Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 46. Sitzung des Deutschen Bundestags. Ich bitte zunächst den Schriftführer Herrn Abgeordneten Matthes, die Namen der abwesenden Mitglieder des Hauses bekanntzugeben.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Höfler, Frau Heiler, Sabel, Schütz, Frau Dr. Gröwel, Dr. Pünder, Dr. Dr. Lehr, Meyer ({0}), Frau Albrecht, Dr. Gülich, Bielig, Hennig, Valentin Baur, Behrisch, Steinhörster, Fräu Nadig, Schönauer, Dirscherl, Stegner, Margulies, Dr. Hasemann, Eichner, Fisch, Paschek, Frau Dr. Ilk Dannemann, Wittmann und Determann. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Tillmanns, Nickl, Dr. Pferdmenges, Ritzel, Erler, Jacobi, Wagner, Görlinger, Dr. Wellhausen, Euler, Kuhlemann, Dr. Etzel , Dr. Baumgartner, Wallner, Clausen, Kriedemann, Rademacher, Bahlburg und Schmitt ({1}). Außerdem fehlt der Abgeordnete Goetzendorff.
Meine Damen und Herren! Ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 17. Februar 1950 die Anfrage Nr. 44 der Fraktion der KPD betreffend neunprozentige Lohnerhöhung im Steinkohlenbergbau - Drucksache Nr. 481 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 629 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 27. Februar 1950 die Anfrage Nr. 43 der Abgeordneten Stücklen, Strauß und Genossen betreffend zentrale Beschaffungsstelle für die Ausgestaltung der Bundesbehörden - Drucksache Nr. 462 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 683 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 6. März 1950 die Anfrage Nr. 48 der Fraktion der KPD betreffend Ost-West-Handel - Drucksache Nr. 527 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 659 vervielfältigt.
Schließlich hat der Herr Bundesminister für Verkehr unter dem 8. März 1950 die Anfrage Nr. 54 der Fraktion der SPD betreffend Schiffsbau für Exportzwecke - Drucksache Nr. 577 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 693 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Entgegennahme einer Erklärung der Bundesregierung.
Ich erteile dem Herrn Bundeskanzler das Wort.
Meine Damen und meine Herren! Die Saarfrage ist durch die Verträge, die am 3. März dieses Jahres nach wochenlangen Verhandlungen zwischen der französischen und der Saarregierung in Paris abgeschlossen worden sind, akut geworden. Wie groß die Zahl der in Paris geschlossenen Verträge ist, wissen wir nicht. Es sind uns vom Büro des französischen Hohen Kommis({0})
sars - ohne weitere Erläuterung zunächst - die Texte von vier Verträgen übermittelt worden, und zwar eines „Allgemeinen Abkommens", eines Vertrages über die Durchführung der Wirtschaftsunion zwischen Frankreich und dem Saarland, eines Vertrages über die Ausbeutung der Saargruben und endlich eines Vertrages über den Betrieb der saarländischen Eisenbahn. Über etwa weiter noch getroffene Abkommen ist bisher Authentisches nicht bekanntgeworden.
Die beiden ersten Verträge nehmen in ihrem Eingang auf die Saarverfassung Bezug, die beiden letzten nicht. Während die beiden letzten Verträge ausdrücklich sagen, daß ihre Wirksamkeit nach Abschluß des Friedensvertrags mit Deutschland von dem Inhalt dieses Friedensvertrags abhängig ist, nehmen die beiden ersten Verträge auf den Friedensvertrag mit Deutschland überhaupt nicht Bezug.
Aus der unterschiedlichen Gestaltung der Verträge bezüglich des Friedensvertrags war von der Bundesregierung und dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestags der Schluß gezogen worden, daß die beiden ersten Verträge, insbesondere der in politischer Beziehung grundlegende, „Allgemeines Abkommen" genannte Vertrag, nach dem Willen der beiden vertragschließenden Regierungen unabhängig von den Bestimmungen des zukünftigen Friedensvertrags sein sollten. In dieser Auffassung wurden die Bundesregierung und der Bundestagsausschuß durch die bisher von Frankreich gegenüber dem Saargebiet eingeschlagene, von England und den' Vereinigten Staaten tolerierte Politik bestärkt. Frankreich hatte zwar nach einer Erklärung, die der damalige Außenminister Bidault am 13. März 1948 in der französischen Nationalversammlung abgegeben hat, vierzehnmal vergeblich von seinen Alliierten ein Saarabkommen verlangt; England und die Vereinigten Staaten hatten aber geduldet, daß der französische Oberbefehlshaber an der Saar seinen Einfluß - besser gesagt: seine Macht - in einer allen Regeln der Demokratie und der Freiheit widersprechenden Weise auf alle Angelegenheiten der Gesetzgebung und Verwaltung unter Beihilfe einiger gebürtiger Saarländer, die in Frankreich naturalisiert worden waren, ausdehnte, so daß das Saargebiet im Laufe der Zeit dem französischen Wirtschaftsgebiet eingegliedert worden ist.
Auf der Moskauer Konferenz im Jahre 1947 hatten zudem England und die Vereinigten Staaten, ohne allerdings einen dahingehenden Vertrag abzuschließen, erklärt, sie würden beim Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland für die Wünsche Frankreichs auf Autonomie des Saargebietes und seine wirtschaftliche Eingliederung in Frankreich eintreten. Die Annahme der Bundesregierung und des Auswärtigen Ausschusses, die Fortlassung des Friedensvertrages aus den beiden ersten Verträgen bedeute, daß diese den Bestimmungen des Friedensvertrages nicht unterworfen sein sollten, erschien unter diesen Umständen nur zu begründet.
Aus meinen bisherigen Ausführungen geht eindeutig hervor: die Regelung der Verhältnisse des Saargebietes ist nicht nur eine Angelegenheit des Saargebietes oder des Saargebietes und Frankreichs, sondern auch eine Angelegenheit Englands und der Vereinigten Staaten - auf die Rolle Deutschlands komme ich noch zurück -; das folgt eindeutig daraus, daß England und die Vereinigten Staaten in Moskau ausdrücklich erklärt haben, die endgültige Regelung der Angelegenheiten der
Saar solle durch den Friedensvertrag mit Deutschland erfolgen, durch den Friedensvertrag, der von Frankreich und von England und den Vereinigten Staaten mit der Bundesrepublik Deutschland verhandelt und abgeschlossen werden soll,
({1}) und daß Frankreich seine Forderung auf Abschluß eines Saarabkommens gegenüber diesen beiden Mächten, soviel uns bekannt ist, seit der Moskauer Konferenz nicht mehr erneuert hat.
Am 8. und 9. März 1950 sind nun Erklärungen abgegeben worden, die eindeutig klarstellen, daß auch das Allgemeine Abkommen von der in dem zukünftigen Friedensvertrag zu treffenden Regelung abhängig ist. Am 8. März hat Lord Henderson im britischen Oberhaus für die britische Regierung erklärt, daß der endgültige Status des Saarlandes nur durch den Friedensvertrag bestimmt werden könne. Am späten Abend des gestrigen Tages, des 9. März, hat der Vertreter des französischen Hohen Kommissars mir und der Presse eine offizielle Mitteilung zukommen lassen, die in deutscher Übersetzung wie folgt lautet:
Einige deutsche politische Kreise haben das Fehlen eines ausdrücklichen Hinweises auf die Friedensregelung in einigen der Vereinbarungen, die zwischen Frankreich und der Saar abgeschlossen sind, dahin ausgelegt, daß diese Vereinbarungen ungerechtfertigterweise den Bestimmungen des zukünftigen Friedensvertrages vorgreifen. In amtlichen französischen Kreisen wird erklärt, daß eine derartige Auslegung in keiner Weise begründet ist. Wie Minister Schuman in seiner Pressekonferenz vom 6. März 1950 klar zum Ausdruck gebracht hat, unterliegen alle Vereinbarungen, die kürzlich zwischen Frankreich und der Saar abgeschlossen sind, der Bestätigung im Rahmen der endgültigen Friedensregelung.
Meine Damen und Herren! Gestern, am 9. März, spät abends, hat der englische Hohe Kommissar, General Robertson, an mich einen Brief gerichtet, in dem er unter anderem sagt:
Meine Regierung hat in der Erklärung Lord Hendersons zum Ausdruck gebracht, daß es ausdrücklich festgelegt ist, daß der endgültige Status der Saar nur durch den Friedensvertrag geregelt werden kann. In diesem Sinne haben die Abkommen nur vorläufigen Charakter und gelten nur bis zum Friedensvertrag. Das scheint mir eine völlig eindeutige Erklärung meiner Regierung hinsichtlich ihrer Haltung gegenüber diesen Abkommen zu sein, und Sie werden feststellen, daß es sich auf alle Abkommen erstreckt und daß in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen ihnen gemacht wird. Es ist ganz sicher, daß meine Regierung diese Auffassung bei Abschluß des Friedensvertrages aufrechterhalten wird.
Meine Damen und Herren! Nach diesen Erklärungen kann es für uns keinem Zweifel mehr unterliegen, daß auch die beiden ersten zwischen Frankreich und der Saar am 3. März dieses Jahres geschlossenen Verträge, insbesondere auch das Allgemeine Abkommen, zu ihrer Gültigkeit nach Abschluß des Friedensvertrages der Bestätigung durch diesen bedürfen, obgleich, meine Damen und Herren, die Saarregierung vor kurzem entgegengesetzt lautende Erklärungen abgegeben hat.
Aus dem, was ich Ihnen vorzutragen die Ehre hatte, ergibt sich aber noch eine weitere für uns außerordentlich wichtige Folgerung. Da die Re({2})
gelang der Verhältnisse an der Saar durch den Friedensvertrag erfolgen soll, ist sie eine Angelegenheit bei der vertragschließenden Teile, also auch eine Angelegenheit der Bundesrepublik Deutschland.
({3})
Auch die Bundesrepublik Deutschland ist somit befugt, bei der Regelung des endgültigen Status der Saar mitzusprechen.
({4})
Einige Punkte des Allgemeinen Abkommens, das zwischen Frankreich und der Saarregierung abgeschlossen ist, müssen in diesem Zusammenhang von mir erörtert werden.
Im Artikel 1 heißt es:
Das Saarland ist auf dem Gebiet der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung autonom.
Im Artikel 3 ist gesagt: Der Vertreter Frankreichs im Saarland kann gegen die saarländischen Gesetze und Verordnungen nur dann Einspruch erheben, wenn die vorgesehenen Maßnahmen ihrer Art nach geeignet sind, die politische Unabhängigkeit des Saarlandes zu gefährden.
({5})
Meine Damen und Herren, Autonomie in Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit und politische Unabhängigkeit sind nicht gleichzusetzen. Frankreich ist von England und den Vereinigten Staaten lediglich zugesagt, daß sie den Anspruch Frankreichs auf Autonomie der Saar in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung unterstützen; mehr ist ihm nicht zugesagt. Eine maßgebende britische Stelle hat in einem Briefe von gestern an mich ebenfalls erklärt, daß Autonomie in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung I nicht identisch ist mit „unabhängiges Land".
Ich habe bereits hervorgehoben, daß die Bundesrepublik Deutschland einen Rechtsanspruch darauf hat, an der im Friedensvertrag vorzunehmenden endgültigen Ordnung des Saargebiets teilzunehmen. Da sie diesen Anspruch hat, kann sie auch Einspruch gegen Maßnahmen erheben, die zwar vor dem Friedensvertrag getroffen werden, die aber so geartet sind, daß sie die endgültige Ordnung durch den Friedensvertrag vorwegnehmen.
({6})
Die von mir eingangs meiner Ausführungen erwähnten vier Verträge zwischen Frankreich und der Saar vom 3. März schaffen in ihrer Gesamtheit - und man muß sie auf e i n m a 1 betrachten - auf politischem und auf wirtschaftlichem Gebiete an der Saar Verhältnisse, die durch den Friedensvertrag nicht mehr geändert werden können.
({7})
Sie machen eine andere Regelung durch den Friedensvertrag faktisch unmöglich. Diese Verträge vom 3. März widersprechen daher dem uns zustehenden Recht, durch den Friedensvertrag die Ordnung der Verhältnisse an der Saar mitzubestimmen.
Der Beweis, daß diese Verträge in ihrer Gesamtheit eine dauernde Regelung durch den Friedensvertrag vorwegnehmen, ist leicht zu erbringen. Das Allgemeine Abkommen macht die Saar auf politischem Gebiet völlig abhängig von Frankreich. Ich hebe aus seinem Inhalt folgendes hervor: Der Vertreter Frankreichs im Saarland besitzt ein Verordnungsrecht, im Saargebiet die Anwendung der französischen Währungs- und Zollgesetzgebung sicherzustellen. Er kann gegen saarländische Gesetze und Verwaltungsanordnungen dann Einspruch erheben, wenn die geplanten Maßnahmen eine Gefahr für die Währungs- und Zollunion bedeuten oder wenn sie eine internationale Verpflichtung des Saarlandes nicht berücksichtigen oder wenn sie solcher Art sind, daß durch sie die politische Unabhängigkeit des Saarlandes oder seine äußere Sicherheit gefährdet werden. Im Saargebiet wird ferner eine französische Polizei unterhalten. Beim Oberlandesgericht des Saargebiets wird die Stelle eines französischen Generalstaatsanwalts eingerichtet.
({8})
Die französische Zollverwaltung und die sonst zuständigen französischen Verwaltungen bleiben bestehen. Im Saargebiet bleiben französische Truppen. Der Vertreter Frankreichs kann den Belagerungszustand über das Saargebiet verhängen.
({9})
Die französische Republik vertritt das Saargebiet im Ausland.
({10})
Die drei anderen Abkommen machen das Saargebiet wirtschaftlich völlig abhängig von Frankreich. Diese völlige politische und wirtschaftliche Abhängigkeit des Saargebiets von Frankreich wird durch das von mir bereits erwähnte, in Artikel 3 des Allgemeinen Abkommens dem französischen Vertreter verliehene Recht unterbaut und geschützt, gegen saarländische Gesetze und Verwaltungsanordnungen Einspruch zu erheben, wenn die vorgesehenen Maßnahmen ihrer Art nach geeignet sind, die politische Unabhängigkeit des Saarlandes zu gefährden, durch die Einrichtung der französischen Polizei, durch die Anwesenheit der französischen Truppen, durch das Recht der Verhängung des Ausnahmezustandes, das der Vertreter der französischen Republik im Benehmen - nicht, meine Damen und Herren, im Einvernehmen - mit der Regierung des Saarlandes besitzt, und zwar bei akuter Gefahr für die Unabhängigkeit des Saargebietes.
Es ist hier nicht der Ort, auf weitere Einzelheiten einzugehen; das wird in einer an die Hohen Kommissare zwecks Weitergabe an die zuständigen Stellen zu richtenden Note geschehen. Hier genügt es, folgendes hervorzuheben. Das gesamte politische und wirtschaftliche Leben des Saargebietes wird durch diese Verträge in eine Ordnung gebracht, die einfach später nicht mehr abgeändert werden kann.
({11})
Ich lege, meine Damen und Herren, daher namens der Bundesregierung feierlich Verwahrung gegen die vier am 3. März 1950 zwischen der französischen und der Saarregierung geschlossenen Verträge ein, und ich bitte das Hohe Haus, sich dem anzuschließen.
({12})
Wir halten aber diese vier Verträge für rechtswidrig, nicht nur weil sie unser Mitspracherecht bei der Ordnung der Saarverhältnisse verletzen und illusorisch machen, sondern auch weil sie den Bestimmungen des Völkerrechts und zum Teil
({13})
auch des Privatrechts widersprechen. Die französische Regierung hat völkerrechtlich nicht das Recht, derartige Verträge über das Saargebiet abzuschließen. Das Saargebiet ist nach dem Zusammenbruch zunächst von amerikanischen Truppen erobert und besetzt worden. Diese haben dann einer französischen Besatzung Platz gemacht. Durch Erklärung der vier Besatzungsmächte vom 6. 6. 1945 haben diese die höchste Regierungsgewalt in Deutschland innerhalb der deutschen Grenzen vom 31. Dezember 1937 übernommen.
({14})
Die vier Besatzungsmächte erklärten damals, daß die Übernahme der obersten Regierungsgewalt in Deutschland keine Annexion bewirke. Seit der Übergabe des Saargebietes an die französische Armee bildet das Saargebiet zunächst einen Teil der französischen Besatzungszone. Es unterliegt letzten Endes der obersten Regierungsgewalt der Alliierten. Hieran ändert nichts die Tatsache, daß der Oberbefehlshaber der französischen Besatzungszone das Saargebiet später als eigenes Land konstituierte. Das haben die Briten, die Amerikaner und die Russen in ihren Besatzungszonen in gleicher Weise getan.
In einem Memorandum der französischen Regierung an die Moskauer Konferenz vom 10. April 1947 hat die französische Regierung zwar gefordert, daß die Saar der Zuständigkeit des Alliierten Kontrollrats entzogen werde. Das Verlangen der französischen Regierung wurde abgelehnt. Alle Gesetze und Verordnungen des Alliierten Kontrollrats wurden im Saargebiet in Kraft gesetzt. Eine Denkschrift des amerikanischen State Department zur Saarfrage, die im Oktober 1948 veröffentlicht worden ist, erklärt:
Rechtlich bleibt das Saarland, das seinerzeit als ein Teil der französischen Besatzungszone unter französische Aufsicht gestellt wurde, unter der Jurisdiktion des Alliierten Kontrollrats für Deutschland, solange diese Körperschaft ihre Autorität über das Saarland beibehalten wird.
Frankreich hat daher die Gewalt im Saargebiet als völkerrechtlicher Treuhänder. Als Treuhänder darf es nicht politische Einrichtungen und politische Tatsachen schaffen, die die politische Struktur des ihm anvertrauten Gebietes von Grund auf und auf die Dauer verändern.
Das tut die französische Regierung in dem Allgemeinen Abkommen. Die Saarbergwerke und die Eisenbahn sind durch das Kontrollratsgesetz Nr. 52 als Eigentum des früheren Deutschen Reiches unter Sequester gestellt. Frankreich ist zum Sequester bestellt worden. In dieser Eigenschaft darf Frankreich nicht Verträge abschließen wie den Vertrag über die Bahnen und den Vertrag über die Ausbeutung der Bergwerke. Verträge, die Frankreich zudem mit jemandem - nämlich der Saarregierung - abschließt, dem nach dem Wortlaut des Bergwerksvertrages erst noch das Eigentumsrecht an den Bergwerken durch den Friedensvertrag verschafft werden soll, entbehren, privatrechtlich und völkerrechtlich betrachtet, der Rechtsgrundlage. Auch aus diesem Grunde legen wir gegen sie Verwahrung ein.
Meine Damen und Herren! Ich sehe mich nunmehr im Interesse der großen Mehrheit der Bewohner des Saargebietes gezwungen, zu den dort herrschenden Verhältnissen Stellung zu nehmen. Ich muß das tun und tue das, damit die Bewohner des Saargebietes sehen und wissen, daß sie keineswegs von uns aufgegeben und im Stich gelassen werden.
({15})
Die Bundesrepublik Deutschland hat sich von Anfang an für verpflichtet erachtet, für die Interessen der Deutschen außerhalb der Deutschen Bundesrepublik einzutreten.
({16})
Diese Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde von den Vereinigten Staaten, von England und von Frankreich bisher uneingeschränkt anerkannt. Die Regierungen dieser drei Länder haben durch ihre Hohen Kommissare oft betont, daß die Bundesrepublik Deutschland Berlin jede denkbare wirtschaftliche Hilfe zuteil werden lassen müsse und daß sie auch den Deutschen der Ostzone ihre moralische Unterstützung angedeihen lassen möge. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß der amerikanische Hohe Kommissar noch vor kurzem freie Wahlen für ganz Deutschland gefordert und berechtigterweise um unsere Unterstützung dieser Forderung ersucht hat.
({17})
Nun, meine Damen und Herren, was für die Deutschen im Osten gilt, muß in gleicher Weise auch für die Deutschen im Westen gelten.
({18})
Die Bundesrepublik Deutschland hält sich daher für berechtigt und für verpflichtet, zu den Zuständen im Saargebiet Stellung zu nehmen. Im Saargebiet, meine Damen und Herren, herrscht weder Freiheit noch Demokratie.
({19})
Im April 1946 erklärte der französische Gouverneur des Saargebietes den politischen Parteien, die Demontage der saarländischen Hüttenwerke könne nur dadurch vermieden werden, daß die politischen Parteien dem Anschluß an Frankreich zustimmten.
({20})
Es wurde dann eine sehr starke Propaganda in dem Sinne einer wirtschaftlichen Verbindung des Saargebietes mit Frankreich betrieben. Als demgegenüber die .Dechanten der katholischen Kirche und der Bezirksvorstand der Sozialdemokratischen Partei des Saargebietes eine Volksabstimmung über die Zukunft des Saargebietes verlangten, er- klärte der französische Gouverneur am 9. 6. 1947 den Mitgliedern des sozialdemokratischen Parteivorstandes folgendes:
Ich werde niemals eine Volksabstimmung über die Verfassung zulassen.
({21})
Die Saarbevölkerung ist in ihrer großen Mehrheit katholisch und steht unter dem Einfluß des Bischofs von Trier, der ein Gegner des Anschlusses der Saar an Frankreich ist. Es wäre ihm ein leichtes, bei der geheimen Volksbefragung durch die katholischen Geistlichen die Annahme einer Verfassung zu verhindern. Ich werde ihm diese Gelegenheit nicht geben.
({22})
({23})
Diese Äußerung des Gouverneurs wird von dem inzwischen aus dem Saargebiet ausgewiesenen damaligen Generalsekretär der Sozialdemokratischen Partei des Saargebietes bezeugt.
Der Gouverneur nahm auch Einfluß auf die Wahl des Landtages. Die Parteien mußten die Kandidatenlisten mit ihm besprechen.
({24})
Der Gouverneur hatte vor der Wahl durch eine Verfassungskommission, deren Zusammensetzung er maßgeblich beeinflußte, einen Verfassungsentwurf ausarbeiten lassen, der dem zu wählenden Landtage zur Genehmigung vorgelegt werden sollte. Dieser Verfassungsentwurf wurde vor der Wahl nicht veröffentlicht. Als die Saarbrücker „Volksstimme" acht Tage vor der Wahl den Verfassungsentwurf veröffentlichen wollte, wurde sie verboten.
({25})
Der Text des Verfassungsentwurfs wurde nach der eigenen Erklärung des französischen Gouverneurs in 45 000 Exemplaren gedruckt und den einzelnen Bürgermeistereien unmittelbar vor der Wahl, zum Teil erst am Vortage der Wahl zur Abgabe an Interessenten zur Verfügung gestellt.
({26})
Kurz vor der Wahl fanden zahlreiche Ausweisungen aus dem. Saargebiet statt,
({27})
und zwar im wesentlichen von Personen, von denen angenommen werden durfte, daß sie sich gegen die Abtrennung des Saargebietes von Deutschland einsetzen würden.
({28})
Die Wahlen zum Landtag am 5. Oktober 1947 waren nicht frei. Sie erfolgten nicht nach demokratischen Grundsätzen, weil unmittelbar vor der Wahl zahlreiche Ausweisungen von oppositionell gestimmten Persönlichkeiten vorgenommen wurden und weil die Wähler den Verfassungsentwurf, der vorher festgestellt war und den Abgeordneten zur Genehmigung vorgelegt werden sollte, nicht kannten.
Als sich später im Saarlandtag trotzdem Opposition gegen den von dem französischen Militärbefehlshaber gewünschten Verfassungsentwurf' geltend machte, wurde eine Anzahl oppositionell gesinnter Abgeordneter am Tage vor der Abstimmung über die Präambel der Verfassung zum Gouverneur bestellt, der ihnen androhte, daß alle Zusagen, die er hinsichtlich einer besseren Lebensmittelversorgung, des Verzichts auf Demontage, der Überführung der Saargruben in den Besitz des Saarvolkes, hinsichtlich eines günstigeren Umrechnungskurses bei der Währungsumstellung gemacht habe, hinfällig würden, wenn sie gegen die Präambel der Verfassung stimmen würden.
({29})
Jede Verbindung, meine Damen und Herren, zwischen den Bewohnern des Saargebiets und Deutschland ist völlig unterbrochen. Die Bevölkerung wird durch Ausweisung, Bespitzelung und dergleichen unter Druck gehalten. Zeitungen aus Deutschland werden nicht zugelassen.
({30})
Eine freie öffentliche Meinung gibt es im Saargebiet auch jetzt nicht. Es ist bezeichnend für die
dortigen Verhältnisse, daß die Saarregierung dem
Landtag während .der Beratung der Saarverträge Gesetzentwürfe zur Knebelung der öffentlichen Meinung vorlegte, die derart waren, daß der französische Gouverneur ihre Weiterberatung durch den Landtag untersagte.
({31})
Mit allem Nachdruck und mit allem Ernst verlangen wir, daß an der Saar die freiheitlichen Grundrechte, deren Schutz die Alliierten feierlich gelobt haben, hergestellt werden.
({32})
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß das französische Volk und die französische Regierung die an der Saar herrschenden Verhältnisse wirklich kennen. Ich bin überzeugt, sie würden, wenn sie sie kennten, unter keinen Umständen ihren Fortbestand dulden.
Es kann sein, meine Damen und Herren, daß die französische öffentliche Meinung meine Ausführungen ungünstig aufnehmen wird. Aber ich fühle mich in meinem Gewissen dazu verpflichtet, und ich meine, wenn ein Mann wie ich, der seit Jahrzehnten öffentlich für eine französisch-deutsche Verständigung eingetreten ist, der deshalb von manchen seiner Landsleute als Separatist und frankophil verschrien worden ist, so spricht, dann sollte die öffentliche Meinung in Frankreich wenigstens in eine Prüfung meiner Ausführungen eintreten.
({33})
Ich bitte, in der französischen Öffentlichkeit beachten zu wollen, daß ich seit mehr als 25 Jahren öffentlich die These vertreten habe, daß die Beseitigung des französisch-deutschen Gegensatzes die notwendige Voraussetzung für jede europäische Gesundung ist, daß ich die gleiche These auch als Bundeskanzler mit der gleichen Entschiedenheit immer wieder vertreten habe. Ich spreche - und ich wende mich hiermit an Frankreich - nicht als Gegner Frankreichs. Ich spreche nicht als Gegner einer französisch-deutschen Verständigung. Ich spreche als Freund Frankreichs, der die Empfindungen und die Sorgen Frankreichs versteht, als Freund Frankreichs, der Verständnis für das im Psychologischen begründete Sicherheitsverlangen Frankreichs hat. Ich bin überzeugt, daß sich eine Lösung der Saarfrage finden läßt, die den französischen Interessen, die unseren Interessen und die den Interessen der Saar gerecht wird.
Ich fasse meine Ausführungen wie folgt zusammen:
Erstens: Die Regierungen Frankreichs, Englands, der Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland sind sich darin einig, daß die endgültige Regelung der Verhältnisse an der Saar in dem mit uns zu schließenden Friedensvertrag erfolgen soll. Daraus ergibt sich für uns das Recht der Mitsprache bei dieser Regelung.
Zweitens: Es ergibt sich daraus weiter, daß nicht vor Abschluß des Friedensvertrags an der Saar in irgendeiner Form Verhältnisse geschaffen werden dürfen, deren Änderung durch den Friedensvertrag nicht mehr möglich ist.
Drittens: Die am 3. März 1950 zwischen der französischen und der Saar-Regierung abgeschlossenen vier Verträge würden in ihrem Zusammenwirken an der Saar nicht Verhältnisse schaffen, die durch den Friedensvertrag nicht mehr geändert werden können.
Viertens: Frankreich ist völkerrechtlich Treuhänder für das Saargebiet; es ist Sequester für die
({34})
dortigen Bahnen und Bergwerke. Frankreich kann weder unter völkerrechtlichem noch unter privatrechtlichem Gesichtswinkel Verträge wie die vom 3. März 1950 schließen.
Fünftens: Die Saarregierung hat keine Rechte an den Bahnen oder den Bergwerken und ist daher zum Abschluß der Verträge nicht befugt.
Sechstens: Die Bundesrepublik Deutschland hat den dringenden Wunsch, daß an der Saar die Grundsätze der Freiheit -und der Demokratie verwirklicht werden.
Siebentens: Die Bundesrepublik Deutschland wünscht eine Regelung der Saarfrage, die den Interessen aller beteiligten Staaten einschließlich Frankreichs und des Saargebiets gerecht wird. Sie ist überzeugt, daß sich eine solche Lösung finden läßt.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Unter keinen Umständen darf die Saarfrage zu einer Störung der Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland und damit zu einer Erschwerung des Aufbaues von Westeuropa führen.
({35})
Um so notwendiger ist es, offen über diese Dinge zu sprechen. Die Saarverträge haben in weiten deutschen Kreisen Zweifel daran hervorgerufen, ob der Wunsch und die Hoffnung Deutschlands auf ein gutes freundschaftliches Verhältnis zu Frankreich auch in Frankreich besteht.
({36})
Es sind in Deutschland Zweifel daran entstanden, ob wirklich der ernstliche Wille vorhanden ist, Deutschland als gleichberechtigtes Mitglied in den Kreis der Völker wieder einzuführen, es zur arbeit am Wiederaufbau Europas und der Welt heranzuziehen. Man darf weder bei uns noch außerhalb Deutschlands die Augen vor der Tatsache verschließen, daß solche Zweifel entstanden sind. Um alle diese Zweifel in Deutschland zu überwinden, um das deutsche Volk zur willigen, zur freudigen Mitarbeit zu bewegen, muß das gegenwärtige Stadium des Stillstands und des Mißtrauens durch einen sichtbaren, durch einen entschiedenen Schritt nach vorwärts überwunden werden.
({37})
Aus dieser Überzeugung heraus habe ich dem amerikanischen Journalisten Kingsbury Smith gegenüber den Vorschlag einer Europäischen Union gemacht. Der Gedanke ist kühn; ich weiß es. Seine Verwirklichung ist schwierig. Aber darum sollte man doch entschlossen an das Projekt herangehen. Die mit der Durchführung des Marshallplans verbundene wirtschaftliche Ordnung der europäischen Länder bedeutet ja schon einen sehr großen Teil des Inhalts dieses Plans.
({38})
Nicht weniger gilt das vom Europarat.
Meine Damen und Herren! Die Gefahr für Europa ist groß! Nur kühne Gedanken und schnelle Taten können Europa retten. Wir sind bereit dazu!
({39})
Meine Damen und Herren! Sie haben die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers entgegenommen. Auf vielseitigen Wunsch aus dem Hause wird die Sitzung um eine Stunde unterbrochen. Wiederbeginn 12 Uhr 15 Minuten; daran anschließend Aussprache. Die Sitzung gilt als unterbrochen.
({0})
Die Sitzung wird um 12 Uhr 39 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.
Ich eröffne unsere vorhin unterbrochene Sitzung wieder. Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung.
({0})
- Zur Geschäftsordnung bitte, Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens!
Dr. Leuchtgens ({1}): Wie mir der Herr Präsident vorhin gesagt hat, hat der Ältestenrat heute morgen für die kleinen Fraktionen eine Redezeit von nur 15 Minuten gestattet. Ich möchte den Antrag stellen, die Redezeit freizugeben.
({2})
Wir von einer kleinen Fraktion haben unter Umständen genau soviel zu sagen wie die Herren von einer großen Fraktion,
({3})
und ich sehe nicht ein, daß derjenige, der zur großen Fraktion gehört, eine Stunde reden kann, und unsereiner nur eine Viertelstunde Redezeit hat.
({4})
- Wer das Beste und Klügste dazu zu sagen hat, das wird man ja nachher hören!
({5})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe!
({0})
- Ich höre eben: der Herr Abgeordnete Hedler hat hier im Saal Platz genommen.
({1})
- Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe!
({2})
- Meine Damen und Herren! Mir wird eben mitgeteilt, daß der Herr Abgeordnete Hedler sich hier im Saal befindet. Ich möchte dazu folgendes feststellen. Gegen den Herrn Abgeordneten schwebt noch - ({3})
- Ich bitte alle, sich an ihre Plätze zu begeben!
({4})
- Sonst kann ich nicht - ({5}) Meine Herren, bitte, begeben Sie sich an Ihre Plätze!
({6})
- Ich bitte Sie darum!
({7})
({8})
- Bitte, meine Herren, begeben Sie sich an Ihre
Plätze und warten Sie erst meine Erklärung ab!
({9})
- Bitte!
({10})
- Bitte, Herr Abgeordneter Neumann, kommen Sie hierher!
({11})
- Bitte, gehen Sie doch an Ihre Plätze, meine Herren!
({12})
- Meine Damen und Herren! Ich kann mit meiner Erklärung nicht eher beginnen, als bis alle Mitglieder des Haues wieder auf ihren Plätzen Platz genommen haben.
({13})
- Das ist eine Sache für sich.
({14})
- Ich bitte doch, solche Bemerkungen zu unterlassen!
Meine Damen und. Herren! Nachdem festgestellt worden ist, daß der Herr Abgeordnete Hedler sich im Saal befindet, habe ich folgendes zu erklären. Es ist bekannt, daß gegen das erstinstanzliche Urteil das Revisionsverfahren eingeleitet ist; es ist ferner bekannt, daß ein Verfahren vor dem Entnazifizierungsausschuß wegen Fragenbogenfälschung läuft.
({15})
Es kann dem Hause nicht zugemutet werden, in Anwesenheit eines Mannes .zu verhandeln, der noch nicht Gelegenheit gehabt hat, sich restlos von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu reinigen, dies um so weniger, als der Herr Abgeordnete Hedler in einer Erklärung vom 13. Dezember vorigen Jahres folgendes zum Ausdruck gebracht und niedergelegt hat:
Es ist für mich eine selbstverständliche Anstandspflicht, daß ich mich im Einvernehmen mit meiner Fraktion bis zur restlosen Aufklärung des mir zur Last gelegten Tatbestandes von den Arbeiten des Bundestages zurückziehe.
Unter diesen Umständen, Herr Abgeordneter Hedler, richte ich an Sie den Appell, freiwillig den Sitzungssaal zu verlassen.
({16})
- Ich will jetzt nicht das Wort zur Geschäftsordnung geben. Ich habe jetzt an den Herrn Abgeordneten Hedler den Appell gerichtet, freiwillig das Haus zu verlassen. - Wollen Sie diesem meinem Appell Folge leisten?
({17})
Meine Damen und Herren! Ich stelle folgendes fest, und ich bitte, äußerste Ruhe zu bewahren! Wenn der Präsident eines Parlaments an ein Mitglied des Hauses einen Appell in der Form richtet, in der ich das eben getan habe, und diesem Appell nicht Folge geleistet wird, dann sehe ich darin einen gröblichen Verstoß gegen die Anweisungen
des Präsidenten und damit das Vorliegen des Tatbestandes des § 91 der Geschäftsordnung. Auf Grund dieses Tatbestandes, Herr Abgeordneter Hedler, schließe ich Sie hiermit von der Teilnahme an der heutigen Sitzung im Sitzungssaal aus.
({18})
- Einen Moment, bitte! - Bitte, verlassen Sie den Saal!
({19})
- Ruhe, meine Damen und Herren! - Herr Abgeordneter Hedler, ich fordere Sie zum zweiten Mal auf, den Saal zu verlassen.
({20})
Ich mache Sie sonst auf die Folgen nach § 91 Absatz 2 der Geschäftsordnung aufmerksam.
({21})
Meine Damen und Herren! Ich habe festgestellt: der Herr Abgeordnete Hedler hat den Saal verlassen.
({22})
- Den gesamten Sitzungssaal! ({23})
Weder auf den Tribünen noch in den Logen darf er sich aufhalten; das stelle ich hier ausdrücklich fest. Diese bilden eine Einheit.
Wollen Sie noch das Wort zur Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter Dr. Miessner?
({24})
- Die Sache ist erledigt.
Wir kommen zu dem geschäftsordnungsmäßigen Antrag des Herrn Abgeordneten Leuchtgens. Ich möchte auf folgendes aufmerksam machen, Herr Abgeordneter Leuchtgens. Diese Vereinbarung über die Regelung der Redezeit ist heute früh auch unter ausdrücklicher Zustimmung des Herrn Vertreters Ihrer politischen Gruppe erfolgt. Es besteht daher jetzt keine Möglichkeit mehr, etwas an dieser Redeordnung zu ändern. Es ist sämtlichen Fraktionsrednern bekannt, wie lange sie zu reden haben. Es war ein Gentleman Agreement,
({25})
das wir heute getroffen haben, und davon gehen wir nicht ab.
({26})
Meine Damen und Herren! Wir kommen zu Punkt 2 der Tagesordnung - ({27})
Wir treten in die
Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung
ein. Ich erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher das Wort.
({28})
({29})
- Das Wort zur Geschäftsordnung zu erteilen liegt in meinem Ermessen.
({30})
Meine Damen und Herren! Diesmal findet vor entscheidenden Stellungnahmen, die sich für die nächsten Wochen zu dem, was man deutsche Außenpolitik nennen kann, vorbereiten, eine Aussprache in diesem Hause statt. Ich glaube, das ist sehr richtig, denn ein Volk in dem Stadium der politischen Entwicklung des unseren hat ebensosehr Anrecht auf Aufklärung und Unterrichtung, wie die Welt ein Recht darauf hat zu wissen, was die politischen Faktoren in Deutschland eigentlich meinen und was sie wollen.
Nun ist gewiß die Saarfrage in jeder Richtung wichtig genug, aber auch sie ist noch ein Beispiel dafür, daß endlich einmal die Klärung über eine große entscheidende Frage erfolgen muß. Diese Frage ist einfach die: gelten die Grundsätze der Alliierten, die sie proklamiert und für die sie gekämpft haben, auch für das Verhältnis der Allierten gegenüber dem deutschen Volk?
({0})
Oder gelten die Grundsätze, die die Besiegten in den zwölf Jahren des Dritten Reiches gehabt haben, jetzt als Behandlungsmethode der Alliierten gegenüber den Deutschen?
({1})
Ich glaube, wenn wir Europa wollen, können wir Europa nicht unter den Gesichtspunkten der Liquidation, der Bestrafung und der Belohnung errichten. Wir wollen in keiner Hinsicht Konsequenzen der Vergangenheit ausweichen, aber wir sollten darum kämpfen und an die Alliierten appellieren, uns die Möglichkeit zu geben, Europa nicht als einen Schlußstrich, sondern als einen Anfang zu betrachten.
({2})
Ob man das hört oder nicht, gilt nicht einmal vordringlich für Frankreich oder Deutschland. Es geht nicht um diese Völker allein, sondern es geht um Europa, um seine Möglichkeiten und um seine Gesinnung. Es geht darum, daß man ein Prinzip nicht lokalisieren kann.
Nun fürchten wir in der psychologischen Konsequenz gerade für unser Volk nichts mehr, als wenn vom Westen her Methoden angewandt werden, die dem Westen nicht ziemlich und angemessen sind.
({3})
Die jetzt angewendeten Methoden aber entscheiden über politische Konsequenzen. Die Demokratie, die von uns immer gewollt wurde und heute wohl weit über unseren Rahmen hinaus als die selbstverständliche Form der Existenz unseres Volkes und der Existenz unseres Kontinents angesehen wird, hat ja zur Voraussetzung, daß die Menschen entscheiden. Es müssen also Menschen von der Richtigkeit und der Notwendigkeit der Demokratie überzeugt werden und überzeugt sein, um demokratisch handeln zu können. Die Deutschen müssen also jetzt als Volk die Demokratie aus eigenem Willen akzeptieren und als notwendig erachten. Es ist im Sinne der Menschheit und Europas unklug, diesen Erkenntnissen immer neue schwere Hemmnisse in den Weg zu legen.
({4})
Nun sollte man bei aller Anerkennung der psychologischen Rückwirkung dessen, was gewesen ist und heute in hoffentlich recht kleinen Kreisen unseres Volkes noch nicht tot ist, bei voller Anerkennung der Schwierigkeiten aus der Vergangenheit und der Schwierigkeiten, die für die Zukunft drohen können, ganz offen sagen, daß politische Grundsätze von seiten der Alliierten nicht nur deklamiert werden dürfen. Prinzipien sind nicht dazu da, um verkündigt zu werden, Prinzipien sind dazu da, um praktiziert zu werden.
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Europa ist doch nicht nur - genau wie die Idee der Demokratie - eine Frage des Verhältnisses der Alliierten untereinander, es ist auch eine Frage des Verhältnisses der Alliierten zu diesem deutschen Volk, wie es war und wie es durch die Krisenzeiten hindurch sich anders geformt hat, zu diesem Volk, wie es ist.
Das Verhängnis heute in der Behandlung der Saarfrage, die jetzt im Vordergrund der Auseinandersetzung steht, ist die Taktik des Bagatellisierens. Seitdem die unselige Idee der Koppelung des gleichzeitigen Eintritts Deutschlands und des Saargebiets in den Europarat im vorigen Jahre von Frankreich in die Debatte geworfen worden ist, ist immer die Taktik des Bagatellisieren verhängnisvoll gewesen. Die Meinung war unrichtig, man brauche deutsche Verwahrungen, deutsche Einwände nicht so ernst zu nehmen, die Deutschen würden schreien, aber dann würden sie, je lauter sie geschrien haben, sich um so demütiger beugen. Ich glaube, diese Vorstellung von unserem Volke ist falsch. Es ist darum gut, daß trotz aller Beschreibungen der auswärtigen Presse, wie fürchterlich hysterisch und emotionell das deutsche Volk in der vorigen Woche reagiert habe, die Äußerungen der deutschen Politik und Politiker sehr besonnen und, wie ich sagen möchte, recht unpolemisch gewesen sind. Es gibt viele Äußerungen, die im Ausland als nationalistisch verschrien werden und die doch die Vernunft zeigen, die man bei manchen Auslandsstimmen in der Behandlung der deutschen Frage einschließlich der Saarfrage schmerzlich vermissen muß.
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Man sollte auch die andere Taktik unterlassen, uns mit dem Fluchwort: „Das sind unverbesserliche Nationalisten!" einfach überfahren zu wollen. So brauchen wir auch die Formulierung, die Saarfrage sei ein Prüfstein für den deutschen Nationalismus, nicht anzunehmen. Es besteht gewiß die Gefahr, daß sie ein solcher Prüfstein würde, aber aktuell ist die Saarfrage ein Prüfstein für die alliierte Demokratie gegenüber den Deutschen.
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Wir wehren uns - nicht nur im nationalen, sondern mehr noch im europäischen Interesse - gegen den Versuch, mit den Methoden von gestern und vorgestern die Probleme von heute und morgen bewältigen zu wollen.
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Nun, meine Damen und Herren, wird uns eine Politik der vollendeten Tatsachen offeriert, nicht der mit einem Donnerschlag vollendeten Tatsachen, aber der Stück für Stück vollendeten Tatsachen. Hier sind wir bei der Abwägung unserer Argumente und bei der Findung unseres Standortes in einer politischen Gefahr. Denn gerade weil man die Dinge Stück für Stück
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bringt, nimmt man der Geschlossenheit und der Kraft der Verwahrung einiges von ihrer Vehemenz. Es ist darum im menschlich-demokratischen Sinne keine gute Politik, uns jetzt mit dem Hinweis auf den Friedensvertrag vertrösten zu wollen, wenn man nämlich der Meinung ist, die der französische Außenminister ausgesprochen hat, daß der Friedensvertrag nur eine Bestätigung der durch die bisherige Politik - einschließlich der fünf Pariser Konventionen vollzogenen Tatsachen sein wird. Schließlich darf man auch nicht übersehen, daß Monsieur Schuman im Januar dieses Jahres zu den drei Vorsitzenden der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion gesagt hat, Frankreich werde auch im Friedensvertrag für die Durchsetzung der Ziele seiner Saarpolitik kämpfen.
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Sehen Sie, es ist darum wohl in einem äußerlichformalistischen Sinne heute ein Interimszustand, von dem der französische Außenminister in einer Pressekonferenz gesprochen hat. Aber dieser Interimszustand ist doch der Versuch, Definitives mit den Worten des Provisorischen zu schaffen.
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Wenn wir das, was die New York Times die verschleierte Annexion nennt und was wir - ich glaube, es gibt sehr schwer einen passenden völkerrechtlichen Ausdruck für den Zustand, wie er an der Saar geschaffen worden ist - etwas laienhaft ein Überprotektorat nennen könnten, dann ist das doch in seiner ganzen Bedeutung für den Bruch der Prinzipien internationaler Demokratie klar. Wenn wir es mit anderen Findungen nach Kriegen, wenn wir es etwa mit dem Danzig der Vergangenheit oder mit dem Triest der Gegenwart vergleichen, wenn wir Parallelen mit den Mandaten des Völkerbundes oder der Trusteeship der Uno-Satzung ziehen, dann werden wir sehen, daß auch die gestrigen alliierten Benachrichtigungen an den Herrn Bundeskanzler sachlich kein neues Moment für die Findung unseres Standpunktes beigebracht haben.
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Theoretisch nämlich bestand die Möglichkeit, alles im endgültigen Friedensvertrag zu ändern, auch schon vorher ohne diese ausdrücklichen Versicherungen. Die Tatsache, daß die Pariser Konventionen Nr. 1 oder Nr. 2, denen die Berufung auf den Friedensvertrag fehlt, jetzt durch außervertragliche, diplomatische Versicherungen in dem Sinne gehandhabt werden sollen, als ob die Berufung auf den Friedensvertrag dort auch niedergelegt worden wäre, bringt erstens keine Klärung der Frage, ob es einen Friedensvertrag gibt, zweitens, wann es einen Friedensvertrag gibt, und drittens, ob die Mächtigen dieser Welt, die über den Inhalt dieses Friedensvertrags entscheiden, dann einen Willen zur Änderung der bisher vertraglich festgelegten Vorschriften haben. Ich meine, man sollte sich darum nicht bewegen lassen, einen guten Willen, den wir anerkennen, als Vollzug des guten Willens und als Überwindung der Gefahren anzusehen, die in alter Stärke auch jetzt noch vorhanden sind.
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Dem französischen Volk können wir Sozialdemokraten, deren ganze Konzeption ja auf Europa und auf der Aussöhnung dieser Völker beruht, sagen: Das, was im Sinne der Wiedergutmachung und der Sicherheit für dich, französisches Volk, notwendig und unverzichtbar ist, das wäre von diesem deutschen Volk auch mit anderen Methoden als den bisher angewandten zu erreichen gewesen.
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Wir, meine Damen und Herren, wollen uns ja gar nicht gegen das Unvermeidbare wenden, das aus der Diktatur des Dritten Reiches und seinem Überfall auf Europa entstanden ist; wir wenden uns gegen das Unnötige. Wir wenden uns nicht gegen das Nach-Kräften-Gutmachen der Vergangenheit; wir wenden uns gegen die Zerstörung der Prinzipien der Zukunft.
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Grenzländer können Bindeglieder oder können trennende Wälle sein. Ich fürchte, daß jetzt von einer Seite, die nicht die unsere ist, das Trennende und Abstoßende über Gebühr und über Vernunft hervorgehoben worden ist.
Europa schafft man nicht durch die Politik des Subtrahierens und des Addierens von Wirtschaftspotential, Staatsterritorium und Bevölkerungszahl.
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Wenn man den Versuch macht, im Zeichen Europas immer wieder kleine oder größere Korrekturen zu nationalstaatlichem und nationalwirtschaftlichem Vorteil vorzunehmen, nun, dann müssen wir der anderen Seite sagen: eine solche Haltung offenbart eine erschreckende Glaubenslosigkeit gegenüber Europa.
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In bezug auf die Saarfrage sind ja die völkerrechtlichen Formulierungen, ob Annexion oder Autonomisierung, nicht entscheidend. Entscheidend und die Politik der Deutschen wohl auf die Dauer bestimmend ist die Tatsache der Herauslösung eines deutschen Gebiets aus Deutschland!
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Dieser Akt, meine Damen und Herren, ist ein absolut einseitiger Akt. Im Zeichen des Versuchs, Völker einander näherzubringen, möchte ich hier um eine Berücksichtigung der Völkerpsychologie bitten. Das französische Volk wünscht ja gar nicht diese Akte.
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Diese Akte kann man nur vornehmen, weil die
großen Sorgen, die dieses Volk hat, seinen Blick
von dem Grundsätzlichen dieser Politik ablenken.
({20})
Aber das deutsche Volk muß diesen Grad der Einseitigkeit, diese Politik der konsequenten Ignorierung der Bundesrepublik, ihrer Regierung, ihres Parlaments, als einen denkbar starken Akt bewußter Mißachtung empfinden.
({21})
Das ist doch so außerordentlich drückend, und das kehrt doch auch, möchte ich sagen, bei der Ordnung der sachlichen Argumente gefühlsmäßig immer wieder. Ich kann aber feststellen, daß die Emotion und die Vernachlässigung der Vernunft in dem Aufbau der Argumente heute nicht beim deutschen Volke liegt.
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({23})
Wir erleben bei dieser Pariser Konvention einen Akt, der tatsächlich ein absolut einseitiger Akt ist, ein Machtdekret, dem man aus politischtaktischen Gründen die äußere Form eines Vertrages gegeben hat.
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Meine Damen und Herren, bei entscheidenden Situationen ist es bestimmt nicht richtig, in großen Dingen die Politik der kleinen Schlauheiten machen zu wollen.
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In großen Dingen muß man klug und mutig sein, aber nicht schlau und ausweichend.
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Europa ist eine gute Sache, und kein Franzose und kein Deutscher und kein anderer braucht sich zu schämen, für Europa mit dem ganzen Willen seiner Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit einzutreten.
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Wenn ich aus den Gründen der praktischen Auseinandersetzung gezwungen bin, jetzt eine Reihe von sachlichen Bemerkungen über die Methodik dieser Politik zu machen, so sollen diese Bemerkungen keine Feindschaft aufreißen; sie sollen aber zeigen, daß der andere Faktor im Bewußtsein seiner Notwendigkeit und seines Rechts auch da ist.
Als sich die französische Regierung und die Saarregierung zusammensetzten, da waren alle fünf Entwürfe nicht etwa gemeinsam hergestellt. Alle Entwürfe waren vorher am Quai d'Orsay hergestellt.
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Die Saarregierung ist nun in diese Situation, sagen wir, hineingestolpert. Sie hatte sich mit der Argumentation der großen Macht, die sachlich fundiert war, als Kleiner auseinanderzusetzen und hatte bestenfalls die Möglichkeit einer Taktik des Ab- und Aushandelns. Die Schaffung der wirtschaftlichen Ordnung an der Saar beruht doch auf der Tatsache, ,daß man jetzt nach rund fünf Jahren mit der Politik der Sequestrierung und großer Kapitaltransaktionen den ökonomischen Unterbau jeder Form der Saarpolitik in die Hand der Okkupationsmacht gebracht hat. Was die Beherrschung der Kapitalsubstanz im weitesten Sinne des Wortes in der Politik bedeutet, brauche ich Ihnen hier doch nicht durch Einzelbeispiele zu illustrieren. Diese Eingriffe sind doch mit einem in den Demokratien der Welt unbekannten Maße der Unterdrückung der freien politischen Willensbildung und Meinungsäußerung verbunden gewesen. Wenn Sie jetzt die Geschichte der Saar betrachten, dann sehen Sie, daß diese Zersetzung der politischen Freiheit, dieses Unterdrücken der Meinung, dieses Operieren mit Hunger und Ausweisung, mit Organisationsauflösung dazu geführt hat, daß die politische Erscheinung der Parteien an der Saar in der Behauptung des Saarstandpunktes oder gar des deutschen Standpunktes an der Saar heute auf kleine Kreise und Minderheiten in 'diesen Parteien angewiesen ist.
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- Na, mein Lieber, seien Sie vorsichtig; sonst
erzähle ich Ihnen den Unterschied zwischen dem,
was Sie an der Saar sagen, und dem, was Sie auf dem Parteitag der französischen Kommunisten 1947 in Straßburg gesagt haben.
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- Lassen Sie nur! In diesem Rennen sind Sie kein edler „Renner", sondern nur ein kleines Panjepferdchen.
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Aber, meine Damen und Herren, die politische Willensrichtung sucht doch nach Ausdruck. Betrachten Sie einmal, wie die Industriegewerkschaft Bergbau der Einheitsgewerkschaft und der Sekretär des saarländischen Metallarbeiterverbandes die Pariser Verhandlungen verlassen haben. Das, meine Damen und Herren, und der jetzige Protest des Industrieverbandes Bergbau an der Saar ist ja doch bei aller gewerkschaftlichen Wichtigkeit keine gewerkschaftliche Äußerung, sondern das ist doch der politische Ausdruck der unterdrückten Meinungsfreiheit.
({32})
So sucht die Politik ihr Forum, um die notwendigen Ideen dem Volke verkünden zu können, hier in den Gewerkschaften. Und der Prozeß, der dazu geführt hat, daß die katholische Geistlichkeit auch zum Vertreter des deutschen Standpunktes an der Saar geworden ist, ist doch genau derselbe Vorgang. Eine politische Willensbildung findet ihren Ausdruck auch auf außerpolitischen Gebieten, wenn man die politschen Instrumente unterdrückt und maßregelt.
({33})
Ich möchte hier als Vertreter einer Partei, der so weitgehend das Vertrauen der Arbeiter gehört, noch auf eines hinweisen. Diese Art Politik, die der französische Hohe Kommissar des Saargebiets gemacht hat, wird doch von einer absoluten Nichtachtung der arbeitenden Menschen getragen.
({34})
Wir haben hier einen Brief des Monsieur Granval an Herr Hoffmann vom 16. November 1949. Darin wendet er sich eindeutig gegen das wirtschaftliche und politische Mitbestimmungsrecht der Arbeiter in den Betrieben.
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Wenn darüber hinaus für die Allgemeinheit etwas interessant sein sollte. dann ist es der Umstand, daß diese Gesetzentwürfe vor ihrer Zuleitung an das Saarparlament dem französischen Hohen Kommissar zugehen. Da möchte ich fragen: wie ist dieser Tatbestand mit der Äußerung eines französischen Ministers zu vereinbaren, an dessen subjektiver Ehrlichkeit wir nicht den geringsten Zweifel haben. nämlich mit der Äußerung, daß der Saarlandtag tun und lassen könne, was er
wolle?
Vielleicht wird es die Öffentlichkeit interessieren, daß, als die Delegierten der politischen Parteien von den Pariser Verhandlungen nach Saarbrücken bzw. nach Neunkirchen zurückkehrten und dort Bericht erstatten sollten, dieser Bericht der politischen Parteien von ihrer Parteidelegiertenversammlung weder diskutiert noch durch eine Resolution gebilligt worden ist.
({36})
Mir will scheinen, als ob diese außerparteimäßigen politischen Manifestationen jetzt dazu führen
({37})
werden, daß das arbeitende Volk an der Saar geschlossen zu dem Standpunkt der Einheitsgewerkschaft Bergbau herübergehen wird. Nun möchte ich demgegenüber fragen: welches Vertrauen hast du, Saarregierung, bei diesen Menschen, mögen sie von der Rednertribüne der Gewerkschaftsversammlung, mögen sie von der Kanzel herab sprechen, und welches Vertrauen hast du bei der Okkupationsmacht?
({38})
Ich wende mich nicht gegen eine Zusammenarbeit, aber ich wende mich dagegen, daß Menschen aus diesem Land zu Instrumenten werden.
({39})
Die Beauftragung der Saarregierung geht nicht von der Bevölkerung des Saargebiet,, sondern geht von der Besatzungsmacht -aus. Wenn hier etwas monströs und in der internationalen Vertragspolitik unbekannt ist, dann ist es eben doch der Umstand, daß in den Pariser Konventionen Verträge geschlossen worden sind, bei denen der eine Teil, der Teil ohne Macht, seine vertragsmäßige Zustimmung erklärt zur Unterwerfung unter einen fremden Staatswillen. Wie gestern in der Aussprache unserer Fraktion gesagt worden ist: „Das ist noch einmal eine Regierung, die besorgt sich selbst den Geßler-Hut", oder wie ein anderer Sozialdemokrat in der Diskussion erklärte: „Es wird immer am gefährlichsten in der Politik, wenn sich ein Geßler einen Wilhelm-Tell-Hut aufsetzt!"
({40})
Das scheint mir in der Argumentation, wie sie jetzt zum Teil von Paris zu uns herüberklingt, doch weitgehend der Fall zu sein. Der von den Franzosen ernannte Verfassungsausschuß und die daraus entstandene gelenkte und befohlene Verfassung sind nicht imstande, eine freie Volksabstimmung der Bevölkerung des Saargebietes zu ersetzen.
({41})
Nun, meine Damen und Herren, hat die Sozialdemokratische Partei ihre weitgehend aus eigenem Erleben der Verfasser dargestellte Denkschrift überreicht, die die Verhältnisse an der Saar schildert. Diese Verhältnisse im einzelnen zu rekapitulieren, kann ich mir ersparen, nachdem der Herr Bundeskanzler sie geschildert hat. Ich will auch nicht gegen den unglaublichen Versuch der Saarregierung polemisieren, mit einem Heimtückegesetz gegen die doch deutsche Bevölkerung zu operieren. Ich möchte mich aber gegen eine Methode wenden, die kürzlich einmal dazu geführt hat, daß sehr souverän und autoritär die durchaus wohlmeinenden Fußballer und Saarsportler von dem Herrn Hohen Kommissar angeschnarcht worden sind. Schließlich haben doch diese in ihren Äußerungen nicht von politisch-taktischen Erwägungen bestimmten Menschen mit ihrer Weigerung, sich einseitig nach dem Westen zu orientieren, mit ihrem Wunsche nach Zusammenarbeit und Zusammenleben mit ihren deutschen Sportsfreunden nur das ausgedrückt, was im Grunde mehr als 90 Prozent der Saarbevölkerung denken und fühlen.
({42})
Ich bin überzeugt, daß nicht nur weite Teile der Weltöffentlichkeit, sondern auch eine große Zahl wohlmeinender und versöhnlicher Franzosen
über den wahren Zustand der Dinge und Methoden an der Saar ohne Unterrichtung sind.
({43})
Hier handelt es sich eindeutig um einen Polizeistaat. Dieser undemokratische Polizeistaat ist entstanden entgegen dem, was an Konzeption aus der alliierten Militärregierungsgesetzgebung der Vergangenheit sichtbar geworden ist. Der Herr Bundeskanzler hat ja schon auf das grundsätzliche Abkommen der Alliierten Bezug genommen. Ich erinnere Sie noch an das Militärregierungsgesetz Nr. 53 vom 15. Juli 1945. Da heißt es in Artikel VII Ziffer g ausdrücklich: „Deutschland bedeutet das Gebiet des Deutschen Reiches, wie es am 31. 12. 1937 bestanden hat".
({44})
Am 2. August 1946 hat der Hohe Kommissar der französischen Zone unter Berufung auf die Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes eine Zonenverordnung für seine Zone vom 8. Juli 1946 veröffentlicht und Ausführungsverordnungen erlassen. Wir haben seit dieser Zeit eine Rückentwicklung vom Kontrollrat zur Verfügungsmacht einzelner Besatzungsmächte in ihrer Zone erlebt.
Hier ist schon mehrfach von dem französischen Memorandum vom 10. April 1947 und der Rolle gesprochen worden, die es auf der Moskauer Konferenz gespielt hat. Da aber hat man sich in der französischen Öffentlichheit nun auf Äußerungen von Mr. Marshall und Mr. Bevin berufen, die diesen französischen Standpunkt, von dem aus schon damals die Herausnahme der Saar aus Deutschland verlangt wurde, zugestimmt hätten. Dazu möchte ich feststellen: das deutsche Volk ohne Unterschied der einzelnen Parteirichtungen und der daraus eventuell resultierenden Stärkegrade der Information hat wohl von Mr. Bevin und von Mr. Marshall die Forderung nach der Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich gehört, hat wohl das Postulat vernommen, die Saarkohle nach Frankreich gehen zu lassen, aber die Deutschen hatten keine Gelegenheit zu hören, daß die Angelsachsen der Herauslösung des Saargebietes zustimmten.
({45})
Uns sind solche Reden der maßgebenden Staatsmänner nicht bekannt, und von der Existenz eines Abkommens in diesem Sinne wird man ja wohl nicht im Ernst reden wollen.
In der ganzen Periode darnach haben wir Informationen verschiedenster Richtungen gehabt. Wir haben aus dem Munde der verantwortlichen französischen Staatsmänner entweder offiziell oder privat, entweder in der deutschen Presse oder nur in der ausländischen Presse, von Standpunkten in allen Variationen gehört, von der baldigen Rückkehr des Saargebiets nach Deutschland bis zur Annexion, an der nicht mehr getüftelt werden dürfe. Aber wir haben nie eine verbindliche Information gehabt, und ich halte es in der politischen Grundlage für die europäische Entwicklung nicht für richtig, wenn man von verantwortlicher französischer Seite jetzt gelegentlich vernimmt, daß Deutschland ja 1945 aufgehört habe zu existieren und daß aus dieser Tatsache die Neubildung solcher völkerrechtlichen Monstra erklärlich sei. Nun, meine Damen und Herren, Deutschland hat als Staat trotz der Ausübung seiner Beherrschung durch den Alliierten Kontrollrat niemals aufgehört zu existieren.
({46})
({47})
Die Schaffung des Bonner Grundgesetzes hat diese Auffassung von dem einheitlichen Deutschland einschließlich der Saar, einschließlich der sowjetischen Besatzungszone und einschließlich der besetzten Gebiete östlich von Oder und Neiße in nichts aufgegeben und hat auch nicht einmal den dolus eventualis einer Aufgabe oder einer Beschränkung gehabt.
- ({48})
Auch das Londoner Abkommen, das Richtungsweiser und Zaun um unsere Arbeit in Bonn gewesen ist, trägt in seinem Wesen keinen Verzicht auf die Regelung der staatsrechtlichen Verhältnisse in den übrigen Teilen Deutschlands. Wenn man auf alliierter Seite geneigt ist, dieser Auffassung zu widersprechen, möchte ich darauf hinweisen, daß in der Periode des Abschlusses des Londoner Abkommens die Alliierten wiederholt und entschieden erklärt haben, das Londoner Abkommen verstoße in nichts gegen das Kontrollrats-Abkommen und gegen das Potsdamer Abkommen. Die Schaffung des Bonner Grundgesetzes ist eine mit alliiertem Willem erfolgte teilweise Entsperrung der Souveränitätsrechte auf einem Teilgebiet Deutschlands.
Aber wie sehr die Alliierten doch von der Meinung beseelt sind, daß ganz Deutschland existiert, zeigt nicht zum wenigsten ihr Bemühen um die deutsche Einheit; ich erinnere an den öffentlichen Aufruf des amerikanischen Hohen Kommissars Mr. McCloy zu gleichen und freien Wahlen in ganz Deutschland.
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In der Parole von den freien Wahlen liegt doch eine Anerkennung der Tatsache, daß die Bundesrepublik organisatorisch zwar nur auf einem Teil des deutschen Gebietes errichtet ist, daß sie aber der einzige demokratisch legitimierte Treuhänder für das ganze deutsche Gebiet ist.
({50})
Nun haben wir nach der Saarverfassung die diplomatische Vertretung des Saargebietes durch Frankreich. Aber, meine Damen und Herren, wenn man jetzt diese Idee praktisch in die Konvention Nr. 1 wieder einbaut, dann möchte ich angesichts der Tatsache, daß Frankreich das Saargebiet politisch überall in der Form vertritt, daß es Leute aus dem Saargebiet in die diplomatischen Delegationen, Botschaften, Gesandtschaften etc. hineinnimmt, fragen: Wie kommt es dann, daß an einer einzigen Stelle, im Europarat, das Saargebiet eine selbständige völkerrechtliche Vertretung hat?
({51})
Ich frage weiter: Was soll denn das Saargebiet im Europarat? Wem soll es nützen, und inwieweit ist die Vertretung des Saargebietes im Europarat ein Stück Weges nach Europa? Meint man irgendwo in der Welt, daß in der Periode der großen Räume in Wirtschaft und Politik der Zwang, der auch über der Schaffung Europas liegt, dadurch realisiert wird, daß man einen neuen Kleinstaat aufmacht?
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Es kann keinen Grad des Nutzens eines autonomen oder protektoratsmäßigen Saargebietes für Frankreich geben, der auch nur annähernd so groß wäre wie der Schaden, den Europa und Frankreich durch die Schaffung eines solchen Staatssurrogats erhalten.
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Im Jahre 1946, als man in einem großen und respektablen Überschwang des guten Willens nach Umkehr, Einkehr und Neubau Verfassungen zimmerte, hat sich das französische Volk eine Verfassung gegeben, in deren Artikel 27, Absatz 2, es heißt:
Keine Abtretung, kein Austausch, keine Hinzufügung von Gebiet ist gültig ohne die Zustimmung der interessierten Bevölkerung.
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Nun, meine Damen und Herren, seien wir uns darüber klar, daß diese Saarfrage zu einem wichtigen Entscheidungsfaktor in der Verwirklichung der europäischen Konzeption überhaupt geworden ist. Es gibt keine Verwirklichung europäischen Geistes ohne die Demokratie der Völker auch in der Saarfrage! Aber ich möchte auch für Deutschland vor Methoden der Bagatellisierung der Saarfrage warnen, die bereits dann beginnt, wenn man eine Wertskala aufstellt.
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Diese vergleichsweise Wertung von Europa und der Saarfrage kann dazu führen, daß Europa nach uneuropäischen Prinzipien konstruiert wird.
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Man kann nicht sagen: die Saarfrage ist wichtig, aber Europa ist wichtiger! Denn man kann die Saarfrage aus dem Komplex Europa nicht herausnehmen. Die Saarfrage ist ein Bestandteil der europäischen Frage.
Wenn heute der Herr Bundeskanzler gegen die Politik Frankreichs an der Saar, zuletzt ausgedrückt in den Pariser Konventionen, feierlich Verwahrung eingelegt hat, so hat ihm das ganze Haus zugestimmt. Aber es wird gut sein, wenn man um der völkerrechtlichen Wirksamkeit willen diesen Protest in eine Note gießt und diese Note auf dem Wege über die Hohen Kommissare den Besatzungsmächten überreicht, das heißt der Außenministerkonferenz.
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Hüten wir uns auch vor einer Illusion, die schon leider bei Erörterung einiger anderer Fragen eine Rolle gespielt hat, nämlich vor der Illusion, man müsse jetzt in den Europarat unter allen Umständen auch gleichzeitig mit dem Saargebiet hineingehen, um dort den deutschen Standpunkt zu vertreten. Meine Damen und Herren, die Lektüre des Statuts des europäischen Rates wird Sie von dieser falschen Meinung heilen können. Die großen, zentralen politischen Probleme unterliegen nicht der Kompetenz des Europarats. In der Assemblée, in der demokratischen Parlamentsversammlung, wird nur eine Tagesordnung behandelt, wie sie vom Ministerrat festgesetzt worden ist. Ich brauche Ihnen ja wohl keine Aufklärung darüber zu geben, daß dieser Ministerrat unter allen Umständen, selbst wenn entgegen dem Buchstaben des Statuts der Druck von unten aus der Versammlung sehr stark sein sollte, hintanhalten könnte, daß das Politikum Saar in der Versammlung behandelt wird.
Nun, meine Damen und Herren, haben wir uns dabei mit einem sehr schwerwiegenden Argument der Franzosen auseinanderzusetzen, das einer un-unterrichteten Weltöffentlichkeit Eindruck machen kann, aber uns, die wir diese Jahre erlebt haben, keinen Eindruck machen darf und auch nicht kann. Der französische Außenminister hat mehrfach öffentlich, aber auch uns Sozialdemokraten, in der Unterhaltung vom Januar auf unseren Hinweis, daß die Saarverfassung undemokratisch sei und
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daß wir die Herauslösung nicht anerkennen, erklärt: Aber, meine Herren, warum protestieren Sie jetzt, 1950? Sie hätten doch 1947 protestieren müssen! - Ich möchte darauf hinweisen, daß auch aus den Akten des französischen Außenministeriums hervorgehen muß, daß zur Zeit der Verkündung der Saarverfassung, also im Dezember 1947, Deutschland ja gar kein staatsrechtliches Organ gehabt hat,
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das in seinem Namen hätte sprechen oder Verwahrung hätte einlegen können.
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Ich betone des weiteren, daß eine Reihe von polititischen Persönlichkeiten, Strömungen und Richtungen da sehr wohl protestiert hat, freilich nur im Namen ihrer Organisationen, ihrer Wähler und der Menschen, die ihnen Glauben und Vertrauen schenken. Ich mag die lange Skala der sozialdemokratischen Proteste hier nicht wiederholen. Aber gestatten Sie mir, daß ich einen Abschnitt aus einer sozialdemokratischen Resolution, von Parteivorstand und Parteiausschuß gefaßt am 16. November 1947 auf einer Tagung in Bremen, hier rekapituliere. Da heißt es:
Die Saarverfassung, die unter Umständen beschlossen werden mußte, die eine freie Volksabstimmung vortäuschen sollten, und die in den wichtigsten Fragen den Kommissar einer fremden Macht zum souveränen Herrn über die Geschicke des Landes einsetzt, ist ein Hohn auf alle Demokratie, zu deren unverzichtbaren Grundsätzen gehört, daß die Staatsgewalt ausschließlich vom Volk ausgeübt wird. Die Verfassungsmacher an der Saar haben damit das Land in den Stand eines unfreien Protektorats versetzt. Sie haben somit in Europa einen Zustand neu ins Leben gerufen, der überall in der Welt aufgehoben worden ist oder aber unter dem Druck der freiheitlichen Weltmeinung vor der Aufhebung steht.
Meine Damen und Herren, man kann in Frankreich nicht sagen, daß man diesen Protest einer großen Partei nicht zur Kenntnis genommen hat. Nach dieser Resolution ist sowohl in der französischen wie in der saarländischen Politik eine leidenschaftliche Diskussion über und zum großen Teil gegen diese Resolution entbrannt. Also man hat ja genau gewußt, was das deutsche Volk, vertreten in dieser Richtung durch die eine Partei, vertreten auch durch Meinungsäußerungen anderer Parteien, gewollt hat.
Nun begeht man, glaube ich, auf deutscher Seite einen Fehler, wenn man das Saarproblem atomisiert oder isoliert von dem gesamteuropäischen Problem diskutiert. Seien wir uns darüber im klaren, daß bei der praktischen Behandlung der Saarfrage von entscheidender Bedeutung die Reihenfolge der Schritte ist. Wenn wir ohne eine Möglichkeit, vom Wort des Protestes zur Aktion des Protestes zu kommen, in den Europarat eintreten, wird unser Protest in der Wertung degradiert, und es entstehen die größten Schwierigkeiten bei der praktischen Durchführung der Tendenzen dieses Protestes.
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Wir würden bei einem Eintritt vor der befriedigenden Regelung der Saarfrage die Waffe, die wir praktisch in der Hand haben, aus der Hand geben, wenn wir vorher in die Versammlung des Europarats gleichzeitig mit der Saar einträten. Die Saarregierung hat ganz deutlich erklärt, ein solcher Eintritt würde automatisch bedeuten: Die politische Autonomie ist hier völkerrechtlich sanktioniert, auch ohne daß der Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland vorausgegangen wäre. Sich dagegen zu wehren, ist nicht nur eine deutsche, es ist auch eine europäische Pflicht.
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Europa, aufgebaut auf den Fakten der Hegemonie anstatt auf den Prinzipien der Internationalität, ist ein großer Bau auf schwankem Grunde, ist der Versuch, unfundamentiert auf Sand zu bauen. Dieser Versuch ist um so gefährlicher, als die neuen Saarkonventionen uns ja eine Illustration dazu gegeben haben. Es gibt keinen alliierten Kommentar, der bestreitet, daß die Präambel der Konvention Nr. 1 gültig ist. Diese Präambel bezieht sich ihrerseits wieder auf die Präambel der Saarverfassung und bestimmt die Durchsetzung der Grundsätze der Präambel der Saarverfassung im Saargebiet. In dieser Präambel der Saarverfassung ist alles - die Herauslösung aus Deutschland, der Protektoratscharakter und die Hegemonie Frankreichs - enthalten. Wenn aber diese Präambel - und wahrscheinlich damit auch die ganze Verfassung - Bestandteil eines völkerrechtlichen Vertrags wird, dann kann das Saarvolk selber gewisse Gesetze nicht mehr schaffen. Es kann vor allen Dingen nicht einseitig die Volksabstimmung an der Saar beschließen;
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denn das Recht dazu ist ja durch Anerkennung der Saarverfassungspräambel in einem völkerrechtlichen Vertrag weggegeben. Darum, meine Damen und Herren, müssen wir auch hier zu einer Aktion kommen.
Ich glaube, an sich besteht bei uns allen durchaus der Wille, trotz gewisser Schwächeerscheinungen in der heutigen Struktur Europas und trotz gewisser Beschneidungen und Deformationen Deutschland in den Europarat zu bringen unter der Voraussetzung, daß dieses Eintreten in die Assemblée des Europäischen Rates nicht die Anerkennung des Verlustes des Saargebiets für Deutschland ist. Wenn das aber so ist, nun, dann haben die Alliierten ja eine gute Chance und die Neutralen noch mehr eine gute Möglichkeit, im europäischen Sinne tätig zu werden, wenn sie nur ihren eigenen Prinzipien treu bleiben.
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Sehen Sie, meine Damen und Herren, wir Deutschen sollten hier an dieser Stelle, und ich meine, auch vertreten durch die Bundesregierung, in einem diplomatischen Schritt an den Ministerrat in Straßburg die Forderung richten, doch einmal an Hand unseres Vorbringens, unserer Denkschriften - mögen sie Parteidenkschriften oder Regierungsdenkschriften sein - und an Hand von Untersuchungen an Ort und Stelle festzustellen, ob das Saargebiet die demokratische Legitimation hat, Mitglied der Assemblée zu sein.
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Der Artikel 1 des Europäischen Statuts erklärt: das Ziel ist Sicherung und Verwirklichung der Ideale und Prinzipien, die ihr gemeinsames Erbe sind, nämlich das gemeinsame Erbe aller Länder, die dort Mitglieder sind. Nun, meine Damen und Herren, bedeutet doch das Fehlen der Grundrechte und der praktischen Freiheit, das Fehlen der Rechtsstaatlichkeit überhaupt und der Polizeistaat-Charakter des Saargebiets, daß die Erfordernisse
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des Artikel 3, den ich hier einmal zu Ihrer Kenntnis bringe, nicht vorliegen. Es heißt dort:
Jedes Mitglied des Europäischen Rates muß die Grundsätze der Herrschaft des Rechts und der Wahrung der Menschenrechte und grundsätzlichen Freiheiten für alle Personen, die seiner Jurisdiktion unterliegen, anerkennen.
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Nun frage ich: Wo erkennt die Verfassung in ihrem Zustandekommen, wo die internationale und nationale Staatspraxis der Saar diese Grundrechte, diese Freiheiten und diese Wertung der Persönlichkeit an? Die Artikel 4 und 5 regeln die Möglichkeit der Einladung an alle Länder. Es besteht nicht nur die Möglichkeit, sondern im Falle des Bekenntnisses zu den eigenen Prinzipien auch die Notwendigkeit für die Mitgliedstaaten in Straßburg, diese Einladung an das Saargebiet nicht ergehen zu lassen.
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Dann, meine Damen und Herren,' ist die Frage gelöst, ob man Europa mit einem autoritär regierten Polizeistaat Saarland schaffen will oder mit dem guten Willen von 50 Millionen Deutschen.
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Das Prinzip ist trotz der außerordentlichen Schwere der Konventionen bereits mit dem französischen Anspruch im Sommer 1949 gegeben, Deutschland in den Europarat aufzunehmen unter der Voraussetzung der gleichzeitigen Aufnahme des Saargebiets. Hier soll man sich an eine feste kontinuierliche Linie im Sinne der Meinung halten, die wir schon damals vorgetragen haben. Die äußerste Reserve gegenüber jeder Politik der nichtgarantierten Vertröstungen und Versprechungen ist nach vielen Erfahrungen, die wir in den letzten fünf Jahren gemacht haben, angemessen.
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Sie ist auch nach den Erfahrungen, die wir in der Saarfrage gemacht haben, das Richtige.
Dementsprechend erkläre ich heute schon: Bei einem gleichzeitigen Eintritt des Saargebiets wird die sozialdemokratische Fraktion des Bundestages keiner Vorlage zustimmen, die den Eintritt Deutschlands in den Europarat bedeutet. Nicht so sehr aus der Verteidigung der selbstverständlichen Rechte unseres Volkes als deswegen, weil wir Europa durch die Anwendung von Methoden, die früheren Jahrhunderten angemessen gewesen sein mögen, nicht desorganisieren lassen wollen.
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Vergessen Sie nicht die elementare Bedeutung dieser Tatsache. Heute ist doch durch das unpsychologische Vorgehen, durch die Ungeschicklichkeit, ich möchte sagen: durch die selbstherrliche Konzeptionslosigkeit, mit der man oft deutsche Fragen behandelt, die Saarfrage in ein Stadium gerückt, in dem sie der antideutschen „Nationalen Front" aus dem Osten die fehlende Propagandaformel liefert.
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Heute ist doch tatsächlich in der Agitation der kommunistischen SED und ihrer Hilfsvölker die Saarfrage bereits die bequeme Ablenkung von dem Problem der Oder-Neiße-Linie.
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Sie dürfen auch nicht übersehen, daß diese Gefahr größer ist als in jedem anderen Stadium, weil wir heute in Deutschland eine siegreiche ZweihundertMillionen-Macht auf unserem Boden haben, die agitatorisch die kommunistische Linie bei der Beeinflussung des deutschen Volkes längst zu den Akten gelegt hat und überhaupt nur noch mit der nationalistischen Linie operiert.
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Es ist darum unrichtig, wenn aus Großbritannien eine halboffiziöse Stimme herübergeklungen ist, die da meinte, man köhne doch den Vergleich nicht ziehen; denn im Saargebiet gebe es doch den entscheidenden Tatbestand der Ausbürgerung nicht. Diese Ausbürgerung im Osten ist von elementarer Wichtigkeit, ist aber nicht das Problem, das hier zur Diskussion steht. Hier steht zur Diskussion die Grenzziehung, aber die Grenzziehung mit allen ihren Konsequenzen. Man hat, scheint es, bei den Erfolgen, den große Teile des deutschen Volkes in der Abwehr des östlichen Totalitarismus erzielt haben, übersehen, welch gewaltige psychologische Rolle dabei unser Kampf gegen die Oder-NeißeGrenzziehung gespielt hat. Darum wäre ein Zurückweichen hier eine Schwächung unserer Position, eine Versündigung an den Vertriebenen und eine Todsünde an Berlin und der Ostzone.
({75})
Ich gebe gern zu, daß viele Schwierigkeiten aus Ungeschicklichkeiten entstanden sind, die ihrerseits nicht aus bösem Willen der Alliierten erwuchsen, aber ich möchte sagen: aus der opportunistischen Bequemlichkeit des obrigkeitlichen Regierens. Aber man soll nicht obrigkeitlich regieren in diesem Lande auf dem Rücken und auf Kosten der Demokratie.
({76})
Die Existenz, die Vitalität und die politische Aktionsstärke der deutschen Demokratie ist ein proeuropäischer Faktor, den man ungestraft nicht im kleinsten beschneiden darf.
({77})
Ich will mich nicht polemisch gegen den Vorwurf des Nationalismus wenden. Gewiß gibt es viel Nationalismus in Europa. Gewiß gibt es auch Nationalismus in Deutschland. Aber er kam bei der Haltung der politischen Parteien jetzt in der konkreten Saarfrage nicht zum Ausdruck. Es gibt Adressen, an die man den Vorwurf des Nationalismus auch richten möchte. Es ist unrecht, dem deutschen Volk als nationalistische Todsünde das vorwerfen zu wollen, was jedes Volk und jede Richtung für sich als selbstverständlich beanspruchen kann.
({78})
Mit der Politik, wie sie sich jetzt in dem Komplex Saarfrage, Europaratsfrage ausdrückt, schafft man in Deutschland einen neuen Nationalismus. Es ist meist der neue Nationalismus alter Nationalisten, so wie es der Neofachismus alter Faschisten ist, der hier herum agiert.
({79})
Aber das Schlimme ist, daß große politisch desorientierte Massen in der Ungerechtigkeit und in der obrigkeitlichen Handhabung politischer Methoden eine nachträgliche Rechtfertigung der eigenen Untaten sehen können.
({80})
Man darf nicht die Kräfte, die sich gegen den Nationalismus und Nazismus in Deutschland gestellt haben und stellen, als Hauptschuldige vergangener Perioden betrachten und behandeln.
({81})
Sonst muß ich die Warnung aussprechen, daß heute
in Deutschland jeder Nationalismus antidemokratisch und antiwestlerisch ist, daß jeder Nationalis({82})
mus im Sinne Europas und der Demokratie in der entscheidenden Frage unseres Zeitalters unzuverlässig macht. Warnen möchte ich, mit den Attakken gegen falsche Fronten, mit der Politik der billigen Vorwürfe die Faktoren in Deutschland zu schwächen, ohne die es keine deutsche und keine europäische Demokratie gibt.
({83})
Wenn wir nun über die beiden diplomatischen Schritte hinaus, die ich angeregt habe, in eine Periode der Realisierung praktischer Vorschläge kommen wollen, dann warne ich vor utopischen Vorschlägen, vor Vorschlägen klangvoller Formeln, vor Vorschlägen, aus denen man uns gegenüber den Verdacht herauslesen könnte, wir seien von irgendeiner missionarischen Idee besessen. Wir dürfen keine Projekte einer Made-in-Germany-Politik offerieren. Wir können uns auch den Luxus unrealistischer Verkennung der Machtverteilung in der Welt nicht leisten. Wir müssen also immer wieder den Versuch machen, die Materie nach dem Möglichen und nach dem europäisch Sinnvollen bei Achtung der großen nationalen Komplexe besonders der beiden Völker, die in Frage kommen, zu gestalten.
Ich beabsichtige nicht, in eine Einzelkritik praktischer Vorschläge zu gehen, die am Schluß der Denkschrift der Bundesregierung zu lesen sind. Ich möchte aber vor Impressionen des Moments warnen. Ich mache daraus keine Kardinalfrage; aber ich halte es beispielsweise nicht für gut, wenn man für die Form einer internationalen Saarbehörde ein Modell Ruhrbehörde nimmt oder auch nur erwähnt.
({84})
Sie kennen die sachlichen Gründe, die dann die Sozialdemokratie in die Front gegen eine solche Organisation bringen müßten. Aber wenn man schon mit solchen Ideen spielt - man sollte es erst im kleinsten Kreise und auch nicht öffentlich tun -, dann sollte man doch einmal untersuchen, ob das nicht ein Anlaß zur Reorganisation und grundsätzlichen Änderung der Ruhrbehörde werden könnte.
({85})
Aber darüber, glaube ich, brauchten wir uns heute noch nicht auseinanderzusetzen.
Wir haben Gefahren, die natürlich nicht nur in den agitatorisch erregten Emotionen der Völker bestehen. Wir haben auch Gefahren, die in dem Hineinsickern von Finanz- und Industriekreisen und Interessentengruppen in die hohe politische Bürokratie einer ganzen Anzahl von Ländern bestehen.
({86})
Wir müssen, glaube ich, die Völker dazu bringen, sich auf die Interessen der Völker und nicht auf die Interessen der Gruppen zu besinnen, dann ist die Vereinheitlichung leichter.
Wir dürfen auch nicht übersehen, daß wir kolossal unter Zeitdruck stehen. In 2 bis 21/2 Jahren ist die Marshallplanhilfe zu Ende. Wir können doch heute schon feststellen, daß die große Gefahr besteht, daß Europa bzw. eine große Anzahl europäischer Länder in entscheidenden Punkten die Marshallplanhilfe nicht in europäischem Sinne zu nutzen verstanden hat.
({87}) Wir haben sehr wenig politisches Europa, und wir haben sehr viel politischen und ökonomischen Nationalismus. Mit den Mitteln der Marshallplanhilfe, die zum Zwecke der Europäisierung gegeben wurde, ist in einer Anzahl von Fällen nicht
eine Europäisierung, sondern eine Autarkisierung der Nationalstaaten durchgeführt worden.
({88})
Nun wird es Zeit, aus der Periode theoretischer Erwägungen in die Arena der Verhandlungen hineinzuspringen. Verhandlungen sind nötig unter dem Gesichtspunkt europäischer Arbeitsteilung, vor allem zwischen Frankreich und Deutschland, und dabei ist vollauf die Rolle des Saargebiets zu berücksichtigen.
Sehen Sie, wir haben nicht nur ein Verhältnis, wie es jetzt bei den Konventionen zum Ausdruck kam, Paris-Saarbrücken; es besteht doch auch ein Verhältnis Bonn-Saarbrücken,
({89})
und über allem steht doch das Verhältnis Bonn-Paris.
({90})
Es gibt bei aller Anerkennung französischer Interessen an der Saar doch auch deutsche Interessen an der Saar,
({91})
und es gibt auch saarländische Interessen an Deutschland.
({92})
Man sollte jetzt von unserer Seite den Versuch machen, unter Betonung der europäischen Kooperation und in strengeuropäischem Rahmen im Geiste der Gemeinsamkeit auf das Ziel einer größtmöglichen wirtschaftlichen Vereinigung Europas loszugehen. Ohne Zweifel ist es eine gute Sache, wenn Frankreich und Deutschland gerade wegen der besonderen Spannung zwischen diesen Ländern und ihren Wirtschaften auch den Anfang bei der konkreten Behandlung dieser Themen machen; denn wenn Frankreich und Deutschland nicht die Formel der ökonomischen Symbiose für die Zeit nach dem Aufhören des Marshallplans finden, dann konkurrieren sie sich mit den 1952 vorhandenen europäischen Überkapazitäten in Grund und Boden. Die Völker erzeugen durch eine falsche Politik in Europa eine Arbeitslosigkeit, die dem östlichen Totalitarismus eine vorher noch nie gekannte Chance gibt.
({93})
Darum, meine Damen und Herren, steuern wir auf das Ziel eines Friedensvertrages mit Deutschland. Aber solange er nicht realisiert ist, sollten wir besonders auf wirtschaftspolitischem Gebiet, nicht auf territorialem Gebiet, das Ziel angehen, Anfänge zu schaffen in der gegenseitigen wirtschaftlichen Berücksichtigung der Interessen Frankreichs und Deutschlands durch direkte Fühlungnahme. Mit anderen Worten, ich rede hier einer Initiative zu Verhandlungen mit Frankreich speziell auf wirtschaftspolitischem Gebiet das Wort, Verhandlungen, die größer sind und tiefer gehen als das, was Handelsvertragsabkommen hervorbringen können, die einen französisch-deutschen Freundschaftsvertrag bringen.
Wenn wir dabei das Saargebiet weitgehend in den Mittelpunkt stellen, dann werden französische und deutsche Interessen berücksichtigt werden können. Aber dann wird diese Verhandlungsperiode auch die Welt und das französische Volk, das bestimmt niemanden von seinem eigenen Volksganzen losreißen will, darüber aufklären, wohin die politische Willensrichtung der Saarbevölkerung geht. Léon Blum, der große französische Sozialist, hat am 17. Januar einen Artikel
({94})
geschrieben, in dem er ganz eindeutig zwei Forderungen in den Mittelpunkt stellt: erstens Volksabstimmung an der Saar und zweitens Untersuchung der zwischen Frankreich und Deutschland strittigen juristischen Fragen durch die Haager Schiedsgerichtsbarkeit.
Ich nenne dieses Beispiel, um den Willen zur Versöhnung auch in anderen Völkern zu zeigen. Denn es ist schlecht um die Idee der Internationalität bestellt, wenn Besiegte allein ihre Wortführer sind. Die Menschheitsideen sind groß genug, um unbekümmert um die taktische Machtposition die Menschen zu bewegen und in politische Aktionen im Sinne des Ausgleichs und des Friedens zu bringen. Wenn sich in diesen Verhandlungen die Klärung der politischen Saarfrage nicht ergibt - nun, meine Damen und Herren, dann werden wir in der Welt dafür Verständnis finden, wenn wir eine Volksabstimmung an der Saar in Freiheit, eine Volksabstimmung an der Saar ohne Furcht fordern.
({95})
Wir sind auf dem Wege nach Europa. Aber es ist in der konkreten Situation nicht in erster Linie eine deutsche Schuld, wenn dieser Weg sehr viele Abirrungen und Umwege zeigt. In der Politik, meine Damen und Herren, sind die Umwege immer das Gefährlichste. Denn auf Umwegen kommt man durch unwirtliche Gegenden mit einem politischen Klima, das dieser Entwicklung nicht immer zuträglich ist; und es drohen Abhänge und Abstürze. Das geringste Risiko und die größte Kraft liegen in einer Politik, die im vorliegenden Falle geradeaus auf Europa geht!
({96})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Schon seit Wochen und Monaten war die gesamte deutsche Öffentlichkeit über die Tatsache unterrichtet, daß zwischen der französischen Regierung und der Regierung des Saargebietes Verhandlungen über die politische und wirtschaftliche Entwicklung des Saargebiets geführt wurden.
({0})
Ich bitte, die Ruhe im Hause zu wahren.
Schon anläßlich des Besuchs des französischen Außenministers Herrn Schumann wurde diese Frage von ihm und mit ihm besprochen. Und ich glaube, niemand, der damals Gelegenheit hatte, mit dem Außenminister Schuman über diese Dinge zu sprechen, hat die ernste Sorge der Deutschen verhehlt, mit der wir dieser Entwicklung entgegengesehen haben. Ich selbst habe dem Außenminister gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß er keinen Anlaß habe, an der Bereitschaft Deutschlands zu zweifeln, in ein unmittelbares Gespräch zwischen Frankreich und Deutschland einzutreten. Ich habe aber auch darauf hingewiesen, daß die Gespräche, die zwischen Frankreich und dem Saargebiet geführt würden, geeignet sein könnten, ja geeignet seien, die deutsch-französische Annäherung, die
auf dem Wege war, sich zu einer deutsch-französischen Freundschaft zu entwickeln, in entscheidendem Maße zu gefährden. Ich habe der Überzeugung Ausdruck gegeben - und habe damit das wiederholt, was auch der Herr Bundeskanzler in verschiedenen Erklärungen vorher zum Ausdruck brachte -, daß die Interessen Frankreichs an der Saar, die Interessen Deutschlands an der Saar und die Interessen des Saargebietes selbst als eine Brücke zwischen Frankreich und Deutschland in solchen Gesprächen in einem ausreichenden und alle Teile befriedigenden Maße berücksichtigt werden könnten.
Meine Damen und Herren! Die nunmehr bekanntgewordenen Verträge vom 3. März, über die der Herr Bundeskanzler das Hohe Haus unterrichtet hat, mußten im gesamten deutschen Volk das Gefühl einer tiefen und echten Enttäuschung hervorrufen.
({0})
Ich war aber mehr noch betroffen über die Reaktion, die diese Äußerungen der Kritik und des berechtigten Unmuts aus deutschem Munde im Ausland gefunden haben.
({1})
Und wenn ich mich auch bemühe zu verstehen, daß französische Zeitungen für diese Reaktion im Augenblick nicht das nötige Verständnis hatten, so möchte ich doch einen Kommentar zitieren, der mir zu denken gegeben hat, einen Kommentar aus der „Neuen Züricher Zeitung" vom 7. März, in clem folgendes zu lesen war:
Die Heftigkeit der deutschen Reaktion auf die
französisch-saarländischen Abkommen stellt für die sachlich urteilenden Kreise eine Überraschung dar. Die deutschen Kommentare sind von so hemmungsloser Leidenschaft und Unsachlichkeit getragen, daß in ausländischen Kreisen in Bonn von einem unbegreiflichen Phänomen gesprochen wird, das offenbar nur mit unausrottbaren Ressentiments gegenüber dem „Erbfeind Frankreich" erklärt werden könne.
({2})
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß man ganz im Gegenteil es als ein echtes, als ein unfaßbares Phänomen bezeichnen muß, daß große Teile der Weltpresse einen solchen Mangel an Einfühlungsvermögen in deutsches Denken zeigen,
({3})
daß man gerade auch aus den Äußerungen des deutschen Bundeskanzlers so wenig die ernste Sorge eines Mannes herausgehört hat, der sich seiner Aufgabe und Verpflichtung als Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland ebenso bewußt war und ist wie seiner Aufgabe und Verpflichtung, in dieser Eigenschaft an dem Aufbau einer echten europäischen Gemeinschaft ohne jeden inneren Vorbehalt mitzuarbeiten,
({4})
daß man aus den Ausführungen verantwortlicher deutscher Politiker so wenig das Gefühl einer echten - ich möchte sagen tragischen Enttäuschung herausgehört hat, die wir Deutsche empfunden haben, die wir uns diesem europäischen Gedanken auch verpflichtet fühlen. Niemand wird doch gerade der deutschen Bundesregierung den Vorwurf machen können, daß sie es irgendwann versäumt habe, sich wirklich zum Dolmetsch nicht nur der deutschen Auffassung, sondern echter europäischer Empfindungen zu machen.
({5})
({6})
Mit einer, ich möchte sagen, Kühnheit und Entschlußfreudigkeit, die vielleicht manchen innerhalb und außerhalb Deutschlands überraschte, hat der Bundeskanzler in vollem Einvernehmen mit den Parteien, von deren Vertrauen er getragen ist, unmittelbar an Frankreich schon vor Monaten das Wort gerichtet.
Mein Vorredner, Herr Dr. Schumacher, hat vorhin mit Recht darauf hingewiesen, daß man die europäische Konzeption nur verwirklichen könne, wenn man kühn und mutig sei, und daß es fehlerhaft sei, hier schlau und ausweichend zu sein. Ich glaube, den Vorwurf, ausgewichen zu sein, kann man am wenigsten der Politik des Bundeskanzlers machen.
({7})
Dabei hat sich der Bundeskanzler auch nicht etwa der einfachen Methode bedient, den Vorschlag zu machen, unter Vergangenes einen Strich zu ziehen, das Vergangene als ein historisches Akzidens abzutun, das ohne Auswirkungen auf die Gegenwart und Zukunft sein müsse, sondern er hat unter ausdrücklicher Anerkennung auch der besonderen französischen Auffassungen und Wünsche das Bedürfnis Frankreichs nach echter Sicherheit als eine Realität bezeichnet, die er anzuerkennen und der er Rechnung zu tragen bereit sei.
Meine Damen und Herren! Auch wenn die deutsche Außenpolitik heute noch in den Händen der Hohen Kommissare liegt, so war der Kanzler doch berechtigt, diesen unmittelbaren Anruf nach Frankreich ergehen zu lassen. Und ich glaube, das Echo, das er damals gefunden hat, hat ihm bestätigt, daß er auf dem richtigen Weg war. Sollte man ihn nicht ebenso verstehen, sollte man uns nicht ebenso verstehen, wenn wir heute doppelt enttäuscht sind, daß unsere Enttäuschung nicht auch das Echo des Verständnisses findet?
({8})
Vor der Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland haben die Alliierten eine Reihe von Erklärungen abgegeben, auf die mein Vorredner schon kurz zu sprechen kam. Ich will den völkerrechtlichen Charakter dieser Erklärungen hier nicht untersuchen. Ich will auch nicht die Frage behandeln, inwieweit nach den Vorstellungen der damaligen Regierungschefs der alliierten Länder das deutsche Volk das ausdrückliche Recht besitzt oder nicht besitzen soll, sich auf diese Erklärungen zu berufen. Beide Fragen scheinen mir auch bedeutungslos zu sein. Denn ich habe nicht den Eindruck gehabt und habe ihn auch heute nicht, daß diese Erklärungen, die vor Beendigung des Kriegszustandes abgegeben worden sind, neues Völkerrecht schaffen sollten. Ich habe vielmehr den Eindruck, daß sie altes Völkerrecht in seinem Bestand bestätigen sollten.
({9})
Die Atlantik-Charta vom 14. August 1941 hat ausgesprochen:
Die Länder
- die Unterzeichner der Atlantik-Charta - erstreben keine territoriale oder sonstige Vergrößerung. Sie wünschen keine Gebietsveränderungen, die nicht mit den frei zum Ausdruck gebrachten Wünschen der betreffenden Bevölkerung übereinstimmen. Sie erkennen das Recht aller Völker an, die Regierungsform zu wählen, unter der sie leben wollen, und sie wünschen, daß denen souveräne Rechte und Selbstregierung zurückgegeben werden, die ihrer gewaltsam beraubt worden sind.
Diese Atlantik-Charta vom 14. August 1941 wurde am 26. Dezember 1944 von der französischen Republik ausdrücklich anerkannt.
In dem Bericht über die Konferenz von Yalta im Februar 1945 wird ausdrücklich festgestellt:
Mit dieser Erklärung bestätigen wir von neuem unseren Glauben an die Grundsätze der Atlantik-Charta und unser in der Erklärung der Vereinten Nationen gegebenes Gelöbnis.
Der Inhalt dieser Erklärungen aus der Atlantik-Charta und aus der Konferenz von Yalta hat seinen Niederschlag gefunden in der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945, in der es heißt, daß es der Zweck der Organisation sei, freundschaftliche Beziehungen unter den Nationen zu entwickeln, die auf der Achtung des Grundsatzes gleicher Rechte und der Selbstbestimmung der Völker beruhen. Auch dieser Charta der Vereinten Nationen ist Frankreich beigetreten.
Meine Damen und Herren! Ich möchte auch nicht die Frage untersuchen, inwieweit wir heute schon das geschriebene Recht besitzen, uns auf diese Charta der Vereinten Nationen zu beziehen. Ich glaube, wenn es möglich sein soll, eine neue Rechtsordnung zwischen den Völkern zu schaffen, die auf den ungeschriebenen, aber heiligen Grundsätzen des Rechts und der Gerechtigkeit aufgebaut sein muß, dann sollten wir nicht wie schlechte Prozeßparteien uns zu überlisten versuchen. Dann sollten wir nicht objektive Normen nach subjektiven Vorstellungen auszulegen versuchen. Damit würden wir uns vielleicht vom Recht entfernen, auch wenn wir recht behalten würden. Ich war und bin überzeugt, daß es den alliierten Nationen seinerzeit ernst war und auch heute noch ernst ist um den Sinn dieser Erklärungen und um die Verwirklichung dieser Vorstellungen. Dann aber sollte auch die französische Republik in der Beziehung zu Deutschland und in dem, was sie in bezug auf das Saargebiet tut und läßt, diesen Vorstellungen Rechnung tragen.
Ich möchte nicht das wiederholen, was schon über die Rechtsstellung Frankreichs gegenüber dem Saargebiet gesagt worden ist; ich möchte mich auf einige Feststellungen beschränken. Das Memorandum vom 10. April 1947, das hier schon wiederholt erwähnt worden ist, das Memorandum der französischen Regierung auf der Moskauer Konferenz, enthält zwar konkrete Forderungen in bezug auf das Saargebiet; aber - und das muß gesagt werden - diesen Forderungen haben die übrigen Alliierten bis zum heutigen Tag nicht entsprochen. Wenn wir schon hören müssen, daß dieses Memorandum vom 10. April 1947 die Auffassungen der französischen Regierung rechtfertigen soll, dann sollte man auch auf die Äußerungen Bezug nehmen, die der amerikanische Außenminister Marshall auf dieser Konferenz gemacht hat, die mir wert zu sein scheinen, wörtlich wiedergegeben zu werden. Im Zusammenhang mit der Besprechung dieses Memorandums sagte Marshall:
Wenn wir uns wieder dem Problem der Grenzen zuwenden, scheine ich vielleicht meinen Kollegen allzuviel Nachdruck auf diese Frage zu verwenden. Dieser Nachdruck entspringt einem tiefen Verantwortungsbewußtsein gegenüber meinem Lande in bezug auf diesen Punkt. In den vergangenen Jahren waren die Vereinigten Staaten zweimal gezwungen, ihre Truppen über den Atlantik zur Teilnahme an einem Krieg zu senden, der seinen Ursprung
({10})
in Europa genommen hat. Wir taten unser Bestes mit Millionen von Menschen und Milliarden von Dollars, zu den Siegen für die Erhaltung eines freien Europa beizutragen. Es ist unsere Aufgabe, eine Friedensregelung zu schaffen, deren Aufrechterhaltung als Ganzes von den Völkern Europas gewünscht wird. Wir brauchen eine Friedensregelung, die sich sozusagen in den zukünftigen Jahren von selbst durchsetzt. Wir brauchen eine Friedensregelung, die die Völker Europas zur friedlichen Zusammenarbeit anspornt. Wir brauchen eine Friedensregelung, die lebensfähig ist und die Anerkennung der Geschichte findet. Wir müssen über das Heute und Morgen hinaus auf 25 und 50 Jahre und über die Lebensdauer der meisten von uns hinausschauen.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn man das Memorandum vom 10. April 1947 erwähnt, sollte man nicht vergessen, auch diese Feststellungen des amerikanischen Außenministers zumindest in Erwägung zu ziehen, denn sie scheinen mir dem zu entsprechen, was heute aus den Worten meiner Vorredner klang. Sie scheinen mir eine eindringliche Warnung zu enthalten, ein zweites Mal in irgendeinem Fall und an irgendeinem Punkte einen Frieden zu schaffen, dessen Basis nicht das Recht, sondern die Gewalt ist.
({11})
Meine Damen und Herren! Was ist nun geschehen? Worüber unterhalten wir uns? Es wird uns gesagt - auch darüber ist schon gesprochen worden -, im Jahre 1947 habe das deutsche Volk im Saargebiet eine echte politische Entscheidung getroffen. Ich würde diese Frage hier nicht an- schneiden, wenn ihr nicht eine solche Behauptung vorangegangen wäre. Aber eine solche Behauptung zwingt uns, klare Feststellungen zu treffen. Es hieße meines Erachtens die Ereignisse in den Jahren 1946 und 1947 im Saargebiet zu entstellen, wenn man den Landtagswahlen in diesem Teil Deutschlands den Charakter einer plebiszitären Entscheidung zuerkennen wollte.
({12})
Man würde den hohen Begriff der Selbstbestimmung der Völker herabwürdigen, wenn man diese Wahl als den Ausdruck einer echten politischen Selbstbestimmung bezeichnen würde.
({13})
Ganz abgesehen davon, daß, wie ja auch schon gesagt worden ist, die Änderung der Grenzen Deutschlands vom Jahre 1937 nach den wiederholten ausdrücklichen Erklärungen der Siegermächte dem Friedensvertrag vorbehalten werden soll, kann man wohl auch zu Ehren des gesamten deutschen Volkes an der Saar sagen, daß es niemals in freier Entscheidung einer solchen Entwicklung zugestimmt haben würde. Niemand, der auch nur die Präambel der sogenannten saarländischen Verfassung einmal gelesen hat, wird sagen können, daß es sich hier um den Bestandteil eines demokratischen Grundgesetzes handelt,
({14})
eines Grundgesetzes, das die demokratischen Grundrechte anerkennt, die ja gerade in Frankreich ihren ersten lebendigen Ausdruck gefunden haben. Wir glauben noch weniger, daß ein Landtag und eine Regierung eines deutschen Landes, das als Teil einer, Besatzungszone und auf Anordnung einer Besatzungsmacht entstanden ist, ohne dadurch den Charakter eines Bestandteils des
Deutschen Reiches zu verlieren, die völkerrechtliche oder gar die moralische Qualifikation und Legitimation haben sollten, über deutsches Land Verträge abzuschließen, wie sie uns heute vorliegen.
({15})
Meine Damen und Herren, ich möchte nicht wiederholt auf den Inhalt der Verträge im einzelnen eingehen, über die der Herr Bundeskanzler schon gesprochen und die auch mein Vorredner schon diskutiert hat. Ich begnüge mich mit der Feststellung, daß diese Verträge, man mag sie auslegen, wie man will, zweifellos nicht nur die wirtschaftliche, sondern darüber hinaus die politische Abtrennung und Loslösung dieses Teils Deutschlands von dem restlichen Deutschland zumindest bedeuten können.
({16})
Es ist richtig, daß die Erklärung, von der der Herr Bundeskanzler sprach, die ihm gestern im Auftrag der französischen Regierung übermittelt worden ist, verschiedene Auslegungen zuläßt. Ich möchte mir nicht die Auslegung zu eigen machen, die mein Vorredner dieser Erklärung gegeben hat, der sagte, in dieser Erklärung sei ja nur von einer Bestätigung der Saarverträge im Friedensvertrag die Rede, und das bedeute, daß die Saarverträge offenbar mit Wirkung über den Friedensvertrag abgeschlossen seien und es nur der formellen Ratifizierung im Friedensvertrage bedürfe.
Ich möchte mich im Interesse des deutschen Standpunktes und weil ich an die Aufrichtigkeit dieser Erklärung der französischen Regierung glaube und glauben will, zu einer anderen Auslegung bekennen, zu der Auslegung nämlich, daß diese Verträge unter einer auflösenden Bedingung geschlossen sind, das heißt, daß sie automatisch aufgelöst werden, wenn nicht im Friedensvertrag eine ausdrückliche Bestätigung herbeigeführt wird. Ich glaube, daß diese Auslegung die logische ist, weil sonst diese Erklärung nicht nur keinen politischen, sondern auch keinen echten moralischen Wert mehr besitzen würde.
({17})
Meine Damen und Herren, wenn, wie es auch hier in den Ausführungen des Bundeskanzlers zum Ausdruck kam und wie es auch mein Vorredner als Sprecher der größten Partei der Opposition mit Nachdruck betonte, es uns in Europa um die Verwirklichung eines gemeinsamen europäischen Zieles ernst ist, dann sollte man nicht vergessen, daß die Bereitschaft für eine solche europäische Einigung wohl noch niemals in Europa so stark war wie in den vergangenen Jahren.
({18})
Man sollte nicht vergessen, daß es gerade das deutsche Volk war, das diesen Gedanken mit einer Ernsthaftigkeit aufgenommen hat, an der man nicht zweifeln darf.
({19})
Vielleicht ist es so, daß gerade unter dem Eindruck des vollkommenen Zusammenbruchs nach diesem grauenvollen Krieg, nach diesem Erlebnis einer geradezu widerwärtigen Entartung eines krankhaften und schlechten Nationalismus, nach dieser unaufrichtigen, verlogenen und übersteigerten Auslegung eines falschen Souveränitätsbegriffes, daß gerade aus diesem Erlebnis unser deutsches Volk mehr als andere erkannt hat, daß der Gemeinschaft der Menschen, die den Frieden wollen, als notwendiges Korrelat eine Gemein({20})
schaft der Völker entsprechen muß, die den Frieden wollen.
({21})
Es war auch weit mehr als eine billige Geste, wenn sich die deutsche Bundesrepublik in Artikel 24 freiwillig zu der Bereitschaft bekannt hat, Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen zu übertragen und in die Beschränkungen eigener Hoheitsrechte einzuwilligen, um in einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeizuführen und zu sichern. Ich glaube, daß noch keine europäische Verfassung ein solches Bekenntnis zu einer gemeinsamen Ordnung, daß noch keine europäische Verfassung den freiwilligen Verzicht auf Hoheitsund Souveränitätsrechte, daß noch keine europäische Verfassung den Ausdruck des Bekenntnisses zu einem solchen Substrat eines echten Souveränitätsbegriffes enthält.
({22})
Daß eine solche Vorstellung von einem geeinten Europa in der rauhen Wirklichkeit der Politik und der Wirtschaft nicht leicht zu verwirklichen sein werde, meine Damen und Herren, das war wohl jedem von uns klar. Aber wenn diese Vorstellungen noch vor 25 Jahren als Utopie bezeichnet und diejenigen, die sich zu ihnen bekannten, als Illusionisten belächelt worden sind, so, glaube ich, sind wir doch heute einen wesentlichen Schritt weitergekommen. Die zahlreichen Treffen und Aussprachen europäischer Politiker in den letzten Jahren haben uns bewiesen, daß in allen Ländern Europas der ernste Wille vorhanden ist, dieses gemeinsame Ziel als eine gemeinsame Aufgabe zu betrachten und diese Aufgabe in gemeinsamer vertrauensvoller Zusammenarbeit zu lösen. Wir sind weiter, als wir noch im Jahre 1930 waren, als der große französische, aber auch große europäische Staatsmann Briand - der kongeniale Gegenspieler des großen deutschen und europäischen Staatsmannes Stresemann - seinen Europaplan vorlegte und damals schon sagte:
Das Werk der Zusammenfassung Europas entspricht Notwendigkeiten, die dringend und lebenswichtig genug sind, um dieser Zusammenfassung ihren Selbstzweck in wahrhaft positiver Arbeit zu geben, die sich niemals gegen irgendjemanden richten kann und richten läßt.
Wir sind der Verwirklichung dieses Zieles nähergekommen.
Auch wenn das Europastatut nur eine erste Etappe auf diesem Wege darstellen wird, so glaube ich doch, daß sich das Europastatut aus der politischen Entwicklung der letzten Jahre überhaupt nicht wegdenken läßt und daß man nicht nur die Unvollkommenheiten dieses Statuts studieren, sondern den echten Inhalt prüfen sollte. Ich weiß, die Aufgaben, die der Europarat zu lösen hat, sind noch in einer Art Kasuistik beschränkt, und über dem Europarat steht - ich möchte sagen, leider -- noch als Mentor der Ausschuß der Minister. Ich sage „leider", weil es auch von Teilnehmern an der ersten Sitzung des Europarats in Straßburg mir bestätigt wurde, daß die dynamische Kraft, die einem solchen Europarat innewohnt und innewohnen wird, immer wieder durch das statische Element gedämpft und gehalten wurde, das sich nun einmal in Regierungen zu verkörpern pflegt. Ich wurde, als manche Kritik und manche Enttäuschung an der
ersten Arbeit des Europarats in Straßburg laut wurde, daran erinnert, daß schon im Haag ein englischer Politiker sagte:
Vielleicht werden wir Europa mit den Völkern Europas gegen ihre Regierungen schaffen müssen.
({23})
Ich bin aber deswegen doch nicht der Meinung meines Vorredners, daß der Europarat und sein Statut uns jetzt oder gar in Zukunft verwehren würden, deutsch-französische Probleme in Straßburg zu besprechen, vorausgesetzt, daß wir dort einmal zusammenkommen.
({24})
Denn ich glaube: nicht ein Statut gibt die Grenzen der Leistungsfähigkeit eines Organs wieder, sondern der Wille derer, die in diesem Organ versammelt sind.
({25})
Kein Statut, es mag ausgearbeitet sein, wie es will, es mag Grenzen ziehen, wie es will, wird Europäer in Straßburg verhindern können, sich gemeinsam an einen Tisch zu setzen, gemeinsame Sorgen und Probleme zu besprechen und gemeinsame Lösungen zu finden.
({26})
Ich glaube, wir dürfen nicht mit irgendwelcher Skepsis, wir dürfen nicht mit Zweifeln an solche Aufgaben herangehen.
({27})
Ich wiederhole das, was Herr Dr. Schumacher selber sagte: Wir müssen kühn und mutig sein und nicht schlau und ausweichend.
Das, was dem Europarat voranging, war der Haager Kongreß vom Jahre 1948. Ich glaube, nie-. mand, der an diesem Kongreß teilgenommen hat, wird den Eindruck dieser ersten echten europäischen Begegnung vergessen haben, und wir würden uns am Geiste Europas versündigen, wenn wir nicht auf diesen Wegen weitergehen wollten. Ich erinnere an die Rede, die auf diesem Europakongreß der Professor Brugmans hielt, wohl einer derjenigen, die am stärksten an der Erweckung des europäischen Gedankens mitgearbeitet haben. Dieser sagte damals:
Wieder einmal gilt es, Widerstand zu leisten gegen eine Bedrohung. Sicherlich, denn wir wehren uns gegen ein kolonisiertes, ausgebeutetes, totalitäres, unterworfenes Europa. Wenn wir diese letzte Chance ergreifen, dann werden unsere Enkelkinder sagen können: Im tiefsten Elend haben sie sich zusammengefunden. Sie haben es verstanden, ihre Fehler und Schwächen zu überwinden. Sie haben bewiesen, daß nichts den festen Willen freier Völker zu brechen vermag. Sie taten recht. Sie waren stark und sie dienten dem Frieden. Sie haben sich um das Menschengeschlecht verdient gemacht.
Meine Damen und Herren! Ich gebe diese Erinnerung wieder, weil ich gerade in diesem Augenblick hier auch nach Frankreich spreche und weil ich nach Paris sagen möchte: Wir sehen in diesen Vereinbarungen vom 3. März nicht nur eine Gefährdung der europäischen Konzeption; wir sehen darin eine Versündigung am Geiste Europas, und wir sehen darin eine Versündigung am Geiste der Demokratie.
({28})
({29})
Das Saargebiet konnte und sollte eine Brücke zwischen Deutschland und Frankreich darstellen. Kann und will man nicht verstehen, daß in Deutschland nach diesem 3. März die Besorgnis aufkommt, daß man keine Brücke geschlagen, sondern eine Zugbrücke errichtet hat, die man nach Deutschland zu aufzuziehen im Begriffe ist?
({30})
Glaubt man, daß dieser Weg der richtige sei, Deutschland und Frankreich, ohne die Europa niemals wird entstehen können, zu einer echten Freundschaft zusammenzuführen?
Der Parlamentarische Rat, der das Grundgesetz beschlossen hat, hat in der Präambel ausdrücklich festgestellt, daß er auch für jene Deutschen gehandelt hat, denen mitzuwirken versagt war. Zu jenen Deutschen, denen an der Gestaltung der neuen Ordnung Deutschlands mitzuwirken versagt war, zählen auch die Bewohner des Saargebietes.
({31})
Im Grundgesetz ist das gesamte deutsche Volk aufgefordert worden, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden. Zu diesem gesamten deutschen Volk gehört auch das deutsche Volk an der Saar. Wir wünschen eine Einheit Deutschlands in einem geeinten Europa. Wir hoffen auf ein freies Deutschland in einem freien Europa. Wir wollen Ernst machen mit dieser Freiheit, deren echter Ausdruck die Selbstbestimmung ist, die Selbstbestimmung, die den Völkern der Welt in der Atlantikcharta garantiert und in der Charta der Vereinten Nationen versprochen ist.
({32})
Noch vor wenigen Tagen hat der amerikanische Hohe Kommissar die Anregung gegeben, man solle im gesamten Deutschland freie Wahlen ausschreiben. Sollte wirklich ein Teil des deutschen Volkes nach dieser Vorstellung von diesen freien Wahlen und dieser echten, freien demokratischen Entscheidung ausgeschlossen bleiben? Wir wären schlechte Europäer, wenn wir nicht aus dieser Gesinnung heraus die Vereinbarungen vom 3. März aufs tiefste bedauern und uns der feierlichen Verwahrung des Bundeskanzlers anschließen würden.
({33})
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt den Erklärungen der Bundesregierung, die der Herr Bundeskanzler vorgetragen hat, ohne jeden Vorbehalt zu.
({34})
Sie stimmt insbesondere den Schlußfolgerungen zu, die der Herr Kanzler vorgetragen hat. Sie macht sich diese Wünsche zu eigen, und sie bittet die Bundesregierung und den Bundeskanzler, mit besonderem Nachdruck das, was er gesagt hat, zu verwirklichen. Er darf gewiß sein, daß er nicht nur den Deutschen Bundestag, sondern das ganze deutsche Volk hinter sich hat.
({35})
Nach Frankreich möchte ich gerade in dieser Stunde noch ein Wort sagen. Der französische Schriftsteller Saint-Exupéry hat einmal gesagt: „Le plus beau métier des hommes est d'unir les hommes", die schönste Aufgabe der Menschen ist es, die Menschen einigend zusammenzuführen. Ich glaube, unter dieser Parole sollte Frankreich das Gespräch mit Deutschland aufnehmen.
({36})
Wir wollen in diesen Gesprächen dann nicht darüber streiten, wer der schlechtere Europäer ist, sondern wir wollen in einen Wettstreit eintreten, wer der bessere ist.
({37})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sprengschüsse von Watenstedt-Salzgitter dröhnen in unseren Ohren. In Töging, dem größten Aluminiumwerk Europas, sind wegen dessen Demontage die Flaggen auf halbmast gesetzt. 300 000 Deutsche sind aus dem Osten in Anmarsch, um in das überfüllte Deutschland gepfercht zu werden und die Zahl seiner zwei Millionen Arbeitslosen zu vermehren. Dieses schauerliche Bild bietet sich der Welt fünf Jahre nach Kriegsende dar und muß jeden davon überzeugen, daß die sogenannten großen Drei in Jalta und in Potsdam keine gute Regelung gefunden haben. Wenn schon der Versailler Vertrag, dieser unausgehandelte und einseitig diktierte Vertrag den Frieden nicht bringen konnte, so hat dieses Kriegsende von Anfang an der Welt die dauernde Unrast beschert.
({0})
Wir stehen mitten im Kalten Krieg, und die eingangs erwähnten Maßnahmen sind nur als Schachzüge in dieser Auseinandersetzung zwischen Amerika und Rußland zu werten. Restdeutschland, zerrissen, zerstört und jeder Macht bar, durch den Eisernen Vorhang vom Osten abgeschlossen, auf die Großmut Amerikas angewiesen, liegt verloren zwischen zwei Kolossen, schmal wie eine Linie.
Wenn Frankreich bei der Saarregelung neben seinen wirtschaftlichen Notwendigkeiten auch sein Sicherheitsbedürfnis gegenüber Deutschland anführt, so können wir dies angesichts der tatsächlich furchtbaren Lage Westdeutschlands, das ohne jede Garantie der Alliierten zwangsläufig zur Hauptkampflinie gegenüber Rußland geworden ist, nicht recht verstehen, wenn wir auch dem psychologischen Sicherheitsbedürfnis Frankreichs in jeder Weise durch freiwillige Abmachungen entgegenkommen wollen. Die Saarregelung in der vorliegenden Form bedeutet im Kalten Krieg mit Rußland jedenfalls eine Schlappe Amerikas.
({1})
Eine Rechtsverwahrung der Bundesregierung war am Platze.
Ich möchte nun nicht mehr auf den Inhalt und die Bedeutung der Verträge eingehen, nachdem dies schon von den verschiedenen Rednern geschehen ist. Ich möchte nur einen Punkt herausgreifen. Der stellvertretende französische Hohe Kommissar hat am 4. März darauf hingewiesen, daß Frankreich in der Saarfrage keine neue Lage schaffen wolle; die neue Regelung lasse keinerlei Annexionsabsichten Frankreichs zu; Frankreich wolle durch den Abschluß der Saarkonventionen eine normale Rechtssituation schaffen. Hier möchte ich einhaken. Wenn schon ein tatsächlicher Zustand durch einseitigen Akt einer Macht nach und nach eingetreten ist und ein diesbezügliches Übereinkommen der Großmächte in Moskau vom 10. April 1947 existiert, so hätte man doch an diese schwebende Frage nicht rühren und nicht Dinge aufreißen sollen, die unter ganz anderen Verhältnissen zustande gekommen sind und die bis zu einer endgültigen Friedensregelung hätten unangetastet bleiben können.
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Wenn man hier an die Zeit vom April 1947 erinnert, dann müssen auch wir unsererseits die damalige Situation zeichnen. Damals gab es nur einen Herrn in Deutschland, und das war der Hunger. Damals bestanden noch die harten Besatzungsbedingungen, die zum Beispiel in der amerikanischen Zone erst durch die neuen Vorschriften vom 17. Juli 1947 gemildert worden sind. Den Deutschen war es streng verboten, außenpolitische Fragen zu behandeln, und jeder Verstoß wurde aufs schärfste geahndet. Damals gab es keine gesamtdeutsche Regierung und keinen westdeutschen Bund. Die Bizone trat erst am 1. Juli 1947 ins Leben. Das Saargebiet war außerdem bedroht von Demontage und Arbeitslosigkeit. Die Moskauer Abkommen wurden überhaupt erst ganz langsam in ihrem Inhalt und in ihrer Durchführung in der deutschen Öffentlichkeit bekannt. Wie kann man jetzt sagen, die deutsche Öffentlichkeit hätte sich damals damit abgefunden? Deutsche Regierung war damals gleich Kontrollrat. Es wäre mehr als unfair, unsere damalige Zwangslage als Argument in dieser Auseinandersetzung zu verwenden.
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Wir halten uns deshalb an die Zusicherungen von Acheson, an die vorgestrigen Äußerungen von Lord Henderson und an die gestrigen Äußerungen des Quai d'Orsay, daß die Saarfrage endgültig erst im Friedensvertrag geregelt werden soll. Wir halten uns - das ist von den Vorrednern auch betont worden - an die Bestimmungen der Atlantik-Charta, die vom Präsidenten der Vereinigten Staaten und vom britischen Premierminister im August 1941 einer friedenshungrigen Welt feierlich verkündet worden sind und auf deren Punkt 1 und 2 ich besonders verweise. Dort heißt es vor allem, daß Gebietsveränderungen nur erfolgen sollen, wenn sie mit den frei zum Ausdruck gebrachten Wünschen der betroffenen Völker übereinstimmen. Mehr wollen auch wir nicht, als daß zu gegebener Zeit die Saarbevölkerung frei ihre Meinung äußert.
Die Allierten haben diesen furchtbaren Krieg für die Verwirklichung des Rechtsgedankens im Völkerleben geführt. Es gehört aber in die Mottenkiste des Machtstaatgedankens, es gehört zu den Irrlehren vergangener Jahrhunderte, zu glauben, die siegreiche Beendigung eines Krieges werde nur dann bestätigt, wenn man einen territorialen Gewinn buchen könne.
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Frankreich hat sein nach diesem Krieg betontes Bestreben auf Ausdehnung seines Einflußgebietes bis zum Rhein und nach Internationalisierung des Ruhrgebiets aufgegeben. Wenn in Frankreich tatsächlich noch der Gedanke bestünde, sich des Gebiets, über das die Diskussion in beiden Staaten schon lange geht, zu versichern, dann möchten wir im Interesse beider Staaten folgenden Gedanken anklingen lassen:
Frankreich hat den Frieden von 1919 dadurch verloren, daß es noch an Paragraphen hing, als die Zeit schon längst darüber hinweggeschritten war. Dieses Gefühl, den Frieden von 1919 trotz furchtbarer Kriegsopfer verloren zu haben, hat in Frankreich eine tiefe Verbitterung und Enttäuschung zurückgelassen. Wir wollen aber nicht, daß Frankreich nun auch den Frieden von 1945 verliert. Der Friedenspreis von 1945 heißt Europa!
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Frankreich ist eine lohnende Aufgabe und eine nie dagewesene Chance zugefallen, die friedliche Führung Europas als primus inter pares zu übernehmen. Dieses hohe Ziel erfordert Vertrauen in die eigene Kraft, Mut, Vorausschau und kühne Handlungen sowie Erweckung des Vertrauens bei den anderen europäischen Mächten, damit sie einer solchen Führung folgen. Wenn man aber bei „Führung" nur an kleinliche Vorteile auf Grund der bestehenden Machtverhältnisse denken wollte, dann könnte der Glaube an die Berechtigung eines solchen Führungsanspruchs bei den andern ins Wanken kommen. Die Führung Europas wird nicht durch formaljuristische Sicherungen gewonnen, sondern durch Großmut und Großzügigkeit, wie sie der weise und weitschauende Sieger kennt. Bei Frankreich ebensosehr wie bei Deutschland liegt es, Europa zu verwirklichen.
Für Europa kämpfen wir leidenschaftlich nicht bloß aus innerer Überzeugung und aus Liebe zu den Restbeständen des Abendlandes, sondern auch aus der nüchternen Überlegung heraus, daß wir zusammengehen und zusammenhalten müssen, wenn wir nicht gemeinsam untergehen wollen. Entweder marschiert die europäische Idee, oder es marschiert Sowjetrußland!
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Das Wort hat Herr Abgeordneter von Campe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Der Herr Bundeskanzler hat soeben in eindringlichen Worten den ganzen Ernst der Lage dargelegt, wie er durch das Ergebnis der Pariser Saarverhandlungen plötzlich für uns alle erkennbar wurde. Ich habe den Auftrag, namens meiner Fraktion hier zu erklären, daß wir den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und seinen Schlußfolgerungen vorbehaltlos beitreten.
Wir möchten diese Gelegenheit aber benutzen, um aus unserer grundsätzlichen Einstellung heraus ein klares Bekenntnis zu Europa abzulegen und einen aufrichtigen Appell an Frankreich zu richten. Gerade weil wir die Lage als sehr ernst ansehen, weil wir Europa unter Umständen gefährdet, die deutsch-französische Verständigung erschwert sehen, legen wir Wert darauf, dieses Bekenntnis heute rückhaltlos und offen abzulegen. Bisher ist es doch noch immer so gewesen: Wer gläubig ist, muß in der Stunde der Gefahr bekennen. Als äußerster rechter Flügel der Regierungsparteien, aber auch für uns als Deutsche Partei haben wir unserm ganzen Herkommen nach die Berechtigung und die Befugnis zu einem solchen Bekenntnis. Ich darf Sie wohl daran erinnern, daß unsere Partei seit etwa drei Generationen den Kampf gegen die Macht, den Kampf für das Recht und für die Durchsetzung der Nachbarschaftsidee auf ihre Fahnen geschrieben hat. Daraus haben wir die Konsequenz gezogen: wir haben für Deutschland einen föderalistischen Bundesstaat, aber auch für Europa einen Gemeinschaftsbund gewünscht und die deutsch-französische Verständigung von jeher als einen der Hauptpunkte in unser Parteiprogramm aufgenommen.
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Meine verehrten Damen und Herren! Es ist für uns selbstverständlich, daß wir in diesem Augenblick nicht das Gefühl, sondern den Ver({1})
stand sprechen lassen und die Mahnung des Herrn Bundeskanzlers beherzigen. Wir werden also leidenschaftslos, sine ira et studio und unter bewußtem Verzicht auf jede Polemik an die Dinge, wie sie nun einmal sind, herangehen. Die Dinge offenzulegen und sie bei Namen zu nennen ist notwendig, wenn wir ein gegenseitiges Vertrauen herstellen wollen, und nur mit gegenseitigem Vertrauen kommen wir zu einer wirklich befriedigenden Lösung, die auch Bestand haben wird. Persönlich gebe ich mich dabei der Hoffnung hin, daß .diese meine Offenheit auch bei meinen französischen Freunden Verständnis finden wird; wissen sie doch aus langjähriger freundschaftlichster Zusammenarbeit an dem gleichen Ziel, daß mir die deutsch-französische Verständigung wirklich zu einer Herzensangelegenheit geworden ist.
Meine Damen und Herren, zunächst: was ist geschehen? Wenn wir die in Paris paraphierten Konventionen, auf die ich hier im einzelnen nicht einzugehen brauche, da Sie sie kennen und sie von meinen Vorrednern schon so eingehend dargelegt wurden, auf ihren letzten Sinn hin analysieren, so können wir zusammenfassend folgendes sagen. Die französischen Zugeständnisse auf politischem Gebiet stellen praktisch keinerlei Einschränkung, sondern lediglich eine diplomatische Modifikation des politischen Instruments dar, mit dem Frankreich die Kontrolle im Saargebiet ausübt. Durch die Konventionen erlangt Frankreich eine absolut beherrschende und dauerhafte wirtschaftliche Vormachtstellung im Saargebiet. Die wirtschaftlichen Zugeständnisse und die auf ihren Schutz hinzielenden politischen Sicherungen sind so weitgehend, daß die politische Loslösung des Saargebietes absolut durchgeführt ist, und daß ihr zwangsläufig mit der Zeit auch die völlige Entdeutschung folgen muß. Daran ändern auch die Vertröstung und der Hinweis auf die endgultige Regelung im Friedensvertrag nichts. Denn - und das hat der Herr Bundeskanzler mit Recht ausgeführt; ich zitiere wörtlich: - das ganze politische und wirtschaftliche Leben des Saargebietes wird durch die Abkommen in eine Ordnung gebracht, die sich schlechterdings durch keinen Friedensvertrag wieder beseitigen läßt.
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Das ist sicher, und wer die französische Mentalität und das schöne französische Sprichwort kennt „C'est le provisoire qui dure", auf gut deutsch „Nur das Provisorische ist endgültig", und wer weiß, daß die französische Bürokratie dieses proverbe, man möchte fast sagen, stündlich beherzigt, kann sich klarmachen, welcher Wille hinter diesen Abmachungen bezüglich der Saar steht.
Es kommt nun als wesentlicher und wohl entscheidender Aspekt der ganzen Konventionen noch die unbestreitbare Tatsache hinzu, daß beide Verhandlungspartner hier zugunsten des andern über Dinge verfügen, über die sie gar keine Verfügungsberechtigung haben. Ich brauche auf die rechtlichen Argumente, die meine Herren Vorredner schon so eingehend dargelegt haben, gar nicht einzugehen. Ich möchte mich auf die politische Seite beschränken. Auch da kann ich erfreulicherweise feststellen, daß wir auf der Rechten des Hauses uns in vollem Einklang mit Herrn Dr. Schumacher befinden. Herr Dr. Schumacher hat von einer „Politik der kleinen Schlauheiten" gesprochen. Meine Damen und Herren, ich möchte es nennen: die Illusionspolitik des „Als ob". Man tut in Paris so, als ob der derzeitige Sprecher des Saargebietes über die Saargruben als Eigentümer
verfügen könne. Man tut in Paris so, als ob dasselbe hinsichtlich der deutschen Bahnen im Saargebiet der Fall sei. Man tut so, als ob die zugestandene Nutzung des wirtschaftlichen Potentials des Saargebietes für Frankreich notwendigerweise auch die völlige politische Abtrennung der Saar zur Folge haben müsse. Man tut weiter so, als ob dies alles so sicher sei, daß es allein im Willen Frankreichs stehe, welche Form und welchen Namen man diesem neuen Staatsgebilde geben wolle.
Meine Damen und Herren, diese Politik des „Als ob", die an den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten vollkommen vorbeigeht, ist gefährlich. Sie schwebt sozusagen im luftleeren Raum, gründet sich auf Wunschträume längst vergangener Zeiten und führt eines Tages zum bösen Erwachen, nämlich dann, wenn die Realitäten sich als mächtiger erweisen als die Wünsche. Um dies zu vermeiden, müssen wir nicht eine Politik des „Als ob", sondern eine offene und nüchterne Realpolitik treiben, die bereit ist. die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Aber daran scheint es leider zu fehlen. Eine große amerikanische Zeitung hat gerade dieser Taue bezeichnenderweise bemerkt, der erschütterndste Aspekt bei der ganzen Saarsituation sei die Tatsache, daß offenbar weder Frankreich noch Deutschland aus der Katastrophe des zweiten Weltkrieges irgend etwas gelernt hätten. Und in der Tat, sollten wir nicht alle, diesseits und jenseits der Grenzen, uns- die Gewissensfrage vorlegen, ob wir in der heutigen Situation nicht endlich die Lehren aus der Geschichte ziehen sollen? Noch ist es ja nicht zu spät, denn noch ist nichts Endgültiges und Unwiderrufliches geschehen.
Meine Damen und Herren! Über der deutschfranzösischen Geschichte schwebt eine unendliche Tragik. Die vielen bewaffneten Konflikte zwischen beiden Völkern haben fast stets damit geendet, daß der siegreiche Teil seine jeweilige Macht mißbrauchte, um sich die erlangten Vorteile für alle Zukunft zu sichern. Stets war aber die Dynamik im Völkerleben stärker als die künstliche Verewigung der Übermacht des Siegers. So Rind dann zwangsläufig immer wieder von neuem Konflikte entstanden. und niemals ist das richtige, gesunde organische Gleichgewicht zwischen beiden Völkern gefunden worden. Das Nichtmaßhaltenkönnen des Siegers stand hindernd im Wege.
Es kommt noch ein weiteres tragisches. Moment
hinzu. Das Geschick hat Deutschland und Frankreich bei den großen Auseinandersetzungen der Weltgeschichte stets auf entgegengesetzte Seiten gestellt. So war es bei der Reformation, so war es zur Zeit der Französischen Revolution, so war es bei den Auseinandersetzungen im Zeitalter des Nationalstaates und so war es auch in den beiden Weltkriegen. Die verschiedene Mentalität beider Völker, das unterschiedliche Tempo in der Formung des eigenen Nationalstaates bewirken immer wieder. daß einmal die Deutschen den Fortschritt. die Franzosen dagegen die Tradition verteidigten, während das andere Mal die Rollen genau umgekehrt waren.
Anders, meine Damen und Herren, die heutige Situation. Heute zum ersten Mal in der deutschfranzösischen Geschichte, vielleicht auch zum letzten Mal, liegen die Dinge so, daß wir im großen Kampf um die Erhaltung der abendländischen Zivilisation und der christlichen Kultur beide auf derselben Seite stehen. Beiden Völkern ist die
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große Chance gegeben, jetzt gemeinsam Schulter an Schulter das Beste einzusetzen, über das sie verfügen.
Europa heißt das gemeinsame Ziel! Nur ein geeintes Europa wird dem östlichen Ansturm widerstehen können. Dieses Europa ist aber nur dann möglich, wenn Frankreich und Deutschland von der gleichen Entschlossenheit beseelt sind, gemeinsam die tragenden Säulen dieses neuen europäischen Gebäudes zu werden. Das heißt, ohne eine aufrichtige deutsch-französische Verständigung ist die Rettung Europas und damit der christlich-abendländischen Kultur einfach nicht denkbar. Beide Völker müssen daher als Voraussetzung für die Erreichung dieses Zieles wirklich ernsthaft bestrebt sein, nationale Sonderinteressen hinter den gesamteuropäischen Gedanken zurücktreten zu lassen. Entweder wir unterliegen dem feindlichen Ansturm, - dann ist es gänzlich gleichgültig, wer bis dahin die größeren Rechte in dem kleinen Teilchen Europas hat, das wir heute Saargebiet nennen. Oder aber wir erwehren uns des Ansturms aus dem Osten durch die Errichtung eines geeinten und einigen Europas. Dann jedoch kommt es auf Souveränitätsfragen und die Zugehörigkeit der Saar zu diesem oder jenem Wirtschaftsgebiet überhaupt nicht mehr an. Dann gehört das Saargebiet, so wie wir alle, zu Europa!
Meine verehrten Damen und Herren! Als man sich vor einigen Jahren über den wirtschaftlichen Anschluß des Saargebiets an Frankreich einigte, stand man noch ganz unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Schäden dieses furchtbaren Krieges. Da gab es noch keinen Marshallplan, da gab es noch keine kraftvolle Bewegung für ein vereinigtes Europa; da waren auch noch keinerlei Ansätze für die Organisierung dieses einigen Europas erkennbar. An dieser entscheidenden Entwicklung kann und darf man heute aber nicht einfach vorbeigehen. Die Pariser Konventionen bedeuten aber ein Ignorieren, ein Vorbeigehen an der inzwischen eingetretenen Entwicklung, ja sie sind geeignet, diese Entwicklung zu stören und zu hemmen. Wenn die Grenzpfähle in Europa nunmehr ganz verschwinden sollen, dann darf man sie nicht kurz vorher mit großer Wichtigkeit und großem Aufheben noch um einige Kilometer versetzen.
Unter europäischem Blickwinkel gesehen, stellt also der in Paris unternommene Versuch einer einseitigen Regelung der Verhältnisse an der Saar einen Schlag gegen Europa und gegen die deutsch-französische Verständigung dar. Er ist, europäisch gesehen, ein Versuch mit untauglichen Mitteln am untauglichen Objekt. Man sollte endlich mit dieser Methode europäischer Politik aufhören; sie paßt nicht mehr in die Zeit der Europabewegung hinein, die gebieterisch verlangt, daß wir alle, die wir gute Europäer sein wollen, unsere nationalen Sonderwünsche hinter die europäischen Gesamtinteressen zurückstellen.
Unsere französischen Freunde sollten aber auch noch folgendes beherzigen: In einer Zeit wie der heutigen erhalten Grenzgebiete wie die Saar einen ganz anderen Charakter, als sie ihn im Zeitalter des auf Macht aufgebauten und nach Macht strebenden Nationalstaates hatten. Waren sie damals Streitobjekte zwischen den Völkern, so müssen sie heute zum Bindeglied, zur Brücke zwischen den Staaten werden. Elsaß-Lothringen hat als Zankapfel allzulange die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland vergiftet. Möge die Saar im Zeitalter Europas nicht das gleiche Unheil
heraufbeschwören, sondern ein festes Band zwischen beiden Völkern werden!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus dieser unserer Gesamtkonzeption sehen meine Freunde und ich durchaus die Möglichkeit einer konstruktiven Lösung gegeben. Ich freue mich, daß wir unabhängig voneinander zu einem ähnlichen, wenn nicht dem gleichen Vorschlag kommen, den Herr Dr. Schumacher soeben hier angedeutet hat. Die Feststellung dieser Tatsache ist vielleicht für das Ausland nicht ganz unwesentlich, daß die Rechte und die Linke dieses Hauses zu demselben Ergebnis kommen.
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Es bedarf nur eines gewissen Mutes und einiger Entschlossenheit diesseits und jenseits der Grenzen, um nun wirklich mit den tauglichen Mitteln und am tauglichen Objekt einer Einigung näherzutreten. Der Marshallplan hat ohnehin zum Ziel, die Produktionskraft der westlichen Länder aufeinander abzustimmen.
In Europa sind Deutschland und Frankreich die wirtschaftlich wichtigsten und entscheidenden Gebiete. Was sollte uns also hindern, sofort und in offener und direkter Aussprache das Problem und die Methode einer engen wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern, also auch einschließlich des Saargebiets, praktisch anzupacken? Wir sind unsererseits bereit, den berechtigten Interessen Frankreichs im Rahmen des übergeordneten europäischen Ziels dabei Rechnung zu tragen. Wir erwarten jedoch dieselbe Einstellung auch von der anderen Seite. So sollte es uns gelingen, die Voraussetzungen für eine deutsch-französische Verständigung und eine gemeinsame Produktionsplanung innerhalb eines geeinten Europas zu schaffen. Der Beginn solcher Besprechungen sollte aber nicht länger hinausgeschoben, sondern von allen beteiligten Stellen baldigst in die Wege geleitet werden. Die Möglichkeit zu einem deutsch-französischen Gespräch scheint durchaus gegeben. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Deutschen ist der ehrliche Wille hierzu vorhanden. Darf ich an die französische Seite und an die übrigen Besatzungsmächte appellieren, sich auch ihrerseits für solche Verhandlungen einzusetzen, damit wir statt zu einer Verschärfung der Gegensätze zu einer Regelung des europäischen Zusammenlebens in Frieden und in Freiheit gelangen? Unser gemeinsames Ziel ist und muß bleiben: ein geeintes, ein friedliches Europa.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Niebergall.
Meine Damen und Herren! Meine Heimat ist das Saargebiet. Seit 1918 habe ich das Ringen um die deutschen Belange im Saargebiet miterlebt. Seit 1945 stand ich im Kampf für die deutsch-französische Verständigung mit an der Spitze und darum gegen den wirtschaftlichen und politischen Anschluß der Saar an Frankreich. Mit Hunderten anderer Deutscher, Sozialdemokraten, Katholiken und Parteilosen, wurde ich wegen dieser meiner Haltung 1946 aus dem Saargebiet ausgewiesen. Ich wurde nicht nur ausgewiesen, sondern auch von der Regierung Johannes Hoffmann ausgebürgert, nachdem ich schon unter Hitler ausgebürgert worden war.
Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich als Saarländer zunächst einige Aus({0})
führungen über verschiedene Auslassungen meiner geehrten Vorredner und über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers mache. Der Herr Bundeskanzler fühlte sich verpflichtet, auf das Potsdamer Abkommen hinzuweisen. Auch in der Denkschrift der Bundesregierung ist dieses Abkommen angesprochen. Für uns ist es eine gewisse Genugtuung, daß Sie in allen kritischen Situationen - sozusagen am Aschermittwoch - gezwungen sind, sich auf dieses Potsdamer Abkommen zu berufen, das Sie sonst nicht anerkennen. Weil Sie nämlich in Ihrer gesamten politischen Konzeption die einzige für uns Deutsche gültige Rechtsgrundlage, das Potsdamer Abkommen, verlassen haben, deshalb nur können dem deutschen Volke solche Verträge wie die Saarverträge oktroyiert werden.
Ich muß Ihnen sagen: Das Potsdamer Abkommen ist ein einheitliches Ganzes. Man kann es nicht opportunistisch mißbrauchen. In diesem Potsdamer Abkommen ist in der Tat vorgesehen, daß Deutschland entmilitarisiert und demokratisiert werden soll. In diesem Potsdamer Abkommen ist Deutschland die politische und wirtschaftliche Einheit garantiert. Ihre Politik, meine Damen und Herren, der Gründung des westdeutschen Staates, der Anerkennung des Ruhrstatuts und des Marshallplans steht im krassen Widerspruch zum Potsdamer Abkommen. Wie können Sie sich auf einmal auf das Potsdamer Abkommen berufen, wo Sie es doch seit Jahr und Tag systematisch verletzen? Wäre in Deutschland eine Politik auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens durchgeführt worden, dann hätten wir weder die Spaltung Deutschlands, noch gäbe es heute eine Saarfrage.
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Wenn man den Kollegen Dr. Schumacher hört, gewinnt man den Eindruck, daß es sich um die Frage der Demokratie im Saargebiet handele. Meinen Sie denn, Herr Dr. Schumacher, unter einer Regierung Adenauer wäre die Demokratie im Saargebiet gesichert?
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Mir scheint, sie wäre es genau so wenig, wie unter der jetzigen Regierung JoHo, so nennt man nämlich die Regierung Johannes Hoffmann im Saargebiet. Es geht auch hier wirklich nicht um Demokratie, es geht um den Besitz von Kohlen, Stahl und Eisenbahnen, genau so, wie es beim Marshallplan und beim Ruhrstatut um Kohlen, um Stahl und um die Besitznahme unserer Wirtschaft durch die ausländischen Monopolisten geht.
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Nun noch eine Bemerkung auf Grund meiner eigenen Erfahrung im Saargebiet. Ich weiß zwar nicht, wo der Hohe Kommissar im Saargebiet seinen „Petersberg" hat,
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aber ich weiß, daß Herr Johannes Hoffmann aus derselben Fakultät stammt wie Herr Dr. Adenauer,
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aus der Christlichen Volkspartei, die ja wohl mit der CDU irgendwie verbunden ist. Dazu hat Herr Adenauer allerdings nicht Stellung genommen. Ich kenne jetzt die Praxis der Regierung des Saargebietes in ihrem Verhältnis zum Hohen Kommissar, und ich kenne auch die Praxis in Bonn. Ich muß höflich sein: beide gefallen mir gar nicht, beide stehen gemeinsam den Interessen des deutschen Volkes entgegen.
Der Klarheit halber möchte ich auch bemerken, daß die jetzigen Saarkonventionen nur möglich sind, weil im Jahre 1946 die Christlich-Demokratische Volkspartei mit ihrem Führer Johannes Hoffmann und die Sozialdemokratische Partei im Saargebiet unter der Führung von Richard Kirn den Anschluß an Frankreich gefordert haben. Nur die Kommunistische Partei im Saargebiet hat, seitdem sie wieder legal ist, trotz aller Opfer unerschrocken für den Verbleib und die Rückgliederung des Saargebiets an Deutschland gekämpft. Das ist der Standpunkt meiner Partei in ganz Deutschland. Deshalb haben wir auch das Recht, zu erklären: Die Verträge über die Abtrennung des Saargebiets und die Verpachtung der Saargruben wurden von der französischen Regierung Bidault und der CVP/SPS-Koalitionsregierung Hoffmann-Kirn ohne Befragung des deutschen Volkes und entgegen dem Willen der Bevölkerung des Saargebiets abgeschlossen.
Ganz richtig sagt die „New York Times":
Die Saarverträge sind eine wirkliche, verschleierte Annexion.
Diese Verträge sind in keiner Weise für das deutsche Volk bindend
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und werden niemals vom deutschen Volk anerkannt.
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Durch Versammlungs- und Zeitungsverbote und andere Terrormaßnahmen hat die Polizei im Saargebiet verhindert. daß die Bevölkerung über die in Paris geführten Verhandlungen informiert wurde. Die Kommunistische Partei ist die einzige Partei, die konsequent für die Rückkehr des Saargebiets an Deutschland gekämpft hat und kämpft. Sie wird durch Terrormaßnahmen in ihrem Eintreten für Deutschland behindert. Die Schweizer Zeitung ,.Die Tat" schreibt in einem Artikel vom 30. Januar 1950 über den Zustand an der Saar unter anderem folgendes:
Die Veröffentlichung des Entwurfs des Gesetzes zum Schutze der demokratischen Staatsordnung bezeichnet den bisherigen Höhepunkt der Unterdrückungsmaßnahmen. Dieses Dokument ist bezeichnend für den Geisteszustand der heutigen Machthaber an der Saar Es ist ein Dokument der Furcht vor dem Erwachen wachen des deutschen Nationalbewußtseins und jeder freien Meinungsäußerung und wird von der Bevölkerung mit dem berüchtigten Heimtückegesetz des Dritten Reiches auf eine Stufe gestellt.
Die Bevölkerung des Saargebiets steht trotz aller Terrormaßnahmen der Politik der Regierung Hoffmann-Kirn feindlich gegenüber und lehnt die in Paris abgeschlossenen Verträge ab. Durch den Beschluß des Industrieverbandes Bergbau des Saargebietes vom 5. März 1950 wird dies in aller Deutlichkeit unterstrichen. Um den Widerstand der Bergarbeiter an der Saar gegen die Politik der Abtrennung. der Ausbeutung und des Raubbaus in den Saargruben zugunsten der französischen und amerikanischen Monopolherren zu brechen. wurde der einstimmig gewählte Vorsitzende des Industrieverbandes Bergbau, Oskar Müller, im Jahre 1947 aus dem Saargebiet ausgewiesen und mit brutaler Gewalt über die Grenze abgeschoben.
Aber, Herr Dr. Adenauer. sind denn bei Ihnen in Westdeutschland die Methoden anders?
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Vor einigen Tagen wurde der KPD-Abgeordnete Lehmann in Hannover im Parlament verhaftet, auf die Straße geschleppt und zum Gefängnis gebracht
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wegen seines Eintretens für Deutschland und gegen die Demontagen.
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An die Methode im Saargebiet reiht sich also würdig an die Verhaftung des Abgeordneten Lehmann im niedersächsischen Parlament durch die britische Militärbehörde. Das zeigt in aller Deutlichkeit, daß wir sowohl in Westdeutschland wie an der Saar unter kolonialen Bedingungen leben und der Willkür der Besatzungsmächte ausgesetzt sind.
Herr Kollege Dr. Schumacher hat die Frage gestellt, ob die Grundsätze der Atlantik-Charta der Westmächte gegenüber dem deutschen Volk Geltung haben. Ich glaube, das Saargebiet und Hannover sind ein Beweis dafür, welche Grundsätze Geltung haben.
Was zeigt der Beschluß des Industrieverbandes Bergbau im Saargebiet? Er beweist, daß der Kampfwille der Saarbergarbeiter für die Einbeziehung des Saargebiets in ein einheitliches demokratisches Deutschland trotz aller Terrormaßnahmen nicht gebrochen ist.
Die zwischen der französischen Regierung und der Regierung Johannes Hoffman und Kirn geschlossenen Verträge sind ein flagranter Bruch des Potsdamer Abkommens. Dies wiegt um so schwerer, als die Beschlüsse von Potsdam auch von der französischen Regierung anerkannt wurden. Die Potsdamer Beschlüsse lassen keinerlei Änderung der westdeutschen Grenze zu und bestimmen, daß das Saargebiet zu Deutschland gehört. Aus diesem Grunde hat die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, die auf der Grundlage des Potsdamer Abkommens ihre Deutschlandpolitik durchführt, bereits zweimal diplomatische Schritte gegen die von der französischen Regierung betriebene Saarpolitik unternommen und gegen die Annexion des Saargebiets feierlichst Protest erhoben. Die Sowjetunion hat als einzige Großmacht auch in dieser Frage die deutschen Interessen vertreten.
Die Verpachtung der Saargruben auf 50 Jahre zu einem Spottpreis entspricht nicht dem Interesse der beiden Völker, sondern dient ausschließlich den Interessen des Comité des Forges und den Herren der Wallstreet. Mit diesem Pachtvertrag wollen die französischen Monopolisten unter der Führung von de Wendel ihren alten Traum der Verschmelzung von Erz und Stahl mit der saarländischen Kohle zur Sicherung hoher Profite verwirklichen. Die Kommunistische Partei Frankreichs erklärt deshalb ausdrücklich:
Diese Politik bringt nur den Kapitalisten, den französischen und deutschen und vor allen Dingen den amerikanischen, Nutzen und kann folglich nie und nimmer den Frieden gewährleisten.
In der Erkenntnis, welche Gefahren aus dieser Politik, die von dem französischen Außenminister betrieben wird, sich für das französische Volk ergeben, erklärten die französischen Kommunisten:
Die Tatsache, daß Schuman ein ausländisches Gebiet annektieren will, wird den auf Vergeltung dringenden militaristischen Nationalismus Westdeutschlands nur ermutigen. Das demokratisch gesinnte französische Volk, die französischen Arbeiter, Bauern und Intellektuellen, an ihrer Spitze die französischen Kommunisten, erklären eindeutig: die Saar ist deutsch.
Diese Haltung des französischen Volkes verpflichtet uns, dafür zu sorgen, daß die Feinde des Friedens in Westdeutschland ausgemerzt werden und daß ein einheitliches friedliebendes demokratisches Deutschland geschaffen wird, damit Deutschland nie mehr den Frieden und die Freiheit der Völker bedrohen wird.
Die Vorschläge der Adenauer-Regierung auf Schaffung einer deutsch-französischen Union bedeuten nichts anderes, als das Statut der Ruhrbehörde auf die Industrie des Saargebiets auszudehnen. Die Vorschläge des Bundeskanzlers laufen darauf hinaus, die Saar aufzugeben und sie unter die gleiche ausländische Kontrolle zu stellen wie das Ruhrgebiet.
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Im Endresultat kommt dies einer Preisgabe an die amerikanischen Monopolisten gleich.
Der Herr Bundeskanzler und seine Regierung ernten in den in Paris abgeschlossenen Verträgen die Früchte ihrer Politik der Spaltung Deutschlands, des Bruchs des Potsdamer Abkommens, der Unterwerfung Westdeutschlands unter die Wünsche der anglo-amerikanischen und französischen Imperialisten. Herr Dr. Konrad Adenauer ist seit 1918 als Vorkämpfer des Bündnisses der Kanonenkönige Frankreichs mit den Kanonenkönigen an Rhein und Ruhr bekannt.
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Um die Durchführung des Beschlusses des Landtags von Nordrhein-Westfalen zur Überführung der Kohlengruben und Hüttenwerke in das Eigentum des Volkes zu verhindern, machte der Freund und Parteigenosse von Dr. Adenauer, der CDU-Abgeordnete Pferdmenges, schon 1947 den Vorschlag, die Hüttenwerke und Kohlengruben der Ruhr an die französischen und amerikanischen Großkapitalisten zu verkaufen.
Der Abschluß der Verträge in Paris ist das Ergebnis der von Dr. Adenauer zugunsten der Großgrundbesitzer und Großkapitalisten befürworteten Politik zur Verhinderung des Abschlusses eines gerechten Friedensvertrages und ist die Unterwerfung Westdeutschlands unter eine französischenglische und amerikanische Dauerbesetzung. Sie sind das Ergebnis der von Dr. Adenauer geführten Geheimverhandlungen mit den französischen Großindustriellen und dem französischen Außenminister Schuman. Darum werden der Bundeskanzler und seine Regierung, ebensowenig wie sie die Bedingung des Ruhrstatuts und des Besatzungsstatuts abgelehnt haben - trotz der scheinbaren Proteste -, nicht gegen die Saarverträge kämpfen. Die deutschen Kommunisten aber fordern die Bevölkerung des Saargebiets von dieser Stelle auf, sich in der Nationalen Front des demokratischen , Deutschlands zusammenzuschließen und für die Wiedervereinigung des Saargebiets mit dem übrigen Deutschland zu kämpfen. Hinter diesem Kampf der Bevölkerung des Saargebiets steht das ganze deutsche Volk stehen die Friedenskräfte in der ganzen Welt. Deshalb: Es lebe der Kampf der Saarbevölkerung und des ganzen deutschen Volkes in der Nationalen Front für eine einheitliche, unabhängige, friedliebende demokratische Republik! Hoffmann und die Im({14})
perialisten sollen wissen: das Saargebiet war deutsch, ist deutsch und wird deutsch bleiben!
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- Kümmern Sie sich um das Saargebiet, das ist besser!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist in diesem Hohen Hause von dem Herrn Bundeskanzler und meinen Vorrednern bereits gesagt worden, daß das Zustandekommen der deutsch-französischen Verständigung eine Herzensangelegenheit aller Deutschen ist und wie sehr die Konventionen, die jetzt abgeschlossen worden sind, dieser Verständigung entgegenstehen. Ich muß gestehen, daß es nach den Gesprächen, die ich in den vergangenen Monaten mit französischen Freunden gehabt habe, auch für mich persönlich eine bittere Enttäuschung war, plötzlich die französische Anstrengung zu erleben, eine Loslösung des Saargebietes von Deutschland vertraglich zu stabilisieren. Trotzdem glaube ich auch heute nicht, daß die Saarfrage ein unüberwindliches Hindernis sein würde, eine Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland herbeizuführen, wie es von meinen Vorrednern bereits gesagt worden ist, wenn sich die Vertreter der Bundesregierung, der französischen Regierung und der saarländischen Bevölkerung an einen Tisch setzen würden, um zu einer Lösung zu kommen. Dabei möchte ich an die erste Regierungserklärung erinnern, die der Herr Bundeskanzler abgegeben und in der er gesagt hat, er hoffe, die Saarfrage werde eine endgültige deutsch-französische Verständigung nicht verhindern und im Rahmen einer europäischen Union in Ordnung gebracht werden können.
Die Zentrumsfraktion bedauert es sehr, daß die Saarfrage der Regelung im Friedensvertrag durch die jetzt vorliegenden abgeschlossenen Verträge vorweggenommen worden ist und dadurch das deutsch-französische Verhältnis eine starke Belastung erfahren hat. Dadurch ist der tragischen Kette deutsch-französischer Mißverständnisse ein weiteres Glied angefügt worden. Und dies, meine Damen und Herren, in einem Augenblick, in dem das deutsche und das französische Volk angesichts der politischen Weltkonstellation das allergrößte Interesse daran haben müßten, alle Mißverständnisse wegzuräumen und sich dauerhaft miteinander zu verständigen.
Ich weiß nicht - und wir wissen es in diesem Hohen Hause ja alle nicht -, was die Franzosen dazu getrieben hat, das Saarproblem urplötzlich in den Vordergrund zu rücken, wo es in der Weltpolitik wahrhaftig um andere Entscheidungen geht und wo es eine zwingende Notwendigkeit wäre, deutscher- und französischerseits alles zu tun, um gemeinsam die Grundlagen einer Befriedung für Europa zu finden.
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Deutscherseits haben wir die wirtschaftlichen Interessen, die Frankreich an der Saarkohle besitzt, nicht bezweifelt, und die Franzosen konnten nicht den Eindruck haben, daß Deutschland in der Saarfrage eine Lösung anstreben würde, bei der ihre wirtschaftlichen Interessen am Saargebiet nicht berücksichtigt werden würden. Wir haben auch die Ausführungen des amerikanischen Außenministers Acheson, die er Mitte Januar auf einer Pressekonferenz machte und in der er die wirtschaftlichen und die finanziellen Rechte Frankreichs an der Saar betonte, gebührend zur Kenntnis genommen. Aber auch Acheson hat dabei festgestellt, daß die Zukunft des Saargebiets erst durch den Friedensvertrag zwischen Deutschland und den Alliierten entschieden wird. Es berührt deshalb um so schmerzlicher, festzustellen, wie wenig Verständnis Frankreich seinerseits für die wirtschaftlichen Interessen bewiesen hat, die Deutschland an der Saar besitzt, und wie unbekümmert man sich über den unzweifelhaft deutschen Charakter der Saarbevölkerung hinweggesetzt hat.
Die französischsaarländischen Konventionen - das ist heute schon genügend betont worden - basieren auf einer Vereinbarung der drei Westmächte, die während der Moskauer Konferenz im April 1947 getroffen wurde. Wir haben durchaus keine Veranlassung, die Tatsache zu übersehen, daß der jetzt durch die Konventionen dargestellte Zustand im wesentlichen schon seit drei Jahren existiert. Aber es ist ein Irrtum, wenn französischerseits angenommen wird, daß sich das deutsche Volk jemals mit der Moskauer Dreimächte-Vereinbarung abgefunden hätte. Ich kann auch hier nur das unterstreichen, was in dieser Beziehung von meinen Vorrednern gesagt worden ist, daß eine Zustimmung des deutschen Volkes zu diesem Moskauer Abkommen nie erfolgt ist. Wir haben doch alle daran geglaubt, daß es den Westmächten im Krieg gegen Hitler aufrichtig um die Freiheit und um das Selbstbestimmungsrecht der Völker zu tun gewesen wäre. Es ist uns deshalb unbegreiflich, daß mit der Saarbevölkerung von seiner Regierung doch in einer Weise verfahren wird, die leider - ich muß es schon so ausdrücken - an die Methoden erinnert, gegen die sich die westlichen Demokratien mit gutem Recht zur Wehr gesetzt haben.
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Ich möchte in diesem Zusammenhang den Herrn Bundeskanzler bitten, den moralisch und rechtlich wohlbegründeten deutschen Standpunkt in der Saarfrage in erster Linie mit der Forderung nach einer freien Willenskundgebung der Saarbevölkerung zu präzisieren. Worauf es ankommt, ist die ausschließliche Tatsache, daß es nach den in der Welt anerkannten Grundsätzen keine Grenzveränderungen ohne die Zustimmung der hiervon betroffenen Bevölkerung geben darf. Wenn also die Franzosen glauben, daß die Saarfrage durch die Gewährung der Autonomie an das Saargebiet gelöst werden kann, so steht es ihnen ja frei, der Bevölkerung des Saargebiets vorzuschlagen, hierüber in einer Volksabstimmung zu entscheiden. Je nachdem, wie sich die Mehrheit der Bevölkerung des Saargebiets dann entscheidet, müssen die entsprechenden Schlüsse gezogen werden. Erklärt sich die Mehrheit - und wir zweifeln daran gar nicht - für Deutschland, dann kann man über diesen Willen der Saarbevölkerung nicht hinweggehen. Lehnt die Saarbevölkerung das Statut der Autonomie ab, will sie tatsächlich bei Deutschland bleiben, dann hat sich nach unserer Auffassung auch Frankreich diesem Spruch nach den von ihm selbst anerkannten völkerrechtlichen Grundsätzen zu unterwerfen. Ich glaube, das ist das Prinzip, an dem nicht gerüttelt werden kann, wenn es in Europa übehaupt zu einer Demokratie mit ihren Spielregeln kommen soll.
Weiterhin: die französische Regierung kann sich nicht dadurch entlasten, daß sie behauptet, sie habe die Saarverträge mit einer aus freiem Willen hervorgegangenen saarländischen Regierung abge({2})
schlossen. Auch das ist schon von meinen Vorrednern herausgestellt worden: als die militärische Besatzungsmacht des Saargebiets hätte Frankreich durchaus die Möglichkeit gehabt, für die Bildung einer Saarregierung zu sorgen, die den Anspruch darauf erheben könnte, im Namen der Mehrheit der Saarbevölkerung zu sprechen. Die Bundesregierung und auch die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei haben in dankenswerter Weise Denkschriften ausgearbeitet, die aktenkundig belegen, in welcher Form die saarländischen Landtagswahlen vor sich gegangen sind. Die westliche Welt müßte doch begreifen, daß sie auf diese Weise ihrem eigenen demokratischen Freiheitsideal Abbruch tut und daß sie den Feinden der Freiheit Argumente zuspielt, deren sie sich offensichtlich sehr gut zu bedienen wissen. Wie kann man sich über die Knebelung der Presse im anderen Teil der Welt erregen, wenn man im Saargebiet die Pressefreiheit systematisch unterdrückt! Ich glaube, daß nichts so eindrucksvoll die undemokratischen Verhältnisse im Saargebiet demonstriert, wie das tagtäglich die uniformierten saarländischen Zeitungen tun, und es wäre höchste Zeit, daß sich die westlichen Demokratien diese Blätter des Regimes Hoffmann einmal etwas näher besehen. Dann wüßten sie, mit welchem Partner die französische Regierung es bei den Verhandlungen über die Saarfrage zu tun gehabt hat, und es könnte kein Zweifel darüber bestehen, daß die von einem solchen Regime nach Paris entsandten Unterhändler nicht legitimiert waren, im Namen der Saardeutschen zu sprechen.
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Das erste, was im Saargebiet zu tun ist unid womit nicht etwa nur einer deutsch-französischen Verständigung, sondern auch der Idee der Demokratie schlechthin gedient werden kann, ist die Herstellung der Freiheit an der Saar und die Errichtung eines vom freien Willen der Bevölkerung getragenen demokratischen Systems. Die französische Regierung würde, wenn sie auch an der Saar der Freiheit dienen will, hierzu einen ausgezeichneten Beitrag leisten, wenn sie zum Beispiel die Sûreté aus dem Saargebiet verschwinden lassen würde. Sie müßte jedenfalls alles tun, um von der Saarbevölkerung den Druck zu nehmen, unter dem diese seit fünf Jahren unter dem Regime Hoffmann lebt, und so die Gelegenheit herbeiführen, daß die Deutschen an der Saar in freier Volksabstimmung, unabhängig und selbständig über die Zukunft ihrer Heimat entscheiden können. Wenn das geschehen ist, werden sich Deutschland und Frankreich darüber zu verständigen haben, wie die deutscherseits anerkannten französischen Wirtschaftsinteressen an der Saar in hinreichender Weise gesichert werden können.
Wir haben heute in diesem Hause vernommen - und man kann es in fast allen Zeitungen und auch in Gesprächen, die man führt, feststellen -, wie sehr die französisch-saarländischen Konventionen im ganzen deutschen Volk eine begreifliche Erregung hervorrufen. Man hat sich angesichts dieser Konventionen fragen müssen, ob sie nicht zu weittragenden Konsequenzen für die Politik der Bundesregierung führen. Die Zentrumsfraktion erachtet es .als ihre Pflicht, zu den verschiedenen Folgerungen kurz Stellung zu nehmen und deutlich zum Ausdruck zu bringen, wofür sie bereit ist die Verantwortung mit zu tragen. Es ist notwendig, dem deutschen Volk offen zu sagen, um was es hier geht, und ihm keinen Zweifel zu lassen, wie man sich entscheidet. Es hat zweifellos etwas Verlockendes, sich in dieser so ernsten und schwierigen Situation an
die Zeit nach dem ersten Weltkrieg zu erinnern und die politische Konzeption eines Walther Rathenau auch in dieser Frage wieder als gegeben zu betrachten.
Die Westmächte und insbesondere Frankreich sollten doch keineswegs darüber im unklaren sein, daß eine Lösung des Saarproblems, wie sie uns in der Form der französisch-saarländischen Konventionen vorliegt, dem Nationalismus in Deutschland gefährlichen Auftrieb geben kann. Ich sage durchaus nicht: geben muß, aber die große Gefahr ist doch vorhanden. Wir müssen beachten, daß es nicht nur den Nationalismus rechtsradikaler Elemente gibt, sondern auch den einer bolschewistisch orientierten Nationalen Front. Wir vom Zentrum haben immer davor gewarnt, uns in die weltpolitischen Gegensätze einzumischen, und haben wiederholt betont, daß die vier Besatzungsmächte allein die Verantwortung für die durch die Zoneneinteilung heraufbeschworenen Gefahren in Deutschland tragen.
Wir möchten aber ebenso unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß uns die Saarfrage keine Veranlassung zu sein scheint, uns mit der Art des Protestes, der in der Sowjetzone überlaut geworden ist, zu identifizieren. Wir haben soeben den für uns in diesem Hohen Hause doch seltenen Fall erlebt. daß der Herr Kollege Niebergall von der kommunistischen Fraktion mit seinen nationalen Forderungen hinsichtlich des Saargebiets an der Spitze liegt. Wir hätten gerne von ihm gehört, daß er mit der gleichen Vehemenz Deutschlands Anspruch auf die Oder-Neiße-Linie erhoben hätte.
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Wir halten es für widersinnig, sich in Protesten gegen die Loslösung des Saargebiets fast zu überschlagen und auf der anderen Seite die Oder-Neiße-Linie als Friedensgrenze anzuerkennen.
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Was für die Saarbevölkerung gilt - das Recht der freien Abstimmung über ihre Heimat -, gilt auch für die im Osten abgetrennten deutschen Gebiete. Wenn wir vom Zentrum für das Selbstbestimmungsrecht der Saardeutschen uns einsetzen, so wollen wir ebenso das Selbstbestimmungsrecht der in Ostpreußen, Schlesien und Pommernansässig gewesenen deutschen Menschen gewahrt wissen.
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Ich möchte aber noch in die Vergangenheit zurückgreifen und, wenn wir schon von der Gefahr des Nationalismus sprechen, daran erinnern, daß die letzte Rede, die Rathenau als deutscher Außenminister im Juni 1922 vor dem Reichstag gehalten hat, unter anderm das Saarproblem, wie es damals lag, zum Gegenstand hatte. In dieser Rede hat Rathenau damals sehr klar die volksmäßige Verbundenheit der Saar mit dem gesamten Deutschland umrissen. Aber er hat auch dem deutschen Volk das Schicksal aufgezeigt, in welches es durch den ersten Weltkrieg gekommen war, nicht um den Frieden zu gefährden, vielmehr um den Weltfrieden zu festigen. Denn seine Zielsetzung war - ich glaube, wir sollten uns heute wieder einmal daran erinnern -, die innerdeutschen Spannungen im Sinne der Einordnung des ganzen Deutschland in die große Völkerfamilie zu beseitigen. Gerade diese Rede Rathenaus - es scheint manchmal notwendig zu sein, auch aus der Vergangenheit zu lernen - hat Helfferich urngemein scharf, verletzend und hetzerisch besprochen. Zwei Tage später war Rathenau erschossen. Ich erwähne
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das deshalb, weil auch heute wieder Volksverführer versuchen werden, die deutschen Menschen in national oder nichtnational einzuteilen, genau so wie es in der Weimarer Republik. der Fall war, die schließlich an diesem überspitzten Nationalismus zugrunde gegangen ist. Ich bin der Meinung - das gilt für die Vergangenheit wie für die Gegenwart und Zukunft -, daß derjenige, der seinem Land und Volk dient, indem er das ausspricht, was er für richtig erkannt hat, und dabei von den realpolitischen Maßstäben ausgeht, in Wirklichkeit der national und vaterländisch handelnde Mensch ist. Denn wer das sagt, was er als Wahrheit erkennt und in Ansehung seines Landes für das Bestmögliche hält, der dient seinem Volk und hilft ihm auch. Wer jetzt nationale Leidenschaften entfacht, stört die Vorbereitung für den Frieden, denn wir glauben an die Friedenssehnsucht aller Völker nach dem Blutzoll, der so grausam im ersten Jahrfünfzig dieses Jahrhunderts von den Völkern nicht nur Deutschlands, sondern auch Europas und darüber hinaus entrichtet werden mußte.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat für die Befürworter jener Konsequenz Verständnis, wie sie von der SPD vertreten wird und die da lautet, daß die Bundesrepublik infolge der französisch-saarländischen Konventionen nicht in der Lage sei, gleichzeitig mit dem Saargebiet in den Europarat einzutreten. Die große Mehrheit dieses Hauses hatte die Hoffnung, der Eintritt Deutschlands in den Europarat würde den von Frankreich beabsichtigten Konventionen vorausgehen, und es würde sich auf diese Weise die Möglichkeit ergeben, im Europarat über die Konventionen zu sprechen, bevor sie zum Abschluß gebracht worden wären. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt, und es ist begreiflich, wenn nunmehr sehr ernste völkerrechtliche Bedenken gegen einen Eintritt der Bundesrepublik in den Europarat vorgetragen werden. Auch wir vom Zentrum glauben, daß die Bundesregierung ihre diesbezüglichen Entschlüsse mit größter Sorgfalt *abwägen muß, zumal der mit den Konventionen beschrittene Weg - das darf ich noch einmal hervorheben - nicht nach Europa, sondern von Europa weg führt.
Die .große Chance, daß die Saargruben zu einem Faktor europäischer Verständigung werden könnten, ist damit zerschlagen worden. Ich möchte es mir versagen, heute schon eine endgültige Stellungnahme meiner Fraktion zu dieser Frage zu geben. Wir alle haben die große Hoffnung, daß der Appell der Bundesregierung und auch der Appell dieses Hohen Hauses an die Westmächte nicht ungehört verhallt und daß diese sich noch in letzter Stunde entschließen, die Saarfrage einer dem europäischen Gedanken dienenden Lösung entgegenzuführen. Denn es ist auch unser Ziel, alles zu tun, was der Verwirklichung der europäischen Einigung dient.
So möchte ich namens meiner Fraktion zum Ausdruck bringen: so schwer die Verantwortung ist, die auf jedem Abgeordneten heute lastet, es geht immer nur darum, das für unser Volk Beste zu erreichen, selbst dann - und das gehe ich auch bei der Frage des Europarats noch zu bedenken -, wenn uns die Neigung kommen sollte, eine Tür mit lautem Krach zuzuschlagen. Auch das muß sorgfältig abgewogen werden, ob man auf einen vielleicht scheinbaren Effekt verzichtet, um dadurch in einem notwendigen Gespräch zu bleiben. Denn nichts ist in der Politik gefährlicher als leere Drohungen. Und schließlich sind wir doch der Meinung, daß wir gerade in der Saarfrage Argumente auf unserer Seite
haben, die auf die Dauer ihre Wirkung nicht verfehlen können.
Es ist in diesem Hohen Hause wiederholt davon gesprochen worden, von welch entscheidender Bedeutung es für das gesamtdeutsche Schicksal ist, daß die Bundesrepublik namentlich auch in Anbetracht ihrer sozialen Verhältnisse attraktiv auf alle Deutschen wirkt. Gestatten Sie mir deshalb zum Schluß den Hinweis darauf, daß wir den Saardeutschen jede nur mögliche moralische Unterstützung bei der Bewährung im Kampf für ihre Freiheit und für ihre Treue zu Deutschland zuteil werden lassen müssen. Nichts aber wird ihnen solche Festigkeit verleihen wie die Überzeugung, daß das deutsche Volk seine Einheit in einem Staat findet, in dem Freiheit und soziale Gerechtigkeit gelten. Ob der Zeitpunkt schon nah oder noch fern ist, da die Durchführung der Menschenrechte der Ruhmestitel Deutschlands ist, steht dahin; aber dieses Ziel muß den wirklichen Patrioten, den deutschen Menschen, die ihr Land lieben, . vorschweben, damit in unserer Zeit dieser Gedanke in das deutsche Volk bis hinüber in das Saargebiet vorgetragen wird. Vom Volke her und nur vom Volke her wird in einem freien Deutschland der Lauf des deutschen Schicksals füglich entschieden werden. Wer als Deutscher an Deutschland, an seinen Fortschritt glaubt, der sollte vor allem den Mut haben, in einem deutschen Land, und ich meine damit: in allen deutschen Ländern, auch - um das der Kommunistischen Partei gegenüber zu sagen - in der Ostzone, zunächst die freiheitliche Gleichberechtigung zu verwirklichen. Deshalb begrüßen wir die Initiative McCloys für freie Wahlen in ganz Deutschland.
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Geschieht das, so ordnet sich die außenpolitische Konzeption ganz zwangsläufig von selbst. Dann haben es auch die Friedensfreunde, die Menschen in der weiten Welt, die mit uns an Deutschlands Zukunft, an seine Gesundung glauben und für diese Gesundung seit 1945 unentwegt gearbeitet und mit dieser Arbeit auch Opfer gebracht haben, leichter, ihr Bekenntnis zum neuen Deutschland, zu einem Deutschland, wie wir es wollen, bei den Friedenserörterungen und schließlich den Friedensverhandlungen in die Waagschale zu werfen und dabei auch - und das ist unsere Hoffnung - die Saarfrage im europäischen Geiste zu lösen und damit zú einer dauernden Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich zu kommen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vergangenen Tage und Wochen waren schwarze Tage für die europäische Menschheit, und nur tiefe Trauer und Sorge kahn uns erfüllen, wenn wir daran denken, wie in wenigen Monaten der Gedanke des europäischen Zusammenarbeitens und gerade der Zusammenarbeit zwischen den zwei so wichtigen Gliedern der westeuropäischen Kultur solchen Schaden gelitten hat. Wenn wir alles abwägen, was man in Frankreich zugunsten des Schrittes, den man an der Saar getan hat, vorbringen mag, wenn wir uns in die Hirne der Franzosen hineindenken, dann müssen wir immer noch sagen, daß das, was Frankreich mit dieser Saarkonvention scheinbar gewonnen hat, nicht im entferntesten die Schäden moralischer und tatsächlicher Art aufwiegt, die durch die ganze Sache dem Gedanken der euro({0})
päischen Zusammenarbeit bei uns in Deutschland
und vielleicht auch anderswo angetan worden sind.
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Für jeden wahren Demokraten kann es in der Frage der Saar keinen anderen Standpunkt als in irgendeiner anderen Frage in Europa geben. Zu welchem Staatswesen nämlich irgendein Gebiet, irgendeine Gruppe von Städten und Landkreisen gehört, darüber kann nur der Wille der dortigen Bevölkerung entscheidend sein, der in freier und geheimer Wahl festgestellt werden muß.
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Schon die Atlantik-Charta hat von den unveräußerlichen Rechten des Menschen gesprochen, und zu diesen unveräußerlichen Rechten gehört, weiß Gott, das Recht, darüber zu bestimmen, welchem Staat man angehören will.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist außerordentlich bedauerlich, daß einige Kreise in Frankreich glaubten, hier so vorschnell handeln zu müssen, zu einem Zeitpunkt, zu dem alles danach streben müßte, ins Gespräch zu kommen - in ein Gespräch zwischen Frankreich und Deutschland -, das endlich einmal den Schlußstrich unter die Entzweiung setzen müßte, die beinahe schon zum Untergang der westeuropäischen Kultur geführt hätte. Dieser Schlußstrich, dieses Gespräch zwischen Deutschen und Franzosen muß kommen! Alle die Maßnahmen, die bezüglich der Saar ergriffen worden sind, scheinen uns nichts anderes als ein verhängnisvoller Anachronismus zu sein, ein Weg zurück zu Methoden und Maßnahmen, wie sie sich leider in der Vergangenheit beide Nationen zum Unsegen der europäischen Zivilisation geleistet haben.
Wir von der WAV sind der gleichen Auffassung wie wohl 99 Prozent unserer Bevölkerung: Wir müssen an der Saar eine freie, geheime Volksbefragung haben, und erst dann kann darüber entschieden werden, welchem Gebiet das Saarland definitiv angehört. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß man hier glaubte, jetzt schon ein gewisses Faktum setzen zu müssen, von dem wir nicht überzeugt sind, daß es ohne weiteres erst später, beim Friedensvertrag, endgültig fixiert werden würde. Wir glauben vielmehr, daß gerade solche Fakten leider den unheilvollen Drang in sich haben, zu inveterieren, wie man juristisch sagt, sich zu verhärten, und selbst dann sehr schwer zu eliminieren sind, wenn die Völker und ihre Regierungen einsehen sollten, auf welch verhängnisvolle Wege sie sich hier begeben haben.
Eine Pflicht allerdings haben wir in Deutschland, und das möchte ich gerade von hier aus mit aller Entschiedenheit betonen: Ohne Rücksicht auf irgendeine politische Partei müssen wir alles tun, damit den Leuten jenseits der Grenze - ich möchte sagen: der Minderheit jenseits der Grenze, die scharfzumachen versucht gegen das deutsche Volk, oft wider besseres Wissen scharfzumachen versucht - rechtzeitig der Wind aus den Segeln genommen wird. Wir müssen alles tun, damit im Ausland nicht etwa der Eindruck entsteht, als müßte man gegenüber dem neuen Deutschland weiterhin eine Politik der Faustpfänder betreiben. Wir müssen alles tun, damit das Ausland - nicht bloß Frankreich, sondern die ganze übrige Welt - den Eindruck bekommt, daß wir es mit unserer demokratischen Gesinnung wirklich ehrlich und anständig meinen.
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Wir bedauern in diesem Zusammenhang sehr gewisse Vorfälle der letzten Wochen und Monate, von denen wir heute sehen müssen, wie sie im Ausland da und dort schon wieder bewußt oder noch häufiger unbewußt mißverstanden werden. Aber all den Zeitungen, die das mißverstehen, und dem französischen Volk, und zwar gerade den Besten dieses Volkes, die zusammen mit uns während der Hitlerzeit in den Gefängnissen gesessen haben, gerade denen, die uns, die wir mit Hitler und seinen Verbrechen nichts zu tun hatten, sondern ihn schärfstens bekämpften, die uns, den anderen Teil des deutschen Volkes, im engsten Zusammenhalten innerhalb der Gefängnisse und Konzentrationslager kennenzulernen Gelegenheit hatten, gerade denen möchten wir heute zurufen: Tut alles, um die öffentliche Meinung in eurem Lande aufzuklären, daß es in Deutschland Demokraten gibt, und nicht etwa bloß ein kleines Häuflein, sondern daß es Hunderttausende und aber Hunderttausende gibt, die für ihre demokratische Überzeugung durch die Gefängnisse gegangen sind, daß es Millionen von Deutschen gibt, die klar gezeigt haben, daß sie mit den Methoden der Gestapo nichts zu tun hatten, die sich gegenüber den Kriegsgefangenen oder gegenüber den französischen und anderen KZ-Häftlingen usw., wenn sie durch die Straßen geführt wurden, anständig 'benommen haben! All denen, die den demokratischen Teil des deutschen Volkes kennenzulernen Gelegenheit hatten, möchten wir heute den dringenden Appell und die dringende Bitte zurufen: Unterstützt uns doch jetzt in Frankreich und allüberall in diesem furchtbar schweren Kampf! Denn über eines müssen wir uns klar sein: wenn der Gedanke der Demokratie in Deutschland nochmals kaputtgemacht wird, wenn wiederum diejenigen, die es mit ihrer demokratischen Idee ehrlich meinen, keine Chancen, sondern nur Prügel auf ihren schweren Weg geworfen bekommen, dann ist der Gedanke der Demokratie in ganz Europa, nicht bloß in Deutschland, ein für allemal zu Grabe getragen, und die Folgen davon wird Frankreich genau so wie Deutschland, wird England genau so wie Italien und Amerika zu spüren bekommen.
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Das ist der Appell, den ich heute namens meiner Fraktion und, ich glaube, namens sehr vieler anderer Kollegen in diesem Hause an alle in Frankreich richten möchte, die .auf die öffentliche Meinung und die Formung der französischen Politik Einfluß haben: Laßt euch, ihr Freunde in Frankreich, nicht durch kurzlebige Augenblickserfolge täuschen, von denen einer eurer größten Politiker gesagt hat, daß gerade diese kurzlebigen Augenblickserfolge à la longue, auf lange Sicht gesehen, stets schweren Schaden bedeuten!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht alles wiederholen, was von den Vorrednern an juristischen Ausführungen usw. gemacht worden und womit bewiesen worden ist, daß die Abmachungen zwischen der Saarregierung und der französischen Regierung juristisch so nicht haltbar sind. Ich möchte keine längeren Ausführungen darüber machen, daß die ganze Maßnahme einem Kontrahieren in se sehr ähnlich sieht, da doch noch kein Teil des deutschen Volkes außenpolitisch irgendeine Vertretung hat oder außenpolitisch tätig werden kann. Wie kann man dann hier handeln, wenn man doch sagt, wie das die französische Regierung tut, daß auch das Saargebiet formell noch zu Deutschland gehört, weil erst der Friedensvertrag die endgültige Regelung bringen soll?! Gut, dann ist die
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Regierung im Saargebiet genau so wenig wie irgendeine andere Regierung noch in der Lage, Außenpolitik zu machen. Sie wissen, daß man ja auch der Bundesregierung das Recht bestreitet, selbständig Außenpolitik machen zu können! Dann ist also das, was die Saarregierung tut, nichts anderes als eine Komponente der Politik der Besatzungsmacht, und dann ist das ganze Abkommen, das zwischen dem Saargebiet und Frankreich geschlossen worden ist, nichts anderes als ein Kontrahieren in sie, als ein Abschluß von Verträgen, wobei der eine, der Schutzherr, den Vertrag mit seinem Mündel gleichzeitig im eigenen Namen und im Namen des Mündels abschließt. Das scheint mir das Erträgliche auch auf dem Gebiet der Außenpolitik genau so zu übersteigen, wie es auf dem Gebiete des Zivilrechts nicht mehr erträglich wäre, wenn der Vormund derartige Verträge namens seines Mündels mit sich selbst abschließen würde. Ich möchte darauf nicht mehr allzusehr eingehen.
Wir wollen alles tun, damit kein Öl mehr ins Feuer gegossen werden kann. Wir wollen ruhigen Kopf und ruhiges Blut bewahren - das ist das einzige, was wir tun können - und die Hoffnung hegen, daß bis zum Abschluß des Friedensvertrages in den Hirnen der maßgeblichen Staatsmänner in der ganzen Welt die Umkehr kommt. Es wird unterdessen noch soviel Wasser den Rhein und die Seine hinabfließen, daß man hoffen darf: Die großen Gesichtspunkte, die für die Zusammenarbeit Frankreich-Deutschland sprechen, werden in ihrer Tragweite wirklich erkannt und gegenüber dem Meinen Vorteil abgewogen, den Frankreich durch diese Maßnahmen an der Saar für sich erringen konnte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, tun wir alles, um die Weltöffentlichkeit aufzuklären, wie tatsächlich die Lage ist, aber nicht mit nationalistischen Sprüchen, die wir schärfstens ablehnen, sondern nur, indem wir die Stimme des Rechts gebrauchen, die einzige Möglichkeit, die wir haben und die wir haben wollen, die aber nach unserer Auffassung - und nach der Auffassung aller, die sich wahrhafte Demokraten nennen - die Stimme ist, der die Zukunft gehört! Für Recht und Gerechtigkeit wollen wir uns einsetzen! Aus diesem Grunde müssen wir die Weltöffentlichkeit und müssen wir namentlich Frankreich bitten: Schafft kein fait accompli, überlegt euch das, was ihr getan habt; es gibt noch einen anderen Weg, den Weg der engsten Zusammenarbeit, den Weg einer dauernden Freundschaft zwischen Frankreich und Deutschland zum Wohle der beiden Völker genau so wie zum Wohle der ganzen westlichen Zivilisation!
Das ist es, was die WAV zu der Saardebatte zu sagen hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Leuchtgens.
Dr. Leuchtgens ({0}): Meine Damen und Herren! Wir alle sind Jahr und Tag von dem Bestreben erfüllt, eine Verständigung mit Frankreich herbeizuführen und darüber hinaus eine westeuropäische Union herzustellen. Dieser Gedanke erfüllt wohl -abgesehen von den Kommunisten - alle Mitglieder dieses Hauses. Ich persönlich habe mich vom Herbst 1945 an, als am 18. Oktober unser Programm herauskam, mit diesem Gedanken schon auseinandergesetzt. Aber wir sind bis jetzt noch nicht weitergekommen, und alle Bemühungen von unserer Seite haben nur zu dem geführt, was wir als Saarabkommen vor uns sehen.
Der Herr Bundeskanzler hat heute morgen in meiner Ansicht nach sehr beachtlichen Ausführungen dargelegt, was er von diesem Abkommen vom 3. März 1950, von diesem Saarabkommen hält. Seine Charakterisierung ist zweifellos nach jeder Richtung hin fest und klar. Es ist ein Übergriff auf das Gebiet der Gewalttätigkeit im Sinne von Mazarin und Richelieu, was wir hier vor uns sehen: Frankreich greift mit gierigen Händen nach der deutschen Grenze und reißt uns nach Elsaß-Lothringen noch einen anderen Teil unseres Landes weg, und es etabliert in diesem Land eine Gewaltherrschaft, die mit der russischen Gewaltherrschaft beinahe konkurrieren kann.
({1})
Ich habe dieser Charakterisierung, die der Herr Bundeskanzler gegeben hat, nichts mehr hinzuzufügen. Die Gewalttat herrscht auf den Straßen. Wir müssen nun sehen,. wie wir dieser Gewalt Herr werden.
Es ist heute von dieser Stelle aus schon sehr viel darüber geredet worden, was da zu tun ist. Wenn ich das im Geist an mir vorüberziehen lasse und mir überlege, dann sehe ich immer wieder: Es sind Wünsche, Hoffnungen, berechtigte Forderungen; aber aus kaum einer Stelle spricht eine realistische Haltung gegenüber den gegebenen Tatsachen. Man kann den Franzosen nicht dadurch imponieren, daß man ihnen zu jeder Tageszeit sagt: „Wir wollen uns ja mit euch verständigen; seid doch vernünftig, ihr Franzosen, und hört auf uns, denn davon hängt nicht nur das Schicksal Deutschlands, sondern auch das Europas ab, und ihr zerstört die großen Hoffnungen aller Deutschen und aller guten Europäer!" Damit können Sie den Franzosen nicht imponieren. Wir können bei den Franzosen nur dann Eindruck machen, wenn wir ihnen mit einer festen, klaren Haltung gegenübertreten.
Dieser festen unid. klaren Haltung geben Sie Ausdruck, wenn Sie einem Antrag zustimmen, den ich hiermit einbringe und der da sagt:
Alle Verständigungsverhandlungen mit Frankreich werden eingestellt, und der Beitritt Deutschlands zur Europäischen Union und zum Europarat unterbleibt, bis das Saarabkommen zwischen Frankreich und dem Saargebiet aufgehoben ist und die wirtschaftliche und politische Freiheit des Saargebiets für alle Zeiten sichergestellt ist.
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Wenn Sie diesen Antrag annehmen, dann imponieren Sie Frankreich,
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sonst imponieren Sie ihm nicht!
({4})
- Sie von links wollen ja doch dasselbe. Herr Schumacher hat doch in seinen Schlußsätzen beinahe dasselbe gesagt. Stellen Sie sich doch nicht auf einmal dagegen, weil ich es sage! Sie meinen, Sie müßten von vornherein in jedem das Gegenteil von dem sagen, was ich sage.
Das, was wir in diesem Antrag vorschlagen, ist das einzige, was wir in dieser Stunde machen können. Wenn wir nicht alle Verhandlungen auf Verständigung mit Frankreich von Stund an einstellen und wenn wir nicht alle Bemühungen, den europäischen Rat zu bilden, aufgeben, bis die Saarkonvention zurückgenommen und damit das SaarDeutscher ,Bundestag ({5})
gebiet für uns sichergestellt ist, dann zeigen wir damit, daß es uns an Mut und Entschlossenheit fehlt. Es gehört ein großer Mut dazu, das zu tun. Wir können hier auch nicht mit weibischem Klagen weiterkommen, sondern wir müssen nun wirklich zugreifen. Ich habe die feste Überzeugung, daß ich im Namen von Millionen Deutschen spreche, wenn ich heute den Franzosen zurufe: Die Hände weg von der Saar, die Hände weg von deutschem Land! Das ist das Entscheidende, und an diese Aufgabe müssen wir nun auch wirklich ernsthaft herangehen. Wir dürfen keine halben Maßnahmen ergreifen, die nun wieder auf eine Bitte oder so etwas hinauslaufen. In der praktischen Politik wird man nur dann etwas erreichen, wenn man Maßnahmen androht und dann auch ausführt, die dem anderen auch Eindruck machen.
Ich bitte also den Herrn Bundeskanzler: Lassen Sie sich bei der Gestaltung der deutschen Lebensfragen nichts abringen, schenken Sie sophistischen Gründen keine Beachtung! Wir aber wollen dafür sorgen, daß die Dinge nun praktisch gehandhabt werden, damit wir wirklich auf diesem Gebiet weiterkommen. Wir wollen versuchen, dem deutschen Volk eine innere Festigkeit zu geben. Zeagen wir aber auch dem französischen Volk hier eine Haltung; dann wird sich erweisen, ab es wirklich geneigt ist, etwas zu tun. Mit einem politischen Entgegenkommen, einer überklugen Politik, die das Gras wachsen hört, sich aber scheut, sich zu irgend etwas Greifbarem zu bekennen, kommen wir nicht weiter. Wir müssen schon mannhaft zugreifen und mannhaft handeln.
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In der Welt gibt es - und das weiß Herr Schmid, der da eben etwas ironisch einen schönen Spruch zum Vergleich heranzog, genau so wie ich - zwei Dinge: entweder handle ich opportunistisch, mache Verbeugungen und suche mich Liebkind zu machen bei dem, mit dem ich gern übereinkommen möchte, oder ich stelle mich auf den Standpunkt der Sittlichkeit
({7})
und sage: es muß so oder so gemacht werden!
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Wenn das nicht geschieht, dann liegt ein Verstoß gegen die Grundlagen der menschlichen Natur und der Sittlichkeit vor.
({9})
Den Lockungen des Augenblicks zu folgen, ist immer ein Zeichen von Schwäche.
({10})
Ein Zeichen von Stärke aber ist es, wenn ich trotz dieser Lockungen feststehe.
({11})
Nur wer den Mut zur Wahrheit aufbringt, nur wer keine Politik der bloßen Schaukelei und gegenseitigen Rücksichtnahme treibt, wird in seiner Politik Erfolg haben..
({12})
Politik ist Treue zu sich selbst und zum Vaterland, Politik ist. eine ethisch feste und gerechte Haltung. Wenn Sie, Herr Schmid, als Jurist immer wieder die Grundsätze des Rechts betonen, dann betonen Sie bitte auch die andere Seite: daß das Recht sich
nicht von selbst verwirklicht, sondern daß es eines rücksichtslosen Einsatzes für das Recht bedarf.
({13})
Das aber vermisse ich in der Haltung, die die Sozialdemokratische Partei heute eingenommen hat.
({14})
- Es kommt im Leben wohl auf den Verstand an,
({15})
das ist richtig. Es kommt aber auch darauf an, daß wir die Grundsätze der menschlichen Sittlichkeit verwirklichen, die ganz unabhängig von jedem Intellektualismus bestehen.
({16})
- Aber auch nicht mit Intellektualismus in der klassischen Form, lassen Sie sich das gesagt sein. Sie sind ein Intellektualist reinsten Wassers. Aber damit kommen wir natürlich auch nicht weiter.
({17})
Das Gebot der Stunde ist: Treten Sie von allen Verhandlungen zurück, bis die Franzosen das tun, was notwendig und was vernünftig ist. Deshalb stelle ich meinen Antrag, den ich eben verlesen habe, mit zur Abstimmung.
({18})
Das Wort hat Herr Abgegeordneter Dr. Schäfer.
Meine Damen und Herren! Da ich als einer der letzten Sprecher heute zu Wort komme, kann ich wohl den Verlauf der Sitzung ein wenig charakterisieren. Sie war seltsam zwiespältig. Sie war erfreulich im Hinblick auf die Einmütigkeit der Auffassungen, die hier, abweichend von manchen Spannungen in der Vergangenheit, zum Ausdruck gekommen ist. Nur wenige Randfiguren haben die Tendenz, die schon in der Kanzlerrede anklang, verlassen. Und immer wieder haben die Sprecher von rechts und links, wenn auch in verschiedenen Tönungen und mit vielleicht abgewandelten Schlußfolgerungen, sie vertreten und dargestellt.
Im Gegensatz zu dieser sympathischen Einmütigkeit ist aber festzustellen, daß wir heute eines der dunkelsten Kapitel behandelt haben, die in diesem jungen Parlament der Bundesrepublik besprochen werden. Denn durch die Verhandlungen, die in dem Abkommen vom 3. März ihren Niederschlag gefunden haben, ist nicht nur so etwas wie ein Reif in der Vorfrühlingsnacht gefallen, sondern hier ist der deutschen Demokratie ein Tiefschlag versetzt worden. Es ist eine schwere Aufgabe, die wir nicht nur für unser Land, sondern für unser Volk als Bestandteil der Gesamtheit von Völkern der Welt übernommen haben, dies unser Volk mit demokratischen Überzeugungen zu erfüllen, diesen unseren Staat im Bewußtsein seiner Bevölkerung zu verwurzeln. Demokratien sind nicht stark und fest durch Machtmittel oder formale Bestimmungen; sie sind nur gefestigt und gesichert, wenn sie von den Menschen, die in ihnen leben, vertrauensvoll und freudig bejaht werden.
({0})
Wenn immer wieder Zweifel geweckt werden an
der Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit des demokratischen Wollens und wenn gleichzeitig mit der Verkündung demokratischer und humanitärer Prinzipien nach dem gräßlichen Kriege gegen diese
Grundsätze immer wieder verstoßen wird, dann
ist es ob dieses Unterschiedes zwischen Wort und
({1})
Tat unsagbar schwer, Überzeugungskräfte lebendig zu machen oder zu halten von der Art, wie ich sie eben gekennzeichnet habe.
({2})
So ist denn auch die heutige Kritik an den Saarverträgen nicht der Ausfluß eines verstiegenen Nationalismus gewesen, sondern es war ein Aufbegehren gegen Prinzipien und Handlungen, die mit demokratischen und humanitären Grundsätzen nicht zu vereinbaren sind.
({3})
Gerade in diesem Zusammenhang möchte ich deshalb an die Presse und den Rundfunk jenseits der
Grenzen unseres Landes die Bitte richten, endlich
den Sperriegel der Vorurteile und Denkgewohnheiten zu lösen, der um uns, um die Publikation unserer Gedankengänge, immer wieder gelegt wird,
({4})
und den deutschen Argumenten das Verständnis entgegenzubringen und den Raum zu geben, den sie verdienen. Denn diese deutschen Argumente sind nicht getragen von nationalistischem Machtsinn, sondern von Vorstellungen, die weit hinausreichen und weit hinauswollen über alle vergangenen Formen der friedlosen Entwicklung in dieser Welt.
({5}) Wir stehen bei diesen Erörterungen oft vor einer bestürzenden Verständnislosigkeit des Auslandes. Jedesmal, wenn wir uns rühren, weil gegen demokratische Gedanken verstoßen wird, bei unserem Versuch, eine eigene demokratische Lebensform zu entwickeln, wird das als Nationalismus gedeutet. Man sollte sich doch einmal darum bemühen, zu erkennen, daß kaum ein Volk in der Welt so gründlich von nationalistischen Verstiegenheiten kuriert ist wie das deutsche.
({6})
Meine Damen und Herren! Wir billigen vollinhaltlich die Rechtsverwahrungen, die der Herr Bundeskanzler bei der Erörterung der rechtlichen Gedanken und Formen der verschiedenen Verträge, die zwischen der französischen und der saarländischen Regierung abgeschlossen worden sind, eingelegt hat. Ich will in dieser vorgerückten Stunde, nachdem schon soviele Vorredner auf die rechtliche Fragwürdigkeit dieser Verträge im einzelnen eingegangen sind, nicht alle Argumente wiederholen, die auch meine Freunde und ich sich zu eigen machen. Wenn ich also - und deswegen sage ich das - die Gedanken und Sätze, die hier schon vorgetragen worden sind, nicht noch einmal ausspreche, so geschieht das nicht, weil ich ihre Beweisgründe gering schätze, sondern nur, weil ich, um den Verlauf der Verhandlung nicht aufzuhalten, Wiederholungen vermeiden möchte.
Gestern ist uns eine Erklärung zugegangen, in der ausdrücklich gesagt ist, für den Gesamtkomplex aller dieser 4 oder 10 oder 12 Verträge gelte grundsätzlich der Vorbehalt, daß diese Verträge einer Bestätigung durch den künftigen Friedensvertrag bedürften. Nun, meine Damen und Herren, das gibt immerhin einen gewissen Grund zu der Erwartung, daß man bereit sein könnte, die Motive, die überhaupt zu diesen Verträgen geführt haben, bei den Beteiligten einer Nachprüfung zu unterziehen. Es wäre um so nötiger, das zu tun, als ein absonderlicher Gegensatz besteht zwischen der Erklärung, daß alle diese Verträge nachträglich durch einen Friedensvertrag bestätigt werden sollen oder müssen, und der merkwürdigen Hast und Eile und Gründlichkeit, mit der man diese Verträge abgeschlossen hat.
({7})
Diese Widersprüche bestehen aber auch hinsichtlich der Formen der politischen Verknüpfung und der wirtschaftlichen Verbundenheiten, die in den Verträgen gefordert oder festgelegt worden sind. Es besteht ein merkwürdiger Widerspruch zwischen dem Autonomieversprechen gegenüber dem Saargebiet und den Befugnissen, die man dem Statthalter der Besatzungsmacht zugesprochen hat. Es besteht ein merkwürdiger Widerspruch zwischen der Bereitschaft, die Angelegenheit durch einen Friedensvertrag nachprüfen, eventuell revidieren zu lassen, und der seltsamen Langfristigkeit mancher Abmachungen. Es besteht ein merkwürdiger Widerspruch wiederum zwischen den Vorstellungen von Autonomie und der politischen Abhängigkeit des Saargebiets von Frankreich. Und es besteht wiederum ein merkwürdiger Widerspruch zwischen den allgemeinen Grundsätzen, die in manchen Einleitungssätzen dieser Verträge zum Ausdruck gebracht sind, und der eklatanten Verletzung privatrechtlicher und völkerrechtlicher Grundsätze, die den Inhalt der Verträge ausmachen.
Wenn man dann weiter über die formelle Seite der Abmachungen hinaus ihre Wirksamkeit untersucht, dann muß man die bedenkliche Möglichkeit ihrer Mißdeutung befürchten. Es ist für den Außenstehenden und vor allen Dingen für diejenigen Völker, die den Eigentümlichkeiten der Landschaft, um die es hier geht, fernstehen, schwer zu begreifen, daß ein scheinbar so harmloser Pachtvertrag über Bergwerke politisch als so verhängnisvoll von uns empfunden wird. Es muß deswegen mit aller Deutlichkeit einmal in den Vordergrund gerückt werden, daß bei der besonderen Stellung, ja der entscheidenden Bedeutung, die der Bergbau des Saargebiets für dieses Land hat, die vorgesehene Verfügungsgewalt über die Bergwerke einer faktischen Annexion dieses Saarlandes gleichkommt.
Ich bin mit dem Herrn Kollegen Schumacher einverstanden, wenn er sich gegen die Bagatellisierung der Saarfrage und gegen die Darstellung wendet, als ob es sich um einen geringfügigen Vorgang auf der großen Weltkarte handle, demgegenüber große andere Zusammenhänge viel wichtiger erscheinen möchten. Hier handelt es sich um Grundsätze! Hier handelt es sich um Grundsätze, die die Kräftegruppierung in der gesamten Welt bestimmen, und das, meine Damen und Herren, sind niemals Bagatellangelegenheiten.
Es ist schon von einem der Herren Vorredner darauf hingewiesen worden, daß der Parlamentarische Rat, als er die Präambel zu unserem Grundgesetz festlegte, den Satz aussprach, daß mit der Annahme dieser Verfassung das deutsche Volk in der Bundesrepublik auch für jene Deutschen gehandelt hat, denen mitzuwirken versagt war. Nun, meine Damen und Herren, dieses Grundgesetz hat die Bestätigung und Billigung der Besatzungsmächte gefunden, und damit ist auch der Grundsatz gebilligt und anerkannt, daß diese Bundesrepublik auch für jene Deutschen zu handeln und mitzusprechen hat, die westlich von uns verhindert sind, ihren politischen Willen frei zu bekunden.
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Wir handeln im Sinne der Saarbevölkerung, die ihre Meinung nicht offen auszusprechen vermag, die uns aber auf tausenderlei Wegen immer wieder bezeichnende Zeugnisse zuteil werden läßt von ihrer wirklichen Einstellung und ihrer wirklichen Überzeugung, wenn wir nachdrücklich die Selbstbestimmung dieses Gebiets fordern, ja wenn wir feststellen, daß es überhaupt kein Saarvolk gibt,
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sondern daß es sich nur um einen kleinen Teil des gesamten deutschen Volkes überhaupt handelt.
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Und sehen Sie, meine Damen und Herren, darum stimme ich mit allen Vorrednern überein, die immer wieder die Notwendigkeit betont haben, innerhalb des Saargebiets die Möglichkeit zu schaffen, in freier Wahl und in vollständiger Presse- und Vereinigungsfreiheit die Bestimmung des politischen Schicksals zu erörtern und schließlich selbst zu entscheiden.
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Aber, wie ich schon gesagt habe, die Erörterung, die wir anstellen müssen, wirft ja auch - das ist immer wieder hier zum Durchbruch gekommen - die Frage nach einer europäischen Entwicklung auf. Ich komme an der Verpflichtung nicht vorbei, auf das schmerzlichste zu beklagen, daß diesmal auf dem Wege zu einer europäischen Föderation eine Barrikade aus Mißtrauen, Verzweiflung und Verbitterung aufgerichtet worden ist. Wer werden uns damit nicht aufhalten lassen, unseren Weg weiterzugehen, und ) wir sind durchaus einverstanden mit der Forderung des Kanzlers, den Weg zu einer europäischen Föderation weiterzuverfolgen. Wir sind uns dabei sogar klar darüber - und ich möchte das einmal besonders herausstellen -, daß wir damit nicht etwas aussprechen und fordern, was im Augenblick vielleicht als eine deutsche Zweckmäßigkeitserwägung mißdeutet werden könnte. Meine Damen und Herren! Seit Jahrzehnten ist das Verlangen nach einer gesamteuropäischen Ordnung ein Bestandteil der demokratischen Bestrebungen in Deutschland gewesen.
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Deswegen möchte ich in diesem Augenblick einmal ein Wort aus einer recht vergangenen Zeit anklingen lassen, aus der Zeit der Paulskirche, die auch schon einmal eine Debatte über eine europäische Föderation veranstaltet hat. Es war da einer der Blutzeugen der deutschen Demokratie, . Robert Blum, der damals Sätze sprach, die so aktuell sind, als wären sie heute gesprochen, wenn man von der sprachlichen Form absieht, die vielleicht nicht mehr ganz unserer Sprechweise entspricht. Er sagte damals:
Das Ziel, das man im Auge hat, muß man aussprechen, und das Ziel einer Verbrüderung des freigewordenen oder freiwerdenden Westens ist es, dem ich meine Stimme leihe. Mit der Erreichung dieses Ziels ist die Freiheit und der Friede in Europa gesichert. Mit der Erreichung dieses Ziels steht die größte und intelligenteste Abteilung der europäischen Staatenfamilie in einer unbesiegbaren Vereinigung zusammen. In der Erreichung dieses Ziels ist die Möglichkeit gegeben, diese das Land entnervenden immerwährenden
Rüstungen, diesen sogenannten bewaffneten (C Frieden, der uns an den Rand des Verderbens bringt, aufzuheben. In der Erreichung dieses Ziels ist aber zugleich gesichert, was man so vielfach bedroht sieht: der gesellschaftliche Zustand, der Bestand des Besitztums,
die Heiligkeit des Eigentums. Denn wenn wir es vermögen, unsere bisher an täglichen Lebensbedürfnissen notleidenden Brüder mit den ,Ersparnissen und Kräften eines großen und mächtigen Staates auf eine andere Stufe zu heben, wenn wir ihnen Wohlstand, Sicherheit und Genuß des Daseins gewähren können, dann haben wir nimmermehr zu fürchten, daß die Verzweiflung sie zur Gewalt treibe und die Errungenschaften vieler Jahrhunderte durch einen, wenn auch flüchtigen Sieg in Frage stellen läßt.
Meine Damen und Herren! Diese Worte vom Wesen und Wert einer europäischen Einheit sind vor 102 Jahren gesprochen worden. Man kann nur mit einem gewissen Schauder daran denken, daß diese Worte wirkungslos verhallt sind, wenn wir zurückschauen, wie der Verlauf der Geschichte andere Wege gegangen ist, als sie dieser Europäer gefordert und sich gedacht hat. Aber beweist nicht gerade diese Einsicht in die falschen Wege des letzten Jahrhunderts, in diese immer wieder mißlungene deutsche Demokratie und in diese ebenso mißlungene europäische Vereinigung die Notwendigkeit, mit den politischen Methoden zu brechen, die letzten Endes in der Stunde begonnen haben, als die Söhne Karls des Großen das abendländische Reich unter sich teilten? Entsteht da nicht die Aufgabe, über alle Grenzen hinwegzusehen, diese komischen und kleinlichen Methoden zu überwinden, wie sie einst die Territorialfürsten angefangen haben und wie sie die Bürokratien heute fortsetzen, und endlich damit anzufangen, eins zu beseitigen: dieses tausendjährige Unheil des Vertrags von Verdun.
Wenn wir die Zusammenhänge so sehen und wenn wir so zu den Völkern da drüben westlich von uns sprechen, dann ist das kein Nationalismus, sondern in diesen Überlegungen steckt die tiefe Erfahrung eines Volkes, das da weiß und erlebt hat, welche Tragödien innen- und außenpolitischer Art immer wieder entstehen,. wenn man den Frieden nur als einen Versuch ansieht, die vergängliche Zufälligkeit eines zeitweiligen Machtverhältnisses in die Form unabänderlich gedachter Rechtssätze oder Vertragsklauseln hineinzuzwingen.
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Immer wieder sind auf solchen Irrwegen nur neue Auseinandersetzungen gekommen. So geschieht es um des Friedens und um einer konstruktiven europäischen Politik willen, wenn ich meine Frage über diese Halle hinaus an die Völker Europas zu richten versuche, daß sie sich überlegen möchten, ob immer noch hauptstädtische Bürokratien mit ihrem Interessentenanhang kleinliche Formen territorialer Verschiebungen, diese Politik der Interessensphären, die immer nur Gegensätze aufrühren und Streit verursachen, weiter fortsetzen wollen in einer Zeit, die doch eigentlich nur noch in weiten Zusammenhängen von Zeitaltern und Kulturen denken sollte, in einer Zeit, in der die Atomenergie geeignet ist, die gesamte gesellschaftliche Struktur der Staaten und Völker zu wandeln, in der sich nämlich das ungeheure
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Wagnis auftürmt, daß die Gewalt von Sonnen in die Hand von Menschen gelegt sein könnte.
Sich in einer solchen Zeit, meine Freunde, gegen Verträge zu wehren, wie wir sie heute erörtert haben, gegen eine Denk- und Handlungsweise, wie sie uns hier als Störung der europäischen und als Gefährdung unserer demokratischen Entwicklung entgegentritt, ist nicht chauvinistische Leidenschaft. Aber es ist der bewußte und entschlossene Wille, mit mutiger Vorbehaltlosigkeit des Herzens und auch mit besonnener Aufrichtigkeit des Strebens einer gesamteuropäischen Entwicklung und damit dem Frieden zu dienen.
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Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist damit erschöpft. Ich schließe die Aussprache.
Der Herr Abgeordnete Leuchtgens hat mir einen Antrag 'überreicht, der seine alleinige Unterschrift trägt. Nach § 49 der Geschäftsordnung bedarf es bekanntlich zur Stellung von selbständigen Anträgen der Unterschrift von mindestens 10 Mitgliedern des Hauses. Infolgedessen hat dieser Antrag keine Gültigkeit.
Ferner hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner für die Gruppe Deutsche Reichspartei an mich die Bitte gerichtet, den Ältestenrat einzuberufen, und mich gleichzeitig gebeten, ihm dazu das Wort zur Geschäftsordnung zu erteilen. Ich mache grundsätzlich auf folgendes aufmerksam. Zur Geschäftsordnung das Wort zu erteilen, liegt ausschließlich im Ermessen des Präsidenten. Die Bemerkungen zur Geschäftsordnung können sich nur auf den zur Verhandlung stehenden oder unmittelbar vorher behandelten Gegenstand beziehen. Daß der Gegenstand der Verhandlung heute ein anderer war als der der Einberufung des Ältestenrats, unterliegt wohl keinem Zweifel. Ich bin daher nicht in der Lage, das Wort zur Geschäftsordnung zu erteilen.
Ich berufe die nächsten Sitzungen des Bundestages, und zwar die 47. Sitzung auf Donnerstag, den 16. März, 14 Uhr 30 Minuten, und die 48. Sitzung auf Freitag, den 17. März, 14 Uhr 30 Minuten, und erkläre die heutige 46. Sitzung des Bundestages für geschlossen.