiert worden sein. Zugunsten von politisch interessanteren Verkehrsträgern werde die in staatlicher Regie laufende
Deutsche Bundesbahn vernachlässigt, während es z. B. in Italien gelungen sei, ERP-Mittel in erheblicher Höhe für die italienischen Bahnen zu erhalten. Ich bin der Überzeugung: hätte das Hohe Haus bereits das Bundesbahngesetz verabschieden können, dann hätten wir dieselbe Bereitschaft zur Hergabe von ERP-Mitteln gefunden wie in Italien.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, sowohl den vom Bundesrat bereits verabschiedeten Entwurf eines Bundesbahngesetzes als auch die Vorlage des Wirtschaftsrates vom 20. Mai 1949 umgehend dem Bundestag zuzuleiten. Soweit uns bekannt, haben unter Aufwendung erheblicher Mittel verschiedene Ausschüsse im Auftrage des Herrn Bundesverkehrsministers gleichfalls an einem Entwurf über ein Bundesbahngesetz gearbeitet. Wie verlautet, wird dieser Entwurf gemeinsam mit dem Entwurf des Bundesrates dem Bundestag zugeleitet werden. Es fragt sich nur: wann endlich gedenkt die Regierung den Bundestag in die Lage zu versetzen, dieses so notwendige Gesetz zu behandeln und zu verabschieden? Der Entwurf des Bundesrates wurde bereits am 2. April 1950 dem Herrn Bundeskanzler zugeleitet. Die Interpellation meiner Fraktion Drucksache Nr. 861 trägt das Datum des 26. April 1950.
({5})
Inzwischen sind drei wertvolle Monate nutzlos verstrichen, und die Zeit drängt. Die Bundesbahn muß
eine dem Grundgesetz entsprechende und der Forderung nach Mitbestimmung Rechnung tragende gesetzliche Grundlage erhalten, damit sie ihre Aufgaben als größter Verkehrsträger erfüllen und im
Interesse der Gesamtwirtschaft und des Volkes gesunden kann. Ich glaube, im Interesse des Hohen
Hauses zu handeln, wenn ich die bestimmte Erwartung ausspreche, daß die Bundesregierung in Zukunft Interpellationen umgehend beantwortet. Die
bisherige Übung ist des Hohen Hauses unwürdig.
({6})
Das Wort zur Beantwortung der Interpellation hat der Herr Bundesverkehrsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Bundesregierung habe ich die Interpellation der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 861, wie folgt zu beantworten:
Frage 1: Wann wird der Entwurf des Bundesrats dem Bundestag zugeleitet? Antwort: Der Entwurf des Bundesrats zu einem Bundesbahngesetz wird dem Bundestag noch in diesem Monat zugehen. Die Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem wichtigen und umfangreichen Gesetz ist in eingehenden Ressortbesprechungen erarbeitet und liegt dem Kabinett zur Beschlußfassung vor.
Frage 2: Gedenkt die Bundesregierung dem Bundestag einen eigenen Entwurf zuzuleiten? Antwort: Ja! Der Gesetzentwurf des Bundesverkehrsministers liegt dem Kabinett zur Beschlußfassung vor.
Ich möchte zu den Ausführungen der Begründung noch folgendes hinzufügen. Erstens: Ich habe mich zur Beantwortung der Interpellation bereit erklärt ab Datum 5. Juni. Daß der Punkt erst heute auf der Tagesordnung steht, ist nicht meine Angelegenheit.
({0})
Zweitens: Der Herr Abgeordnete Jahn hat festgestellt, es seien drei Monate nutzlos verstrichen.
beutscher Bundestag. ({1})
Das Hohe Haus wird sich bei Entgegennahme der Vorlagen darüber klar werden, daß in diesen drei Monaten bei uns gearbeitet worden ist.
Drittens: Der Herr Abgeordnete Jahn hat erklärt, es herrsche ein gesetzlicher Schwebezustand. Er hat das Gesetz über den Aufbau der Verwaltung für Verkehr vom 12. 9. 1948 zitiert. Er weiß also, daß dieses Gesetz besteht und daß ein gesetzlicher Schwebezustand nicht gegeben ist. Ich verweise darauf, daß dem Hohen Hause bereits seit Wochen das Gesetz zur Überführung des Vermögens der Reichsbahn auf den Bund vorliegt, das eine Grundlage für die weiteren gesetzlichen Arbeiten bildet, daß aber auch heute wieder im Verkehrsausschuß die weitere Behandlung dieses Gesetzes vertagt worden ist, da es im Rechtsausschuß noch nicht abschließend behandelt worden ist.
({2})
Ich verweise weiter darauf, daß außer dem Bundesbahngesetz, das já nur die Organisation der Bundesbahn und manche darüber hinausgehende Fragen regelt, noch ein Allgemeines Eisenbahngesetz eingebracht wird, das gleichfalls in den nächsten Tagen dem Kabinett zur Beschlußfassung zugehen wird. Dem Kabinett liegt ferner ein Güterfernverkehrsgesetz zur Beschlußfassung vor. Das Bundesverkehrsministerium hat also ein umfangreiches Gesetzgebungswerk dem Kabinett vorgelegt, und das Hohe Haus wird Gelegenheit haben, sich mit dieser schwierigen und in ihrer Auswirkung für die Wirtschaft, für die Sozialpolitik und für die Finanzpolitik des Bundes wichtigen Materie eingehend zu beschäftigen.
({3})
Ich eröffne die Aussprache. B) Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rümmele. Acht Minuten bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Jahn über die Wichtigkeit der Bundesbahn als Bundesbesitz, als Faktor der Wirtschaft und des Verkehrs nichts hinzufügen. Es wird Gelegenheit sein, bei Behandlung des Bundesbahngesetzes sowohl im Verkehrsausschuß wie im Bundestag ausführlich dazu zu sprechen. Meine Fraktion, die CDU/CSU, wird die entsprechenden Anträge stellen, die entsprechenden Begründungen geben und sich dann ausführlich und intensiv mit den Dingen beschäftigen. Ich darf darauf verweisen, daß vor etwa zwei oder drei Wochen, als die erste Lesung des Vermögensgesetzes über die Bundesbahn zur Sprache stand, bereits Ausführungen nach dieser Seite gemacht worden sind.
Nachdem nun der Herr Verkehrsminister erklärt hat, daß der Bundesratsentwurf zum Bundesbahngesetz schon vorliegt und der Entwurf des Bundesverkehrsministeriums seinerseits dem Kabinett vorgelegt wurde, also beide Entwürfe sehr wahrscheinlich in Behandlung stehen, wenn auch nicht im Bundestag, möchte ich mich auf wenige Ausführungen beschränken. Ich glaube, nicht acht Minuten zu brauchen.
Das eine ist folgendes. Auch wir hätten gewünscht, daß dieses wichtige Bundesbahngesetz, das doch Ordnung in den Verkehr bringen soll, das unlautere Konkurrenzen beseitigen soll, durch das vielleicht auch Fehlleitungen von Kapital und Arbeit beseitigt werden können, früher vorgelegt worden wäre. Wir wissen ja, daß viele Gutachterkommissionen an der Arbeit waren, und die meisten
Herren haben diese hundertseitige Denkschrift erhalten, einen dicken Bandwurm mit allerlei Material, das darin enthalten ist, und Schlußfolgerungen in einigen 60 Punkten, das Gutachten von Herrn Professor Homberger, Amerika, und Herrn Dr. Cottier, dem Schweizer Sachverständigen in Verkehrsfragen. Wir wissen, daß auch andere Sachverständigengutachten gemacht wurden und daß ein Teil der Verzögerung der Vorlage darauf zurückzuführen ist, daß der Herr Bundesverkehrsminister diese Gutachten erst haben wollte, ehe er seinerseits einen Entwurf vorlegte, nachdem ein Gesetzentwurf im Bundesrat ja bereits vorhanden war, eingereicht vom Herrn Ministerpräsidenten Arnold.
Vom Standpunkt des Verkehrsausschusses und wohl auch des Bundestages aber ist noch folgendes zu bemängeln. Dieser Entwurf, den der Herr Bundesverkehrsminister der Bundesregierung vorgelegt hat, ist auszugsweise bereits in den Zeitungen wiedergegeben worden. Vor mir liegt die Zeitung „Handelsblatt" vom 5. Juli, worin alle Elemente des Bundesbahn-Gesetzentwurfs bereits niedergelegt und behandelt worden sind.
({0})
Ich will auf Einzelheiten nicht eingehen; Sie wissen, um was es sich hier im allgemeinen dreht. Ich bin der Meinung, daß es nicht richtig ist, wenn man die Gesetzentwürfe zuerst einer Pressekonferenz bekanntgibt und wenn wir Abgeordnete, auch die vom Verkehrsausschuß, die wir uns in erster Linie mit den Dingen befassen müssen, dann aus den Zeitungen entnehmen müssen, was wir etwa zu erwarten haben.
({1})
Ich würde für die Zukunft den umgekehrten Weg empfehlen und möchte namens meiner Fraktion generell noch einmal die Bitte aussprechen, insbesondere auch hier zu diesem Gesetzentwurf, daß man, ehe man an die Öffentlichkeit geht, diese Entwürfe mindestens dem zuständigen Ausschuß, in diesem Falle dem Verkehrsausschuß, unterbreitet, damit die Ausschüsse nicht gezwungen sind, aus den Zeitungen das zu entnehmen, was in erster Linie eigentlich zu ihrem Arbeitsgebiet gehört.
({2})
Wird das Wort weiter gewünscht? - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über die Interpellation Drucksache Nr. 861 und darf annehmen, daß auch von den Herren Interpellanten keine weiteren Fragen gestellt werden.
Damit haben wir Punkt 1 der Tagesordnung erledigt und kommen nunmehr zu Punkt 2: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Artikel 33 des Grundgesetzes ({0}).
Der Ältestenrat macht Ihnen auf Grund einer inzwischen erzielten interfraktionellen Verständigung folgenden Vorschlag für die Redezeit: für die Einbringung etwa 20 Minuten, eine entsprechende Zeit für die Beantwortung durch den zuständigen Herrn Bundesminister und eine Aussprache bis zu etwa 90 Minuten. Ich darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen. - Ich höre keinen Widerspruch.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Arndt das Wort als Sprecher für die Herren Interpellanten.
Dr. Arndt ({1}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner Oppositionsrede am 21. September 1949 hat mein Parteifreund
({2})
Dr. Kurt Schumacher gesagt, wir hätten Sorge wegen der inneren Organisation der Ministerien, und er hat darauf hingewiesen, daß der große politische Sinn des Prinzips des Berufsbeamtentums darin liege, die Beamtenschaft zu einem vertrauenswürdigen Instrument für jede demokratische verfassungsmäßige Regierung zu machen. Diese tiefe Sorge ist für uns von Monat zu Monat brennender geworden, und zwar handelt es sich dabei um keine Randfrage, sondern um ein zentrales Problem der Rechtsstaatlichkeit, das Problem nämlich, ob die Bundesregierung bereit ist, für den gesamten Bereich der Personalpolitik im Geiste des Grundgesetzes zu handeln.
Unsere erste Grundfrage ist die, ob die Bundesregierung wirklich bemüht ist, ein echtes Berufsbeamtentum neu aufzubauen, oder ob sie der Gefahr einer Konfessionalisierung ihrer Personalpolitik zu erliegen droht. Mit Erstaunen und Befremden haben wir davon Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung eine Konfessionsstatistik ihrer Ministerialbeamten veröffentlichte.
({3}) Wir fragen deshalb die Bundesregierung: Worauf gründet sich die Mitteilung der Bundesregierung über die konfessionelle Zugehörigkeit der Beamten in den Bundesministerien? Soweit etwa aus den Steuerkarten etwas ersichtlich sein sollte, müßte eine getrennte Aufbewahrung lediglich bei den Rechnungsbeamten gefordert werden; denn die Steuerkarten sollten kein Teil der Personalakten sein. Auf rechtmäßige Weise ist eine Kenntnis der Bundesregierung über die konfessionelle Zugehörigkeit ihrer Beamten nicht möglich; denn es steht nicht nur in Art. 33 Abs. 3 des Bonner Grundgesetzes, daß niemandem ein Nachteil aus der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder einer Weltanschauung erwachsen dürfe, sondern durch Art. 140 des Bonner Grundgesetzes ist ausdrücklich der Art. 136 der Weimarer Verfassung aufrechterhalten, und dort heißt es im Abs. 3:
Niemand ist verpflichtet, seine religiöse Überzeugung zu offenbaren. Die Behörden haben nur soweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert.
Beide Voraussetzungen treffen hier nicht zu. Im Gegenteil, es ist sogar ausdrücklich in Art. 33 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes verordnet: Die Zulassung zu öffentlichen Ämtern ist unabhängig von dem religiösen Bekenntnis.
Ich muß aber leider sagen: es gibt auch Beweise, daß nicht nur dem Sinn, sondern auch dem Wortlaut des Grundgesetzes eklatant zuwidergehandelt wird. Ich habe hier ein Schreiben des Herrn Bundesministers des Innern mit folgendem Wortlaut:
Sie
- der Angeredete werden für eine Verwendung in einem oberen Bundesgericht benannt und gebeten, das anliegende Formblatt für einen Lebenslauf auszufüllen und nach hier zurückzusenden.
Wenn Sie sich, meine Damen und Herren, das
Formblatt betrachten - ich will es gern auf den
Tisch des Hauses niederlegen -, so ist die erste
Frage nach dem Namen die Frage nach der Religion.
({4})
Es existieren Listen für die Personalien im Auswärtigen Dienst, bei denen hinter die Namen ein E und K gesetzt ist,
({5})
was offensichtlich evangelisch oder katholisch bedeuten soll. - Herr Kollege Kunze, Sie brauchen nicht mit dem Kopfe zu schütteln, man hat diese Listen gesehen.
({6})
Angesichts dieser Tatsachen besteht doch eine erhebliche Vermutung, ja eine Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit eines Berichtes, der sich in der „Deutschen Zeitung" und „Wirtschaftszeitung" Nr. 40 vom 20. Mai befindet und aus dem ich mit der freundlichen Genehmigung des Herrn Präsidenten nur einige wenige Sätze dem Hohen Hause bekanntgeben möchte:
Denn leider
- heißt es dort im Mai besteht kein Zweifel darüber, daß in einer Reihe von Ministerien, nicht in allen, vorweg aber im Bereiche des Bundeskanzleramtes, über die Einstellung von Beamten und Angestellten jeder Kategorie heute auch unter dem Gesichtspunkt der Konfessionszugehörigkeit entschieden wird. Das geschieht nach ungeschriebenen Weisungen von höchster Stelle der Bundesregierung. Allerdings gibt es auch handschriftliche Vermerke.
Wir fragen die Bundesregierung: Ist es wahr, daß im Bundeskanzleramt ganz offiziell ein Prinzip von 1 zu 1 für Katholiken und Evangelische besteht? Ist es wahr, daß die Besetzung der Positionen im Auswärtigen Dienst auch entsprechend nach konfessionellen Gesichtspunkten aufgeschlüsselt werden soll, und ist es wahr oder wird damit zugegeben, daß auf diese Weise dann die Hälfte aller Stellen im auswärtigen Dienst für den katholischen Flügel der CDU monopolisiert wird?
Meine Damen und Herren, um die ungeheure Bedeutung dieser Fragen zu kennzeichnen, darf ich Sie doch darauf aufmerksam machen: Sie reden so gern davon, daß Sie sich zum Prinzip des Berufsbeamtentums bekennen. Wissen Sie denn nicht, daß das gebrochene Rückgrat das ABC der deutschen Misere im öffentlichen Dienst ist? Wissen Sie nicht, daß sich ein echtes Berufsbeamtentum ohne den unabdingbaren Grundsatz der Toleranz nicht verwirklichen läßt? Berufsbeamtentum und Toleranz gehören denknotwendig und geschichtlich zusammen. Diese Erkenntnis ist ja das Ergebnis einer jahrhundertelangen Entwicklung,
({7})
in Preußen bereits unter dem großen Kurfürsten begonnen und im Allgemeinen Landrecht bereits erstmals kodifiziert. Dieser Fragebogen hier wäre in Preußen bereits 1794 unzulässig gewesen,
({8})
den wir heute, 1950, über uns ergehen lassen müssen.
Aber die Bedeutung reicht weit hinaus über den Bereich der Personalpolitik. Denn was kann uns von totalitären Ländern im letzten Grunde unterscheiden, wenn es nicht die Freiheit des Geistes ist? Die Freiheit des Geistes aber ist unteilbar. Sie an nur einer Stelle aufzuheben, sie durch die konfessionelle Ausrichtung und Gleichschaltung des Beamtenkörpers zu zerstören, heißt, sie ganz zu verlieren.
({9})
Meine Damen und Herren! In ihrem Wort zum Frieden hat die im April in Berlin-Weißensee versammelte Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland mit Recht die Regierung unseres Volkes beschworen, die Würde und Freiheit des Menschen zu wahren, und hat dabei erklärt:
Dazu gehört,
- ich zitiere jetzt wörtlich aus dem Wort -daß in Glaubens- und Gewissensfragen kein Zwang und Terror geübt wird, daß niemand wegen seines Glaubens, seiner Weltanschauung oder seiner Rasse verfolgt oder benachteiligt wird, daß niemand zu Handlungen genötigt wird, die gegen sein Gewissen sind. Wir mahnen die Regierungen in unserem Volke, dieses heilige Recht des Menschen, das er als Geschöpf Gottes hat, nicht zu verletzen. Solche Verletzungen zerstören alle Ordnung und den Frieden im Volke.
({10})
Soweit das Wort der Evangelischen Kirche!
Meine Damen und Herren! Wenn Sie die Beamtenpositionen nach der Religionszugehörigkeit aufschlüsseln und damit überhaupt erst einmal die kirchliche Zugehörigkeit für den Beamtenstand voraussetzen und außerdem nicht der qualitativ beste Mann und der am meisten befähigte, sondern der kommt, der jeweils nach dem Konfessionsschlüssel dran ist, dann handeln Sie mit aller Eindeutigkeit gegen diese Mahnung und gegen das Grundgesetz.
Wir fragen daher die Bundesregierung, ob sie bereit ist, anzuordnen, daß jedwede Frage nach dem Bekenntnis eines Beamten unterbleibt, und ob sie bereit ist, sicherzustellen, daß jeder Konfessionalismus aus der Personalpolitik restlos verschwindet. Wir geben der Erwartung Ausdruck, daß uns die Bundesregierung noch heute verbindliche und zufriedenstellende Zusagen machen wird.
({11})
- Was haben Sie zu bemerken?
({12})
- Darauf werde ich gleich zu sprechen kommen, da werden Sie meine Antwort hören.
Unsere Anfrage nämlich - damit komme ich zu Ihrem Thema - an die Bundesregierung wäre nur eine Halbheit geblieben, hätten wir nicht zugleich die Aufmerksamkeit auf das unerträgliche Unwesen der Ämterpatronage gelenkt und darauf hingewiesen, daß nach Art. 33 die Eignung eine entscheidende Voraussetzung für den Zugang zu einem öffentlichen Amte ist. Viele beunruhigende Anzeichen deuten darauf hin, daß sowohl die Altherrenverbände der Studentenkorporationen, insbesondere der Kösener SC, aber auch der CV und KV, teilweise in heftigem unterirdischem Kampf untereinander, der manchmal durch solche Listen des Herrn Dr. Pünder vom Institut für Früh- und Vorgeschichte emporgespült ist, als auch die ehemaligen Mitglieder der NSDAP einen ungebührlichen Einfluß auf die Ämterbesetzung ausüben. Zuweilen nämlich verbündet sich auch der Korpsgeist der studentischen Korporationen mit dem Korpsgeist der Männer, die sich durch ihre politische Vergangenheit aus der Hitlerzeit belastet fühlen.
Ich will dabei in keiner Weise einer neuen Denazifizierung das Wort reden; denn wir haben an der einen mehr als genug, und was dazu von dieser Stelle aus von den Herren Kollegen Dr. Gerstenmaier und Erler gesagt worden ist, das muß bestehen bleiben. Es handelt sich für uns nicht darum, ob der eine oder der andere einmal Pg gewesen ist. Ich kenne eine erhebliche Zahl hervorragender Beamter etwa des Bundesjustizministeriums, die ein für allemal davor geschützt werden sollten, daß man ihre rein formale Zugehörigkeit zur NSDAP wieder hervorzerrt. Wir sind bereit, für diese Haltung auch Angriffe in Kauf zu nehmen, wie sie mir zum Beispiel persönlich im Falle des Herrn Dr. Sonnenhohl in der in- und ausländischen Presse zuteil geworden sind; und mit Recht, wenn ich das nebenbei bemerken darf, hat sich Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard auch auf mich berufen, als es sich um seinen persönlichen Referenten Dr. Kutscher handelte.
Wenn wir uns zu der Frage gezwungen sahen, ob die Bundesregierung Personen, die für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft an hervorragender Stelle tätig' waren, für geeignet hält, heute hohe - der Ton liegt auf hohe - öffentliche Ämter zu bekleiden, so bewegt uns hierbei gerade die Sorge, daß die große Zahl der kleinen und harmlosen Mitläufer nicht dadurch geschädigt werden sollte, daß sich immer wieder einige, die keinerlei Veranlassung dazu hätten, in den Vordergrund drängen.
({13})
Um es ganz eindeutig zu sagen: Wir sind dafür, daß der x-beliebige Pg endlich gleichberechtigt behandelt wird; aber wir sind dagegen, daß ein stillschweigender Zusammenschluß ehemaliger Parteigenossen sich zur erneuten Machtergreifung in der Personalpolitik drängt.
({14})
Wir sind dafür, daß es keine Trennungslinie mehr zwischen Pgs und Nicht-Pgs geben sollte; aber wir sind dagegen, daß hohe Ämter Personen anvertraut werden, von denen eine demokratische Haltung nicht zu erwarten ist oder die in aller Welt Augen geradezu als die Repräsentanten der braunen Vergangenheit erscheinen.
Ich weiß, daß die Verhältnisse in den einzelnen Ministerien durchaus verschieden liegen. Das Bundesministerium des Innern insbesondere ist um eine loyale und unparteiliche Personalpolitik im wesentlichen bemüht, und ich nehme an, daß der Herr Minister des Innern weiß, daß sich das von dem bei ihm tätigen Herrn Hagemann nicht immer sagen. läßt. Auch gegen das Bundesjustizministerium wird im allgemeinen nichts zu erinnern sein, wenn sich auch bei der bekannten Abneigung, die Herr Minister Dr. Dehler gegen die rote Farbe hat,
({15})
niemand in seinem Ministerium befindet, der irgendwie sozialistischer Neigungen verdächtig erscheint.
({16})
Im Bundesarbeitsministerium dagegen ist es wohl der Aufmerksamkeit des Herrn Bundesministers Storch entgangen, daß eine Gruppe ehemaliger Parteigenossen aus Ressentiment eisern entschlossen ist, keinen Unbelasteten oder gar Verfolgten in ihren Kreis aufzunehmen.
({17})
Wir hören dann immer den beliebten Vorwand, es sei keiner da, und wenn einmal eine Referentin namhaft gemacht wird, die unbelastet ist, dann bedarf es erst wiederholter Vorstellungen bei dem Herrn Minister persönlich und bei seinem Staatssekretär, weil sonst diese Bewerbung bzw. dieses
({18})
Aktenstück unauffindbar ist. Dabei handelt es sich beileibe nicht um Sozialdemokraten, sondern auch bei Angehörigen Ihrer Partei, Herr Kollege Euler, der FDP, oder der CDU ist eine Beförderung dort nahezu ausgeschlossen, wenn jemand unbelastet ist.
({19})
Bezüglich des auswärtigen Dienstes haben wir die feierliche Zusicherung gehört, daß man keine ehemaligen Parteigenossen ins Ausland schicken werde; aber die mittlere Beamtenschaft, die fast ausschließlich aus ehemaligen Parteigenossen besteht, läßt einfach keinen anderen hinein, um sich die Auslandsstellen zu reservieren. Das sind einige typische Beispiele für die Ämterpatronage durch den stillschweigenden Zusammenschluß ehemaliger Angehöriger der NSDAP, und es ist beweisbar, daß die Behauptung, es sei ja sonst keiner da, auch durch ihre Wiederholung nichts an ihrer Unwahrheit einbüßt.
Es ist ein Zufall, daß am gleichen Tage, an dem wir unsere Interpellation eingereicht haben, am 26. April, der Herr Bundesminister Hellwege auf die kleine Anfrage Nr. 68 der SPD eine Antwort erteilt hat, in der er sagt, aus der Zeit der Frankfurter Verwaltung sei eine zentrale Kartei zur Erfassung aller abgebauten Angestellten eingerichtet, in der auch die Tatsache der rassischen, politischen oder religiösen Verfolgung vermerkt werde; diese werde dann bei der Meldung hervorgehoben. Wir fragen die Bundesregierung, wieviele dieser abgebauten Unbelasteten oder Verfolgten, die von ihr selbst ausdrücklich als verwendbar anerkannt sind, noch warten müssen. Wir sind bereit, noch eine Liste zum Beispiel mit 21 Namen neu im Bundeswirtschaftsministerium eingestellter Personen vorzulegen, die durchweg ihre Zugehörigkeit zur NSDAP, SA oder SS nachzuweisen das Glück und den Vorzug hatten.
({20})
Allein aus Bayern sind der Bundesregierung 242 Verfolgte als Bewerber gemeldet worden. Davon stammt ein Drittel aus dem öffentlichen Dienst. Über 50 sind, glaube ich, sogar von der bayerischen Staatskanzlei besonders empfohlen worden. Aber über irgendeinen Erfolg dieser Meldung ist bisher weder hier noch dort etwas bekanntgeworden. In Württemberg-Baden waren es zwei, die politisch verfolgt waren und zur Tätigkeit bei den Bundesbehörden gemeldet worden sind. Auch für diese beiden war nichts da. Ich will gar nicht erst von den Spruchkammerangestellten reden, sondern mich damit begnügen, festzustellen, daß sich bei der gegenwärtigen Lage die in der Nazizeit politisch Verfolgten heute weithin einer zweiten Verfolgung gegenübersehen.
({21})
Diese Vorgänge wären nicht erklärbar, würden nicht einige Schlüsselpositionen von einigen Männern gehalten, die von einem Ressentiment gegen alle Unbelasteten oder Verfolgten erfüllt und auf eine machtpolitische Ämterpatronage erpicht sind, die in gar keiner Weise demokratisch ist.
Meine Damen und Herren, das ist keine Parteiangelegenheit. Das Recht der Bundesregierung, Beamte zu ernennen, die uns, der Opposition, parteipolitisch höchst unerwünscht sein mögen, erkennen wir vorbehaltlos an. Wovon ich hier spreche, das ist eine nationale und heute zugleich eine internationale Frage;
({22})
denn es geht um nicht weniger als um die Geltung der neuen deutschen Demokratie in der Welt.
({23})
Da ist es schmerzlich zu beobachten, wie die Bundesregierung unsere Kritik, die wir aus Anlaß des Etats geübt haben, in den Wind geschlagen hat. Daraus erwächst für uns die Pflicht - eine teilweise recht peinliche Pflicht -, mit unmißverständlicher Schärfe unsere Klagen vor aller Öffentlichkeit vorzubringen, weil es oft unbegreiflich ist, welch unglückliche Hand die Bundesregierung in der Personalpolitik hat, besonders wenn man bedenkt, daß Zehntausende von Bewerbungen vorgelegen haben und elf Landesregierungen bemüht gewesen sind, nur die besten Männer und Frauen für die Bundesverwaltung zu präsentieren.
Es kann heute im Rahmen dieser Interpellation nicht meine Absicht sein, auf weitere Einzelheiten einzugehen. Meine Freunde und ich sind auch der Meinung, daß man Namen und Einzelheiten zuerst im direkten Gespräch und anschließend im zuständigen Ausschuß klären sollte, ehe man hier im Plenum davon anfängt. Aber ich muß auf zwei Fälle eingehen, weil bei ihnen die Entwicklung soweit vorgeschritten ist, daß man sich von irgendwelchem direkten Gespräch oder einer Behandlung im Ausschuß wohl kaum mehr etwas versprechen kann.
Seit Monaten haben wir über den Fall des Herrn Dr. Ehrich Beschwerde geführt, und zwar zuerst im Auswärtigen Ausschuß, dann im Plenum. Sie alle haben von dieser Stelle her die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers gehört, daß auch seinerseits gegen eine Verwendung von Herrn Dr. Ehrich erhebliche Bedenken bestünden und daß er sich dieser Sache annehmen werde. Aber was ist in all den vielen Wochen geschehen? Unseres Wissens nichts als eine Publikation eines Herrn Johann Dietrich Lauenstein in Hannover, der sich als Generalsekretär der Deutschen Partei bezeichnet. In dieser Publikation steht zum Fall Ehrich folgendes:
Schließlich ist Dr. Ehrich auch nicht aus seinem Amt entfernt worden, sondern nach wie vor als Angestellter nach TOA III im kulturpolitischen Referat in der Rechtsabteilung des Bundesministeriums tätig.
({24})
Zwar hat der Herr Bundeskanzler bereits zweimal erklärt, daß ihm Denunziationen über Dr. Ehrich zugegangen seien, die seine Beschäftigung im Ministerium Hellwege bedenklich erscheinen ließen. Er hat jedoch bereits viele Wochen verstreichen lassen, ohne Herrn Hell- wege das angeblich belastende Material vorzulegen, so daß dieser, der nach dem Grundgesetz für die Führung seines Ressorts allein verantwortlich ist, hiervon keine Notiz nehmen kann.
Meine Damen und Herren, das ist ein sehr „hübscher" Ton, daß der Generalsekretär einer Regierungspartei in der Öffentlichkeit von „angeblichem"
Material des Herrn Bundeskanzlers spricht und erklärt, daß der Bundesminister Hellwege von den
Auffassungen des Herrn Bundeskanzlers keine Notiz nehmen kann.
Das ist es, was sich im Fall Ehrich ereignet hat. Aber es hat sich noch etwas ereignet, was Sie nicht wissen. Herr Minister Hellwege hat seinerzeit an uns Sozialdemokraten die Aufforderung gerichtet, wir sollten uns doch einmal in Bornum bei unseren eigenen Parteifreunden erkundigen, dann würden wir schon das Richtige über Herrn Dr. Ehrich hören; denn die wären alle dafür. Nun, wir haben uns er({25})
kundigt und dabei festgestellt, daß diese Briefe, die nicht nur meinen Freunden, sondern auch, wie ich glaube, einem Teil von Ihnen zugegangen sind, von dem Vater der Hausangestellten des Herrn Dr. Ehrich geschrieben werden, offenbar von ihm aufgesetzt, mit der Schreibmaschine geschrieben und von diesem unglückseligen Manne, der sich erst seit zwei Jahren in Bornum befindet, unterschrieben.
({26})
Ich glaube auch nicht, daß Bornum oder Quakenbrück oder etwas Ähnliches der geeignete Ort ist, um sich über Herrn Dr. Ehrich zu erkundigen. Ich kann Ihnen aber ganz präzise Einzelheiten darüber sagen, worum es sich handelt.
Herr Dr. Ehrich hat seinerzeit durch den sozialdemokratischen Minister Herrn Jaspers ein Stipendium bekommen, um studieren zu können. Er hat das damit quittiert, daß er schon als Student Nationalsozialist wurde. Er trat dann in die AO, in die Auslandsorganisation der NSDAP, ein, um die Karriere als Parteibuchbeamter zu machen, genau wie er es heute bei der Deutschen Partei versucht. Auf diesem Wege gelangte er zum Gauleiter Bohle in die Gauleitung. Mit dem Gauleiter Bohle kam er ins Auswärtige Amt in die Dienststelle „Chef der Auslandsorganisation im Auswärtigen Amt" und war dort als Gauamtsleiter persönlicher Referent und einziger Mitarbeiter des Herrn Bohle, war der eigentliche Manager der NSDAP im Auswärtigen Amt, ist verantwortlich für die Korruption durch die Dotationen an die politischen Parteileiter im Ausland und hat sich maßgeblich an dem Terror beteiligt, der von dort gegen alle Auslandsdeutschen ausging, die keine Nationalsozialisten waren; er hat insbesondere bei allen Ausbürgerungen seine Hand im Spiele gehabt.
({27})
Auf diesem Wege wurde er dann stellvertretender NS-Landesgruppenleiter in Paris und NS-Landesgruppenleiter für Italien in Rom.
Das sind Auskünfte, die man nicht in Bornum bekommt, die aber, glaube ich, zuverlässig sind und die doch zu denken geben sollten, die vor allen Dingen dafür sprechen, daß man einen solchen Fall nicht länger in der Schwebe lassen kann.
Meine Damen und Herren, wenn sich die Autorität des Herrn Bundeskanzlers im Falle Ehrich als so bedauerlich schwach erwies, vermag ich kaum einen anderen Grund dafür zu finden als die beklagenswerte Tatsache, daß die Ämterpatronage, der beamtenpolitische Konfessionalismus und die Verbundenheit mit dem Nationalsozialismus im Bundeskanzleramt selbst zentral ihren Sitz haben und durch Herrn Dr. Globke personifiziert werden.
({28})
Wir müssen über diese Sache sprechen; wir müssen um so mehr darüber sprechen, als ja bekannt geworden ist, daß die Bundesregierung in einer ihrer letzten Sitzungen beschlossen hat, die Ernennung von Herrn Dr. Globke zum Ministerialdirektor im Bundeskanzleramt vorzuschlagen.
({29})
Es mag sein, daß Herr Dr. Globke niemals Nationalsozialist war; es mag auch sein, daß er stets mit geheimem Vorbehalt und nur mit Abscheu die ihm von den Nationalsozialisten zugemutete Tätigkeit ausgeübt hat; und es mag schließlich sein, daß er in Zweifelsfällen geholfen hat.
Ich weiß auch, daß Herr Dr. Globke gewichtige und sehr achtenswerte Fürsprecher hat. Wir sind
auch keine Anhänger des Arbeitsverbots, und ihm persönlich sollte kein Stein für sein berufliches Fortkommen in den Weg gelegt werden. Aber, meine Damen und Herren, es gibt Aufgaben genug in Deutschland. Es wäre sogar möglich, denkbar, wenn auch wenig wahrscheinlich, daß Herr Dr. Globke ein achtunggebietendes Opfer auf sich nahm, als er sich zum Handlanger der Nationalsozialisten erniedrigte, um dem größeren Ziele zu dienen, inmitten der Hölle der Beobachter und der Warner zu sein.
Mußte aber Herr Dr. Globke nicht gerade dann Charakter beweisen und sich sagen: Ich habe dies Odium auf mich genommen; ich kann und will mit dem Schatten, der auf mir lastet, nicht heute und morgen dem Vertrauen im Wege stehen, dessen die junge deutsche Demokratie innen und außen so lebensnotwendig bedarf!
({30})
Wir müssen beklagen, daß Herr Dr. Globke nicht Charakter bewies und daß die Bundesregierung keine Einsicht zeigte; und dadurch erst wird es für uns unausweichlich, nun mit Härte auch die andere Seite des Falles Globke zu zeigen.
Der Kommentar ist hier bereits wiederholt Gegenstand der Erörterung gewesen. Aber das Wesentliche ist dabei nicht gesagt worden. Denn, meine Damen und Herren, die Nürnberger Gesetze sind nicht irgendwelche Gesetze, über deren Gültigkeit oder Ungültigkeit, deren Sittlichkeit oder Unsittlichkeit man vielleicht streiten könnte; die Nürnberger Gesetze gehören in ganz erster Linie zu dem, was der unvergeßliche Gustav Radbruch als gesetzliches Unrecht bezeichnet hat, welches niemals zur Würde des wahren Rechts emporgestiegen sei. Hier handelt es sich um mit Paragraphen verübte Ächtung, um mit Paragraphen verübten Mord; und Herr Dr. Globke hat das ganz genau gewußt.
Herr Dr. Globke ist am 11. August 1948 im Wilhelmstraßen-Prozeß dazu vernommen worden. Es wurde ihm die Frage vorgelegt: Halten Sie diese Akte nicht für kriminell, ganz gleich ob sie durch Verordnung oder Gesetz gedeckt waren? Antwort von Herrn Dr. Globke: Ich halte alle Verfolgungen von Juden für kriminell. Frage: Auch wenn sie durch Verordnung, Führerbefehl oder ähnliche Sachen gedeckt waren, wenn ich Sie richtig verstehe? Antwort: Ja! - Herr Dr. Globke war sich also dessen bewußt. Als Verbrechen sind die Nürnberger Gesetze einer rechtswissenschaftlichen Erörterung ebensowenig zugänglich wie etwa heute Befehle über die KZ-Verbringung in der sowjetischen Zone. Denn, um es noch einmal zu betonen: worum es sich hierbei handelt, das ist der Verrat der Menschenwürde und die Schändung des deutschen Namens, die nicht interpretierbar sind.
({31})
Ich gehöre auch nicht zu denen, die über etwas sprechen, was sie nicht gesehen haben. Ich habe den Kommentar selbst in der Hand gehabt. Ich habe mich mit ihm befaßt, und es ist nicht richtig, daß er auch nur überwiegend oder überhaupt von der Tendenz getragen sei, zu helfen. Es ist sogar eine teilweise extensive Auslegung dieser Schandvorschriften darin gegeben, zum Beispiel die, daß die sogenannte Rassenschande unter Umständen sogar dann strafbar sei, wenn sie im Auslande verübt wurde. Meine Damen und Herren, wer als Jurist eine solche Tat oder Untat, wie es die Nürnberger Gesetze sind, scheinbar wissenschaftlich kommentiert, setzt sich dem Vorwurf aus, daß das, was er
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dort getrieben hat, kaum mit einer anderen Bezeichnung versehen werden kann als der einer juristischen Prostitution.
Aber für uns ist das Wesentliche das, daß der Name Globke auf diese Weise für immer mit den Nürnberger Gesetzen verknüpft ist. Er ist auch sonst verknüpft; denn Herr Dr. Globke war im Reichsinnenministerium Korreferent für Judenfragen und hat in dieser Eigenschaft mit dem SS-Obergruppenführer Stuckart während des Krieges unter anderem folgende Reisen und Besuche gemacht. Er war bei Seyß-Inquart im Haag, bei Bürckel in Metz, bei Wagner in Straßburg, bei Forster in Danzig, bei Neurath und Karl Hermann Frank in Prag, in Paris, bei Antonescu in Bukarest und bei Tiso, Mach und Karmasin in Preßburg. Das sind nur einige dieser Reisen. Überall, wo dieser Korreferent für Judenfragen mit dem SS-Obergruppenführer Stuckart erschien, soll natürlich von Juden - außer in Straßburg, wofür ein Dokument vorliegt, das ist Pech! nie gesprochen worden sein und soll das Reichsinnenministerium nur als Hort und Hüter der Juden in Erscheinung getreten sein. Aber alle Welt weiß, daß von diesen Plätzen aus und nach diesen Besprechungen sich die Blutspur der gemarterten und gemordeten Juden in die Vernichtungslager nach Auschwitz und nach Maidanek zog.
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Und Herr Dr. Globke wußte um diese Greuel! Er hat es selbst als Zeuge zugestanden, und sein Kollege, der Ministerialrat Lösener aus dem Reichsinnenministerium, der der erste Referent für Judenfragen und ursprünglich ein erklärter Nationalsozialist war, konnte dieses Unsagbare nicht auf sein Gewissen nehmen und hat ausdrücklich mit diesem Grunde seinen Abschied verlangt und ist zum Reichsverwaltungsgericht übergegangen. Aber Dr. Globke blieb, und Dr. Globke blieb sogar bis heute.
Meine Damen und Herren! Wenn es irgendeine Vermessenheit, eine Hybris gibt, die schlechterdings tödlich für eine Wiedergenesung Deutschlands wirken müßte, so ist es die Verblendung, wir könnten so tun, als hätte sich zwischen 1933 und 1945 überhaupt nichts ereignet. Und aus diesen Gründen fragen wir die Bundesregierung zum letzten Male in aller Form und mit allem Ernst: Hält die Bundesregierung Personen, die für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft an hervorragender Stelle tätig waren, hält sie Personen, die zumindest objektiv als nihilistische Instrumente so ihren Namen mit der Unmenschlichkeit verknüpft haben, im Sinne des Grundgesetzes für geeignet, heute hohe öffentliche Ämter zu bekleiden? Wir bitten sie, bei ihrer Antwort zu bedenken, daß es sich nicht um Herrn Dr. Globke handelt, nicht einmal um die Bundesregierung Adenauer, sondern daß Deutschland auf dem Spiele steht.
({34})
Das Wort zur Beantwortung der Interpellation hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die vier formulierten Fragen der Interpellation antworte ich zunächst folgendes.
Erstens: Die Mitteilungen der Bundesregierung über die konfessionelle Zugehörigkeit der Beamten in den Bundesministerien sind durch Artikel in der
Presse, und zwar nicht zuletzt in der sozialdemokratischen Presse, veranlaßt worden,
({0}) Mitteilungen, die offensichtlich unrichtige Bemerkungen über eine einseitige konfessionelle Zusammensetzung der Bundesbehörden enthalten haben. Um die Öffentlichkeit über den Tatsachenverhalt klar unterrichten zu können, hat die Bundesregierung Feststellungen über das religiöse Bekenntnis einiger Beamtenkategorien getroffen.
({1})
Nach den ergangenen Anordnungen waren diese Feststellungen über die Konfessionszugehörigkeit nach Möglichkeit aus den Personalakten zu treffen. Ausdrücklich ist darauf hingewiesen worden, daß kein Beamter verpflichtet sei, die Frage nach seiner Konfessionszugehörigkeit zu beantworten.
({2})
Es war schließlich auch hervorgehoben, daß die Erhebungen lediglich zu statistischen Zwecken erfolgten, und Einwendungen gegen diese Erhebung sind nicht vorgebracht worden.
Zweitens: Die Angabe der Konfession behördlich zu fordern, ist in der Tat nur im Rahmen des Art. 140 des Grundgesetzes in Verbindung mit Art. 136 RV. zulässig, das heißt nur insoweit, als davon Rechte und Pflichten abhängen oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung dies erfordert. Vielfach machen aber die Bewerber von sich aus solche Angaben ohne weiteres. Wenn ich hier einschalten darf: der von Herrn Dr. Arndt genannte Fragebogen wird in der Form verwendet, daß er den Zusatz trägt „Beantwortung freigestellt".
({3})
Drittens: Über eine Ämterpatronage durch die Altherrenverbände von Studentenkorporationen besitzt die Bundesregierung keine Unterlagen. Sie ist jedoch bereit, solche Unterlagen zu erheben, falls der Bundestag dies wünschen sollte.
({4})
Viertens: Die Bundesregierung hält Personen, die für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft an hervorragender Stelle tätig waren, nicht für geeignet, heute hohe öffentliche Ämter zu. bekleiden.
Herr Dr. Arndt hat seine Begründung im wesentlichen ausklingen lassen in die beiden Fälle Dr. Eh-rich und Globke. Was den Fall Dr. Ehrich anbelangt, so hat er mit Recht vorgetragen, daß er von dem Herrn Bundeskanzler unmittelbar mit dem zuständigen Ressortminister verhandelt wird. Über den Stand dieser Dinge kann ich nichts sagen, weil ich darüber nicht unterrichtet bin. Ich werde es dem Bundeskanzleramt überlassen müssen, dazu die nötigen Auskünfte gegebenenfalls noch zusätzlich zu geben.
({5})
Was Herrn Dr. Globke anbelangt, so soll ja, wenn ich Herrn Arndt recht verstanden habe, in ihm das eigentliche Hindernis liegen dafür, daß die Bundesrepublik innerhalb Deutschlands und auch außerhalb Deutschlands Vertrauen zu gewinnen vermöchte. Herr Dr. Arndt hat selber gesagt, daß Herrn Globke eine stattliche Reihe von Erklärungen zur Verfügung steht. Ich will sie hier nicht der Reihe nach ausspielen, denn so können wir ja derartige Dinge überhaupt nicht behandeln. Ich möchte mir aber doch erlauben, einen Zeugen zu nennen, der
({6})
nämlich gerade auf dem Gebiete, das Herr Dr. Arndt hier in den Vordergrund gerückt hat, besonders gewichtig ist und der auch für die Beurteilung von Herrn Dr. Globke im Ausland wirklich etwas Repräsentatives zu sagen vermag, und zwar ist das der Ankläger aus den Nürnberger Prozessen, der bekannte Robert Kempner.
({7})
- Ja, ich erwähne gerade diesen Zeugen, weil ich davon ausgehen darf, daß er Herrn Dr. Arndt wirklich von Gewicht sein wird. Herr Kempner hat am 13. Mai 1950 an Herrn Dr. Globke einen Brief geschrieben, in dem unter anderem steht:
Lieber Herr Globke! . . . Da wir gerade bei dem Anpöbeln sind, bin ich offen genug, um Ihnen zu sagen, daß ich die Angriffe auf Sie aufs tiefste bedauere. Falls Ihnen eine Rückenstützung von mir nützt, da ich nicht nur mit Ihnen, sondern über Sie mit vielen Leuten zwischen 1945 und 1949 gesprochen habe, lassen Sie es mich wissen.
Mit besten Grüßen usw.
Im übrigen werde ich gerne von der von Herrn Dr. Arndt angeregten Methode des weiteren Gesprächs, sei es unmittelbar oder sei es vor zuständigen Ausschüssen, Gebrauch machen, weil ich der Meinung bin, daß alle Details um bestimmte Personen wirklich nur in solcher Form angemessen behandelt werden können.
({8})
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als erster Herr Abgeordneter Pannenbecker. Acht Minuten.
Meine Damen und Herren! Die Zentrums-Fraktion ist nicht der Meinung, daß den Beteiligten schon dadurch ein Nachteil entstehe, wenn nach ihrer Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnis oder zu einer Weltanschauung gefragt wird Das ist an sich eine alte Verwaltungspraxis, die schon dadurch gerechtfertigt ist, daß neuerdings in einzelnen Diözesen der katholischen Kirche hier im Westen die Kirchensteuern durch eine Abmachung mit dem Episkopat von den Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes ebenso wie die Lohnsteuer einbehalten werden. Aber das ist ein rein technisches Erfordernis.
Es gibt jedoch noch einen tieferen Grund, einen Grund besonderer Art; und wenn man schon eine gehörige Handhabung der Parität durchführen will, dann muß man die Grundlagen dazu schaffen. Das ist nur möglich, wenn bekannt ist, wohin der eine oder andere nach seinem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis gehört. Nach der Statistik, die vorliegt, ist diese Parität in keiner Weise gewahrt. Wir haben in den Ministerien der Bundesregierung insgesamt 997 Beamte des höheren Dienstes. Davon sind 257 katholisch, 682 evangelisch und 58 ohne Konfession. Das bedeutet in Prozentzahlen ausgedrückt, daß 25,77 % katholisch, 68,41 % evangelisch und 5,82 % ohne Konfession sind. Nehmen Sie die Beamten und Angestellten des gehobenen Dienstes. Da haben sie 277 Katholiken, 761 Protestanten und 90 ohne Konfession. Das sind in Prozenten ausgedrückt 24,56 % Katholiken, 67,46 % Protestanten und 7,98 % ohne Konfession. Wir möchten auf dieses wertvolle Material nicht verzichten, und wir legen Wert darauf, daß die deutsche Bundesrepublik nicht der verlängerte Arm der Reformation werde
({0})
- lachen Sie, ich bin noch nicht fertig! -, wie es einstmals im monarchischen Preußen unter der Hohenzollerndynastie die Personalpolitik Preußens gegenüber dem überwiegend katholischen Westen gewesen ist.
Um nicht mißverstanden zu werden: wir setzen Wissen und Können obenan. Wir wollen keine mechanische Parität, ja, wir lehnen uns dagegen auf. Aber das Wissen und Können scheint mir doch auch bei Katholiken ausreichend vorhanden zu sein. Das alte Märchen von der sogenannten Inferiorität der Katholiken sollte doch mittlerweile abgetan sein.
({1})
- Noch immer nicht?
Der Herr Bundesminister Heinemann hat letzthin einmal irgendwo gesagt: „Die geistigen und geistlichen Entscheidungen bestimmen das Bild der Welt". Einverstanden, Herr Bundesminister! Dann sollte man aber auch den Katholizismus ausreichend zu Wort kommen lassen.
({2})
Wir haben Verständnis dafür, wenn es einen Beauftragten der evangelischen Kirche bei der Bundesregierung, den Herrn Superintendenten Kunst gibt.
Bezüglich der Ämterpatronage sind wir der Meinung der Interpellanten. Auch wir lehnen eine Ämterpatronage der Altherrenverbände der Studentenkorporationen ab. Auch hier kann lediglich Wissen und Können bei der Einstellung von Kräften entscheidend sein.
Der letzten Frage der Interpellation möchten wir uns anschließen:
Hält die Bundesregierung Personen, die für die
nationalsozialistische Gewaltherrschaft an hervorragender Stelle tätig waren, für geeignet,
heute hohe öffentliche Ämter zu bekleiden? Dieser Personenkreis ist nach meiner Meinung und nach der Meinung meiner Fraktion nicht geeignet. Ich habe diese Frage von dieser Steile aus in der Plenarsitzung am 16. Februar schon einmal angeschnitten. Die Regierung hat damals geschwiegen, und wir sind der Auffassung, daß nach der Richtung längst hätte Remedur geschaffen werden müssen. Es ist heute ja kaum noch eine Empfehlung, wenn einer von sich sagen kann, er sei nicht Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen gewesen.
({3})
Wir denken dabei nicht an die kleinen Pgs, nicht an die Mitläufer, aber doch an die Leute, die Herr Dr. Arndt geschildert hat, die er gewissermaßen vorgestellt hat, die an hervorragender Stelle, zum Beispiel als Landesgruppenleiter in Italien mit dem hohen Nazirang eines Gauleiters, tätig gewesen sind.
Herr Dr. Arndt hat sich mit dem Fall Ehrich beschäftigt, er hat die Entwicklung und die Betätigung des Herrn Dr. Ehrich ausreichend dargestellt, so daß ich das hier nicht auch noch einmal zu tun brauche. Aber das sind Dinge - das möchte ich namens meiner politischen Freunde sagen -, die nicht vorkommen dürften. Hier wird das Vertrauen berührt, auf das die Bundesregierung gegenüber den Verhältnissen, die sich grundlegend geändert haben, mehr Wert legen sollte, mehr, als sie es bisher getan hat.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dresbach. Bitte 18 Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich vermag nicht mit den Pikanterien des Herrn Kollegen Arndt oder ähnlichem aufzuwarten. Aber ich hoffe, mit einer Forderung am Schluß doch auch seinen Beifall zu finden.
Zu Punkt I der Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion kann ich für meine politischen Freunde erklären, daß uns die Antwort des Herrn Bundesinnenministers befriedigt hat, daß wir in dem Vorgehen der Bundesregierung keine Verletzung des Art. 33 des Grundgesetzes sehen. Herr Kollege Arndt, sind Sie nicht nach den Ausführungen des Kollegen Pannenbecker, der doch wieder einen gewissen sehr alten Imparitäts-Esel ritt, auch der Meinung, daß das Vorgehen der Bundesregierung nicht so ganz unrichtig war?
Was hat er geritten?
({0})
Ich vermag nicht genau zu sagen, wer der erste Kavallerist mit dem Esel gewesen ist.
({0})
Ich möchte aber doch auch noch unterstreichen, was der Herr Bundesinnenminister über die Verlautbarungen der sozialdemokratischen Presse gesagt hat. Soweit ich Einblick gehabt habe, sind diese Verlautbarungen so etwas darauf gerichtet gewesen, den .,Furor Protestanticus" herauszulocken oder gar als Bundesgenossen zu gewinnen.
({1})
Meine Herren von der Sozialdemokratie, Sie haben es früher auch schon anders gekonnt, Sie haben sich früher Ihre Bundesgenossen auch schon anderswo, nur nicht bei den Protestanten gesucht.
({2})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Punkt II der Interpellation: Mir war die Erklärung des Herrn Bundesinnenministers zu den Studentenverbänden etwas kurz, aber er hat ja angedeutet, daß er Untersuchungen anstellen will, wenn sie gewünscht werden. Man muß wohl ganz ernsthaft sagen, daß zur Soziologie des höheren Verwaltungsdienstes in der wilhelminischen Zeit, aber auch noch später in der Weimarer Republik, die Kenntnis der studentischen Korporationen und Verbände durchaus erwünscht, ja sogar notwendig ist. Ich möchte jedem nur raten, auf diese Dinge ein gutes Studium zu verwenden und sich nicht mit solchen abfälligen Polemiken nazistischer Art zu begnügen.
Aber wenn nun schon von den Korporationen die Rede ist, dann liegt es ja nahe, das berühmte Wort von den „Beziehungen" ebenfalls anzuwenden. Da möchte ich doch mit allem Gleichmut feststellen: Beziehungen gibt es nicht nur zwischen Korporationsstudenten. Ich habe selber dazu gehört, aber nicht zu einer so vornehmen wie dem hohen Kösener S. C. oder dem heiligen C. V.; ich war nur bei der schwarzrot-goldenen Burschenschaft.
({3})
Meine Damen und Herren, es gibt auch Kameradschaften, Freundschaften außerhalb der studentischen Korporationen, die schließlich zu solchen Beziehungen führen, wo man sich auch gegenseitig etwas hilft. z. B. Heimatzugehörigkeit; ich habe auch schon einmal gehört: Konzentrationslagerzugehörigkeit soll eine gute Kameradschaft für das fernere Leben geschaffen haben.
({4})
Man möge doch diese Dinge nicht so einseitig übertreiben, wie Sie es tun.
({5}) Dann darf ich noch feststellen: Wenn man vom Standpunkt des Nationalsozialismus ausgeht, dann kann man für die studentischen Korporationen - von wenigen Ausnahmen abgesehen - sagen, daß sie auf ihre Art sehr gut gegen diesen Nationalsozialismus gestanden haben,
({6})
mit dem Erfolg, daß sie ja von Herrn Hitler aufgelöst worden sind.
({7})
- Schließlich, Herr Kollege Greve; man konnte gegen den Nationalsozialismus auch auf eine andere als auf die sozialdemokratische Art stehen, das dürften Ihnen die Leute vom 20. Juli bewiesen haben.
({8})
Im übrigen, meine Damen und Herren, zum höheren Verwaltungsdienst: Mir war die Bemerkung des Herrn Kollegen Arndt über den mittleren Dienst und seine geschlossene Abwehrstellung gegen das Hereinpassieren andersdenkender Leute sehr interessant. Aber, Herr Kollege Arndt, ich glaube, Sie sind doch auch im Dritten Reich irgendwie einmal in den Ministerien Berlins gewesen. Ich habe den Eindruck gewonnen, als wenn die Angehörigen des höheren Verwaltungsdienstes, ob sie nun diese Nadel trugen, Pgs waren, zum mindesten nicht zu denen gehörten, die ich als Blutnazis bezeichnen möchte; das waren doch meistens hineingeschobene Außenseiter.
Nun, meine Damen und Herren, wir wollen Gruppenbildungen und Verbindungen aller Art nicht leugnen. Aber sind Sie denn in der SPD so frei von Schuld und Fehle? Meine Herren, wir bewundern Ihren Korpsgeist!
({9})
Herr Kollege Arndt, ich glaube, man kann doch feststellen: in manchen Länderregierungen war das Mitgliedsbuch der SPD wertvoller als die Zugehörigkeit - ich zitiere nochmals - zum hohen Kösener S. C. oder zum heiligen C. V. oder zu anderen Verbindungen.
({10})
Ich darf wohl festellen, daß dieses Vorzeigen der Mitgliedschaft manchmal allzu blind und kritiklos hingenommen wurde, auch von Ihrer Partei. Es hat sich schließlich doch in Düsseldorf etwas ereignet, und, verehrter Herr Kollege Menzel, bei aller Freundschaft persönlicher Art: Sie wollen doch nicht aus schwarz weiß machen. Sie wissen, was ich gemeint habe.
({11})
Sagen Sie, meine Damen und Herren, wollen wir nicht über dieses Kapitel Korporationen ein biblisches Wort als Abschluß bringen: „Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms", den wir vor den manchmal sehr theoretischen Ausführungen des Herrn Arndt haben sollten.
Aber dann komme ich zum Thema der ehemaligen Nationalsozialisten. Ich hoffe, daß mich Herr Kol({12})
lege Greve jetzt nicht so manches Mal unterbrechen wird.
({13})
Meine Damen und Herren, einen gewaltigen Posten in dem Zeitalter des Nationalsozialismus, in der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, hatte man doch vorzüglich in der NSDAP, d. h. in der Partei, nach dem Grundsatz: Die Partei befiehlt dem Staat. Ich möchte eine hohe Stellung in der Ministerialbürokratie nicht ohne weiteres gleichgesetzt wissen mit einem Gauleiter, einem Kreisleiter oder einem sonstigen Posten. Mir steht nicht zu, mich zum Fall Globke zu äußern. Ich möchte nach den auch für mich sehr eindrucksvollen Darlegungen des Kollegen Arndt annehmen, daß sich die Bundesregierung Zeit und Muße nehmen wird, sich dazu noch besonders zu äußern. Insofern muß ich dem Herrn Kollegen Arndt, der sich in diesem Falle in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler befand, zugeben, daß der Posten eines Landesleiters der NSDAP nicht die richtige Station im höheren Verwaltungsdienst zu sein scheint.
({14})
Aber, meine Damen und Herren, mir scheint sehr viel wichtiger als das Schauen in die Vergangenheit einmal die Beobachtung des gegenwärtigen Nazismus zu sein, der nach den Erfahrungen in meinem Wahlkreis vornehmlich durch die Sozialistische Reichspartei repräsentiert wird. Der sogenannte Reichsführer - oder heißt er Reichsvorsitzender? - dieser Partei sitzt in der Person des pp. Dr. Doris mitten unter uns, und wir wissen ja, daß er sich einmal in einem Presseinterview als Verteidiger der ehemaligen politischen Mörder und Ganoven aufgespielt hat.
0 Meine Damen und Herren! Mir scheint der Nazismus der Vergangenheit nur noch insoweit interessant zu sein, als er in diesen neuen Nazismus überleitet.
({15})
Einige Bemerkungen aus meiner Heimat, die nun als Experimentierfeld des neuen Nazismus ausgesucht worden ist, weil diese einmal die Heimat eines Dr. Ley war.
({16})
- Ja, Sie mögen vielleicht sagen, der Landrat taugt nichts; das bin ich nämlich!
({17})
Diese Sozialistische Reichspartei knüpft in meiner Heimat mit Personen und Methoden direkt an die Art des Nationalsozialismus an, auch mit Saalschutz und Knüppelgarde. Deshalb betrachte ich den Antrag der Rechtsparteien gegen Versammlungsterror absolut nach der Methode: Haltet den Dieb! Ich muß aber auch hier noch sagen, daß die Polizeikonstruktion in der britischen Zone absolut ungeeignet ist, den Schutz des Staates zu gewährleisten.
({18}).
Meine konkrete Forderung, die ich mit meinen politischen Freunden nicht besprochen habe, ist die, daß die Zugehörigkeit zu dieser Sozialistischen Reichspartei unvereinbar mit einer Stellung im öffentlichen Dienst ist.
({19})
Ich habe weiterhin die konkrete Forderung zu stellen - Herr Kollege Arndt, wenn Sie auch wie ich eine Unlust gegenüber der Entnazisierung empfinden -, daß diejenigen ehemaligen Pgs, die sich
zu dieser neuen Sozialistischen Reichspartei bekennen, automatisch ihre Entnazisierung verlieren. ({20})
Meine Damen und Herren, Sie sprachen von der Anstellung und der Beschäftigung ehemaliger Nationalsozialisten. Was sagen Sie dazu, daß dem Landesvorsitzenden Rheinland der Sozialistischen Reichspartei, dieser neuen Nazipartei, ein Lehrauftrag von der Universität Köln erteilt worden ist,
({21}) allerdings über Tierheilkunde, die meines Erachtens ja nicht in die universitas gehört, sondern in eine Fachschule. Immerhin ist dieser Fall nicht uninteressant.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mit folgender Variation Wilhelm Raabes schließen, der nun einmal mein Lieblingsschriftsteller ist. Die Variation ist allerdings etwas eigenartig:
Schauen wir doch nicht so sehr in die Vergangenheit und auf die verblassenden Sterne am ehemaligen Korporationshimmel!
Wenn Sie einmal durch Bonn gehen, dann sehen
Sie: am Haus des Korps Borussia, dessen Angehörige
früher einmal Gegenstand der Simplizissimuswitze
waren, steht ein Schild angeschlagen: „Wohlfahrtsamt der Stadt Bonn". Das ist wohl symbolhaft.
({22})
Ich glaube auch nicht an eine Restauration in diesen Dingen, obwohl ich ja selber einmal darin war. Aber, meine Damen und Herren, geben wir etwas mehr acht auf die Dreckgassen des neuen Nazismus, in denen sich meines Erachtens auch gewisse Flüchtlingsparteien bewegen.
({23})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen
Herren! Ich bedaure, daß diese Diskussion über
die religiöse Zugehörigkeit der Beamten und Angestellten überhaupt in dieser Form geführt worden ist. Denn nie haben die zwei Kirchen, die evangelische und die katholische, besser zusammengehalten als in der jetzigen Zeit, in der sie angesichts der furchtbaren Bedrohung aus dem Osten auch zusammenhalten müssen.
({0})
Ich frage: Will man von der politischen Seite her eine Spaltung in diese Einigkeit und Zusammenarbeit hineintragen?
({1})
Das ist meine kurze Stellungnahme zu dieser Frage.
Ich komme zu der Frage der ehemaligen Nazis. Wir müssen uns mit Recht manchmal in diesem Hause die steigende Wut und den Abscheu vergegenwärtigen, welche man im deutschen Volke während des Krieges in immer stärkerem Maße gegen die Nazis empfunden hat. Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß man 1945 gewillt war, mit aller Energie mit all diesen Verbrechern Schluß zu machen. Nun hat man unter dem Druck und in der Not der Zeit leider dieses Gefühl etwas vergessen. Man kümmert sich nicht so sehr mehr um die Tausende von einfachen Nazis, die noch draußen liegen, und bemüht sich eigenartigerweise manchmal noch um führende
({2})
Leute, die 1945, wenn man sie dem Volke preisgegeben hätte, einfach erschlagen worden wären.
({3})
Aber wenn hier der Name des Herrn Dr. Globke gefallen ist, dann fühle ich mich veranlaßt, hierzu zu sprechen. Ich kenne Herrn Globke seit 15 Jahren persönlich ausgezeichnet. Er ist eine untadelige Persönlichkeit.
({4})
- Hören Sie zu! - Wir haben uns in Berlin jede Woche, wenn ich nicht im Ausland war, getroffen. Dort war ein Kreis von etwa acht bis zehn Leuten, aus jedem Ministerium einer. Wir haben dort die Nachrichten, auch die geheimsten, ausgetauscht, um diesem System möglichst Abbruch zu tun. Aus diesen acht bis zehn Leuten ist Herr Quecke von den Nazis am 28. April 1945 erschossen worden. Herr Münz ist von den Nazis anläßlich des 20. Juli zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Er ist nachher umgekommen. Herr Dr. Lenz ist auch zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Er lebt noch in München. Dann gehörte dazu noch der Ministerialrat Grünwald, der auch umgekommen ist. Ich selber habe mit dem 20. Juli nichts zu tun gehabt. Ich bin nur nach Berlin zitiert und nach fünf Tagen wieder entlassen worden, weil die Personalabteilung des Auswärtigen Amtes meine Akten versteckt und unterschlagen hat. Diesem Kreis hat Herr Globke angehört. Und wenn Sie Ihre Anfrage dahin stellen: Sollen Personen. die für die nationalsozialistische Gewaltherrschaft an hervorragender Stelle tätig waren. heute hohe öffentliche Ämter bekleiden?" dann kann ich eben nur sagen. Herr Globke hat in den ganzen Jahren mit einer Nervenkraft, die unerhört war, an diesem Vorposten gestanden und er hat dort nur gegen die nationalsozialistische Herrschaft gearbeitet. Erlauben Sie mir. daß ein Bekannter das, was hier vielleicht nicht bekannt ist. einmal sagt. um etwas die Persönlichkeit dieses wirklich hochanständigen und untadeligen Menschen zu beleuchten.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gundelach. Acht Minuten bitte!
Meine Damen und Herren! Die Antwort der Regierung auf die Interpellation der SPD-Fraktion kann unsere Fraktion und sicher auch die der Sozialdemokratie in keiner Weise befriedigen. Es ist ganz offensichtlich, daß die Personalpolitik der Adenauer-Regierung im Gegensatz zum Grundgesetz steht. Dafür sind überzeugende Tatsachen bei der Begründung der genannten Interpellation hier angeführt worden. Wir Kommunisten sind allerdings über eine derartige Personalpolitik der Regierung nicht verwundert. Denn die Adenauer-Regierung baut sich selbstverständlich einen Beamtenapparat auf, mit dem sie in der Lage zu sein glaubt, ihre gegen die Mehrheit der Bevölkerung gerichtete Politik durchzusetzen. Es wird hier in Westdeutschland eine Personalpolitik gerechtfertigt, die nicht den Forderungen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung, insbesondere nicht den Forderungen der organisierten Arbeiterschaft, entspricht. Aber die Adenauer-Regierung kümmert sich nicht im geringsten um die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung, sondern sie handelt ganz eindeutig im Interesse jener kleinen Oberschicht der Konzernherren hier in Westdeutschland, die in Wirtschaft und Politik wieder restlos tonangebend sind. Dementsprechend ist eben die Personalpolitik der Adenauer-Regierung, wofür bereits eine ganze Reihe von Tatsachen von dieser Stelle aus angeführt worden ist. Wir Kommunisten sind nicht der Meinung, daß die Besprechung einzelner Fälle am besten zwischen einzelnen Ministerien oder Ministern erfolgt oder in Ausschüsse hineingehört. Wir sind der Meinung, daß solche Dinge hier, wo die Vertreter des Volkes sitzen, aufgezeigt werden müssen.
Es ist mir allerdings bei den acht Minuten Redezeit nicht möglich, die ganze Fülle von Tatsachen dafür aufzuzeigen, in welch einem Umfang ehemalige sehr führende Nationalsozialisten heute bereits wieder in verantwortlichen staatlichen Positionen sitzen. Hier ist schon früher einmal - ich erinnere erneut an den Fall - der Name des Herrn Dr. Herbert Blankenhorn genannt worden, des Ministerialdirigenten und Leiters der Verbindungsstelle zum Petersberg. Dieser Herr war Mitglied der NSDAP und während der Naziherrschaft Angehöriger des Auswärtigen Amtes, während des Krieges in der Botschaft Hitlers in Bern. In dem Verbindungsbüro zum Petersberg sitzen neben Dr. Blankenhorn noch drei weitere ehemalige Pgs, ein Herr Dittmann, zu Hitlers Zeit Generalkonsul, ein Herr Mohr, Legationsrat, und ein Herr von Marchthaler, Legationssekretär. Im Organisationsbüro sitzen die ehemaligen Pgs Dr. Melchers, von Keller, von Grundherr, alles Herren, die zur Nazizeit im auswärtigen Dienst gewesen sind.
({0})
- Es kommt nicht einmal darauf an, daß sie immer ausgesprochene Mitglieder der NSDAP gewesen sind. Es kommt auf ihre Eigenschaft und ihre Verantwortung während der Nazizeit an.
({1})
Im Marshallplan-Ministerium befindet sich als Pressereferent ein Herr Gustav Adolf Sonnenhohl, ebenfalls Mitglied der NSDAP seit dem Jahre 1931 und SS-Untersturmführer seit dem Jahre 1933.
({2})
Der Chefdolmetscher Hitlers, Herr Paul Otto Schmidt, sitzt heute bereits als Hauptdolmetscher in der Internationalen Ruhrbehörde.
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Im Wirtschaftsministerium sitzt das ehemalige Mitglied der NSDAP Dr. Schalfejew. Dieser Herr war nach dem Führer-Lexikon Leiter der Wirtschaftspolitischen Abteilung im Nazi-Wirtschaftsministerium.
Meine Damen und Herren, das sind nur einige wenige Fälle. Die Liste, die uns zur Verfügung steht, ist außerordentlich lang. Ich habe leider nicht die Zeit. in den wenigen Minuten Redezeit, die uns nur zur Verfügung stehen, diese weiteren Tatsachen anzuführen. Aber schon diese wenigen Fälle deuten an, wie jene kleine Oberschicht unseres Volkes, jene Leute in Westdeutschland, die gemeinsam mit der Hohen Kommission die Situation beherrschen, es verstanden haben, alle wichtigen Positionen im Staatsapparat mit ihren Vertrauensleuten zu besetzen.
({4})
Wir Kommunisten lenken auch von dieser Stelle aus die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diese Tatsache und fordern insbesondere die Arbeiterklasse auf, gemeinsam mit allen Deutschen, die für Freiheit und Fortschritt sind, den Kampf zu führen gegen eine Regierung. deren Politik sich gegen die Interessen der Werktätigen richtet, wie das auch auf dem Gebiet der Personalpolitik zum Ausdruck kommt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mühlenfeld. 8 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich diese Interpellation der Fraktion der SPD in ihrer Systematik ansieht und die Ausführungen des Herrn Kollegen Arndt als Begründung zu dieser Interpellation mit angehört hat, muß man sich doch fragen: Was ist . denn eigentlich gewollt? Wir haben den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers entnommen, daß es gerade die dauernden Anzapfungen und Verdächtigungen der SPD gewesen sind, die letzten Endes die Bundesregierung veranlaßt haben, Nachforschungen darüber anzustellen, wie es mit der konfessionellen Zusammensetzung der Beamten und Angestellten der Ministerialbürokratie aussieht. Wenn dann aber die Regierung das, wozu sie gezwungen ist, unter Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte und Freiheiten tut, dann kommen die Herren Interpellanten von der SPD und fragen die Bundesregierung: Wie kommst du dazu, so etwas zu tun? Meine Damen und Herren, ich bin der Auffassung, eine derartige Haltung muß man als reichlich pharisäisch bezeichnen.
Mit dieser Anfrage setzt nun die SPD das gleiche Manöver fort. Sie verlangt von der Bundesregierung eine nachträgliche Durchleuchtung der in Frage stehenden Bundesbediensteten auf Korporationszugehörigkeit und auf NSDAP-Zugehörigkeit. Worauf läuft das hinaus? Im ersteren Falle auf gesellschaftliche Achtung und im letzteren Falle auf eine neue Entnazifizierung. Daß beides gegen den Grundsatz des Art. 33 des Grundgesetzes verstößt, dürfte doch wohl keine Frage sein. Es würde mich nicht wundern, wenn eines schönen Tages auf Initiative der Interpellanten von den Beamten auch Angaben darüber verlangt würden, welchen Parteien sie angehören. Ich möchte dann einmal sehen, was die SPD-Fraktion dazu sagen würde, wenn man derartige Untersuchungen anstellen wollte. Höchstwahrscheinlich würde sie einen geharnischten Protest loslassen.
Meine Damen und Herren, selbstverständlich sind Eignung und Fähigkeit ausschlaggebend und nicht die Konfession, auch nicht die politische Zugehörigkeit. In diesem Sinne stimme ich den Ausführungen meines Herrn Vorredners, des Herrn Kollegen Seelos, zu, der feststellte, daß Gott sei Dank eine Befriedung zwischen den Konfessionen eingetreten ist, die zu gemeinsamer Arbeit mit dem Ziele einer moralischen und geistigen Ertüchtigung des deutschen Volkes geführt hat. Daher sollte man sich hüten, Sprengladungen anzulegen und durch derartige Interpellationen, wie sie hier angebracht werden, eine Gefahr heraufzubeschwören, die wir glücklich sind, eben überstanden zu haben.
Meine Damen und Herren, was mich aber an der ganzen Geschichte besonders interessiert, sind die Ausführungen, die Herr Abgeordneter Arndt über die Entnazifizierung und die ehemaligen Nationalsozialisten gemacht hat. Ich denke, wir wollen mit der Entnazifizierung ein für allemal Schluß machen, und ich frage die Herren von der SPD: Erkennen Sie einen Spruchkammerbescheid, einen Kategorisierungsbescheid als Rechtstitel an oder nicht?
({0})
Ich glaube, wir kommen nicht darum herum, einen
derartigen Kategorisierungsbescheid als rechtsverbindlich und rechtskräftig anzuerkennen; andernfalls begeben wir uns in eine Rechtsunsicherheit, die allergrößte Gefahren mit sich bringen muß.
({1})
- Ich weiß schon, meine Herren, wenn die Entnazifizierung bei Personen, die Ihnen nicht ganz genehm sind, nicht so ausläuft, sind Sie besonders empfindlich.
({2})
Wir müssen die Entnazifizierungsbescheide, wie sie von den Spruchkammern ausgestellt worden sind, anerkennen. Dabei berufe ich mich auf Ausführungen, die der SPD-Abgeordnete Dr. Lütkens, ich glaube, Ende März vorigen Jahres gemacht hat, worin er sagte: Es kommt alles darauf an, daß das deutsche Volk nach besten Kräften die Selbstbereinigung vollzieht. Diesem Ausspruch und diesem Grundsatz stimmt meine Fraktion völlig zu.
Meine Herren, in diesem Falle, den Sie hier immer wieder pexieren, steht ja nun eindeutig fest, daß das deutsche Volk durch den Mund Ihrer Parteifreunde in Bornum gesprochen hat. Es trifft nicht zu, daß die Erklärung nur von einem einzelnen Mann unterschrieben worden ist. Sechs Mitglieder der SPD-Fraktion in Bornum und vier Mitglieder der CDU-Fraktion des Gemeinderates, dazu freiwillig der Herr Gemeindedirektor haben diese Bescheinigung ausgestellt, nachdem sie den Fall Ehrich genau so eifrig und genau so gewissenhaft geprüft haben, wie es die Militärregierung auch getan hat. Meine Damen und Herren, entweder erkennen wir einen derartigen Kategorisierungsbescheid als Rechtstitel mit Rechtskraft an - ich betrachte ihn als geltendes Recht -, dann müssen wir auch alle Konsequenzen daraus ziehen und jemandem, der in Gruppe V eingestuft ist mit dem ausdrücklichen Vermerk, damit ihm der Weg zur Mitarbeit am Aufbau des demokratischen Staatswesens freigemacht wird, auch die Möglichkeit dazu geben. Oder wenn wir von Kategorisierungsbescheiden im negativen Sinne sprechen, die dem Betroffenen das Recht der Betätigung in gewissem Umfange absprechen, müssen wir uns auch dazu bekennen, derartige Kategorisierungsbescheide in ihrer positiven Wirkung anzuerkennen.
Meine Damen und Herren! Zu dem Fall der Ämterpatronage möchte ich vorweg noch eins bemerken: Es ist schon so, Berufsbeamtentum und Toleranz gehören zusammen, Herr Arndt, da bin ich mit Ihnen gleicher Meinung. Ich möchte aber dem Hohen Hause nun nicht vorenthalten, wie Sie, meine Herren von der SPD, das in die Praxis umsetzen. Vor mir liegt ein Schreiben aus Düsseldorf vom 19. 4., und mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, möchte ich nur zwei Sätze daraus verlesen - alles andere schenke ich mir zunächst - unter Fortlassung der Namen, um damit zu zeigen, daß es mir nicht darauf ankommt, Personen zu treffen und ihnen Schwierigkeiten zu machen, sondern das Grundsätzliche herauszustellen. Diese Personen, um die es sich hier handelt, meine Herren von der SPD, gehören in Ihre Reihen. Es heißt in diesem Schreiben aus Düsseldorf:
Der Genosse Rieschmann, Arbeitsamt Minden, sucht einen sozialdemokratisch organisierten Berufsberater. Die Stelle ist nach TOA V dotiert. Meine Bemühungen im näheren Umkreis haben keinen geeigneten Bewerber auftreiben können.
({3})
Unter besonderer Beachtung der Vertraulichkeit dieser Angelegenheit bitte ich, in den Ämtern dieserhalb Nachfrage zu halten und eventuell nähere Angaben dem Genossen Rieschmann unmittelbar zukommen zu lassen. Ferner bitte ich unter Hinweis auf den Herner Beschluß, die nachwuchsfähigen und besonders förderungswürdigen Genossen in den Ämtern festzustellen. Es ist erwünscht, daß von diesen Genossen eine kurze Lebenslaufdarstellung mit Beurteilung charakterlicher und persönlicher Art gestellt wird.
({4})
Wie in Herne beschlossen, ist beabsichtigt, diese Unterlagen dem Deutschen Gewerkschaftsbund und dem Genossen Dr. W. als Unterlage für eventuelle Vakanzen zuzuleiten. Mit dem Genossen H. habe ich vereinbart, daß die westfälischen Freunde diese Unterlagen an Herrn H. und die rheinischen Kollegen an mich unter „Persönlich" zuleiten.
Ich glaube, das spricht doch wohl Bände,
({5})
und man sollte nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashause sitzt. Meine Damen und Herren, und hier wende ich mich mal wieder an Sie, meine Herren von der Linken insbesondere: Sind es nicht gerade Sie gewesen, Ihre Freunde in Schleswig-Holstein, die wenige Tage vor der Wahl dort eine Erklärung herausgegeben haben, die in ihren wichtigsten Punkten bezüglich der Entnazifizierung lautet - es sind Ihre sämtlichen Kollegen, Ihre Kollegen von der Landtagsfraktion der SPD in Schleswig-Holstein -:
Wiederherstellung der vollen staatsbürgerlichen und sozialen Gleichberechtigung aller Staatsbürger! Schluß mit der Zweiteilung Deutschlands in Staatsbürger verschiedenen Rechts!
({6})
Volle Gleichberechtigung für alle Staatsbürger, die nicht ehrenrühriger und verbrecherischer Dinge schuldig sind!
Meine Damen und Herren! Wenn ich Ihnen nicht vorher gesagt hätte, wer der Verfasser ist, hätten Sie höchstwahrscheinlich angenommen, das hätte meine Fraktion von sich gegeben.
({7})
Es sind Ihre Leute, die noch vor einem Jahre etwas anderes gesagt haben.
({8})
- Herr Dr. Greve, stimmt es, oder stimmt es nicht? Sie haben noch vor einiger Zeit eine ganz andere Haltung eingenommen.
({9})
Mir scheint, meine Herren, es ist für Sie notwendig, zu dem zu stehen, was Ihre Freunde in Schleswig-Holstein gesagt haben, und daraus die Konsequenzen zu ziehen, andernfalls man das für ein übles Wahlmanöver halten müßte.
Meine Damen und Herren! Es ist meine Pflicht, nachdem ich mich gründlich mit dem Fall Dr. Ehrich habe beschäftigen müssen, hier zu erklären, daß an den ganzen Beschuldigungen, die gegen Dr. Ehrich vorgebracht werden, nicht ein Wort wahr ist.
({10}) Nicht ein Wort!
({11})
Dr. Ehrich ist zwar Landesgruppenleiter gewesen.
({12})
- Meine Herren, das bestreitet ja niemand; das ist aber keine Gauleitereigenschaft oder etwas ähnliches.
({13})
Es hat doch jeder das Recht, meine Damen und Herren, hier Tatsachen und Behauptungen aufzustellen.
({0})
Darin, Herr Dr. Greve, nehmen wir beide uns nicht viel.
({0})
Es ist jedenfalls so, daß Dr. Ehrich kein hohes Amt gehabt hat und, Herr Dr. Greve, uns allen lieber ist, als ein Mann, der Freimaurer und Nationalsozialist zu gleicher Zeit gewesen ist und Ihnen die Informationen geliefert hat, die angeblich wahr sind oder wahr sein sollen, mit denen Sie gegen Dr. Ehrich schießen.
({1})
- Er war kein Gauleiter, er war Landesgruppenleiter. Ich wiederhole das nochmals.
({2})
Herr Dr. Ehrich hat durch seine Tätigkeit in dieser Eigenschaft unter Feststellung zahlreicher Zeugenschaft eindeutig bewiesen, daß er seine Position nie mißbraucht hat, manchen, der nicht der Partei angehört hat, geschützt hat.
({3})
- Meine Herren von der SPD, ich weiß, daß Sie unbelehrbar sind.
({4})
Es lohnt sich wirklich nicht, mit Ihnen darüber zu streiten.
({5})
Ich möchte Ihnen, um Ihnen die Arbeit zu erleichtern, das ganze Material, das für und gegen Dr. Ehrich spricht, übergeben.
({6})
Bleiben Sie doch bitte hier.
Die Originale dazu bin ich gerne erbötig, Ihnen zu zeigen. Dann werden Sie vielleicht anderer Meinung.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Interpellation der SPD bringt in ihrem ersten Absatz Dinge, die auch wir bereits mehrfach kritisiert haben. Wir sind der Auffassung und möchten in dieser Hinsicht Herrn Dr. Arndt durchaus beistimmen, daß die Dinge in Preußen früher anders waren, als das heute bei der Bundesregierung der Fall ist.
({1})
Aber lassen Sie mich kurz auf den Teil II eingehen,
dem wir nicht zustimmen können. Wie das hier mit
der Ämterpatronage aussieht, können wir, glaube
({2})
ich, heute noch nicht so ohne weiteres beurteilen. Wir können es aber in Schleswig-Holstein beurteilen, wo eine außerordentliche Ämterpatronage betrieben wurde und am letzten Sonntag eine eindeutige Quittung auf diese Ämterpatronage und ähnliche sozialdemokratische Dinge erteilt wurde.
({3})
Wir möchten aber noch auf etwas anderes hinweisen. Herr Dr. Arndt ging auf Entnazifizierungsdinge und ähnliche Sachen ein. Es war aber doch im wesentlichen die Sozialdemokratie, die die Entnazifizierung durchgeführt hat,
({4})
wenngleich sie sich jetzt in Manifesten davon absetzt und die Entnazifizierung als einen „methodischen Wahnwitz" bezeichnet. Da ist das Wahlmanifest aus Schleswig-Holstein; Herr Dr. Mühlenfeld vergaß aber dies zu erwähnen. Der „methodische Wahnwitz" ist ja doch weitgehend von Ihren Kollegen betrieben worden. Und die Entnazifizierung ist nach den Einlassungen des Herrn Landesvorsitzenden von Hessen, Knothe, ein Mittel des Klassenkampfes, wie er anläßlich einer Tagung der Spruchkammervorsitzenden, die das rote Parteiabzeichen tragen, 1948 bekanntgegeben hat.
Herr Abgeordneter von Thadden, darf ich Ihnen einmal etwas sagen: den Ausdruck „methodischer Wahnwitz" kann man natürlich in einem Flugblatt gebrauchen, aber ich glaube, wir wollen ihn doch hier nicht im Parlament gebrauchen.
({0}) - Ach so! Zitate sind gestattet.
({1})
von Thadden ({2}): Richtig, es ist ein SPD-Zitat!
({3})
Noch etwas zu den politisch Verfolgten, die nach den Ausführungen des Herrn Dr. Arndt so schwierig irgendwo hineinkommen. Ich las kürzlich in der „Welt der Arbeit" einen Artikel von Herrn Auerbach, worin er von den doppelt politisch Verfolgten spricht - wahrscheinlich hat Herr Dr. Arndt diesen Artikel auch gelesen - und sagt, daß die Menschen, die in den Ämtern drin waren, nun auf der Straße sitzen und nicht wieder hineinkommen. Ich glaube, das hat seine Gründe; denn diese Herren wurden ja in Ämter eingesetzt, die nach 1945 zeitbedingt entstanden, Wirtschaftsämter und sonstige Ämter, die inzwischen überflüssig geworden sind, und nun sind diese Menschen alle überzählig. Ich möchte vorschlagen, daß sie wieder in die Berufe zurückkehren mögen, in denen sie früher einmal drinwaren,
({4})
bevor sie als politisch Verfolgte plötzlich Beamte und ähnliches wurden.
Aber nun muß ich kurz auf einige Dinge von Herrn Dr. Dresbach eingehen. Herr Dr. Dresbach setzte sich hier mit der SRP auseinander, sprach davon, daß sie in seinem Kreis besonders aktiv würde. Er sprach auch von einem Versammlungsterrorantrag, der nach der Methode „Haltet den Dieb!" gestellt worden sei. Ich möchte hier eins betonen: dieser Antrag gegen Versammlungsterror, also die Auffassung, die Bundesregierung möge konkrete Schritte gegen einen sich immer mehr ausdehnenden Versammlungsterror ergreifen, stammt
nicht von der SRP, sondern von uns, die wir mit Versammlungsterroristen der Linksparteien ständig zu tun haben.
({5})
- Nein, das ist nicht dasselbe!
Das habe ich am vergangenen Sonntag in Eutin gemerkt, Herr von Thadden!
von Thadden ({0}) : Herr Präsident, das kann ich widerlegen. - Wir distanzieren uns aufs schärfste gegenüber der, ich möchte sagen, negativen Auslese der NSDAP, wie sie sich unserer Ansicht nach dort zusammengefunden hat. Allerdings sind wir der Meinung, und auch das möchte ich betonen: einer Partei wie der SRP werden Sie nicht durch Methoden Herr, wie sie Herr Dr. Dresbach hier vorgeschlagen hat, sondern am ehesten dann, wenn Sie einer solchen Partei durch eine eigene entsprechende Politik die Existenzberechtigung oder den Boden für eine Existenzberechtigung entziehen.
({1})
Das, meine Damen und Herren, wollten wir hier gesagt haben, um allen Verwechslungen von vornherein vorzubeugen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Zinn als letzter Redner; 18 Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich muß sagen, ich finde es bedauerlich, daß die Diskussion, die sich an die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers angeschlossen hat, auf einem so niedrigen Niveau stand, und daß man nicht versucht hat, eine Untersuchung darüber anzustellen, erstens ob die Anfrage der SPD allgemein berechtigt ist, und zweitens - und darauf kommt es an -, ob die Antwort genügt, die die Regierung durch den Herrn Bundesinnenminister gegeben hat. Durch die Art der Diskussion ist von dem Kernpunkt der ganzen Angelegenheit abgelenkt worden.
({0}) Man hat geglaubt, den Wert der Anfrage dadurch mindern zu können,
({1})
daß man auf angebliche Vorgänge in den Ländern hinwies. Nun, der Bundestag ist nicht dazu da, die Politik, auch die Personalpolitik irgendeiner Landesregierung einer Kritik zu unterziehen. Wenn man schon immer und immer wieder darauf hinweist, daß hier im Bundestag zuviel geredet werde, dann ist das dann berechtigt, wenn man sich nicht darauf beschränkt, zu untersuchen, ob die Personalpolitik der Bundesregierung die richtige ist.
({2})
Darauf allein aber kommt es an. Jeder andere Versuch, auszubrechen, auch soweit er seitens der Bundesregierung erfolgt, bedeutet nichts anderes, als daß man sich selbst ein Armutszeugnis ausstellt.
({3})
Es handelt sich bei der ganzen Angelegenheit, auch soweit Namen wie Ehrich oder Globke erwähnt werden, gar nicht um die Frage der Denazifizierung, und wer von Ihnen aufrichtig ist, wird das zugeben, und niemals haben wir diese Frage unter diesem Gesichtspunkt angeschnitten. Sie müssen ja selbst zugestehen, daß der Herr Bundeskanzler und, wie wir heute erneut gehört haben, auch ein immerhin prominenter Sprecher der stärksten Regierungspartei, der CDU-Fraktion, im Fall Ehrich durchaus unsere Auffassungen zu teilen scheint und auch zum
({4})
Ausdruck gebracht hat, daß die Ausführungen meines Kollegen Arndt zum Falle Globke ihn bedenklich gestimmt haben, und das bestimmt nicht, weil wir diesen Fall unter dem Gesichtspunkt der Denazifizierung angeschnitten haben.
Im übrigen muß ich feststellen, daß zwischen den Sprechern der Regierungsparteien, Herrn Dr. Dresbach und Herrn Dr. Mühlenfeld, doch sehr weitgehende Differenzen bestehen. Aber das ist eine Angelegenheit, die die Regierungskoalition unter sich selbst ausmachen muß. Derartig große und sehr weitgehende Differenzen sollen ja nicht nur hier unten im Hause, sondern auch im Rahmen des Kabinetts vorhanden sein; und gerade die Auseinandersetzung, die wir kürzlich hier auf personalpolitischem Gebiet zwischen Mitgliedern des Bundeskabinetts erlebt haben, unterstreicht das durchaus aufs deutlichste.
Ich möchte aber nun zu den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers kommen und zum Ausdruck bringen, daß uns seine Erklärung in keiner Weise befriedigt.
({5})
Zunächst ist darauf hinzuweisen, Herr Bundesinnenminister, daß es nicht sozialdemokratische Zeitungen gewesen sind, die die Frage aufgeworfen haben, wie sich die Bundesbeamtenschaft konfessionell zusammensetzt, sondern diese Frage ist von der „Frankfurter Rundschau" aufgeworfen worden. Ich nehme an, daß immerhin auch einem Bundesinnenminister bekannt ist, daß die „Frankfurter Rundschau"
({6})
keine sozialdemokratische Zeitung ist, daß keiner der Lizenzträger der SPD angehört. Aber selbst wenn es so wäre, selbst wenn sozialdemokratische Zeitungen oder solche, die der Sozialdemokratie nahestehen, diese Frage aufgeworfen hätten, würde das niemals die Bundesregierung berechtigen, eine Vorschrift des Grundgesetzes zu verletzen.
({7})
Und eine Vorschrift des Grundgesetzes ist verletzt, wenn die Regierung, auch zu angeblich statistischen Zwecken, nach der Konfession fragt. Das Grundgesetz verbiete in Art. 140 unter Bezugnahme auf die entsprechende Vorschrift der Weimarer Verfassung außer in Fällen, in denen es zur Feststellung von bestimmten Rechten oder Pflichten oder zu rein statistischen Zwecken notwendig ist, jede Befragung nach der Konfession. Damit ist auch eine Befragung mit dem Hinweis unter dem Strich, die Beantwortung sei freigestellt, untersagt. Ich möchte den Beamten erleben, der sich darauf berufen würde.
({8})
Aber das ist noch nicht einmal das Entscheidende. Sie haben diese Frage nicht etwa nur an diejenigen gestellt, die bereits bei Ihnen als Beamte und Angestellte tätig waren. Wenn Sie sich darauf beschränkt hätten, dann hätten Sie vielleicht noch sagen können: Diese Rundfrage diente statistischen Zwecken. Statt dessen wurde sie jedem Bewerber vorgelegt.
({9})
Herr Bundesinnenminister: selbst in Ihrem Ministerium ist es hohen Beamten, die sich um eine Stelle in Ihrem Ministerium beworben haben, passiert, daß die dritte Frage, und zwar mündlich gestellte Frage, die nach der Konfession war.
({10})
Wenn Sie im übrigen den Eindruck zu erwecken versuchen, als ob diese Befragung eben nur statistischen Zwecken diente, um irgendwelchen Presseangriffen angeblich sozialdemokratischer Zeitungen zu begegnen, dann paßt das nicht ganz zu Aktenvermerken, die sich in einigen Akten der Bundesregierung vorfinden. Der glückliche Zufall hat auch uns einmal Einblick in eine Akte eines Bundesministeriums gestattet, in der vermerkt ist: diese Stelle ist mit einem Katholiken zu besetzen.
({11})
Bei dieser Akte handelte es sich um die Besetzung eines Generalkonsulats, und dieser Vermerk deckt sich durchaus mit dem Hinweis auf jene Liste, die bereits mein Kollege Arndt erwähnt hat, jener Liste, die in einem Ausschuß dieses Bundestages einer Untersuchung unterzogen wurde, bei der es sich herausstellte, daß man bei jedem Bewerber für einen Posten im ausländischen Dienst mit einem E oder K die Konfession bezeichnet hat.
Aber auffällig ist noch etwas anderes. Wenn man den Herrn Bundesinnenminister hört und wenn man alle diese Vorgänge, die heute hier erwähnt wurden, betrachtet, dann hat man den Eindruck, als wenn es für die Bundesregierung nur Evangelische und Katholiken aber keine anderen Christen, auch keine Freireligiösen gibt. Offenbar existieren sie nicht mehr in Deutschland. Schon die Art der Befragung, der Umstand, daß sie sich nur auf zwei Konfessionen beschränkt, läßt den Verdacht durchaus berechtigt erscheinen, daß man hier mehr beabsichtigte als nur eine statistische Befragung.
Meine Damen und Herren! Nun noch ganz kurz zu dem Fall Globke! Ich habe bereits eingangs darauf hingewiesen, daß das keine Frage der Entnazifizierung ist. Hier handelt es sich einfach darum, ob ein Mann, der persönlich noch so ehrenwert sein mag, der aber nach' außen Repräsentant des Dritten Reiches war, Repräsentant des neuen Staates sein kann.
({12})
Das ist keine Frage der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung. Das ist einmal eine Frage des politischen Geschmacks, es ist aber auch eine Frage, die wir nicht unter parteipolitischen, sondern unter gesamtdeutschen Gesichtspunkten betrachten sollten. Neuerdings wird soviel davon gesprochen, daß die - Bundesrepublik Deutschland ein unlösbarer Bestandteil Europas, ja überhaupt der westlichen Welt ist. Wenn das richtig ist, und es ist richtig, dann darf man bei der Besetzung entscheidender repräsentativer Posten dieser Republik nicht Männer herausstellen - mögen sie noch so ehrenwert sein -, die einmal, zum mindesten nach außen, Repräsentanten eines Staates und Systems gewesen sind, das wir ablehnen und das von ganz Europa abgelehnt wird!
({13})
Aber es kommt noch auf etwas anderes an. Der Herr Bundeskanzler und gelegentlich auch seine Minister pflegen immer wieder zu betonen, welch ungeheuren Wert sie auf eine Zusammenarbeit mit der Opposition legen. Sie betonen, daß sie eine konstruktive Mitarbeit der Opposition für wünschenswert halten. Nun, meine Herren, Herr Bundesinnenminister, durch eine Personalpolitik, wie sie durch den Fall Ehrich und durch den Fall Globke gekennzeichnet wird, sabotieren sie von vornherein eine Zusammenarbeit mit der Opposition.
({14})
Es wird hier im Bundestag sehr oft von dem ideologischen Existenzminimum gesprochen, an das wir alle
uns erinnern sollten. Nun, erinnern wir uns daran,
({15})
meine Herren von der Regierungsmehrheit! Wenn wir das tun, ist ein Mann wie Globke, ein Mann wie Ehrich, ist ein Fall Globke und ein Fall Ehrich hier in Bonn eigentlich nicht denkbar und unmöglich.
({16})
Die Rednerliste ist geschlossen; es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
({0})
- Verzeihung, ich stelle fest: es liegen im Augenblick keine weiteren Wortmeldungen vor.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich war vorhin, als Herr Arndt die Begründung für die Anfrage vortrug, nicht im Saal und habe jetzt aus dem Stenogramm festgestellt, daß er gesagt hat, im Arbeitsministerium befinde sich ein Kreis von alten Nationalsozialisten, die ihrerseits die Personalpolitik in den Händen hätten und ängstlich besorgt seien, daß kein Unbelasteter dort eingestellt oder befördert würde. Ich wäre dem Herrn Abgeordneten wirklich zu persönlichem Dank verpflichtet, wenn er mir diesen Kreis namentlich bekanntgeben wollte. Ich kann hier nur zum Ausdruck bringen, daß ein derartiger Kreis in meinem Ministerium nicht vorhanden ist.
({0})
- Ich wäre Ihnen persönlich wirklich sehr verbunden, wenn Sie mir hier mit Namen dienen wollten, und ich werde Ihnen im Interesse der Aufklärung der Dinge gern Gelegenheit geben, in meinem Ministerium selber festzustellen, daß die Informationen, die Ihnen geworden sind, nicht der Wahrheit entsprechen.
Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
({0})
- Aus dem Hause hat niemand weiter das Wort gewünscht.
({1})
- Ich frage ausdrücklich. - Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe daher die Aussprache und erteile das Wort zu einer persönlichen Erklärung im Sinne des § 84 der Geschäftsordnung Herrn Staatssekretär Schalfejew.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Behauptung des Herrn Abgeordneten Gundelach stammt aus den vielfachen Bemerkungen der kommunistischen Ostpresse. Diese Behauptungen sind unrichtig. Ich bin im Jahre 1931 nicht von der nationalsozialistischen Regierung, sondern von dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Braun und dem demokratischen Handelsminister Schreiber zum Ministerialdirektor gemacht worden. Der NSDAP habe ich niemals angehört, wohl aber bin ich im Jahre 1935 infolge eines Gestapoverfahrens, das wegen Parteisabotage gegen mich angestrengt worden ist, aus dem Staatsdienst entfernt worden.
({0})
Meine Damen und Herren! Damit erkläre ich die Aussprache über die Interpellation auf Drucksache Nr. 863 im Sinne der Geschäftsordnung für geschlossen. Punkt 2 der Tagesordnung ist damit erledigt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Überleitung der Besatzungslasten, sonstigen Kriegsfolgelasten und von Steuern und
Monopolerträgen auf den Bund - Überleitungsgesetz - ({0}).
Ich darf an den Herrn Bundesfinanzminister appellieren, sich mit etwa 10 bis 15 Minuten zu begnügen. Im übrigen schlägt Ihnen der Ältestenrat gemäß § 88 der Geschäftsordnung für die Aussprache eine Redezeit von 60 Minuten vor. Für das letztere erbitte ich die Zustimmung des Hauses. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist so beschlossen.
Zur Einbringung der Vorlage erteile ich dem Herrn Bundesfinanzminister das Wort.
Meine Damen und Herren! Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 und der damit folgenden Aufteilung der Hoheit des Reiches auf dem Gebiet der Finanzen sind die einzelnen Länder finanziell verselbständigt gewesen. Sie haben seitdem die in ihrem Gebietsbereich aufgekommenen Reichssteuern für sich vereinnahmt und hatten die in ihrem Gebiet angefallenen Ausgaben aus eigenen Mitteln zu bestreiten, ohne Rücksicht darauf, ob die anfallenden Einnahmen steuerwirtschaftlich den Ländern, in denen sie anfielen, zuzurechnen waren und ob die Lasten ihrem regionalen Verantwortungsbereich wirklich entsprachen. Die Folge dieser „Finanzautarkie" der Länder war eine unsystematische, überwiegend von der Erhebungstechnik beeinflußte Verteilung der zentralen Steuereinnahmen, die in keiner inneren Beziehung zu der sehr ungleichmäßigen Verteilung der zentralen Lasten, insbesondere der Kriegsfolgelasten, stand und dazu führte, daß sich in einzelnen Ländern ein grobes Mißverhältnis zwischen Finanzbedarf und Deckungsmitteln ergab.
Das Grundgesetz grenzt nunmehr die Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern dergestalt ab, daß es die Ausgabelasten, die ihrer Natur nach von der Volksgesamtheit zu vertreten sind und daher nur zentral getragen werden können, in die Ebene des Bundes verlagert. Gleichzeitig weist das Grundgesetz dem Bund die Steuern zu, deren Belastungswirkung vorwiegend die Gesamtbevölkerung trifft, steuerwirtschaftlich also über den Bereich eines einzelnen Landes hinausgreift. Hiernach sind von den Länderhaushalten auf den Bundeshaushalt übergegangen:
a) die folgenden Lasten: die Besatzungskosten und die gesamten sonstigen Kriegsfolgelasten; die Kosten der Arbeitslosenfürsorge und die Zuschüsse an die Träger der Sozialversicherung; die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der französischen Zone; der Bau und die Unterhaltung der Autobahnen und der Bundesstraßen des Fernverkehrs; die Subventionen für eingeführte Lebensmittel und für Düngemittel; die Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder und der Postsparkassen gegen die Länder der französischen Zone; die Kosten der Bundesfinanzverwaltung; die Lasten der aufgelösten Reichs- und Zonenbehörden, soweit sie Aufgaben wahrgenommen haben, die nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes heute Bundesaufgaben sind. Hiervon sind die Kosten der Verwaltung der Bundeswasserstraßen in der französischen Zone, die Verzinsung der zentralen Aus({0})
gleichsforderungen gegen die Länder der französischen Zone und die Subventionsausgaben in der britischen und amerikanischen Zone bereits im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 auf den Bundeshaushalt übergegangen;
b) die folgenden Deckungsmittel: die Zölle und die Verbrauchsteuern mit Ausnahme der Biersteuer; der Ertrag der Monopole; die Umsatzsteuer; die Beförderungssteuer.
Die Zölle, die Kaffeesteuer, die Teesteuer, die Umsatzausgleichsteuer und die Abgabe Notopfer Berlin sind bereits im Rechnungsjahr 1949 - zweites Halbjahr - dem Bundeshaushalt zugeflossen.
Die Bestimmung der auf den Bund übergehenden „sonstigen Kriegsfolgelasten" ist nach Art. 120 des Grundgesetzes einem Bundesgesetz vorbehalten. Um dieses Gesetz handelt es sich, wenn nunmehr dem Bundestag der Entwurf eines Gesetzes zur Überleitung der Besatzungslasten, sonstigen Kriegsfolgelasten und von Steuern und Monopolerträgen auf den Bund ({1}) vorgelegt wird. Im Gegensatz zu dem im Mai dieses Jahres als erstem auf dem Gebiet der Finanzverfassung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Finanzverwaltung, das mehr formal-administrativer Natur ist, bedeutet das Überleitungsgesetz die erste materielle Regelung auf dem Gebiet des eigentlichen Finanzausgleichs, und zwar des Finanzausgleichs im vertikalen Sinne; denn es dient dem Vollzug der Bestimmungen des Grundgesetzes, die sich mit der finanziellen Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern befassen.
Da Art. 120 Abs. 2 des Grundgesetzes bestimmt, daß der Übergang der dem Bund zustehenden Dekkungsmittel Zug um Zug mit dem Übergang der Lasten zu vollziehen ist, regelt das Überleitungsgesetz nicht nur den Übergang der im Art. 120 genannten Ausgaben, sondern auch den Übergang der bisher von den Ländern vereinnahmten, nach dem Grundgesetz aber dem Bund zustehenden Steuern. Stichtag des Übergangs der Lasten und der Dekkungsmittel ist der 1. April 1950.
Das Überleitungsgesetz beschränkt den Übergang der „sonstigen Kriegsfolgelasten" im Sinne des Art. 120 des Grundgesetzes zunächst auf die kriegsverursachten Soziallasten, schließt also andere Kriegsfolgelasten, z. B. die Lasten, die aus der Tatsache der Zerstörung von Brücken und Straßen durch den Krieg bestehen, und die sogenannten mittelbaren Flüchtlingslasten - Mehraufwendungen auf den Gebieten des Schulwesens, der Polizei usw. - einstweilen von der Überleitung aus, weil diese Ausgaben begrifflich und größenmäßig nicht so umrissen werden können, daß es möglich wäre, sie als geschlossene Lasteneinheiten unmittelbar aus den Länderhaushalten herauszulösen und auf den Bund zu überführen. Die hier vorgesehene Einschränkung des Lastenübergangs entspricht übrigens auch den Empfehlungen, welche die Ministerpräsidentenkonferenz im Vorjahr der Bundesregierung zur Frage der finanziellen Auseinandersetzung zwischen Bund und Ländern unterbreitet hat.
Die finanzielle Bedeutung des gesamten Überleitungsvorgangs wird durch die Tatsache gekennzeichnet, daß Ausgabelasten im Gesamtbetrag von 10 Milliarden DM ihren Träger wechseln. Die Verlagerung einer Finanzmasse von solchem Ausmaß bedeutet für den Bund und für die Länder finanzwirtschaftlich einen erheblichen Eingriff, der Umfang und Gefüge ihrer Haushalte grundlegend verändert. Während das Gesamthaushaltsvolumen der Länder auf etwa die Hälfte zusammenschrumpft,
erhöht sich die Etatsumme des Bundes um mehr als das Achtfache des Vorjahrsbetrages. Die Ausgabenseite der Länderhaushalte wird künftig in erster Linie von den herkömmlichen und im wesentlichen gleichbleibenden Aufgaben der allgemeinen Staatsverwaltung, insbesondere kulturellen Aufgaben und den Bedürfnissen der gemeindlichen Finanzwirtschaft bestimmt.
Auch die Einnahmenseite der Länderhaushalte unterliegt einem bedeutsamen Wandel. Die Länder verlieren die krisenfesteren Umsatz- und Verbrauchsteuern und werden überwiegend auf Steuern verwiesen, die an das Einkommen, also an ein konjunkturempfindliches Element, anknüpfen. Das Bundessteuersystem hat dagegen den Nachteil, daß es sehr unelastisch ist und daß es Kriegs- und Soziallasten enthält, die ihrer Natur nach auf lange Zeit eine Tendenz zur Steigerung besitzen und den Bundeshaushalt auf lange Zeit schwer belasten werden.
Im Rechnungsjahr 1949 haben die Länder nach den neuesten Erhebungen zur Deckung der nach diesem Gesetz auf den Bund übergehenden Lasten rund 8,2 Milliarden DM aufgewandt. Die auf den Bund übergehenden Steuern haben im gleichen Rechnungsjahr nur rund 7,4 Milliarden DM erbracht. Die Länder mußten deshalb aus ihren eigenen Einnahmen 800 Millionen DM zuschießen. Für 1950 werden die von den Ländern nach diesem Gesetz übernommenen Bundeslasten auf rund 9,7 Milliarden DM ansteigen, während die von den Ländern übernommenen Bundessteuern sich nicht in demselben Verhältnis erhöhen und nur mit 8,1 Milliarden DM anzusetzen sind. Für die Gesamtheit der Länder bedeutet die Überleitung mithin eine starke finanzielle Entlastung. Die korrespondierende Belastung des Bundeshaushalts für 1950 ist höher als die Entlastung der Länder 1949, weil die Entwicklung der von den Ländern übernommenen Steuereinnahmen mit dem Anstieg der von den Ländern übernommenen Kriegsfolgelasten und Sozialausgaben. nicht Schritt hält.
Zum Ausgleich des Bundeshaushalts sind zwei Wege möglich: die Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommen- und Körperschaftsteuer nach Artikel 106 Abs. 3 des Grundgesetzes oder eine Beteiligung der Länder in der Form von Beiträgen an den vom Bund übernommenen Kriegsfolgelasten. Der Gesetzentwurf wählt den zweiten Weg, indem er die Länder an den in ihrem Bereich anfallenden Bundesausgaben mit bestimmten Prozentsätzen beteiligt; hierbei sind die Prozentsätze von 10 % bis 25 % je nach der Intensität gestaffelt, mit der die Länder als Verwaltungsträger auf die Gestaltung der Ausgaben einwirken können.
Bei den Zuschüssen zur Sozialversicherung entfällt eine Interessenquote, weil hier den Ländern jegliche Einwirkungsmöglichkeit fehlt.
Mit dieser Interessenquotenregelung, die dem Bund eine Einnahme von 1,15 Milliarden DM erschließt - eine Einnahme, die aber mit rund 370 Millionen unter dem bleibt, was der Überschuß der Aufwendungen des Jahres 1950 über die vom Bund übernommenen Steuern ist -, wird erreicht, daß die Verwaltungen der Länder, denen praktisch der Vollzug der Kriegsfolgelasten und Sozialausgaben verbleibt, zur größeren Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei der Verwendung der Bundesmittel veranlaßt werden oder doch veranlaßt werden sollen. Die hier vorgesehene Interessenquotenregelung hat sich seit Jahrzehnten insbesondere beim kommunalen Finanzausgleich bewährt; sie entspricht über({2})
dies den im Vorjahre ausgearbeiteten Vorschlägen der Ministerpräsidentenkonferenz.
In den Verhandlungen des Bundesrats ist von einzelnen Ländern beantragt worden, die Interessenquotenbelastung nach dem. Maßstab der Steuerkraft auf die Gesamtheit der Länder umzulegen. Der Bundesrat hat sich in seiner Mehrheit diesem Antrage nicht angeschlossen und es bei der Regierungsvorlage belassen. Eine Umlage der Interessenquotenbelastung auf die Ländergesamtheit wäre mit dem Gedanken einer echten Lasten-beteiligung unvereinbar; denn wenn die Länder die Möglichkeit hätten, die finanzielle Last ihrer Interessenquoten zum überwiegenden Teil auf die übrigen Länder abzuwälzen - dadurch, daß jedes Land nach seiner Steuerkraft herangezogen wird -, so würde das zur Folge haben, daß die Art und Weise, wie das einzelne Land die Bundesmittel verwaltet, nicht mehr unmittelbar in seinem Haushalt spürbar wird. Der Anreiz zu einer sparsamen Verwaltung wäre infolgedessen genommen.
Eine weitere finanzielle Beteiligung der Länder sieht der Gesetzentwurf insofern vor, als er die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten grundsätzlich bei den Ländern beläßt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß die Verwaltungshoheit auf dem Gebiete der Besatzungskosten und der sonstigen Kriegsfolgelasten bei den Ländern entsprechend dem Grundgesetz verbleibt.
Die Heranziehung der Länder zu den Bundeslasten und die Tatsache, daß den Ländern die Kriegszerstörungslasten und die mittelbaren Flüchtlingslasten verbleiben, mindern den Entlastungseffekt des Überleitungsgesetzes für die Länder, die mit Kriegsfolgeausgaben überdurchschnittlich belastet sind. Diese Ungleichheiten zu mildern, ist Aufgabe des im Artikel 106 Abs. 4 des Grundgesetzes vorgesehenen horizontalen Finanzausgleichs, also eines Finanzausgleichs unter den Ländern allein, nicht zwischen Bund und Ländern. Die Vorarbeiten für diesen Finanzausgleich sind eingeleitet. Da die Finanzausgleichsverhandlungen mit den Ländern erheblichen Schwierigkeiten begegnen und deshalb voraussichtlich nicht in allernächster Zeit zum Abschluß kommen, hat die Bundesregierung für das schwächste der Länder, das Notstandsgebiet Schleswig-Holstein, ein Übergangsgesetz vorbereitet, das bereits die Zustimmung des Bundesrats gefunden hat und in nächster Zeit dem Bundestag vorgelegt werden wird.
Der Entwurf des Überleitungsgesetzes beschränkt sich auf den Übergang der Kriegsfolge- und Soziallasten auf den Bund, ändert also nicht das diesen Lasten zugrunde liegende materielle Recht. Seine Vereinheitlichung ist auf Einzelgebieten, zum Beispiel Fürsorge für Heimkehrer und Angehörige von Kriegsgefangenen, bereits mit Gesetzeskraft begonnen; die Vereinheitlichung auf anderen Gebieten steht bevor, zum Beispiel Bundesversorgungsrecht, Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes, Überführung der aufgelösten Reichs- und Zonenbehörden usw. Im übrigen trifft das Überleitungsgesetz die erforderlichen Einzelbestimmungen, die sicherstellen sollen, daß sich die Überleitung im ganzen Bundesgebiet gleichförmig vollzieht, insbesondere in allen Ländern die gleichen Finanzvorgänge auf den Bundeshaushalt übergehen.
Die Frage der zeitlichen Abgrenzung des Überleitungsvorganges entscheidet das Gesetz im § 14 nach dem Kassenprinzip. Die im § 14 vorgesehene Regelung soll die Überleitung und Abrechnung vereinfachen. Sie sollte aber nicht zu einer unbilligen Benachteiligung des Bundes führen und den Ländern die Möglichkeit zu einer willkürlichen Vorwegnahme von Einnahmen und Verlagerung von Ausgaben eröffnen. Die im § 16 vorgesehene Einschaltung des Rechnungshofes soll die Verwirklichung dieses letzteren Grundsatzes sicherstellen. Zur Zeit wird noch geprüft, ob darüber hinaus auf Grund der bisherigen Erfahrungen eine Ergänzung des § 14 notwendig ist. Im übrigen wird in den Ausschußberatungen noch Gelegenheit sein, einige weitere Verbesserungen und Klarstellungen am Gesetzestext anzubringen, die sich nach den Erfahrungen der ersten Monate dieses Rechnungsjahres als notwendig oder zweckmäßig erwiesen haben. Insbesondere werden Ergänzungen und Änderungen auf folgenden Gebieten notwendig sein:
a) Der alliierte Unterausschuß für Besatzungskosten beanstandet, daß die sogenannten nicht anerkannten Besatzungskosten gesetzestechnisch mit den Ausgaben des angeordneten Besatzungskostenetats in Zusammenhang gebracht werden. Die Alliierte Hohe Kommission ersucht, daß die im § 5 Abs. 1 Nr. 2 aufgeführten Ausgaben nicht als Besatzungslasten gekennzeichnet werden, wenn es sich auch nach deutscher Auffassung um Ausgaben handele, die durch Anordnungen der Besatzungsmacht verursacht sind und mit dem Besatzungszweck im Zusammenhang stehen.
b) Das Heimkehrergesetz und das Gesetz über Unterhaltsbeihilfen für Angehörige von Kriegsgefangenen müssen in das Gesetz eingearbeitet werden.
c) Das in Vorbereitung befindliche Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes macht voraussichtlich eine andere Technik des Lastenüberganges erforderlich, als sie im Entwurf des Überleitungsgesetzes vorgesehen ist.
d) Es wird zu prüfen sein, ob der Übergang der Kosten der Bundesfinanzverwaltung und der Lasten der aufgelösten Reichs- und Zonenbehörden noch in diesem Gesetz normiert werden soll oder einem zweiten Überleitungsgesetz vorzubehalten ist.
In Übereinstimmung mit dem Bundesrat wird nach den Grundsätzen des Entwurfs bereits seit dem 1. April 1950 praktisch verfahren. Da aber die Haushaltsführung des Bundes, namentlich hinsichtlich der Kriegsfolgelasten und der Interessenquoten, alsbald einer einwandfreien Rechtsgrundlage bedarf, erscheint eine baldige Verabschiedung des Gesetzentwurfes geboten, um die ich das Hohe Haus ersuche.
Das Wort hat Herr Minister Dr. Hoffmann.
Dr. Hoffmann, Finanzminister des. Landes Rheinland-Pfalz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zu der Vorlage den ablehnenden Standpunkt der Minderheit des Bundesrates vortrage, einer allerdings respektablen Minderheit, die bei der Beschlußfassung zu dem entscheidenden § 2 des Gesetzes netto 50 % betragen hat, einer auch sehr aussichtsvollen Minderheit, die sich nach dem, was inzwischen zu erfahren war, unterdessen in eine Mehrheit verwandelt hat. Es war wohl das erste Mal, daß der Bundesrat bei einer Gesetzesvorlage zu lebhafteren Auseinandersetzungen und zu größeren Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Und wenn man den beträchtlichen Anteil der Justizminister an dieser Bundesratsdebatte bedenkt, könnte man die Angelegenheit bereits für so aussichtslos halten, wie eine Sache zu sein pflegt, wenn sie sich erst unter den Händen der Anwälte befindet. Ich möchte trotzdem hoffen, daß es vielleicht auch in diesem Stadium noch
({0})
möglich ist, im Rahmen dieses Vorgeplänkels um den Länderfinanzausgleich zu einer Art Waffenruhe zu kommen, die es gestattet, die juristischen Hilfsund Reservetruppen noch einmal zu beurlauben.
Die allgemeinen Grundsätze, die der Herr Bundesfinanzminister zu den Artikeln 106 und 120 des Grundgesetzes, zu der Interessenquote und zu der Vorlage als Ganzem entwickelt hat, werden von den Ländern zum größten Teil akzeptiert. Es wäre nur wünschenswert gewesen - und darin liegt der Punkt unserer Beanstandung -, daß sie im Gesetz auch wirklich logisch zur Durchführung gekommen wären und daß die sonstigen Voraussetzungen für eine Regelung außer der Reihe, für eine Regelung außerhalb des Grundgesetzes, wie sie hier erfolgen soll, gegeben seien.
Es hätte dann vielleicht darüber hinweggesehen werden können, daß die Rechtsgrundlage für den § 2 des Gesetzes in höchstem Grade zweifelhaft bleiben muß. Der Art. 106 Abs. 3 hätte einer abweichenden Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, d. h. zwischen den Ländern gesondert und keinesfalls mit dem Bundesrat, wohl nicht im Wege gestanden. So aber muß bestritten werden, daß der Art. 120 im Wege des Gesetzes eine Lastenverteilung auf die Länder zuläßt in einer Art, die dem Maßstab des Art. 106 Abs. 3, der die Steuerkraft zugrunde gelegt, zuwiderläuft. Mit diesem Aufbringungsmodus nach der Steuerkraft enthält nämlich Art. 106 Abs. 3 eine Schutzbestimmung für die steuerschwächeren Länder, die auch auf dem Wege eines Gesetzes nach Art. 120 kaum umgangen werden kann. Die Wortfassung und der Sinn des Art. 120 geben dazu keinerlei Vollmacht. Wenn es in Abs. 1 des Art. 120 heißt: „Der Bund trägt die Aufwendungen für die „Kriegsfolgelasten" mit dem Zusatz „nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes", dann war der aus den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates klar ersichtliche alleinige Zweck dieses auf einen bayerischen Antrag hin angenommenen Zusatzes den Begriff „Kriegsfolgelasten" in seinem Umfang zu umreißen. In keiner Weise kann daher daraus die Berechtigung hergeleitet werden, das Grundschema des Art. 106 anzutasten. Ich möchte indessen auf diese juristische Seite der Angelegenheit nicht weiter eingehen, weil sie ja letzten Endes nicht hier durch Abstimmung entschieden wird. Immerhin dürfte es ratsam sein, wenn sich der Bundestag bis zur Verabschiedung des Gesetzes auch ein Urteil und vor allem ein Urteil über seine Verfassungsmäßigkeit bildet, die, wie gesagt, von einem Teil der Länder bestritten wird.
Was nun die im Zentrum des Streits stehende Interessenquote anlangt, so entstammt sie bekanntlich historisch dem kommunalen Bereich und hatte ihren vollen Sinn auch nur dort, wo eine Unzahl unterer Verwaltungsstellen, wo Zehntausende von Gemeinden - sei es aus Nachlässigkeit, sei es aus Berechnung - bereit waren, das Interesse ihres Auftraggebers, des Bundes oder der Länder, ihrem eigenen egoistischen Lokalinteresse unterzuordnen. Die Interessenquote war insoweit nichts anderes als ein Ersatz für eine technisch schwierige oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu bewältigende Kontrolle. Zwischen Souveränitätsträgern - wie dem Reich und den Ländern - war sie eigentlich früher im allgemeinen nicht üblich, und man sollte auch die Neigung zu ähnlichen Machinationen, wie man sie offenbar den Gemeinden zutraut, nicht so ohne weiteres bei den elf Ländern voraussetzen, denen ihre finanzielle Schicksalsverbundenheit mit dem Bund, sei es angenehm oder wie hier bei dieser
Vorlage unangenehm, doch täglich zum Bewußtsein gebracht wird. Davon abgesehen, daß ihr also immer etwas Diskriminierendes anhaftet und daß sie als eine Art neues Zuchtmittel in dem Verhältnis Bund - Länder ausprobiert werden soll, wäre seitens der Länder gegen das System der Interessenquote als solches kaum etwas zu erinnern. Es ist aus Gründen der öffentlichen Pädagogik durchaus vertretbar, die Länder bei der Ausgabewirtschaft durch eine gewisse Beteiligung an dem Aufwand, an seiner möglichen Begrenzung zu interessieren. Einen Sinn hat aber dieses Verfahren doch nur dort, wo die Länder als Treuhänder der Bundesmittel, die sie verwirtschaften, überhaupt in der Lage sind, die Ausgaben zu beeinflussen, wo sie tatsächlich die entscheidende Instanz bei der Verwaltung darstellen. Das ist beispielsweise in keiner Weise bei der Arbeitslosenhilfe der Fall, deren Vollzug bei einer Selbstverwaltung liegt. Das ist aber auch großenteils ebensowenig bei den Besatzungskosten der Fall. Da hat die Landesregierung auf Anweisung der Kommissare etwas zu bezahlen, ohne auf die Höhe der Leistung mit mehr als platonischen Empfehlungen und Beschwerden Einfluß nehmen zu können.
Dazu kommt, daß die einzelnen Zonenherren offensichtlich verschieden beeinflußbar sind. Ich verweise nur darauf, daß im Jahre 1950 der Gesamtbetrag der Besatzungskosten gesenkt werden konnte, während er gleichzeitig in der französischen Zone um 200 Millionen, d. h. um ein volles Drittel des Vorjahres anstieg.
({1})
Die Länder der französischen Zone zahlen zudem - das ist eine Art negativen Reservats aus der Vergangenheit - einen Teil ihrer gegenüber der Bizone doppelt so hohen Besatzungskosten - doppelt so hoch gemessen an der Steuerkraft - in der Form einer Pauschale, d. h. einer Globalleistung, bei der niemand weiß, wofür sie überhaupt verwendet wird. Hier, angesichts einer Barleistung ohne ersichtliche Zweckbestimmung, gegen die eine Landesregierung irgendwie demonstrieren könnte, verliert selbstverständlich die Interessenquote jeglichen Sinn. Eine aussichtsvolle Einwirkung der Länder auf die Höhe der Besatzungskosten setzte vor allem voraus, daß die Gesamtbesatzungskostenlasten irgendwie auf Zonen und Länder nach einem normierten Bedarf, daß sie überhaupt nach dem Bedarf verteilt werden.
Wir halten uns nun in der französischen Zone nicht für so viel gefährlicher als die Bewohner anderer Länder, daß man uns bis heute deshalb mit einer wesentlich höheren Besatzung, und in deren Gefolge mit einer wesentlich höheren Besatzungslast hätte beglücken müssen.
({2})
Wenn aber andere Motive als die des tatsächlichen Bedarfs die Höhe der Besatzungskosten der französischen Zone bestimmen, Motive, die nur zu vermuten sind, dann müssen gegenüber diesem unerforschlichen Ratschluß der Alliierten jedenfalls Sparsamkeitsargumente der Länder völlig wirkungslos bleiben.
({3})
Mit diesen Bemerkungen zu dem Problem der Interessenquote wollte ich Ihnen, meine Damen und Herren, darlegen, daß das System, wenn es mehr Sinn als irgendein anderer schematischer Verteilungsmaßstab, wenn es überhaupt einen Sinn haben soll, sich auf Aufwandsgebiete beschränken muß, auf die die Länder auch wirklich eine entscheidende Einwirkungsmöglichkeit haben.
({4})
dies den im Vorjahre ausgearbeiteten Vorschlägen der Ministerpräsidentenkonferenz.
In den Verhandlungen des Bundesrats ist von einzelnen Ländern beantragt worden, die Interessenquotenbelastung nach dem Maßstab der Steuerkraft auf die Gesamtheit der Länder umzulegen. Der Bundesrat hat sich in seiner Mehrheit diesem Antrage nicht angeschlossen und es bei der Regierungsvorlage belassen. Eine Umlage der Interessenquotenbelastung auf die Ländergesamtheit wäre mit dem Gedanken einer echten Lastenbeteiligung unvereinbar; denn wenn die Länder die Möglichkeit hätten, die finanzielle Last ihrer Interessenquoten zum überwiegenden Teil auf die übrigen Länder abzuwälzen - dadurch, daß jedes Land nach seiner Steuerkraft herangezogen wird -, so würde das zur Folge haben, daß die Art und Weise, wie das einzelne Land die Bundesmittel verwaltet, nicht mehr unmittelbar in seinem Haushalt spürbar wird. Der Anreiz zu einer sparsamen Verwaltung wäre infolgedessen genommen.
Eine weitere finanzielle Beteiligung der Länder sieht der Gesetzentwurf insofern vor, als er die persönlichen und sächlichen Verwaltungskosten grundsätzlich bei den Ländern beläßt. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, daß die Verwaltungshoheit auf dem Gebiete der Besatzungskosten und der sonstigen Kriegsfolgelasten bei den Ländern entsprechend dem Grundgesetz verbleibt.
Die Heranziehung der Länder zu den Bundeslasten und die Tatsache, daß den Ländern die Kriegszerstörungslasten und die mittelbaren Flüchtlingslasten verbleiben, mindern den Entlastungseffekt des Überleitungsgesetzes für die Länder, die mit Kriegsfolgeausgaben überdurchschnittlich belastet sind. Diese Ungleichheiten zu mildern, ist Aufgabe des im Artikel 106 Abs. 4 des Grundgesetzes vorgesehenen horizontalen Finanzausgleichs, also eines Finanzausgleichs unter den Ländern allein, nicht zwischen Bund und Ländern. Die Vorarbeiten für diesen Finanzausgleich sind eingeleitet. Da die Finanzausgleichsverhandlungen mit den Ländern erheblichen Schwierigkeiten begegnen und deshalb voraussichtlich nicht in allernächster Zeit zum Abschluß kommen, hat die Bundesregierung für das schwächste der Länder, das Notstandsgebiet Schleswig-Holstein, ein Übergangsgesetz vorbereitet, das bereits die Zustimmung des Bundesrats gefunden hat und in nächster Zeit dem Bundestag vorgelegt werden wird.
Der Entwurf des Überleitungsgesetzes beschränkt sich auf den Übergang der Kriegsfolge- und Soziallasten auf den Bund, ändert also nicht das diesen Lasten zugrunde liegende materielle Recht. Seine Vereinheitlichung ist auf Einzelgebieten, zum Beispiel Fürsorge für Heimkehrer und Angehörige von Kriegsgefangenen, bereits mit Gesetzeskraft begonnen; die Vereinheitlichung auf anderen Gebieten steht bevor, zum Beispiel Bundesversorgungsrecht, Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes, Überführung der aufgelösten Reichs- und Zonenbehörden usw. Im übrigen trifft das Überleitungsgesetz die erforderlichen Einzelbestimmungen, die sicherstellen sollen, daß sich die Überleitung im ganzen Bundesgebiet gleichförmig vollzieht, insbesondere in allen Ländern die gleichen Finanzvorgänge auf den Bundeshaushalt übergehen.
Die Frage der zeitlichen Abgrenzung des Überleitungsvorganges entscheidet das Gesetz im § 14 nach dem Kassenprinzip. Die im § 14 vorgesehene Regelung soll die Überleitung und Abrechnung vereinfachen. Sie sollte aber nicht zu einer unbilligen Benachteiligung des Bundes führen und den Ländern die Möglichkeit zu einer willkürlichen Vorwegnahme von Einnahmen und Verlagerung von Ausgaben eröffnen. Die im § 16 vorgesehene Einschaltung des Rechnungshofes soll die Verwirklichung dieses letzteren Grundsatzes sicherstellen. Zur Zeit wird noch geprüft, ob darüber hinaus auf Grund der bisherigen Erfahrungen eine Ergänzung des § 14 notwendig ist. Im übrigen wird in den Ausschußberatungen noch Gelegenheit sein, einige weitere Verbesserungen und Klarstellungen am Gesetzestext anzubringen, die sich nach den Erfahrungen der ersten Monate dieses Rechnungsjahres als notwendig oder zweckmäßig erwiesen haben. Insbesondere werden Ergänzungen und Änderungen auf folgenden Gebieten notwendig sein:
a) Der alliierte Unterausschuß für Besatzungskosten beanstandet, daß die sogenannten nicht anerkannten Besatzungskosten gesetzestechnisch mit den Ausgaben des angeordneten Besatzungskostenetats in Zusammenhang gebracht werden. Die Alliierte Hohe Kommission ersucht, daß die im § 5 Abs. 1 Nr. 2 aufgeführten Ausgaben nicht als Besatzungslasten gekennzeichnet werden, wenn es sich auch nach deutscher Auffassung um Ausgaben handele, die durch Anordnungen der Besatzungsmacht verursacht sind und mit dem Besatzungszweck im Zusammenhang stehen.
b) Das Heimkehrergesetz und das Gesetz über Unterhaltsbeihilfen für Angehörige von Kriegsgefangenen müssen in das Gesetz eingearbeitet werden.
c) Das in Vorbereitung befindliche Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes macht voraussichtlich eine andere Technik des Lastenüberganges erforderlich, als sie im Entwurf des Überleitungsgesetzes vorgesehen ist.
d) Es wird zu prüfen sein, ob der Übergang der Kosten der Bundesfinanzverwaltung und der Lasten der aufgelösten Reichs- und Zonenbehörden noch in diesem Gesetz normiert werden soll oder einem zweiten Überleitungsgesetz vorzubehalten ist.
In Übereinstimmung mit dem Bundesrat wird nach den Grundsätzen des Entwurfs bereits seit dem 1. April 1950 praktisch verfahren. Da aber die Haushaltsführung des Bundes, namentlich hinsichtlich der Kriegsfolgelasten und der Interessenquoten, alsbald einer einwandfreien Rechtsgrundlage bedarf, erscheint eine baldige Verabschiedung des Gesetzentwurfes geboten, um die ich das Hohe Haus ersuche.
Das Wort hat Herr Minister Dr. Hoffmann.
Dr. Hoffmann, Finanzminister des Landes Rheinland-Pfalz: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zu der Vorlage den ablehnenden Standpunkt der Minderheit des Bundesrates vortrage, einer allerdings respektablen Minderheit, die bei der Beschlußfassung zu dem entscheidenden § 2 des Gesetzes netto 50 % betragen hat, einer auch sehr aussichtsvollen Minderheit, die sich nach dem, was inzwischen zu erfahren war, unterdessen in eine Mehrheit verwandelt hat. Es war wohl das erste Mal, daß der Bundesrat bei einer Gesetzesvorlage zu lebhafteren Auseinandersetzungen und zu größeren Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Und wenn man den beträchtlichen Anteil der Justizminister an dieser Bundesratsdebatte bedenkt, könnte man die Angelegenheit bereits für so aussichtslos halten, wie eine Sache zu sein pflegt, wenn sie sich erst unter den Händen der Anwälte befindet. Ich möchte trotzdem hoffen, daß es vielleicht auch in diesem Stadium noch
({0})
möglich ist, im Rahmen dieses Vorgeplänkels um den Länderfinanzausgleich zu einer Art Waffenruhe zu kommen, die es gestattet, die juristischen Hilfsund Reservetruppen noch einmal zu beurlauben.
Die allgemeinen Grundsätze, die der Herr Bundesfinanzminister zu den Artikeln 106 und 120 des Grundgesetzes, zu der Interessenquote und zu der Vorlage als Ganzem entwickelt hat, werden von den Ländern zum größten Teil akzeptiert. Es wäre nur wünschenswert gewesen - und darin liegt der Punkt unserer Beanstandung -, daß sie im Gesetz auch wirklich logisch zur Durchführung gekommen wären und daß die sonstigen Voraussetzungen für eine Regelung außer der Reihe, für eine Regelung außerhalb des Grundgesetzes, wie sie hier erfolgen soll, gegeben seien.
Es hätte dann vielleicht darüber hinweggesehen werden können, daß die Rechtsgrundlage für den § 2 des Gesetzes in höchstem Grade zweifelhaft bleiben muß. Der Art. 106 Abs. 3 hätte einer abweichenden Vereinbarung zwischen Bund und Ländern, d. h. zwischen den Ländern gesondert und keinesfalls mit dem Bundesrat, wohl nicht im Wege gestanden. So aber muß bestritten werden, daß der Art. 120 im Wege des Gesetzes eine Lastenverteilung auf die Länder zuläßt in einer Art, die dem Maßstab des Art. 106 Abs. 3, der die Steuerkraft zugrunde gelegt, zuwiderläuft. Mit diesem Aufbringungsmodus nach der Steuerkraft enthält nämlich Art. 106 Abs. 3 eine Schutzbestimmung für die steuerschwächeren Länder, die auch auf dem Wege eines Gesetzes nach Art. 120 kaum umgangen werden kann. Die Wortfassung und der Sinn des Art. 120 geben dazu keinerlei Vollmacht. Wenn es in Abs. 1 des Art. 120 heißt: „Der Bund trägt die Aufwendungen für die „Kriegsfolgelasten" mit dem Zusatz „nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes", dann war der aus den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates klar ersichtliche alleinige Zweck dieses auf einen bayerischen Antrag hin angenommenen Zusatzes den Begriff „Kriegsfolgelasten" in seinem Umfang zu umreißen. In keiner Weise kann daher daraus die Berechtigung hergeleitet werden, das Grundschema des Art. 106 anzutasten. Ich möchte indessen auf diese juristische Seite der Angelegenheit nicht weiter eingehen, weil sie ja letzten Endes nicht hier durch Abstimmung entschieden wird. Immerhin dürfte es ratsam sein, wenn sich der Bundestag bis zur Verabschiedung des Gesetzes auch ein Urteil und vor allem ein Urteil über seine Verfassungsmäßigkeit bildet, die, wie gesagt, von einem Teil der Länder bestritten wird.
Was nun die im Zentrum des Streits stehende Interessenquote anlangt, so entstammt sie bekanntlich historisch dem kommunalen Bereich und hatte ihren vollen Sinn auch nur, dort, wo eine Unzahl unterer Verwaltungsstellen, wo Zehntausende von Gemeinden - sei es aus Nachlässigkeit, sei es aus Berechnung - bereit waren, das Interesse ihres Auftraggebers, des Bundes oder der Länder, ihrem eigenen egoistischen Lokalinteresse unterzuordnen. Die Interessenquote war insoweit nichts anderes als ein Ersatz für eine technisch schwierige oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu bewältigende Kontrolle. Zwischen Souveränitätsträgern - wie dem Reich und den Ländern - war sie eigentlich früher im allgemeinen nicht üblich, und man sollte auch die Neigung zu ähnlichen Machinationen, wie man sie offenbar den Gemeinden zutraut, nicht so ohne weiteres bei den elf Ländern voraussetzen, denen ihre finanzielle Schicksalsverbundenheit mit dem Bund, sei es angenehm oder wie hier bei dieser
Vorlage unangenehm, doch täglich zum Bewußtsein gebracht wird. Davon abgesehen, daß ihr also immer etwas Diskriminierendes anhaftet und daß sie als eine Art neues Zuchtmittel in dem Verhältnis Bund - Länder ausprobiert werden soll, wäre seitens der Länder gegen das System der Interessenquote als solches kaum etwas zu erinnern. Es ist aus Gründen der öffentlichen Pädagogik durchaus vertretbar, die Länder bei der Ausgabewirtschaft durch eine gewisse Beteiligung an dem Aufwand, an seiner möglichen Begrenzung zu interessieren. Einen Sinn hat aber dieses Verfahren doch nur dort, wo die Länder als Treuhänder der Bundesmittel, die sie verwirtschaften, überhaupt in der Lage sind, die Ausgaben zu beeinflussen, wo sie tatsächlich die entscheidende Instanz bei der Verwaltung darstellen. Das ist beispielsweise in keiner Weise bei der Arbeitslosenhilfe der Fall, deren Vollzug bei einer Selbstverwaltung liegt. Das ist aber auch großenteils ebensowenig bei den Besatzungskosten der Fall. Da hat die Landesregierung auf Anweisung der Kommissare etwas zu bezahlen, ohne auf die Höhe der Leistung mit mehr als platonischen Empfehlungen und Beschwerden Einfluß nehmen zu können.
Dazu kommt, daß die einzelnen Zonenherren offensichtlich verschieden beeinflußbar sind. Ich verweise nur darauf, daß im Jahre 1950 der Gesamtbetrag der Besatzungskosten gesenkt werden konnte, während er gleichzeitig in der französischen Zone um 200 Millionen, d. h. um ein volles Drittel des Vorjahres anstieg.
({1})
Die Länder der französischen Zone zahlen zudem - das ist eine Art negativen Reservats aus der Vergangenheit - einen Teil ihrer gegenüber der Bizone doppelt so hohen Besatzungskosten - doppelt so hoch gemessen an der Steuerkraft - in der Form einer Pauschale, d. h. einer Globalleistung, bei der niemand weiß, wofür sie überhaupt verwendet wird. Hier, angesichts einer Barleistung ohne ersichtliche Zweckbestimmung, gegen die eine Landesregierung irgendwie demonstrieren könnte, verliert selbstverständlich die Interessenquote jeglichen Sinn. Eine aussichtsvolle Einwirkung der Länder auf die Höhe der Besatzungskosten setzte vor allem voraus, daß die Gesamtbesatzungskostenlasten irgendwie auf Zonen und Länder nach einem normierten Bedarf, daß sie überhaupt nach dem Bedarf verteilt werden.
Wir halten uns nun in der französischen Zone nicht für so viel gefährlicher als die Bewohner anderer Länder, daß man uns bis heute deshalb mit einer wesentlich höheren Besatzung, und in deren Gefolge mit einer wesentlich höheren Besatzungslast hätte beglücken müssen.
({2})
Wenn aber andere Motive als die des tatsächlichen Bedarfs die Höhe der Besatzungskosten der französischen Zone bestimmen, Motive, die nur zu vermuten sind, dann müssen gegenüber diesem unerforschlichen Ratschluß der Alliierten jedenfalls Sparsamkeitsargumente der Länder völlig wirkungslos bleiben.
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Mit diesen Bemerkungen zu dem Problem der Interessenquote wollte ich Ihnen, meine Damen und Herren, darlegen, daß das System, wenn es mehr Sinn als irgendein anderer schematischer Verteilungsmaßstab, wenn es überhaupt einen Sinn haben soll, sich auf Aufwandsgebiete beschränken muß, auf die die Länder auch wirklich eine entscheidende Einwirkungsmöglichkeit haben.
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Wenn sich nun die Hälfte der Länder im gegenwärtigen Augenblick gegen die hier vorgesehene Interessenquote wendet, und nach dem Antrag Schleswig-Holsteins so etwas wie eine Gesamtinteressenquote - ich gebe dem Herrn Bundesfinanzminister zu, daß es keine echte Interessenquote ist - an seine Stelle setzen will, so bleibt doch das Interesse des Bundes an einer möglichst eindeutig zahlenmäßigen Fixierung des Deckungsbeitrages der Länder zu dem Überleitungsdefizit unbestritten; und keines der Länder will dem Bund irgendwie das für ihn Notwendige vorenthalten.
Die Länder sind vernünftigerweise an der Finanzlage des Bundes nicht weniger interessiert als an ihrer eigenen. Der Bund könnte sich also an dieser Länderkontroverse durchaus uninteressiert erklären. Wenn er aber doch Partei nimmt, glaube ich, daß er gut daran täte, sich für eine Lösung einzusetzen, die in der Richtung dessen liegt, was in naher Zukunft doch unvermeidlich ist, daß er also ein Verfahren unterstützte, das das gesamte Problem des Länderfinanzausgleichs entlastete, statt es weiterhin künstlich zu verkomplizieren.
Auch die Befürworter der Vorlage sprechen nämlich ganz geschämig von „Unebenheiten" dieses Gesetzes, die eben im Zuge eines kommenden Finanzausgleichs mit den übrigen Unebenheiten auszugleichen wären. Wenn das schon zugegeben werden muß, dann scheint es mir richtiger; diese Unebenheiten von vornherein zu vermeiden, dann scheint es mir richtiger, den steuerschwachen Ländern nicht erst mehr abzunehmen, als sie nach Art. 106 Abs. 3 letzten Endes zu leisten verpflichtet sind. Denn was diese Länder heute weniger zahlen, das haben sie wenigstens noch. Wann sie etwas, und was sie eventuell aus einem kommenden Länderfinanzausgleich bekommen, das hängt nach der sehr problematischen Konstruktion des Grundgesetzes voraussichtlich davon ab, daß eine Formel gefunden wird, bei der 5 Länder oder 21 Bundesratsstimmen etwas zu zahlen und 6 Länder oder 22 Stimmen etwas zu bekommen haben. Dieser Länderfinanzausgleich, auf den die Länder, die seit dem 1 April dieses Jahres keine Ausgleichsleistungen mehr erhalten, zur Aufrechterhaltung eines wenigstens primitiven Existenzminimums angewiesen sind, wird bekanntlich der „horizontale" genannt, eine Bezeichnung, deren doppelsinnige Symbolik ich zu beachten bitte. Hoffentlich heißt er nämlich nicht deshalb horizontal, weil er wie der Horizont in dem Maße, in dem man sich ihm zu nähern glaubt, in die Ferne rückt.
({5})
Das darf einmal ausgesprochen werden, daß an diesem Länderfinanzausgleich der Bund ein ureigenes, ganz egoistisches Interesse hat. Es ist ja doch nicht so, daß er in der vornehm zurückhaltenden Rolle eines väterlichen Schiedsrichters wird verharren können, eine Rolle, zu der man ihn nebenbei nicht einmal beglückwünschen könnte, weil im Zweifel ja der Schiedsrichter zuerst verprügelt wird. Aber der Bundes-Finanzminister wird für die Fehlkonstruktion des Grundgesetzes büßen müssen, die dem Bund eine eigene Ausgleichsmasse für Zwecke des Finanzausgleichs versagt hat und den Bundesfinanzminister zwingt, das, was er dem einen geben will, erst dem anderen abzunehmen.
({6})
Hier aber, wo es zunächst einmal um das Überleitungsdefizit des Bundes geht, kann dem Bundesfinanzministerium doch weniger an einem Zahlungsversprechen als daran liegen, daß es irgendwie zu
Gelde wird. Die Aussichten aber, die nach diesem Gesetz vorgesehenen Leistungen wirklich hereinzubringen, sind um so geringer, je weniger diese Leistungen der individuellen Leistungsfähigkeit der Länder angepaßt sind. Die Länder, die heute bereits Haushaltsdefizite mit 30% der Ausgabenseite aufweisen, würden dem Bund bestenfalls ihre Forderungen aus diesem Finanzausgleich „am Horizont" abtreten können. Ich will damit sagen, meine Damen und Herren, daß es bei der zugespitzten und äußerst prekären Finanzlage der finanzschwachen Länder eine Illusion wäre, von ihnen Leistungen zu verlangen, zu denen sie erst ein Länderfinanzausgleich instand setzen könnte. Jede Art Bundesfinanzausgleich - um ein Stück eines solchen handelt es sich doch wohl hier - hat nämlich den vorherigen Länderfinanzausgleich zur Voraussetzung.
Die kürzlichen Ausführungen des Bundesfinanzministeriums zur allgemeinen Finanzlage gestatten, ohne in den Geruch des Defaitismus zu gelangen, die Dinge so real zu sehen, wie sie nun einmal sind. Man wird feststellen können, daß sowohl die Gesamtrechnung der öffentlichen Hand, wie die von Bund, Ländern und Gemeinden im einzelnen gesehen, defizitär ist. In dieser Situation wird der Finanzausgleich, im ganzen genommen, nichts anderes als ein Ausgleich des Gesamtdefizits sein, d. h. eine Verteilung des Gesamtdefizits auf alle, auch auf den Bund. Da gibt es allerdings den Artikel 110 des Grundgesetzes, der den Ausgleich des Bundeshaushaltes in Einnahmen und Ausgaben vorsieht. Es gibt auch entsprechende Bestimmungen in Länderverfassungen, wo die Aufnahme ähnlich wohlklingender Postulate für gut befunden worden ist. Wir sind uns aber doch darüber klar, daß alle diese Bestimmungen einstweilen unerfüllbare Programmforderungen bleiben, ganz davon abgesehen, daß es um noch einmal auf die Pädagogik zurückzukommen, falsch wäre, allein den Bund und seine parlamentarischen und bürokratischen Instanzen das wohltuende Regulativ eines angemessenen Haushaltsfehlbetrages entbehren zu lassen; dies vor allem auch im Hinblick auf die sehr unpädagogische Bestimmung des Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes. Dort wird nämlich, wenigstens dem Grundschema nach, die große Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern so vorgenommen, daß dem Bund die Zuständigkeit für die Ausgaben vorbehalten wird, während es den Länderparlamenten überlassen bleibt, die Verantwortung für die Dekkung zu übernehmen.
Zum Zwecke der Abschreckung der Minderheit ist uns vor dem Bundestag Angst gemacht worden. Man hat uns gesagt, er pflege sich nicht sehr viel für die sehr komplizierten und im übrigen uninteressanten Interessen der Länder zu interessieren,
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er pflege die Dinge einseitig oder wenigstens überwiegend politisch zu betrachten. Gerade deshalb möchte ich nicht verfehlen, mit ein paar Worten noch auszuführen, daß es sich hier um ein eminent politisches Thema handelt, nämlich um nichts weniger als um die Frage des Funktionierens eines föderalistischen Organismus überhaupt.
Als ich vor kurzem meinem Landtag den Haushalt für 1950 mit einem Fehlbetrag von 160 Millionen vorlegen mußte, konnte ich nicht umhin, darauf zu verweisen, daß die Frage der wenigstens teilweisen Deckung dieses Fehlbetrages letzten Endes eine Frage der Ländersolidarität und eine Frage der Opfer sei, die die Länder dem Gedanken des Föderalismus zu bringen bereit seien. Es dürfte kein Zweifel bestehen, daß ein ausrei({8})
chend wirksamer Finanzausgleich so sehr das Existenzproblem des Föderalismus darstellt, daß er selbst dann zum Funktionieren gebracht werden müßte, wenn eine unvollkommene Regelung des Grundgesetzes versagen würde. So widersinnig es klingen mag: in diesem finanziellen Kernpunkt scheint das föderalistische System nur zu funktionieren bei maßgeblicher Einschaltung einer neutralen Zentralinstanz. Es liegt nicht nur im Interesse des Landes, es liegt nicht weniger im wohlverstandenen Interesse des Ganzen, daß aus diesem Dilemma eine Lösung gefunden wird. Ein föderalistisches System, das große und kleine und kleinste Ländereinheiten mischt, das arme und reiche zusammenkoppelt und ihnen einredet, sie seien alle vor dem Gesetz und dem Föderalismus gleich, weil sie sich mit dem Mantel der gleichen Ländersouveränität umkleiden können, ein solches System muß an den unvermeidlichen Spannungen scheitern, wie sie sich aus dem unausgeglichenen Kräfteverhältnis der Bundesmitglieder ergeben. Wie die soziale Frage nicht einfach dadurch gelöst werden kann, daß der Arme mit dem Reichen die gleichen bürgerlichen Rechte teilt, so ist auch ein politischer Verband nicht denkbar, innerhalb dessen der eine von der Gnade des anderen lebt.
Jede Art Finanzausgleich schafft finanzielle und in ihrem Gefolge leicht auch politische Abhängigkeit, peinlich genug im Verhältnis Bund zu einem Lande, aber unerträglich für das föderalistische System, wenn der Kleine und Schwächere dadurch zum politischen Trabanten des stärkeren Nachbarn wird. Wie sehr dieses Thema Finanzausgleich heute bereits auf die rein politische Ebene abzugleiten droht, das beweist die politische Replik der in Anspruch genommenen Länder mit ihrer Offerte, die kleinen und o schwächeren, wirtschaftlich und finanziell längst überspielten Ländersouveränitäten samt ihrem Defizit und um den Preis ihres Defizits zu schlucken. Es ist kein Zweifel, daß ein solches Radikalmittel geeignet wäre, das Finanzausgleichsproblem ein für allemal zu regeln, und zwar um so gründlicher, je mehr ein derart konzentrierter Föderalismus dem Zentralismus nahekommt. Man braucht durchaus nicht Gegner einer vernünftigen Flurbereinigung auf der Länderebene zu sein, wenn man sich auch darüber klar sein muß, daß damit die nun einmal vorhandenen Notgebiete nicht beseitigt, sondern nur in eine andere Länderkombination verschoben würden. Immerhin scheint uns aber dieses Problem der Neugliederung des Bundesgebiets bedeutsam genug, um nicht so nebenher auf kaltem Wege unter dem Druck eines ungenügenden und überhaupt ausbleibenden Finanzausgleichs neuen, nicht minder unbefriedigenden Notlösungen entgegengeführt zu werden. Hier scheint mir ein ausgesprochen legitimes Interesse des Bundes und des Bundestags im Spiele zu sein. Der Föderalismus, wie wir ihn heute nach dem Willen derer exerzieren, die daran glauben, und der anderen, die wenigstens bereit sind, sich von seinem Funktionieren überzeugen zu lassen, steht vor seiner ersten und schwersten Belastungsprobe. Die Erfahrungen der Vergangenheit mit dem hinter uns liegenden Kalorienausgleich in der Blütezeit des Fett- und Kartoffelpartikularismus sind alles andere als ermunternd.
Aus dieser Situation, meine Damen und Herren, bitten wir, die Haltung der minderbemittelten Bundesratshälfte zu verstehen. Wir sind der Meinung, die Ländersouveränität müßte an der Kasse verteidigt werden, wenn es nicht bereits übertrieben ist, bei einigen von uns noch von Kasse zu reden. Wir sind auch der Meinung, man sollte nicht warten, und der
Bund sollte nicht zulassen, daß man wartet, bis die nächsten zwei Länder, bis Niedersachsen und Rheinland-Pfalz nach dem Muster von Schleswig-Holstein nothilfereif werden. Ich hoffe, daß man sich in diesem Hause klar darüber ist, daß solche Aktionen an den Nerv der Landeshoheit gehen, daß sie zu einer unerträglichen Einschränkung der Geschäftsfähigkeit des Landes und zu einer unausbleiblichen Abtötung der Eigenverantwortlichkeit dieser Fürsorgeempfänger führen würden.
Wir sind also, um es zusammenzufassen, nicht Gegner eines vernünftigen Interessenquotensystems an sich, aber wir möchten es erst später, erst nach dem Finanzausgleich. Bis dahin bitten wir Sie, eine Zwischenlösung nach der Art des schleswig-holsteinschen Vorschlages oder nach irgend einer anderen Art vorzusehen, jedenfalls aber nach einer solchen, die den schwachen Ländern wenigstens die Chance läßt, den Zeitpunkt des endlichen Finanzausgleichs überhaupt zu erleben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners ist von dem Standpunkt der Abgeordneten aus, die aus den hungerleidenden Ländern unserer Republik stammen, nur noch wenig hinzuzufügen. Ich hätte gewünscht, daß das Haus besser besetzt wäre, um diese Ansprache aus der Landesebene heraus zu hören, die meines Erachtens allerdings an den Nerv unseres gesamten föderativen Staatssystems rührt und die in einem praktischen Fall nicht nur jeden einzelnen Mitbürger angeht, sondern insbesondere die Konstruktion unseres gesamten Staatsbetriebes tatsächlich in all ihrer Problematik hier - ich möchte beinahe sagen: abschließend - dargelegt hat, soweit es sich um „arm" und „reich" handelt. Dieses Gesetz hier ist ein für den normalen Abgeordneten außerordentsich langweiliges Gesetz, weil es scheinbar technische Bestimmungen enthält, ein Ausführungsgesetz zum Grundgesetz, das eben nun einmal gemacht werden muß. Es ist aber in seiner Wirkung ein meines Erachtens tatsächlich entscheidendes Gesetz, nämlich die Probe, ob das Grundgesetz sich in der Praxis des Lebens auch bewährt.
Darf ich dazu einige Bemerkungen machen. Die erste Frage, die sich die Ausschüsse vorlegen müssen, ist eine Rechtsfrage. Das Gesetz muß daher unter allen Umständen auch dem Rechtsausschuß trotz seiner Überlastung zugewiesen werden. Es ist nämlich die Frage, ob es zulässig ist, unter Zuhilfenahme des völlig unverständlichen Schlagworts „Interessenquote" von der Grundgesetzbestimmung des Art. 120 abzuweichen.
Wenn es dort heißt, daß der Bund unter anderem diese Kriegsfolgelasten trägt - „trägt" steht wörtlich da - und daß der Gesetzgebung nur eine „nähere Bestimmung" vorbehalten ist, kann, so meine ich als Jurist, nicht davon die Rede sein, daß die nähere Bestimmung das Wort „trägt" streicht und sagt: Der Bund trägt die Lasten nur zu drei Viertel, zu sieben Achtel oder zu neun Zehntel, den Rest tragen die Länder. Daß dies nicht jedem ohne weiteres klar ist, liegt daran, daß die Menschen ja da, wo 'Begriffe fehlen oder vernebelt werden sollen, gewohnt sind, ein Wort zu gebrauchen, wie Goethe es gesagt hat: Das Wort stellt zur rechten Zeit sich ein. „Interessenquote" bedeutet, daß man denjenigen, der eine Verwaltung führt, dadurch an Spar({0})
samkeit interessiert, daß er einen Teil selber mittragen muß. Davon ist nach § 2 hier aber sachlich gar nicht die Rede. Vielmehr ist die Rede davon, daß jemand, dem man eine Last abnimmt, gewisse Anteile selber „aufbringen" muß. In der Begründung, warum das geschehen soll, ist nach dem Beispiel von Gemeinden, die gern ihr Land bemogeln, von „Interessenquote" die Rede. In Wirklichkeit handelt es sich - das ist im Wortlaut der Vorlage sehr deutlich gesagt, und der Herr Bundesfinanzminister hat es heute auch ausgesprochen - um eine Entlastung des Bundes um, wenn ich nicht irre, an die 1,2 Milliarden DM. Das ist der Sinn und Zweck dieser „Interessenquoten", und das widerspricht nun einmal dem Grundgesetz. Jedenfalls käme wiederum eine der verschiedenen Verfassungsstreitigkeiten in Frage, die dann vermutlich zu richterlichem Austrag führen.
Was nun aber die Art der Interessenquote oder des Selbstbehaltes oder der Aufbringungspflicht der Länder anlangt, so habe ich von Schleswig-Holstein aus neben all den Ausführungen meines Herrn Vorredners, die ich generell Wort für Wort unterschreibe, nur auf folgendes hinzuweisen: Nach der Ziffer 2 von § 2 sind die Aufwendungen für die Kriegsfolgenhilfe zu 25% von den Ländern zu tragen. Aufwendungen für die Kriegsfolgenhilfe sind nach § 1 die in den §§ 6 bis 12 des Gesetzes näher bezeichneten Kosten, die durch den Krieg entstanden sind, insbesondere die Fürsorge, wie es in § 6 heißt, für „ortsfremde Kriegsfolgenhilfeempfanger", nämlich Heimatvertriebene, Evakuierte, Zugewanderte, Ausländer und Staatenlose. ({1})
Ich kann mit meinen Ausführungen innerhalb der kurzen Redezeit nicht ganz fertig werden. Ich bitte um Entschuldigung. Ich nehme an, daß nicht Herren aus allen Fraktionen sprechen werden. - Nun nehme ich an, es ist inzwischen dem Bundestag hinreichend bekannt, wie sehr und wie unheimlich das Land Schleswig-Holstein mit Evakuierten und Heimatvertriebenen überbelastet ist, so daß in den Kleinstädten und auf den Dörfern mehr als 50% der Einwohner Vertriebene sind - wir haben das am letzten Wahlsonntag erlebt; für den Einheimischen war das Wahlergebnis keine Überraschung - und daß, wenn die Vertriebenen sich zusammenschließen, eine Riesenpartei entsteht. Da die Vertriebenen in den kleinen Städten und auf dem Lande einem Erwerb nicht nachgehen können, so sind sie eben Fürsorgeempfänger. Diese Fürsorgepflicht soll das Land, das an sich nicht lebensfähig ist, jetzt zu 25% selber tragen. Das wäre, wenn es ein sehr, sehr reiches Land wäre, meines Erachtens eine sehr arge Zumutung. Bei einem Land, das ohnehin ohne Almosenunterstützung anderer Länder nicht leben kann, ist das eine Regelung, deren Sinn und Zweck ich beim besten Willen nicht erkennen kann. Es mag ja sein, daß die Unterstützungsbehörden im einzelnen Fall vielleicht einem armen Flüchtling, der bei ihnen Unterstützung haben will, etwas abknapsen können; aber die allgemeine Armut, die Tatsache, daß Unterstützungen zu zahlen sind, ist doch durch keine Sparmethode des Landes zu beseitigen. Man kann doch, wenn man nichts hat, allerhöchstens die Armen verhungern lassen. Es ist doch undenkbar, ihnen das vorzuenthalten, was ihnen nun einmal nach den Richtsätzen zusteht. Ich wüßte gar nicht, wie durch „Interessenquotensparsamkeit" hier bei der Überbelegung des Landes mit erwerbslosen Flüchtlingen etwas durch sparsame Verwaltung gespart werden sollte.
Deswegen meine ich: das Land Schleswig-Holstein ist durch die Flüchtlinge bis über jedes Vermögen belastet und hat nach dem Grundgesetz einen Anspruch darauf, daß ihm diese Last vom Bund abgenommen wird. Weil es mit Flüchtlingen so überbelastet ist, soll es jetzt aber entgegen dem Grundgesetz auch noch von den Lasten ein Viertel selber tragen. Darin ist kein Sinn und keine Vernunft zu erblicken. Selbst wenn das Grundgesetz es zuließe, dürfte man so etwas überhaupt nicht in Erwägung ziehen.
Ich bitte Sie, Ihre Redezeit einzuhalten.
Entschuldigen Sie! Ich glaube, es werden nicht alle Herren, die sich gemeldet haben, sprechen. Ich bitte, das Haus zu fragen.
Nein. Das Haus ist gefragt worden. Das Haus hat beschlossen, die Redezeit einzuhalten.
Aber ich bitte, konkret zu fragen. Ich kann ja abbrechen und wegtreten. Ob das im Interesse des Hauses liegt, weiß ich nicht. Ich spreche für alle Fraktionen, für alle Schleswig-Holsteiner, die hier im Hause sind.
({0}) - Na, wenn ich die Redezeit einhalten soll - ich hoffe, daß der Zuruf nicht gerade von einem Rheinländer herrührt -, dann muß ich es tun. Ich bitte aber, das Haus zu fragen.
Das Haus hat die Redezeit bereits beschlossen. Eben hat Herr Präsident Dr. Köhler darüber abstimmen lassen, und der Beschluß muß unter diesen Umständen durchgeführt werden.
Dann bitte ich darum, daß eine andere Fraktion mir etwas von ihrer Redezeit abtritt.
({0})
Ich muß Sie bitten, Herr Abgeordneter Ewers, Ihre Ausführungen zu beenden.
Dann unterbreche ich. Ich danke schön!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lausen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sehr schade, daß der Herr Bundesfinanzminister Schäffer anläßlich der Einbringung dieser Gesetzesvorlage nicht die ausgezeichnete Chance benutzt hat, sich sowohl den Beifall aller guten Deutschen als auch den Ruhm eines großen Patrioten zu erwerben. Ich meine damit die Chance, in diese Gesetzesvorlage auch Berlin einzubeziehen. Nach meiner Auffassung sollte es selbstverständliche Pflicht aller Deutschen und in erster Linie der Bundesregierung sein, jede Gelegenheit wahrzunehmen, dieser Stadt zu beweisen, daß wir an sie denken. Der scheußliche Zustand, daß Monat für Monat zwischen dieser Stadt Berlin und der Bundesregierung der Zuschuß jeweils ausgehandelt werden muß, ist doch offenbar weder den Berlinern noch, wie ich mich habe informieren lassen, dem Herrn Finanzminister sympathisch. Ich habe gehört, daß er von sich aus bereits
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Bemerkungen in der Richtung gemacht habe, es sei tunlich, Aufgaben und Ausgaben hier aufzuteilen. Nun hatte er die Chance, einmal Ernst zu machen. Daß er sie nicht ergriffen hat, bedauern wir. Der heutige Zustand jedenfalls, was Berlin anlangt, wird weder der geschichtlichen Leistung der Berliner gerecht noch entspricht er der Würde des deutschen Volkes.
Und nun gestatten Sie mir ein paar knappe Bemerkungen zu dem politisch interessanten Teil des vorliegenden Gesetzes. Ich glaube, man darf sagen: diese Vorlage ist das Präludium zu einem Gespräch, das uns in den nächsten Wochen und Monaten noch sehr viel Kummer und Sorge machen wird, das Präludium zu dem Gespräch über den horizontalen Finanzausgleich. Dabei sollten wir bedenken, daß wir in kurzer Zeit erkennen werden: die Decke ist zu kurz. Wir sollten ebenso berücksichtigen, daß den Letzten leicht die Hunde beißen, und der Letzte sind in diesem Falle die Gemeinden. Deshalb sollten wir bei allen diesen Auseinandersetzungen, auch bei der jetzigen Vorlage, diejenigen, die nicht in der Lage sind, sich so zäh zur Wehr zu setzen, wie es der Bund und die Länder können, nämlich die Gemeinden, niemals vergessen.
Ein Grundton des uns heute vorliegenden Gesetzes ist vielleicht durch die Worte „übereilte Einkommensteuersenkung" gekennzeichnet. Eine ganze Reihe von Konsequenzen, die sich in dieser Vorlage zeigen, beruht darauf, daß der Herr Bundesfinanzminister sich durch das sehr eifrige Vorwärtstreiben der Einkommensteuersenkung einiger Möglichkeiten selbst beraubt hat. Gewiß, es ist zuzugeben, daß der Finanzausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz das Wort „Interessenquote" zum ersten Mal in der neueren Zeit in die Debatte geworfen hat. Aber ich habe den Eindruck, der Herr Bundesfinanzminister hat dankbaren Herzens nach diesem Strohhalm gegriffen, denn dadurch war er in der Lage, die Spuren, die in die Richtung einer übereilten Einkommensteuersenkung führen, zu verwischen.
Ich darf erklären, daß die Ausführungen des Herrn Bundesratsvertreters an dieser Stelle es mir ersparen, auf eine ganze Reihe von Argumenten einzugehen. Nur eines darf ich sagen: das Argument der Bundesregierung, in der schematischen Art dieser Interessenquote liege ein echter Anreiz zum Sparen, überzeugt uns nicht, denn wenn man ganz vorsichtig abwägen will, werden sich das Für und Wider dabei die Waage halten. Herr Minister Schäffer hat im Bundesrat den Bundestag als den schwarzen Mann hingestellt, der über die Minderheit des Bundesrates bzw. über die individuellen Länderinteressen glatt hinweggehen würde. Dazu möchte ich an dieser Stelle erklären: Meine politischen Freunde sind durchaus nicht gewillt, diesen Dingen neutral gegenüberzustehen, denn in Zusammenhang mit ihnen steht ein rein sozialpolitisches Problem. Wir werden es nicht zulassen, daß dieses sozialpolitische Problem auf die Weise übergangen wird, wie es hier geschehen soll. Was man uns in puncto Interessenquote angeboten hat, ist Grobschmiedearbeit, und ich glaube, wir brauchen gerade hier die Arbeit von Feinmechanikern. Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister und auch die Mehrheit des Bundesrats haben geglaubt, der anderen Seite eine Beruhigungspille geben zu können. Man hat ihnen gesagt, die Unebenheiten, die durch die Anwendung dieser schematischen Interessenquote entstehen, würden durch den schließlichen horizontalen Lastenausgleich ja wieder ausgebügelt. Ich darf bemerken, daß dieses
Argument ein Loch in den ganzen Überlegungen in puncto Pädagogik und in puncto Sparsamkeit bedeutet. Denn wer will noch sparen, wenn man ihm sagt: Zum Schluß wird ja doch alles über den großen Kamm geschoren? Darin liegt also ein sehr zweischneidiges Schwert, wenn man glaubt, dieses Argument anwenden zu können.
Aber auch nach der verfassungsrechtlichen Seite wäre einiges zu sagen. Der Auftrag, der der Regierung und uns erteilt worden ist, ergibt sich aus dem Art. 120. Der Art. 120 sagt klipp und klar aus, wie auch mein Herr Vorredner anführte, daß der Bund die Belastungen auf diesen und jenen Gebieten zu tragen habe. Er sagt gar nichts darüber aus, ob oder wie die einzelnen Länder von diesen Belastungen etwas zu übernehmen haben. Aussage darüber erteilt lediglich der Art. 106 in seinen vier Absätzen. Auch wer sich darauf berufen möchte, daß im Art. 120 steht: „nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" usw., wer glaubt, daß damit etwa angedeutet sein könne, durch das Spezialgesetz solle über irgendeine Form von Quotierung etwas ausgesagt werden, befindet sich meiner Auffassung nach auf dem Holzweg. Diese Worte haben nichts weiter zu besagen, als daß ein Auslegungsvorbehalt für Begriffe wie Besatzungslasten, Kriegsfolgelasten usw. gemacht wird. Und diese Auslegung, meine Damen und Herren, ist auch die Auslegung, wie sie uns in den Empfehlungen des Finanzausschusses der Ministerpräsidentenkonferenz gegeben worden ist.
Ich bin der Meinung, daß gewissenhafte Einhaltung des Grundgesetzes es uns zur Pflicht macht, nach anderen Auswegen zu suchen, als es uns in dem § 2 dieses Gesetzentwurfes angeboten wird. Ich darf zusammenfassend sagen: Bei allem Verständnis, das wir für die Notwendigkeit einer beschleunigten Schaffung ordentlicher Rechnungsgrundlagen für die Aufstellung der Haushalte der Länder und des Bundes haben, bei all diesem Verständnis müssen wir an dieser Stelle unsere ernstesten Bedenken gegen die schematische Anwendung der Interessenquote, wie sie im § 2 des Gesetzes erfolgt ist, in materieller und in verfassungsrechtlicher Hinsicht anmelden.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus den Ausführungen des Vertreters des Bundesrates haben Sie ersehen, welche besondere Bedeutung dieses Gesetz, namentlich in der Fassung seines § 2, hat. Wenn Sie sich etwas näher mit den Ausführungen im Bundesrat beschäftigen, dann werden Sie feststellen können, daß wohl kaum ein Gesetz bisher eine so ausführliche und eingehende Debatte im Bundesrat ausgelöst hat wie gerade dieser Gesetzentwurf zur Überleitung der Besatzungslasten. Nun wird vom Herrn Bundesfinanzminister in seinen Ausführungen im Bundesrat darauf gedrängt, daß es ein eiliges und dringendes Gesetz sei, daß rasch, sicher und reibungslos gehandelt werden müsse. Zweifellos ist es der Fall, daß diese Probleme raschestens gelöst werden müssen. Aber dabei darf unter gar keinen Umständen übersehen werden, welche Gefahr diese Fassung des § 2 insbesondere für die Länder hat. Die Einführung der Interessenquote in dieser Form bedeutet nichts anderes als eine uneingeschränkte Vorwegnahme der Möglichkeit des Bundes nach Art. 106 Abs. 3, Ausgaben, für die keine Deckung da ist,
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über die Länder zu decken. In dieser Form ist es unmöglich, dieses Gesetz über die Bühne laufen zu lassen.
Wenn man schon immer und immer - heute haben wir es auch wieder gehört - davon spricht, daß gerade diese Interessenquote geeignet sei, die Länder zur Sparsamkeit zu zwingen, so möchte ich auf der anderen Seite betonen, daß diese unkontrollierte Beteiligung der Länder an Lasten, die ausschließlich den Bund betreffen, für den Bund ein Anlaß ist, nicht die Sparsamkeit zu pflegen. Es muß doch der Grundsatz gelten, daß auch der Bund von seinen Einkünften seine Ausgaben bestreiten muß, bevor er die Länder in Anspruch nimmt. Er hat dann eben seine Ausgaben einzuschränken. Gerade in bezug auf die vorliegende Regelung von Sachverhalten und finanziellen Dingen muß dem Bund gesagt werden, daß er durch Zuständigkeiten, die er im Übermaß den Ländern wegnimmt, unnötige finanzielle Verpflichtungen übernimmt. Ich denke nur an die Ausweitung des Bundesinnenministeriums, an die Mehrausgaben von Frankfurt - Bonn, an die unnötige Ausweitung der Zuständigkeiten des Rundes auf kulturellem Gebiet usw. Auch für den Bund muß als oberster Grundsatz gelten: äußerste Sparsamkeit! Es wäre „pädagogisch" genau so unrichtig, wenn man dem Bund von vornherein eine Generalermächtigung geben würde, sich für Ausgaben, die er allein zu bestreiten hat, an die Länder zu halten,
Im übrigen verstehen wir nicht, daß der Vorschlag Schleswig-Holsteins, den § 2 nur für das Rechnungsjahr 1950 gelten zu lassen, nicht angenommen worden ist. Wir sehen durchaus ein, daß gerade dieses Rechnungsjahr für den Bund das schwierigste ist, weil die Verlagerung der Einnahmen und Ausgaben durch die ganzen Umstellungen auch finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat. Es kann aber nicht, wie der § 2 in der jetzigen Fassung vorsieht, über alle weiteren Jahre hinweg hier eine Heranziehung der Länder für Ausgaben des Bundes festgelegt werden, die er allein und ausschließlich zu tragen hat. Schleswig-Holstein hat im Bundesrat einen solchen Antrag gestellt, und die Mehrheit im Bundesrat hat ihre Zustimmung gegeben, daß im Abs. 1 eingefügt wird, diese Fassung des § 2 solle nur für das Rechnungsjahr 1950/51 gelten.
Des weiteren verstehen wir nicht, wenn der Herr Bundesfinanzminister selbst davon spricht, daß es notwendig ist, diese Interessenquote mit dem horizontalen Finanzausgleich zu verbinden, und sagt: „Alle Herren in diesem Saal sind sich darüber einig, daß das, was in diesem Gesetz noch an Unvollkommenheiten vorhanden ist, durch einen horizontalen Ausgleich unter den Ländern bereinigt werden muß", und wenn trotzdem nicht in § 2 auch die Fassung aufgenommen wird, die ebenfalls Schleswig-Holstein in dieser Beziehung vorgeschlagen hat. Durch Hereinnahme dieser beiden Abänderungsvorschläge würde vielleicht eine Möglichkeit gegeben sein, das Gesetz anzunehmen, oder aber es müßte eine ganz andere Lösung gefunden werden.
Auf jeden Fall sehen Sie aus den Ausführungen des Vertreters des Bundesrats und der Redner, die heute gesprochen haben, welch ungeheure Bedeutung für das Verhältnis des Bundes zu den Ländern diese Fassung des § 2 hat, abgesehen davon, daß die derzeitige Fassung auch, wie ebenfalls schon betont worden ist, gegen das Grundgesetz verstoßen könnte. Mit dieser Fassung des § 2 kann das Gesetz von unserer Partei nicht angenommen werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem uns hier vorliegenden Gesetz handelt es sich meines Erachtens um eine finanztechnische Gesetzesvorlage, bei deren Behandlung wir wohl kaum in der Lage sind, entscheidende politische Probleme wie etwa die Eingliederung Berlins in das Bundesgebiet zu lösen. Ich möchte mich deshalb in meinen Ausführungen auf den einzigen finanztechnischen Gesichtspunkt beschränken, bei dem überhaupt innerhalb des Bundesrates verschiedene Meinungen zur Erörterung gestanden haben, und zwar ist das die Frage der Interessenquoten der Länder, also der Beteiligung der Länder an den Kriegsfolge- und Besatzungslasten des Bundes.
Wir haben darüber in dem Protokoll des Bundesrates sehr umfangreiche und aufschlußreiche Ausführungen lesen können, und auch eben sind in der Rede des Herrn Finanzministers von Rheinland-Pfalz zusätzliche Gesichtspunkte vorgetragen worden. Aber ich glaube, daß es für uns als Abgeordnete des Bundestages, die im Augenblick neu vor dieses Problem gestellt werden, doch von Wichtigkeit ist, die reichhaltigen und vielfach verschlungenen Ausführungen der Finanzsachverständigen, der Finanzminister, einmal zu entflechten, um ein klares Gerippe herauszustellen, damit schließlich auch der einfache Steuerzahler draußen im Lande einen Begriff davon bekommt, worum es eigentlich geht.
In diesem Sinne möchte ich einmal folgendes herausstellen. Im Bundesrat hat allgemeine Einigkeit darüber bestanden, daß die Länder die im § 2 vorgesehenen Anteile an den Besatzungs- und sonstigen Kriegsfolgelasten in ihrer Gesamtheit tragen sollen, weil die Bundesmittel allein nicht ausreichen, um diese Kosten zu decken, weil eben der Bund das Geld nicht hat.
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Weiter hat Einigkeit darüber bestanden, daß der Weg über den Art. 106 Abs. 3, also die Heranziehung nach der Höhe des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer, nach dem Grundgesetz an sich zulässig ist. Verschieden waren die Meinungen im Bundesrat lediglich darüber, ob auch ein anderer Weg der Heranziehung der Länder, eine andere Schlüsselung der Beiträge der Länder zulässig und zweckmäßig ist, nämlich der Weg, nach dem die Länderanteile statt nach dem Schlüssel des Einkommensteueraufkommens, also nach dem Schlüssel der Leistungsfähigkeit, nach dem tatsächlichen Anfall der entsprechenden Lasten in diesen Ländern verteilt werden sollten. Die einen wollen also die in Betracht kommenden 1,135 Milliarden, die die Länder zu tragen haben, nach dem Schlüssel der Steuerkraft unterverteilen, und die anderen wollen sie nach dem zufälligen lokalen Anfall dieser Lasten in den einzelnen Ländern unterverteilen.
Meine Damen und Herren! Ich hätte den Wunsch, daß wir hier im Bundestag die Verhandlungen nicht unter dem Gesichtspunkt des Kampfes der Interessenten gegeneinander führen. Ich meine, wir sollten versuchen, einen Standpunkt herauszuschälen, der objektiv dem Wollen des Grundgesetzes entspricht, und einen Standpunkt, von dem aus im übrigen zugleich eine sachgemäße und gerechte Lösung möglich ist. Ich glaube, es handelt sich hier um einen typischen Fall, wo nicht der Interessenstandpunkt des Landes, dem der einzelne Abgeordnete gerade angehört, für die Entscheidung des einzelnen maßgebend sein darf, sondern wo ein jeder
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von uns als Wahrer des Rechtes und des wohlverstandenen Interesses des gesamten Volkes zu urteilen hat. Wir wollen also nicht als Vertreter der finanzkräftigen oder finanzschwachen Länder urteilen, sondern als Vertreter des gesunden, im Grundgesetz verankerten Föderalismus, der die Finanzhoheit der Länder einerseits respektiert, andererseits aber die Bundeslast der Kriegsfolgen gerecht auf die Gesamtheit der Länder verteilt.
Wenn ich in diesem Sinne einmal den Versuch mache, die bisher geltend gemachten Gesichtspunkte einander gegenüberzustellen, so glaube ich, daß wir damit eine gewisse Vorarbeit für die Ausschußarbeiten leisten können.
Ich möchte zunächst die Frage behandeln, ob es zulässig ist, außerhalb des Weges des Art. 106 Abs. 3, also der Heranziehung nach dem Einkommensteueraufkommen, auch noch den anderen vom Gesetzentwurf hier vorgesehenen Weg zu gehen. Der Art. 106 des Grundgesetzes hat mehrere Absätze. Der erste und der zweite Absatz legen fest, welche Steuern dem Bunde zufallen und welche Steuern den Ländern zufallen. Der Absatz 3 behandelt die Frage, was zu geschehen hat, wenn der Bund mit seinen Steuereinnahmen nicht auskommt, und legt dann fest, daß, wenn der Bund nicht auskommt, der Fehlbetrag nach dem Schlüssel des Aufkommens aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer umzulegen ist. Damit wird der Standpunkt derjenigen begründet, die den Wunsch haben, diesen letzteren Schlüssel zugrunde zu legen.
Der Art. 120, auf den sich die Vertreter der anderen Auffassung berufen, besagt, daß der Bund Träger der Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes ist. Daraus folgern nun die einen, daß nur der Rahmen der Lasten, der Inhalt der Lasten durch dieses Bundesausführungsgesetz festgelegt werden soll und kann, während die andere Seite den Standpunkt vertritt, daß auch der Schlüssel, nach dem ein Teil dieser Lasten auf die Länder unterverteilt werden soll, durch dieses Ausführungsgesetz abweichend von Art. 106 Abs. 3 geregelt werden kann.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, zu einem Punkt der Vorlage müßte wohl Einigkeit bestehen, darüber nämlich, daß die Vertreter der letzteren Auffassung nicht auf dem richtigen Wege sind; denn im Art. 120 befindet sich der Zusatz „nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" nur bei dem Passus „Der Bund trägt die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten", nicht aber bei dem später nach dieser Einfügung stehenden Passus „die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenfürsorge". Danach scheint mir eins klar zu sein, daß man diese letztgenannte Position, die die Ziffer 6 des § 2 der Vorlage bildet, nicht außerhalb des Art. 106 Abs. 3 behandeln kann.
Im übrigen müssen der Haushaltsausschuß und der Finanzausschuß die Rechtsfrage, ob es nun zulässig ist, einen anderen Weg als den des Art. 106 Abs. 3 zu gehen, eingehend prüfen. Wir haben uns in unserer Fraktion ein endgültiges Bild über diese Frage bisher noch nicht gemacht. Die Gesichtspunkte, die zu beachten sind, glaube ich kurz angedeutet zu haben.
Aber nun die zweite Frage: der Zweckmäßigkeit des einzuschlagenden Weges! Soll man den Weg von Art. 106 Abs. 3 gehen, oder soll man den Weg gehen,
den die Regierungsvorlage vorschlägt? Ich glaube, daß ich nicht irre, wenn ich annehme, daß die Scheu, den Art. 106 Abs. 3 hier anzuwenden, etwas aus dem Gefühl entsprungen ist: wir wollen unter keinen Umständen einen Anfang damit machen, Lasten des Bundes damit zu decken, daß Anteile der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch genommen werden. Ich teile diesen Wunsch durchaus, und ich glaube, insbesondere meine Fraktion teilt diesen Wunsch weitgehend, weil wir ja Anhänger des föderalistischen Prinzips sind. Aber ich glaube, wir dürfen darauf hinweisen, daß es doch noch ein Unterschied ist, ob man sagt, daß ein bestimmter Prozentsatz der Einkommen- und Körperschaftsteuer laufend für irgendwelche Bundeszwecke zur Verfügung gestellt wird, oder ob man eine bestimmte Summe, wie das die Gesetzesvorlage hier tut, absolut unabhängig davon zunächst festlegt und dann diese Summe nach dem Schlüssel des Aufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer unterverteilt. Da scheint mir zumindest der Gesichtspunkt des föderalistischen Prinzips - Sicherung der Einkommensteuer für die Länder - wesentlich unwichtiger zu sein als im andern Falle.
Weiter wird zur Zweckmäßigkeitsfrage das sogenannte Erziehungsprinzip geltend gemacht. Man will die Länder an der Niedrighaltung der Kosten interessieren, weil man befürchtet, wenn die Länder sich sagen könnten, daß die ganze Sache, wie man früher sagte, „auf Regierungsunkosten" geht, dann würden sie nicht so sparsam arbeiten, wie wenn sie es allein zu bezahlen hätten. Der Gedanke ist zweifellos gesund. Er wird zwischen Ländern und Gemeinden seit Jahren und Jahrzehnten gehandhabt. Aber er wird ja auch praktisch gehandhabt, wenn die Summe, die die Länder insgesamt zu tragen haben, nach bestimmten Anteilen auf die Länder unterverteilt wird, nur daß das Interesse des einzelnen Landes in diesem Falle nicht ganz so groß ist wie in dem Fall, wo der eigene Kostenanfall der alleinige Schlüssel ist, nach dem sich die Höhe der eigenen Zahlung richtet.
Meine Damen und Herren! Der Gesichtspunkt, der nun dafür geltend gemacht wird, daß man nicht den Vorschlag der Regierungsvorlage wählt, ist der, daß man die Länder bei der Tragung der Bundeslasten nach ihrer Leistungsfähigkeit heranziehen müsse. Dieser Gesichtspunkt stellt auf einem ande-red Gebiete so etwas wie einen sozialen Gedanken dar, und vielleicht wird man sich doch entschließen, diesem Gedanken vor den anderen mehr technischen Erwägungen den Vorrang zu geben. Das um so mehr, als wir ja die französische Zone - das darf doch wohl objektiv festgestellt werden - bei dem in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Schlüssel weit mehr belasten als die anderen Zonen, ausgerechnet die Zone, die doch in den letzten Jahren durch viel höhere Besatzungslasten schon eine ganz erhebliche Vorleistung auf diesem Gebiete erbracht hat. Die Besatzungslasten der französischen Zone sind ja neuerdings noch einmal um 200 Millionen erhöht worden, während die der Bizone um 700 Millionen gesenkt worden sind. Wenn wir dem Vorschlag der Regierungsvorlage folgen, würde also hier erneut eine zusätzliche Bestrafung der französischen Zone stattfinden.
Das sind die Gesichtspunkte, die ich hier kurz vortragen möchte und die, wie ich glaube, in den Ausschüssen einer eingehenden Prüfung unterzogen werden müssen. Wenn ich zum Schluß meine persönliche Auffassung äußern darf, dann möchte ich folgendes empfehlen: Man sollte vermeiden, verfassungsrechtliche Risiken einzugehen, und man sollte
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sich im übrigen für die Regelung des Art. 106 Abs. 3 schon deshalb entscheiden, weil es sich hier um die im Grundgesetz verankerte Unterverteilung zusätzlichen Bundesbedarfs handelt und es doch wohl am besten ist, wenn wir diesen Gedanken des Grundgesetzes verwirklichen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Fisch.
Meine Damen und Herren! Mein Vorredner war der Meinung, es handle sich hier um ein finanztechnisches Gesetz. Meine Fraktion kann dieser Auffassung nicht zustimmen. Es handelt sich um ein politisches Gesetz von äußerster Tragweite, insbesondere von großer Tragweite für die ungeheuerlichste Belastung der Bevölkerung Westdeutschlands durch die Besatzungskosten.
Was sind die wesentlichsten Gesichtspunkte, die sich aus dieser Vorlage ergeben? Erstens. Es wird eine freiwillige Verantwortung seitens der Bundesregierung zur Aufbringung der Besatzungskosten übernommen. Bisher gab es eine solche Regelung nach deutschen Ländergesetzen nicht. Die Landeshaushalte übernahmen die Auflagen der Besatzungsmächte und führten sie mit der Begründung durch, es handle sich um einen Zwang, dem man sich nicht entziehen könne. Mit dieser Vorlage jedoch erklärt die Bundesregierung, daß sie ungeachtet der ungeheuerlichen Not, in der sich unser Land befindet, die Absicht hat, eine freiwillige Verpflichtung für die Aufbringung der Besatzungskosten in jeder geforderten Höhe zu übernehmen. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß, wenn wir schon fünf Jahre nach Kriegsende hören, daß die Besatzungsmächte auf unbeschränkte Zeit hierzubleiben gedenken und daß sie sich dieses Hiersein in einer ungeheuerlichen Höhe vom deutschen Volke bezahlen lassen wollen, sie die Aufbringung der Kosten kraft der militärischen und politischen Gewalt, die sie besitzen, befehlen sollen. Es ist für eine Regierung, die sich deutsche Regierung nennt, unwürdig, eine solche gewaltige Belastung aus freien Stücken zu übernehmen und diese Belastung damit als Ausfluß deutscher Gesetzgebung zu deklarieren.
Zweitens. Mit dieser Vorlage soll die Frage der Besatzungskosten aus dem Bereich der Länderverantwortung herausgenommen werden. Ich kann mir vorstellen, daß es der Adenauer-Regierung peinlich ist, zu sehen, wie da und dort gewisse Länderregierungen gegen die unerträgliche Höhe der Besatzungskosten, die ihnen aufgebürdet wird, Widerstand geleistet haben und noch leisten. Es gab einzelne Länderregierungen, die, angetrieben von entsprechenden Beschlüssen ihrer Landtage, ein wenig Zivilcourage hatten, indem sie bei den Landesmilitärregierungen Proteste erhoben oder indem sie detaillierte Aufstellungen über die Zusammensetzung der Besatzungskosten machten. Ich kann mir denken, daß der Petersberg nun dadurch eine bessere Garantie für die Behandlung dieser Fragen erhält, daß die Bundesregierung statt der in gewissen Dingen „unzuverlässigen" und näher an der Not der Bevölkerung sitzenden Länderregierungen sie handhabt. Wesentlich aber ist, daß sich hier eine Art Geheimpraxis anbahnt, die wir unter allen Umständen abzulehnen haben. In der Begründung der Regierung heißt es, daß die Besatzungsbehörden den Gesamthaushaltsplan für die Besatzungskosten bereits der Regierung zugeleitet haben. In einem anderen Material heißt es, daß dies am 8. März geschah. Inzwischen sind vier Monate vergangen,
und die Mitglieder dieses Hauses sind noch nicht in der Lage, auch nur ungefähr von dem Inhalt dieses von den Besatzungsbehörden aufgestellten Haushaltsplans über die Besatzungskosten Kenntnis zu nehmen. Meine Fraktion verlangt erstens ganz entschieden, daß die Regierung diesen Gesamthaushaltsplan für Besatzungskosten den Mitgliedern des Hauses vorlegt. Meine Fraktion verlangt zweitens, daß es keinerlei Vermischung gibt in der Behandlung der Besatzungskosten und der Behandlung anderer Kriegsfolgelasten. Ich erlaube mir darum, einen entsprechenden Änderungsantrag dem Herrn Präsidenten zu übergeben.
Meine Fraktion verlangt drittens,
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daß eine genaue Aufstellung über die Zusammensetzung der Ausgaben gemacht wird, und zwar nicht nur derjenigen Ausgaben, die von den Besatzungsmächten als Besatzungskosten anerkannt sind, sondern auch insbesondere derjenigen, die die Besatzungsmächte nicht als Besatzungskosten anerkennen. Ich erwähne aus der amtlichen Begründung, daß sich hierunter Posten befinden wie Aufwendungen für die „Kontrollorganisationen für Handel und Verkehr", für „Zivile Luftfahrt", „Kulturelle Zwecke" und ähnliches mehr. Ich mache vor allem darauf aufmerksam, daß nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 bestimmte Leistungen, die von der Alliierten Hohen Kommission nicht als Besatzungslasten anerkannt werden, sich unter anderem auf den „Bau von strategischen Anlagen und Einrichtungen" beziehen.
Wenn es also so ist, daß mittels des Besatzungskostenhaushalts die Vorarbeiten für einen künftigen Krieg, die vom alliierten Generalstab angeordnet sind, finanziert werden sollen, dann muß man das der Öffentlichkeit mit aller Deutlichkeit sagen. Wir werden auch keinen Augenblick versäumen, die Bevölkerung gegen diese verschleierten Rüstungsfinanzierungen aufzurufen. Herr Adenauer hat mit dieser Vorlage nichts anderes unternommen, als einen verschleierten Rüstungsetat auszuarbeiten. Er möchte damit unter Anwendung der besonderen Methode der Ausschaltung der Mitbestimmung durch die Länder seinen Etat zur Sicherung der reaktionären Ordnung aufstellen,
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einer Ordnung, die für die Kolonialherren eine Sicherung dahin bedeutet, daß die Rechte des Volkes keine Beachtung finden.
Meine Fraktion wird sich, da sie aus dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ausgeschaltet ist, darauf konzentrieren, die Öffentlichkeit auf diese Verschwörung aufmerksam zu machen, die auf dem Petersberg zwischen der Hohen Kommission und der Bundesregierung hier ausgeheckt worden ist.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Ich habe leider an einer Sitzung des Vermittlungsausschusses teilnehmen müssen und habe infolgedessen den Verlauf der Debatte nicht im einzelnen verfolgen können. Ich möchte aber zu den rechtlichen Ausführungen des Herrn Finanzministers von Rheinland-Pfalz über die Auslegung des Art. 120 des Grundgesetzes einige Bemerkungen machen.
({0})
Wir haben uns im Parlamentarischen Rat wohl überlegt, was der Art. 120 zu bedeuten hat, und haben in diesen Artikel hineingeschrieben, daß die Besatzungskosten und Kriegsfolgelasten an sich vom Bund getragen werden sollen, daß dies aber nach Maßgabe eines Bundesgesetzes geschehen solle. Der Ausdruck: nach Maßgabe eines Bundesgesetzes oder, wie er in Art. 120 wörtlich lautet, „nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes" ist damals in den Beratungen des zuständigen Fachausschusses und des Hauptausschusses so interpretiert worden, daß er bedeuten soll: durch ein solches Bundesgesetz kann bestimmt werden, ob der Bund die ganzen Besatzungskosten und Kriegsfolgelasten oder nur einen Teil übernehmen soll. Es ist damals schon von den Interessenquoten die Rede gewesen, und es wurde darauf hingewiesen, daß es notwendig sein könnte, die Länder mit Interessenquoten an diesen Kosten zu beteiligen, weil die Beteiligung mit einer solchen Interessenquote auf eine sparsame und sorgfältige Verwaltung der Länder hinwirken würde. Ich vermag also nicht einzusehen, daß aus dem Grundgesetz irgendwelche rechtlichen Bedenken gegen den uns von dem Herrn Bundesfinanzminister vorgelegten Gesetzentwurf hergeleitet werden können.
Ich möchte aber hierzu noch sagen: ich bewundere den Herrn Finanzminister, daß es ihm gelungen ist, in dieser so schwierigen Frage eine Verständigung mit dem Bundesrat, wenn auch nur mit einer Mehrheit des Bundesrats, zu erreichen.
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Es werden ja nicht nur rechtliche Einwendungen geltend gemacht, sondern der Herr Finanzminister von Rheinland-Pfalz hat auch Bedenken erhoben, die mit der Frage des horizontalen Finanzausgleichs zusammenhängen. Er hat gemeint, .daß die Interessenquote gemäß der Steuerkraft des Landes verteilt werden müßte. Ich glaube, dabei ist eins übersehen, nämlich die Tatsache, daß hier, wenn auf der einen Seite ein großer Teil der Steuern, auf der andern Seite aber auch ein großer Teil von Ausgaben auf den Bund übergehen, schon an sich ein horizontaler Finanzausgleich eingeschlossen ist. Meine Damen und Herren, die Sache ist doch so, daß die schwachen Länder weniger Steuern verlieren als die starken, umgekehrt aber von einer größeren Last befreit werden als die starken. Also schon in diesem Übergang von Einnahmen und Ausgaben von den Ländern auf den Bund liegt ein starker horizontaler Finanzausgleich.
Es mag sein, daß dieser horizontale Finanzausgleich noch nicht ausreicht und daß wir im weiteren Verlaufe - das Beispiel von Schleswig-Holstein zeigt dies ja - noch an eine Verfeinerung des horizontalen Finanzausgleichs denken müssen. Aber dann muß nach meinem Dafürhalten der Weg gegangen werden, auf den der Herr Bundesfinanzminister schon hingewiesen hat, nämlich der Weg über den Art. 106 Abs. 4 des Grundgesetzes: ein Ausgleich unter den Ländern auf der Landesebene.
Zusammenfassend möchte ich also nur sagen: ich kann nicht anerkennen, daß das Grundgesetz irgendwie ein Hindernis für die Durchführung dessen wäre, was uns vom Bundesfinanzminister mit dem vorliegenden Entwurf vorgeschlagen wird. Ich möchte noch einmal betonen, daß der Übergang der Steuern und Lasten auf den Bund schon einen sehr starken horizontalen Finanzausgleich in sich schließt.
({2})
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft. Die Beratung ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD vor,
({0}) den ich verlese:
Der Bundestag wolle beschließen: Die gemeinsame Behandlung von Fragen der Besatzungslasten und von Fragen der übrigen Kriegsfolgelasten in einem einheitlichen Überleitungsgesetz wird als unzulässig abgelehnt.
Meine Damen und Herren, nach § 37 der Geschäftsordnung sind Abänderungsanträge in der ersten Beratung nicht zulässig. Zwar handelt es sich hier inhaltlich nicht um einen Abänderungsantrag zum Gesetz, sondern um einen Entschließungsantrag, die ganze Vorlage abzulehnen; aber auch das ist geschäftsordnungsmäßig in der ersten Beratung nach § 37 der Geschäftsordnung nicht zulässig. Infolgedessen kann ich diesen Antrag nicht zur Abstimmung stellen, sondern muß es der Fraktion überlassen, diesen Antrag zur zweiten Beratung zu erneuern.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur Abstimmung über den Antrag, der in mehreren Ausführungen der Redner hier zum Ausdruck gekommen ist und der nach dem Vorschlag des Ältestenrats lautet: Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen.
({1})
- Hier ist der Haushaltsausschuß als federführend aufgezeichnet. Also soll er nun federführend an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und nebenbei an den Haushaltsausschuß gehen.
({2})
- Es ist also vorgeschlagen: auch noch an den Rechtsausschuß!
({3})
- Dem wird nicht widersprochen.
Meine Damen und Herren! Ich darf nun darauf aufmerksam machen, daß im Ältestenrat wiederholt davon gesprochen worden ist, diese Häufung von Ausschußzuständigkeiten zu vermeiden, weil darunter die schnelle Behandlung der Vorlagen ungeheuer leidet.
({4})
- Wir wollen nicht lange Debatten darüber machen.
Herr Abgeordneter Dr. Höpker-Aschoff zur Abstimmung!
Ich möchte auch dringend davor warnen, derartige Vorlagen an mehrere Ausschüsse zu überweisen. Das bedeutet eine außerordentliche Erschwerung der ganzen Verhandlung. Es ist aber durchaus möglich, daß einige rechtskundige Leute des Rechtsausschusses, die sich für diese Frage besonders interessieren, dann im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen einspringen. Das macht ja gar keine Schwierigkeiten.
({0})
Meine Damen und Herren! Es ist also der Antrag gestellt, an den Aus({0})
schuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden Ausschuß und weiterhin an den Haushaltsausschuß zu überweisen.
({1})
Wer für diesen Antrag ist den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nunmehr Punkt 4 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das vorläufige Handelsabkommen vom 4. März 1950 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Pakistan ({2}).
Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? - Es ist an sich im Ältestenrat vorgesehen gewesen, die gedruckt gegebene Begründung zur Grundlage zu machen. Damit kann bei der Einbringung auf die Begründung verzichtet werden. Es ist weiter vom Ältestenrat angenommen worden. daß eine Aussprache nicht stattfindet. Wortmeldungen sind bei mir nicht eingegangen.
({3})
- Meine Damen und Herren. also für diesen Fall, daß eine Aussprache gewünscht wird, schlage ich entsprechend der Empfehlung des Ältestenrats eine Begrenzung der Redezeit auf 60 Minuten vor. - Es wird nicht widersprochen, es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bromme.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, meine Redezeit voll auszunutzen. Ich muß allerdings einige allgemeine Bemerkungen machen, die gerade im Hinblick auf bestimmte Vorgänge, die wir im Außenhandelsausschuß erlebt haben, erforderlich sind.
Mit der Drucksache Nr. 1086 ersucht die Bundesregierung um die Genehmigung für die Anerkennung des vorläufigen Handelsvertrages vom 4. März dieses Jahres zwischen der Bundesrepublik und Pakistan, Erfreulicherweise haben sich die Vertragspartner darüber geeinigt. daß die Westsektoren von Berlin in diese Handelsbeziehungen einbezogen werden sollen; und es darf daher damit gerechnet werden, daß zumindest einigen Branchen der Berliner Wirtschaft dadurch geholfen wird. Gleichzeitig glauben wir, daß damit ein weiterer Schritt in der Einbeziehung Berlins als zwölftes Land in die Bundesrepublik getan worden ist.
Ich habe nicht die Absicht, auf die Einzelheiten des Vertrages einzugehen, die ja sowieso aus dem Gesetzentwurf nicht hervorgehen. Es handelt sich um ein Warenabkommen in Höhe von immerhin rund 80 Millionen Dollar. Über die Einzelheiten und über einige Bestimmungen wird zweifellos im Außenhandelsausschuß noch zu sprechen sein. Dieses Abkommen enthält einige Bestimmungen, unter anderem die Niederlassungsrechte, die der Bundesregierung anscheinend überhaupt erst den Anlaß gegeben haben, diese Gesetzesvorlage einzureichen; denn bekanntlich vertritt ja die Bundesregierung die Auffassung, daß Waren- und Zahlungsabkommen überhaupt nicht zur Zuständigkeit des Parlaments gehören. Es dürfte Ihnen bekannt sein, daß darüber ein Gutachten sowohl vom Justiz- als auch vom Wirtschaftsministerium eingereicht worden ist, die auf Grund einiger Bestimmungen aus der Zeit der JEIA der Bundesregierung diese Befugnisse übertragen haben wollen, während die Mehrheit des Rechtsausschusses einen Standpunkt vertritt. der sich gegen die Stellungnahme der Regierung richtet. Wir haben wiederholt im Außenhandelsausschuß die Fragen der Zuständigkeit des Parlaments in der
Frage der deutschen Außenhandelspolitik berührt. Eine Einigung war zwar unter den Ausschußmitgliedern vorhanden; aber die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Mitgliedern und der Verwaltung erwiesen sich als nahezu unüberwindlich.
Wir sind der Auffassung. daß diese Fragen nicht nur an juristischen Formulierungen scheitern diirfen; d. h. wir glauben nicht, daß es zur Zuständigkeit der Verwaltung gehört, durch irgendwelche juristische Formulierungen eine wichtige Vereinbarung, die für die Gestaltung der deutschen Außenhandelspolitik von großer Bedeutung ist, dem Parlament zu entziehen.
({0})
Es hat sich gezeigt, zum Beispiel im deutsch-französischen Handelsvertrag, daß man in ein Zusatzabkommen einige Bestimmungen hineingenommen hat, die die Saar berühren. Man hat diesen Bestimmungen dann die Form der Empfehlung gegeben um zu verhindern, daß sich das Parlament mit dieser Sache befassen müßte. Wir sind der Meinung, daß dadurch die ganze deutsche Handelspolitik zu einer reinen Ermessensfrage der Verwaltung werden kann. Denn sic kann den unwesentlichsten Dingen den Anstrich eines Vertrages geben. der ratifiziert werden muß, während sie gleichzeitig in der Lage ist, die wesentlichsten Dinge durch Herausnahme einzelner Bestimmungen der Zuständigkeit des Parlaments zu entziehen. Wir glauben, daß wir in dieser Frage in absehbarer Zeit zu einer klaren Stellungnahme kommen müssen, wieweit von seiten des Bundesministeriums und der Regierung überhaupt der Wunsch besteht, das Parlament einzuschalten: denn die Frage der deutschen Außenhandelspolitik umfaßt doch nun einmal ein Gebiet, das für die Wirtschaft und für die allgemeine Politik von allergrößter Bedeutung ist. 1
Abschließend: der Standpunkt der sozialdemokratischen Fraktion - und ich glaube, das ist der Standpunkt der großen Mehrheit des Hohen Hauses - ist folgender. Es ist unmöglich. daß Verwaltung und Regierung allein die deutsche Außenhandelspolitik bestimmen. Wenn das Parlament gegenüber der Öffentlichkeit die Verantwortung trägt. dann muß auch das Parlament bei der Gestaltung der deutschen Außenhandelspolitik eingeschaltet werden. Und die Folgegerung daraus ist eben, daß in Zukunft der gegenwärtige Zustand nicht mehr haltbar ist, nachdem er geradezu unerträglich geworden ist, und daß es darauf ankommen muß, das Parlament, eventuell den Außenhandelsausschuß. bei der Gestaltung der deutschen Außenhandelspolitik mitwirken zu lassen und nicht nur wichtige Verträge zur Ratifikation zu unterbreiten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kohl.
Meine Damen und Herren! Ich gehe mit den letzten Ausführungen meines Vorredners insofern einig, als ich der Meinung bin, daß der gegenwärtige Zustand, wie die Regierung gedenkt, Außenhandelsfragen und den Abschluß von Außenhandelsverträgen zu behandeln. unter keinen Umständen länger tragbar erscheint. Wenn wir einmal gerade den Abschluß des Handelsvertrages mit Pakistan betrachten, so müssen wir eindeutig feststellen, daß kurze vierzehn Tage nach Ablauf dieses Vertrages nun das Bundesparlament mit einer Gesetzesvorlage überrannt wird, ohne daß es überhaupt die Möglichkeit hat, sich eingehend mit diesem gesamten Fragenkomplex zu beschäftigen. Für uns ist dabei wesentlich, daß dieser Handelsvertrag,
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der ursprünglich einen Warenaustausch von ca. 52 Millionen DM vorsah, in entscheidenden Punkten geändert worden ist; und zwar konnte dieser Handelsvertrag in dieser Form nicht realisiert werden, da Deutschland sich weigerte, die vertraglich festgelegten 250 000 t Getreide von Pakistan zu übernehmen. Ganz verschämt und am Rande bemerkt war, daß diese Übernahme der 250 000 t Getreide einfach an der Frage der Subventionen gescheitert war oder gescheitert sei, während dafür wesentlich andere Gründe entscheidend gewesen sind. Der Betrag ist also nur zur Hälfte realisiert worden, da, wie bereits gesagt, die Einfuhr von Weizen nach Westdeutschland nicht möglich gewesen ist. Interessant dabei ist eine Notiz der „Welt" vom 5. Juli, die meldet, daß der Vertrag, der am 30. Juni abläuft, um drei Monate verlängert worden sei und die Einfuhrwerte von 21 auf 30 Millionen DM erhöht worden seien. Es waren ursprünglich, wie bereits gesagt, 52 Millionen. Die Ausfuhrliste blieb unverändert. Was uns dabei wesentlich erscheint, ist die Tatsache, daß Pakistan zum Sterlingblock gehört und deswegen kein Getreide nach Westdeutschland liefern kann und die westdeutsche Regierung wegen der Einflußnahme der Amerikaner keine Möglichkeit hatte, diesen Vertrag in diesem Punkte zu realisieren. Es war deshalb auch nicht möglich, Fertigfabrikate westdeutscher Firmen zu exportieren, und ich glaube, daß bei der Fortsetzung einer derartigen Handelspolitik nicht die Möglichkeit besteht, der Arbeitslosigkeit irgendwie entscheidend entgegenzutreten. Die Weizeneinfuhr aus den USA sieht dagegen keine entsprechende Ausfuhr nach den USA vor, so daß hier künstlich ein Handelsdefizit aufgebaut wird.
In den letzten Tagen ist eine sehr interessante Mitteilung durch die Presse gegangen, die man im Zusammenhang mit der Frage des Abschlusses eines Vertrages mit Pakistan einmal auch hier in diesem Hause zur Kenntnis bringen soll, ob sie auf Gegenliebe stößt oder nicht. So hat beispielsweise die englische Zeitung „Manchester Guardian" vom 30. 6. 1950 folgendes geschrieben:
Seit Schuman den Plan, der seinen Namen trägt, zum ersten Mal bekanntgab, ist es Herrn Walter Ulbricht, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten der ostdeutschen Regierung gelungen, mindestens 13 Verträge mit den Regierungen Polens, der Tschechoslowakei und Ungarns zu schließen. Innerhalb von drei Wochen hat Ulbricht etwas zustande gebracht, was nicht mehr und nicht weniger ist
({1})
als ein neues, umfassendes Handelssystem. Tatsache ist aber, daß dieser Minister die wirtchaftliche Zukunft seines Landes verbessert hat. Wie ihre Väter zu Zeiten Wilhelms halten sehr viele Deutsche China für einen reichen, verlockenden Markt. Wenn Herr Grotewohl sich seiner bemächtigt, dann wird seine Regierung gegenüber der Regierung Dr. Adenauer einen bedeutenden politischen Vorteil errungen haben.
Das, meine Herren,
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- ich sagte schon, ob Sie damit einverstanden sind oder nicht - der Regierung Adenauer ins Stammbuch!
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuhlemann.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bromme hat eben zu Punkt 4 der Tagesordnung, Handelsabkommen mit Pakistan, ausgeführt, daß wir diese Angelegenheit im Außenhandelsausschuß wohl schon einmal besprochen haben, daß wir aber an und für sich im Außenhandelsausschuß noch keine definitive Stellungnahme zu den einzelnen Punkten gefunden haben, die wir Ihnen ja gemäß unserer Verabredung hier vortragen müssen. Wir haben diese Angelegenheit in der letzten Sitzung des Außenhandelsausschusses besprochen und verabredet, daß am 18. eine Vorlage vom Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt werden soll, über die wir dann verhandeln. Ich glaube, auch diese Angelegenheit wird dann zu Ihrer Zufriedenheit geregelt werden. Ich glaube aber kaum, daß es Zweck hat, heute nun in dem Augenblick, in dem wir sozusagen in der Verhandlung der ganzen Angelegenheit mit dem Wirtschaftsministerium sind, jetzt schon Ausführungen zu machen, die die Sache kritisieren. Ich glaube, das Richtigste ist, diesen Gesetzentwurf über das vorläufige Handelsabkommen vom 4. März 1950 dem Außenhandelsausschuß zur Beratung zu überweisen. Wir werden Ihnen dann sofort in der nächsten Sitzung irgendwie unsere Stellungnahme dazu mitteilen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon lange her, daß ich anläßlich der Stellungnahme zu den Fragen der Landwirtschaft mit mehreren Freunden der CSU und CDU einen Antrag eingebracht habe, daß die Handelsverträge grundsätzlich vom Bundesparlament ratifiziert werden sollen. Das ist eine alte Praxis, und ich könnte hierüber auf Grund der Rechtsgrundlagen, die in dieser Beziehung aus der Vergangenheit vorhanden sind, längere Ausführungen machen. Ich stehe auf dem Standpunkt, wenn das Parlament das Recht hat - eines der wichtigsten Rechte! -, über den Etat, über die Einnahmen und Ausgaben des Staates zu entscheiden, und damit auf die innere Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens des Staates gewisse Befugnisse ausübt, muß es auch notwendig sein, daß das Parlament in den Lebensgestaltungen des Volkes gegenüber dem Ausland ein entscheidendes Wort mitzusprechen hat, d. h. mit anderen Worten auf den Gebieten der Handelsvertragspolitik.
Hier ist der Gang der Ereignisse so, daß der Antrag seinerzeit, soweit er die Ratifizierung der Handelsverträge betraf, dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Ausschuß für Außenhandelsfragen überwiesen wurde. Es ist zur Zeit so, daß im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ein Mehrheits- und ein Minderheitsgutachten vorliegen, und daß dann auch der Ausschuß für Außenhandelsfragen mit dieser Angelegenheit befaßt wurde. Dann ist der Berichterstatter, der Herr Kollege Wahl - ich bin der Sache nachgegangen, weil es so lange dauerte - nach Amerika gereist, und es hieß, nach seiner Rückkunft werde in einer gemeinsamen Sitzung des Ausschusses für Außenhandelsfragen und des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht die Sache zur endgültigen Erledigung gebracht.
Das ist wirklich eine der wichtigen und entscheidenden Fragen, und ich freue mich, daß heute wenigstens einmal ein Gesetzentwurf zur Handelsvertragspolitik wegen der Ratifizierung des Abkommens mit einem Staate vorliegt. Es ist notwendig,
({0})
daß das Parlament einmal eine grundsätzliche Entscheidung trifft, nämlich aus dem einfachen Grund, damit die Bürokratie der Ministerien nicht allein über die Lebensfragen des Volkes entscheidet. Es ist eine Frage, die das ganze Volk angeht und bei der das Parlament ein ernstes Wort mitzusprechen hat. Im alten Reichstag waren die Fragen der Gestaltung der Außenhandelspolitik und der Handelsvertragspolitik mit die entscheidendsten, und ich bitte darum, daß dafür Vorsorge getroffen wird, daß diese Frage in einem Mündlichen Bericht über die abschließende Tätigkeit der beiden Ausschüsse möglichst bald vor diesem Hohen Hause zur Entscheidung gelangt.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und den Ausschuß für Außenhandel - Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführenden Ausschuß - beantragt. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist also so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({1}) ({2}).
({3}).
Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Birkelbach.
Birkelbach ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen gedruckt vorliegenden Begründung habe ich nur wenige Sätze hinzuzufügen. Der Außenhandelsausschuß hat sich in mehreren Sitzungen eingehend mit der Vorlage befaßt. Er hat dabei von allen Seiten her festgestellt, daß die Ihnen jetzt vorgeschlagene Heraufsetzung der Obergrenze für Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft von 120 Millionen auf 600 Millionen ohne weiteres zu vertreten ist. Der Wirtschaftsrat hatte seinerzeit dem Gesetz zugestimmt. Es ist dabei allerdings zum Ausdruck gekommen, daß die parlamentarische Kontrolle laufend gewährleistet sein müsse. Zu diesem Zwecke hatte man der Regierung eine vierteljährliche Berichterstattungspflicht gegenüber dem Außenhandelsausschuß auferlegt. Dieser Bericht ist zum ersten Mal unter dem Datum des 17. Mai 1950 gegeben worden. Die Verzögerung mag begründet sein, doch hat der Ausschuß von sich aus die Bundesregierung aufgefordert, ihren Bericht in mancher Beziehung zu ergänzen und dadurch einen besseren Einblick zu ermöglichen.
Es wird die Aufgabe des Außenhandelsausschusses sein, nachdem es sich jetzt um wesentlich höhere Beträge handelt, diesen Berichten seine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dies dürfte vor allem deswegen erforderlich werden, weil viele Einzelheiten nicht Gegenstand des Gesetzes selbst, sondern der Durchführung sein müssen, die sich dann den rasch wechselnden Gegebenheiten anzupassen hat. Der Zweck des Gesetzes ist, den deutschen Exporteur gewisse Risiken leichter tragen zu lassen, vor denen er sich jetzt noch nicht in angemessener Form sichern kann. Man rechnet damit, daß das Prämienaufkommen auf lange Sicht eventuelle Ausfälle ausgleichen wird. Eine entsprechende Selbstbeteiligung der Exporteure ist in
jedem Falle vorgesehen. Bisher sind nach dem vorliegenden Bericht noch keine Ausfälle entstanden.
Nachdem der Bundesrat der Regierungsvorlage nicht nur seine Zustimmung gegeben hat, sondern dazu noch die von der Bundesregierung dann akzeptierte Heraufsetzung von 400 auf 600 Millionen DM vorschlug, darf ich im Namen des Außenhandelsausschusses ebenfalls empfehlen, den Gesetzentwurf so, wie er jetzt vorliegt, anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Wird das Wort zu diesem Punkt gewünscht? - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall.
Ich rufe zur zweiten Beratung auf: Wer für die §§ 1 und 2, für Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die dritte Beratung. Wer für die §§ 1 und 2, für Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen eine kleine Minderheit angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für das Gesetz auf Drucksache Nr. 913 in der soeben in dritter Lesung beschlossenen Fassung im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen eine kleine Minderheit angenommen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD in Nr. 327 der Drucksachen und von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP beantragten Entwurfs eines Richterwahlgesetzes ({0}).
({1})
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt der Mündliche Bericht des 23. Ausschusses über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP vor. Es handelt sich um das Richterwahlgesetz, das in zweiter und dritter Lesung heute ansteht.
Im Laufe des gestrigen Tages sind in weiten Kreisen der Mitglieder des Hohen Hauses Bedenken gegen die Fassung, wie sie im Ausschuß gefunden worden ist, laut geworden. Es ist allerdings richtig, daß diese Fassung einstimmig beschlossen worden ist. Trotz alledem sind die geäußerten Bedenken so, daß es notwendig erscheint und richtig ist, diese Vorlage an den Rechtsausschuß zurückgehen zu lassen. Es handelt sich da um einige Änderungen der Vorlage. In der jetzigen vom Ausschuß angenommenen Fassung ist nur ein einziger Richterwahlausschuß sowohl für das Oberste Bundesgericht wie auch für das Oberste Bundesarbeitsgericht wie auch für das Oberste Bundesfinanzgericht usw. vorgesehen. Es ist nach Meinung einer ganzen Anzahl Abgeordneter dieses Hauses richtiger, wenn sowohl für die Justiz, für das Oberste Bundesgericht wie auch für das Bundesarbeitsgericht und das Bundesfinanzgericht ein
({0})
Richterwahlausschuß besteht, der sich jeweils zur Hälfte aus von Amts wegen berufenen Mitgliedern und Mitgliedern kraft Wahl zusammensetzt. Es müßten dann aber einige Paragraphen dieses Gesetzentwurfes jeweils dahin abgeändert werden, daß nicht e i n Ausschuß, sondern ein bestimmter Ausschuß dafür in Frage kommt. Die Vorlage kann dann am Freitag wiederum auf die Tagesordnung gesetzt werden, so daß sie in dieser Woche noch verabschiedet wird. Ich habe mit einer Reihe von Mitgliedern des Hauses, auch mit Mitgliedern der Oppositionsparteien, Fühlung genommen. Es war leider Gottes nicht möglich, im Laufe des Vormittags noch eine Regelung für einen interfraktionellen Vorschlag aller Parteien zu finden, der heute hätte zur Sprache gebracht werden können.
Ich bitte also und beantrage, diese Vorlage heute von der Tagesordnung abzusetzen und dem Rechtsausschuß mit den Abänderungsvorschlägen zu überweisen, daß jeweils für ein bestimmtes Oberstes Bundesgericht auch ein bestimmter Ausschuß bestellt wird.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Pelster zur Geschäftsordnung zur Kenntnis genommen, wonach die Vorlage Drucksache Nr. 1088 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen und noch einmal an den zuständigen Ausschuß zurückzuverweisen wäre. Wer wünscht das Wort zu diesem Antrag zur Geschäftsordnung? - Herr Abgeordneter Zinn, bitte!
Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich sprechen uns gegen diesen Antrag auf Vertagung oder Absetzung aus.
Das Richterwahlgesetz ist ein sehr wichtiges und außerdem sehr dringendes Organisationsgesetz. Von dessen Verabschiedung hängt es ab, ob in absehbarer Zeit das oberste Bundesgericht, die oberen Bundesgerichte und auch letzten Endes das Bundesverfassungsgericht, das ja zum Teil aus Bundesrichtern besteht, gebildet werden können. Die Vorlagen, die hier dem Entwurf des Rechtsausschusses zugrunde liegen, einmal der Initiativgesetzentwurf der SPD und zum andern auch der der Regierungsparteien, sind schon vor Monaten eingebracht worden. Der Gesetzentwurf der SPD datiert aus dem Dezember vorigen Jahres und der der Regierungsparteien von Anfang Mai dieses Jahres. Es wäre also Zeit genug gewesen, etwaige Bedenken, die noch auftauchen konnten, zu erörtern.
Im übrigen sind die sachlichen Bedenken, die soeben zur Begründung des Absetzungsantrages vorgebracht wurden, durchaus geprüft worden. Einmal sehen wir, um nur ganz kurz, andeutungsweise dazu Stellung zu nehmen, keinen Anlaß, den Richterwahlausschuß in 5 Ausschüsse aufzuspalten. Das Grundgesetz sieht einen einzigen Ausschuß vor. Wir haben also verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, daß diese Aufspaltung erfolgt. Zum anderen halten wir sie auch nicht für zweckmäßig. Wir halten es für wünschenswert, daß die Gewerkschaftler, die bei der Berufung der Richter, z. B. der des Bundesarbeitsgerichts, mitzuwirken haben, auch Einfluß auf die Berufung der Richter der anderen Gerichte, insbesondere des Bundesgerichts für die ordentliche Gerichtsbarkeit, haben.
Aus diesem Grunde bitte ich, den Antrag auf Absetzung abzulehnen.
Wird das Wort zu diesem geschäftsordnungsmäßigen Antrag weiter gewünscht? - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten Pelster ist, die Drucksache an den zuständigen Ausschuß zurückzuverweisen, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Demnach ist der Antrag angenommen und der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 1088 von der Tagesordnung abgesetzt und an den zuständigen Ausschuß zurückverwiesen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen dann zu Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Aufhebung der Einreisebeschränkungen für deutsche Staatsbürger in das Saargebiet ({0}).
Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz als Berichterstatter das Wort. Darf ich darauf aufmerksam machen, daß für den Herrn Berichterstatter eine Redezeit von 10 Minuten und, falls eine Aussprache gewünscht wird, für diese 40 Minuten vorgesehen sind. Das wollen wir aber nachher noch feststellen.
Bitte, Herr Abgeordneter von Merkatz.
Dr. von Merkatz ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der SPD hat am 19. Dezember 1949 mit Drucksache Nr. 353 folgenden Antrag an den Deutschen Bundestag gerichtet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, mit dem französischen Hohen Kommissar in Verhandlungen mit dem Ziel einzutreten, die Einreisebeschränkungen für deutsche Staatsbürger in das Gebiet des Saarlandes zu beseitigen und dafür zu sorgen, daß deutsche Staatsbürger unter den gleichen Bedingungen ins Saargebiet einreisen können wie französische Staatsbürger.
Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat am 20. April 1950 beschlossen zu beantragen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, mit der Hohen Kommission in Verhandlungen mit dem Ziel einzutreten, die Einreisebeschränkungen für im Gebiet der Bundesrepublik wohnende deutsche Staatsbürger zu beseitigen und dafür zu sorgen, daß im Gebiet der Bundesrepublik wohnende deutsche Staatsbürger unter normalen Bedingungen in das Saargebiet einreisen können.
Bei den Beratungen des Ausschusses hat sich folgendes ergeben. Im Dezember 1946 wurde in dem einen Teil des französischen Besatzungsgebiets bildenden Saargebiet eine Grenzsperre für den Personen- und Warenverkehr eingeführt. In der Folgezeit wurden im Saargebiet die französische Währung und die französischen Devisengesetze eingeführt. Seit dem 1. April 1948 besteht eine Zollunion zwischen Frankreich und dem Saargebiet. Einreisegenehmigungen für Deutsche nach dem Saargebiet wurden und werden durch die französischen Konsulate erteilt, wobei zunächst jeweils eine Rückfrage in Saarbrücken erforderlich war. Außer der Einreisegenehmigung des französischen Konsulats war das Exit Permit der Militärregierung erforderlich. Das Einreiseverfahren war umständlich, zeitraubend und langwierig.
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Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Saargebiet bestehen zahlreiche wirtschaftliche, persönliche und verwandtschaftliche Beziehungen. Das Saargebiet bildet auch heute noch einen Bestandteil Deutschlands im Sinne der Erklärung der vier Besatzungsmächte vom 6. Juni 1945 betreffend die Übernahme der höchsten Regierungsgewalt in Deutschland. Danach ist Deutschland das Gebiet innerhalb der deutschen Grenzen vom 31. Dezember 1937. Der Ausschuß war daher der Auffassung, daß ein dringendes Bedürfnis besteht, die Einreisebeschränkungen für die im Gebiet der Bundesrepublik wohnenden deutschen Staatsbürger zu beseitigen.
Nachdem der Ausschuß in seiner Sitzung vom 20. April 1950 die Stellung des vorstehenden Antrags beschlossen hatte, wurde in einer Pressenotiz bekanntgegeben, daß Deutsche, die einen Paß besitzen, seit dem 15. April eine Ausreiseerlaubnis in das Saarland auch ohne eine besondere Reisebegründung für mehrere Hin- und Rückreisen erhalten können. Das Einreisevisum, das ein Jahr Gültigkeit besitzt, wird von den französischen Konsulaten in Deutschland ausgestellt. Diese inzwischen gewährte Erleichterung der Einreise liegt in der Richtung des Antrags des Ausschusses. Allerdings bringt die neue Regelung nur eine Erleichterung, nicht aber einen Wegfall der Einreisebeschränkung. Es besteht daher nach wie vor der Wunsch, daß die noch bestehenden Einreisebeschränkungen für die im Gebiet der Bundesrepublik wohnenden Deutschen über die inzwischen gewährten Erleichterungen hinaus völlig abgebaut werden, so daß die im Gebiet der Bundesrepublik wohnenden deutschen Staatsbürger unter normalen Bedingungen in das Saargebiet einreisen können.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Der Ältestenrat hatte auf alle Fälle eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorgesehen. Es hat sich nun bereits ein Redner gemeldet. Ich bitte daher das Haus um die Zustimmung, daß die Gesamtredezeit auf 40 Minuten festgesetzt wird. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Als erster Redner hat Herr Abgeordneter Niebergall das Wort, und zwar drei Minuten.
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion stimmt dem Antrag des Ausschusses im Prinzip zu, jedoch ist uns die Formulierung im Antrag: „unter normalen Bedingungen in das Saargebiet einreisen können" zu kautschukartig. Diese unsere Feststellung ist mehr als berechtigt. Wir haben Berichte in Händen, daß Hunderte Deutsche aus dem Bundesgebiet die Einreise ins Saargebiet beantragt und einen ablehnenden Bescheid bekommen haben; und umgekehrt Saarländer, die in das Bundesgebiet einreisen wollten.
Die kommunistische Fraktion hat einen Bericht in Händen, wonach in den letzten drei Monaten mehr als 275 Deutsche, die ihre Verwandten im Saargebiet oder außerhalb des Saargebietes besuchen wollten, zu hohen Gefängnis- und Geldstrafen verurteilt wurden. Das ist nach unserer Auffassung ein unerhörter Zustand; dieses um so mehr, als deutsche Polizeistellen im Bundesgebiet an dieser Tatsache nicht unschuldig sind. Wir fordern deshalb die Einstellung aller Verfahren wegen Paßvergehens. Wir fordern die freie Einreise ins Saargebiet, ohne Paß- und Visumzwang.
Meine Fraktion erlaubt sich deshalb folgenden Abänderungsantrag einzubringen:
Der Bundestag wolle beschließen: Die Worte in dem Ausschußentwurf „unter normalen Bedingungen" sind durch die Worte „ohne Paß- und Visumzwang" zu ersetzen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth. Acht Minuten bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Einbringung dieses Antrags hat die sozialdemokratische Fraktion des Bundestags nicht die Absicht, in eine grundsätzliche Debatte des Komplexes Saar einzutreten. Es geht uns lediglich darum, einige technische Verbesserungen einzuführen, die einen unerwünschten Zustand beseitigen. Die sozialdemokratische Fraktion hat trotzdem das Bedürfnis, zum Ausdruck zu bringen, daß sie den autonomen Saarstaat, wie er von 1945 an sukzessive gebildet wurde, als eine unglückliche Lösung ansieht. Wir wünschen, daß dieser Zustand so schnell wie möglich beseitigt wird, und zwar gerade im Interesse der deutsch-französischen. Verständigung.
Nach diesem Grundsätzlichen möchte ich über die Grenzverhältnisse an der Saar folgendes sagen. Es gab zwischen Deutschland und der Saar in den Zeiten der Völkerbundherrschaft von 1918 bis 1935 niemals eine hermetisch geschlossene Grenze. Diesem Umstand war es zum Beispiel zu verdanken, daß zu dieser Zeit der Verkehr von der einen nach der anderen Seite sich fast ohne Schwierigkeiten abspielen konnte. Das gilt sowohl für den Personenverkehr wie für den Warenverkehr. Gegenwärtig besteht aber zwischen dem sogenannten Saargebiet und der deutschen Bundesrepublik eine Grenze, die für den Deutschen mindestens schwieriger zu überschreiten ist als alle anderen Grenzen der Länder, mit denen wir nach 1945 wieder in irgendwelche Beziehungen getreten sind.
Es ist natürlich richtig, daß auch der Deutsche mit einem Paß und einem Visum nach der Saar reisen kann; aber es ist für den normalen Sterblichen unglaublich schwierig, ein solches Visum zu bekommen, da für die Einreise ins Saargebiet nicht nur die allgemeinen Bestimmungen gelten, sondern besondere Bestimmungen bei der Erteilung eines Visums angewandt werden. Daraus ergeben sich nicht nur für alle Deutschen, die das Bedürfnis haben, ins Saargebiet zu reisen, außerordentliche Schwierigkeiten, sondern vornehmlich auch für diejenigen, die ganz in der Nähe wohnen. Denn es wurden nicht nur Familien getrennt, die seit Jahrzehnten und Jahrhunderten dort leben, es wurden auch Verkehrswege durch die neue Grenze zerschnitten. Das hat das beteiligte Land, nämlich Rheinland-Pfalz, veranlaßt, sich darüber Gedanken zu machen, wie man auseinandergeschnittene Gebiete wieder dadurch besser zusammenführen kann, daß man neue Verkehrswege schafft. Ich verweise zum Beispiel darauf, daß die Strecke Trier-Zweibrücken deshalb nicht passierbar ist, weil sie durch das Saargebiet geht. Das Land Rheinland-Pfalz trägt sich mit dem Gedanken, eine Umgehungsstraße zu bauen, die etwa 21 Millionen DM kosten soll, nur damit die abgeschnittenen Trierer die Möglichkeit haben, auf dem nicht kürzesten, aber vielleicht nicht allzu schlechten Weg in die Gebiete der Pfalz zu kommen. Hätten sie dagegen die Durchreisemöglichkeit, dann würden sie diese Strecke auf einer sehr guten Straße und bei sehr guten Eisenbahnverbindungen in ganz kurzer Zeit zurücklegen können.
Ich darf vielleicht das Kuriosum anführen, daß es hier im Hause einen Kollegen gibt, der, um seinen
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Abgeordnetenverpflichtungen nachzukommen, wenn er von Trier aus reisen will, einen großen Umweg machen muß, der auch in finanzieller Beziehung einige Anforderungen an ihn stellt, während er mit der Eisenbahn durch das Saargebiet reisend in allerkürzester Frist seinen Bestimmungsort erreichen könnte. Hinzu kommt - das mag für die Art und Weise, in der die Visen erteilt werden, charakteristisch sein -, daß dieser Abgeordnete, der sich infolge seiner Beziehungen zu bestimmten Stellen nicht zu den gewöhnlichen Sterblichen zu rechnen braucht, nun schon seit zwei Monaten auf seinen Paß wartet und in der Zwischenzeit nicht weniger als dreizehn Paßfotos abgegeben hat, aber bis zur Stunde noch nicht im Besitz eines Visums ist.
Meine Damen und Herren! Ich habe diese paar Details nur gegeben, um Ihnen zu zeigen, wie unhaltbar dieser Zustand geworden ist. Inzwischen sind natürlich schon Erleichterungen eingetreten. Zum Beispiel können die Saarländer - wenn ich sie einmal so nennen darf, um den Unterschied zwischen ihnen und uns hier herauszustellen - uns, die Deutschen, an bestimmten hohen Feiertagen, die den Toten gewidmet sind, besuchen und für 24 Stunden ungehindert die Grenze passieren. Aber sowohl die Saarländer als die auf der anderen Seite wohnenden Deutschen haben schon häufiger erklärt, daß sie sich nicht nur am Tag der Toten einander sehen, sondern sich ganz gern auch einmal als Lebende einander Besuche machen möchten und daß man zu diesem Zweck die Grenze öffnen möge.
Nun weiß ich, daß einer sofortigen Regelung einige Schwierigkeiten im Wege stehen. Aber diese Schwierigkeiten scheinen bei einigem guten Willen doch überwindbar zu sein. Es kommt nämlich darauf an, zuerst einmal dafür zu sorgen, daß alle in einem engeren Umkreis Wohnenden die Möglichkeit haben, ungehindert mit einem normalen Ausweisschein zu passieren. Dabei können wir uns an ein gutes Vorbild halten, nämlich daran, daß auf der anderen Seite, von Frankreich her, jeder Franzose das Recht hat, ohne ein Visum zu besitzen, nach der Saar einzureisen. Die Saarländer, die sehr viel lieber manchmal nach der Pfalz oder in das übrige Rheinland fahren möchten, können zwar ohne Schwierigkeiten meinetwegen bis nach Casablanca reisen; aber wenn sie ihren Onkel auf der anderen Seite besuchen wollen, geht es ihnen genau so wie diesem deutschen Abgeordneten: dann müssen sie ebensoviele Photos vorlegen und ebenso auf einen Paß warten. Es gibt zwar die Möglichkeit, durch den kleinen Grenzverkehr bestimmte Erleichterungen zu bekommen. Aber darüber hinaus muß gefordert werden, daß nicht nur den engeren Grenzbewohnern, sondern auch allen anderen, die in diesen Bezirken und weit darüber hinaus in ganz Deutschland ihren Wohnsitz haben, die Einreise nach der Saar ohne alle Formalitäten gestattet wird. Es muß ein einfacher Ausweis genügen, wie ihn im modernen Europa jeder Staatsbürger bei sich zu tragen pflegt, um die Einreise in das Saargebiet bewerkstelligen zu können.
Zum Schluß darf ich noch bemerken, daß an der Saar viel von Europa gesprochen wird. Es gibt kaum ein Ländchen nach 1945, das in so auffallender Weise jede Gelegenheit wahrnimmt, sich zum europäischen Gedanken zu bekennen. Wenn es denjenigen, die von der Saar her, und anderen, die außerhalb der Saar für die Saar verantwortlich sind, mit ihrem europäischen Bekenntnis Ernst ist, dann könnten sie dadurch, daß sie allen Europäern die Einreise in das Saargebiet ohne Visum gestatten, einen wertvollen
Beitrag zur Bekräftigung dieses Bekenntnisses liefern. Bis zur Stunde warten wir auf diesen Akt.
Indem ich Ihnen empfehle, den Antrag anzunehmen, wünsche ich, daß diejenigen, an die er gerichtet ist, wissen, daß es sich hier nicht nur um die Erleichterung der Einreise ins Saargebiet handelt, sondern um die Herbeiführung eines europäischen Zustandes. In diesem Sinne glaube ich, daß die Deutschen, die nach der Saar reisen wollen, genau so gute Europäer sind wie die, die von der anderen Seite ohne Paßschwierigkeiten dort hinkommen können.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich stelle das ausdrücklich fest und stelle weiterhin fest, daß die Aussprache über Drucksache Nr. 1079 damit abgeschlossen ist.
Wir kommen nun zur Abstimmung. Zunächst haben wir über den kommunistischen Abänderungsantrag abzustimmen. Wird dieser Antrag von zehn Mitgliedern unterstützt? - Schön, der Antrag wird von der genügenden Anzahl von Mitgliedern unterstützt. Er geht dahin, die Worte „unter normalen Bedingungen" zu ersetzen durch die Worte „ohne Paß- und Visumzwang". Wer diesem Abänderungsantrag zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. ({0})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit.
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- Seien Sie doch beglückt, Ihr Abänderungsantrag ist ja angenommen!
Ich lasse nunmehr über den Gesamtantrag Drucksache Nr. 1079 abstimmen unter Berücksichtigung der soeben beschlossenen Änderung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit zweifelsfreier Mehrheit angenommen.
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Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Antrages der Fraktion der SPD betreffend Sitz der oberen Bundesbehörden ({3}).
Der Ältestenrat macht Ihnen den Vorschlag, daß wir lediglich die Begründung der Herren Antragsteller entgegennehmen und dann ohne Aussprache den Antrag an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überweisen. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Verfahrensregelung feststellen? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? - Herr Abgeordneter Maier!
Maier ({4}) ({5}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Als in den Tagen der Auseinandersetzungen über den vorläufigen Bundessitz in einer Denkschrift der Stadt Frankfurt geltend gemacht wurde, bei der Wahl der Bundeshauptstadt habe man von der grundsätzlichen Erwägung auszugehen, daß alle Instanzen mit zentralen Aufgaben an einem Platze oder mindestens in seiner unmittelbarsten Umgebung zusammengefaßt werden müßten, wurde seitens der Vertreter der heutigen Bundesregierung und von den Anhängern Bonns entgegnet, daß ein so unerträglicher Zentralismus die im gesamtdeutschen Interesse als notwendig anerkannte Vorläufigkeit des Bundessitzes hinfällig mache. Selbst in der ehemaligen Reichs({6})
hauptstadt Berlin, wurde gesagt, habe eine solche Zusammenballung von Zentralinstanzen nicht bestanden. Zahlreiche derartige Stellen hätten sich zum Nutzen der deutschen Bevölkerung in anderen politisch und wirtschaftlich besonders hervorragenden deutschen Städten wie Hannover, Hamburg, München, Stuttgart, Köln, Leipzig und anderen befunden. Gegenüber dem Einwand, durch eine Dezentralisierung der oberen Bundesbehörden würden Dienstreisen in großer Zahl und mit einem nicht zu rechtfertigenden Aufwand an Zeit, Kraft und Geld notwendig werden, wurde darauf hingewiesen, daß nach Überwindung der Kinderkrankheiten im Aufbau von Verwaltung und Wirtschaft an die Stelle des überbetriebsamen Jagens von Konferenz zu Konferenz schließlich doch eine ruhigere, produktivere Tätigkeit an der Arbeitsstätte selbst eintreten werde, wobei man sich dann wohl auch der Benutzbarkeit postalischer Einrichtungen erinnere.
Im Verfolg dieser Auffassung hat am 14. Oktober 1949 die Bundesregierung in einer Kabinettsitzung entschieden, daß zwar sämtliche Ministerien am Bundessitz untergebracht werden sollen, daß aber die Fachstellen des Wirtschaftsministeriums, die Außenhandelsstellen und die Vorratsstellen des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Bundesrechnungshof und das Statistische Bundesamt an ihren Sitzen verbleiben können.
Anläßlich der Beratungen über die Verlegung von Bundesoberbehörden nach Berlin wurde regierungsseitig der Standpunkt vertreten, daß neben einer bevorzugten Berücksichtigung der ehemaligen Reichshauptstadt bei der Errichtung weiterer Bundesoberbehörden und Bundesgerichte eine gesunde und gerechte Streuung über das ganze Bundesgebiet erfolgen müsse. Die Folge dieser Erklärungen war, daß eine große Anzahl von Städten Angebote für die Aufnahme neuer Bundesverwaltungen einreichte. Man beschränkte sich dabei nicht nur auf die Vorlage von Denkschriften und Plänen. Die interessierten Stadtverwaltungen schickten Delegationen, die in mündlichen Rücksprachen die Stimmung im Bundeshause erforschten, um je nach dem Erfolg ihrer Bemühungen ihre Propaganda für ihre Stadt zu verstärken oder ihre kommunalen Körperschaften erneut tätig werden zu lassen.
Wenn man beispielsweise verfolgt, was seitens einer ganzen Reihe von Städten, die sich um den Bundesgerichtshof beworben haben, an geistigem und materiellem Aufwand geleistet wurde, und dabei feststellt, daß in einigen Fällen schon nach oberflächlicher Beurteilung eine Berücksichtigung völlig ausgeschlossen ist, so erhebt sich die Frage nach der Verantwortlichkeit für solchen Leerlauf. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß die Schuld in erster Linie bei der Bundesregierung zu suchen ist, die hier, wie in vielen anderen Fragen, ohne Plan vorgeht und es entweder dem Herrn Bundeskanzler - wie etwa im Falle des Sitzes für den Bundesgerichtshof - oder dem Zufall überläßt, welcher Ort als Sitz einer Bundesbehörde festgelegt wird. Dabei kann häufig die Beobachtung gemacht werden, daß der einmal vertretene Grundsatz von der gesunden und gerechten Streuung über das ganze Bundesgebiet und der besonderen Berücksichtigung Berlins völlig außer acht gelassen wird, während sich der Wunsch des Herrn Bundeskanzlers immer stärker verdichtet, seine neuen Oberbehörden nahe bei sich zu haben, wohl in der Annahme, daß das Bonner Klima ihrer gedeihlichen Entwicklung besonders förderlich sei.
In diesem Zusammenhang ist wohl die Frage an die Regierung erlaubt: Wie kam es, daß, nachdem der Herr Justizminister durch seinen Vertreter im Rechtsausschuß erklären ließ, daß von den Bewerbern für den Sitz des Bundesgerichtshofs die Städte Karlsruhe und Kassel die Voraussetzungen für ihre Wahl erfüllten, plötzlich der Herr Bundeskanzler in einem Brief an den Herrn Präsidenten des Bundestages die Stadt Köln als einzig möglichen Sitz dieses Gerichts in Vorschlag brachte? Weiter soll dem Vernehmen nach Köln auch als Sitz für das Bundesaufsichtsamt in Aussicht genommen sein, weil die Nähe der Bundeshauptstadt sich günstig für die Arbeit dieser Behörde auswirken würde. Da im Berlinausschuß im Hinblick auf die Bedeutung Berlins für die Versicherungswirtschaft gerade diese Bundesoberbehörde für Berlin vorgeschlagen wurde, sei auch in diesem Falle an die Regierung die Frage gestellt, aus welchem Grunde man Berlin fallen ließ, obwohl in jener Ausschußsitzung eine Reihe von Vertretern der Versicherungswirtschaft sich durchaus für Berlin ausgesprochen hat.
Endlich soll wieder nur Köln für eine Abteilung des Amts für Verfassungsschutz vorgesehen sein. Was könnte einer Stadt, die infolge des hohen Zerstörungsgrades an Raum- und Wohnungsmangel leidet, den Vorzug verschaffen, Sitz einer Reihe von Oberbehörden zu werden, wenn nicht der bereits hervorgehobene Wunsch des Bundeskanzlers, im Bonner Raum, was man für Frankfurt seinerzeit als unerwünscht ablehnte, Bundesbehörden zentralisiert zu sehen?
Wenn es weiter richtig ist, daß man den Bundesrechnungshof von Frankfurt auch in das Land Nordrhein-Westfalen, und zwar nach Münster, zu verlegen beabsichtigt, so kann man angesichts der Finanzlage des Bundes nur fragen: Wer soll das bezahlen? Und wenn andererseits die Absicht be- steht, eine Einrichtung wie das Bundesarchiv, die nun einmal wirklich am Sitze der Bundesregierung und des Parlaments aus Zweckmäßigkeitsgründen errichtet werden sollte, nach Celle oder Ehrenbreitstein zu legen, so muß man sich auch hier fragen: Wo bleiben da Logik und Planung?
Einem Bericht der Technischen Kommission der Ministerpräsidenten vom September 1949 war in einer Anlage eine Übersicht nach den Beratungen des Organisationsausschusses beigeheftet, die rund 40 Oberbehörden vorsah, von denen heute nur ein kleiner Teil errichtet ist. Wir treiben einem Chaos entgegen, wenn in der bisherigen Art kleckerweise über die jeweiligen Sitze dieser Behörden entschieden wird.
Meine Fraktion hat deshalb in ihrem Antrag Drucksache Nr. 1069 gefordert, daß, um eine Ubersicht zu gewinnen, die Bundesregierung eine Aufstellung über Art und Sitz bereits bestehender Bundesbehörden dem Hohen Hause vorlegt und daß sie ein Ministerium - am zweckmäßigsten das Bundesinnenministerium - als das Organisationsministerium mit der Vorlage eines Planes beauftragt, der den zweckmäßigsten Sitz der zu errichtenden weiteren Bundesoberbehörden für eine spätere gesetzliche Regelung vorschlägt.
Bei diesen Vorschlägen sollte der besonderen Lage Berlins und der in der Nähe der Grenze der russischen Besatzungszone gelegenen größeren Städte aus politischen Gründen Rechnung getragen werden. Es darf bei der Bevölkerung dieser Städte nicht das Gefühl aufkommen, als ob man aus Sicherheitsgründen die Bundesverwaltungsorgane alle westlich des Rheins lege und damit die
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Bevölkerung der östlichen Grenzzone bereits abschreiben würde. Im übrigen sollte der einmal aufgestellte Grundsatz der Berücksichtigung aller Landesteile des gegenwärtigen Geltungsbereiches des Grundgesetzes wieder Geltung haben, wobei die bestmögliche Unterbringung, das Vorhandensein von Wohnungen für Beamte und Angestellte und der für die einzelnen Behörden notwendigen Hilfseinrichtungen den Ausschlag für die Wahl des Sitzes geben sollte.
Da die von meiner Fraktion erhobenen Forderungen, insbesondere die Forderung nach einer stärkeren Berücksichtigung Berlins durchaus in Einklang stehen mit den Erklärungen mehrerer Regierungsmitglieder anläßlich ihres Besuchs in Berlin, bitte ich das Hohe Haus, unserem Antrag Drucksache Nr. 1069 zuzustimmen.
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Meine Damen und Herren! Der ständige Stellvertreter des Bundeskanzlers, Herr Bundesminister Blücher, hat das Wort erbeten. Ich erteile ihm das Wort.
Blücher, Vizekanzler: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur sehr wenig zu der vorgetragenen Begründung des Antrages sagen. Erstens ist es selbstverständlich keineswegs so gewesen, daß die Bundesregierung sich nicht im einzelnen um die Unterbringung der Behörden gekümmert hätte. Es ist dem Hohen Hause sicher bekannt, daß vielmehr ein eigens vom Finanzminister beauftragter Personenkreis die einzelnen in Frage kommenden Städte wegen der möglichst günstigen und billigen Unterbringung der Behörden bereist und außerdem vor allen Dingen auch die Frage der Zurverfügungstellung von Wohnungen für die Beamten geprüft hat. Ferner ist zu bemerken, daß es selbstverständlich unmöglich ist, daß etwa der Herr Bundeskanzler den Sitz eines oberen Bundesgerichtes bestimmte. Das ist Sache des Gesetzgebers.
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Damit bin ich bei dem entscheidenden Punkte. Es wäre von seiten der Bundesregierung längst in allen Fällen eine Entscheidung ergangen. Da es aber nicht möglich ist, diese Entscheidung Wirklichkeit werden zu lassen, bevor der Sitz der oberen Bundesgerichte feststeht, kann ich erklären, daß wir in demselben Augenblick im ganzen entscheiden werden, in dem der Gesetzgeber, also dieses Parlament, über den Sitz der oberen Bundesgerichte entschieden hat.
Es ist dann weiter ein Wort gefallen, es sähe so aus, als ob man entweder alles im Raume Bonn oder gar - ich möchte dieses Wort nur sehr ungern wiederholen - westlich des Rheines unterzubringen bestrebt wäre. Gegen diese Unterstellung muß ich mich im Namen der Regierung verwahren.
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Es wird Ihnen allen wahrscheinlich bekannt sein - ich habe ja gesehen, daß der Herr Berichterstatter sehr bemüht gewesen ist, zu erfahren, wie die Unterbringung einzelner Behörden gedacht war -, daß, wenn Sie von Bonn und Köln und vielleicht von einer Behörde absehen, die in dem schwer geprüften Koblenz untergebracht werden muß, keine Behörde westlich des Rheins übrigbleibt.
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Dann schließlich ein Wort zu Berlin. Sie alle wissen, daß wir auch, ohne Beschlüsse abzuwarten, Gott sei Dank in der Lage gewesen sind, eine vermehrte Zahl von Behörden in Berlin unterzubringen.
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- Aber die Herren aus Berlin wissen das doch selbst; sie wissen, daß zum Beispiel eine Abmachung mit dem Justizministerium über die Vermehrung der Funktionen des Patentamtes getroffen worden ist, daß die Einrichtung der Vertretung aller Ministerien längst geschaffen worden ist.
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- Verzeihen Sie, es ist bisher auch noch nicht eine einzige der Oberbehörden errichtet worden. Sie kennen selbst unser Bestreben - und ich hoffe, ich darf an meine eigenen Verhandlungen mit Ihnen erinnern -, den Berlinern so weit wie immer möglich zu helfen. Ich glaube, wenn Sie den Katalog sehen, den wir uns für Berlin aufgestellt haben, falls einmal eine Entscheidung über die Bundesobergerichte gefallen ist, dann werden Sie erkennen, daß eine recht erkleckliche Zahl von Dienststellen in Berlin untergebracht sein wird. Aber es ist für uns nicht möglich - ich wiederhole das -, das zu entscheiden, bevor nicht dieses Parlament über den Sitz der oberen Bundesgerichte entschieden hat und dadurch die notwendige Übersicht über die Behörden und ihre Unterbringung in anderen Städten gegeben ist.
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Meine Damen und Herren! Es war beschlossen worden, ohne Aussprache die Drucksache Nr. 1069 an den zuständigen Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war zweifelsfrei die Mehrheit.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zum letzten Punkt der Tagesordnung:
Beratung des Interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({0}).
Darf ich auf eine nötige Korrektur in der Drucksache Nr. 1128 aufmerksam machen. Auf der ersten Seite steht unter Drucksache Nr. 1070, Antrag der Fraktion der DP, betreffend Wiederherstellung von Brücken: „an den Haushaltsausschuß". Das soll nach einer inzwischen getroffenen interfraktionellen Abmachung „an den Verkehrsausschuß" heißen.
Wer für den Antrag Drucksache Nr. 1128 mit der eben von mir bekanntgegebenen Korrektur ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich danke ! Ich bitte um die Gegenprobe. - Damit ist der Antrag angenommen.
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung ist erschöpft. Ich berufe die nächste, die 74. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Donnertag, den 13. Juli, 14 Uhr 30 Minuten.
Die 73. Sitzung ist geschlossen.