Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 62. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich bitte den Schriftführer Herrn Abgeordneten Matthes, die Liste der Abwesenden zu verlesen.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Frau Dr. Gröwel, Lübke, Klabunde, Kalbfell, Jacobs, Bazille, Sander, Bettgenhäuser, Dr. Gülich, Dr. Baade, Mißmahl, Dirscherl, Frühwald, Wittmann.
Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Albers, Dr. Henle, Gibbert, Fürst Fugger von Glött, Even, Lenz, Dr. Wuermeling, Jacobi, Kurlbaum, Dr. Menzel, Henßler, Dr. Suhr, Neumann, Frau Schroeder ({0}), Dr. Schmid, Bromme, Dr. von Campe, Dr. Baumgartner, Dr. Besold, Reimann, Müller ({1}), Müller ({2}), Agatz, Vesper; dazu die sich auf Studienreise befindenden Abgeordneten.
Meine Damen und Herren! Wir treten damit in die Tagesordnung ein.
Punkt 1:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Weizenabkommen ({0}).
Meine Damen und Herren, das Wort wird nicht gewünscht; das darf ich feststellen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf: Wer für Art. I, - II, - III - ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit beschlossen.
Wer für Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich ebenfalls, did Hand zu erheben. - Danke! Beschlossen.
Ich schließe damit die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Wird das Wort gewünscht? - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung Wer für Art. I, - II, - III, - Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit einwandfreier Mehrheit beschlossen.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer für das Gesetz auf Drucksache Nr. 892 in der bisher beschlossenen Fassung im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen eine Stimme angenommen.
Wir kommen damit zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zuckersteuer ({1}).
Zur Berichterstattung erteile ich dem Herrn Abgeordneten Fürst Fugger von Glött das Wort.
({2})
- Der Berichterstatter ist noch nicht da, wie ich höre. Ist eines der anderen Mitglieder des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten bereit, die Berichterstattung zu übernehmen? Darf ich fragen?
- Dann mache ich dem Hause den Vorschlag, daß wir den Punkt noch etwas zurückstellen, bis sich ein Vertreter als Berichterstatter findet.
Wir kommen damit zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der WAV betreffend Beseitigung der Preisbindungen für Bier ({3}).
Für die Einbringung des Antrags sind im Ältestenrat 10 Minuten, für die Aussprache insgesamt 60 Minuten Redezeit vorgesehen worden. Ich darf das Einverständnis des Hauses damit feststellen.
Wer von den Herren Antragstellern wünscht zu Punkt 3, Drucksache Nr. 744, das Wort?
({4})
- Meine Damen und Herren, wir wollen trotzdem nicht die Ruhe verlieren.
Wir schreiten zu Punkt 4 der Tagesordnung und lassen den Punkt 3 inzwischen offen.
Punkt 4 der Tagesordnung lautet:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Eckstein und Genossen betreffend Erschließung der Ödländereien des Emslandes ({5}).
Der Ältestenrat schlägt für die Antragsteller 10 Minuten und im übrigen eine Redezeit von 30 Minuten vor. - Ich darf das Einverständnis des Hauses feststellen.
Wer von den Antragstellern wünscht das Wort?
- Herr Abgeordneter Eckstein bitte!
Eckstein ({6}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Drucksache Nr. 762 liegt Ihnen ein Antrag vor, wonach die Bundesregierung ersucht wird, Maßnahmen zur Erschließung und Nutzbarmachung der Ödländereien des Emslandes zu ergreifen. Die für die Durchführung erforderlichen Mittel sind aus ERP-Mitteln zu entnehmen; vorsorglich sind diese Mittel in den Haushaltsplan 1950/51 einzusetzen.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen diesen Antrag ganz kurz begründe. Folgen Sie mir bitte in Gedanken einen Augenblick an die Nordwestgrenze unseres deutschen Vaterlandes, etwa in der Linie Papenburg-Bentheim. Folgen Sie mir dann nach Westen in Richtung Holland, so sehen Sie dort blühende Dörfer, blühende Ortschaften und blühende Siedlungen. Blicken Sie dagegen nach Osten in der Richtung unseres deutschen Vaterlandes, so sehen Sie eine graue Ode, eine Wüste. Man möchte fast meinen, daß dort das Bibelwort wahr wird: „Die Erde war wüst und leer." Über 100 000 Hektar kulturfähiges Ödland liegen allein in diesem Raum. Die Bevölkerungsdichte in diesem Raum beträgt 59 Personen pro Quadratkilometer, während der Bundesdurchschnitt etwa 235 bis 240 Menschen pro qkm ist. Tausende von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen wohnen in diesem Raum; Tausende von Flüchtlingen und Bauern sehnen sich nach Boden und sehnen sich nach Land. Und dort liegt dieses Land greifbar; nur die nötigen Kulturarbeiten und die nötigen Meliorationen müßten durchgeführt werden.
War das immer so in diesem Raum? Nein! Auch Holland hatte damals in diesem Raum eine Wüste und eine Ode; aber holländischer Fleiß und holländischer Pioniergeist griffen dieses Problem damals herzhaft an und schufen dieses blühende Kulturland, wie wir es heute sehen. Und was tat Deutschland? In der monarchistischen Zeit wurden gewiß einige Maßnahmen ergriffen. Es wurden Kanäle angelegt, es wurden Straßen gebaut; aber weiter kam man nicht. Auch in der Weimarer Republik wurden Ansatzpunkte
({7})
geschaffen. Damals, zur Zeit des Regierungspräsidenten Dr. Sonnenschein in Osnabrück, wurde die Grundlage zur Kultivierung dieses Ödlandes gelegt. Es wurden neue Dörfer errichtet, neue Straßen und neue Bahnen gebaut. Aber auch damit kam der zweite Ansatzpunkt zum Erliegen. Denn es kam das Dritte Reich, und was tat das Dritte Reich in diesem Raum? Es baute Schießplätze und es baute
({8}) Konzentrationslager. Ich brauche nur einen Namen zu erwähnen, den Namen Börgermoor. Es mögen manche vielleicht noch eine dunkle und vielleicht eine traurige Erinnerung an diesen Raum haben. Mancher Häftling schaufelte sich dort sein einsames und stilles Grab, das heute vergessen und verweht ist. In diesem Raum entstand auch das Lied der Moorsoldaten, das heute leider auch wieder in der Vergessenheit versunken ist.
Ich sagte schon: in diesem Raum warten Tausende von Flüchtlingen, Bauernsöhnen und nachgeborenen Heuerleuten auf Land. Die Regierung von Niedersachsen ist allein nicht in der Lage dieses Programm durchzuführen. Sie hat bereits erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt; aber für diesen Zweck und für diese Kultivierungsarbeiten sind Millionen und -zig Millionen erforderlich, und deswegen muß hier der Bund eingreifen. Ich bin der Meinung, daß durch eine große Gemeinschaftsarbeit von Bund, Land und Kreisen, durch Bildung eines entsprechenden Verbandes - nennen wir es Zweckverband oder nennen wir es, wie wir wollen -, dort ein Werk geschaffen werden kann, das unseren landhungrigen Menschen, unseren Flüchtlingen und unseren Bauern Tausende, wenn auch bescheidene Existenzmöglichkeiten bietet.
Meine Damen und Herren! Die nachfolgenden Redner. die auch aus diesem Raum kommen, werden wahrscheinlich zu den technischen Problemen dieses Planes Stellung nehmen. Ich wollte Ihnen nur ganz kurz und in großen Zügen aufzeigen, wie die Dinge dort liegen und was geschaffen werden kann. Helfen Sie durch Ihre Zustimmung mit, diesen Plan zu verwirklichen! Helfen Sie mit, die Mittel bereitzustellen, damit aus diesem Ödland einst wieder eine blühende Stätte werden kann! Helfen Sie mit, daß aus dem Lied der Moorsoldaten wieder das Lied der deutschen Arbeit klingt!
({9})
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache und weise noch einmal darauf hin, daß wir uns im Ältestenrat darüber klar waren, im wesentlichen mit 30 Minuten Aussprache auszukommen.
Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Ohlig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den sachlichen Ausführungen des Abgeordneten Eckstein kann ich mir eine weitere sachliche Begründung für die Notwendigkeit dieses Antrags ersparen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß dieses Gebiet nicht nur menschen-, sondern auch verkehrsarm ist. Es führt nämlich nur eine Nord-Süd-Verbindung durch dieses Gebiet. Die Ost-West-Verbindungen fehlen fast gänzlich.
Es ist schon in den letzten Jahren versucht worden, dieses Gebiet zu kultivieren. Wenn wir in dem gleichen Tempo fortfahren, benötigen wir aber noch ungefähr fünfzig Jahre zur Erschließung dieses Gebiets. Sie werden sicher mit mir der Meinung sein, daß wir uns aus grenzpolitischen, aber auch aus wirtschaftspolitischen Erwägungen ein so langsames Tempo nicht gestatten können.
Da die Redezeit außerordentlich kurz ist, möchte ich nur noch auf einige Dinge hinweisen, die uns in der sozialdemokratischen Fraktion doch einigermaßen bedenklich erscheinen. Wir wären dankbar, wenn wir hierzu nähere Erläuterungen bekommen könnten. In dem „Neuen Tageblatt" in Osnabrück ist Ende März eine kleine Notiz erschienen, die sich mit dem Emslandbauprogramm beschäftigt. In dieser Notiz wird ein Emslandsekretariat Bonn erwähnt. Wit wären dankbar für eine Auskunft darüber, ob dieses Emslandsekretariat einen halbamtlichen Charakter hat oder nur die Privateinrichtung von Kollegen ist, die aus dem Emsland gewählt worden sind. Wir haben deshalb einige Bedenken, Weil diese Notiz die weitere Mitteilung enthält, daß im Einverständnis mit diesem Bonner Emslandsekretariat ein Zweckverband Emsland gegründet werden soll, an den die vom Bundestag bewilligten Millionen unmittelbar gehen sollen,
({0})
und zwar unter Ausschaltung der Landeszentrale.
({1})
Wir möchten vor diesem Wege warnen, weil wir von der Sozialdemokratischen Partei der Auffassung sind: die Erschließung des Emslandgebiets darf keine Angelegenheit von eventuell im Hintergrund lauernden Bodenspekulanten werden. Ich möchte vor allen Dingen auch - wenigstens ist das mein persönlicher Wunsch - den Kollegen Eckstein davor bewahren, daß er in seiner Gutmütigkeit und Ehrlichkeit vielleicht ein Opfer jener Profithyänen wird, die sich möglicherweise jetzt schon im Hintergrund auf die Lauer legen, um die fettesten Brocken aus diesem Emslandprogramm herauszuholen.
Wir von der Sozialdemokratischen Partei sind der Auffassung, daß die Kultivierung des Emslandes eine Angelegenheit aller verantwortlichen Stellen ist und daß bei dieser Arbeit alle mithelfen sollen. Deshalb möchte ich zum Schluß eine Bitte an Sie richten. Es gab einmal einen Deutschen Reichstag, der sehr willfährig nach der Parole handelte „Kanonen statt Butter" und der dafür Milliarden bewilligte. Handeln wir in diesem Bundestag nach der umgekehrten Parole „Butter statt Kanonen", und wir brauchen dafür nur Millionen!
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit 1924 ist die Ingangsetzung der Erschließung der Ödländereien an der Ems erfolgt. 1933 wurde sie fortgesetzt. Mit dem Krieg kam sie zum Erliegen. 25 000 Hektar sind staatseigen und würden sofort in Kulturarbeit genom({0})
men werden können. 70 000 Hektar sind bäuerliches Eigentum, unterstehen der Landesbauaußenstelle Oldenburg und würden von hier aus auch allmählich erfaßt werden können.
Es geht natürlich nicht, daß nur geringe Mittel zur Verfügung gestellt werden, wie sie jetzt schon dankenswerterweise im Landwirtschaftsministerium des Bundes bereitgestellt sind. Man muß hier im Auge haben, daß es sich um ein Projekt handelt, das etwa 200 bis 300 Millionen Mark erfordert, die, auf zehn Jahre verteilt, die Durchführung der nötigen Arbeiten möglich machen würde. Es handelt sich also nicht nur um die Bewilligung einer Summe für ein Jahr, sondern es muß schon vorausgesehen werden, daß es sich um eine größere Summe zur Verteilung auf zehn Jahre handeln muß.
Von dem Herrn Berichterstatter ist schon zum Ausdruck gebracht worden, daß das Land Niedersachsen nicht in der Lage ist, von sich aus diese Mittel aufzubringen. Das Notwendigste aber, was geschehen muß, ist, erst einmal einen Träger dieses Kultivierungsunternehmens zu bilden, bzw. aus diesem Träger durch Bundesgesetz eine Anstalt des öffentlichen Rechts zu entwickeln. Es könnte auch so sein, daß diese Anstalt öffentlichen Rechts durch Landesgesetz in Niedersachsen gebildet würde. Darüber müßte noch Klarheit geschaffen werden. Da aber der Bund die Mittel gibt, ist es vor allen Dingen notwendig, daß er in diesen Träger mit eingeschaltet ist. Es geht mit dem besten Willen nicht so weiter, daß sich die niedersächsische Staatsregierung schon in fünf Kabinettssitzungen mit der Frage befaßt, wie man die Arbeit in Gang setzen will, und zu keinerlei Beschluß kommt. Es kommt darauf an, daß das Projekt sofort in Gang gesetzt wird. Bleiben die Verhältnisse so, wie sie im Augenblick sind, dann wird die Arbeit im Emsraum nicht in Gang kommen.
Wir wissen, daß die Holländer Anspruch auf dieses Gebiet erheben. Sie sagen: Wir haben unsere Kolonien verloren und müssen alljährlich 70 000 Menschen unterbringen, die im eigenen Lande keinen Platz mehr haben. Auf unserer Seite ist die Lage aber noch viel schwieriger - das kam schon zum Ausdruck -, hier sind Millionen von Flüchtlingen, die darauf warten, irgendwie einen eigenen Besitz wieder zu bekommen.
Es ist also erforderlich, daß schnell gehandelt wird und daß nicht alles im Behördenapparat oder an einer Landesregierung hängenbleibt, die sich nicht schlüssig werden kann, wer zuständig und wie die Organisation aufzuziehen ist. Es ist erforderlich, daß die Bundesregierung diese Schwierigkeiten von vornherein ins Auge faßt und hier von vornherein den Träger feststellt, damit das Unternehmen sofort in Gang gesetzt werden kann.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Wir stimmen dem in diesem Antrag niedergelegten Gedanken der Horgabe öffentlicher Mittel zum Zwecke der Kultivierung des Emslandes zu. Aber sowohl die Ausführungen des Sprechers der
Fraktion, die diesen Antrag gestellt hat, wie auch I die Ausführungen des Kollegen aus der SPD-Fraktion geben uns Veranlassung, doch gewisse Sicherungen zu verlangen, ehe wir die Hand dazu hergeben, öffentliche Gelder für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Wir sind mit Ihnen von der SPD der Meinung, daß alles getan werden muß, um zu verhüten, daß diese zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel privaten Bodenspekulanten in den Rachen geworfen werden. Wir sind der Meinung, daß als Träger dieser Meliorationsarbeit das Land und die hinter ihm stehende parlamentarische Vertretung als Kontrollorgan eingesetzt werden muß. Wir sind darüber hinaus der Meinung, daß das gewonnene Land gemäß der Begründung des Antragstellers den landarmen Bauern und in erster Linie den Flüchtlingen kostenlos zur Verfügung gestellt werden muß, nachdem die wirkliche Bodenreform, die Agrarreform, nicht ohne aktive Mitarbeit der entscheidenden Kräfte auch hier in diesem Hause zerschlagen worden ist.
Etwas anderes. Wir denken auch an die Arbeiter, die diese Arbeiten in der Zukunft machen sollen. Wir sind der Auffassung, es muß dafür gesorgt werden, daß bei dieser Arbeit nur freie Arbeitskräfte mit tariflicher Entlohnung beschäftigt werden dürfen.
({0})
- Aber es gibt Pläne, sehr verehrter Herr Kollege, in der Richtung der Schaffung des Arbeitsdienstes, und es gibt eine Praxis, die darin besteht, daß man zu solchen Arbeiten Strafgefangene einsetzt.
({1}) Aber es gibt Möglichkeiten - der Herr Dehler ist nicht da -, die ja schon einmal von seinem großen Vorgänger ausgewertet worden sind, der auch am Versuch der Vernichtung der KPD sich den Hals gebrochen hat. Es gibt Vorgänge, die beweisen, daß man für diese gesundheitsschädlichen Arbeiten mit Lust und Liebe politische Gefangene einsetzt.
({2})
- Was regen Sie sich auf? Sind Sie der Auffassung, daß ich einen falschen Standpunkt vertrete, wenn ich die Forderung erhebe, daß nur Arbeiter in einem freien Arbeitsverhältnis dort eingesetzt werden dürfen? Was haben Sie dagegen? Sie sind doch sonst so ein „christlicher" Sozialpolitiker, Herr Zwischenrufer!
({3})
Hier ist das Moorsoldatenlied . erwähnt worden. Geschaffen hat es einer von uns. Gesungen worden ist es mit einem bestimmten Schlußsatz. Und der Schlußsatz heißt: „Dann ziehn die Moorsoldaten nicht mehr mit dem Spaten ins Moor."
({4})
„Nicht mehr mit dem Spaten ins Moor", das haben unsere Brüder in einer Zeit gesungen, in der Sie aktiv hinter dem Faschismus gestanden haben
({5})
oder in der Sie bestenfalls ihm gegenüber in Abwartestellung gestanden haben. Diese Männer
({6})
aber haben an den Sieg unserer Sache geglaubt. Das sage ich an die Adresse des Herrn Dehler, der am vergangenen Samstag noch über gewisse Pläne im Auftrag seines großen Brotgebers, der USA, gesprochen hat.
({7})
Herr Abgeordneter Renner darf ich Sie einmal unterbrechen. Wenn Sie von „Herrn Dehler" sprechen - Sie meinen wohl den Herrn Justizminister ({0})
und sagen wollen, daß dessen Brotgeber die USA seien, so seien Sie sich darüber klar, was Sie damit sagen. Der Herr Minister ist von diesem Hause gewählt worden wie alle anderen auf der Grundlage einer demokratischen Verfassung. Ich möchte Sie also bitten, mit solchen Ausdrücken Zurückhaltung zu üben.
Das ist eine Auffassungsfrage. Ich bin der Auffassung, daß diejenigen, die das Verbot der Kommunistischen Partei fordern, das im Interesse des USA-Monopolkapitals und der Kriegshetze tun.
({0})
Man muß die Kommunistische Partei verbieten; wenn man den Krieg vorbereitet, dann muß man sie verbieten.
({1})
So liegen die Dinge.
Ich bin darüber hinaus der Auffassung, daß für die dort einzusetzenden Arbeiter ausreichende
Wohnräume, Unterbringungsräume, geschaffen werden müssen, damit sie nicht etwa in neuen KZs zusammengezogen werden.
({2})
- Buchenwald ist kein KZ gewesen, Herr Strauß; das sollte sogar Ihrer Intelligenz langsam aufgegangen sein.
({3})
Ich bin darüber hinaus der Auffassung, da man ja wahrscheinlich beabsichtigt, dort Arbeiter in größerem Umfang einzusetzen, die ihre Familien dorthin nicht mitnehmen können, daß man auch bei Regelung der tariflichen Entlohnung dafür zu sorgen hat, daß Trennungszulagen für die Familien gegeben werden.
Unter diesen Voraussetzungen stimmen wir der Hergabe öffentlicher Mittel für die Kultivierung des Emslandes zu.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Glasmeyer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst einmal ein kurzes Wort in eigener Sache. Im Laufe der vorigen Woche ist mir an dieser Stelle ein Lapsus linguae entschlüpft.
({0})
Sollte ich durch diese Äußerung das feinfühlige Gehör oder irgend sonstige Gefühle meiner verehrten Zuhörerinnen und Zuhörer verletzt haben, dann bitte ich als Mann von Ehre und Anstand hiermit um Entschuldigung.
({1})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag meiner Herren Kollegen Eckstein und Genossen findet die stärkste Beachtung und die vollste Zustimmung der Zentrumsfraktion. Im Emsland kann tatsächlich noch viel geschehen. Der Herr Kollege Eckstein ist mit seinem Gute Hengemühle genau so gut wie ich mit meinem Hofe SchulteElte direkter Emslandanlieger. Die Verhältnisse sind uns also dort durchaus bekannt.
Wenn ich in meiner Jugendzeit bei meinen Verwandten und Bekannten im Emsland vorsprach und die dortigen Bauern fragte, warum im Emsland nichts zur Kultivierung der Moore geschieht, dann wurde mir immer gesagt: Ja, mein lieber Glasmeyer, das kommt vom preußischen Vogel. Der preußische Adler hat Schmacht; er „gapt" so, sagten die Bauern dann, und sie wollten damit bekunden, daß der preußische Steuerfiskus zwar aus diesem Gebiet viel herausziehen wollte, daß er aber nicht gesonnen war, für dieses Gebiet auch einigermaßen etwas anzulegen.
Nun ist allerdings in den letzten Jahren hier manches geschehen. Ich kann mich sehr gut entsinnen, daß vor etwa 20 Jahren der preußische Landwirtschaftsminister Steiger die Kultivierung der Emsmoorlande in Angriff genommen hat. Es sind damals sehr gute Vorarbeiten geleistet worden. Es sind auch, wie ich mich selber überzeugt habe, sehr gute Vorfluter geschaffen worden. Allerdings hat mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus diese Arbeit nachgelassen. Zwar hat die jetzige Mooradministration einige gute Siedlungen geschaffen. Aber immerhin ist das erst der Anfang, und wir müssen vom Bund aus das Ende beschleunigen. In diesen Gebieten, meine Damen und Herren, wohnt ein Volksschlag, der so arbeitsam und wiederum so bieder und treu ist, wie wir ihn kaum irgendwo finden. Hier kann man die alten Sitten, die alten Gewohnheiten antreffen. Das alte Brauchtum und das Familienleben stehen in höchster Blüte.
Meine Damen und Herren, ich habe noch einen anderen Wunsch. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich Emsanlieger bin. Zwar ist der Emsfluß kein Fluß so groß wie der Rhein. Aber er hat seine Tücken. Ich kann Ihnen verraten, daß von meinem Erbe in den letzten Jahrzehnten rund 10 Morgen abgespült worden sind. Diese abgespülten Sandmassen werden dann von den Emsfluten auf die guten Weiden und Wiesen verstreut, die versanden und unfruchtbar werden. Ebenso wird durch die Emsfluten und die Überströmungen das gute Ackerland versandet, und die Bodenkrume wird weggeschwemmt. Es wäre zu überlegen, ob von seiten des Bundes nicht Schritte unternommen werden könnten, um die Ems wie die anderen deutschen Flüsse zu regulieren, einzudeichen und eventuell schiffbar zu machen.
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, für den Antrag der Kollegen Eckstein und Genossen einzutreten und im Interesse unserer gesamten deutschen Volkswirtschaft die Kultivierung der Ödländereien zu beschleunigen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dannemann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die hier zur Debatte stehende Vorlage geht in ihrer Bedeutung weit über den Rahmen des Emslandes hinaus. Wir alle kennen die großen Sorgen, die uns die Versorgung des deut({0})
sehen Volkes mit Nahrungsmitteln bereitet, insbesondere im Hinblick auf das Jahr 1952. Wir kennen die Schwierigkeiten bezüglich der Unterbringung der großen Zahl von Flüchtlingen, der Beseitigung der Arbeitslosigkeit, der Gründung neuer Existenzen usw. Das Hohe Haus hat sich in den letzten Wochen wiederholt mit allen diesen Fragen befaßt und die entsprechenden Maßnahmen eingeleitet. Auf landwirtschaftlichem Gebiete versucht man, durch Flurbereinigung, Bodenreform, Flüchtlingssiedlungsgesetz, Mechanisierung und andere Maßnahmen der Schwierigkeiten Herr zu werden. Sie alle werden zweifellos zum Teil zu einer gewissen Entlastung führen. Sie alle aber befassen sich mit Ländereien, die bereits in Kultur sind, bei denen es sich lediglich darum handelt, durch andere Nutzung oder durch andere Aufteilung eine Änderung herbeizuführen.
Wie ganz anders liegen doch die Verhältnisse bei dem hier zur Debatte stehenden Emslandprogramm. Wir sprechen so oft vom Volk ohne Raum und wissen gar nicht, welche großen Möglichkeiten und wieviel Raum überhaupt in unserem eigenen Land vorhanden sind. Wir kennen gar nicht die Möglichkeiten der zusätzlichen Erzeugung. Wir kennen nicht die Möglichkeiten der zusätzlichen Unterbringung einer großen Zahl von Menschen. Wer einmal Gelegenheit gehabt hat, mit eigenen Augen die Weiten des Emslandes kennenzulernen - die Mitglieder des Grenzlandausschusses waren bereits dort, und die Abgeordneten aus dem Lande Niedersachsen kennen nur zur Genüge diese unendlichen Weiten des Emslandes der wird sich unwillkürlich die Frage vorlegen müssen, weswegen hier in der Vergangenheit nicht schon etwas Grundsätzliches geschehen ist.
41 Man brauchte nur vor einigen Jahren einmal an der deutsch-holländischen Grenze auf dem bekannten Hasselberg zu stehen und seinen Blick nach Westen, nach Holland zu richten und auf der anderen Seite nach Osten, nach Deutschland, dann konnte man da feststellen, daß zwar derselbe Boden, dasselbe Klima vorhanden ist, nur mit dem einen gewaltigen Unterschied, daß auf holländischer Seite dank einer weisen vorausschauenden Staatsführung sämtliches Ödland bereits in Kultur genommen worden ist, blühende Felder entstanden sind und eine gesunde Wirtschaft aufgebaut werden konnte, während auf deutscher Seite, so weit das Auge überhaupt reichte, nichts anderes festzustellen war als Moor, Ödland und Armut.
Nicht weniger als 100 000 Hektar, also 400 000 Morgen, liegen heute noch im Emsland brach, das ist ein Viertel der gesamten Fläche im Emsland überhaupt. Aber auch die übrigen bereits in Kultur genommenen Ländereien und die im Emsland vorhandenen Ortschaften und Städte sind derart dem Verkehr verschlossen, daß hier unbedingt etwas geschehen muß. Während zum Beispiel in der britischen Zone auf 1 qkm etwa 220 Menschen ernährt und versorgt werden müssen, beträgt die Bevölkerungsdichte in Emsland auf 1 qkm heute noch nur 59 Personen.
Bereits mehrmals ist in der Vergangenheit versucht worden, das Emsland der Kultur zu erschließen erstmalig im Jahre 1870, als Preußen mit einem Kostenaufwand von etwa 50 Millionen Mark die linksemsischen Kanäle erbaute. Aber mit dem Bau von Kanälen allein kann man ein Gebiet nicht erschließen, sondern ein Gebiet läßt
sich nur erschließen, wenn im Anschluß daran gleichzeitig die Besiedlung und Kultivierung des Landes vorgenommen wird, wenn gleichzeitig Wege, Straßen und Bahnen in dieses Gebiet hinein gebaut werden.
1924 wurde zum zweiten Mal das Emslandprogramm in Angriff genommen, und zwar damals zunächst auf dem Wege eines eigens zu diesem Zweck gegründeten Zweckverbandes, dem im Jahre 1927 Preußen folgte. Durch Einsatz von Häftlingen, durch Einsatz von Strafgefangenen und später durch Einsatz des Arbeitsdienstes sind in den nächstfolgenden Jahren nicht unerhebliche Flächen in Kultur gebracht worden. Immerhin konnten durch diese Maßnahmen jährlich etwa 350 Hektar an Staatsflächen neu kultiviert und etwa 2000 Hektar an bäuerlichen Flächen erschlossen werden. An sich erfreulich und doch im Endergebnis absolut unbefriedigend!
Es ist daher auch gar nicht verwunderlich, wenn Holland in einem besonderen Memorandum dieses Gebiet für sich beansprucht hat mit dem Hinweis darauf, daß Deutschland in der Vergangenheit nicht fähig gewesen wäre, Land in größerem Umfang zu kultivieren, und Deutschland auch in Zukunft nicht in der Lage sein würde, dieses Gebiet der Kultur zu erschließen. Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß es sich hier gleichzeitig um eine außerordentlich wichtige außenpolitische Frage handelt.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich dann die Tatsache, daß wir im Emsland mit das wichtigste Ölvorkommen überhaupt im Bundesgebiet haben.
({1})
Herr Abgeordneter, einen Moment! - Darf ich an das gesamte Haus die Bitte richten, die Privatgespräche in Moll und nicht in Dur zu führen.
({0})
Ich sagte, daß wir im Emsland mit die wichtigsten Ölfelder haben, die wir überhaupt im Bundesgebiet besitzen. Unsere 01-felder werden im Jahre 1952/53 in der Lage sein, etwa die Hälfte des deutschen Bedarfs zu decken, wovon den Hauptanteil das Emsland liefern wird.
Wenn die Kultivierung des Emslandes in dem bisherigen Umfang fortgesetzt werden soll, werden wir etwa 40 bis 50 Jahre brauchen. Sie werden mir zugeben müssen, daß wir unter dem Druck der Verhältnisse und in Anbetracht der vorhandenen Tatsachen uns diesen Zeitraum einfach nicht erlauben können. Wir werden hier also grundsätzlich einen Wandel herbeiführen müssen. Man darf aber nicht wieder in den Fehler der Vergangenheit verfallen, zu glauben, durch Inangriffnahme von Teilaufgaben mit diesem Problem fertig zu werden. Es darf auch nicht wieder der Fehler gemacht werden, daß man der Auffassung ist, daß politische Kreise, Landesgrenzen gleichzeitig die Grenze von Landeskulturarbeiten sein müssen. Denn ein Fluß und ein Überschwemmungsgebiet machen nun einmal an einer politischen Kreisgrenze nicht halt, sondern gehen darüber hinaus. Infolgedessen darf das ganze Emslandprojekt sich nicht nur auf die vier Emslandkreise erstrecken, sondern es muß darüber hinausgreifen auf die benach({0})
barten Kreise Cloppenburg, Bersenbrück und Teile des Kreises Vechta, jedenfalls soweit das Hasegebiet in Frage kommt, weil nur dann im Endergebnis der Erfolg überhaupt eintreten kann.
Aus allen diesen Gründen mögen Sie bereits entnommen haben, daß wir es in Emsland mit einem außerordentlich wichtigen Programm zu tun haben, daß nicht, wie hier von einigen Rednern bereits herausgestellt worden ist, etwa eine politische Tendenz damit verfolgt wird, sondern es handelt sich hier um eine nationale Aufgabe, die das ganze deutsche Volk angeht. In gemeinsamer Arbeit und in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Problems haben daher in den letzten Monaten und Wochen das Land Niedersachsen, die Landwirtschaftskammer Weser-Ems und das emsländische Landvolk sich eingehend dieses Problems angenommen und ein sogenanntes Zehnjahresprogramm aufgestellt, das im einzelnen folgende Ziele verfolgt. In diesem Zehnjahresprogramm wird gefordert: die verkehrsmäßige Erschließung durch Eisenbahn, Straßen und Wege; die landwirtschaftliche Aufschließung, Kultivierung und Besiedlung; die Aufforstung und Flußregulierung, Eindeichungen einschließlich des Baues einer Seeschleuse in Papenburg; die Ansetzung einer großen Zahl von Gewerbetreibenden, Flüchtlingen, Vertriebenen und Landarbeitern einschließlich Errichtung von Werken für die Veredelung, für die Verarbeitung landwirtschaftlicher Veredelungsprodukte; ferner - das bitte ich besonders zu beachten - der Bau eines großen Kraftwerkes auf Torfgrundlage, auf Grundlage eines Stoffes, der ja im Emsland in Riesenmengen vorhanden ist - nach den guten Erfahrungen, die wir mit einem ähnlichen Werk in Wiesmoor gemacht haben -; dann die Förderung der Erdölindustrie und die Förderung der bereits ansässigen Textilindustrie; damit zusammenhängend selbstverständlich auch die kulturelle Förderung des Gebietes durch Bau von neuen Volksschulen, Berufsschulen und Landwirtschaftsschulen sowie durch alles, was damit zusammenhängt. Ziel soll sein - das bitte ich zu beachten -, im Laufe von zehn Jahren in diesem gewaltigen Gebiet etwa 10 000 Hektar Staatsflächen und nicht weniger als 50- bis 60 000 Hektar bäuerliche Flächen der Kultur zu erschließen und zu besiedeln. Das heißt, im Endergebnis werden nach Durchführung dieses Plans 2000 neue Bauernstellen, 1000 landwirtschaftliche. Kleinsiedlungen und nicht weniger als etwa 10 000 Anliegersiedlungen entstanden sein. Hand in Hand damit werden die entsprechenden gewerbliche Betriebe erstellt werden müssen. Praktisch würde das bedeuten, daß nach Durchführung dieses Planes die landwirtschaftliche Nutzfläche im Emsland um etwa 50% und die Forstfläche um etwa 40% vergrößert wird.
In diesem Zusammenhang ein kurzes Wort zur Aufforstung überhaupt. Wenn irgendwo im Bundesgebiet die Aufforstung eine Bedeutung hat, dann ist es zweifellos im Emsland der Fall. Es handelt sich nicht nur um die Neuaufforstung, sondern wir werden im Zuge dieses Plans in sehr großem Umfang ebenfalls Windschutzanlagen erstellen müssen, um den verheerenden Sandverwehungen und den Nachtfrostgefahren entsprechend vorzubeugen. Eine Aufforstung von
mindestens 20 000 Hektar wird die unterste Grenze sein.
Man hat ausgerechnet, daß, wenn der Plan zur Verwirklichung gebracht wird, wertmäßig jährlich für mindestens 35 Millionen DM mehr erzeugt werden kann.
Zusammenfassend darf ich sagen, daß es sich hier, wie Sie aus diesen Ausführungen entnommen haben werden, wirklich nicht um eine Aufgabe des Emslandes, sondern um eine Aufgabe allerersten Ranges handelt, eine Aufgabe, die das gesamte deutsche Volk angeht. Hier kann man wirklich praktische Siedlungspolitik betreiben. Eine Bodenreform, nach diesen Grundsätzen durchgeführt, wird zweifellos zu ganz anderen Erfolgen führen, als wenn man durch Aufteilung und Zerschlagung größerer Betriebe lediglich eine andere Nutzung durchführt, die sogar in gewissem Umfang den Ertrag noch schmälern kann. Hier lassen sich praktisch Flüchtlinge in großer Zahl ansetzen, viel mehr als nach dem Beispiel der sogenannten wüsten oder auslaufenden Höfe. Hier im Emsland lassen sich in großer Zahl Landarbeiter, nachgeborene Bauernsöhne, Gewerbetreibende und andere Betriebe ansiedeln; hier kann man neue Existenzen schaffen. Nur allzulange haben wir in Deutschland unseren Blick nach dem Ausland gerichtet und unsere Hilfe immer nur im Ausland gesehen. Nur allzuoft haben wir die eigenen Kräfte des Bodens und die eigene Kraft vergessen. Besinnen wir uns auf diese Kräfte!
So möchte ich zum Schluß an das Hohe Haus die Bitte richten, in diesem Emsland-Programm keine lokalen Interessen vertreten zu sehen und auch nicht irgendeine politische Tendenz in das ganze Problem hineinzulegen. Hier handelt es sich vielmehr erstmalig um ein großzügig angelegtes Programm und um die Beschreitung neuer Wege. Es handelt sich um ein Programm. das in seiner Enddurchführung letzten Endes nur dem gesamten deutschen Volk zugute kommen kann. Die FDP steht daher voll und ganz hinter dem Antrag des Abgeordneten Eckstein und möchte nur wünschen, daß das gesamte Haus sich einmütig zu dieser Auffassung bekennt.
({1})
Es haben sich noch zwei Redner zur Sache und ein Redner zu einer persönlichen Bemerkung gemeldet. Die vorgesehene Gesamtredezeit von 30 Minuten ist bereits erheblich überschritten. Ich darf infolgedessen an die nachfolgenden Redner den dringenden Appell richten, sich kurz zu fassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle Redner, die zur Sache gesprochen haben, haben in Unterstützung dieses Antrags wertvolle Hinweise, aber auch wertvolle Mahnungen gegeben. Ich möchte die Mahnung des Kollegen Ohlig aufgreifen und sagen, daß mit allen Mitteln versucht werden muß, eine Bodenspekulation irgendeiner Art zu verhindern. Aber es muß auch versucht werden, die zweitrangige Stellung des Bauernlandes gegenüber dem Staatsland zu beseitigen. Ich darf noch einmal darauf hinweisen, daß dieses Emsland-Projekt nicht nur eine agrarische Aufgabe, sondern ebenso eine
({0})
Siedlungsaufgabe im Interesse der Handwerker und der gewerblichen Wirtschaft ist.
Um die vielleicht noch vorhandenen letzten Widerstände bei dem einen oder anderen zu beseitigen. möchte ich noch folgendes sagen. Das Emsland-Projekt ist wegen der großen Möglichkeiten, die es bietet, fraglos populär. Aber es ist auch dazu da, gewisse Ungerechtigkeiten der Vergangenheit zu beseitigen. Das möchte ich an einem Beispiel klarmachen. Als die Ems noch nicht schiffbar war, bestand in dem Gebiet der Ems der Raum vorwiegend aus normalen oder aus Ödländereien. Nach Schiffbarmachung der Ems entstand ein großes Überschwemmungsgebiet.
Ein anderer Hinweis: Die Kanäle, die besonders in den oldenburgischen Mooren angelegt worden sind. waren dazu da. die Moorgebiete zu entwässern. In der Zwischenzeit hat man sich entschlossen. aus diesen Knien Schiffahrtswege zu machen. Durch diese Schiffbarmachungen hat das gesamte Land. enorm gelitten. Diese Schäden wiedergutzumachen, ist nach meiner Meinung eine Aufgabe, zu der wir alle beitragen müssen.
Ich möchte die Bitte meiner Vorredner unterstützen. daß wir zu einer möglichst einstimmigen Annahme dieses Antrages kommen.
({1})
Präsident Dr. Köhler Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({2}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine politischen Freunde möchten diesem Antrag, so wie er hier vorgebracht worden ist. voll und ganz zustimmen. Lassen Sie mich lediglich auf zweierlei hinweisen.
Einmal steht in diesem Antrag, daß ERP-Gelder in besonderem Umfange zur Erschließung dieses so ungemein wichtigen Landes herangezogen werden sollen. Wir wollen hoffen, daß die ERP-Gelder, die hierfür herangezogen werden, unter etwas anderen Bedingungen herausgegeben werden, als das sonst allgemein bei der rein bankmäßigen Behandlung dieser Kredite der Fall ist.
Besonders möchte ich die Aufforderung des Kollegen Dannemann unterstreichen, hier in diesem Emsland eine große Aufforstung durchzuführen. Ich glaube, daß durch eine entsprechende Aufforstung gegen Wind und zur Haltbarmachung des Landes viele von den Schäden bereits beseitigt oder gelindert werden könnten, die hier eben der Vorredner aufgezeigt hat.
Wenn Herr Kollege Renner allerdings die Befürchtung aussprach, daß hier wieder Moorsoldaten in Aktion treten könnten, meine Damen und Herren, glaube ich, daß dieses Gebiet - so unpopulär oder langsam populär werdend die Sache ist - doch für einen Arbeitsdienst in irgendeiner Form geeignet sein sollte. Es brauchen in keiner Weise irgendwelche KP-Leute zu sein, die dort von Herrn Justizminister Dr. Dehler hingebracht werden könnten, sondern es sind so viele junge Menschen, die sich freuen würden, in einem Arbeitsdienst - oder wie wir es sonst nennen - in diesem Gebiet wesentliche Aufbauarbeit leisten zu können.
({3})
Meine Damen und Herren, ich schließe damit die Sachberatung und gebe Herrn Abgeordneten Eckstein noch das Wort zu einer kurzen persönlichen Bemerkung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Kollege Ohlig hat vorhin das Sekretariat Emsland erwähnt. Ich möchte dazu folgendes erklären.
Mein Kollege Herr Dr. Povel und ich sind die direkt gewählten Abgeordneten des Emslandes. Wir haben uns damals in Bonn ein Büro zugelegt, wie es viele Abgeordnete auch getan haben.
({0})
- Auf eigene Kosten natürlich! Dieses Büro haben wir „Emsland" genannt. Wir haben bestimmt keine dunklen Machenschaften in diesem Büro ausgedacht, im Gegenteil, wir sind der Meinung, daß dieses Büro allen Parteien zugänglich ist und auch allen Parteien dient.
({1})
Wir sind ferner der Meinung, daß wir mit unseren Herren Kollegen von der SPD hier ganz auf einer Linie arbeiten können. Wir wollen keine Spekulation, wir wollen eine Gemeinschaftsarbeit von Bund, Land und Kreisen.
({2})
Meine Damen und Herren! Ich erkläre die Beratung über die Drucksache Nr. 762 für geschlossen.
Wer für die Drucksache Nr. 762 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir kommen jetzt zu Punkt 2 der Tagesordnung zurück:
Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag
der Fraktion der SPD betreffend Zuckersteuer ({0}).
Ehe ich dem Herrn Berichterstatter das Wort erteile, möchte ich noch darauf aufmerksam machen, daß wir im Ältestenrat vorgesehen hatten, lediglich die Berichterstattung entgegenzunehmen. Dann soll ohne Aussprache die Beschlußfassung erfolgen. Ich darf das Einverständnis des Hauses insoweit feststellen.
Als Berichterstatter erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Gerstenmaier das Wort.
Dr. Gerstenmaier ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Hohe Kommission hat das Kontrollratsgesetz Nr. 30 entgegen formalrechtlichen Bedenken aufgehoben. Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat daraufhin beschlossen, dem Plenum zu empfehlen, den Antrag der Fraktion der SPD Nr. 634 der Drucksachen als erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Wer für den Ausschußantrag Drucksache Nr. 843 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Fast einstimmig angenommen.
Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung zurück:
Beratung des Antrages der Fraktion der WAV betr. Beseitigung der Preisbindungen für Bier. ({0}).
Meine Damen und Herren! Wir haben im Ältestenrat dafür für die Antragsteller eine Redezeit von 10 Minuten und für die Aussprache 60 Mi({1})
nuten vorgesehen. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Redezeitgestaltung feststellen? - Ich höre keinen Widerspruch. Es ist demgemäß beschlossen.
Wer von den Antragstellern wünscht das Wort?
({2})
- Herr Abgeordneter Loritz, bitte!
Loritz ({3}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zuerst namens der Fraktion der WAV eines feststellen: Unser Antrag auf Herausnahme des Bieres aus der Preisbewirtschaftung bedeutet nicht etwa eine Erhöhung des Bierpreises,
({4})
sondern im Gegenteil eine sofortige Herabsetzung des Bierpreises.
({5})
Es sind sich sämtliche Sachverständige darüber einig, - ({6})
- Herr Präsident! Darf ich jetzt sprechen?
Selbstverständlich haben Sie das Wort. - Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, den Herrn Redner anzuhören.
Loritz ({0}), Antragsteller: Ich bitte, mich nicht zu stören.
({1})
Es sind sich sämtliche Sachverständige darüber einig, daß durch eine Reduktion der Biersteuer, so wie sie der Herr Finanzminister will, allein nichts gewonnen ist, sondern daß endlich einmal eine Freigabe des Bieres aus der ganzen Preisbindung heraus erfolgen muß.
({2})
- Nein, Herr Zwischenrufer, Sie sind sehr im Irrtum, das Bier ist in der Preisbindung nicht frei, ({3})
- nein,
({4})
sondern durch die Festsetzung der Höchstpreisspannen wird eine Herabsetzung des Bierpreises unmöglich gemacht!
({5})
- Ich warte so lange, bis Ihre Zwischenrufer ausgesprochen haben.
({6})
Ich beanspruche aber eine entsprechende Verlängerung der Redezeit, weil ich es mir nicht gefallen lasse,
({7})
hier ständig von Ihnen unterbrochen zu werden. ({8})
- Wenn Sie das Demokratie heißen, haben Sie überhaupt kein Verständnis für Demokratie!
Herr Abgeordneter Loritz, darf ich nochmals historisch aufklärend folgendes bemerken: In dem Parlament der ältesten Demokratie Europas, im englischen Unterhaus, sind Zwischenrufe eine Selbstverständlichkeit.
Loritz ({0}), Antragsteller: Aber nicht so, daß sie den Redner stören!
Oh, wenn Sie das genau verfolgen, in ganz anderem Ausmaß!
({0})
Da ist es sogar bekanntlich so, daß der Redner so lange schweigt, bis der Unterbrechende seine Zwischenbemerkung beendet hat. Das werden mir die Damen und Herren bestätigen. Ich wollte nur darauf aufmerksam machen: es ist nichts Ungewöhnliches. Ich bin deshalb nicht in der Lage, insofern besonders einzugreifen.
Loritz ({1}), Antragsteller: Das werden wir uns dann sehr merken, und wenn Leute von Ihnen reden, werden wir Sie in Zukunft dann so oft durch Zwischenrufe unterbrechen, wie Sie das bei mir getan haben. Bisher waren Sie, Herr Präsident, sehr darauf erpicht, daß Ihre Leute nicht gestört worden sind.
({2})
Ich habe keine „Leute".
({0})
Loritz ({1}), Antragsteller: Ihre Herren von der CDU.
Jedenfalls sind die bisherigen Bierpreise ihren Auswirkungen nach tatsächlich Zwangspreise. Denn diejenigen, die hier eine wesentliche Senkung des Bierpreises bewirken könnten, die großen Brauereien, gehen nicht entsprechend mit den Preisen herunter, solange noch Höchstpreise festgesetzt sind und eine tatsächliche Preisbindung für das Gewerbe besteht. Das möchte ich Ihnen auf Ihre Zwischenrufe antworten.
Es gibt hier nur eine Möglichkeit, nämlich die, das Bier aus der Preisbindung überhaupt herauszunehmen. Es hat sich bei sämtlichen Lebensmitteln und sonstigen Gebrauchsgegenständen gezeigt, daß eine Herabsetzung durch die betreffenden Interessenten so lange nicht erfolgt ist, wie eine Preisbindung bestand.
({2})
-Nein, keineswegs eine Wandlung, sondern nur eine Feststellung von Tatsachen. Nachdem Sie nämlich die wichtigsten Lebensmittel und andere Dinge und Waren aller Art, ja sogar den Hopfenpreis aus der Preisbindung herausgenommen haben, können Sie nicht den Preis für Bier noch einseitig gebunden sein lassen.
({3})
Das ist das, was wir Ihnen zu sagen haben. Wenn Sie schon von einer Preisbindung sprechen
({4})
und sie weiter aufrechterhalten , wollen, dann veranlassen Sie bitte, Herr Zwischenrufer, daß endlich
einmal die Brauer mit ihren Erzeugerpreisen um
acht bis zehn Mark heruntergehen. Das sind dieselben Brauer, Herr Zwischenrufer, die voriges Jahr
schon von der Steuersenkung von 36 auf 27 DM profitiert und diese Senkung für sich eingesteckt ha({5})
ben, während die Wirte und andere gar nichts von dieser Senkung hatten.
({6})
- Ein besseres Bier herausgekommen! Das bißchen Rohmaterial, das hier verwendet wurde,
({7})
macht die Steuersenkung, die durch die Großbrauereien eingesteckt worden ist, jedenfalls nicht wett.
({8})
Es freut mich, daß jetzt endlich der Herr Finanzminister kommt, so daß er hört, was hier vorgetragen wird.
({9})
Ich möchte Ihnen, meine Herren Zwischenrufer, nur eines antworten:
({10})
Als wir, d. h. die Delegation der Gastwirte, bei Herrn Professor Erhard waren,
({11})
- nein, keineswegs nur Herr Sellmayr,
Meine Damen und Herren, ich richte an „meine Leute" doch die Bitte, etwas ruhiger zu sein.
({0})
Loritz ({1}), Antragsteller: - sondern ebensosehr die übrigen Vertreter der Spitzenverbände der Gastwirte, - als also die Delegation beim Herrn Wirtschaftsminister Professor Erhard war,
({2})
hat dieser selbst darauf hingewiesen und uns an Hand von Ziffern erklärt, daß dort, wo für die und die Warengattungen eine Freigabe erfolgt ist, eine Preissenkung eingetreten ist.
({3})
- Durch Ihre Zwischenrufe desavouieren Sie die Stellungnahme Ihres eigenen Wirtschaftsministers, aber merkwürdigerweise nur auf einem Gebiet, nämlich auf dem Gebiet des Bieres! Auf anderen Gebieten denken Sie ganz anders. Jedenfalls hat Professor Erhard selbst erklärt, daß eine Liberierung der verschiedensten Warengattungen sich günstig auf die Preise ausgewirkt habe. Ich kann daher nicht verstehen, daß Sie, meine Herren, ausgerechnet beim Bier von einer solchen Liberierung, also Freigabe nichts erwarten. Ich kann das nicht verstehen, außer wenn ich die Hintergründe untersuchen würde.
({4})
Man hat jetzt verlangt, die Gastwirte sollten von ihrem Schanknutzen etwas abgeben, der sowieso nur sehr geringfügig ist,
({5}) daß die wenigsten damit auskommen können.
({6})
- Jawohl! Er beläuft sich in Bayern auf einen so geringen Betrag, daß heute schon ein großer Teil des bayerischen Gastwirtsgewerbes notleidend geworden ist,
({7})
weil nämlich die Unkosten so hoch sind, daß die Gastwirte mit dieser lächerlich geringen Schanknutzenspanne von 24 DM nicht mehr auskommen können! Damit kann der Gastwirt nicht mehr auskommen bei den heutigen geringen Umsätzen, die so gering geworden sind durch die Riesenarbeitslosigkeit und weiterhin so gering bleiben werden, weil das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung einfach nicht zum Anlauf kommt.
({8})
Fragen Sie mal herum, Herr Zwischenrufer Strauß,
Herr Zwischenrufer Strauß von der CSU, Herr Dr.
Horlacher und andere! Es wundert mich sehr, daß
Sie diese Notlage gerade auch des bayerischen Gastwirtsgewerbes, daß Sie doch immer zu vertreten
vorgeben, überhaupt nicht zu kennen scheinen.
Schauen Sie hinein, wie leer die Säle der Wirte sind.
({9})
Deshalb muß - ({10})
- Ganz richtig, der Bierkonsum muß gesteigert werden,
({11})
und er kann nur dadurch gesteigert werden, daß Sie die Bierpreise radikal heruntersetzen.
({12})
Wir wollen eine Herabsetzung des Bierpreises auf rund 70 Pfennig der Liter. Das wollen wir. Diese Herabsetzung kann aber nur erreicht werden, wenn Sie erstens die Biersteuer ganz gewaltig reduzieren, wobei das, was uns der Herr Finanzminister Schäffer anbot, nämlich 12 Mark für den Hektoliter, reichlich wenig erscheint, und zweitens, indem Sie auch den Riesennutzen, den die Brauereien heute noch haben, ebenfalls weitgehend reduzieren. Daß die Brauereien ganz riesenhafte Gewinne machen, sehen Sie am besten daraus,
({13})
daß der Kurs der Aktien - das müssen Sie einmal vergleichen - der führenden Brauereien, zum Beispiel einer Münchner Aktienbierbrauerei, sich im vorigen Jahr auf 15 DM belaufen hat und heute bereits auf 67 DM angelangt ist. Das dürfte kein Beweis dafür sein, daß die Brauereien nicht etwa mit dem Nutzen weiter heruntergehen könnten.
Im übrigen fragen Sie nur einmal, was Ihnen Direktor Rauch, den Sie, meine Herren von der CSU, sicher alle kennen, bezüglich einer Reduktion des Nutzens der Großbrauereien sagt.
({14})
- Er sagt, daß jederzeit eine Reduktion der Verdienstspanne der Großbrauereien eintreten könnte.
({15})
Diese tatsächliche Reduzierung der Verdienstspanne der Großbrauereien erreichen Sie aber nur durch eine Freigabe des Bierpreises,
({16}) weil dann sofort die Landbrauereien eingreifen können.
({17})
- Nein, Herr Zwischenrufer, solange dieses System
der Höchstpreise, der tatsächlichen Festpreise besteht, so lange gehen die Brauereien nicht herunter.
({18})
({19})
Das tun sie nicht, das ist bei sämtlichen anderen Warengattungen ebenfalls so.
({20})
- Man kann sich nicht bemerkbar machen, weil die Zahl der Zwischenrufe so groß ist und diese Zurufe so laut sind, daß man mit der Stimme nicht mehr durchdringt!
Verzeihung, Herr Abgeordneter, das liegt aber daran, daß Sie die beiden Mikrophone beiseite geschoben haben.
({0})
Ich darf Sie bitten, in die Mitte zu treten, damit Sie ins Mikrophon sprechen; dann wird Ihre Stimme ohne weiteres durchdringen.
({1})
Loritz ({2}), Antragsteller: Sie werden es nicht erreichen, die Debatte auf diese Art und Weise ins Lächerliche zu ziehen, wenn es sich um die Interessen eines großen Teiles der Wirtschaft handelt, meine Herren!
({3})
Es ist außerordentlich bedauerlich, wenn Sie glauben, Anträge, von deren Wichtigkeit ein großer Teil sogar Ihrer Wähler überzeugt ist, mit solchen Dingen ins Lächerliche ziehen zu können.
({4})
- Ich glaube, ich habe sehr sachlich gesprochen, meine Herren!
({5})
Solange Sie jedenfalls das System der tatsächlichen Höchstpreisbindung haben, solange werden die Brauereien nicht hergehen, sich gegenseitig Konkurrenz zu machen.
Und zweitens: Sie wollen hier eine Preisbindung ausgerechnet beim Bier beibehalten,
({6}) nachdem Sie diese Preisbindung bei anderen Warenarten schon lange aufgehoben haben.
({7})
- Nein, das ist nicht etwas ganz anderes! Ich sehe nicht ein, warum Sie die Preisbindung bei Hopfen aufheben, nicht aber umgekehrt die Preisbindung beim Bier.
({8})
- Nein, Herr Dr. Horlacher, soviel wie Sie verstehe ich nicht vom Trinken, das steht fest.
({9})
Soviel wie Sie verstehe ich vom Trinken nicht,
({10})
aber über die Wirtschaftslage glaube ich richtig informiert worden zu sein,
({11})
und ich glaube, auch die Verhältnisse, wie sie auf diesem Gebiet herrschen, durch eigene Beobachtung genau zu kennen. Wenn Sie sich bei den Arbeitsämtern erkundigen würden und hören würden, wieviele Arbeitskräfte heute bereits ausgestellt werden müssen, weil die Wirte einfach nicht mehr in der Lage sind, sie durchzuhalten, eben wegen der wahnsinnig geringen Einnahmen dieser Wirte, die auch von den Betriebsräten in den entsprechenden Unternehmungen selbst festgestellt worden sind, wenn
Sie das alles wüßten, dann würden Sie nicht die ganze Zeit versuchen, die Sache mit Ihren höhnischen Bemerkungen ins Lächerliche zu ziehen.
Herr Abgeordneter Loritz, Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Loritz ({0}), Antragsteller: Ich möchte Ihnen hier noch eines erklären: es ist geradezu unerhört, wenn man verlangt, daß die Wirte jetzt schon um 6 DM herabzugehen hätten, während die Großbrauer ihre Spanne nur um 3 DM herabsetzen sollen.
({1})
Das ist, volkswirtschaftlich gesehen, vollkommen unsinnig. Die Wirte können mit dem sowieso schon ganz minimalen Schanknutzen erst dann herabgehen, wenn der Umsatz sich nachweislich entsprechend erhöht. Erst dann ist es ihnen möglich, vorher nicht.
({2})
So, wie Sie es wollen, durch diese verhältnismäßig geringe Preisreduktion, die durch die spätere Steuersenkung und durch das Herabsetzen der Spanne um 3 DM für die Großbrauereien eintreten würde, werden Sie den Absatz nicht in dem notwendigen Umfang steigern können, sondern Sie werden nur eines erreichen, nämlich das gesamte Gastwirtsgewerbe zu ruinieren! Sie werden erreichen, daß ein für die gesamte Volkswirtschaft unentbehrliches Gewerbe - und das ist das Gastwirtsgewerbe - restlos kaputtgeht! Schließlich wird sich das aber schädlich gerade auch für die Brauereien selbst auswirken, die anscheinend vergessen haben, was Henry Ford den Großindustriellen in e seinen Schriften empfohlen hat: sie sollten möglichst große Einnahmen erzielen nur durch einen möglichst geringen Nutzen bei möglichst großem Umsatz. Das soll man diesen Großbrauereien entgegenhalten. Die Wirte werden sofort bereit sein, - ({3})
Herr Abgeordneter Loritz, darf ich Sie darauf aufmerksam machen: Ihre Redezeit ist bereits um die Hälfte überschritten. Ich habe das mit Rücksicht auf die Unterbrechungen zugelassen, darf Sie aber nun bitten, sich im Interesse des gesamten Hauses dem vorgesehenen Schema anzupassen.
Loritz ({0}), Antragsteller: Nur noch einige Sätze! Wenn die Großbrauereien mit der Reduktion wirklich fühlbar vorangehen, werden die Wirte sich anschließen; vorher können sie das nicht. Geschieht das nicht, dann werden Sie das Gastwirtsgewerbe in den Ruin treiben, und dieser Ruin des Gastwirtsgewerbes wird auch dem Verbraucher nichts nutzen, sondern ihm nur schaden, denn letzten Endes wird das zu einer Erhöhung der Preise für Speisen und andere Nahrungsmittel führen.
({1})
Herr Abgeordneter Loritz , ich appelliere jetzt noch einmal an Sie. Mißbrauchen Sie bitte nicht meine Loyalität! Sie haben jetzt 16 Minuten gesprochen statt der im Ältestenrat vorgesehenen 10 Minuten. Ich darf Sie bitten, jetzt sofort zu Ende zu kommen.
Loritz ({0}), Antragsteller: Ich möchte Ihnen eines empfehlen: den Antrag der WAV auf sofortige Freigabe des Bierpreises anzunehmen, wobei wir damit einverstanden sind, wenn dieser Antrag zur eingehenden Beratung an den Ausschuß überwiesen wird. Wir werden uns aber dem widersetzen, daß diese Sache etwa im Ausschuß usque ad infinitum, auf unabsehbare Zeit hinausgezögert wird.
Das ist das, was ich Ihnen namens der WAV zu unserem Antrag sagen wollte.
({1})
Prösident Dr. Köhler: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wönner. 12 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Gewerkschaftler komme ich wohl kaum in den Verdacht, nicht auch das gesamtwirtschaftliche Interesse im Auge zu behalten, die Verbraucherinteressen selbstverständlich voran. Ich habe mich zunächst einmal mit der Frage auseinandergesetzt: ist es denn überhaupt wünschenswert, zu dem von der WAV vorgetragenen Tatbestand jetzt alle Gründe darzulegen, die eigentlich dann erörtert werden müßten, wenn wir die Frage der Biersteuer zu behandeln haben,
({0})
denn das steht mit der Biersteuerfrage in einem nicht zu lösenden Konnex.
({1})
Gleichwohl aber müssen wir uns heute damit auseinandersetzen, und ich habe mich nach all den Gründen gefragt, die Herrn Abgeordneten Loritz dazu bewegen konnten, diesen Antrag hier zu stellen.
({2})
Ich habe keinerlei irgendwie gearteten sachlichen Grund festgestellt.
({3})
Bei all meinen Erwägungen bin ich immer wieder darauf gekommen: er scheint offenbar nur dem Agitationsbedürfnis der WAV zu entspringen.
({4})
Dies dürfte auch durch die Tatsache erhärtet werden, daß es doch erst knapp drei Wochen her ist, seit wir aus dem Munde des Herrn Loritz, auch an dieser Stelle, sehr nachdrückliche Ausführungen über die Reduzierung überhöhter Handels- und Preisspannen gehört haben.
({5}) Das, was er heute will, ist offensichtlich das genaue Gegenteil von dem, was er damals gewollt hat.
({6})
- Herr Kollege Loritz, wir müssen doch bereit sein, die Dinge unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betrachten.
({7})
Seien auch Sie bitte einmal bereit und versuchen
Sie, mir persönlich - nicht dem Hohen Hause, ich möchte die Zeit nicht unnötig aufgewandt wissen - eine plausible Erklärung dafür zu geben, was sich am Bierpreis ändern würde, wenn wir den Höchstpreis beseitigen wollten!
({8})
Dann könnte vielleicht der Fall eintreten, daß er weiter hinaufklettert,
({9})
nicht aber, daß er heruntergeht. Außerdem aber
ist allen Brauereien und allen Wirten nicht die
geringste Hemmung auferlegt, die ihrerseits bereit sind, den Bierpreis jetzt weiter zu senken.
({10})
Wir haben uns mit dieser Tatsache gar nicht auseinandergesetzt, aber ich darf Ihnen. Herr Loritz, von dieser Stelle aus verraten: Während Sie sich um Agitationsdinge bemüht haben, haben wir uns mit dem Finanzminister und mit den Brauereien zusammengesetzt und haben eine schliche Grundlage dafür erarbeitet. wie wir zu einem Preis von 70 Pfennig pro Liter Bier tatsächlich kommen können.
({11})
- Jawohl, darum geht es nämlich ganz allein, um sonst gar nichts.
({12})
Wir sind uns - das darf ich hier bemerken, und für den bayerischen Raum muß ich das einschränkend sagen - mit den Brauereien und auch mit dem Finanzministerium einig darin, wie es geschehen sollte.
Nun ist es sachlich unrichtig gewesen, wenn Herr Loritz hier behauptet hat, es werde den Wirten zugemutet, 16 Pfennig von ihrem Schanknutzen nachzulassen. Das verlangt kein Mensch! Auch wir sind nicht bereit, ihnen das zuzumuten. Auf der anderen Seite darf ich Herrn Loritz bitten, sich einmal die Frage zu überlegen, ob wir es uns bei nur 38 % Umsatz gestatten können, genau dieselbe Zahl von Wirten durchzuhalten, die wir in besten Friedenszeiten durchgehalten haben.
({13})
Es wird eine entsprechende Korrektur durchgeführt werden müssen, und gerade ich, der ich hier als Bayer und auch als guter Bierkonsument spreche,
({14})
möchte doch der Meinung Ausdruck geben, daß nicht alle Wirte in Bauern auch wirklich Wirte sind. Sie müßten das wieder werden. Dann werden sie auch zweifellos den Bierkonsum wieder zu fördern in der Lage sein. Erhöhter Bierkonsum wird auch die Existenz der Wirte sichern helfen.
Und, Herr Loritz, darf ich Sie vielleicht noch auf etwas hinweisen. Ich weiß nicht genau, oh Ihre Vorstellungen noch irgendwie davon beeinflußt sind. Vielleicht ist der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher liebenswürdig genug, knapp auf dieses Thema einzugehen. Wir hatten einmal eine solche Situation, in der Höchstpreise auch zu Mindestpreisen geworden waren. Voriges Jahr hat es Landwirtschaftsminister gegeben, die den Höchstpreis zum Mindestpreis werden ließen, bei den Kartoffeln nämlich, und diejenigen zur Strafanzeige gebracht haben, die diese Preise zu
({15})
unterschreiten bemüht waren. Aber diese Situation ist heute beim Bierpreis nicht gegeben.
Dann allerdings auch ein Wort an den Herrn Bundesfinanzminister. Ich bin dazu schon auf Grund der gestrigen Debatte zur Tabaksteuerfrage veranlaßt. Dabei habe ich nämlich das Gefühl gehabt, daß der Herr Bundesfinanzminister auf einen recht beachtlichen Einwand, nämlich den der Verfassungswidrigkeit der vorläufigen Steuerstundung, nicht ausreichend eingegangen ist. Deswegen muß ich im Zusammenhang mit der Biersteuerreform auch auf diese Frage zu sprechen kommen. Dem Hohen Hause sollte bekannt sein, daß mindestens im Bereich von Bayern eine Anordnung des Finanzministers mit Deckung des Herrn Bundesfinanzministers besteht, wonach den Hausbrauern - Herr Abgeordneter Dr. Horlacher, ich darf Sie bitten, diese Frage zu beachten - schon jetzt eine Biersteuerstundung in der Höhe gewährt wird, daß die Hausbrauer nicht mehr mehr als 60 % der Biersteuer bezahlen; soviel soll sie nach dem neuen, noch nicht existierenden Biersteuergesetz betragen.
({16})
Ich stelle erstens fest: Es wird auf ein Gesetz Bezug genommen, das noch gar nicht existiert. Ich stelle weiter fest: Eine Anordnung ist erlassen worden, deren Verfassungswidrigkeit nicht in Zweifel gezogen werden kann. Und dann darf ich mir in Anlehnung an das, was der Herr Bundesfinanzminister gestern gesagt hat, - ({17})
- Das müßte erst sachlich geprüft werden, ob das wirklich der Fall war. Ich glaube nicht, daß das tatsächlich der Fall ist; denn gerade in den Bereichen, wo die Biersteuerstundung wirksam wird, im fränkischen Raum, bestehen Verhältnisse, unter denen die gewerblichen Brauereien in sehr ernste Schwierigkeiten kommen, wenn nicht eine ausreichende Korrektur durchgesetzt wird.
({18})
- Herr Strauß, veranlassen Sie mich bitte nicht, Ihnen noch klarer zu sagen, worum es geht. Ich bin bereit, es zu tun. Ich habe mich auch bemüht, die Hintergründe zu erforschen, die etwa zu diesem so eiligen Vorgehen Veranlassung gegeben haben könnten, und bin zu dem recht merkwürdigen Ergebnis gekommen, daß es Parteifreunde des Herrn Bundesfinanzministers sind. die diese Wahlkreise zu vertreten haben, in denen die meisten Hausbrauer zu finden sind.
({19})
Ich weise nur auf die Tatsache hin.
({20})
- Ich weiß, dein Wahlkreis ist der zweite unter denen, in denen sich die meisten Hausbrauer finden!
({21})
Wir haben das sehr genau überprüft. Ich möchte aber jetzt nicht mehr sagen. Ich müßte nämlich als den Vertreter des Wahlkreises, in dem die meisten Hausbrauer zu finden sind, eine auch mir sehr hochachtbare Persönlichkeit nennen, möchte es aber vorläufig lieber nicht tun!
({22})
Gestern hat der Herr Bundesfinanzminister im Zusammenhang mit der Zigarrensteuer darauf Bezug genommen, daß es sachlich durchaus begründet gewesen sei, so zu verfahren, wie verfahren worden ist; denn diese notleidende Industrie mußte ja vor dem Zusammenbruch gerettet werden. Dasselbe Argument hoffe ich doch wohl nicht auf die Hausbrauer bezogen hören zu müssen, denn hier handelt es sich nicht um ein Interesse der Verbraucher. Hier handelt es sich einfach um die Bevorzugung einer kleinen Schicht von Bauern. Denn es ist auch in Bayern nicht so, daß ein größerer Teil von Bauern das Hausbraurecht ausübt; es ist ein ungewöhnlich kleiner Bezirk. Aber da sitzen 50 000 Hausbrauer drin.
Ich bitte den Herrn Bundesfinanzminister, darüber Auskunft geben zu wollen, inwieweit diese Maßnahme verfassungsrechtlich gedeckt ist. Im übrigen aber sehen wir keinen sachlichen Grund, dem Antrag des Herrn Abgeordneten Loritz zuzustimmen. Wir bitten, ihn abzulehnen.
({23})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher.
Es kommen, meine sehr verehrten Damen und Herren, in diesem Hause Momente, in denen es schwer ist, sich geistig zurechtzufinden.
({0})
Das kommt mir so vor, als ob ich im Auto durch die Landschaft fahre und komme hier in starke Nebel hinein. Dann denke ich mir: wenn du einen Stock nimmst, dann findest du ja doch nichts; es ist gescheiter, du weichst aus.
({1})
Nun zur Sache. Was ist das Ziel der ganzen Biergeschichte! Wir müssen hier ja auch entsprechend interessiert sein. Das Ziel der ganzen Biergeschichte ist, den Bierkonsum zu steigern und den Bierpreis herabzusetzen. Das ist das Ziel. Es muß mit alien Mittein erstrebt werden, und deshalb gehören bei der Brauerei verschiedene Faktoren zusammen.
Einmal die Brauerei. Wir haben in Bayern sehr viele kleine und mittlere Brauereien, aber in Württemberg und in Norddeutschland weniger. Wir haben aber Hunderttausende von Menschen, die durch die Brauindustrie ihre Beschäftigung und Brot und Arbeit finden. Auf diesen Faktor ist also, damit er sich gedeihlich entwickeln kann, im Gesamtinteresse der Wirtschaft und der dort beschäftigten Arbeiter Rücksicht zu nehmen.
Die zweite Gruppe, die dabei in Frage kommt, sind die Gastwirte. Die interessieren den Herrn Loritz natürlich ganz besonders, weil er glaubt, daß jeder Gastwirt ein guter Agitator für ihn werden könnte.
({2})
Während er da anscheinend für bestimmte Interessen eintritt, verleugnet er seine ganze Vergangenheit in bezug auf die Höchstpreise und die Preisspannen; das gibt er alles plötzlich auf. Aber in Kulmbach wird er in die Mühle der vernünftigen Leute, die dort tätig sind, hineinkommen, auch der vernünftigen Arbeiterschaft und der vernünftigen Wirte der in Kulmbach bestehenden
({3})
Großbrauereien. Im übrigen weise ich auf die Originalität hin, daß sich hier einer um noch ein Mandat bewirbt, der schon im Bundestag herinnnen hockt; das ist 'der Bevölkerung deutlich genug.
Dann kommt das Interesse der Verbraucher, das Interesse der Biertrinker; das spielt natürlich eine sehr große Rolle.
({4})
- Herr Loritz, wenn Sie darauf hinweisen, daß ich zu der Kategorie gehöre, dann irren Sie sich momentan, denn ich habe früher zuviel Bier getrunken und kann heute keins mehr trinken, leider!
({5})
Aber im Interesse meiner früheren Vergangenheit fühle ich mich bierverbunden. Im übrigen sind Sie ruhig, denn diejenigen, die kein Bier getrunken haben, haben meistens nie zu den vernünftigen Leuten gehört.
({6})
Herr Abgeordneter Horlacher, ich muß doch bitten, in Ihrer generellen Beurteilung dieser Frage nicht ganz so weit zu gehen; denn Sie könnten ehrliche Abstinenten hier im Hause in der Tiefe ihres Herzens treffen.
Die Abstinenten im Hause werden mich schon richtig verstanden haben.
({0})
Dann kommt der nächste Interessent, das ist der Staat, das ist die Biersteuer, das ist der Finanzminister; und es freut mich, daß wir uns jetzt darüber einig sind. Worum handelt es sich? Darum, daß, wenn die Biersteuer gesenkt wird, der Finanzminister absolute Gewißheit haben muß, daß der Bierpreis gesenkt wird. Die Gewißheit muß er haben. Denn sonst hat die ganze Biersteuersenkung keinen Wert. Es war immer so, daß früher drei preisbildende Faktoren da waren: die Biersteuer, der Ganterpreis der Brauereien, der meistens in einem Verhältnis mit den Wirten ausgehandelt wurde, und der Schanknutzen des Wirtes.
Jetzt eine praktische Rechnung. Wir haben auch einen Unterschied zwischen Norden und Süden, aber wir haben ein gemeinsames Interesse: daß der Bierpreis im allgemeinen gesenkt wird. Im Süden haben wir immer einen niedrigeren Bierpreis gehabt und ein höheres Maß als hier heroben, d. h. wir haben mehr getrunken, zweieinhalbmal soviel wie im Durchschnitt des Brausteuergebietes. Deshalb hatten wir einen niedrigeren Schanknutzen und ein anderes Preisverhältnis als anderswo. Das war doch ganz naturgemäß. Deswegen kommen ja die Norddeutschen zu uns herunter, um das nachzuholen, was sie zu Hause nicht entsprechend zur Verfügung haben.
({1})
Deswegen sind wir ja alle - gerade auch die
Norddeutschen - an den niedrigen Bierpreisen
im Süden interessiert; sonst interessiert sie die
ganze Sommerfrische bei uns letzten Endes nicht!
({2})
Und im Norden ist die Geschichte so: da haben wir den verhältnismäßig höheren Preis und das geringere Ausschankmaß, weil man sich immer mit dem geringeren Ausschankmaß über die
Preise hinwegbewegen will. Das bedauern wir. Aber in Norddeutschland gibt es das Ausweichgeleise: den Schnaps, den Grog und alle diese Dinge. Es muß also alles miteinander in Zusammenhang gebracht werden. Aber einig sind wir darin - und das ist das Wichtigste -, daß der Bierpreis zurückgesetzt werden muß.
Nun kommt die große Rechnung. Wir erwarten doch alle miteinander nach dem regnerischen Mai - das ist ein sehr günstiges Wetter - im Interesse der Biertrinker und der Brauereien einen heißen Sommer.
({3})
Wenn der heiße Sommer kommt, und es trinkt einer - jetzt muß ich von bayerischen Verhältnissen ausgehen, das trifft aber für Norddeutschland umgerechnet genau so zu, denn die trinken manchmal mehr als wir -, so wird der, der bisher eine Maß zu einer Mark getrunken hat, wenn sie später 70 bzw. 75 Pfennig kostet, in der heißen Jahreszeit zwei Maß trinken; und wenn er zwei Maß trinkt, dann kann der Schanknutzen, der Abgabepreis der Brauereien entsprechend reduziert werden. Gehen Sie doch die Rechnung nach! Das ist vernünftig, und alles andere ist unvernünftig.
Warum also sollen wir uns mit der Sache beschäftigen? Ich habe kein Interesse daran, und auch meine Partei hat kein Interesse daran, daß wir uns mit einer Sache beschäftigen, die doch noch einmal, und zwar vernünftig erörtert wird, wie der Kollege Wönner schon gesagt hat, bei der späteren Vorlage der Regierung über die Senkung der Biersteuer.
({4})
Da wollen wir uns darüber noch einmal unterhalten. Da wird auch der Herr Finanzminister dazu Stellung nehmen können. Es ist ein Unterschied zwischen Fest- und Höchstpreisen. Doch darüber könnte ich eine Stunde reden; das versteht der Herr Kollege Loritz doch nicht!
({5})
Der Höchstpreis ist in diesem Falle ein Sicherungspreis, damit hier mit dem Bierpreis kein Unfug getrieben werden kann. Dieser Sicherungspreis ist wichtig für alle die Kräfte in der Wirtschaft, die unter dem Höchstpreis bleiben wollen, zugleich aber Sicherung gegen die, die aus irgendwelchen Gründen und Gegengründen über den Höchstpreis hinauswollen. Deswegen haben wir den Wunsch, daß das bei der Biersteuervorlage gründlich erörtert wird. Das wird im Ausschuß geschehen müssen. Deswegen sehe ich nicht ein, daß sich das Hohe Haus aus anderen als nur sachlichen Grünaden vorzeitig mit der Sache beschäftigen soll.
Ich beantrage infolgedessen, mit Rücksicht auf die bald zu erwartende Bierpreis- und Biersteuerdebatte, die auf einer vernünftigen Grundlage geführt werden wird, über diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen; denn mehr verdient er nicht.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Nach dieser etwas mit
({0})
Humor gewürzten Debatte bin ich gezwungen, über ein ernstes Thema zu Ihnen zu sprechen. Der Bundesfinanzminister erhält jetzt ständig Vorwürfe, Verfassungsverletzungen begangen zu haben, und zwar deswegen, weil er in dem ehrlichen Bemühen, wirtschaftliche Notstände zu beheben, im Benehmen mit den jeweiligen gesetzgebenden Körperschaften Stundungen oder Vorgriffe auf künftige Steuersenkungen gewährt hat. Ich habe den Vorwurf gestern bei der Tabaksteuer erhalten und erhalte ihn heute neuerdings, weil ich angeblich einen Vorgriff auf die Steuersenkung bei den bayerischen Hausbrauern vorgenommen hätte.
Ich darf dem Herrn Vorredner sagen: Die Stundung für die bayerischen Hausbrauer erfolgte vor dem 1. April 1950, in einer Zeit, in der die Verwaltung auf dem Gebiet unbestritten in Händen des bayerischen Staatsministeriums der Finanzen lag.
({1})
Das Bundesministerium der Finanzen hat auf die Anfrage hin damals erklärt, daß von seiner Seite aus keine Erinnerung bestehe, und ich hätte
auch jetzt keinen Anlaß, eine sachliche Erinnerung zu erheben.
Nun zur Sache selbst. Ich kenne ja die Geburtsstunde, in der der Antrag Loritz zur Weit kam. Das war die Stunde, in der eine Abordnung der bayerischen Gastwirteverbände hier in dem Hause vorgesprochen und Herrn Abgeordneten Loritz als ihren Fürsprecher gewonnen hat.
({2})
Ich habe damals mit den Herren gesprochen und habe ihnen folgendes erklärt: Wenn ich bereit bin, im Benehmen mit den Ländern, um deren Einnahmen es sich handelt, in eine Biersteuersenkung einzuwilligen, wenn ich insbesondere im Benehmen mit dem Land, das die höchsten Einnahmen aus der Biersteuer bezieht, mit dem Land Bayern dabei vorgehe, so haben Bayern, die Finanzminister der übrigen Länder und der Bundesfinanzminister, wie ich gestern auch schon zum Ausdruck gebracht habe, nur die Absicht, dem kleinen Mann, den breiten Massen in der Verbilligung einfacher Lebens- und Nahrungsmittel helfend beizuspringen, dadurch den Konsum solcher billiger Lebensmittel zu steigern und auf diese Weise einen Wirtschaftszweig, dessen Kapazität in keiner Weise ausgenützt ist, wieder zu vollem Leben zu bringen, totes Kapital in lebendes Kapital umzuwandeln und der Allgemeinheit zu helfen. Dieser Zweck würde nicht erreicht, wenn zwar die Steuersenkung gegeben wird, der ganze Vorteil aber nicht dem Verbraucher, sondern den Zwischenstufen zufließen würde.
({3})
Wenn ich infolgedessen keinen Verhandlungspartner finde, mit dem ich bindende Vereinbarungen
über die künftige Preisgestaltung treffen kann
- bei der Zigarrenindustrie war es anders, da
man dort mit wenigen Kreisen zu sprechen hatte und durch das System der Banderolensteuer die Preissicherung gegeben war -, dann bin ich gezwungen, an dem alten System der Höchstpreise festzuhalten.
Wir waren mit allen Partnern in Deutschland einig, nur nicht mit einem einzigen Verband, dem bayerischen Gastwirteverband.
({4})
Dabei hat der bayerische Gastwirteverband aus einem Irrtum heraus gehandelt. Wenn der bayerische Gastwirteverband gut beraten gewesen wäre und nachgerechnet hätte, was der absolute, nicht der prozentuale Schankgewinn ist, wenn der Biertrinker dasselbe Geld, das er heute für Bier verwendet, auch künftig verwendet und, weil er mit weniger Geld mehr Bier kaufen kann, künftig infolgedessen mehr Bier trinken wird, hätte auch der Verband feststellen müssen, daß sein absoluter Schanknutzen durch die gesteigerte Absatzmenge in keiner Weise berührt wird, sondern bleibt.
({5})
Da eine Sicherung aber gegeben werden muß, eine Einigung zu erzielen jedoch nicht möglich erschien und die Vertreter des Gastwirteverbandes ausdrücklich erklärt hatten, sie würden sich an die Höchstpreise nicht halten, sondern zu einem höheren Preis verkaufen,
({6})
war ich gezwungen, zu erklären: Der Staat wird seine Autorität durchsetzen. Das, was als Ziel vereinbart ist, nämlich die Sicherung eines Bierpreises, die dem Bierverbraucher, den breiten Massen zugute kommt, wird erreicht werden. Wir werden die Höchstpreise, die bisher vereinbart sind, halten. Es ist keinem Menschen in Deutschland verboten, unter dem Höchstpreis zu verkaufen. Wenn jemand die Beseitigung des Höchstpreises will, kann es nur mit dem Ziele erfolgen, über die Höchstpreise hinauszugehen oder sich nicht an das Gesetz zu halten,
({7})
und beides darf nicht geschehen. Eine Steuersenkung, die nicht dem Verbraucher zugute kommt, wäre sinnlos und könnte nicht verantwortet werden.
({8})
Ich bedaure, daß der Antrag Loritz hier letzten Endes störend eingreifen will
({9})
und damit dem Bierverbraucher den Schutz, den die Bundesregierung ihm geben will, verweigern und stören will. Ich muß das Haus bitten, solche Anträge im Interesse einer gesunden Steuer- und Wirtschaftspolitik abzulehnen.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Auch unsere Fraktion bittet Sie, über den Antrag des Abgeordneten Loritz zur Tagesordnung überzugehen; denn es ist wohl kaum mit so wenig Sachverstand über die Lage der Brauereien und der Gastwirte gesprochen worden wie vorhin.
({0})
Ich darf ganz kurz einmal etwas ausführen, was
die Lage dieses Gewerbes schlagartig beleuchten
wird. Wir haben eine durchschnittliche Ausnut({1})
zung der Kapazität der deutschen Brauereien von etwa 35 Prozent.
({2})
Damit sind die Brauereien durchweg auf einem Niveau angelangt, das ihnen tatsächlich die allerschwersten Sorgen bereitet, wie sie weiterhin ihre Arbeitskräfte beschäftigen und einen Ausgleich finden können.
({3})
Herr Loritz, wenn Sie vorhin gesagt haben, man sehe es ja an den Aktienkursen, welche Gewinne dio Brauereien machten, dann scheinen Sie noch nie in ein Kursblatt hineingeguckt zu haben, sonst würden Sie nämlich feststellen, daß zwar alle übrigen Wirtschaftszweige überwiegend größere Kursverbesserungen haben erzielen können, während gerade bei den Brauereien die Kurse noch fast genau so sind, wie sie Ende 1948 waren, und das hat ja wohl schließlich einen Grund.
({4})
- Wie können Sie sagen: Das stimmt nicht!? Ich kann es Ihnen ja vorlesen.
({5})
- Ich kann Ihnen nur das eine sagen. Wenn Sie gerade die Löwenbrauerei in München nehmen, so hat diese am 31. 12. 1948 auf 50 % und am 31. 3. 1950 auf 61 % gestanden und steht jetzt auf 60 %. Das ist im Verhältnis zu allen anderen Wirtschaftszweigen so gut wie gar keine Steigerung.
({6})
Jetzt ist aber nicht nur diese niedrige Ausnutzung der Brauereien zu verzeichnen, sondern die Brauereien haben im Verlaufe des letzten Jahres auch eine erhebliche Steigerung ihrer Produktionskosten erlebt. Die Braugerste ist von 22 auf 28 Mark je Doppelzentner heraufgegangen, und der Hopfenpreis ist von 350 auf einen Betrag zwischen 10u0 und 2000 DM gestiegen. Ich möchte von Ihnen aber nicht den Vorwurf hören, daß das der Landwirtschaft zugute gekommen sei; das hatte ganz andere Gründe. Die Brauereien haben eine Einstandsverteuerung von insgesamt 9 bis 12 Mark pro Hektoliter gehabt. Sie stehen weiter mitten in einer Umstellung ihrer ganzen Absatzgepflogenheiten vom Faß- auf das Flaschenbier und haben dadurch höhere Vertriebskosten. Alle diese Dinge wollen Sie, Herr Loritz, offensichtlich überhaupt nicht wahrhaben. Man kann einen Wirtschaftszweig, der ohne seine eigene Schuld in eine derart kritische Lage gekommen ist, der selber Hunderttausenden von Menschen Brot gibt und der weite Kreise der deutschen Landwirtschaft beschäftigt, doch nicht einfach einer ruinösen Entwicklung und der Zerstörung aussetzen.
({7})
- Das wollen Sie ja doch nur.
({8})
Ich kann Ihnen nur das eine sagen. Es ist hier schon klar genug zum Ausdruck gekommen: der Angelpunkt der ganzen Geschichte ist die Biersteuer. Ich kann für unsere Fraktion nur den dringenden Wunsch ausdrücken, daß die Biersteuersenkung sobald als nur irgend möglich durchgeführt wird;
({9})
denn sie ist das wirklich geeignete Mittel, um die Situation, die hinsichtlich des Bierabsatzes bei den Brauereien und bei den Wirten, die eben wegen des ungenügenden Umsatzes nicht von ihrem
Schanknutzen heruntergehen wollen, gegenwärtig so kritisch ist, mit einem Schlag zu wenden.
Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht noch das eine sagen. Wir haben die feste Überzeugung, daß nach erfolgter Senkung der Biersteuer auch Höchstpreise sehr schnell unterboten werden können. Es wird sich dann erweisen, daß man auch dieser Stütze der Höchstpreise zum Schutze der Verbraucher über kurz oder lang nicht mehr bedürfen wird, genau wie das auf allen übrigen Gebieten der Fall ist.
({10})
Deshalb, weil die Situation im Augenblick aber noch eine ganz andere ist und die Voraussetzung der Biersteuersenkung erst geschaffen werden muß, bitten wir Sie, über diesen völlig unsachverständigen Antrag des Herrn Abgeordneten Loritz zur Tagesordnung überzugehen.
({11})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen nur einige kurze Sätze zu dieser Sache sprechen. Die Debatte hat gezeigt, und die Sprecher, die aufgetreten sind, bürgen auch dafür, daß es sich bei dieser Angelegenheit offensichtlich um eine vorwiegend bayerische Sache handelt.
Es ist heute wieder so recht zur Klarheit geworden, daß wir sicher eine falsche Entscheidung getroffen haben, als wir die Biersteuerangelegenheit nicht zur Ländersache erklärt haben. Wenn wir das getan hätten, wäre diese Frage aus den örtlichen Verhältnissen heraus längst geklärt.
Wir sind auch der Überzeugung, daß diese Reden hin und her eine weitere Klärung des Sachverhalts nicht herbeiführen können. Wir sind ferner der Überzeugung - und das hat ja auch die Debatte bestätigt -, daß hier ein Fragenkomplex zu erörtern ist, der die Verbraucher, die Brauereien und auch die Wirte betrifft und nicht einseitig gelöst werden kann. Wenn der Herr Bundesfinanzminister erklärt hat, daß die Wirte seinerzeit von einer falschen Ansicht ausgegangen seien, so möchte ich dazu sagen, daß es nach unserer Ansicht auch keinen Fortschritt in der Klärung der Gesamtlage bedeutet, wenn man jetzt einfach zur Tagesordnung übergeht. Wir sind vielmehr der Meinung, daß den Gastwirten Gelegenheit gegeben werden muß, nochmals ihre Meinung vorzutragen. Die gesamte Bierpreisfrage wird dann einer raschen Klärung zugeführt werden. Man muß eben diese Gesamtfragen nochmals in einem Ausschuß vordringlich behandeln. Es genügt nicht, die Fragen einzeln zu erörtern, sondern man muß sie im gesamten sehen. Das Versprechen, daß die Biersteuerangelegenheit vorwärtsgetrieben wird, ist den Verbrauchern, den Brauereien und Wirten jetzt schon seit Monaten gemacht worden. Ich habe gehört, daß in der Rede eines Experten schon gesagt worden ist, in der Bierpreisfrage werde durch die Senkung ein Ostergeschenk kommen. Aber bis heute ist die Frage noch nicht vorwärtsgetrieben worden. Wenn aus dieser Debatte nur das eine herauskäme, daß in einem Ausschuß alle zusammenhängenden Fragen erörtert und dabei alle Beteiligen zusammengefaßt würden, die mit ihrer Sachkenntnis zur Lösung der Frage der Biersteuersenkung beitragen könnten, würden wir aus
({0})
dieser Debatte, die eigentlich völlig überflüssig ist, doch noch einen Vorteil ziehen.
Wir sind also der Auffassung, daß der Gesamtfragenkomplex im Zusammenwirken mit allen Beteiligten nochmals im Ausschuß behandelt werden muß, damit diese Frage im Zusammenhang mit allen andern Biersteuersenkungsfragen und so fort beschleunigt einer endgültigen Lösung zugeführt wird. Nur so kommen wir sachlich vorwärts.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Die Angelegenheit hat nicht nur einen bayerischen Aspekt,
({0})
sie hat auch einen etwas allgemeineren Aspekt, nämlich in bezug auf die Frage, ob es überhaupt zweckmäßig ist, eine Preisbindung von Staats wegen aufrechtzuerhalten, die im Rahmen einer Marktwirtschaft an sich systemwidrig ist.
Wenn wir einmal von den bayerischen Belangen auf diese Fragestellung umstellen, dann muß man doch erhebliche Zweifel haben, ob eine solche Preisbindung noch richtig ist. Eine Preisbindung, auch wenn es sich um einen Höchstpreis handelt, führt nicht automatisch, wie die Herren Vorredner zu meinen schienen, die Möglichkeit herbei, daß auch billiger angeboten wird. Eine solche Höchstpreisfestsetzung von Staats wegen hat tatsächlich häufig zur Folge - und es wird behauptet, daß es gerade auf diesem Wirtschaftssektor der Fall sei daß ein privates Kartell zwischen den Beteiligten entsteht. Wenn ein Höchstpreis festgesetzt ist, sagen sich die Beteiligten ganz mit Recht: Dann brauchen wir auch nicht billiger zu verkaufen. Sie empfehlen es ihren Verbandsmitgliedern. Auf diese Art und Weise wird auf dem Wege über die privatrechtliche Vereinbarung unversehens aus einem Höchstpreis auch ein Mindestpreis. Diese Frage zu erörtern ist gar nicht so unwichtig.
Ich bin deshalb durchaus der Ansicht des Kollegen Dr. Besold, daß dieser Antrag im Zusammenhang mit der Biersteuersenkung im Ausschuß einmal eingehend untersucht werden sollte. Denn das Ziel, das der Herr Finanzminister uns hier vorgetragen hat, eine Verbilligung des Bieres, insbesondere insoweit es als flüssiges Brot sich um ein Volksnahrungsmittel handelt, insbesondere also für Bayern, ist durchaus erstrebenswert. Aber wir sind der Ansicht, daß dieses Ziel durch die staatlichen Maßnahmen im Rahmen der Biersteuergesetzgebung besser erreicht werden kann und daß dazu ein Höchstpreis, der in einer Marktwirtschaft nichts zu suchen hat, die Senkung des Preises nur stören würde.
Ich beantrage deshalb namens meiner Fraktion Überweisung des Antrags der WAV an den Ausschuß und bitte gleichzeitig den Herrn Finanzminister, die mit den Interessentenverbänden abgesprochene Regelung als eigenen Regierungsentwurf uns hier alsbald vorzulegen, damit wir dann im Zusammenhang mit der Senkung der Biersteuer gleichzeitig die Frage der privaten Kartellbildung und damit die der Umwandlung von Höchstpreisen in Mindestpreise besprechen können.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache über die Drucksache Nr. 744.
Wir stimmen über den weitestgehenden Antrag ab: Übergang zur Tagesordnung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen damit zu Punkt 5 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der WAV betreffend Senkung der Kraftfahrzeugsteuer ({0});
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rademacher, Dr. Friedrich, Juncker, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend Kraftfahrzeugsteuergesetz ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen zu Punkt 5 a) und b) der Tagesordnung für die Antragsteller eine Redezeit von je 10 Minuten und für die Aussprache eine Redezeit von 60 Minuten vor. Ich darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen. - Es ist so beschlossen.
Wer von den Antragstellern wünscht zu dem Antrag Drucksache Nr. 764 das Wort? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz. Bitte 10 Minuten!
Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß der
Herr Bundeskanzler wahrscheinlich gegen 12 Uhr eine Regierungserklärung zu der gestern nacht erfolgten Radiosendung aus Moskau in Sachen der Kriegsgefangenen abgeben wird. Ich möchte Sie ausdrücklich darauf hinweisen.
Loritz ({2}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihnen liegt der Antrag der Fraktion der WAV vor, eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer um 50 % raschestens durchzuführen. Wir haben diesen Antrag gestellt, weil die Verhältnisse im Kraftverkehrsgewerbe geradezu katastrophal geworden sind,
({3})
und zwar aus einer ganzen Reihe von Umständen. Erstens einmal deswegen, weil am 1. Januar 1950, wie Ihnen wohl bekannt sein wird, eine außerordentlich tief einschneidende Absenkung des Reichskraftwagentarifs erfolgt ist, und zwar im Querschnitt eine Absenkung um 15 %, bei Klasse A um 19,6 %, bei Klasse B um 15 % und bei Klasse C um 12 %. Sie können sich leicht ausrechnen, daß dieser Querschnitt von 15 %, den ich Ihnen soeben vorgetragen habe, stimmt. Die geringfügige Erhöhung der niedersten Klassen im Durchschnitt um 6 %, die gleichzeitig vorgenommen wurde, hat diese massive Senkung um 15 % der ersten drei Klassen so gut wie überhaupt nicht zu korrigieren vermocht. So ist durch diese Senkung der Sätze des RKT, des Reichskraftwagentarifs, bereits eine außerordentliche Minderung des Verdiensterlöses für das gesamte Kraftfahrgewerbe eingetreten. Diese Verminderung hat sich noch weiter dadurch verschärft, daß bisher das große Bauprogramm und das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Regierung so gut wie überhaupt noch nicht ins Rollen gekommen sind, daß die umfangreichen Transporte von Baumaterial, die dieses Beschaffungsprogramm hätte bringen können und bringen müssen, so gut wie überhaupt noch nicht angelaufen sind; und vieles andere dazu.
So hat sich diese Absenkung des Reichskraftwagentarifs in der unheilvollsten Art und Weise
({4})
ausgewirkt. Diese Stagnation des Bauprogramms führte zu einer Stagnation der Transporte, die in manchen Bezirken Deutschlands rund 80 % gegenüber der Ziffer des Sommers des vorigen Jahres beträgt. Rechnen Sie sich bitte aus, welche Verlustziffern hier für das gesamte Kraftfahrgewerbe entstanden sind.
Diese Schädigung des Kraftfahrgewerbes durch die Senkung des RKT ist noch lange nicht alles. Wir haben die Erhöhung des Benzin- und Dieselölpreises vom 1. Januar 1950 an bis zum 30. März 1950 in vollem Umfange mit einer enormen Schädigung des Gewerbes erlebt: 40 auf 60 Pfennig beim Benzinpreis und bekanntlich auf 45 Pfennig beim Dieselölpreis. Diese enorme Erhöhung des Betriebsstoffpreises für das Gewerbe hat sich weiterhin außerordentlich schädlich ausgewirkt. Die ganz knappe Senkung um 5 Pfennig beim Benzinpreis und entsprechend beim Dieselölpreis hat an den riesigen Ausfallsummen, die dem Kraftfahrgewerbe damit entstanden sind, nichts mehr oder fast nichts mehr zu reduzieren vermocht.
Das ist immer noch nicht alles. Die Haftpflicht- und Kasko-Versicherung ist seit dem 1. April 1949 bekanntlich auf Antrag der Versicherungsgesellschaften durch Gesetz um 30 % erhöht worden. Das hat sich ebenfalls außerordentlich verkehrsschädigend ausgewirkt, und vieles, vieles andere noch mehr.
Durch all diese Maßnahmen ist es heute gekommen, daß ein ganz großer Teil des Verkehrsgewerbes - ich rechne ganz gering -, 80 % des Verkehrsgewerbes heute notleidend geworden sind und überhaupt nicht mehr wissen, wie sie ihre Steuern bezahlen sollen. Fragen Sie herum bei den Finanzämtern. Die verzweifelten Stundungsgesuche, die überall bei den Finanzämtern vorliegen, müßten doch den Finanzämtern und auch dem Herrn Finanzminister klar beweisen, daß die Leute tatsächlich ihre Kraftfahrzeugsteuer einfach nicht mehr bezahlen können. Angesichts dieser Situation gibt es nur einen Ausweg, nämlich die Kraftfahrzeugsteuer um mindestens 50 % herabzusetzen. Sonst werden die Verwaltungsunkosten ins Ungemessene wachsen, die allein dadurch entstehen, daß über all diesen sehr wohl begründeten Stundungsanträgen in bezug auf die Kraftfahrzeugsteuer Hunderte und aber Hunderte von Beamten sitzen müssen, wenn sie überhaupt bearbeitet werden sollen. Und darauf hat der Staatsbürger doch wohl ein Recht.
In großen Teilen Deutschlands sind die Finanzämter bereits dazu übergegangen oder gehen dazu über, den Transportunternehmern die Nummernschilder von den Lastwagen herunterreißen zu lassen und sie dadurch brotlos zu machen.
({5})
- Jawohl, wir haben solche Beispiele. Ich habe
sie bereits an eine Reihe von Landesfinanzministern gemeldet. Ich kann Ihnen ohne weiteres
solche Beispiele zur Verfügung stellen, Herr Abgeordneter! Auf diese Weise sind die betreffenden Unternehmer über Nacht brotlos gemacht
worden. So ist heute die Lage im Kraftfahrgewerbe, und zwar für den Fernverkehr genau
so wie für den Güternahverkehr. Ja, für den
Güternahverkehr bis zu 50 km ist es vielleicht
noch schlimmer. Und für die Omnibus-Unternehmer ist es genau so wie für andere Gruppen
des Kraftfahrgewerbes. Es gibt hier nur eine einzige Möglichkeit: Senken Sie bitte die Kraftfahrzeugsteuer um 50 %, bevor das ganze Gewerbe ruiniert wird.
({6})
- Herr Zwischenrufer, wenn das Kraftfahrgewerbe kaputt ist, so wird das die ganze Allgemeinheit und Sie mit schädigen; Sie vielleicht nicht, weil Sie ein Privatauto haben und nicht auf die Dienste des Kraftfahrgewerbes angewiesen sind. Vielleicht aber doch auch. Denn die Lebensmittel und die Waren aller Art, die Sie kaufen, werden drei- oder viermal oder noch öfter durch den Lastwagen transportiert, bevor sie vom Erzeuger zum Verbraucher gelangt sind. Denken Sie also bitte daran, daß die ganze Volkswirtschaft, daß jeder von uns das allergrößte Interesse daran hat, daß das Verkehrsgewerbe nicht erliegt. Das hat man schon im Mittelalter gewußt, daß das Transportgewerbe, damals noch per Pferd, eine Schlüsselstellung für das ganze Wirtschaftsleben hat. Schade, daß es heute anscheinend Abgeordnete im Bundestag gibt, die nicht begriffen haben, welche enorme Bedeutung ein gesundes Kraftfahrgewerbe für die ganze Volkswirtschaft, für jeden einzelnen von uns und für eine wahre Verbilligung der ganzen Güter- und Lebensmittelversorgung hat.
({7})
Die Abmeldungen heute bei den Finanzämtern sprechen eine beredte Sprache.
({8})
Die Entlassungen von Arbeitern und Angestellten müßten Ihnen allen zu denken geben, wo Sie doch immer und immer wieder fordern, daß die Arbeitslosigkeit bekämpft wird.
({9})
Sie müssen unter allen Umständen das Gewerbe dadurch vor dem Ruin bewahren, daß Sie die Steuer herabsetzen. Denn die Einnahmen aus der Steuer sind bereits so heruntergegangen, daß bei den Finanzämtern nichts anderes als eine ungeheuerliche Mehrarbeit entsteht. Oder wollen Sie überhaupt die Stundungsgesuche nicht prüfen? Das ist vielleicht das, was bei einer großen Anzahl von Finanzämtern heute tatsächlich schon geschieht. Da sind wir aber schärfstens dagegen! Das kann ich Ihnen gleich sagen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit läuft ab.
({0})
Loritz ({1}), Antragsteller: Ich möchte Ihnen eins erklären. Sie werden - und ich wende mich dabei vor allem an den Herrn Finanzminister -, wenn Sie in diese Reduktion einwilligen, sehen, daß das tatsächliche Steueraufkommen
- auf die Dauer gesehen - nicht etwa heruntergehen, sondern sich heben wird.
({2})
- Das werden Sie sehen, jawohl, weil dann, wenn die einzelnen Verkehrsunternehmer weiterhin leben und existieren können, sie als Steuerzahler wieder in Funktion treten können.
({3})
Wenn dagegen ein großer Teil dieser Betriebe kaputtgeht, werden die Leute nicht bloß keine Kraftfahrzeugsteuer mehr zahlen können, auch nicht einmal 50 %, sondern sie werden Umsatzsteuer, Einkommensteuer und all diese Steuern ebenfalls nicht mehr zahlen können. Sie werden den Leuten dann noch Wohlfahrtsunterstützungen zuwenden müssen. Soweit ist es nämlich bereits gekommen, daß gut fundierte Unternehmer des Verkehrsgewerbes - ({4})
- Jawohl, und gerade kleine Leute, die nur einen oder zwei Lastwagen laufen haben - in Hessen genau so wie in Bayern und im Rheinland ist das vorgekommen -, müssen um Unterstützung nachsuchen, weil sie für Ihre Familie nichts mehr zu leben haben.
({5})
Darum bitte ich Sie, nehmen Sie den Antrag der WAV an oder - ich stelle den Antrag jetzt - überweisen Sie ihn sofort an den Ausschuß, damit dort noch an Hand von genauen Zahlen Ihnen belegt werden kann, in welch ruinöser Lage sich unser ganzes Kraftfahrzeuggewerbe heute bereits befindet.
({6})
- Das, sehr verehrter Herr, begreifen Sie anscheinend noch nicht. Sie werden es aber begreif en.
({7})
Das Wort hat zur Begründung des Antrags auf Drucksache Nr. 816 unter Punkt 5 b der Tagesordnung der Abgeordnete Rademacher.
Rademacher ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag zu Punkt 5 b der Tagesordnung bezieht sich auf die Dreiradwagen, das typische Gütertransportmittel für den Handwerker und für den Einzelhandel, also, wenn Sie wollen, für den Mittelstand. Für diese Dreirad-Kraftfahrzeuge hat es stets eine besondere Regelung gegeben. Diese Dreirad-Kraftfahrzeuge wurden nicht nach dem Gewicht des Wagens wie die anderen Lastwagen versteuert, sondern nach dem Hubraum.
Es ist bekanntgeworden, daß die Steuersachverständigen der Länderfinanzverwaltungen zusammengesessen haben, um eine Änderung dieser Sonderregelung über die Bundesgesetzgebung herbeizuführen. Das würde bedeuten, daß dieser Ausnahmesteuersatz von 48 DM sich auf 180 DM erhöhen würde. Aus diesem Grunde, also sozusagen prophylaktisch ist dieser Antrag eingebracht worden, um aus den von mir genannten Gründen diese Sondersteuer für das Handwerk und für den Einzelhandel auf jeden Fall zu erhalten. Ich bitte daher, da noch einige technische Fragen zu klären sind, das Haus, zu beschließen, diesen Antrag zu Punkt 5 b an den Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen.
Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich im Anschluß an meinen Antrag im Auftrage meiner Fraktion nunmehr zu dem Antrag der WAV Stellung nehmen. Der Herr Abgeordnete Loritz, der, hier in letzter Zeit sein tiefes Sachverständnis für Eierbewirtschaftung, Milchspannen, Bierbewirtschaftung eindrucksvoll bewiesen hat,
({1})
hat neuerdings sein Herz für den notleidenden Verkehr entdeckt. Erst aus seiner Begründung habe ich einigermaßen verstanden, was er eigentlich mit seinem Antrag will.
({2})
Er spricht nämlich vom Kraftfahrzeuggewerbe.
Darf ich fragen, was das Kraftfahrzeuggewerbe ist?
({3})
Sie meinen natürlich das Verkehrsgewerbe, das haben Sie aber erst hinterher gesagt. Das Kraftfahrzeuggewerbe kann sein die Automobilindustrie; das können die Reparaturanstalten sein; das kann sein der Werksverkehr,
({4})
und das kann sein der gewerbliche Verkehr, den Sie eigentlich meinen. Herr Loritz, das ist genau so von einem tiefen Sachverständnis durchsetzt wie Ihr damaliger Antrag wegen der Herabsetzung der Benzinpreise, wo Ihnen zum erstenmal klargeworden ist, daß es außerdem noch Dieselkraftstoff gibt.
({5})
- Herr Loritz, ich überlasse es der Beurteilung des Hauses, wer von diesem Platz Blech redet.
({6})
Dann haben Sie noch eins vergessen, Herr Loritz. Sie haben leider die Geschäftsordnung nicht studiert. Sonst hätten Sie wissen müssen, daß Sie nach § 48 a gleichzeitig eine Deckungsvorlage für Ihren Antrag einbringen mußten.
({7})
Ich darf darauf hinweisen, daß zwar nach Art. 106 des Grundgesetzes die Kraftfahrzeugsteuer den Ländern zufließt, daß sie aber nach Art. 105 Angelegenheit der Bundesgesetzgebung ist.
({8})
Sie sollten sich einmal gleichzeitig überlegen, daß
die Kraftfahrzeugsteuer insgesamt 290 Millionen
DM in den Ländern ausmacht und infolgedessen
entscheidend in den Finanzausgleich zwischen
Bund und Ländern eingreift. Aus dem Grunde
mußten Sie uns nach § 48 a der Geschäftsordnung gleichzeitig sagen, wo Sie die Deckung hernehmen wollen, und durften nicht dem wirklich
notleidenden Gewerbe, das Sie meinen, Hoffnungen erwecken, die einfach nicht zu erfüllen sind
und nur den Zweck haben, Propaganda zu machen.
({9})
Diejenigen, denen wirklich an einer Besserung der Lage im Verkehrsgewerbe gelegen ist, sind sich völlig klar darüber, daß, auf die Dauer gesehen, die Kraftfahrzeugsteuer in dieser Höhe nicht zu halten ist. Wir sind aber der Meinung, daß einmal der Augenblick gekommen ist, wenn wir von der Benzin- und Dieseltreibstoffwirtschaft weg sind, dann eingehend zu überlegen, ob man nicht wie bei der Zigarettensteuer usw. innerhalb des Benzinpreises den letzten Verbraucher an der Tankstelle erfaßt, um gleichzeitig diese ungeheure Bürokratie zu beseitigen.
({10})
({11})
Aber leider ist wegen des von mir angeführten Grundes des Finanzausgleichs dieser Augenblick noch nicht gekommen.
Zu überlegen wäre, Untersuchungen darüber anzustellen, wieweit die sehr hohe Kraftfahrzeugsteuer in den Ländern zweckgebunden ist bzw., wenn sie es noch nicht ist, zweckgebunden werden kann, nämlich für den Ausbau der Straßen. Dann könnte man unter Umständen eine Rechtfertigung der heutigen Höhe der Kraftfahrzeugsteuer hinnehmen.
({12})
Aber ich wiederhole noch einmal: es handelt sich hier um einen ausgesprochenen Propagandaantrag, der in unverantwortlicher Weise dem leidenden Gewerbe Hoffnungen erweckt, die der heutige Staat mit dem besten Willen nicht erfüllen kann.
({13})
Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag, der mit Sachlichkeit nichts mehr zu tun hat, sondern nichts weiter ist als eine Sonderpropaganda der WAV, entsprechend zu behandeln und zur Tagesordnung überzugehen.
({14})
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich darf zu den beiden Anträgen kurz Stellung nehmen. Nachdem für den zweiten Antrag die Überweisung an den Ausschuß beantragt ist, möchte ich nur eines feststellen. Ich nehme an, daß der zweite Antrag nicht die Tendenz hat, der Regierung nahezulegen, eine pflichtgemäße Prüfung der Frage überhaupt zu unterlassen.
({0})
Zu dem Antrag auf Drucksache Nr. 764 möchte ich mich dahin aussprechen, daß ich im Namen der Bundesregierung bitten muß, den Antrag abzulehnen. Ich darf das mit ganz wenigen Sätzen begründen. Die Kraftfahrzeugsteuer ist tatsächlich eine Zwecksteuer. Sie ist nach § 41 Abs. 2 des Finanzausgleichgesetzes für Zwecke der Unterhaltung der öffentlichen Wege bestimmt. Die Länder können den Ertrag außer zur Unterhaltung der öffentlichen Wege auch zur Unterhaltung der öffentlichen Brücken verwenden. Der Ertrag der Kraftfahrzeugsteuer ist also zur Unterhaltung der öffentlichen Wege und der öffentlichen Brücken bestimmt. Die Kraftfahrzeugsteuer ist ihrem Wesen nach nicht eine Steuer auf das Kraftfahrzeug, sondern sie ist eine Steuer auf das Halten von Kraftfahrzeugen, die bestimmt sind, die öffentlichen Wege und Brükken zu benutzen. Das ist das Wesen und der Zusammenhang.
Das Erträgnis der Kraftfahrzeugsteuer, das voll den Ländern zufließt, ist im Jahre 1948/49 261 Millionen Mark gewesen. Das Erträgnis steigt und wird heuer höher zu schätzen sein. Es wird regelmäßig für den Ausbau von Wegen und Straßen - Bundesstraßen, Autobahnen, Straßen erster und zweiter Ordnung - verwendet. Als Gesamtaufwand hierfür in den Ländern und in den Gemeinden darf man zusammen nach vorsichtiger Schätzung etwa 680 Millionen DM jährlich rechnen. Aus der Kraftfahrzeugsteuer wird
also die Hälfte des gesamten Aufwandes für die Unterhaltung von Wegen, Straßen und Brücken bezahlt. Würde das Erträgnis der Kraftfahrzeugsteuer in dem Ausmaß, wie es der Antrag will, ermäßigt, wäre die Unterhaltung der Wege, Straßen und Brücken in dem bisherigen Ausmaß nicht mehr möglich. Ich glaube, das wäre die stärkste Gefährdung des Kraftfahrzeuggewerbes, die man sich denken könnte.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Mücke.
Meine Damen und Herren! Es ist unbestreitbar, daß die Steuerschraube bei allen Steuern im Gebiet der Bundesrepublik sehr straff angespannt ist. Es ist eine außerordentlich wichtige Aufgabe dieses Hauses, die Steuerschraube, soweit es möglich und tragbar ist, zu lockern. Die Steuersenkungen müssen aber immer unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls, sozial und gerecht erfolgen. Sie dürfen sich keinesfalls im Interesse einer bestimmten Bevölkerungsschicht oder einer bestimmten Gruppe zum Schaden der Allgemeinheit, insbesondere zum Schaden der sozial schwachen Bevölkerung, auswirken.
Man kann die Frage der Kraftfahrzeugsteuer, insbesondere eine Senkung dieser Steuer, nicht unter dem Aspekt des Kraftverkehrsgewerbes allein behandeln, wie dies offensichtlich der Antrag der WAV vorsieht. Man kann aber auch die Frage der Senkung der Kraftfahrzeugsteuer nicht für sich allein und getrennt von dem Gesamtkomplex der Fragen behandeln, die bei der Benutzung und Haltung von Kraftfahrzeugen finanziell eine Rolle spielen. Das heißt, die Senkung der Kraftfahrzeugsteuer kann nur unter Berücksichtigung aller Kostenfaktoren geprüft werden, die mit der Haltung von Kraftfahrzeugen in Zusammenhang stehen.
Hier ist ein entscheidender Kostenfaktor der Benzinpreis. Über den Benzinpreis ist in diesem Hause und außerhalb des Hauses schon sehr viel geredet worden. Zur Frage des Benzinpreises sind insbesondere auch von den Antragstellern im wesentlichen dieselben Argumente vorgebracht worden, wie sie jetzt bei der Frage der Senkung der Kraftfahrzeugsteuer ins Feld geführt werden. Das Haus hat zur Überprüfung der Benzinpreise einen Untersuchungsausschuß eingesetzt. So wie die Dinge liegen, besteht doch zwischen der Höhe der Kraftfahrzeugsteuer und dem Benzinpreis ein echter Zusammenhang. Wir müssen erst das Drum und Dran der Bestandteile des Benzinpreises kennen, um eine verantwortliche Entscheidung über die Frage der Kraftfahrzeugsteuer treffen und entscheiden zu können, ob eine Senkung der Kraftfahrzeugsteuer tragbar ist oder nicht.
Deshalb wird meine Fraktion für die Verweisung des Antrags sowohl an den Finanzausschuß wie auch an den Verkehrsausschuß stimmen. Das gleiche wird meine Fraktion hinsichtlich des Antrages der FDP-Fraktion tun. Hier wird zu prüfen sein, ob eine Erhöhung zumutbar ist oder nicht. Das Haus ist heute nicht in der Lage, zu dem Antrag ohne Prüfung durch den zuständigen Ausschuß Stellung zu nehmen.
({0})
Zum Schluß eine allgemeine Bemerkung: Wir könnten uns alle diese Einzeldebatten über Einzelsteuern ersparen, wenn die Regierung uns recht bald einen Entwurf über eine umfassende allgemeine Steuerreform vorlegen würde; und es ist unser Wunsch, daß die Regierung dies recht bald tut.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
({0})
Herr Abgeordneter Rademacher hat soeben geglaubt meine Ausführungen dadurch kritisieren zu können, daß er erklärt hat, ich hätte bei Stellung des Antrages der WAV den § 48 a der Geschäftsordnung außer acht gelassen. gelassen.
({0})
- Ich weiß nicht, ob Sie Jurist sind, Herr Rademacher.
({1})
- Das sind Sie nicht? - Sie haben mir doch vorgeworfen, ich verstünde nichts vom Verkehrsgewerbe! Wollen Sie bitte dann mich zuerst nicht über Juristerei belehren, Herr Rademacher!
Der § 48 a der Geschäftsordnung gilt nämlich zur Zeit gar nicht.
({2})
Darüber sind sich gerade auch Ihre Leute im Ältestenrat einig gewesen. Der § 48 a setzt nämlich voraus, daß der Haushaltsplan für das Jahr, auf das sich der gestellte Antrag bezieht - und das ist sicher das Haushaltsjahr 1950 - , bereits endgültig vorliegt.
({3})
Das ist nicht da. - Selbstverständlich! Denn Sie können nur dann auf Grund des Haushaltsplanes hier diese Anträge stellen.
({4})
- Nein, das ist kein heller Unsinn, ({5})
sondern das ist auch die Auffassung maßgeblicher Mitglieder des Geschäftsordnungsausschusses,
({6})
- die nicht Mitglieder der WAV sind, Herr Dr. von Brentano!
({7})
- Dann der Herr, der hier vorn den Zwischenruf gemacht hat.
Es ist selbstverständlich, daß der § 48 a der Geschäftsordnung, wenn er überhaupt in Kraft gesetzt werden sollte, nur dann einen Sinn hat, wenn der Haushaltsplan die Möglichkeit gibt, hier mit spezifizierten Anträgen die entsprechenden Einsparungsmaßnahmen zu fordern, also die Möglichkeit für die betreffenden Antragsteller, die Einsparungsmaßnahmen zu fordern, durch die der eventuelle Ausfall an Steueraufkommen infolge des betreffenden Antrages wieder wettgemacht wird.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen aber auch darüber hinaus schon gesagt, daß hier auf die Dauer gar kein Steuerausfall eintreten wird. Die Verhältnisse werden diesen Steuerausfall erzwingen, sage ich Ihnen! Sie werden dann sehen, daß Sie weniger bekommen, als wenn Sie unseren Antrag angenommen hätten!
({8})
Zum zweiten sage ich Ihnen: Ich habe mich schon manches Mal mit Ihnen auseinanderzusetzen gehabt, wie Sie die Einsparungen und noch viel mehr, als hier notwendig wären, erreichen könnten,
({9}) also Einsparungen für den Staatshaushalt und damit die Deckung für den eventuellen Ausfall der Steuerbeträge, der durch die Ermäßigung eingetreten ist.
({10})
Kürzen Sie diese Haushalte entsprechend, lassen Sie nicht das Geld in Riesenbeträgen zum Fenster hinauswerfen!
({11})
Kürzen Sie bitte hier die Personalpläne!
({12})
Kürzen Sie die Pläne für das Bundesinnenministerium und für manche andere Ministerien, kürzen Sie diese ganzen Ausgaben und auch die Ministergehälter; dann werden Sie sehen, daß Sie hier mehr als genügend Deckung haben.
({13}) - Nein, das ist keine Propaganda,
({14})
sondern das sind Tatsachen. Es ist merkwürdig, daß ein Antrag immer nur dann Propaganda ist, wenn ihn die WAV stellt.
({15})
Wenn Sie dagegen Anträge stellen, dann ist das keine Propaganda. Sie würden sich sehr dagegen verwahren, wenn wir bei Ihren Anträgen immer den Vorwurf erheben würden, Sie würden das zu Propagandazwecken machen.
({16})
Wir stellen den Antrag deswegen, damit die Steuern herabgesetzt werden. Bitte, benützen Sie doch dann auch diese Gelegenheit, Propaganda zu machen! Schließen Sie sich doch unserem Antrag an, dann werden Sie die beste Propaganda machen, die Sie machen können, nämlich die Propaganda einer sparsamen Staatsführung.
({17})
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit läuft ab.
Ich habe Ihnen nochmals den Antrag zu stellen und zu wiederholen.
({0})
Unser Antrag auf Kürzung ist zulässig. Er verstößt keineswegs gegen die vorläufige Geschäfts({1})
ordnung. Das antworte ich Ihnen, Herr Rademacher!
({2})
- Zu dem andern? Ich kann nichts dafür, wenn mir die Redezeit immer so abgekürzt wird, daß ich in wenigen Minuten alles vortragen muß.
({3})
Wir werden jeden Antrag unterstützen, der zum Nutzen des Kraftfahrgewerbes ist, und zwar jeden solchen Antrag, im Gegensatz zu Ihnen, die Sie alle Anträge niederstimmen, die von der WAV kommen, selbst wenn sie noch so begründet sind. Im Gegensatz zu Ihnen haben wir bis jetzt jeden Antrag von irgendeiner Seite des Hauses unterstützt,
({4})
der, wirtschaftlich gesehen, irgendwie eine Erleichterung für das Verkehrsgewerbe oder ein anderes Gewerbe oder die ganze Volkswirtschaft bringt.
({5})
- Sie haben diese politischen Scheuklappen, nicht wir. Das Kraftfahrgewerbe -
Ich bitte zu schließen; Ihre Redezeit ist abgelaufen.
({0})
Herr Freiherr von Rechenberg, vielleicht werden die Wähler dafür sorgen, daß Sie aus dem Parlament verschwinden, nicht ich!
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob der Kollege Loritz sich selbst für einen Juristen hält. Ich habe in diesem Falle dann das Glück, keiner zu sein. Ich gebe ihm aber darin recht, daß außer dem § 48 a der Geschäftsordnung, der in diesem Falle nicht ausreicht, noch andere Paragraphen notwendig wären, um solche Anträge zu verhindern.
({0})
- Welche Paragraphen, überlasse ich den Juristen, die sich dann um diese Nummern streiten dürfen. ({1})
Zu den Anträgen, die hier eingereicht worden sind, müssen wir folgendes bemerken. Es besteht darüber kein Zweifel, daß unsere Aufgabe im Laute unserer Tätigkeit darin liegt, den durch die alliierten Gesetze geschaffenen überhöhten Steuerdruck Stück um Stück abzubauen. Das geht aber nicht so, daß man jeden Tag mit einem neuen Antrag kommt, einmal mit der Biersteuer, dann mit der Tabaksteuer, dann mit der Kraftfahrzeugsteuer usw.,
({2})
- dann mit den Eierpreisen usw.
({3})
Es handelt sich hier um etwas ganz anderes. Wir sind auf dem Wege der Steuersenkung bisher ohne Zweifel systematisch und gegenüber der Militärregierung, die ja heute leider noch die Kontrolle und Genehmigungsbefugnis hat, richtig vorgegangen, indem wir die überhöhte Steuerbelastung Stück um Stück abbauen. Wir haben mit der Einkommensteuer angefangen. Wir haben erlebt, mit welchen Schwierigkeiten es verbunden war, diese Steuer herabzusetzen. Es wird fortgefahren mit der Biersteuer und der Zigarrensteuer. In absehbarer Zeit wird die Frage der Zigarettensteuer und der Kaffeesteuer akut werden. Es geht aber nicht so, daß man nur aus Agitationsgründen alles wie Kraut und Rüben durcheinanderwirft.
({4})
Man muß nämlich unterscheiden - und das kann man, auch wenn man nicht Jurist ist - zwischen Bundessteuern und Landessteuern. Und gerade in der Frage der Landessteuern können wir nicht vorgehen, ohne daß auch die Länderfinanzminister und der Bundesrat dazu gehört werden.
({5})
Der Vorschlag, der hier mit Drucksache Nr. 764 eingereicht worden ist, hat weder Hand noch Fuß und vor allen Dingen überhaupt nicht einmal einen Kopf. Es heißt darin: ..Der Bundestag wolle beschließen: Die Kraftfahrzeugsteuer wird . . . vermindert." Eine solche Verminderung ist ja nicht durch einen Beschluß möglich, sondern ausschließlich durch ein Gesetz, das den vorgeschriebenen Weg geht. Dann machen Sie ein Gesetz, Herr Loritz, und schauen Sie, wie weit Sie damit kommen.
({6})
Und wenn man jetzt schon von der Kraftfahrzeugsteuer als von einer Landessteuer redet, so möchte ich Ihnen noch einen guten Rat geben, wenn Sie auch von uns einen guten Rat sicher ungern annehmen. Herr Loritz, Sie stehen ja in Bayern nach Ihrer Meinung kurz vor der Machtübernahme.
({7})
Sie werden dann als Ministerpräsident in Bayern eine Reihe schwieriger Verpflichtungen zu erfüllen haben. Und wenn Sie sich jetzt selber Ihrer eigenen Einkommensquellen für die Zukunft berauben, schwächen Sie Ihre künftige Position!
({8})
Im Zusammenhang damit eines: Ich kann mich ja mit Ihnen, Herr Loritz, in Ihrer Vielseitigkeit nicht messen, nachdem Sie als Sachverständiger für Bier, Milch, Kaffee, Blumenkohl, Eier, Benzin und nach Aufklärung auch für Dieselkraftstoff auftreten; aber eines weiß ich sehr genau: daß die Vorschläge, die Sie neulich zum Beispiel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gemacht haben, nämlich Kürzung der öffentlichen Haushalte um zehn bis zwanzig Prozent, gerade den Personenkreis am schwersten treffen müßten, den Sie am meisten zu vertreten vorgeben. Kürzen Sie einmal die öffentlichen Haushalte um zehn bis zwanzig Prozent! Sie meinen damit die Personal- und Verwaltungskosten.
({9})
Achtzig Prozent der öffentlichen Haushalte bestehen aber heute aus Kriegsfolgelasten und dem, was damit im Zusammenhang steht. Sie treten also ein für eine Kürzung der Kriegsbeschädigten({10})
renten, der Fürsorgerenten, der Flüchtlingsrenten. Dafür treten Sie mit Ihren Ausführungen ein.
({11})
Und wenn ein Zwischenrufer zu diesen Ausführungen heute „heller Unsinn" gesagt hat, so hätte ich als Präsident diesen Zwischenrufer auch nicht gerügt.
({12})
Um jetzt zu der Sache zurückzukommen: Wenn Sie schon in Ihren Versammlungen sagen, daß die Arbeitslosigkeit mit einem Federstrich beseitigt werden könnte, wenn die Regierung nur wollte, so bitte ich zu bedenken, daß zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit Mittel gehören. Sie werden ja nach Ihrer Meinung in Bayern bald Gelegenheit haben, dieses Exempel vorzuexerzieren.
({13})
Dann. dürfen Sie sich aber nicht selber vorher die Mittel zur Durchführung Ihres Programms wegnehmen.
({14})
Was die Kraftfahrzeugsteuer anbetrifft, so ist allgemein bekannt, daß der Tarif der Kraftfahrzeugsteuer vorn März 1935 durch das Kontrollratsgesetz Nr. 14 vom 11. Februar 1946 um 50 % erhöht worden ist und daß später noch einmal für Lastkraftwagen durch Kontrollratsgesetz Nr. 51 eine weitere Erhöhung eingetreten ist. Der Grund für die Erhöhung der Kraftfahrzeugsteuer bestand aber, wie der Bundesfinanzminister vorhin ausgeführt hat,
({15})
darin, daß die Ausgaben, die mit den Einnahmen aus der Kraftfahrzeugsteuer bestritten werden, ebenfalls einen größeren Umfang angenommen haben, nämlich die Ausgaben für Straßen- und Brückenbau. Wenn Sie auch immer in zwei Schlafwagenbetten nach Bonn fahren und Ihr Auto anscheinend irgendwo anders haben, wir jedenfalls legen Wert darauf, daß die Straßen in Bayern und Deutschland in einem guten Zustand sind.
({16})
Meine Damen und Herren! Es scheint mir nun doch notwendig zu sein, Sie zu bitten, die Unruhe nicht zu weit zu treiben, so daß die Auseinandersetzungen und die Darlegungen des Redners unverständlich werden. Ich bitte, die Zwischenrufe nun doch einzuschränken.
Daß Sie mit mir nicht nach Bonn fahren, nehme ich Ihnen gar nicht übel. Warum Sie mit niemandem zusammen fahren, ist Ihre Angelegenheit und hat mit der Verkehrssteuer und der Kraftfahrzeugsteuer wieder weniger zu tun.
({0})
- Das wollte ich nicht gesagt haben, Herr Kollege Preusker!
({1})
Nun gibt es daran gar keinen Zweifel, daß die Mittel,
({2})
die aus der Kraftfahrzeugsteuer eingebracht werden, in den Ländern zweckgebunden für Straßen
und Brückenbau verwendet werden, und wenn Sie etwas verstehen würden von der ganzen Frage, Herr Loritz, dann hätten Sie auch bei Ihren Informatoren die Auskunft erhalten können, daß bis heute sowohl die Zahl der Zulassungen bei Personenkraftwagen, Lastkraftwagen und Motorrädern noch ständig zugenommen hat.
({3})
- Ich weiß nicht, welchen Wagen Sie fahren; ich fahre jedenfalls keinen.
({4})
Dann würden Sie also wissen, daß die Zahl der Zulassungen bis heute ständig zugenommen hat.
Auch der Kollege Rademacher wird mir die Behauptung nicht verübeln, daß im Laufe der letzten Jahre eine Übersetzung des Verkehrsgewerbes zum Teil gerade durch ungeeignete Leute stattgefunden hat. Sie muß im Interesse einer Gesundung des Verkehrsgewerbes wieder auf das richtige Maß zurückgeführt werden.
({5})
Wir sehen die volkswirtschaftliche Bedeutung
eines funktionsfähigen Verkehrsgewerbes sehr wohl, kennen sie sehr genau und wir wissen auch, wo die Grenzen der Belastung dieses Verkehrsgewerbes liegen. Wenn Sie, Herr Loritz, hier sauen. das deutsche Volk werde in absehbarer Zeit vor dem Hungertode stehen, weil die Lebensmittel nicht mehr transportiert werden können. dann haben Sie halt hier einen Satz aus Threr Ku'mbacher Wahlrede erwischt, die Sie hier gar nicht hätten halten dürfen.
({6})
Wir haben aber den Eindruck, daß Ihre Tätigkeit in den letzten 10 Taren auf Sie einen so starken Einfluß ausgeübt hat, daß Sie zwischen Kulmbach und Bonn nicht mehr den richtigen Unterschied finden, und darum wird Ihnen heute der Unterschied zwischen Kulmbach und Bonn auch einmal ganz deutlich gesagt!
Wenn wir hier einen Antrag erhalten, von dem man die Gewißheit haben kann. daß er zu dem Zweck eingereicht ist, etwas Mögliches durchzusetzen. so muß dieser Antrag im Plenum ernsthaft beraten werden. Wenn aber feststeht,
({7})
daß von .,Fachleuten" für Milch. Bier, Eier, Gemüse und Blumenkohl ein Antrag nach dem andern eingerecht wird, um im Hinblick auf den Kulmbacher Wahlkampf wieder einmal plötzlich Bevölkerungsschichten zu gewinnen, einmal die Gastwirte und das andere Mal die Fuhrunternehmer, so muß Ihnen gesagt werden: Die glauben Ihnen den Krampf gar nicht. den Sie hier erzählen! Kein Mensch glaubt Ihnen das, was Sie uns hier weismachen wollen; und wenn das so ist, dann gehen wir über diese Anträge zur Tagesordnung über!
({8})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es handelt sich um den Antrag der WAV Drucksache Nr. 764
({0})
betreffend Senkung der Kraftfahrzeugsteuer und den Antrag Drucksache Nr. 816 betreffend Kraftfahrzeugsteuergesetz.
Zu dem Antrag unter Punkt 5a der Tagesordnung betreffend Senkung der Kraftfahrzeugsteuer ist von dem Abgeordneten Rademacher im Auftrage seiner Fraktion Übergang zur Tagesordnung beantragt worden. Über diesen Antrag zur Geschäftsordnung muß zuerst abgestimmt werden. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrage zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist also so beschlossen.
Zu dem Antrag unter Punkt 5b der Tagesordnung Drucksache Nr. 816 betreffend Kraftfahrzeugsteuergesetz liegt der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vor. Herr Abgeordneter Rademacher hat dann noch den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen gestellt. Ich verstehe die Sache so, daß der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen federführend sein und der Ausschuß für Verkehrswesen mitberaten soll. Ich bitte diejenigen, die diesem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Überweisung ist einstimmig beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Niebergall und Genossen betreffend Brotpreis ({1}).
Der Ältestenrat hat eine Redezeit von 10 Minuten für den Antragsteller und von 60 Minuten für die Beratung vorgeschlagen. Da nicht widersprochen wird, nehme ich Ihre Zustimmung zu dieser vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelung an.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Harig.
Harig ({2}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Man darf wohl erwarten, daß das Interesse an dieser sehr wichtigen Frage ebenso groß sein wird wie bei der Behandlung der Biersteuer die heute morgen hier eine Rolle gespielt hat. Wenn man auf der einen Seite so energisch dafür eintritt, den Bierpreis zu ermäßigen, und wenn man dabei von flüssigem Brot spricht, dann muß man sich auch dafür einsetzen, daß der Brotpreis ermäßigt wird oder der jetzige Brotpreis zumindest erhalten bleibt; denn es gibt doch eine große Menge von Menschen bei uns, die ein sehr trauriges Dasein haben, Menschen, die nicht auf flüssiges, sondern auf wirkliches Brot angewiesen sind.
Im Juli soll der Brotpreis erhöht werden. Wir halten das im Interesse der Minderbemittelten, der Schaffenden, der Empfänger von Sozialrenten und anderer Schichten nicht für tragbar. Die Anordnung, die Subvention zur Stützung des Getreidepreises zu beseitigen, ist von den Hohen Kommissaren erlassen worden. Obwohl die Kommissare diese Anordnung erlassen haben, muß ein Weg gefunden werden, die jetzigen Brotpreise beizubehalten. Die Hohen Kommissare kommen, das darf hier festgestellt werden, einem Wunsche bestimmter Kreise in Westdeutschland entgegen, zumindest kommen sie dem Wunsche des Herrn Ministers Blücher entgegen. vielleicht auch dem
des Herrn Ministers Niklas oder des Herrn Schlange-Schöningen, die daran interessiert sind, Gelder einzusparen, Gelder aus den breiten Massen hereinzuholen, um sie für andere Dinge zu verwenden. Interessieren dürfte sich für diese Frage in erster Linie der Herr Finanzminister Schäffer, der sich freut, Gelder hereinzubekommen, die er dann als Steuergeschenk an die Reichen geben kann. Das ist die eine Ursache der geplanten Brotpreiserhöhung.
Wir müssen aber auch die andere Ursache sehen. Die amerikanischen und kanadischen Weizenmagnaten fühlen sich benachteiligt dadurch, daß sie ihre Produkte bei uns im Westen Deutschlands nicht genügend absetzen können. Daher haben sie auch den Weizenpakt vorbereitet, nach welchem Westdeutschland Hauptabnehmer sein soll, weil das deutsche Volk ein zahlenmäßig großes Volk ist und sehr viel Brot konsumiert. Der Reichtum amerikanischer Farmer soll auf Kosten der Werktätigen Amerikas und der Völker, die dem Marshallplan und dem Weizenpakt angeschlossen sind, noch vermehrt werden. Bei den Bestrebungen, den Brotpreis zu erhöhen, sehen wir deutlich eine Zusammenarbeit der Bundesregierung mit den Großfarmern Amerikas. Das ist ganz klar zu erkennen. Dies wird zur Folge haben, daß die Gewerkschaften, welche bisher immer darauf hingewiesen haben, daß die Spanne zwischen Preisen und Löhnen ungeheuer groß ist, verringert werden müsse, nun mit aller Energie Lohnforderungen stellen, um den Verlust, den die Arbeiter erleiden sollen, wieder wettzumachen.
Der Herr Minister Niklas hat gelegentlich erklärt, diese Brotpreiserhöhung mache für eine fünfköpfige Familie nur 2,50 Mark im Monat aus. Das hat er vielleicht an dem Brotverzehr gemessen, den er und seine Familie haben. Aber, meine Damen und Herren, wir wollen uns doch darüber im klaren sein, daß es ganze Bevölkerungsschichten gibt, die fast nur von Brot leben. Auch wenn man nur 2,50 Mark als Grundlage nimmt, muß man daran denken, daß 2,50 Mark für große Teile unserer Bevölkerung sehr viel Geld sind. Ich erinnere an die Sozialrentner, die mit 60 Mark im Monat auskommen müssen. Ich erinnere an die Arbeitslosen, an die Kurzarbeiter, an die Alten und Siechen. Ich erinnere aber auch an einen Teil derer, die noch in den Betrieben sind, so zum Beispiel an eine große Gruppe von Bergleuten, von denen wir festgestellt haben, daß viele nur 6 Mark Schichtlohn verdienen. Weiter erinnere ich an diejenigen, die als ungelernte Arbeiter oder als nicht vollwertige Arbeiter in den Betrieben stehen, die mit 85 Pfennig pro Stunde nach Hause gehen und die von dem Wenigen, was sie in die Hand bekommen, ihre Mieten und die sogenannten fixen Kosten bestreiten müssen. Da bleibt nicht viel übrig; für die sind 2,50 Mark sehr, sehr viel Geld.
Es kann auch nicht der Vorwurf erhoben werden, wie es bei dem vorhergehenden Punkt der Tagesordnung geschehen ist, daß es sich hier um einen Propagandaantrag handele. Von Propaganda kann gar keine Rede sein. Hier handelt es sich darum, den Forderungen breitester Schichten des schaffenden Volkes gerecht zu werden. Diese Forderungen knüpfen an die Erklärung an, die Adenauer anläßlich seines Amtsantritts abgegeben und in der er betont hat, daß das soziale
({3})
Bestreben im Vordergrund all seiner Handlungen stehen werde. Unseres Erachtens geht es aber der Regierung gar nicht darum, das soziale Bestreben in den Vordergrund zu stellen, sondern in diesem Falle geht es um die Hilfe für die amerikanischen Weizenmagnaten.
Der Einkauf des Weizens hätte viel günstiger erfolgen können, wenn man den Weizen aus dem Osten bezogen hätte.
({4})
Der Osten hat viel mehr, vielleicht mehr als Amerika.
({5})
Aber wir müssen feststellen, daß die Regierung vom Osten gar nicht kaufen kann und auch nicht kaufen will. Sie kann nicht kaufen, weil es ihr verboten wird, erstens durch den Petersberg und zweitens durch die amerikanischen Großagrarier. Wenn die befehlen, dann sagt die Regierung Ja, dann gehorcht sie! Die Verbraucher aber wollen wissen, daß ihre Interessen im Parlament und von der Regierung, die nun am Ruder ist, auch vertreten werden. Diese Verbraucher haben ein feines Gefühl dafür, wer ihre Interessen vertritt.
Bei diesem unserem Antrag bietet sich nun für Sie die Gelegenheit, zu zeigen, daß Sie gewillt sind, die sozialen Interessen wirklich in den Vordergrund zu stellen. Hier bietet sich Gelegenheit, durch die Verhinderung der Brotpreiserhöhung zu zeigen, daß man soziales Verständnis und ein Herz hat für die Armen, deren es bei uns im Bundesgebiet sehr viele gibt.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Landwirtschaft und Ernährung.
Dr. Niklas Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht in der Lage, über die künftige Gestaltung der Getreide- und damit der Brotpreise eine verbindliche Erklärung abzugeben. Das neue Gesetz über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln ist vom Kabinett dem Bundesrat vorgelegt und dort zur Zeit Gegenstand der Verhandlung. Der Bundestag wird also Gelegenheit haben, sich mit diesem Gesetz nach Verabschiedung durch den Bundesrat eingehend zu befassen. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß dieses genannte Gesetz lediglich die Art der Organisation, der Erfassung und der Bewirtschaftung des Getreides im kommenden Wirtschaftsjahr regelt.
Hinsichtlich der Getreidepreise enthält es im § 9 nur die Ermächtigung für die Bundesregierung, Erzeugerpreise, Übernahme- und Abgabepreise für das von der Einfuhr- und Vorratsstelle zu übernehmende Brotgetreide sowie Preise und Preisspannen für den Weiterverkauf festzusetzen und außerdem Preise für inländisches Getreide, Mahlerzeugnisse aus Getreide und für Brot und Kleingebäck festzulegen. Die tatsächliche Festsetzung der Getreidepreise wird erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Sie kann zur Zeit aus nachstehenden Gründen noch nicht vorgenommen werden. Erstens läßt sich im Augenblick der Ausfall der inländischen Ernte noch nicht übersehen. Zweitens kann gegenwärtig noch nicht die Preisbildung auf dem freien Weltmarkt, wie sie zu Beginn des kommenden Wirtschaftsjahres sein wird, überblickt werden. Drittens wissen wir noch nicht, zu welchen tatsächlichen Preisen wir im Rahmen des Weltweizenabkommens Weizen hereinbekommen, da bekanntlich der Höchstpreis bei 180 Dollarcents je Bushel und in diesem Jahr der niedrigste Preis bei 150 Dollarcents je Bushel liegen. Die deutschen inländischen Getreidepreise bewegen sich zur Zeit bei Brotgetreide auf einem Index von 125 bis 127, bei Futtergetreide von 112 bis 114, während der Gesamtindex der ländlichen Preise etwa bei 164 liegt.
Es ist schon seit langem die Überzeugung der deutschen agrarpolitischen Sachverständigen, daß dieser verhältnismäßig niedrige Stand der Getreidepreise produktionswirtschaftlich nachteilig ist und daß eine stärkere Angleichung der Getreidepreise an das übrige agrarische Preisniveau geboten erscheint. Mit dieser Ansicht befinden sich die deutschen Sachverständigen durchaus in Übereinstimmung mit maßgeblichen Kreisen der ECA-Mission über eine notwendige Änderung
der deutschen Getreidepreispolitik. Es ist bekannt, daß namentlich amerikanischerseits die deutsche Getreidepreispolitik schon seit langem Kritik in dem Sinne erfahren hat, daß eine Erhöhung der Getreidepreise absolut erforderlich ist. Vor allem ist dies in dem Memorandum zur Kritik des deutschen Wirtschaftsprogramms im Dezember 1949 und zuletzt im Februar 1950 ausgesprochen worden, als der Leiter der ECA-Mission, Mr. Haynes, sich folgendermaßen äußerte: „Der Erzeugerpreis für Brotgetreide sollte unverzüglich erhöht werden." In den Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren hat die Bundesregierung die Auffassung vertreten und konnte sich dabei auf Verhandlungen mit den beteiligten deutschen Kreisen stützen, daß während des laufenden Wirtschaftsjahres eine Änderung der Getreidepreise untunlich ist. Jedoch dürfte sich eine angemessene Erhöhung der Getreidepreise für das kommende Wirtschaftsjahr nicht umgehen lassen. 'Die Regierung wird aber bemüht sein, die Brotpreise in einem tragbaren Rahmen zu halten und ist der Überzeugung, daß eine angemessene Beschränkung aller Zwischenspannen zur Erreichung dieses Zieles wesentlich beitragen wird.
Tatsächlich hat sich bereits in der letzten Zeit, obwohl gegenwärtig noch Höchstpreise für Brot bestehen, ein Sinken der Brotpreise an vielen Orten bemerkbar gemacht. Das dürfte dadurch zu erklären sein, daß der unzweifelhafte Rückgang des Brotkonsums infolge reichlicherer Versorung mit anderen Nahrungsmitteln das Bäckergewerbe wieder zu einer Werbung um die Kunden zwingt. Außerdem darf man nicht übersehen, daß die Lebenshaltungskosten im ganzen seit etwa einem Jahr nicht unerheblich gesunken sind. Der Gesamternährungsindex stand im März 1949 bei 174 und liegt heute bei 159, was einem Rückgang um 8,7% entspricht. Bemerkenswerterweise sind die Ernährungskosten seit einem Jahre stärker als die gesamten Lebenshaltungskosten gesunken.
Wenn der Antrag des Herrn Abgeordneten Niebergall, den bisherigen Brotpreis völlig unverändert zu belassen, so zu verstehen ist, daß die bisher gezahlten Subventionen unter allen Um({0})
ständen aufrechterhalten werden sollten, so darf ich ihm entgegenhalten, daß er damit die Forderung vertritt, auch den bisherigen Mißstand beizubehalten, daß wohlhabende Kreise ebenfalls verbilligtes Brot auf Kosten der Steuerzahler bekommen.
({1})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Strobel.
Meine Herren und Damen! Der kommunistische Antrag geht, wenn ich richtig unterrichtet bin, auf eine Pressekonferenz zurück, in der der Herr Bundesernährungsminister am 29. März 1950 erklärt hat, daß sich nach dem 1. Juli dieses Jahres Brotpreiserhöhungen nicht vermeiden lassen werden. Wir bedauern außerordentlich, daß die Erklärungen des Bundesernährungsministeriums in dieser Frage sich seit dieser Zeit dauernd widersprochen haben und daß die heute vom Herrn Bundesernährungsminister abgegebene Erklärung nun auch keine Klarheit bringt. Es wäre vielleicht richtiger gewesen, wenn man unserer Anfrage im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, welche Absichten die Regierung in der Brotpreisfrage denn eigentlich wirklich habe, nachgekommen wäre und dort die Angelegenheit diskutiert hätte. Wir sind deswegen gezwungen, heute hier zu dieser Frage Stellung zu nehmen, weil man nicht rechtzeitig genug zum Ausdruck bringen kann, daß eine eventuelle Brotpreiserhöhung unter allen Umständen verhindert werden muß.
Meine Herren und Damen! Brot ist neben der Kartoffel - das hat der Herr Bundesernährungsminister vorige Woche bei der Landwirtschaftsdebatte selbst ausgesprochen - das Grundnahrungsmittel, auf das auch der sozial Schwächste keinesfalls verzichten kann. Allein schon daraus ergibt sich doch für die Regierung und für uns als Parlament die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß jedem Staatsbürger dieses Grundnahrungsmittel in der Menge zugeführt wird, in der er es unbedingt braucht. Das Angebot auf dem Weltmarkt und auch die deutsche Erzeugung haben uns gestattet, die Rationierung für Brot durch Marken aufzuheben. Nun kann aber nicht übersehen werden, daß der neue Bezugsschein „Geld" so ungerecht verteilt ist, daß der Anteil des einzelnen am Brotkonsum keinesfalls diesem Regulativ überlassen werden darf. Wir müssen alle Bürger in den Stand setzen, die nötige Menge Grundnahrungsmittel auch zu bezahlen, entweder zu Preisen, die für die breiten Volksschichten tragbar sind, oder durch Sicherung des entsprechenden Einkommens, und zwar für jedermann. Letzteres aber, meine Herren und Damen -- das werden Sie zugeben müssen -, ist bei dem gegenwärtigen Mißverhältnis der Renten, der Fürsorgeunterstützungen, auch der Löhne und Gehälter vieler zu den Lebenshaltungskosten keineswegs der Fall. Oder glauben Sie etwa, Herr Minister, daß die vielen Millionen, die bei uns heute von unzureichenden Unterstützungen leben müssen, eine Brotpreiserhöhung ertragen könnten, ohne daß der Staat auf der anderen Seite eben die Leistungen für sie erhöhen müßte? Solange ich zurückdenken kann, ist - ich möchte sagen, mit Ausnahme der Inflation - der Brotpreis niemals so hoch wie zur jetzigen Zeit gewesen.
Ist es nicht schlimm genug, daß wir im Parlament und im Ausschuß immer wieder feststellen müssen, daß der Konsum an Fleisch, an Milch, an Butter, an Käse infolge der geringen Kaufkraft der Bevölkerung noch weit hinter dem Konsum pro Kopf in der Vorkriegszeit zurückbleibt? Soll nun durch eine eventuelle Brotpreiserhöhung der Korb mit dem trockenen Brot für weite Bevölkerungskreise noch höher gehängt werden? Ich glaube, das kann in diesem Hause niemand ernstlich wollen, das darf auch nicht heraufbeschworen werden. In der Zeit der Nahrungsmittelknappheit hat auch ein Teil der Menschen, die heute über volle Geldbeutel und damit auch über volle Speisekammern verfügen, empfunden, wie weh Hunger tut. Heute kann sich ein verhältnismäßig kleiner Prozentsatz unseres Volkes alles leisten, während für Millionen Kinder die schönen und guten Dinge nach wie vor nur in den Schaufenstern existieren. Wenn diese Kinder nun auch noch auf das Stück Brot, das ihnen den Hunger stillt, verzichten müßten, dann, meine Damen und Herren, machen sich alle daran schuldig, die eine Brotpreiserhöhung nicht beizeiten mit allen Mitteln verhindern halfen.
({0})
Glauben Sie bitte nicht, daß es zu schwarz gemalt wäre, wenn wir heute von diesen Dingen sprechen. Wir dürfen uns. wenn wir an den Brotpreis denken, keinesfalls an den finanziell Leistungsfähigen orientieren, sondern wir müssen das an dem Zahlungsvermögen der sozial Schwächsten tun. Jahrelang lag es nicht in unserem Vermögen, den Kindern unseres Volkes das nötige Stück Brot zu geben, und ich kann Ihnen versichern, wir Mütter denken noch heute mit Grauen an die Zeit zurück, in der wir den Brotkasten absperren mußten. Heute hängt es von der Brotpreisgestaltung ab, auf die der Bundestag maßgebenden Einfluß nehmen muß, ob die Mütter den hungernden Kindern das Brot wieder verweigern müssen. Wäre es nicht. meine Kollegen und Kolleginnen, eine entsetzliche Schande für uns alle, wenn wir nicht gemeinsam einen Wec finden würden, um das zu verhindern? Mit der Deklarierung der menschlichen Güte und Barmherzigkeit, wie wir sie hier schon so oft erlebt haben, mit schönen Worten allein ist es nicht getan. Man muß bereit sein, konsequent den Weg zu gehen, die Not zu verhindern und zu beseitigen. Hier haben Sie alle zusammen Gelegenheit, zu beweisen, daß es Ihnen ernst damit ist. den Anspruch auf das tägliche Brot einem jeden Menschenkinde bei uns zu sichern.
Nun möchte ich aber doch noch die Frage an den Herrn Bundesernährungsminister stellen: Wer soll denn eigentlich von der Brotpreiserhöhung profitieren? Der Herr Finanzminister sieht sich - das entnehme ich einer Erklärung, die ein Referent des Ministeriums im Verbraucherausschuß abgegeben hat - gezwungen. zu erklären. daß die Subventionen für Getreide in der derzeitigen Höhe nicht weiter gezahlt werden können. Mir ist nichts bekannt, daß eine Anordnung der Hohen Kommissare bereits besteht, daß diese Subventionen unter allen Umständen fallen müssen. Im Gegenteil. Der gleiche Referent hat erklärt, daß diese damals bei der DM-Umstellung abgegebene Erklärung bezüglich der Diskriminierung von den Hohen Kommissaren zurückgenommen worden sei. Inzwischen haben wir vom Bundesernährungsministerium eine Aufstellung
({1})
bekommen - und zwar ist sie vom 2. 2. 1950 -, wonach wir zur Zeit Weißbrot mit 22 Pfennig das Kilo subventionieren, Weizenmischbrot mil 18 Pfennig, Roggenbrot mit 12 Pfennig und Teigwaren und Grieß mit 30 Pfennig. Bei einem völligen Wegfall der Subventionen müßten die Preissteigerungen ein Vielfaches dessen betragen, was am 29. März vom Ernährungsministerium behauptet worden ist, nämlich 2,50 bis 3 DM im Monat. Bleibt es aber bei den von Herrn Minister Niklas auch gestern wieder genannten Preisen von 320 DM für Weizen und 270 DM für Roggen, dann sind - alle Vorteile, die das Weltweizenabkommen und die sinkenden Weltmarktpreise geben, eingerechnet - immer noch 200 Millionen DM Subventionen notwendig. Daraus müßte man doch entnehmen, daß zwischen dem Finanzministerium und dem Ernährungsministerium bereits ein Übereinkommen getroffen ist, wonach diese Subventionen weiter bestehen bleiben.
Dazu kommen dann aber doch die keinesfalls zu umgehenden Verbilligungsaktionen für die kleinen Einkommensträger, die der Herr Minister meines Erachtens eben bereits damit angedeutet hat, daß er davon sprach, die wohlhabenden Kreise sollten nicht mehr in den Genuß subventionierter Brotpreise kommen. Wenn man das nur überschlägt, sind dafür 100 Millionen absolut nicht zuwenig gerechnet. Nach meiner Rechnung bedeutet das Staatsausgaben in Höhe von annähernd 300 Millionen für diesen Zweck. Wir zahlten, wenn ich nicht irre, für diesen Zweck im vergangenen Wirtschaftsjahr 470 Millionen. 150 bis 170 Millionen können durch die Vorteile des Weltweizenabkommens und der sinkenden Preise eingespart werden.
Nun möchte ich gern wissen, ob es angesichts dieser Sachlage überhaupt zu verantworten ist, daß das Ernährungsministerium durch die damalige Pressekonferenz eine derartige Beunruhigung in die Verbraucherkreise hineingetragen hat. Es bleibt noch die Möglichkeit übrig, der deutschen Landwirtschaft einen angemessenen Getreidepreis zu sichern. Die Herren im Ausschuß wissen, daß wir Sozialdemokraten in dieser Beziehung absolut nicht kurzsichtig sind. Aber auch hier liegt ein Trugschluß vor. Meine Herren und Damen! Was die Landwirtschaft vielleicht auf dem Getreidesektor gewinnen könnte, das würde sie ja bei den Veredelungsprodukten wieder verlieren. Ich sage „vielleicht" deswegen, weil mit der Beseitigung der Subventionen für Getreide ja auch die Futtermittelpreise steigen müßten und weil es doch nachzuweisen wäre, daß eine Familie, die im Monat, wenn wir allein nach der Rechnung des Ernährungsministeriums gehen würden, 2,50 Mark bis 3 Mark mehr für Brot ausgeben muß, diese unbedingt bei irgendwelchen anderen Nahrungsmitteln einsparen müßte. Wir könnten dann alle Hoffnungen auf Steigerung des Milch-, Käse- und Fleischkonsums begraben; und wenn ich nicht sehr irre, dann gehen ja auch die Hoffnungen des Ernährungsministeriums und der Herren Landwirtschaftsvertreter im Ausschuß dahin, daß dieser Konsum gesteigert wird.
Nun liest der Parlamentarier neuerdings in der Zeitung - es scheint bei uns Brauch zu werden, daß wir uns durch die Zeitungen unterrichten
müssen -,
({2})
daß man sich im Bundesernährungsministerium von der Freigabe des Brotpreises und der Beimischung von Trockenmagermilch sogar eine Brotpreissenkung verspricht. Es ist noch nicht lange her, daß die gleichen Stellen einschließlich des Herrn Ministers empfohlen haben, die Backlohnspanne für Roggenbrot zu erhöhen. Für mich würde das bedeuten, daß dadurch der Roggenbrotpreis nicht gesenkt, sondern erhöht werden müßte. Mir ist es beim besten Willen nicht gelungen, herauszufinden, was das Bundesernährungsministerium nun eigentlich beabsichtigt bzw. was das klare Ziel dieser ständigen Pressemitteilungen ist. Wir haben gehofft, daß wir heute erfahren, was die Regierung in dieser Beziehung wirklich will. Aus der Erklärung des Herrn Ministers geht hervor, daß darüber roch keine Klarheit besteht. Wenn das Ministerium es aber doch an der Zeit findet, mit seinen Absichten an die Öffentlichkeit zu treten - nun einmal davon abgesehen, daß es im Zeitraum von vier Wochen einander völlig widersprechende Mitteilungen gewesen sind -, dann wäre es wohl in erster Linie notwendig gewesen, das Parlament, mindestens aber den zuständigen Ausschuß zu informieren. Sagen Sie, meine Herren und Damen: sind denn die ernsten Sorgen, die sich Millionen Hausfrauen und Verbraucher seit der Ankündigung der Brotpreiserhöhung gemacht haben - und ich möchte doch glauben, daß auch dem Herrn Minister die vielen Resolutionen bekanntgeworden sind, die in allen möglichen Verbraucherversammlungen über alle Parteien hinweg von den Frauen gefaßt wurden -, so belanglos, daß sich die Stellungnahme des Ministeriums dauernd in Eventualitäten erschöpft?
Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit läuft ab.
Einen Augenblick noch! - Ich zweifle nicht daran, daß die Spanne zwischen dem Getreidepreis und dem Brotpreis verringert werden könnte. Dafür gäbe es eine Menge von Beispielen, die ich im Augenblick aus Zeitmangel nicht mehr anfügen kann. Aber daß bei Wegfall der Subventionen, bei Anhängen der deutschen Getreidepreise an den derzeitigen Weltmarktpreis und Herausnahme des Brotpreises aus der Preisbindung der derzeitige Brotpreis nicht steigt, sondern fällt, das glaubt wohl der Herr Bundesernährungsminister selber nicht.
Meine Herren und Damen! Die Angelegenheit ist von so eminenter Bedeutung, daß wir darum bitten, diesen Antrag nicht abzulehnen, sondern dem zuständigen Ausschuß zur Beratung zu überweisen. Ich darf Sie aber heute schon darum bitten, die Mitglieder Ihrer Fraktionen mit dem Auftrag in den Ausschuß zu schicken, daß die Brotpreiserhöhung unter allen Umständen vermieden werden muß. Die Schere zwischen den Lebenshaltungskosten und dem Einkommen der breiten Bevölkerungsschichten klafft so weit auseinander, daß alles getan werden muß, um sie zu schließen. Eine Regierung und ein Parlament, die das nicht fertigbringen, sind auf dem falschen Wege.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel ist die Frage des Brotpreises eine ernste Angelegenheit. Ganz gleich. von welcher Seite dieser Antrag gestellt worden ist, müssen wir uns mit ihm befassen. Wir gehen zwar nicht irre in der Annahme, daß in der deutschen politischen Heimat der Antragsteller ein doppelter Brotpreis gilt, nämlich der eine auf Marken, auf die es kein Brot gibt, und der zehnfache dort, wo es eins gibt. Aber das hat mit der Frage, mit der wir im Westen uns zu beschäftigen haben, gar nichts zu tun.
({0})
Diese Angelegenheit des Brotpreises kann, wie die Vorrednerin, Kollegin Strobel, richtig ausgeführt hat, überhaupt nur im Zusammenhang mit den Subventionen behandelt werden.
Wir sind allgemein der Meinung, daß die Lebenshaltung der breiten Schichten unseres Volkes nicht verteuert werden darf, ohne daß es neue Einkommensquellen erhält. Das ist klar. Auf der andern Seite müssen wir uns, Frau Kollegin Strobel, aber wohl auch einmal sehr ernst mit der Frage befassen, wieweit es zu verantworten ist, daß das Brot der Reichen aus den Steuermitteln der Armen verbilligt wird.
({1})
Das ist eine Frage, die man ohne jede Agitation mit sachlichen Zahlen und in nüchterner Behandlung einmal eingehend klären muß. Ich glaube, daß die Presseverlautbarung des Bundesernährungsministeriums vom 29. März vielleicht - man kann nicht sagen: zu früh oder zu ungelegener Zeit,
({2})
aber doch zu einem Zeitpunkt erschienen ist, als
die Voraussetzungen überhaupt noch nicht vorlagen, um die Frage endgültig zu behandeln.
Uns bewegt neben dem Gesichtspunkt, daß die Lebenshaltung der breiten Schichten unseres Volkes nicht verteuert werden darf, der andere wesentliche Gesichtspunkt, daß die Produktionsfähigkeit unserer Landwirtschaft. die Gleichstellung der einheimischen und der ausländischen Getreidepreise in diesem Ausschuß einmal geprüft werden muß. Darum schließen wir uns dem Antrag der Kollegin Strobel an, daß diese Angelegenheit dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend zur Beratung überwiesen wird. Ich möchte aber gleichzeitig darum bitten, daß auch der Haushaltsausschuß damit befaßt wird. weil der Haushaltsausschuß in der Frage der Subventionen ein ernstes Wort bei der Beratung des neuen Haushaltsplans mitzureden hat.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Faßbender.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn hier über den Brotpreis debattiert wird, der in Deutschland ab 1. Juli üblich sein soll, so ist es notwendig, einmal auf etwas hinzuweisen, was für gewisse Leute nicht gerade sehr bequem ist, die sich erlaubt haben, den Antrag einzubringen, um die Regierung zu zwingen, es bei dem jetzigen Brotpreis verbleiben zu lassen. Wie sehen denn die Dinge da aus? Meine Herren von der radikalen Linken, ja, ich weiß,
das ist sehr peinlich und unangenehm, wenn gefragt wird, wie die Dinge da aussehen, wo Ihre politischen Freunde das Zepter in der Hand haben. Fragen Sie doch einmal dort drüben, was diesen Bevölkerungsschichten überhaupt zur Verfügung steht.
({0})
Wer da drüben satt werden will, ist gezwungen, in den sogenannten HO-Läden zuzukaufen.
({1})
Es hat einen Menschen gegeben, der hat diese HO-Läden als Hunger-Organisations-Läden bezeichnet, und das mit gewissem Recht.
Sie wollen heute durch Ihren Antrag die Regierung zwingen, es nach dem 1. Juli bei den bisherigen Brotpreisen zu belassen. Ich denke hier an die Debatte, die vor einigen Tagen geführt wurde und in der gerade von Ihnen im Hinblick auf diejenigen Kreise, die an dem Preis des Grundprodukts interessiert sind, nämlich im Hinblick auf die deutsche bäuerliche Bevölkerung, gesagt wurde, daß Sie alles tun würden, um die Landwirtschaft produktionskräftig zu erhalten. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist wirklich angebracht, einmal darauf hinzuweisen, daß das Grundprodukt des Brotes, nämlich das Brotgetreide, in Deutschland seit dem Jahre 1913 eine Preissteigerung von sage und schreibe nur 25 bis 30 % durchgemacht hat. Ist Ihnen klar, daß es wohl keinen Berufsstand - sei es der der Handwerker, der Industriellen oder aber auch der Lohnarbeiter - in Deutschland gibt, der um einen Lohn oder um eine Gewinnchance arbeitet, die bloß um 30 % erhöht sind? Das hat man bisher dem deutschen Landvolk allein zugemutet.
Wir möchten bei dieser Gelegenheit eindeutig erklären: wir müssen Wert darauf legen, daß das deutsche Landvolk nun endlich auch den Lohn erhält, den es braucht. Praktisch sind ja die Agrarpreise der Ausdruck der Löhne; denn kapitalistischen Großgrundbesitz haben wir ja im Westen kaum. Was ist denn der Brotpreis? Er ist der Ausdruck des Lohnes bäuerlicher Bevölkerungsschichten für ihre Handarbeit. Und was ist der Bauer? Er ist praktisch ein Handarbeiter, meine Herren, der sich lediglich noch im Besitze der Produktionsmittel befindet. Wenn man schon von sozialen Belangen sprechen will, dann soll man diese handarbeitenden Schichten nach demselben Grad messen, mit dem man die übrigen Handarbeitskräfte zu messen beliebt. Deshalb sollten wir uns darüber klar sein: wenn das deutsche Landvolk produktionskräftig bleiben soll, muß man ihm als Lohn seiner Arbeit die Preise bewilligen, deren es bedarf.
Ich möchte aber auch daran erinnern, daß das deutsche Volk in seiner Gesamtheit im Hinblick auf den Ablauf der Marshallplanhilfe im Jahre 1952 ein unbedingtes Interesse an einer solchen Regelung hat, damit nicht wieder jene Zustände einreißen, die wir gottlob als vergangen bezeichnen können, Zustände, in denen man um einen Laib Brot Eisenbahnfahrten unternahm. Ich glaube, das sagen zu müssen im Hinblick auf das. was war und, meine Damen und Herren, was kommen kann, wenn wir es verabsäumen, der Landwirtschaft die Produktionskraft zu sichern, deren sie bedarf, um ein Höchstmaß agrarischer Produkte dem Boden entreißen zu können. In
({2})
diesem Sinne bitte ich Sie, sich zu überlegen, ob es nicht richtig ist, heute schon darauf aufmerksam zu machen, daß es den Bauern in Zukunft unmöglich ist, Brotgetreide für Preise zu erzeugen, wie man sie heute zahlt. Das hat mit amerikanischen Getreidemagnaten gar nichts zu tun. Glauben Sie, Herr Kollege von der KPD: diese Leute werden ihr Getreide nicht einen Cent billiger an Deutschland oder an Europa abgeben, als sie es für richtig halten. Und wenn Sie sagten, daß im Osten wahrscheinlich mehr Getreide zur Verfügung stände, als wir ahnten, dann verstehe ich allerdings nicht, warum dieser Osten seinen Satelliten - dazu gehört ja auch ihre sogenannte Demokratische Republik - nicht soviel an Getreide zur Verfügung stellt, daß man die Lebenslage unserer deutschen Menschen jenseits des Eisernen Vorhangs auch bessern könnte. Ich glaube, statt hier mit Agitationsanträgen zu kommen, wäre es besser für Sie, auf Ihre Freunde einzuwirken, daß die deutschen Menschen dort drüben langsam und sicher wieder ein besseres Dasein fristen können. Aber daran haben Sie ja gar kein Interesse. Das, glaube ich, sollte man hier mit aller Deutlichkeit feststellen.
({3})
Wir sind jedenfalls nicht bereit, die deutschen Bauern heute schon durch Getreidepreise binden zu lassen, die die Existenz dieser Bauern gefährden. Wir sind im Gegenteil unter allen Umständen bereit - das sage ich Ihnen ganz unverblümt -, dafür zu sorgen und ihnen mitzuhelfen - ich glaube aber auch, das ist der Wunsch der Bundesregierung -, den Ärmsten der Armen einen Brotpreis zu garantieren, etwa durch Beihilfen, allerdings anderer Art, als die heutigen genereller Natur, damit sie an Brot satt werden.
Diese Versicherung glaube ich hier im Namen meiner politischen Freunde abgeben zu sollen. Wir sind aber nicht bereit, in Zukunft einen Getreidepreis zu akzeptieren. der das deutsche Landvolk nicht in die Lage versetzt, seiner hohen Aufgabe gerecht zu werden, aus dem deutschen Boden herauszuholen, was herauszuholen ist. Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie dringend bitten, hier keine voreiligen Beschlüsse zu fassen, sondern - und da schließe ich mich dem Antrag der Frau Kollegin Strobel an - diesen Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Ich glaube, daß dort wohl der notwendige Sachverstand vorhanden ist und daß die notwendige Zeit genommen werden muß, um weitestgehend auch den landwirtschaftlichen Erzeugerkreisen gerecht zu werden. Wir wissen, daß wir damit im besten Sinne des Wortes eine Politik treiben, die sich zum Wohle des gesamten deutschen Volkes auswirken wird.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
({0}) - Ihre Wortmeldung ist zu spät gekommen.
({1})
Ich habe die Aussprache geschlosssen.
Meine Damen und Herren! Es ist Überweisung dieses Antrages an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik - federführend - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten beantragt. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag auf Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ehe wir in der Tagesordnung fortfahren, wird zunächst der Herr Bundeskanzler eine
Regierungserklärung
abgeben. Ich darf das Einverständnis des Hauses feststellen, daß insoweit die Tagesordnung zunächst unterbrochen wird.
Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort zu einer Erklärung.
Meine Damen und Herren! Die TASS-Meldung, die durch den Moskauer Rundfunk verbreitet worden ist, hat in ganz Deutschland und, wie ich hoffe, auch über die deutschen Grenzen hinaus allgemeines Entsetzen ausgelöst. Wenn diese Meldung richtig ist, dann wäre sie für Millionen von Deutschen fürchterlich. Ob die TASS-Meldung richtig ist, weiß man nicht. Es hat aber den Anschein, als ob sie den
Tatsachen nicht entspräche. Bei der Beurteilung
der Angelegenheit sind wir auf Angaben aus russischen Quellen angewiesen. Das Material der früheren deutschen Wehrmacht über Gefangennahme und Tod von Angehörigen der Wehrmacht befindet sich zu einem erheblichen Teil in russischer Hand. Die russische Regierung hat entgegen ihrer schon vor mehreren Jahren gegebenen Zusage es nicht möglich gemacht, dieses Material auszuwerten.
Das Material der deutschen Wehrmacht, das uns zur Verfügung steht, ist unvollständig und gibt keine schlüssigen Ziffern. An Angaben aus russischer Quelle liegt folgendes vor: Zunächst eine TASS-Meldung nach dem Zusammenbruch, nach der Kapitulation. In dieser TASS-Meldung wurde die Zahl der deutschen in russischer Hand befindlichen Kriegsgefangenen mit 3,5 Millionen angegeben. Es liegt dann weiter vor eine Erklärung des Herrn Molotow, abgegeben auf der Moskauer Außenministerkonferenz am 14. März 1947. Damals wurde erklärt, es befänden sich noch in sowjetrussischer Kriegsgefangenschaft 890 532 deutsche Soldaten und es seien bis zu diesem Zeitpunkt, also bis zum 14. März 1947, entlassen 1 003 974 Kriegsgefangene. Die dritte offizielle Angabe ist diejenige der TASS, die durch den Moskauer Rundfunk gestern am späten Abend verbreitet worden ist. Die Angabe Molotows im Jahre 1947 und die Angaben der TASS von gestern stimmen ziffernmäßig völlig überein, und zwar stimmen sie so überein, daß die Summe der von der TASS angegebenen entlassenen Kriegsgefangenen und derjenigen, die nach der gleichen Meldung noch in Rußland zurückgehalten werden, sei es, weil in Untersuchung befindlich, sei es, weil wegen angeblicher Kriegsverbrechen verurteilt, einschließlich der 14 Kranken, die nicht transportfähig seien, bis auf die letzte Ziffer - ich unterstreiche das - mit den Ziffern übereinstimmt, die Molotow im Jahre 1947 angegeben hat. Es würde also daraus folgen, daß in der Zeit von März 1947 bis zu der gestrigen TASS-Meldung kein einziger deutscher Kriegsgefangener in Rußland gestorben sei. Schon diese Tatsache, meine Damen und Herren, läßt klar erkennen, daß die gestrige TASS-Meldung eine Meldung ist, die aufgebaut ist auf der Molotow({0})
schen Erklärung vom Jahre 1947 und daß sie keinesfalls den Tatsachen entspricht.
Wenn man die beiden identischen Meldungen, die Molotow-Meldung vom März 1947 und die TASS-Meldung von gestern, der TASS-Meldung vom Jahre 1945 gegenüberstellt, so bleibt als Ergebnis übrig, daß das Schicksal von 1,5 Millionen deutscher Kriegsgefangenen ungeklärt bleibt. Wir können nicht annehmen, meine Damen und Herren, daß diese 1,5 Millionen deutsche Kriegsgefangene in Rußland gestorben oder umgekommen oder verdorben sind.
Die TASS-Meldung gibt weiter keinen Aufschluß darüber, was mit den Verschleppten geworden ist, mit den zahlreichen Deutschen, insbesondere auch deutschen Frauen, die bei der Besetzung deutschen Gebiets durch die russischen Armeen nach Rußland verschleppt worden sind. Wir wissen nur aus den Angaben von Entlassenen, daß noch eine ganze Anzahl, Zehntausende von solchen Personen, in Rußland in Sklavenarbeit gehalten werden. Diese Ungewißheit, diese Unsicherheit, meine Damen und Herren, ist so entsetzlich und lastet so sehr nicht nur auf den Angehörigen der in Rußland Vermißten, sondern auf dem gesamten deutschen Volke, daß ich glaube, von diesem Platze aus an Sowjet-Rußland im Namen der Menschlichkeit die Aufforderung richten zu müssen, Aufklärung darüber zu geben, was mit diesen anderthalb Millionen deutschen Kriegsgefangenen geschehen ist,
({1})
ob sie noch leben oder ob sie tot sind und, wenn
sie noch leben, wo sie sind, was mit ihnen geschieht und warum sie nicht freigegeben werden.
Aber nicht nur an Sowjet-Rußland, sondern auch an diejenigen Siegerstaaten, die doch nach ihrer eigenen Erklärung in den Kampf gezogen sind im Interesse der Menschlichkeit, richte ich die ebenso dringende wie herzliche Bitte, gerade im Interesse der Menschlichkeit bei Sowjet-Rußland alle ihnen möglichen Vorstellungen zu erheben und unsere Bitte um Aufklärung mit ganzer Kraft zu unterstützen.
Diese grauenvollen Ziffern müssen aufgeklärt werden. Es darf nicht so bleiben, daß alle die Angehörigen von über 1,5 Millionen Deutschen die Jahre weiter dahinbringen in Sorge und in Kummer darüber, was mit ihren Angehörigen geschehen ist. Es handelt sich hier um einen Appell an die Menschlichkeit, die alle Völker angeht.
({2})
Wir müssen auch Auskunft darüber haben, was mit denen geschehen ist, die nach den Angaben von TASS zurückgehalten werden, wo sie sind, in welchem Gerichtsverfahren sie verurteilt worden sind und was ihnen zur Last gelegt worden ist. Von heimgekehrten Kriegsgefangenen haben wir auch da erschütternde Nachrichten bekommen. Wir können uns unter keinen Umständen damit zufrieden geben, daß es heißt, sie würden wegen Kriegsverbrechen weiter in Gefangenschaft verbleiben müssen.
Ich denke, meine Damen und Herren, daß sich niemand in diesem Hause ausschließen wird von dem Appell an das gesunde Empfinden aller Völker und an die Menschlichkeit aller Völker, dem deutschen Volk und den Angehörigen aller derjenigen, um deren Schicksal wir nach dieser Meldung doppelt bangen müssen, endlich Aufklärung
und Ruhe und fünf Jahre nach Kriegsende den Kriegsgefangenen die Freiheit zu geben und ihnen die Rückkehr in unser Land zu ermöglichen.
({3})
Das Wort hat der Herr
Abgeordnete Löbe.
Meine Damen und Herren! Für die Fraktionen dieses Hauses mit Ausnahme der kommunistischen gebe ich die folgende Erklärung ab:
Im Namen des deutschen Volkes weist der Bundestag die gestern vom sowjetischen Rundfunk verbreitete Behauptung zurück, daß die Rückführung der deutschen Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion durchgeführt sei. Sie ist ebenso unwahr wie die längst durch die Tatsache widerlegte Behauptung der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS vom Frühjahr 1947, daß sich damals in der Sowjetunion nur etwa 890 000 Kriegsgefangene befunden hätten.
Die Sowjetunion hat ihre sämtlichen Versprechen, die deutschen Kriegsgefangenen bis zum bestimmten Termin zu entlassen, immer wieder gebrochen.
({0})
Noch heute, fünf Jahre nach Kriegsende, warten Hunderttausende deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion auf die Rückkehr in ihre Heimat. Außerdem werden noch Tausende von Verschleppten, Frauen und Männer, die niemals Soldaten waren, in der Sowjetunion zurückgehalten und sind dort zu Sklavenarbeit verdammt. Erst in der jüngsten Vergangenheit ist die Zahl dieser Unglücklichen durch Massentransporte aus den angeblich aufgelösten Konzentrationslagern der sowjetischen Besatzungszone erneut vermehrt worden.
Der Bundestag fordert von der Bundesregierung, unverzüglich Schritte bei der Alliierten Hohen Kommission zu unternehmen, um die Verwirklichung folgender Forderungen zu erreichen:
1. die Bekanntgabe der Namen, der Straftaten und des Aufenthaltsortes der zurückgehaltenen Kriegsgefangenen und der verschleppten Zivilpersonen zu erwirken;
2. die Bekanntgabe der in Kriegsgefangenenlagern des sowjetischen Machtbereichs Verstorbenen und
3. die Nachforschung nach den Verschollenen.
In unserer Not rufen wir die Welt auf und appellieren an das Gewissen eines jeden Menschen: Helft, diese unglücklichen Gefangenen zu befreien!
Die frei gewählte Vertretung des deutschen Volkes, der Bundestag, legt aufs feierlichste Verwahrung ein gegen dieses Unrecht und erwartet von der Solidarität aller demokratischen Völker, insbesondere der Vereinten Nationen, daß sie sich diesem Protest anschließen und mithelfen, damit auch dem letzten Kriegsgefangenen aller Nationen bald die Stunde der Befreiung schlägt.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
({0})
- Das geht schlecht! Dann müssen Sie Ihre Geschäftsordnung auf den Kopf stellen. Es kommt Ihnen anscheinend auf einen kleinen Verfassungsbruch mehr oder weniger schon gar nicht mehr an. Sind Sie denn so bange, anzuhören, was ich Ihnen zu sagen habe?
({0})
- Das können Sie nur im Fall einer Abstimmung. Das sollten Sie wissen, Herr Lehr.
Herr Abgeordneter Lehr, wir sind in der Beratung.
({0})
Der Herr Abgeordnete Löbe hat im Namen der Fraktionen eine Erklärung vorgelegt, von der er eingangs erwähnte, daß sie ohne Beteiligung der kommunistischen Fraktion zustande gekommen sei. Ich stelle dazu fest, daß die kommunistische Fraktion vorher überhaupt nicht gefragt worden ist, ob sie sich an einer derartigen Erklärung beteiligen will und wie sie sich zu einer derartigen Erklärung stellt. Der Herr Abgeordnete Löbe ist offensichtlich von der Erkenntnis ausgegangen, daß man unsere Fraktion nicht dazu benutzen kann, um sich als Instrument einer noch über den Rahmen des bisher Üblichen hinausgehenden Hetze gegen die Sowjetunion mißbrauchen zu lassen. Wenn das seine Erkenntnis war - und ich traue ihm soviel politische Erkenntnis zu -, dann hat er sich tatsächlich nicht geirrt.
Wir haben am 27. Januar einen Auftakt zu der heutigen Erklärung erlebt. Im übrigen möchte ich vorausschicken, um das ja nicht zu vergessen, daß die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers sich in etwa von dem Inhalt Ihrer gemeinschaftlichen Erklärung dadurch unterscheidet, daß der Herr Bundeskanzler heute zum ersten Mal die Sowjetunion direkt angesprochen und sie direkt ersucht hat, gewisse Auskünfte zu geben. Er hat sich dabei eines Tones bedient, der normalerweise unter Regierungen nicht gerade üblich ist; aber das ist sein Privatvergnügen.
Sie, Herr Kollege Löbe, haben sich in Ihrer Resolution ausschließlich an die alten Instanzen gewendet, an die bisher auch solche Appelle gerichtet worden sind, an die UNO, an die „Demokratie" usw., an die „Menschlichkeit" und an all diese Begriffe, die so schwer zu fassen und so schlecht auf einen einheitlichen Nenner zu bringen sind.
Der Herr Bundeskanzler hat sich hier hingestellt und die Richtigkeit der TASS-Meldung bezweifelt. Ich kenne diese TASS-Meldung aus der „Welt". Er hat gesagt: sie entspricht keinesfalls - so wörtlich - den Tatsachen. Lr bezweifelt also die Richtigkeit der in dieser Meldung enthaltenen Zahlen. Er sagt, daß zwischen den offiziellen Meldungen in der Periode von 1947 bis 1950, hinter denen offizielle sowjetrussische Regierungsstellen stehen, kein Zahlenunterschied besteht. Er geht dann auf eine TASS-Meldung aus dem Jahre 1945 zurück, die bekanntlich - das sollten Sie, Herr Kollege Löbe, wissen, der Sie die bittere Aufgabe übernommen haben, hier die Gesamtheit der Fraktionen zu verkörpern, die hinter Ihrer Resolution stehen - schon seit Jahr und Tag von offizieller sowjetrussischer Stelle als falsch bezeichnet worden ist. Hier wird wieder einmal mehr ein Spiel mit Zahlen getrieben. Hier wird mit Zahlen operiert, die keine Spur von innerer Wahrhaftigkeit tragen. Uns wird zugemutet, daß wir diese Zahlen als glaubwürdigere Zahlen als die offiziellen Zahlen der Sowjetunion anerkennen. Zahlen! Noch den Wahlkampf im Jahre 1947 hat die CDU mit einem großen Plakat bestritten, auf dem zu lesen war: 7 Millionen Kriegsgefangene werden in der Sowjetunion zurückgehalten. Das war die Überschrift.
Ich will nun nicht den ganzen Prozess enthüllen, den dieses Zahlenspiel in der Periode von 1947 bis 1950 hier durchgemacht hat. Ich halte mich an amtliche Zahlen der Deutschen Bundesrepublik. Vor mir liegt ein Schreiben des Bundesministers für Arbeit an den Vorsitzenden des Ausschusses des Bundestags für Kriegsopfer und Kriegsgefangene, den Herrn Bundestagsabgeordneten Leddin, vom 1. Dezember 1949. Diesem Schreiben ist eine Originalaufstellung beigegeben. Aus dieser Aufstellung ergibt sich, daß die verschiedenen zuständigen Länderminister der Länder der Bundesrepublik am 1. September 1949 noch die Rückkehr von 244 500 Heimkehrern erwartet haben. Es ist interessant, nachzulesen, wie in dem Schreiben vom 1. Dezember 1949 der Herr Bundesarbeitsminister das Dilemma zwischen den verschiedenen in der Öffentlichkeit herumschwirrenden Zahlen zu klären sucht. Er sagt in dem Schreiben:
Die Schätzungen der Länder liegen wesentlich niedriger als die Schätzungen des Statistischen Amtes des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und der Arbeitsgemeinschaft für Kriegsgefangenenfragen in Frankfurt. Die Länder sind bei den Schätzungen offenbar von den Auskünften ausgegangen, die Heimkehrer über die Kriegsgefangenenlager in Rußland und ihre Belegung gegeben haben, während das Statistische Amt bei seinen Schätzungen offenbar auch allgemeine Überlegungen berücksichtigt hat.
Was waren das für „allgemeine Überlegungen"? Das
warenÜberlegungen, die aus Ihren propagandistischen Bedürfnissen einer verstärkten Hetze gegen
die Sowjetunion resultieren. So liegen die Dinge.
Dann haben wir am 27. Januar 1950 die Debatte hier im Hause erlebt, und zwar im Anschluß an einen Antrag meiner Fraktion, in dem die Bundesregierung ersucht wurde, von der Hohen Kommission die Herausgabe der Totenlisten zu fordern. Der Herr Bundeskanzler -hat damals gesagt, daß sich ein Teil der Akten - und zwar nannte er damals 100 000, wenn ich mich nicht irre; ich will mich aber auf die Zahl nicht festbeißen - in russischer Verwahrung befinde. Heute sagt er: Das Großteil dieses Materials befindet sich in den Händen der Russen, die es nicht herausgeben. Wir haben damals am 27. Januar 1950 gesagt, daß das gesamte Material sich seit Jahr und Tag in der Hand der westlichen alliierten Dienststellen befindet. Vor mir liegt die Fotokopie eines Schreibens, das der Hohe Kom({0})
missar der Vereinigten Staaten für Deutschland am 15. März dieses Jahres an einen Herrn Fritz Fehrmann in Langen-Hessen gerichtet hat. Dieses Schreiben, das ich hier mit einer notariellen Beglaubigung über die Richtigkeit des Inhalts vorzuzeigen in der Lage bin, hat, ins Deutsche übersetzt, folgenden Inhalt:
Sehr geehrter Herr Fehrmann!
Herr McCloy hat mich gebeten, Ihnen auf Ihr Auskunftsersuchen über ehemalige deutsche Soldaten zu antworten, die- als vermißt gemeldet worden sind. Obwohl Herr McCloy dem Wunsche von Millionen Deutscher Verstandnis entgegenbringt, die nahere Auskunft über ihre Vater, Brüder und Söhne erlangen wollen, muß er Ihnen mitteilen, daß solche Listen, wie Sie sie erwähnen, schon lange in die Zuständigkeit der deutschen Bundesregierung übergegangen sind.
Am besten können Sie in dieser Angelegenheit von Ihrer Bundesregierung Auskunft erhalten. Sie sollten Anfragen über ehemalige deutsche Soldaten, die in militärischen Organisationen wie der französischen Fremdenlegion dienen, an die Regierungen der betreffenden Länder richten.
Also ein Hinweis darauf, daß die Zahlen über die in der Fremdenlegion gefallenen deutschen Fremdenlegionare nicht an unsere Bundesregierung gemeldet werden, sondern daß sie über die zuständigen Landesstellen zu erfahren sind, in diesem Fall über die zuständige französische Militärstelle in Berlin. Ich habe am 27. Januar 1950 hier ausgesprochen, daß diese französische Dienststelle in Berlin Verluste, die heute innerhalb der Fremdenlegion im Kampf in Indochina, in Vietnam vorkommen, als deutsche Kriegsverluste meldet, daß diese also die Fiktion aufrechterhält, als seien die heute Verstorbenen im Zuge des zweiten Weltkrieges verstorben.
Aber, Herr Konrad Adenauer, hier in dem Brief steht noch etwas mehr. Hier steht noch, daß Sie dieses Material in die Hand bekommen haben. - Er wußte von der Frage, die kommt. Er hat es vorgezogen, sich der Beantwortung der Frage zu entziehen. Sie war ihm angekündigt. Dieser Brief ist von uns in der Presse veröffentlicht worden, und ich habe dafür gesorgt, daß er vorher erfährt, daß ich heute diesen Brief hier auswerten werde, um zu beweisen, daß sich dieses Material über die Gefallenen seit Jahr und Tag im Besitze sogar unserer eigenen Bundesregierung befindet.
Ich gehe einen Schritt weiter. Vor einigen Wochen haben wir auf Betreiben der Bundesregierung und mit Billigung der Mehrheit des Bundestages hier die Durchführung von statistischen Erhebungen über die Zahl der von ihren Angehörigen noch als vermißt betrachteten ehemaligen Kriegsteilnehmer erlebt. Bei dieser Erhebung hat sich nach einer Meldung in der „Neuen Zeitung", in diesem deutsch-amerikanischen Organ, ergeben, daß 114 000 Kriegsgefangene noch von ihren eigenen Angehörigen als vermißt angesehen werden. Diese Zahl wurde nun nachher entsprechend umfrisiert. Man rechnete zu diesem Ergebnis, das auf Rückfragen der Angehörigen zurückgeht, kühl und kalt die 1,5 Millionen Gefallener hinzu, deren Tod nachgewiesen werden könnte, wenn die Alliierten bzw. die Bundesregierung dieses Material herausgäben.
Wo sind die Verlustlisten, Herr Konrad Adenauer, die nach einem Schreiben von McCloy in Ihre Kompetenz übergegangen sind?
Sie haben hier in diesem Hause am 27. Januar ausgesprochen:
Lassen Sie mich weiter ein Wort an die gesamte Weltöffentlichkeit richten. Hier handelt es sich um solche Vergehen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, daß die gesamte Öffentlichkeit sich dagegen empören muß.
Und die Öffentlichkeit, wenigstens in diesem Hause hier, hat sich empört. Die Fraktionen sind von ihren Plätzen aufgestanden, nachdem sie eine gemeinschaftliche Resulution, wie auch heute, zur Verlesung und zur Annahme gebracht haben.
Aber, meine Herren, in der Zwischenzeit haben wir in diesem Hause auch noch etwas anderes erlebt, nämlich den Kampf um eine ausreichende und gerechte Versorgung der Kriegsopfer. Da haben Sie bisher restlos versagt. Wir haben den Kampf um die Regelung der Bezüge der Heimkehrer erlebt. Darf ich Sie daran erinnern, wie hier vor einigen Tagen gestritten worden ist um die Formulierung „bis zu 250 DM Übergangshilfe"? Darf ich Sie daran erinnern, daß mit der Zustimmung der gesamten Mehrheit des Hauses, außer unserer Fraktion, die Hergabe dieser 250 DM Übergangshilfe vom Vorliegen der Bedürftigkeit abhängig gemacht worden ist?
So erklärt sich der Zustand, so erklärt sich auch unsere Behauptung, will ich sagen, daß Ihnen dieser sogenannte, von Ihnen scheinbar ehrlich geführte Kampf um die Herausgabe und die Freilassung der nach Ihrer Version noch in russischer Gefangenschaft befindlichen Kriegsgefangenen nichts anderes ist als ein Instrument der Hetze gegen die Sowjetunion.
Ich komme zum Schluß. Wir haben vor einigen Wochen erfahren, daß der Kampf gegen die Sowjetunion, damit also der Kampf gegen die Kräfte des Friedens einen neuen Auftrieb erhalten soll. Herr Truman hat die „Wahrheitskampagne" eingeleitet. Alle Dreckschleudern in der gesamten Welt sind mit neuem Material versorgt worden, um diese Hetze systematisch zu steigern. Unser Vizekanzler, Herr Blücher, hat in dasselbe Horn hineingetutet. Auch er hat zur Eröffnung dieser Kampagne der Wahrheit gegen die Sowjetunion aufgerufen.
Warum das? Sie wissen ganz genau, daß unser deutsches Volk den Frieden will. Sie wissen ganz genau, daß unser deutsches Volk es ablehnt, daß von Regierungsstellen und von Parteien die Hetze gegen die Sowjetunion weiter getrieben und verstärkt wird. Sie haben erfahren, wie das Volk über die Aktion der Unterschriftensammlung für den Frieden denkt. Ihnen wird bange vor den in Westdeutschland wachsenden Kräften des Friedens und darum müssen Sie alle Kanäle aufmachen, um eine verstärkte Hetze gegen die Sowjetunion durchzuführen. Das ist auch der Zweck, der hinter dieser heutigen Aktion steht. Es kommt Ihnen darauf an, mit psychologischen Mitteln Widerstand gegen die in Westdeutschland wachsenden Kräfte zu schaffen, die den Frieden wollen. Sie müssen diesen Kampf führen, weil Ihr politisches Tun und Arbeiten und Wirken darauf hinausläuft, die Jugend Westdeutschlands in den vom USA-Monopolkapital gewollten und systematisch vorbereiteten neuen Krieg einzuschalten.
({1})
Sie wollen diese Hetze, - ({2})
Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie zur Ordnung für die Beleidigung des gesamten Hauses, daß hier eine Hetze betrieben wird. Ich mache Sie auf 'die Folgen von Ordnungsrufen aufmerksam.
Sie wollen diese Hetze, weil Sie den Krieg wollen!
({0})
Ich rufe Sie zum zweiten Male zur Ordnung.
Wollten Sie den Kriegsgefangenen helfen, die nach Ihrer Darstellung noch in sowjetrussischer Kriegsgefangenschaft sind,
({0})
wollten Sie sich wirklich um die bemühen, gegen die noch Kriegsverfahren wegen Kriegsverbrechen anhängig sind, was ich in der TASS-Meldung auch gelesen habe, dann müßten Sie sich anderer Methoden bedienen als der Methoden, die Sie in dieser Entschließung hier erneut anwenden. Diese Entschließung hilft den Kriegsgefangenen nicht, das ist auch gar nicht ihr Zweck.
({1})
- Ja, das steht in der TASS-Meldung drin, ich nehme an, daß Sie zumindest die Meldung gelesen haben.
({2})
- Ich weiß in der Beziehung genau soviel wie Sie.
({3})
Ich schließe also mit der Feststellung:
({4})
Ihre Aktion hat nicht den Zweck, den Kriegsgefangenen zu helfen, Ihre Aktion hat einen anderen Zweck,
({5})
den Zweck, den ich hier klar umrissen habe.
({6})
Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie zum dritten Male zur Ordnung wegen einer Beleidigung der Gesamtheit des Hauses und entziehe Ihnen hiermit das Wort. Bitte, verlassen Sie das Rednerpult!
({0})
Zur Geschäftsordnung bitte der Herr Abgeordnete Matthes!
Herr Präsident! Das Hohe Haus hält es nach den vorhergegangenen Ausführungen unter seiner Würde, die Tagesordnung zu Ende zu führen. Ich beantrage daher, die Sitzung aufzuheben.
Da das Haus nicht beschlußfähig ist, kann ich über diesen Antrag nicht abstimmen lassen. Ich stelle gemäß § 100 der Geschäftsordnung die Beschlußunfähigkeit des Hauses fest.
Ich hebe die Sitzung auf und berufe die nächste Sitzung des Bundestags, und zwar die 63. Sitzung, auf Donnnerstag, den 11. Mai, nachmittags 14 Uhr 30 Minuten ein.
Ich erkläre hiermit die 62. Sitzung des Deutschen Bundestags für geschlossen.