Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 56. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Schriftführer Herrn Abgeordneten Karpf, die Liste der fehlenden Mitglieder des Hauses zu verlesen.
In der heutigen Sitzung fehlen folgende Damen und Herren des Hauses wegen Erkrankung: die Abgeordneten Schütz, Frau Dr. Probst, Frau Dr. Gröwel, Dr. Müller ({0}), Even, Mehs, Schönauer, Frau Schroeder ,({1}), Dr. Gülich, Bettgenhäuser, Dr. Becker ({2}), Dirscherl, Frau Dr. Ilk, Margulies, Dr. Middelhauve, Wirths, Wittmann. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Baur ({3}), Schmitz, Winkelheide, Dr. Bleiß, Frau Strobel, Nowack ({4}), Böhm, Steinhörster, Imig, Reitzner, Neumann, von Knoeringen, Dr. Suhr, Dr. Wellhausen, Dr. Mühlenfeld, Freiherr von Aretin, Dr. Baumgartner, Reimann, Müller ({5}), Müller ({6}), Rische. Nuding, Dr. Frey. Außerdem fehlen die Abgeordneten Heiland und Wehner.
Meine Damen und Herren! Ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 23. März 1950 die Anfrage Nr. 54 der Fraktion der FDP, soweit sie den Bau von Schiffen für Exportzwecke betrifft - Drucksache Nr. 577 -, beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 803 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 27. März 1950 die Anfrage Nr. 17 der Fraktion der FDP betreffend Währungsgesetzgebung-Drucksache Nr. 264 - beantwortet. Die Antwort geht den Mitgliedern des Hauses unter Drucksache Nr. 804 zu.
Mit Schreiben vom 30. März 1950 hat der Bundesrat mitgeteilt, daß er in seiner Sitzung vom gleichen Tage den folgenden Gesetzentwürfen seine Zustimmung gegeben hat:
Entwurf eines Ersten Wohnungsbaugesetzes, Entwurf eines Gesetzes über Bekanntmachungen, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Treibstoffpreise.
Zu dem letzten Gesetz hat der Bundesrat noch Berichtigungen redaktioneller Art angeregt, die dem Hause gedruckt als Material zugehen werden.
Ferner möchte ich darauf aufmerksam machen, daß im Verlaufe der Tagesordnung zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt für den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten Herr Abgeordneter Pfleiderer eine einstimmig beschlossene Erklärung bezüglich Errichtung eines Bundesamtes für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten abgeben wird.
Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zum deutsch - französischen Wirtschaftsabkommen ({0}).
Ich mache darauf aufmerksam, daß im Ältestenrat folgende Redezeit vorgesehen wurde: für die Einbringung durch die Antragsteller etwa 25 bis 30 Minuten, für die Aussprache 60 Minuten für alle Fraktionen nach dem üblichen Schlüssel. Ich darf das Einverständnis des Hauses mit dieser. Festsetzung der Redezeit auf 60 Minuten feststellen. - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist demgemäß beschlossen.
Ich möchte noch hinzufügen: der Herr Bundeswirtschaftsminister ist auf dem Wege aus der Kabinettssitzung hierher.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Arndt das Wort zur Einbringung der Vorlage.
Dr. Arndt ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Stunde, in der wir uns anschicken, über das deutsch-französische Wirtschaftsabkommen zu sprechen, trifft uns die schmerzliche Nachricht, daß der französische Staatsmann Léon Blum verstorben ist.
({2})
Nicht allein das französische Volk, auch das deutsche
Volk hat an Léon Blum einen Freund verloren.
Selbst die bittersten Erfahrungen, insbesondere in
der nationalsozialistischen Zeit, haben das Herz
Léon Blums nicht aufhören lassen, für die Menschlichkeit zu schlagen, und sie haben ihn nicht davon
abbringen können, als Freund der Menschlichkeit
({3})
stets auch ein Freund des deutschen Volkes zu bleiben.
({4})
Wenn die sozialdemokratische Fraktion dem Hohen Hause den Antrag unterbreitet hat, das Haus möge beschließen, die Bundesregierung solle das deutsch-französische Wirtschaftabkommen zur Ratifizierung vorlegen, so ist dies nicht geschehen, weil im allgemeinen gegen den Inhalt dieses Abkommens Bedenken zu erheben wären. Aber gerade weil über den Inhalt dieses deutsch-französischen Wirtschaftsabkommens vom 10. Februar 1950 kaum Meinungsverschiedenheiten bestehen werden, tritt um so klarer die politische und staatsrechtliche Grundfrage hervor, ob der Bundestag zu beteiligen ist. Meine Absicht geht nicht dahin, dem Bundestag im einzelnen das juristische Für und Wider vorzutragen. Das ist im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht eingehend erörtert worden und hat zu dem Mehrheitsgutachten und dem Minderheitsgutachten geführt, die Ihnen vorliegen und bekannt sein werden. Mir liegt vielmehr daran, das
Verfassungsproblem und die politische Grundsatzfrage aufzuzeigen.
Nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes bedürfen Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung des Bundestages in Form eines Gesetzes. Man kann und darf dieser politischen Grundfrage nicht dadurch ausweichen, daß man die Neuregelung der Außenhandelsbeziehungen als Verwaltungsabkommen frisiert. Das ist uns nur allzu bekannt aus dem Petersberger Abkommen, bei dem wir Sozialdemokraten, wie Sie wissen, nach wie vor auf dem Standpunkt stehen, daß es staatsrechtlich der Wirksamkeit entbehrt, weil es nicht ratifiziert worden ist. Auch bei dem deutsch-französischen Wirtschaftsabkommen handelt es sich um weit mehr als um Exekutive auf Grund und im Rahmen geltenden Rechts, etwa der Devisenbestimmungen oder der Wirtschaftsgesetze. Wir müssen uns daran erinnern, daß es bei den sogenannten Handels- und Schiffahrtsverträgen, die stets der Ratifizierung bedurft haben, die alte Methode war, daß die Steuerung der Außenhandelsbeziehungen durch Veränderungen des sogenannten autonomen Zolltarifs erfolgte.
Die neue, leider wesentlich primitivere Methode ist die der Steuerung durch Kontingente, Devisenkontingente, andere Kontingente. Substanziell ist es das gleiche, und da es substanziell das gleiche geblieben ist, können sich auch die Rechte des Parlaments in dieser Frage nicht verändert haben, und wir dürfen sie nicht schmälern lassen. Denn wesentlich dabei ist ja nicht, ob formal eine Transformierung einzelner Abreden durch Gesetze in innerstaatliches Recht notwendig ist, sondern entscheidend ist, daß Abkommen dieser Art weitgehend eine Förderung oder Schädigung einzelner Wirtschaftszweige bedeuten, ja, daß es sich zum Teil bei diesen Abkommen geradezu um wirtschaftliche Existenzentscheidungen handelt.
Darüber hinaus wäre es verfehlt, ein solches Abkommen für sich allein, gewissermaßen isoliert zu betrachten; denn es ist nur ein nicht herauslösbarer Teil aus einem ganzen Netz von Abmachungen. Wir haben in der Ausschußarbeit gehört, daß für die kommenden Monate insgesamt nicht weniger als etwa 60 derartige Abkommen bevorstehen. Alle diese Abmachungen sind ein einheitliches Ganzes und stehen unter dem Leitsatz der Liberalisierung des Außenhandels. Meine Damen und Herren, die Liberalisierung ist ein Politikum allererster Ordnung. Selbst also, wenn man von dem Minderheitsgutachten ausgeht, das der Herr Kollege von Merkatz erstattet hat, wäre hier die Ratifizierung erforderlich. Denn in dem Minderheitsgutachten heißt es, sie sei notwendig, wenn das Abkommen das wirtschaftliche und soziale Gefüge der Bundesrepublik in so grundlegender Weise berührt, daß dadurch der innere und äußere Zustand der Bundesrepublik verändert wird, weil eben ein solches Abkommen dann auch die politischen Beziehungen regelt. Wer wollte das angesichts der Gesamtheit der Abkommen, zu denen auch das deutschfranzösische Abkommen gehört, irgendwie in Abrede stellen wollen?
Wieweit der sachliche Bereich dieser Regelung greift, ist u. a. auch ersichtlich aus dem Zusatzprotokoll über das Zahlungsabkommen mit dem sogenannten Saargebiet. Denn hier handelt es sich nicht nur um technische oder allein wirtschaftspolitische oder sozialpolitische Fragen, sondern um Probleme, deren Behandlung nur mit der größten Delikatesse und mit der feinsten Präzision in der Formulierung möglich gewesen wäre. Wir bedauern daher die Ausdrucksweise, die man bei diesem Zusatzprotokoll gewählt hat und die sich an den Sprachmißbrauch anschließt, als ob Bundesgebiet mit dem Geltungsbereich des Grundgesetzes gleichbedeutend wäre und als ob die Bundesrepublik ein anderer Staat als der deutsche Gesamtstaat wäre. Wir legen das größte Gewicht darauf, auch nur den Anschein zu vermeiden, als ob das sogenannte Saargebiet sich außerhalb des gesamtdeutschen Staates befände.
({5})
Diese unsere Sorge hat uns auch zu der Interpellation veranlaßt, die Punkt 2 unserer Tagesordnung bildet und durch die wir die Bundesregierung um die Beantwortung bestimmter Fragen gebeten haben, insbesondere um die Beantwortung der Frage, ob es der Bundesregierung vor Unterzeichnung des Wirtschaftsabkommens bekannt gewesen ist, daß darin besondere Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem sogenannten Saargebiet vorgesehen sind, ob die Bundesregierung dem deutschen Delegationsleiter eine ausdrückliche Ermächtigung gegeben hat, diese Zusatzabkommen mit seinen Bestimmungen über besondere Abkommen mit dem sogenannten Saargebiet zu unterzeichnen und ob dem Abschluß solcher Abkommen, wie sie in den Zusatzabkommen vorgesehen sind, in Hinsicht auf den völkerrechtlichen Status des sogenannten Saargebiets eine besondere Bedeutung zukommen würde. Wir hoffen, daß die Bundesregierung uns insoweit eine befriedigende Antwort erteilen kann und wird.
Wir würden aber auch gern hören, wieweit der Herr Bundesjustizminister an alledem beteiligt gewesen ist. Gewiß sind Verfassungspolitik und Verfassungsschutz traditionell Aufgaben des Innenministeriums, wie mein Fraktionsfreund Mayer im Rahmen der Etatsdebatte erst vor wenigen Tagen hier mit Recht betont hat. Doch in jeder Frage der Auslegung des Grundgesetzes erwarten wir, daß auch das Bundesjustizministerium sich ohne Rücksicht auf parteipolitische Konstellationen zur Stimme des Rechts macht. Warum mußte erst der Rechtsausschuß des Bundestags sich auf Art. 59 Abs. 2 besinnen und sich mit Mehrheit für das Erfordernis der Ratifizierung aussprechen?
Meine Damen und Herren, dem Ansehen des Bundestages ist nicht damit gedient, daß man
({6})
irgendwo - wie der Herr Bundeskanzler seinerzeit in Bochum - eine anfechtbare Kritik am Parlament übt, sondern daß man die Rechte der Volksvertretung respektiert. Der Herr Bundeskanzler hat gestern hier in seiner launigen Art gesagt, seine Stellung sei ja gar nicht so stark, wie wir immer dachten. Nun, wir wunschten, daß manchmal auch seine Ausdrucksweise außerhalb des Parlaments nicht so stark wäre, wie es erscheint.
({7})
Wenn wir hier miteinander sprechen, dann wird namlich dieses Extreme in der Kritik sehr viel mehr vermieden werden, als es sich einschleicht, wenn man vor Parteiausschüssen oder gegenüber Zeitungsreportern spricht, wie bei dem Interview mit dem „Rheinischen Merkur".
Meine Damen und Herren, wir verschließen uns nicht der Schwierigkeit einer parlamentarischen Behandlung, die bedingt ist durch die große Zahl der in Betracht kommenden Abkommen, ihre Kurzfristigkeit und die Eile, die jeweils bei dem Abschluß geboten ist. Dies ist eine Schwierigkeit, die dadurch gesteigert wird, daß es sich vielfach jetzt um eine Regelung im Speziellen handelt, statt um eine Regelung im Generellen. Es mag auch sein, daß man im Auslande heute leider zu einer laxen Behandlung dieser Grundfragen des Parlamentarismus neigt; aber es ist ja doch an uns, hier unseren Stil der parlamentarischen Arbeit zu entwickeln.
Ich darf deshalb nochmals auf eine Besonderheit gerade dieses Bundestages aufmerksam machen. Dieser Bundestag hat die besondere Aufgabe, die Ausführungs-Gcsetzgebung zum Grundgesetz zu erarbeiten und an der Entwicklung des noch ungeschriebenen Verfassungsrechts mitzuarbeiten. Es mag möglich sein, daß man in dieser Frage wie auch in irgendeiner anderen vielleicht juristisch zweierlei Meinung sein könnte. Aber wenn diese zweierlei Meinungen juristisch auch bestehen mögen, so sollte man sich mindestens im Zweifel immer zu Gunsten der Rechte des Parlaments entscheiden.
({8})
Das sollte ein politischer Grundsatz hier im Hause werden, weil das Parlament das Fundament ist, auf dem wir alle miteinander stehen.
({9})
Bisher aber haben wir stets erlebt, daß man sich in solchen Fragen, in denen angebliche juristische Zweifel obwalten konnten, regelmäßig gegen das Parlament entschieden hat, und zwar sowohl bei dem Petersberger Abkommen, wie bei dem Streit um den Benzinpreis oder auch bei dem gar nicht bis hier ins Haus hereingedrungenen Streit um den Butterpreis.
Meine Damen und Herren, wir sind ja augenblicklich hinter Weimar, ja, noch hinter der Zeit des Nationalsozialismus zurück; denn in der Weimarer Zeit hat man es für notwendig gehalten, bei ähnlichen Abkommen sogenannter wirtschaftspolitischer Art im Jahre 1926 wenigstens ein Ermächtigungsgesetz zu beschließen, das der Regierung die Befugnis zu solchen angeblich nur administrativen Abkommen gab. Sogar in der Zeit des Nationalsozialismus wurde es für erforderlich gehalten, mit Hilfe des Artikels 48 die Gesetzesform zu ersetzen.
Auch heute ist insoweit ein Rahmengesetz möglich und erforderlich, ein Rahmengesetz mit konkreten Richtlinien, die die wesentlichen Begrenzungen, Schutzmaßnahmen und Bedingungen für den Abschluß solcher Abkommen im einzelnen festlegen; ein Rahmengesetz, das die Klausel enthält, daß ungeachtet einer vorläufigen Wirksamkeit eines solchen Abkommens dieses jeweils alsbald dem Hohen Hause zur Zustimmung vorzulegen ist.
Aus diesen Gründen darf ich Sie bitten, dem Antrage der sozialdemokratischen Fraktion zuzustimmen, daß das deutsch-französische Wirtschaftsabkommen dem Bundestag zur Ratifizierung vorzulegen ist.
({10})
Meine Damen und Herren, ich eroffne die Aussprache.
Als erster hat Herr Abgeordneter Dr. Kopf das Wort. Redezeit: 12 Minuten.
Meine Damen und Herren, das -Problem der Ratifikationsbedürftigkeit der Handelsverträge hat seine rechtliche und seine politische Seite. Mit der rechtlichen Seite dieses Problems hat sich der Rechtsausschuß eingehend befaßt. Er hat, wie Ihnen bekannt ist, die auseinandergehende Auffassung seiner Teilnehmer in einem Mehrheits-
und in einem Minderheitsgutachten zum Ausdruck gebracht.
Auch innerhalb unserer Fraktion sind die Auffassungen über die rechtliche Seite geteilt. Es wird von den Herren, die die Ratifikationsbedürftigkeit bejahen, darauf hingewiesen, daß die deutsche Staatspraxis von jeher, schon vor dem ersten Weltkriege, Handelsverträge stets ratifiziert hat,
({0})
daß man im Jahre 1926 zu dem Notmittel gegriffen hat, ein Ermächtigungsgesetz zu machen und einem Ausschuß die Befugnis zur Genehmigung dieser Verträge zu übertragen, und daß sogar das nationalsozialistische Regime nach 1933 sich bemüßigt fühlte, derartige Verträge zu ratifizieren und bekanntzumachen.
Es wird ferner darauf hingewiesen, daß zwar nicht der einzelne Vertrag, wohl aber der Komplex von Verträgen, das Rankenwerk der Verträge die Wirtschaftspolitik des Staates ausmacht und daß schon aus diesem Grunde eine Ratifikation stattfinden muß, weiter darauf, daß die Maßnahmen der Kontingentsgewährung und -verteilung und der Devisenbewirtschaftung keineswegs nur der Verwaltung angehören, sondern Eingriffe in die Gesetzgebung enthalten.
Ich selbst habe mir im Rechtsausschuß diese Auffassung nicht zu eigen machen können. Ich war bei der Ausarbeitung des Minderheitsgutachtens beteiligt. Unser Ausgangspunkt ist dabei vor allem der Umstand gewesen, daß gerade die geschichtliche Betrachtung der Handelsverträge zeigt, welche tiefgreifenden Wandlungen in dem Aufbau und in der Bedeutung dieser Handelsverträge vor sich gegangen sind. Die alten Handelsverträge waren umfassender Art. Es waren Handels-, Schiffahrts- und Niederlassungsverträge; sie waren auf lange Zeit bestimmt. Die heutigen Handelsverträge befassen sich mit den Fragen des Handels und der Zahlung. Sie sind äußerst kurzlebiger Natur, sie dauern im allgemeinen nur ein viertel bis ein halbes Jahr und passen sich den wechselnden Erfordernissen der Wirtschaftspolitik an. Unsere Minderheit im Rechtsausschuß war deshalb der Auffassung, daß derartige kurzlebige Handelsverträge nur ausnahmsweise der Ratifikation bedürfen, und zwar dann, wenn sie nicht nur von politischer Bedeutung sind, sondern direkt die politischen Beziehungen regeln, also wenn beispielsweise eine echte Zollunion zustande käme.
({1})
Wir sind weiter der Auffassung, daß diese kurzfristigen Handelsverträge nicht Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung betreffen, sondern Angelegenheiten der Bundesverwaltung, und daß die Maßnahmen der Devisenverwaltung, der Kontingentverwaltung und der Zollverwaltung eben Verwaltungsaufgaben und nicht Aufgaben der Gesetzgebung sind. Ferner sind wir der Meinung, daß ein Eingriff in die Gesetzgebung selbst im Sinne des Art. 59 des Grundgesetzes nur dann stattfindet, wenn durch den Abschluß eines Handelsvertrages eine Änderung der bereits bestehenden Gesetzgebung, beispielsweise der Zollgesetzgebung, erforderlich wäre.
Wie auch immer die rechtlichen Auffassungen dieser beiden Standpunkte sich gestalten mögen, wir sind als Juristen gewohnt, das juristische Gewicht auch der andersartigen und gegenteiligen Meinung durchaus anzuerkennen und als beachtlich zu empfinden. Wir glauben aber, daß wir ungeachtet dieser rechtlichen Gegensätze nach einer praktischen Lösung suchen müssen, die den politischen Erfordernissen, die Herr Kollege Arndt vorhin dargetan hat, entspricht. Und hier wird auch von Seiten der Kreise, die rechtlich auf dem Standpunkt des Minderheitsgutachtens stehen durchaus anerkannt, daß der Bundestag die Möglichkeit haben solle, sich zu diesen Handelsverträgen nicht nur erst dann zu äußern, wenn diese perfekt und abgeschlossen sind, sondern sich bereits zu einem früheren Zeitpunkt in ihre Gestaltung einzuschalten.
Wir glauben daher, daß wir in den Wünschen und praktischen Erfordernissen durchaus nicht so weit auseinanderliegen wie in unserer rechtlichen Stellungnahme. Wir suchen daher nach einer Möglichkeit, um diesen auf beiden Seiten, im Minderheits- und Mehrheitsgutachten, geäußerten Wünschen entgegenzukommen und sie zu einer praktischen Vereinigung zu führen. Das wird durchaus möglich sein. Der Schlußabsatz des Mehrheitsgutachtens spricht ja auch davon, daß nach einem Weg gesucht werden soll, wonach sich vielleicht in Anbetracht der Kurzfristigkeit und der großen Zahl der Handelsverträge nicht das Plenum dieses Hohen Hauses, sondern ein Ausschuß die Mitwirkung bei den Verträgen vorbehält. Die Art dieser Mitwirkung hängt allerdings von der rechtlichen Grundlage ab, von der wir ausgehen.
Bejahen wir die Ratifikationsbedürftigkeit, dann wird dieser Ausschuß an Stelle des Plenums die Genehmigung der Handelsverträge vorzunehmen haben. Er wird dazu einer Ermächtigung bedürfen, wie sie der Reichstagsausschuß von 1926 seinerzeit bekommen hat.
Verneinen wir die Ratifikationsbedürftigkeit, dann wird sich dieser Ausschuß, wohl der Außenhandelsausschuß, eben darauf beschränken müssen, sich über den Abschluß der Handelsverträge unterrichten zu lassen, und zwar nach meiner Ansicht nicht erst nach ihrem Abschluß, sondern bereits während der Dauer der Verhandlungen. Allerdings wird er dabei nicht die Grenze überschreiten dürfen, die uns gesetzt ist; er wird nicht in die Exekutive eindringen können, aber er wird im Rahmen des Unterrichtetwerdens durchaus die Möglichkeit haben, auch gutachtlich zu den einschlägigen Fragen Stellung zu nehmen.
in der Praxis wird durchaus eine Möglichkeit gegeben sein, beide rechtlichen Standpunkte zu befriedigen. Wir haben daher gemeinsam von den Parteien der Koalition aus einen Antrag vorbereitet, den ich zur Kenntnis bringen darf. Zunächst wünschen wir, daß der Antrag der SPD dem Außenhandelsausschuß und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsschutz überwiesen wird. Gleichzeitg aber - und das ist das Wesentliche und wohl auch das Bedeutungsvollere - stellen wir folgenden zusätzlichen Antrag:
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsschutz wird ersucht, Vorschläge auszuarbeiten, die geeignet sind, die Ausübung der Rechte des Bundestages beim Abschluß von Handelsverträgen in einer die laufende Arbeit des Bundestages nicht beeinträchtigenden Weise zu gewährleisten.
Darf ich ganz kurz nochmals auf den Sinn dieses letzten positiven Antrages zu sprechen kommen. Sein Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, daß es bei der ungeheuer großen Zahl von Handelsverträgen-vielleicht 40 bis 60 - und bei ihrer kurzen Dauer von einem Viertel- bis einem halben Jahr unmöglich ist, daß sich dieses Hohe Haus, wenn man die Ratifikationsbedürftigkeit bejahen sollte, mit etwa 200 bis 250 Handelsverträgen im Jahr befaßt. Durch eine derartige Arbeitsmehrbelastung würde unsere laufende gesetzgeberische Arbeit wesentliche Störungen erleiden. Wie immer auch die rechtliche Beurteilung res Problems sein mag bleibt daher nur der Ausweg, hiermit einen Ausschuß zu befassen. Es ist notwendig, daß zunächst einmal der Rechtsausschuß die rechtlichen Möglichkeiten erwägt, in welcher Weise dieser Ausschuß als Hüter der Rechte des Parlaments in die Bearbeitung der Handelsverträge eingeschaltet werden kann. Aus diesem Grunde haben wir diesen Antrag formuliert als eine praktische Brücke zwischen zwei gegenteiligen Meinungen, die in ihrer Zielsetzung auf dasselbe hinausgehen: die Rechte des Parlaments auch beim Abschluß von Handelsverträgen zu wahren.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Meine Damen und Herren! Das Problem, ob derartige Verträge, wie wir sie jetzt mit Frankreich abgeschlossen haben, in irgendeiner Form der Ratifizierung durch dieses Parlament bedürfen, tauchte zum erstenmal auf, als im Ausschuß für Außenhandelsfragen von Regierungsseite die Notwendigkeit dieser Ratifikation bestritten wurde. Da der außenhandelspolitische Ausschuß die Rechtsfragen nicht allein prüfen wollte, wurde der Rechtsausschuß mit den Rechtsfragen in diesen Dingen befaßt. Wir haben uns dann in den folgenden Beratungen schließlich nicht geeinigt, sondern sind zu einem Mehrheitsgutachten und zu einem Minderheitsgutachten gekommen, wie es den Damen und Herren bekannt ist. Diese Gutachten liegen vor. Ich persönlich und mit mir meine Fraktion stellen uns auf den Standpunkt des Mehrheitsgutachtens des Rechtsausschusses.
Wenn man die hier zur Debatte stehende Frage prüfen will, dann ist die Grundlage der Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes. Er allein kann nur die Grundlage sein, denn er grenzt ab: was hat die Exekutive in einem solchen Fall zu tun, wo liegen ihre Grenzen, und was muß notwendigerweise das Parlament tun, was kann man ihm nicht entziehen. Dort heißt es nun:
Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen.
Es sind also zwei Bedingungen in Art. 59 Abs. 2 normiert, einmal Verträge, welche sich auf die poli({0})
tischen Beziehungen des Bundes erstrecken oder die Gegenstände regeln, die ausschließlich Gegenstände der Bundesgesetzgebung sind.
Wenn wir also ganz objektiv juristisch prüfen wollen: müssen wir hier als Parlament zustimmen oder nicht, dann müssen wir prüfen, was ist denn eigentlich der materielle Inhalt derartiger Verträge. d. h. liegt eine dieser in Art. 59 Abs. 2 gegebenen Voraussetzungen oder liegen gar beide vor oder liegt keine dieser Voraussetzungen vor? Je nach dem Ergebnis dieser unserer Prüfung werden wir sagen müssen: das Parlament muß zustimmen, oder das Parlament braucht nicht zuzustimmen.
Nun hat die Regierung mit viel Beredsamkeit, jedenfalls im Rechtsausschuß - nach meinem Gefühl mit allzuviel Beredsamkeit; denn man merkt die Absicht und wird verstimmt -,
({1})
darzulegen versucht, daß unter gar keinen Umständen bei einem Vertrag wie diesem mit Frankreich in irgendeiner Form - ich will gar nicht von der Ratifikation im Sinne des Art. 59 Abs. 2 sprechen die Zustimmung des Parlaments notwendig wäre, weil es sich da einmal gar nicht um Handelsverträge alten Stils handele. Das seien gar nicht derartige Verträge, sondern das seien sogenannte Waren- und Zahlungsabkommen kurzfristiger Art; dazu sei keine Gesetzesänderung notwendig, weder der Zollgesetzgebung noch der Devisengesetzgebung; denn das habe man ja alles. Und das Entscheidende sei: sie sind ja sehr kurzfristig - manche laufen bloß ein Vierteljahr, manche ein halbes Jahr -, und deshalb sei es schon rein technisch gar nicht möglich, daß man das Parlament zur Ratifikation im Sinne von Art. 59 Abs. 2 mit heranziehe, das sei um so weniger möglich, als uns angekündigt wurde, wie Kollege Arndt schon betont hat, daß demnächst 30, 40 oder 50 gleichlautende Verträge abgeschlossen werden würden. Ich möchte als Jurist sagen, daß die Kurzfristigkeit eines Vertrages niemals Kriterium für seine materielle Beurteilung sein kann.
({2})
Dieser Einwand hat von vornherein auszuscheiden.
Wir haben also nur zu prüfen: liegt denn ein Politikum in dem Inhalt eines Vertrages vor oder, wie Kollege Arndt ganz richtig betont hat, ergibt sich vielleicht ein Politikum, wenn man die Summe dieser demnächst abzuschließenden Verträge beachtet? Meines Erachtens kann es gar keinem Zweifel unterliegen, daß hier ein entscheidendes Politikum vorliegt. Denn was bedeutet denn der Abschluß dieser Verträge aus bestimmter wirtschaftspolitischer Vorstellung, mit bestimmten wirtschaftspolitischen Überlegungen, nämlich mit dem Gedanken der vollständigen oder teilweisen Liberalisierung, mit dem Gedanken der Kontingentierung, mit dem Gedanken, da Devisen zuzuteilen, dort nicht zuzuteilen? Das alles zusammengenommen ist doch ein Politikum höchsten Maßes, ein wirtschaftspolitisches Politikum dergestalt, daß es geeignet sein könnte, die weittragendsten Folgen, wie das Kollege Arndt gesagt hat, für unser ganzes Volk auf wirtschaftspolitischem Gebiet nach sich zu ziehen.
({3})
Ich bin der Auffassung, man kann gar nicht ernsthaft darüber streiten, daß die erste Voraussetzung in Art. 59 Abs. 2, nämlich daß diese Verträge zum mindesten in ihrer Gesamtheit politische Beziehungen zu anderen Vertragsstaaten regeln, vermeint werden kann.
Ich bin darüber hinaus aber auch der Meinung, daß die zweite Voraussetzung vorliegt, nämlich Art. 73 Ziffer 5. Denn dort sind ausdrücklich Waren- und Zahlungsabkommen der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes vorbehalten. Grundsätzlich sind wir deshalb der Meinung, daß das Parlament zustimmen muß.
({4})
Nun ist zuzugeben, daß der Weg des Art. 59 Abs. 2 ein sehr komplizierter ist, und ich bin der Meinung, daß wir uns bemühen müssen, wie das von meinen beiden Vorrednern schon dargelegt wurde, einen anderen Weg zu suchen, der es uns überhaupt zeitlich und technisch ermöglicht, in irgendeiner Form die Zustimmung des Parlaments zu derartigen Verträgen herbeizuführen. Deshalb bin ich der Meinung, wir sollten heute den SPD-Antrag nicht in der Form annehmen, wie er vorliegt, der der Regierung bindend vorschreiben will, daß die Zustimmung in der Form der Ratifikation geschehen müsse. Es ist ganz klar, ich verstehe, daß er nicht anders formuliert werden konnte; denn wir haben ja vorläufig gar keine andere Form der Zustimmung des Parlaments. Aber ich bin der Auffassung, daß wir ihn zurückverweisen sollten, wie es der Antrag der Koalition vorsieht, und daß wir uns in den zuständigen Ausschüssen darüber Gedanken machen müssen, wie wir durch Ausführungsgesetze zum Grundgesetz einfach das Recht dergestalt fortentwickeln, daß es auch für diese Verträge rein technisch möglich sein müßte, in irgendeiner Form die Zustimmung des Parlaments für die Regierung herbeizuführen. Daß diese Zustimmung in irgendeiner Form gegeben sein muß, ?.st für uns selbstverständlich. Wir werden also den Koalitionsantrag auf Zurückverweisung unterstützen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlemann. 5 Minuten, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damei. und Herren! Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hatte, weil die Angelegenheit des deutsch-französischen Abkommens bei ihm vorlag und die Frage gestellt wurde, wie wir uns zu dieser Sache verhalten sollten, gebeten, im Rechtsausschuß die Klärung der Sache zu übernehmen. Der Rechtsausschuß hat sich, wie hier eben ausgeführt wurde, in mehreren Sitzungen mit dieser Sache beschäftigt, und wir haben nun ein Mehrheits- und ein Minderheitsgutachten aus dem Rechtsausschuß bekommen. Diese Angelegenheit ist für uns insofern interessant, als die durch den Antrag der SPD hier aufgetretene Frage zusammen mit den übrigen Anträgen in der nächsten Zeit endgültig erledigt werden muß. Aus diesem Grunde haben wir mit dem Ausschuß für Rechtwesen und Verfassungsrecht verabredet, diese Angelegenheit zusammen mit den Herren des Wirtschaftsministeriums und des Rechtswesens nochmals genau zu besprechen. Ich glaube bestimmt, wir werden dann, wenn wir in diese Verhandlungen eintreten, zu einer Regelung kommen, die, wenn sie dem Hause vorgelegt wird, auch dessen Billigung findet.
Also ich glaube, wenn wir jetzt nicht gleichzeitig den ganzen Fragenkomplex erledigen, sondern nur über das deutsch-französische Wirtschaftsabkommen verhandeln, werden wir immer wieder zu einer Aussprache in diesen Angelegenheiten kommen. Aus diesem Grunde tritt auch der Außenhandelsausschuß dem Vorschlag des Rechtsausschusses bei, und
({0})
ir hoffen, Ihnen in dieser Angelegenheit bald nähere Vorschläge machen zu können.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hamacher. 5 Minuten!
Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit will ich es mir versagen, auf den Inhalt dieses Abkommens einzugehen. Ich kann das auch um so mehr, als durch den Antrag des Herrn Dr. Arndt auf jeden Fall die Möglichkeit besteht, daß wir uns bei der Ratifizierung des Abkommens im Plenum des Bundestages darüber verbreiten. Wir haben aber gehört, daß diese Vorlage ein Politikum erster Ordnung ist. Wir dürfen uns mit Rücksicht auf die jüngsten Erfahrungen der Hoffnung hingeben, daß dieses Politikum erster Ordnung im Plenum des Bundestages genau dieselbe Resonanz und Zustimmung findet, wie es zum Beispiel bei der ersten Saardebatte der Fall war, als wir zu unserer großen Genugtuung feststellen konnten, daß der Herr Bundeskanzler mit seinen Ausführungen bis weit in die Reihen der Linken und der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher bis weit in die Reihen der Rechten äußerst lebhafte Zustimmung fanden. Daraus können wir auf jeden Fall den Schluß ziehen und können auch das Vertrauen haben, daß wir auch bei dieser Debatte die Zustimmung des Bundestags finden. Deshalb stimmen wir dem Antrag des Herrn Dr. Arndt zu, jedoch mit der Maßgabe, daß diese Frage zuerst von den zuständigen Ausschüssen beraten wird, die letzte Entscheidung aber dem Bundestag vorbehalten bleibt.
({0})
Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, gebe ich dem Herrn Bundeswirtschaftsminister das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hätte aus einzelnen Ausführungen hier geschlossen werden können, als hätte das Wirtschaftsministerium oder die Regierung ein Interesse daran, den sachlichen Inhalt dieser Verträge oder besser Wirtschaftsabkommen dem Parlament vorzuenthalten. Davon kann selbstverständlich gar keine Rede sein. Die Regierung ist mit jeder Form der Verständigung und Unterrichtung des Parlaments über die Verträge einverstanden. Für das Wirtschaftsministerium waren lediglich verwaltungstechnische Gesichtspunkte und Bedenken maßgebend, die gegen eine gesetzliche Vorlage oder gesetzliche Zustimmung des Parlaments sprechen.
Meine Damen und Herren! Die internationale Gepflogenheit ist hier überhaupt nicht zur Sprache gekommen. Man unterscheidet beispielsweise in den angelsächsischen Ländern zwischen treaties und agreements, in Frankreich zwischen traités und accords, und man weiß hier sehr wohl zu unterscheiden, ob mit einem Wirtschaftsabkommen irgendwelche gesetzlichen Bestimmungen berührt werden oder nicht. Aus der Praxis solcher Abkommen ergibt sich, ich möchte fast sagen, die Unmöglichkeit, sie in Gesetzesform zu kleiden. In der Woche sind mindestens ein, aber auch häufig mehrere solcher Abkommen zu unterzeichnen. Oft sind es nur Zusatzabkommen, die ganz kurzfristiger Natur sind. Ich könnte mir irgendeine verwaltungsmäßige Abwicklung nicht vorstellen, wenn da nicht mindestens ganz besondere Verfahren entwickelt
und von Ihnen gebilligt werden würden. Ich begrüße deshalb eine nochmalige Rückverweisung an die zuständigen Ausschüsse.
Liegen weitere Wortmeldungen vor? - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Herr Abgeordneter Arndt zum Schlußwort, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der weitgehenden Übereinstimmung im Sachlichen - jedenfalls zwischen den Parteien -, die erfreulich ist, sehe ich mich doch gezwungen, dem Antrag, den Herr Kollege Dr. Kopf für die Regierungsparteien gestellt hat, zu widersprechen.
Die Frage, ob dieses Wirtschaftsabkommen ratifiziert werden muß, ist doch bereits Gegenstand der ausführlichsten Beratungen, sowohl im Ausschuß für Außenhandelsfragen als auch im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht gewesen. Insbesondere am 8. Februar und am 2. März, also vor bald zwei Monaten, hat der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht sich ganz eingehend mit der Sache beschäftigt und hat sie ausdiskutiert. so daß irgend etwas Neues von der rechtlichen, verfassungsmäßigen oder rechtspolitischen Seite her dazu nicht mehr gesagt werden kann. Die Beratungen des Ausschusses sind sogar nicht nur stenographiert, sondern auch übertragen worden, so daß Sie alle den genauen Wortlaut der Ausführungen der einzelnen Ausschußmitglieder als Anlage zu unseren Ausschußprotokollen haben.
Auch das, was Herr Minister Erhard soeben hier erklärt hat - der Hinweis auf die ausländische Gepflogenheit -, hat sowohl in den Ausschußberatungen eine erhebliche Rolle gespielt. wie es auch heute von mir in meinen Ausführungen, bei derem ersten Teil Herr Minister Erhard leider noch nicht anwesend sein konnte, behandelt worden ist. Wir kennen diesen Einwand und sind gleichwohl der Meinung, daß eine Ratifikation erforderlich ist. Man kann sich also von irgendeiner erneuten Ausschußberatung nicht das geringste versprechen. Sie würden mit einer Überweisung an den Ausschuß nur zu erkennen geben, daß sie der entscheidenden Frage hier ausweichen und die Sache im Ausschuß beerdigen wollen.
({0})
- Aber auf nichts anderes kommt es doch heraus.
Dann hat Herr Kollege Kopf weiter entwickelt, daß im Rechtsausschuß nun über das von uns allen gewünschte Rahmengesetz - oder nennen Sie es meinetwegen Ermächtigungsgesetz - gesprochen werden soll. Das steht aber im Augenblick gar nicht zur Debatte; denn das deutsch-französische Wirtschaftsabkommen ist ja abgeschlossen, i s t in Kraft und tritt sogar in absehbarer Zeit wieder außer Kraft, so daß irgendein etwaiges Gesetz, das jetzt ergehen würde, rückwirkend niemals mehr die Grundlage für ein bereits geschlossenes Abkommen bilden könnte. Unsere konkrete Frage, ob das deutsch-französische Abkommen ratifiziert werden muß, wird also nicht dadurch beantwortet oder erledigt, daß man für die Zukunft das von uns allen für erforderlich gehaltene Gesetz beschließt.
Darüber hinaus muß ich aber sagen: es ist nicht Aufgabe eines Ausschusses, einen Gesetzentwurf zu machen; das ist Sache der Bundesregierung. De Bundesregierung hat nun heute den übereinstimmenden Wunsch aller Parteien und Fraktionen dieses Hauses gehört, daß ein solches Gesetz vorgelegt werden möge. Die Hinweise, die Herr Minister
({1})
Erhard gegeben hat und die uns allen absolut bekannt sind, daß es auf gewisse praktische Schwierigkeiten stößt, hier ohne ein solches Rahmengesetz zu arbeiten, drängen j a dazu und sollten auch die Regierung dazu gedrängt haben. Aber ein Ausschuß kann von sich aus keine gesetzgeberischen Vorarbeiten machen, und meine Freunde würden sich daran auch nicht beteiligen, ebenso wie wir es in anderen Ausschüssen stets abgelehnt haben, die Ausschüsse sozusagen zu selbständigen Gesetzgebungskommissionen mit Initiative zu machen. Das wäre eine vollkommen pathologische Entwicklung dessen, was ein Ausschuß ist. Erst wenn das Haus eine Sache als Vorlage einer Partei oder als Vorlage der Bundesregierung bekommen hat und diese Vorlage dem Ausschuß zugewiesen wird, hat der Ausschuß die Sache zu beraten; aber der Ausschuß ist nicht dazu da, von sich aus ein Gesetz zu entwickeln.
Aus allen diesen Gründen also besteht gar keine Veranlassung mehr, die Dinge hier noch dilatorisch zu behandeln und ihnen auszuweichen. Wir sind uns, wie ich noch sagen darf, weitgehend einig, daß ohne Beteiligung des Parlaments die Gesamtheit dieser Wirtschaftsabkommen nicht abgeschlossen werden kann. Es bleibt uns daher nichts anderes übrig, als bei diesem deutsch-französischen Abkommen den normalen Weg der Ratifikation zu gehen und für die Zukunft von der Bundesregierung die Vorlage eines Rahmengesetzes - und zwar mit möglichster Beschleunigung - zu erwarten.
({2})
Meine Damen und Herren, damit erkläre ich die Aussprache über Drucksache Nr. 590 - ({0})
- Verzeihung, das war eben das Schlußwort, und Ihre eigene Partei hat die Redezeit bereits ausgeschöpft. Es tut mir leid. - Damit erkläre ich die Aussprache über Drucksache Nr. 590 für geschlossen.
Der weitergehende Antrag ist derjenige, den vorhin Herr Abgeordneter Dr. Kopf vorgetragen hat: Überweisung der Drucksache an den Ausschuß für Außenhandel und den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Ich lasse zunächst über diesen Antrag abstimmen. Wer für die Ausschußüberweisung ist, den bitte ich die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Damit ist der Antrag auf Ausschußüberweisung angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich erbitte das Einverständnis des Hauses damit, daß, ehe wir zu Punkt 2 übergehen, die vorhin angekündigte
Erklärung des Herrn Berichterstatters für den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über die Errichtung eines Bundesamtes für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten
entgegengenommen wird, weil der Herr Berichterstatter aus bestimmten Gründen das Haus sehr schnell verlassen muß. - Ich darf das Einverständnis des Hauses feststellen und erteile Herrn Abgeordneten Dr. Pfleiderer das Wort.
Dr. Pfleiderer ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Im Auftrag des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten habe ich heute dem Hohen Haus über einen einstimmigen Beschluß des Ausschusses zu der gestern eingebrachten Entschließung der Fraktion der SPD gemäß Drucksache Nr. 786 Bericht zu erstatten.
Der Ausschuß hat an der Entschließung, deren Wortlaut Ihnen von gestern her noch vorliegen wird, einige geringfügige redaktionelle Änderungen vorgenommen, die aber nicht näher erläutert zu werden brauchen, sondern sich bei dem Vergleich des Wortlautes von selbst erklären. Der Ausschuß hat darüber hinaus beschlossen, die zu schaffende Behörde nicht als Staatssekretariat, sondern in Anlehnung an die Schlangenbader Empfehlungen als Bundesamt zu bezeichnen.
Der Beschluß hat folgenden Wortlaut:
Der Bundeskanzler wird ersucht, im Rahmen des Bundeskanzleramtes mit größter Beschleunigung ein sachgerecht und zweckmäßig organisiertes Bundesamt für Besatzungsfragen und auswärtige Angelegenheiten einzurichten, das den ganzen Bereich der mit der internationalen Politik zusammenhängenden Fragen, soweit das Besatzungsstatut keine Beschränkungen festlegt, bearbeiten und auch eine politische Abteilung enthalten soll.
Der Bundeskanzler wird ersucht, alsbald einen Staatssekretär für dieses Bundesamt zu ernennen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich darf annehmen, daß das Haus diesen Bericht zur Kenntnis nimmt. - Ich höre keinen Widerspruch.
({0})
Dann darf ich das Haus fragen, wer für die Annahme dieser Entschließung ist, die soeben der Herr Abgeordnete Dr. Pfleiderer als Berichterstatter vorgetragen hat. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Zusatzprotokoll zum deutschfranzösischen Wirtschaftsabkommen ({1}).
Wer von den Herren Bundesministern beantwortet die Interpellation?
({2})
- Ist der Herr Bundeswirtschaftsminister nicht da? - Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat das Wort.
Das Zusatzprotokoll zum Zahlungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der französischen Republik regelt auf dem Gebiete der sozialen Sicherheit in dem Abschnitt A unter I den Zahlungsverkehr mit der französischen Republik und unter II den Zahlungsverkehr mit dem Saargebiet. Auf die Notwendigkeit einer baldigen Regelung der Frage der sozialen Sicherheit und des damit verbundenen Transfers der Leistungen und der Erstattung
({0})
ist mein Ministerium von allen mit der sozialen Sicherheit befaßten Stellen wiederholt und eindringlich hingewiesen worden. Nicht nur das Arbeitsministerium selbst, sondern vor allen Dingen die Gewerkschaften haben entscheidenden Wert darauf gelegt, daß diese Fragen gelöst werden. Deshalb lag der Bundesregierung besonders daran, anläßlich des deutsch-französischen Zahlungsabkommens auch den Abschluß von Sozialabkommen zu ermöglichen. Da der Abschluß eines allgemeinen Abkommens mit der französischen Republik über die soziale Sicherheit noch nicht möglich war, mußte die Form des Zusatzprotokolls gewählt werden.
Der Bundesregierung war das Zusatzprotokoll II vor Unterzeichnung des Wirtschaftsabkommens bekannt. Sie hat den deutschen Delegationsführer ermächtigt, das Wirtschaftsabkommen einschließlich des Zusatzprotokolls zu unterzeichnen. Dem Zusatzprotokoll, das im wesentlichen devisenrechtlicher Natur ist, kommt keine Bedeutung für den völkerrechtlichen Status des Saargebiets zu. Das Gesetz Nr. 53, sogenanntes Devisengesetz, beschränkt das Wahrungsgebiet auf die elf westdeutschen Länder. Dieser Vorschrift mußte das Zusatzprotokoll selbstverständlich Rechnung tragen, wenn es eine besondere Regelung des Devisenverkehrs traf. Daß derartigen Regelungen keine staats- und völkerrechtliche Bedeutung zukommt, beweist Art. 10 h des Gesetzes Nr. 53, der Deutschland als das Gebiet bezeichnet, wie es am 31. Dezember 1937 bestanden hat. Unter Anerkennung der staats- und völkerrechtlichen Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland macht also das Gesetz Nr. 53 Devisenregelungen auch gegenüber dem Saargebiet erforderlich. Ein Abkommen, das lediglich diesen Bestimmungen Rechnung trägt, geht also ebenso wie das Gesetz Nr. 53 selbst von der Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland aus.
Die vom sozialen Standpunkt aus weiter dringend notwendige Regelung der Beziehungen zum Saargebiet auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und des Arbeitseinsatzes der Grenzgänger kann zur Zeit nur im Wege von zwischenstaatlichen Abkommen erfolgen. Die Form dieser sozialen Abkommen wird jedoch so gewählt werden, daß dadurch der völkerrechtliche Status des Saargebiets nicht berührt wird. Sozialabkommen weiterer Art mit der Regierung des Saargebiets unmittelbar sind nicht beabsichtigt.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache. Wird das Wort gewünscht?
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Lütkens
Ich darf noch erwähnen, daß als Redezeit wieder 60 Minuten vorgesehen sind, die nach dem üblichen Schlüssel aufgeteilt werden. Ich darf das Einverständnis des Hauses mit diesem Vorschlag feststellen.
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Lütkens. Sie haben also 12 Minuten zur Verfügung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir nehmen mit Befriedigung davon Kenntnis, daß wenigstens nach der Ansicht und Absicht der Bundesregierung diese
Abkommen keine Präjudizierung der völkerrechtlichen Lage bedeuten sollen. Ich muß aber gestehen, daß wir doch erhebliche Bedenken haben, ob eine solche Anerkennung. nicht tatsächlich implizite geschieht, wenn an diese Verhandlungen herangegangen wird. Wir sind daher der Meinung, daß die Regierung bei Eintritt in diese Verhandlungen in irgendeiner Weise, in Form einer offiziellen Note oder einer Rechtsverwahrung, zum Ausdruck zu bringen hat, daß auf keinen Fall von einer andern Seite aus dem Eintritt in solche Verhandlungen der Schluß auf eine Anerkennung einer irgendwie gearteten rechtlichen Selbständigkeit des Saargebiets gezogen werden kann. Das Saargebiet ist ein Teil Deutschlands, und administrative Anmachungen mit ihm können der Natur der Sache nach überhaupt nicht getroffen werden, wie sie etwa zwischen Baden und der Schweiz getroffen wurden. Die Bundesregierung sollte bei Eintritt in diese Verhandlungen diesem Standpunkt formell Ausdruck geben.
Ich mache darauf aufmerksam meine Damen
und Herren, daß wir die Befürchtung haben: die Bundesregierung ist hier durch den mit den Verhandlungen beauftragten Beamten, der politisch offenbar nicht genügend erfahren gewesen und von der Bundesregierung nicht in genügender Weise kontrolliert worden ist, gleichsam durch einen diplomatischen Trick verführt worden, so daß die Bundesregierung in die Gefahr gekommen ist, das Saargebiet, das, wie gesagt, de jure ein Teil Deutschlands ist, dadurch, daß mit der de facto - sogenannten - Regierung des Saargebiets in Verhandlungen eingetreten wird, dieses Saargebiet völkerrechtlich anzuerkennen.
Meine Damen und Herren, ich benutze die Gelegenheit, um aus diesem Anlaß noch einmal darauf hinzuweisen, daß die Kritik, die ich mir gestern diesem Hohen Hause hinsichtlich der Führung der auswärtigen Angelegenheiten durch die augenblickliche Bundesregierung vorzutragen erlaubt habe, nur bestätigt wird durch das, was hier vorgefallen ist. Der Bundeswirtschaftsminister hätte sich informieren sollen und hätte seinem Beamten, der diese Verhandlungen geführt hat, Anweisungen dahingehend geben sollen, so daß er nicht in die Situation gekommen wäre, in die er offenbar gekommen ist. Und, Herr Wirtschaftsminister, verstehe ich Sie richtig, daß die Regierung, nur die Regierung - das heißt, daß nicht etwa der Herr Bundeskanzler - informiert war und Weisungen gegeben hat hinsichtlich dessen, was bei diesen Verhandlungen geschehen ist?
Wird das Wort weiter gewünscht? - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über die Interpellation.
Wir kommen zum nächsten Punkt der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die erste Beratung dadurch zu erledigen, daß die beigegebenen gedruckte Begründung als entgegengenommen anerkannt wird, daß also keine Aus({1})
sprache erfolgt. Darf ich das Einverständnis des Hauses damit feststellen? - Ich höre keinen Widerspruch.
Ich bitte dann das Haus um Einverständnis damit, daß die Vorlage an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen wird. - Ich höre keinen Widerspruch: es ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 4:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausprägung von Scheidemünzen ({2}).
Auch da macht Ihnen der Ältestenrat den Vorschlag, die vorliegende gedruckte Begründung als entgegengenommen anzusehen, von einer Debatte abzusehen und die Vorlage an den Ausschuß für Geld und Kredit als den federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Darf ich insoweit das Einverständnis des Hauses annehmen? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die erste Beratung dieses Gesetzes beendet und die Vorlage an die Ausschüsse überwiesen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 5: Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Gleichstellung der heimatvertriebenen ruhegehaltsberechtigten Beamten, Angestellten und Lohnempfänger ({3}),
gleichzeitig zu Punkt 6:
Interpellation der Abgeordneten Dr. Kather, Wackerzapp, Kuntscher und Genossen betreffend Wartegeld und Pensionen der heimatvertriebenen Beamten ({4})
sowie zu Punkt 7:
Interpellation der Abgeordneten Dr. Falkner, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei, Frau Wessel und Fraktion des Zentrums und Genossen betreffend Vorlage eines Bundesgesetzes nach Artikel 131 des Grundgesetzes ({5}).
Ich höre eben, daß zu diesen Interpellanten auch noch die DP hinzutritt.
Meine Damen und Herren, ich darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen, daß der Herr Bundesfinanzminister diese drei Interpellationen gleichzeitig beantwortet und daß daran anschließend die Aussprache erfolgt. Für die Tagesordnungspunkte 5, 6 und 7 ist eine Redezeit von insgesamt 120 Minuten in Aussicht genommen. Für diesen Vorschlag darf ich ebenfalls Ihr Einverständnis erbitten. - Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen
Der Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses hatte mich gebeten, nach Erledigung des Punktes 2 anzukündigen, daß er den Haushaltsausschuß bittet, sofort in dem üblichen Sitzungszimmer zusammenzutreten. Ich gebe Ihnen davon Kenntnis.
Ich erteile nunmehr dem Herrn Bundesfinanzminister das Wort zur Beantwortung der Interpellationen unter den Punkten 5, 6 und 7 der Tagesordnung.
Meine Lehr geehrten Damen und Herren! Ich beantworte gleich alle drei Interpellationen, auch die
Interpellation Drucksache Nr. 726, obwohl diese der Bundesregierung bis heute amtlich nicht zugegangen ist.
({0})
Nachdem es sich aber um dieselbe Materie handelt, kann diese im Zusammenhang mit den beiden anderen Interpellationen behandelt werden.
Zur Interpellation Drucksache Nr. 637 darf ich folgende Erklärung abgeben. Die Versorgung der heimatvertriebenen ruhegehaltsberechtigten Beamten, Angestellten und Lohnempfänger ist nur eine der Aufgaben, die dem Bund durch das Grundgesetz übertragen worden sind. Neben der Versorgung der übrigen verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes und neben der Versorgung der ehemaligen berufsmäßigen Wehrmachtsangehörigen hat der Bund vor allem die Lasten für die Versorgung der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen zu tragen. Die finanzielle Belastung des Bundes durch diese Aufgaben wird einen erheblichen Teil der Haushaltsmittel des Bundes in Anspruch nehmen.
Die Bundesregierung ist zu dem Entschluß gekommen, ihre Entscheidung über die auf dem Gebiete der Versorgung dieser Personen zu treffen den Maßnahmen zurückzustellen,
({1})
bis dem Bundestag eine Übersicht über die finanzielle Lage des Haushalts im Bund, in den Ländern und Gemeinden für das Rechnungsjahr 1950/51 vorliegt.
({2})
Die Bundesregierung kam zu diesem Entschluß. weil nach ihrer Überzeugung die gesamten vorhandenen Haushaltsmittel auf alle diese Kreise nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Billigkeit verteilt werden müssen und die Gefahr vermieden werden muß, daß über die vorhandenen Haushaltsmittel für einen Teil der notleidenden Schichten zu früh und etwa einseitig zum Schaden der Schichten verfügt ist, derer erst in einem späteren Zeitpunkt gedacht werden könnte.
Diese Übersicht über die finanzielle Lage in Bund, Ländern und Gemeinden ist bereits in Ausarbeitung, und ich hoffe, daß sie der Öffentlichkeit in der ersten Hälfte des Monats April übergeben werden kann. Innerhalb dieser großen Übersicht wird noch eine Übersicht darüber gegeben werden, in welchen Größenverhältnissen die vorhandenen Haushaltsmittel für die vorgenannten Bevölkerungsschichten zur Verfügung stehen.
Die Frage 1 beantworte ich daher wie folgt: Die Regelung der Rechtsverhältnisse der verdrängten öffentlichen Bediensteten und der ehemaligen beruflichen Wehrmachtsangehörigen wird sofort, wenn diese Übersicht der deutschen Öffentlichkeit vorliegt, durchgeführt werden. Das Bundesfinanzministerium hat die entsprechenden Gesetzentwürfe - und damit beantworte ich die Interpellation Drucksache Nr. 726 -, auch bezüglich der ehemaligen beruflichen Wehrmachtsangehörigen, schon seit längerer Zeit ausgearbeitet, noch im Monat Januar, und hofft die Zustimmung zu diesen Gesetzentwürfen dann zu finden, wenn die vorgenannte Übersicht gegeben ist und damit die finanziellen Möglichkeiten ziffernmäßig klar umrissen sind.
({3})
Die Mittel für die Versorgung der verdrängten öffentlichen Bediensteten und der ehemaligen beruflichen Wehrmachtsangehörigen müssen im Haushalt für das Rechnungsjahr 1950/51 und in den Haushalten für die folgenden Jahre zur Verfügung gestellt werden. Sie unterscheiden sich insofern von den Mitteln, die für den Lastenausgleich zur Verfügung gestellt werden müssen. Für diese ist außerhalb des jetzigen Haushalts eine eigene Deckung zu suchen, wie ja auch die Soforthilfe aus dem Soforthilfefonds geleistet wird, der durch besondere Soforthilfeabgaben gespeist wird.
Ich darf deshalb dem Hohen Hause bezüglich der im Rechnungsjahr 1950/51 zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel heute schon einige Zahlen bekanntgeben. Die Steuern, die dem Bund mit dem 1. April 1950 zufließen, Verbrauchssteuern, Umsatzsteuer usw., werden nach den bisherigen Schätzungen insgesamt ein Aufkommen von rund 9.2 Milliarden DM ergeben. Vor einigen Tagen hat in diesem Hause ein Redner der SPD bei der Interpellation betreffend den kommenden
Lastenausgleich darüber gesprochen, daß unter den an den Bund herantretenden Ansprüchen eine gewisse Rangfolge festgelegt werden müsse. Das gilt in einem gewissen Maße sicherlich für die Ansprüche. die aus den Haushaltsmitteln des Bundes zu erfüllen sind.
({4})
Denn dem Steueraufkommen von 9.2 Milliarden DM stehen in erster Linie die aus den Haushaltsmitteln zu bezahlenden Besatzungskosten gegenüber, die mit einer Summe von rund 4,5 Milliarden DM in den Haushalt einzusetzen sein werden. also mit rund 50 % der gesamten Steuereinnahmen des Rundes. Diese Besatzungskosten genießen bekanntlich Priorität vor allen anderen Ausgaben des Bundes.
({5})
Zweitens beanspruchen die sozialen Leistungen
des Bundes einschließlich der Leistungen für die
Versorgung der Kriegsversehrten nach den heutigen Anforderungen etwa 6 Milliarden DM. Darin sind die Leistungen allein für die Kriegsversehrten mit einem Betrag von etwa 3.2 Milliarden DM enthalten. Wie das Hohe Haus sieht, sind durch diese sozialen Leistungen und die Besatzungskosten die gesamten Steuereinkünfte des Bundes bereits völlig verbraucht.
Trotzdem hofft das Bundesministerium der Finanzen im Haushaltsplan 1950/51 einen Betrag von über 400 Millionen DM für die verdrängten öffentlichen Bediensteten und ehemaligen beruflichen Wehrmachtsangehörigen noch bereitstellen zu können, einen Betrag, der die bisherigen Leistungen der Länder auf diesem Gebiet nicht unwesentlich übersteigt. Ich muß jedoch pflicht-
und wahrheitsgemäß betonen, daß ich keine Möglichkeit sehe, diesen Betrag noch wesentlich zu erhöhen. Das Hohe Haus wird darüber zu entscheiden in der Lage sein, wenn ihm der Haushalt mit allen Möglichkeiten der Einnahmegestaltung und allen Notwendigkeiten der Ausgabenseite vorliegt.
Die Aufwendungen für die verdrängten öffentlichen Bediensteten würden, wenn sie dieselben Bezüge wie heute die einheimischen Beamten bekämen, einschließlich der Wartegelder für die
dienstfähigen unversehrten Beamten, nach den vorläufigen Schätzungen im gesamten Bundesgebiet 963 Millionen DM betragen. Die Aufwendungen für die ehemaligen beruflichen Wehrmachtsangehörigen würden unter der gleichen Voraussetzung etwa 565 Millionen DM betragen. Das ergäbe zusammen eine Summe von 1 585 Millionen DM,
Zur Frage 3: Der Gesetzentwurf für die Regelung der Rechtsverhältnisse des Personenkreises, der durch den Art. 131 des Grundgesetzes erfaßt wird, ist von der Bundesregierung noch nicht verabschiedet. Deshalb kann die Höhe der Versorgung, die diesem Personenkreis gewährt werden kann, heute noch nicht in Ziffern und Einzelheiten bekanntgegeben werden. Aus meiner Antwort zu Ziffer 2 geht bereits hervor, daß die haushaltsmäßige Deckung für die Gewährung der v o 11 en Bezüge und Wartegelder, angeglichen an die Bezüge und Wartegelder der Beamten von heute, voraussichtlich nicht gesichert ist.
({6})
- Ich kann auf Ihre Frage am Schluß zurückkommen, Herr Renner.
({7})
Die Frage 1 der Interpellation Drucksache Nr. 692 darf ich wohl durch die Beantwortung der Interpellation Drucksache Nr. 637 als mitbeantwortet ansehen.
Die Frage 2 beantworte ich dahin. daß die Regierung bereit ist, eine gleichmäßige Regelung der Rechtsverhältnisse dieses Personenkreises im ganzen Bundesgebiet durchzuführen.
Zur Frage 3 bemerke ich: Die Bundesregierung
hätte gewünscht, daß die. Regelung dieser Rechtsverhältnisse schon am 1. April 1950 hätte in
Kraft treten können. Die Sorge daß die Zahlungen der Länder mit dem 31. März 1950 enden,
ist aber unbegründet. Die Länder leisten die
Zahlungen, die auf Grund der gesetzlichen Regelung in den Ländern anfallen, nach dem
31. März 1950 auf Rechnung des Bundes weiter,
bis die Bundesgesetzgebung auf Grund des Art,
131 des Grundgesetzes in Kraft getreten sein
wird. Die Bundesregierung hat sich dabei breit
erklärt, bis zum Inkrafttreten des neuen Bundesgesetzes zur Überbrückung Mittel zur Verfügung
zu stellen. die insbesondere dazu dienen sollen.
in Notfällen, die heute vorhanden sind, einzugreifen und eine Anpassung an die künftig zu
erwartende Regelung im voraus vornehmen zu
können. Die Richtlinien für diese Überbrückungshilfe sind bereits in Ausarbeitung und werden derzeit unter den beteiligten Ressorts besprochen. Ich
darf bemerken, daß mir ein Antrag auf Drucksache Nr. 810 neu vorliegt, der sich auf diese
Frage beschränkt und der für den Haushalt
1950/51 eine Summe von 35 Millionen DM bis
zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes vorsicht
Ich darf die Erklärung abgeben. daß ich hoffe,
es wird dem Bundesfinanzminister - allerdings
mit Anstrengung - möglich sein, die Mittel,
die hier angefordert sind, in dem gewünschten Zeitraum aufzubringen.
({8})
Wenn ich nun zuletzt auf den Zwischenruf des Herrn Kollegen Renner eingehen darf, so bedeutet dieser Zwischenruf des Herrn Kollegen
({9})
Renner, daß er die Mittel für die verdrängten öffentlichen Bediensteten und beruflichen Wehrmachtsangehörigen - wenn er die mit umfassen will - dadurch aufbringen will, daß er bei den andern Beamten kürzt. So a es doch zu verstehen?
({10})
Wenn er ziffernmäßig einen Vorschlag zu machen hat, so bitte ich, den nächstens vor irgendeiner Organisation oder einer Versammlung der einheimischen Beamten zu vertreten.
({11})
Meine Damen und Herren! Sie haben die Antwort des Herrn Bundesfinanzministers auf die Interpellationen der Tagesordnungspunkte Nr. 5, 6 und 7 gehört.
Ich eröffne die Aussprache und mache darauf aufmerksam, daß ein Antrag unter Drucksache Nr. 810 vorliegt. Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Dr. Kather. Ihre Redezeit beträgt 25 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß leider hervorheben, daß die Antwort des Herrn Bundesfinanzministers zu Ziffer 1 und 2 der von meinen Freunden und mir eingereichten Interpellation mich nicht befriedigt hat. Die Frage 1 ging dahin, weshalb es in den vergangenen drei Monaten nicht möglich war, dem einstimmigen Beschluß des Bundestages
vom 2. Dezember 1949, in dem die Gleichstellung der heimatvertriebenen Beamten mit den einheimischen verlangt wurde, zu entsprechen. Der Herr Bundesfinanzminister hat gesagt, das Kabinett müsse erst einmal einen Überblick gewinnen und habe deshalb die Erledigung dieser Sache zurückgestellt. Ich darf dazu folgendes sagen.
Es handelt sich um ein Problem, das seit mehr als vier Jahren im Vordergrund der öffentlichen Diskussion steht. Es ist schon Jahre her, daß sämtliche Parteien im Zonenbeirat die Beseitigung dieses Unrechts verlangt haben. Es ist schon Jahre her, daß die britische Kontrollkommission uns geschrieben hat, und zwar im Februar 1948, sie werde dieses Problem demnächst auf bitonaler Ebene prüfen und entscheiden. Ich darf außerdem darauf hinweisen, daß in der Verwaltung für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet etwa sieben Referentenentwürfe zur Regelung dieser Angelegenheit ausgearbeitet worden sind. In der Regierungserklärung ist zugesagt worden, diese Frage so schnell wie möglich zu bereinigen. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich auch mit seinem eigenen Vorbringen insofern in Widerspruch gesetzt, als auch von ihm selbst dem Bundeskabinett ein Entwurf vorgelegt worden ist, der schon am 1. April 1950 in Kraft treten sollte.
Wir haben uns gestern im Ausschuß für Heimatvertriebene mit diesem Problem beschäftigt. Vorgestern abend hat es sehr eingehend auch den Beamtenrechtsausschuß bewegt. Beiden Ausschüssen wurden vom Innenministerium und vom Bundesministerium für Heimatvertriebene Zahlen angegeben, die absolut eine Übersicht ermöglichen. Es wäre also meiner Ansicht nach durchaus möglich gewesen, den Gesetzentwurf vorzulegen. Die Erklärung, die der Herr Bundesfinanzminister insoweit gegeben hat, befriedigt mich daher nicht.
Die zweite Frage hat der Herr Bundesfinanzminister überhaupt nicht beantwortet. Er hat gesagt, er werde die Gleichstellung des Personenkreises des Art. 131 des Grundgesetzes durchführen. Diese Frage war aber nicht gestellt worden, sondern wir hatten die Frage gestellt, ob die Gleichstellung der vertriebenen Beamten mit den einheimischen durchgeführt werden soll. Diese Frage ist also mit der Erklärung des Herrn Bundesfinanzministers nicht beantwortet, wenn man nicht etwa aus einer in anderm Zusammenhang gefallenen Äußerung schließen will, daß voraussichtlich aus finanziellen Gründen eine Gleichstellung nicht möglich sein wird.
Wenn man dieses Problem behandelt, dann ist es meiner Ansicht nach nicht richtig, von finanziellen Erwägungen auszugehen. Die erste Frage, die man sich vorlegen muß, ist die Rechtsfrage. Es ist die Frage: besteht ein Rechtsanspruch oder nicht?
({0})
Meine Damen und Herren! Ich habe neulich in Hamburg in einer Versammlung vor Heimatvertriebenen gesprochen. Hinterher kam ein Regierungsrat zu mir, der mir für den Einsatz in dieser Richtung dankte und mir sagte: Ich schöpfe wieder Hoffnung, nachdem ich seit vier Jahren mit vier Kindern von wöchentlich 24 DM Arbeitslosenunterstützung lebe. Wenn man sich das Schicksal dieses Mannes - und es handelt sich ja um Zehntausende, die in der gleichen Situation sind - vor Augen hält, kann es wohl nicht gleichgültig sein, ob auch noch in Zukunft diesem Mann sein Recht vorenthalten wird. Der Art. 131 verlangt ja ausdrücklich die Regelung der Rechtsverhältnisse dieser Beamten. Ich kann darauf hinweisen, daß im Parlamentarischen Rat mehrfach versucht worden ist, einen Antrag durchzubringen, wonach diese Rechtsansprüche aus der Zeit vor dem 8. Mai 1945 erloschen sein sollen. Dieser Antrag ist von der Mehrheit des Parlamentarischen Rates immer wieder abgelehnt worden. Daraus ergibt sich ganz . klar, daß diese Rechtsansprüche nicht beseitigt werden sollten.
Meine Damen und Herren! Es ist eine sehr fragliche Sache mit diesem Art. 131. Es muß zum mindesten als ein sehr starker Schönheitsfehler empfunden werden, wenn in einem Grundgesetz, das doch dazu da ist, den Aufbau eines Rechtsstaates zu ermöglichen, die Geltendmachung von Rechtsansprüchen ausgeschlossen wird.
({1})
Es erhebt sich die berechtigte Frage, ob das überhaupt möglich und mit Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar ist. Ich kann Ihnen sagen, daß schon höchstrichterliche Entscheidungen vorliegen, die besagen, daß eine solche Bestimmung in jedem Falle nur für eine knapp bemessene Übergangszeit erträglich ist und daß sie sich automatisch außer Kraft setzt, wenn das Parlament oder die Bundesorgane ihrer Verpflichtung zur alsbaldigen Regelung dieser Rechtsverhältnisse nicht nachkommen.
Daß hier Rechtsansprüche gegeben sind, kann ja auch aus anderen Erwägungen nicht zweifelhaft sein. Der größte Teil derer, für die ich in der Hauptsache spreche, sind ja doch Reichsbeamte; sie sind aus dem ehemaligen Reichsgebiet gekommen, sie haben eine Urkunde über ihr Beamtenrecht in den Händen, und wenn man ihnen dieses
({2})
Recht bestreitet oder in Zweifel zieht, so untergräbt man damit überhaupt das Berufsbeamtentum in seinen Grundfesten.
({3})
- Jawohl, Herr Kollege! Es ist nicht ganz so. Die Frage ist nicht beantwortet worden. Gestern hat der Vertreter des Finanzministeriums im Vertriebenenausschuß bezüglich dieser Gruppe, über die ich eben gesprochen habe, gesagt: Jawohl, die Urkunden sind da; es kommt letzten Endes nur darauf an, ob der Bund Rechtsnachfolger des Reiches ist oder nicht. Daß diese Frage positiv zu beantworten ist, dazu dürften hier doch wohl keine weiteren Ausführungen zu machen sein. Ich brauche nur an die wiederholten Erklärungen der Bundesregierung zu denken. Wir stehen also vor der Tatsache, daß der größten Gruppe dieser Leute ein unzweifelhafter Rechtsanspruch zusteht. Das muß erst einmal klar herausgestellt werden, ehe man sich die Frage vorlegt: wie finden wir uns mit diesem Rechtsanspruch ab? Es wäre völlig unmöglich, etwa zu sagen: wir lassen das dahingestellt oder: wir bestreiten diesen Anspruch. Dann müßte man unter allen Umständen nachträglich die Klage zulassen. Ich darf nochmals darauf hinweisen, daß schon eine ganze Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen vorliegen, die ganz klar besagen: die Beamten haben den Anspruch. Davon muß man nach meiner Ansicht ausgehen. Dann wird man sich die Frage vorlegen müssen: wie ist die finanzielle Situation, und wie kann ich mich mit diesen meinen Verpflichtungen abfinden?
Meine Damen und Herren! Mir ist in den letzten Tagen wiederholt die Auffassung entgegengetreten, daß es unmöglich sei, diese Leute gleichzustellen. Ich. sage dagegen, wir werden niemals zu einer politischen Beruhigung und Bereinigung dieses Problems kommen, wenn wir diese Gleichstellung nicht vornehmen.
({4})
Es wird verlangt, daß wir uns eingliedern. Wie kann das geschehen, wenn es auch in Zukunft Pensionäre und Beamte zweierlei Rechts gibt?
({5})
Jetzt wollen wir das Flüchtlingsgesetz in Angriff nehmen. Es wird im Bundesministerium für Heimatvertriebene vorbereitet. Wir haben Flüchtlingsgesetze in den Ländern, und in jedem dieser Gesetze ist der Grundsatz der Gleichberechtigung verankert. Auch für das kommende Bundesflüchtlingsgesetz wird die Gleichberechtigung das Kernstück des Gesetzes sein müssen, anderenfalls sollten wir lieber die Hände davon lassen.
({6})
Wir kommen nicht darum herum, und ich bitte die Bundesregierung und insbesondere den Herrn Bundesfinanzminister, doch zur Kenntnis zu nehmen: nach meiner Auffassung wird sich in diesem Hause niemals eine Mehrheit dafür finden, daß man die heimatverdrängten oder auch andere Beamte, die einen Rechtsanspruch haben, schlechter stellt als die heimischen Beamten.
({7})
Von dieser Tatsache müssen wir absolut ausgehen. Der Herr Finanzminister schiebt - von seinem Standpunkt aus mit Recht - die finanziellen Schwierigkeiten in den Vordergrund. Aber das enthebt uns nicht der Notwendigkeit, die Gleichstellung vorzunehmen und dann eben unseren Etat mit
den uns zur Verfügung stehenden Mitteln in Ordnung zu bringen, wobei dann aber eine Unterscheidung zwischen einheimischen und verdrängten Beamten nicht mehr vorhanden sein wird. Einen anderen Weg können wir nicht gehen. Ich halte es nicht für glücklich, auch politisch nicht für tragbar, diese Bereinigung etwa mit einer allgemeinen Pensions- und Gehaltskürzung zu verbinden. Ich bin der Meinung, 'daß wir auf die Dauer um dieses Problem nicht herumkommen werden. Ich bin auch der Ansicht, daß wir es uns auf die Dauer nicht werden leisten können, die heutigen Bezüge, insbesondere bei den hohen Pensionen und Beamtengehältern, zu zahlen.
({8})
Es ist nicht tragbar, daß wir heute noch Pensionen über 1000 DM zahlen. Das muß unter allen Umständen ein Ende finden. Ich sprach neulich mit einem früheren Bürgermeister von Königsberg. Er bekam eine Pension von 1000 DM. Schon vor dem Zusammenbruch - er ist also kein Flüchtling - hat er eine sehr gut bezahlte Stellung in der Industrie angenommen. Dieser Mann sagte mir: Wenn
ich nicht das Pech gehabt hätte, Bürgermeister in Königsberg gewesen zu sein, sondern meinetwegen in Dortmund oder Essen, so würde ich heute zu meinem hohen Industriegehalt noch 1000 DM Pension bekommen! Daraus habe ich also entnommen: es ist heute noch so, daß auf die Pensionen nur Beträge angerechnet werden, die aus öffentlichen Mitteln fließen.
Das sind alles Dinge, die wir einmal in Angriff nehmen müssen. Und man soll mir nicht sagen, daß sie nicht zu Buche schlagen; sie werden schon, wenn man alle Möglichkeiten ausschöpft, zu Buche schlagen. Aber wir brauchen die Dinge nicht miteinander zu verbinden.
({9})
In einem jedenfalls werden Sie mir doch wohl recht geben, meine Damen und Herren: es ist unmöglich, den bestehenden Zustand aufrechtzuerhalten. Sie werden vielleicht mit manchen Ausführungen - das trifft auch für meine eigenen Freunde zu - nicht einverstanden sein. Aber ich mache Sie darauf aufmerksam: es kommt nicht darauf an, daß ich Ihnen hier Annehmlichkeiten sage,
({10})
sondern darauf, daß ich Ihnen sage, wie es draußen ist. Es handelt sich letzten Endes darum, ob wir Vertriebene, die wir noch in den Parteien stehen -- und seit Jahren in den Parteien stehen -, noch das Vertrauen unserer Leute halten können oder nicht. Wir werden es nicht halten können, wenn wir nicht bald Erfolge aufzuweisen haben. Ich muß sagen, wir haben im Bundestag bisher noch nicht den kleinsten zahlenmäßigen Erfolg aufzuweisen.
({11})
Wir haben die Bereitstellung der 120 Millionen DM beschlossen, aber das war ja nur eine Vorfinanzierung.
({12})
- Verzeihung, ich habe nicht dagegen gesprochen. Ich habe mich dagegen verwahrt, daß ich mitten. in der Sitzung mit einem solchen Antrag angegangen wurde. Ich habe nachher dafür gestimmt, wie alle meine Freunde.
({13})
({14})
- Ich habe schon früher dafür gestimmt als die meisten von Ihnen, nämlich drei Tage vorher im Kontrollausschuß.
({15})
- Verzeihen Sie, Sie sollten dafür Verständnis haben, daß ich das Problem nicht vom parteipolitischen Gesichtspunkt behandle und daß ich vor allem auch meiner eigenen Regierung die Wahrheit sage. Wir wollen doch nicht ins Parteipolitische abfallen.
({16})
Das möchte ich unter allen Umständen vermeiden.
({17})
- Herr Mellies, Sie können mir kein Wort in dieser Richtung vorwerfen. Ich habe lediglich gesagt, daß es eine Vorfinanzierung war, und das war richtig. Das Geld ist aus der Soforthilfe. Das sollte keine Herabsetzung Ihres damaligen Antrages sein. Ich habe kein Wort darüber gesagt. Aber praktisch ist es doch so, daß die 35 Millionen DM, wenn wir sie heute bewilligen, das erste wären, was die Flüchtlinge vom Bundestag bekämen und was sie nicht schon aus anderem Grunde zu bekommen gehabt hätten.
Nun darf ich vielleicht - mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten - gleich den Antrag Drucksache Nr. 810 begründen. Ich muß dazu auf die Vorgeschichte eingehen. Vor wenigen Tagen habe ich anläßlich der Beratung des DP-Antrages schon von den Verhandlungen mit dem Bundeskabinett berichtet, die dazu führten, daß uns Heimatvertriebenen von seiten der Bundesregierung ein Betrag von 20 Millionen DM zur Überbrückung bis Tu der Zeit, in der das Gesetz in Kraft tritt, zugesagt war. Dieser Betrag war nur für die heimatvertriebenen Beamten bestimmt, wie es auch in der eigenen Presseerklärung der Bundesregierung zum Ausdruck gekommen ist. Ursprünglich war wohl beabsichtigt, ein vorläufiges Gesetz herauszubringen. Aber auch das würde ja sechs Wochen, vielleicht Monate
({18})
in Anspruch nehmen. Wir stehen aber vor der Notwendigkeit, morgen oder wenigstens in den nächsten Wochen mit den Zahlungen zu beginnen. Deshalb haben wir uns überlegt, wie wir der Regierung eine Möglichkeit geben können, über diesen Betrag zu verfügen. Wir sind uns an sich schlüssig geworden, diese 20 Millionen DM und weitere 6 Millionen DM Unterstützungsgelder, die dann automatisch in Fortfall kommen, noch in den Etat für 1949 einzustellen. Dieser Plan ist am Widerstand des Herrn Bundesfinanzministers gescheitert, der etatsrechtliche Bedenken hatte. Wir haben uns also nun entschlossen, für das kommende Jahr diese Summe zu verlangen. Von anderer Seite wurde mit Recht eingewandt, daß man auch für die anderen in dem Artikel 131 des Grundgesetzes bezeichneten Gruppen etwas tun müsse. Es war zunächst vorgesehen, zwei selbständige Anträge über 26 und 20 Millionen DM einzureichen, im ganzen über 46 Millionen DM. Durch Verhandlungen mit dem Herrn Bundesfinanzminister haben wir uns, wie er selber schon vorgetragen hat, auf einen Betrag von 35 Millionen DM geeinigt. Wir sind dabei davon ausgegangen, daß 20 Millionen DM auf die Heimatvertriebenen und etwa 15 Millionen DM auf die anderen Gruppen entfallen sollen, ohne daß wir das in dem Antrag irgendwie zum Ausdruck gebracht haben.
Von Anfang an und auch bei den letzten Verhandlungen haben wir die Absicht gehabt, auf diese Weise den vertriebenen Beamten und Pensionären ungefähr das zu geben, was sie nach unserer Meinung von der künftigen Regelung zu erwarten haben. Wir haben dabei in erster Linie an diejenigen gedacht, denen es ganz besonders schlimm geht, nämlich an die nichtbeschäftigten und nichtpensionsreifen Beamten, die seit Jahren auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen sind. Wir haben weiter an die Pensionäre gedacht, die gar nichts bekommen - auch diese gibt es noch in erheblicher Zahl -, und dann an diejenigen, die sehr geringe Pensionen bekommen. Aber es war auch in Aussicht genommen - und das geht sowohl aus den Erklärungen des Bundesfinanzministers als auch aus der damaligen Presseerklärung der Regierung hervor -, daß die Aufstockung der Pensionen ungefähr in normaler Höhe erfolgen soll.
Die Einbeziehung der anderen Gruppen ist unsererseits nicht ohne Bedenken vorgenommen worden, und zwar deshalb, weil die Frage der Berechtigten und die Frage, wieweit man gehen kann und muß, in keiner Weise geklärt ist. Es war im Rahmen dieses Antrags nicht möglich, darauf einzugehen. Wir haben vielmehr den Weg einer Ermächtigung für die Bundesregierung gewählt, diese Gelder mit Zustimmung des Haushaltsausschusses des Bundestags nach bestimmten Richtlinien zu vergeben. Wir wollen also die Aufstellung der Richtlinien, die Beschränkung des Personenkreises dem Kabinett in Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuß vorbehalten. Der Personenkreis, insbesondere derjenige der ehemaligen Berufssoldaten, ist so groß, daß, wenn man keinerlei Schranken zieht, die ganze Aktion wieder ein Schlag ins Wasser sein würde. Ich kann insoweit auf die Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers in der Regierungserklärung Bezug nehmen, der selber davon gesprochen hat, daß man gewisse Grenzen einhalten muß.
Mein Wunsch an die Bundesregierung geht dahin, unter allen Umständen dafür Sorge zu tragen, daß die Verteilung dieser Beträge so erfolgt, daß nicht wieder neue Mißstimmung erwächst. Ich erinnere an die Hausratshilfe, bei der wir immerhin 200 Millionen DM gezahlt und trotzdem eine große Beunruhigung und Erbitterung ausgelöst haben, weil viele sehr berechtigte Ansprüche nicht befriedigt werden konnten. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auch besonders auf das Wörtchen „vorerst" lenken. Wir wissen ja nicht, ob das neue Gesetz, das nun mit Beschleunigung in Angriff genommen werden soll, in zwei oder in drei Monaten kommt oder ob es gar noch länger dauert. Wir müssen uns daher vorbehalten, wenn diese Beträge verbraucht sind, mit neuen Anforderungen zu kommen.
Ich möchte dazu noch folgendes sagen. Die Zahlen, die der Herr Bundesfinanzminister genannt nat, werden von anderen Ministerien in Abrede gestellt. Uns ist gesagt worden, daß es sich bei diesen Heimatvertriebenen um 90 000 bis 110 000 Personen handelt, also nicht um einen so großen Personenkreis, wie der Herr Bundesfinanzminister gesagt hat. Der Vorteil dieser Aktion wird ja sein, daß wir auf diese Weise auch sehr schnell einen Überblick bekommen werden, wieviel Berechtigte in der Tat vorhanden sind. Mein Wunsch geht dahin, daß bei diesen Richtlinien und bei der Durchführung dieser Aktion insbesondere auch das Ministerium für Heimatvertriebene weitgehend eingeschaltet wird, da es die Verhältnisse am besten kennt.
({19})
Ich bin der Auffassung, daß hier ein Weg beschritten wird, der durchaus als praktischer und wesentlicher Erfolg anzusehen ist. Wenn es so gelingt, dieser verhältnismäßig großen Gruppe von Leuten, die in besonders großer Not sind, eine praktische, wirksame und fühlbare Hilfe sofort zu geben, so wird ,das ganz fraglos seine große Wirkung auch auf die Vertriebenen insgesamt ausüben. Ich habe schon bei anderer Gelegenheit gesagt, daß auch die Vertriebenen, die nicht Beamte sind, gerade in dieser Frage die Bewährungsprobe dafür sehen, ob man endlich mit der Gleichberechtigung ernst machen will oder nicht. Deshalb wird die politische Wirkung über den Kreis der Berechtigten hinaus ungeheuer groß sein.
Ich bitte daher die Bundesregierung, den Grundsätzen, die ich hier vorgetragen habe, bei der Ausarbeitung der Richtlinien Rechnung zu tragen. Es wird ein großer Erfolg sein, wenn die 8 Millionen Heimatlosen auf diese Weise wieder neues Vertrauen zu der Regierung und den anderen Bundesorganen gewinnen.
({20})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stech. 25 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt mir eigentlich schwer, im Anschluß an den Kollegen Dr. Kather zu sprechen, weil wir meinen mußten, daß er vielleicht als Sozialdemokrat vor diesem Hohen Hause gesprochen hat.
({0})
Überlegen Sie einmal, ob auch in Zukunft von
einem Mitglied der Regierungskoalition weiterhin
dem Hohen Hause so deutlich und unmißverständlich gesagt wird, was vorhin vom Kollegen Dr.
Kather zur Regierungsbank hin gesprochen wurde!
({1})
Nach den von den verschiedensten Fraktionen eingebrachten Anträgen betreffend die Gleichstellung der heimatvertriebenen ruhegehaltsbereichtigten Beamten, Angestellten und Lohnempfänger hat sich der 22. Ausschuß dieses Hohen Hauses in den Sitzungen vom 13. Oktober, vom 26. Oktober und insbesondere in der Sitzung vom 22. November 1949 mit dieser speziellen Materie beschäftigt, nachdem insbesondere auch der Beamtenrechtsausschuß in der Sitzung vom 13. Oktober 1949 das Ersuchen an die Bundesregierung gerichtet hatte, innerhalb von drei Wochen eine Vorlage über die finanziellen Auswirkungen einer solchen Gleichstellung der Anspruchsberechtigten an die zuständigen Ausschüsse des Hohen Hauses gelangen zu lassen. Außerdem war sich damals der Beamtenrechtsausschuß grundsätzlich darüber einig, daß diese Frage auf dem Verordnungswege einer schnellen Regelung zugeführt werden soll. Nach den eingehenden Beratungen vom 22. November 1949 im Ausschuß für Heimatvertriebene ist es alsdann zu der Beschlußfassung des Bundestags vorn 2. Dezember 1949 gekommen, wonach die Gleichstellung der anspruchsberechtigten Personenkreise eindeutig ausgesprochen worden ist.
Meine Damen und Herren, heute schreiben wir den 31. März 1950. Was ist nun seit dem Beschluß des Bundestages vom 2. Dezember 1949 bis zum heutigen Tage in Ausführung dieses Beschlusses geschehen?
({2})
Meine Damen und Herren, ich gebe hier der Meinung der Heimatvertriebenen, der beteiligten Öffentlichkeit Ausdruck, wenn ich erkläre, daß bis auf den Sonderantrag bezüglich der 120 Millionen Hausratshilfe - Herr Dr. Kather sagte ganz richtig, daß dies eine Summe im Sinne der Vorfinanzierung gewesen sei - effektiv von der Bundesregierung, seit sie besteht, nichts, nichts, aber auch gar nichts realisiert worden ist.
({3})
Niemand in diesem Hause ist in der Lage, diesem Satz, den ich eben ausgesprochen habe, zu widersprechen. Wenn Sie es tun, dann sagen Sie Unwahres.
Am gestrigen Tage ist uns Abgeordneten u. a. ein Schreiben des Zentralverbandes der vertriebenen Deutschen, Kreisverband Hameln, in unser Fach gelegt worden. Der Herr Präsident wird mir erlauben, kurz zu zitieren, was u. a. zu dieser Spezialmaterie, die wir im Augenblick hier beraten, gesagt wird .Es heißt da:
Er handelt verantwortungslos nicht nur gegenüber denen, die sich als fünfter Stand betrachten und die die Not immer mehr zusammenschweißt, sondern auch gegenüber denen, die ihm noch vertrauen.
Also dem Staat, unserer jungen Republik! Von ihr ist in diesem Schreiben die Rede. Dann heißt es weiter:
Auch wir, wenngleich wir uns enttäuscht, sogar betrogen fühlen, wollen für eine kurze Zeit noch dem Staatsgedanken den Platz einräumen, den er immer in unserem Leben gehabt hat. Wir wollen aber auch in aller Eindeutigkeit darauf hinweisen, daß wir bei allergrößtem Verantwortungsbewußtsein dies nicht mehr lange können, weil unsere seelischen und körperlichen Kräfte einfach erschöpft sind.
({4})
Meine Damen und Herren, das kommt aus den Kreisen der heimatvertriebenen Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes; aber es deckt sich haarscharf mit den gesamten Auffassungen der übrigen insgesamt acht Millionen heimatvertriebenen Deutschen im westdeutschen Bundesgebiet. Sie alle stehen auf dem gleichen Standpunkt.
Ich habe eben gefragt: Was ist nun seit dem 2. Dezember 1949 von der Bundesregierung in Durchführung dieses Beschlusses getan? - Ich habe gesagt: nichts, nichts und nochmals nichts! Herr Kather sagte: Wir brauchen zur völligen Klarstellung ein Rahmengesetz für das Heimatvertriebenenwesen. Das Kernstück dieses Gesetzes muß auch die Regelung der Gleichberechtigung und Gleichstellung bringen. Darüber besteht Klarheit.
Dem Ausschuß für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen wurde nun schon zum soundsovielten Male berichtet, was alles im Schoße der Regierung geplant wird. Nichts anderes als immer nur Erklärungen! So sehen wir uns verpflichtet zu fragen:
Erstens: Wann wird die Gleichstellung durchgeführt? Das ist die erste Frage unserer Drucksache Nr. 637. Ich glaube den Herrn Finanzminister doch richtig dahin verstanden zu haben - falls ich mich hier vorn auf meinem Platz nicht verhört haben sollte -, daß er die Gleichstellung und die Gleichberechtigung bejaht hat. Ich wäre dankbar, wenn er mich korrigieren wollte, falls ich ihn falsch verstanden haben sollte.
({5})
Zweitens: Ist Vorsorge getroffen, daß die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen? - Der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, er werde unabhängig von dem in Drucksache Nr. 810 vorgesehenen Betrag von 35 Millionen noch 400 Millionen in den Etat 1950/51 einsetzen. Er hat uns dann die hohe Summe der Besatzungskosten genannt, die der Bund zu tragen hat. Er hat uns auch die Etatsumme des Bundes überhaupt genannt und darüber hinaus Schätzungssummen,wenn man alle Ansprüche einschließlich der ,,Wehrmachtsanspruchsberechtigten" befriedigen wollte. Dann müßte er dafür 11/2 Milliarden einsetzen. Wir wünschen jedenfalls, diese Frage der „Wehrmachtsanspruchsberechtigten" in diesem Augenblick nicht vermischt oder vermanscht zu sehen mit den reinen Summen, die auf Grund der Gleichstellung und Gleichberechtigung der ruhegehaltsberechtigten heimatvertriebenen Beamten, Angestellten und Lohnempfänger in den Etat einzusetzen sind.
Meine Damen und Herren, ich möchte nach alledem, was die Soforthilfegesetzgebung - die „Soforthilfe-Späthilfe-Gesetzgebung" - bisher erbracht hat. über den zu den Planungen Lastenausgleich sowie zur Planung über ein „kommen sollendes" Bundesflüchtlingsrahmengesetz sagen, daß das alles tatsächlich nur Planungen sind.
Um in der Sache selbst kurz zu bleiben, nutze ich noch nicht einmal meine Redezeit aus sondern sage: jedes Wort, was in dieser Sache hier noch gesagt wird, ist nach meiner Ansicht unnötig. Es wird Sache der Bundesregierung, es wird Sache des Herrn Bundesfinanzministers sein, die genügenden Mittel für alle Heimatvertriebenen und speziell auch für die heute hier zur Besprechung stehenden Anspruchsberechtigten zur Verfügung D zu stellen und keine Worte mehr zu verlieren!
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie nur ganz kurz mit wenigen Sätzen und einigen Zahlen behelligen. Der erste Vorredner hat über die Frage der Pensionsbezüge der einheimischen Beamten gesprochen. Weil hier auch das Wort von den hohen Pensionen gefallen ist, möchte ich feststellen - dabei rechne ich immer nach dem Betrag, was hier entscheidend ist, nicht nach der Zahl -: bei den einheimischen Beamten in Bund, Ländern und Gemeinden entfallen von dem gesamten ausgegebenen Betrag 83.6 Prozent auf Pensionisten mit 400 DM monatlich und weniger. Auf Pensionisten, die über 1000 DM beziehen, entfallen 0.6 Prozent.
Ich bin gefragt worden, ob ich für die Gleichstellung der verdrängten öffentlichen Bediensteten und der einheimischen eintrete. Auch hier darf ich einmal die Größenverhältnisse bekanntgeben. Nach der Statistik haben sich als zu dem Personenkreis des Artikel 131 gehörig jetzt im Bundesgebiet 650 000 Empfangsberechtigte gemeldet. Nehmen Sie einen Durchschnittssatz von 2400 DM pro Kopf und Jahr an, dann wissen Sie, daß das Milliardenbeträge sind. Verdrängte Ruhegehaltsempfänger zählen wir ungefähr 116 000; dienstfähige, zur Zeit nicht im Amt tätige Beamte 120 000; Wehrmachtsangehörige aus der Zeit vor der Hitlerarmee ungefähr 114 000. Das sind zusammen 350 000. In diesen nicht einbegriffen sind Bahn und Post. Die übrigen sind Personen, von denen wir annehmen, daß sie in eine kommende Bundesgesetzgebung, die nicht sämtliche
Wehrmachtsangehörigen schlechthin umfassen kann, nicht aufgenommen werden. Wir müßten also ohne Bahn und Post mit wenigstens 350 000, mit Bahn und Post vielleicht mit 70- bis 80 000 Personen mehr rechnen.
Das wären die Grundlagen für den, der dem Finanzminister die Frage stellt und an ihn den Aufruf richtet, er habe die Mittel einfach herzubringen. Ich bitte das Hohe Haus, nicht zu vergessen, daß der Finanzminister überhaupt keine Mittel herbringt; das tut nur der Steuerzahler.
({0})
Es handelt sich um Haushaltsmittel.
Ich darf eine weitere Ziffer bekanntgeben. Wenn Sie die Gleichstellung zwischen verdrängten öffentlichen Bediensteten und einheimischen in der Form durchführen wollen, daß sie beide auf ein gleiches Niveau drücken, den einheimischen also so weit senken, daß die vorhandenen Mittel ausreichen, den gesenkten gleichmäßigen Satz allen zu geben, dann müssen Sie die derzeitigen Bezüge sämtlicher öffentlichen Bediensteten bei Bahn und Post, in Gemeinden, Ländern und Bund um ungefähr 20 Prozent senken.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Falkner.
Meine Damen und Herren! Wir stehen in einer Aussprache über Interpellationen. Wir sind im Begriff, Kritik zu üben, vielleicht Kritik zu üben an der Bundesregierung. Wir sollten in diesem Augenblick objektiv genug sein, ein wenig an uns selbst Kritik zu üben. Es wird keinen sehr guten Eindruck machen, wenn in der Öffentlichkeit bekannt wird, daß die Beratung eines Themas, an dem so viele Tausende von Menschen interessiert sind, vor einem sehr wenig gut besetzten Hause stattfindet. Die hier zur Behandlung stehende Frage ist sehr, sehr ernst. Wer sich mit Beamtenrechtsfragen zu beschäftigen hat, weiß, daß wir jeden Tag mit einer Fülle von Zuschriften überflutet werden.
Meine Fraktion hat mit Drucksache Nr. 726 zusammen mit der Zentrumsfraktion eine Interpellation eingebracht, der sich die Fraktion der Deutschen Partei angeschlossen hat. Der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, diese Interpellation nicht bekommen zu haben. Ich habe selbstverständlich keinen Anlaß, daran zu zweifeln. Es wird festzustellen sein, wie es kommt, daß diese Interpellation das Bundesfinanzministerium bzw. das Bundeskanzleramt nicht erreicht hat. Ich spreche für meine Fraktion und, wie ich hoffe, auch für die beiden anderen Fraktionen, wenn ich erkläre, daß ich mich nicht damit zufrieden geben kann, wenn der Herr Bundesfinanzminister bemerkte, er glaube, durch die Beantwortung der beiden anderen Interpellationen sei auch die Interpellation Drucksache Nr. '726 beantwortet.
Die Interpellation Drucksache Nr. 726 geht nämlich weiter und stellt sehr konkrete Fragen. Ich werde diese Fragen jetzt vortragen und die Bundesregierung bitten, sie zu beantworten. Sollte es nicht möglich sein, eine Antwort zu bekommen, so werden sich die antragstellenden Fraktionen vorbehalten müssen, darum zu bitten, die Interpellation neuerdings auf die Tagesordnung, etwa der nächsten Plenarsitzung, zu setzen.
({0})
Die Interpellation Drucksache Nr. 726 stellt die konkrete Frage, ob ein Gesetzentwurf im Sinne des Bundestagsbeschlusses vom 2. Dezember 1949 vorbereitet ist und wann mit seiner Vorlage gerechnet werden kann. Die zweite Frage lautet: Trägt der Entwurf der Forderung nach voller Angleichung der Pensionen und der Zahlung eines Wartegeldes Rechnung? Die dritte Frage lautet: Ist der vom Herrn Bundesfinanzminister am 19. Januar 1950 angekündigte Gesetzentwurf fertiggestellt, und wann kann mit seiner Vorlage gerechnet werden? Ich darf darauf hinweisen, daß uns insbesondere die Beantwortung dieser Frage interessiert. Denn in der Sitzung vom 19. Januar war in dieser Sache eine sehr konkrete Auskunft gegeben worden. Es war ausdrücklich durch den Herrn Bundesfinanzminister betont worden - ich zitiere das Protokoll -, „daß dieses Gesetz zur Herstellung der Rechtsgleichheit für die ausgeschiedenen öffentlichen Bediensteten" vorgelegt werden müsse, „ohne daß die statistischen Unterlagen im Zeitpunkt der Vorlage beschafft werden können".
Ich möchte in diesem Zusammenhang - wobei ich mir vorbehalten muß, falls eine Antwort auf diese Fragen gegeben wird, namens meiner Fraktion noch einmal das Wort zu ergreifen - etwas Grundsätzliches betonen. Nach Ansicht meiner Fraktion geht es bei der gesamten Fragestellung nicht allein um die Frage der Gleichstellung der heimatvertriebenen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes, sondern um den gesamten Fragenkomplex der verdrängten Beamten, der heimatvertriebenen Beamten, der sogenannten entnazifizierten Beamten und der früheren aktiven Angehörigen der deutschen Wehrmacht. Meine Damen und Herren, es ist von einem der Herren Vorredner mit Recht betont worden, wir sollten die Erörterung dieser Frage aus der parteipolitischen Ebene herauslösen. Es ist tatsächlich eine Frage, die mit Parteipolitik nichts zu tun hat.
Ich möchte die Bundesregierung bitten, die von mir jetzt konkret gestellten Fragen zu beantworten. Falls das nicht möglich sein sollte, müssen wir bitten, daß die Interpellation neuerdings auf die Tagesordnung gesetzt wird.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich bin bereit, die Fragen des Herrn Abgeordneten Falkner sofort zu beantworten. Ich nehme die von ihm als am wichtigsten bezeichnete Frage Nr. 3 voraus. Der am 19. Januar 1950 angekündigte Gesetzentwurf ist, wie ich bereits in der ersten Beantwortung der Interpellation festgestellt habe, fertiggestellt und bereits Ende Januar 1950 dem Kabinett vorgelegt worden.
Zweitens. Wie ich bereits in dieser Beantwortung festgestellt habe, hat das Kabinett mit Rücksicht darauf, daß dieser Gesetzentwurf eine gerechte Würdigung nur in Kenntnis der gesamten Haushaltslage und in Kenntnis der Verantwortung der Aufbringung der Deckungsmittel finden wird, sich entschlossen diesen Gesetzentwurf vorzulegen, wenn die Übersicht über die Haushaltslage in Bund, Ländern und Gemeinden diesem Hohen Hause und der deutschen Öffentlichkeit gegeben ist.
Frage 4: Wird in dem Entwurf des Herrn Bundesfinanzministers der gesamte zur Zeit von den Ländern vorschußweise betreute Personenkreis erfaßt? - Selbstverständlich ja, weil es ein Gesetzentwurf nach Art. 131 des Grundgesetzes ist. Und in welcher Höhe sind Zahlungen vorgesehen? Solange der Gesetzentwurf von der Bundesregierung als solcher nicht beschlossen und nicht hinausgegeben ist, bin ich nicht in der Lage, jetzt schon genaue Ziffern über die Höhe der Zahlungen zu geben. Im übrigen nehme ich an, daß der, der meine Beantwortung der Interpellation mit den Zahlen gehört hat, wissen wird, welcher Betrag insgesamt für diesen Zweck im Haushalt voraussichtlich zur Verfügung stehen wird.
Frage 1: Ist ein Gesetzentwurf im Sinne des Bundestagsbeschlusses vom 2. Dezember vorbereitet, und wann kann mit seiner Vorlage gerechnet werden? ist eigentlich identisch mit der Frage 3; denn der Antrag vom 2. Dezember 1949 betrifft einen Teil des Personenkreises, der unter Art. 131 des Grundgesetzes fällt. Ende Januar war der Gesetzentwurf für den gesamt en Personenkreis fertiggestellt.
Frage 2: Trägt der Entwurf der Forderung nach voller Angleichung der Pensionen und der Zahlung eines Wartegeldes Rechnung? - Ich bitte auf das verweisen zu dürfen, was ich gesagt habe. Einen Betrag von rund 11/2 Milliarden werde ich leider in diesem Haushaltsplan nicht zur Verfügung stellen können, es sei denn, das Hohe Haus bewilligt außerordentliche Deckungsmittel.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Die vorliegenden drei Interpellationen, die in Angelegenheit der Flüchtlingsbeamten, -angestellten und -lohnempfänger zur Beratung stehen, und die Beantwortung durch den Herrn Bundesfinanzminister sind ein Beweis mehr dafür, daß die Regierung Adenauer, wenn es sich um die Belange der notleidenden Schichten unseres Volkes handelt, es mit ihren Versprechungen aus der vergangenen Zeit nicht allzu ernst nimmt. Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat sein Versprechen vom 19. Januar dieses Jahres nicht gehalten. Er hat in der Sitzung des Haushaltsausschusses am 4. Januar 1950 tatsächlich ein Versprechen gegeben. Ich zitiere das Protokoll. Es heißt dort wörtlich:
Bundesfinanzminister Schäffer weist darauf
hin, daß man den Antrag der KPD nicht in
einer gesonderten gesetzlichen Regelung erledigen kann, sondern daß die Frage der sechsprozentigen Gehaltskürzungsverordnung bei der
vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagenen
gesetzlichen Regelung gemäß Art. 131 des
Grundgesetzes, die noch im Laufe des Januar
den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet
werden wird, behandelt werden muß.
({0})
Also bereits im Januar sollte das Hohe Haus als gesetzgebende Körperschaft diesen Gesetzentwurf vorgelegt bekommen. Heute erklärt der Herr Bundesfinanzminister, daß zwar im Januar schon so ein Entwurf erarbeitet worden ist; er liege aber noch bei der Bundesregierung. Die Bundesregierung habe Veranlassung, erst die allgemeine Etatsentwicklung zu überschauen, um dann in Verbindung damit dem Hohen Hause einen solchen Gesetzentwurf zu unterbreiten. Da kann es uns wie mit dem Etat von 1949 gehen, den wir am zweitletzten Tag, nämlich gestern, verabschiedet haben. Wenn das mit dem Etat 1950/51 ebenfalls geschehen sollte, dann haben wir die Aussicht, daß eventuell Ende
({1})
des Jahres ein solcher Gesetzentwurf dem Hause vorliegen wird. Meine politischen Freunde und ich sind sich völlig darüber im klaren, daß die Regierung Adenauer diesem Hohen Hause nie ein Gesetz vorlegen wird, das die berechtigte Forderung auf Gleichstellung der ruhegehaltsberechtigten Flüchtlingsbeamten, -angestellten und -lohnempfänger mit den einheimischen Versorgungsberechtigten erfüllen wird.
Finanzminister Dr. Schäffer hat selbst davon gesprochen, daß er nur Steuereinnahmen in Höhe von 9,2 Milliarden zur Verfügung habe. Er hat weiter davon gesprochen, daß die Hälfte dieser Steuereinnahmen bereits allein für Besatzungskosten auszugeben sind. Wir sagen: Statt einer Politik der Senkung und Beseitigung der Besatzungskosten betreibt die Adenauer-Regierung nach den Äußerungen, die man wiederholt in der Presse lesen konnte, eine Politik der Beibehaltung der Besatzung auf viele Jahrzehnte hinaus. Das bedeutet, daß die Bevölkerung Westdeutschlands auf Jahrzehnte mit 4,5 Milliarden im Jahr belastet sein wird.
({2})
- Das hat mit dem Osten gar nichts zu tun.
({3})
Wir haben zu der Politik einer Regierung Stellung zu nehmen, die für Westdeutschland verantwortlich ist.
({4})
- Wir sind jederzeit bereit, mit Ihnen auch darüber zu diskutieren, was für eine Politik in der Deutschen Demokratischen Republik betrieben wird.
({5})
Die Folge der Finanzpolitik der Adenauer-Regierung muß sein, daß den sozialen Belangen jener Gruppen, zu denen wir heute hier Stellung zu nehmen haben, in keiner Weise auch nur einigermaßen Rechnung getragen wird.
Der Herr Finanzminister hat bereits bei der Behandlung eines Antrags meiner Fraktion auf Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzungsverordnung vom Dezember 1930 angekündigt, daß er den Beamten durch Gehaltsabzüge neue Lasten auferlegen will. Wenn der Herr Finanzminister heute morgen Gelegenheit genommen hat, einen Zwischenruf meines Parteifreundes Renner umzudrehen, als sei es ein Gedanke von uns, die Gehälter der Beamten zu kürzen, so war das eine sehr merkwürdige Art und Weise, in diesem Hohen Hause vorzugehen. Denn, Herr Finanzminister, ich bin auch hier in der Lage, ein Protokoll des Finanzausschusses vom 11. 11. 1949 heranzuziehen und Sie selber zu zitieren. In diesem Ausschuß haben Sie in Verbindung mit der Stellungnahme zur sechsprozentigen Gehaltskürzung folgendes gesagt:
Durch die Aufrechterhaltung der Kürzung könne ein innerer Lastenausgleich unter der Beamtenschaft vollzogen werden, indem die heute in Brot stehenden zugunsten der unschuldig verdrängten Beamten auf die Aufhebung der Gehaltskürzung verzichten. Es wäre besser gewesen, hätten auch die Länder bei der Aufhebung dieser Verordnung an diesen inneren Zusammenhang gedacht.
({6})
Er beabsichtige, den Gesetzentwurf für die verdrängten Beamten mit der Frage der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung zu verbinden, um in einem Wurf sowohl für verdrängte wie für die in Brot stehenden Beamten eine Neuregelung zu treffen. Er bitte, ihm deshalb Zeit zu lassen.
({7})
Das war im November vergangenen Jahres. Heute stehen wir am letzten Tag des Monats März dieses Jahres; es sind also immerhin fast vier Monate vergangen. Das Gesetz ist zwar angekündigt; wann wir es aber bekommen, steht noch völlig aus.
Der Herr Finanzminister will also eine Notgemeinschaft, und er will einen Teil der Beamten zugunsten eines anderen Teils neu belasten. Wir Kommunisten lehnen eine Regelung der Versorgungsbezüge für die Flüchtlingsbeamten, -angestellten und -lohnempfänger auf Kosten ihrer Berufskollegen ab. Mit dieser unserer Auffassung befinden wir uns in völliger Übereinstimmung sowohl mit dem betroffenen Kreis wie auch mit dessen Interessenvertretung, dem Deutschen Gewerkschaftsbund.
Meine Damen und Herren! Die Regierung und die hinter ihr stehenden Parteien haben den verdrängten Beamten, Angestellten und Lohnempfängern besonders während des Wahlkampfs große Versprechungen gemacht. Diese Parteien haben es der Öffentlichkeit gegenüber jetzt auch zu verantworten, wenn ihre Regierung die gemachten Versprechungen nicht einhält.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Campe.
({0})
- Meine Herren, ich glaube, das überschreitet das zulässige Maß des Parlamentarischen erheblich. Es scheint sich aber auszugleichen und damit erledigt zu sein.
Bitte, Herr Abgeordneter von Campe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus Anlaß der Haushaltsdebatte hatte ich bereits die Ehre, Ihnen im Namen meiner Fraktion unseren grundsätzlichen Standpunkt zu dem heute auf der Tagesordnung stehenden Problem darzulegen. Ich habe Ihnen gesagt, daß wir schon seit längerem den Zustand, in dem sich die verdrängten und vertriebenen Pensionisten und Beamten befinden, als eine Katastrophe ansehen. Ich habe ausführen können, daß wir bereit sind, alles zu tun, um hier eine Rechtslage zu schaffen, die diese entrechteten Menschen nach fünfjährigem Warten endlich wieder in den Genuß ihrer Rechte, die sie heute auch noch haben, setzen würde.
Meine Damen und Herren, die Antwort, die die Bundesregierung durch den Mund des Herrn Bundesfinanzministers auf die Interpellationen, denen sich fast alle Fraktionen angeschlossen haben, gegeben hat, finden wir nicht befriedigend. Die verzweifelten Anstrengungen, die der Bundestag und alle Fraktionen in den vergangenen Monaten gemacht haben, um diese festgefahrene Maschinerie irgendwie wieder in Gang zu bringen, sind nunmehr wieder einmal, wie mir scheint, an einem toten Punkt angekommen.
({0})
({1})
U Denn worum hat es sich heute bei all diesen Fragen gehandelt? Das Entscheidende ist nach unserer Auffassung die Klärung der Rechtsfrage, und ich muß ehrlich gestanden sagen: mit einem Zahlenmenü lasse ich mich nicht abspeisen! Wir wissen, daß wir den Krieg verloren haben; wir wissen, daß wir unseren Verpflichtungen nicht nachkommen können; wir wissen, daß wir sie nachher konkursmäßig irgendwie applanieren müssen. Das ist uns klar. Aber was wir heute wissen wollen, das ist: haben diese Menschen ein Recht, und wird man dem Recht des Art. 131 des Grundgesetzes nun endlich Folge geben oder nicht?
({2})
Da stehen wir in unserer Partei in allen Dingen, in der Entnazifizierung wie in allen grundsätzlichen Fragen, die zum Aufbau dieses Staates gehören, auf dem Standpunkt: Es darf nicht zweierlei Recht geben!
({3})
Wir wollen nicht Menschen zweierlei Rechts haben. Wir wollen den entrechteten vertriebenen Beamten geben, was ihnen nach Art. 131 wirklich zusteht; denn. meine Damen und Herren; nach den bisherigen Entscheidungen der höchsten Gerichte und nach den wissenschaftlichen Gutachten ist kein Zweifel darüber, daß der Art. 131 nicht etwa eine konstitutive Bedeutung hat, sondern daß er nur deklaratorisch die alten Rechte erklärt und nicht etwa beschneidet; lediglich durch den letzten Satz ,des Artikels sind sie im Augenblick sozusagen zur Ruhe gesetzt, bis das neue Gesetz kommt. Infolgedessen haben wir eine Erklärung über die Rechtslage all dieser Menschen erwartet, und ich würde es begrüßen, wenn es möglich wäre, zu dieser Frage heute noch eine klare Stellungnahme der Regierung zu bekommen.
Ich komme nun noch kurz auf die Frage des Gesetzentwurfs. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns gesagt, daß sein Entwurf zunächst ad acta gelegt sei. Er scheint jedenfalls sehr sanft zu ruhen. Aber wenn wir im Beamtenausschuß recht informiert sind, gibt es ja noch einen ändern Entwurf der Bundesregierung, der demnächst fertig wird oder schon fertig ist. Ich darf mir die Frage erlauben, in welchem Verhältnis diese beiden Entwürfe zueinander stehen und ob wir Aussicht haben, daß wir nun endlich einmal einen klaren, die Rechtslage aller dieser Menschen wirklich offenlegenden Gesetzentwurf bekommen, so daß wir dann im Laufe des April an die Arbeit gehen können.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krause.
Meine Damen und Herren! Die Frage, die hier zur Debatte steht, ist keine Angelegenheit von Parteien und Fraktionen, sondern eine der zukunftentscheidenden Fragen für unsere junge westdeutsche Bundesrepublik. Die Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers haben uns nicht überrascht; denn sie sagen praktisch nicht mehr und nicht weniger als das, was Herr Bundesminister Schäffer auf unsere Anfrage, die Sie auf der Drucksache Nr. 647 vorfinden, in der Drucksache Nr. 736 geantwortet hat. Wir bedauern, daß er die 5 Fragen, die in der erwähnten Drucksache gestellt sind, nicht beantwortet hat, und erklären hiermit, daß wir uns mit der Antwort des Herrn Bundesfinanzministers nicht zufrieden geben können.
Die Frage der Rechtsgleichheit der ostvertriebenen Beamten und Wartegeldempfänger ist hier
schon des öfteren aufgeworfen worden. Ich stehe
nun mal auf dem Standpunkt, daß diese Frage so
klar ist, daß man sie an dieser Stelle nicht erst noch
weiter zu erörtern braucht. Ich darf Sie nur an
Art. 3, Art. 20, Art. 33 Ziffer 4 und 5 und an Art. 134
des Grundgesetzes erinnern. Man muß sich tatsächlich eben nur wundern, daß die ostvertriebenen
Beamten, Pensionäre und Wartegeldempfänger bisher soviel Disziplin bewahrt und nicht dazu beigetragen haben, daß aus dem Rechtsstaat ein Linksstaat geworden ist. Das ist auch zu bewundern!
({0})
Am 15. März dieses Jahres nun hat eine Abordnung ostvertriebener Beamten dem Beamtenrechtsausschuß des Bundestages die Lage dargelegt, und
ich darf mir vom Herrn Präsidenten die Erlaubnis
erbitten, die Ausführungen, die der Vorsitzende dieser Organisation dort in einem längeren Referat
gemacht hat, hier auszugsweise wiederzugeben.
Besonders interessant war dabei folgendes:
Die Not wächst täglich. Was der einzelne Beamte noch an Kleidung, Wäsche und anderen Werten aus der Heimat mitgebracht hat, ist größtenteils verbraucht oder auch verkauft. Die Selbstmorde haben den Stand von zirka 30 im Monat erreicht. Am erschütterndsten sind die Fälle der älteren, aber noch nicht in den Bezug von Pensionsvorschüssen gelangten Beamten, die sichentschließen, aus dem Leben zu gehen, nur um Frau und Kindern die kärglichen Hinterbliebenenbezüge zu verschaffen. Die Bezüge für Pensionäre sind trotz gleichen Rechtsanspruchs völlig ungleich. Nordrhein-Westfalen und neuerdings Bremen, ferner Post und Eisenbahn haben die Angleichung an die einheimischen Versorgungsempfänger vollzogen. Von den übrigen Ländern zahlen Württemberg-Baden 50% bis zum Höchstbetrag von 250 DM, Hessen bis 100 DM voll, darüber zwei Drittel, aber nur höchstens 300 DM, -Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hamburg je 100 DM voll, darüber die Hälfte, aber auch nur bis 300 DM; Bayern nur bei Bedürftigkeit 100 DM voll, darüber 50% bis höchstens 200 DM, Einzelpersonen 120 DM; Beamte, die früher im bayerischen Landesdienst standen, erhalten die volle Pension. Wartegeld wird überhaupt nirgends gezahlt.
Das sind Zahlen, meine Damen und Herren, die ruhig einmal in der breitesten Öffentlichkeit des Bundesgebiets bekanntwerden sollten.
Und nun ein Wort zu dem Antrag Drucksache Nr. 810! Der Antrag verlangt die Bereitstellung von vorerst 35 Millionen DM. Wir von der Zentrumsfraktion stimmen diesem Antrag unter zwei Voraussetzungen zu. Die erste ist die, daß dieser Antrag heute ohne vorherige Überweisung an einen Ausschuß sofort angenommen wird; denn die Not ist tatsächlich so groß geworden, daß wir uns auf irgendeine Verschleppung der Sache durch Überweisung an Ausschüsse gar nicht erst einlassen können. Zweitens würden wir es begrüßen, wenn 20 Millionen DM davon nur an ostvertriebene Pensionäre und Wartegeldempfangsberechtigte abgezweigt werden würden. In dem Zusammenhang erwarten wir, daß die Bundesregierung bei der Verwirklichung dieses Antrages im Sinne der Forderung von Ziffer 2 unserer Anfrage Nr. 58 - Drucksache Nr. 647 - vom 1. März 1950 endlich einmal im Wege einer Verordnung gemäß Art. 119 des
({1})
Grundgesetzes vorläufige Notmaßnahmen trifft, damit allen heimatvertriebenen Behördenbediensteten auf ihre Forderung an Gehalt, Wartegeld, Ruhegehalt und Hinterbliebenenbezüge Vorschüsse ausgezahlt werden können, um wenigstens die größte Not unter diesen verzweifelten Menschen zu lindern. Ich darf auch daran erinnern, daß wir unseren grundsätzlichen Standpunkt zur Frage des Wartegeldes bereits gelegentlich der Debatte über die Arbeitslosigkeit eindeutig zum Ausdruck gebracht haben.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch folgendes Prinzipielle sagen: Die Frage, wann nun eigentlich und in welcher Weise die Angelegenheit der Pensionen und Wartegeldbezüge für die ostvertriebenen Empfangsberechtigten geregelt wird, ist nicht nur für die Behördenbediensteten aus Ostdeutschland allein von besonderer Wichtigkeit, sondern hier handelt es sich auch tatsächlich um ein Problem, bei dem sich die Vertriebenenpolitik der Bundesregierung überhaupt zum ersten Mal praktisch zu bewähren hat. Von der Lösung dieses Problems wird es abhängen, ob die Heimatvertriebenen zu der derzeitigen Bundesregierung noch Vertrauen haben können oder nicht. Wir meinen, daß es der Regierung selber nicht gleichgültig sein kann und sein darf, welche Stellung die im Bundesgebiet lebenden acht Millionen Heimatberaubten ihr gegenüber in Zukunft beziehen werden.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Fröhlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Jahre 1945 sind die Länder und die westdeutsche Bundesrepublik bemüht, die Millionen Heimatvertriebenen soweit als irgend möglich in das Wirtschaftsleben einzugliedern. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß von allen Ländern in dieser Beziehung größte Fortschritte gemacht worden sind. Wenn wir aber heute einen Strich unter diese Rechnung ziehen und uns fragen, ob nun tatsächlich etwas Handfestes, etwas wirklich Endgültiges geschehen ist, was die Heimatvertriebenen leidlich zufriedenstellen könnte, so müssen wir sagen: nein. Es ist Tatsache, daß die Kluft, die zwischen den Einheimischen und den Heimatvertriebenen nun einmal entstanden ist, im Laufe der Jahre nicht kleiner, sondern immer größer geworden ist. Wir müssen draußen immer wieder die Erfahrung machen, daß Tag für Tag der Vorwurf erhoben wird, vor allen Dingen gegenüber den Vertretern der Heimatvertriebenen, diese Kluft werde gerade durch unsere Tätigkeit immer größer und größer.
Dieser Entwicklung muß mit aller Schärfe entgegengetreten werden. Die Kluft ist tatsächlich nur deshalb da, weil die einen in der Zeit nach 1945 ärmer und ärmer geworden sind, die anderen aber in dieser Zeit zum Teil ihren Reichtum ins Unermeßliche steigern konnten. Meine Damen und Herren, denken Sie hier an die Währungsreform. Es gibt keinen Heimatvertriebenen, der diese unsoziale Währungsreform verstehen kann. Der eine Teil der Bevölkerung hat doch wenigstens etwas, wenn auch nur wenig, von seinen Ersparnissen ersetzt bekommen. Die Heimatvertriebenen haben dagegen bis zum heutigen Tag ihre Sparbücher in den Kästen liegen und nicht das Geringste bekommen. Sie haben also nichts gehabt, was sie in dieser Notzeit zusetzen konnten. Wenn nun nicht endlich von der Regierung die Gleichberechtigung der heimatvertriebenen Beamten, Pensionäre und Gehaltsempfänger durchgeführt wird, kann ich Ihnen nur mitteilen, daß die sehr bittere Enttäuschung der Heimatvertriebenen hierüber nur noch wachsen wird. Durch die unerhörte Not und Verzweiflung findet gerade bei diesen Menschen der Radikalismus einen besonders günstigen Boden. Wenn es uns bisher gelungen ist, diese Heimatvertriebenen mit guten Reden und Versprechungen bei der Stange zu halten, so darf uns das nicht davon abhalten, bald etwas Gründliches zu tun, denn sonst würden diese Menschen langsam aber sicher das Gefälle nach dem Osten bekommen. Das muß verhindert werden, aber wie gesagt, das ist nicht mit Worten, sondern nur noch mit Taten zu verhindern.
Ich möchte deshalb die Bundesregierung mit allem Nachdruck ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß die Rechtsverhältnisse der heimatvertriebenen Beamten geklärt werden, damit diese Menschen endlich einmal wieder gleichberechtigt werden.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ehren, und zwar für 5 Minuten aus Redezeitresten, die andere Fraktionen übriggelassen haben.
({0})
Meine Damen und Herren! Selbstverständlich geht die Frage der Gleichberechtigung der ostdeutschen Beamten und Ruhegehaltsempfänger uns alle an. Sie kann nur vom Standpunkte des Rechtes aus gelöst werden. Aber wir sollten diese Frage unter keinen Umständen zu einer parteipolitischen machen, sollten auch nicht immer wieder so laut sagen: die Regierung hat dieses und jenes unterlassen, oder gar sagen, es sei nichts geschehen.
Wenn ich zum Beispiel den Herrn Kollegen Stech fragen würde: Was ist denn in Schleswig-Holstein auf diesem Gebiete geschehen?, dann müßte er sagen: Nichts, nichts und noch einmal nichts.
({0})
- Jetzt passen Sie einmal auf!
({1})
- Hören Sie doch einmal zu, ich werde Ihnen jetzt gerecht werden. Wenn Sie nun fragen: Weshalb ist da nichts geschehen?, dann müßte ich selbstverständlich mit Ihnen sagen: Weil kein Geld vorhanden ist! Deshalb konnte die sozialdemokratische Regierung von Schleswig-Holstein den ostvertriebenen Beamten nicht die vollen Gehälter zahlen. Das stimmt doch? Wollen Sie dann nicht auch zugeben, daß der Bund ja erst ab 1. April auf dem Gebiete der Finanzen souverän wird?
({2})
Wollen wir nicht darüber hinaus auch zugeben, daß von den Ländern gerade für die ostvertriebenen Beamten manches getan worden ist und daß gerade die ostvertriebenen Beamten das anerkennen? Wir haben gar keine Ursache, das nicht zu tun, denn ob wir nun in den Länderparlamenten oder hier im Bundestag sitzen, die Verantwortung tragen wir gemeinsam.
({3})
Wir wollen uns da also nicht schlechter machen, als wir sind.
Tatsache ist zum Beispiel, daß der Anteil der Ostvertriebenen an der Bevölkerung in NordrheinWestfalen rund 8% beträgt. Tatsache ist aber weiter, daß die ostvertriebenen Beamten im Justiz({4})
dienst des Landes Nordrhein-Westfalen mehr als 22% der Beamten ausmachen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen kaum einen ostvertriebenen Lehrer, der noch erwerbslos ist.
({5}) Auf protestantischer Seite sieht es schlechter aus, das gebe ich zu.
({6})
- Ja, dort sind nicht soviele evangelische Lehrer angestellt worden, weil Nordrhein-Westfalen in der Hauptsache katholisch ist. Das ist eine ganz einfache Klärung.
({7})
Das ist doch eine Tatsache, die man nicht bestreiten kann.
({8})
- Selbstverständlich gibt es ein Grundgesetz, nur haben Sie das bisher nie anerkannt. Nur wenn Sie radikale Reden .halten sprechen Sie vorn Grundgesetz!
({9})
Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle sollten uns aus ehrlichem Herzen bemühen, das Ostvertriebenen-Problem zu lösen. Wir wollen daran denken, daß wir vom Rechtsstandpunkt aus die Pflicht haben, hier zu helfen. Wir wollen aber die ganze Frage nicht in ein parteipolitisches Gezänk ausarten lassen!
({10})
Herr Abgeordneter Dr. Nowack hat das Wort. - 15 Minuten!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man die heute zur Diskussion stehenden Anträge liest, so kann man, glaube ich, feststellen, daß man sich in bezug auf die heimatvertriebenen Beamten bei allen Parteien des Hauses ziemlich einig ist über das, was da zu geschehen hat. Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß der Antrag Drucksache Nr. 726 mit dem, was er fordert, über den Kreis der Heimatvertriebenen hinausgeht und das Gesamtproblem des Artikels 131 des Grundgesetzes anschneidet.
Zu diesem Gesamtproblem möchte ich sprechen. Wie gesagt, über die Frage der Behandlung der Vertriebenen sind wir uns im Grunde genommen einig. Aber das ist nur ein Teilproblem der Lösung, die der Artikel 131 vorschreibt. Wir müssen darauf dringen, daß wir die Gesetzgebung zu Artikel 131 in ihrer Gesamtheit fertigstellen und nicht nur Einzellösungen herbeiführen, die dann wieder in den Kreisen, denen nicht geholfen wird oder deren Rechtsverhältnisse nicht geregelt werden, mit Recht als erneutes Unrecht aufgefaßt werden und erneute Unruhe hervorrufen. Wir alle stimmen darin überein - darüber kann kein Zweifel sein -, daß es sehr bedauerlich ist, wenn die Regierung bis heute noch keine Gesetze zu Artikel 131 vorgelegt hat.
Der Artikel 131 ist in seiner ganzen Konstruktion darauf abgestellt, daß diese Gesetzgebung schnell erfolgen soll. Wäre es anders, so wäre sein letzter Satz nicht verständlich und auch nicht vertretbar. Es fragt sich heute: wann ist überhaupt mit einer Fertigstellung dieser Gesetzgebung zu rechnen?
Bisher haben wir von der Regierung noch keine exakte Antwort bekommen, wann sie uns den Entwurf nun wirklich vorlegen will, damit wir ihn in den verschiedenen Ausschüssen überarbeiten und beraten können. Jedenfalls wird aber noch die Zeit von einigen Monaten vergehen, ehe diese Gesetzgebung abgeschlossen sein wird.
Nun lassen Sie mich bitte einiges zu der Rechtslage sagen. Zuerst eine Feststellung: Der Versuch, die rechtlichen und die finanziellen Verhältnisse miteinander zu koppeln, muß vollkommen abgelehnt werden. Zunächst muß die Rechtsfrage geklärt werden. Diese Rechtsfrage kann geklärt werden einmal aus dem Art. 131 selbst, zum andern aber auch aus der Entstehungsgeschichte dieses Artikels. Der Art. 131 spricht in seinem ersten Satz selbst von Rechts verhältnissen. Im letzten Satz aber spricht er von Rechtsansprüchen, in jenem Satz nämlich, in dem es heißt, daß die gerichtliche Ausklagung dieser Rechtsansprüche vorläufig unterbunden sein soll. Schon hieraus kann man entnehmen, daß die Rechtsansprüche selbst durch den Art. 131 anerkannt worden sind.
Die Entstehungsgeschichte dieses Artikels läßt aber keinerlei Zweifel darüber, daß für den Personenkreis, der unter den Art. 131 fallt, der Anspruch auf diese Rechte besteht. lm Parlamentarischen Rat hat seinerseit aer Abgeordnete Zinn, der ja auch hier unser Kollege ist, einen Antrag eingebracht, der vorsah, daß die Rechte :erloschen sein sollten. Dieser Antrag ist wiederholt - im Hauptausschuß, im Organisationsausschuß, im interfraktionellen Ausschuß und im Plenum - behandelt und jedesmal abgelehnt worden. Damit haben die Gesetzgeber, die Vater des Grundgesetzes, klar zum Ausdruck gebracht, daß sie die Rechtsanspruche aufrechterhalten wissen wollen. Man kann also diese Rechtsansprüche nicht negieren, man kann sie nur, wie es eben Art. 131 vorschreibt, regeln. - Soviel zur rechtlichen Seite.
Nun die finanzielle Frage. Da hat der Herr Bundesfinanzminister mit schwerem Milliardengeschutz auf uns losgeschossen. Aber ich glaube, er nat uns hier eine Hochstrechnung aufgemacht, die sich erheblich vermindern wird, wenn man sie einmal mit dem Rotstift korrigiert.
({0})
Der Herr Finanzminister muß bereits jetzt, ab 1. April, einen Betrag von etwas über 400 Millionen DM ausgeben infolge des Übergangs der Verpflichtungen, die bisher die Länger gehabt haben, auf die Bundeskasse. Ein großer Teil der Gelder für die fruheren Wehrmachtsangehörigen, deren Gesamthohe der Herr Bundesfinanzminister mit 565 Millionen DM angegeben hat, wird dadurch entfallen, daß die Wehrmachtsangehörigen mit den entsprechenden Zivilbeamten gleichgestellt werden können. Damit wurde sich der Betrag von 565 Millionen auf 390 Millionen ermäßigen.
Ebenfalls nicht in Rechnung gestellt hat der Herr Finanzminister die öffentlichen Mittel, die auch jetzt schon aufgebracht werden müssen aus den verschiedensten Quellen, sei es Arbeitslosenunterstützung, sei es Wohlfahrtsunterstützung, seien es Beihilfen aus der Soforthilfe oder sonstigen öffentlichen Quellen Alle diese Mittel sind bei der Milliardenrechnung des Herrn Finanzministers nicht in Ansatz gebracht worden. ich glaube, daß der zusätzliche Bedarf über das hinaus, was von der öffentlichen Hand heute schon ausgegeben wird und ausgegeben werden muß, im Höchstfall nur etwa 300 Millionen betragen wird. Das ist eine Summe, über
({1})
deren Aufbringung man sich wahrscheinlich auch einigen und für deren Aufbringung man wohl auch geeignete Wege finden können wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben den Wunsch, daß die Gesetzgebung zu Art. 131 so schnell als möglich fertiggestellt wird. Wir sind der Überzeugung, daß man den Schlußsatz des Art. 131 auf die Dauer nicht aufrechterhalten kann, weil man damit einem großen Personenkreis eine Rechtsminderung auferlegen würde. Eine solche Rechtsminderung aber, zusätzlich zu der ohnehin starken Beeinträchtigung des Rechtes, der dieser Personenkreis jetzt schon seit Jahren ausgesetzt ist, ist nicht erträglich.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Falkner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen. Der Beamtenrechtsausschuß hat am 11. November 1949 mit Drucksache Nr. 216 dem Bundestag einen Antrag vorgelegt, die Bundesregierung möge den Entwurf eines Gesetzes vorlegen,
das die Rechtsverhältnisse und Versorgungsansprüche des unter Artikel 131 GG. fallenden
Personenkreises, insbesondere der Flüchtlingsbeamten, der ehemaligen Berufssoldaten und
der Entnazifizierten in einer Weise bundeseinheitlich regelt, die dem Grundsatz staatsbürgerlicher Gleichberechtigung Rechnung trägt. Das war am 11. November. Am 2. Dezember wurde hier vom Bundestag der bekannte Beschluß gefaßt, die Gleichberechtigung der heimatvertriebenen öffentlichen Bediensteten zu verwirklichen. Am 19. Januar wurde durch den Herrn Bundesfinanzminister die Erklärung abgegeben, daß der Gesetzentwurf über die Regelung der Rechtsverhältnisse der ausgeschiedenen öffentlichen Bediensteten bereits in seinem Hause ausgearbeitet sei und ihm, dem Finanzminister, übermorgen, am Samstag, in Reinschrift zugehen werde; er könne dann im Kabinett in der nächsten Woche beraten werden und in der übernächsten Woche den gesetzgebenden Körperschaften zugehen.
Ich muß Ihnen erklären, daß sich meine Fraktion mit der Beantwortung der Interpellation durch den Herrn Bundesfinanzminister nicht zufriedengeben kann. Meine Fraktion wird deshalb, nachdem wir Kenntnis davon haben, daß das Bundesinnenministerium einen Referentenentwurf zur Regelung der Rechtsverhältnisse nach Art. 131 des Grundgesetzes fertiggestellt hat, einen Antrag einbringen, die Bundesregierung zu ersuchen, einen Gesetzentwurf zur Regelung der Rechtsverhältnisse nach Art. 131 des Grundgesetzes bis 1. Mai 1950 dem Bundestag vorzulegen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, die Aussprache ist damit geschlossen. Es liegt lediglich vor Drucksache Nr. 810, Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und BP. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. -- Mit überwältigender Mehrheit angenommen. -- Damit, meine Damen und Herren, sind die Interpellationen zu den Punkten 5, 6 und 7 der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nun zu Punkt 8 der Tagesordnung: Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ({0}).
Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Stegner.
Stegner ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Antrag des Ausschusses für Wirtschaftspolitik hat bereits in einer der vorigen Plenarsitzungen Herz Kollege Schröder einen umfangreichen Bericht erstattet, so daß es sich für mich heute erübrigt, dem Hohen Hause einen neuen Bericht zu geben. Die sozialdemokratische Fraktion hat damals gewünscht, daß bei der Generaldebatte der Herr Bundeswirtschaftsminister anwesend sein möge. Das war der Grund, weshalb der Punkt nach erfolgter Berichterstattung vertagt wurde. Wie ich sehe, ist der Herr Bundeswirtschaftsminister im Augenblick auch nicht anwesend.
({2})
Nach dem damaligen Antrag würde aber die Anwesenheit des Herrn Bundeswirtschaftsministers bei der Generaldebatte notwendig sein.
({3})
Ich selbst habe dem nichts weiter hinzuzufügen. Es wird an dem Herrn Präsidenten liegen, dafür zu sorgen, -- -({4})
-- Verzeihung, dann ist die Angelegenheit erledigt. Wir können dann in die Generaldebatte über den bereits erstatteten Bericht eintreten.
Meine Damen und Herren! Für die Aussprache zu Punkt 8 hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten festgesetzt. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Einbringung des Antrags hat der Sprecher, Herr Minister Nölting, wieder Angriffe gegen die Regierung gerichtet und zum Ausdruck gebracht, daß man befürchten müsse, die Art der Behandlung dieses Gesetzes durch die Bundesregierung würde größte Gefahren hervorrufen, die darin liegen, daß wir unter Umständen durch die amerikanische Militärregierung oder durch die Hohen Kommissare vor vollendete Tatsachen gestellt werden könnten, die uns unbequem sind und die mindestens nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft und der deutschen Öffentlichkeit liegen. Ich kann - abgesehen davon, daß Herr Minister Nölting ja völlig über die Bemühungen und über die Arbeiten des Bundeswirtschaftsministeriums auf diesem Felde unterrichtet ist -dazu nur immer wieder sagen, daß wir alle Anstrengungen unternehmen und es an nichts fehlen lassen, um in engster Zusammenarbeit mit unseren Partnern auf der alliierten Seite zu einer Lösung zu kommen, die den deutschen Interessen in jeder Weise gerecht wird. Die Debatte ist also eigentlich überflüssig, ehe sie nicht festere Formen annehmen kann.
({0})
Es kann auch nicht die Rede davon sein, daß etwa bewußt von seiten des Bundeswirtschaftsministeriums eine Verzögerungstaktik getrieben wird. Im Gegenteil, ich habe meine eigene Meinung dahin sehr bewußt deutlich gemacht, daß mir an diesem Gesetz vor allen anderen liegt. weil ich dieses Gesetz mit als ein Kernstück der sozialen Marktwirtschaft betrachte. Es ist also auch durchaus nicht so, daß uns eine Debatte über das sogenannte Kartellgesetz unbequem oder un. gelegen käme oder unwillkommen wäre. Nein, ich bin bereit, mich jeden Tag auch hier vor dem Bundestag über das Gesetz und seinen Fortgang zu unterhalten. Aber es ist ein Gesetz von so ungeheurer Tragweite, daß auch früher schon Parlamente sich mit solchen Gesetzen jahrelang befaßt haben. Es ist also durchaus nichts Ungewöhnliches und spricht nicht für ein schuldhaftes Versäumen des Bundesministers, wenn diese Dinge heute noch nicht die letzte Form gefunden haben. Es ist auch nachträglich noch einmal festzustellen, daß die Dekartellisierung zu den Vorbehaltsbereichen der Hohen Kommissare gehört. Aber unabhängig davon bemühen wir uns in der ernstesten Weise darum - ich habe über diesen Gegenstand im Augenblick jede Woche Besprechungen, die auch von Sachverständigen in Details weitergeführt werden - um das für die deutsche Wirtschaft herauszuholen, was unbedingt notwendig ist.
Ich habe also auch kein Verständnis dafür daß dieses Gesetz, an dem alle - und jedenfalls die hervorragendsten Sachverständigen, die wir auf deutscher Seite finden konnten - mitgearbeitet haben, als ein „wirklichkeitsfremdes Elaborat" bezeichnet wird. Diese Bezeichnung hat es von Herrn Kollegen Nölting deshalb gefunden. weil als Grundsatz zunächst ein absolutes Monopolverbot ausgesprochen ist, während von seiten der Sozialdemokratischen Partei offenbar die Meinung vertreten wird. daß öffentlichrechtliche oder gemeinschaftlich gesteuerte Kartelle nicht den Charakter eines Monopols tragen und deshalb aus der Monopolgesetzgebung ausgeschaltet werden sollten. Hier bin ich allerdings grundsätzlich anderer Meinung. Ich bin der Auffassung. daß die staatlich, die öffentlich-rechtlichen und die sogenannten gemeinschaftlich gesteuerten Kartelle, Marktabreden und Machtpositionen ebensosehr wie die privatwirtschaftlichen Abmachungen unter das Antikartellgesetz gehören.
({1})
Denn ich kann mir nicht vorstellen, daß es einen
süßen Trost für den Verbraucher bedeutet, wenn
er anstatt privatwirtschaftlich durch die öffentlich-rechtlichen Einrichtungen ausgebeutet wird.
Die Gefahr von dieser Seite ist mindestens genau so groß, ja ich möchte sagen: noch größer;
({2})
denn kein privatwirtschaftliches Monopol - das
es bekanntlich nur äußerst selten in der Wirtschaft gibt - kann so geschlossen sein wie ein
öffentlich-rechtliches Monopol. Aber wir wollen
den Gegensatz nicht noch durch die Frage, wo
die größeren Gefahren liegen, vertiefen. Auf
alle Fälle ist das sicher, daß die öffentlich-rechtlichen und gemeinwirtschaftlichen Marktabreden
und Monopolstellungen ebensosehr unter die Dekartellisierung fallen sollen und fallen müssen
wie die privatwirtschaftlichen Positionen. Hier
scheint ein wirklich ernster Gegensatz zu klaffen. Aber meine Meinung - und ich glaube, hier sagen zu können, auch die der Regierung - ist völlig eindeutig.
Wenn im übrigen hier gesagt wird, daß es in den Ländern - vor allen Dingen auch bei der Regierung von Nordrhein-Westfalen - nicht üblich sei, die Dinge einmal auf der Kabinettsebene und zum anderen wieder auf der Referentenebene zu behandeln, dann möchte ich ausführen dürfen, wie der Ablauf der Ereignisse gewesen ist.
Bevor dieses Kartellgesetz auf der interministeriellen Ebene zur näheren Abklärung kam, habe ich im Kabinett die Grundsätze dieses Gesetzes und die der Dekartellisierung vorgetragen, und ich habe damit die volle Billigung der Regierung, d. h. des gesamten Kabinetts gefunden. Auf dieser Grundlage, die erst einmal Grundsätze und Richtlinien zum Gegenstand hatte, ist dann das Kartellgesetz auf die interministerielle Ebene verwiesen worden. In der weiteren Behandlung hat sich dann auch im einzelnen in bezug auf die rechtlichen Institutionen wie zum Beispiel die „Monopolkommission" gezeigt, daß gewisse Änderungen erforderlich werden, über die Herr Kollege Nölting ebenfalls unterrichtet war.
Ich stelle also noch einmal fest, daß in dieser Phase der Entwicklung eine Notwendigkeit zu einer Diskussion nicht vorliegt, denn das Wollen der Regierung ist hier völlig klar. Die endgültige Form kann das Gesetz in diesem Stadium noch nicht gefunden haben. Es ist aber der Regierung nicht unbequem und ungelegen, darüber zu sprechen. Ich unterhalte mich jede Woche über diesen Gegenstand, wenn es hier gewünscht werden sollte.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Nölting.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Wirtschaftsminister sagte gerade, die Notwendigkeit einer Diskussion liege nicht vor. Aber dringend notwendig erscheint es mir, daß mit diesem nun schon so lange währenden Versteckspiel und Rätselraten um dieses Antimonopolgesetz endlich Schluß gemacht wird.
({0})
Wir haben ja diese ganze Diskussion nur deshalb neu heraufbeschworen, Herr Wirtschaftsminister, weil Sie uns damals sagten, Ihr Gesetzentwurf sei fertig.
Nun sind mir inzwischen verschiedene Gesetzentwürfe vorgelegt worden. Ich habe hier wieder einen neuen - wir kommen mit der Zahl der Entwürfe allmählich in die höhere Mathematik hinein -: Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Wir möchten ja nur wissen, ob das nun Ihr endgültiger Entwurf ist, zu dem Sie sich bekennen. In dem ersten Entwurf, in den ich Einsicht nehmen konnte, gab es eine Monopolkommission, also eine unabhängige Behörde. In dem neuen Entwurf Ihres Hauses wird nun alles wieder auf den Bundeswirtschaftsminister bzw. auf die Länder({1})
minister zurückverlagert. Diese Monopolkommission soll nur noch in Form eines Beirates und nur noch als Beratungsorgan der Bundesregierung fungieren. Der ganze Entwurf - ich denke an die §§ 1, 5 und 6 - ist auf Generalklauseln abgestellt, so daß es also vollkommen von der Durchführung des Gesetzes abhängt, was dabei herauskommt. Sie wissen aber, Herr Bundeswirtschaftsminister: diese Vertrauensbasis besteht zwischen Ihnen und meiner Fraktion nicht. Auch hat sich der Herr Justizminister, soweit ich weiß, zu der Frage noch immer nicht endgültig geäußert.
So ergibt sich die berechtigte Frage: Nach welchem Verfahren und auf welche Weise soll nun eigentlich die Antimonopolpolitik endgültig durchgeführt werden? Ich glaube, auch der Herr Bundeswirtschaftsminister wird zugeben: nur mit diesem Gesetz ist die Frage nicht zu lösen. Die sozialdemokratische Fraktion erwartet daher, daß Sie nicht nur dieses Gesetz vorlegen, sondern darüber hinaus bindend erklären, wie Sie Ihre Monopolkontrolle praktisch handhaben wollen und wie Sie sich insbesondere - darüber ist eben auch kein Wort gefallen - zu der Frage der Entflechtung und Neuregelung der Verhältnisse in den Grundstoffindustrien stellen. Die Sozialdemokratische Partei möchte keinen Zweifel darüber lassen, daß sie an einer sehr vagen Wettbewerbsregelung weniger interessiert ist ais an einer sinn- und planvollen Kontrolle wirtschaftlicher Macht.
Besonderes Befremden muß natürlich der § 57 dieses Entwurfs erregen, der öffentlich-rechtliche und in Gemeineigentum bzw. in Gemeinwirtschaft übergeführte Unternehmen genau so wie privatkapitalistische Machtballungen behandelt, also alles über einen Kamm schert. Sie bekannten sich auch eben wieder zu dieser Auffassung, die letzten Endes also bedeutet, daß man sich selbst ausbeuten kann. Ich glaube, Herr Bundeswirtschaftsminister, was in einer solchen Vorstellung liegt, das ist nicht nur Sadismus, das ist fast schon Masochismus.
({2})
Zu dem, wie sich die Dinge praktisch ausnehmen, gibt es einen sehr interessanten Vorgang, der sich vor einigen Tagen im Wohnungsausschuß des Bundestags abgespielt hat. Der sozialdemokratische Gesetzentwurf sah vor, daß sich die öffentlichen Bauträger, also Bund, Land, Post, Bahn, laufend zu Konferenzen zusammenfinden sollten, und zwar zu doppeltem Zweck: einmal um Erfahrungsaustausch miteinander zu pflegen, dann um die oberen Beträge ihrer Aufwendungen, die Rechnungs- und Leistungseinheit festzulegen, auf deutsch also, um die Baupreise niedrig zu halten und so etwaigen üblen Nebenerscheinungen des konjunkturellen Auftriebs infolge einer sich günstiger gestaltenden und hoffenlich bald wahrnehmbaren Baukonjunktur entgegenzuwirken. Also meinetwegen, wenn Sie so wollen, ein Abnehmerkartell der öffentlichen Hand, aber doch mit dem einzigen Zweck, die Preise niedrig zu halten. Die Idee war, daß mit den Steuergroschen sparsam umgegangen werden und die größtmögliche Effizienz erreicht werden soll. Damit sollte doch wohl jeder einverstanden sein. In diese Verhandlungen aber platzte ein Sendbote des Herrn Bundeswirtschaftsministers herein, der den Wohnungsausschuß mit der Erklärung überraschte, er müsse darauf aufmerksam machen, daß ein solches Vorhaben unzulässig sei. weil es einen Verstoß gegen die alliierte Kartellgesetzgebung bedeute.
({3})
Wir suchen also, mit den verfügbaren Mitteln möglichst viel zu erreichen, indem wir uns an die untere Preisgrenze herantasten; der Herr Bundeswirtschaftsminister aber stellt eine Verbotstafel auf. Ich gebe gern zu: vielleicht mußten Sie das, Herr Bundeswirtschaftsminister, mit Rücksicht auf die alliierte Kartellgesetzgebung. Aber das ist doch nur ein neues Argument für die Auffassung meiner Freunde, wir sollten nun endlich ein deutsches Gesetz herausbringen; das läßt sich wirklich nicht mehr auf die lange Bank schieben. Denn, Herr Professor Erhard, in Wirklichkeit wuchern die Kartelle weiter und feiern sogar fröhliche Urständ. Ich habe hier einen Bericht aus dem „Handelsblatt" Nr. 37. Da wird geschrieben, daß sich in Luxemburg belgische, luxemburgische und westdeutsche Stahlproduzenten getroffen hätten, weil auf dem Schweizer Markt lebhafte Preisunterbietungen stattfänden; man habe dort darüber gesprochen, wie man diese gegenseitigen Preisunterbietungen in Zukunft vermeiden könne. Also, während Sie es gerne so hinstellen, als ob alles aufgelöst sei, wird dort ein ganz klares Kartell neu begründet.
({4})
- Das ist es ja gerade, nicht in Deutschland, aber, wie ich doch schon sagte, mit deutschen Vertretern, die bei diesen Gesprächen anwesend waren.
({5})
Das sind doch alles Argumente, die, glaube ich, unser Verlangen, daß man nun endlich aus der Nebelwolke heraustritt und daß man nun endlich weiterkommt, wirklich als berechtigt erscheinen lassen. Leider haben Ihre Ausführungen heute, Herr Wirtschaftsminister, gar keinen weiteren Schritt auf diesem Wege angezeigt, und das ist der Grund, weshalb ich sie sehr zu beklagen habe.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Agatz.
Meine Damen und Herren! Von dieser Stelle hier sind seitens der Vertreter der Regierung und auch seitens der Vertreter der Regierungsparteien des öfteren schon hohe Loblieder auf die freie Marktwirtschaft gesungenworden. Wir haben heute anläßlich der Diskussion über den Antrag der SPD die Gelegenheit, die realen Ergebnisse dieser freien Marktwirtschaft noch einmal vor Augen führen zu können: zwei Millionen Arbeitslose, weitere Millionen in bitterster Not, die Arbeiter und Angestellten haben nur 65 % des Realeinkommens von 1936; auf der anderen Seite aber stehen die Nutznießer dieser sogenannten freien Marktwirtschaft, die es verstehen, durch geheime illegale Preisabsprachen dem Konsumenten Millio({0})
nengewinne abzunehmen und in die Tasche zu stecken.
({1})
Wir sind nicht der Meinung, daß von dieser Regierung wirksame Maßnahmen gegen diese Nutznießer ihrer Politik erwartet werden können. Wir sind nicht der Meinung, daß diese Regierung willens und auch fähig ist, aus monopolkapitalistischen Wölfen sozialmarktwirtschaftliche Schafe zu machen.
({2})
Seit nun schon anderthalb Jahren soll ein solches Antimonopolgesetz hier vorgelegt werden. Herr Professor Erhard hat es des öfteren für nötig befunden zu beruhigen. Nun habe ich hier die „Frankfurter Rundschau" vom 15. März 1950. In ihr wird von einer Rede berichtet, die Herr Professor Erhard in Köln gehalten hat und bei der er versichert hat, daß bei der Gestaltung der bevorstehenden Kartellgesetze das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet würde. Und dann weiter: Die deutsche Wirtschaft kann darauf vertrauen, daß wir nichts zerschlagen, was volkswirtschaftlich notwendig ist.
Wir Kommunisten stehen auf dem Standpunkt: dem Kapitalismus und vor- allem diesem skrupellosen Profitstreben kann man nur beikommen, wenn man den Kampf grundsätzlich gegen das ganze System führt. Wir sind der Meinung. man muß den Kampf um die wirtschaftliche Entmachtung des Monopolkapitalismus führen, man muß ihn führen um die Enteignung der Grundstoffindustrien, um die Überführung dieser Industrien in Gemeinbesitz, man muß ihn führen um das Mitbestimmungsrecht.
({3})
Wenn man versucht, den Kapitalismus zu organisieren - und dieser Versuch wird zweifellos gemacht, wenn auch von „freier Marktwirtschaft" gesprochen wird -, dann bewirkt man zwangsläufig nichts anderes als die Wiederherstellung und Festigung der Herrschaft des Monopolkapitals.
({4})
- Davon haben Sie keine Ahnung!
({5})
Wir stehen auf dem Standpunkt: es gibt auch eine Möglichkeit, die Regierung Adenauer zu zwingen, diesem Treiben in der Wirtschaft, nämlich durch geheime Preisabsprachen unserem Volk das Geld aus der Tasche zu ziehen, dadurch ein Ende zu setzen, daß wir in den Gewerkschaften den Kampf um Lohnerhöhungen organisieren.
({6})
Sollten die Gewerkschaften bereit sein, diesen Kampf um Erhöhung der Löhne zu führen, dann würde die Regierung Adenauer sehr bald Dampf aufmachen und auch den Wünschen entsprechen, die wir gegen solche Preistreibereien haben.
({7})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Das Haus ist so leer, daß man daraus Rückschlüsse auf das Interesse an diesem Thema ziehen kann.
({0})
Dabei ist dieses Thema eines der wichtigsten
Themen überhaupt, das uns bewegen mußte, - ({1})
- Einen Augenblick! Die Entschließung, die uns hier vorgelegt wird, wird nur die Entschließungen, die wir hier gefaßt haben, um eine weitere vermehren. Die Regierung wird zwar aufgefordert, beschleunigt ein entsprechendes Gesetz vorzulegen. Aber dieser Begriff ist so unbestimmt, daß es der Regierung - entsprechend den Presseankündigungen - nicht schwer fallen wird. das Gesetz so spät zur Vorlage zu bringen, daß es frühestens im Spätsommer - so hieß es in einer Ankündigung im „Handelsblatt" - hier behandelt werden kann.
Ich glaube, daß uns mit dieser Art der Behandlung des Gesetzes nicht gedient ist, wenn die Schwierigkeiten, im vorparlamentarischen Raum zu einer entsprechenden Einigung über das gesamte Gesetzeswerk zu kommen, so groß sind, wie sie es offenbar sind. Denn wenn unser sehr energischer Herr Wirtschaftsminister in den jetzt vergangenen anderthalb Jahren nicht in der Lage gewesen ist. sich den verschiedenen Interessentengruppen gegenüber durchzusetzen, dann sind offenbar die Schwierigkeiten im vorparlamentarischen Raum außerordentlich groß, und es nutzt nichts, sie zu bagatellisieren, indem man dem einen oder anderen Trost zuspricht. Dann würde ich es für wesentlich wichtiger halten, daß wir vom Bundestag aus uns einmal dieser verschiedenen Entwürfe annehmen und diese verschiedenen Entwürfe - ich weiß nicht, wieviel es sind - kritisch sichten. Im Bundestag sitzen nämlich nicht nur Interessentenvertreter, sondern im Bundestag sind alle Kreise der Bevölkerung vertreten. Wenn die zuständigen Ausschüsse des Bundestags sich mit diesen Entwürfen ernsthaft befassen würden, glaube ich schon, daß das Parlament die geeignete Stätte sein würde, um zu einem wirklichen Entschluß und zu einer wirklichen Meinungsbildung zu kommen. Das bisherige Verfahren erinnert uns doch sehr stark an das im Dritten Reich, wo auch die Verbände und die Verbandssyndizi einen uneewöhnlich großen Einfluß auf die Regierungsmaschinerie bekommen hatten und im Dunkel der Vorzimmer ihre Meinungen durchzusetzen wußten.
({2})
Ich glaube deshalb. daß es besser wäre, uns die Gesetzentwürfe hier vorzulegen,
({3})
um dann, wenn sie auch nicht als solche in verbindlicher Weise von der Regierung verabschiedet sind, in gemeinschaftlicher Arbeit wenigstens
die Grundsätze herauszuarbeiten. Wir haben es
beispielsweise in dem Lastenausgleichsausschuß
genau so gemacht. Der Herr Finanzminister hat
die Grundlagen und Unterlagen für den Lastenausgleich vorgelegt, und die Gutachterkommission ist schon zu einem wesentlich weitergehenden Stand gekommen, als wenn die Angelegen({4})
heften nur innerhalb des Finanzministeriums besprochen worden wären.
({5})
- Ich glaube, die Frage, ob das Problem älter ist oder nicht, Herr Kollege Etzel, spielt keine Rolle. Entscheidend ist lediglich, ob es durch dieses Verfahren gefördert werden kann. Ich bin der Ansicht, daß wir durchaus in der Lage sind, das Problem hier eher zu fördern als in den langwierigen Beratungen im vorparlamentarischen Raum.
Ich stelle deshalb zusätzlich zu der eingebrachten Entschließung den Antrag, der Bundestag wolle beschließen, die Bundesregierung zu beauftragen, beschleunigt die ihr zur Zeit vorliegenden Entwürfe der Gesetze betreffend Verhinderung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Macht dem Bundestag unbeschadet ihrer Verpflichtung zur Einbringung eines eigenen Entwurfs zur Kenntnis zu bringen. Wir sind uns doch alle darüber einig, daß zur Bekämpfung dieser Mißstände etwas getan werden muß und daß auf der anderen Seite auch eine Abgrenzung insbesondere der Ausnahmeregelung notwendig ist. Wenn wir diese Gesetzentwürfe möglichst bald bekommen würden, könnten wir in gemeinschaftlicher Arbeit vielleicht schneller zum Ziele kommen als auf dem Weg, den der Herr Bundeswirtschaftsminister beschritten hat.
({6})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stegner.
Meire Damen und Herren! Ich hatte rech den Ausführungen des Herrn Kollegen Nölting, zu denen sich trotz ihrer Beachtlichkeit von unserer Seite natürlich eire ganze Menge sagen ließe. eine gewisse Furcht, wir würden in eine unnötige Generaldebatte abgleiten. Zum Beispiel hat Herr Professor Nölting als einleuchtendes Beispiel hier nicht die Preisentwicklung gebracht, die ja deutlich zeigt. daß die staatlich verordneten und festgelegter Preise in der Zeit seit der Währungsreform die Tendenz des Steigens hatten, während die Preise, die aus dem freien Wettbewerb hervorgegangen sind, durchaus die Tendenz des Abfallens hatten. Herr Kollege Nölting, ich will auf diese Materie jetzt nicht eingehen.
({0})
- Dazu ist noch Gelegenheit, Herr Renner.
Ich wollte als Berichterstatter noch einmal darauf hinweisen, daß der Antrag des Ausschusses die Bundesregierung ja veranlassen soll, beschleunigt ein Gesetz vorzulegen.
({1})
Die Generaldebatte über die Materie muß vorgenommen werden, wenn das Gesetz eingebracht ist.
({2})
-- Das ist das zweite Problem, Herr Kollege Nölting, über das wir uns jetzt unterhalten wollen. -- Man wird sich also dann über die Dinge viel ausführlicher unterhalten können als heute hier vor dem mittäglich leeren Hohen Hause.
Den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Bertram halte ich nicht für glücklich, weil ich nicht glaube, daß der wirtschaftspolitische Ausschuß aus einer Vielheit von Referentenentwürfen den geeigneten wird herausarbeiten können. Es ist aber eines der vornehmsten Rechte der Fraktionen, eigene Gesetzentwürfe einzubringen. Ich frage mich, wenn die Fraktion des Zentrums die Erledigung der Angelegenheit für so einfach hält, warum sie nicht längst einen eigenen Entwurf zur Beseitigung der Mißstände eingebracht hat.
({3})
Ich möchte auch als Berichterstatter des Ausschusses dem Herrn Bundeswirtschaftminister nochmals die Bitte vortragen, daß das Wort „beschleunigt" in dem Antrag des Ausschusses als besonders dick unterstrichen gilt, und bitte das Hohe Haus, den Antrag des Ausschusses in diesem Sinne anzunehmen.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Beratung ist also geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Es liegt zunächst ein Zusatzantrag des Abgeordneten Dr. Bertram vor, über den wir jetzt abstimmen. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, es läßt sich hier kein klares Bild über das Abstimmungsverhältnis gewinnen. Wir müssen also einen Hammelsprung vornehmen. Ich glaube, ich brauche das Verfahren nicht im einzelnen zu wiederholen; die Abstimmung ist klar: Wer für diesen Abänderungsantrag Bertram ist, bitte durch die Ja-Tür, wer dagegen ist, durch die Nein-Tür.
Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, sich zur Auszählung an die Türen zu begeben. Soweit die Zahl der Schriftführer nicht ausreichen sollte, bitte ich einige weitere Mitglieder des Hauses. die Schriftführer bei der Auszählung zu unterstützen.
({0})
Ich bitte doch die Abgeordneten, das Haus nun 7U verlassen, damit die Abstimmung beginnen kann. Herr Abgeordneter Leuchtgens, Sie sind der letzte, der noch anwesend ist.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({1})
Meine Damen und Herren, die Auszählung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen.
({2})
Meine Damen und Herren. ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit. Das Ergebnis der Abstimmung ist: Es sind 109 Ja-Stimmen und 151 NeinStimmen abgegeben. Enthaltungen keine. - Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich darf im Anschluß an diese Abstimmung noch bekanntgeben. daß entgegen der von den Herren Schriftführern an der Tür gegebenen Weisung ein Mitglied des Hauses unmittelbar nach dem Hereinkommen wieder hinausgegangen ist. Ein solches Verfahren ist unmöglich; denn es macht die Übersicht über die Zählung jedes
({3})
einzelnen völlig unmöglich. Wenn die Abzählung schon erfolgt, kann der Verkehr nach außerhalb des Hauses zunächst vor Beendigung der Auszählung nicht wieder aufgenommen werden.
({4})
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 621. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Es scheint sogar einstimmig zu sein. Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren! Inzwischen ist die Drucksache Nr. 814 eingegangen oder an Sie verteilt worden: der Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950. Der Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat gewünscht, diesen Antrag noch auf die heutige Tagesordnung zu setzen und nach einer kurzen Begründung durch den Herrn Finanzminister ohne Debatte in erster Lesung zu behandeln. Ich darf wohl Ihre Zustimmung hierzu voraussetzen. - Es wird nicht widersprochen. Infolge essen ist dieser Antrag auf die Tagesordnung gesetzt; wir werden ihn nach Punkt 9 behandeln.
Zu Punkt 9 der Tagesordnung:
Antrag der Fraktion der KPD betreffend
Vorlage eines Bundesversorgungsgesetzes
für die Kriegsopfer ({5})
hat der Herr Abgeordnete Bazille das. Wort zur Geschäftsordnung gewünscht.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle den Antrag, den Punkt 9 von der Tagesordnung abzusetzen. Erlauben Sie mir dazu einige Worte der Begründung.
Nach der bedauerlichen Panne, die bei der Verabschiedung des Überbrückungsgesetzes eingetreten ist, haben die Organisationen der Kriegsopfer bei der Bundesregierung um die Einsetzung eines wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Arbeit nachgesucht. Die Bundesregierung hat gestern auf einer Tagung der Kriegsblinden Westdeutschlands offiziell mitgeteilt, daß diesem Antrag stattgegeben wird. Da die Versorgung der Kriegsopfer eine Frage ebenso großen staatspolitischen wie sozialen Umfanges ist, ist die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei der Meinung, daß es im allgemeinen Interesse liegt, die demokratisch legitimierten Vertreter der Kriegsopfer bei der Beratung eines solchen Gesetzes zu hören und dieses Gesetz erst dann in das Plenum des Bundestages zu bringen, wenn die Kriegsopfer selbst Gelegenheit zur Stellungnahme hatten. Ich bin in der glücklichen Lage, Ihnen mitteilen zu können, daß sich die größeren Fraktionen des Hauses nach einer heute morgen abgehaltenen Besprechung dieser Auffassung meiner Fraktion angeschlossen haben. Ich nehme auch an, daß der Herr Kollege Renner, dessen Interesse an der Arbeit der Kriegsopferorganisationen dem Hause bekannt ist, sich der Auffassung anschließt,
({0})
daß ein so wichtiger Gegenstand in wissenschaftlicher Präzision mit den Vertretern der Organisationen beraten werden sollte, ehe er im Plenum des Bundestags zur Behandlung kommt, um so mehr, als gerade dieser Gegenstand sich am
allerwenigsten für irgendwelche Auseinandersetzungen eignet, bei denen Parteiinteressen jedweder Art im Vordergrund stehen.
({1})
Ich bitte Sie daher, dem Vorschlag, dem bereits die großen Fraktionen des Hauses heute früh zugestimmt haben, zuzustimmen.
({2})
Das Wort hat zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Von dieser Abrede unter den „großen Fraktionen" dieses Hauses ist unsere Fraktion nicht informiert worden.
({0})
Zur Sache selber. Unser Antrag hatte den Zweck, die Regierung an die Erfüllung einer durch den Herrn Bundesarbeitsminister in feierlichster Form gegebenen Erklärung zu erinnern, die darauf hinausging, daß das Kriegsopfer-Versorgungsgesetz dem Hohen Hause so rechtzeitig zugeleitet werden würde. daß es am 1. April, also ab morgen, in Wirksamkeit treten könne.
({1})
- Das war ein Aprilscherz, sagen Sie. Das war mehr als ein Aprilscherz, das war eine bewußte Irreführung der Kriegsopfer draußen.
({2})
Was wir heute aus dem Mund des Herrn sozialdemokratischen Bundestagsabgeordneten Bazille gehört haben, geht an der Sache absolut vorbei. Was könnte die Regierung daran hindern, ihre Zusage zu erfüllen, dem Plenum den Entwurf vorzulegen und trotzdem, wie sie das schon seit Wochen tut, mit den Vertretern der Kriegsopferorganisationen zu verhandeln? Herr „Kamerad" Bazille, der Sie sich draußen den Sprecher der deutschen Kriegsopfer nennen lassen, darf ich Sie erinnern, daß aus Ihren Organisationseinheiten mehr als 400 Protestresolutionen den Fraktionen des. Hauses zugegangen sind, in denen gegen die. Art, wie die Kriegsopferversorgung hier behandelt worden ist, protestiert wird.
({3})
Darf ich Ihnen sagen, daß Sie selber erklärt haben, daß das neue Gesetz ab 1. April in Kraft treten solle und müsse. Ich erblicke in Ihrem taktischen Manöver einen Schritt, dessen Sie sich vor den Kriegsopfern schämen sollten. Das sage ich Ihnen mit aller Offenheit.
Ich bin mir darüber klar, daß Sie diesen Beschluß durchsetzen. Diese Einheit, die den Zweck hat, der Regierung Adenauer das Mittel in die Hand zu geben, die Kriegsopfer noch länger hungern au lassen, wird sich hier auswirken.
({4})
Sie werden beschließen, die Kriegsopfer noch länger hungern zu lassen. Aber die Verantwortung fällt auf Sie. zurück. Wir werden dafür sorgen, daß vor der Öffentlichkeit klargestellt wird, wem es die Kriegsopfer verdanken, daß sie noch länger hungern müssen. So, nun beschließen Sie und beweisen Sie vor aller Öffentlichkeit, daß Sie für die Kriegsopfer nichts übrig haben!
({5})
Meine Damen und Herren! Zu dem Geschäftsordnungsantrag, der von dem Herrn Abgeordneten Bazille vorgetragen wurde, ist jetzt in einem bejahenden und in einem verneinenden Sinne gesprochen worden. Ich glaube, damit können wir die Geschäftsordnungsdebatte schließen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Bazille, Punkt 9 von der Tagesordnung abzusetzen. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. ({0})
- Herr Abgeordneter Renner, in welcher Form die Abstimmung durchzuführen ist, wird nicht von Ihnen entschieden.
Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen eine kleine Minderheit ist der Antrag angenommen. Die Absetzung ist beschlossen.
({1})
Meine Damen und Herren! Wir treten nunmehr in die Behandlung des vorhin auf die Tagesordnung gesetzten Punktes ein:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 ({2}).
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Der Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1950/51 kann bis zum Schluß des Rechnungsjahres 1949 durch Gesetz nicht festgestellt werden. Art. 111 des Grundgesetzes enthält zwar eine Ermächtigung der Bundesregierung zur Leistung von Ausgaben bis zum Inkrafttreten des Haushaltsgesetzes für das neue Rechnungsjahr. Aus zwei Gründen ist es aber notwendig, der Bundesregierung über diese Bestimmungen des Grundgesetzes hinaus durch Gesetz Ermächtigung zu geben. Denn erstens bringt es der Aufbau und die Übernahme großer neuer Aufgaben zum Beispiel nach Art. 120 des Grundgesetzes - Kriegsfolgelasten - zwangsläufig mit sich, daß im Rechnungsjahr 1950, und zwar weitgehend bereits von seinem Beginn ab, Ausgaben geleistet werden müssen, für die im Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1949 noch keine Mittel vorgesehen sind. Für Fälle dieser Art würde die Ausgabenermächtigung des Art. 111 des Grundgesetzes nicht ausreichen.
Zweitens: Der Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1949 weist Besonderheiten auf, die ihn nicht ohne weiteres als vorläufige Grundlage für die Ausgabenwirtschaft des Rechnungsjahres 1950 geeignet erscheinen lassen. Er umfaßt nur einen Teil des Rechnungsjahres 1949; er umfaßt für die Zeit vom 21. September 1949 bis 31. März 1950 aus den Haushaltsvoranschlägen erstens diejenigen Bundesorgane und Bundesverwaltungen, die keine Vorgänger in der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets gehabt haben; zweitens aus dem Haushaltsplan der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets diejenigen Bundesverwaltungen, die einen Vorgänger in der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets gehabt haben, und drittens Ergänzungspläne.
Zur Schaffung einer hinreichenden Klarheit über die Ausgabenermächtigung der Bundesregierung erscheint es deshalb notwendig, Art und Maß dieser Ausgabenermächtigung in einem besonderen Gesetz zu regeln. Ich darf besonders auf die Bestimmung des § 8 des Gesetzentwurfs hinweisen. Diese Bestimmung enthält eine neue Kreditermächtigung, und zwar erbittet die Bundesregierung eine Kreditermächtigung bis zu dem gesetzlich festgelegten Höchstrahmen von 1500 Millionen DM. Ich darf auf folgendes aufmerksam machen: Durch das Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten, insbesondere durch die Tatsache, daß in der Übergangszeit, d. h. in den Monaten April und Mai, die Einnahmen des Bundes noch sehr gering, die Ausgaben aber in voller Höhe anfallen werden, ist eine In anspruchnahme der bisherigen Kreditermächtigung in Höhe von 800 Millionen unbedingt erforderlich. Um einen gewissen Spielraum für außerordentliche Fälle zu erhalten, ist deshalb die Erhöhung dieses Rahmens auf 1500 Millionen DM erbeten. Ich muß meinen besonderen Dank dafür aussprechen, daß sich sowohl der Bundesrat wie auch Ihr Haushaltsausschuß bereiterklärt haben, dieses Gesetz wegen seiner Dringlichkeit zur möglichst raschen Behandlung zu bringen, und ich bitte, den Haushaltsausschuß in dieser Arbeit zu unterstützen.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen. Es ist Überweisung an ,den Haushaltsausschuß vorgesehen. Ich bitte diejenigen, die diesem Vorschlag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist also so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und BP betreffend Bereitstellung von Mitteln zum Wiederaufbau der Hochschulen ({0}).
Im Ältestenrat war vorgesehen, diesen Antrag ohne Debatte und unter Verzicht auf eine Begründung dem Ausschuß für ERP-Fragen federführend und ferner dem Ausschuß für Kulturpolitik sowie dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit. Dann ist es so beschlossen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erschöpft. Ich schließe die Sitzung und bitte die Mitglieder des Ältestenrats, sofort zusammenzutreten. Ich berufe die nächste Sitzung für heute nachmittag 15 Uhr ein.