Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 65. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ehe wir in die Sitzung eintreten, möchte ich eines erschütternden Ereignisses gedenken,
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das sich vor zwei Wochen hier im Westen der deutschen Bundesrepublik ereignet hat. Ich meine die entsetzliche Katastrophe auf der Zeche Dahlbusch bei Gelsenkirchen, die 77 deutschen Bergleuten das Leben gekostet hat. Ich glaube, es hat in den letzten Jahren kaum ein Ereignis gegeben, das nach der Zeit der Mindereinschätzung menschlichen Lebens so weite Kreise bis ins tiefste bewegt hat wie dieses Ereignis, das weitesten Kreisen unseres Volkes den hohen und höchsten Wert des kostbaren Menschenlebens wieder zum Bewußtsein gebracht hat. Diese Männer, die dort dem Unglück erlegen sind, gehören zu denjenigen deutschen schaffenden Menschen, die die schwerste Arbeit leisten, die es wohl überhaupt in unserem Wirtschaftsleben zu leisten gibt. Sie haben wahrhaft heldenhaft bis zum letzten auf ihrem Posten ausgehalten, erfüllt von dem Bewußtsein, daß sie für Volk und Vaterland ihre schwere und verantwortungsvolle Arbeit leisten. Sie gehören zu denen, die die treuesten Söhne ihres Volkes sind, und ihr Andenken wird stets in hohen Ehren gehalten werden.
Sie haben sich zu Ehren dieser Männer„ die allen Generationen angehört haben, von Ihren Plätzen . erhoben. Ich stelle dies fest und danke Ihnen.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich bitte den Schriftführer Herrn Abgeordneten Pannenbecker, die Liste der fehlenden Mitglieder des Hauses bekanntgeben zu wollen.
Es fehlen wegen Erkrankung: Bundeskanzler Dr. Adenauer und die Abgeordneten Lübke, Frau Dr. Gröwel, Dr. Gülich, Bettgenhäuser, Mißmahl, Freudenberg, Wittmann, Weickert. Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Dr. Pferdmenges, Dr. Vogel, Dr. Henle, Leonhard, Neuburger, Karpf, Mensing, Frau Dr. Weber ({0}), Frau Dr. Hubert, Jacobs, Wehner, Görlinger, Dr. Menzel, Matzner, Böhm, Meitmann, Frau Schroeder ({1}), Dr. Suhr, Neumann, Dr. Veit, Ollenhauer, Frau Meyer-Laule, Mellies, Frau Krahnstöver, von Knoeringen, Rademacher, Margulies, Dr. Middelhauve, Kuhlemann, Dr. Seebohm, Freiherr von Aretin, Loritz, Schuster, Meyer ({2}), Frau Hütter, Gundelach, Reimann, Rische, Nuding, Freitag, Frau Albrecht, Hoecker, Henßler, Berlin, Nadig, Dr. Reif und Dr. Zawadil.
({3})
Und Abgeordneter Agatz.
Meine Damen und Herren, ich habe ferner den Nachfolger des verstorbenen Herrn Abgeordneten Schönauer, Herrn Abgeordneten Dr. Semler, zu begrüßen. Ich wünsche ihm gute Zusammenarbeit mit allen Mitgliedern des Hauses.
Ich habe ferner folgendes mitzuteilen.
Mit Schreiben vom 12. Mai 1950 hat der Bundesrat mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung vom gleichen Tage beschlossen hat, den folgenden Gesetzentwürfen seine Zustimmung zu geben:
Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Weizenabkommen;
Entwurf eines Gesetzes über die Anerkennung freier Ehen rassisch und politisch Verfolgter; Entwurf eines Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer;
Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950;
Entwurf eines Gesetzes über den Bundesfinanzhof;
Entwurf eines Gesetzes zur Beseitigung von Kriegsvorschriften über die Siegelung gerichtlicher und notarischer Urkunden.
Mit Schreiben vom 25. Mai 1950 hat der Bundesrat mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung vom gleichen Tage beschlossen hat, folgenden Gesetzentwürfen zuzustimmen:
Entwurf eines Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen;
Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über die Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1949 sowie über die Haushaltsführung und über die vorläufige Rechnungsprüfung im Bereich der Bundesverwaltung.
Da das Schreiben des Bundesrates grundsätzliche Ausführungen enthält, ist es vervielfältigt worden und Ihnen als Drucksache Nr. 991 zugegangen.
Am 12. Mai 1950 hat der Bundesrat mitgeteilt, daß er beschlossen hat, bezüglich des Gesetzes zur Änderung des Soforthilfegesetzes Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes zu stellen. Das Schreiben - mit Begründung - ist als Drucksache Nr. 953 verteilt worden.
Am 25. Mai 1950 hat der Bundesrat zu dem Gesetz über die Finanzverwaltung ebenfalls Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses gestellt. Das Schreiben ist vervielfältigt und wird Ihnen als Drucksache Nr. 990 zugehen.
Der Herr Bundeskanzler hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 1. Februar 1950 unter dem 22. Mai 1950 über die Einrichtung eines besonderen Referates beim Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen für in Polen und in der Tschechoslowakei lebende Deutsche berichtet. Das Schreiben wird als Drucksache Nr. 988 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 5. Mai 1950 die Anfrage Nr. 66 der Abgeordneten Dr. Dr. Höpker-Aschoff und Genossen betreffend erlassene Kaffeesteuer, Drucksache Nr. 818, beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 963 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 18. Mai 1950 die Anfrage Nr. 69 der Fraktion der SPD betreffend Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung für das Kupferschieferwerk in Sontra, Drucksache Nr. 864, beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 977 vervielfältigt.
Ebenso hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft unter dem 15. Mai 1950 die Anfrage Nr. 71, Drucksache Nr. 895, der Fraktion der FDP betreffend Liquidation der staatlichen Erfassungsgesellschaft für öffentliches Gut m. b. H. unter Drucksache Nr. 979 beantwortet.
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 16. Mai 1950 die Anfrage Nr. 73 der Fraktion der
({0})
SPD, Drucksache Nr. 899, betreffend Lehrwerkstätte bei den Reichsbahn-Ausbesserungswerken unter Drucksache Nr. 969 beantwortet.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 19. Mai 1950 die Anfrage Nr. 74 der Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß, Spies und Genossen, Drucksache Nr. 909, betreffend Verhaftung deutscher Missionsangehöriger in Nordkorea unter Drucksache Nr. 986 beantwortet.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 23. Mai 1950 die Anfrage Nr. 72 der Fraktion der FDP, Drucksache Nr. 896, betreffend Rückerstattungspflicht von Fürsorgeaufwendungen unter Drucksache Nr. 987 beantwortet.
Meine Damen und Herren! Ehe ich weitere Mitteilungen mache, möchte ich auf eine neue technische Einrichtung hinweisen. Das Hohe Haus sieht hier vor dem Rednerpult drei Glasscheiben nebeneinander im spitzen Winkel. Das bedeutet folgendes. Wir haben hier oben auf dem Platz des Schriftführers eine elektrotechnische Uhr, mit der die Redezeit eingestellt wird. Wenn der betreffende Redner beginnt, erscheint auf einer kleinen Platte in der rechten oberen Ecke des Rednerpultes in roter Schrift das Wort „Beginn". Das sehen Sie nicht; das ist auch nicht nötig, das ist ja nur für den Redner bestimmt. Dann werden am Rednerpult - sichtbar für das Haus - die letzten fünf Minuten vor Schluß der Redezeit angekündigt, die letzte Minute und dann das apodiktische „Schluß". Die letzten drei Zeichen können Sie sehen. Der Vorstand hofft insoweit auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Hohen Hause. Wir werden diese Einrichtung zum erstenmal heute zur Anwendung bringen.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen. Gemäß interfraktioneller Vereinbarung - ich verweise dabei auf die Drucksache Nr. 993, Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität - wird vor Punkt 1 der Tagesordnung als erster Punkt eingesetzt: Mitteilungen über die Mandatsniederlegung des Abgeordneten Kurt Müller ({2}). Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Becker ({3}).
Der Herr Abgeordnete Fisch hat sich vor Eintritt in die Tagesordnung zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte, fünf Minuten!
Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion, die Behandlung eines weiteren Antrags meiner Fraktion in die Tagesordnung aufzunehmen. Da Ihnen der Wortlaut dieses Antrags nicht bekannt ist, erlaube ich mir, ihn Ihnen zur Kenntnis zu geben.
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird beauftragt, von der Regierung des Landes Schleswig-Holstein die sofortige Aufhebung aller gegen die Teilnehmer am Pfingsttreffen der Freien Deutschen Jugend in Berlin getroffenen Ausnahmeanordnungen zu fordern. Die Regierung des Landes Schleswig-Holstein wird verpflichtet, die ungehinderte Rückkehr der an der Zonengrenze festgehaltenen Teilnehmer an dem Pfingsttreffen in ihre Heimatorte sicherzustellen. Die Regierung des Landes Schleswig-Holstein wird fernerhin verpflichtet, sofort alle eingesetzten Sonderkommandos der Polizei aus dem Grenzgebiet zurückzuziehen und ein Dienststrafverfahren gegen alle Polizeibeamten durchzuführen, die sich der Mißhandlung von Rückkehrern schuldig gemacht haben.
({0})
Die Regierung des Landes Schleswig-Holstein wird weiterhin verpflichtet, die Behandlungsund Krankenhauskosten für die mißhandelten Rückkehrer aus Landesmitteln zu übernehmen sowie Ersatz zu leisten für die gesundheitliche und materielle Schädigung und den eventuellen Lohnausfall, der den widerrechtlich an der Grenze zurückgehaltenen Personen entstanden ist.
({1})
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion ist der Auffassung, daß dieser Antrag einer dringlichen Behandlung bedarf. Es ist Ihnen aus der Presse nur ein Teil des Tatbestandes bekannt. Seit eineinhalb Tagen halten sich an der Zonengrenze über 10 000 Rückkehrer von dem Berliner Pfingsttreffen der FDJ auf, die von den Polizeiorganen des Landes Schleswig-Holstein an der normalen Rückkehr in ihre Heimatorte gehindert werden. Der Innenminister des Landes Schleswig-Holstein gibt für diese Maßnahme eine „Begründung", die sofort durch die Wirklichkeit, durch die dort geschaffenen Tatsachen als reiner Vorwand entlarvt wird.
({2})
Herr Abgeordneter Fisch, ich bitte Sie, sich auf die geschäftsordnungsmäßigen Ausführungen beschränken zu wollen.
Es kann nicht die Rede davon sein, daß man sanitäre Maßnahmen plant, ({0})
denn bekanntlich benötigt man zur sanitären Behandlung keine Panzerspähwagen, keine Polizeihunde, keine mit Karabinern vorgehenden wildgewordenen Polizisten.
({1})
- Meine Damen und Herren, ich begründe die Dringlichkeit dieses Antrags, weil bereits jetzt 30 Personen infolge von Verletzungen durch aufgehetzte Polizeihunde und Mißhandlungen von Polizeibeamten ins Krankenhaus eingeliefert werden mußten. Diese Tatsache und die weitere, daß sich die 10 000 Rückkehrer heute nacht unter freiem Himmel dort an der Zonengrenze aufhalten mußten,
({2})
weil sie an der normalen Rückkehr in ihre Heimatorte gehindert werden, verlangt die sofortige Behandlung dieser Vorgänge in diesem Hause und die Beschlußfassung über Verpflichtungen, die die Landesregierung Schleswig-Holstein zu übernehmen hat.
({3})
Meine Damen und Herren! Ich stelle zunächst das Einverständnis des Hauses damit fest, daß die Drucksache Nr. 993, wie von mir bereits angekündigt, als Punkt 1 der Tagesordnung behandelt wird. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Was den Antrag des Herrn Abgeordneten Fisch anlangt, den er hier zur Verlesung gebracht hat, so frage ich gemäß § 71 der Geschäftsordnung, ob
({0})
sich dagegen Widerspruch erhebt, daß dieser Antrag auf die Tagesordnung gesetzt wird.
({1})
- Es erhebt sich Widerspruch; damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich erteile nunmehr Herrn Abgeordneten Dr. Becker ({2}) das Wort als Berichterstatter zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller ({3}) ({4}).
Dr. Becker ({5}) ({6}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! § 120 der Geschäftsordnung dieses Hauses gibt dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität das Recht, auch ohne Auftrag seitens des Plenums Dinge, welche die Geschäftsordnung und Geschäftsführung dieses Hauses betreffen, zu erörtern. Die Niederlegung des Mandats des Herrn Abgeordneten Müller von der KPD hat zu einer solchen Erörterung im Ausschuß Veranlassung gegeben. Ich lasse zunächst
den Tatbestand folgen gebe aber vorher einem
Wunsch des Herrn Abgeordneten Renner statt, der in der Sitzung des Ausschusses gebeten hat, bekanntzugeben, daß alles, was in der Presse als seine Ausführungen zu diesem Punkt mitgeteilt worden sei, nicht von ihm herrühre.
({7})
Der Tatbestand ist folgender: Der Herr Abgeordnete Müller hat in einem Brief, der das Datum des 6. Mai dieses Jahres trägt, das Mandat mit der Begründung niedergelegt, daß er dies aus persönlichen Gründen tue. Auf diese Mandatsniederlegung hin ist ordnungsgemäß dem Landeswahlleiter von Nordrhein-Westfalen Bescheid gegeben worden. Als dann Bedenken über die Rechtswirksamkeit dieser Mandatsniederlegung auftauchten, ist dem Landeswahlleiter in Nordrhein-Westfalen von diesen Bedenken Kenntnis gegeben worden. Er hatte inzwischen aber bereits seinerseits dem auf der Liste nachfolgenden Herrn Niebes, Düsseldorf, Kenntnis gegeben, ihm die Annahmeerklärung zur Unterzeichnung zugesandt und hat dann die Annahmeerklärung ohne Unterschrift zurückverlangt. Dieser Brief hat sich mit der Übersendung der Annahmeerklärung seitens des Herrn Niebes an den Landeswahlleiter von Nordrhein-Westfalen gekreuzt.
({8}) - Das wissen Sie besser als ich.
({9})
- Schweigen Sie jetzt einmal still!
({10})
Der Tatbestand im einzelnen ist folgender. Am 16. März war laut Tagungsliste der Abgeordnete Müller zuletzt in einer Plenarsitzung. Die Diäten für den Monat April sind abgeholt. Am 6. Mai ist ein Brief verfaßt, der keine Ortsbezeichnung über den Absendeort trägt, sondern nur beginnt: „den 6. Mai 1950", geschrieben mit Schreibmaschine, adressiert: „An den Präsidenten des Bundestags, zu Händen Herrn Dr. Erich Köhler, im Hause". Die Unterschrift ist mit Tinte geschrieben; sie ist
meines Erachtens echt. Es hat aber vorsorglich eine Prüfung vom gerichtlichen Sachverständigen der Universität Bonn stattgefunden, und dieser kommt in seinem Gutachten vom 24. Mai zu dem gleichen Ergebnis. Ich darf die Schlußfeststellungen dieses Gutachtens mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vortragen:
1. Die fragliche Unterschrift zeigt keine Unterschiede gegenüber den Vergleichsunterschriften Müllers, sondern nur zahlreiche, zum Teil recht charakteristische Übereinstimmungen, die den Schluß rechtfertigen, daß Müller die fragliche Unterschrift selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geschrieben hat.
2. Ob die fragliche Unterschrift zu nahe an der Schreibmaschinenschrift steht, ich darf einfügen: das letzte mit Schreibmaschine geschriebene Wort „Hochachtend" steht verhältnismäßig sehr dicht über der mit Tinte geschriebenen Unterschrift;
({11})
also der Sachverständige sagt:
Ob die fragliche Unterschrift zu nahe an der Schreibmaschinenschrift steht, wodurch die Priorität von Unterschrift und Schreibmaschinenschrift vielleicht in etwa geklärt werden könnte, kann mangels entsprechenden Vergleichsmaterials nicht entschieden werden.
3. Die fragliche Schreibmaschinenschrift ist nicht mit der Maschine, von der die Vergleichsschriften herrühren, geschrieben worden.
4. Eine Tinten-Altersbestimmung war in diesem Falle nicht möglich.
Dieser Brief vom 6. Mai wurde unter recht merkwürdigen Umständen in den Geschäftsgang gegeben. Herr Renner ging in Gegenwart des Herrn Kollegen Oskar Müller - wobei nicht festzustellen ist, ob die Gegenwart zufällig oder nicht zufällig war ({12})
auf den Herrn Präsidenten Dr. Köhler - ich glaube,
hier im Restaurant - zu, übergab ihm diesen Brief
und hatte gleichzeitig eine vorbereitete Empfangsquittung zur Hand und bat ihn, diese Quittung zu
unterschreiben. Der Herr Präsident, liebenswürdig
wie immer, hat auch diesem Wunsch stattgegeben.
Als dann aber Herr Renner verlangte, daß neben
diese Unterschrift unter die Anerkennung des Empfangs dieses Briefes auch noch ein Stempel gesetzt
werden sollte, da verlor sogar der Herr Präsident
seine Liebenswürdigkeit und lehnte das strikte ab.
({13})
Es wurden dann wenige Stunden danach im Büro des Bundestags der Ausweis und die Fahrkarte des Abgeordneten Müller abgegeben.
({14})
- Bitte zu fragen: von Herrn Renner oder in dessen Auftrag?
({15})
- Gut, einverstanden! - Es wurde dann ferner im Ausschuß ermittelt, daß dieser Brief und die Beilagen des Briefes, d. h. also der Abgeordnetenausweis und die Fahrkarte - der Brief trägt, wie gesagt, keine Ortsbezeichnung, aber als Adressat den Zusatz „im Hause" -, nicht hier in Bonn geschrieben bzw. aufgegeben, sondern von dem Sekretariat der Kommunistischen Partei in Frankfurt am Main hierhergeschickt worden sind.
({16})
({17})
Diese Vorgänge waren am 11. Mai. Ich bitte, damit die Pressemeldungen zu vergleichen, zu welcher Zeit Herr Müller in der Ostzone verhaftet worden ist.
Nun ist die Frage aufzuwerfen, ob diese Mandatsniederlegung rechtswirksam ist oder nicht. Die Unterschrift ist nach meiner persönlichen Ansicht und auch nach der Auffassung des Gutachters zweifellos echt. Die zweite Frage ist die, ob sie als Blankettunterschrift etwa schon im September oder Oktober vorigen Jahres zu Beginn dieser Session oder ob sie nicht schon bei der Aufstellung des betreffenden Herrn als Kandidat gegeben worden ist.
({18})
-Das ist die Frage, sage ich; und nun kommen wir zur Beantwortung dieser Frage. Die Beantwortung dieser Frage ist deshalb von Bedeutung, weil selbstverständlich eine Niederlegung eines Mandats, gestützt auf eine Monate vorher gegebene Blankettunterschrift, keine freiwillige Mandatsniederlegung mehr darstellen kann. Sie kann aber dann um so weniger freiwillig sein, auch wenn sie nicht als Blankett gegeben sein sollte, sondern vielleicht jetzt erst gegeben wäre, nämlich dann, wenn die näheren Umstände, die wir aus der Presse kennen, darauf schließen lassen, daß hier in irgendeiner Weise Gewalt angewendet worden ist.
({19})
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität kommt auf Grund der verschiedensten Indizien zu dem Ergebnis, daß nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins, auf der Grundlage der praesumptio facti, die Vermutung dafür spricht, daß diese Mandatsniederlegung nicht freiwillig erfolgt ist und deshalb rechtsunwirksam ist.
({20})
Die Indizien, die hierfür sprechen, sind folgende. Wie Sie wissen, hat die KPD hier im Hause die Anträge gestellt, uns für die Immunität der kommunistischen Landtagsabgeordneten von Niedersachsen, der Herren Landwehr und Lehmann, unsererseits einzusetzen, weil sie von der Besatzungsmacht verfolgt oder verhaftet seien. Dieses Hohe Haus steht auf dem Standpunkt, daß es der Arbeitsfähigkeit und der Würde des Hauses entspricht, sich in solchen Fällen für die Immunität der Abgeordneten, auch für die Immunität der Abgeordneten eines deutschen Landtages, einzusetzen. Das Hohe Haus hat dies getan. Es wäre mit dieser Praxis des Hohen Hauses und mit den Anträgen der KPD, welche die Beschlußfassung in diesen Fällen ausgelöst haben und in einem Falle noch auslösen sollen, unvereinbar gewesen, wenn jetzt in der Ostzone Herr Müller zu einem Zeitpunkt verhaftet worden wäre, als er noch Mitglied des Deutschen Bundestages war. Die Vermutung spricht also dafür, daß diese Mandatsniederlegung, weil er verhaftet werden sollte, hier vorher einlaufen mußte. Der Geschäftsordnungsausschuß hat sich bei diesen Erwägungen auch an die vorgenannten Daten gehalten, die diesen Dingen zugrunde liegen.
Zweitens. Wir haben andererseits festzustellen, daß, wenn Mitglieder der KPD aus harmloseren Gründen in die Ostzone verreisen - ich erinnere z. B. an den Herrn Abgeordneten Reimann, der ja,
wenn wir ihn hier auch nicht sehen, Mitglied dieses Hohen Hauses ist -,
({21})
das Mandat nicht niedergelegt wird, daß also auch Herr Reimann sein Mandat nicht niedergelegt hat, obwohl er des öfteren in der Ostzone weilen dürfte. Wir haben auch festgestellt, daß jemand, der Interzonenpässe beantragt hat, um in die Ostzone zu verreisen, keineswegs vorher seinerseits das Mandat niedergelegt hätte.
Daraus ergibt sich, da die sogenannte Mandatsniederlegung des Herrn Müller mit dieser seiner Reise in die Ostzone, die zu seiner Verhaftung führte, zeitlich zusammenfällt, die Schlußfolgerung, daß sie ursächlich damit zusammenhängt, und auch die, daß diese Mandatsniederlegung nicht freiwillig erfolgt ist.
Schließlich sprechen noch folgende Umstände für die Deduktion des Ausschusses. Es ist bekannt, daß in der KPD eine geradezu eiserne Disziplin herrscht, daß die Abgeordneten unter einem ganz großen Zwang stehen,
({22})
daß sie nicht Herr ihrer Entschlüsse und ihrer Handlungen sind.
({23})
-Den Beweis will ich Ihnen bringen. Wir haben festgestellt, daß sämtliche für die Mitglieder der KPD-Fraktion hier im Hause eingehende Post nicht von diesen Herren persönlich, sondern stets geschlossen abgeholt wird.
({24})
Wir haben ferner festgestellt, daß die Aufwandsentschädigungen und die Diäten der KPD-Abgeordneten dieses Hauses stets geschlossen durch eine Person, nämlich durch den Herrn Abgeordneten Renner, mit Vollmacht abgeholt werden.
({25})
Es ist aus früheren privaten Äußerungen von Mitgliedern der KPD bekannt, daß diese ihre Aufwandsentschädigungen und Diäten nicht voll ausgezahlt bekommen,
({26}) sondern daß diese nur in Form eines Gehaltes, also vermutlich nur teilweise, ausgezahlt werden.
({27})
Vor allen Dingen aber haben die Herren - und das haben wir im Ausschuß auch erwogen - ja nicht das Recht einer eigenen Meinung.
({28})
Wir haben in den letzten Monaten wiederholt Anfälle von besonderer Bußfertigkeit auf seiten der Herren der KPD feststellen müssen,
({29})
wobei die genannten Herren öffentlich Abbitte taten, der eine deshalb, weil er zu objektiv gewesen sei, der andere deshalb, weil er nicht linientreu gewesen sei, und der dritte bereute, daß er Irrtümer begangen habe,
({30})
d. h. Irrtümer, die nicht etwa menschlichen Ursprungs sind, wie sie jedem passieren können, son({31})
dern Irrtümer, die nachträglich zu Irrtümern kommandiert wurden, sodaß man bei allen Erklärungen dieser Herren niemals weiß, ob es sich um Irrtümer von gestern oder um Irrtümer von morgen handelt!
({32})
Auf Grund all dieser Dinge und vor allen Dingen in Verbindung mit der Tatsache des gleichzeitigen Zusammentreffens der Mandatsniederlegung und der Verhaftung in der Ostzone und in Verbindung mit dem Zwang, der auf den Mitgliedern der KPD ruht - ich darf einfügen, daß wir im Ausschuß auch der Auffassung Ausdruck gegeben haben, daß man dieses Verhalten der genannten Herren verschieden beurteilen kann; die menschlich wohlwollendste Feststellung ist die eines tiefen Bedauerns, daß in einem Staat, der die Freiheit kennt, von dieser Freiheit kein Gebrauch gemacht wird -,
({33})
sind wir daher zu dem Ergebnis gekommen, festzustellen, daß nach dem Beweis des ersten Anscheins die Vermutung dafür spricht, daß die Mandatsniederlegung nicht freiwillig erfolgt ist und daß sie demgemäß vermutlich rechtsunwirksam ist.
Jede Vermutung kann durch den Gegenbeweis entkräftet werden. Es steht den Herren der KPD frei, diese Vermutung durch den Gegenbeweis zu entkräften.
({34})
Der Antrag, den der Geschäftsordnungsausschuß diesem Hohen Hause vorlegt, sieht deshalb zu Punkt 1 die Möglichkeit vor, diesen Gegenbeweis zu eröffnen. Der Präsident des Bundestages wird darin ersucht, alle Maßnahmen zu treffen, die es dem Abgeordneten Kurt Müller möglich machen, in Freiheit eine Erklärung von Behörden innerhalb des Gebietes der Bundesrepublik Deutschland oder der Westsektoren von Berlin darüber abzugeben, ob er freiwillig die Mandatsniederlegung erklärt hat und zu dieser freiwilligen Erklärung heute noch steht.
Zum zweiten: dieses Hohe Haus hat nach Art. 41 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes zu prüfen, ob die Niederlegung eines Mandates, überhaupt die Beendigung eines Mandates rechtsgültig eingetreten ist oder nicht. Deshalb wird zu Punkt 2 des Antrages die Beschlußfassung dieses Hauses dafür erbeten, daß es unter den gegebenen Umständen eine rechtswirksame Mandatsniederlegung seitens des Herrn Abgeordneten Müller nicht als vorliegend ansieht, so daß er also noch, wenn dieser Beschluß gefaßt wird, als Abgeordneter anzuerkennen wäre.
Der Punkt 3 des Antrages zieht daraus die Schlußfolgerung. Wenn dem Antrag zu 2 stattgegeben wird, wenn der Herr Abgeordnete Kurt Müller eben nach unserer Auffassung noch Abgeordneter ist, dann ist seine Immunität nicht nur verletzt, sondern es liegt eine strafbare Handlung, nämlich Hinderung eines Abgeordneten an der Ausübung seines Mandats vor.
({35})
Nach dem derzeit noch geltenden Besatzungsstatut sind die Herren Oberkommissare in auswärtigen Angelegenheiten die Vertreter der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie nicht ihrerseits in einzelnen Angelegenheiten diese Dinge der deutschen Bundesregierung selbst überlassen haben. Unter diesen Umständen geht der Antrag drittens dahin, die Oberkommissare zu bitten, ihrerseits alles zu tun, was erforderlich ist,
({36})
um die Immunität des Abgeordneten Müller zu sichern und seine Freilassung herbeizuführen.
Ich empfehle Ihnen die Annahme dieses Antrags.
({37})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Ehe ich die Aussprache eröffne, möchte ich bitten, daß wir zunächst die Redezeit für diesen Gegenstand der Tagesordnung festlegen. Ich glaube, im Einverständnis mit dem Ältestenrat zu handeln, wenn ich Ihnen gemäß § 88 der Geschäftsordnung eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorschlage. Darf ich das Einverständnis des Hauses dazu annehmen?
({0})
- Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
({1})
Ich öffne hiermit die Aussprache. Wer wünscht
das Wort? Herr Abgeordneter Renner! Bitte, drei Minuten!
({2})
Der Herr Berichterstatter, der Volljurist ist, hat diesen Bericht ausgenutzt, um gegen uns als Partei generelle Beschuldigungen von einer erschreckenden Lächerlichkeit vorzubringen.
({0}) Ich kann dazu nur sagen: Wer Untertan ist und wer eine Untertanenseele in sich trägt, der geht von der Annahme aus, daß auch seine gesamte Nachbarschaft Untertanenseele in sich trägt.
({1})
Hier werden auf der Basis von Vermutungen, von Phantastereien, von Hypothesen, die jeder Grundlage entbehren, dem Hause Vorschläge unterbreitet, die auf einen glatten Verfassungsbruch hinauslaufen,
({2})
All diesen Hypothesen, all dieser Räuberromantik, die hier zutage getreten ist,
({3})
halte ich die Erklärung meiner Fraktion entgegen:
Die Mandatsniederlegung des ehemaligen Abgeordneten Kurt Müller ist in der Plenarsitzung des Bundestages vom 11. Mai 1950 durch den Herrn Vizepräsidenten Dr. Carlo Schmid bekanntgegeben worden. Damit ist nach der Verfassung die Mandatsniederlegung rechtsgültig geworden. Der zuständige Landeswahlleiter von Nordrhein-Westfalen ist von dieser Tatsache ordnungsgemäß durch das Bundestagspräsidium in Kenntnis gesetzt worden. Dieser hat daraufhin, den Bestimmungen des Wahlgesetzes entsprechend, Herrn Heinrich Niebes, Düsseldorf, der als Nachfolger auf der Landesergänzungsliste in Betracht kam, um die Erklärung gebeten, ob er das auf ihn entfallende Mandat annehme. Herr Niebes hat sich zur Annahme des Mandats bereit erklärt.
({4})
- Gröhlen Sie nachher!
Hier wird nicht gegröhlt, Herr Abgeordneter; hier werden nur Zwischenrufe gemacht.
Wenn Sie mich nicht in Schutz nehmen gegen diese freche Behauptung des Berichterstatters, - ({0})
Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie zur Ordnung, weil Sie davon sprechen, daß der Berichterstatter freche Behauptungen aufgestellt habe.
Ich verlange von Ihnen denselben Schutz, den Sie anderen auch gewährt haben.
Den gebe ich Ihnen auch!
Dann hätten Sie mich vorher gegen den Versuch verteidigen müssen, mir in dieser Form das Wort abzuschneiden.
Alle Versuche, nachträglich den rechts- und verfassungsmäßigen Zustand in dieser Angelegenheit unter willkürlichen Vorwänden zu korrigieren, sind von dem Bestreben diktiert, der Kommunistischen Partei ein ihr zustehendes Mandat zu entziehen. Die von der Mehrheit des Hauses vorgebrachten Begründungen entbehren jeder sachlichen und rechtlichen Grundlage. Herr Heinrich Niebes ist mit der Erklärung der Annahme des Mandates Abgeordneter dieses Hauses. Jeder Versuch, ihn an der Ausübung seines Mandates zu hindern, ist ein glatter Verfassungsbruch.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ritzel. 8 Minuten!
({0})
Meine Damen und Herren!
Herr Abgeordneter Renner, Ihre Redezeit ist vorbei! Der Herr Abgeordnete Ritzel hat das Wort.
Ich glaube, das Hohe Haus hat gewiß nichts dagegen einzuwenden, wenn vom Osten her eine Art von Teildemontage der kommunistischen Fraktion vorgenommen wird.
({0})
Ich möchte unseren sonst sehr geschätzten Kollegen
Renner vor dem gleichen Schicksal bewahrt wissen.
({1})
Ich verstehe seine Aufregung. Er ist dazu verpflichtet, sich aufzuregen.
({2}) Das ist ein ungeschriebenes Gesetz in der kommunnistischen Fraktion. Sie muß im gegebenen Moment, wenn es gerade mit der Linie übereinstimmt, sich entsprechend künstlich engagieren. Aber für uns hier im Parlament hat diese Sache des Abgeordneten Kurt Müller eine sehr ernste Seite. Es ist nämlich auch der Versuch einer Demontage des Bundestages in diesen Vorgängen zu erblicken.
({3})
Und dagegen haben wir uns kraft unseres Auftrages und nach dem Grundgesetz mit allen verfügbaren und zulässigen Mitteln zur Wehr zu setzen.
({4})
Es ist nicht so, verehrter Herr Kollege Renner, als ob hier ein Verfassungsbruch vorläge,
({5})
wenn, soweit eine wirklich rechtsgültige Mandatsniederlegung des Herrn Abgeordneten Kurt Müller nicht feststeht, der Nachfolger von uns nicht akzeptiert wird. Der Verfassungsbruch ist. vielmehr eher gegeben, wenn der Verdacht, wie er in aller Öffentlichkeit erhoben worden ist, gerechtfertigt ist.
({6})
- Von wem, das können Sie genau so gut lesen wie ich auch.
({7})
- Ach nein, lesen Sie doch bitte, Herr Kollege Renner! Natürlich, in Ihrer Presse steht etwas anderes; das ist ganz klar. Wenn und insoweit die öffentliche Meinung, auf die der Herr Abgeordnete Renner doch sonst so gern und so stark abhebt, den Verdacht äußert, daß hier etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sei, dann haben wir die Verpflichtung, zu verhindern, daß dieser Verdacht ignoriert wird. Das hat auch der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität mit seinem Ihnen von dem Herrn Berichterstatter - dem ich hier für seine offenen Darlegungen danken möchte ({8}) unterbreiteten Antrag getan.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch entgegen den Bemerkungen des Herrn Kollegen Renner, die er im Ausschuß gemacht hat, feststellen, daß das Verhalten des Herrn Bundestagspräsidenten in dem Fall des Abgeordneten Kurt Müller absolut seinen Pflichten entsprochen hat und absolut korrekt gewesen ist.
({9})
Nun, glaube ich, wäre es aber nützlich, wenn der Herr Abgeordnete Renner - er hat ja eine ihm zur Verfügung stehende Presse und auch sonstige Möglichkeiten - dem Bundestag einige Fragen beantworten wollte. Ich hoffe, daß er damit nicht zu sehr belastet wird.
({10})
In dem Gutachten des Schriftsachverständigen der Bonner Universität steht eine negative Feststellung, die positiv zu werten ist. Es steht nämlich darin, daß die Schreibmaschine, die für diese Erklärung verwendet worden ist, nicht mit den Maschinentypen von Briefen der kommunistischen Fraktion im Hause übereinstimmt. Aber die Erklärung ist in ihrer Adressierung „im Hause" datiert. Herr Kollege Renner, es wird Ihnen zweifellos gar keine Mühe machen, eine Vergleichsschrift beizubringen, die uns erlaubt, festzustellen, wo das „im Hause" ist. Es wird Ihnen auch nicht schwerfallen, nachzuweisen, w a n n diese Erklärung des Herrn Abgeordneten Kurt Müller in Tat und Wahrheit zustande gekommen ist. Es wird Ihnen vielleicht sogar möglich sein, dem Hohen Hause, das sich mächtig dafür interessiert, den Weg und das Datum der Reise des Herrn Abgeordneten Kurt Müller in den Ostsektor von Berlin nachzuweisen. Es wird Ihnen vielleicht auch möglich sein, auf Grund Ihres Einflusses dafür zu sorgen, daß das, was in dem Ausschußantrag, der dem Hohen Hause hier heute vorliegt, gesagt ist, zur selbstverständlichen Handlung wird, daß man dem Herrn Kollegen Müller noch einige Bewegungsfreiheit erlaubt, um ihm mindestens im Westsektor von Berlin eine Aussage zu ermöglichen, unter welchen Umständen diese Unterschrift überhaupt zustande gekommen ist. Wir
({11})
haben von dem Herrn Berichterstatter gehört, daß der Verdacht der Blankounterschrift vorliegt. Das soll bei der kommunistischen Fraktion auch in anderen Fragen schon zur lieben Gewohnheit geworden sein.
({12})
Das geht uns hier nichts an. Jedenfalls können aber Blankounterschriften unter Mandatsverzichten, die Monate vorher als Unterschrift zustande gekommen sind, einen rechtsgültigen Mandatsverzicht unter gar keinen Umständen begründen.
({13})
Wir haben nun von den Unfreiheiten im Bereich des Lebens der kommunistischen Fraktion gehört, von dem Postempfang durch einen Bevollmächtigten.
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Hoffentlich sind keine Liebesbriefe für Abgeordnete dabei.
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Wir haben von dem geschlossenen Diätenempfang auf Grund von Vollmachten für Abgeordnete gehört. Ich möchte dem Herrn Präsidenten empfehlen, dafür zu sorgen, daß die Diäten des noch im Amt befindlichen Herrn Abgeordneten Kurt Müller künftig bis auf weiteres gesperrt werde damit der
Mann, wenn er zurückkommt, wenigstens seine Familie ernähren kann, sofern er noch einmal das Licht der Freiheit erblicken sollte, und damit nicht die kommunistische Fraktion die ihr nicht zustehenden Diäten erhebt. Denn der Nachfolger kann ja noch nicht in das Haus eintreten.
Nun aber eine Bemerkung zu dem, was der Herr Kollege Renner hier in seiner kurzen Rede erklärt hat. Er sprach von dem Untertan und dem Untertanengeist, den er in dem Bericht des Herrn Berichterstatters erblickt. Ach, verehrter Herr Renner, ich glaube, da spielen Sie auf ein Gebiet an, bei dem wir hier mit Ihnen nicht in Idealkonkurrenz treten können und treten wollen. Die Fähigkeit, sich als Untertan zu gebärden und linienfromm und linientreu, heute Heu und morgen Stroh und „Rechtsum", „Linksum", „Kehrt marsch" zu machen, fehlt dem wirklichen Demokraten.
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Herr Kollege Fisch weiß ja genau, wie man das macht.
({17})
Ich glaube, wir haben im Bundestag eine zwingende Verpflichtung und ein Recht darauf, dafür zu sorgen, daß sowohl die Arbeitsfähigkeit des Hohen Hauses als auch die Rechte und Pflichten der Abgeordneten gesichert werden.
Wenn wir angesichts der Tatsache, daß wir trotz des fortgesetzten europäischen Gesprächs noch keine Souveränität auch nur auf diesem bescheidenen Gebiet haben, an die Hohe Kommission herantreten müssen, so deshalb, weil wir uns die Unterstützung der Hohen Kommission sichern müssen, um zu erreichen, daß dem Herrn Abgeordneten Kurt Müller eine Erklärung auf freiem Boden und nicht gerade in Pieckistan ermöglicht wird. Ich hege Zweifel darüber, ob der gute Wille - der zweifellos bei dem Herrn Kollegen Renner vorausgesetzt werden darf - ausreichen wird, um das Ergebnis zu erzielen. Aber immerhin ist der Versuch die Mühe wert.
({18})
- Nein, nein, Sie haben gestern angedeutet, verehrter Herr Kollege Renner, das sei ein Agent und er habe sich strafbare Handlungen zuschulden kommen lassen. Frage: Wann und wo, auf welche Weise und in welcher Art hat der Herr Kurt Müller sich strafbare Handlungen - die in der Ostzone strafbar sind - zuschulden kommen lassen? Wenn es wirklich so wäre, wenn er, wie Sie in der Presse sagen, ein englischer Agent wäre, was geht denn das in bezug auf einen westdeutschen Abgeordneten die Regierung der Ostzone oder gar Moskau an?
({19})
Es ist merkwürdig, daß Sie in dem Moment der - was weiß ich - freiwilligen Reise oder Entfernung oder Entführung und der Verhaftung des Herrn Abgeordneten Kurt Müller plötzlich entdecken, daß er ein Mann ist, der strafbare Handlungen begangen hat. Bis dahin war er Ihnen als Kollege und Genosse lieb und wert; er hat Ihnen namhafte Dienste erwiesen, die Sie besser kennen als wir.
Wir haben jedenfalls ein Recht darauf, so zu verfahren, wie der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität Ihnen vorschlägt. Ich unterstütze deshalb den Antrag des Ausschusses namens der sozialdemokratischen Fraktion entschieden.
({20})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.
Meine verehrten Damen und Herren! Es ist die Tatsache zu konstatieren, daß der Herr Abgeordnete Renner mit keinem Wort den Versuch gemacht hat, etwas zur Aufklärung des ominösen Verschwindens des Abgeordneten Müller beizutragen. Gerade von dieser Seite hätte die Aufklärung über die dunklen Vorgänge, die zur Verhaftung des Abgeordneten Müller im Ostsektor von Berlin führten, kommen können. Gerade diese Seite ist uns aber die Auskunft schuldig geblieben. Die Erklärung, die Herr Renner hier abgegeben hat, war lediglich darauf angelegt, den Vorgang in Schweigen und Dunkel zu halten. Deshalb ist der Antrag des Ausschusses ohne weiteres gerechtfertigt.
Ich habe aber insbesondere das Wort ergriffen, um die Anregung zu geben, daß sich die örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften nun mit mehr Intensität um die Aufklärung der Vorgänge bekümmern, die mit dem Verschwinden und der angeblichen Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller zusammenhängen. Ich darf daran erinnern, daß es einen § 106 des Strafgesetzbuches gibt, der lautet:
Wer ein Mitglied einer der vorbezeichneten Versammlungen
- das sind die Versammlungen, die in § 105 genannt worden sind, der Senat oder die Bürgerschaft einer der freien Hansestädte, eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundestaats durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer
strafbaren Handlung verhindert, sich an den
Ort der Versammlung zu begeben oder zu
stimmen, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren
oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft.
Weiter sind in Betracht zu ziehen nicht nur der Tatbestand des § 239 des Strafgesetzbuches, der ein({0})
fachen und qualifizierten Freiheitsberaubung, sondern darüber hinaus der Tatbestand des § 234 des Strafgesetzbuches, der lautet:
Wer sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt, um ihn in hilfloser Lage auszusetzen oder in Sklaverei, Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegs- oder Schiffsdienste zu bringen, wird wegen Menschenraubes mit Zuchthaus bestraft.
({1})
Es handelt sich hier um einen eklatanten Fall der Verbringung in Sklaverei. Weiter ist interessant der Tatbestand des § 139 des Strafgesetzbuches, in dem es heißt:
Wer von dem Vorhaben eines Verbrechens wider das Leben, eines Münzverbrechens, eines Raubes, Menschenraubes oder gemeingefährlichen Verbrechens glaubhafte Kenntnis erhält und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten hiervon zur rechten Zeit Anzeige zu machen, wird mit Gefängnis bestraft.
Diese Tatbestände sind im Zusammenhang mit dem plötzlichen Verschwinden des Abgeordneten Müller außerordentlich interessant, und es ist wohl richtig, von der Tribüne dieses Hauses her die Staatsanwaltschaften an die Pflicht zu erinnern, alles zu tun, um den dunklen Tatbestand aufzuklären.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Ihre Redezeit von drei Minuten ist bereits erschöpft, Herr Abgeordneter Fisch. Die Redezeit ist für jede Fraktion verteilt worden. Infolgedessen schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag auf Seite 2 der Drucksache Nr. 993 des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen so beschlossen. Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen damit zu dem auf der gedruckten Tagesordnung unter 1 genannten Punkt:
Erste Beratung des von der Fraktion der KPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit an alle auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens ausgesiedelten Personen deutscher Volkszugehörigkeit ({1}).
Für die Einbringung des Antrages ist eine Redezeit von zehn Minuten vorgesehen.
Zunächst hat der Bundesminister für Angelegenheiten der Vertriebenen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Vertretung des zuständigen Herrn Bundesinnenministers gebe ich für die Bundesregierung folgende Erklärung ab.
Durch Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes sind die Flüchtlinge oder Vertriebenen deutscher Volkszugehörigkeit, die in den Gebieten des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden haben, deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt.
Damit ist praktisch den Interessen der vertriebenen Volksdeutschen Rechnung getragen. Eine generelle gesetzliche Regelung der Staatsangehörigkeitsverhältnisse der vertriebenen Volksdeutschen ist nur im Zusammenhang mit dem Friedensvertrag möglich. Die Bundesregierung lehnt es daher ab, die auf Grund des Potsdamer Abkommens vorgenommene Ausweisung und Vertreibung der Volksdeutschen aus ihrer angestammten Heimat als rechtmäßig anzusehen.
({0})
Die Bundesregierung legt Verwahrung gegen die in dem Gesetzentwurf der Kommunistischen Partei Deutschlands enthaltene Begründung ein, welche die Oder-Neiße-Linie als festgelegte deutsche Ostgrenze anerkennt.
({1})
Sie stellt demgegenüber fest, daß nach Artikel IX des Potsdamer Abkommens die endgültige Festlegung der Westgrenze Polens bis zur Friedenskonferenz zurückgestellt worden ist.
({2})
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Müller ({0}). 10 Minuten bitte!
({1})
Müller ({2}) ({3}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion hat nichts anderes erwartet als das, was in der eben durch den Herrn Minister Dr. Lukaschek abgegebenen Regierungserklärung zum Ausdruck kam, daß nämlich die in unserm Gesetzentwurf verlangte formelle Zuerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit für die Umsiedler - also nicht nur die im Grundgesetz niedergelegte Gleichstellung - für die Regierung und für die im wesentlichen hinter ihr stehenden Parteien Veranlassung ist, politische Geschäfte mit der Verweigerung der Anerkennung der deutschen Staatsangehörigkeit zu machen. Der Herr Bundesminister Dr. Lukaschek und wahrscheinlich auch mehrere Mitglieder dieses Hauses werden sich einer historischen Tatsache nur unangenehm erinnern, der nämlich, daß der frühere britische Ministerpräsident Churchill am 27. Oktober 1944 im englischen Unterhaus eine Rede gehalten hat, in der er sagte:
Es steht den Polen frei, ihr Gebiet auf Kosten Deutschlands nach Westen auszudehnen. Dabei müßte die Ausweisung der Deutschen - denn das ist es, was vorgeschlagen wurde: die Ausweisung sämtlicher Deutschen - aus den an Polen fallenden Gebieten im Westen und Norden vorgenommen werden.
({4})
Denn eine Ausweisung ist - soweit wir sehen konnten - die Methode, die am zufriedenstellendsten und ausdauerndsten sein wird. Es wird reiner Tisch gemacht werden.
So erklärte Herr Churchill wörtlich in dieser Rede, und er sagte weiter:
Ich fühle mich nicht alarmiert durch die Aussicht auf eine Loslösung von Bevölkerungen, auch nicht einmal durch diese großen Transferierungen, die unter modernen Verhältnissen eher möglich sind, als sie es jemals waren.
({5})
Diese Auffassung von Herrn Churchill, die seine Grundlage für die Vorschläge auf der Konferenz von Potsdam gewesen ist, fand ihren Niederschlag in Abschnitt XIII des Potsdamer Abkommens, in dem es wörtlich heißt:
Die Konferenz erzielte folgendes Abkommen über die Ausweisung Deutscher aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn: Die drei Regierungen haben die Frage unter allen Gesichtspunkten beraten und erkennen an, daß die Überführung der deutschen Bevölkerung oder Bestandteile derselben, die in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn zurückgeblieben sind, nach Deutschland durchgeführt werden muß.
Mit diesem Tatbestand, der auf Grund des Potsdamer Abkommens eine Rechtsgrundlage,
({6})
eine verbindliche Rechtsgrundlage geschaffen hat,
({7})
ergab sich und mußte sich für uns zwangsläufig
ergeben, daß die Umsiedler nicht nur als Gleichberechtigte, sondern auch formell als deutsche
Staatsbürger anerkannt werden. Mit dieser Forderung, die bis heute nicht nur nicht verwirklicht worden ist, sondern deren Erfüllung nach der Regierungserklärung den umgesiedelten Volksdeutschen weiterhin vorenthalten werden soll, wird eine Diffamierung der Umsiedler herbeigeführt, und zwar nicht nur eine Diffamierung hinsichtlich ihrer staatsbürgerlichen Gleichberechtigung, sondern diese Diffamierung hat noch zur Folge, daß die aus diesen Ländern umgesiedelten Volksdeutschen in allen ihren Relationen des Lebens, des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens als Menschen zweiter Klasse behandelt werden.
({8})
Meine Damen und Herren! Ich erinnere an die Tatsache, daß sich die Auswirkungen dieser Diffamierung, des Vorenthaltens der Staatsbürgerschaft, mit einer ganzen Reihe von Beispielen belegen lassen. Während z. B. der Anteil der Umsiedler an der Gesamtbevölkerung in Westdeutschland 15,9 % beträgt,
({9})
beträgt der Anteil der Umsiedler an den Arbeitslosen mindestens 36 %. In Westfalen sind 33,4 % aller Umsiedler Unterstützungsempfänger. 86 % der erwerbstätigen Umsiedler sind als Hilfs- oder Landarbeiter oder berufsfremd eingesetzt. Die Grundvoraussetzung der Anerkennung der deutschen Staatszugehörigkeit für die Umsiedler muß sich naturgemäß infolge dieser Diffamierung auf das gesamte wirtschaftliche und soziale Leben der Umsiedler selber auswirken.
Lassen Sie mich noch eine andere Tatsache erwähnen! In Bayern sind von 1550 Lehrstühlen an Hochschulen und Universitäten nur 15 von Umsiedlern besetzt.
({10})
Von 100 Studenten in Bayern sind im Durchschnitt nur drei Umsiedler.
({11})
Wenn wir die Verteilung des Wohnraums auch noch für einen Vergleich heranziehen, sehen wir ebenfalls die Auswirkung der Diffamierung und Degradierung der Umsiedler zu Deutschen zweiter Klasse. Es genügt nur, darauf hinzuweisen, daß auf einen Wohnraum von 12 qm 1,9 Einheimische, da gegen 3,4 Umsiedler entfallen.
Ich hatte letzthin auch Gelegenheit, auf die unglaublich schlechte Lage der Umsiedlerbauern einzugehen. Rund 500 000 Umsiedlerbauern warten auf Grund und Boden. Durch diese Diffamierung und Degradierung zu Menschen zweiter Klasse sind sie bis heute kaum in der Lage, irgendwie Grund und Boden unter die Füße zu bekommen.
Die Mitglieder des Ausschusses wissen ja auch - und hier im Plenum ist ebenfalls wiederholt darüber gesprochen worden -, welcher Kampf urn die Anerkennung der Beamtenrechte, um die Durchsetzung des Anspruches auf Pensionen und Renten geführt werden muß und geführt wird. Das Entscheidende dabei ist immer, daß den Umsiedlern nicht nur die Gleichberechtigung in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung nach dem Grundgesetz formal zugesprochen wird, sondern daß sie auch de jure als deutsche Staatsangehörige anerkannt werden.
Zum Beweis der Richtigkeit dessen, was ich anführe, Herr Minister Lukaschek, möchte ich auf einen Erlaß der Landesregierung Schleswig-Holstein, Ministerium des Innern, vom 18. August 1949 hinweisen: Darin heißt es:
Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist
festzustellen, daß die hier näher bezeichneten
deutschen Volkszugehörigen - Flüchtlinge
oder Vertriebene - nicht deutsche Staatsangehörige geworden sind, vielmehr diesen lediglich insoweit in ihren Rechten und Pflichten
gleichgestellt werden, als das Grundgesetz den
Deutschen solche Rechte und Pflichten verleiht.
Der Experte für staatsrechtliche Fragen beim bayerischen Innenministerium, Dr. Kanein, hat in einem Gutachten, das sich die bayerische Staatsregierung zu eigen gemacht hat, erklärt, daß die Umsiedler nicht deutsche Staatsbürger seien; sie seien nur den deutschen Staatsbürgern gleichgestellt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß angesichts dieser Tatsachen die Erklärung der Regierung, die Herr Minister Dr. Lukaschek abgegeben hat, ein Faustschlag in das Gesicht der Umsiedler ist, die immer und immer wieder gefordert haben, nicht nur eine formale Gleichberechtigung in wirtschaftlicher und sozialer Beziehung zu erhalten, sondern den Einheimischen effektiv als deutsche Staatsangehörige gleichgestellt zu werden.
Wir wissen, was hinter der Sache steckt. Es ist uns klar: Sie wollen damit ein politisches Geschäft machen. Sie brauchen die Umsiedler im Zuge der großen propagandistischen Vorbereitung, die seitens der Westmächte unter Mithilfe der westdeutschen Separatregierung in dem Kampf gegen den Osten, gegen die Sowjetunion, durchgeführt werden soll. Meine Damen und Herren, ich glaube, die Umsiedler werden es sich sehr wohl überlegen, ob sie sich dazu hergeben.
Ich darf hier noch auf folgendes hinweisen. Ich habe das schon einmal getan. Eine Delegation von Umsiedlern, die verschiedenen Parteirichtungen angehörten, ist vor kurzem in der Deutschen Demokratischen Republik gewesen und hat als Ergebnis ihrer eigenen Feststellungen in einem Bericht schriftlich niedergelegt, daß dort das Umsiedlerproblem nicht mehr vorhanden ist, daß dort die Umsiedler, ob es sich um die Umsiedlerbauern oder um die Umsiedlerjugend handelt, völlig gleichberechtigt mit den Einheimischen leben und an einem Aufbau teilnehmen; und während sie hier
({12})
immer tiefer ins Elend hinabstürzen, haben sie dort drüben eine neue Existenz gegründet und bauen an einer neuen, ihnen selbst zukommenden demokratischen Ordnung mit. Ich möchte nur wiederholen, was ich letzthin gesagt habe: es ist der Weg der Deutschen Demokratischen Republik, auf dem allein das Umsiedlerproblem gelöst werden kann.
({13})
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Eichler das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist klar, daß die Verteilung der deutschen Umsiedler auf die verschiedenen Berufe und ihre faktische Gleichberechtigung beim Aufbau und in der Erhaltung ihres Lebens in der Bundesrepublik eine Angelegenheit aller Deutschen ist. Wir glauben aber nicht, daß dies der eigentliche Gegenstand des Antrags ist. Praktisch scheint uns hier der Fall vorzuliegen, daß unter dem Vorwand einer scheinbaren Wohltätigkeit für die Ostvertriebenen eine Begriffsbestimmung in die deutsche Gesetzgebung eingeschmuggelt werden soll, die wir alle, glaube ich, ohne Unterschied der Fraktion ablehnen sollten.
Der Herr Vorredner hat hier zu begründen versucht, daß auch Männer wie Churchill für das Potsdamer Abkommen und vor allem für die in diesem Abkommen vereinbarten Verschiebungen von Millionenmassen und für die Verursachung einer der größten Unrechtstaten verantwortlich sind, die an der Menschheit seit dem Naziunrecht überhaupt verübt worden sind. Wir stellen demgegenüber fest: erstens: Die Deportierten können heute gar nicht durch einen Machtspruch des Deutschen Bundestags zu deutschen Staatsangehörigen gestempelt werden. Ein großer Teil von ihnen ist vielleicht gar nicht bereit, die deutsche Staatsangehörigkeit anzunehmen. Zweitens: Soweit es sich um Rechte und Pflichten in Deutschland selber handelt, sind die Flüchtlinge, wie der Herr Bundesminister Dr. Lukaschek bereits erwähnt hat, den Deutschen gleichgestellt, auch wenn sie nicht formatrechtlich deutsche Staatsangehörige sind. Der Art. 116 des Grundgesetzes gibt darüber eindeutig und klar Auskunft.
Was wir aber noch weniger nötig haben und wozu wir auch kein Recht haben, das ist, das Potsdamer Abkommen zu einem Gegenstand deutscher staatsrechtlicher Betrachtungen zu machen und diese in einem deutschen Gesetz niederzulegen.
({0})
Das deutsche Volk ist an dem Potsdamer Abkommen nicht beteiligt,
({1})
und ob man sich daran hält oder nicht, ist Gegenstand der daran Beteiligten. Und wir haben als Fraktion einer deutschen Partei keinerlei Interesse, jemandem dabei zu helfen, die ihm aus diesem Abkommen erwachsenen Verbindlichkeiten für ihn zu übernehmen. Die deutsche Sozialdemokratische Partei lehnt die in diesem Abkommen angeblich festgelegten Grenzziehungen ab.
({2})
Dazu kommt, daß in diesem Abkommen nicht einmal Grenzziehungen festgelegt sind.
Wir schlagen deshalb vor, da dieser Antrag den Ostvertriebenen nicht hilft, da er einmal eine Forderung stellt, die sie selber vielleicht nicht wollen und die zu erfüllen wir gar kein Recht haben, da er zweitens zwar eine sachlich begründete Forderung enthält, die aber bereits durch das Grundgesetz erfüllt ist, und da drittens die Einschmugglung des Potsdamer Abkommens in ein deutsches Gesetz unerwünscht ist, über den Gegenstand zur Tagesordnung überzugehen.
({3})
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Eichler gehört, dahingehend, über Drucksache Nr. 889 zur Tagesordnung überzugehen. Gemäß § 76 der Geschäftsordnung frage ich: Wird das Wort zu diesem geschäftsordnungsmäßigen Antrag gewünscht? - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schreite ich zur Abstimmung. Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten Eichler ist: Übergang zur Tagesordnung bezüglich Drucksache Nr. 889, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen eine kleine Minderheit so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zu Punkt 2 der gedruckten Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines zweiten Gesetzes für den Wohnungsbau: Das „Deutsche Wohnungswerk" ({0}).
Der Ältestenrat schlägt gemäß § 88 der Geschäftsordnung folgende Zeitregelung vor: 20 Minuten für den Herrn Berichterstatter, 60 Minuten für die Aussprache. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Zeiteinteilungsregelung feststellen? - Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? - Dann stelle ich diesen Punkt zurück und gehe zum nächsten Punkt über.
({1})
- Oder begnügen sich die Herren Antragsteller mit der ersten Beratung ohne Begründung?
({2})
-- Dann muß ich doch vorschlagen, ihn dem Ausschuß zu überweisen.
({3})
Wird das Wort dazu gewünscht? - Dann darf ich das Einverständnis des Hauses feststellen, daß Punkt 2 der Tagesordnung - - -({4})
- Verzeihung, der weitergehende Antrag ist derjenige, die Sache dem Ausschuß zu überweisen. Darüber muß ich zunächst abstimmen lassen, weil von den Herren Antragstellern das Wort nicht gewünscht bzw. nicht genommen worden ist.
({5})
- Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
({6})
- Also schön, stellen wir zurück!
Wir gehen über zu Punkt 3:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mieterschutzgesetzes ({7}).
({8})
10 Minuten Einbringung, 40 Minuten Redezeit.
({9})
- Gut, stellen wir auch zurück.
Punkt 4:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit für Dienstvergehen ({10}).
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? - Ehe ich das Wort erteile, stelle ich folgendes fest: Redezeit für den Antragsteller 10 Minuten, insgesamt für die übrigen Fraktionen 60 Minuten. - Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest und erteile Herrn Abgeordneten Zinn das Wort zu Punkt 4 der Tagesordnung.
Zinn ({11}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die gleichen oder doch ähnlichen Erwägungen, die Ende vergangenen Jahres zur Verabschiedung des Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit auf dem Gebiete der Strafrechtspflege geführt haben, haben uns veranlaßt, dem Hohen Hause jetzt auch einen Gesetzentwurf über die Gewährung von Straffreiheit auf dem Gebiete des Dienststrafrechts vorzulegen. Wir sind uns auch hierbei bewußt, daß jede Amnestie, insbesondere aber eine Amnestie auf dem Gebiete des Dienststrafrechts, einen ungewöhnlichen und schweren Eingriff in die Rechtspflege darstellt, der, wenn er sich gar zu häufig wiederholt oder nicht aus einem rechtspolitisch vertretbaren Anlaß erfolgt, zu einer Erschütterung der Rechtssicherheit und zur Untergrabung des Rechtsbewußtseins führen kann. Dennoch glauben wir, daß die Schaffung einer neuen staatlichen Ordnung, wie sie durch den Erlaß des Grundgesetzes und die Errichtung der Bundesrepublik Deutschland gekennzeichnet wird, ein genügender und hinreichender Anlaß ist, um auch auf dem Gebiete des Dienststrafrechts mit den Dienstvergehen, die während der Übergangszeit der vergangenen Jahre begangen worden sind, aufzuräumen.
Nach dem Gesetzentwurf sollen alle diejenigen Dienstvergehen Straffreiheit genießen, die irgendwie mit dem Neuaufbau unserer staatlichen Ordnung, einer neuen Verwaltungsordnung in innerem Zusammenhang stehen und auf die außergewöhnlichen Verhältnisse jener Zeit nach 1945 zurückzuführen sind, schließlich auch jene, die als Bagatellsachen anzusehen sind, bei denen also die Schuld des Täters gering und die Folgen der Tat unbedeutend sind. Gar mancher Beamte ist in jenen Übergangszeiten, in einer Zeit des Chaos, auch des rechtlichen Chaos, oft zu Maßnahmen gezwungen gewesen, die mit den an sich gültigen Rechtsnormen nicht vereinbar waren, für die man aber unter der Sicht jener Zeit ein gewisses Verständnis haben kann und die unter Berücksichtigung der damaligen Verhältnisse verzeihlich erscheinen. Sehr oft auch hat die Engstirnigkeit von Vorgesetzten nach 1945, die bis dahin nicht im öffentlichen Dienst tätig waren, nachträglich zur Ahndung von Dienstvergehen geführt, obwohl bei einer vernünftigen Abwägung der Umstände von einer Ahndung hätte abgesehen werden können. Sehr oft hat sich gezeigt, daß es unbillig ist, wenn rückschauend ein Recht und Maßstäbe, die in normalen Zeiten angebracht sind, auf Verhältnisse jener Übergangszeit Anwendung finden.
Gewiß, für den öffentlichen Dienst muß in besonderem Maße das Gesetz der Sauberkeit und der Integrität gelten. Der Gesetzentwurf will deshalb auch in keiner Weise jene Fälle irgendwie privilegieren, die als Fälle echter Korruption anzusehen sind, wie sie zu allen Zeiten vorkommen und wie sie natürlich vermehrt in Zeiten einer Verwirrung wie nach 1945, nach einem Zusammenbruch ungewöhnlicher Art, unvermeidbar waren. Deshalb sollen nach diesem Gesetzentwurf von der Vergünstigung der Straffreiheit alle schweren Dienstvergehen ausgeschlossen sein, insbesondere solche, die aus Eigensucht oder Gewinnsucht oder in Ausbeutung eines Notstandes begangen worden sind. Davon abgesehen aber erscheint es notwendig, eine Generalbereinigung vorzunehmen, einen Strich unter die Vergangenheit zu machen.
Die Einzelheiten dieses Gesetzes brauchen wir bei der ersten Lesung nicht weiter zu behandeln, insbesondere nicht die Frage, wer zu seiner Durchführung im einzelnen befugt und in der Lage ist. Wir glauben mit der Vorlage dieses Gesetzentwurfes im übrigen nicht nur einer sachlichen Notwendigkeit zu entsprechen, sondern auch einem Wunsche nachzukommen, dem bereits bei den Beratungen des Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit auf dem Gebiete der Strafrechtspflege im Dezember vergangenen Jahres nicht nur von meinen Freunden Ausdruck gegeben worden ist, sondern von Sprechern der verschiedensten politischen Gruppen dieses Hauses, von Sprechern des Zentrums, der Deutschen Partei usw.
Die Notwendigkeit für den Erlaß dieses Gesetzes will ich nur an einem einzigen Beispiel, das sich durch zahllose andere Beispiele vermehren ließe, dartun. Ein Oberinspektor der Reichsbahn, der jetzigen Bundesbahn, der nach 1945 einem mittleren Bahnhof vorstand, welcher zum Teil beschädigt war, hat aus einem dort abgestellten Waggon, um seinen Bahnhof wieder aufzubauen, Kalk entnommen. Der Frachtzettel war verschwunden, der Laufzettel war nicht mehr am Wagen angebracht, der Eigentümer war unbekannt. In ähnlicher Weise hat er sich zum Wiederaufbau dieses Bahnhofs Bandeisen verschafft, nicht im eigenen Interesse, sondern im Interesse der Bahn. Später wurden die Eigentümer ermittelt. Der eine hat großzügig auf Ersatz des Schadens verzichtet, der andere nicht. Es kam zu einem Dienststrafverfahren, und - für mich unverständlich - der Beamte wurde verurteilt, und es wurden ihm 20 % seines Gehalts auf eine bestimmte Frist aberkannt. Das Urteil ist bis jetzt noch nicht rechtskräftig. Aber dieser Fall beweist, daß auch auf dienststrafrechtlichem Gebiet oftmals bei Dienstvorgesetzten eine Engstirnigkeit geherrscht hat, die jedes Verständnis für die ungewöhnlichen Verhältnisse jener Zeit nach 1945 vermissen ließ. Dem sollten wir durch gesetzgeberische Maßnahmen begegnen. Das ist Sinn und Zweck dieser Gesetzesvorlage.
Wir sollten aber aus Anlaß der Behandlung dieses Gesetzes auch nicht versäumen, zum Ausdruck zu bringen, und zwar in aller Öffentlichkeit und mit Nachdruck, daß die so viel gelästerte deutsche Bürokratie, die so oft kritisiert und sehr oft mit Recht kritisiert worden ist, daß die deutsche Beamtenschaft, ja der gesamte öffentliche Dienst, gleichgültig, ob Beamter, Angestellter oder
({12})
Arbeiter, sich in jenen Jahren des Übergangs unter äußerst schwierigen Verhältnissen um den Aufbau einer neuen Verwaltung Verdienste erworben hat, die der Öffentlichkeit vielfach nicht bewußt geworden sind, die wir aber nicht vergessen sollten.
({13})
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schneider. 5 Minuten!
Meine Damen und Herren! Zum ersten Mal tauchte das Problem einer Amnestie auch für Disziplinarverfahren auf, als wir im Dezember vorigen Jahres das Gesetz über Straffreiheit berieten. Der Vertreter der SPD, Herr Kollege Arndt, warf den Gedanken erstmalig in die Diskussion und kündigte an, daß er dazu ganz bestimmt formulierte Anträge stellen werde. Sofort aber erhob sich im Rechtsausschuß entschiedener Widerstand gegen diese Idee. Fast alle dort vertretenen Fraktionen mit Ausnahme der Sozialdemokratie und, ich glaube, des Zentrums, gaben damals ihrer Ansicht dahin Ausdruck, daß eine Disziplinaramnestie für Beamte und Angestellte, die beamtenrechtlich im gleichen Verhältnis stehen, überhaupt nicht in Frage kommen könne. Diese Einstellung im Rechtsausschuß war damals für Herrn Kollegen Arndt vielleicht auch der Grund, von dem ursprünglich beabsichtigten Einbringen neuer Anträge Abstand zu nehmen. Aber man hat von dem Gedanken nicht abgelassen, man hat nunmehr einen eigenen Gesetzentwurf gebracht, den Sie in Drucksache Nr. 905 vor sich haben. Meine Fraktion ist nicht in der Lage darüber möchte ich hier gar keinen Zweifel lassen -, diesem Gesetz irgendwie ihre Zustimmung zu geben..
Wir stehen - das ist ja bekannt - zu dem Prinzip des Berufsbeamtentums und haben das verschiedentlich hier entschieden zum Ausdruck gebracht. Wir sind der Meinung, daß man gerade dieses Prinzip aufrechterhalten und fordern soll, daß der Beamte ganz bestimmte Vorstellungen über seine spezielle Treuepflicht von Hause aus anerzogen bekommt, die er dem Staate gegenüber hat, daß man ganz bestimmte Qualifikationen von ihm fordert und auch verlangt, daß er sich in Ausübung seines Dienstes unter allen Umständen entsprechend verhält.
Daraus folgt für uns, daß wir diesen Dingen nicht zustimmen können, wo es sich darum dreht, auch noch disziplinär zusätzlich zu einer strafrechtlich gegebenen Amnestie - denn die Beamten sind davon nicht ausgenommen; soweit sie strafbare Tatbestände erfüllt haben, die unter das Straffreiheitsgesetz zu subsumieren sind, waren ihre Verfahren sowieso einzustellen oder nicht weiter zu verfolgen, je nachdem, in welchem Stand des Verfahrens sich das abgespielt hat - jetzt noch über die disziplinären Grundlagen hinaus Gnade zu erweisen mit dem letzten Erfolg, daß sie im Dienste bleiben können, obwohl `sie bewiesen haben, daß sie sich -unter gar keinen Umständen dazu eignen, derartige Posten auszufüllen, auf die man sie gestellt hat. Das ist meine Meinung, das ist die Meinung meiner politischen Freunde und des Teils unseres Volkes, der durch die Wahl gezeigt hat, daß er hinter uns steht.
({0})
Wir lehnen deshalb diesen Antrag ab.
Ich will nicht verkennen, daß der größte Teil der Beamtenschaft und auch derjenigen, die nach 1945 hineingekommen sind, sich um den Neuaufbau unseres Staatswesens die größte Mühe gegeben hat und daß man sich im allgemeinen nur dem Lob, das Herr Abgeordneter Zinn ausgesprochen hat, anschließen kann. Aber gerade deshalb wollen wir die Ausnahmeerscheinungen ausgemerzt wissen. Wir wollen nicht, daß diejenigen, die sich als unzuverlässig erwiesen haben, nunmehr in der Zukunft durch diese Amnestie im Dienst bleiben können. Es handelt sich nur um die Fälle, die wirklich schwerwiegender Natur sind.
({1})
Das Beispiel des Inspektors der Bundesbahn hat mich insofern nicht überzeugt, als das Disziplinargericht bei dem Vorliegen eines derartigen Tatbestandes es ohne weiteres in der Hand hat, größte Milde walten zu lassen.
({2})
- Das ist eine andere Frage. Kollege Zinn hat gesagt, daß es noch nicht rechtskräftig ist. Ich würde in einem solchen Falle größte Milde walten lassen. Wenn der Mann nicht aus Eigennutz, sondern im Interesse der Gesamtheit gehandelt hat, dann kann man ihn mit einem Verweis behandeln - das macht ihm gar nichts aus -, wenn der Verweis begründet ist.
Ich bin der Meinung, diejenigen, die sich unzuverlässig gezeigt haben, kann man nicht weiter auf den Posten lassen, auf denen sie sitzen, man muß sie einfach entfernen und muß die letzten Konsequenzen ziehen. Handelt es sich um Bagatellsachen, dann brauchen diese Konsequenzen nicht gezogen zu werden. Es gibt nicht nur die Entfernung aus dem Dienst - das ist das letzte Disziplinarmittel, das die Disziplinarkammer anwenden kann -, es gibt eine ganze Reihe milderer Ahndungsverfahren wie Verweis und anderes. Aber diejenigen, die einen Tatbestand erfüllt haben, daß ein Verfahren strafrechtlicher Art notwendig ist, müssen auch in Zukunft entfernt werden.
Es entstehen da gar keine Lücken, denn es sitzen noch Zehntausende von alten Beamten und warten auf ihre Wiederverwendung, die dreißig und vierzig Jahre treue Dienste geleistet haben und sich niemals etwas haben zuschulden kommen lassen als . das eine, daß sie vielleicht einmal einem politischen Irrtum zum Opfer gefallen sind.
({3})
Es ist Zeit, daß dafür gesorgt wird, daß sie in entsprechende Posten kommen. Wir werden also dem Gesetz unsere Anerkennung versagen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner.
Dr. Miessner ({0}): Meine Damen und Herren! Ich lese hier im § 2 der SPD-Vorlage über die Gewährung von Straffreiheit für Dienstvergehen, daß Dienstvergehen nicht verfolgt werden sollen, wenn sie für den „Neuaufbau der demokratischen Staats- und Verwaltungsordnung" begangen sind. Das klingt doch sehr paradox! Wie kann man eine demokratische Staatsordnung aufbauen, wenn man nicht gewillt ist, für absolute Sauberkeit auf allen Gebieten einzutreten? Gerade der öffentliche Dienst erfordert, wie der Herr Vertreter der SPD als An({1})
tragsteller gesagt hat, einen besonders scharfen Maßstab. Das ist so und muß auch so bleiben. Der Beamte hat in manchen Dingen eine bevorzugte Stellung gegenüber den anderen Mitmenschen. Er hat, was auch vom Berufsbeamtentum selbst immer wieder betont wird, auch besondere Pflichten auf sich zu nehmen. Man muß an seine weiße Weste, wenn ich einmal so sagen darf, noch etwas höhere Anforderungen stellen als vielleicht gemeinhin. Das Berufsbeamtentum selbst hat daher ein ebenso großes Interesse wie die Öffentlichkeit, daß Vergehen, die aus seinen eigenen Reihen gekommen sind, auch geahndet werden. Das Berufsbeamtentum ist stolz darauf, daß es auch in der Zeit einer allgemeinen Demoralisierung nach dem Kriege seinen Mann gestanden hat. Die Zahl der Fälle, wo der eigentliche, echte Berufsbeamte versagt hat, sind ganz verschwindend gering; das gilt - ich glaube, das sagen zu können, obwohl ich selbst nur die Sparte Finanz genauer kenne - für sämtliche Zweige des öffentlichen Dienstes. Versagt haben nicht die Berufsbeamten, sondern meist diejenigen, die nach Kriegsende etwas übereilt an ihre Stelle getreten sind und ihren Platz ersetzen sollten, ihn aber nicht ersetzt haben, weil ihnen die Tradition, die nun ein- mal zum Berufsbeamtentum gehört, gefehlt hat.
Die Deutsche Reichspartei steht hundertprozentig zum Berufsbeamten und lehnt daher diesen Gesetzesentwurf der SPD entschieden ab.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch unsererseits bestehen natürlich Bedenken gegen die Tendenz des vorgelegten Gesetzentwurfs, und zwar einmal in verfassungsrechtlicher Beziehung. In der Einleitung wird allgemein von Dienstvergehen von Beamten und Ruhestandsbeamten gesprochen. Es kann sich hier wohl nur um Bundesbeamte handeln; denn das Dienststrafrecht ist ein Bestandteil des Beamtenrechtes, und der Bund hat eine Gesetzgebung nur für seine Beamten und nur eine Befugnis zur Rahmengesetzgebung für die Beamtenschaft insgesamt.
Zweitens ist ein gewisser Widerspruch gegeben. Wenn es sich nur darum handelt, Fälle leichterer Art zu amnestieren, dann ist nicht recht verständlich, warum geprüft werden soll, ob rechtskräftig verhängte Dienststrafen - Entfernung aus dem Dienst - daraufhin zu überprüfen sind. Das hat ja auch der Herr Kollege Schneider schon gestreift. Selbstverständlich wären Fälle wie die, die der Herr Kollege Zinn vorgetragen hat, einer Korrektur würdig, und wir wären bereit, die Angelegenheit dem Ausschuß für Rechtswesen als dem federführenden Ausschuß und dem Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen. Aber, wie gesagt, wir haben grundsätzliche Bedenken. Wir wollen nur sehen, ob es wirklich möglich ist, diese Fälle, die an sich im Rahmen des Dienststrafrechtes bereinigt werden können, auf diesem Wege zu bereinigen, insbesondere auch durch die Stellungnahme der obersten Dienstbehörde, ob es im Interesse der Sauberkeit der Verwaltung - ein Grundsatz, der gerade von den alten Beamten auch in der Zeit des Überganges hätte beachtet werden müssen - wirklich möglich ist, ein Gesetz über die Amnestie von Dienstvergehen einzuführen.
Auf eines muß hier hingewiesen werden. In dieser Zeit des Überganges ist es ebenso wie im Dritten Reich deutlich erkennbar geworden, was es bedeutet, wenn der Beamte sowohl in der Verwaltung wie in der Rechtsprechung sich der Verantwortung seines Einflusses, den er im öffentlichen Leben und bei der Verfügung über öffentliches Vermögen und öffentliche Mittel ausübt, unbedingt bewußt ist. Diese Schwierigkeit hat sich früher nicht ergeben, weil nur einzelne Leute in den öffentlichen Dienst eingerückt sind, die dann durch das Vorbild der übrigen erzogen worden sind. Die Erschwerung ist sowohl in der nationalsozialistischen Zeit wie nach 1945 besonders hervorgetreten. Wir müssen darauf sehen, daß dieses Bewußtsein der Verantwortung - das hat ja der Kollege Zinn auch betont - für die Sauberkeit der Verwaltung erhalten bleibt. Ob wir diesem Ziel mit der Amnestie dienen oder mit der Korrektur gewisser Mängel, die etwa in Dienststrafverfahren aufgetreten sind, das möge in den Ausschüssen beraten werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Farke. - 3 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Deutsche Partei wünscht die Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in seiner Sauberkeit und in seinem Verantwortungsbewußtsein. Eine Anerkennung des vorliegenden Amnestiegesetzes ist für uns aus dieser Einstellung heraus undenkbar. In turbulenten Zeiten muß gerade der Beamte seinen Mann stehen. Die Beamten haben das, wie hier schon ausgeführt worden ist, in ihrer großen Mehrheit getan. Da aber, wo das nicht geschehen ist, muß auch das Urteil im Dienststrafverfahren anerkannt werden! Meine Fraktion lehnt diesen Entwurf ab.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann. - 3 Minuten!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion stimmt dem Grundgedanken des SPD-Antrages zu.
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Für die Zukunft bleibt lediglich die Frage, wieweit die Amnestie Platz greifen muß. Ich erinnere daran, daß die Zentrumsfraktion selber schon vor längerer Zeit einen entsprechenden Antrag gestellt hat; er ist dem Beamtenrechtsausschuß überwiesen worden und wird zur Zeit in einem Unterausschuß dieses Ausschusses bearbeitet. Der SPD-Antrag entspricht in großen Zügen den Gedanken, die auch in einem im Lande Nordrhein-Westfalen vorliegenden Antrag formuliert worden sind.
Dieser Umstand weist schon darauf hin, daß sich hier die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder überschneiden. Wir können hier im Bunde nicht ein Gesetz beschließen, das gleichzeitig die Dienststrafverhältnisse für alle Länder regelt. Deswegen halten wir es für zweckmäßig, daß die Dinge ,aufeinander abgestimmt werden. Wir müssen im Bunde Rücksicht auf die Länder, und die Länder müssen Rücksicht auf den Bund nehmen. Es ist nicht angängig, daß ein Postbeamter beispielsweise im Bund amnestiert wird, während ein gleichartiges Delikt eines Kommunalbeamten oder Landes-beamten, möglicherweise im selben Ort, weiter
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verfolgt wird. Die Dinge liegen also nicht so einfach, als daß wir uns hier mit dem Gesetzesantrag befassen und darüber abstimmen könnten. Vielmehr muß, wie wir es beantragt haben, die Bundesregierung den Auftrag erhalten, eine Abstimmung zwischen den Regelungen im Bunde und denen in den einzelnen Ländern herbeizuführen.
Zu dem Inhalt des Entwurfs im einzelnen Stellung zu nehmen, werden wir demnächst Gelegenheit haben. Wir sind jedenfalls der Ansicht, daß man mit Rücksicht auf - wie wir formuliert haben - „die Verworrenheit, Unsicherheit und Not in der vergangenen Zeit" nicht den normalen Maßstab anlegen kann, wie man das in anderen Zeiten vielleicht tun könnte.
Wenn man nun gerade die Gelegenheit ergreifen will, um den unter der Entnazifizierung zurückgetretenen Beamten eine Chance zu verschaffen, indem man ihre Nachfolger heraussetzt, so glaube ich, daß diese Art der Behandlung des Amnestie-Antrags nicht richtig ist; denn unter der Not, Verworrenheit und Unsicherheit der Zeit haben alle Beamten gelitten. Auch die, die seit langen Jahren, nicht erst nach 1945, in den Dienst einer Behörde getreten sind, sind gleichermaßen wie die jüngeren in dieser Situation der Unsicherheit und Notlage gewesen und verdienen ebenso, daß man einigermaßen großzügig verfährt. Nun wollen wir uns doch darüber klar sein, daß manches beim Beamten als Dienststrafverfahren ausgelegt wird, was in andern Kreisen ungestraft geschehen konnte. Denken wir doch nur an das Vergehen gegen die Lebensmittelregelung, die Verteilung der Verbrauchsgüter. Beim Beamten war es ein Dienststrafvergehen, das nach Belieben immer noch verfolgt werden kann.
Diesen Dingen muß - das wird jedermann bei ruhiger Betrachtung der Dinge zugeben müssen - ein Ende gemacht werden. Es ist deswegen notwendig, etwas großzügig zu verfahren. Ich würde es begrüßen, wenn die Sache schnell erledigt werden könnte. Leider ist der Antrag, den wir gestellt haben, schon zu lange im Stadium der Beratung, als daß er noch länger verzögert werden könnte. Wir bitten deswegen, die Sache an den jetzt schon damit befaßten Beamtenrechtsausschuß zu überweisen, damit der Unterausschuß sie weiter beraten kann.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Das Schlußwort für die Antragsteiler hat Herr Abgeordneter Zinn. Ich darf bitten, in diesem Fall nicht von der Gesamtredezeit Gebrauch zu machen.
Zinn ({0}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Schneider hat vielleicht die Katze aus dem Sack gelassen, wenn er zur Begründung seiner ablehnenden Haltung ausgeführt hat, daß viele Entnazifizierte draußen stünden, die bis jetzt nicht wieder in die Verwaltung hereingekommen seien und die Anspruch darauf hätten, demnächst wieder ihr altes Amt zu übernehmen. Wir werden uns mit aller Entschiedenheit gegen den Versuch wehren, eine Renazifizierung der Verwaltung mit Mitteln irgendwelcher disziplinärer Maßnahmen zu erreichen. Das ist das eine.
Im übrigen hat der Abgeordnete Schneider völlig übersehen, daß dieses Gesetz keineswegs eine Ergänzung des sogenannten Straffreiheitsgesetzes
vom Dezember 1949 darstellt. Die Tatbestände sind nicht in allen Fällen identisch. Die meisten Disziplinarverfahren umfassen Tatbestände, die strafrechtlich überhaupt nicht faßbar sind.
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Die Notwendigkeit eines solchen Straffreiheitsgesetzes für die Zeit des Übergangs ergibt sich schon aus der Tatsache, daß das Disziplinarrecht in der Regel überhaupt keine fest umrissenen Tatbestände kennt, wie wir sie im eigentlichen Strafrecht haben. Sehr weitgehend ist es eine Angelegenheit des Ermessens, darüber zu entscheiden, was als Dienstvergehen anzusehen ist oder nicht. Ich selbst war lange Zeit oberster Disziplinarrichter eines Landes, und dem Disziplinarrecht dieses Landes unterstanden nicht nur die eigentlichen Beamten, sondern auch die Angestellten. Infolgedessen kann ich mir ein Urteil darüber erlauben, ob in jener Zeit der Verwirrung die sogenannten langjährigen Berufsbeamten mehr als etwa die Angestellten oder die neu übernommenen Beamten gegenüber irgendwelchen Versuchungen gefeit gewesen sind. Ich muß sagen, daß das keineswegs in dem hier behaupteten Umfang der Fall gewesen ist, trotz der grundsätzlichen Sauberkeit, die, das muß zugegeben werden, im allgemeinen in der Beamtenschaft vorhanden war. Bereits damals habe ich den Eindruck gehabt, daß die Notwendigkeit besteht, der Unzahl von Disziplinarverfahren, die wir zu erledigen hatten, durch eine gesetzliche Regelung zu begegnen. Eine Reihe von Ländern hat auch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Es gibt bereits in einigen Ländern Gesetze gleichen und ähnlichen Inhalts. Ich glaube also, daß durchaus Gründe vorhanden sind, um eine Regelung der vorgeschlagenen Art zu treffen.
Es ist auch keineswegs so, als ob dieser Gesetzentwurf nun denjenigen Beamten, bei denen mit Rücksicht auf die Schwere ihres Dienstvergehens die Dienstentlassung ausgesprochen worden ist, einen Rechtsanspruch auf Wiedereinstellung gewähren will. Ganz im Gegenteil! Wenn Sie den Gesetzentwurf genau durchlesen, werden sie feststellen, daß er in der Mehrzahl der Fälle jene Verfahren umfaßt, bei denen eben nicht auf Dienstentlassung erkannt worden ist. Nur ausnahmsweise kann, wenn die allgemeinen Voraussetzungen des Entwurfs gegeben sind, überprüft werden, ob nicht doch aus Billigkeitsgründen die Wiedereinstellung zweckmäßig oder geboten erscheint oder ob bei einem Ruhestandsbeamten die Zubilligung eines Unterhaltsbeitrags an Stelle des aberkannten Ruhegehalts gewährt werden kann.
Im übrigen aber wundere ich mich über den Gesinnungswechsel, der bei einem Teil des Hauses mit dem Wechsel der Jahreszeiten eingetreten ist.
({2})
Der Vertreter der Deutschen Partei hat sich heute mit aller Entschiedenheit gegen diesen Gesetzentwurf ausgesprochen. Aber sein Kollege Ewers hat im Dezember 1949 noch, als damals über das sogenannte eigentliche Straffreiheitsgesetz diskutiert wurde, ausgeführt:
Mir ist es sehr zweifelhaft, ob es richtig ist, Disziplinarvergehen, also Beamtenvergehen von der Amnestie völlig auszuschließen.
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Wir haben hier berechtigte und außerordentlich warmherzige Dankeserklärungen gegen({4})
über unseren unbestechlichen Beamten gehört. Aber es ist auch den braven Beamten in der Vergangenheit in der einen oder anderen Beziehung nicht möglich gewesen, ihren Dienst immer so zu verrichten, wie es gefordert werden mußte. Daß man schlechthin gegenüber jeder kleinen Entgleisung eines Beamten keine Nachsicht üben will, daß man zu Ehren des Beamtenstandes überhaupt jedes kleinste Delikt, das mit irgendwelchen kleinen Strafen geahndet werden müßte, heute noch weiter verfolgen will, das bedaure ich.
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Hoffentlich bedauert das der damalige Sprecher der Deutschen Partei auch heute noch.
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Meine Damen und Herren! Ich schließe die Aussprache und darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen, daß Drucksache Nr. 905 an den Ausschuß für Beamtenrecht mit der Maßgabe, daß er die Federführung ausübt, und an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung als überwiesen gilt.
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeswirtschaftsminister hat mir mitgeteilt, er muß in den Mittagstunden nach Frankfurt, weil er zusammen mit dem amerikanischen Oberkommissar McCloy den neuen Großsender einzuweihen hat.
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Er hat mich deshalb gebeten, den Punkt 8 der Tagesordnung, erste Beratung des Entwurfs eines Preisgesetzes, Drucksache Nr. 972, nach vorn zu ziehen. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Umstellung der Tagesordnung annehmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann gehen wir zu Punkt 8 der Tagesordnung über:
Erste Beratung des Entwurfs eines Preisgesetzes ({1}).
Das letztere ist eine Gegenüberstellung.
Ehe ich dem Herrn Minister das Wort erteile, darf ich darauf hinweisen, daß der Ältestenrat an Sie appelliert, sich mit der Einführung des Gesetzes auf etwa 10 Minuten zu beschränken. Im übrigen soll die Redezeit nach § 88 der Geschäftsordnung 60 Minuten betragen. Ich darf das Einverständnis des Hauses insoweit feststellen und erteile dem Herrn Bundeswirtschaftsminister das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Preisgesetz in seiner Fassung vom 10. April 1948, das am 21. Januar noch einmal eine Verlängerung bis zum 30. Juni 1950 erfahren hat, läuft zu diesem Datum aus und ist dann außer Kraft gesetzt. Das Ihnen jetzt vorliegende Preisgesetz hat dem Bundesrat vorgelegen und entspricht in seiner jetzigen Fassung den Wünschen des Bundesrates weitestgehend. Das Preisgesetz ist noch aus einer Reihe von Gründen notwendig: teils wegen der starken Einfuhrabhängigkeit - insbesondere auf dem Ernährungssektor -, dann wegen der Schlüsselstellung, die manchen noch preisgebundenen Rohstoffen zukommt und zum Schluß auch aus sozialen Gründen.
Das Gesetz selbst gliedert sich in einen materiellen Teil, in dem die wenigen Sachgebiete aufgeführt sind, bei denen nach dem 1. Juli 1950 auf Preisvorschriften noch nicht verzichtet Werden kann. Gegenüber dem alten Preisgesetz ist allerdings die Zahl der darunterfallenden Güter insbesondere auf dem Ernährungssektor wesentlich eingeschränkt worden; es fallen beispielsweise nicht mehr darunter Erzeugnisse wie Schälmühlenerzeugnisse, Panier- und Mutschelmehl, Teigwaren, Kindernährmittel, Zwieback, Backhefe, Speise- und Futterhülsenfrüchte, Mischfuttermittel, Futtermittel aus der Getreide- oder Hülsenfruchtverarbeitung, Malzerzeugnisse sowie noch einige andere mehr.
In dem formellen Teil wird der Regierung eine Ermächtigung, beschränkt auf die noch preisgebundenen Gebiete, zugestanden, und außerdem wird in dem formellen Teil noch die Zuständigkeit geklärt.
Die Abweichungen gegenüber dem bisherigen Preisgesetz beruhen also insbesondere auf der Einengung der Sachgebiete und in dem beschränkteren Umfang der Regierungsvollmacht.
Die Sachgebiete, bei denen die Preise noch grundsätzlich geregelt bleiben, sind in der Ernährungswirtschaft: Getreide, Brot, Milch, Butter, Schmalz, Speisefette und Öle, Zucker und Zuckerrüben; innerhalb der gewerblichen Wirtschaft sind es: Kohle, Eisen, Energie, Mineralöl, Mieten, Grundstücke, Bauleistungen, Verkehrsleistungen, Kraftfahrzeugversicherungen, Film, Arzneitaxen und Krankenhauspflegesätze.
Was die Zuständigkeit anlangt, so legt das Gesetz fest, daß die Bundesregierung bzw. im Einvernehmen mit dem zuständigen Fachminister der Bundeswirtschaftsminister Rechtsverordnungen erlassen kann, und zwar auf den Gebieten, die in dem § 1 Abs. 1 und 2 des Gesetzes festgelegt sind. Diese Instanzen sind zugleich auch berechtigt, Güter und Leistungen von Preisvorschriften freizustellen, wenn die Entwicklung der Marktlage es gestattet.
Um die parlamentarische Kontrolle sicherzustellen, sieht der § 3 Abs. 2 vor, daß bei Getreide, Brot, Trinkmilch, Butter oder Zucker, bei Kohle, Eisen, Elektrizität, Gas, Düngemitteln, Mieten und Pachten für Grundstücke und Räume Preisfestsetzungen wie auch Preisfreigaben auf dieser genau festgelegten Liste nur mit Zustimmung des Bundesrats erlassen werden können. Das Grundgesetz sieht im Gegensatz zu dem alten Preisgesetz, in dem auch eine Zustimmung des Bundestags gegeben war, nur eine Zustimmung des Bundesrats vor. Aber die Unterrichtung des Bundestags ist ohnehin durch die Vorlage von Rechtsverordnungen gewährleistet, so daß also durch dieses Gesetz die parlamentarische Kontrolle im vollen Umfange gewährleistet bleibt.
Die Zuständigkeiten sind, wie gesagt, neben den Bereichen, in denen der Bundeswirtschaftsminister federführend ist, für den Verkehr, für die Binnenschiffahrt - mit Ausnahme der Seeschiffahrt - so geregelt, daß der Verkehrsminister die Zuständigkeit erhält, daß aber in all den Fragen, in denen Preisänderungen von wesentlichem Einfluß auf die gesamte wirtschaftliche Lage sind, er der Zustimmung des Bundesministers für Wirtschaft bedarf. Ebenso kann der Bundesminister für Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft Verkehrsleistungen von Preisvor({0})
schriften freistellen, wenn die Entwicklung der Verkehrslage es gestattet. Bei allen Preisverordnungen, die der Verkehrsminister erläßt, und auch bei Freigaben ist wiederum die Zustimmung des Bundesrats erforderlich.
Durch das Gesetz werden die anderen Preisvorschriften wie z. B. Preisauszeichnungspflicht, Preisnachweis, Preismeldepflicht und dergleichen mehr nicht berührt; im Gegenteil, in § 6 wird festgelegt, daß mit Zustimmung des Bundesrates die Bundesregierung bzw. der zuständige Minister Rechtsverordnungen auf diesem Gebiet erlassen kann.
Die Preiskontrolle über das Preisrecht wird grundsätzlich auf die Länder übertragen. Die Länder selbst können nachgeordnete Behörden mit diesen Funktionen beauftragen.
Der wesentliche Unterschied gegenüber dem bisherigen Preisgesetz beruht wohl darin, daß das erste Preisgesetz einige sehr schwankende, auslegungsfähige Bestimmungen hatte, d. h. daß seinerzeit Bundestag und Bundesrat dann gehört werden mußten, wenn irgendeine Preisanordnung oder eine Preisfreigabe maßgebende Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere für die Lebenshaltung hatte. Die Schwierigkeiten, die in der Auslegung aufgetreten sind, haben den Gesetzgeber veranlaßt, nunmehr eine genaue Liste von Waren festzulegen, die das Preisgesetz noch umschließt, und im übrigen dafür zu sorgen, daß trotzdem die parlamentarische Kontrolle gewahrt bleibt.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers gehört. Ich eröffne die Aussprache. Als erster hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen. - 8 Minuten, bitte!
Meine Damen und Herren! Wenn die erste Lesung eines wirtschaftspolitischen Gesetzes von der Bedeutung dessen, zu dem ich spreche, einen Sinn haben soll, dann ist es ein unmöglicher Zustand, daß eine Vorlage von nicht weniger als 20 Druckseiten uns gestern in das Fach gelegt worden ist.
({0})
Ich weiß nicht, wer von den hier Anwesenden sich die Zeit und die Mühe hat nehmen können, diese Dinge durchzuarbeiten. Ich glaube aber, daß ich auch als Angehöriger einer Regierungspartei hier
in aller Form darauf aufmerksam machen sollte.
({1})
Die Praxis, die die Regierung - und ich muß in diesem Falle leider hinzufügen: besonders das Bundeswirtschaftsministerium - einschlägt, findet unser Mißfallen.
({2})
Wir können uns nicht darauf einlassen, daß, wenn
die Verlängerung des Bewirtschaftungs-Notgesetzes
und Preisgesetzes im Dezember vorigen Jahres um
sechs Monate beschlossen wird, das Parlament dann
erst am 1. Juni in die erste Lesung eintritt und eine
vom 17. Mai datierte Vorlage zur Beratung erhält.
Wenn nicht der Bundesrat, dem man in diesem Falle ausdrücklichen Dank aussprechen müßte, einige seltsame Bestimmungen aus dem Gesetz herausgestrichen hätte, worüber der Herr Bundeswirtschaftsminister in seinen Ausführungen nichts gesagt hat, dann wären die Dinge noch sehr viel schwieriger.
Ich möchte glauben, daß die Vorlage des Herrn Bundeswirtschaftsministers über die Bundesstelle für den Warenverkehr doch bereits derartige Spuren hätte hinterlassen sollen - oder besser gesagt: die Erfahrungen damit haben Spuren hinterlassen -, daß ein Verfahren, wie es hier nun wieder eingeschlagen worden ist, nicht mehr in Frage käme. Wir wollen uns in solchen Dingen nicht - ich erkläre das für meine politischen Freunde ausdrücklich und in vollem Bewußtsein dessen, was wir damit sagen - unter Zeitdruck setzen lassen.
({3})
Es standen sechs Monate zur Verfügung, und man hätte uns sehr viel früher mit einem Gesetz kommen können; ganz abgesehen davon, daß darunter ja auch die Güte der Gesetze leiden muß. Alle Hochachtung vor unserem wirtschaftspolitischen Ausschuß; aber glauben Sie, daß dieser Ausschuß, wenn er sich in den nächsten Wochen damit beschäftigt, die übrigens durch die nordrhein-westfälischen Wahlen ja ohnehin sehr beengt sind, nun aus dieser Materie etwas wirklich Gutes herausbringen kann? - Ich bezweifle das entschieden.
Nicht weniger als 24 Einwendungen hat der Bundesrat gegen die Vorlage erhoben. Sehen Sie nach! 23 oder 22 davon hat die Bundesregierung kritiklos zugestimmt. Das gibt zu denken und scheint mir nicht die richtige Verteilung des Gewichtes in der Vorbereitung von Gesetzen zu sein.
({4})
Ich spreche nicht für den Bundesrat, meine Damen und Herren. Aber man muß sich sachlich mit den Dingen beschäftigen; dann muß man zu einem solchen Urteil kommen, wie ich es hier vertrete.
Ich bitte Sie, einen Blick auf den § 5 zu werfen. Ich kann mich nicht mit der Zusatzdrucksache beschäftigen - die haben wir heute früh um 9.30 Uhr bekommen -, sondern ich beschäftige mich nur mit der Drucksache Nr. 972. Ich bitte den Herrn Präsidenten, eine gewisse Überschreitung der Redezeit zu gestatten, denn es war unmöglich, daß sich der Ältestenrat über das Gewicht dieser Vorlage, die kein Mitglied des Ältestenrats gelesen hatte, als er diese Redezeit vorschlug, im klaren war. Also ich bitte, da nicht engherzig zu sein.
Darf ich dazu äußern: Ich bin gar nicht kleinlich.
Dr. Wellhausen (FDP: Das weiß ich. Deswegen
glaubte ich, auch nur an Sie appellieren zu müssen.
({0})
Herr Minister Erhard ist ein Vertreter der freien Wirtschaft. Das wissen wir alle, und wir sind es mit ihm: Vertreter der sozialen Marktwirtschaft.
({1})
Aber wie dieser selbe Herr Minister Erhard dem § 5 zustimmen konnte, in dem ganz deutlich drinsteht, daß auch für Gegenstände, für die bisher keine Preisvorschriften bestehen, solche neu eingeführt werden können, ein Ermächtigungsgesetz, das über die Einführung des Preiskommissars im Jahre 1936 weit hinausgeht, das verstehen meine politischen Freunde einfach nicht.
({2})
Ich finde es nicht sehr schön, daß ausgerechnet der
Bundesrat diesen § 5 gestrichen und die Regierung
dann zugestimmt hat. Das sollte doch eigentlich
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im stillen Kämmerchen geschehen und nicht in der Drucksache Nr. 972 für jeden, der es ein bißchen durchliest, ersichtlich in die Erscheinung treten. Bessere Erkenntnis ist an sich immer nur zu loben.
Also, war diese Pfingstüberraschung nicht nur eine Enttäuschung im großen, so ist sie es nach der Ansicht meiner politischen Freunde besonders für das Gebiet der Landwirtschaft. Meine Damen und Herren, es muß in diesen Dingen nun langsam einmal Farbe bekannt werden. Wir müssen wissen, ob und wie die Regierung mit marktgerechten Mitteln die Absicht hat, für gerechte Preise zu sorgen und schweren Preiseinbrüchen vorzubeugen. Das einzige, was uns bis jetzt vorliegt, ist das Getreidegesetz, das nachher noch in erster Lesung erörtert werden wird. Es ist aber nach der Ansicht, die sich langsam herumgesprochen hat, hierfür eine Serie von Gesetzen nötig, und der nicht anwesende Herr Bundeslandwirtschaftsminister sollte sich wirklich beeilen, diese nunmehr dem Hohen Hause vorzulegen. Denn am 30. Juni tritt ein absolutes Vakuum ein. Dann endet das Bewirtschaftungsnotgesetz, und dann endet das Preisgesetz. Man kann sich doch eigentlich nicht gut vorstellen, daß das im Ministerium nicht überlegt worden ist. Infolgedessen kommen wir zu der Vermutung, daß vielleicht Gründe vorliegen, mit diesen Dingen zurückzuhalten. Gewisse Ausschußverhandlungen bestärken uns darin.
Ich mache also in aller Öffentlichkeit und als Mitglied einer Regierungspartei die Regierung eindringlich darauf aufmerksam, daß so nicht gearbeitet werden kann, nämlich in diesem Falle den Herrn Landwirtschaftsminister.
({4})
Wir wollen uns nicht auf einen Zeitdruck in dieser Beziehung einlassen, wobei ich übrigens darauf hinweisen darf, daß vor dem 19./20. Juni die Dinge überhaupt in diesem Hause ja gar nicht mehr behandelt werden können.
Und nun noch ein ganz kurzes Wort zu der Tendenz des Gesetzes. Sie finden in § 3 Abs. 1 letzter Satz die etwas verschämte Bemerkung: „Sie" - nämlich die Bundesregierung oder der zuständige Bundesminister - „können solche Güter oder Leistungen von den Preisvorschriften freistellen, wenn die Entwicklung der Marktlage es gestattet". Mindestens hätte es in diesem Falle heißen müssen: „Sie sollen" das tun. Die Tendenz, die die Regierung und ihre Vorgängerin seit dem 20. Juni 1948 verfolgen, nämlich die möglichste Befreiung von Bewirtschaftung und Preisfestsetzung, hätte in diesem Gesetz überhaupt ganz anders zum Ausdruck kommen müssen, mindestens für das Gebiet der gewerblichen Wirtschaft.
Meine Freunde sind z. B. der Auffassung, daß es sehr zweifelhaft ist, ob die Kraftfahrzeugversicherung unter Preiszwang gestellt werden muß, ob es der Entwicklung der Weltmarktpreise entspricht, Nichteisenmetalle heute noch unter Preiszwang zu setzen.
({5})
Denn sie wissen, daß die Preise für Nichteisenmetalle am Weltmarkt ständig fallen. Wir fragen uns weiter, ob es richtig ist, die Kostenverhältnisse in der Sozialversicherung weiterhin dadurch zu verschleiern und sich blauen Dunst vorzumachen, daß die Leistungen der Kranken- und Heilanstalten unter Preiszwang gesetzt werden, ob es schließlich richtig ist, Strom, Gas und Wasser noch unter Preiszwang zu halten, wovon nach unseren Eindrücken im Lande ein nicht sehr erfreulicher Gebrauch gemacht wird.
Ich muß mich, nachdem ich meine Redezeit sicher erheblich überschritten habe,
Um 30 %!
- auf diese Feststellungen beschränken und kann, so wie die Dinge liegen und nachdem wir nicht die Verantwortung dafür auf uns nehmen wollen, heute der ersten Beratung zu widersprechen, nur wünschen, daß es der Regierung bei der erheblichen und erfolgreichen Belehrung durch den Bundesrat, die vorausgegangen ist, und dem Ausschuß gelingen möge, aus diesem Gesetz noch etwas Verständiges zu machen. Die Vorbedingungen dafür sind allerdings nur in einem sehr beschränkten Maße gegeben.
({0})
Meine Damen und Herren! Ehe ich dem nächsten Herrn Redner das Wort erteile, teile ich mit, daß wir uns im Vorstand verständigt haben, auf die mechanisch angezeigte Redezeit auf jeden Fall einen Aufschlag von 331/3 zu geben.
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- Dementsprechend habe ich nämlich bei Ihnen schon verfahren, Herr Abgeordneter.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Baumgartner.
Meine Damen und Herren! Ich nehme nur eine Minute in Anspruch. Der Herr Abgeordnete Wellhausen hat das bereits vorweggenommen, was ich sagen wollte. Meine Fraktion hatte keine Gelegenheit, zu diesem Entwurf Stellung zu nehmen, und wir müssen Protest einlegen, daß man uns Gesetzentwürfe nicht fristgemäß - nach der Geschäftsordnung drei Tage vor der Behandlung - zustellt. Wir bitten den Herrn Präsidenten, dafür Sorge zu tragen, daß in Zukunft ein solches Geschäftsgebaren von seiten der Ministerien hintangehalten wird. Wir können daher von meiner Fraktion aus zu diesem schwerwiegenden Gesetz heute hier überhaupt nicht Stellung nehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers. Fünf Minuten plus Zuschlag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß man heute sachlich über dieses sehr wichtige und einschneidende, ich muß schon sagen: „Ergänzungsgesetz zur freien Marktwirtschaft" nicht sprechen kann und warum das nicht möglich ist, hat Herr Dr. Wellhausen dem Hause ebenso einleuchtend wie humorvoll vorgetragen. Ich freue mich, daß dabei der Humor nicht zu kurz gekommen ist. Auch ich und meine Fraktion haben zu diesem Gesetz sachlich kritisch im einzelnen selbstverständlich keine Stellung nehmen können. Die Verwunderung über einzelne Bestimmungen, insbesondere auch solche, die der Bundesrat gestrichen hat, war bei uns ebenso groß wie bei Herrn Dr. Wellhausen und seiner Fraktion.
Was ich heute hier nur andeutend zu diesem Gesetze sagen will und kann, ohne damit meine Fraktion festzulegen, ist folgendes. Es soll nach diesem Gesetz auf unabsehbare Zeit für eine zwar beschränkte, aber für die Volkswirtschaft außerordentlich wichtige Auslese von Leistungen und Artikeln ein Gesetz des Jahres 1936 verlängert werden. 1936 - wir erinnern uns düster - lief der
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Vierjahresplan an. Das Preisstoppgesetz, das damals durch einen Federstrich erlassen wurde, hatte eine ganz bestimmte Tendenz, nämlich die mangelnde Gold- und sonstige Deckung unserer deutschen Währung durch einen inneren Preisstopp auf dem inneren Markt zu halten und mit drakonischer Gesetzesgewalt zu bestimmen, daß man die an sich nur durch die Arbeitskraft gedeckten Wertscheine, die in beliebiger Menge weiter auf Grund von Wechseloperationen herausgegeben wurden, in Kauf nehmen müsse. Daß bei klarer Einsicht in die wirklichen Verhältnisse damit unter Umständen die Gefahr einer gewaltigen Inflation verbunden war, war einleuchtend. Dieser Gefahr wurde durch das Gesetz von 1936 vorgebeugt. Ein auf Grund dieser rein währungstechnischen Bedenken und Bedingungen entstandenes Gesetz paßt in unsere Gegenwart und in das System der Wirtschaft, das wir hier haben wollen, in keiner Weise mehr. Es handelt sich vielmehr für uns doch nur darum, zu verhindern, daß nicht übergangslos - solange wir noch kein in allen Dingen souveräner Staat sind - die Preise für die notwendigen Gebrauchs- und Verbrauchsgüter emporschnellen, weil sie nicht kontrolliert werden. Das gilt insbesondere für alle Lebensmittel, und das gilt insbesondere für die Mieten. Daß insoweit eine übergangslose freie Wirtschaft nicht möglich ist, wird auch der begeistertste Anhänger der freien Wirtschaft ohne weiteres einräumen. Ob man aber die Auslese, die insoweit getroffen wird, in dem Regierungsentwurf richtig gefunden hat, ist mir insbesondere aus einem Grunde zweifelhaft. Hier werden Grundstücke und Mieten für Grundstücke in einen Topf geworfen, wobei doch ohne weiteres klar ist, daß nur ein verschwindend kleiner Teil von Grundstücken Mietgrundstücke sind, d. h. Grundstücke, bebaut mit Gebäuden zum Zwecke des Bewohnens durch Menschen, daß man also hier mit der Idee, daß das Wohnen nicht teurer werden dürfe, die Kapitalanlagemöglichkeit auf dem Grundstücksmarkt in Bausch und Bogen mit Dingen behandelt, die meilenweit entfernt liegen.
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Die Preisstoppbestimmungen bei Grundstücken aller Art waren doch nichts anderes als eine staatliche Kontrolle der Geldbewegungen, und sie waren doch nichts anderes als Ausdruck der totalitären Gewalt des Staates. Heute liegen die Dinge doch nun aber gänzlich anders; heute haben wir eher Deflationserscheinungen, heute ist ein gutes Grundstück einfach nicht zu verkaufen, weil die Flüssigkeit in den Geldmitteln einfach fehlt. Und bei dieser Gelegenheit diese unglückseligen Preisbehörden auf dem Grundstücksmarkt anzusetzen, scheint mir irgendwie weltfremd zu sein. Insbesondere betone ich: die Höhe der Preise bebauter Grundstücke hat selbstverständlich auf die Mieten, die man nehmen kann, nicht den mindesten Einfluß. Nach dem Reichsmietengesetz stehen vielmehr die Miethöhen fest. Wer ein Grundstück kauft, kann sich ja ausrechnen, was für eine Rendite er aus dem angelegten Kapital herausschlagen kann. Sie etwa durch willkürliche Mietsteigerungen wegen eines zu hohen Grundstückpreises erhöhen zu wollen, wäre ja völlige Utopie.
Ich meine, daß also insoweit, was beispielsweise die Grundstücke anlangt, die Vorlage sicherlich nicht in allen Richtungen hinreichend durchdacht ist; und die Hoffnung, der der Herr Kollege Dr. Wellhausen zum Schluß Ausdruck verlieh, daß der Ausschuß unseres Hohen Hauses imstande sein werde, innerhalb von knapp drei Wochen eine brauchbare neue
Vorlage zu machen, möchte ich sehr gerne teilen, aber ich muß bezweifeln, daß das selbst diesem ausgezeichneten Ausschuß angesichts des ihm bisher vorliegenden Materials gelingen kann.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kurlbaum.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Ausführungen des Herrn Kollegen Wellhausen in bezug auf den Termin der Vorlage und die Güte der Vorlage im einzelnen stimmen wir hundertprozentig zu. Ich brauche mich daher über diesen Punkt nicht noch einmal zu äußern. Allerdings unterscheiden wir uns in der Meinung über den sachlichen Inhalt des Gesetzes sehr wesentlich von den Vorrednern.
Worin unterscheidet sich der neue Gesetzentwurf gegenüber dem bisherigen Gesetz, dessen Gültigkeit am 30. Juni abläuft? Bisher konnten Preise jeder Art festgesetzt werden. Nunmehr soll ein engbegrenzter Katalog, im wesentlichen beschränkt auf lebenswichtige Güter, maßgebend sein. Dabei umfaßt aber dieser Katalog bei weitem noch nicht alle lebenswichtigen Güter. Ich verweise zum Beispiel nur auf Fleisch. Damit beschränkt sich also die Bundesregierung selbst aus eigenem Antrieb in ihren Möglichkeiten preispolitischer Maßnahmen.
Wir halten diesen Zeitpunkt für eine so weitgehende Einschränkung der Preisfestsetzungsmöglichkeiten im Augenblick noch aus zwei sehr wichtigen Gründen für verfrüht. Es ist uns schon mehrfach ein Monopolgesetz in Aussicht gestellt worden. Dieses Monopolgesetz soll auch nach der Meinung des Bundeswirtschaftsministers erst die Grundlage für eine wirklich freie Konkurrenz und für eine angemessene Preisbildung sichern. Wir wundern uns daher darüber, daß uns mit diesem neuen Gesetz nicht mindestens gleichzeitig das Monopolgesetz vorgelegt worden ist.
Ich habe auch gelegentlich der Debatte über die Handelsspannen schon darauf hingewiesen, welch enger Zusammenhang zwischen der Preispolitik und der Kreditpolitik besteht. Eine zur Überwindung der Arbeitslosigkeit wirklich ausreichende Kreditausweitung ist nur dann durchführbar, wenn nicht alle Dämme eingerissen werden, die noch einer unerwünschten Preisentwicklung entgegenstehen. Allerdings sind wir der Meinung, daß die zögernde Durchführung des Arbeitsbeschaffungsprogramms der Bundesregierung sowie der jetzt neu eingebrachte Gesetzentwurf Zweifel bei uns auftauchen lassen, ob die Bundesregierung überhaupt gewillt ist, ein ausreichendes Arbeitsbeschaffungs- und Kreditprogramm durchzuführen, das geeignet wäre, die Arbeitslosigkeit in ausreichendem Umfange einzuschränken.
Die zweite sehr wichtige Änderung, die dieses Gesetz gegenüber dem jetzigen Rechtszustand bringt, liegt daran, daß der Bundestag von einer Mitwirkung auf dem Gebiete der Preispolitik praktisch ausgeschlossen wird. Ich habe eben schon dargelegt, welche große Bedeutung die Preispolitik für die allgemeine Wirtschaftspolitik und die Konjunkturpolitik hat. Es ist daher nicht zu verstehen, warum in diesem Gesetz nunmehr an die Stelle des Bundestages der Bundesrat treten soll, nachdem doch feststeht, daß die allgemeine Wirtschaftspolitik in erster Linie Angelegenheit des Bundes und nicht der Länder, damit auch nicht in erster Linie Angelegenheit des Bundesrats ist.
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Außerdem kann ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister nicht zustimmen, wenn er vorhin gesagt hat, daß gewisse Unklarheiten des bisherigen Gesetzes beseitigt worden seien. Sie werden sich erinnern, daß wir im Zusammenhang mit der Treibstoffpreisdebatte große Schwierigkeiten hatten, uns mit der Bundesregierung darüber zu einigen, was Preisänderungen von grundlegender Bedeutung sind. Auch jetzt hat man im Zusammenhang mit dem Bundesrat wiederum die Bestimmung aufgenommen, daß der Bundesrat allein nicht einmal mehr ein Einspruchsrecht haben soll, wenn es sich um Preisänderungen mit einer Auswirkung von untergeordneter Bedeutung handelt. Man wird also, genau so wie man vorher gestritten hat, was eine Preisänderung von grundlegender Bedeutung ist, auch in Zukunft wieder darüber streiten, was eine Preisänderung von untergeordneter Bedeutung ist. Denn nur hinsichtlich dieser beiden Worte ist eine Änderung in dem neuen Gesetz eingeführt worden. Wir fürchten weiter, daß mit der Ersetzung des Bundestags durch den Bundesrat im wesentlichen der Zweck verfolgt wird, den Bundestag bei der zukünftigen Preispolitik auszuschalten und zu vermeiden, daß das sehr heikle Thema der Preispolitik weiter Gegenstand der öffentlichen Debatten im Bundestag ist. Aus diesem Grunde können wir uns vor allen Dingen mit dieser Bestimmung nicht einverstanden erklären.
Das ist die allgemeine Haltung unserer Partei zu dem neuen Gesetz. Wir haben den Wunsch, daß dieses Gesetz einer eingehenden Beratung sowohl im Wirtschaftspolitischen Ausschuß als auch im Ernährungsausschuß unterzogen wird, und beantragen daher die Überweisung des neuen Gesetzentwurfs an beide Ausschüsse. Wir hoffen, daß es in den Beratungen gelingen wird, das Gesetz so umzugestalten, daß den Gesichtspunkten, die ich soeben hier angedeutet habe, ausreichend Rechnung getragen wird. Mit der augenblicklichen Fassung des Gesetzes kann sich unsere Fraktion aus den dargelegten Gründen auf keinen Fall einverstanden erklären; wir könnten diesem .Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht geben.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niebergall.
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion wird den Gesetzentwurf zunächst eingehend studieren. Eines aber kann man heute bereits sagen: der Titel des Gesetzes müßte eigentlich lauten: Der Regierung alles und dem Bundestag nichts! Die KPD-Fraktion wird sich bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs mit aller Entschiedenheit dagegen wehren, daß lebenswichtige Produkte einer Preissteigerung preisgegeben werden. Im übrigen wird die KPD-Fraktion ihre Abänderungsvorschläge in der weiteren Beratung machen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine verehrten Damen und Herren! Abgesehen von den formellen Mängeln, die soeben schon gerügt worden sind, bedauern wir, daß das Gesetz mit einer so unvollständigen Begründung vorgelegt wurde. Man hätte doch eigentlich mindestens erwarten sollen, daß nun in Zusammenhang mit den Vorschlägen über die Freigabe bzw. die weitere Festhaltung der Preise durch behördliche Überwachung auch eine gewisse Darlegung über die Marktlage in den einzelnen Gebieten erfolgt wäre. Es wäre wesentlich gewesen, darzulegen, warum die einen Artikel nicht mehr bewirtschaftet zu werden brauchen und warum die anderen Artikel hinsichtlich ihrer Preisgestaltung noch überwacht werden müssen. Da das fehlt, kann man natürlich in der Sache überhaupt keine Stellung nehmen. Oder erwartet man etwa, daß wir uns von heute auf morgen über alle diese Gebiete selber Klarheit verschaffen können? Das ist absolut unmöglich. Ja, wenn wir wenigstens noch in den Ausschüssen einen Stab von Referenten zur Verfügung hätten, die vielleicht vorher unterrichtet, uns das Material unterbreiten könnten, dann ließe sich über den Fall vielleicht noch eher reden. Es ist absolut unmöglich, jetzt zu all diesen Dingen Stellung zu nehmen.
Auf den ersten Blick erhebt sich zum Beispiel die Frage: Wie ist es denn mit der Preisgestaltung bei den Grundstücken? Ist es notwendig, wenn man schon überhaupt freigibt, insbesondere die Grundstücke noch unter Preiskontrolle zu halten? Es hat sich zum Beispiel gezeigt, daß städtische Grundstücke in vielen Fällen schon unter dem Einheitswert gehandelt werden und die Leute froh sind, wenn sie ihr Eigentum zu solchen Preisen überhaupt verkaufen können. Ähnlich ist es bei den landwirtschaftlichen Grundstücken, wenigstens zum Teil. Ich will gar nicht entscheiden - da wir keine Zeit hatten, das zu prüfen, läßt sich das letzte Wort darüber nicht sagen -, ob hier noch eine Preisprüfung erforderlich ist oder nicht. Aber wenn man allein diese eine Frage aufwirft, so zeigt sich, daß es für das Haus unmöglich ist, heute hier dazu Stellung zu nehmen.
Jetzt erhebt sich die Frage, wie die Regierung es sich überhaupt vorstellt, daß dieses Gesetz in den zur Verfügung stehenden gut drei Wochen noch verabschiedet und über all die formalen Schwierigkeiten hinaus - ({0})
- Er hört nicht zu! Das sind wir gewohnt. Meine verehrten Damen und Herren, solange die Regierungsparteien nicht willens sind, der Regierung gelegentlich einmal eine Quittung für ein solches Verhalten zu geben, dürfen wir uns darüber nicht wundern. Aber vielleicht kommt im Laufe der Zeit die Einsicht.
Das sind die Bedenken, die wir nicht nur in formeller, sondern vor allen Dingen auch in materieller Hinsicht bezüglich der Art und der Begründung dieses Gesetzentwurfs vorzutragen haben. Was wir an dem Inhalt noch rügen werden, muß sich im Laufe der weiteren Beratung ergeben.
Wenn ein Gesetz von solcher Wichtigkeit vorliegt, dann, meine sehr verehrten Damen und Herren - es blitzt schon wieder das Licht auf, das das Ende meiner Redezeit avisieren soll -, genügt eine solche Beschränkung der Redezeit einfach nicht; denn man muß schließlich auch rein zeitlich Gelegenheit haben, die einzelnen Punkte wenigstens einmal anzuschneiden. Gedanken zu entwikkeln ist bei einer solchen Beschränkung der Redezeit überhaupt nicht möglich, sofern man welche hat. Ich muß also darauf verzichten, jetzt zu Einzelheiten Stellung zu nehmen.
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- Meine Damen und Herren, ich lege auf das Zuhören des Ministers gar nicht solchen Wert; denn nicht der Minister, sondern das Haus hat letzten Endes über das Gesetz zu entscheiden,
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und wenn der Herr Minister sich nicht angewöhnen will, zuzuhören, wenn Redner der Opposition sprechen, dann müssen wir, nämlich das Haus einschließlich der Regierungsparteien, die Mitglieder der Regierung auf die Dauer doch einmal dazu zwingen. Schließlich werden sich die Vertreter der Regierungsparteien darüber klar sein müssen, daß sie auch einmal in der Opposition stehen können und daß es sich hier nicht nur um Oppositionsredner oder Regierungsredner, sondern letzten Endes um das Gewicht des Parlaments handelt,
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dessen Interesse wahrzunehmen ebensosehr auch Angelegenheit der Regierungsparteien ist oder wenigstens sein sollte.
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Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Schoettle!
Meine Damen und Herren! Ich möchte mit aller Entschiedenheit gegen die Mißachtung des Hauses protestieren, die darin liegt, daß sich die Herren von der Regierungsbank und einzelne Abgeordnete während der Beratung eines wichtigen Gesetzentwurfs hier oben unterhalten, ohne sich um das zu kümmern, was von diesem Platz aus gesagt wird.
({0}) Wenn das so weitergeht, ist es völlig unmöglich, überhaupt noch ernst zu nehmen, was die Regierung diesem Hause vorlegt, wenn sie es selber nicht ernst nimmt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Etzel.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt der Verweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und den Ausschuß für Ernährung ebenfalls zu. Wir glauben, daß dieses Gesetz in den Ausschüssen noch einer sehr ernsten Beratung bedarf. Wir sind der Meinung, daß nicht alle Bestimmungen so, wie die Bundesregierung sie vorgelegt hat, ohne weiteres akzeptiert werden können, und ich bin auch der Auffassung, daß § 5 des vorgelegten Entwurfs unter keinen Umständen in dieser Form angenommen werden kann. Das Gesetz, welches uns heute vorgelegt wird, stellt im übrigen eine notwendige Verbesserung gegenüber der bisherigen gesetzlichen Form dar. Diese Verbesserung wollen wir dankbar anerkennen. Wir wissen, daß die Preisgesetzgebung auf gewissen Gebieten aufrechterhalten werden muß. Die Begründung, die dem Gesetz beigegeben worden ist, hat ja im einzelnen dargelegt, um welche Motive es sich hier handelt. Das Gesetz stellt gegenüber der bisherigen Regelung insofern eine bedeutende Verbesserung dar, als in positiver Form aufgeführt ist, auf welchen Gebieten die Preisgesetzgebung überhaupt noch aufrechterhalten werden kann, und wir glauben, daß gerade die jetzige Fassung auch der Praxis ein wertvolles Mittel in die Hand geben wird, die Preisgesetzgebung einfacher anzuwenden, weil die jetzige Sachdarstellung außerordentlich klar ist.
Es lohnt nicht, in diesem Zusammenhang bei der ersten Lesung auf die einzelnen sachlichen Bedenken einzugehen, die ja, wie das der Übung dieses Hauses entspricht, in den Ausschüssen unter allen Umständen eingehend beraten werden müssen. Darum versage ich es mir, die Zeit des Hohen Hauses wegen einzelner sachlicher Bedenken besonders in Anspruch zu nehmen, sondern beantrage die Verweisung.
Die Rednerliste ist erschöpft.
Es ist beantragt, den Antrag an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu verweisen. In dem Gesetzentwurf werden jedoch auch Verkehrsfragen behandelt. Ich rege daher an, auch an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. Federführend wird wohl der Ausschuß für Wirtschaftspolitik sein müssen. - Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Dann rufe ich Punkt 2 der Tagesordnung auf: Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines zweiten Gesetzes für den Wohnungsbau: Das „Deutsche Wohnungswerk" ({0}).
Redezeit für die Einbringung 20 Minuten; 60 Minuten Debatte.
Wer will dieses Gesetz begründen? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Dr. Preusker ({1}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir haben im Bundestag kurz vor den Osterfeiertagen fast einstimmig das Erste Wohnungsbaugesetz des Bundes verabschiedet und damit bewiesen, daß dieses dringendste oder mit das dringendste soziale Problem unserer Zeit alle unsere Herzen bewegt hat und sich alle Parteien gemeinsam darum bemüht haben, die größte Zahl von Wohnungen, die überhaupt gebaut werden können, und dazu die größte zahl von Wohnungen mit tragbaren Mieten für die ärmeren Bevölkerungsschichten in diesem und in den kommenden Jahren zu erstellen. Wir haben aber damals bei den Beratungen vor der Tatsache gestanden, daß in der Bundesrepublik mindestens vier Millionen Wohnungen, vielleicht sogar fünf Millionen Wohnungen fehlen, jedoch mit den Mitteln, die der Bundeswohnungsminister für dieses Jahr hat zusammenschaffen können und die immerhin gewaltig sind, nämlich 2,5 bis 2,7 Milliarden DM betragen, günstigstenfalls nur 320 000 Wohnungen gebaut werden können.
Es kommt ein Weiteres hinzu. Wir sehen mit aller Deutlichkeit, daß auf die Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden eine derartige Fülle von Kriegs- und Kriegsfolgelasten zukommt - ich erinnere nur an die Besatzungslasten, an die berechtigten Ansprüche der Kriegsopfer, an die Ansprüche der vertriebenen Beamten, der entnazifizierten Beamten, der ehemaligen Wehrmachtspensionäre; und sie können diese Liste beliebig weiter verlängern -, daß schon jetzt abzusehen ist, daß der Bund und die Länder kaum in der Lage sein werden, aus ihren Haushalten zur Förderung des sozialen Wohnungs({2})
Baus in den kommenden Jahren höhere Beträge als die in diesem Jahr aufgewendeten zur Verfügung zu stellen.
Auf der anderen Seite ist auch bisher die private Kapitalbildung noch nicht wieder in der Breite vorhanden und kann nach den Zerstörungen und Vernichtungen des Krieges auch gar nicht vorhanden sein, um das Problem der schnellen Finanzierung eines außergewöhnlich großen Wohnungsbaus zu einer sorgenlosen Angelegenheit zu machen.
Deshalb gingen nun unsere Überlegungen dahin, den Versuch zu machen, alles, was überhaupt nur möglich ist, zugunsten eines freiwilligen Zwecksparens aller zur Selbsthilfe entschlossenen deutschen Bevölkerungsteile zu tun. Aus diesen Überlegungen, die Selbsthilfe und das Zwecksparen in stärkstem Umfang mit einzuspannen, ist der Gedanke des „Deutschen Wohnungswerks" in die Form des vorliegenden Gesetzentwurfes gebracht worden. Er hat schon bei den Beratungen des ersten Wohnungsbaugesetzes eine Rolle gespielt. Sie werden sich noch daran erinnern, daß damals mit dem Gesetz vom Bundestag einstimmig eine Entschließung angenommen wurde, wonach auch den Beziehern kleinerer Einkommen ein erheblicher steuerlicher Anreiz für jede Spartätigkeit für den Wohnungsbau gewährt werden soll, und daß damals in Besprechungen mit dem Finanzminister ein Übereinkommen dahin erzielt wurde, bis zum Juli dieses Jahres eine Novelle zum Einkommensteuergesetz herauszubringen, die es den Beziehern kleinerer Einkommen ermöglicht, 25 °/o ihrer für den Wohnungsbau ersparten Beträge von ihren steuerlichen Verpflichtungen in Abzug zu bringen.
Es war damals klar, daß die praktische Durchführung dieses steuerbegünstigten Wohnungssparens für die ärmeren Bevölkerungsschichten erheblichen Schwierigkeiten begegnen würde, wenn nicht Wege gefunden werden könnten, um dies ohne verwaltungsmäßige Mehrarbeit, ohne Schwierigkeiten der Nachprüfung, also glatt und reibungslos abzuwickeln. Das „Deutsche Wohnungswerk" hat versucht, einen solchen gangbaren Weg zu finden, der gleichzeitig geeignet ist, einen Anreiz für das Wohnungssparen zu geben und dieses in den breitesten Schichten unseres Volkes populär zu machen. Es soll bei allen Banken, bei allen Sparkassen, bei allen Kreditgenossenschaften oder Bausparkassen jeweils ein Konto „Deutsches Wohnungswerk" geführt werden. Auf diese Konten sollen von jedem, der daran interessiert ist, auf besonderen Sparkarten mit Sparmarken Einzahlungen vorgenommen werden, und zwar in der Weise, daß für eine Sparmarke von einer Mark nur 75 Pfennige oder entsprechend für 20 Mark nur 15 Mark zu zahlen sind. Auf Grund der monatlichen Meldungen aller Kreditinstitute kann dann der Finanzminister in einer Summe aus dem Lohnsteueraufkommen die Differenzbeträge als Prämie überweisen.
Diese Art der technischen Durchführung wurde im großen Rahmen damals bereits mit dem Bundesfinanzminister abgesprochen und fand im wesentlichen seine Billigung. Sie gibt auf der andern Seite auch die große Möglichkeit, jedem einzelnen sichtbar zu machen, welche Vorteile es für ihn hat, wenn er, statt im Augenblick irgendeinem Genuß nachzugeben, für den Erwerb einer Wohnung oder eines Eigenheimes spart.
Dazu muß aber noch etwas anderes kommen, nämlich das Gefühl der Sicherheit, daß in dem Augenblick, in dem die geforderte Sparleistung erbracht ist, auch tatsächlich die Gewähr besteht, eine Wohnung oder ein Eigenheim zu erhalten.
In der Herstellung dieses Gleichlaufs von Spartätigkeit auf der einen Seite und von Bautätigkeit auf der andern Seite liegt das schwierigste Problem, das im Rahmen des „Deutschen Wohnungswerks" zu bewältigen ist. Da muß ich kurz auf den Gedanken eingehen, der dem Ganzen zugrunde liegt, nämlich nicht eine neue große Mammutbehörde zu schaffen, eine neue Apparatur, die etwa selber Wohnungseigentum erwerben will oder die selber Kreditgeschäfte zu betreiben gedenkt, sondern hier nur einen Lenkungs- und Steuerkopf zu schaffen, der sich im übrigen vollkommen der bestehenden Einrichtungen der Kreditinstitute, der bestehenden Einrichtungen der Bauwirtschaft und der bestehenden Träger der Wohnungswirtschaft bedient und es absolut ihrer freien und privaten Initiative und Entscheidung überläßt, sich im Wettbewerb um das Ziel der Schaffung möglichst vieler Wohnungen und Eigenheime zu betätigen. Das „Deutsche Wohnungswerk" wird deshalb einmal die Führung der Sparkonten den bestehenden Banken überlassen. Es wird zum zweiten die Vergabe der Wohnungen, soweit sie als Mietwohnungen errichtet werden, für alle Interessenten ausschreiben, seien sie private Bauherren, seien sie gemeinnützige Wohnungsunternehmen, seien sie freie Wohnungsunternehmen, die gewillt sind, unter den Bedingungen der Finanzierungshilfe, die ihnen hier geboten wird, Wohnungen zu errichten. Es wird ebenso für alle Eigenheimbauten im Wege der Ausschreibung Bauherren suchen, die bereit sind, zu den gebotenen Finanzierungsbedingungen Eigenheime zu erstellen. Es. wird also die örtliche Initiative und den örtlichen Wettbewerb der Bauherren und Architekten in vollem Umfange einschalten und zum Tragen bringen und nicht in irgendeiner Form zu einer Zentralisierung, zu einer Bürokratisierung oder zu einer Aufblähung führen. Das sind einmal die entscheidenden Grundgedanken.
Ich meine, es darf eben nicht mehr jeder einzelne in Deutschland darauf warten, daß der Staat etwas für ihn tut; denn der Staat kann tatsächlich nur noch für diejenigen Menschen etwas tun, die sich selbst und mit ihrer Hände Arbeit überhaupt nicht mehr zu helfen vermögen. Es muß vielmehr bei unseren deutschen Menschen das Gefühl dafür geweckt werden, daß ihre Eigeninitiative in vollem Umfange belohnt wird durch diese starken Anreize und Vergünstigungen, wenn sie ihren Willen, etwas voranzubringen, beweisen. Gleichzeitig soll auch das Gefühl bei ihnen wieder gestärkt werden, wie wertvoll es ist, zu einem neuen Heime, zu einer neuen Heimat zu kommen.
Es wird wegen der praktischen Durchführung im einzelnen noch sehr viel zu beraten sein. Die Sparbeträge, die der Entwurf angenommen hat, sind so angesetzt worden - mit 3000 DM für eine Mietwohnung, d. h. effektiv vom Sparer zu leisten 2250 DM, oder mit 4200 DM für ein Eigenheim, effektiv zu leisten 3150 DM -, daß außer der erststelligen Marktfinanzierung auch noch eine gewisse zweitstellige Finanzierung - wenn auch in erheblich geringerem Umfange als gegenwärtig, im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus - notwendig sein wird. Es ist daran gedacht, daß diesen Raum in stärkerem Umfange allmählich auch der marktmäßige zweitstellige Kredit ausfüllen soll und daß gerade die Institution des „Deutschen Wohnungswerks" als eine zusätzliche Gewähr für die Sicherheit dieser nachstelligen Hypotheken die Heran({3})
ziehung und Gewährung solcher marktmäßigen nachstelligen Mittel beflügeln soll. Aber bis diese zusätzliche Aufgabe der Wiedererweckung eines nachstelligen Hypothekenmarktes gelöst worden ist, bis dahin wird zweifellos ein gewisser zweitstelliger Förderungsbetrag aus öffentlichen Mitteln notwendig sein. Er ist, wie ich schon eben sagte, erheblich geringer als gegenwärtig notwendig, weil die Sparleistung des Wohnungssparers oder des Eigenheimsparers hinzutritt, und insofern können erheblich mehr Wohnungen mit den gleichen Gesamtsummen an öffentlichen Förderungsmitteln erstellt werden als bisher.
Es ist sicher, daß der Gedanke des „Deutschen Wohnungswerks", wenn er in der geeigneten Form in die Öffentlichkeit hineingetragen wird, es bewerkstelligen kann, daß breiteste Kreise von dieser Form des Zwecksparens Gebrauch machen und daß dadurch erhebliche Mittel, die gegenwärtig in einen vielleicht nicht immer volkswirtschaftlich wertvollen Konsum fließen, der Lösung des dringendsten sozialen Problems zugeführt werden. Deshalb ist auch beabsichtigt, die werbemäßige Auswertung des Gedankens in stärkstem Umfange mit in die Waagschale zu werfen. Es soll dahin kommen, daß die Eltern, die Verwandten für ihre heranwachsenden Kinder solche Sparmarken erwerben, daß der junge Mann, der einmal heiraten will, sich schon rechtzeitig an der Spartätigkeit für das „Deutsche Wohnungswerk" beteiligt. Und gerade von dieser Mitnutzbarmachung der Werbewirkung des Gedankens versprechen wir uns unter den gegenwärtigen Umständen, bei denen es sich darum handelt, jede nur irgendwie erreichbare Mark in den Wohnungsbau hineinzuziehen, außerordentlich viel.
Wenn ich noch kurz auf die Technik des „Deutschen Wohnungswerks" eingehen darf, so will ich nicht verhehlen, daß es auf manchen Gebieten einige grundlegend neue Entschlüsse verlangt, beispielsweise in der Frage des Zusammenwirkens des Bundes und der Länder in der Vergabe der zweitstelligen öffentlichen Förderungsmittel. Aber dazu möchte ich das eine sagen: was wir hiermit wollen, ist, eine vollkommen neue Idee in unsere Bevölkerung hineinzutragen, nämlich die Idee einer Verbindung zwischen der Einzelinitiative, dem Gedanken der Selbsthilfe, dem Gedanken des Erwerbs von Eigentum auf der einen Seite und der Lenkung in einer geeigneten Form durch eine zentrale Stelle auf der anderen Seite, also gewissermaßen eine Synthese mit absolut konformen Mitteln als Ausdruck dessen, was wir unter „sozialer Marktwirtschaft" verstehen. Es soll das Ziel des Deutschen Wohnungswerks sein, allen denen, die aus eigener Kraft etwas schaffen und voranbringen wollen, die nötige Hilfe und Unterstützung zu leihen, damit sie zu einem neuen Heim, zu einer neuen Heimat kommen können.
In diesem Sinne bitte ich das Hohe Haus, den Mut zu haben, an die neuartigen Gedanken dieses Gesetzes heranzugehen und auch den Mut zu finden, in Dingen, die im Rahmen bisheriger Überlegungen vielleicht etwas gewagt erscheinen, zu einer praktischen und gangbaren Lösung zu kommen. Auf diese Weise könnte für unsere Bevölkerung eine neue Hoffnung erweckt und eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, mit dem dringendsten sozialen Problem, der Wohnungsnot, wesentlich schneller fertig zu werden, als es nach den nüchternen Zahlen jetzt den Anschein hat.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Klabunde.
Meine Damen und Herren! Kollege Dr. Preusker hat uns aufgefordert, Mut zu haben. Das ist eine sehr nützliche Aufforderung. Aber der Mut' sollte sich nicht nur auf die Konstruktion beziehen, sondern auch auf die Kritik an der Konstruktion, damit das Endergebnis den Erwartungen möglichst entsprechen kann. Wenn ich Sie nun bitte, diese kritische Sonde anzulegen, dann sei voraus bemerkt, daß wir Erwägungen, wie die Spartätigkeit zugunsten des Wohnungsbaues gefördert werden kann, selbstverständlich begrüßen. Daß solche Erwägungen, um zum Ziel zu gelangen, nicht nur nützliche gerade Wege gehen können, sondern zum Teil auch Umwege gehen müssen, ist eine Erfahrung des Lebens, die auch hier gilt. Ich sage das, weil nämlich unsere Zustimmung zu dem Vorschlag des Herrn Kollegen Dr. Preusker sich im wesentlichen nur auf die erste Hälfte des § 1, ich kann auch sagen, des einzigen Satzes des § 1, beziehen kann.
Als wir das Wort Wohnungswerk hörten, nahmen wir an - wir wären für eine Aufklärung darüber dankbar -, daß es einen anderen Sinn habe; denn der Gedanke ist ja zunächst von unserem Kollegen_ Dr. Gerstenmaier in ganz anderem Zusammenhang geäußert worden. Dort ist die Bezeichnung „Wohnungswerk" gefunden worden. Damit später keine Unklarheiten entstehen, wäre es ganz nützlich, wenn wir über den Übergang des Titels von dem einen an den anderen Verfasser etwas hören könnten. Aber unabhängig von dem Wort selbst sei folgendes festgestellt.
Die Lösung, die der Vorschlag des Kollegen Preusker bringen will, bedeutet an keiner Stelle einen Fortschritt gegenüber dem Gesetz, das wir am 28. März beschlossen haben, sondern es ist an vielen Stellen ein leider schmerzlicher Rückschritt, und ich hoffe, daß uns nichts, auch nicht die Lage der öffentlichen Finanzen, zwingt, diesen Rückschritt zu tun. Herr Kollege Preusker, wir haben bei der Beratung des Ersten Wohnungsbaugesetzes viele Stunden zusammengesessen und haben, glaube ich, ein Ergebnis erzielt, das uns befriedigt hat. Die Beratungen des Ausschusses, und zwar des gleichen Wohnungsbauausschusses, über dieses Gesetz werden, nehme ich an, ein ähnliches Ergebnis haben. Aber wir wollen ganz offen aussprechen, was wir an Hindernissen hierfür sehen.
Zunächst einmal dürfte schon die Kontruktion verfassungsmäßig auf eine Fülle von Schwierigkeiten stoßen. Ich kann mir nicht vorstellen. daß eines der Länder dieser hier gewählten Konstruktion zuzustimmen vermag; denn es wird hier für die Länder, die Wohnungsbau treiben wollen, in Zukunft neben den Zuteilungen des Herrn Bundeswohnungsministers aus den Mitteln des Herrn Bundesfinanzministers und aus den Mitteln der Soforthilfe eine weitere Stelle geschaffen, bei der sie um ein genügend großes Kontingent zu petitionieren haben, nachdem nicht festgelegt ist, daß der Herr Bundeswohnungsminister die Beträge aufschlüsselt. Das ist ein ganz entscheidendes Hindernis. Wir haben bis jetzt keine Veranlassung, die dankenswerte Initiative der Länder abzubauen, die zwar manchmal etwas geholpert, schließlich aber doch ein bedeutendes Ergebnis gezeitigt hat, und an ihre Stelle die Initiative eines noch nicht bewährten Apparates zu setzen.
({0})
Wir wollen uns weiter darüber klar sein, daß die bemerkenswert vollständige Aufzählung in § 4, wer dieses Präsidium bildet, interessanterweise an den Mitmietern, an den Gewerkschaften und an den Unternehmern, die ja Mittel nach § 7c des Einkommensteuergesetzes geben sollen, vorübergegangen ist.
({1}).
Wenn man schon vollständig sein will, hätten das noch andere sein können, vor allem um zu zeigen, daß man nicht nur die eine Seite der Wohnungswirtschaft, nämlich diejenigen, die das Eigentum an den Objekten haben werden und die eventuell das Geld dazu geben, heranzieht, sondern auch andere. Es sind auch so kleine Schnitzer vorgekommen wie der, daß hier ein Präsident der Invalidenversicherung eingeführt wird, den es gar nicht gibt.
({2})
- Der kann aber noch kommen. Immerhin wäre es natürlich für einen solchen Entwurf eine bessere Vorarbeit gewesen, wenn derartige Dinge berücksichtigt worden wären.
Nun aber zur Sache selbst. Der Mann wird in dem Augenblick, da er die erste Mark spart, gezwungen, zu entscheiden: will ich eine Mietwohnung oder ein Eigenheim haben? Diese Entscheidung auf einen so frühen Zeitpunkt zu verlegen und die örtlichen Stellen daran zu binden, ist sehr problematisch, weil wir Städte haben, die auf engem Boden Mietwohnhäuser bauen müssen und es nicht der Entscheidung der Bewohner überlassen können, ob sie auf städtischem Gelände, also aus Gemeindemitteln - notfalls durch Zwang des Gesetzes - Boden bekommen. Vielleicht jedoch kann Boden gar nicht zur Verfügung gestellt werden.
Aber nun setzt die Bürokratie ein, und hier ist gerade dadurch zuviel geboten worden, weil das Gesetz zu vollständig sein wollte. Es interessiert gar nicht, wie das Verfahren in den Details funktioniert. Wenn aber die betreffende Bank jeden Monat zweimal die Aufstellung der Namen der Sparer und der ihnen zustehenden Beträge - so steht es im § 7 - einreichen soll, so sollte man sich doch überlegen, ob man derartige Vorschläge wirklich zwingend macht. Wenn wir uns um die Einengung der Bürokratie bemühen, so müßte diese zuerst in unseren eigenen Entwürfen eingeengt werden. Ich glaube also, verwaltungsmäßig wäre hier noch manches zu vereinfachen.
Die Vorschrift in § 10 über die unverzügliche Zustellung an den Antragsteller bedeutet, wenn eine genügend große Zahl von Antragstellern und Sparern da ist, verwaltungsmäßig eine Unmöglichkeit, weil niemand über die Kapazität der deutschen Wohnungswirtschaft hinaus bauen kann und weil zweifellos auch für diejenigen gebaut werden muß, die sich dem „Deutschen Wohnungswerk" nicht anschließen können.
({3})
Das ist eine sehr große Zahl von Bewerbern, und es ist unmöglich, bei der Viertelmillion Wohnungen, die der Herr Minister für dieses Jahr mit Recht erwartet, zu sagen: diejenigen, die beim „Deutschen Wohnungswerk" sparen, haben den Vorrang vor allen anderen. Wir können ihnen keine Zusage machen, deren Erfüllung hinterher auf Schwierigkeiten stoßen wird und die niemand, unabhängig vom politischen Standpunkt, verantworten kann.
Meine Damen und Herren! Gehen Sie bitte weiter und vergleichen Sie bitte. Im Wohnungsbaugesetz vom 28. März haben wir dem Sparer, der eigene
Mittel für den Wohnungsbau zur Verfügung stellt, zugesagt: du bekommts 4 % Zinsen, soweit es sich um die ersten 15 % des Kapitalbetrages handelt, und, soweit es darüber hinausgeht, den Zinsbetrag der marktmäßigen Hypotheken, also heute etwa 6 %. In 30 Jahren würde also ein solcher Mieter nach dem Wohnungsbaugesetz eine sehr erkleckliche Summe Zinsen zu bekommen haben, bei Herrn Dr. Preusker laut § 11 nichts. Er bekommt nur vom 30. Jahre an in 10 Jahren das Kapital zurückgezahlt, das hier „Rente" heißt. Auf diese Bezeichnung will ich nicht im einzelnen eingehen, darüber möchte ich nicht streiten. Ich will nur sagen, er hat einen mittleren zinslosen Kredit von 35 Jahren zu liefern. Das ist tatsächlich eine entscheidende Schlechterstellung des kleinen Sparers gegenüber dem Wohnungsbaugesetz. Ich glaube, man wird, unabhängig von dem politischen Standort, eine solche Verschlechterung nicht mitmachen dürfen; das muß man ganz deutlich aussprechen.
Das Gesetz geht dann etwas großzügig mit der Bezeichnung „sozialer Wohnungsbau" um, übernimmt im Prinzip, aber nur dekorativ, die Mietsätze des am 28. März beschlossenen Gesetzes und erhöht sie um rund 50 %,
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wie ich Ihnen nachweisen werde. So haben es wahrscheinlich die Verfasser nicht gemeint; ich will ihnen den guten Willen durchaus unterstellen. Aber Sie kommen notwendigerweise zu dieser Konsequenz. Die Wohnungen, die wir heute mit 50 qm Fläche für 10 000 DM bauen und die in den Großstädten 600 DM jährliche Miete kosten sollen, erfordern nach dem Rezept von Herrn Dr. Preusker an Zinsen und Zinsverzichten des Mieters für das Geld, das er hingegeben hat, plus Tilgung allein schon bei 50 qm Fläche 580 DM Kapitalkosten der genannten Art, so daß, wenn die Bewirtschaftungskosten noch hinzutreten, diese Wohnung pro Monat nicht mehr 50 DM, sondern 72 DM kostet. Das ist rund 50 0/o mehr. Wenn wir solche Mieterhöhungen vornehmen müssen, dann wollen wir das doch ganz offen aussprechen.
Ich will weitergehen. Hier werden die Eigenheime genannt. Ich habe es zu den Sätzen, die das Gesetz vorschreibt, kalkuliert; der Mindestbetrag, den das Eigenheim an monatlichen Kosten verursacht, ist 83 DM für das kleinste Eigenheim, das noch nicht einmal die von Herrn Preusker gewünschten 65 qm erreicht, während das Eigenheim für kinderreiche Familien 24 000 DM Baukosten verursacht und natürlich entsprechende Zinsen, Tilgungs- und Bewirtschaftungskosten aufweist.
Ich will zum Schluß kommen. Sie sehen, daß dieses Gesetz zweifellos aus besten Absichten geboren ist, das ist nicht zu bestreiten, daß aber die rechnerischen Unterlagen nicht sorgfältig genug geprüft zu sein scheinen. Wenn sie sorgfältig geprüft sind, ist das Ergebnis schlecht, so daß eine entscheidende Korrektur dieses Entwurfs erforderlich ist. Wir müssen zunächst einmal wissen, was wir wollen. Wir müssen dieses Gesetz in das Gesamtwohnunsbauprogramm einfügen. Es hat gar keinen Zweck, jetzt vor die Öffentlichkeit zu treten und mit dem neu entstandenen Wohnungswerk, für das sich manche zynischen Kritiker schon das Wort „Wunderwerk" angewöhnt haben, hausieren zu gehen und Hoffnungen zu erwecken, die wir nicht erfüllen können.
Meine Aufgabe ist, an Sie alle zu appellieren: Versprechen wir nichts, was wir nicht halten können, und lassen wir andererseits die brutale Wirklichkeit sprechen, deren Stimme gehört werden muß. Doch
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seien wir gerade deswegen vorsichtig. Versuchen Sie doch bitte in Ihren Parteien zu erreichen, daß man einige Monate nicht mehr darüber redet, sondern daß das Gesetz gründlich beraten und so geändert wird, wie es wirklich notwendig ist, damit wir es dann vor den Wohnungsuchenden und den Sparern verantworten können und man uns nicht nachsagt, wir hätten die Öffentlichkeit durch ein geschicktes Arrangement nicht mit der vollen Wahrheit vertraut gemacht. Verweisen Sie das Gesetz also an den Ausschuß!
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, die Diskussion und die sachverständige Kritik des Herrn Kollegen Klabunde hier fortzuführen. Ich darf mich für meine Freunde auf einige wenige Bemerkungen beschränken.
Wir sind der Meinung, daß alles, was von diesem Hause aus getan werden kann und was im Bereiche der Gesetzgebung überhaupt möglich ist, über das Erste Wohnungsbaugesetz hinaus auch fernerhin geschehen muß, um so alle Kräfte mobilzumachen und einer großen Volksnot möglichst solidarisch mit den Kräften des ganzen Volkes zu begegnen. Trotz unserer erheblichen Bedenken glauben wir, daß der vorliegende Gesetzentwurf über ein Deutsches Wohnungswerk doch als eine Diskussionsgrundlage angesehen werden könnte und als solche bei den Beratungen des Wiederaufbauausschusses dieses Hauses in Betracht gezogen werden sollte.
Die Frage des Bausparens und seiner Förderung bedarf einer genauen, sorgfältigen und energischen Überlegung in diesem Hause. Hier sehen wir den Vorzug des Entwurfs. Wir sind aber, das spreche ich noch einmal aus, mit den Einzelheiten dieser Vorlage, so wie sie vor uns liegen, nicht einverstanden, glauben aber, daß sie vielleicht in gemeinsamen Bemühungen so geändert und wieder neu zusammengestellt werden können, daß bei der Verabschiedung dieses Gesetzes eine große Einmütigkeit in diesem Hause zu erzielen ist.
Erlauben Sie mir noch, einen zweiten Gedanken hinzuzufügen. Es war nicht im Sinne der Erfinder, daß das Gesetz sich völlig auf die Frage des Bausparens beschränken soll. Wir - im Kreise meiner engeren Freunde - hatten zunächst daran gedacht, mit dem Deutschen Wohnungswerk einen Versuch zu machen, einen Versuch der freien Zusammenfassung aller im Wohnungsbau- und Siedlungswesen unseres Volkes Tätigen. Wir denken an eine Zusammenfassung aller im Wohnungs- und Siedlungsbau tätigen gesellschaftlichen Kräfte des Volkes - gesellschaftlich im soziologischen Sinn des Wortes gemeint. Es sollte nicht einer Reglementierung durch den Staat bedürfen. Der Staat sollte sich darauf beschränken, den Rahmen und allenfalls die Richtlinien für eine Kooperation der freien Initiative aller bereits mit der Sache befaßten Kräfte festzulegen. Wir legen sehr großen Wert darauf, daß dieser gemeinsame Schritt in die Substanz der Sache hinein nicht der letzte bleibt, sondern daß man diesen Weg weitergeht. Wir haben in diesem Hause schon einmal gute Erfahrungen mit solchen Bemühungen gemacht. Das hat uns Wochen hindurch sauere Arbeit gekostet. Wir glauben, daß uns der Erfolg ermuntern sollte, auf diesem Wege weiterzugehen. Den Erfolg sehe ich vor allem darin, daß das Erste
Deutsche Wohnungsbaugesetz von einer großen Mehrheit dieses Hauses beschlossen und verabschiedet worden ist. Wir sollten alles versuchen, was überhaupt möglich ist, um für die Sache des Wohnungsbaues in diesem Hause in Zukunft noch größere Einigkeit und Zusammenarbeit herbeizuführen.
Noch einmal: es handelt sich nicht darum, dem berufenen Wohnungsbauminister eine Kompetenz wegzunehmen. Es handelt sich auch nicht darum, die Staatskompetenz weiter auszudehnen. Es geht darum, daß sich in Sachen des Wohnungs- und Siedlungsbaues in den nächsten Jahren keine Resignation auf unser Volk legt. Denn es handelt sich nach wie vor um eine große Volksnot, und auch die Leistungen auf Grund des Ersten Wohnungsbaugesetzes werden weitgehend davon abhängen, wieweit draußen im Lande, im Bunde sowohl wie in den Ländern und Gemeinden, in der Sache selber eine Kooperation aller Kräfte herbeigeführt werden kann. Die hier eingebrachte Vorlage sollte deshalb auch unter diesem zweiten Gesichtspunkt - freie, aber planvolle Kooperation aller am Wohnungs- und Siedlungsbau beteiligten Instanzen und Kräfte - eingehend erwogen und vor allem sachgemäß erweitert werden.
Ein dritter wichtiger Punkt ist dann eine sachgemäße und richtige publizistische Handhabung der ganzen Angelegenheit. Wir denken dabei nicht nur an unseren geschätzten Bundesanzeiger. Was in ihm steht, lesen die Leute draußen nicht. Hier muß eine Art der Berichterstattung einsetzen, die das, was öffentlich geschieht, auch in das Bewußtsein unseres Volkes bringt. Wir möchten meinen, daß dabei ein Instrument wie das hier erörterte Deutsche Wohnungswerk helfen könnte. Gesetzestechnisch wäre eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, über deren Form und Zuständigkeiten im einzelnen geredet werden müßte, wahrscheinlich das Gegebene.
Ich möchte damit aber nicht in die Behandlung von Einzelfragen eintreten, sondern zum Schluß nur dem Votum meiner Fraktion Ausdruck geben: wir beantragen, daß der Entwurf an den Wohnungsbauausschuß als den federführenden Ausschuß und zur Mitberatung an den Ausschuß Geld und Kredit überwiesen wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Dem Antrage, den vorliegenden Gesetzentwurf dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Ausschuß für Wohnungsbau zu überweisen, schließen wir uns an. Insbesondere glauben wir die Notwendigkeit unterstreichen zu sollen, diesen Entwurf an den Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen; denn der Kernpunkt des ganzen Wohnungsbaues liegt doch in der Frage der Finanzierung, wesentlich mehr jedenfalls als in der Frage einer etwaigen Baukapazität. Diese Frage der Finanzierung ist auch in dem vorliegenden Entwurf wohl die Kernfrage. Das übrige möchte ich als Rankenwerk bezeichnen.
In diesem Kernstück sind einige wesentliche Gedanken enthalten, die wir durchaus begrüßen, so die Frage der Schaffung von Sparmarken und der damit verbundenen Steuerbegünstigung. Dieser Gedanke ist schon bei den Besprechungen und Beratungen gelegentlich der zweiten Steueränderungsnovelle hier im Hause besprochen worden. Ich erinnere mich, daß es insbesondere die Partei der
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Antragsteller war, die diesem Gedanken zwar grundsätzlich zustimmte, aber der sofortigen Einführung dieser Vorschrift noch in die Steueränderungsnovelle widersprach. Wir müssen also warten, ob der Herr Finanzminister uns entsprechend unserem Entschließungsantrag bis zum 1. Juli eine Vorlage bringt. Der Herr Finanzminister hat damals darauf hingewiesen, daß die Dinge sehr schwierig seien und er nicht wisse, ob er finanztechnisch damit zurechtkomme.
Gerade in diesem Zusammenhang ist von unserer Seite auch darauf hingewiesen worden, daß mit derartigen Sparmarken wohl etwas zu erreichen sei. Ich wundere mich deshalb, daß der gleiche Gedankengang, der hier vor einiger Zeit nicht gebilligt wurde, obwohl man ihm hätte zustimmen können, heute in einem Gesetzentwurf wiederkehrt, der uns von der FDP vorgelegt wird. Da frage ich mich weiter, ob es richtig und zweckmäßig ist, daß eine Partei, die als zuständigen Minister, als Wohnungsbauminister Herrn Minister Wildermuth im Kabinett hat, nun unter ihrem eigenen Namen einen solchen Initiativantrag einbringt, und ob es nicht den dieser Partei angehörenden Minister desavouiert, wenn man ihn noch als prominentes Mitglied seiner Partei in das Kabinett entsendet, gleichzeitig ihm aber nicht die Fähigkeiten zutraut, diese - ({1})
- Entschuldigung! Ich frage mich, sagte ich, ob es dann nicht richtiger wäre, diese Gedanken durch das prominente Mitglied im Kabinett durchzusetzen und dem Parlament auf dem verfassungsmäßig gegebenen Wege eine sorgfältig durchgearbeitete Kabinettsvorlage zu machen. Immerhin bin ich mir darüber klar, daß es sich hier nicht um eine Frage der Zulässigkeit handelt, sondern um eine Frage des Taktes, und nur diese Frage wollte ich in dieser Form hier aufwerfen.
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- Ob man sich über Taktfragen belehren läßt oder nicht, hängt von dem einzelnen Menschen ab. Man kann über Taktfragen natürlich immer streiten.
({3})
- Selbstverständlich, das hängt von dem einzelnen Menschen ab.
({4})
Eine weitere Frage, die meiner Ansicht nach in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, ist die, ob die Finanzierung durch Steuermittel, die an sich ja von uns allen gewünscht wird, nicht zu höchst unerwünschten Konsequenzen führt, wenn sie in der Form durchgeführt wird, wie es hier vorgesehen ist. Es wäre dann beispielsweise möglich, daß jemand einen Betrag von mehreren hundertausend Mark einzahlt, sich sofort die 25 % Zuschläge gutschreiben läßt und sich nach § 13 des Gesetzes fünfzehn Minuten später die, wie es heißt, effektiven Sparbeträge vorzeitig bar zurückzahlen läßt und dasselbe Spiel nach einer Viertelstunde wieder vollzieht, um auf diese Art und Weise ein sehr gutes Geschäft zu machen.
({5})
- Natürlich! Aber es steht hier wörtlich drin „jederzeit die vorzeitige Barrückzahlung ihrer effektiven Sparbeträge zu verlangen". Im übrigen bleibt
die Gutschrift auf dem Konto stehen, und auf diese Art und Weise würde der Betreffende ein außerordentlich gutes Geschäft machen können. Es ist vielleicht nicht so gemeint, aber ich glaube, das ist entscheidend wichtig. Diesen Einwand werden Sie nicht ausräumen können, wenn Sie überhaupt eine solche Gutschrift auf irgendeinem Konto wollen. Der Einwand ist nur dann auszuräumen, wenn nicht eine solche sofortige Gutschrift erfolgt, sondern tatsächlich nur eine Verrechnung mit der Steuerschuld erfolgen kann. Jeder andere Weg führt dazu, daß ein Quasi-Wertpapier entsteht, das dann doch von dem Berechtigten entsprechend realisiert würde. Wir sind deswegen der Ansicht, daß wir zur Schaffung eines solchen Wertpapiers nicht kommen können, weil damit erhebliche geld-und kreditpolitische Bedenken verbunden sein würden.
({6})
- Wir können vielleicht im Ausschuß im einzelnen darüber sprechen. Der Gesetzestext läßt zur Zeit jedenfalls in dieser Hinsicht keine andere Deutung übrig.
Es kommt noch hinzu, daß in dem ganzen Gesetzentwurf ein gewisser Zentralismus zum Ausdruck kommt; denn wer garantiert, daß die ersparten Beträge auch dort zur Auszahlung gelangen, wo sie erspart worden sind, und nicht von dieser Treuhandstelle nach Gesichtspunkten gelenkt werden, - ({7})
- Der Sparer selbst kann das nicht garantieren, denn es würde ja davon abhängen, wie hoch die einzelnen Sparleistungen sein würden, die der einzelne aufbringen kann. Natürlich, wer kapitalkräftig ist und sofort einen möglichst großen Betrag einsparen kann, kann damit eine höhere Auszahlung erreichen, während der, der nicht kapitalkräftig ist, eine Auszahlung nicht erwarten kann.
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist leider abgelaufen. Wir müssen uns im Ausschuß über diese Dinge noch einmal unterhalten, vielleicht auch über diese Fragen, die ich eben als Fragen des Taktes angeschnitten habe.
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Mit dieser Vorlage soll eine verstärkte Anspornung der Kleinsparer bezweckt werden. Ich wundere mich über den Optimismus der Antragsteller; in der Begründung zu dieser Vorlage wird nämlich dieser Optimismus für die Zukunft nicht sichtbar, sondern es heißt dort, daß die Regierung in der Zukunft kaum in der Lage sein würde, so viel öffentliche Mittel wie bisher bereitzustellen. Gleichzeitig aber nimmt man an, daß die breiten Massen in der Zukunft mehr sparen könnten, als es zur Stunde der Fall ist. Eine erhöhte Spartätigkeit hängt doch in erster Linie von der Höhe der Löhne und Gehälter und von der Höhe der Lebenshaltungskosten ab. Wenn wir heute die Lebenshaltungskosten in Vergleich zu den Löhnen und Gehältern setzen, dann sehen wir, es bleibt den breiten Massen nicht sehr viel zum Sparen übrig, vor allen Dingen nicht, um solche großen Summen zusammenzutragen.
({0})
Dieser Entwurf ist in der Tat ein Rückschritt gegenüber dem Wohnungsbaugesetz, wie auch der Kollege Klabunde schon sagte. Jeder einzelne nämlich, der eine Wohnung haben will, muß soundso viel Tausend Mark ersparen, ohne darauf Zinsen erheben zu können; und zum anderen muß er eine Miete zahlen, die unter Umständen die Kostenmiete sein soll. Das heißt, eine 60 qm große Wohnung dieser Art wird dann immerhin 80 bis 90 DM kosten. Das ist also eine doppelte Belastung dieses Mannes. Heute braucht er für eine Wohnung vielleicht einen Baukostenzuschuß von 3000 DM an einen Privatmann zu geben; er zahlt dann aber einen Mietpreis, den er immerhin freiwillig mit dem Besitzer aushandeln kann, während er hier an einen bestimmten Mietpreis nur nach oben gebunden ist, nicht nach unten, denn die Mieten sind keineswegs festgelegt.
Des weiteren spricht man viel von privater Initiative, aber dieser Entwurf atmet den Geist einer straffen Zentralisation; die Leute werden streng an bestimmte Vorschriften gebunden. Das widerspricht doch dem sonstigen Bemühen der Antragsteller, es sei denn, daß die Antragsteller beabsichtigen, bestimmte Unternehmer zu begünstigen. Es sollen ja bestimmte Bauunternehmer und Baugesellschaften zum Bau solcher Wohnungen bewegt werden; also kommen bestimmte Leute in den Genuß von staatlichen Förderungsmitteln, die sonst nicht in deren Genuß kämen.
Das Kuratorium, das vorgesehen ist, ist ganz eigenartiger Natur. Die Sparer selbst sind dabei wenig berücksichtigt, die Gewerkschaften sind vollständig ausgeschaltet. Man hat lediglich einen Konzessionsschulzen in Gestalt eines Vertreters der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften zugelassen, alle anderen Vertreter sind von der Eigentumsseite, vor allen Dingen aus der Bauwirtschaft hergenommen. Hinzu kommt, daß der Herr Minister den Präsidenten und Vizepräsidenten dem Bundespräsidenten vorschlägt. Also eine ganz eigenartige Methode. Wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gebildet werden soll, ist die Ernennung der führenden Persönlichkeiten in erster Linie eine Angelegenheit dieses Hauses und nicht Angelegenheit einer oder zweier führender Persönlichkeiten dieses westdeutschen Staates.
Der Gesetzentwurf würde so, wie er jetzt vor uns liegt, nur Illusionen erwecken. Man sieht ja auch eine bestimmte Werbeabteilung vor. Ich warne jedenfalls angesichts des wirtschaftlichen Zustandes Westdeutschlands davor, nun den Menschen Wohnungen zu versprechen. die man ihnen nachher gar nicht geben kann. Wir sind deshalb der Meinung. daß sich der Ausschuß mit dieser Vorlage gründlich zu beschäftigen haben wird. Wir werden in dem Ausschuß unsere Meinung zu dieser Vorlage im einzelnen sagen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freiherr von Fürstenberg.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf hat meines Erachtens zwei grundsätzliche Haltungen: auf der einen Seite die Förderung des Sparens, der Privatinitiative, auf der anderen Seite aber - darauf ist bereits hingewiesen worden - dieses neue Lenkungs- und Treuhandorgan.
Ich glaube, daß die Freie Demokratische Partei hier doch etwas Paradoxes vorgeschlagen hat. Denn diese zentrale Lenkung der Wirtschaft widerspricht
eigentlich dem System, den Grundsätzen gerade dieser Partei. Ich glaube auch, daß von der Wirtschaft, besonders von den Kreditinstituten aus, dem Vorhaben Widerstand entgegengebracht werden wird. Wenn Sie die Kreditinstitute durch diese Maßnahme praktisch zu kontoführenden Instituten herabsetzen, so werden Sie sicherlich nicht deren Zustimmung finden.
Im Interesse der Entwicklung des freien Wohnungsbaus stimmen wir dem Gesetz im Prinzip zu, wir glauben aber, daß hier noch sehr viel im Ausschuß zu beraten sein wird.
Die Rednerliste ist erschöpft. - Es ist der Antrag gestellt, den Antrag Drucksache Nr. 897 an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen zu überweisen. Mir scheint, daß er auch an den Ausschuß für Finanzen und Steuern überwiesen werden sollte.
({0})
- Gut. Federführung: Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen. Es erhebt sich kein Widerspruch? - Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Der Präsident Köhler hat den Ältestenrat auf 14 Uhr einberufen. Es wird sich unter Umständen eine wesentliche Veränderung der Dispositionen für die nächste Woche als notwendig erweisen. Unter diesen Umständen scheint es mir am besten zu sein, wenn wir jetzt eine Pause eintreten lassen und um 15 Uhr fortfahren.
Ich unterbreche die Sitzung.
({1})
Die Sitzung wird um 15 Uhr 14 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Da von den gewählten Schriftführern nur einer im Hause ist, habe ich von meinem geschäftsordnungsmäßigen Recht Gebrauch gemacht, ein Mitglied des Hauses als weiteren Schriftführer hier zu bestellen.
Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Mieterschutzgesetzes ({0}).
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Dr. Arndt ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Art. 13 des Grundgesetzes ist die Wohnung unverletzlich. Eingriffe und Beschränkungen dürfen nur unter ganz besonderen Voraussetzungen erfolgen, insbesondere auf Grund eines Gesetzes auch zur Behebung der Raumnot. Zu diesen Eingriffsmöglichkeiten gehört § 4 des Mieterschutzgesetzes, der allerdings auf Grund der Verfassungsbestimmung streng und einschränkend ausgelegt werden muß. Nach § 4 des Mieterschutzgesetzes kann der Vermieter auf Aufhebung des Mietverhältnisses klagen, wenn für ihn aus besonderen Gründen ein so dringendes Interesse an der Erlangung des Mietraumes besteht, daß
({2})
auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Mieters die Vorenthaltung eine schwere Unbilligkeit für den Vermieter darstellen würde. Von dieser Bestimmung ist in letzter Zeit in zunehmendem Maße Gebrauch und, man muß sagen, auch Mißbrauch gemacht worden,
({3})
so daß dringend eine Notwendigkeit dafür besteht, hier dem Mißbrauch zu steuern. Besonders in den Kreisen der Heimatvertriebenen hat sich eine große Unruhe ausgebreitet, da vielfach Klagen auf den sogenannten Eigenbedarf gestützt werden und der Vermieter bloß das Interesse hat, einen anderen Mieter zu bekommen, der ihm legal oder illegal eine höhere Miete bezahlt, oder er will unter dem Vorwand, den Raum selbst oder für geschäftliche Zwecke zu gebrauchen, sich nur ausdehnen, während dann der Flüchtling, der der sozial und finanziell Schwächere ist, irgendwo in ein Notquartier gedrängt wird.
Eine solche Praxis ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Sie entspricht übrigens auch schon gegenwärtig nicht der richtigen Anwendung des Mieterschutzgesetzes. Denn auch heute ist es nach der Rechtsprechung, insbesondere nach einem Beschluß des Oberlandesgerichts in Celle vom 30. Dezember 1949 schon so, daß ein wegen Eigenbedarfs zur Räumung verurteilter Mieter sich im Vollstreckungsverfahren nicht auf eine Notunterkunft verweisen zu lassen braucht, sondern daß er Anspruch auf angemessenen Ersatzraum hat. Leider wird diese Rechtsprechung aber von den unteren Gerichten und Behörden nicht hinreichend beachtet, so daß sich auch vielfach der unliebsame Zustand einstellt, daß ein Mieter auf Grund des angeblichen Eigenbedarfs des Vermieters aus der Wohnung hinausgedrängt wird und dann infolge Obdachlosigkeit auf Grund des Reichsleistungsgesetzes oder ähnlicher Vorschriften seitens der Wohnungs- oder Polizeibehörde in die ihm rechtskräftig abgesprochene Wohnung wieder eingewiesen werden muß.
Wir sind der Auffassung, daß diesen Mißständen gesteuert werden sollte und daß man zur Klarstellung der Rechtslage und in Ausführung des Grundgesetzes zu Bestimmungen zurückkommen sollte, die schon ursprünglich - bereits im Jahre 1923 - im Mieterschutzgesetz enthalten waren, nämlich daß bei Aufhebung des Mietverhältnisses auf Grund des sogenannten Eigenbedarfs lediglich dann die Zwangsvollstreckung zulässig ist, wenn für den Mieter ein unter Berücksichtigung seiner Wohn- oder Geschäftsbedürfnisse angemessener Ersatzraum gesichert ist. Diese Ergänzung des Mieterschutzgesetzes bezweckt unser Antrag. Wir bitten Sie, nach der Ausschußberatung diesen Antrag anzunehmen, da er erheblichen Mißständen, die auf diesem Gebiet eingerissen sind, abzuhelfen geeignet ist.
Ich bitte Sie, den Antrag an die zuständigen Ausschüsse, an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen, zu verweisen.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Arndt begründet den von seiner Fraktion in Drucksache Nr. 904 vorliegenden Antrag auf Abänderung des § 4 des Mieterschutzgesetzes damit, daß er auf das Grundgesetz verweist und sagt: die Wohnung ist nach dem Grundgesetz unverletzlich. Ich beziehe mich auf das gleiche Grundgesetz, das da ebenso eindeutig sagt, daß auch das Eigentum unverletzlich ist.
({0})
Es ist der Kampf zwischen Besitz und Eigentum, der hier ausgetragen werden muß.
({1})
Es ist zuzugeben, daß die Fassung, wie sie jetzt vorgeschlagen wird, schon einmal im Gesetz stand und daß sie durch den Nationalsozialismus aufgehoben worden ist. Wenn der Nationalsozialismus, der doch alles und jedes glaubte reglementieren zu sollen, im Interesse eines allseitigen Funktionierens des menschlichen Zusammenlebens
- des Volkes, wie er sagte - eine solche Bestimmung aufhob, dann muß das auch seine guten Gründe gehabt haben.
({2})
- Lachen Sie nur, meine Herren, das beirrt mich nicht. Diese guten Gründe stammen eben aus der Praxis. Ich bin Rechtsanwalt und habe in der Vergangenheit
({3})
viele derartige Mietprozesse geführt. Wenn es darum ging, auf Grund des § 4 des Mieterschutzgesetzes zu entscheiden, was eine angemessene Ersatzwohnung ist, dann ging es nämlich erst los. Da habe ich Fälle erlebt, daß ein Vermieter, also ein Eigentümer, sich die größte Mühe gab, einen entsprechenden Ersatzraum zu beschaffen, und daß er zehnmal Ersatzwohnungen anbieten konnte; immer hatte der betreffende Mieter etwas auszusetzen. Bald paßte ihm die Lage nicht, bald war ihm der Preis zu hoch, bald hatte die Wohnung angeblich nicht genügend Zimmer und dergleichen mehr. Es war immer ein sehr erheblicher und unangenehmer Kampf. Denn gerade diese kleinen Prozesse werden mit einer Heftigkeit geführt, die oft in gar keinem Verhältnis zu dem steht, was auf dem Spiele steht.
Deshalb war es ganz vernünftig, daß man diese meines Erachtens untragbare Einschränkung des Verfügungsrechts über das Eigentum aufhob. Denn wo soll denn ein Vermieter heute bei der totalen Zwangswirtschaft, die auf dem Wohnungsmarkt herrscht, in der Lage sein, seinem Mieter einen Wohnraum zu beschaffen? Woher soll er denn das können? Das kann eben nur die bewirtschaftende Behörde und sonst niemand.
Meine Damen und Herren! Die Gefahr ist ja
nicht so, wie sie Herr Kollege Arndt hier an die
Wand gemalt hat, als ob heute damit Mißbrauch ({4})
getrieben werden könnte. Wenn ein wirklich guter Richter dort sitzt, dann ist das gar nicht möglich. Denn die Fassung von § 4 Abs. 1 Satz 1 des Mieterschutzgesetzes lautet:
Der Vermieter kann auf Aufhebung des Mietverhältnisses klagen, wenn für ihn aus besonderen Gründen ein so dringendes Interesse an der Erlangung des Mietraumes besteht, daß
({5})
auch bei Berücksichtigung der Verhältnisse des Mieters die Vorenthaltung eine schwere Unbilligkeit für den Vermieter darstellen würde.
Alle diese Dinge müssen vom Richter geprüft werden. Die Formulierung ist schon so, daß es einem Eigentümer, wenn er in seinen eigenen Raum will, unter den heutigen Verhältnissen überhaupt schwerfallen wird, nachzuweisen, daß diese Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 des Mieterschutzgesetzes gegeben sind. Ich erlebe täglich in der Praxis, daß das beinahe unmöglich ist. Da auch noch andere Kautelen, auf die ich hier im einzelnen nicht eingehen möchte, zur Sicherung des Mieters gegeben sind, nämlich Ersatz der Umzugskosten und dergleichen Dinge mehr, sind wir der Meinung, daß die Beschränkung, die hier dem Eigentumsrecht und der Verfügungsmacht des Eigentümers gezogen ist, genügen müßte und daß wir nicht neue erschwerende Bedingungen, die der Vermieter überhaupt nicht erfüllen kann, in das Gesetz einfügen sollten.
Wir werden deshalb dem Gesetzentwurf unsere Zustimmung versagen.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich nur zum Wort gemeldet, um der meines Erachtens rechtlich unhaltbaren Begründung, die der Herr Abgeordnete Dr. Arndt dem Antrag gegeben hat, entgegenzutreten. Das Mieterschutzgesetz ist ein Gesetz, welches die Eigentumsbefugnisse des Vermieters beschränkt. Mit Recht! Es ist ein typisches Notgesetz, entstanden in den Jahren nach dem ersten Weltkrieg, als eine zwar keineswegs ganz so große, aber immerhin vergleichbare Wohnungsnot herrschte, die die heutigen Zustände vorweggenommen hat. Es war damals nicht möglich, zuzulassen, daß der Eigentümer von seinem normalen, bis 1914 unangefochtenen Kündigungsrecht Gebrauch machte, weil der gekündigte Mieter einfach keine Wohnung gefunden hätte. Man hat dann bei der Kündigung wegen Eigenbedarfs - daneben gibt es als Kündigungsgründe bekanntlich die Versäumnis der Mietzahlung, die schwere Belästigung des Vermieters oder die Beschädigung des Wohnraums - sehr früh schon die Klausel eingeführt, die der SPD-Antrag wieder zu erneuern wünscht. Ob das zweckmäßig ist, hängt meines Erachtens in der Tat ganz allein von der wesentlichen Frage ab, wie groß denn heute die Wohnungsnot ist. Und der Hinweis des Herrn Kollegen Dr. Arndt darauf, daß es sich hier etwa um die Kontroverse Einheimischer - beati possidentes - und armseliger Flüchtlinge handelt, ist durchaus zutreffend. Das alles aber hat mit der durch das Grundgesetz garantierten Heiligkeit der Wohnung überhaupt nichts zu tun. Denn dieses Grundrecht geht davon aus, daß einer eine Wohnung Rechtens innehat, sei es als berechtigter Mieter, sei es als Eigentümer seines eigenen Grund und Bodens. In dieses privatrechtlich geschützte Rechtsgut der eigenen Wohnung darf nach dem Grundgesetz durch Haussuchung, Verhaftung und dergleichen nur eingegriffen werden, soweit es Gesetze zulassen. Daß der Eigentümer einen Privatvertrag nach Maßgabe der Gesetze kündigen darf, ist klar. Hätten wir keine Wohnungs- und Raumnot, brauchten wir kein Mieterschutzgesetz, sondern kämen wie bis 1914 mit den normalen bürgerlich-rechtlichen Vorschriften aus. Ob man darüber hinaus nicht allgemein ein ganz neues, aus dem BGB herauszunehmendes soziales Mietrecht schaffen sollte, ist eine Frage, die auf einem andern Blatt steht.
Ich sage daher: die Frage, die der Herr Kollege Dr. Arndt und seine Fraktion anschneiden, bedarf ernstlicher Erwägungen. Daß diejenigen politischen Richtungen dieses Hauses, die grundsätzlich die Zwangswirtschaft für kein Mittel der Seligkeit halten, Bedenken tragen, ist klar. Ich muß dem Herrn Kollegen Dr. Arndt darin recht geben: in Schleswig-Holstein, diesem überbelasteten Lande, kann man sehr wohl mit Energie dafür eintreten, daß die alte Vorschrift wieder erneuert wird. Ich halte somit eine Ausschußberatung für eine selbstverständliche Notwendigkeit und bitte, der Überweisung des Antrages an die Ausschüsse zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Es wundert uns als kommunistische Fraktion gar nicht, daß der Herr Vertreter einer bürgerlichen Partei sich hier hinstellt und sagt, volksfeindliche Anordnungen und Maßnahmen der Nationalsozialisten seien in diesem Falle sehr vernünftig gewesen.
({0})
Diese Frage wird jedenfalls vor den breiten Volksmassen noch zur Debatte gestellt werden. Wir Kommunisten sind in jedem Falle nicht dieser Auffassung. Die damalige Aufhebung dieser Einschränkung von § 4 des Mieterschutzgesetzes war eine gegen die breiten Massen gerichtete Maßnahme. Je nachdem, wie es verschiedenen Herren dieses Hauses und verschiedenen Fraktionen in den Kram paßt, berufen sie sich auf das Grundgesetz. Aber dieses klassische Grundrecht „Die Wohnung ist unverletzlich" will man, wenn es um Besitzinteressen geht, einfach nicht anerkennen.
({1})
Die kommunistische Fraktion wird den Antrag der Sozialdemokratischen Partei unterstützen. Wir sind der Meinung, daß man nicht dulden darf, daß aus irgendwelchen persönlichen oder Privateigentumsgründen gegen Mieter vorgegangen wird und daß diese Mieter auf die Straße gesetzt werden können, ohne ihnen angemessene Ersatzwohnungen zu stellen. Wir sind im Gegenteil der Meinung, daß jeder Mensch ein Recht auf eine Wohnung hat, und wenn er einmal in Not gerät, dann darf es ihm nicht passieren, daß er mit seiner ganzen Familie von heute auf morgen aus seiner Wohnung gewiesen wird. Wir haben heute einen so großen Notstand - nicht nur auf dem Gebiete des Wohnungsmarktes, aber dort ganz besonders -, daß wir verpflichtet sind, für den Schutz der betroffenen Bevölkerungsschichten ganz energisch einzutreten.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Schneider haben mich doch überrascht. Herr Kollege
({0})
Schneider ist, wie er selber hier ausgeführt hat, Rechtsanwalt in Hessen. Infolgedessen sollte dem Herrn Kollegen Schneider bekannt sein, daß es seit Dezember 1946 im Lande Hessen - in Westdeutschland nur im Lande Hessen - Klagen aus Eigenbedarf überhaupt nicht gibt.
({1}) Infolgedessen konnte dieses Problem in der Praxis des Herrn Kollegen Schneider auch nicht auftauchen, im Gegenteil, man kann sogar folgern: weil es in einem deutschen Lande bisher unangefochten möglich ist, und zwar auch ohne daß die Partei des Herrn Kollegen Schneider im hessischen Landtag Änderungsanträge gestellt hat, ohne die Eigenbedarfsklage auszukommen, sollte es doch für das Ganze möglich sein, sie wenigstens so zu gestalten, daß sie rechtsstaatlich erträglich und mit dem Grundgesetz in Einklang ist.
({2})
Ich kann Herrn Kollegen Ewers auch nicht darin zustimmen, daß man sich hier nicht auf das Grundrecht an der eigenen Wohnung berufen dürfte. Das Grundgesetz legt mit Recht Gewicht darauf, daß der Mensch eine Wohnung haben muß, und sagt deshalb ja auch in Absatz 3 von Artikel 13, daß in diese Wohnung nur unter gewissen Umständen eingegriffen werden darf. Sehen Sie, Herr Kollege Ewers, wenn dem Mieter sogar ein einzelner Raum im Wege der Zwangsbewirtschaftung nur unter besonderen Verhältnissen abgenommen werden darf, um wieviel weniger darf ihm dann auch gerade nach dem Sinn des Grundgesetzes die ganze Wohnung abgenommen werden, weil der Vermieter einen vermeintlichen Eigenbedarf hat.
Die „guten Gründe" schließlich, die angeblich die Nationalsozialisten gehabt haben sollen, um hier eine Änderung des Mieterschutzgesetzes eintreten zu lassen, waren - wie regelmäßig bei den Nazis -schlechte Gründe. Herr Kollege Schneider hat übersehen, daß dieser Änderung eine sehr eigentümliche Gesetzgebung vorausging, nämlich die sogenannte lex Koeppen, die es in der Tat überflüssig machte, im Mieterschutzgesetz noch solche Sicherungen zu haben. Die lex Koeppen ist uns allen ja aber in einer sehr unliebsamen Erinnerung, und wir sind bei der kleinen Justizreform gerade dabei, sie aufzuheben.
Herr Kollege Ewers hat mit Recht gesagt, daß im Lande Schleswig-Holstein die Zustände insbesondere für die Heimatvertriebenen unerträglich geworden sind. Wir sind in der Lage, Hunderte von Einzelfällen im Ausschuß darzulegen, in denen mit dieser Bestimmung Mißbrauch getrieben wird und die sozial und finanziell Schwächeren an die Wand gespielt werden, so daß es höchste Zeit ist, hier eine solche Abhilfe zu schaffen, wie sie rechtsstaatlichem Denken entspricht.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführend und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen zur Mitbeteiligung beantragt. Ich bitte diejenigen, die für die Überweisung des Antrags sind, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; damit ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes ({0}).
Das Wort zur Einbringung hat Herr Staatssekretär Ritter von Lex.
Hohes Haus! Meine Damen und Herren! In Vertretung des Herrn Bundesministers des Innern darf ich zu dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf Drucksache Nr. 924 folgendes ausführen.
Nach Art. 73 Nr. 10 des Grundgesetzes hat der Bund die ausschließliche Gesetzgebung über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes. Das Grundgesetz spricht also von Zusammenarbeit. Daraus ergibt sich, daß weder der Bund noch die Länder befugt sind, den Verfassungsschutz für sich allein zu beanspruchen. Beide sind berechtigt, und beide sind verpflichtet, auf diesem Gebiete tätig zu werden und sich dabei gegenseitig zu unterstützen. Die Regelung dieser Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist ausschließlich Sache des Bundesgesetzgebers. Meine Damen und Herren! Gestützt auf diese verfassungsrechtliche Grundlage spricht der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf in § 1 aus, daß der Bund und die Länder verpflichtet sind, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten.
Verfassungsschutz ist ein Begriff, der sehr weit gespannt werden könnte. Es gibt den strafrechtlichen Verfassungsschutz, der Angriffe gegen die verfassungsmäßige Ordnung, ja zum Teil schon den Versuch, das Unternehmen solcher Angriffe mit schwerer Strafe bedroht und ahndet. Zu erwähnen sind hier insbesondere die Vorschriften über Hochverrat und Verfassungsstörung, wie sie in einem zur Zeit dem Bundesrat vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs enthalten sind. In Betracht kommen aber auch die in dem gleichen Entwurf vorgesehenen Tatbestände der Verächtlichmachung von Staatsorganen, der Staatsverleumdung und der Verunglimpfung von Staatssymbolen.
Daneben gibt es den polizeilichen Verfassungsschutz, dessen Aufgabe es ist, verfassungsfeindliche Bestrebungen rechtzeitig aufzudecken und der strafrechtlichen Ahndung zuzuführen, dessen Aufgabe es aber auch ist, verfassungsfeindliche Aktionen bei Gefahr im Verzuge polizeilich zu unterbinden. Den schwerwiegendsten Fall des polizeilichen Verfassungsschutzes, den der Gefährdung des Bestandes oder der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Bundes oder eines Landes, hat das Grundgesetz selbst in seinem Art. 91, dem Staatsnotstandsartikel, geregelt.
Es gibt aber noch eine dritte, auf weite Sicht gesehen vielleicht die wirksamste Form des Verfassungsschutzes. Sie besteht darin, das Volk und im besonderen die Jugend eines Volkes, in der Achtung vor der demokratischen Verfassung des Staates zu erziehen.
Es liegt in der Natur der demokratischen Staatsform, daß sie wenig Propaganda für sich selbst entfaltet, daß sie mehr durch ihr Wirken überzeugen will. Aber leider nimmt die zersetzende Gegenpropaganda antidemokratischer Kräfte heute zu, so daß eine sachliche Aufklärung der breiten Massen über das Wesen der Demokratie und über ihre Arbeitsweise mehr denn je vonnöten ist. Es ist nicht
({0})
einzusehen, daß die Demokratie immer bloß in der Defensive bleiben soll. Im Haushaltsplan des Bundesministeriums des Innern sind deshalb für 1950 eine Viertelmillion D-Mark zur Förderung des demokratischen Gedankens beantragt. Die Mittel sollen eingesetzt werden, um die Staatsbürger, besonders aber die Jugend über die Funktionen der demokratischen Organe und über ihr Zusammenspiel aufzuklären. Diese Aufgabe ist ein Anliegen aller wirklich demokratischen Parteien. Es ist deshalb auch vorgesehen, daß größere Beträge aus diesen Mitteln nur im Benehmen mit dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung vergeben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, daß diese Gelder nicht etwa für Zwecke verwendet werden, die auf eine Propagierung der jeweiligen Regierungspolitik hinauslaufen. Sie sollen ganz allgemein zur Stärkung des demokratischen Gedankens dienen.
Meine Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf befaßt sich ausschließlich mit dem polizeilichen Verfassungsschutz. Dies ergibt sich aus Nr. 10 des Art. 73 des Grundgesetzes, die bekanntlich den Verfassungsschutz im Zusammenhang mit der Kriminalpolizei und der internationalen Verbrechensbekämpfung aufführt und ihrem ganzen Wortlaut nach ausgesprochen polizeilichen Charakter trägt. Andererseits umfaßt aber die in § 1 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs vorgeschriebene Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern den ges am t en Bereich polizeilicher Befugnisse von Bund und Ländern. Der Bund und die Länder wirken daher nicht nur in der Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes zusammen. Sie sind darüber hinaus auch im Bereich der exekutiv-polizeilichen Befugnisse verpflichtet, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusammenzuarbeiten. Für den Bund gilt dies, soweit er Exekutivbefugnisse auf dem Gebiet der Kriminalpolizei oder des Grenzschutzes bereits hat oder auf Grund des unter Umständen sehr weittragenden und von mir vorhin kurz erwähnten Art. 91 des Grundgesetzes auf dem Gebiete der Ordnungspolizei erhält. Für die Länder gilt die Verpflichtung, in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit dem Bund zusammenzuarbeiten, für ihre gesamte polizeiliche Exekutive.
Meine Damen und Herren, etwas anders ist die Rechtslage für das Bundesamt für Verfassungsschutz, das nach § 2 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs als eine Bundesoberbehörde errichtet wird. Infolge der ausdrücklichen Beschränkung in Art. 87 Abs. 1 des Grundgesetzes kann diese Behörde lediglich als eine Zentralstelle zur Sammlung von Unterlagen für Zwecke des Verfassungsschutzes errichtet werden. Polizeiliche Exekutivbefugnisse oder polizeiliche Kontrollbefugnisse können nach dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung diesem Amt nicht verliehen werden. Es darf auch nicht einer polizeilichen Dienststelle angegliedert werden.
Nun wäre es aber falsch, wegen dieser Beschränkung der Zuständigkeit die Bedeutung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu unterschätzen. Die Aufgabe dieses Amtes besteht nach § 3 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes in der umfassenden Sammlung und in der schnellen Auswertung aller für den Verfassungsschutz wichtigen Unterlagen. Das Amt hat die Aufgabe, die Bundesregierung und über die von den Ländern bestimmten Behörden - in jedem Land soll und muß auch eine Behörde für Verfassungsschutz bestimmt werden - auch die Landesregierungen rasch und zuverlässig über Bestrebungen zu unterrichten, die eine Aufhebung,
eine Änderung oder eine Störung der verfassungsmäßigen Ordnung oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung von Mitgliedern verfassungsmäßiger Organe des Bundes oder eines Landes zum Ziele haben.
Die in den Ländern zur Bearbeitung von Angelegenheiten des Verfassungsschutzes bestimmten Behörden haben ihrerseits das Bundesamt für Verfassungsschutz laufend über alle für den Verfassungsschutz in Bund und Ländern wichtigen Angelegenheiten zu unterrichten.
Wegen der besonderen politischen Bedeutung seiner Arbeit soll das Bundesamt für Verfassungsschutz dem Bundeskanzler unterstellt werden. Da der Bundeskanzler jedoch von Ressortaufgaben möglichst entlastet werden muß, soll er durch das Gesetz ermächtigt werden, seine Befugnisse in der Führung des Amtes in weitestem Umfang, aber jederzeit widerruflich, auf den Bundesminister des Innern zu übertragen.
Meine Damen und Herren! Der Bundesrat betrachtet, wie aus seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf hervorgeht, das Gesetz als ein Zustimmungsgesetz. Er will außerdem die in § 5 des Gesetzentwurfs vorgesehene Weisungsbefugnis des Bundeskanzlers oder des Bundesinnenministers gegenüber den einschlägigen Dienststellen der Länder auf die Sammlung und Auswertung von Unterlagen beschränken. Der Bundesrat hat hiermit die wirklich nicht ganz einfache Rechtsfrage des Verhältnisses zwischen Art. 73 Nr. 10 und den Artikeln 83 und 87 des Grundgesetzes aufgeworfen. Diese Frage wird in den Ausschußberatungen noch genau zu klären sein.
Zusammenfassend darf zu dem Gesetzentwurf folgendes bemerkt werden. Das Grundgesetz fordert für den Verfassungsschutz eine auf gegenseitigen Rechten und gegenseitigen Pflichten beruhende Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern. Dieser Forderung dürfte der Gesetzentwurf voll entsprechen. Darüber hinaus ist zu erwarten, daß das Gesetz im gemeinschaftlichen Vollzug durch den Bund und durch die Länder zu einem engen Vertrauensverhältnis auf dem für beide Teile lebenswichtigen Gebiet des Verfassungsschutzes führt.
Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Noch ein letztes Wort. Mindestens ebenso wichtig wie eine einwandfreie gesetzliche Regelung der Materie ist die Besetzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz
({1})
mit demokratisch unbedingt zuverlässigen
({2})
und fachlich hochwertigen Kräften. Die Bundesregierung wird alles daransetzen, auch dieser Verpflichtung gerecht zu werden.
({3})
Wir treten in die Aussprache ein. Der Ältestenrat hat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten festgesetzt. Ich nehme dazu die Zustimmung des Hauses an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Etzel ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben mit Befriedigung aus den Ausführungen des Herrn Vertreters des Bundesinnenministeriums gehört, daß die Abteilung des Ministeriums, die sich mit der Propaganda der
({0})
mokratischen Ideen zu befassen haben wird, die also insbesondere auch Unterlagen für den staatsbürgerlichen Unterricht zu liefern haben dürfte, sich vollkommen objektiv abseits der wechselnden Mehrheit dieses Hohen Hauses und abseits der jeweiligen parteipolitischen Zusammensetzung der Regierung halten werde.
Die Aufgaben, die der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes in Art. 73 Nr. 10 des Grundgesetzes gesetzt sind, umfassen ein dreifaches Feld: erstens die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in der Kriminalpolizei und in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, zweitens die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamtes und drittens die internationale Verbrechensbekämpfung. Wir haben es hier mit der ersten Aufgabe zu tun, mit der notwendigen Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in den Fragen des Verfassungsschutzes.
Wir erkennen gerne an, daß im § 3 Abs. 2 das Mißverständnis vermieden ist, als ob hier ein Übergriff auf die Polizeibefugnisse der Länder, ihre Hoheitsbefugnisse, beabsichtigt wäre. Eine Frage taucht aber sofort auf, wenn es darum geht, zu untersuchen und zu entscheiden, ob für die Wahrnehmung der gestellten Aufgaben trägerschaftlich eine Abteilung innerhalb des bestehenden Bundesinnenministeriums oder aber ein selbständiges Bundesamt als Bundesoberbehörde geschaffen werden soll. Ich möchte vor der Verlockung warnen, für Spezialaufgaben und -gebiete, die dem Bund verfassungsrechtlich zugeteilt sind, jeweils besondere Bundesoberbehörden einzurichten. Eine solche Atomisierung in der Verwaltung würde zu nichts Gutem führen können, sondern notwendigerweise zu einer Aufblähung der entsprechenden Apparate führen. Wir haben an und für sich eine solche IN eigung schon erkennen können, als es darum ging, die Bundesstelle für den Warenverkehr im Bereich der gewerblichen Wirtschaft einzurichten, und es war ursprünglich beabsichtigt, auch ein Bundesbesatzungsamt zu schaffen. Der Entwurf ist inzwischen, wie wir heute gelesen haben, von der Bundesregierung zurückgezogen worden. Ich möchte also dringend zur Erwägung geben, ob es zweckmäßig ist, ein besonderes Bundesamt als Bundesbehörde hier einzurichten.
Wenn es sich darum handelt, den Verfassungsschutz in Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu verwirklichen, zu organisieren und durchzuführen, so müssen die Zuständigkeiten, die zwischen den beiden Hoheitsträgern durch das Grundgesetz aufgeteilt sind, peinlich genau beobachtet werden. Vor allem gilt das hinsichtlich des § 5, der in weitgehendem Maße ein Weisungsrecht für den Bund vorsieht. Ich bin durchaus nicht sicher, ob dieses Weisungsrecht sich in den Zuständigkeitsgrenzen der Artikel 30, 84 und 85 des Grundgesetzes hält. Ich bin daher der Meinung, daß der Ausschuß, dem dieser Gesetzentwurf wohl überwiesen werden soll - wahrscheinlich der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht -, sehr sorgfältig zu prüfen haben wird, daß die Zuständigkeitsgrenzen in diesem Gesetz genau gewahrt werden, damit nicht später Konflikte verursacht werden.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Zunächst möchte ich den Antrag stellen, dieses Gesetz dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung zur Bearbeitung zu überweisen.
In der Sache selbst habe ich folgendes zu sagen: Die Überschrift des Gesetzes „Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes" verspricht mehr, als bei der Lektüre der vorgeschlagenen Paragraphen in Erscheinung tritt. Der Schwerpunkt liegt offensichtlich in § 5 des Gesetzes, und die ganze scheinbare Dürftigkeit der Paragraphen ist aus der recht komplizierten verfassungsrechtlichen Grundlage zu erklären, die das Grundgesetz für diese Dinge gibt. Denn Art. 87 sieht nur eine Zentralstelle tür das polizeiliche Auskunfts- und Nachrichtenwesen als eine in bundeseigener Verwaltung zu führende Bundesoberbehörde vor.
Ich teile die Bedenken meines Herrn Vorredners, ob es notwendig ist, eine eigene Behörde mit dieser Aufgabe zu betrauen, bzw. ob nicht die Möglichkeit besteht, auch mit im Ministerium Lies Innern schon vorhandenen Behörden auszukommen. Dasselbe dürfte auf der Länderbasis geiten. Aber ich bitte, zu erwägen, daß Art. 91 in seinem Abs. 2 in den Fällen, in denen dem Land eine Gefahr droht und das betreffende Land nicht bereit oder nicht in der Lage ist, sich selbst zu schützen oder gegen die drohende Gefahr aufzutreten, dem Bund ohnehin schon das Recht gibt, die Polizei in diesem Lande und die Polizeikräfte anderer Länder seinen Weisungen zu unterstellen. Hier ist also schon ein Weisungsrecht begründet, das, wenn die Weisungsrechtsvorschläge des § 5 eine besondere praktische Bedeutung auf dem Gebiete der Ordnungspolizei enthalten oder bringen sollten, einer gewissen Ausweitung bedürfen würde. Ich glaube, eme sachliche Begründung für eine solche Notwendigkeit dürfte nach den Nachrichten der heutigen Presse über die Vorgänge an der Zonengrenze bei Schleswig-Holstein wohl ohne weiteres gegeben sein, und ich möchte hoffen, daß der Bundesrat gerade unter Würdigung dieser Dinge seine Bedenken gegen die vorgeschlagene Fassung des § 5 zurückstellt.
Eine kleine Arabeske noch am Rande. Der Bundesrat hat unter Berufung auf Art. 85 des Grundgesetzes der Auffassung Ausdruck gegeben, es handle sich hier um ein Gesetz, dem er zustimmen müsse. Das kann zum Teil zutreffen. Er hat aber übersehen, daß dieses Weisungsrecht nach Art. 84 Abs. 5 nur der Bundesregierung und nicht, wie es hier im Text heißt, dem Bundeskanzler zusteht. Wir werden uns wohl im Ausschuß darüber unterhalten müssen, ob nicht in § 5 entsprechend dem Grundgesetz die Worte „die Bundesregierung" eingesetzt werden müßten. Das würde auch die Beseitigung eines gewissen Schönheitsfehlers bedeuten, der uns bei der Lektüre des § 5 aufgefallen ist, in welchem es heißt: „Der Bundeskanzler oder mit dessen Vollmacht der Bundesminister des Inneren kann Weisungen erteilen." Das erweckt den Anschein, als ob, da eine besondere Vollmacht vorausgesetzt wird, der Begriff der Kollegialität innerhalb des Bundeskabinetts nicht die Würdigung erhält, die er nach dem Grundgesetz und nach den Grundsätzen des parlamentarischen Systems eigentlich verlangen dürfte.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Fisch.
Meine Damen und Herren! Es muß um die Demokratie im Lande sehr schlecht bestellt sein, wenn sie sich ausgerechnet einen Mann, der 1933 dem Hitlerschen Ermächtigungsgesetz seine Zustimmung gegeben hat, heute hier in diesem Hause als Fürsprecher und als Generalanwalt für den Schutz der Demokratie aussucht.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe leider nur 5 Minuten Zeit,
({1})
mich zu diesem Thema zu äußern, bei dem es um die Ausschaltung entscheidender Grundrechte geht. Ich muß mich darum auf einige wenige Punkte beschränken.
Erstens: Meine Fraktion erhebt entschieden Protest gegen das sonderbare Geheimverfahren, das bei der Schaffung von Bestimmungen, die zum Teil auch heute noch nicht bekannt gegeben worden sind, angewandt worden ist. Der Herr Minister des Innern hat bereits vor über sechs Monaten dem zuständigen Ausschuß sehr detaillierte Angaben über seine Pläne gemacht. Heute erst wird uns diese Gesetzesvorlage auf den Tisch gelegt. Bereits vor über zwei Monaten wurde bekannt, daß einer Tagung der westdeutschen Innenminister sehr genaue Informationen über die Pläne des Herrn Bundesinnenministers vorgelegen haben. Auf dieser Konferenz unterhielten sich die Innenminister über sehr interessante Einzelheiten dieser Pläne, wie zum Beispiel darüber, daß dem Bundesinnenministerium das Weisungsrecht für die sogenannten Verfassungsschutzstellen der Länder zustehen solle. Wir wissen also jetzt, wer in Zukunft dieses Weisungsrecht des Bundes in Sachen des „Schutzes der Demokratie" handhaben wird: Herr Ritter von Lex, da sein Chef selbst wohl die überwiegende Zeit mit kirchlichen Angelegenheiten beschäftigt sein wird.
({2})
Nach den Mitteilungen über diese Konferenz der Innenminister wurde bereits im März erklärt, daß die kommenden Organe des Verfassungsschutzes nicht der regulären Polizei unterstehen werden, dafür aber - ich zitiere wörtlich - „im Einvernehmen mit den Besatzungsmächten arbeiten sollen". Weiterhin wurde auf dieser Konferenz darüber gesprochen, daß diese Verfassungsschutz-Zentralstelle und ihre Filialen in den Ländern „ihre Informationen von nicht polizeimäßig organisierten Verbindungsleuten erhalten sollen." Aus diesen etwas vorwitzigen Veröffentlichungen ergibt sich also ganz klar - da man bis heute kein Dementi hat folgen lassen -, daß man eine neue Gestapo als verlängerten Arm der Besatzungsmächte und ihrer Militärpolizei schaffen will.
({3})
Der zweite Punkt, meine Damen und Herren! Sie geben vor, durch dieses Gesetz die Verfassung schützen zu wollen. Ich frage Sie: was Wollen Sie denn eigentlich mit Ihren Maßnahmen schützen?
({4})
Sie wollen den Eindruck erwecken, als ob dieser
Staat, der sogenannte westdeutsche Bundesstaat,
und das Grundgesetz von Bonn Ewigkeitswert besäßen.
({5})
Sie behaupten damit, daß jeder, der gegen diese Verfassung auftritt, ein Hochverräter sei, der nach dem Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt werden müßte. Ich könnte Ihnen aus west-alliierten und deutschen amtlichen Quellen aus der Debatte über das Bonner Grundgesetz eine ganze Serie von Zitaten dafür bringen, daß alle diese Stellen das Bonner Grundgesetz und auch den durch dieses Gesetz repräsentierten Staat als ein Provisorium bezeichnet haben.
({6})
Wenn es sich aber um ein Provisorium handelt,
dann muß es jedem Bürger dieses Landes zustehen,
für die Überwindung dieses Provisoriums, d. h. für
seine baldige Ablösung durch ein geeintes, unabhängiges, demokratisches Deutschland einzutreten.
({7})
Wir werden das heute und immer tun,
({8}) weil wir nicht wollen, daß dieser westdeutsche Staat, der auf Geheiß ausländischer imperialistischer Herren zustande gekommen ist,
({9})
auch nur einen Tag länger existiert, als es das jetzige Schutzverhältnis durch die Westmächte garantiert und erzwingt.
({10})
Zum Schluß möchte ich eines fragen: wen ernennen Sie eigentlich zum patentierten Schützer dieser Verfassung? Es soll jene selbe reaktionäre Justiz sein,
({11})
die sich zu neun Zehntel aus Dienern der Hitlerjustiz zusammensetzt und die im Lande am laufenden Band Naziverbrecher freispricht oder sie mit provozierenden Scheinstrafen belegt. Es sollen die gleichen Leute - - -
Herr Abgeordneter, ich mache auf den Ablauf Ihrer Redezeit aufmerksam. Das Signal war schon einmal gegeben.
Ich bin gleich fertig! - Es sollen die gleichen Leute als Verfassungsschützer auftreten, die wie die Polizeiherren in Bonn ihre eigene Verfassungsstrategie betreiben und kraft ihrer polizeilichen Vollmacht eigene Anordnungen ad hoc konstruieren, mit denen sie z. B. kürzlich eine Zusammenkunft freier Journalisten auflösten. Mit solchen Verfassungshütern, mit solchen Hütern der demokratischen Freiheit
({0})
wollen Sie die Verfassung von Bonn schützen. ({1})
Ich sage dazu nur: die Methoden sind des Gegenstandes wert.
({2})
Wir, die wir nicht der Meinung sind,
({3})
daß Deutschlands Grenze vor den Toren der Stadt Lübeck liegt,
({4})
({5})
wir, die für ein geeintes, freies und demokratisches Deutschland kämpfen, sind der Auffassung, daß diese Verfassung
({6})
keines besonderen Schutzes wert ist, und schon gar nicht eines „Schutzes" durch Gewalt und Ausnahmebestimmungen. Wir wünschen vielmehr, daß diese Verfassung so bald wie möglich verschwindet.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Schutz der Verfassung heißt Schutz der Demokratie. Daß auf diesem Gebiet die Herren Fisch und Genossen eine andere Auffassung haben als die Mehrheit dieses Hauses, sollte uns nicht wundern. Das Auftreten des Herrn Fisch und seiner Freunde gerade zu diesem Punkt beweist uns, daß sie berechtigterweise Angst vor der Anwendung des hier zur Beratung stehenden Gesetzes gegen sie selbst haben.
({0})
- Jawohl, Herr Fisch, Sie haben gefragt, was wir schützen wollen. Wir wollen uns vor Ihnen und Ihren Gegenspielern auf der politischen Rechten mit unserer Verfassung und mit dieser Demokratie schützen, Herr Fisch!
({1})
Nichts anderes wollen wir. Was Sie uns hier erzählen, - ({2})
- Herr Renner, seien Sie doch einmal ruhig! Hören Sie mich doch einmal an! Wenn Sie nicht wissen, wie es drüben in der Ostzone aussieht, lassen Sie es sich doch von uns sagen, die wir gelegentlich Mitteilungen darüber bekommen!
({3})
Herr Fisch hat uns wieder etwas von dem Schutzverhältnis durch die Westmächte erzählen wollen. Das ist so grotesk, wenn das einer von Ihnen sagt, die Sie doch genau wissen, wie Ihre Freunde drüben überhaupt nur in der Lage sind, physisch unter dem Schutze der dortigen Besatzungsmacht zu leben,
({4})
von geistiger Freiheit, die nach unserer Auffassung auch zum Leben in einer Demokratie gehört, ganz zu schweigen.
Ich glaube, dies zeigt zur Genüge, daß wir jedenfalls nicht gewillt sind, uns diesen Staat noch einmal durch Ihre Tätigkeit und die Ihrer Freunde auf der politischen Rechten verderben zu lassen.
Aus diesem Grunde darf ich sagen, daß meine Freunde und ich uns über die Ausführungen gefreut haben, die der Herr Vertreter des Bundesinnenministers heute hier gemacht hat. Wenn die Ausführung dieses Gesetzes von demselben Geist getragen sein wird wie die Worte, die der Herr Staatssekretär des Bundesinneministeriums heute hier gefunden hat, dann, meine Damen und Herren, wird vielleicht einer der seltenen Fälle eintreten, daß Regierung, Regierungsparteien und Opposition
hier hundertprozentig am gleichen Strang ziehen.
({5})
- Wenn, wie ich schon sagte, die Ausführung dieses Gesetzes von demselben Geiste getragen ist wie das, was der Herr Staatssekretär von Lex uns heute gesagt hat!
Meine verehrten Anwesenden! Wir stimmen also dem, was im Hinblick auf den materiellen Verfassungsschutz von dem Herrn Staatssekretär gesagt worden ist, vollinhaltlich zu.
Das hier heute zur Beratung stehende Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, das auf Grund einer Vorschrift des Grundgesetzes zu erlassen ist, regelt, wie der Herr Staatssekretär gesagt hat, im allgemeinen lediglich den polizeilichen Verfassungsschutz. Die Grundtendenz dessen, was wir wünschen, ist, daß die Ausführung dieses Gesetzes, auch in der institutionellen Durchführung, nicht zu einer neuen Gestapo führen darf. Wir haben bereits bei der Verabschiedung des Bonner Grundgesetzes Wert auf die Bestimmung gelegt, daß der Verfassungsschutz in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern nicht wieder den Charakter einer in allen Möglichkeiten verästelten geheimen Staatspolizei annehmen darf. Dem trägt der uns vorliegende Gesetzentwurf in seinen wesentlichen Bestimmungen Rechnung.
Wir sind allerdings der Auffassung, daß dieser Gesetzentwurf in manchen Punkten im Ausschuß noch einer Revision unterzogen werden sollte. Wenn in § 2 davon die Rede ist, daß dieses als obere Bundesbehörde zu errichtende Amt dem Bundeskanzler direkt zu unterstellen sei, dann erscheint es uns richtig, darüber im einzelnen noch zu sprechen. Von Herrn Kollegen Etzel sowohl wie von Herrn Kollegen Becker ist bereits darauf hingewiesen worden, daß man auch daran denken könnte, die entsprechende Organisation im Bundesinnenministerium zu schaffen. Auch unter meinen Freunden ist dieser Gedanke bereits erörtert worden.
Ich bin allerdings nicht der Auffassung, Herr Kollege Etzel, daß hier nun wieder föderalistische Dinge nicht gebührend berücksichtigt werden könnten. Auf diesem Gebiete, meine Damen und Herren, ist es uns vollkommen gleichgültig, wo die Verfassung, wo die Demokratie am besten geschützt wird, ob im Bund oder in den Ländern. Die Hauptsache ist, daß alle, Bund sowohl wie Länder, bereit sind, diese Verfassung und diese Demokratie, die unsere Verfassung überhaupt erst ermöglichte, mit allen Mitteln zu schützen.
({6})
Irgendwelche Sorgen wegen Kompetenzstreitigkeiten aber, Herr Kollege Etzel, sollten alle in diesem Hause zurücktreten lassen. Wir sollten nur dafür Sorge tragen, daß die Organe, die berufen sind, auf Grund dieses Gesetzes tätig zu werden, so schnell wie möglich tätig werden. Die Frage, ob obere Bundesbehörde oder Eingliederung in das Bundesinnenministerium, mag im Ausschuß beraten werden.
Auf eines möchte ich in diesem Zusammenhang noch hinweisen: mit der Unterstellung unter den Herrn Bundeskanzler direkt geben wir drei verschiedenen Stellen die Möglichkeit, sich um den Verfassungsschutz zu bemühen; er würde beim Bundeskanzler, beim Bundesinnenminister und beim Bundesjustizminister liegen, der seinerseits auch, wie sich bei den Beratungen im Haushalts({7})
ausschuß ergeben hat, das Recht für sich in Anspruch nimmt, die Verfassung zu schützen, und zwar neben dem Bundesinnenminister.
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten die Aufgaben, die mit dem Schutze der Verfassung zu tun haben, nicht zerflattern lassen. Wir sollten versuchen, das, was hier geschehen muß, an einer Stelle zu konzentrieren. Welche Stelle, ob Bundeskanzler oder Bundesinnenministerium, die geeignete ist, mag im Ausschuß beraten werden. Ich gebe zu: Wegen der Tatsache, daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt und möglicherweise die Richtlinien der Politik einen wesentlichen Einfluß auf den Schutz der Verfassung haben könnten, könnte das Bundeskanzleramt als die geeignete Stelle erscheinen.
({8})
Hier heute eine endgültige Entscheidung zu treffen, ist nach meiner Auffassung nicht nötig.
Aber eine andere Frage wäre noch zu prüfen. Meines Erachtens ist übersehen worden, in dem Gesetz eine Bestimmung darüber zu treffen, daß nicht nur die Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern und der Länder mit dem Bunde gesichert ist, sondern daß auch die Zusammenarbeit der Länder untereinander genügend gesichert ist, wenn es sich um Fragen des Schutzes der Verfassung handelt.
Soweit wir sonst Vorstellungen gegenüber der derzeitigen Fassung des Gesetzes zu erheben haben, werden wir das im Ausschuß tun. Es kommt hier weniger darauf an, daß irgendwelche Maßnahmen und Vorbereitungshandlungen zu Maßnahmen in Paragraphen umrissen werden. Wichtig ist hier allein, daß die Organe im Bund sowohl wie in den Ländern wissen, wo sie anzusetzen haben, und daß sie auch den richtigen Spürsinn für das haben, was zum Schutze der Verfassung zu tun ist. Es nützt gar nichts - und da gebe ich dem Herrn Staatssekretär ohne weiteres recht in seiner Feststellung, daß es auf die Besetzung der Dienststellen ankommt -, wenn die Ämter immer nur nach links sehen und glauben, da geschehe etwas, während sie nach rechts zu sehen nicht vermögen oder nicht wagen und infolgedessen nicht merken, daß auch dort etwas geschieht.
Wesen und Inhalt der Aufgaben, die auf diesem Gebiete des Schutzes der Verfassung und dessen, was zum Schutze der Verfassung zu tun ist, liegen, müssen sein: auf Grund der Maßnahmen dieser Organe, um die es sich hier handelt, müssen die notwendigen Mittel gegen alle Feinde der Demokratie angesetzt werden. Da darf, Herr Staatssekretär, die Zentralstelle und dürfen die Behörden, die mit dem Schutz der Verfassung befaßt werden, auch nicht davor zurückschrecken, bis in die Reihen der Regierungsparteien hineinzuleuchten,
({9})
wenn bei ihnen irgend etwas nicht so ist, wie es nach dieser Verfassung sein soll.
({10})
Ich glaube, wir haben insoweit berechtigten Anlaß, auf bestimmte Erscheinungen der letzten Zeit hinzuweisen.
Wir sind mit Ihnen durchaus einig, daß das Amt und die Dienststelle, die hier in Rede stehen, ohne Ansehen der Person und der Sache alles das tun sollen, was nötig ist, um diese Verfassung zu schützen, und daß Sie ihnen die Mittel an die Hand geben müssen, die dazu notwendig sind. Die Forderung nach politischer Zuverlässigkeit der mit dem Schutz der Verfassung betrauten Männer und Frauen ist eine conditio sine qua non, wenn diese Verfassung besser geschützt und die Demokratie sicherer erhalten werden soll, als das in der Vergangenheit in Deutschland möglich war.
({11})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, wie die Demokratie gegen die Gefahren zu schützen sei, die aus ihr selbst entstehen, ist bisher noch nicht gelöst worden. Im totalen Staat und insbesondere in der zur Diktatur entarteten Demokratie, der sogenannten Volksdemokratie, bedient man sich zur, Schutze dieses „verfassungsmäßigen" Zustandes der Polizei, des polizeilichen Terrorsystems. Man löst also dieses Problem im Sinne der Gewalt. In der auf der persönlichen Freiheit beruhenden, rechtsstaatlich gesicherten Demokratie, die Gegenstand unseres Grundgesetzes ist, gibt es nur einen wirklichen Schutz, nämlich die aus dem innersten Wesen der Demokratie erwachsende Autorität.
Jeder Staat braucht Autorität. Diese wahre Autorität ist gleichbedeutend mit seiner Legitimität, mit seiner inneren Rechtfertigung, und diese innere Rechtfertigung wird aus dem Vorbild der Persönlichkeiten erzielt, die die Einrichtungen dieses Staates beleben, tragen, lenken und verkörpern. Ich möchte diese wahre Autorität, die innere Rechtfertigung einer Staatsform den positiven Verfassungsschutz nennen. Alles andere, was zur Abwehr der Gefahren dient, die strafrechtlich oder polizeirechtlich oder auf andere Weise abgewehrt werden müssen, gehört zum negativen Verfassungsschutz. Das von der Regierung vorgelegte Gesetz über die Schaffung eines Forschungsamtes, einer Informationsstelle, deren Aufgaben im § 3 des Gesetzes sehr präzise umgrenzt worden sind, ist nur eine kleine Teilmaßnahme auf dem Gebiet des negativen Schutzes der Verfassung.
Ich gehe bei meinen Darlegungen von dem Grundgedanken aus, daß ein Teil der Gefahren der Demokratie aus ihr selbst entsteht. Auch bei einem solchen Amt, bei einer solchen Stelle entstehen Gefahren, und zwar in zweierlei Richtung. Erstens haben wir allen Grund, mit dem Schnüffel- und Denunziantenwesen, das unser gesamtes öffentliches Leben und das Verhältnis der Menschen untereinander vergiftet, ein Ende zu machen. Es wird unbedingt, und zwar im Rahmen eines echten demokratischen Lebens, das auf eine maßvolle Willensbildung gerichtet ist, notwendig sein, bei den mit dieser schwierigen Aufgabe betrauten Menschen eine Erziehung vorzunehmen, damit die Institution, die zur Abwehr von Gefahren, zur Ermittlung von Nachrichten geschaffen wird, nicht zu einer Schnüffelstelle ersten Ranges wird, die dann noch dazu beiträgt, die Atmosphäre zu vergiften, und die das Entstehen eines gesunden Gemeinsinnes, den die Demokratie zur Wahrung ihrer inneren Autorität braucht, unmöglich macht.
Zum zweiten liegt in einer solchen Institution die Gefahr, daß die Informationen - denn mehr als die Sammlung von Informationen soll nach diesem Gesetz nicht geschehen - im parteipolitischen Konkurrenzkampf ausgenutzt werden. Darum begrüßt es meine Fraktion lebhaft, daß die Fassung des § 3
({0})
sehr präzise ist, und sie erwartet, daß man sich bei der Führung dieses, d. h. bei der Sammlung der Unterlagen, die die Regierung dann zu Beschlüssen verarbeiten kann, auch streng an diese Richtlinien und Beschränkungen hält, damit nicht irgendein Mißbrauch entsteht. Das Gesetz enthält selbst eine Sicherung: Kontrollbefugnisse und polizeiliche Exekutivbefugnisse hat dieses Amt nicht. Würde es diese Befugnisse bekommen, dann würde ein solches Amt sehr bald denselben Charakter erhalten, wie ihn die Geheime Staatspolizei gehabt hat oder die Staatspolizeien anderer Länder haben; ein Charakter, von dem Ortega y Gasset einstmals im „Aufstand der Massen" gesagt hat, sie werden dann ihre Ordnung, nämlich ihre polizeiliche Ordnung, dem ganzen Staate aufprägen. Damit würden wir aus einem solchen Amt das glatte Gegenteil von dem geschaffen haben, was mit ihm beabsichtigt wird.
({1})
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte daher, nur ganz kurz einiges Technisches noch sagen zu dürfen.
Ich halte mit meinen Kollegen von der Fraktion dieses Gesetz für zustimmungsbedürftig, für ein Zustimmungsgesetz, und insofern sollte sich die Regierung der Bemerkung des Bundesrats anschließen.
Ferner würden wir großen Wert darauf legen, daß sich der Ausschuß dem einschränkenden Vorschlag des Bundesrats zu § 5 - daß nämlich die Weisungsbefugnis nur im Rahmen des § 3 stattfinden kann - anschließt.
Im übrigen möchte ich beantragen, dieses Gesetz den beiden Ausschüssen, nämlich dem Ausschuß zum Schutz der Verfassung und dem Rechts- und Verfassungsausschuß zur Bearbeitung zu überweisen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
({0})
- Stimmt nicht!
({1})
Meine Damen und Herren! Jede Demokratie, die sich nicht selbst gefährden will, muß die Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Die Weimarer Demokratie ist aus verschiedenen Ursachen gescheitert; aber eine dieser Ursachen war ihre eigene Schwäche und ihre Unfähigkeit, die Verfassung zu schützen, die sie sich selbst gegeben hatte. Der Parlamentarische Rat hat dieses Problem erkannt. Er hat erkannt, daß die Demokratie tatsächlich, wie mein Herr Vorredner gesagt hat. gefährdet ist, immer und aus sich selbst heraus gefährdet ist. Sie ist deshalb gefährdet, weil gerade diese Demokratie die Freiheit der Meinungsäußerung, die Freiheit der Presse, die Freiheit der Gesinnung und ihre Betätigung sehr weitgehend statuiert, weil aber gerade diejenigen, die nicht auf dem Boden der Demokratie stehen und von diesem Recht der Meinungsäußerung Gebrauch machen, in die Lage versetzt werden, durch den Mißbrauch dieses Rechtes die Demokratie zu gefährden.
({0})
Es ist tatsächlich so, daß die Demokratie immer gefährdeter in ihrem Bestand ist als jede autoritäre Staatsform. Es ist daher notwendig, Maßnahmen zu treffen, um diese Selbstgefährdung der Demokratie, die in ihrer Struktur begründet ist, zu vermeiden.
Eine dieser Maßnahmen, nur eine aus einem System von Maßnahmen, die getroffen werden müssen, ist die Schaffung des Bundesoberamtes für den Verfassungsschutz. Dieses Bundesamt ist bereits im Grundgesetz vorgesehen. Wenn also die Regierung uns heute vorschlägt, dieses Bundesamt durch Gesetz zu schaffen, so wird dadurch lediglich ein Auftrag des Parlamentarischen Rates ausgeführt.
Das Gesetz sieht eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern vor, und es statuiert eine Weisungsbefugnis der Stelle, der dieses Amt angegliedert ist, nämlich des Bundeskanzlers bzw. des Innenministers auch gegenüber den Organen der Länder. Ich bin der Meinung, daß da, wo es sich um den Bestand des Staates handelt, auch Bedenken, die sich auf die Zuständigkeit beziehen, auch föderalistische Bedenken, zurücktreten müssen. Die Existenz eines Staates ist wichtiger als die Art und Weise. wie dieser Staat diese Existenz zu wahren sucht. Trotzdem scheint auch mir der Vorschlag des Bundesrates beachtenswert zu sein, daß sich diese Weisungsbefugnis nur im Rahmen des Art. 3 halten kann. Die Ausschüsse, die sich mit dem Gesetz zu befassen haben, werden Umfang und Art dieser Weisungsbefugnis einerseits unter Berücksichtigung, der Länderinteressen, andererseits aber auch unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Schlagfertigkeit dieses zu schaffenden Amtes genau prüfen und festlegen müssen.
Wenn wir uns heute in Deutschland umblicken, so erfüllen uns manche Erscheinungen mit wachsender Besorgnis. Wir sehen mit Sorge in manchen Landesteilen das Wiederaufkommen von Gedankengängen, die sehr an die Gedankengänge des Nationalsozialismus erinnern. Wir sehen das Anwachsen dieser Bestrebungen. Wir nehmen diese Gefahr zwar nicht zu ernst, wir überschätzen sie in keiner Weise, aber wir folgern daraus die unbedingte Notwendigkeit der sofortigen Schaffung dieses Amtes für Verfassungsschutz.
Diese Maßnahme kann nur eine Teilmaßnahme sein; sie muß durch strafrechtliche Maßnahmen ergänzt werden. Es ist zu begrüßen, daß der Bundesjustizminister bereits hier eine Reihe von Ergänzungsbestimmungen zum Strafgesetzbuch vorbereitet hat, die dem Hause wohl schon in der nächsten Zeit vorgelegt werden. Alles das, was wir mit Gesetzen zum Schutze dieser unserer Verfassung zu tun versuchen, ist zwar notwendig und muß getan, und zwar rasch getan werden, es reicht aber nicht aus, um dieses unser Ziel zu erreichen. Darum ist von dem Herrn Staatssekretär mit Recht darauf hingewiesen worden, daß uns - neben diesen negativen Maßnahmen des Verfassungsschutzes - eine andere, wichtige positive Aufgabe erwächst; das ist die Erziehung unseres Volkes zur Demokratie. Es ist notwendig, diese Maßnahmen des Verfassungsschutzes zu treffen, dieses Bundesamt zu schaffen; es ist notwendig, um die Demokratie gegen ihre Feinde zu schützen, gleichgültig wo sie stehen,
({1})
aber noch notwendiger ist es, daß die Demokratie in den Herzen ihrer Bürger begründet wird.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß bei dieser Materie sowohl die Opposition als auch die Regierungsparteien sich über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung dieser Frage einigermaßen einig sind.
Was wir bei diesem vorliegenden Entwurf bedauern, ist die etwas negative Fassung. Wir würden es begrüßen, wenn es zu den Aufgaben der Behörde, die sich um den Verfassungsschutz zu kümmern hat, insbesondere auch gehören würde - wie der Herr Kollege Kopf eben sagte -, daß die Verfassung, das Verfassungsleben popularisiert wird, daß das Volk mit ihm und mit den Gedanken des demokratischen Verfassungslebens mehr vertraut und näher an es herangebracht wird, so daß wir am Ende einer längeren Periode auf ein innigeres Verwachsen unseres Volkes mit dem Verfassungsleben zurückschauen können, als es in der Weimarer Zeit der Fall war. Diese Aufgabe in allererster Linie muß dem Amt gestellt werden, das sich um die Verfassung zu kümmern hat, wie es in diesem Gesetz vorgesehen ist.
Aber es ist hier nicht so sehr die Frage, ob überhaupt in dieser Hinsicht etwas getan werden soll, sondern es ist die Frage: besondere Behörde oder nicht, soll hier eine besondere Behörde aufgestellt
werden? Und da erhebt sich die Frage: Wozu haben wir denn schließlich das Innenministerium, das normalerweise in allen Ländern das Verfassungsministerium ist? Es scheint uns nicht notwendig, aus einer besonderen Abteilung des Innenministeriums, die sich bisher um den Verfassungsschutz gekümmert hat, ein selbständiges, unabhängiges Amt zu machen. Es ist zu überlegen, was denn eigentlich noch, wenn man solche Aufgaben aus dem Bereich des Innenministeriums - Verfassungsministerium genannt - ausgliedert, zu guter Letzt zum Kompetenzbereich des Herrn Innenministers überhaupt noch gehören mag. Wenn aber eine Behörde einmal selbständig aufgestellt wird, so bringt es die Schwerkraft eines solchen Betriebes mit sich, daß sie wächst und wächst und ihre Selbständigkeit und die Notwendigkeit ihrer Fortexistenz durch Größerwerden zu beweisen versucht. Das wäre die wichtigste Überlegung bei den Beratungen in den Ausschüssen: ob es nicht möglich ist, unter Einsparung von Personal, unter Vermeidung der Schaffung einer neuen Behörde der vorhandenen Organisation die Schwungkraft zu verleihen, daß sie allein mit diesen Aufgaben fertig wird, daß sie sich insbesondere auch die positive Förderung der Verfassungsfreudigkeit zum Ziele setzt und auch in dieser Hinsicht wirksame Schritte unternimmt.
Es sei mir in diesem Zusammenhange gestattet, auch einmal darauf hinzuweisen, daß es das Interesse an der Verfassung fördert, wenn man die demokratischen Institutionen ernst nimmt, und zwar in einer anderen Art und Weise, als es bisher von seiten der Regierung geschehen ist. Insbesondere wäre es wünschenswert, daß das Ansehen dieses Hohen Hauses mehr gestärkt wird, als es durch das Verhalten der Regierung bisher geschehen ist. Es wäre
insbesondere wünschenswert, daß das Haus selbst seine Aufgaben betont und auch da sieht, wo sich Gelegenheiten bieten. Wir dürfen uns in Zukunft nicht weiter auf der Bahn vorandrängen lassen, die wir bisher beschritten haben, nämlich immer mehr von den Aufgaben abzugeben und in die Hände der Regierung gleiten zu lassen, die allzu sehr willens ist, Zuständigkeiten an sich zu ziehen, die ihr bisher noch nicht zukommen, die aber diesem Hause im Zuge der Ausbildung des Verfassungslebens, wenn wir auf der Bahn, die wir beschritten haben, weiter voranschreiten, durchaus entwunden werden können.
Das sind unsere vorläufigen Bemerkungen zu dem Entwurf, wie er hier vorliegt. Die Einzelheiten werden bei den Ausschußberatungen zur Sprache kommen.
({0})
- Eine „rote" in ihrem Sinne werde ich nie tragen!
Das Wort hat der Herr Staatssekretär Ritter von Lex.
Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Mehrere der Herren Vorredner haben darauf hingewiesen, daß es vielleicht richtiger wäre, keine förmliche Bundesoberbehörde zu schaffen, sondern die Angelegenheiten des Verfassungsschutzes ausschließlich in einer Abteilung des Bundesinnenministeriums zu bearbeiten. Ich darf darauf hinweisen, daß nach Art. 87 des Grundgesetzes eine solche Oberbehörde für die Sammlung von Nachrichten vorgesehen ist. Wir würden es für unrichtig halten, wenn wir mit dieser Klein- und a Detailarbeit, die zum Teil auch eine gewisse Exponierung mit sich bringt, das Ministerium selber belasten würden.
({0})
Im Ministerium müssen die grundsätzlichen Fragen der Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern bearbeitet werden. Aber ich darf bemerken: für das Nachrichtensammeln, das im Art. 87 des Grundgesetzes erwähnt ist, möchten wir eine eigene Bundesoberbehörde haben.
({1})
- Nein, so ist das natürlich nicht!
({2})
Der Herr Abgeordnete Greve, aus dessen Ausführungen ich zur Freude der Bundesregierung entnommen habe, daß auch die Opposition die Auffassung hat, daß uns daran liegt, eine wirklich objektiv und redlich arbeitende Behörde zu schaffen, hat davor gewarnt, daß wir etwa eine Gestapo wiedererrichten könnten, indem wir dem neuen geplanten Amt zu weitgehende oder überhaupt Exekutivbefugnisse geben würden. Wir haben in keiner Weise die Absicht, dem Bundesamt für Verfassungsschutz irgendwelche Exekutivbefugnisse zu geben. Es hat Nachrichten zu sammeln. Wenn bei diesem Sammeln von Unterlagen sich ergibt, daß irgendwo strafbare Tatbestände vorliegen, dann sind die ordentlichen Polizeibehörden oder die Staatsanwaltschaften in Bewegung zu setzen. Die Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist dann beendet.
({3})
Der Herr Abgeordnete Fisch hat es für nötig erachtet, zu bemerken, daß das künftige Bundesamt für Verfassungsschutz der verlängerte Arm der Besatzungsmächte und der Militärpolizei sein werde.
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- Ja, das werde ich gleich bestreiten. Es ist so, daß bisher nach Besatzungsrecht die Aufgaben, die auf politisch-polizeilichem Nachrichtengebiet lagen, ja von den Besatzungsmächten gehandhabt worden sind. Das jetzige Gesetz und das jetzige Amt sind nötig geworden, weil die Besatzungsmächte diese ihre Befugnisse den deutschen Stellen übertragen wollen. Wir von der deutschen Seite, meine Herren drüben von der äußersten Linken, haben dabei keinen Zweifel gelassen, daß wir in gar keiner Weise etwa bereit wären, reine Instrumente oder Kreaturen der Besatzungsmächte zu sein. Ich muß sagen, daß die Besatzungsmächte eindeutig erklärt haben, daß sie in gar keiner Weise daran denken, diese unsere Behörde infiltrieren zu wollen.
({5})
Meine Damen und Herren, nun noch ein ganz kurzes persönliches Wort. Der Herr Abgeordnete Fisch hat es für notwendig erachtet, mich persönlich zu apostrophieren. Soweit es sich um meine Person handelt, könnte mir das gleich sein und ist es mir auch völlig gleichgültig. Da ich aber der Vertreter des Bundesinnenministers bin und die Amtsaufgabe habe, Verfassungsschutzangelegenheiten zu bearbeiten, darf ich folgendes sagen. Ich habe aus der Zustimmung zum Ermächtigungsgesetz, die ich als junger Abgeordneter mit erteilt habe, gelernt, welch furchtbare Folgen aus einer l zu weitgehenden Ermächtigung entstehen können.
({6})
Ich glaube daher, sagen zu können, daß ich geeicht bin für die Demokratie und gefeit gegen Gelüste ein er Diktatur. Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Fisch nur das gleiche wünschen.
({7})
Meine Damen und Herren, die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Ausschuß zum Schutze der Verfassung beantragt. Zusätzlich ist dann von dem Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz noch beantragt worden, zugleich auch den Rechtsausschuß einzubeziehen.
({0})
- Das Wort zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Schoettle.
Ich will das, was ich zu sagen habe, vom Platz aus sagen. Ich glaube, es hat keinen Sinn, zwei Ausschüsse mit diesem Gesetz zu befassen. Vor allem der Rechtsausschuß, von dem wir gehört haben, daß er bereits überlastet ist, wird nicht in der Lage sein, dieses Gesetz fristgerecht zu behandeln; es genügt durchaus, es dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung zu überweisen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir brauchen über diese Frage keine lange Diskussion zu führen. Ich lasse abstimmen, zunächst über den Antrag, die Sache dem Ausschuß zum Schutze der Verfassung als federführend zu überweisen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, das Handzeichen zu geben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Es ist weiter beantragt, zusätzlich den Rechtsausschuß mit der Sache zu beschäftigen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist also abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 105 des Grundgesetzes ({0}).
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem Bier umfaßt drei Teilgebiete: die Biersteuersenkung, die Freigabe des Bierpreises und die Bestimmung und Regelung der gesetzgeberischen Zuständigkeit.
Die Ermäßigung der Biersteuer ist vom Bundesfinanzministerium angekündigt, und zwar sollen die derzeitigen Hektoliterpreise von 24 bis 27 DM um 12 DM, also auf 12 bis 15 DM gesenkt werden. Die Frage der Freigabe des Bierpreises schien in die Nähe der Verwirklichung gebracht durch die Begründung, die seinerzeit der Gesetzentwurf über die Forterhebung der Importausgleichsabgabe bis zum 30. Juni dieses Jahres mitbekommen hat. In dieser Begründung hieß es: „Der Importausgleich ist ein Teil der gegenwärtigen Ernährungswirtschaft, die in der derzeitigen Form bis zum Ende des laufenden Wirtschaftsjahres, das ist bis zum 30. Juni 1950, aufrechterhalten werden soll. Von diesem Zeitpunkt an wird eine einschneidende Änderung eintreten, die das gesamte Bewirtschaftungssystem, die Preispolitik, die Subventionen und damit auch die Importausgleiche grundlegend beeinflussen wird." Wir haben heute vormittag bei der Erörterung des überstürzt eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Preisregelung, des sogenannten Preisgesetzes, zu unserem Erstaunen wahrgenommen, daß in der Anlage zu § 1 auch Bier und Malz als der Preiswirtschaft weiterhin unterworfen bleiben sollen. Es ist also die erstaunliche Tatsache festzustellen, daß sich innerhalb weniger Monate die grundlegende wirtschaftspolitische Auffassung der Bundesregierung entscheidend geändert hat und daß anstelle eines Fortfalls der Preiswirtschaft, also der Reglementierung, ein neuer Beginn zu einer vielleicht anders gearteten staatlichen Preiswirtschaft gemacht werden soll. Der König ist tot, es lebe der König!
Die dritte Frage, die uns beschäftigt, ist das Thema unseres namens der Bayernpartei-Fraktion gestellten Antrags. Er lautet:
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Einziger Paragraph
In Absatz 2 Ziffer 1 des Artikels 105 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland werden nach den Worten „mit Ausnahme der" die Worte „Biersteuer und der" eingefügt,
so daß in Zukunft der Artikel 105 lauten würde: Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über 1. die Verbrauch- und Verkehrsteuern
({0})
mit Ausnahme der Biersteuer und der Steuern
mit örtlich bedingtem Wirkungskreis usf.
Manche haben, meine Herren, wenn sie den Begriff Bier in ihrer Imagination auftauchen sehen, eine Anwandlung von heiterer Ironie, ich will nicht sagen: von leise angeheiterter Ironie; aber das Problem ist zu ernst, als daß es mit einer solchen fidelen Auffassung gemeistert werden könnte. Die besondere Bedeutung und Stellung dieses Wirtschafts- und Verbrauchszweiges vor allem in Bayern tritt in einer fünffachen Beziehung eindrucksvoll hervor: in der Zahl der darin beschäftigten Personen, den darin investierten Kapitalien, der außerordentlichen Ausweitung des unmittelbaren Zweiges des Braugewerbes im weitesten Sinne in die damit zusammenhängenden Verbrauchs- und Erzeugungsgebiete, dann viertens in der Größe der Produktion und damit im Zusammenhang in dem Ertrag der Biersteuer, die beide fast die Hälfte des Ausstoßes und Aufkommens im Bundesgebiet erreichen, und endlich in der Bedeutung, die das Bier als Volksnahrungsmittel - nicht als Genußmittel - in Bayern besitzt.
Die Zahl der in der Brauindustrie und im Braugewerbe beschäftigten Personen umfaßt ohne deren Familienangehörige 26 000. Dazu kommen die mit der Erzeugung und dem Verbrauch von Bier verbundenen wichtigen Landwirtschafts-, Gewerbe-, Industrie- und Verbrauchszweige, der Gersten- und Hopfenbau, Hopfenhandel, die Mälzereien, die Brauereimaschinenindustrie, Flaschen- und Fässererzeugung, das Hotel- und Gaststättengewerbe, die eine Beschäftigtenzahl von 250 000 haben, also glatte 10 % der gesamten Beschäftigtenzahl in Bayern. Das ist eine außerordentlich gewichtige Potenz des gesamten bayerischen Wirtschaftslebens.
Die Tatsache der Weitschichtigkeit und tiefgreifenden Verzweigung des mit der Biererzeugung und dem Bierverbrauch in Bayern zusammenhängenden Problembereichs begründet einen legitimen Anspruch auf Berücksichtigung dieser besonders gelagerten Verhältnisse eines großen Mitgliedstaates des Bundes. An und für sich ist die Regelung, die die Biersteuer im Grundgesetz gefunden hat, höchst eigenartig. Art. 105 unterwirft die Biersteuer der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Art. 106 erklärt, daß die Verbrauchsteuern mit Ausnahme der Biersteuer dem Bunde zufließen. Es weist also der Art. 106 die Biersteuer den Ländern zu. Trotzdem wird die Biersteuer nach dem Art. 108 wie alle der konkurrierenden Gesetzgebung unterworfenen Verbrauchsteuern vom Bunde verwaltet, und der § 14 des soeben von diesem Hohen Hause verabschiedeten Gesetzes über die Finanzverwaltung hat ausdrücklich vorgesehen, daß die unteren Behörden der Bundesfinanzverwaltung, nämlich die Hauptzollämter, auch die Biersteuer mitverwalten, obwohl sie den Ländern zufließt.
Diese Regelung ist nicht zweckmäßig. Die Länder haben an und für sich örtliche Finanzbehörden, nämlich die Finanzämter, während die örtlichen Finanzbehörden des Bundes die Hauptzollämter sind. Es ist also durchaus möglich, die Biersteuer in den einzelnen Ländern durch die örtlichen Finanzbehörden dieser Länder erheben zu lassen; aber der Bund will das nicht, er will durch seine eigenen unteren Instanzen die Einhebung vornehmen und verlangt dafür von den Ländern 4 % des Aufkommens. Diese 4 % des Aufkommens könnten ebensogut den Ländern verbleiben.
Wir wollen, indem wir diesen Antrag auf Änderung des Grundgesetzes in Art. 105 stellen, nicht eine bayerische Reservation, nicht einmal ein bayerisches Reservat, sondern nur die Berücksichtigung einer wirtschaftlichen Sonderlage dieses Gewerbes und der mit ihm zusammenhängenden Wirtschaftszweige im Lande Bayern.
Wir wissen, daß der Bundesfinanzminister selbst sich für die Bundesgesetzgebung in der Biersteuerfrage eingesetzt hat. Man erhebt den Einwand und sagt: Ja, wenn die einzelnen Länder, z. B. Bayern, die Gesetzgebung über die Biersteuer erhielten, dann würde möglicherweise die Folge sein, daß steuerstärkere Länder die Biersteuer noch stärker senken, als Bayern sie zu senken in der Lage wäre. Dieser Einwand schlägt in keiner Weise durch. Denn auch vor 1918/19 bestand ja die Gesetzgebungshoheit Bayerns auf dem Gebiet der Bierbesteuerung in der Form des sogenannten Malzaufschlages. Dieser Malzaufschlag war in seinen Sätzen, die auf den Doppelzentner abgestimmt waren, sehr niedrig gehalten. Gleichwohl sind durch steuerstärkere andere Bundesstaaten des damaligen Reiches die bayerische Brauindustrie und das bayerische Braugewerbe in keiner Weise dadurch beeinträchtigt worden, daß nun aus Ländern mit geringeren Biersteuersätzen Biere in das Biererzeugungs- und Verbrauchsgebiet Bayern eindrangen.
Überdies hat diese Überlassung der Biersteuer an die einzelnen Länder jedenfalls in Bayern eine wichtige wirtschaftspolitische Auswirkung gehabt, nämlich die, daß die Aufsaugung der mittelständischen Betriebe nicht in dem raschen Tempo in Gang gesetzt worden ist wie später seit der Überweisung der Biersteuer an das Reich bzw. an den Bund.
Wir sind keineswegs gegen die Großbetriebe der Brauindustrie, die im Gesamtgesicht der deutschen Wirtschaft, vor allem auch für den Export, unentbehrlich sind. Aber wir möchten in diesem Gesicht auch nicht die Züge der mittelständischen Gewerbe vermissen. Ein früherer Direktor der Münchner Löwenbrauerei, Dr. Lange, der später auch bayerischer Wirtschaftsminister war, hat 1913 in seinem Buch über das Malzaufschlaggesetz von 1910 geschrieben:
Bei alledem darf nicht vergessen werden, daß, wenn nicht das Malzaufschlaggesetz gestaffelte Steuersätze vorsähe, der kleine Brauerstand längst nicht mehr in seinem heutigen Umfang weiterbestehen würde.
Ich möchte also an Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Bitte richten, zu erkennen, daß es sich hier für uns in keiner Weise um eine Eigenbrötelei, um eine Reservation, wie ich sagte, oder um ein Reservat handelt, sondern angesichts der überragenden Bedeutung des Braugewerbes und der mit ihm zusammenhängenden Wirtschaftszweige in Bayern um die Berücksichtigung einer wirklichen Sonderlage. Die Bundesfreudigkeit eines Landes wird dadurch gehoben, daß man ihm seine Welt läßt, daß man seine Sonderverhältnisse nicht einfach niederwalzt.
Ich möchte bitten, über unseren Gesetzesvorschlag nicht zur Tagesordnung überzugehen. Wir denken mit unserem Gesetzesvorschlag auch an Zeiten, in denen der Herr Bundesfinanzminister vielleicht aus einer anderen Himmelsrichtung gestellt werden könnte. Jedenfalls bitten wir, den Antrag oder den Gesetzesvorschlag einem Ausschuß zu überweisen und ihn nicht kurzerhand über die Tagesordnung hinwegzuschlagen. Diese Bitte möch({1})
ten wir an das Hohe Haus nicht bloß aus wirtschaftlichen, steuerpolitischen, steuerrechtlichen, sondern vor allem auch aus verfassungsrechtlichen Gründen gerichtet wissen, weil wir, wie ich schon ausdrückte, der Überzeugung sind, daß, je mehr die Eigenart der einzelnen Länder berücksichtigt wird, desto größer die Bundesfreudigkeit dieser Länder ist.
Ein Mitglied des Hauses hat in der Aussprache über die Regierungserklärung im vergangenen September gesagt: Soviel Staat wie notwendig, sowenig Staat wie möglich! Es war Herr Abgeordneter Dr. Schmid. Ich möchte die Tendenz dahin abwandeln, daß ich sage: Soviel Bund wie notwendig, aber sowenig Bund wie möglich.
({2})
Wir treten in die Aussprache ein. Im Ältestenrat ist eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen worden. Ich nehme die Zustimmung des Hauses zu dieser Regelung an.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Solleder.
Meine Damen und Herren! Zweifelsohne ist die Biersteuerfrage eine Frage, die die einzelnen Länder außerordentlich interessiert. Wir haben dieses Thema ja bereits einmal in diesem Hause durchgesprochen.
({0})
Es ist damals ein negatives Ergebnis herausgekommen. Die Regelung der Biersteuerfrage ist noch nicht so weit gediehen, daß wir die Dinge ad acta legen können. Ich glaube vielmehr, daß es durchaus zweckmäßig ist, die Biersteuerfrage in der laufenden Entwicklung weiter zu überprüfen, ja vielleicht sogar in Erwägung zu ziehen, ob wir die Biersteuer nicht überhaupt in eine Art Verbrauchsteuer umgestalten und sie modernisieren wollen, weil die Geschichte der Biersteuer bekanntlich schon 20 und mehr Jahre zurückgeht.
Grundsätzlich stimme ich daher dem Antrag der Bayernpartei zu,
({1})
daß hinsichtlich der Biersteuerregelung eine neue Überprüfung erfolgen möge. Aber ich bin der Auffassung, daß unter gar keinen Umständen die laufende Regelung der Biersteuer durch diesen Antrag verzögert werden darf. Das Bedürfnis der Bevölkerung und der beteiligten Kreise geht dahin, daß alsbald die in Aussicht gestellte Verbilligung des Bieres wirklich einmal eintritt. Ich würde daher bitten, daß die Regierung diesen Antrag nicht mit der im Entwurf bereits vorgesehenen Regelung der Biersteuer - der Entwurf befindet sich meines Wissens schon im Bundesrat - vermengt. Ich glaube, es ist im wohlverstandenen Interesse der Bevölkerung und der Beteiligten, daß die nach dem Entwurf vorgesehene Biersteuerregelung durch diesen Antrag keine Verzögerung erleidet.
Im übrigen bitte auch ich, die Angelegenheit dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wönner. Bitte acht Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Standpunkt der sozialdemokratischen Fraktion kann in diesem Hause wohl kaum einem Zweifel unterliegen. Die sozialdemokratische Fraktion lehnt den Antrag der Bayernpartei ab. Ich halte mich aber für verpflichtet, einige erklärende Worte dazu zu sagen. Denn wir kommen allmählich in das Milieu, das sonst nur in Bayern zu finden war. Dort spielt der Bierpreis nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine eminent politische Rolle. Nun soll diese politische Rolle des Bierpreises wahrscheinlich auf die Bundesebene übertragen werden. Offenbar hat die Bayernpartei auch den Ehrgeiz, den ersten verfassungändernden Antrag hier eingebracht und durchgesetzt zu haben. Es wäre, wie wir glauben, ein verfassungsgeschichtlicher Witz, wenn es ausgerechnet der Bierpreis wäre, der Anlaß zu dem ersten verfassungändernden Gesetz in diesem Hause geben würde.
Nun zur Sache selber. Wenn wir diesen Antrag ablehnen, kommen wir parteitaktisch in eine recht unbequeme Situation. Denn wir werden damit unzweifelhaft der Bayernpartei die Möglichkeit geben, in Bayern noch mehr, als sie es bisher getan hat, auf das böse Bonn zu schimpfen, das nicht bereit sei, den bayerischen Belangen ausreichend Rechnung zu tragen. Ich hoffe zuversichtlich, daß auch die CSU sich rechtzeitig bei uns bedanken wird, wenn wir dadurch der Bayernpartei die Möglichkeit genommen haben, sich gegen sie zu beschweren, daß sie den Bierpreis in Bayern nicht frühzeitig genug ausreichend gestaltet hat. Ich glaube sogar, daß ein Tag kommen könnte, an dem der Herr Kollege Dr. Baumgartner sich auch noch bei uns bedanken könnte, wenn er nämlich als künftiger bayerischer Ministerpräsident einmal in die Verlegenheit käme, den politischen Bierpreis in Bayern zu gestalten.
Materiell kauen wir heute bereits zum zweitenmal das Thema wieder, und wir werden es ein drittesmal wiederkäuen müssen, wenn das Biersteuergesetz endlich zur Beratung kommt. Denn alles das, was zur materiellen Begründung des Antrags vorgetragen worden ist, gehört nicht zu dieser verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung, sondern das gehört zur Debatte über die Biersteuerfrage an sich. Wir haben die Hoffnung, daß es auch in diesem Hohen Hause gelingen wird, den Bierpreis nicht nach unitarischen Vorstellungen zu gestalten, sondern den Bedürfnissen Bayerns in dieser Frage ausreichend Rechnung zu tragen.
Im übrigen darf ich abschließend folgendes bemerken. Ich empfinde es außerordentlich merkwürdig, daß dieser Antrag gerade jetzt kommt. Denn wenn ich die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers aus Anlaß der Behandlung des Antrags Loritz zur Bierpreisfrage richtig verstanden habe, wäre es vor dem 1. April dieses Jahres in Bayern noch möglich gewesen, die Biersteuerfrage ganz autonom nach bayerischen Vorstellungen zu lösen.
({0})
Warum es nicht geschehen ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Dort wäre ausreichend Zeit und Gelegenheit gewesen, wirklich bayerische Vorstellungen durchzusetzen. Ich bin zu meinem Bedauern nicht in der Lage, Ihnen etwas anderes zu sagen. Wir behalten uns aber vor, bei der Behandlung des Biersteuergesetzes hier auch bayerische Vorstellungen nachdrücklich zu vertreten.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmidt. Drei Minuten, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat gesagt, er wundere sich, daß die Bierpreisfrage jetzt komme. Herr Vorredner, ich möchte Ihnen sagen, Sie brauchen sich nicht zu wundern, wenn Sie bedenken, wie warm es jetzt ist und daß drunten bei uns in Bayern das Bier das Hauptgetränk des werktätigen Volkes ist. Gerade das sagt uns jetzt, es wäre doch allmählich an der Zeit, dem werktätigen Volk, ob das Arbeiter oder Bauer ist, ein Getränk zu geben, das es bezahlen kann, von dem es wenigstens einen Liter trinken kann. Bei einem Preis von 1 DM oder über 1 DM je Liter ist das nicht möglich. Deswegen möchten wir an das Hohe Haus einen Appell richten. Ich sage kein Wort über 14prozentiges, 18prozentiges oder höherprozentiges Bier, sondern ich möchte Sie ersuchen, dafür zu sorgen, daß dem werktätigen Volk ein billiges Getränk gegeben werden kann, und zwar zu einem Preis, den es auch in der jetzigen Zeit erschwingen kann und der es ihm ermöglicht, einen Liter Bier zu trinken. Schauen Sie in die Arbeitsstätten draußen, nicht nur in Bayern, sondern überall. Wie dankbar wären die Arbeiter, wenn sie einen Liter Bier für vielleicht 50 oder 60 Pfennig trinken könnten. Das wäre möglich. Ich habe kürzlich mit einem großen Brauer bei uns in Bayern über den Fall gesprochen. Dieser hat mir erklärt: Schmidt, es wäre möglich, Ihrem Wunsche dadurch Rechnung zu tragen, daß wir dem werktätigen Volk ein Bier von 10, 11 oder höchstens 12 % geben, das dann zu einem so billigen Preis herauskäme. Damit wäre dem Arbeiter und dem Bauern geholfen, und es wäre endlich für Bayern diese leidige Bierpreisfrage einmal in Ordnung gebracht.
({0})
- Herr Kollege, Sie können ja Wasser trinken, wenn Sie kein Bier mehr vertragen können;
({1})
es steht Ihnen ja zur Verfügung. Aber Sie sind ja in Bayern das Bier genau so gewöhnt wie ich.
Darum möchte ich dem Hohen Haus vorschlagen, dafür zu sorgen, daß dem werktätigen Volk ein billiges Bier gegeben werden kann. Wir unterstützen also den Antrag der Bayernpartei nicht nur auf Grund der bayerischen Verhältnisse, sondern auch auf Grund der Verhältnisse in Norddeutschland. Ich sage noch einmal, auch die Arbeiterschaft draußen an dem Bau wäre heute bei der Hitze ganz froh, einen billigen Liter Bier zu trinken. Ich möchte das Hohe Haus ersuchen, dem Antrag der Bayernpartei zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher.
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht zu sprechen; aber die letzten Äußerungen des Herrn Vorredners veranlassen mich dazu; denn hier handelt es sich um die Rechtsgrundlage, um die Gesetzgebung für die Erhebung der Biersteuer. Das ist in dem Antrag der Bayernpartei gemeint, und dazu hat Herr Kollege Solleder das Notwendige gesagt. Das hat aber mit der Senkung der Biersteuer und mit der Herabsetzung des Bierpreises noch nichts zu tun.
({0})
Diese Frage ist für uns jedoch am wichtigsten; denn
ich glaube, die verbrauchende Bevölkerung fragt
in erster Linie: Was kommt dabei heraus? Was habe ich künftig für einen Bierpreis? Und da bin ich der Meinung, daß die Bundesregierung jetzt etwas rascher arbeiten muß, damit wir den Gesetzentwurf über die Senkung der Biersteuer bald bekommen und dann über die Frage der Herabsetzung des Bierpreises reden können.
Ich habe zu der Frage schon einmal Stellung genommen. Die Frage besteht aus verschiedenen Teilen, und wir werden uns bei gegebener Zeit damit beschäftigen müssen. Auch bin ich durchaus dafür, daß hier für ein anständiges Bier,
({1})
das bei mindestens 11 % zu beginnen hat, die Preisregelung erfolgt. Mit zehnprozentigem Bier können wir nämlich bei der Geschmacksveränderung in unserer Bevölkerung gar nichts mehr anfangen.
({2})
Denn die Verhältnisse sind so, daß die Bevölkerung heute gerade nach dem Besten greift und nicht nach dem, was etwas minderwertiger ist. Wir müssen den veränderten Verhältnissen in den Verbrauchsgewohnheiten unseres Volkes nach den Hungerjahren absolut Rechnung tragen. Da gehört nun ein Höchstpreis für Bier festgelegt. Ich sage extra: ein Höchstpreis, damit die Garantie besteht, daß sich unterhalb des Höchstpreises ein vernünftiger Bierpreis einspielen kann. Das ist aber eine Frage, die wir dann zu erledigen haben, wenn die Biersteuervorlage der Bundesregierung hier behandelt wird, weil die Bierpreisfrage damit zur Erledigung gebracht wird,
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wönner. Noch fünf Minuten!
Meine Damen und Herren! Ich empfinde es merkwürdig, wenn man aus dem Munde eines Politikers festgestellt bekommt: Jetzt ist es draußen warm, und jetzt muß der Bierpreis herunter.
({0})
Wir haben das bereits im Herbst vorigen Jahres gewußt, daß der Bierpreis herunter muß, weil es warm wird, aber nicht nur weil es warm wird, sondern auch weil er zu hoch ist. Im übrigen bedeutet nämlich, bezogen auf den Bierpreis schlechthin, der Antrag der Bayernpartei nichts weiter als eine Verzögerung in der gesetzlichen Erledigung.
({1})
Wir sind uns in Bayern längst darüber klar, und ich glaube, Baumgartner, auch bei euch ist bekannt, wer die Ursache dafür ist, daß der Bierpreis noch nicht gesenkt ist; denn er sollte es bereits am 1. April sein. Wenn es nicht geschehen konnte, dann ist das insbesondere auf innerbayerische Schwierigkeiten zurückzuführen. Ich stelle das hier ausdrücklich fest. Und wenn wir noch einmal mit einem neuen verfassungändernden Gesetz an die Frage herangehen wollten, dann würde auch nicht mehr der 1. August, sondern wahrscheinlich ein späterer Termin in Frage kommen.
Zur sachlichen Auseinandersetzung aber noch folgendes! Nach dem Antrag der Bayernpartei wäre es gar nicht notwendig, hier über die Bierpreisfrage usw. zu sprechen, sondern danach wäre dies eine Angelegenheit des bayerischen Landtags. Wir behalten uns vor, zum Bundesbiersteuergesetz die entsprechenden Anträge vorzulegen.
({2})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen zur Biersteuerfrage liegen nicht mehr vor.
({0})
Ich darf daher die Aussprache über den Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 929 schließen und das Einverständnis des Hauses mit der Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführend und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen feststellen.
Wir kommen dann zu den Punkten 7a und 7b, die gemeinsam behandelt werden sollen. Ich rufe zunächst auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln ({1}) ({2}).
Für die Einbringung darf ich an den Herrn Bundesernährungsminister appellieren, daß er sich vielleicht mit 10 Minuten begnügt, und erteile ihm nunmehr das Wort.
Dr. Niklas. Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Hohes Haus! Es bedarf nicht vieler Worte, um folgendes festzustellen. Auf einem so wichtigen Gebiet, wie es die Brotversorgung des Volkes nun einmal ist, kann man den Schritt von der Zwangswirtschaft in die freie Wirtschaft nicht auf einmal machen. Infolgedessen haben wir uns seit Monaten mit allen in Betracht kommenden Wirtschaftskreisen, den Erzeugern, den Be- und Verarbeitern, dem Handel und den Verbrauchern zusammengesetzt, um einen Weg zu finden. Er ist in dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf aufgezeichnet. Vier Punkte sind wesentlich.
Erstens Einfuhr- und Vorratsstelle. Wenn man, wie es bei uns zutrifft, trotz der glänzenden Ernte 1949 im laufenden Wirtschaftsjahr noch zu mehr als 50 % von der Einfuhr abhängig ist, dann braucht es keine langen Reden, um darzulegen, daß die Einfuhr geregelt werden muß, zumal sie ja aus den verschiedensten Quellen fließt. Bei Weizen beträgt der Einfuhrbedarf Deutschlands im nächsten und den kommenden Jahren ungefähr je 2,4 Millionen Tonnen, wovon uns 1,8 Millionen Tonnen aus dem Weltweizenpakt zugesagt sind, während 600 000 Tonnen aus Handelsabkommen noch notwendig sind. Bei Roggen beträgt der Bedarf 2,5 Millionen Tonnen, und zwar 1,7 Millionen Tonnen aus eigener Erzeugung und 0,8 Millionen Tonnen aus Einfuhren.
Preislich ist die Situation schwierig, weil wir ja für den aus Handelsverträgen zu beziehenden Weizen verhältnismäßig hohe Preise haben. Wir rechnen von Frankreich bis hinüber nach Pakistan mit ungefähr 85 Dollar je Tonne, während wir, insbesondere nach den letzten Zusagen, die uns auf dem Petersberg gegeben wurden, erwarten können, die anderen 1,8 Millionen zu 75 Dollar zu bekommen.
Zweite Eingriffstelle: Kontingentierung der Mühlen. Das ist eine fragwürdige Angelegenheit. Man kann viel dagegen und viel dafür anführen. Übertragung des Erbhofbauerntums auf die Mühlenwirtschaft ist z. B. eines der Argumente. Andererseits wird gesagt: Kontingentierungen passen nicht in die große Richtlinie unserer Wirtschaftspolitik hinein. Das stimmt bis zu einem gewissen Grade. Wir haben aber 16 000 Mühlen. Mit diesen versorgen wir 47 Millionen Menschen. Die USA versorgen mit 1200 Mühlen 150 Millionen. Man sagt, daß dieses Verhältnis zwischen Mühlen und zu versorgender Bevölkerung auch einmal bei uns kommen wird. Ich bin kein Prophet; ich weiß es nicht. Aber das eine weiß ich, daß wir in den noch vor uns liegenden Jahren einer labilen Getreideversorgung derartig turbulente Zustände auf dem Mühlengebiete nicht ertragen und nicht brauchen. Dessentwegen also bis zu einem gewissen Grade Kontingentierung; aber nicht starr, vielmehr nur eine Kontingentierung auf Grund der alten Kontingentsbasis unter Berücksichtigung der Mahlungen in den letzten Jahren. Besserungsschein soll jederzeit auf Grund der Tätigkeit in den laufenden Jahren möglich sein.
Das Mühlenprojekt jetzt zu erörtern, meine verehrten Herren, ist müßig. Dazu bräuchte ich eine Stunde. Wer die letzten 30, 40 Jahre mit sehenden Augen erlebt hat, der weiß, daß es auf keinem Gebiet der Wirtschaft so heiße Kämpfe gab wie gerade in der Mühlenwirtschaft. Dabei spielen nicht nur Versorgungsmomente. sondern auch gewisse allgemein-wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle.
Dritte Säule: Möglichkeit für die Regierung, Ausmahlungssätze bei der Mehlherstellung zu statuieren. Ich erhalte darauf folgende Antwort: Die Mühlen passen nicht mehr auf, sie machen. was sie wollen. Bis zu einem gewissen Grade ist das richtig. Trotzdem können wir die Ermächtigung nicht entbehren. § 2 des Gesetzentwurfs sieht den Versorgungsplan vor. Wenn er im Einverständnis mit den Alliierten aufgestellt ist, müssen wir uns danach richten. Zehnprozentige stärkere Ausmahlungen bei Roggen würden einen Mehrbedarf an Roggen von 360 000 tons bedeuten. Woher nehmen und nicht stehlen? Wir müssen also unter allen Umständen wenigstens das Instrument in der Hand haben, um mit dem Versorgungsplan auszukommen.
Noch etwas anderes möchte ich erwähnen. Man weiß nicht. wie sich die Dinge auf dem Gebiet der hohn Politik entwickeln. Da könnte es sein, daß das Vorhandensein einer solchen Ermächtigung der Regierung, bei den Ausmahlungen den Hahn in der Hand zu haben, uns die Einführung einer Brotkarte erspart. Weitere Ausführungen brauche ich wohl nicht zu machen.
Viertens: Die Ermächtigung der Bundesregierung, Preise für Getreide und Mahlerzeugnisse festzusetzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem Thema der eigentlichen Fixierung der Getreide-, Mehl- und Brotpreise hat dieses Formationsgesetz, wenn ich es so nennen darf, das Ihnen jetzt zur Beratung vorliegt, nichts zu tun. Dieser Akt Nr. 2 kommt noch. Ich werde vielleicht bei der Aussprache gefragt, warum er nicht gleichzeitig mit dem Akt Nr. 1 über die Bühne geht. Ich darf dazu kurz auf folgendes hinweisen. Einmal wissen wir heute noch nicht, wie die Ernte ausfällt. Der Roggen steht vor der Blüte. Auch der Nichtlandwirt weiß, daß nichts so sehr die Roggenernte beeinflußt wie der Verlauf der Blüte, die trockenes, warmes Wetter mit mäßigen Winden braucht.
Ferner wissen wir noch nicht, wie sich unsere Preise aus dem internationalen Weltweizenpakt einspielen; das übersehen wir am heutigen Tag noch nicht ganz genau; aber wahrscheinlich übersehen wir es in den nächsten vierzehn Tagen, weil uns von Washington zugesagt ist, daß die CCC, die Organisation, die uns bisher aus den Einkäufen des Kriegsministeriums global mit den notwendigen Mengen versorgt hat, zu bestehen aufhört, so daß wir individuell einkaufen können und damit natürlich weit mehr als bisher in der Lage sind, die besten Preise für uns herauszuholen. Ich habe vorhin von 75 Dollar gesprochen. 81,5 ist der Höchstpreis nach dem internationalen Abkommen.
({3})
P Schließlich werden sie meine Vorsicht verstehen, wenn Sie die Zeitungsnachrichten des gestrigen Tages und des heutigen Morgens verfolgen. Nach den Darlegungen, die der Vorsitzende der Wirtschaftskommission der UN, Professor Gunnar Myrdal, gestern früh in Genf gemacht hat, scheint es doch so zu sein, als ob die Sowjets willens wären, in der allernächsten Zeit mit Weizenlieferungen für Westeuropa aktiv aufzutreten. Ich möchte an diese von dem Vorsitzenden der UN-Wirtschaftskommission gemachten Darlegungen heute noch keine weitere Folgerung knüpfen, aber auf das eine hinweisen, daß sich dadurch neben den beiden bisher bestehenden Weltpreisgebieten, nämlich den Londoner internationalen Paktabmachungen mit 180 Dollar-Cents je Bushel und den Internationalen freien Preisen möglicherweise noch ein drittes Preisgebiet auftut, das man nicht ganz außer acht lassen darf, ehe man den maßgeblichen Stellen diese schwerwiegende Frage der Preisbildung vorlegt, wobei es doch so ist, daß wir natürlich im Interesse einer gedeihlichen Entwicklung des deutschen Getreidebaues auf die Gewährung auskömmlicher deutscher Getreidepreise mit einem möglichst stabilen Charakter hinwirken müßten. Sie verstehen die Vorsicht, die ich bei der Formulierung dieses Satzes gebraucht habe. Ich glaube aber, daß es im gegenwärtigen Augenblick fehl am Platze wäre, hierüber schon mehr zu sagen. Das, meine Damen und Herren, sind die vier Pfeiler des Gesetzes, das Ihnen vorliegt und um dessen baldige Erledigung ich im Namen der Bundesregierung sehr herzlich bitte.
({4})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Bundesernährungsministers gehört. Wir kommen jetzt unter Punkt 7b der Tagesordnung zur
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Anträge der Fraktion der Bayernpartei betreffend Getreidebewirtschaftung und Neuregelung der Mühlenkontingentierung ({0}).
Als Berichterstatter erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Mühlenfeld das Wort. Der Ältestenrat hat etwa 10 Minuten für die Berichterstattung vorgesehen.
Dr. Mühlenfeld ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu meiner großen Freude bin ich in der Lage, vorweg mitzuteilen, daß ich keine 10 Minuten zu dieser Berichterstattung brauche. Mit Rücksicht darauf, daß die Regierung in einer Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die alsbaldige Vorlage des Getreidegesetzes angekündigt hat, haben die Herren Antragsteller, nämlich die Fraktion der Bayernpartei, zu den Anträgen Nr. 101 und Nr. 115 im Ausschuß ausgeführt, daß nunmehr ihre Anträge als erledigt anzusehen sind in der Erwartung, daß die von den Antragstellern in den eben von mir genannten Anträgen aufgestellten Forderungen in dem angekündigten Gesetz über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln genügende Berücksichtigung finden. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich die Auffassung der Antragsteller zu eigen gemacht und demgemäß in seinem Bericht Nr. 713 zum Ausdruck gebracht, daß die genannten Anträge der Bayernpartei als erledigt angesehen werden können.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Wir treten in die Aussprache ein. Der Altestenrat schlägt Ihnen nach § 88 der Geschäftsordnung eine Gesamtredezeit von 90 Minuten für beide Punkte vor. - Ich darf das Einverständnis des Hauses feststellen. Als erstem erteile ich das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Baumgartner. Bitte, 8 Minuten!
Meine Damen und Herren! Ich darf mich ganz kurz fassen. Die Bayernpartei hat, wie Sie gehört haben, zwei Anträge gestellt - das war am 18. Oktober 1949 - unter Drucksachen Nr. 101 und 115. Die Anträge beinhalteten einen Vorschlag einer neuen Getreidebewirtschaftung und einer Mühlenkontingentierung. Was die Anträge damals gefordert haben, soll nun in diesem neuen Getreidegesetz verwirklicht werden. Ich muß im Namen meiner Fraktion das Bedauern aussprechen, daß wir 71/2 Monate gebraucht haben, um diese Neuregelung zu finden und um diesen Gesetzesvorschlag der Bundesregierung hier im Parlament vorzufinden.
({0})
Meine Damen und Herren! Das Getreidegesetz ist nötig. Darüber besteht wohl im ganzen Hause kein Zweifel, und ich habe mit großer Freude auch die Stellungnahme der Gewerkschaften zur Kenntnis genommen, die mit einiger zu starken Betonung des staatlichen Einflusses eine ausgezeichnete Formulierung und Stellungnahme in ihren Forderungen zu der neuen Marktordnung bei Getreide, Fett, Fleisch usw. enthält.
Das Gesetz selber ist - dessen müssen wir uns hier im ganzen Hause bewußt sein - ein Ermächtigungsgesetz
({1})
für die Bundesregierung, die Getreidewirtschaft monopolartig so ähnlich, wie es in der Schweiz ist, zu ordnen. Aber, wie der Herr Bundesminister bereits ausgeführt hat, wir kommen um eine monopolartige Regelung in der ganzen Getreidefrage nicht herum. Und weil die Regelung monopolartig ist und weil die Regelung eine Ermächtigung für die Regierung darstellt, hat dieser Gesetzentwurf Vor- und Nachteile.
Der Hauptvorteil des Gesetzentwurfes ist, in einem Satz gesagt, der, daß acht übrige Gesetze und Verordnungen jetzt durch dieses neue Gesetz aufgehoben werden sollen.
Meine Fraktion selbst wird noch einige Abänderungsanträge bringen, hauptsächlich bei folgenden Punkten: Erstens ist nach unserer Meinung die Landwirtschaft zu wenig eingeschaltet. Es dreht sich doch darum, die landwirtschaftliche Produktion in Deutschland zu schützen. Wir alle haben uns vor wenigen Wochen begeistert für den Schutz der Landwirtschaft ausgesprochen, und wir müssen jetzt zeigen, ob wir das wahrmachen und wirklich die Landwirtschaft schützen wollen. Also die Landwirtschaft muß stärker eingebaut sein. Außerdem ist das Gesetz an einigen Stellen viel zu stark ein Reichsnährstandsgesetz, und wir müssen uns auch da innerhalb des Ausschusses noch über die einzelnen Punkte unterhalten.
Bei der Einfuhr- und Vorratsstelle und bei der Mühlenstelle, die in dem Gesetz geplant sind, müssen wir darauf bedacht sein - und da muß auch das Bundesparlament sein Wort mitsprechen -, daß der Verwaltungsrat und die Vorstandschaft entsprechend richtig zusammengesetzt sind; sie dürfen
({2})
nicht einseitig zusammengesetzt sein. Wir geben eine ungeheure Ermächtigung aus der Hand, meine Damen und Herren, und das Parlament hier muß einen Einfluß darauf haben, wie der Verwaltungsrat und die Vorstandschaft bei der Mühlenstelle und bei der Einfuhr- und Vorratsstelle zusammengesetzt sind.
§ 9 dieses Gesetzentwurfes geht meiner Fraktion zu weit. Es ist eine Ermächtigung für den Herrn Bundesminister für Landwirtschaft vorgesehen, daß er die Preise festsetzt. Ich glaube, wir müssen uns ernstlich überlegen, ob eine so weitgehende Ermächtigung, die unser ganzes Preisgefüge in der Wirtschaft über den Haufen werfen und ändern kann, vom Parlament gegeben werden kann und ob die Preise nicht hier für ein ganzes Jahr durch das Parlament festgesetzt werden müssen.
§ 11 des Gesetzentwurfes ist nach unserer Ansicht überflüssig, weil es Sache des Bundesministeriums selbst ist, einen Ausschuß einzusetzen. Wir stehen dagegen auf dem Standpunkt, daß bei diesen ganzen Stellen, die hier geschaffen werden sollen, das Bundesparlament eingeschaltet sein muß, daß der Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft eingeschaltet sein muß, damit wir ein ganzes Jahr lang mitbestimmen können, weil ja das Ganze ein großer Versuch ist. Wir wissen noch gar nicht, wie diese Ermächtigung, diese neue Getreidemarktordnung sich überhaupt auswirken wird.
Wir haben in Deutschland darüber noch keine Erfahrungen, wir können nur auf die Erfahrungen der Schweiz auf diesem Gebiete blicken.
Dann darf ich Sie noch auf § 10 aufmerksam machen, der den Frachtenausgleich als Kann-Vorschrift behandelt. Wir sind der Meinung, daß dies eine Muß-Vorschrift sein sollte. Der Frachtenausgleich muß im ganzen Bundesgebiet durchgeführt werden.
Zum Schluß darf ich noch darauf hinweisen, daß in diesem so einschneidenden Großmarktgesetz, das wir jetzt zu verabschieden haben, die Kompetenzregelung zwischen Bund und Ländern nicht genau geklärt ist. Das erkennen Sie daran, meine Damen und Herren, daß der Bundesrat allein 26 Änderungen vorgeschlagen und zum Teil ganz ausgezeichnete Abänderungsvorschläge gemacht hat. Ich darf das Hohe Haus bitten, sich sehr eng an diese Abänderungsvorschläge anzulehnen, wenn wir zwischen Bund und Ländern nicht die größten Schwierigkeiten bekommen sollen.
Das ganze Gesetz aber ist illusorisch, wenn Sie, Herr Bundesminister, uns nicht sehr rasch sagen können, was Sie bei der Preisregelung auf dem Getreidemarkt vorhaben. Die ganze Ein- und Ausfuhrpolitik ist illusorisch, wenn wir nicht genau wissen, was die Bundesregierung bezüglich der Preisregelung bei Brotgetreide und auf dem ganzen Getreidesektor überhaupt beabsichtigt. Wir müssen auch wissen, was die Bundesregierung hinsichtlich der Regelung des Preisgefälles plant. Früher hatten wir bei den Preisen das Ost-West-Gefälle, heute müssen wir ein Nord-Süd-Gefälle einführen. Wir müssen wissen, wie die Preise auf diesem Gebiet geregelt werden sollen.
Zusammenfassend, meine Damen und Herren: Das Gesetz ist notwendig. Der Entwurf des Gesetzes ist im großen und ganzen gut. Wir brauchen dieses Gesetz, um in den ganzen Getreidesektor Ordnung hineinzubringen, die Ein- und Ausfuhr zu regeln und damit unserer Verbraucherschaft genau so zu dienen wie den Erzeugern. Änderungsvorschläge wird meine Fraktion im Ausschuß noch einbringen.
Wir selbst werden aber bei Beachtung verschiedener Änderungsvorschläge diesem Gesetz unsere Zustimmung geben.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kriedemann. 18 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für meine politischen Freunde und mich nahezu eine Selbstverständlichkeit, grundsätzlich ja zu sagen zu einem Gesetz, das die Aufgabe hat, auf einem wichtigen Teilgebiet unserer Wirtschaft Ordnung zu schaffen. Wir befinden uns da in keiner neuen Situation, und für uns bedeutet das auch nicht die Spur einer inneren Umkehr, was vielleicht nicht jeder für sich in Anspruch nehmen kann, der heute zu diesem Gesetz und zu diesem Unternehmen der Marktordnung für die Landwirtschaft ja zu sagen bereit ist. Schließlich haben wir unsere Kritik an der sogenannten freien Wirtschaft nicht zuletzt im Interesse der Landwirtschaft geführt. Wir haben es vom ersten Tage dieser sogenannten freien Wirtschaft an immer ausgesprochen, daß die Landwirtschaft als ein leider sehr schwaches Glied in unserer Volkswirschaft zugleich mit den kaufkraftschwachen Verbraucherschichten unter dieser freien Wirtschaft zu leiden haben wird. Wir konnten deshalb manche Zustimmung zu unserer Kritik, die sich in den Vorbesprechungen über das Problem der Marktordnung im Ernährungsausschuß in reichem Maße gezeigt hat, mit einigem Vergnügen quittieren. Ein bißchen wird das Vergnügen durch das bedauern beeinträchtigt, daß die Erkenntnis so spät kommt
({0})
bei denjenigen, die es immer mit Vorliebe für sich in Anspruch nehmen, die Belange der Landwirtschaft sozusagen berufsmäßig zu vertreten.
Diese grundsätzliche Zustimmung erspart uns jedoch nicht eine recht erhebliche Kritik an der Form, in der hier der Versuch zur Wiederherstellung der Ordnung in der Landwirtschaft unternommen werden soll. Auch ich muß an die Spitze meiner kritischen Bemerkungen die Worte stellen, daß dieses Gesetz nicht nur spät, sondern viel zu spät kommt. Wir befinden uns unmittelbar vor dem Ende nicht nur des laufenden Getreidewirtschaftsjahres, sondern auch einer ganzen Reihe von Einrichtungen und Gesetzen, die so in etwa den Schutz der Landwirtschaft im Auge hatten. Wir wissen auch, daß gar keine Rede davon sein kann, auch wenn das Haus sich noch soviel Mühe gibt, dieses Gesetz zu dem Zeitpunkt fertigzustellen, an dem es längst hätte in Kraft sein müssen, damit alle Beteiligten sich darauf einrichten konnten, nämlich zum 1. Juli. Bei aller Bereitschaft des Ernährungsausschusses, an diesem Gesetz fleißig und eifrig zu arbeiten, vermag keiner zu sagen, wann endlich das Gesetz die verschiedenen Hürden passiert haben wird.
Ein zweites, sehr erhebliches Bedenken ist für uns dadurch gegeben, daß wir in diesem Gesetz nur erst ein Glied aus der ganzen Marktordnung kennengelernt haben. Wir hätten es für unbedingt notwendig gehalten, daß diese Marktordnung als ein Ganzes vorgelegt worden wäre. Aber auch darüber können nur die peinlichen Worte „zu spät" gesetzt werden.
Kriedemann)
Man kann ganz allgemein sagen, daß das Gesetz den inneren Widerspruch widerspiegelt, mit dem die Regierung und ihre Freunde nun fertig werden müssen, wenn sie in der einen Hand immer noch die Fahne der freien Wirtschaft hochhalten wollen oder sich bemühen, diese Fahne hochzuhalten, und auf der anderen Seite für die Landwirtschaft die Wirtschaftsordnung und das Maß an Sicherheit herstellen wollen, ohne das die deutsche Landwirtschaft einfach nicht existieren kann.
Das stellt für uns die innere Glaubwürdigkeit der Motive des Gesetzes sehr erheblich in Frage und beschwört die Gefahr herauf, daß mit diesem Gesetz und wohl auch mit den folgenden Gesetzen zur Marktordnung in der Landwirtschaft Illusionen erweckt werden sollen, zu deren Realisierung dann sozusagen alles fehlt. Man versucht z. B. die Mühlenkontingentierung durchzuführen. Die Regierung sucht um Vollmachten nach, um Vermahlungsvorschriften, Verwendungsvorschriften usw. erlassen zu können. Dabei weiß man doch, daß es alle diese Dinge schon heute gibt und daß sie absolut nicht funktionieren, weil es eben an dem Willen und an den Einrichtungen fehlt, die geltenden, in Kraft befindlichen Vorschriften nun auch wirklich durchzusetzen.
Man kann eben nicht ungestraft die Verwaltung und die in ihr tätigen Personen so herabsetzend kritisieren, wie das der immer noch amtierende Wirtschaftsminister zum höheren Ruhme seiner freien Wirtschaft in der Vergangenheit so oft getan hat.
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Damit bricht man der Autorität der Verwaltung und dem guten Willen der in ihr tätigen Menschen geradezu das Rückgrat, und man kann sich dann nicht wundern, wenn es zwar Gesetze gibt, es aber doch auch anders gemacht werden kann.
Alle die Damen und Herren, die damals zusammen mit mir und meinen Freunden in Frankfurt im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit unserer Landwirtschaft den Versuch des Importausgleichgesetzes gemacht haben, darf ich an die Tatsache erinnern, daß außerordentlich schwierige Verhältnisse für einen wichtigen Teil unserer Wirtschaft dadurch entstanden sind, daß einige sich auf diese Ordnung, die Gesetzeskraft erlangt hat, verlassen haben, aber andere auch um dieses Gesetz herummanipulieren können.
Wir haben gerade in den letzten Tagen in einem Unterausschuß des Ernährungsausschusses, der eingesetzt worden ist, um die Situation auf dem Margarine- und Fettsektor zu klären, zu unserem Entsetzen erfahren, daß es möglich war, sehr erhebliche Mengen auch um den Exportausgleich herum einzuführen, weil die Verwaltung nicht funktionierte, offenbar auch gar nicht funktionieren kann, und daß es außerdem möglich war, Beträge, die nach dem Wortlaut des Gesetzes ganz klar geschuldet waren, einzubehalten, Beträge, die in die vielen, vielen Millionen gehen.
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Ich weiß nicht, ob, wenn das alles in dem vorliegenden Entwurf noch einmal aufgeschrieben wird, dadurch der Regierung auch der politische Wille und die verwaltungsmäßige Kraft zuwachsen werden, um diese Gesetze jetzt zum Funktionieren zu bringen, nachdem die anderen
bisher nicht beachtet worden sind und nicht durchgesetzt werden konnten.
Das alles stimmt uns selbstverständlich sehr skeptisch und macht uns Zweifel an der Wirksamkeit dessen, was hier der Landwirtschaft sozusagen als Marktordnung präsentiert wird. Doch werden wir an dem Versuch, aus dieser Vorlage ein brauchbares Gesetz zu machen, mit aller Hingabe mitarbeiten. Denn die Landwirtschaft braucht Ordnung und braucht ein sehr erhebliches Maß von Sicherheit, wenn sie am Leben bleiben will und wenn sie die Aufgaben erfüllen will, die ihr in unserer Volkswirtschaft gestellt sind.
Ich möchte der Beratung im Ernährungsausschuß, dem ja zweifellos diese Vorlage überwiesen wird und der auf eine schnelle Behandlung durch grundsätzliche Erörterungen, die schon vorangegangen sind, vorbereitet ist, nicht vorgreifen. Aber ich möchte doch zu einigen Punkten dieses Gesetzentwurfes noch etwas sagen. Ich glaube, daß die Vorlage noch sehr erheblich verändert werden muß, daß insbesondere alle die Ermächtigungen für den Minister, von denen sie eine große Zahl enthält, durch klare Bestimmungen ersetzt werden müssen. Ich meine weiter, daß aus diesem Gesetz alles heraus muß, was unter den heutigen Verhältnissen entbehrt werden kann. Ich glaube nicht, daß es zweckmäßig ist, sozusagen mit der Wiedereinführung der Brotkarte zu drohen und mit diesem Argument eine Fülle von Kann-Vorschriften, bei denen keiner weiß, was nachher daraus werden wird, in das Gesetz mit hineinzunehmen.
Man hat uns so oft unsere angebliche Liebe zur Zwangswirtschaft vorgeworfen. Wir sind nun in der Situation, daß wir vor einem Zuviel an Verwaltungsmaßnahmen, an Verwaltungsvollmachten warnen müssen,
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eben weil Planwirtschaft mit Zwangswirtschaft nichts zu tun hat, ebensowenig mit einer allzu großen Aufblähung des Behördenapparates. Ein Gesetz zur Marktordnung in der Landwirtschaft ist schließlich kein Gesetz zur Beschaffung von Arbeit für Verwaltungsbeamte.
Meine Damen und Herren! Es scheint uns auch nicht zweckmäßig zu sein, wenn man sich allzu eng an Vorstellungen aus dem Bereiche des Reichsnährstandes hält. Wir möchten auch unter dem Eindruck, daß sich von jener Ecke her der eine oder andere wieder miteinschalten möchte, das Gesetz noch sehr wesentlich bereinigen und beschränken.
Darüber hinaus scheint es uns sehr wichtig zu sein, daß man das, was Hoheitsaufgaben sind, nicht etwa an die sogenannten beteiligten Wirtschaftskreise abtritt. Ich denke da an die Mühlenkontingentierung. Hier wird allerhand bereinigt werden, an die neue, im Wachsen begriffene Wirtschaftsstruktur angepaßt werden müssen. Das scheint mir eine Angelegenheit zu sein, die nicht den Beteiligten allein überlassen werden kann, schon weil man, wenn man „beteiligte Wirtschaftskreise" sagt, nicht immer weiß, ob auch alle Beteiligten dann wirklich beteiligt sein werden.
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Es kommt doch sehr oft vor, daß da der eine Teil zum Richter über den andern Teil gemacht wird, und man weiß dann im vorhinein nicht, wer denn da zum Richter und wer zum Hingerichteten wird.
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Gerade in diesem Punkte - aber auch in einer ganzen Reihe von anderen Punkten, mit deren Erörterung ich Sie jetzt nicht aufhalten will - scheint es uns unbedingt notwendig zu sein, daß mindestens durch die gleichzeitige Vorlage der Rechtsverordnungen allen, die diesem Gesetz dann zustimmen sollen, völlig klar vor Augen steht, was eigentlich damit erreicht werden, wohin der Kurs gehen soll.
Wir wollen auch keine ständischen Einrichtungen dort schaffen, wo es sich um Interessen der Allgemeinheit handelt. Wenn wir in diesem Zusammenhang eine sehr viel stärkere Beteiligung der Verbraucher in den verschiedenen Organen fordern, dann aus folgendem Grunde: die Marktordnung soll ja - darüber sind wir uns sicherlich alle einig - nicht nur den Interessen der Erzeuger dienen; die Marktordnung soll dem allgemeinen Interesse, also auch dem Interesse der Verbraucher dienen, und je klarer das in Erscheinung tritt, meine Damen und Herren, desto leichter wird die bereitwillige Mitarbeit auf allen Seiten des Hauses zu gewinnen sein. Wenn wir eine stärkere Beteiligung der Verbraucher in all den Organen fordern, um die es sich hier handelt, dann sicherlich nicht zum Nachteil der Landwirtschaft. Wir glauben vielmehr, daß für die Landwirtschaft, also die Erzeuger, die Verbraucher in diesen Organen sehr nötig sind, damit nicht die Landwirtschaft von den „beteiligten Wirtschaftskreisen" überfahren wird, was ja nicht zum ersten Male passieren würde. Die Interessengemeinschaft der Erzeuger mit den Verbrauchern ist in Wirklichkeit sehr viel enger, als das von interessierter Seite immer wieder dargestellt wird.
Klarstellen wollen wir in diesem Gesetzentwurf vor allem aber auch die politische Verantwortung für alles, was in der Getreidewirtschaft geschieht. Wir fordern diese Klarstellung in dem Bewußtsein, daß die Getreidewirtschaft zwar nur ein Teil unserer Wirtschaft, aber eines ihrer Fundamente ist. Deshalb sind wir sehr dagegen, daß hier mit Ausschüssen operiert wird, deren Mitglieder niemandem verantwortlich sind.
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Unserer Meinung nach ist es Sache des Parlaments oder seiner Ausschüsse, den Minister zu beraten, wenn er Wert darauf legt,
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und das kann nicht auf mehr oder weniger anonyme Ausschüsse abgeschoben werden, deren Mitglieder der Minister noch selbst beruft und die er selber entlassen kann, Ausschüsse, die außerdem nur ein Recht auf Anhörung haben. Hier geht es wirklich um zuviel und um zu Schwerwiegendes, als daß man dieses Haus aus der Verantwortung entlassen könnte.
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Hier weiß jeder, wem er Verantwortung schuldet für das, was er in irgendeiner Funktion tut.
In ganz besonderem Maße muß diese Verantwortung bei der Festsetzung der Preise klargestellt werden. Ich bin mit meinen Freunden der Meinung, daß das kein Verwaltungsakt ist, auch nicht ein Verwaltungsakt auf dem Niveau der Regierung. Das ist vielmehr eine - wenn das Wort irgendwo paßt, dann paßt es hierher - fundamentale politische Entscheidung. Davon hängt das Schicksal unserer Landwirtschaft ab, davon hängt es ab, in welchem Umfang sich die Arbeit auf
dem Lande lohnt. Es tut uns allen gut, uns, wenn wir „Landwirtschaft" sagen, immer vor Augen zu halten, daß es sich dort um Millionen arbeitender und hart arbeitender Menschen handelt.
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Die Forderung nach einem gerechten Lohn muß auch für sie gelten. Die Verantwortung dafür, daß sie einen gerechten Lohn bekommen, und die Verantwortung dafür, daß der Getreidepreis ausreicht, die Landwirtschaft zumindest in den Stand zu setzen, nach Kräften zu produzieren, diese politische Verantwortung kann nicht der Regierung überlassen bleiben, die muß dieses Haus tragen.
Meine Damen und Herren, zu dem Gesetz oder der Vorlage, wie sie uns hier vorliegt, wären noch eine ganze Reihe von Einzelheiten anzuführen, aber ich möchte, wie gesagt, den Arbeiten des Ernährungsausschusses nicht vorgreifen. Diese Arbeiten werden ja schon im Laufe der nächsten Woche beginnen und hoffentlich tagelang hintereinander fortgesetzt werden können.
Ich möchte aber doch noch auf etwas eingehen, was auch der Herr Minister angeschnitten hat. Natürlich braucht in diesem Gesetz noch nicht drinzustehen, wie denn nun der Getreidepreis aussehen wird. Selbstverständlich aber muß hier klargestellt werden, wer für diesen Preis zuständig ist. Auch hier darf ich wieder auf den 1. Juli hinweisen, der in diesem Fall recht drohend vor uns steht, und darauf aufmerksam machen, daß vielleicht nicht so sehr in der Frage des Getreidepreises, mindestens aber in der Frage des Brotpreises eine Unklarheit besteht, die so unmittelbar vor dem 1. Juli geradezu unerträglich ist. Ich möchte die Regierung nicht nur bitten, sich möglichst bald dazu zu äußern, sondern ich möchte Ihnen mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten eine große Anfrage meiner Freunde an die Regierung zur Kenntnis bringen, ehe ich sie dem Herrn Präsidenten überreiche, eine Anfrage, mit der wir diese Unklarheit zu beseitigen hoffen.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat kürzlich im Ernährungsausschuß mitgeteilt, daß vom 1. Juli dieses Jahres ab keinerlei Beträge zum Ausgleich höherer Einfuhrpreise mehr zur Verfügung gestellt werden würden. Diese Mitteilung ist auch durch die Presse gegangen und hat sehr erhebliche Beunruhigung in allen Verbraucherschichten hervorgerufen, weil der Fortfall dieser Ausgleichszahlungen zu einer sehr erheblichen Steigerung der Preise für Brot und Nährmittel führen muß.
I. Die Bundesregierung hat leider bisher nichts zur Klärung der Situation unternommen, vielmehr ist in den beiden letzten Sitzungen des Ernährungsausschusses nur mitgeteilt worden, daß über den zukünftigen Brotpreis noch nichts gesagt werden könne. Angesichts der Tatsache, daß uns nur noch wenige Wochen vom 1. Juli trennen, fragen wir die Bundesregierung:
1. ob sie auch in Zukunft Mittel zur Aufrechterhaltung des heutigen Brotpreises in den Haushaltsplan einsetzen will,
2. wenn ja, in welcher Höhe,
3. wenn nein, welche anderen Maßnahmen die Bundesregierung erwägt, um die katastrophalen Folgen der vom Herrn Bun({10})
desfinanzminister beabsichtigten Brotpreispolitik von den Massen der kaufkraftschwachen Bevölkerung abzuwenden.
II. Durch den angekündigten Fortfall von Ausgleichszahlungen wird auch eine Preissteigerung für wichtige landwirtschaftliche Produktionsmittel ({11}) heraufbeschworen.
Wir fragen die Bundesregierung:
1. ob tatsächlich auch diese Ausgleichszahlungen ab 1. Juli 1950 eingestellt werden sollen,
2. oder in welchem Umfang auch nach dem 1. Juli 1950 dafür Beträge vorgesehen sind,
3. oder auf welche andere Weise die durch
eine Verteuerung dieser Produktionsmittel veränderte Kostenlage der Landwirtschaft ausgeglichen werden soll.
III. Aus Beratungen, die im Rahmen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Vertretern der beteiligten Wirtschaftskreise über einen Gesetzentwurf zur Marktordnung in der Milch- und Fettwirtschaft stattgefunden haben, ist bekanntgeworden, daß die Einführung einer Fettsteuer geplant ist, die sich in einer Erhöhung der Margarinepreise auswirken würde.
({12})
Wir fragen die Bundesregierung:
1. ob diese Absicht tatsächlich besteht,
2. welche Preiserhöhung für Margarine beabsichtigt ist,
3. wie diese Preiserhöhung, falls sie beabsichtigt ist, für die kaufkraftschwachen Schichten ausgeglichen werden soll, damit deren Fettverbrauch nicht beeinträchtigt wird.
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß wir recht bald von der Regierung eine eindeutige Antwort auf diese Fragen bekommen, und ich hoffe, daß wir bei den Beratungen über den Gesetzentwurf, um den es sich hier handelt, zu dem Ergebnis kommen, das unsere ganze Wirtschaft, die Verbraucher und nicht zuletzt die deutsche Landwirtschaft brauchen.
({13})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher. 18 Minuten!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist richtig, was einige der Herren Vorredner schon gesagt haben, daß wir sehr spät in die Beratung dieses Gegenstandes hineinkommen; denn es ist ja wiederholt bei allen möglichen Gelegenheiten der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, daß eigentlich sowohl die Landwirtschaft als auch die Verbraucherschaft über die Verhältnisse des neuen Wirtschaftsjahres rechtzeitig unterrichtet sein müßten. Also müßte die Unterrichtung jetzt vor dem 1. Juli 1950 erfolgen, und es müßte dann auf der ganzen Linie die Möglichkeit bestehen, daß sich das Wirtschaftsleben, soweit es die landwirtschaftliche Seite angeht, auf diese Verhältnisse einstellt. Denn der Wirtschaftsplan für das gesamte Wirtschaftsjahr ist für die Arbeit des Bauern eine unerläßliche
Angelegenheit. Hoffentlich gelingt es in Zukunft, über diese Schwierigkeiten hinwegzukommen.
Ich bin klug genug, um zu wissen, daß wir nicht allein die Verhältnisse bestimmen können, sondern daß da auch noch andere Faktoren in Frage kommen. Ich weiß auch, daß die Regierung große Schwierigkeiten hatte, bis das Gesetz in dieser Form zustande kam. Eine Reihe von Verhandlungen waren notwendig, die Entwürfe wurden wieder abgeändert; und so ist es erst nach wiederholten Beratungen und Entwürfen zu diesem Gesetz gekommen.
Es ist nach meiner Überzeugung unerläßlich, daß wir die Bevölkerung darauf aufmerksam machen, daß eigentlich das Ganze, was hier an Agrargesetzen geplant ist, zusammengehört. Wenn es nach meinem Willen gegangen wäre, dann wäre ein Gesetz zur Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung und zur Sicherung der Versorgung unserer Bevölkerung erlassen worden,
({0})
daß man sich auf der ganzen Linie ausgekannt hätte. Da hätte man gewußt, daß wir mit den agrarischen Maßnahmen einerseits die Arbeit des Bauern entlohnen und andererseits einen gewissen Lebensstandard unserer Bevölkerung auf den verschiedensten Gebieten möglichst aus eigener Kraft garantieren wollen. Das wäre das Ziel gewesen. Aber manches läßt sich halt bei unseren heutigen Verhältnissen nicht so erreichen. Vielleicht gelingt es in der Zukunft besser.
So müssen wir uns zunächst mit dem Teilgebiet Getreide, später mit Fett- und Milchgesetz, mit Fleischgesetz, Zuckergesetz usw. beschäftigen. Das Gesetz, wie es jetzt vorliegt, hat verschiedene Grundziele. Einmal, die Sicherung der landwirtschaftlichen Erzeugung auf dem Getreidegebiet herbeizuführen; zweitens, die Versorgung aus der eigenen Kraft möglichst zu erhöhen. Eine große Abhängigkeit von den Lieferungen des Auslandes wird ja trotzdem nach wie vor auf dem Brot- und Getreidesektor bestehen; das bringt ja unsere Lage mit sich. Das Wichtigste ist, daß mit den Produkten des Bauern nicht spekuliert werden soll, sondern daß wir möglichst das ganze Jahr hindurch stabile Preisverhältnisse durchhalten. Deswegen ist es notwendig, daß die Regierung in erster Linie - das ist im Gesetz vorgesehen - über den Versorgungsplan zu Beginn des Wirtschaftsjahres verfügt; und hier muß sich manches ändern. Ich spreche das aus. Die Ziffern aus der Zwangswirtschaft geben kein richtiges Bild mehr. Um den Bauern gegenüber den Einfuhren entsprechend in Schutz nehmen zu können, müssen wir wissen, wie die echte Produktion der deutschen Landwirtschaft in den Westzonen ist, damit sich auf Grund des Versorgungsplans der Regierung die Einfuhrmenge richtig bemessen läßt. Solange diese Berechnungen nicht stimmen, wird die Regierung Schwierigkeiten mit einem fluktuierenden Markt haben, der dann immer da sein wird. Der fluktuierende Markt bringt es dann mit sich, daß die Ausmahlungssätze und all diese Dinge nicht eingehalten werden können, weil die Grundziffern nicht stimmen. Je mehr wir zu einer Abgleichung der Verhältnisse gegenüber der Wirklichkeit kommen, um so besser wird auch der Apparat und die Überwachungstätigkeit der Regierung funktionieren.
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Das ist eine Frage, die einem sehr ernste Sorgen macht; denn hier geht es wirklich um das Leben des deutschen Volkes, um die Devisen zu ersparen, die wir auf anderen Gebieten, besonders vom Jahre 1952 ab, notwendig brauchen, um unsere Arbeiter in Brot und Beschäftigung zu halten. Hier müssen wir schauen, daß wir die Staatsautorität auf den Gebieten, wo es notwendig ist, unbedingt wiederherstellen. Wir wollen keine Zwangswirtschaft mehr, wir wollen aber Ordnung und Sicherheit. Darin stimme ich mit dem Herrn Kollegen Kriedemann überein; wir sind da nicht so weit voneinander entfernt, wie es aussieht.
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Wir sind in den Grundgedanken ziemlich einig. Wir brauchen für das Leben der deutschen Landwirtschaft eine Ordnung; die brauchen wir auf jeden Fall. Von mir aus heißen Sie das Planung oder wie Sie es heißen wollen, es ist mir persönlich gleichgültig. Wir brauchen die Ordnung, weil sic die Sicherheit der Produktion garantiert. Darüber brauchen wir nicht miteinander zu streiten. Ich freue mich auch, daß die Gewerkschaften in ihren Darlegungen die gleichen Gesichtspunkte zum Ausdruck gebracht haben.
Wir brauchen diese Ordnung auch mit Rücksicht auf den Marshallplan; und das spreche ich auch zur amerikanisch-britischen Seite hin. Die ganze Ordnung unserer Agrarwirtschaft ist auch ein Stück, um den Marshallplan zum Funktionieren bringen zu können. Denn der Wiederaufbau der deutschen Landwirtschaft ist auch das Programm der Besatzungsmächte, und da soll man dem Ratschlag der deutschen Regierung folgen, um diesen Wiederaufbau entsprechend gestalten zu können. Jetzt eilt die Sache, und wir können nicht mehr lange warten. Die Ernte reift heran, der 1. Juli steht vor der Tür, das neue Wirtschaftsjahr beginnt. Wir wollen wissen, was im neuen Wirtschaftsjahr notwendig ist.
Ich möchte aber noch folgende Grundsätze aufstellen, ohne zu sehr auf die Einzelheiten eingehen zu wollen. Ganz klar und deutlich spreche ich aus, daß wir keinen übermäßigen Behördenapparat wollen, insbesondere nicht mehr das Aufleben der alten Reichsnährstandsbürokratie, sondern wir wollen in dem neuen Getreidegesetz, was beispielsweise die Mühlenstelle oder die Einfuhr- und Vorratsstelle anlangt, einen Apparat haben, der nicht zu groß ist, der den Verhältnissen entspricht und nach kaufmännischen Grundsätzen zu arbeiten versteht.
Ich will jetzt einmal die Streitfrage der Mühlenstelle aus dem Bereich der Diskussion lassen, darüber wird im Ausschuß noch geredet werden müssen. Ich möchte mich heute dem Hauptkernstück, der Einfuhr- und Vorratsstelle zuwenden und der Bundesregierung eines klar sagen, daß sie bei uns auf schärfsten Widerstand stoßen würde, wenn sie sich etwa, so wie das früher beliebt wurde, eine Reihe von Einrichtungen neu schaffen würde, ohne das in der Wirtschaft schon Bestehende heranzuziehen. Ich darf hier auf die Lagermöglichkeiten unserer Raiffeisen-Genossenschaften, auf die Lagerhäuser des Handels, auf die Lagermöglichkeiten bei den Mühlen hinweisen. Alle diese schon bestehenden wirtschaftlichen Einrichtungen müssen in erster Linie benutzt werden, und es dürfen nicht sogenannte bundesunmittelbare Lagerverhältnisse neu geschaffen werden. Dagegen würden wir uns mit aller Entschiedenheit zur Wehr setzen. Es ist notwendig, daß dieser kaufmännische Apparat, der hier geschaffen werden muß, sich der schon bestehenden Verhältnisse bedient. Also die Wirtschaft muß weitestgehend eingeschaltet werden. Naturgemäß ist hier die entsprechende Ausgestaltung der Organe notwendig; ich möchte mich nicht gegen die Ausführungen des Herrn Kollegen Kriedemann wenden, sondern lediglich das eine betonen, daß auch die landwirtschaftliche Seite, soweit sie genossenschaftlich organisiert ist, in den Verwaltungsorganen und in all diesen Dingen entsprechend zur Geltung kommen muß. Das ist eine Frage, über die wir uns im einzelnen wahrscheinlich werden verständigen können.
Es kommt dann noch hinzu - da kann ich durchaus zustimmen -, daß wir der Einschaltung cines Organs des Bundestags wohlwollend gegenüberstehen. Wir werden zu prüfen haben, an welcher Stelle der gesetzlichen Bestimmungen wir das einschalten. Denn das ist ein solches Neuland, das ist eine solche Sache, die zwar gewisse Vorbilder im Auslande hat, aber deren Funktionieren man erst einmal sehen muß. Das kann man nicht allein der Selbstverwaltung der beteiligten Wirtschaftskreise oder gar der alleinigen Bestimmung des Bundesministeriums überlassen, sondern da wollen schon die Vertreter des Volkes im Parlament in irgendwelchen Organen Einfluß nehmen, so daß wir bei der Gestaltung der ganzen Verhältnisse entsprechend mitwirken und rechtzeitig unterrichtet sein können. Erschrecken Sie nicht darüber, das ist jetzt meine persönliche Meinung, wenn ich mir hier überlegt habe, ob es nicht zweckmäßig wäre, das Gesetz vielleicht auf ein Jahr zu befristen, damit wir über die Entwicklung fortlaufend genau unterrichtet werden können, damit a wir wissen, wie sich dieser Behördenapparat aufbaut, und damit wir auf den Aufbau des Behördenapparates Einfluß nehmen können. Damit kann man vielleicht gewisse Schwierigkeiten überbrücken, die in den Ausschußberatungen entstehen könnten; denn unter dem Zwang der Verhältnisse müssen wir möglichst rasch zu einer entsprechenden Entscheidung auf diesem Gebiet kommen.
Dann kommt noch hinzu, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle in der Abwicklung der Geschäfte nach kaufmännischen Gesichtspunkten funktionieren muß. Da heißt es nun im Gesetz: „nach Maßgabe der vorhandenen Haushaltsmittel". Ich weiß, daß es der Gesetzgeber anders gemeint hat; aber wer das Gesetz liest, könnte die Dinge doch falsch verstehen. Hier muß notwendig der Weg gegangen werden, daß die Aufnahme des Getreides durch entsprechende Kreditierung ermöglicht wird - bei einem Produkt wie Getreide ist das durch Lombardierung durchaus möglich -, damit hier keine Stockung in der Manipulierung der Gesamtverhältnisse eintritt. Es kommt darauf an, die ausländischen Verhältnisse mit den inländischen so zu kombinieren, daß es stabile Preisverhältnisse gibt. Deswegen braucht die Einfuhr- und Vorratsstelle die notwendige Beweglichkeit, um das nach kaufmännischen Grundsätzen manipulieren zu können.
So wird manches, was hier im Gesetz vielleicht stark betont und doch nicht so notwendig ist - wir werden uns das im einzelnen ansehen müssen -, so wird mancher Ballast noch aus vergangenen Tagen aus dem Gesetz zu entfernen sein. Die Bürokratie aus den vergangenen Tagen
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hat sich noch nicht auf der ganzen Linie dem modernen Geist erschlossen, der für die Neugestaltung auf den verschiedensten Gebieten notwendig ist. Da müssen wir schon noch einigermaßen mitarbeiten.
Es wäre mir auch erwünscht, wenn der Herr Bundesminister für Wirtschaft, dessen Zuständigkeit hier im Gesetz irgendwie verankert ist, aus der Ernährungswirtschaft herauskommen würde. Die Position des Bundesernährungsministers muß allmählich gestärkt werden, sonst wird oft der Eindruck erweckt, daß der Stärkere im Sektor Wirtschaft sitzt. Das möchten wir nicht haben. Wir wollen also, daß auf diesem Gebiet die Macht des Bundesernährungs- und Landwirtschaftsministeriums verstärkt wird, damit die Verhältnisse entsprechend geregelt werden können.
Ich bin dem Herrn Minister dankbar, daß er in der Preisfrage so bestimmte Ausführungen gemacht hat. - Es ist sehr richtig, Herr Kollege Kriedemann, wenn Sie sagen: man muß dem Bauern einen entsprechenden Lohn geben; man muß die Getreidepreise entsprechend gestalten. Wir müssen naturgemäß auch auf die Lage des Verbrauchers Rücksicht nehmen; denn das ganze Zusammenspiel der Dinge hängt ja auch von der Kaufkraft der Bevölkerung ab. Nun hat der Herr Minister durchaus recht, wenn er sagt, er sei heute noch nicht in der Lage, zu diesen Dingen präzise Stellung zu nehmen; denn die Verhältnisse auf dem Weltmarkt fluktuieren. Die Dinge sollen ja ab 1. Juli entsprechend gestaltet werden, vielleicht erst ab 15. Juli.
Zuerst muß das Gesetz fertig sein, dann erst kommt der zweite Akt, dann erst können wir übersehen, wie die Weltmarktlage ist. Die Lage ist dadurch erleichtert, daß wir jetzt dem Internationalen Weizenpakt angeschlossen sind, so daß wir also die Subventionen, die die amerikanischen Farmer bekommen, nicht mehr zu bezahlen brauchen. Hier ist, glaube ich, eine Erleichterung um ungefähr lo DM pro Doppelzentner eingetreten. Das aht den Betrag der Subventionen heruntergebracht. Es wird aber die Frage zu prüfen sein: Wie steht es künftig mit den Subventionen, wie steht es künftig mit der Errechnung der Handelsspanne und all dem, was dazwischen liegt?
Glauben Sie mir - ich spreche da auch aus den Erfahrungen aus meiner Tätigkeit als Genossenschaftler -: die größten Sorgen macht hier die Gestaltung des Weges vom Erzeuger zum Verbraucher.
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Wir müssen zu einer Verkürzung des Weges kommen und mit dem steigenden Konsum auch zu einer Verbilligung. Das zu erreichen ist unsere Aufgabe.
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Ob da die Behörde die richtige Stelle ist, das möchte ich bezweifeln. Ich glaube, gewisse Festpreise im Ausgangspunkt und etwas freier Wettbewerb nahe dem Endpunkt des Verbrauchs könnten hier die Lage vielleicht von Grund auf ändern, so daß wir wieder zu einer Normalisierung der Zustände kommen und hier für die Masse unserer Bevölkerung eine wirklich greifbare Änderung zu ihren Gunsten herbeiführen können.
Das möchte ich dem Gesetz mit auf den Weg geben. Andere Geheimnisse möchte ich jetzt nicht verraten.
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Wir werden uns ja im Ausschuß noch genügend über die Dinge unterhalten können. Ich habe mich nur bemüht, hier mit meinen Ausführungen den Gang der Ereignisse im Ernährungsausschuß nicht zu erschweren. Ich möchte ihn erleichtern. Ich freue mich darüber, daß wir bisher doch eine Plattform haben, die uns die Möglichkeit gibt, in gemeinsamer emsiger Arbeit ein vernünftiges Gesetz für die Regelung unserer Getreidewirtschaft und eines wichtigen Wirtschaftsfaktors zustandezubringen. Das würde ich wünschen. Soweit meine Kräfte dazu angetan sind, bin ich bereit, ohne Rücksicht auf irgendwelche Parteigegensätze daran mitzuarbeiten, daß wir eine Ordnung in unserer bäuerlichen Wirtschaft auf möglichst breiter Basis herbeiführen können.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Faßbender. 12 Minuten!
({0})
Darüber dürfen Sie nachher reden!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte ein Wort wiederholen, das ich bei einer Agrardebatte im Wirtschaftsrat einmal gebraucht habe: „Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt."
({0}) Wir haben heute den 1. Juni, und das neue Wirtschaftsjahr auf dem agrarischen Sektor beginnt bekanntlich in 30 Tagen. Vier Gesetze, an denen die Landwirtschaft, aber auch die Verbraucher dringend interessiert sind, die Gesetze für Getreide, Zucker, Vieh und Fleisch, Milch und Fett, sollten eigentlich längst nicht nur vorgelegt, sondern verabschiedet sein, damit sowohl auf dem agrarischen Sektor die Erzeugung weiß, woran sie ist, wie aber auch die Verbraucher wissen, wie sie sich einzustellen haben.
Vier Wochen vor dem neuen Erntejahr legt man uns - Herr Minister, ich muß das zutiefst bedauern -- ein kleines Stückwerk- dieses Werkes und dazu noch in Rahmenform vor. Ich bin mir weiß Gott nicht darüber im klaren, wann nun die dazugehörigen Ausführungsbestimmungen eigentlich erlassen werden sollen, nachdem Sie respektive Ihr Ministerium 5 Monate gebraucht haben, hier ein Rahmengesetz vorzulegen, über dessen Inhalt man sich, glaube ich, in den Ausschüssen noch sehr ernst wird unterhalten müssen.
Ich will nicht so gehässig sein, wie es heute ein Bekannter von mir ausdrücken zu müssen glaubte: Fünf Monate hat man anscheinend nötig gehabt, um ein Reichsnährstandsgesetz abzuschreiben.
({1})
Meine Damen und Herren! Was in diesem Gesetz verankert ist oder verankert werden soll, ist praktisch eine Machtfülle einer Bürokratie, zu der wir absolut kein Vertrauen haben,
({2})
({3})
t einer Bürokratie, die bisher - das muß man ein-. mal ruhig aussprechen - auf dem agrarischen Sektor die Dinge manchmal verwirrt, aber nicht entwirrt hat. Ich brauche bloß auf die Entwicklung - ({4})
- Sie können ja mitarbeiten! Ich hoffe, daß Ihre Agrarfreundlichkeit bei dem wichtigsten Punkt, nämlich der Bezahlung der ländlichen Arbeit, so entscheidend sein wird wie jetzt Ihre Kritik.
({5})
Ich möchte bloß daran erinnern: auf dem Milch- und Fettsektor und auf dem Gebiet der Fleischerzeugung sind die Dinge absolut nicht so gelaufen, wie sie hätten laufen müssen, wenn die deutsche Landwirtschaft auf den Höchststand ihrer Erzeugungskraft gebracht werden soll, und ich glaube, das ist eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, über deren Ernst es hoffentlich nicht zweierlei Meinung gibt. Gelingt es uns nicht, die deutsche Agrarerzeugung innerhalb der nächsten zwei Jahre auf einen Höchststand zu bringen, dann, meine Damen und Herren, befürchte ich allen Ernstes, daß wieder Zeiten eintreten können, die wir hoffentlich nicht wieder zu erleben brauchen.
Ich verstehe auch nicht, warum man in dieses Gesetz alle möglichen Kautelen über Dinge einbaut, die vielleicht einmal kommen könnten. Ich glaube, es hätte genügt, ein Gesetz zu schaffen, einfach, klar, ohne allzuviele bürokratische Bestimmungen, und man hätte die Handhabung dieses Gesetzes dann unter Ihrer Aufsicht, Herr Minister, den Kreisen überlassen sollen, die von wirtschaftlichen Dingen etwas mehr verstehen als eine Staatsbürokratie.
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Dieses Kernstück - denn alles andere an diesem Gesetz ist mehr oder weniger Beiwerk - ist Schleuse und Vorratshaltung. Das ist das einzig Primäre! Wer diese Schleuse und Vorratshaltung in der Hand hat und zu handhaben weiß, dem ist es nicht schwer, den ganzen deutschen Getreidemarkt zu lenken.
Ein anderes Moment, wo die Meinungen bestimmt auseinandergehen werden, betrifft die Mühlenstelle. Ich darf ein paar ganz ernste Worte einmal zu dem Problem der Mühlen schlechthin sagen. Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Kapazität der vorhandenen deutschen Mühlen praktisch bloß zu etwa 400/o ausgelastet ist. Hier müssen natürlich auf die Dauer gesehen andere Verhältnisse Platz greifen. Wir möchten aber eines ganz eindeutig sagen: daß wir alles tun werden, um den Schutz der Klein- und Mittelmühlen zu gewährleisten. Denn die deutsche Landwirtschaft hat an der Existenzkraft dieser Klein- und Mittelmühlen mehr Interesse als an ein paar großen Konzernmühlen. Wenn hier schon Einschränkungen gemacht werden müssen, dann, glaube ich, sollte man sie bei dem Sektor der Konzern- und Großmühlen vornehmen. Es dürfte nicht unbekannt sein, daß der Brotverbrauch von 300 kg pro Kopf im Jahre 1800 auf heute vielleicht 130 kg zurückgegangen ist. Wir begrüßen an sich diese Entwicklung, denn sie beweist uns, daß das Volk zu veredelteren Nahrungsmitteln übergegangen ist, und das setzt immerhin das Vorhandensein einer Kaufkraft voraus. Das zwingt uns aber, auf dem Gebiet des Mühlensektors so oder so über K kurz oder lang zur Ordnung zu kommen. Und das, Herr Minister, was Sie mit Ihrer Mühlen-stelle vorhaben, läßt die Dinge wieder ein Jahr lang weiterschlittern. Wir sehen auch keine Möglichkeit, wie bei einer Kontingentierung der Mühlen, sagen wir einmal, ein freier Wettbewerb zum Tragen kommen kann.
Das sind Dinge, die bei uns ernste Besorgnis erregen. Wir werden selbstverständlich mitarbeiten und versuchen, in den Ausschüssen die Dinge so zu gestalten, wie wir sie glauben gestalten zu müssen im Interesse einer produktionskräftigen Landwirtschaft, aber auch im Interesse einer Verbraucherschaft, die auf dem kürzesten Weg mit Erzeugnissen zu erträglichen Preisen versorgt werden muß.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niebergall.
Meine Damen und Herren! Niemand in diesem Hause bestreitet die Notwendigkeit einer landwirtschaftlichen Ordnung. Allerdings scheiden sich die Geister in der Frage des
Inhalts dieser Ordnung. Die kommunistische Fraktion kann dem Getreidegesetz in seiner jetzigen Fassung ihre Zustimmung nicht geben. Denn das Gesetz in seiner heutigen Gestalt hat sehr wenig mit den demokratischen, den nationalen und wirtschaftlichen Interessen der breiten Massen der Landwirtschaft zu tun; im Gegenteil, es ist eine Blankovollmacht für Regierung und Großgrundbesitz, für die wirtschaftlich Mächtigen, es ist ein Ermächtigungsgesetz. Diese Vorlage gibt der Regierung und Ausschüssen, die von der Regierung gebildet werden, Vollmachten, die nur im Bereich des Bundestages liegen. Die §§ 3 bis 11 sind dafür ein eindeutiger Beweis. Alles, was die Regierung für sich in Anspruch nimmt, wird in diesem Gesetz großgeschrieben und fest umrissen, alles, was im Interesse der breiten Massen der Bauern liegt, wird in diesem Gesetz kleingeschrieben und ist nicht scharf umrissen, sondern ist in Worte gefaßt: „Man kann, man soll".
Zu einer Regierung, die in der Vergangenheit alles versprochen hat - ich erinnere nur an die Ausführungen des Wirtschaftsministers Erhard - kann man keinerlei Vertrauen haben; denn von dem, was versprochen wurde, ist sehr wenig gehalten worden. Wir möchten von dieser Stelle aus ausdrücklich warnen, zu glauben, mit solchen Gesetzen allein sei der Landwirtschaft zu helfen. Dazu sind nach unserer Auffassung andere Wege notwendig. In erster Linie muß die landwirtschaftliche Produktion gesteigert werden. Dazu aber ist notwendig, daß die Steuern gesenkt werden, daß die Industriepreise herabgesetzt werden. Notwendig ist eine bestimmte Kredithilfe, und es muß Schluß gemacht werden mit der Liberalisierung.
Wenn Herr Dr. Horlacher hier angeführt hat, daß der Marshallplan ein Beitrag zur Hebung der Landwirtschaft ist, so möchte ich ausdrücklich darauf hinweisen: Der Marshallplan ist eine „Hilfe" für die Landwirtschaft in demselben Sinne, wie der Strick für den Gehenkten eine Hilfe darstellt. Die Liberalisierung ist der Tod der deutschen Landwirtschaft. Wer das heute noch nicht glaubt, wird das in ganz kurzer Zeit erfahren müssen. Wir sehen das in seinen Auswirkungen
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bereits in den ländlichen Bezirken. Ich erinnere nur an die rheinischen Winzer. Was wird heute alles angestellt durch die Einfuhr des billigen Weines, der allerdings für den Verbraucher nicht billig ist, sondern der aufgekauft wird, so daß die Manipulation teilweise dem Staate zugute kommt.
Wir sagen deshalb: wenn den Bauern geholfen werden soll, dann ist es notwendig, daß sie mit den Arbeitern, mit den Werktätigen gemeinsam in einer Front marschieren, und zwar in der Linie einer fortschrittlichen gesamtdeutschen Landwirtschaft, aber auch eines gesamtdeutschen Handels.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wallner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Gesetzentwurf über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln wurde jetzt ziemlich viel, sogar sehr viel gesprochen. Meine Fraktion begrüßt diesen Gesetzentwurf. Natürlich ist auch von einer Steigerung der Erzeugung in der Landwirtschaft viel gesprochen worden. Ich bin der Auffassung, daß eine Lenkung und eine Erfassung des erzeugten Getreides bedeutend wichtiger ist als eine Steigerung der Erzeugung. In diesem Frühjahr hat sich gezeigt, daß ein Drittel des erzeugten Roggens verfüttert wurde, da er im Herbst nicht abgesetzt werden konnte. Infolgedessen haben die Bauern den Roggen verfüttert. Das ist an Fleisch wieder hereingekommen. Aber das nützt nichts; denn jetzt geht der Roggen ab.
Aus diesem Grunde stimmen wir von der WAV diesem Gesetzentwurf zu.
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Punkt 7 a, Drucksache Nr. 968; das ist also der Gesetzentwurf. Es ist Überweisung der Drucksache Nr. 968 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und gleichzeitig an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik beantragt. Wer diesem Antrage zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Punkt 7 b: Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Drucksache Nr. 713. Der Antrag des Ausschusses liegt Ihnen als Umdruck vor. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Zählung der Bevölkerung, Gebäude, Wohnungen, nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten und landwirtschaftlichen Kleinbetriebe im Jahre 1950 ({0}) ({1}).
Da ist vorgesehen, auf eine mündliche Begründung zu verzichten und sich mit der schriftlichen
Begründung zu begnügen. Ferner schlägt der Ältestenrat vor, im Hinblick auf den mehr technischen Charakter dieses Gesetzes auch von einer Debatte abzusehen. Gleichzeitig ist die Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung als federführend, ferner an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgeschlagen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Punkt 10 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ausschluß des Umtausches und der Bareinlösung außer Umlauf gesetzter Postwertzeichen ({2}).
Das Wort zu einer - wie angekündigt - kurzen Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Cramer.
Cramer ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Entwurf des Gesetzes über den Ausschluß des Umtausches und der Bareinlösung außer Umlauf gesetzter Postwertzeichen, der Ihnen in Drucksache Nr. 711 vorliegt, enthält nur zwei Paragraphen. Er bestimmt, daß ein Umtausch oder eine Bareinlösung der durch die 9. Durchführungsverordnung zum Währungsgesetz vom 8. September 1948 außer Umlauf gesetzten Postwertzeichen nicht stattfindet. In § 2 ist bestimmt, daß das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft tritt. Eine ausführliche Begründung ist dem Gesetzentwurf beigegeben. Ich kann mich daher auf ganz wenige Bemerkungen beschränken.
Es handelt sich bei diesen Postwertzeichen um solche, die zum Zeitpunkt der Währungsreform gültig gewesen sind und zunächst noch für eine gewisse Zeit im Verhältnis 10 zu 1 weiter verwertet werden konnten, zweitens um die Postwertzeichen mit dem sogenannten Posthornüberdruck. Nach § 50 Abs. 3 der Postordnung vom 30. Januar 1929 ist die Deutsche Bundespost bei einem normalen Wechsel von Postwertzeichen zum Umtausch der außer Umlauf gesetzten Wertzeichen gegen gültige verpflichtet.
Im vorliegenden Fall handelte es sich jedoch nicht um einen normalen Wechsel, sondern um eine in Verbindung mit der Währungsreform von der alliierten Bankenkommission angeordnete Maßnahme. Der Umstand, daß die Währungsreformen in der Ostzone und im Westsektor von Berlin nicht mit der Währungsreform im Vereinigten Wirtschaftsgebiet zusammenfielen, hat erhebliche Währungsschiebungen ermöglicht So bestand zum Beispiel für Westdeutsche die Möglichkeit, für nicht abgelieferte Reichsmarkbeträge in der Ostzone und auch in Berlin Marken einzukaufen und diese Marken dann in Westdeutschland entweder wieder zu veräußern oder zu verwenden. Das bedeutete in allen Fällen für die Leute, die ihr Geld zurückgehalten hatten, eine sichere Aufwertung von mindestens 10 zu 1. Aber es gab bedenklichere Fälle. So wurde zum Beispiel Ostgeld gegen Westgeld im Verhältnis von 4 zu 1 beschafft. Dafür wurden in Ostdeutschland Marken mit dem Posthornüberdruck eingekauft und wiederum in Westdeutschland abgesetzt. Wenn man dann noch hört, daß gewissenlose Fälscher den Posthornüberdruck der Einfachheit halber
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gleich selber vorgenommen haben, wird man begreifen, daß es notwendig war, alle diese Postwertzeichen kurzfristig für ungültig zu erklären. Es wäre sonst zu schweren finanziellen Einbußen für die Deutsche Post im Vereinigten Wirtschaftsgebiet gekommen. Die Öffentlichkeit ist damals seitens der Deutschen Post rechtzeitig gewarnt worden, nicht allzu große Mengen von Postwertzeichen einzukaufen, da im Falle einer Ungültigkeitserklärung mit einem Umtausch nicht zu rechnen sei.
Wir haben heute die Aufgabe, die damalige Maßnahme der Deutschen Post im Vereinigten Wirtschaftsgebiet durch ein entsprechendes Gesetz nachträglich zu sanktionieren. Der Bundesrat hat bereits am 10. März dieses Jahres beschlossen, gegen dieses Gesetz keine Einwendungen zu erheben. Ich möchte Sie daher namens des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen bitten, auch Ihrerseits dem Gesetz in der vorliegenden Form Ihre Zustimmung zu geben.
Im Ältestenrat ist
vereinbart worden, "auf eine Debatte zur zweiten und dritten Lesung des Gesetzes zu verzichten. Da keine Wortmeldungen vorliegen, schließe ich zunächst die Aussprache zur zweiten Lesung.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe § 1 auf und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Für § 2 darf ich, da kein Widerspruch erhoben wird, ebenfalls die Zustimmung annehmen. Das gleiche gilt für Einleitung und Überschrift.
Damit ist die zweite Beratung des Gesetzes beendet. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist das Gesetz über den Ausschluß des Umtausches und der Bareinlösung außer Umlauf gesetzter Postwertzeichen in dritter Lesung angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Zahlung von Arbeitslosenunterstützungen ({0}).
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Ludwig.
Ludwig ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Arbeit hat am 26. 4. 1950 und am 2. 5. 1950 zu dem Antrag der Zentrumsfraktion auf Drucksache Nr. 648 Stellung genommen. Dabei wurde festgestellt, daß nach § 136 AVAVG schon die Möglichkeit besteht, den Wünschen der Antragsteller gerecht zu werden. Nach der erwähnten Bestimmung ist es möglich, bei fehlender Berufsfertigkeit bisherigen Empfängern von Arbeitslosenunterstützung Zuschüsse zum Arbeitsentgelt bis zum vollen Lohn zu zahlen. Der Ausschuß empfiehlt deshalb im Einverständnis mit den Antragstellern einstimmig dem Hohen Haus, den Antrag der Zentrumsfraktion der Bundesregierung als Material zu überweisen und so in eindringlicher Weise auf die stärkere Ausnutzung dieser Möglichkeit aufmerksam zu machen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Arbeit auf Drucksache Nr. 898. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich stelle die einstimmige Annahme fest. Damit ist unsere heutige Tagesordnung erledigt.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags, die 66. Sitzung, auf den 2. Juni 1950, vormittags 9 Uhr 30 ein. Die Tagesordnung der morgigen Sitzung ist bereits verteilt.
Ich schließe die Sitzung.