Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 63. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Schriftführer Herrn Abgeordneten Matthes, die Liste der abwesenden Mitglieder zu verlesen.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Lübke, Rümmele, Glüsing, Frau Dr. Gröwel, Mißmahl, Dr. Baade, Dr. Gülich, Bettgenhäuser, Sander, Kalbfell, Klabunde, Welke, Frau Albertz, Behrisch, Frühwald, Dirscherl, Dr. Hasemann, Dr. Kneipp, Kuhlemann, Wittmann, Agatz, Paul ({0}). Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Frau Dr. Weber, Neuburger, Even, Dr. Wuermeling, Reitzner, Richter ({1}), Dr. Menzel, Wagner, Frau Döhring, Jacobi, Brandt, Heiland, Frau Strobel, Wönner, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Blank ({2}), Wartner, von Thadden, Loritz, Vesper, Reimann, Nuding, Fisch, Rische, Brese. Außerdem fehlen die sich auf einer Studienreise in den Vereinigten Staaten befindlichen Abgeordneten.
Ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
Der Herr Bundeskanzler hat gemäß dem in der 33. Sitzung des Bundestages am 1. Februar 1950 gefaßten Beschluß am 5. Mai einen Zwischenbericht über die Wiederherstellung der deutschen Fischereihoheit gegeben. Der Bericht trägt die Drucksachennummer 881.
Ferner hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft mit Schreiben vom 4. Mai 1950 die Anfrage Nr. 65 der Abgeordneten Dr. Hammer, Dr. Wellhausen, Stahl, Stegner, Dr. Friedrich, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend Notstand in den
e
deutschen Badestädten, Drucksache Nr. 815, beantwortet. Die Antwort ist als Drucksache Nr. 915 vervielfältigt.
Zur Tagesordnung habe ich folgendes zu bemerken. In Übereinstimmung mit den Interpellanten und gemäß einer Anregung der Bundesregierung, erst das Ergebnis der Besuche der zuständigen Bundesminister im Gebiet von Watenstedt-Salzgitter abzuwarten, hat der Ältestenrat gestern beschlossen, die Punkte 1 a und b - Drucksachen Nr. 653 und 688 - von der Tagesordnung abzusetzen.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner. 5 Minuten!
Meine Damen und Herren! Der Herr Präsident hat bekanntgegeben, daß der Altestenrat in seiner gestrigen Sitzung die Absetzung des Tagesordnungspunktes 1 a und 1 b beschlossen hat. Der Tagesordnungspunkt 1 b sieht die Beratung eines Antrags meiner Fraktion vor, der schon vor Monaten gestellt worden ist. Die Interpellation, deren Beratung Punkt 1 a vorsieht, ist sogar noch um einige Tage älter als dieser Antrag. Interpellation und Antrag sind aber nicht dasselbe. In unserm Antrag haben wir konkrete Maßnahmen, etwa die Entfernung der DPs aus dem dortigen Gebiet usw., verlangt. Es erweckt einen falschen Eindruck, wenn hier kurz und bündig mitgeteilt worden ist, daß der Ältestenrat die Absetzung beschlossen hat. Der Herr Präsident hätte zumindest berichten müssen, daß dieser Absetzung durch den Vertreter unserer Fraktion widersprochen worden ist. Ich beantrage, Punkt 1 b auf die Tagesordnung zu setzen und heute darüber zu beraten.
Gemäß § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung frage ich das Haus, ob gegen diesen Antrag Widerspruch erhoben wird.
({0})
- Es wird Widerspruch erhoben. Infolgedessen ist nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung der Antrag des Herrn Abgeordneten Renner, den Punkt 1 b auf der Tagesordnung zu belassen, abgelehnt.
Wir kommen infolgedessen zu Punkt 2:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft ({1}).
Meine Damen und Herren! Ich sehe, daß der Herr Bundesfinanzminister, der die Einführung dieser Vorlage vornehmen sollte, im Augenblick noch nicht da ist. Er wird sofort kommen. Ich darf daher das Einverständnis des Hauses annehmen, wenn ich zunächst zu Punkt 3 der Tagesordnung übergehe:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe ({2}) ({3}),
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den vorliegenden Gesetzentwurf in der ersten Beratung dergestalt zu erledigen, daß die gedrückt beigefügte Begründung mit der Maßgabe als vorgetragen gilt, daß danach die erste Beratung ohne Debatte für beendet erklärt und der Gesetzentwurf an den zuständigen Ausschuß für Verkehrswesen als den federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen wird. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Rege({4})
lung annehmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann erkläre ich die erste Beratung des Gesetzentwurfs auf Drucksache Nr. 893 für erledigt.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzverwaltung ({5}).
Dazu liegen noch die Abänderungsanträge Nr. 911 und 925 und ein mir eben schriftlich übergebener Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vor, der im Moment noch nicht vervielfältigt werden kann. Ich darf annehmen, daß wir nachher noch eine Durchschrift bekommen.
Darf ich folgendes voranschicken: Die Fraktion der CDU hat gebeten, heute von der Abstimmung Abstand zu nehmen, weil ein großer Teil ihrer Mitglieder an einer Delegiertentagung ihrer Partei teilnimmt. Ich habe mit den verschiedensten Fraktionen des Hauses darüber Rücksprache genommen und Zustimmung gefunden, daß die Abstimmung über dieses Gesetz erst morgen stattfindet. Darf ich in aller Form insoweit das Einverständnis des Hauses feststellen?
({6})
- Herr Abgeordneter Mellies bitte!
Meine Damen und Herren, ich sehe, daß der Herr Finanzminister nicht im Hause ist. Ich weiß nicht, ob er auch verhindert ist, heute hier zu erscheinen.
Er kommt sofort; er ist unterwegs.
) Mellies ({0}): Wenn der Herr Finanzminister nicht zugegen ist, können wir ja nicht in die Beratung dieses wichtigen Gesetzes eintreten.
({1})
Er muß sofort kommen. Ich glaube, dann kann wohl aber die Berichterstattung inzwischen beginnen; oder hat das Haus Bedenken, die Berichterstattung ohne die Anwesenheit des Herrn Finanzministers entgegenzunehmen?
({0})
- Ist das die allgemeine Auffassung? - Dann warten wir, bis der Herr Finanzminister kommt, und gehen infolgedessen über zu Punkt 5:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen ({1}).
({2})
- Ist es auch die Meinung des Hauses, daß wir warten, bis der Herr Bundesfinanzminister da ist? - Ich höre keinen Widerspruch.
Dann kommen wir zu Punkt 6. Ist es da auch wieder dasselbe?
({3})
Dafür ist doch der Finanzminister nicht zuständig,
sondern das gehört zur Zuständigkeit des Herrn
Bundesjustizministers. Ich stelle fest, daß er da ist!
({4})
Wir kommen also zunächst zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine vorübergehende Erweiterung der Geschäfte der Hypotheken- und Schiffspfandbriefbanken ({5}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor bzw. bittet den Herrn Berichterstatter, sich mit einer Berichterstattung von 10 Minuten zu begnügen und die Aussprache auf 60 Minuten nach dem üblichen Schlüssel zu verteilen.
Ich sehe eben, daß der Herr Bundesfinanzminister kommt. Wir sind aber bereits, Herr Bundesfinanzminister, bei Punkt 6, weil wir leider wegen Ihrer Abwesenheit mit den anderen Punkten nicht beginnen konnten.
Als Berichterstatter erteile ich dem Herrn Abgeordneten Wackerzapp das Wort.
Wackerzapp ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen Bericht zu erstatten über das Ergebnis der Beratung des Ausschusses für Geld und Kredit über den Entwurf eines Gesetzes über eine vorübergehende Erweiterung der Geschäfte der Hypotheken- und Schiffspfandbriefbanken. Das ist Nr. 545 der Drucksachen. Der Ausschuß ist zu dem Ergebnis gekommen, daß die Ihnen hier vorgeschlagene Regelung im wesentlichen angenommen werden soll. Um aber das Verständnis für die Tragweite des Gesetzes zu fördern, möchte ich kurz auf die allgemeine Bedeutung hinweisen. Es geht nämlich um mehr als lediglich darum, die gesetzmäßige Zuständigkeit der Hypothekenbanken und Schiffspfandbriefbanken formell zu vergrößern. Im wesentlichen steht im Hintergrund, für diese Banken Gelder verfügbar zu machen, die ihnen sonst nicht zugänglich sind. Es ist ja doch so, daß die Hypothekenbanken und die Schiffspfandbriefbanken zur Zeit die für die ungemein wichtige langfristige Kapitalausleihung notwendigen Gelder nicht wie üblich aus dem Publikum heraus durch Absatz von Pfandbriefen gewinnen können. Dazu ist die Kapitaldecke zu kurz und die Neigung des Publikums, sich gerade in Pfandbriefanlagen mit seinen verfügbaren Beständen anzulegen, zu gering. Andererseits aber wissen wir alle, wie ungemein groß unser Bedarf an langfristigem Kapital ist.
Da bietet sich nun aus folgender Konstellation heraus eine sehr gute Gelegenheit. Die Wiederaufbaubank verfügt bekanntlich als treuhänderischer Verwalter über die großen Mittel, die aus den Counterpart-Funds überwiesen werden. Sie selbst hat aber keinen Unterbau und keine Organisation, um diese gewaltigen Mittel, die in die Hunderte von Millionen gehen, in der volkswirtschaftlich richtigen Streuung bis an den letzten Kreditnehmer heranzubringen. Auf der anderen Seite verfügen die Hypothekenbanken und Schiffspfandbriefbanken, die durch die Währungsreform in ihrer ganzen Geschäftsgebarung, im Volumen ihrer Betätigung und in ihrer wirtschaftlichen Geltung dezimiert worden sind, über einen ungemein sachkundigen und hochwertigen Organismus, der weitreichende Erfahrungen gerade auf dem Gebiet der Anlage von Geldern im Hypothekenwesen besitzt. Und darum ist es eine glückliche Lösung, wenn dieser durchgebildete Verwaltungsapparat nunmehr in den Dienst der Auf({7})
gabe gestellt wird, die großen, für langfristige Kredite geeigneten Gelder der Wiederaufbaubank in breiter Streuung an die Wirtschaft, insbesondere an den sozialen Wohnungsbau, heranzubringen. Deswegen ist der Ausschuß durchaus damit einverstanden, daß das Übergangsgesetz hierfür die formellen Voraussetzungen schafft.
Aber der Ausschuß hat sich nicht allein mit dieser formalen Erweiterung des Geschäftsbereichs der Hypotheken- und Pfandbriefbanken begnügt, sondern er ist auch in das Wesen der Dinge hineingestiegen und hat insbesondere die Frage geprüft, ob sich hier nicht eine Gelegenheit bietet, dem letzten Kreditnehmer möglichst billiges Geld zur Verfügung zu stellen. Da ist der Ansatz der gewesen, daß die Wiederaufbaubank bei der Weitergabe der Gelder, die sie aus den Counterpart-Funds bekommt, an die Finanzinstitute eine Zinsmarge von 1/4% erhebt. Wir fragten uns, ob dieses 1/4 % notwendig wäre, ob nicht die Wiederaufbaubank in der Weise ausgeschaltet werden kann, daß die Counterpart-Funds unmittelbar in Verbindung mit den Hypothekenbanken treten, daß also letzten Endes der letzte Kreditnehmer die Gelder um 1/4% billiger bekäme. Wir haben uns überzeugen lassen, daß dies nach den Statuten der Wiederaufbaubank und auch aus sonstigen Gründen nicht möglich ist und daß die Wiederaufbaubank eine gewisse Zinsmarge braucht, um ihre Unkosten bestreiten zu können und weil sie statutenmäßig gehalten ist, einen Reservefonds zu schaffen.
Wir haben weiter die Frage geprüft, ob nicht die Hypothekenbanken bei Bemessung ihrer Zinsmarge übertriebene Ansprüche stellen, indem sie 3/4% dabei verdienen möchten. Wir sagten uns, 3/4 % wäre ein zu ausgiebiges Entgelt, da ja die ganze Geldbeschaffung aus den Fonds der Wiederaufbaubank nur eine Unterschrift kostet und nicht wie sonst große Beschaffungskosten und Verwaltungskosten für die Ausgabe von Pfandbriefen bedingt. Aber wir haben uns auch hier überzeugen lassen, daß die Hypothekenbanken es nicht billiger machen können, denn, wie gesagt, sie sind durch die Entwicklung der Verhältnisse in ihrem Geschäft kläglich zusammengeschrumpft und haben andererseits einen kostspieligen Verwaltungsapparat nach wie vor durchzuhalten, so daß sie also aus diesen Gründen einen ergiebigen Verdienst aus der Zinsmarge nicht entbehren können.
Schließlich haben wir uns mit dem Antrag der Lebensversicherungsanstalten befaßt, die der Meinung waren, daß auch sie als hypothekenverteilende Stellen eingeschaltet werden sollten und daher zu den Mitteln der Wiederaufbaubank Zugang haben müßten. In dieser Beziehung haben wir uns auf den Standpunkt gestellt, daß das nicht Sache der Lebensversicherungen sei. Für sie ist die Ausgabe von Hypotheken ja nur ein Nebengeschäft, ein Reflexgeschäft, eine Art der Anlage ihrer verfügbaren Reserven. Dazu kommt, daß die Kapitalbildung bei den Lebensversicherungsgesellschaften außerordentlich günstig verläuft. Aus diesen Gründen glaubten wir, dem Antrag der Lebensversicherungsanstalten nicht folgen zu sollen.
Schließlich haben wir uns mit den Einwendungen des Bundesrates auseinandergesetzt, die im wesentlichen darin gipfelten, daß man die Dauer dieses Gesetzes nicht wie vorgesehen bis zum Ende des Jahres 1955 befristen sollte, sondern nur bis zum Ende des Jahres 1953. Das ist das Jahr, in dem die Marshallplan-Subventionen ihr Ende finden sollen.
Wir haben uns aus diesem Grunde und auch aus N anderen Erwägungen, insbesondere mit Rücksicht auf die große Labilität des Geld- und Kapitalmarktes und auf die Unübersehbarkeit der künftigen Entwicklungen, ebenfalls auf den Standpunkt gestellt, daß die zeitliche Begrenzung, wie sie der Bundesrat vorschlägt, der richtige Entschluß ist. Wir haben uns in dieser Beziehung daher dem Bundesrat angeschlossen.
Im übrigen hatte der Bundesrat einige Bemängelungen mehr redaktioneller Natur, die nicht von wesentlicher Bedeutung sind. Ich habe daher die Ehre, Ihnen im Namen des Ausschusses vorzuschlagen: Der Bundestag wolle beschließen, dem vorgelegten Gesetzentwurf mit der Maßgabe, die ich eben genannt habe, nämlich mit der Verkürzung der Gesetzesdauer auf Ende 1953, zuzustimmen.
Meine Damen und Herren,
ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache. 60 Minuten.
Herr Abgeordneter Dr. Oellers, bitte! 8 Minuten.
Verzeihung, ich spreche nicht im Auftrage meiner Fraktion.
({0})
- Ich kann doch als Abgeordneter einen Abänderungsantrag stellen und begründen!
Wird auch ein Vertreter Ihrer Fraktion noch sprechen?
Ich glaube, ja.
Dann bitte ich darum, die Redezeit entsprechend dem bisherigen Prinzip einzuteilen.
Verzeihung, das ist nicht richtig, Herr Präsident! Selbstverständlich können Sie nach den Beschlüssen des Ältestenrats die Fraktionsredezeiten einteilen. Wenn aber ein einzelner Abgeordneter der Ansicht ist, einen Abänderungsantrag stellen zu sollen und ihn begründen zu müssen, so können Sie seine Ausführungen nicht in die Fraktionsdiskussionszeit einbeziehen.
Verzeihung, Herr Abgeordneter Dr. Oellers, aber bei aller Loyalität muß ich Ihnen erklären, daß wir immer so verfahren haben, wenn eine Gesamtredezeit festgelegt war, daß diese auf die Fraktionen verteilt wurde. Ich will gewiß nicht engherzig in dieser Beziehung sein; es wäre aber dann vielleicht richtiger, wenn zuerst die Redezeit der Fraktionen benützt wird und dann ein Einzelsprecher spricht.
Gut, ich werde mich danach richten. Ich glaube aber nicht, daß das diskussionsfördernd ist.
Wer wünscht weiter das Wort? - Meine Damen und Herren, wenn niemand weiter das Wort wünscht, dann erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Oellers das Wort.
({0})
Meine Damen und Herren! Der Zweck dieses Gesetzes ist aus seiner Fassung nicht ohne weiteres zu erkennen. Er ist dahingehend zu interpretieren, daß ein die bisherige gesetzliche Regelung des Tätigkeitsbereichs der Hypotheken({0})
banken ausweitender Weg gefunden werden sollte, der den Hypothekenbanken die Möglichkeit der Aufnahme von Krediten bei der Wiederaufbaubank eröffnet, um auf diesem Wege ERP-Mittel dem Wohnungsbau zuführen zu können.
Verschiedene Abgeordnete dieses Hauses aus verschiedenen Fraktionen haben sich seit geraumer Zeit Mühe gegeben, diese Mittel dem Wohnungsbau so verbilligt wie nur irgend möglich zuzuführen. Ursprünglich lagen die Dinge so, daß nicht zuletzt durch die Einschaltung von zwei Bankinstituten - ein Weg, den ich sowieso nicht als besonders glücklich empfinde - ein Endzinssatz von 6 1/2 % bei 98prozentiger Auszahlung in Rede stand. Das ist, wie man mir wird zugeben müssen, ein Zinssatz, der für den sozialen Wohnungsbau absolut unerträglich ist. In verschiedenen Verhandlungen ist es inzwischen gelungen, den Zinssatz ohne Berücksichtigung des Damnums auf 5 6/8 % zu drücken, und zwar 5 % für die Finanzverwaltung, 1/8 % Marge für die Wiederaufbaubank und 5/8 % an die Hypothekenbanken für ihre Tätigkeit.
Nun hat sich der Ausschuß bei seinen Beratungen auch mit der Frage befaßt, ob es möglich sei, neben den Hypothekenbanken auch die Lebensversicherungsgesellschaften in die Tätigkeit der Kreditweitergabe einzuschalten. Der Ausschuß hat den Standpunkt vertreten, daß das nicht zweckmäßig sei, da derartige Geschäfte zwar dem Aufgabengebiet der Hypothekenbanken, aber nicht den Lebensversicherungsgesellschaften immanent wären. Ich gebe zu, daß diese Begründung rein formal etwas für sich hat, sie ist aber weder zwingend noch in diesem Falle durchschlagend. Ich bin der Auffassung, daß es für dieses Hohe Haus in erster Linie darauf ankommen muß, die Hypothekengelder, die aus ERP-Mitteln fließen, so billig wie nur eben möglich an den sozialen Wohnungsbau heranzuführen. Der Ausschuß hätte die Frage prüfen müssen, ob nicht eine Vergebung dieser Mittel über die Versicherungsgesellschaften, die ja schließlich am Hypothekenmarkt die größten Kapitalträger sind, billiger gewesen sei. Da das der Ausschuß nicht getan hat, habe ich mich mit dieser Frage befaßt und mich mit dem Verband der Lebensversicherungsgesellschaften in Verbindung gesetzt. Ich bin ermächtigt worden, dem Hohen Hause zu erklären, daß die Lebensversicherungsgesellschaften keine Marge von 5/8 %, sondern nur eine solche von 5/8 °/o für ihre vermittelnde Tätigkeit in Rechnung stellen würden. Bei dieser Situation bin ich der Auffassung, daß es die Pflicht des Hohen Hauses ist, in dem vorliegenden Gesetz nicht nur den Hypothekenbanken, sondern auch den Versicherungsgesellschaften die Möglichkeit zu eröffnen, die ERP-Gelder an den sozialen Wohnungsbau weiterzuleiten. Ich stelle deswegen den Antrag, den § 1 wie folgt zu fassen:
Hypothekenbanken, Schiffspfandbriefbanken und Lebensversicherungsunternehmen dürfen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau
usw.
Ich darf Ihnen, Herr Präsident, diesen Antrag geben. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe; meine Damen und Herren, möglichst viele und möglichst billige Mittel dem Wohnungsbau zuzuführen und sich dabei der besten Möglichkeiten zu bedienen, die gegeben sind, und nicht über eine Formalargumentation zu stolpern, daß solche Geschäfte nicht zum Aufgabenbereich der Versicherungswirtschaft gehörten. Sie gehörten bisher ja auch nicht zum Geschäftsbereich der Hypothekenbanken, was die Tatsache beweist, daß man durch ein besonderes Gesetz ihre Kompetenz für eine solche Tätigkeit erst schaffen muß.
Wird zu diesem Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Oellers das Wort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Die Dinge sind im Ausschuß eingehend erörtert worden, und der Ausschuß ist aus den Gründen, die der Herr Berichterstatter bereits vorgetragen hat, zu dem Ergebnis gekommen, daß man eine solche Änderung in dem Gesetz nicht vornehmen sollte. Die Zahlen, die der Herr Abgeordnete Oellers über die Zinsen hier angegeben hat, entsprechen Gott sei Dank nicht ganz den Tatsachen. Denn die Hypotheken kosten den letzten Kreditnehmer nach den Zahlen, die wir im Ausschuß festgestellt haben, nur 5 %. Aber es mag ja möglich sein, daß die Lebensversicherungsgesellschaften sich bereit erklären, zu billigeren Bedingungen als die Hypothekenbanken die Kredite weiterzugeben. Das müßte man zum mindesten aber noch einmal in dem Ausschuß eingehend überprüfen. Jedenfalls können wir nicht davon ausgehen, daß ein Brief, der hier von einem Abgeordneten mitgeteilt wird, nun ohne weiteres als rechtliche Grundlage für die Änderung eines Gesetzes hingenommen werden kann.
({0})
Dann müßte eben der Herr Wiederaufbauminister mit den Lebensversicherungsgesellschaften ebenso verhandeln, wie er mit den Hypothekenbanken verhandelt hat, und wir müßten klare Erklärungen der Regierung bekommen, daß tatsächlich bei der Einschaltung der Lebensversicherungsgesellschaften eine Zinsverbilligung eintreten würde. An sich wäre es ja etwas ganz Außergewöhnliches, in dieses Gesetz, das eine Novelle zum Hypothekenbankgesetz ist, die Lebensversicherungsgesellschaften hereinzunehmen und damit den Lebensversicherungsgesellschaften ein Arbeitsgebiet zuzuweisen, das ihrer bisherigen Tätigkeit vollkommen fremd ist. Aufgabe der Lebensversicherungsgesellschaften ist es, Lebensversicherungsverträge abzuschließen. Die Kreditgewährung betreiben sie als ein Hilfsgeschäft, um eine Anlage für ihre Prämienreserven zu suchen. Bei den Hypothekenbanken liegen die Dinge genau umgekehrt; dort ist die Gewährung von Hypotheken das Hauptgeschäft - auf diesem Gebiet haben sie ihre Erfahrungen -, und die Auftreibung der erforderlichen Mittel durch den Verkauf von Pfandbriefen wie durch Aufnahme von Globaldarlehen bei der Wiederaufbaubank ist das Hilfsgeschäft.
Ich glaube also, daß der Abänderungsantrag Oellers noch einmal im Ausschuß erörtert werden muß, und beantrage daher, die Vorlage an den Ausschuß zurückzuverweisen.
({1})
Meine Damen und Herren, wird das Wort weiter gewünscht? - Dann schließe ich die Aussprache und lasse zunächst abstimmen über den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Höpker-Aschoff zur Geschäftsordnung, die zweite und dritte Beratung heute auszusetzen und den Gesetzentwurf an den zuständigen Ausschuß zurückzuverweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu
({0})
erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit eindeutiger Mehrheit beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, haben wir Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.
Wir kehren nun angesichts der Anwesenheit des Herrn Bundesfinanzministers wieder zum Ausgangspunkt unserer Tagesordnung zurück. Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft ({1}).
Der Ältestenrat hat für die Einbringung dieses Gesetzentwurfs 10 Minuten vorgesehen. Ich darf Sie, Herr Minister, bitten, sich danach ungefähr einzurichten. Das Wort zur Einbringung der Vorlage hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine sehr verehrten Damen und meine Herren! Bereits der Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebietes hat mit Gesetz vom 26. August 1949 die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft beschlossen und damals einen Betrag von 120 Millionen DM vorgesehen. Die Bundesregierung schlägt Ihnen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vor, diesen Betrag von 120 Millionen DM auf 600 Millionen DM zu erhöhen.
Ich darf die Gründe, die in der schriftlichen Begründung des Gesetzentwurfs bereits erwähnt sind, hier kurz zusammenfassen. Die deutsche Wirtschaft und die Bundesrepublik sind gezwungen, bis zum Jahre 1952 eine höchstmögliche Steigerung des Exportes herbeizuführen. Der Export hat, wie ich hier an dieser Stelle bemerken darf, in den letzten Wochen und Monaten wieder eine erfreuliche Steigerung erfahren. Bei der gegenwärtigen Kapitalschwäche der deutschen Ausfuhrwirtschaft muß jedoch damit gerechnet werden, daß gerade deshalb vermehrte Anträge auf Abdeckung der mit der Steigerung des Exports verbundenen Risiken eingereicht werden. Eine Einteilung dieser Anträge oder eine Auslese aus diesen Anträgen nach strengen Gesichtspunkten vorzunehmen, würde das Ausfuhrgeschäft erschweren. Die Barzahlungsgeschäfte treten gegenwärtig immer mehr zurück. Die deutschen Exporteure müssen ebenfalls in steigendem Maße Kredit geben. Mit diesen gewährten Krediten ist ein erhöhtes Risiko verbunden. Auch das ist ein Gesichtspunkt, unter dem die Erhöhung des Betrages notwendig ist. Außerdem gewinnen auch die langfristigen Ausfuhrgeschäfte, also die Erstellung von Großanlagen usw. steigend an Bedeutung. Auch damit ist eine Steigerung des Risikos und der Wunsch nach Garantien verbunden. Die Abdeckung des Fabrikationsrisikos bedingt einen langsameren Umschlag der Sicherheits- und Gewährleistungssumme und führt infolgedessen ebenfalls dazu, den Betrag zu erhöhen. Mit Rücksicht darauf, daß auch die Länder der französischen Zone nunmehr unter dieses Gesetz fallen, daß auch die Wirtschaft von Groß-Berlin berücksichtigt werden muß und daß unser deutscher Ausfuhrhandel sich jetzt auch bemüht, verlorene Absatzgebiete im Osten wieder zurückzugewinnen, ist die Erhöhung des Betrages um die gewünschte Summe erforderlich.
Ich bitte daher, dem Gesetzentwurf nach der notwendigen Ausschußberatung die Zustimmung zu erteilen.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers gehört. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, den Gesetzentwurf ohne Aussprache an den Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. Darf ich das Einverständnis des Hauses damit feststellen? - Ich höre keinen Widerspruch. Damit schließe ich die erste Beratung und stelle fest, daß der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 913 dem Ausschuß für Außenhandelsfragen überwiesen ist.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Finanzverwaltung ({0}).
Dazu kommen die verteilten Abänderungsanträge Drucksachen Nr. 911 und 925, außerdem ein eben schriftlich überreichter Abänderungsantrag der Fraktion der SPD, der, wie ich annehme, wahrscheinlich von den Antragstellern nachher bekanntgegeben wird. Er konnte in der kurzen Zeit nicht mehr gedruckt werden. Außerdem höre ich, daß noch ein Abänderungsantrag der CDU eingelaufen ist.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen gemäß § 88 der Geschäftsordnung für die Berichterstattung eine Redezeit von etwa 10 Minuten und für die Aussprache eine Redezeit von 60 Minuten vor. Darf ich auch insoweit das Einverständnis des Hauses feststellen? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist demgemäß beschlossen.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Greve als Berichterstatter das Wort.
Dr. Greve ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesene Entwurf eines Gesetzes über die Finanzverwaltung begegnete in den Beratungen des Ausschusses den Schwierigkeiten, die sich aus dem Grundgesetz ergeben. In der Begründung zur Regierungsvorlage ist bereits darauf hingewiesen, daß nach den Artikeln 87 Abs. 1 und 108 Abs. 1 des Grundgesetzes die Aufteilung der Finanzverwaltung in eine Bundesfinanzverwaltung und in Landesfinanzverwaltungen vorzunehmen ist. Um diese Vorschrift des Grundgesetzes kam auch der Ausschuß nicht herum. Die Schwierigkeiten, die sich in den Beratungen ergeben haben, haben sich vor allem bei vier verschiedenen Punkten gezeigt, und zwar erstens bei der Frage, wie die Umsatzsteuer entsprechend Art. 108 Abs. 1 des Grundgesetzes verwaltet werden soll: zweitens bei der Frage - die nichts mit dem Grundgesetz zu tun hat -. ob eine eigene Abteilung des Bundes für die Verwaltung des Bundesvermögens und eine eigene Abteilung für die Bauangelegenheiten des Bundes bei den Oberfinanzdirektionen eingerichtet werden sollen: drittens bei der Frage. ob bei den Oberfinanzdirektionen eine Präsidialabteilung bestehen. bleiben bzw. wieder eingerichtet werden soll: viertens hei der Frage der Errichtung bzw. Wiedererrichtung - in den meisten Ländern der Bundesrenublik - der Steuerausschüsse.
In der Frage der Verwaltung der Umsatzsteuer durch bundeseigene Behörden, wie sie nach dem Grundgesetz vorgeschrieben ist, ist der Ausschuß zu der Lösung gekommen, wie sie Ihnen in der Drucksache Nr. 888 vorgelegt worden ist. Seitens einzelner Mitglieder des Ausschusses, aber auch seitens des Herrn Vertreters des Bundesministers
({2})
der Justiz ist darauf hingewiesen worden, daß die Lösung, wie sie in der Regierungsvorlage enthalten war und auch in der Vorlage des Ausschusses noch enthalten ist, im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit nicht ohne Bedenken ist. In dem Grundgesetz ist vorgeschrieben, daß diejenigen Steuern, die in die Kassen des Bundes fließen, von Bundesbehörden verwaltet werden und daß diejenigen Steuern, die in die Kassen der Länder fließen, von Landesbehörden verwaltet werden. Diese Schwierigkeit war noch in der Mittelinstanz, bei den Oberfinanzdirektionen, zu beseitigen.
Schwierigkeiten bestanden und bestehen nach Auffassung einzelner Mitglieder des Ausschusses noch in folgendem. Ich darf Sie bitten, hierzu auf die Fassung des § 10 zu schauen, in der gesagt ist, daß die Oberfinanzdirektionen sich bei der Bearbeitung der Umsatzsteuer und der Beförderungssteuer der Hilfe der Finanzämter bedienen. Inwieweit das mit dem Grundgesetz zu vereinbaren ist, konnte im Ausschuß nicht einheitlich geklärt werden. Die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses ist der Auffassung, daß die Fassung in § 10 den Vorschriften des Grundgesetzes entspricht Demzufolge wird die Umsatzsteuer auf der unteren Ebene durch die Finanzämter im Auftrage der Bundesbehörden verwaltet. Diese Auftragsverwaltung wird zwar durch Behörden des Landes, nämlich durch die Finanzämter, wahrgenommen. Aber die Schwierigkeiten, die entstanden wären, wenn man die Umsatzsteuer von der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer getrennt hätte, wären nach Auffassung der Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses wesentlich größer gewesen - einzelne Mitglieder waren der Auffassung, daß es völlig unmöglich sei, diese Trennung vorzunehmen - als die Schwierigkeiten, die sich jetzt im Hinblick auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung ergeben. Der Ausschuß schlägt Ihnen demnach vor, die Regelung in der Weise vorzunehmen, wie es in dem § 10 seines Entwurfs vorgesehen ist.
Die zweite Frage, die Frage der Errichtung einer selbständigen Abteilung für die Verwaltung des Bundesvermögens und für die Bauangelegenheiten bei den Oberfinanzdirektionen, ist in dem Sinne entschieden worden, daß der Ausschuß der Regierungsvorlage zugestimmt hat. Über diese Frage hat eine gemeinsame Beratung zwischen einigen Mitgliedern des Bundestagsausschusses und des Bundesratsausschusses für Finanzen und Steuern stattgefunden. Eine Einigung über diese Frage konnte zwischen dem Bundesrat und dem Bundestag nicht erzielt werden. Der Bundesrat war der Auffassung, daß, wenn man auch vielleicht eine eigene Abteilung für die Verwaltung des Bundesvermögens bei den Oberfinanzdirektionen einrichten könnte oder auch sollte, dies unter gar keinen Umständen für die Bauangelegenheiten angebracht sei. Die Mehrheit des Ausschusses war im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium der Auffassung, daß sowohl eine Abteilung für das Bundesvermögen als auch eine Abteilung für Bauangelegenheiten hei den Oberfinanzdirektionen errichtet werden sollte. In der gemeinsamen Sitzung wurden im Zusammenhang damit Fragen behandelt, auf die hier im einzelnen einzugehen nicht nötig ist, da sie, ohne daß von seiten der Mitglieder des Bundesrats Bedenken geäußert wurden, ihren Niederschlag in der Drucksache Nr. 888 gefunden haben.
Über die Frage der Errichtung einer eigenen Präsidialabteilung bei den Oberfinanzdirektionen ist
es ebenfalls zu verschiedenen Auffassungen innerhalb des Ausschusses gekommen. Die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses war der Auffassung, daß eine eigene Präsidialabteilung mit einem eigenen Leiter nicht einzurichten sei. Die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses wollte zu dieser Einrichtung auch deswegen nicht wieder zurückkehren, weil die Organisation der Oberfinanzdirektionen eine andere ist als früher, was eben mit der Teilung in Bundesfinanzverwaltung und Länderfinanzverwaltung zusammenhängt. Die Vorlage des Ausschusses sieht also von der Errichtung einer eigenen Präsidialabteilung bei den Oberfinanzdirektionen ab.
Der vierte Punkt der grundsätzlichen Fragen betraf die Errichtung von Steuerausschüssen. Im Ausschuß bestand Einmütigkeit darüber, daß die Steuerausschüsse mit den Aufgaben, wie sie in der Drucksache Nr. 888 niedergelegt worden sind, wieder errichtet werden sollten.
Ich darf kurz im einzelnen auf das eingehen, was in der Drucksache Nr. 888 dem Plenum vom Ausschuß zur Annahme empfohlen wird. Der Begriff Oberfinanzpräsidien ist durch Oberfinanzdirektionen ersetz worden, und zwar
im Hinblick darauf, daß man es nach Auffassung der Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses für nützlich und auch wohl notwendig hielt, eine einheitliche Bezeichnung für alle Mittelbehörden sämtlicher Bundesministerien zu haben. Die Bezeichnung bei der Bundesbahn ist Eisenbahndirektion, bei der Post Oberpostdirektion, so daß hier der Ausdruck Oberfinanzdirektion gewählt worden ist. Gewisse Bedenken der Verwaltung sprachen allerdings dagegen, im wesentlichen weil man meinte, der Begriff Oberfinanzpräsidium hätte sich eingebürgert. Das trifft sachlich nicht zu, weil es die Bezeichnung Oberfinanzpräsidium nicht gibt, sondern die Behördenbezeichnung nach wie vor ,,Der Oberfinanzpräsident" heißt. Diese Bezeichnung beizubehalten, liegt ohnedies kein Anlaß vor. Der Ausschuß empfiehlt Ihnen nach Abstimmung mit Mehrheit, die Bezeichnung „Oberfinanzdirektion" statt der bisherigen „Der Oberfinanzpräsident" zu wählen.
Im Abschnitt II ist zu § 3 zu bemerken, daß zwar an dieser Stelle des § 3 die Bestimmungen, wie sie in der Regierungsvorlage enthalten sind, weggefallen sind, dafür aber an anderer Stelle, und zwar in den §§ 5, 6 und 7, erscheinen. Der Ausschuß hält die Gliederung, wie sie jetzt vorgenommen worden ist, für richtiger. Die Herren Vertreter des Bundesfinanzministeriums, die den Ausschußberatungen beigewohnt haben, halten ebenfalls die jetzige Vorlage des Ausschusses für richtiger.
Zu den §§ 5 und 6 sind im einzelnen keine besonderen Ausführungen zu machen. Lediglich zu § 7, letzter Absatz, bestanden Differenzen zwischen den Ländern und dem Bunde bzw. den Vertretern des Ausschusses des Bundesrates für Finanzen und den Mitgliedern des Ausschusses des Bundestages für Finanzen über die Frage der angemessenen Entschädigung. Im einzeln en konnte keine Klarheit darüber geschaffen werden, welcher Prozentsatz dann richtig sei, wenn die Steuern des Bundes von den Ländern nicht im ganzen verwaltet werden, wie das
früher der Fall war, sondern nur zum Teil, wie es heute beispielsweise bei der Umsatzsteuer der Fall ist.
§ 8 sieht vor, daß die Aufgaben, die früher in der Präsidialabteilung der Oberfinanzdirektionen, der damaligen Oberfinanzpräsidien, erledigt worden
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sind, nunmehr getrennt für die Bundesabteilungen und die Länderabteilungen zu erledigen sind. Zu diesem Zwecke können die Aufgaben in einer der Bundesabteilungen bzw. in einer der Landesabteilungen zusammengefaßt werden.
In § 10 ist die von mir vorhin schon erwähnte Bestimmung enthalten, daß der Bund durch die Oberfinanzdirektionen sich der Finanzämter zur Bearbeitung der Umsatzsteuer und der Beförderungssteuer bedient. Auf die Gefährlichkeit dieser Bestimmung nach Auffassung einzelner- Mitglieder des Ausschusses im Hinblick auf das Grundgesetz habe ich bereits hingewiesen.
Im § 11 in der Fassung des Ausschusses bitte ich einen Druckfehler zu berichtigen. Es heißt in der vorletzten Zeile des Abs. 1 „Sie untersteht dem Oberfinanzpräsidenten unmittelbar", nicht „dem Oberpräsidenten", wie es in der Vorlage heißt.
Zu den §§ 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 22 und 23 sind besondere Ausführungen nicht zu machen. Hier entsprechen die vom Ausschuß gefaßten Beschlüsse der Vorlage der Regierung.
Zum § 24 ist folgendes zu bemerken. Die Steuerausschüsse, die es bisher in einem Lande der Bundesrepublik, nämlich in Bayern, gegeben hat und noch gibt, haben eine andere Zusammensetzung, als nach dem vorliegenden Steuerverwaltungsgesetz vorgeschrieben ist. In Bayern werden die Mitglieder der Steuerausschüsse nicht nach den Gesichtspunkten gewählt, wie es nach der Vorlage für richtig gehalten wird. Es besteht keine Veranlassung, die abweichende Regelung, wie sie in Bayern zur Zeit noch vorhanden ist, beizubehalten, nachdem dieses Finanzverwaltungsgesetz in Kraft getreten ist. Gerade auf diesem Gebiete der Mitwirkung der Steuerausschüsse bei der Veranlagung der Steuern und auch bei der Entscheidung über Einsprüche gegen Steuerbescheide schien es notwendig, die Einheitlichkeit in allen Oberfinanzbezirken in allen Ländern herbeizuführen. Aus diesem Grunde war es notwendig, daß die entspreche den Vorschriften in § 24 Abs. 2 der Regierungsvorlage gestrichen wurden.
In diesem Zusammenhang darf ich bemerken, daß das noch in einem anderen Falle zutrifft, und zwar in § 36. Für das Land Hessen war nach der Regierungsvorlage die Möglichkeit vorgesehen, die Regelung bei den Oberfinanzkassen anders beizubehalten, als es die Regelung nach diesem Gesetz vorsieht. Auch in diesem Falle lag nach Auffassung der Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses keine Veranlassung vor, dem Lande Hessen zu gestatten, die bisherige Regelung beizubehalten, die lediglich unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Kassenführung im Lande Hessen eingerichtet worden ist. Da in Hessen eine Oberfinanzdirektion neu eingerichtet werden muß, schien es angebracht, auch die entsprechende Bestimmung in Abs. 2 des § 36 der Regierungsvorlage zu streichen.
Zu den übrigen Paragraphen sind Einzelausführungen nicht mehr zu machen. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen empfiehlt dem Bundestag die Annahme des Gesetzes über die Finanzverwaltung in der von ihm verabschiedeten Fassung.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache.
Darf ich noch einmal auf eine technische Möglichkeit aufmerksam machen: die Damen und Herren, die am Rednerpult stehen, können das Pult je nach ihrer Größe einstellen, indem sie am t Steuerrad nach der einen oder andern Seite drehen.
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Zinn. 12 Minuten, bitte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte aus Anlaß der zweiten Lesung dieses Gesetzes keine Generaldebatte entfachen, die eigentlich der dritten Lesung vorbehalten ist. Ich möchte nur einige grundsätzliche Bemerkungen machen, die vielleicht die heutige Aussprache abkürzen, um so mehr, als heute keine Abstimmung stattfinden soll.
Dieser Gesetzentwurf hat nicht nur organisatorische Bedeutung; er ist von Wichtigkeit nicht nur für den Aufbau der Finanzverwaltung im Bund und in den Ländern, für die Veranlagung und Erhebung der Steuern, sondern er ist auch von einer verfassungsrechtlichen und damit politischen Bedeutung. Ich darf die Damen und Herren, die seinerzeit dem Parlamentarischen Rat angehört haben, an die sehr lebhaften und zum Teil monatelang dauernden Auseinandersetzungen erinnern, die innerhalb des Parmentarischen Rates, aber auch zwischen dem Parlamentarischen Rat und den Sachverständigen der Besatzungsmächte wegen der Gestaltung des Abschnitts „Finanzverwaltung" des Grundgesetzes stattgefunden haben und die dann ihren Niederschlag in den Artikeln 105, 106, 107 und 108 des Grundgesetzes gefunden haben. Ich gebe durchaus zu, daß diese Artikel sowohl in ihrer Fassung - eben als doppeltes Kompromiß - als auch rein juristisch keineswegs ohne jeden Mangel sind. Es ging damals nicht nur um die Steuergesetzgebungshoheit und die Steuerertragshoheit, es ging auch um die Abgrenzung der Verwaltungsautonomie des Bundes auf der einen Seite und der Verwaltungsautonomie der Länder auf der anderen Seite.
Dabei spielten auch politische Erwägungen eine entscheidende Rolle. Ich brauche nur anzudeuten, wie sehr das unzureichende Mittel der Bundesexekutive, das dem Bund den Ländern gegenüber zur Verfügung steht, der Anlaß war, daß man von vornherein zu verhindern' versuchte, daß etwa die Länder auf Mittel oder Steuererträge, die dem Bunde zufließen sollten, die Hand legen konnten. Man hat deshalb versucht, alle Erträge, die unmittelbar für Bundeszwecke bestimmt waren oder aber dem Bundesfinanzausgleich dienen sollten, einer unmittelbaren Bundesfinanzverwaltung zu unterstellen.
Demgemäß sieht der Artikel 108 des Grundgesetzes vor, daß nicht nur die Zölle und Finanzmonopole, sondern alle der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Verbrauchssteuern, insbesondere aber die Beförderungssteuer und vor allem die Umsatzsteuer durch Bundesfinanzbehörden zu verwalten sind. Ich will auf die Möglichkeit einer Erweiterung dieser Bundesfinanzverwaltung auf einmalige Vermögensabgaben und auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer, falls sie vom Bund in Anspruch genommen wird, in diesem Zusammenhang nicht eingehen. Aber ich glaube, daß der Entwurf in der Fassung, wie er heute als Ergebnis der Ausschußberatung vorliegt, dem Artikel 108 des Grundgesetzes nicht in vollem Umfang Rechnung trägt. Ich weiß, daß diese Bedenken nicht nur von meinen Freunden geteilt werden, sondern darüber hinaus auch von Angehörigen anderer Fraktionen, und daß diese Bedenken auch in den Ausschußberatungen von Vertretern des Bundesjustizministeriums vorgebracht worden sind.
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Wir sind uns bewußt, daß die Regelung des Grundgesetzes vom Standpunkt des Steuerveranlagungstheoretikers gewisse Schwierigkeiten bietet, wenigstens bei der gegenwärtigen Gestaltung der Steuern und den Veranlagungsgrundsätzen, die seither bei diesen Steuern angewandt worden sind. Wir glauben aber, daß sich doch Wege finden lassen, die dem Grundgesetz Rechnung tragen, jedenfalls weit mehr Rechnung tragen als das seitherige Ergebnis der Ausschußberatungen.
Der § 10 dieses Entwurfs sieht u. a. vor, daß die sogenannten Oberfinanzdirektionen die Umsatzsteuer, die eine für den Bund sehr wesentliche Einnahmequelle darstellt, und die Beförderungssteuer verwalten und daß sie sich dazu der Hilfe der Finanzämter bedienen sollen. Damit versucht man, den Schein dessen, was sein soll, zu wahren. In Wirklichkeit aber tut man das Gegenteil dessen, was durch die Verfassung vorgeschrieben ist; denn niemand wird bestreiten können, daß damit das eigentliche Veranlagungsgeschäft und das Erhebungsgeschäft in den Händen der Finanzämter liegt und daß so praktisch die Landesbehörden die Hand auf den Einnahmen aus diesen beiden Steuern haben. Wir glauben. daß der Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 925 Ziffer 4 - ich möchte das schon jetzt erwähnen - immerhin eine gewisse, wenn auch vielleicht noch keine ausreichende Verbesserung bringt.
Wir haben weiterhin Bedenken gegen § 11 Abs. 2 der Ausschußvorlage, der jetzt eine gemeinsame Oberfinanzkasse bei den Oberfinanzdirektionen vorsieht, während die Regierungsvorlage bei dieser Oberfinanzkasse noch zwei besondere Kassenabteilungen vorsah, einmal aus Bundesbeamten bestehend, zum andern aus Angehörigen der Länderverwaltungen bestehend, je nach der Art der Steuern, die sie zu verwalten hatten. Die Bundessteuern sollten durch Bundesbeamte, eine Abteilung aus Bundesbeamten, die den Ländern zufließenden Steuern von einer Abteilung, die aus Landesbeamten besteht, verwaltet werden. Aus diesem Grunde haben wir einen Abänderungsantrag zu dem § 11 gestellt, der insoweit die Regierungsvorlage wiederherstellen soll. Wir werden unsere Stellungnahme zu dem gesamten Gesetz davon abhängig machen, wie sich das Hohe Haus zu dem Abänderungsantrag Drucksache Nr. 925 Ziffer 4 und dem von uns eingereichten Abänderungsantrag zum § 11 stellen wird.
Mit Rücksicht darauf aber, daß nun auch die CDU einen weiteren Abänderungsantrag zu dem § 7 gestellt hat, der nach unserer Auffassung auch von wesentlicher Bedeutung ist und nochmals eine eingehendere Prüfung verlangt, sind wir der Ansicht, daß es zweckmäßig ist, um so mehr, als heute keine Abstimmungen stattfinden, die Vorlage nochmals dem zuständigen Ausschuß, zugleich aber auch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Ich stelle hiermit diesen Antrag.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram. Die Zentrumsfraktion hat mich gebeten, mit Rücksicht darauf, daß sie einen ausführlichen Abänderungsantrag gestellt hat, etwas von der üblichen Redezeiteinteilung abzuweichen. Ich tue das hiermit.
Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz hat dem äußeren Anschein nach zunächst einen mehr technischen Charakter. Die politischen Zweifelsfragen, die diese Materie in sich
birgt, scheinen zunächst durch Art. 108 des Grundgesetzes geregelt zu sein. Dies ist jedoch nur der äußere Anschein. Für den Gesamtkomplex, um den es sich handelt, wird man den Ausdruck Finanzausgleich verwenden können, wenn man unter Finanzausgleich nicht nur die Verteilung der Steuererträge, sondern auch die Finanzverwaltung, d. h. die Verteilung und Abgrenzung der Besteuerungsrechte, verstehen will.
Ein kurzer Blick in unsere deutsche Geschichte ergibt, daß die unterlassene Errichtung einer eigenen Steuerverwaltung im alten Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation die Hauptursache für den Zerfall dieses Reiches gewesen ist. Das alte Reich hatte auch Steuererträge zu verlangen. Das alte Reich konnte den Gemeinen Pfennig, der elfmal bewilligt worden ist, und verschiedene andere Abgaben verlangen. Das alte Reich hat Matrikularbeiträge von den Territorialgewalten zu verlangen gehabt. Aber durch die Tatsache, daß dieser Gebietskörperschaft eine eigene Finanzverwaltung fehlte, hat sich das ganze Reich zu einem kraftlosen Schattenstaat, einem monstrum irregulare, wie der alte Staatsrechtslehrer Pufendorf erklärt hat, entwickelt.
Diese Gefahr hat sich daraus entwickelt, daß dem alten Reich eine eigene Finanzverwaltung fehlte, nicht iedoch daraus, daß ihm das Recht gefehlt hätte, Steuern oder Abgaben zu erheben.
Dieser kurze Blick in die geschichtliche Wirklichkeit sollte uns davor warnen. eine Gefahr gering zu achten. die wir dann heraufbeschwören, wenn wir tatsächlich jetzt die Steuerverwaltung in der Hand der Länder auch insoweit belassen, als die Steuererträge dem Bunde zustehen.
Im Parlamentarischen Rat ist die Bedeutung des Art. 108 eingehend behandelt worden. Die Auslegung dieser Gesetzesbestimmung auf Grund der Protokolle des Parlamentarischen Rats und auf Grund des Wortlauts kann nur dahin erfolgen, daß die Verwaltung der gesamten Bundessteuern, d. h. Umsatzsteuer und Beförderunssteuer. durch eigene Bundesbehörden vollzogen werden soll.
Bei dem Begriff der Verwaltung muß man davon ausgehen, daß die Bearbeitung einer solchen Angelegenheit in der Hauptsache bei dem Bund, bei der Bundesbehörde liegen muß. Der Entwurf der Regierung gibt nur den Weg, die Verwaltung der Umsatzsteuer, der Beförderungssteuer formal der Oberfinanzdirektion zuzuweisen. Umsatzsteuer und Beförderungssteuer werden nach dem entscheidenden § 10 des Entwurfs formal durch die Oberfinanzdirektion verwaltet. Tatsächlich ist dies aber gar keine Verwaltung. Tatsächlich liegt die Verwaltung bei Landesbehörden, nämlich bei den Finanzämtern. Die örtlichen Finanzämter erhalten die Umsatzsteuervoranmeldung. Sie stellen diese Beträge zum Soll, sie vereinnahmen die entsprechenden Beträge, ermitteln die Besteuerungsgrundlagen und setzen sie fest. Sie ziehen die Steuerpflichtigen zur Nachversteuerung heran usw. Die Oberfinanzpräsidien oder die Oberfinanzdirektionen, wie es jetzt heißt, kennen nicht einmal die Namen der Steuerpflichtigen, geschweige denn die Unterlagen für deren Besteuerung. Mangels der erforderlichen Unterlagen sind sie deshalb auch gar nicht in der Lage, Steuerbescheide zu erteilen oder andere Behörden im Wege der Amtshilfe darum zu ersuchen. Die Oberfinanzdirektionen sind nur in der Lage, die örtlichen Finanzämter zu ersuchen, generell die Umsatzsteuer in der Ortsinstanz für den Bund zu erheben. Das ist aber keine Amtshilfe, wie es uns der Entwurf glauben machen will.
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Der Begriff der Amtshilfe ist im Staatsrecht ein alter und in allen Landesstaatsrechten durchaus ausgepaukter Begriff. Es heißt in dem Kommentar, Wörterbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, bearbeitet von Friederichs:
Die Amtshilfe ist die Vornahme einzelner an sich unselbständiger Amtshandlungen durch Gerichte oder Verwaltungsbehörden zur Unterstützung einer Verwaltungsbehörde,
- und jetzt kommt der entscheidende Satz -:
die die Bearbeitung der Angelegenheit in der Hauptsache in der Hand behält.
Amtshilfe kann also nur dann vorliegen, wenn die Behörde, die ersucht, die Bearbeitung der Angelegenheit in der Hauptsache selbst in der Hand behält. Und es wird niemand sagen können, daß der Weg, wie ihn hier der Entwurf geht, es der Oberfinanzdirektion überließe, die Bearbeitung der Angelegenheit in der Hauptsache selbst durchzuführen, sondern die Bearbeitung der Angelegenheit wird zur Gänze in der Ortsinstanz durch Landesbehörden durchgeführt. Damit erweist sich der Entwurf als mit dem geltenden Staatsrecht nicht vereinbar. Deshalb verstößt der Entwurf insofern gegen das Grundgesetz. Das Gesetz müßte der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof verfallen. Meine Fraktion wird einen solchen Antrag alsbald nach Errichtung eines Bundesverfassungsgerichts stellen, falls der Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung angenommen werden würde, da die politischen Gründe gegen das Gesetz in der vorliegenden Fassung so überwältigend für uns sind, daß wir keinen anderen Weg sehen.
Wenn sich schon die Steuermoral im Verhältnis zwischen Pflichtigen und Fiskus zur Zeit auf einem niedrigen Stand befindet, so ist mit moralischen Begriffen beim Verhältnis zwischen den Hoheitsträgern überhaupt nur wenig anzufangen. Wer garantiert uns dafür, daß erhobene Bundessteuern nicht unter irgendwelchen vorgeschobenen Aufrechnungsgründen von notleidenden Ländern einbehalten werden? Eine Sicherheit kann uns da nur die unmittelbare Vereinnahmung der entsprechenden, dem Bund zustehenden Gelder durch den Bund geben.
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Ich nehme an, Herr Abgeordneter, Sie wollten den Ländern nicht Böswilligkeit unterstellen?
Nein! Das habe ich auch nicht gesagt, ich habe nur von Aufrechnung durch die notleidenden Länder gesprochen. Es wird ja der Fall sein können, daß die Länder sich nicht anders zu helfen wissen. Wir tragen die Verantwortung dafür, daß unser Bund nicht wie das alte Reich ein kraftloser, ohnmächtiger, von den regionalen Verwaltungen abhängiger Staat, unfähig zur Durchführung der ihm nach dem Grundgesetz obliegenden Aufgaben, wird.
Die steuertechnischen Gesichtspunkte, die in erster Linie zu dieser Fassung des Entwurfs geführt haben, sind nicht durchschlagend. Wenn bei den Finanzämtern als Ortsinstanz eine Bundeskasse zur Verwaltung von Umsatz- und Beförderungssteuern eingerichtet wird, so könnten die dafür erforderlichen Beamten aus den Kassenabteilungen der Finanzämter entnommen werden. Wir brauchten also keine zusätzlichen Beamten, weil in den Kassenabteilungen der Finanzämter entsprechend weniger Arbeit anfallen wird. Die Voranmeldung des
Steuerpflichtigen wird, wie bisher, von der Briefeingangsstelle des örtlichen Finanzamts angenommen, und die Poststelle würde dann die Voranmeldung an die Bundeskassenabteilung weiterleiten. Die Zahlungen müßten natürlich auf besondere Konten des Bundes erfolgen. Notwendig wäre lediglich die Anschaffung einiger Buchungsmaschinen. Das ist aber eine Ausgabe, die im Vergleich mit der politischen Notwendigkeit einer selbständigen Bundesfinanzverwaltung auch in der Ortsinstanz nicht schwer wiegt.
Wir haben deshalb beantragt - und das ist der Sinn unserer Anträge zu 1 und 4 -, daß bei den örtlichen Finanzämtern Bundeskassen eingerichtet werden. Diese würden den größten Teil der Umsatz- und Beförderungssteuern, die auf Grund der Voranmeldung eingehen, selbständig vereinnahmen. Die Landesbehörden würden dann nur noch die Veranlagung durchzuführen und die danach fälligen Steuern einzuziehen haben. Diese Beträge sind aber im Verhältnis zu den auf Grund der Voranmeldung eingehenden Beträgen nur gering. Entscheidend ist, daß bei dem von uns vorgeschlagenen Verfahren eine Bundesbehörde, nämlich die Bundeskasse, die Unterlagen für die Besteuerung in der eigenen Hand behält. Man kann also dann sagen, daß die Bundesbehörde die Umsatz- und Beförderungssteuern in der Hauptsache selbst bearbeitet. Die Inanspruchnahme der Landesbehörden, die dann noch notwendig ist, wäre tatsächlich eine echte Amtshilfe im staatsrechtlichen Sinne dieses Begriffes. Gehen wir den Weg des Entwurfs, so haben wir in Wahrheit eine Delegation von Rechten, die dem Bund vorbehalten sind. Eine solche Delegation aber ist staatsrechtlich unzulässig. Entsprechende Entscheidungen liegen ja aus der Zeit der Weimarer Reichsverfassung vor.
Ich bin deshalb der Ansicht: um einerseits den politischen Notwendigkeiten Rechnung zu tragen, die in Art. 108 des Grundgesetzes gegeben sind, und um andererseits die Rechtsunsicherheit zu vermeiden, die mit der Verabschiedung eines so zweifelhaften Gesetzes wie des uns hier vorgelegten entstehen müßte, ist es notwendig, die von uns vorgeschlagenen Abänderungen in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Nur dann können wir eine gesicherte Rechtsgrundlage erhalten.
Der zu 6 11 des Gesetzes gestellte Antrag der SPD auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage liegt durchaus in unserem Sinne. Wir stimmen diesem Antrag zu.
Wir haben ferner zwei etwas untergeordnete Abänderungsanträge gestellt. Zunächst haben wir beantragt, den Ausdruck „Verwaltungsbezirk" zu streichen und durch „Gebietsteile" zu ersetzen, und zwar deshalb, weil im Gebiet von Nordrhein-Westfalen sich die Bezirke der Oberfinanzpräsidien nicht mit den Verwaltungsbezirken des Landes decken. Es handelt sich also lediglich um eine stilistische Berichtigung.
Weiter haben wir beantragt, daß die Oberfinanzpräsidenten, die ja das Bindeglied zwischen Bund und Landesverwaltung sein sollen, abwechselnd aus der Bundesverwaltung und aus der Landessteuerverwaltung entnommen werden sollen. Wenn hier eire Vorschrift fehlt, so wird es nach meiner Ansicht sehr bald zu erheblichen Auseinandersetzungen zwischen Länderministern und Bundesfinanzminister kommen. Um diese Quelle möglicher Auseinandersetzungen von vornherein zu verstopfen, scheint mir eine solche Regelung notwendig zu sein. Wir haben diesen Antrag aber im wesentlichen nur gestellt, um damit eine Verbesserung des
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Gesetzes zu erreichen. Er ist nicht so wesentlich wie unsere beiden anderen Anträge zu den Ziffern 1 und 4 der Drucksache Nr. 925.
Das Wort hat Herr Dr. Etzel ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die hier geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, wonach der vorliegende Gesetzentwurf dem Art. 108 des Grundgesetzes widerspreche, vermag ich nicht zu teilen. Ich bin im Gegenteil der Auffassung, daß er in einer sehr sorgfältig definierten Weise die Grenzen, die Art. 108 gezogen hat, respektiert. In einem Punkte allerdings bin ich anderer Auffassung. Man kann die Frage aufwerfen, ob die Bundesfinanzverwaltung im Sinne des Art. 108, welche die dort aufgeführten Steuern, Steuerarten und -gruppen zu verwalten hat, auch die Einbeziehung von Bauabteilungen umfaßt.
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Diese Frage verneine ich.
Ich will - dazu steht mir die Zeit nicht zur Verfügung - auf die Grundlagen des Gesetzentwurfs im einzelnen nicht eingehen, sondern mich auf eine Spezialfrage beschränken, die den § 14 betrifft. In diesem Paragraphen ist vorgesehen, daß die Hauptzollämter als die örtlichen Behörden der Bundesfinanzverwaltung für die Verwaltung der Zölle, der Verbrauchssteuern „einschließlich", wie der Entwurf sagt, „der den Ländern zufließenden Biersteuer" zuständig sind. Nach Art. 105 Abs. 2 des Grundgesetzes hat der Bund die konkurrierende Gesetzgebung über die Verbrauchsteuern. Zu den Verbrauchsteuern zählt auch die Biersteuer. Nach Art. 108 werden die der konkurrierenden Gesetzgebung unterworfenen Verbrauchsteuern, also auch die Biersteuer, durch die Bundesfinanzbehörden verwaltet. Es ist also vollkommen überflüssig, in § 14 Abs. 1 ausdrücklich hervorzuheben, daß unter die durch die örtlichen, unteren Instanzen der Bundesfinanzverwaltung zu verwaltenden Verbrauchsteuern auch die Biersteuer zu rechnen ist. Es ist auch unzweckmäßig, eine solche ausdrückliche Hervorkehrung zu machen, weil die Möglichkeit besteht, daß die Fassung des Art. 105 Abs. 2 nicht endgültig ist, und weil doch die Möglichkeit nicht geleugnet werden kann, daß im Zuge der weiteren Entwicklung des Bundesverfassungsrechtes die Biersteuer aus der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes herausgenommen und damit der Bundesfinanzverwaltung entzogen wird.
Ich habe daher namens der Fraktion der Bayernpartei folgenden Antrag zu stellen:
Der Bundestag wolle beschließen:
In Absatz 1 des § 14 werden die Worte „einschließlich der den Ländern zufließenden Biersteuer" gestrichen.
Wir selber würden den Gesetzentwurf in seinem Aufbau und seiner Tendenz zustimmen können, wenn er sich nur eben nicht auf eine Fehlkonstruktion des Grundgesetzes stützte. Aber daran ist nicht dieser Gesetzentwurf, sondern das Grundgesetz selbst schuld.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Daß dieser Gesetzentwurf uns einige Schwierigkeiten machen würde, war vorauszusehen. Ich hatte aber angenommen, daß nach den eingehenden Beratungen im Finanz- und Steuerausschuß nicht eine solche Fülle von Abänderungsanträgen vorgebracht werden würde.
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Herr Abgeordneter, Sie müssen direkt in das mittlere Mikrophon sprechen.
Herr Kollege Zinn, es ist sicherlich nicht Ihre und auch nicht meine Schuld, daß wir bei der Gestaltung der Verwaltung solche Schwierigkeiten haben; denn wir haben uns ja im Parlamentarischen Rat gemeinsam für eine andere Lösung eingesetzt, bei der wir zu einer klaren einschichtigen Bundesfinanzverwaltung gekommen wären. Aber wir haben uns mit diesen Gedanken ja nicht durchsetzen können, weil wir auf den entschiedenen Widerstand der Besatzungsmächte stießen, und haben uns nun mit der Aufteilung der Finanzverwaltung in eine Bundesfinanzverwaltung und eine Länderfinanzverwaltung abfinden müssen. Wenn diese Aufteilung vorgenommen wird, kann sie jedoch nur so vorgenommen werden, daß Zölle und Verbrauchsteuern durch Bundesbehörden und Besitz- und Verkehrssteuern durch die Länderbehörden verwaltet werden.
Wenn man nun nach Ihrem Grundgedanken anders verfahren wollte, dann würden wir die Veranlagung von Steuern, die nur von einer Stelle gemeinsam verwaltet werden können, also der Einkommensteuer, der Vermögensteuer, der Gewerbesteuer, aber auch der Umsatzsteuer, die alle bei demselben Steuerschuldner auch von einem Beamten in einem Arbeitsgang verwaltet werden müssen, völlig auseinanderreißen.
Ich weiß sehr wohl, daß wir dadurch, daß die Umsatzsteuer nun Bundessteuer geworden ist und nach dem Grundgesetz durch Bundesbehörden verwaltet werden soll, zu einer etwas eigentümlichen Konstruktion gezwungen werden. Aber ich glaube, daß eine leidliche Konstruktion gefunden ist: Verwaltung durch die Oberfinanzpräsidien mit Hilfe der Finanzämter, die insoweit Hilfsorgane der Oberfinanzpräsidien sind. Ich gebe zu, daß dieser Weg verwickelt ist; aber daß er der Verfassung widersprechen würde, kann icht nicht zugeben. Außerdem ist diese Frage nicht neu, Herr Kollege Zinn; sie ist seit neun Monaten erörtert worden, und alle Stellen, die sich mit dem Entwurf dieses Gesetzes befaßt haben - die Konferenz der Ministerpräsidenten und ihre Unterausschüsse, an deren Beratungen aber auch Mitglieder des Parlamentarischen Rates teilgenommen haben -, haben sich einmütig für diesen Ausweg entschieden: daß man bei der Verwaltung dieser Steuern die Finanzämter als Hilfsorgane einschalten und dadurch die Einheitlichkeit der Verwaltung wahren solle. Es ist mir auch niemals bekanntgeworden, daß von seiten derjenigen Länder, deren Regierungen entweder nur aus Sozialdemokraten bestehen oder doch jedenfalls vnn einer Koalition geleitet werden, in der auch die Sozialdemokraten einen entscheidenden Einfluß haben, jemals ein Widerspruch gegen diese Lösung vorgebracht worden wäre.
Ich frage Sie aber auch: wie wollen Sie es denn anders lösen? Wollen Sie die Verwaltung der Umsatzsteuer, der Beförderungssteuer den Zöllnern über({0})
tragen, oder wie wollen Sie es machen? Sie können ja keine andere praktische Lösung finden. Nur bei den Finanzämtern sind die sachkundigen Leute da. Außerdem muß die Verwaltung der Umsatzsteuer - von der Beförderungssteuer will ich einmal schweigen - in die Hände derjenigen gelegt werden, die auch die Verwaltung der Einkommensteuer, der Vermögensteuer und der Meßbeträge der Gewerbesteuer in demselben Arbeitsgang durchführen. Einen anderen Weg gibt es überhaupt nicht. Und darum bedauere ich, daß diese Frage, nachdem wir sie im Ausschuß eingehend erörtert haben, hier noch einmal im Plenum angerührt wird und hier noch einmal langwierige Beratungen, womöglich der beiden Ausschüsse, des Rechtsausschusses und des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen, verlangt werden.
Meine Damen und Herren, nun die Gegenseite! Das ist ja das Merkwürdige, daß wir hier Probleme behandeln sollen, die von der einen Richtung so, von der anderen Richtung so beurteilt werden. Herr Kollege Etzel, Sie haben zwar in Bayern nicht für das Grundgesetz gestimmt; aber Bayern hat doch damals seine Treue zum Bund bekannt, und Sie sind doch wahrscheinlich auch gewillt, die Verfassung zu halten. Ihr Antrag, die Biersteuer aus der Verwaltung der Bundesbehörden zu nehmen, verstößt glatt gegen die Verfassung; denn im Grundgesetz steht mit klaren und eindeutigen Worten, daß die Zölle und Verbrauchsteuern - und die Biersteuer gehört ja zu den Verbrauchsteuern - von Bundesbehörden verwaltet werden. Die Annahme des Antrags der Bayernpartei, die Worte „einschließlich der Biersteuer" aus dem Gesetzestext zu streichen, würde ein Verstoß gegen das Grundgesetz sein.
Ob wir, nachdem alle diese Anträge gestellt sind und nun auch noch ein uns sehr überraschender Antrag der CDU kommt, die Bauverwaltung auch in der mittleren Instanz den Ländern zu übertragen, die Dinge nicht noch einmal im Ausschuß erörtern müssen, ist eine Frage, über die wir morgen abzustimmen haben, und ich behalte für meine Fraktion in dieser Frage jedenfalls die volle Entscheidungsfreiheit vor.
Was mit dem Zentrumsantrag anzufangen sein soll, ist mir völlig unverständlich. 1, 2 und 3 sind ohne Bedeutung; 4 scheint eine gewisse Bedeutung zu haben. Es ist mir aber in der Tat völlig unverständlich, daß man die Veranlagung einer Kasse übertragen will und glaubt, damit Holland retten zu können. Ich sehe also in diesem Antrag keine Beseitigung der Rechtsschwierigkeiten und ganz gewiß auch keine Verbesserung des ganzen Entwurfs.
Nun möchte ich aber noch ein paar Worte zu dem politisch nicht unbedeutsamen Antrag der SPD-Fraktion über die Offenlegung der Steuerlisten sagen. Ich frage mich: was soll diese Offenlegung der Steuerlisten nun eigentlich bezwecken? Soll hier eine Kontrolle ausgeübt und, wenn ja, wie soll sie durchgeführt werden? Meine Damen und Herren, nehmen Sie an, es wird nun bekannt, daß die veranlagten Steuerpflichtigen das und das Einkommen haben und mit dem und dem Einkommen veranlagt sind und die und die Steuern zu zahlen haben. Eine Kontrolle kann ja dadurch nicht ausgeübt werden, sondern sie müßten ja dann noch so etwas wie eine Popularklage einführen und jedem, der nach Einsicht in diese Steuerlisten die Veranlagung für falsch hält, die Möglichkeit geben, die Veranlagungsbeschlüsse der Finanzämter anzufechten.
Wir glauben, daß die öffentliche Kontrolle dadurch in hinreichender Weise durchgeführt wird, daß an den Veranlagungsentscheidungen Steuerausschüsse beteiligt sind, in denen gewählte Vertreter der Gemeinde sitzen, daß außerdem die Kontrolle auch dadurch ausgeübt wird, daß in der zweiten Instanz in den Finanzgerichten neben den Berufsrichtern auch noch Laien entscheiden, die wiederum von öffentlichen Stellen gewählt werden.
Wir haben außerdem die große Sorge, daß die Offenlegung solcher Steuerlisten nicht etwa dazu führt, daß wir mehr Steuern bekommen. Wir befürchten vielmehr, daß die Scheu, allen Leuten Einblick in die eigenen Verhältnisse zu geben, auch aus wirtschaftlichen, aus kreditpolitischen Gründen einen neuen Anreiz zur Steuerunehrlichkeit ausüben könnte.
Weiter sind wir der Meinung, daß durch die Offenlegung der Steuerlisten in der Form, wie es von der SPD beantragt ist, ein ganz falsches Bild vermittelt würde. Nehmen Sie zwei Leute mit demselben Einkommen. Der eine ist bei der Lage seines Geschäfts imstande, eine ganze Reihe von Abschreibungen und Rückstellungen zu machen. Infolgedessen erscheint, obwohl sein Bruttoeinkommen dasselbe ist wie bei dem andern, das veranlagte Steuereinkommen viel geringer, weil bei diesem alle diese Rückstellungen und Abschreibungen berücksichtigt werden. Nehmen Sie ein weiteres Beispiel. Da ist ein Unternehmer, der von § 32a Gebrauch macht. Der andere Unternehmer kann davon nicht Gebrauch machen. Infolgedessen erscheint hier bei zwei Unternehmern, die beide ein hohes Einkommen haben, die veranlagte Steuer mit ganz verschiedenen Sätzen, weil der eine, wenn er von § 32a Gebrauch macht, nunmehr eine Besteuerung mit 50 °/o fordern kann, während der andere mit den höheren Steuersätzen veranlagt wird.
Schließlich ist folgendes zu bedenken. Wenn in die Steuerliste nur das aufgenommen wird, was Sie von der SPD-Fraktion aufnehmen wollen, dann entsteht ja der Eindruck, daß mit dieser Steuerleistung die Verpflichtungen des Steuerschuldners erschöpft seien. Der Steuerschuldner muß aber noch einige andere Steuern aus seinem Einkommen zahlen. Er hat vor allen Dingen die Soforthilfeabgabe zu leisten, die heute bis zu 20 °/o des Einkommens verschlingt. Wenn das nicht auch in die Steuerlisten aufgenommen wird, entsteht doch wieder ein ganz falscher Eindruck.
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Ich frage mich: was wollen Sie nun eigentlich mit der ganzen Geschichte erreichen? Sehen Sie einmal: früher ist es in Deutschland so gewesen, daß einer, wenn er ein hohes Einkommen hatte, auch die Achtung und Anerkennung seiner Mitbürger besaß. Man sagte: das ist ein tüchtiger Kerl. Oder ist das nicht wahr? Bei der Not, in der wir alle leben, und nach alledem, was wir durchgemacht haben, ist Neid und Begehrlichkeit da. Ich fürchte, daß die Offenlegung der Steuerlisten von unnützen Leuten in agitatorischer Weise ausgenutzt werden und daß daher die Offenlegung der Steuerlisten nicht zur Beruhigung und Verbesserung der Steuermoral führen, sondern aufs ganze gesehen eine ganz andere Auswirkung haben wird.
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Und dann, wenn man schon sagt, auch der Mann, der
ein hohes Einkommen hat, soll ganz offen bekennen: soviel habe ich!, du lieber Gott, es gibt
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unter den Lohnsteuerpflichtigen auch Leute mit sehr stattlichem Einkommen, mit Einkommen bis zu 24 000 DM. Wenn die Öffentlichkeit nun einmal erfahren soll, was alle verdienen, dann wäre es interessant, bei manchen Lohnsteuerpflichtigen auch zu erfahren, was sie verdienen.
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- Ich fürchte, daß uns der Herr Finanzminister sagen wird: dies kann ich schon schwer verkraften; wenn Sie aber von ihm die Offenlegung der Steuerlisten für alle Lohnsteuerpflichtigen verlangen, hat er die Unterlagen gar nicht zur Hand, denn die Steuern werden vom Arbeitgeber eingezogen. Ich fürchte also, daß eine solche Erweiterung des Antrags undurchführbar sein würde.
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Wir sind aus allen diesen Gründen in dieser Frage, offen gesagt, in unserer Fraktion nicht einig und wollen auf niemanden einen Zwang ausüben. Aber ich habe die Anschauungen vorgetragen, von denen sich die Mehrheit meiner Fraktion leiten läßt. Ich glaube, daß es richtiger wäre, diese Bestimmung nicht noch in das Steuergesetz aufzunehmen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Wir haben heute hier im kleinen eine Wiederholung der wochenlangen Diskussionen im Parlamentarischen Rat um den Aufbau der Finanz- und Steuerverwaltung erlebt. Darf ich daran erinnern, daß im Streit um diese Frage die bekannte Weihnachtskrise des Parlamentarischen Rates ausgebrochen ist! Heute stehen wir vor der Situation, daß die sozialdemokratische Fraktion - das geht aus ihrem Vorbehalt, der hier vorgetragen wurde, eindeutig hervor - zu der Überzeugung gekommen ist, daß das, was sie seinerzeit als großen Erfolg ihres Auftretens verbucht und agitatorisch ausgewertet hat, nämlich eine Stärkung des Gedankens der zentralen Bundesfinanzverwaltung, heute durch den Beschluß des Ausschusses verspielt ist.
Der Herr Sprecher der Sozialdemokratie hat davon gesprochen, daß diese Vorlage neben ihrem allgemeinen technischen Inhalt auch einen politischen hat. Das ist bestimmt der Fall. Aber ich will aus Gründen des Zeitmangels aus dieser Vorlage nur einen Teil herausgreifen, aus dem eindeutig klar wird, worin der wesentlichste politische Inhalt dieser Vorlage besteht. Das ist die Frage, die sich úm das Problem der Offenlegung der Steuerlisten schlingt. So liegen die Dinge doch wohl! Wir haben in dieser Vorlage Steuerausschüsse, die einen Ersatz für die Kontrolle durch die Öffentlichkeit darstellen sollen. Sie sind so zusammengesetzt, daß die Vertreter der Selbstverwaltung zahlenmäßig darin einen sehr minimalen Anteil ausmachen. Außerdem steht im § 25 der Vorlage ganz eindeutig, daß diese Ausschüsse nur beratende Funktionen haben und daß das Finanzamt nur verpflichtet ist, sich von ihnen beraten zu lassen. Es handelt sich ausdrücklich um eine Kannvorschrift. Das Finanzamt „kann"!
({0}) - Bei den Einsprüchen ist es etwas anderes. Da haben Sie recht.
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- Ich weiß nicht, ob die Veranlagung das Entscheidende ist oder der Einspruch gegen die Veranlagung. Ich glaube, die Veranlagung ist entscheidend und nicht der Einspruch.
Die Aufgabe der Steuerveranlagung liegt nach dieser Vorlage eindeutig bei der Verwaltung, und zwar bei den Landesfinanzämtern. Die Landesfinanzämter sollen Hilfsorgane der Oberfinanzämter sein. Darf ich an einen Streit erinnern, der im Parlamentarischen Rat ob der Frage ausgebrochen ist, wie sich die Tatsache, daß die Landesfinanzämter die Aufgabe der Steuerveranlagung durchführen, auswirken kann? Haben wir im Parlamentarischen Rat nicht folgende Klage gehört, meine Damen und Herren, daß dann, wenn man den Landesfinanzämtern die Steuerveranlagung und Steuereintreibung überläßt, der Zustand eintreten kann, daß die Landesfinanzämter diejenigen Steuern, die ausgesprochene Bundessteuern sind, nicht mit der Energie veranlagen und erfassen, mit der sie sich bei den Ländersteuern einsetzen? Es ist doch offen ausgesprochen worden, das sei ein großer Mangel in dem ursprünglich im Grundgesetz vorgesehenen System. Heute hören wir genau das Gegenteil. Wir hören, daß diese Hilfsorgane, diese Landesfinanzämter, in der Lage sein sollen, die Arbeit der Oberfinanzämter wirklich im positiven Sinne zu untermauern.
Darf ich in diesem Zusammenhang auf den § 32 hinweisen! Die Steuerausschußmitglieder stehen nach dieser Regelung etwa im Verhältnis von Beamten. Sie sind zur Amtsverschwiegenheit und Wahrung des Steuergeheimnisses ausdrücklich verpflichtet. Diese Verpflichtung wird protokollarisch festgehalten, und damit kommen wir zu dem Kernproblem in der Frage der Offenlegung der Steuerlisten. Wie kann man, Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff, überhaupt die Lohnsteuer und diese anderen Steuern, um die es hier geht, in einem Atemzug nennen! Die Lohnsteuer ist doch eine Steuer, die vom Unternehmer an Lohn, Einkommen und Gehalt des Betreffenden in Abzug gebracht wird. Wer hat denn etwas dagegen, daß die Summe, die einem an Steuern abgezogen wird, offengelegt wird? Dagegen hat doch wohl niemand aus diesem Kreis etwas einzuwenden. Der Zuruf des Herrn Kollegen Dr. Greve war durchaus berechtigt: Machen wir ein Kompromiß! Legen wir einmal die Listen der Einkommensteuer und auch der anderen Steuern offen! Darf ich Sie daran erinnern, Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff, daß bei der ersten Beratung des Gesetzes so ungewollt aus einer in Angst geratenen Bürgerseele ein bezeichnender Zuruf kam, als zum ersten Male das Problem der Offenlegung der Steuerlisten hier zur Debatte stand? Da hat einer von Ihren Herren aufgestöhnt: Das ist ja der reinste Bolschewismus!
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Erinnern Sie sich, Herr Kollege Höpker-Aschoff: Das ist ja der reinste Bolschewismus!
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- Sie nicht; Sie sind dazu viel zu klug, Herr Kollege.
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- Nein, auch das will ich Ihnen nicht unterstellen. Aber Sie können nicht bestreiten, daß der Zwischenruf aus Ihrer absoluten Nachbarschaft gekommen ist; und das war die gequälte Bürgerseele, der zugemutet werden soll, im Punkte Steuerleistungen ehrlich zu sein.
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({6})
- Steuerzahlen hat mit Ehrlichkeit nichts zu tun?
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-Wem sagen Sie das? Das ist das, was ich immer behauptet habe.
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Bitte sehr, der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat gesagt, daß die Offenlegung der Steuerehrlichkeit abträglich sein könnte.
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Das hat er doch gesagt; also hat es doch etwas mit der Steuermoral zu tun.
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Ich habe selbst nicht soviel Geld wie Sie; aber von den Dingen verstehe ich doch ein bißchen. Und, meine Herren von der SPD, darauf kommt es an, daß wir erreichen, daß die Steuerlisten offengelegt werden müssen. Man hat schon den Organen der kommunalen Selbstverwaltung die Veranlagung aus der Hand genommen. Wenn wir es jetzt nicht fertig bringen, daß eine komplette und vollkommene Offenlegung der Steuerlisten erreicht wird, dann haben wir absolut damit zu rechnen, daß die bisherige Praxis auch weiter fortgesetzt und sich durchsetzen wird, d. h. daß der Besitzende, der seine Steuern in ihrer Höhe selber bestimmt, genau das zahlt, was ihm beliebt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Herren Kollegen Höpker-Aschoff und Renner haben schon zu unserem Antrage Drucksache Nr. 911 Stellung genommen, bevor wir noch Gelegenheit hatten, ihn zu begründen. Wir haben aber diesen Antrag schon einmal anläßlich der Beratungen des Einkommensteuergesetzes begründet. Sie erinnern sich daran, daß damals unser gleichlautender Antrag abgelehnt wurde, wohl auch aus dem Grunde, weil die Bestimmungen über die Steuerlisten nicht in das materielle Einkommensteuerrecht hineingehörten. Darum wiederholen wir heute unseren Antrag und bitten das Hohe Haus, diesen Antrag anzunehmen.
Meine Damen und Herren! Ich darf Sie daran erinnern, daß bei den Beratungen über das Einkommensteuergesetz die Hebung der Steuermoral einer der Hauptgründe für die Regierung war, uns die unerhört weitgehenden Steuersenkungen für die hohen Einkommensteuergruppen vorzuschlagen.
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Für die unerhört weitgehenden Steuersenkungen, sage ich, weil mit diesen Steuersenkungen insbesondere ein kleiner Kreis von Einkommenbeziehern betroffen wurde, die Einkommen über 15 000 oder 20 000 DM haben. Wir hatten damals das Gefühl, daß es der Regierung sicherlich ernst war mit ihrem Wunsche, die Steuermoral zu heben. Wir wissen, daß die Hebung der Steuermoral auch in den Besprechungen mit den Hohen Kommissaren eine gewisse Rolle gespielt hat. Jedenfalls haben wir das aus den Zeitungen entnommen. Wie ernst es heute der Regierung und den Regierungsparteien mit der Hebung der Steuermoral ist, kann jetzt bei der Annahme dieses Antrages bewiesen werden.
Wir glauben, meine Damen und Herren, daß die Steuerlisten eine sehr gute Ergänzung für die Arbeit in den Steuerausschüssen sein können. Herr Kollege Höpker-Aschoff, wir brauchen zusätzlich keine Popularklage. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß der Steuerpflichtige wahrscheinlich schon von sich aus das Gefühl haben wird, er müsse steuerehrlicher sein, wenn die Möglichkeit besteht, daß auch andere nun in seine Steuerbekenntnisse Einschau halten können, weil sie in den Steuerlisten aufgelegt werden.
Ich wiederhole es noch einmal: Der Steuerpflichtige wird von sich aus steuerehrlicher werden und wird sicherlich nicht ein wesentlich niedrigeres Einkommen bekennen, wenn er weiß, daß er damit auch an die Öffentlichkeit tritt. Jedenfalls können wir uns nicht der Tatsache beugen, die Sie hier genannt haben, daß wir damit möglicherweise irgendwelchen Neidgefühlen Vorschub leisten. Wir wissen, daß sich die Regierung schon bei ihrer Einkommensteuervorlage der Steuerunmoral gebeugt hat, indem sie ganz erhebliche Steuersenkungen vornahm, die sie damit begründete, nur so der Steuerunmoral begegnen zu können.
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Meine Damen und Herren! Der Antrag sollte von allen Steuerehrlichen begrüßt werden, die nicht mehr allein die hohen Lasten des Staates tragen wollen. Unser Antrag richtet sich gegen alle Steuerunehrlichen, die dem Staate nicht geben wollen, was des Staates ist. Wir dürfen es nach Ansicht meiner Fraktion nicht länger dulden, daß ein Kreis von Steuerpflichtigen, der seine Steuer Pfennig für Pfennig bezahlt und dem seine Steuer nach Tarifen und Tabellen nachgerechnet werden kann, einem Kreis gegenübersteht, der sich im wesentlichen selbst einschätzt. Der Herr Kollege Greve hat schon bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes in seiner Begründung ausgeführt, daß in den meisten demokratischen Ländern, vor allen Dingen aber in England und Amerika, seit jeher die Steuerlisten ausgelegt werden. Ich glaube, wir haben alle Veranlassung, in Steuerehrlichkeit mit diesen Ländern zu wetteifern. Wenn wir bedenken, in welchem Umfange wir wie auch andere europäische Nationen gerade von den Vereinigten Staaten Hilfe auf Hilfe erhalten haben und ihnen sehr viel Hilfeleistung jetzt und in Zukunft noch verdanken, und wenn der amerikanische Steuerzahler, meine Damen und Herren, mit dessen Steuerdollars diese Hilfsprogramme finanziert werden, die Steuerlisten Jahr um Jahr duldet, dann darf man das gleiche um der Hebung der Steuermoral willen unseres Erachtens auch dem deutschen Steuerzahler zumuten.
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Die Lohn- und Gehaltsempfänger - auch von denen haben Sie gesprochen, Herr Kollege HöpkerAschoff - müssen auf Heller und Pfennig nach Tarifen und Listen ihre Steuern bezahlen. Die Einkünfte der Angestellten, der Arbeiter und Beamten sind bekannt. Wer sie nicht kennt, kann sie in jedem Lohnbüro und auf jeder Kasse erfahren; er braucht nur die Tarife einzusehen. Unter diesen Umständen sehen wir eine unsoziale Ungerechtigkeit darin, daß ein anderer Teil - und zwar ein kleinerer Kreis von Steuerpflichtigen sich in eine Steueranonymität flüchten kann; oder richtiger gesagt, er braucht sich gar nicht dorthin zu flüchten, weil diese Steueranonymität heute noch vom Gesetzgeber geduldet wird. Wir möchten also mit unserem Antrag, daß alle Steuerpflichtigen gleichmäßig behandelt werden, und darum bitten wir Sie um der Steuerehrlichkeit, um der Steuermoral und um der
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Steuergerechtigkeit willen, unseren Antrag anzunehmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dresbach.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Koch, Sie haben darauf verwiesen, daß Sie den Antrag schon einmal gestellt hätten. Ich darf noch einen Fall aufzeigen, wo Sie den Antrag schon einmal gestellt haben. Das war Anfang der zwanziger Jahre im Reichstag, als das Reichsabgabenrecht überhaupt zur Debatte stand; ich kann aber nicht mehr genau sagen, ob es aus Anlaß der Beratung der Reichsabgabenordnung war. Damals hat Ihr Antrag ' eine meines Erachtens gute Wirkung gehabt, er löste nämlich einen Gegenantrag Beusch und Genossen vom Zentrum aus: die Einführung des Betriebsprüfungsdienstes. Man darf ja wohl sagen, daß dieser Betriebsprüfungsdienst, der jetzt Buch- und Betriebsprüfungsdienst heißt, seitdem außerordentlich intensiviert worden ist, insbesondere durch Schulung des entsprechenden Personals. Ich wage sogar zu behaupten, daß der von mir sonst nicht sehr geschätzte Nazi-Staatssekretär im Reichsfinanzministerium Fritz Reinhardt einiges Gute dazu beigetragen hat, um diesen Buch- und Betriebsprüfungsdienst zu intensivieren.
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Was Sie eben sagen, hat aber keine grundsätzliche Bedeutung?
Nein, ich habe die Einschränkung gleich gemacht. Aber ich bin der Meinung, Herr Präsident, ich könnte es mir erlauben, auch bei d e n Leuten mal hin und wieder eine gute Seite aufzuzeigen.
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- Sofern sie eine hatten! Im übrigen stehe ich so ungefähr wie Sie.
Nun haben wir, wie gesagt, diesen Buch- und Betriebsprüfungsdienst auch außerordentlich spezialisiert. Man kann wohl, wie die Dinge heute liegen, sagen, daß von ihm mehr Arbeit in der Steuerfindung als von den eigentlichen Finanzbehörden geleistet wird. Ich darf weiterhin den Verfasser und Kommentator der Reichsabgabenordnung, Enno Becker, zitieren, der in seinem Kommentar ausführt, daß die Offenlegung der Steuerlisten etwas Antiquiertes sei und eigentlich einer Zeit angehöre, in der der Staat noch nicht die Mittel zur Steuererfassung in der Hand hatte, wie er sie jetzt hat. Meine Damen und Herren! Man kann reale Werte offenlegen; dafür besteht sogar ein gewisses Interesse. Ich denke an die Offenlegung der Einheitswerte im Jahre 1931. Aber auch damals hat man - wie ich glaube, aus wohlerwogenen Gründen - die Einheitswerte für Betriebsvermögen nicht offengelegt. Man kann objektive reale Dinge wie Bodenschätzungsergebnisse offenlegen, aber ich möchte davor warnen, individuelle Personalsteuerergebnisse offenzulegen. Ich komme noch nachher darauf zu sprechen, weshalb ich es ablehne. Aber die Dinge sind vom Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff schon mit guten Gründen dargelegt worden.
Nun ist in der Drucksache Nr. 888 ja vorgesehen, daß bei den Finanzämtern für die Festsetzung der Steuern vom Einkommen und der Vermögensteuer die Beratung durch Steuerausschüsse stattfinden kann. Ich bin der Meinung, daß man von dieser Institution, die dem System der repräsentativen Demo- kraue entspricht, von diesen gewahlten Steuerausschussen, sehr intensiv Gebrauch machen sollte, und daß man hier das Laienelement, das vom Nazismus bewußt ausgeschaltet worden ist, heranziehen sollte. Man knüptt dabei - darf ich das besonders vor meinen bayerischen Freunden aussprechen - an beste Traaitionen des preußischen Verwaltungssystems an.
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Meine Herren von der SPD! Ihr Antrag ist doch von politischen Gesichtspunkten aus gestellt. Ich habe so den Eindruck, Sie fördern, wahrscheinlich ohne daß Sie es wollen, eine Art Schnüffelei. Denn, Herr Kollege Greve, es gibt so gewisse Formen der Schnüffelei. Sie fangt damit an, daß man in den Bundesministerien aie Referentenentwürfe ausschnüffelt, und sie endigt bei so einem Typ, wie wir ihn heutzutage auf den Ämtern haben, der überall herumgeht und schnuffelt und sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen. Vielleicht haben Sie noch eine Erinnerung an den Schwank „Familie Schimmeke". Darin tritt der Johann Nepomuk Zawadil auf, den Max Pallenberg so vortrefflich spielen konnte. Diese' Typ züchten Sie; das ist der Mann, der heute überall horcht und vielleicht damit nachher noch den Ferkelstecher markiert, d. h. sich dabei Geld verdient.
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Meine Herren! Ich möchte darauf hinweisen, daß der Staat mit diesem intensiven Buch- und Betriebsprüfungsdienst bessere Mittel in der Hand hält, als Sie durch Ihren Antrag schaffen können. Ich bin deshalb beauftragt, im Namen meiner politischen Freunde anzukündigen, daß wir den Antrag ablehnen werden.
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Erfolgen weitere Wortmeldungen aus dem Hause? - Bitte, Herr Abgeordneter Eickhoff.
Meine Damen und Herren! Der Berichterstatter Herr Dr. Greve hat wirklich eindeutig und klar den uns vorliegenden Antrag erläutert. Er ist auch insbesondere auf die Schwierigkeiten, die wir im Ausschuß gehabt haben, eingegangen, die sich eben aus Artikel 108 des Grundgesetzes ergaben. Wir sind aber im Ausschuß wirklich der Meinung gewesen, daß wir mit der jetzigen Fassung dem Grundgesetz vollkommen Genüge getan hätten. Wir haben damit erreicht, daß wir einmal die Bundessteuern von Bundesbehörden und die Ländersteuern von Landesbehörden verwalten lassen. Ich freue mich vor allen Dingen auch, daß sich unser Kollege Dr. Etzel diesem Standpunkt angeschlossen hat. Ich begrüße bei diesem Entwurf insbesondere die Wiedereinführung der Steuerausschüsse. Es ist soeben von meinem Herrn Vorredner darauf hingewiesen worden, welche Vorzüge wir früher durch die Steuerausschüsse gehabt haben, und es ist vor allen Dingen darauf hingewiesen worden, welche guten Erfolge die Buchprüfungen gezeitigt haben.
Damit komme ich auf' den Antrag der SPD auf Offenlegung der Steuerlisten. Ich muß auch eindeutig für meine Fraktion erklären, daß wir uns gegen diesen Antrag aussprechen, weil wir einfach nicht glauben können, daß dadurch die Steuerehrlichkeit erhöht werden kann. Wir sind bestimmt der Überzeugung, daß dadurch eher das Gegenteil erreicht wird. Wir wollen vor allen Dingen auch erreichen, daß nicht der Neugierde und der Bespitzelung Tür und Tor geöffnet werden.
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Ich bedauere aber aufrichtig, daß heute hier so viele Abänderungsvorschläge eingebracht worden sind. Ich verstehe vollkommen den Vorsitzenden unseres Ausschusses, Herrn Dr. Höpker-Aschoff. Ich sehe es schon kommen, daß sich der Ausschuß wiederum mit dieser Frage beschäftigen muß; dabei wird es sich immerhin darum handeln, daß dann die Verabschiedung dieses Gesetzes noch ungefähr um 6 Wochen hinausgezögert wird. Das ist bedauerlich. Ich habe nur noch die stille Hoffnung, daß wir morgen in diesem Hause zu dem Entschluß kommen werden, daß die Gesetzesvorlage, wie wir sie Ihnen vom Ausschuß vorgeschlagen haben, doch zur Annahme gebracht werden wird. Meine Fraktion und ich würden es jedenfalls sehr begrüßen.
Wenn keine weiteren
Wortmeldungen aus dem Hause erfolgen - ich stelle fest: das ist so -, dann erteile ich dem Herrn Bundesfinanzminister das Wort.
Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag gestellt worden, die Beratung dieses Gesetzentwurfes auszusetzen und den Gesetzentwurf an die Ausschüsse zurückzuverweisen. Ich möchte Sie dringend bitten, davon abzusehen und diesen Gesetzentwurf möglichst rasch zur Verabschiedung zu bringen.
Meine Damen und Herren, ich darf doch auf etwas hinweisen. Die Bundesregierung muß ab 1. April 195Q die großen Steuern des Bundes übernehmen; sie muß dazu eine Verwaltung haben, und es ist für die Bundesregierung allmählich ein unerträglicher Zustand, daß sie deswegen, weil sich die Verabschiedung der notwendigen Gesetze immer wieder verzögert, nur bittend zu den Ländern kommen und bittend bei den Ländern immer Provisorien erwirken muß, um überhaupt das, was dem Bund gehört, nämlich die steuerlichen Einnahmen, verwaltet zu sehen. Ich glaube, es wäre doch der Mühe wert, wenn die gesetzgebenden Körperschaften des Bundes zusammenwirken würden, um möglichst bald einen sauberen und reinlichen Verwaltungszustand auf dem Gebiet der Finanzen, die das Rückgrat des Staates sind, zu schaffen. Ich möchte die Überzeugung aussprechen: Alle Anträge, die gestellt worden sind, bräuchten nicht die Veranlassung zu sein, um die Vertagung des Gesetzentwurfes und dessen Rückverweisung an die Ausschüsse durchzuführen. Ich könnte mir vorstellen, daß, wenn die Antragsteller an ihren Ideen festhalten wollten, diese Anträge in diesem Hohen Hause auch getrennt von der Beratung des allgemeinen Gesetzentwurfes noch vorgenommen werden könnten.
Ich darf ganz kurz von dem Gesichtspunkt aus auf die Anträge eingehen, ob wegen dieser Anträge die Hauptsache, daß nämlich der Bund überhaupt einmal zu einer richtigen Finanzverwaltung kommt und dann auf eigenen Füßen steht, länger verzögert werden darf.
Da ist der Antrag Drucksache Nr. 911, der die Offenlegung der Steuerlisten verlangt. Ich bemerke, es ist inzwischen eine Rundfrage bei den Ländern gemacht worden. Sämtliche Länder - mit Ausnahme allein des Landes Schleswig-Holstein - haben sich gegen die Offenlegung der Listen ausgesprochen,
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und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens: Art. 22 der Abgabenordnung enthält nun einmal den Grundsatz des Steuergeheimnisses.
Wenn ich die Offenlegung der Steuerlisten durchführte, wäre es sinnwidrig, wenn ich das im Gegensatz zu Art. 22 der Abgabenordnung tun würde. Dann müßte ich wohl oder übel den Art. 22 der Abgabenordnung aufheben.
Zweitens: Diese sämtlichen Länder sind der Meinung, daß in Zeiten steuerlicher Überlastung die Offenlegung der Steuerlisten eine ganz andere Bedeutung als in Zeiten der normalen Steuerbelastung, wie sich diese Länder ausdrücken, gewinnt. Eine Offenlegung der Steuerlisten wird in Zeiten der steuerlichen Belastung demoralisierend auf den Willigen und nicht aneifernd auf den Mann schlechten Willens wirken.
Drittens betonen sämtliche Länder übereinstimmend, daß, wenn die Steuerlisten offengelegt werden sollen - und sie sollen doch dann richtig aufgelegt und jeweils auch auf dem Stande gehalten werden -- und wenn sich durch die Betriebsprüfung, die Rechtsmittelverfahren etc. die Steuersummen ändern, dies eine sehr starke Verwaltungsarbeit macht, die bei dem geringen Erfolg, den sie erzielen würde, der Mühe nicht wert sein dürfte.
Das ist die allgemeine Stellungnahme der Länder. Ich will hierzu sachlich gar nicht Stellung nehmen; aber wegen dieses Punktes die Aufrichtung der Bundesfinanzverwaltung zu verzögern, halte ich nicht für notwendig.
Der Antrag Drucksache Nr. 931 bringt sachlich nichts wesentlich Neues. Der Grundgedanke des Antrags Nr. 931, Oberfinanzkassen, ist in der bisherigen Regelung schon enthalten. Das, was darüber hinausgeht, gehört an sich überhaupt nicht in ein Gesetz, sondern in eine Durchführungsverordnung oder Verwaltungsanordnung. Sachlich werden auf keiner Seite große Unterschiede sein.
Was den Antrag Drucksache Nr. 925 betrifft, so löst er die verfassungsrechtlichen Probleme in keiner Weise. Art. 108 des Grundgesetzes ist eine der widerspruchvollsten Bestimmungen, die in einem Gesetz zu finden sind. Auf der einen Seite steht zum Beispiel drin, daß die Vorstände der Mittelbehörden, natürlich im Einvernehmen mit den Ländern, vom Bund zu ernennen sind. Im nächsten Absatz heißt es, das die Vorstände der Mittelbehörden im Einvernehmen mit der Bundesregierung von den Ländern zu ernennen sind. Alle, die einen ehrlichen Willen haben, das Grundgesetz so zu handhaben, daß die Handhabung zweckmäßig ist und so auch die Autorität des Grundgesetzes stärkt, haben sich seit langen Monaten den Kopf darüber zerbrochen, wie die Finanzverwaltung in Übereinstimmung mit Art. 108 des Grundgesetzes zweckmäßig aufgebaut werden kann. Das Ergebnis ist die Lösung, die insbesondere auch in § 10 des vorliegenden Gesetzentwurfs enthalten ist. Diese Be- Stimmung in § 10 des Gesetzes stützt sich auf die ausdrückliche Verfassungsvorschrift des Art. 35 des Grundgesetzes und die entsprechenden Bestimmungen der Abgabenordnung und deren Handhabung. Was also die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der gefundenen Lösung angeht, so sind sich im Haushaltsausschuß und in den Ländern sämtliche Beteiligten - und es gibt in der Frage des Verhältnisses von Bund zu den Ländern doch auch widersprechende Anliegen - durchaus bewußt gewesen, daß hier von beiden Seiten mit dem ehrlichsten Willen der Verfassungstreue eine Lösung gesucht und gefunden worden ist, die mit Art. 108 des Grundgesetzes vereinbar ist. Sie werden keine Lösung vorschlagen können, die bei den
({1})
Schwierigkeiten, die die Fassung des Art. 108 des Grundgesetzes bietet, nicht irgendwie bestritten werden könnte. Meiner Überzeugung nach ist die gefundene Lösung diejenige, die dem Grundgesetz am ehesten entspricht.
Aber um abzuschließen: Der Gesetzentwurf über die Finanzverwaltung war eine Probe dafür, ob das Zusammenarbeiten zwischen Bund und Ländern glatt verläuft und glatt verlaufen kann. Ich freue mich, feststellen zu können, daß Bundesregierung und Länderfinanzminister in dieser Frage wie bisher auch in allen anderen Fragen vermeiden konnten, daß aus dem Grundgesetz heraus irgendwelche staatsrechtlichen Konflikte zwischen Bund und Ländern auftreten, die dann zum Gegenstand großer öffentlicher Erörterungen gemacht werden könnten. Ich war immer stolz darauf, daß in all diesen Fragen ein stilles, geräuschloses und reibungsloses Zusammenarbeiten zwischen Bund und Ländern erzielt und damit für den Bund die Möglichkeit geschaffen worden ist, die Verwaltung, die die junge deutsche Bundesrepublik braucht, in kurzer, angemessener Zeit auf die Beine zu stellen. Ich möchte. dein Deutschen Bundestag dringend bitten, das, was die Zusammenarbeit zwischen Ländern und Bundesregierung bisher erreicht hat, nicht aufzuhalten und die Beschlußfassung über diesen Gesetzentwurf nicht zu verzögern.
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Wir stehen damit am
Schluiß der Beratung dieses Punktes.
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- Bitte, Herr Abgeordneter Seuffert! Aber die Redezeit ist erschöpft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers nicht unwidersprochen lassen, und zwar insofern, als er vorgetragen hat, daß unser Antrag auf Offenlegung der Steuerlisten die Aufhebung des Steuergeneimnisses bedeute. Das ist durchaus nicht der Fall. Das Steuergeheimnis bezieht sich nicht auf irgendwelche objektiv gekennzeichneten Tatsachen oder Zahlen, sondern auf das, was man von Amts wegen über gewisse Dinge und aus dem Amtsbetrieb weiß. Niemand, der über das Einkommen eines Steuerpflichtigen auf irgendeine legale Weise Bescheid weiß, ohne durch irgendeine Berufspflicht usw. gebunden zu sein, ist durch das Steuergeheimnis verhindert, über dieses Einkommen zu sprechen. Lediglich, wenn er als Steuerbeamter oder als Mitwirkender bei einer Steuerveranlagung von diesem Einkommen erfahren hat, ist er durch das Steuergeheimnis verhindert, diese Kenntnis weiterzugeben. Hier handelt es sich darum, daß selbstverständlich nicht alle Leute, die unter dem Steuergeheimnis stehen, von sich aus Mitteilungen über Einkommen der Steuerpflichtigen usw. machen können und daß selbstverständlich nicht irgend jemand diese Liste hier offenlegt, sondern der Vorstand des Finanzamtes, oder welche Behörde sonst dafür verantwortlich ist. Das ändert nichts daran, daß etwas anderes als diese verantwortliche Aufstellung und Offenlegung der Liste durch das Steuergeheimnis weiter verboten ist. Von dem, was in der Liste steht - wenn es verantwortlich und amtlich in der Liste steht -, kann dann jedermann Gebrauch machen.
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So ist das Verhältnis zum Steuergeheimnis. - Ja, das ist es ja eben, Herr von Rechenberg, was uns von Ihnen trennt.
({1})
Aber das ist jedenfalls das Verhältnis zum Steuergeheimnis, welches, glaube ich, klar und deutlich ist.
Über die psychologischen Erwägungen gewisser Länderverwaltungen über die Auswirkung einer solchen Offenlegung der Steuerliste will ich mich nicht hier verbreiten.
Was die Verwaltungsarbeit anlangt, so ist es jedem Praktiker bekannt, daß sowohl die Steuerlisten wie die Veranlagungslisten, die hier in Frage kommen, bei jedem Finanzamt ohnehin existieren und daß es sich lediglich darum handelt, in diesen Listen mit einem roten Strich oder etwas Ähnlichem diejenigen Zahlen anzumerken, die endgültig sind und zu veröffentlichen sind. Verwaltungsarbeit entsteht dadurch weiter nicht.
Meine Damen und Herren, wird das Wort noch weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Beratung zu Ende.
Ich erteile nach Schluß der Beratung Herrn Abgeordneten Dr. Etzel das Wort zu einer persönlichen Bemerkung nach § 84 der Geschäftsordnung. Für wenige Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff hat der Meinung Ausdruck gegeben, daß der von der Fraktion der Bayernpartei zu § 14 Abs. 1 des Gesetzentwurfs eingebrachte Änderungsantrag verfassungswidrig sei. Diesem Einwand liegt ganz offensichtlich ein Mißverständnis zugrunde. Ich habe ganz klar ausgeführt, daß wir die Worte „einschließlich der den Ländern zufließenden Biersteuer" für entbehrlich halten, weil aus Art. 105 Abs. 2 und Art. 108 Abs. 1 des Grundgesetzes zweifelsfrei hervorgeht, daß auch die Biersteuer zu den dort angeführten Verbrauchsteuern gehört. Ich habe weiterhin der Meinung Ausdruck gegeben, daß eine solche Hervorkehrung nicht nur entbehrlich, sondern auch nicht zweckmäßig ist, weil die Möglichkeit nicht ganz ausgeschlossen erscheint, daß im Zuge der weiteren Entwicklung eines Tages die Biersteuer aus dem Zuständigkeitsbereich der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes herauskommt.
({0})
Nach § 84 der Geschäftsordnung kann jemand seine Ausführungen richtigstellen.
Ich darf in Ergänzung und Klarstellung meiner Ausführungen den Antrag durch die Einfügung der Worte „als entbehrlich" abändern. Ich glaube, eine solche Klarstellung würde es auch dem Herrn Abgeordneten Dr. Höpker-Aschoff ermöglichen, dem Antrag zuzustimmen. Dieser bezweckt nichts anders als
einen entbehrlichen Teil einer gesetzlichen Bestimmung auszuschalten.
Meine Damen und Herren, damit erkläre ich die zweite Beratung der Drucksache Nr. 888 für beendet.
({0})
Wir stimmen zunächst über den weitestgehenden Antrag, den Antrag auf Rückverweisung der Vorlage ab.
({1})
- Verzeihung, es liegt der Antrag zur Geschäftsordnung vor.
({2}).
- Ich muß zugeben, wir hatten uns verständigt, heute nicht abzustimmen. Dann bitte ich um die Zustimmung des Hauses, daß wir über den Antrag auf Rückverweisung an den Finanzausschuß sowie an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht morgen früh abstimmen. - Ich höre keinen Widerspruch. Demgemäß ist die Beratung in diesem Sinne beendet. Wir werden morgen als ersten Punkt diese Abstimmung durchführen.
Wir kommen damit zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen ({3}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, lediglich die Berichterstattung entgegenzunehmen und das Gesetz ohne Debatte in zweiter und dritter Beratung zu verabschieden. Ich darf das Einverständnis des Hauses annehmen.
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Ruhnke das Wort als Berichterstatter.
Ruhnke ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vorliegende Gesetz über die Ausprägung von Scheidemünzen verleiht nunmehr dem Bund das Recht, über das Münzregal selbständig zu verfügen. Bisher war dieses Recht von der Militärregierung der Bank deutscher Länder zugestanden. Das Gesetz behandelt lediglich die Ausprägung von Scheidemünzen und beschränkt sich darauf, die Vorschriften darüber im einzelnen festzulegen.
Die rein praktische Durchführung dieses Gesetzes ist so gedacht, daß die Bank deutscher Länder ihren Bedarf an Münzen beim Bundesfinanzministerium anmeldet und daß davon das Bundesfinanzministerium das Münzmaterial in Gestalt von Münzplättchen bei' der Industrie beschafft und sie den im Bundesgebiet vorhandenen vier Münzstätten in Hamburg, Karlsruhe, Stuttgart und München zuteilt. Die Münzstätten prägen die ihnen gelieferten Plättchen aus und liefern die fertigen Münzen an die Bank deutscher Länder ab. Die Bank deutscher Länder erstattet dem Bund den Nennwert der fertigen Münzen und bringt diese in den Verkehr.
Wichtig ist noch, daß der Höchstbetrag pro Kopf der Bevölkerung 30 DM ist. Hierbei ist zu beachten, daß über einen Betrag von 20 DM pro Kopf der Bevölkerung hinaus die Bank deutscher Länder ihre Zustimmung geben muß. Weiter ist zu beachten, daß die Bank deutscher Länder bei der Frage des Materials sowie bei der Verteilung des auszuprägenden Höchstbetrages auf die einzelnen Münzsorten mit zu hören ist. Der Nennwert der bereits ausgeprägten Münzen muß dem Bund von der Bank deutscher Länder unter Abzug der Herstellungskosten erstattet werden.
Sehr wichtig ist die Bestimmung des § 12 - die neu ist -, daß der Münzgewinn zur Finanzierung des Wohnungsbaus verwendet werden soll. Weiter ist interessant, daß zunächst pro Kopf der Bevölkerung ein Betrag von 20 DM ausgeprägt werden (C soll. Das bedeutet bei einer Einwohnerzahl im Bundesgebiet von rund 50 Millionen einschließlich West-Berlin einen Betrag von 1 Milliarde DM. Dieser Betrag wird sich auf die einzelnen Münzsorten wie folgt verteilen: 1- und 2-Pfennig-Stücke 10 Millionen DM, 5-Pfennig-Stücke 20 Millionen DM, 10-Pfennig-Stücke 70 Millionen DM, 50-PfennigStücke 100 Millionen DM, 1-DM-Stücke 150 Millionen bis 200 Millionen DM, 2-DM-Stücke ebenfals 150 Millionen bis 200 Millionen DM und 5-DM-Stücke der Restbetrag von 400 Millionen bis 500 Millionen DM.
Die Münzen von 1 Pfennig bis 50 Pfennig tragen auf der Wertseite, wie Ihnen bekannt ist, die Umschriftung „Bank deutscher Länder". Vom 1. Mai ab werden die Münzstätten für die Ausprägung der Münzen den Prägestempel „Bundesrepublik Deutschland" verwenden.
Die plattierten Münzen haben sich, wie bekannt ist, nicht bewährt. Bei Einwirkung von Feuchtigkeit rostet der Stahlkern sehr leicht, so daß die Münzen unansehnlich werden. Auch kommt es vor, daß die Plättchen abblättern und der Stahlkern bloßgelegt wird. Aus diesem Grunde wird beabsichtigt, plattierte Münzen in Zukunft nicht mehr herzustellen. Deshalb sollen die neu zu prägenden Zwei-Pfennig-Stücke, die bisher noch nicht ausgeprägt worden sind, aus einem Vollmetall, und zwar aus Kupfer, das sich bewährt hat, hergestellt werden. Weiter ist in Aussicht genommen, daß die Ein- und Zwei-Mark-Stücke wieder in Nickel, das sich bekanntlich ebenfalls bewährt hat, hergestellt werden. Hierbei ist zu beachten, daß dadurch der Automatenindustrie besonders entgegengekommen wird, weil diese Nickelmünzen eine magnetisch-automatische Prüfung ermöglichen. Sehr bedeutsam ist, daß die Ausprägung der Fünf-Mark-Stücke in Silber erfolgen wird, so daß wir hiermit wieder zu einem anständigen Geld kommen.
Der Ausschuß hat sich auch mit der künstlerischen Ausgestaltung der Münzen befaßt und sich vom Finanzministerium das Versprechen- geben lassen, daß in Zukunft ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben wird. Wenn das bisher nicht geschehen ist, so aus Zeitmangel. Wir wissen alle, wie notwendig es ist, daß unser Geld wieder einigermaßen anständig aussieht, so daß zu hoffen ist, daß diesem Wunsche Rechnung getragen wird.
Ich habe Ihnen nun die kleinen Abänderungen, die der Ausschuß an dem Gesetzentwurf vorgenommen hat, vorzutragen. Der § 5 heißt im Entwurf im ersten Absatz:
Der Gesambetrag der auszuprägenden Bundesmünzen darf dreißig Deutsche Mark je Kopf der Bevölkerung nicht übersteigen.
Der Ausschuß hat beschlossen, diesen Absatz dahin zu ändern, daß es nur heißt „Der Gesamtbetrag der Bundesmünzen". Hierdurch soll irgendeine Geldschöpfung seitens der Regierung verhindert werden.
Der § 12 lautet:
Der bei der Ausprägung der Scheidemünzen
für den Bund anfallende Gewinn ist zur Finanzierung des Wohnungsbaues zu verwenden. Der Ausschuß hat beschlossen, diesen Paragraphen zu erweitern und hinter „Scheidemünzen" einige Worte hinzuzusetzen, so daß es heißt: „und der gemäß § 11 Abs. 2 anfallende Gewinn". Hierdurch soll erreicht werden, daß der gesamte Gewinn, der sich aus der Münzherstellung und -ausgabe ergibt, dem Wohnungsbau zugeführt wird.
({5})
Der Ausschuß bittet Sie, das Gesetz in der vorgetragenen Form mit den zitierten Abänderungen anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Lesung. Ich bitte, Drucksache Nr. 806 in Verbindung mit Drucksache Nr. 907 zugrunde zu legen. Ich rufe auf: Wer für § 1,-2,-3,-4,-5,-6,-7,-8,-9,-10,-11,-12,---13,-14-ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich danke. Die Gegenprobe! - Fast einstimmig angenommen. Wer für Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich ebenfalls, die Hand zu erheben. - Ich danke. Die Gegenprobe! - Fast einstimmig angenommen. Damit ist das Gesetz in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wer für das auf Drucksache Nr. 806 verzeichnete Gesetz in Verbindung mit Drucksache Nr. 907 in den §§ 1 bis 14 einschließlich Einleitung und Überschrift nach den Beschlüssen zweiter Beratung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich danke. Die Gegenprobe! - Fast einstimmig angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für das soeben in dritter Lesung angenommene Gesetz auf Drucksache Nr. 806 in Verbindung mit Drucksache Nr. 907 im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -- Ich danke. Die Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen. Damit erkläre ich das Gesetz auf Drucksache Nr. 806 in Verbindung mit Drucksache Nr. 907 in dritter Beratung für verabschiedet.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht über den Antrag der Abgeordneten Dr. Falkner, Dr. Etzel ({0}), Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Rechtsverhältnisse der entnazifizierten und der aus den deutschen Ostgebieten geflüchteten kriegsblinden Beamten und Angestellten der öffentlichen Dienste ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen nach § 88 der Geschäftsordnung für die Berichterstattung zehn Minuten und ferner vor, dann ohne Aussprache zur Beschlußfassung zu schreiten. Ich darf das Einverständnis des Hauses mit dieser vorgeschlagenen Regelung annehmen. - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist demgemäß beschlossen.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Götz als Berichterstatter das Wort.
Dr. Götz ({2}), Berichterstatter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Ihnen vorliegenden Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht Drucksache Nr. 875 liegt ein Antrag der Bayernpartei Drucksache Nr. 485 zugrunde, der sich mit den Rechtsverhältnissen der entnazifizierten und der aus den deutschen Ostgebieten geflüchteten kriegsblinden Beamten und Angestellten der öffentlichen Dienste befaßt. Das Petitum der Antragsteller ist ein zweifaches: Einmal wird in dem Antrag der Bayernpartei die Bundesregierung ersucht, durch eine Rechtsverordnung unverzüglich und vor allem unabhängig von der noch zu erwartenden bundesgesetzlichen Gesamtregelung des Art. 131 die Rechte derjenigen kriegsblinden Beamten und Angestellten des früheren Deutschen Reiches im Sinne einer Wiedereinstellung bzw. der unverkürzten Verleihung ihrer früheren Versorgungsrechte wiederherzustellen, die auf Grund der Entnazifizierung oder der Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten heute als Beamte ohne Amt dastehen und damit doppelt schwer unter ihrem Schicksal zu leiden haben. Zum andern ersucht der Antrag die Bundesregierung, auf die Länder dahin einzuwirken, daß diese eine ähnliche Regelung für die Beamten und Angestellten der Gemeinden, der Länder und der Körperschaften des öffentlichen Rechtes treffen mögen.
Den Antragstellern ging es - nach ihren Ausführungen im Ausschuß für Beamtenrecht - weniger um die finanziellen Gesichtspunkte dieser Frage als vielmehr darum, die Rechte dieser durch das Schicksal der Erblindung im Kriege so hart betroffenen Personen zu sichern und diese Menschen wieder in Arbeit zu bringen. Nach Angaben des Reichsbundes der Kriegsblinden handelt es sich um etwa 120 Personen, und zwar Bundes- und Kommunalbeamte und -angestellte. Gewiß, der Personenkreis ist klein, und die Zahl, die uns hier genannt wird - 120 Personen -, kann allerdings nicht der Maßstab für die Beurteilung der Bedeutung dieser Frage sein, sondern Maßstab kann nach meiner Überzeugung einzig und allein das Schicksal dieser Menschen sein.
Der Ausschuß für Beamtenrecht hatte den Antrag der Bayernpartei dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet, inwieweit der genannte Antrag unter Berücksichtigung der rechtlichen und sozialpolitischen Lage auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung annehmbar erscheine. Die Stellungnahme des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen ging dahin, daß es sich nach seiner Meinung lediglich um eine Frage des Beamtenrechts handle, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit Fragen des Kriegsopferrechts stehe, und daß es sich hier um Tatfragen handle, die in jedem einzelnen Fall individuell geprüft und beurteilt werden müßten.
Der Ausschuß für Beamtenrecht kam nach reiflichen Überlegungen und Beratungen zu der Ansicht, daß es nicht nur unzweckmäßig sei, einer Regelung gemäß Art. 131 des Grundgesetzes vorzugreifen, sondern daß auch die formal-rechtlichen Voraussetzungen für eine zu erlassende Rechtsverordnung, nämlich eine gesetzliche Ermächtigung, nicht gegeben seien, allerdings mit einer Ausnahme, nämlich für die heimatvertriebenen kriegsblinden Beamten und Angestellten, und zwar gemäß Art. 119 des Grundgesetzes. Damit würde man aber bei dem ohnehin sehr kleinen Personenkreis wiederum nur für eine noch kleinere Gruppe eine Sonderregelung im Verordnungswege treffen können.
Die in der Stellungnahme des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen geäußerte Ansicht, daß es sich hier um Tatfragen handele, die in jedem Falle einer individuellen Prüfung und Beurteilung bedürften, ist ohne Zweifel richtig. Bei den entnazifizierten kriegsblinden Beamten und Angestellten beispielsweise wird es vor allem Aufgabe derjenigen Dienststellen und Am-ter sein, die Frage einer Wiedereinstellung zu prüfen. bei denen diese Personen früher tätig gewesen sind. Überhaupt wird man bei der Wiedereinstellung den Dienststellen des Bundes, aber auch den Dienststellen der Länder und Gemeinden und den
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Körperschaften des öffentlichen Rechts einen möglichst weiten Spielraum für die Behandlung aller dieser Fälle geben müssen. Es bleibt also vorerst nur die Möglichkeit, im Verwaltungswege dem eigentlichen Sinn des Antrags der Bayernpartei, nämlich den hier in Frage kommenden Personenkreis wieder in Arbeit zu bringen und ihm damit das Gefühl zu geben, ein nützliches Glied der Gemeinschaft unseres Volkes zu sein, gerecht zu werden.
Der Ausschuß für Beamtenrecht hat daher in seiner Sitzung am 26. April einstimmig den Beschluß gefaßt, die Bundesregierung zu ersuchen,
1. unverzüglich dafür Sorge zu tragen, daß kriegsblinde Beamte und Angestellte der Dienste des früheren Deutschen Reiches sowie kriegsblinde heimatvertriebene Beamte und Angestellte bevorzugt wieder eingegestellt werden;
2. auf die Länderregierungen dahin zu wirken, daß diese hinsichtlich der genannten Gruppen von Beamten und Angestellten der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und Körperschaften des öffentlichen Rechts alsbald eine gleichartige Regelung treffen.
Ich habe die Aufgabe, das Hohe Haus um Zustimmung zu diesem Antrag des Beamtenrechtsausschusses zu bitten.
({4})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich habe bekanntzugeben, daß die Fraktion des Zentrums mit Drucksache Nr. 928 den Antrag gestellt hat, in Ziffer 1 der Drucksache Nr. 875 das Wort „kriegsblinde" durch „blinde" zu ersetzen. Wird das Wort zu diesem Antrag gewünscht? - Herr Abgeordneter Pannenbecker!
Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat schon gesagt, daß es sich bei den kriegsblinden Beamten nur um etwa 120 Personen handle. Bei den Beamten, deren Erblindung nicht auf den Krieg zurückgeht und die wir durch unseren Antrag erfassen möchten, handelt es sich wahrscheinlich um noch weniger. Wir haben geglaubt, diese nicht im Kriege erblindeten Beamten den kriegsblinden Beamten gleichstellen zu sollen, und deshalb unsern Antrag eingebracht. Ich darf das Hohe Haus bitten, unsern Antrag anzunehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst abstimmen über den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 928. Wer für die beantragte Abänderung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 875 in der abgeänderten Fassung. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({0}).
Ich habe hierzu einige Berichtigungen vorzuschlagen. Bei dem Antrag Drucksache Nr. 883 heißt es in dem interfraktionellen Antrag, daß er an den Ausschuß für Verkehrswesen und den Ausschuß für Heimatvertriebene und an den Haushaltsausschuß überwiesen werden soll. In dem Antrag werden auch Postangelegenheiten behandelt. Wir müssen also noch den Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen mit einsetzen.
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- Es wird sich wohl empfehlen, den Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen als federführend zu bezeichnen.
Weiter schlage ich Ihnen vor, einen Antrag der WAV Drucksache Nr. 914 betreffend Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 131 des Grundgeset7es in die Liste aufzunehmen. Mit allgemeinem Einverständnis.
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Er soll an den Ausschuß für Beamtenrecht überwiesen werden.
Ich lasse nunmehr abstimmen. Wer für die Annahme der Drucksache Nr. 906 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Berlin über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Verlegung von Dienststellen des Rundes nach Berlin ({3}).
Der Ältestenrat hat für diesen Punkt vorgeschlagen 10 Minuten für die Berichterstattung, 60 Minuten für die Aussprache und Verteilung nach dem üblichen Schlüssel. - Ich stelle fest, daß das Haus damit einverstanden ist, und erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Reif als Berichterstatter.
Dr. Reif ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Arbeiten des Berlin-Ausschusses lag der Antrag der SPD-Fraktion vom 4. Februar dieses Jahres zugrunde, den das Haus dem Ausschuß überwiesen hatte und durch den der Beschluß des Hauses vom 24. Oktober 1949, Dienststellen des Bundes nach Berlin zu verlegen, eine konkrete Verhandlungs- bzw. Beratungsgrundlage erhielt. Der Berlin-Ausschuß hat in gemeinsamer Arbeit mit dem Ausschuß für innere Verwaltung und unter Hinzuziehung von Sachverständigen die Frage der Verlegung von Dienststellen der Bundesrepublik nach Berlin zu beraten angefangen und ist während dieser Arbeiten von der Regierung ersucht worden, seine Arbeiten zu unterbrechen, da inzwischen ein Kabinettsbeschluß vom 24. März dieses Jahres vorlag, in dem eine Reihe von Dienststellen des Bundes für die Verlegung nach Berlin empfohlen wurde.
Der Berlin-Ausschuß hat es für politisch notwendig und richtig gehalten, diese Vorlage bzw. diesen Beschluß des Bundeskabinetts nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern in einer Entschließung, die Ihnen in Drucksache Nr. 825 vorliegt, eine Stellungnahme des Hauses hierzu zu empfehlen. Der Berlin-Ausschuß hat sich hierbei von dem Gedanken leiten lassen - und ich bitte, den Ausdruck dieses Gedankens in der Ihnen vorgelegten Entschließung vom 30. März zu sehen -, daß die Entscheidungen der Bundesregierung über die Verlegung von Dienststellen der Bundesrepublik nach
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a Berlin politische Entscheidungen sind, bei denen behördentechnische Erwägungen zwar eine Rolle spielen, bei denen aber diese behördentechnischen Erwägungen sich den größeren nationalpolitischen Überlegungen unterzuordnen haben.
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Der Berlin-Ausschuß hat in seiner gestrigen Sitzung mit Genugtuung festgestellt, daß er sich in dieser Auffassung mit der Regierung vollständig einig wissen darf. Der Berlin-Ausschuß hat weiter aus den gestrigen Erklärungen des Herrn Vertreters der Bundesregierung mit Genugtuung entnommen, daß der Beschluß des Kabinetts vom 24. März ein verheißungsvoller Anfang genannt werden darf und daß die Bundesregierung sich bemühen wird, weitere Vorschläge zu machen.
Wenn wir Sie also bitten, diese Entschließung vom 30. März möglichst einstimmig anzunehmen, und wenn wir wegen der Verzögerung darauf hinweisen dürfen, daß inzwischen durch die Verhandlungen des Berliner Magistrats mit der Bundesregierung diese Vorlage wiederholt von der Tagesordnung dieses Hauses abgesetzt werden mußte,
so sehen wir auch in der Verspätung keinen Grund, diese Entschließung nicht anzunehmen, sondern ganz im Gegenteil: wir würden es begrüßen, wenn durch eine möglichst einstimmige Annahme der Ihnen in Drucksache Nr. 825 vorgelegten Entschließung der Deutsche Bundestag seinen Willen zum Ausdruck brächte, den Ihnen eben geschilderten Weg und auch die Auffassung, die ihm zugrunde liegt, durch seinen Beschluß zu bestätigen.
Im Auftrage des Berlin-Ausschusses darf ich Sie also bitten, die Ihnen in Drucksache Nr. 825 vorgelegte Entschließung anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort hat Herr Bundesminister Kaiser.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung weiß es voll und ganz zu würdigen, daß der Berlin-Ausschuß dem Bundestag den in Drucksache Nr. 825 enhaltenen Bericht zur Beschlußfassung vorgelegt hat. Die Bundesregierung ist mit dem Berlin-Ausschuß darin einig, daß die bisherigen Maßnahmen in bezug auf die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin keinen Abschluß bedeuten. Bei der Vervollständigung des Aufbaues von Bundesbehörden soll und wird stets gewissenhaft geprüft werden, welche Möglichkeiten bestehen, weitere Bundesbehörden in Berlin zu errichten. bzw. nach Berlin zu verlegen.
Ich brauche persönlich kaum noch einmal zu betonen, meine Damen und Herren, welche politische Bedeutung die Bundesregierung dieser ganzen Frage beimißt. Das geht schon aus dem Kabinettsbeschluß vom 24. März hervor, den der Herr Berichterstatter eben erwähnte. In diesem Beschluß wurde eindeutig und für die Regierung verpflichtend zum Ausdruck gebracht, daß zeitbedingte Erschwerungen des Verkehrs niemals als Hindernis für die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin angesehen werden können und dürfen. Dieser Grundsatz, meine Damen und Herren, gilt selbstverständlich auch weiterhin.
Wenn von allen Seiten des Hauses immer wieder auf beschleunigte Entscheidung über die Verlegung weiterer Dienststellen und weiterer Bundesbehörden nach Berlin gedrängt wird, so darf dabei und diese Bitte möchte ich an das Hohe Haus richten - das eine nicht übersehen werden: In vielen Bereichen der Bundesverwaltung kann über den Sitz der Behörden erst dann verhandelt werden, wenn die Entscheidung über Art und Aufbau dieser Bundesverwaltungen gefallen ist. Die Bundesregierung weiß, daß die Liste der Dienststellen bzw. Bundesbehörden, die nach dem Kabinettsbeschluß vom 24. März ihren Sitz in Berlin haben sollen und haben werden, viele Wünsche und Erwartungen insbesondere der Bevölkerung von Berlin unerfüllt gelassen hat.
({0})
Aber, meine Damen und Herren, es wäre auf der anderen Seite ungerecht, zumindest nicht ganz gerecht, die schon ergangenen Entscheidungen in ihrer Bedeutung allzusehr zu verkleinern. Ich glaube, es ist für die so dringliche und so wichtige harmonische Zusammenarbeit und für die Verbindung zwischen Berlin und Bonn von großer Bedeutung, daß inzwischen nicht nur der Bevollmächtigte der Bundesrepublik in Berlin wirkt, sondern daß auch schon Vertreter von sieben Bundesministerien in Berlin amtieren und - das kann ich ausdrücklich versichern - weitere in Kürze folgen werden.
Im übrigen hat - und das darf ich in dieser Stunde zum Ausdruck bringen - die Bundesregierung mit wirklicher Genugtuung die schöne und sinnvolle Geste verzeichnet, die anläßlich des Besuches des Bundeskanzlers in Berlin und der Einweihung des Bundeshauses gemacht wurde, indem Magistrat und Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin einstimmig die Kaiserallee, in der das Bundeshaus liegt, in „Bundesallee" umbenannt haben. Ich nicht zuletzt habe mich darüber aufrichtig gefreut, auch wenn dadurch, wie das so nett und so neckisch in Berlin bemerkt worden ist, mein Name etwas geschmälert wurde.
({1})
Meine Damen und Herren, ich brauche wohl nicht im einzelnen auf die sachliche und personelle Bedeutung der einzelnen Bundesdienststellen und Bundesbehörden einzugehen, die in dem Kabinettsbeschluß vom 24. März aufgeführt sind. Lassen Sie mich von den Behörden, die bisher in Berlin zur Wirkung gekommen sind, nur eine hervorheben, und zwar das Bundesverwaltungsgericht. Mit der Entscheidung über den Sitz des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin ist die Verbundenheit der Bundesrepublik mit Berlin in ganz besonderer und in politisch bedeutsamer Weise zum Ausdruck gebracht worden. Das Bundesverwaltungsgericht übt hoheitliche Funktionen aus, die den rechtsstaatlichen Charakter unserer Bundesrepublik eindeutig widerspiegeln. Die Tatsache, daß in der Bundesrepublik jeder Verwaltungsakt durch unabhängige Gerichte nachgeprüft zu werden vermag, wird durch das Bundesverwaltungsgericht auf Berliner Boden demonstriert. Das ist eine Demonstration, meine Damen und Herren, die der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik den Unterschied zwischen einer freien Demokratie und einer Zwangsherrschaft klar vor Augen
führt.
Daß bei weiteren Entscheidungen über den Sitz von Bundesbehörden das Für und Wider jeweils genau abgewogen werden muß, versteht sich von selbst. Ich bitte aber den Bundestag, von einem überzeugt zu bleiben: die Bundesregierung wird sich bei jeder einschlägigen Entscheidung heute wie morgen der politischen Bedeutung der Stadt
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Berlin bewußt sein. Die Bundesregierung und wir
alle miteinander wissen, was wir der Stadt Berlin
schuldig sind. Wir wissen es mehr noch, meine
Damen und Herren, nach dem einfach bewegenden
Beispiel, das die tapfere Bevölkerung dieser so
hart bedrängten, auf so exponiertem Posten stehenden und wirkenden Stadt am 1. Mai durch
ihre geradezu überwältigende Freiheitskundgebung unserer ganzen deutschen Nation gegeben hat.
({3})
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion stand in der 40. Sitzung des Hohen Hauses am 23. Februar zum erstenmal zur Debatte. In dieser Debatte hat auch der Herr Minister Kaiser das Wort ergriffen, und ich bitte den Herrn Präsidenten, mir zu gestatten, aus dem Schlußteil der Rede des Herrn Ministers vier Sätze vorzulesen. Der Herr Minister hat damals ausgeführt:
Es kommen hier insbesondere Bundesbehörden aus dem Zuständigkeitsbereich des Justiz-, des Finanz- und des Arbeitsministeriums in Betracht, und ich darf hierzu gleich bemerken, daß ich persönlich der Auffassung bin, daß nicht nur das Bundesaufsichtsamt für Privatversicherung und andere Behörden, die hier aufgeführt sind, nach Berlin gehören, sondern auch noch andere Behörden, und ich insbesondere werde mit Nachdruck dafür eintreten. Nur gebe ich, meine Damen und Herren, noch einmal dem sehr dringenden Wunsche Ausdruck, daß wir uns in dieser ganzen Angelegenheit herüber und hinüber mit größerem Vertrauen begegnen. Wir gestehen dabei der Opposition ganz selbstverständlich durchaus das Recht immer neuer Mahnung und immer neuen Antriebs zu. Nur sollte diese ihre Tätigkeit nicht von erkennbarem Mißtrauen getragen sein.
So sagte der Herr Minister in der 40. Sitzung des Bundestages. Ich glaube, meine Damen und Herren, wenn der Herr Minister heute Rückschau hält, dann wird er angesichts des Ergebnisses, das bis heute vorliegt, im stillen - denn öffentlich darf er es ja nicht tun - der sozialdemokratischen Fraktion recht geben, daß ein gewisses Mißtrauen hier durchaus berechtigt war.
({0})
Als in einer der ersten Sitzungen des Berlin-Ausschusses im Herbst vorigen Jahres über diese Frage gesprochen wurde, da hat ein Referent des Ministeriums ausgeführt, die Einwände gegen die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin nähmen ungeheuer zu, und die Akten darüber häuften sich schon in den Ministerien. Gegenwärtig scheint der Zustand sogar so zu sein, daß man sich nicht nur auf derartige schriftliche Vorstellungen beschränkt, sondern daß sich in den Ministerien ganz offen Fronten gegen die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin bilden. Der Herr Justizminister kam in Berlin in eine Gehr unangenehme Lage, als er darauf hinweisen mußte, daß er hinsichtlich des Verbleibs der Warenzeichenabteilung des Patentamtes in Berlin gegen die gesamte Front seines Ministeriums stände.
({1})
Dabei verwies er dann auch darauf, daß leider der
Patentrechtsausschuß des Bundestags in dieser
Frage einmütig den Beschluß gefaßt hätte, daß die Warenzeichenabteilung beim Patentamt in München bleiben solle. Ich habe nach der Rückkehr aus Berlin sofort mit den Abgeordneten, die dem Patent-rechtsausschuß angehören, Rücksprache genommen und dabei eine interessante Tatsache erfahren. Als dieser Punkt im Patentrechtsausschuß zur Beratung stand, war nicht der Herr Justizminister, sondern Herr Staatssekretär Strauß als Vertreter des Ministers anwesend. Herr Staatssekretär Strauß, der dort den Standpunkt vertrat, daß die Warenzeichenabteilung in München bleiben müßte, hat den Ausschuß mit keinem Wort davon unterrichtet, daß der Herr Justizminister selber eine völlig andere Auffassung vertrete.
({2})
Meine Damen und Herren! Wir berühren hier einen Punkt, der außerordentlich ernst ist. Wir erleben ja auch gelegentlich in den Ausschüssen, daß hohe Beamte aus den Ministerien versuchen, ihre Meinung auch dann durchzudrücken, wenn sie sich nicht mit der Meinung des Ministers deckt. Im Frankfurter Wirtschaftsrat ist es bei diesen Dingen häufig zu sehr schweren Zusammenstößen gekommen. Zwar hat der damalige Verwaltungsrat auch versucht, diese Zustände zu unterbinden, aber wir mußten leider feststellen, daß das nicht möglich war. Wir hoffen jedoch, daß das Bundeskabinett derartige Zustände für die Dauer unmöglich machen wird; denn wir haben alle Veranlassung hier den Anfängen zu wehren. Selbstverständlich - und das möchte ich ausdrücklich bei dieser Gelegenheit betonen - ist es Aufgabe der Beamten in den Ministerien, alle Dinge sorgfältig nach der sachlichen Seite zu prüfen und dem Minister entsprechend Vortrag darüber zu halten. Wenn aber der Minister dann eine Entscheidung gefällt hat, ist es Aufgabe der Beamten, diese Entscheidung vor dem Parlament und vor den Ausschüssen des Parlaments zu vertreten.
({3})
Es kann nicht in Frage kommen, daß die Herren dann noch versuchen, hier ihre eigene Meinung durchzudrücken; denn wir würden ja zu merkwürdigen Zuständen kommen, wenn man demnächst in den Ausschußverhandlungen immer erst fragen müßte: Vertritt nun der Referent des Ministeriums seine eigene Meinung, oder ist es die Ansicht des Ministers, die er hier vertritt? Wenn einzelne Herren sich nicht daran gewöhnen können, dann müßte ihnen allerdings klargemacht werden, daß in der Verwaltung der Demokratie kein Platz für sie ist.
({4})
Meine Damen und Herren, wenn wir hier nicht den Anfängen wehren, könnten wir sehr schnell erleben, daß wir aus dem nationalsozialistischen Führungsstaat in den Führungsstaat der Bürokratie kämen.
Die Verlegung einer Behörde nach Berlin kann natürlich aus sachlichen Gründen sehr umstritten sein. Aber, Herr Minister, ich glaube, es ist erforderlich, auch in diesen Fällen zu einer klaren Entscheidung zu kommen, wenn die politische Notwendigkeit dafür besteht. Denn es ist schon besser, eine umstrittene Entscheidung zu fällen, als in den politischen Dingen etwas zu versäumen. Umstrittene Entscheidungen kann man später immer wieder korrigieren, wenn es erforderlich ist; politische Versäumnisse kann man aber niemals wieder einholen.
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Wir sind uns darüber klar, daß auch starke politische Kräfte gegen die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin sind. Sie treten mit ihrer Meinung zum sehr großen Teil nicht offen hervor, denn sie wissen natürlich ganz genau, daß sie in der deutschen Bevölkerung mit ihrer Haltung sehr wenig Verständnis finden würden, ja daß sie einen großen Entrüstungssturm hervorrufen würden. Desto eifriger sind sie aber zum Teil offenbar hinter den Kulissen tätig. Diesen politischen Kräften soll gesagt sein, daß mit der Entscheidung über Berlin gleichzeitig auch die Entscheidung über Deutschland, ja sehr wahrscheinlich über Europa fällt.
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Alle ihre kleinen Pläne und Plänchen, die sie in ihrer politischen Konzeption vielleicht machen, würden über Nacht wie ein Kartenhaus zusammenbrechen, wenn die Berlin-Frage nicht im deutschen Sinne geregelt werden könnte.
Der Herr Minister hat in der letzten Zeit wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß in dieser Frage endlich einmal Schluß gemacht werden müßte und daß eine Beruhigung eintreten sollte. Der Schluß kann kommen, Herr Minister, wenn das erreicht ist, was notwendig ist, wenn nämlich eine Reihe repräsentativer Bundesbehörden nach Berlin verlegt ist.
Sie haben darauf hingewiesen, daß das Bundesverwaltungsgericht jetzt in Berlin tätig sein soll. Wir sind allerdings der Auffassung, daß das Bundesverwaltungsgericht nicht die einzige repräsentative Behörde sein kann und sein darf, die nach dort verlegt wird, so sehr wir auch die Bedeutung der Verlegung des Bundesverwaltungsgerichts nach Berlin zu schätzen wissen.
Der Herr Berichterstatter hat ja auch zum Ausdruck gebracht, daß der Berlin-Ausschuß die bisher getroffenen Entscheidungen als verheißungsvollen Anfang ansieht. Der Herr Minister hat dann vorhin ausgeführt, die Bundesregierung sei sich darin einig, daß diese Maßnahmen keinen Abschluß bedeuteten. Meine Damen und Herren, in diesen Formulierungen liegt doch ein sehr bedeutsamer Unterschied.
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Ich möchte Ihnen sagen, Herr Minister, daß wir den Anfang und nicht den Abschluß sehen.
Namens meiner Fraktion möchte ich Ihnen ganz offen erklären: eine Beruhigung in dieser Frage kann erst dann eintreten, wenn das von uns aufgezeigte Ziel erreicht ist. Ich möchte hinzufügen: diese Beruhigung darf im Interesse Deutschlands und im Interesse Europas auch nicht eher eintreten. Es wird Aufgabe der Bundesregierung sein, die weiteren Beschlüsse zu fassen und für ihre Durchführung zu sorgen.
Der Herr Berichterstatter hat schon mit Nachdruck betont, daß auch der Berlin-Ausschuß der Auffassung ist, daß es sich hier um eine politische Aufgabe handelt. Wir müssen die Bundesregierung bitten, bei ihren Entschließungen immer zu beachten, daß es bei diesen Entscheidungen nicht nur um Berlin geht - übertreibend, Herr Minister, möchte ich sogar sagen. daß es nicht einmal in erster Linie um Berlin geht -, sondern daß es sich in erster Linie darum handelt, durch diese Maßnahmen dem deutschen Volk und der Welt zu zeigen, daß vom Bundesparlament und von der Bundesregierung alles geschieht, um ein einiges Deutschland mit der Hauptstadt Berlin möglichst schnell zu schaffen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Brookmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde und ich haben im Berlin-Ausschuß dem Beschluß, der Ihnen in der Drucksache Nr. 825 vorliegt, freudig zugestimmt. Auch meine Fraktion ist in voller Einmütigkeit hinter diesen Beschluß getreten, weil wir die Bedeutung der von der Bundesregierung in dieser Beziehung ergriffenen Maßnahme voll und ganz erkennen und zu würdigen wissen. Ich möchte an dieser Stelle der Bundesregierung den Dank für die Initiative aussprechen, die sie auf diesem Gebiet in völliger Übereinstimmung mit dem Ausschuß für Berlin und unter dessen tatkräftiger Mithilfe ergriffen hat.
Im Grunde genommen hat der Beschluß, der hier gefaßt worden ist, mit der materiellen Berlin-Hilfe gar nichts zu tun. Es ist auch mit Recht von dem Herrn Kollegen Mellies darauf hingewiesen worden, daß es sich hier um eine hochbedeutsame politische Angelegenheit handelt. Ebenso ist von dem Kollegen Mellies betont. worden - und da stimme ich mit ihm völlig überein -, daß die bisherigen Maßnahmen auf diesem Gebiet nur ein Anfang sein können. Wir müssen unbedingt Wert darauf legen, daß mehr Bundesbehörden nach Berlin verlegt werden und daß unter diesen insbesondere repräsentative Bundesbehörden sind. Ich denke dabei z. B. an den Bundesrechnungshof oder an das Bundesverfassungsgericht.
Meine Damen und Herren, wir werden unablässig bemüht sein, die Bundesregierung darauf hinzuweisen, daß sie gerade in dieser Beziehung weitere Überlegungen anstellen sollte, um gegenüber der Weltöffentlichkeit den Beweis zu erbringen, daß wir in Berlin ein bestimmtes politisches Ziel sehen. Meine Damen und Herren, dieser Beschluß ist politisch doch folgendermaßen zu deuten. Er weist mit Eindeutigkeit auf die Vorläufigkeit der Bundeshauptstadt Bonn und darauf hin, daß die Bundesrepublik Deutschland weder die tapfere Bevölkerung von Berlin noch unsere Brüder und Schwestern in der sowjetisch besetzten Zone vergessen hat. Das scheint uns das bedeutungsvollste zu sein.
Lassen Sie mich aber zum Schluß noch auf den letzten Absatz des Ausschußantrages hinweisen, der sich an die Leitungen der großen Wirtschaftsorganisationen, der Gewerkschaften, der Wirtschaftsvereinigungen usw. wendet. Ich möchte diese Organisationen in aller Öffentlichkeit bitten, doch alles zu tun, um auch ihrerseits die Verwaltungsapparate soweit wie möglich nach Berlin zu verlegen.
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- Auch rückverlegen, ganz recht. Wenn die Hauptverwaltungen aus gewissen technischen oder anderen Gründen nicht nach Berlin verlegt werden können, soll man dort Berlin-Stellen schaffen, wie es die Bundesregierung schon vereinzelt getan hat. Wir haben jedenfalls den dringenden Wunsch, daß die Weltöffentlichkeit im Hinblick auf Berlin nicht immer wieder nur etwas von einer leeren Geste hört oder sieht, sondern daß sie Taten sieht, d. h. daß von seiten der Bundesrepublik und insbesondere der Bundesregierung im Hinblick auf die politische Bedeutung der Frage etwas Positives getan wird.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
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Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 825 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Aufhebung der Einreisebeschränkungen für deutsche Staatsbürger in das Saargebiet ({1}).
Zu diesem Tagesordnungspunkt habe ich mitzuteilen, daß der Herr Berichterstatter der Meinung ist, die Sache müsse an den Ausschuß zurückgegeben werden, weil seit Beschlußfassung des Ausschusses neue Tatsachen eingetreten sind. Offenbar hat eine neue Regelung des Paßwesens im Saargebiet stattgefunden. Erhebt sich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann wird dieser Punkt von der heutigen Tagesordnung abgesetzt, und die Drucksachen Nr. 842 und 353 werden an den Ausschuß zurückverwiesen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Abgeordneten Dr. Richter, Dr. Leuchtgens, Dr. Mießner, von Thadden, Frommhold und Genossen betreffend Rückgabe der deutschen Archive ({2}).
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, Abgeordneten Dr. Brill, das Wort zu nehmen.
Zu diesem Tagesordnungspunkt hat der Ältestenrat beschlossen, 15 Minuten für die Berichterstattung, 5 Minuten für die Begründung eines Zusatzantrages der KPD und 40 Minuten für die Aussprache anzusetzen.
Dr. Brill ({3}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Bericht, den ich jetzt im Auftrage des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten zu erstatten habe, zeigt in den geschichtlichen Vorgängen, die zur Auslagerung, zur teilweisen oder totalen Vernichtung und Verstreuung des Aktenmaterials der Archive der obersten deutschen Staatsbehörden geführt haben, wie auch durch die Erbeutung dieses Archivmaterials durch die Armeen der Siegerstaaten des zweiten Weltkrieges und die jetzt bereits erfolgte teilweise Verwendung der Akten für wissenschaftliche und politische Publikationen den ganzen Umfang der deutschen Tragödie, die sich in den Jahren 1943 bis 1945 in unserem Vaterlande zugetragen hat. Der Vorgang steht beinahe einzig in der Geschichte da. Denn abgesehen von der völligen Niederlage eines Staates im Kriege, die zu seiner Vernichtung, zu seiner Annektion geführt hat, ist es noch niemals vorgekommen, daß Archivbestände vollständig in die Hände des Feindes gefallen sind und nach den Gesichtspunkten des Feindes verwendet werden konnten, es sei denn, daß man den Sonderfall der Auflösung eines Staates in eine Anzahl von Sezessionsstaaten als einen sozusagen friedlichen Übergang von Archivmaterial in andere Verfügungsberechtigung mit dazunehmen wollte.
Der seit 1943 vernichtend wirkende Luftkrieg, die dann erfolgten Auslagerungen der Archive, die bedingungslose Kapitulation und die totale Besetzung Deutschlands haben zur Folge gehabt, daß Deutschland das Schicksal von Staaten teilte, die ihre gesammelten Archivbestände durch andere totale Niederlagen verloren haben. Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat sich deshalb verpflichtet gefühlt, den Verbleib der deutschen Archivbestände so vollständig, wie zur Zeit möglich, zu erforschen. Er hat zu diesem Zweck zwei Sachverständige vernommen, Herrn Ministerialrat Dr. Holzhausen und Herrn Staatsarchivdirektor Dr. Vollmar von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. Ich werde versuchen, Ihnen zunächst einmal das Ergebnis der Einvernahme dieser Sachverständigen darzustellen, um dann einige Vorschläge zu machen, wie in der Frage gemäß dem Antrag des Ausschusses, d. h. also über den Antrag der Antragsteller hinaus, vorgegangen werden könnte.
Zunächst einiges über den Weg, den das gesamte deutsche Archivmaterial genommen hat! 1943 hat man damit begonnen, Archivmaterial von Berlin zuerst nach Schlesien, in das Riesengebirge, dann nach dem Sudetenland auszulagern. Es hat den Anschein, daß dabei zunächst mit der allergrößten Sorgfalt vorgegangen worden ist. 1944 haben sich die Dinge bereits bedeutend geändert. Andere Gebietsteile Deutschlands, insbesondere Thüringen, das Harzgebiet, Niedersachsen und später Oberbayern, wurden benutzt, um wichtige Archive, deren Untergang in Berlin verhütet werden sollte, dort unterzubringen. Mit dem restlosen Wandel des Kriegsglücks Anfang des Jahres 1945 sind dann die Archivmaterialien zum großen Teil ohne Unterbrechung auf der Eisenbahn unterwegs gewesen. So ist ein großer Teil des Archivmaterials, das ursprünglich nach Krummhübel im Riesengebirge gebracht worden war, zum Teil nach dem Harz, zum Teil nach Thüringen gekommen. Anderes ging nach Oberbayern. Schließlich hat man innerhalb des Stadtgebietes von Berlin selbst angefangen, eine Verlagerung der Archivmaterialien in bombensichere Keller, Unterstände usw. vorzunehmen. Ein bedeutender Teil dieses Archivmaterials ist in den Kämpfen um Berlin zwischen dem 20. April und dem 2. Mai 1945 vernichtet worden.
Der Umfang dieser Vernichtung insgesamt läßt sich heute noch nicht abschätzen. Es steht fest, daß durch die Zerstörung Potsdams total vernichtet sind: das frühere Heeresarchiv, der gesamte Aktenbestand des ersten Weltkrieges, weiter im Sudetenland das Archiv der deutschen Luftwaffe, in Berlin das Archiv des Forschungsamts des Reichsluftfahrtministeriums, in Berlin, in Schlesien, im Harz und in Thüringen der Sonderdienst „Seehaus" des Auswärtigen Amtes und weitere Sonderdienste des Propagandaministeriums. In Potsdam sind schließlich die für die Erforschung der Finanzgebarung des Dritten Reiches so außerordentlich wichtigen Akten des Rechnungshofes für das Deutsche Reich restlos untergegangen. Ein Teil der Aktenbestände militärischer Kommandobehörden ist in Oberbayern, in den Voralpen, vernichtet worden, andere in Schleswig-Holstein. Die Archivbestände der Reichsministerien, die ohne Unterbrechung in Berlin verblieben sind und sich heute noch dort befinden, sind alle, teilweise sogar schwer beschädigt. Aufs Ganze gesehen dürfte es überhaupt nicht ein einziges Archiv geben, das vollständig erhalten ist.
Ich darf Ihnen das am Beispiel der Bestände des Auswärtigen Amts schildern. Nach den bisherigen Feststellungen sind von den Materialien des Auswärtigen Amtes vollständig erhalten die Reihen von 1867 bis 1920. Die Jahre 1920 bis 1926 weisen kleine,
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die Jahre 1926 bis 1938 bereits größere Lücken auf. Die Akten der Jahre 1938 und 1939 sind verschwunden. Vom Jahre 1943 ab sind überhaupt nur Bruchstücke vorhanden. So, wie an diesem Beispiel gezeigt, sieht es fast allgemein aus.
Meine Damen und Herren! Nun darf ich Ihnen mitteilen, was nach den Bemühungen des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten als in diesem reduzierten Umfange erhalten, als im wesentlichen bestehend festgestellt werden kann. Es sind von der obersten Staatsspitze gerettet die Akten der Reichskanzlei, der Präsidialkanzlei, der Adjutantur des Führers, der Parteileitung der NSDAP, der Parteikanzlei des Führers - diese Parteikanzlei des Führers enthält wichtige Privatbriefe Hitlers und außerdem ein von Hitler in den beiden letzten Jahren persönlich geführtes Kriegstagebuch „Wolfsschanze" - und schließlich die Akten des Parteiarchivs der NSDAP.
Aus dem Bereich der auswärtigen Politik sind Akten des Auswärtigen Amtes in dem vorhin geschilderten Umfang vorhanden. Es sind erhalten geblieben die Akten des Ministerbüros Ribbentrop und des Privatbüros Ribbentrop, die Privatarchivs des Botschafters Dirksen, des Botschafters Faupel und Akten der diplomatischen Vertretungen auf dem Balkan sowie einiger anderer Auslandsmissionen, die als gefährdet nach Berlin zurückgebracht worden sind. Insbesondere befindet sich unter diesen Akten die Privatkorrespondenz, die Ribbentrop während des Krieges mit südamerikanischen Staaten außerhalb des gewöhnlichen diplomatischen Verkehrs geführt hat.
Die Archive deutscher Wehrmachtstäbe sind weitgehend durch Spezialkommandos der SS vernichtet worden. Sie sind also den Wehrmacht- behörden entzogen und durch die SS besonders vernichtet worden. Der Witz der Geschichte will, daß das deutsche Marinearchiv sich zuletzt in dem thüringischen Bergstädtchen Tambach befand, während sich das Archiv des Oberkommandos der Wehrmacht zuletzt in Flensburg in Schleswig befunden hat.
Von Parteisachen sind insbesondere erhalten geblieben das Archiv Rosenberg, das Archiv des Reichsjustizkommissars und späteren Reichsministers und Generalgouverneurs in Polen Hans Frank und das sehr wertvolle Foto- und Filmarchiv des Fotografen-Professors Hoffmann.
Von historischen Archiven sind erhalten geblieben das Reichsarchiv, das Preußische Geheime Staatsarchiv und das Hohenzollernsche Hausarchiv. Die Mitteilungen, die darüber vorliegen, lassen die Schätzung zu, daß von diesem geschichtlichen Material etwa 60 % gerettet worden sind.
Durch eine besondere Tücke des Schicksals sind die Archive der drei Hansestädte Hamburg, Lübeck und Bremen, die von diesen Städten nach dem Nordharz verlagert worden sind, restlos verloren gegangen.
Soweit, meine Damen und Herren, die Feststellungen des Ausschusses.
Diese Feststellungen können keineswegs als vollständig angesehen werden. Es wird wahrscheinlich jahrelanger Nachforschungen innerhalb und außerhalb Deutschlands bedürfen. um festzustellen, wo andere sehr wertvolle Dinge verblieben sind. So kann ich aus persönlicher Kenntnis beispielsweise mitteilen, daß es Herr Hitler für richtig befunden hat, für die Erfüllung der Steuerpflichten der obersten Partei-, SS- und SA-Führung in Berlin-Charlottenburg ein besonderes Finanzamt einzurichten. Die Akten dieses besonderen Finanzamtes existieren heute noch; der Ort der Aufbewahrung und überhaupt diese ganze Sache sind aber dem auswärtigen Ausschuß nicht mitgeteilt worden.
Es ist mir weiter bekannt, daß sich sehr interessante Gestapoakten im privaten Besitz in Westdeutschland befinden. Auch andere Privatarchive existieren hier in Westdeutschland.
Es ist richtig, wie vor dem Ausschuß ausgeführt worden ist, daß General Scherff, der letzte Führer des Kriegstagebuchs des Oberkommandos der Wehrmacht, kurz vor seinem Selbstmord das Kriegstagebuch vernichtet hat. Es existiert aber von dem bis 1943 mit der Führung des Kriegstagebuches betrauten Beamten eine aus dem Gedächtnis angefertigte Nachschrift, die sich auch hier in Westdeutschland befindet. Teilpublikationen zeigen außerdem, daß andere höhere militärische Führer im Besitz von sehr wichtigen Unterlagen sein müssen.
Meine Damen und Herren! Nun wird Sie sicher die Frage interessieren, wo sich denn eigentlich diese Sachen befinden. Sie sind durch die Zufälle des Kriegsverlaufes in die Hände derjenigen Armeen gefallen, die zuerst an Ort und Stelle gewesen sind oder aber auf die Dinge vorbereitet gewesen sind, die systematisch gesucht und damit eine ganze Menge entdeckt haben.
Im großen und ganzen ergibt sich heute folgendes Bild. Im Besitz der sowjetischen Behörden befinden sich aus den Akten des Auswärtigen Amtes die Abteilungen Deutschland, die vorhin als vermutlich vermißt angegebenen Akten der Jahre 1938/39 über die deutsch-englischen Beziehungen, die bereits in einer Sonderpublikation in Moskau veröffentlicht worden sind, außerdem die Akten über die Beziehungen des Auswärtigen Amtes zur Gestapo und zum SD, wahrscheinlich auch vollständig die Privatarchive der Botschafter Dirksen und Faupel.
Die Sowjetbehörden haben das Tagebuch des Botschafters Dirksen bereits in zwei kleinen Bänden veröffentlicht, wobei man bis heute nicht sagen kann, ob die Veröffentlichung eine vollständige ist. Die Russen besitzen weiter die private Korrespondenz des Herrn Ribbentrop mit einigen südamerikanischen Staaten sowie mit der Regierung der Türkischen Republik. Sie haben wahrscheinlich vollständig die Akten aller deutschen diplomatischen Vertretungen auf dem Balkan und wichtige Teile des Archivs des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda. Die Veröffentlichungen der Tagebücher Goebbels', die von amerikanischer Seite durch Herrn Lochner vorgenommen worden sind, beziehen sich nur auf einen Teil des Goebbelsschen Tagebuchs. Der andere, größere Teil ist im Besitz der Sowjets. Die Akten des Reichsjustizministeriums - wahrscheinlich einschließlich der Akten des Volksgerichtshofs und der Gestapo - sind ebenfalls in sowjetischem Besitz. Die Sowjets haben sich auch - das darf ich persönlich ergänzen, weil. es im Ausschuß durch die beiden Herren nicht vorgetragen worden ist - weiter in den Besitz der Akten der Strafanstalten Tegel, Plötzensee und Brandenburg-Göhrden gesetzt. Sie besitzen vermütlich alles, was vom Reichsministerium des Innern übriggeblieben ist, insbesondere die Akten des später aus dem Reichsministerium des Innern ausgegliederten Ministeriums für kirchliche Angelegenheiten.
Großbritannien hat von den Vereinigten Staaten von Amerika das deutsche Marinearchiv erhalten,
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das heute in London liegt. Ansonsten werden die übrigen Aktenbestände, die sich aus meiner Darstellung, abzüglich derjenigen, die sich im sowjetischen Besitz befinden, ergeben, gemeinsam von den Vereinigten Staaten und Großbritannien verwaltet. Es hat den Anschein, daß die Franzosen bei der Verteilung von Archivbeständen vollständig leer ausgegangen sind.
Auf die Masse der Materialien gesehen erscheint die Vermutung begründet, daß sich im Besitz der Russen etwa 40 °/o der erbeuteten Materialien, im Besitz der anglo-amerikanischen Mächtegruppe etwa 60 °/o befinden. Dabei sind aber auch diejenigen Materialien berücksichtigt, die immer in Berlin gelagert haben und erst sehr viel später aufgefunden worden sind. Es handelt sich dabei um die Akten der Ministerien und der obersten Reichsbehörden. Sie sind zum Teil im sowjetischen Sektor, zum Teil in den drei westlichen Sektoren.
Die Hauptmasse der Akten des Reichsfinanzministeriums, des Reichswirtschaftsministeriums, des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, der Reichskulturkammer und des deutschen Generalgouvernements in Polen sind in den Westsektoren. Die vorhin schon erwähnten Akten insbesondere des Justiz-, des Propagandaministeriums, des Volksgerichtshofs, der Gestapo und des SD sind im sowjetischen Sektor von Berlin. Noch heute wird nach diesen Akten gegraben. Es hat einige Zeit zu den Merkwürdigkeiten des Berliner Lebens gehört, daß mit solchen Akten - insbesondere mit Akten, die aus den Trümmergrundstücken des Reichsarchivs und des Heeresarchivs in Potsdam ausgegraben worden sind - ein ziemlich lukrativer Handel getrieben worden ist.
So ist die Lage, wie sie sich nach den Nachforschungen des Ausschusses für das Besatzungsstatut und die auswärtigen Angelegenheiten darstellt. Der Ausschuß stand vor der Frage, was bei dieser Aktenlage in bezug auf den Antrag Dr. Leuchtgens und Genossen geschehen soll. Von wissenschaftlicher Seite ist auf einen Beschluß des deutschen Archivartages von Ende Mai vorigen Jahres in Wiesbaden verwiesen worden. In diesem Beschluß wird gefordert, daß die Archive nach Friedensschluß an Deutschland zurückgegeben werden sollen. Der Ausschuß glaubte, diesem Vorschlag nicht beitreten zu sollen. Er glaubte, daß es notwendig sei, unverzüglich zu handeln. Er empfiehlt Ihnen deshalb, den Antrag in der unveränderten Form, wie er sich im Ausschußbericht befindet, anzunehmen.
Der Ausschuß hat aber über den Antrag hinausgehend die Frage geprüft, was denn unsere besondere deutsche Pflicht in bezug auf die Aufgaben ist, die sich aus dieser Lage ergeben. Der Ausschuß war einstimmig der Auffassung - meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich das besonders betone -, daß in bezug auf die Erforschung der geschichtlichen Wahrheit diesmal mehr geschehen müsse, als in der Weimarer Republik geschehen ist.
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Der Ausschuß hat nicht unbeachtet gelassen, daß alle Versuche der Weimarer Republik durch den Untersuchungsausschuß des Reichstags, durch die beiden Forschungsreihen der Potsdamer Archive, des Reichsarchivs, durch die Aktenpublikationen des Auswärtigen Amts zu keinem befriedigenden Ergebnis in bezug auf die Aufklärung des Volkes, in bezug auf die Bildung eines historisch getreuen Geschichtsbewußtseins geführt haben. Deshalb ist der Ausschuß der Meinung gewesen, daß es notwendig sei, aus den Erfahrungen der Weimarer Republik I in dieser Hinsicht doch wenigstens etwas zu lernen. Die Geschichtswissenschaft in der Weimarer Periode hat es an dem notwendigen Eifer einer Durchforschung und Darstellung der Bestände und Probleme fehlen lassen. Tatsächlich existieren ja nur drei große wissenschaftliche Werke, die sich mit Anstand aus dieser Zeit nennen lassen können: das Werk des Leipziger Professors Erich Brandenburg, das eine Darstellung des Inhalts der Aktenpublikation des Auswärtigen Amtes gebracht hat, das Werk unseres verehrten Kollegen Bergstraeßer über „Die Osterbotschaft 1917 und die Entwicklung der Wahlrechtsfrage in Preußen" und das Werk des früheren Obersten Dr. Schwerdtfeger über das Weltkriegsende. Nur diese drei Werke lassen sich von der deutschen Geschichtswissenschaft für die Erforschung der Probleme des ersten Weltkrieges wirklich mit Anstand nennen.
Der Ausschuß war daher der Meinung, daß jetzt der Wissenschaft doch Anregungen gegeben werden sollen, weiterzuarbeiten. Es sind seit dem Jahre 1946 verschiedene Versuche unternommen worden, diese Aufgabe zu lösen. Im Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes ist ein Institut zur Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus gegründet worden. Aber die Währungsreform mit den Spargeboten, die danach folgten, hat dieses Institut nicht recht zur Entwicklung kommen lassen. Auch die Bemühungen im Spätsommer vorigen Jahres, dieses Institut auf alle elf Länder des westdeutschen Gebietes auszudehnen, sind gescheitert. weil alsbald nach der Bildung der Bundesregierung sich der Herr Bundesinnenminister mit dieser Frage beschäftigt hat. Ich darf mitteilen, daß die Bemühungen, die insbesondere auch von Herrn Bundespräsident Dr. Heuß, der dem Wissenschaftlichen Rat des genannten Instituts angehörte, gefördert worden sind, jetzt zum Abschluß eines neuen Vertrages zwischen der Bundesregierung und dem Lande Bayern geführt haben.
Aber, meine Damen und Herren, das genügt nicht. Denn inzwischen ist die Memoirenliteratur im Auslande bereits ins Ungemessene gestiegen. Eine auf 20 Bände geplante Publikationsreihe amerikanischer und britischer Historiker hat begonnen zu erscheinen. Die Amerikaner wie die Sowjets haben Teilpublikationen herausgebracht, und beiden sind gewisse politische Bedürfnisse anzumerken. Das deutsche Geschichtsbild wird vor allen Dingen vor der Jugend verwirrt, ja vergiftet durch sensationelle Veröffentlichungen in deutschen Zeitschriften.
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Vom „Großen Liebhaber Adolf Hitler" über „Glück und Ende der deutschen Luftwaffe", „Kleine Biographie" - des Generalobersten Udet usw. - versuchen diese Zeitschriften in reißerischer Weise mit einigen, auf merkwürdige Art und Weise erworbenen Bildern möglichst große Geschäfte zu machen.
Die deutsche Zeitschriftenliteratur ist weit im Rückstande. Das Beste, was man bisher in deutschen Zeitschriften hat feststellen können, waren einige große Buchrezensionen, beispielsweise über die amerikanische Memoirenliteratur in der Zeitschrift „Merkur", aber sonst nichts, so daß es also höchste Zeit zu sein scheint, die wissenschaftliche Forschung auf allen diesen Gebieten planmäßig zu organisieren.
Materialien dafür stehen auch in Deutschland in beträchtlichem Maße noch zur Verfügung. Die
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Staatsarchive der Länder enthalten eine Menge von Aktenvorgängen insbesondere in bezug auf die Organisation des Krieges, die bisher in keiner Weise ausgenutzt sind. Das Aktenmaterial, das durch die Entnazifizierung entstanden ist, geht in viele Millionen von Aktenstücken. Allein im Lande Hessen sind mehr als eine Million Aktenstücke und ist eine reiche Sammlung von Originalakten und internen Zeitschriften vorhanden, die ausgenutzt werden könnten. Private Firmen verfügen über außerordentlich viel Material, und das Gedächtnis der Menschen, die an den Dingen beteiligt waren, sollte in der Form von Einvernahmen nutzbar gemacht werden, bevor alles vergessen ist.
Aus allen diesen Gründen hat der Ausschuß dem ursprünglichen Antrag eine Ziffer 2 zugefügt:
Die Bundesregierung wird ersucht:
2. das Material dieser Archive der wissenschaftlichen Forschung dienstbar zu machen.
Der Ausschuß war sich darüber einig, daß diese wissenschaftliche Forschung viele Wege einschlagen und daß mit großer Anstrengung gearbeitet werden muß. Aber, meine Damen und Herren, wenn ich Sie bitte, dem Ausschußantrag - moglichst ohne Debatte - zuzustimmen, dann geschieht das insbesondere aus dem Bedürfnis heraus, dem deutschen Volke die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit zu sagen und nichts anderes als die Wahrheit zu sagen. Das ist notwendig, damit wir nach der Tragödie von 1945 im besten Sinne der griechischen Antike zu einer wirklichen Katharsis, zu einer Läuterung im deutschen Geschichtsbewußtsein kommen, das dem deutschen Volke unsere Lage in der Welt und unsere Aufgabe zu Hause, in Deutschland, richtig darstellt.
In diesem Sinne bitte ich Sie, den Ausschußanträgen zuzustimmen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur Begründung des Zusatzantrages der Fraktion der KPD hat das Wort der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Wir beantragen in unserem Abänderungsantrag, in der Ziffer 1 der Vorlage die Worte „der Bundesrepublik Deutschland" zu streichen. Was bezweckt unser Abänderungsantrag? Er bezweckt, klarzustellen, daß wir in dieser Bundesrepublik Deutschland nicht die Rechtsnachfolgerin des alten Deutschlands vor dem Zusammenbruch erkennen und anerkennen. Zwar ist unsere Regierung, vorab unser Herr Bundeskanzler sowohl bei privaten Gelegenheiten wie bei offiziellen oder halboffiziellen Gelegenheiten des öfteren zu Aussprüchen etwa in der Art gekommen, daß alles, was einmal Gesamtdeutschland gehört hat, heute der Bundesrepublik gehört. Wir sind anderer Auffassung und haben deshalb die Einfügung einer Ziffer 3 verlangt, in der gesagt wird, daß das Archivmaterial, dessen Rückgabe wir ebenso, wie das in dem Ausschußbericht gesagt ist, für notwendig erachten und fordern, daß dieses Archivmaterial nach der Rückgabe bis zur Wiederherstellung der nationalen Einheit Deutschlands einer gemischten Treuhandkommission unterstellt wird, die aus einer gleichgroßen Anzahl von Vertretern der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland besteht. Diese Kommission soll auch nach unserem Vorschlag für die wissenschaftliche Auswertung des Archivmaterials zuständig sein.
Gestatten Sie mir nun noch einen Satz zu dem
Problem der Auswertung. Es ist beachtlich, daß der
Herr Berichterstatter anerkannt hat, daß in der Weimarer Republik die damals für eine Auswertung der
Archive in Frage kommenden und verantwortlichen
Organe nichts oder nur sehr wenig getan haben, um
eine wirklich wissenschaftliche, nach fortschrittlichen Prinzipien ausgerichtete Durchforschung
dieses Materials sicherzustellen. Es ist immerhin
erfreulich, wenn auch nach langen Jahrzehnten
doch gelegentlich einmal ein pater peccavi ausgesprochen wird. Aber ich verstehe nicht, wie derselbe Herr Berichterstatter nun den Wissenschaftlern, die Wissenschaft in dieser Republik Dr. Konrad Adenauers betreiben, unterstellen kann, - ({0})
- Wieso lachen Sie? Das sind doch noch die alten Faschisten von gestern, die auf den Lehrstühlen unserer Universitäten sitzen.
({1})
Das sind doch noch die alten Faschisten, die in den höheren Schulen dominieren. Das sind doch Tatsachen, an denen wir nicht durch Lachen vorbeikommen.
({2})
Meine Herren, dieser Dialog trägt wirklich nicht zur Förderung der Sache bei.
Herr von Rechenberg, mit Ihnen eine politische Diskussion zu beginnen, halte ich Œ wirklich für abwegig. Mit Ihnen könnte ich mich höchstens über Ihr Geld unterhalten.
({0})
- Mit Ihnen könnte ich mich höchstens über Ihr Geld unterhalten; für etwas anderes reicht bei Ihnen das Begriffsvermögen ja doch nicht aus.
({1})
- Unterbrechen Sie mich doch bitte nicht! Für etwas anderes reicht Ihr Begriffsvermögen ja bestimmt nicht.
({2})
Ich komme also auf den Gedankengang des Herrn Berichterstatters zurück.
({3})
- Herr von Rechenberg, begnügen Sie sich mit der Rolle des Enfant terrible in Ihrer eigenen Fraktion, machen Sie sich doch nicht zum - ({4})
- Nicht immer. Es gibt Enfants terribles, die geschickt mit der Wahrheit zu spielen verstehen. Dafür sind Sie berühmt. Wenn Sie die Wahrheit sagen wollen, beginnen Sie doch einmal mit der Klarstellung der Herkunft Ihres Vermögens.
Meine Damen und Herren, wir diskutieren hier doch nicht den Struwelpeter!
Das ist nicht meine Schuld, Herr Präsident!
Ein bißchen war es die Ihrige.
Verzeihung, dann nehme ich die Rüge ruhig hin. Sie müssen es ja wissen.
({0})
Ich komme zurück zu dem Bericht des Berichterstatters. Ich frage mich also, mit welcher Berechtigung er unterstellt, daß die Wissenschaftler, die hier in dem Lande Dr. Konrad Adenauers Wissenschaft betreiben, in der Lage sein sollten, etwas anderes zu tun als das, was die Wissenschaft bedauerlicherweise auch vor 1933 bereits in reichem Ausmaß getan hat, nämlich statt historischer Wahrheitssuche und der Förderung eines echten, historisch echten Weltbildes und Geschichtsbildes eine Vergiftung unserer Jugend zu betreiben. Wer diesen Wissenschaftlern dieser Bundesrepublik Adenauers etwas anderes zutraut, der verkennt den Charakter dieser Republik und der Wissenschaftler in dieser Republik.
Ich bin der Auffassung, daß, wenn man diesen Wissenschaftlern die Auswertung dieses Materials, die ja nach Auffassung des Herrn Berichterstatters viele Wege beschreiten kann, überläßt, diese Forschung zu einem und demselben Ziel wie vor 1945 führt, nämlich zu dem Ziel der Umdeutung, der historischen Verkleisterung dessen, was in der Periode des Nazismus bei uns geschehen ist.
({1})
Ich fürchte, daß bei uns in Westdeutschland alle Wege zu einem und demselben Ziel führen, zu dem Ziel der Schaffung einer neuen Lüge über Ursache und Ablauf und Ende und Zielsetzung des Krieges, also zu einer Art von neuer Dolchstoßlegende.
Zu den Fakten, die hier der Herr Berichterstatter erwähnt hat, kann man ruhig zum Beispiel auch den Rummel um Rommel zählen. Ich bin also der Meinung, daß, wenn man die Forschung durch diese unsere westdeutschen Wissenschaftler wieder betreiben läßt, alle Wege auf das eine und dasselbe Ziel hinauslaufen, nämlich die Herausbildung einer neuen Haßpsychose gegen die Völker der Welt, eine Steigerung der Kriegspsychose,
({2})
also daß sie dorthin führen, wohin die Wissenschaft bisher bei uns in Deutschland, auch in der Periode von 1918 bis 1933 geführt hat: unsere Jugend bereit zu machen, sich für die Ziele des deutschen und des internationalen Imperialismus einzusetzen, gegen die Interessen unseres eigenen deutschen Volkes.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehlers.
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich begrüßen es außerordentlich, daß der Herr Berichterstatter dieses Problem aus einem einfachen Rechtsanspruch heraus zu einer Frage entwickelt hat, die uns alle und die ganze Welt aufs tiefste berührt, indem er die Auswertung dieser Archivbestände für die Herstellung eines genauen und wahrheitsgemäßen Überblicks über das tatsächliche Geschehen gefordert hat. Wir stimmen dem Antrag des Ausschusses in dieser Form ohne weiteres und uneingeschränkt zu.
Ich möchte dabei noch einen Hinweis geben. Das Bedenkliche in der gegenwärtigen Situation liegt nicht nur darin, daß irgendwelche illustrierte Zeitschriften, oder was es sein mag, mit etwas merkwürdigen Berichten und Bildern Geschäfte machen. Das Gefährliche der gegenwärtigen Situation liegt vielmehr darin, daß nicht geringe Teile unseres Volkes bereits wieder auf dem Wege sind, sich ein ganz falsches und sehr gefährliches Bild von den Ereignissen der letzten 16 bis 17 Jahre zu machen.
({0})
Es ist wohl notwendig, daß sich die ausländischen Regierungen, die sich im Besitz der Archivbestände befinden, darüber klar werden. daß die Zurückhaltung dieser Bestände der Bildung solcher falschen und gefährlichen Vorstellungen Vorschub leistet
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und daß sie nichts Besseres tun könnten, als diese Archivbestände auch einer deutschen sachgemäßen wissenschaftlichen und objektiven Auswertung zuzuleiten.
Ich bin nicht der Meinung von Herrn Renner - natürlich nicht! -, daß die Wissenschaftler Deutschlands und das deutsche Volk überhaupt, soweit es in der Lage ist, selbständig zu denken und seine Meinung selbständig zu äußern, heute die Voraussetzungen für eine objektive Prüfung nicht erfüllten. Wir dürfen doch wohl für uns als Volk in Anspruch nehmen, daß wir, jedenfalls zum überwiegenden Teil, aus den Ereignissen der vergangenen Zeit so viel gelernt haben, daß wir diese Dinge sehr nüchtern sehen und nicht in die Versuchung kommen, irgendwelche nationalistische Verfärbungen oder Umfälschungen vorzunehmen. Dazu brauchen wir aber diese Archive, und ich glaube, es wäre höchst erwünscht, wenn die Alliierte Hohe Kommission ihren Regierungen diese Gesichtspunkte übermitteln würde.
Wir beantragen, den Antrag, den der Herr Abgeordnete Renner für die Kommunistische Partei gestellt hat, abzulehnen. Daß der Herr Abgeordnete Renner nicht der Auffassung sein darf, daß die Bundesrepublik Deutschland heute die Funktionen des deutschen Kernlandes legitim wahrnimmt, wissen wir; das brauchte nicht durch diesen Antrag bestätigt zu werden. Wir haben die Absicht, die Bestimmungen unserer Verfassung ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln. Wir haben die Absicht, sie auch insofern wahrzunehmen, als wir der Auffassung sind, daß die Bundesrepublik entsprechend ihrem Grundgesetz heute die einzige Stelle ist, die berechtigterweise das ehemalige Reichsvermögen für sich in Anspruch nehmen kann.
({2})
Der Vorschlag, eine gemischte Treuhandkommission einzusetzen, würde nur dann erwägenswert sein, wenn wir glauben könnten, daß die sogenannte Deutsche Demokratische Republik auch nur für einen Teil Deutschlands eine unabhängige und rechtmäßige Vertretung sei. Das haben wir zu bestreiten und bestreiten wir mit aller Energie. Wir bestreiten auch, daß es die Möglichkeit geben könnte, unter der Herrschaft der Deutschen Demokratischen Republik objektive wissenschaftliche Forschung zu betreiben. Mir ist nicht bekannt, daß Historiker drüben diese Arbeit aufgegriffen haben. Aber wenn ich mir etwa die Konstruktion des Sicherheitswesens dieser Deutschen Demokratischen Republik und die darin beschäftigten Männer an({3})
sehe, dann habe ich nicht den Eindruck, daß sie sich sachlich und personell von dem, was einst gewesen ist, sehr wesentlich unterscheiden. Ich glaube, daß es hinsichtlich der historischen Forschung nicht anders ist.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit noch folgendes sagen. Der Herr Berichterstatter hat sehr sorgfältig dargetan, wo sich die Archivbestände befinden. Es ist der Gesichtspunkt vertreten worden, daß die Archivbestände nach internationaler Auffassung zu dem Gebiet gehören, dem sie sachlich verbunden sind. Wir haben mit Bedauern zur Kenntnis genommen, daß die Alliierte Hohe Kommission durch das am 17. Februar 1950 in ihrem Amtsblatt veröffentlichte Gesetz Nr. 20 zur Änderung der Verordnung Nr. 184 der britischen Militärregierung angeordnet hat, daß die deutschen Behörden den belgischen bzw. niederländischen Behörden alle Archive und Urkunden verwaltungsmäßiger Art auszuliefern haben, welche die überwiesenen Gebiete betreffen. Wir haben bisher die Auffassung vertreten, daß die Auslieferung von Beständen östlicher Staatsarchive an Polen nicht dem in der ganzen Welt vertretenen
Standspunkt entspricht und daß die Auslieferungen von
Archiven aus Gebieten, die nicht durch einen Friedensvertrag oder sonstwie rechtmäßig an Polen abgetreten sind, rechtswidrig ist. Wir bedauern, daß die Vertretung unseres Rechtsstandpunktes durch dieses Gesetz der Alliierten Hohen Kommission nicht gefördert wird, weil hier angeordnet wird, daß Archivbestände für Gebiete, die jedenfalls vor Abschluß eines Friedensvertrages nicht aus der deutschen Staatsangehörigkeit gelöst sind, ausgeliefert werden. Ich beantrage daher, der Ziffer 1 des Antrages des Ausschusses den Satzteil hinzuzufügen: „und die Wegbringung weiterer Archivbestände verhindert wird".
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über die Ergänzungs- und Abänderungsanträge. Ich lasse zuerst über den soeben übergebenen und verlesenen Antrag abstimmen, in Ziffer 1 einzufügen: „und die Wegbringung weiterer Archivbestände verhindert wird". Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es ist einstimmig so beschlossen.
Dann lasse ich über den Antrag gemäß Ziffer 1 K der Drucksache Nr. 923, den der Herr Kollege Renner soeben vertreten hat, in Ziffer 1 des Ausschußantrages die Worte „der Bundesrepublik Deutschland" zu streichen, abstimmen. Wer für die Streichung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Mit Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über Ziffer 2 des Antrages Drucksache Nr. 923, nämlich dem Ausschußantrag eine Ziffer 3 hinzuzufügen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Das ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Antrag Drucksache Nr. 844 in der veränderten Fassung abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Angenommen.
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- Bei Stimmenthaltung der kommunistischen Fraktion.
Es ist nunmehr Punkt 12 der Tagesordnung aufzurufen:
Übersicht über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen nach dem Stand vom 17. April 1950 ({1}).
Wer für die in Drucksache Nr. 848 gemachten Vorschläge ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Die Gegenprobe! - Angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich habe noch etwas bekanntzumachen. Es ist ein Brief des Abgeordneten Kurt Müller vom 6. Mai dieses Jahres an den Präsidenten des Deutschen Bundestages eingegangen, der lautet:
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich sehe mich veranlaßt, aus wichtigen persönlichen Gründen mit dem heutigen Tage mein Mandat als Abgeordneter des Deutschen Bundestages niederzulegen.
Mit Hochachtung!
Kurt Müller. ({2})
- Das Haus nimmt davon Kenntnis.
Damit ist die Tagesordnung erschöpft. Ich berufe die 64. Sitzung des Deutschen Bundestages auf den 12. Mai, vormittags 9 Uhr, ein.
Die 63. Sitzung ist geschlossen.