Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 32. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Ich erteile zunächst dem Schriftführer, Herrn Abgeordneten Dr. Zawadil, das Wort, um die Namen der abwesenden Mitglieder des Hauses bekanntzugeben.
Wegen Erkrankung fehlen die Abgeordneten Frau Dr. Brökelschen, Frau Brauksiepe, Dr. Weiß, Blachstein, Schönauer, Wittmann, Fisch und Stegner.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Wuermeling, Dr. Bucerius, Dr. Henle, Naegel, Dr. Baur, Kemmer, Schill, Dr. Laforet, Mensing, Gibbert, Neber, Dr. Jaeger, Dr. Vogel, Even, Siebel, Jacobi, Frau Albertz, Altmaier, Behrisch, Marx, Meyer ({0}), Frau Albrecht, Heiland, Kalbfell, Mellies, Böhm, Welke, Wönner, von Knoeringen, Dr. Bärsch, Henßler, Dr. Baade, Neumann, Dr. Suhr, Bazille, Dr. Becker, Euler, Dr. Pfleiderer, Dr. Hoffmann, Frühwald, Freudenberg, Revenstorff, Margulies, Dr. Preiß, Rademacher, Dr. Mühlenfeld, Wittenburg, Wartner, Dr. Falkner, Clausen, Dr. Glasmeyer, Oskar Müller, Kurt Müller, Reimann, Harig, Leibbrand, Nuding, von Thadden, Kuhlemann und Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Ich habe folgendes Schreiben bekanntzugeben. Der Herr Abgeordnete Leibbrand von der KPD hat an mich wie fegt geschrieben:
Wegen Arbeitsüberlastung sehe ich mich veranlaßt, mit dem heutigen Tage mein Mandat als Abgeordneter des Deutschen Bundestages niederzulegen.
Gemäß § 4 der Geschäftsordnung habe ich dem Herrn Landeswahlleiter von Nordbaden-Württemberg eine entsprechende Mitteilung zukommen lassen.
Ferner liegt ein Antrag vor, unterschrieben von folgenden Mitgliedern des Hauses: den Herren Abgeordneten Loritz, Dr. Richter und Dr. Reismann, folgenden Wortlautes:
Die unterzeichneten Fraktionen bzw. die
unterzeichneten Mitglieder des Ältestenrats
verlangen hiermit gemäß § 11 Absatz 2 der
Geschäftsordnung sofortige Einberufung des Ältestenrates, spätestens noch heute.
Gegenstand der Aussprache: Verhalten des Präsidenten gegenüber dem Abgeordneten Goetzendorff und Ausschluß des Abgeordneten Goetzendorff von 20 Sitzungstagen; damit zusammenhängend: Frage, ob unrichtige Interpretation des § 91 der Geschäftsordnung durch den Präsidenten.
Nach § 11 der Geschäftsordnung ist insoweit die Voraussetzung für diesen Antrag gegeben; es heißt dort:
Der Ältestenrat muß berufen werden, wenn es drei Mitglieder verlangen; er ist beratungsfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist.
Gemäß diesem Antrag, den ich eben verlesen habe, berufe ich hiermit auf eine Stunde nach Schluß der heutigen Plenarsitzung den Ältestenrat ein.
Der Herr Abgeordnete Dr. Miessner hatte sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Miessner zur Geschäftsordnung!
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der eben behandelten Angelegenheit möchte ich namens meiner Parteifreunde dagegen protestieren, daß wegen einer solchen Sache die Sitzung dieses Hauses mit mehr als 400 Menschen und zahlreichen Pressevertretern um über eine Stunde unterbrochen wird.
Herr Abgeordneter Dr. Miessner, Sie haben eben aufgehört; sonst hätte ich Sie darauf aufmerksam machen und Ihnen auf Grund von § 83 der Geschäftsordnung, der bekanntlich Bemerkungen zur Geschäftsordnung auf bestimmte Gegenstände beschränkt, das Wort entziehen müssen.
({0})
Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ({1}).
Gemäß dem Ihnen bereits gestern bekanntgegebenen und von Ihnen gebilligten Vorschlag des Ältestenrats erbitte ich auch heute das Einverständnis der Fraktionen dazu, daß wir für die Begründung etwa 25 Minuten und für die Redezeit der übrigen Fraktionen etwa 130 bis 140 Minuten nach der üblichen Schlüsselung in Anspruch nehmen - Ich höre keinen Widerspruch und darf feststellen, daß Sie mit dieser Regelung der Redezeit zu Punkt 1 der Tagesordnung einverstanden sind.
Darf ich fragen, wer von den Herren Antragstellern das Wort wünscht. - Bitte, das Wort hat der Herr Abgeordnete Professor Dr. Nölting zur Begründung des Antrages.
Dr. Nölting ({2}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Es gibt das bekannte Wort -
Herr Abgeordneter, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Ich sehe eben, daß sich der Herr Abgeordnete Goetzendorff im Sitzungssaal, wenn auch nicht im Raume
({0})
des Plenums, sondern in der Loge befindet. Gemäß der gestern von mir verkündeten Entscheidung ersuche ich den Herrn Abgeordneten Goetzendorff, sofort das Haus zu verlassen.
({1})
- Der Herr Abgeordnete Goetzendorff hat das Haus verlassen.
Herr Abgeordneter Dr. Nölting, sprechen Sie bitte weiter.
Dr. Nölting ({2}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Es gibt das bekannte Wort des Nationalökonomen Robert Liefmann: „Kartelle sind Kinder der Not". Aber man könnte ebensogut gleich hinzufügen: sie sind auch Kinder des Übermuts. Man sagt, die Kartelle dienten der Läuterung des Wettbewerbs; aber ebensogut führen sie die Gefahr einer Verkalkung und monopolistischen Verschachtelung und Refeudalisierung des Kapitalismus herauf; einer Verfilzung, durch die wir in das Halbdunkel einer unentwirrbaren Dschungelwirtschaft geraten. Man sagt, sie dienten der Preisregulierung und der Preisstabilisierung, namentlich in Zeiten der Flaute; aber genau so gut dienen sie auch der Preistreiberei, indem der durchschnittlichen Profitrate noch die Kartellrente aufgeknallt wird. Es ist kein Zweifel, daß allezeit die Kartelle an der Preishochhaltungspolitik einen beträchtlichen Anteil gehabt haben. Nicht nur dem Verbraucher ist dadurch Schaden zugefügt, auch ganze Industriezweige sind unter Druck gesetzt worden. Unser Maschinenbau weiß ein Lied davon zu singen, dem die Kartelle der eisen- und stahlschaffenden Industrie häufig die Daumenschrauben angelegt haben, während den angeschlossenen Maschinenbaubetrieben Sonderrabatte gewährt wurden, die dann ihrerseits wieder eine Dumpingpolitik ermöglichten. Nicht selten sind alteingesessene, gut fundierte und volkswirtschaftlich bedeutsame Betriebe dadurch in den Boden konkurriert worden.
Man will nun durch Beseitigung dieser Monopolorganisationen den vollen Leistungswettbewerb herstellen. Aber, meine Damen und Herren, es gibt auch einen ruinösen Vernichtungswettbewerb, an dem die Gesamtheit keinerlei Interesse hat.
So ließen sich Thesen und Antithesen leicht noch weiter aneinanderreihen. Ich habe ja auch diese Beispiele nur deshalb angeführt, um von vornherein klarzumachen, daß hier eine Doppelwandigkeit, eine Doppelschichtigkeit der Problematik besteht, weshalb man mit einem einfach ablehnenden Nein noch weniger auskommt als mit einem unbedenklich zustimmenden Ja. Die ganze Materie bedarf dringend der Ordnung. Ein solches Ordnungsgesetz ist uns wiederholt angekündigt und in Aussicht gestellt worden; aber die Sache kommt nicht recht vom Fleck, und die Vermutung liegt nahe, daß es Divergenzen in den Anschauungen unserer Regierungsparteien sind, die den entscheidenden Schritt bisher abgebremst haben, und es würde für meine Freunde von besonderem Interesse sein, wieweit gerade das Bundesjustizministerium an diesen Verzögerungen Schuld trägt.
Folgt man freilich den Verlautbarungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, so ist es angeblich seine Absicht, mit allen Monopolorganisationen tabula rasa zu machen. Es soll eine Atombombe auf sie herniedergehen
({3})
und sie auseinandersprengen. Und damit soll der volle Leistungswettbewerb hergestellt werden, worin ja nach Abbau der zwangswirtschaftlichen Maßnahmen sozusagen Teil 2 der „sozialen Marktwirtschaft" erblickt wird. Man will offenbar dem System der Liberalisierung dadurch erhöhte Popularität verleihen, daß man den Kartellen die Zähne zeigt; man glaubt, damit die endgültige Marktbereinigung herbeiführen zu können. Herr Professor Erhard scheint sich auf der Linie absoluter Kartellgegnerschaft festgelegt zu haben; oder soll ich lieber sagen: er schien sich festgelegt zu haben? Denn, meine Damen und Herren, ich bin dadurch etwas stutzig geworden, daß die Zeitungen vermeldeten: bei der Aussprache im Gästehaus in Unkel, die unlängst stattfand, sei zwischen dem Herrn Bundeswirtschaftsminister und den 120 Vertretern aus Industrie und Handel völlige Übereinstimmung herbeigeführt worden. Hundertprozentige Zustimmung
({4})
- oder gar „120prozentige Zustimmung", das ist etwas viel; und der Verdacht liegt nahe, daß das Ganze weitgehend ein Scheinalarm war, der inzwischen wieder abgeblasen worden ist.
({5})
Die sozialdemokratische Fraktion legt jedenfalls Wert darauf, daß sie sich von vornherein von der höchst naiven Auffassung genügend distanziert, man könne mit Zerschlagung der Kartelle die prästabilierte Harmonie der Marktwirtschaft erreichen. Gewiß sind Kartelle ein Störungsfaktor des freien Marktgeschehens. Aber wenn man einmal von den Prämissen des Herrn Professor Erhard ausgeht, so will mir scheinen: der das Kartell verbietende Staatseingriff ist ebenfalls staatliche Intervention,
({6})
bedeutet ebenfalls einen Abfall von der liberalen Doktrin. Herr Professor Erhard gerät so mit seiner Atomzertrümmerungsideologie in Widerspruch zu seinen eigenen Prämissen und kommt vom Regen in die Traufe.
({7})
Denn Kartelle sind Kinder aus dem Geiste des Liberalismus, und der vielbesprochene Wettbewerb setzt sich in Quotenkämpfen und in dem Herumgebalge mit dem Außenseiter unterirdisch fort. Der reine Liberalismus übersieht gern, daß auch diese Gebilde organisch gewachsen sind und daß sich im Zeichen der Vertragsfreiheit auch die sogenannte „Planung des Wettbewerbs" konsequenterweise verbietet, wofern man nicht einen Abfall von der Doktrin begehen und sich eines Verrats an den eigenen Prämissen schuldig machen will. Wir haben ja gestern zu unserer freudigen Überraschung gehört, daß sich der Herr Bundesminister gegen eine planmäßige Lenkung nicht mehr sträubt. Wir freuen uns über jeden Saulus, aus dem ein Paulus wird.
({8})
Ich möchte aber darauf aufmerksam machen, daß Herr Professor Erhard im „Volkswirt" unlängst noch wörtlich geschrieben hat: „Jede Planung ist Sünde wider den heiligsten Geist des Lebens, dessen innerstes Wesen Wandlung, Bewegung und Entfaltung ist."
({9})
Ich weiß nicht - es liegt wahrscheinlich an mir -, warum ich es so schlecht vertragen kann, wenn Wirtschaftsminister lyrisch werden.
({10})
({11})
Steigen wir deshalb nach diesen Höhenflügen in dem Bereich der biologischen Metaphysik lieber herunter in die Niederungen der Praxis und in die Region nüchterner Überlegungen. Dann aber ist zu sagen: es gibt nicht den Weg zurück in die freie Marktwirtschaft, auch wenn man ihn gehen wollte; die Wirtschaft ist von Machtbastionen und Machtpositionen durchsetzt, die sich nicht einfach auflösen lassen. Das Konkurrenzmodell, das unseren Liberalisten vorschwebt, erscheint uns reichlich antiquiert. Es hat sich eine Entwicklung vom freien zum organisierten Kapitalismus vollzogen, die sich nicht aufhalten läßt. Gerade diese Organisationen sind ein Charakteristikum der kapitalistischen Spätphase. Man hat zu unterscheiden - darf das der Professor einmal dem Professor sagen? - zwischen der Aufbau- und der Ausbauphase des Kapitalismus. In seiner Aufbauphase bleibt der Kapitalismus dem Konkurrenzprinzip zugeschworen; lebt er doch in dieser seiner ersten Phase von dem Einbruch in den vorkapitalistischen Raum, von der Zerstörung der vorkapitalistischen Produktion formen, namentlich der Handwerksbetriebe, was ein relativ risikofreies und gewinnbringendes Geschäft bedeutet. Dann aber, nach Aufzehrung .und Liquidierung dieser Vorformen in der Ausbauphase, kommt der Kampf gegen den ebenbürtigen Gegner: jetzt ringen gleichstarke Wirtschaftspotenzen miteinander; und damit ist die Stunde gekommen, in der der Schrei entsteht: la concurrence nous tue - die Konkurrenz tötet uns -, wie es Proudhon formulierte; die Stunde, da man sich gegenseitig so aufzufressen droht, wie es die beiden berühmten Löwen in der Fabel getan haben, die sich so auffraßen, daß am nächsten Morgen trist und einsam nur noch die beiden Schwänze in der Wüste herumlagen. Dann ist die Stunde gekommen, in der sich die Überlebenden des wirtschaftlichen Schlachtfeldes im Zeichen der Vereinbarung, der Verständigung zu einem befristeten Waffenstillstand zusammenfinden.
Aber nun lassen Sie uns wieder unprofessoral werden! Moderne Technik ist ihrem Wesen nach großdimensional. Man kann zwar einen Hochofen, aber man kann kein Hochöfchen bauen. Der Zwang zur Organisation geht, wie es Schmalenbach noch in seiner letzten Schrift dargelegt hat, von den fixen Kosten, von der Gefahr drohender Überproduktion aus. Es vergrößert sich das Risiko des kapitalistischen Unternehmens, und zwar auf eine zweifache Weise: nach dem Umfang und nach dem Grad des Risikos. Der Versuch der Risikoabschwächung führt zur Bildung von Monopolen oder von Quasi-Monopolen, die einen höchst unzulänglichen Versuch der Selbstheilung darstellen, der Bildung von Abwehrstoffen gegen die drohende Wirtschaftsflaute und Wirtschaftsverschlechterung. Die Technik selbst zwingt zu einer weitgehenden Ersetzung der Marktbeziehungen durch Verständigungsformen, und die einfache Zerschlagung aller konzentrierten Gebilde müßte zu einem technischen Rückschritt führen, der unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland herabsetzen und eine soziale Notlage heraufführen würde. Schon aus produktionstechnischen Gründen ist der Wunsch nach einer Rückkehr zur freien Wettbewerbswirtschaft nicht linear und nicht überall zu verwirklichen. Gewaltige investierte Kapitalien könnten bei einem zügellos entfesselten Wettbewerb über Nacht verlorengehen. Eine Selterbude, einen Kramladen, auch eine
Handwerkerstube mag man zumachen, wenn der Gegner sie niederkonkurriert hat. Aber die Großgebilde, die hier auf dem Spiel stehen, leben nach einem anderen Gesetz. Da würde einer den anderen an der Gurgel nehmen und bei der weitgehenden Verflechtung in seinen Zusammenbruch mit hinabziehen, weshalb gewisse Schutzdämme gegen eine Desorganisation des Marktes unerläßlich sind. Wir leben eben nicht mehr zu Zeiten des seligen Adam Smith, was Herr Röpke und, ich fürchte, auch Herr Professor Erhard allzu leicht vergessen.
({12})
Aus den kleinen Ziegelsteinbauten von gleichformatigen Unternehmen sind die Betonklötze der Großorganisation geworden. Es reibt sich im Monopolkapitalismus nicht mehr Wassertropfen an Wassertropfen, sondern Monopolkapitalismus ist ein Strom im Eisgang, so wie der Rhein gestern aussah, wo sich die großen Eisbarren aneinander scheuern.
({13})
- Ach nein, meine Herren, anschauliche Bilder bedeuten keine Lyrik!
Soll man dem nun tatenlos oder vielleicht sogar mit stiller Begünstigung zusehen? Wir sagen mit aller Entschiedenheit nein! Und wenn eine generelle Verbotsgesetzgebung für uns nicht in Frage kommt, so noch weniger eine stillschweigende Duldung!
({14})
Wir wissen um die Preisstarre und die Preisdiktatur vieler Kartelle, um die organisierten Raubzüge gegen den Konsumenten,
({15})
um die unsinnigen, nur aus dem Profitdenken stammenden Verschachtelungen, um die Tendenz zum Mißbrauch, die jedem Machtgebilde nun einmal immanent ist. Allein die Tatsache wirtschaftlicher Machtballung mahnt zu Vorsicht und erhöhter Aufmerksamkeit. Der Erstreckungsbereich wettbewerbsloser Sphären sollte nach unserer Ansicht auf ein Minimum beschränkt bleiben. Schon aus Sorge um die jederzeit vorhandene Preisdiktaturmöglichkeit wie auch aus lohnpolitischen Gründen verbietet sich für die sozialdemokratische Fraktion jedwede Abstinenz, und sie denkt nicht daran, wie der vorliegende Antrag Nr. 405 ausweist, hier etwa in die Passivität zu gehen. Sie will aktiv werden, aber in einer spezifischen, dem Gegenstand gemäßen Form. Das heißt, eindeutige Ordnungsfunktionen müssen bewahrt bleiben, aber sie müssen konkretisiert werden, und die Ordnungsfunktion darf nicht zur Ausweichstelle mißbraucht werden.
Auch wenn wir das Eintopfgericht des generellen Verbots nicht wollen, so denken wir noch weniger daran, uns das gesamte Kartellmenü servieren zu lassen; das würde uns wenig munden. Es gab vor dem Kriege in Europa rund gerechnet 10 000 Kartelle, es gab in Deutschland 2500, in Großbritannien war es ähnlich, in Schweden gab es 2000, in Belgien 1000, in der Tschechoslowakei etwa 800.
({16})
Von diesen 2500 Kartellen können ohne Frage sehr viele zur Strecke gebracht werden, weil ihnen eine Ordnungsfunktion überhaupt nicht zukommt. Wollte man aber alles auflösen, man würde eine unerträgliche Inquisitions- und Ketzerverfolgungswelle auslösen.
({17})
Unser leitender Gesichtspunkt ist daher: wirksamer Schutz der Allgemeinheit vor dem Mißbrauch wirtschaftlicher Macht. Weniger schutzwürdig erscheint uns dabei oftmals der zur Preisschleuderei greifende Außenseiter als der kleine und mittlere Betrieb, der durch die Kartelldiktatur nicht abgewürgt werden soll, und der Abnehmer, der nicht terrorisiert werden darf. Bei allen Festsetzungen von Preisen, bei etwaigem Ausschluß von Unternehmen von Marktgebieten und sonstigen Benachteiligungen, bei der Begrenzung der Produktion, bei der Behinderung neuer technischer Anwendungsverfahren und ähnlichen Praktiken ist schärfstes Mißtrauen von vornherein geboten. Die Havanna-Charta bietet in ihrem Artikel 46 hier einige sehr wichtige Gesichtspunkte, so sehr sie sonst ein Kompromiß höchst divergierender Anschauungen ist. Das Problem, die Allgemeinheit vor dem Mißbrauch geballter Wirtschaftsmacht zu schützen und einen gesunden Wettbewerb zu sichern, wird von uns - darüber sollte kein Zweifel bestehen - sehr ernst genommen. Wir wollen es dem kapitalistischen Unternehmer bestimmt nicht bequem machen und wollen verhindern, daß in der Wirtschaft eine „Klubsesselatmosphäre" um sich greift und daß der Mut zum Wagnis vor dem Sekuritätsverlangen zurücktritt. Deshalb müssen die öffentlichen und die frei-gemeinnützigen Unternehmen als Hechte im Karpfenteich angesetzt werden, damit die alten Herren nicht zu bequem werden und nicht die Wendigkeit verlieren. Gemeinwirtschaftliche Unternehmen, insbesondere die Genossenschaften, sind aus diesem Ordnungskomplex von vornherein herauszunehmen,
({18})
denn sie stärken gerade die Stellung des Verbrauchers, des Bauern, des Handwerkers, des Einzelhändlers am Markt auf eine durchaus erwünschte Weise.
Sodann ist zu betonen, daß es bei der Ordnung der Materie keineswegs nur um Kartelle geht, das heißt um Vereinbarungen selbständiger Unternehmer zum Zwecke der Marktregelung oder Marktbeherrschung, sondern um jede Einschränkung des Wettbewerbs, die von monopolartigen Organisationen und Unternehmen ausgeht, möge es sich um eine Einzelfirma oder möge es sich um Konzerne, Trusts, Interessengemeinschaften und dergleichen handeln. Die Kartelle organisieren Märkte, die Konzerne organisieren Unternehmen. Weil die SPD jedes Monopolgesetz sub specie eines Wirtschaftsordnungsgesetzes sieht, wird für uns jedes Monopolgesetz zum Teilproblem der staatlichen Wirtschaftspolitik, untergeordnet unter das zentrale Lenkungsproblem, in dem wir, im Gegensatz zu dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, d a s Zentralproblem der Wirtschaftsgestaltung erblicken. Wir wollen Mißbrauch verhüten und wollen keine Staaten im Staate zulassen, die das demokratische Staatswesen überwuchern und unterminieren. Wir können uns auf der anderen Seite ebensowenig einen Rückfall auf eine vorhandene Organisationsstufe gestatten.
Ich sage das letztere deshalb mit solcher Deutlichkeit, weil wir beim Anhören von manchen amerikanischen Stimmen oft höchst unangenehme Begleitgeräusche ins Ohr bekommen und den Eindruck nicht ganz loswerden, daß man uns im Zeichen der Dekartellierung wettbewerbsmäßig verstümmeln und Reparationsleistungen in einer anderen Form eintreiben will.
({19})
Ich darf darauf verweisen, daß auch die englische Rechtsprechung in Kartell- und Monopolfragen die Illegalität eines Kartells in den Fällen verneint, wo ein Mißbrauch monopolistischer Macht oder restraint of trade also Handelsbeschränkung - nicht nachzuweisen ist. Sie erkennt Kartellabreden, die reasonable, das heißt vernünftig und maßvoll sind, an, sofern sie nicht gegen die öffentliche Ordnung verstoßen. Auch die französische Rechtsprechung ist ähnliche Wege gegangen. In Amerika dagegen läßt man zwar Konzerne und Trusts unter gewissen Bedingungen zu, aber kartellähnliche Abmachungen werden mit Schärfe verfolgt. Doch soll, wie man mir unlängst sagte, auch hier eine gewisse Wandlung wahrnehmbar sein. Praktisch werden auch dort nur wirtschaftsschädliche Bindungen verpönt, und es ist ein Genehmigungsverfahren vorgesehen. Man hat dort vielfach - was wir vermeiden müssen - durch das einseitige Wüten gegen die Kartelle den viel gefährlicheren Trusts Tür und Tor geöffnet.
Jedenfalls ist ein deutsches Wirtschaftsgesetz mit Formulierungen zu fordern, die unserem Rechts- und Wirtschaftsdenken entsprechen - das amerikanische Schema kann nicht einfach übernommen werden -, ein Gesetz, das, undoktrinär gehalten, den wirtschaftlichen Tatsachen, aber auch den sozialen Verpflichtungen Rechnung trägt. Höchste Eile tut not. Unser Antrag ist deshalb gestellt worden, weil die Hohen Kommissare angekündigt haben, daß sie von sich aus ein Dekartellierungsgesetz erlassen würden, wenn die Bundesregierung noch lange fackelt und nicht bald ein entsprechendes Gesetz herausbringt. Wir hoffen, daß Herr Professor Erhard das Wettrennen zwischen ihm und den Hohen Kommissaren gewinnen wird. Gegenwärtig herrscht in weiten Kreisen unserer Wirtschaft begreifliche Beunruhigung. Könnte doch ein solches unter amerikanischem Diktat stehendes Gesetz aus politischen Motiven oder aus international-konkurrenzwirtschaftlichen Erwägungen leicht Bestimmungen enthalten, die unsere wirtschaftliche Entwicklung hemmen müßten. Jedenfalls ist es besser, daß wir unsere Wirtschaftsordnung nach eigenen Erfahrungen und Bedürfnissen gestalten, damit es nicht zu einer übereilten Bilderstürmerei kommt. Durch die Zeitungen gehen Nachrichten, daß alliierte Experten an einem solchen Gesetzentwurf arbeiten, der in wenigen Tagen fertiggestellt sein und eine grundsätzliche Regelung der Dekartellierung bringen soll. Wir möchten den Herrn Wirtschaftsminister und seine Beamten deshalb etwas zur Eile anspornen.
Wir treten - ich darf das noch einmal betonen - nicht etwa grundsatzlos an diese Frage heran. Es gibt wirtschaftliche Machtballungen, deren Gebaren im Interesse der Gesamtwirtschaft höchst verderblich ist und die daher ausgemerzt werden müssen. Es läßt sich nur, da die Verhältnisse außerordentlich differenziert sind, nicht alles über den gleichen Leisten schlagen, und es muß, im Rahmen eines Ordnungsgesetzes, Möglichkeit und Bewegungsraum für die Behandlung des Einzelfalls verbleiben. Von einer öffentlich-rechtlichen Ordnung kann aber unter keinen Umständen Abstand genommen werden, und wirksame Vorkehrungen gegen unliebsame Praktiken wirtschaftlicher Machtballung sind unbedingt erforderlich. Es geht eben, sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, auch hier nicht ohne Direktion. Die wirtschaftliche Welt - das wäre für uns Sozialdemokraten rückständiger Köhlerglau({20})
be - ist noch nicht morgen vollkommen, weil heute ein Kartellverbot auf dem Papier erscheint. So wunderbar geht es auch in Ihrer hemmungslosen Wettbewerbswirtschaft nicht zu, daß man auf Zügelführung verzichten könnte. Herr Professor Erhard wettert bei jeder Gelegenheit gegen den sogenannten Termitenstaat, und ich habe mich gewundert, daß das Wort gestern nicht fiel. Einverstanden, Herr Professor Erhard! Auch wir wollen keinen Staatsmoloch, keinen machttriefenden, allgebietenden Staatsgötzen, keine große Spinne
({21})
- nein, meine Herren -, die uns alle als zappelnde Fliegen in ihr Netz einbezieht.
Die Wirtschaft soll aber auch kein Fußballplatz sein, bei dem in einem undisziplinierten Spiel der eine dem anderen die Knochen zertritt.
({22})
Der sogenannte Ausscheidungswettbewerb mag - weil Sie vom Fußballplatz sprechen ({23})
ein sportliches Ideal darstellen; er ist aber kein wirtschaftliches Ideal; denn dieses hemmungslose Spiel der Kräfte kann auch zu folgendem Ausgang führen: zu einem ruinösen Preiskampf mit sehr viel volkswirtschaftlichem Substanzverlust, zu durchaus vermeidbaren Schließungen von Unternehmen, die durchaus gesund sind, und zu umfangreichen Freisetzungen und Entlassungen von Arbeitern, die wir - weiß der Himmel - nicht nötig haben. Und was bleibt schließlich am Ende übrig? Es bleibt übrig die absolute Monopolstellung des Überlebenden, das heißt desjenigen, der am rüdesten seine Ellenbogen zu gebrauchen wußte.
({24})
Der kann dann faktisch das Monopol errichten. Ich weiß nicht, wie sich das mit der „sozialen" Marktwirtschaft vertragen würde,
({25})
auch wenn wir uns längst daran gewöhnt haben, daß bei der sozialen Marktwirtschaft das Wörtchen „sozial" sehr klein und das Wörtchen „Marktwirtschaft" immer größer geschrieben wird.
({26})
Herr Professor Erhard, Sie haben gestern hier wieder einmal das Loblied dieser Marktwirtschaft gesungen. Wir brauchen Ihnen die Antwort darauf nicht zu erteilen. Das geschieht bei den Wirtschaftsvorlagen, die wir hier sukzessive einbringen werden. Das hat aber bereits der Bundesausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes getan, und der zählt 5 Millionen Mitglieder. Er hat auf seiner Tagung in Königstein scharfe Angriffe gegen Ihre Marktwirtschaft gerichtet. Er hält, wie es im Memorandum heißt, ernste politische Folgen für unausbleiblich, wenn sich Ihre Politik nicht ändert. Er fordert entscheidende Maßnahmen auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik, der Steuer-, der Kredit-, der Finanz-, der Arbeitsmarkt- und Wohnungspolitik, um der Arbeitslosigkeit Herr zu werden, eine Arbeitslosigkeit, von der er in diesem Memorandum ausdrücklich vermerkt, daß sie zum großen Teil eine Folge der Marktwirtschaft sei, die ihrer nicht Herr werden könne.
({27})
Ich glaube, das sieht anders aus als das Selbstlob, das hier gestern gespendet wurde.
({28})
In den Freigesetzten haben Sie Ihre „befreiten" Verbraucher, die sich unter Ihren Händen, Herr Professor Erhard, in Arbeitslose verwandeln.
({29})
Gewiß, Sie sind stolz darauf, daß Sie die Käuferschlangen vor den Läden abgeschafft haben, aber sehen Sie denn gar nicht, meine Damen und Herren, daß sich eine viel gefährlichere Art von Schlangen bildet, die Schlange der Stempelbrüder vor den Arbeitsämtern?
({30})
Sie haben, glaube ich, Herr Professor Erhard, Ihre beste und auch wohl glanzvollste Phase hinter sich, damals, als Sie den Kampf gegen die Bewirtschaftung führten, die keiner von uns konservieren wollte,
({31})
so daß es praktisch ein Kampf gegen Windmühlenflügel war.
({32})
Sie ritten mit eingelegter Lanze gegen einen Lindwurm an, der an Alterskrankheit längst gestorben war.
({33})
Jetzt aber, nachdem diese erste Phase abgeschlossen ist, beginnt die zweite Phase. Da begibt man sich mit dem Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und mit dem Kampf um die Liberalisierung des Außenhandels, mit dem Kampf gegen die Monopole und mit dem auslaufenden Marshallplan auf ein schwierigeres Wirtschaftsgelände. Ich fürchte, ich fürchte, mancher Lorbeerzweig wird dabei welk werden.
Aber wieder zur Sache.
({34})
- Ich weiß, Herr Präsident, daß es einem Abgeordneten nicht gestattet ist, so weit vom Thema abzuschweifen, wie der Herr Minister es gestern tun durfte.
({35})
Ich glaube, darüber besteht in allen Lagern Einigkeit: wir müssen aus dem heute grassierenden Zustand der Illegalität bei den Monopolen herauskommen. Offiziell sind Kartelle und alle wettbewerbsbeschränkenden Abreden verboten. Praktisch aber sehen wir ein Umsichgreifen von allerhand Untergrundkartellen, spürbar in der Form von losen Preisabreden, von Quotenabreden, von Sperr- und Boykottabreden, von Gebietsabreden usw. Westdeutschland ist geradezu ein Treibhaus von unzähligen geheimen Marktabreden geworden und das Kartell, durch das Hauptportal hinausgeworfen, hat durch die Hintertür vielfach wieder seinen Einzug gehalten.
({36})
Man spricht im Ruhrgebiet nicht umsonst von den sogenannten „Frühstückskartellen", die beim Essen zustande gebracht werden,
({37})
die genau so bindend und wirksam sein können wie die formalen Kartelle, wobei ich hinzufügen darf, daß nicht nur immer Gentlemen bei diesen Gentlemen-agreements beteiligt sind.
({38})
({39})
Was aber soll man tun - so frage ich zum Schluß -, da man die Dinge nicht einfach schleifen lassen kann? Es muß nach unserer Ansicht eine Organisation geschaffen werden, die in der Lage ist, eine permanente und wirksame Kontrolle über alle Monopolgebilde auszuüben und Mißbräuche abzuwehren. Das ist nur zu erreichen durch ein Monopolamt als oberste Bundesbehörde, durch ein Bundesaufsichtsamt für Monopole. Aber wir möchten, daß ein solches Amt nicht isoliert im apolitischen, luftleeren Raum existiert, sondern ihm ist ein Beirat beizugeben. Dieses Amt hat auf Ersuchen des Parlaments, demgegenüber es zu periodischer Berichterstattung verpflichtet ist, in Funktion zu treten, hat Untersuchungen durchzuführen und ordnungsbedürftige Zustände in Form zu bringen. Vor allem ist eine ausreichende Publizität in der Form eines Monopolregisters erforderlich. Jedes Kartell, das beabsichtigt ist, hat um seine formale Zulassung einzukommen und dabei seinen Erstreckungsbereich, seine Organisationsform und die Zahl der Beteiligten anzugeben. Alsdann gibt das Monopolamt die Anmeldung bekannt, und jedem Interessierten, der sich geschädigt fühlt, steht es frei, Einwendungen und Einsprüche gegen die geplante Gründung vorzubringen, denen das Kartellamt nachzugehen und worauf es dann nach Überprüfung der Gründe auf Zulassung oder Ablehnung zu entscheiden hat. Nicht eingetragene Kartelle sind nichtig und lösen empfindliche Freiheits- und Geldstrafen aus. Wenn ein Kartell sich im Verlauf der Zeit als schädlich erweist, dann kann es jederzeit, auch wenn es bisher zugelassen war, wieder kassiert werden. Es gibt keine staatlich diplomierten und konzessionierten Kartelle auf Dauer. Solche Kartelle, die eine Ordnungsfunktion überhaupt nicht ausüben, sondern die nur egoistischem Profitstreben und der Dividendensicherung ihre Entstehung danken und die kein stützendes Rückgrat in das Konjunkturgefüge einschieben, sind grundsätzlich verboten. Es besteht Auskunftspflicht des Kartellamts gegenüber Bundestag, gegenüber obersten Bundes- und Landesbehörden, sowohl in bezug auf Tatbestände wie Entscheidungsgründe. Dem Bundeswirtschaftsminister und bei regionalen Kartellen auch dem Landeswirtschaftsminister ist bei allen Anträgen, die an das Monopolamt gelangen, eine obligatorische Stellungnahme aufzuerlegen. Wenn ein solches Monopolamt, das zweckmäßig zu besetzen wäre, worüber wir noch die Vorschläge der Bundesregierung erwarten, seine Aufgabe ernst nimmt und den Kartellen gegenüber nicht nur Scheingefechte liefert, dann kommen wir, was wir wünschen, zu permanent überwachten, zur öffentlichen Publikation ausliegenden Kartellen, die jederzeit durch staatliche Eingriffe ganz oder teilweise außer Kurs gesetzt werden können. Also nicht nur Aufsichtsausübung - das ist zu blaß -, sondern auch aktives Einschreiten!
Soviel zu den Kartellen. Und noch ein letztes Wort zu jenen Zusammenschlüssen, die sich auf Eigentumsbasis vollziehen, zu Konzernen, Trusts und dergleichen. Sie sind ebenfalls in diese Regelung einzubeziehen, wobei man nicht vergessen darf, daß es Einzelunternehmen gibt, die infolge ihrer Betriebsgröße oder infolge ihrer Eigenart von vornherein als monopolistische Gebilde anzusprechen sind. Der Weg der Entflechtung ist hier nicht gangbar, aber auch bei den Konzernen kommen wir vielfach mit bloßer Entflechtung aus produktionstechnischen Gründen nicht weiter. Außerdem ist ja die Entflechtung noch alliierten
Stellen vorbehalten. Wegen ihrer faktischen Sonderstellung ist hier gleichfalls eine Registrierpflicht bei dem Monopolamt vorgesehen und eine weitgehende Verpflichtung hinsichtlich der Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse, als da sind Gestehungskosten, Preisbildung, Investitionspolitik usw., vielleicht auch ein begrenzter Kontrahierungszwang, worüber noch zu sprechen sein wird. Als grundsätzliche Forderung wäre aufzustellen: Marktbeherrschende' Unternehmen aller Art, Kartelle, Konzerne, Einzelfirmen usw. sind verpflichtet, ihre inneren Betriebsverhältnisse, ihren Absatz und ihr Preisgebaren so zu gestalten, daß die bestmögliche Versorgung des Marktes gewährleistet ist. Das hätte die oberste Richtschnur für das Vorgehen dieses Monopolamtes zu sein.
Aber, meine Damen und Herren, auch ein unter solche Aspekte gestelltes Monopolamt - dieser Hinweis sei mir zum Schluß gestattet - hat für uns Sozialdemokraten - und wir möchten das mit aller Deutlichkeit sagen - nicht die Funktion, als Sozialisierungsersatz zu dienen. Wir hoffen, daß niemand im Hause die Absicht hegt, unter dem Vorwand der Dekartellierung eine Tarn- und Schutzwand gegen die Sozialisierung zu errichten. Genau im Gegenteil! Die Kontrolle, die wir fordern, ist berufen, in gewissen Sparten Vorläuferin und Wegbereiterin der endgültigen Vergesellschaftung zu sein.
({40})
Bis dahin müssen alle kartellierten und konzernierten Gebilde scharf unter die demokratische Lupe genommen werden. Die Sozialdemokratische Partei wird sich nicht dazu hergeben, daß bei dem Kampf gegen die Monopole - von dem wir ohnehin fürchten, daß er unter der Ägide dieser Regierung weitgehend ein Scheingefecht bleibt -
({41})
dem Kapitalismus nur deshalb ein paar Giftzähne ausgezogen werden, weil man hofft, durch diese Prozedur die Sozialisierung zahnlos machen zu können!
Wir wünschen dringend, daß das reichlich mysteriöse Dunkel, das die Regierung bisher um ihre Absichten gebreitet hat, nunmehr baldigst gelichtet wird und daß die Anregungen, die wir hier geben durften, bei dem Entwurf, den die Regierung vorlegt, gebührende Berücksichtigung finden.
({42})
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie Herr Kollege Nölting dazu kommen kann, von einem mystischen Dunkel über die Absichten der Regierung und des von ihr geplanten Kartellgesetzes zu sprechen,
({0})
nachdem er das Kartellgesetz der Regierung im
einzelnen sehr ausführlich kommentiert hat und
ich dazu überhaupt nichts mehr zu sagen brauche.
({1})
Über der ganzen Rede Nöltings steht eigentlich das Motto: Rechts herum, links herum, alles vertauscht!
({2})
({3})
Und ich frage mich: Ist jetzt eigentlich Herr Nölting Kartellgegner, oder ist er Kartellfreund? Ich bin mir jedenfalls nicht ganz darüber klar geworden, aber ich kann mir vorstellen, daß die ausgesprochenen Kartellfreunde in der Industrie an Herrn Nölting heute mehr Wohlgefallen gehabt haben als an mir.
({4})
Wir wissen sehr wohl, daß die Kartelle sehr unterschiedliche Zielsetzungen haben, und da möchte ich Ihnen gleich sagen: wenn ich mich in der Öffentlichkeit als entschiedener Gegner der Kartelle bekannt habe, dann schien mir diese Haltung notwendig zu sein, um einmal den Grundsatz, das Prinzip als solches völlig klar herauszustellen. Niemand konnte annehmen, daß ich so stur, so orthodox verblendet bin, um mit dieser meiner Haltung, mit der Herausstellung eines klaren Grundsatzes das Kind mit dem Bade ausschütten und sämtliches Porzellan zerschlagen zu wollen. Herr Kollege Nölting weiß ja auch, und zwar durch einen seiner engsten Mitarbeiter, der an der Gestaltung mitgearbeitet hat,
({5})
daß es auch gar nicht die Absicht der Regierung gewesen ist, mit d e r Konsequenz, die Sturheit bedeutet, nun etwa alles zu zerstören, was im Sinne einer organisierten Wettbewerbsordnung durchaus wertvoll sein könnte.
({6})
Ich bin allerdings der Meinung, daß unser „Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen" eines völlig klarstellen muß, nämlich die Sicherung des Leistungswettbewerbs.
Weil ich ganz genau weiß, daß gerade von der kleineren und von der mittleren Industrie häufig Bedenken gegen meine allzustrenge Haltung gegenüber den Kartellen laut geworden sind, habe ich - und das hat vielleicht mit zu der von Ihnen so überraschend festgestellten hundertprozentigen Übereinstimmung beigetragen,
({7})
- der einhundertzwanzigprozentigen Übereinstimmung mit den Vertretern der Industrie - zugegeben, daß es im freien Wettbewerb Auswüchse geben kann, die wohl beseitigt werden müssen, aber nicht etwa durch ein Kartell beseitigt werden müssen, sondern etwa nach amerikanischem Muster - wie es in den Trade-Commissions gegeben ist - durch die Setzung eines Sitten-, Rechts- und Ehrenkodex, der im ganzen oder vielleicht sogar für einzelne Zweige feststellt, was loyale, was anständige Konkurrenz und geordneter Wettbewerb bedeuten.
Wenn heute zum Beispiel der eine das Dutzend zu 15 Stück abpackt und das als freien Wettbewerb betrachtet und womöglich glaubt, sich noch auf mich berufen zu können, dann brauche ich nicht erst zu sagen, daß ich das nicht unter freiem Wettbewerb verstehe und daß wir eben deshalb beabsichtigen, neben diesem Gesetz zur Wettbewerbsbeschränkung gleichzeitig auch noch ein sehr weit ausgebautes Gesetz zur Wettbewerbsordnung zu setzen, das alle die unsauberen Praktiken aus dem Geschäftsleben eliminieren soll und denen nicht zum Vorteil gereicht, die wir ganz bestimmt nicht gern im Wirtschaftsleben sehen.
Wenn im übrigen auch hier gesagt worden ist: es scheinen in der Regierung verschiedenartige Auffassungen in bezug auf die Haltung gegenüber den Kartellen vorzuherrschen, dann kann ich das hier eindeutig verneinen; denn ich habe die Grundsätze des bereits fertig ausgearbeiteten Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Kabinett vorgetragen, und diese Grundsätze, die Sie vorhin ja vorgetragen haben, Herr Kollege Nölting, haben die volle Billigung des Kabinetts gefunden. Es besteht also hier gar keine Divergenz der Auffassungen.
Ich komme noch einmal zurück auf die „Übereinstimmung mit der Industrie", die Ihnen so fragwürdig oder vielleicht auch gefährlich erscheint. Ich habe Ihnen schon gesagt: ich glaube, die Industrie, die Sie meinen, ist heute fast mehr auf Ihrer Seite als auf der meinen! Gewiß, es gibt etwas, was die Industrie beruhigt und was zu einer Übereinstimmung geführt hat, aber nicht darum, weil ich nachgegeben habe. Meine Haltung gegenüber den Kartellen ist klar und wird in aller Zukunft klar bleiben. Aber die Industrie, die aus der Herausstellung der Grundsätze befürchten mußte, daß grundsätzlich weder auf dem Binnenmarkt noch hinsichtlich der Ordnung des Wettbewerbs auf internationalem Arbeitsgebiet jede Möglichkeit einer Absprache, jede Möglichkeit einer Verständigung und Organisation unterbunden sei, ist von mir darüber beruhigt worden, daß Ausnahmen sehr wohl möglich sind, daß diese Ausnahmen aber, wie Sie schon gesagt haben, einer öffentlichen Kontrolle unterliegen sollen, daß auch eine besondere Gerichtsbarkeit, eine Art Monopolamt geschaffen wird, daß also die Öffentlichkeit die Kontrolle habe und eine Kontrolle nicht nur der Beteiligten, sondern jedes deutschen Staatsbürgers möglich sei. Als ich Sie darüber aufklären konnte, haben sich die Leute beruhigt, denn sie sahen dann wenigstens die Möglichkeit einer volkswirtschaftlichen Prüfung.
Die Organisation, die wir vorgesehen haben, entspricht ganz genau dem, was Sie hier als Forderungen aufgestellt haben.
({8})
Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß diese Rede von Ihnen in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken soll, als ob die Regierung unter dem Zwang, unter dem Druck Ihres Antrages und Ihrer Partei auf eine Linie gebracht werden soll, auf der sie von Anfang an gewesen ist.
({9})
- Herr Professor Nölting, Sie kennen doch den Gesetzentwurf ganz genau. Ich kann Ihnen Sätze vorlesen, die wortwörtlich mit dem übereinstimmen, was Sie vorhin gesagt haben.
({10})
- Ich kann es Ihnen vorlesen:
.. sind verpflichtet, ihr Verhalten auf dem Markt so zu gestalten, daß eine mißbräuchliche Ausnutzung ihrer Marktstellung vermieden wird und die bestmögliche Versorgung des Marktes gewährleistet ist.
({11})
- Ich bitte, im Stenogramm festzustellen, daß das genau dieselben Worte waren!
({12})
({13})
In etwas bin ich allerdings einer ganz entschiedenen Meinung und habe dem wiederholt Ausdruck gegeben: meine Gegnerschaft gegen die Kartelle bezieht sich nicht allein auf die Art Kartelle, die privatwirtschaftliche Absprachen darstellen, sondern sie bezieht sich mit gleicher Konsequenz auch auf die staatlichen Kartelle, auf die staatlichen Monopole, weil mir die nicht minder schlimm erscheinen als die privatwirtschaftlichen Einrichtungen.
({14})
Ich habe schon wiederholt gesagt: Tritt dieses Kartellgesetz erst in Kraft, dann werde ich als Anzeiger auftreten und zuerst einmal nach Ordnung rufen.
({15})
Es ist dann hier unter Bezugnahme auf meine gestrigen Ausführungen die Kritik gegen all das angeklungen, was Planung, Lenkung und Planwirtschaft bedeutet. Ich glaube, darüber brauchen wir uns nicht mehr zu unterhalten; denn jeder weiß aus lebendiger Erfahrung, daß eine bewußte Planung und Lenkung in der geistigen Ausrichtung und in dem soziologischen und wirtschaftlichen Gehalt etwas ganz anderes bedeutet als Planwirtschaft, und ich möchte sogar annehmen, daß wir hier gar nicht so sehr weit auseinander sind. Der Staat hat wohl Lenkungsfunktionen. Es kommt nur darauf an, mit welchen Mitteln, aus welchem Geist und in welcher Richtung er sie ausübt.
({16})
Sie haben gemeint, der alte Liberalismus würde bei konsequenter liberalistischer Einstellung, zu der ich mich übrigens nie bekannt habe, dazu führen, daß auch die Vertragsfreiheit sichergestellt sein müsse, daß heißt also, daß die Industrie so wie einst im Mai wieder ihre Kartelle der Klosettbrillen, der Glasaugen und der Fieberthermometer begründen könne. Hier bin ich allerdings der Auffassung, daß an diesem Punkte die staatliche Lenkung einzusetzen hat, und hier ist sie auch berechtigt. Ich gebrauche Ihr Bild, wenn ich sage: hier hat der Staat dann Schiedsrichter zu spielen.
({17})
- Ich kann die Dinge nur in der Reihenfolge nehmen, in der sie vorgetragen worden sind!
Sie zeihen mich einer allzu lyrischen Betrachtungsweise. Ja, Herr Kollege Nölting, entschuldigen Sie! Wenn ich Ihre Reden lese - ich erinnere an unser Zwiegespräch, das ich erst vor wenigen Tagen nachgelesen habe -, dann komme ich mir dagegen wie ein ganz nüchterner und trockener Pedant vor.
({18})
Das paßt auch gar nicht zu meiner Wirtschaftsauffassung, die immer dahin geht, daß ich sage: ich muß die ökonomischen Daten so setzen, daß sich die Menschen im Markte sinnvoll und wirtschaftlich verhalten. Ich habe auch oft genug gesagt: ich halte nichts von kategorischen Imperativen und sittlichen Appellen. Darum ist mir die Marktwirtschaft sympathischer als die Wirtschaft, in der der Staat glaubt, er könne das einzelne Individuum durch gutes Zureden oder durch entsprechende Polizeigewalt dahin führen, wohin er es haben will.
({19})
Wir haben auch gar nicht die Absicht, zur liberalistischen Wirtschaft zurückzugehen. Wir haben die Absicht vorwärtszugehen, und da zeigen sich sowohl in den praktischen Ansätzen wie in der wissenschaftlichen Erkenntnis sehr wohl Wege, die eine fruchtbare Entwicklung verheißen.
({20})
Sie meinen, wir seien in eine neue Phase des Kapitalismus eingetreten. Es trifft sicher zu - wenn Sie es rein historisch betrachten -, daß der Kapitalismus in seiner ersten Phase, in seinen Anfängen, als er in den handwerklichen Markt eindrang - wenn ich das Wort „Kapitalismus" jetzt einmal kritiklos hinnehme -, ein anderes Gesicht hatte, ein anderes Betätigungsfeld und andere Formen trieb als der „Kapitalismus" von heute. Das ist selbstverständlich. Aber ich glaube, in etwas haben Sie nicht recht. Sie sind der Meinung, aus der inneren Logik der Entwicklung heraus, aus den inneren Kräften müsse sich so etwas vollziehen wie das, was nach der Marxschen Lehre als Akkumulation des Kapitals dahin führt, daß zuletzt nur oben eine Spitze ist und daß es da nur noch der Expropriation der Expropriateure bedürfe, um die glückselige Wirtschaft herzustellen.
({21})
Anders kann ich Ihren Begriff des ,,überlebenden Monopols" ja wohl nicht deuten. Das kommt ungefähr aus derselben Haltung heraus.
Nun hat sich aber gezeigt, daß sich hier ganz andere Entwicklungen anbahnen, sowohl aus der Technik wie auch aus der Organisation des Marktes, aus der Differenziertheit der Wirtschaft heraus: Dem Großbetrieb sind im allgemeinen und in den meisten Zweigen der Wirtschaft sogar sehr enge Grenzen gesetzt, und wie sich herausstellt, können sich die kleinen und mittleren Betriebe den Schwankungen und Fluktuationen des Marktes in viel höherem Maße anpassen als Großbetriebe. Es ist also noch sehr die Frage, ob und inwieweit der Großbetrieb dem kleinen und mittleren Betrieb tatsächlich überlegen ist. Für die Kohlenzechen und für die Stahlwerke stimmt das selbstverständlich, aber es stimmt nicht für den Gesamtbereich der Wirtschaft. Denn wenn das stimmen würde, würde der Kapitalismus oder, besser gesagt, der Industriebetrieb das Handwerk in Deutschland schon längst ertötet haben, während seit den Anfängen des Industrialismus das Handwerk in Deutschland blüht und immer neue Zweige getrieben hat.
({22}) Es scheint also, daß die Entwicklung hier nicht so gradlinig und nicht im Sinne der materialistischen Auffassung verläuft, wie das hier gesagt worden ist.
Sie sprachen von Überproduktion und glaubten, auch hier müßten dann doch kartellmäßige Abreden getroffen werden können, um dieser Überproduktion zu begegnen. Ich bin der Meinung: Überproduktion fällt nicht vom Himmel, sondern Überproduktion ist immer eine Folge einer fehlerhaften Verteilung des Einkommens und damit einer fehlerhaften Verteilung auch der Nachfrage. Weil aber für die fehlerhafte Verteilung des Einkommens, für die falsche Lenkung der Kaufkraftströme eben sehr oft die Kartelle verantwortlich sind, deshalb bin ich gerade ein prinzipieller Gegner der Kartelle.
({23})
({24})
Was Sie über die Konzerne sagten, deckt sich vollkommen mit meiner Auffassung; wir stimmen sogar im Wortlaut überein, wie ich feststellen konnte.
({25})
Hinsichtlich der Monopolkommission ist alles in Ordnung. Dann aber kam noch die amerikanische Auffassung zur Sprache. Die ist mir selbstverständlich bekannt, und ich weiß auch, daß hier mindestens Gefahren gedroht haben. Sie wissen aber auch, daß im Rahmen des europäischen Wiederaufbaus vom Marshallplan her und über die Marshallplanhilfe ganz bestimmte wirtschaftliche Konzeptionen und Grundsätze in der europäischen Wirtschaft zur Anwendung gelangen sollen. Nicht etwa, weil es für mich bequem ist, hier eine Ausrede zu suchen und zu sagen „die Amerikaner fordern es ja", sondern weil ich aus innerer Überzeugung diese Prinzipien für richtig halte, deshalb stimme ich Ihnen zu, und deshalb wollen wir auch diese Grundsätze nicht schematisch, sondern selbstverständlich zugeschnitten auf die soziologische Struktur und die wirtschaftlichen Verhältnisse unseres, Landes auf uns übertragen.
Ich weiß, daß in der Kritik gegen mich von Freunden der Kartelle vorgetragen worden ist, die Aufhebung oder die Untersagung von Kartellen würde allzu sehr zur Trustbildung führen; siehe das amerikanische Beispiel. Ich glaube nicht, daß man das übertragen kann, und es war interessant, aus Einzelgesprächen festzustellen, daß die einen Kartellfreunde argumentiert haben, die Kartelle bewirkten einen Schutz der kleinen und mittleren Betriebe; und eine Stunde später sagte mir ein anderer: Wir haben es unter der Kartellordnung fertiggebracht, von 65 Betrieben auf 6 herunterzugehen. Es scheint mir also doch keine einheitliche, aus der Entwicklung selbst herrührende Kraft innerhalb der Kartelle wirksam zu sein, sondern es kommt eben darauf an, zu welchem Instrument man die Kartelle gestalten will. Ich wehre mich jedenfalls mit aller Entschiedenheit gegen die jetzt so gerne popularisierte Auffassung, als ob das Wohltätigkeitsvereine gewesen seien. Das waren sie nicht, und das paßt auch wieder nicht in mein Wirtschaftsbild.
Was das Dekartellisierungsgesetz der Alliierten anbelangt, so gehört es sicher zu den Reservaten, die sie sich vorbehalten haben. Aber ich habe sichergestellt, und ich habe die Zusage, daß wir nicht durch ein alliiertes Kartellgesetz überrascht werden, sondern daß man in Kenntnis der deutschen Bemühungen und der sehr geraden Haltung, die wir auf diesem Gebiet einnehmen, uns zu einer deutschen Kartellgesetzgebung kommen läßt.
Sie sind dann noch einmal auf die soziale Marktwirtschaft eingegangen. Sie müssen mir also gestatten, auch noch ein Wort dazu zu sprechen. Ja, wenn ich mir natürlich angesichts der Entwicklung der letzten anderthalb Jahre politische Wunschträume zum Maßstab einer Wirtschaftspolitik mache, dann kann es selbstverständlich nur Unzufriedene geben; und wenn in diesem Zusammenhang auf die Arbeitslosigkeit hingewiesen worden ist, dann möchte ich sagen, daß das das ernsteste Problem ist, das wir auch in der Regierung kennen und das uns zu allen Anstrengungen führen wird, um hier wirksam einzugreifen. Da kann es keinen Zweifel geben. Aber ich glaube, es ist eine völlige Verschiebung des Tatbestandes und der Ursachen des Phänomens,
wenn man die Marktwirtschaft für die Arbeitslosigkeit verantwortlich machen will.
({26})
Ich möchte Ihnen jetzt einmal einige Zahlen nennen. Aus der Entwicklung der Arbeitslosigkeit gerade in den letzten zwei Monaten ist deutlich sichtbar, und die Analyse der Arbeitslosigkeit regional und fachlich zeigt deutlich, daß diese Zunahme um 500 000 Menschen im wesentlichen und zum überwiegenden Teil saisonaler Natur ist.
({27})
Sie tritt in den Berufen auf, die im Winter - wie in der Landwirtschaft - eben nicht arbeiten können.
({28})
- Ja, es scheint so; Sie müssen es aber noch einmal hören, um es zu begreifen. - In der gewerblichen Wirtschaft hat eine fortlaufende Erhöhung der Beschäftigtenzahlen stattgefunden.
({29})
Ich stimme vollkommen mit Ihnen überein: es kommt gar nicht darauf an und ist ganz gleich, woher die Arbeitslosen kommen; es ist wichtig, daß sie da sind,
({30})
und es ist noch wichtiger, diesen sozialen Schaden zu beseitigen. Aber ich wehre mich dagegen, daß die Wirtschaftspolitik verantwortlich sein soll. Dort, wo die Marktwirtschaft am besten funktioniert, ist es nicht zur Entlassung von Arbeitskräften gekommen, sondern zu einer ständigen Aufsaugung.
({31})
Das ist statistisch eindeutig nachweisbar. Aber noch etwas anderes, meine Damen und Herren! Mit dem Einstrom der Flüchtlinge seit dem Jahre 1945 haben wir insgesamt 3,7 Millionen erwerbstätige Bevölkerung aufnehmen müssen. Wir hatten im Jahre 1936 schon 880 000 Arbeitslose. Nehmen Sie jetzt selbst die ganze Saisonarbeitslosigkeit mit dazu, dann bedeutet das, daß wir von den eingeströmten 3,7 Millionen Erwerbstätigen - eingeströmt in einen Raum mit einer weitgehend vernichteten und zerschlissenen technischen Apparatur - immerhin 2,7 Millionen Menschen irgendwie eine wertvolle, volkswirtschaftliche Beschäftigung gegeben haben.
({32})
Und ich bin der Meinung - und ich glaube, jeder, der es mit unserem Volk gut meint, muß sich dieser Auffassung anschließen -: dieser Bodensatz an struktureller Arbeitslosigkeit - ohne eine Zahl zu nennen, die sich um etwa eine Million herum bewegen wird - ist von dem Problem des Flüchtlingseinstroms nicht zu trennen. Das ist auf uns als eine internationale Regelung überkommen; und ich glaube, wir haben allen Grund, diese Arbeitslosigkeit nicht als ein schuldhaftes Versäumnis von deutscher Seite oder gar unserer Wirtschaftspolitik erscheinen zu lassen,
({33})
sondern wir haben allen Grund, dieses Problem auf die internationale Ebene zurückzuschieben.
({34})
({35})
- Nein, ich bin nicht stolz darauf, sondern ich mache mir sicher mindestens genau soviel oder vielleicht noch mehr Sorgen als Sie, da können Sie sicher sein.
Ich spreche in der gleichen Reihenfolge wie Herr Kollege Nölting, und deshalb möchte ich zum Schluß noch einmal auf das Kartellgesetz kommen. Ich mache auch hier aus meinem Herzen keine Mördergrube - ich habe das auch schon geschrieben -: die Freundschaft oder die allzu tolerante Haltung Ihrerseits gegenüber den Kartellen macht mich stutzig.
({36})
Es liegt hier doch zu sehr der Verdacht nahe, daß mit den von Ihnen sicher auch ernstgemeinten Sorgen um die Ordnung des Marktes, um die Ordnung des Wettbewerbs, um die sozialere Gestaltung des Marktes gleichzeitig der Gedanke verbunden ist, Einrichtungen lebenskräftig und lebensfähig zu erhalten, die unter anderen politischen Vorzeichen die Vorläufer der Sozialisierung sein können.
({37})
Das ist nicht der Grund für meine Haltung gegenüber den Kartellen; aber es scheint mir wertvoll zu sein, daß wir diese Zusammenhänge erkennen, um dann zu einer gerechten Abwägung der Verhältnisse zu gelangen.
({38})
Meine Damen und Herren! Ich habe noch eine geschäftsordnungsmäßige Bemerkung nachzuholen.
Bei Beginn der Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers ist von einem der Mitglieder des Hauses von der linken Seite der Zuruf „Demagoge" gekommen. Ich glaube, wir waren uns neulich darüber einig, daß wir diesen Ausdruck in diesem Hause nicht mehr gebrauchen wollten. Ich weise deshalb diesen Ausdruck zurück. Ich darf aber heute schon darauf hinweisen, daß in Zukunft - gleichgültig, von welcher Seite der Ausdruck „Demagoge" kommt - er mir Veranlassung zur Erteilung eines Ordnungsrufes sein wird.
Ich erteile nunmehr dem Herrn Abgeordneten Etzel das Wort.
Meine Damen und meine Herren! Meine Fraktion ist mit der Fraktion der SPD der Meinung, daß die Bundesregierung ein Gesetz gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht vorlegen muß.
Wir haben von diesem Rednerpult aus bereits wiederholt durch unsere beauftragten Sprecher diesem Willen Ausdruck verliehen. Wir sind der Meinung, daß die Monopolkontrolle und die Dekartellisierung ein wesentlicher Teil der sozialen Marktwirtschaft sind. Wir sind zwar daran gewöhnt, daß diejenigen, die uns nicht hören wollen, die unsere politischen Gegner sind, aus unserer Begriffsvorstellung von sozialer Marktwirtschaft immer nur einen Teil herauslösen und daß sie die Ernsthaftigkeit unseres Willens, diese soziale Marktwirtschaft von verschiedenen Seiten her zu beurteilen, einfach nicht akzeptieren wollen. So haben wir wiederholt ganz klar und eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß unter sozialer Marktwirtschaft nicht nur ein echter Leistungswettbewerb zu verstehen ist, sondern daß
neben dem echten Leistungswettbewerb - als eine zweite Säule - die Monopolkontrolle ({0}) dazukommt. Wenn unter diesem Gesichtspunkt die SPD und Herr Professor Nölting mit mir der Meinung sind, daß der Kartelleingriff ein planender Eingriff ist, wenn es ihm also Freude macht, hier einem alten Bekannten zu begegnen, - nun dann mag er unter diesem Aspekt uns meinetwegen auch als Anhänger einer planenden Wirtschaftsauffassung ansehen.
Wir sind allerdings der Auffassung, daß wir unter keinen Umständen zur liberalen Wirtschaft alter Prägung zurück dürfen.
({1}) Wer jemals die Düsseldorfer Leitsätze nur am Rande gelesen hat, weiß, wie ernst es uns mit einer Ordnung ist, die an sich neben dem Leistungswettbewerb unbedingt die unabhängige Monopolkontrolle sieht. Diese unabhängige Monopolkontrolle ist eine Notwendigkeit.
({2})
- Ich weiß nicht, inwieweit ein solches Erfordernis, das auch Sie aufstellen, bei uns Theorie sein soll.
Wir sind der Meinung, daß die soziale Marktwirtschaft, wie ich schon sagte, in einem klaren Gegensatz zur Wirtschaft alter liberaler Prägung steht. Gerade weil wir einen Rückfall in diese Wirtschaft alter liberaler Prägung vermeiden wollen, sind wir der Meinung, daß neben einem Leistungswettbewerb eine Monopolkontrolle notwendig ist. So wenig wie der Staat oder halbstaatliche Organe die Aufgabe haben dürfen, die Wirtschaft zu lenken, so wenig dürfen nach unserer Auffassung auch Privatpersonen und private Verbände derartige Lenkungsaufgaben übernehmen. Wir wissen, daß die alte Wirtschaftsordnung liberaler Prägung es den Unternehmern erlaubt hat, sich zu Kartellen und Marktverbänden zusammenzuschließen, um auf weiten Gebieten die Preise zu diktieren, die Erzeugung nach ihrem Belieben zu gestalten und einzuschränken und hier einen Wirtschaftskampf mit allen Mitteln zu führen, den wir unter keinen Umständen zulassen wollen.
Wenn Sie, Herr Professor Nölting, heute hier das Bild von dem Sportplatz gebraucht haben, dann scheint es mir, daß Sie dieses Bild falsch angewendet haben; denn wenn Sie sagen: auf dem Sportplatz herrscht ein rüder Ellenbogenkampf, dann ist das, glaube ich, eine höchst unsportliche Auffassung; das ist es doch gerade, was im Sport nicht gilt. Überall da, wo eine solche rüde Ellenbogenfreiheit angewendet wird, wird der Schiedsrichter eingreifen und dafür sorgen, daß der Leistungswettbewerb des sportlichen Wettkampfes in eine anständige und ordentliche Form kommt. Wir stellen uns vor, daß es die Aufgabe der Monopolkontrolle ist, gerade hier einzusetzen und dafür zu sorgen, daß die Grundlage eines echten Leistungswettbewerbs unter allen Umständen erhalten bleibt. Gerade das sportliche Bild zeigt die Berechtigung unserer Auffassung im Gegensatz zu der Meinung, die Sie vertreten.
Wir sind auch nicht der Meinung, Herr Professor Nölting, daß in einer sozialen Marktwirtschaft eine Freiheit herrschen darf, die solche kartellartigen Zusammenschlüsse zwangsläufig er({3})
laubt. Denn wir wissen auf politischem Gebiet besonders seit 1933 ganz genau, daß im Namen der Freiheit die Freiheit aufgehoben werden kann. Das darf man eben nicht tun, und insofern ist das, was Sie planenden Eingriff nennen, unseres Erachtens eine höchst wichtige Ordnungsfunktion, um die sich allerdings der Staat unter allen Umständen zu kümmern hat.
Weil wir aber unsoziale Auswüchse des freien Wettbewerbs vermeiden wollen - unsoziale Auswüchse, für die ja der letzte Verbraucher zu zahlen hat -, darum sind wir der Meinung, daß eine Monopolkontrolle notwendig ist, und darum bejahen wir auf weiten Gebieten das, was der sozialdemokratische Antrag heute hier gefordert hat. Wir sind allerdings das will ich mit aller Offenheit aussprechen - über einen Satz dieses Antrages höchst mißtrauisch, wenn es nämlich in Absatz 2 in den letzten Zeilen heißt: „ohne daß wirtschaftsordnende Funktionen gestört werden und solche Organisationsformen, die der Leistungssteigerung oder den Zwecken einer guten und preiswerten Versorgung der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfes dienen, eine Behinderung erfahren." Wir werden in der Ausschußarbeit beantragen, einmal klarzustellen, ob hier die Ladenhüter einer alten Planwirtschaft wieder Eingang finden sollen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, einverstanden! Wenn es anders gemeint ist, würden wir unter keinen Umständen einer solchen Formulierung unser Einverständnis geben. Die Dinge wären im Ausschuß zu klären, und ihnen wäre im Ausschuß ein Inhalt zu geben.
Ich sage also zusammenfassend: grundsätzlich auf weiten Gebieten ein volles Ja, aus den Grundsätzen, die ich kurz dargelegt habe und die unser wirtschaftspolitisches Glaubensbekenntnis sind und die eine schriftliche Formulierung in unseren Düsseldorfer Leitsätzen gefunden haben.
Ich muß aber - und das muß ich nochmals mit aller Deutlichkeit hier sagen - unser höchstes Befremden darüber zum Ausdruck bringen, daß die sozialdemokratische Fraktion gerade in diesem Augenblick einen solchen Antrag einbringt, in dem es im letzten Absatz heißt:
Da die Vorarbeiten zu einem derartigen Gesetz bereits seit anderthalb Jahren im Gange sind, praktische Ergebnisse aber bisher nicht vorgelegt werden konnten, erwartet der Bundestag von der Regierung, daß sie nunmehr diesem Beschluß umgehend Rechnung trägt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe gesagt: wir sind erstaunt über diesen Antrag, und zwar sind wir deswegen erstaunt, weil die sozialdemokratische Fraktion ganz genau weiß, daß auf dem Gebiet der Schaffung eines Gesetzes gegen den Wettbewerb in den letzten Monaten sehr viel Arbeit geleistet worden ist, und weil sie sich, worauf Herr Professor Erhard mit Recht schon hingewiesen hat, mit irgendwelchen Verbindungsleuten an dieser Arbeit beteiligt hat.
({4})
Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß ja die Bundesregierung noch gar nicht anderthalb Jahre besteht. Wir haben eine Bundesregierung, wenn ich mich nicht irre, seit September, also seit einigen Monaten.
({5})
Wie da von einer anderthalbjährigen Arbeit geredet werden kann, weiß ich nicht. Ein Kartellgesetz ist aber eine Angelegenheit, die in der Wirtschaft außerordentlich viele Umwälzungen hervorrufen wird, und es wäre leichtfertig und töricht, ein solches Gesetz über den Daumen zu peilen und nicht in der genügenden Weise vorzubereiten und durchzuarbeiten. Die Bundesregierung hat entsprechend einer Erklärung des Kanzlers und entsprechend unseren Erklärungen sehr bald, nachdem sie ihre Arbeit aufgenommen hat, diese Aufgabe in Angriff genommen, und Herr Professor Erhard hat soeben bereits dem Herrn Sprecher der Sozialdemokratie nachgewiesen, daß er von dem vorhandenen Entwurf ganze Teile hier vorgelesen hat. Ich muß ganz ehrlich sagen, Herr Professor Nölting, daß ich Sie in diesem Punkt Ihrer Ausführungen heute nicht verstanden habe, wenn Sie gesagt haben, dieser ganze Entwurf sei in ein mysteriöses Dunkel gehüllt. Ich habe noch gestern mit Ihnen über diese Dinge gesprochen, und Sie wissen doch, daß durch einen Ihrer engsten Mitarbeiter hier eine bestimmte Arbeit geleistet worden ist. Sie haben gesagt: Ich kenne den Inhalt nicht. Nun, das unterstelle ich; aber Sie wissen doch, daß die Arbeit von einem Referentenentwurf bereits zu einem Ergebnis gekommen ist. Sie wissen ganz genau, daß der Entwurf im Kabinett besprochen und akzeptiert worden ist, und Sie wissen ganz genau, daß sich der Entwurf inzwischen zur Überprüfung bei den einzelnen Ministerien befindet.
Sie haben auf die Bedenken des Bundesjustizministeriums hingewiesen. Diese sind aber nur rechtlicher Natur und beziehen sich auf die Kollision mit dem Grundgesetz; andere Bedenken sind es nicht. Es ist Ihnen also doch bekannt, daß hier eine Arbeit wesentlicher Art geleistet worden ist, und das hätte der Ehrlichkeit wegen gesagt werden müssen. Ich habe auch gerade mit Ihnen darüber gesprochen, daß bei den Studienaufgaben, mit denen wir es jetzt zu tun haben, ein Vertreter Ihrer Fraktion beteiligt sein möge, und Sie haben diese Mitarbeit zugesagt. Ich weiß nicht, was bei solcher Sachlage ein Antrag des Inhalts. wie Sie ihn heute .hier vorgelegt haben, noch für einen Sinn haben soll.
({6})
Wenn in diesem Hause auf den Gebieten, wo weitgehende Übereinstimmung besteht, wirklich sachliche Arbeit geleistet werden soll, dann soll man doch solche Arbeit nicht zu solchen polemischen Extravaganzen benutzen, wie sie heute in diesem Hause leider wieder präsentiert worden sind. Ich bin der Auffassung, daß die Bundesregierung das, was sie im Rahmen ihrer kurzen Lebensdauer bereits hat tun können, getan hat. Ich bin der Meinung, daß die Arbeit, die hier begonnen worden ist, fortgesetzt werden soll. Ich bin der Meinung, daß die Vorbereitungsarbeit nicht hier im Plenum, sondern im Ausschuß getan werden soll, und beantrage deshalb die Verweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, der für diese Arbeiten zuständig sein dürfte.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rische.
Meine Damen und Herren! Wenn sich Professoren streiten, dann muß man voraussetzen, daß selten die Wahrheit dabei herauskommt.
({0})
Einer der Herren hat beispielsweise auf früheren Gewerkschaftskonferenzen vor 1933 noch die „Theorie" vertreten, daß die Konzerne und Kartelle geradewegs in den Sozialismus hineinführen. Jetzt aber weiß derselbe Herr Professor, Kollege Nölting, nur noch vom Waffenstillstand der Kräfte zu berichten, und ich möchte sagen: von Hilferding bis Nölting ist ein weiter Weg für die SPD, nämlich der Weg vom Kampf gegen die Konzerne bis zu ihrer bedingten Anerkennung, oder sagen wir so: bis zu einer gelinden Kontrolle derselben. Und Professor Erhard hat uns dann erzählt, daß er ein Ehrengericht unter Raubtieren einrichten will.
({1})
Im übrigen, meine Herren, bestehen keine Divergenzen in den beiderseitigen Auffassungen. Es kann nicht bestritten werden, daß seit einiger Zeit hinter den verschlossenen Türen der ehemaligen Verwaltung für Wirtschaft und des jetzigen Wirtschaftsministeriums Beratungen über die Schaffung eines sogenannten Kartellgesetzes stattfinden. Schon diese Tatsache allein ist die offene Bestätigung, daß in der westdeutschen Wirtschaft die alten und die neuen Kartelle das Gesetz des Handelns wieder wie ehemals bestimmen. Verkaufs- und Preisringe aller Art diktieren Angebot und Nachfrage, sprengen, wo es nur angeht, die Bewirtschaftung und diktieren, wo es nur angeht, die überhöhten Preise. Professor Dr. Rittershausen hat vor kurzem erst in der „Welt" klar herausgestellt, daß durch Preisabreden und durch Monopolstellung einiger der großen Firmen
- ich erinnere an den Unilever-Konzern - die westdeutsche Bevölkerung um Hunderte Millionen D-Mark betrogen wird. Auch der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministers hat das Bestehen der verbotenen Verkaufsringe, der Kartelle. sämtlich festgestellt. In allen Sparten der westdeutschen Wirtschaft haben diese wiederum die Führung und beeinflussen durch ihre Macht auch schon wieder die Regierung.
Ich habe vor mir das Organ der westdeutschen Schwerindustrie, den „Industrierkurier". Darin wird eine Stellungnahme des Kartellreferats beim Wirtschaftsministerium zu den Monopolen wiedergegeben. In dieser Stellungnahme heißt es: „Das Bestehen eines Monopols an sich ist weder nach deutschem Recht noch nach Besatzungsrecht gesetzwidrig." Mit diesen Worten ist nur der Zustand wiedergegeben, wie er im Westen seit langen Jahren tatsächlich ununterbrochen besteht.
Gestatten Sie mir nun noch einige Ausführungen zu den gegenwärtig in der Öffentlichkeit stattfindenden Kartelldiskussionen. Es kann nicht behauptet werden, daß noch keine Arbeit im Sinne eines Kartellgesetzes getan wurde. Es fragt sich aber: in welcher Richtung wird diese Arbeit getan? Die vorliegenden Referentenentwürfe von Dr. Josten und Roland Risse
({2})
- diese Referentenentwürfe gibt es ({3})
- darüber brauchen wir uns nicht zu streiten,
das wissen wir ganz genau -, diese vorliegenden
Entwürfe mit ihren verschwommenen Grundsätzen sind ja, wie Sie wissen, in der Öffentlichkeit immerhin schon bekanntgeworden.
({4})
Während Josten noch mit einer bestimmten Konsequenz gegen die alten Monopole ankämpft, ist es bei Risse schon wiederum so, daß er die Kartelle anerkennt, und zwar grundsätzlich.
({5})
- Bekannt ist auch die scharfe Kritik, Herr Etzel, die diese beiden Referentenentwürfe - so dürfen ,wir einmal sagen - von der westdeutschen Wirtschaft erfahren haben, und ich möchte hinzufügen: nach bestimmten amerikanischen Inspirationen. Neue Aspekte haben sich insbesondere durch die massiven Forderungen aus Kreisen der Schwerindustrie ergeben, wonach die alten Gesellschaften, Kartelle usw. wiedererstehen sollen. Gesetz Nr. 75 soll zu diesem Zweck geändert werden.
Über die Problematik des Gesetzes will ich an dieser Stelle jetzt nicht diskutieren. Es gibt da von vielen Seiten aus, auch von unserer Seite aus etwas zu bemerken. Die Verteidiger der Kartelle stützen sich in der Regel auf die Praxis in den USA, und zwar mit gutem Recht, wie mir scheint. Die Sherman-Antitrust-Act hat niemals verhindert, daß die sogenannten großen Drei, wie man in USA sagt, in jedem Wirtschaftzweig sich immer wieder durchsetzten und die gesamte USA-Wirtschaft beherrschen. Diese Praxis eines vorgetäuschten Antitrust-Kampfes soll auch in Westdeutschland kultiviert werden. Man hält sich dabei offenbar an die Weisung von Mister McCloy, der bei seiner Ankunft in Westdeutschland erklärte, im Antitrust-Kampf müsse man sich nach den amerikanischen Erfahrungen richten; dort sei dieser Kampf ebenfalls eine langwierige Angelegenheit. Diese Belehrung von Mister McCloy hat in Westdeutschland augenscheinlich Erfolg gezeitigt. An Stelle von Josten ist heute der frühere Justitiar der „Reichsgruppe Industrie" Herr Kattenstroth zum Kartellreferenten im Wirtschaftsministerium ernannt worden.
({6})
-Ihm wurde, soweit ich unterrichtet bin, die Federführung für die Kartellgesetzgebung übertragen. Herr Kattenstroth oder irgendeiner seiner Richtung wird als Anwalt der Unternehmer dafür sorgen, daß solche Entwürfe vorbereitet werden, die den alten Monopolen an Rhein und Ruhr alle Rechte zurückgeben.
Wohin die Reise geht, hat kürzlich erst der „Economist" in einem „Deutschlands neues Jahr" betitelten Artikel ganz offen ausgeplaudert. Der Artikel wurde hier an die Abgeordneten des Bundeshauses verteilt. Im „Economist" steht geschrieben:
Die Regierung wird im Jahre 1950 darum ersuch en, die Reorganisierung der Ruhrstahltrusts, die deutsche Experten zur Zeit laut Militärgesetz Nr. 75 durchzuführen haben, selbst übernehmen zu können. Hiermit möchte sie sich dagegen sichern, daß keine drastischen strukturellen Veränderungen bei den Ruhrtrusts vorgenommen werden und daß es den ehemaligen Aktionären ermöglicht wird, Eigentümer der reorganisierten Trusts zu werden.
Das ist das Programm
({7})
({8})
- der „Economist" spricht hier nur die Tatsachen aus! -, das ist das Programm der Adenauer-Regierung. Wir werden es sehen - die Geschichte wird es beweisen -: genau so wird es kommen.
Die SPD verlangt nun von der Adenauer-Regierung Maßnahmen gegen Kartelle, Preisringe und dergleichen mehr. Mir scheint, daß die SPD-Fraktion noch beträchtliches Vertrauen zur Adenauer-Regierung hat, zu einer Regierung, die man als das jüngste Kind der westdeutschen Schwerindustrie bezeichnen muß.
({9})
Schon gestern hatte ich bei dem Vortrag von Professor Baade den Eindruck, daß ein großer Teil
der SPD-Fraktion der Brigade Erhard zustrebt.
({10})
Liberalisierung bedeutet Freiwirtschaft, Herr Professor Baade,
({11})
und das mögen Sie sich nun einmal überlegen!
Herr Abgeordneter Rische, Sie meinen das doch nicht in dem einstigen, vergangenen militärischen Sinn?
Wie man es nimmt!
Nein, das ist sehr wichtig. Rische ({0}): Bitte sehr, Herr Präsident!
So wie die Lage heute ist, kann ich zu dieser Aufforderung der SPD an die Regierung, deren Auftrag uns ja bekannt ist, nur fragen: Warum gehen Sie nicht gleich zu den Konzernen und Kartellen, zu den westdeutschen Monopolgewaltigen selbst hin, damit sie ihr eigenes AntitrustGesetz machen? So steht doch die Frage.
({1})
Diese Regierung wird niemals ein wirklich echtes Gesetz zur Bekämpfung der Monopole und Konzerne vorlegen. Was ist nach unserer Auffassung notwendig? Darauf gibt es eine ganz einfache Antwort: die westlichen Alliierten und die Bundesregierung haben die Pflicht, nach den klaren Bestimmungen des Potsdamer Abkommens zu handeln. In diesem Abkommen heißt es ganz unmißverständlich: In praktisch kürzester Frist ist das deutsche Wirtschaftsleben zu dezentralisieren mit dem Ziel der Vernichtung der bestehenden übermäßigen Konzentration der Wirtschaftskraft, dargestellt insbesondere durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere Monopolvereinigungen. Meine Herren, das sind die Bestimmungen, die von den Westalliierten selbst getroffen wurden, und jede deutsche Regierung hätte sich unserer Auffassung nach darnach zu richten. Die Westalliierten haben allerdings das Potsdamer Abkommen gebrochen, weil sie an einer echten Demokratisierung in Westdeutschland nicht interessiert sind. Sie sind lediglich daran interessiert, mit Hilfe der alten Kartelle und Konzerne an Rhein und Ruhr die Macht des Großkapitals in Westdeutschland wiederherzustellen. Das geschieht dann mit der Brachialgewalt der rauhen Luft der Wirklichkeit, von der Professor Erhard in seiner gestrigen Rede so schwärmte. Die Amerikaner brauchen die Konzerne an der Ruhr zur Verstärkung des Rüstungspotentials des Atlantikblocks, sie brauchen sie als Stoßtrupp gegen die fortschreitende Demokratisierung und - ich
möchte hinzufügen, Kollegen von der SPD - gegen die fortschreitende Sozialisierung.
({2})
Gegen die amerikanische Konzeption von der Unordnung der Welt bekennen wir Kommunisten uns zu den Beschlüssen von Potsdam
({3})
und begrüßen die Stellungnahme der Außenminister der volksdemokratischen Länder und der Sowjetunion am 24. Juni 1948 auf der Warschauer Konferenz. Da diese Beschlüsse der volksdemokratischen Außenminister und der Sowjetunion in der Regel nicht bekannt sind, erlaube ich mir, Ihnen aus diesen Beschlüssen einen Absatz vorzulesen. Da heißt es:
Statt die Kohlen- und Hüttentruste und Kartelle der Ruhr in den Besitz des deutschen Volkes zu überführen, worauf sowohl die Sowjetunion als auch die anderen Teilnehmer der gegenwärtigen Beratungen bestehen, belassen die Regierungen der USA und Großbritanniens die Schwerindustrie der Ruhr somit faktisch in eigenen Händen, ohne Teilnahme Frankreichs und der UdSSR an der Kontrolle über die Produktion und ohne irgendeinen Einfluß deutscher demokratischer Organisationen. Damit wird die Möglichkeit einer Abmachung zwischen den amerikanischen und britischen Monopolen einerseits und den deutschen Magnaten der Kohle- und ,Stahlindustrie an der Ruhr andererseits erleichtert, was die Möglichkeit der Wiederherstellung des Kriegspotentials Deutschlands und der Bildung eines Herdes der neuen deutschen Aggression schafft.
Es ist nicht schwer zu begreifen, daß eine solche Politik mit den Interessen des Friedens und den Interessen des deutschen Volkes und anderer Völker Europas völlig unvereinbar ist.
Nur die Übergabe der Schwerindustrie an der Ruhr in die Hände des deutschen Volkes und die Errichtung einer Kontrolle über die Erzeugung und Verteilung der Produktion der Ruhrindustrie für eine bestimmte Frist durch die vier Staaten UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich, die gemeinsam die Entwicklung der Ruhrindustrie ausschließlich zu friedlichen Zwecken gewährleisten könnten, würde die Möglichkeit bieten, die Ruhrfrage im Interesse des Friedens und der Sicherheit der Völker Europas zu entscheiden.
Meine Damen und Herren, das ist auch unser Standpunkt. Wir fordern eine solche Kontrolle der Ruhr. Wir sind gegen jede Neuerrichtung von Konzernen und anderen Machtgebilden, die in der Vergangenheit eine so verhängnisvolle Rolle in der deutschen Wirtschaft gespielt haben. Dieser Standpunkt ist also unser Standpunkt, und er ist zugleich der Standpunkt aller Demokraten in allen Ländern der Erde.
Wenn wir den Antrag der SPD-Fraktion dennoch unterstützen, dann jedoch mit all den grundsätzlichen Bedenken, die ich namens meiner Fraktion vorgetragen habe. Wir warnen insbesondere vor allen Illusionen, als ob die Regierung Adenauer überhaupt gewillt sei, ein Gesetz gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht vorzulegen. Verdankt sie doch ihr Bestehen einzig und allein
({4})
dem Mißbrauch wirtschaftlicher und politischer Macht.
({5})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Aumer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die wichtige Frage der Kartellgesetzgebung gibt mir Veranlassung, einmal ganz allgemeiner Art zu einem anderen Punkt, der damit zusammenhängt, Stellung zu nehmen. Ich habe am Mittwochmorgen erfahren, daß in der Plenarsitzung am Donnerstagnachmittag der Antrag der SPD Drucksache Nr. 405 vom 18. Januar besprochen werden soll. Das einzige, was ich in der Woche vorher wußte, war, daß am Mittwoch-, Donnerstag- und Freitagnachmittag Plenarsitzungen sind. Nun halte ich es durchaus für möglich, daß die Sonne, die von der Regierung ausgeht und die Geister erleuchtet, auf die Regierungsparteien fällt und sie mit Material über all die Dinge versorgt, die besprochen werden sollen, und vielleicht auch noch auf die große Seite der Opposition, die SPD. Aber man müßte auch den kleinen Parteien Gelegenheit geben, sich auf eine derart wichtige Frage genauer und besser vorzubereiten. Deswegen richte ich die Bitte an das Präsidium - dies müßte durchaus möglich sein -, daß man bereits in der Woche vorher weiß, was in den Plenarsitzungen an tatsächlich wichtigen Anträgen besprochen werden soll.
Darf ich dazu etwas sagen, Herr Abgeordneter Aumer. Es ist bisher immer so gewesen, daß durchweg bis Sonntagfrüh selbst in den entlegensten Orten die Drucksachen für die folgende Woche in den Händen des Mitglieds des Hauses gewesen sind. Das wird in Zukunft noch dadurch erleichtert, daß wir jeweils in einer Ältestenratssitzung am Donnerstag für 14 Tage vorher die Tagesordnung festsetzen, so daß die Benachrichtigung schneller und die Vorbereitung gründlicher sein kann.
Ich danke Ihnen vielmals, Herr Präsident. Ich freue mich, daß man in Zukunft Gelegenheit haben wird, sich auf all die Dinge genauer vorzubereiten. Ich sehe durchaus ein, daß Interpellationen vielleicht noch schnell vorher auf die Tagesordnung gesetzt werden müssen über Reden, die vielleicht ein Minister über das Wochenende gehalten hat. Aber in all den wichtigen Dingen müßte man schon tatsächlich die Möglichkeit haben, sich vorher die Unterlagen zu verschaffen. Mir ist dies leider erst in letzter Minute möglich gewesen.
Nun zu dem Kartellgesetz. Eigentlich könnte mich als einen Vertreter Bayerns diese Frage mehr oder weniger kalt lassen. Denn bei uns in Bayern gibt es keine derartigen großen wirtschaftlichen Machtgebilde.
({0})
- Ich komme sofort darauf, Herr Kollege! - Jedoch die Auswirkungen auf unser Preisgefüge spüren wir natürlich ganz genau so wie Sie. Ich habe mich sehr darüber gewundert, daß die Sozialdemokratische Partei sich nunmehr auf einmal mehr oder weniger auf die Seite der Kartelle stellt. Herr Professor Nölting hat erklärt, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister aus einem Saulus anscheinend ein Paulus geworden sei. Ich glaube, daß die Sozialdemokratische Partei hier ihre Ansicht auch etwas geändert hat. Sie will
jedenfalls jetzt den Unternehmer anscheinend doch leben lassen.
Kartelle und Monopole haben in Deutschland immer eine sehr schlechte Presse gehabt. Das hat es mit sich gebracht, daß die Bevölkerung über das, was ein Kartell oder ein Monopol darstellt, nicht richtig aufgeklärt ist. Sie meint im großen und ganzen, es hier mit einer Ansammlung von Hyänen zu tun zu haben, die nichts anderes im Kopf haben, als die Bevölkerung und den Konsumenten auszubeuten. Ich glaube, daß man an diese ganze Frage mit sehr nüchterner Überlegung herangehen muß. Der europäische Markt verlangt unbedingt eine gewisse Ordnung. Bei der Liberalisierung des Handels ist es nicht möglich, in Deutschland ganz und gar ohne irgendwelche Preisabreden auszukommen. Denn wir sehen uns heute in Europa, insbesondere in Frankreich, zentralen und großen Kartellen gegenüber, denen wir nichts Gleichartiges entgegensetzen könnten.
Ich habe nun aus dem Antrag der SPD erfahren, daß die Bundesregierung sich bereits seit eineinhalb Jahren - ich nehme an, daß damit auch der Wirtschaftsrat in Frankfurt gemeint ist - damit beschäftigt, ein Kartellgesetz vorzulegen. Nun kenne ich die Vorarbeiten im Wirtschaftsrat nicht, und es gibt eine ganze Anzahl anderer Kollegen hier im Hause, die auch nicht vorher im Wirtschaftsrat gewesen sind. Ich hätte mich daher gefreut, wenn die Bundesregierung die Parteien über ihre Arbeiten auf dem laufenden gehalten hätte. Ich habe Gelegenheit gehabt, mir kurz den Josten-Entwurf und auch den Günther-Entwurf durchzusehen. Der Günther-Entwurf ist, glaube ich, mehr oder weniger nur ein abgeschwächter Josten-Entwurf. Ich bin sehr daran interessiert, was nun die Regierung als Kartellgesetz vorlegen wird. Ich hoffe, daß Herr Professor Erhard sich doch nicht so hundertprozentig auf eine Kartellgegnerschaft in jedem Falle festlegen wird. Denn es gibt zweifellos Industrien, die nicht ohne weiteres einem allzu freien Spiel der Kräfte überlassen werden dürfen. Dies würde einen Preiskampf ohne Ende bedeuten, der letztlich die Schließung von schwächeren Industrien oder von Industrien mit sich bringen würde, die sich nicht so gut rühren können. Die Folge wäre eine weitere Arbeitslosigkeit.
In diesem Zusammenhang möchte ich kurz sagen - ich habe es mir natürlich hauptsächlich in Bayern genau betrachtet -, daß die Arbeitslosigkeit bei uns in Bayern in den letzten Monaten nicht durch den Winter entstanden ist, sondern daß es sich hier schon um eine Arbeitslosigkeit handelt, die durch Ausstellungen, durch Kündigungen und durch Schließung von Betrieben erfolgt ist. Die letzte Folge eines solchen Kampfes unter den Betrieben, wenn die schwächeren abgewürgt sind, würde nur die sein, daß die überlebenden ein Alleinmonopol für den Verkauf ihrer Waren haben.
Mit großer Befriedigung habe ich zur Kenntnis genommen, daß Herr Professor Erhard mit den Alliierten Verhandlungen gepflogen hat und daß die Alliierten kein Antikartellgesetz herausbringen wollen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Amerikaner in ihren Ansichten immer Kartelle mit Trusts gleichsetzen und eigentlich mit den Preisabredekartellen, wie wir sie hier in Deutschland kennen, nicht so vertraut sind. Ich glaube, daß Abreden einzelner Unternehmer untereinander über einen Preis oder über eine
({1})
Marktbegrenzung der freien Marktwirtschaft nicht widersprechen. Ich glaube, daß eher der Eingriff des Staates in diesem Falle einer freien Marktwirtschaft entgegenstehen würde. Wir haben zuerst die freie Marktwirtschaft verkündet bekommen, und jetzt sollen von Regierungsseite aus wieder Einengungen derselben erfolgen. Mir kommt dies vor wie die Echternacher Springprozession: immer zuerst zwei Schritte voran und dann wieder einen Schritt zurück.
Leider ist hier noch gar nicht darüber gesprochen worden, daß es auch sehr gefährliche Zusammenballungen wirtschaftlicher Macht gibt, die sich in kommunaler oder staatlicher Hand befinden. Ich denke bei uns in Bayern zum Beispiel insbesondere an die Elektrizitätswirtschaft.
({2})
Es gibt auch noch andere Beispiele. Man könnte ganz kraß auch davon sprechen, daß die Bundesbahn eine solche Machtkonzentration darstellt, die einfach die Frachten und Preise erhöht, wie sie es sich vorstellt. Dabei möchte ich einmal ganz nebenbei sagen, daß ich persönlich der Meinung bin, daß, wenn die Bundesbahn nicht in der Hand des Staates, sondern in der von privaten Unternehmern wäre, sie wahrscheinlich besser liefe und billiger wäre.
({3})
- Ja, das wäre mir sehr angenehm.
Meine Partei, die Bayernpartei, ist gegen einen Monopolkapitalismus. Wir glauben jedoch, daß das Kartellproblem allzusehr aufgebauscht wird. Wir wollen jetzt einmal abwarten, wie das Gesetz, das die Regierung uns vorlegen wird, aussehen wird. Wir werden dann die Möglichkeit haben, dieses Gesetz genau zu prüfen, und wir hoffen, daß es sich mit den Prinzipien der freien Marktwirtschaft vereinbaren läßt. Auf jeden Fall sind wir der Meinung, daß man nicht schon wieder eine neue Behörde schaffen soll, die die Kartelle kontrolliert. Wir haben von den Behörden langsam genug, und meiner Ansicht nach haben wir in Deutschland noch allzuviel Behörden. Wir glauben, daß die einzelnen Landeswirtschaftsminister durchaus in der Lage sind, diese Kartelle oder diese Preisabreden entsprechend einem angenommenen Gesetz zu beobachten und zu kontrollieren. Es wird sicherlich in diesem Falle der Bemühungen aller beteiligten Kreise bedürfen, diese nicht einfache Abgrenzungslinie auf diesem schwierigen wirtschaftlichen Gebiet zu ziehen.
Im übrigen schließe ich mich den Ausführungen des Kollegen Etzel an und stimme ebenfalls für eine Überweisung des Antrags der SPD Drucksache Nr. 405 an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu dem uns vorliegenden Antrag der SPD habe ich folgendes zu sagen. Wir sind selbstverständlich mit einer Überweisung des Antrags an den Ausschuß und einer dort folgenden sehr eingehenden Beratung einverstanden.
({0})
Der Antrag der SPD enthält Sätze, die wahrscheinlich von 90 Prozent der Mitglieder dieses Hauses unterschrieben werden könnten, so zum Beispiel den Satz, daß die Regierung beauftragt
wird, den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, das den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ausschließt, die zu einer Benachteiligung der Konsumenten führen und die Steigerung des volkswirtschaftlichen Leistungsvermögens gefährden kann, ebenso daß auch jede Preistreiberei ausgeschaltet wird und endlich einmal alle diejenigen eliminiert werden können, die hier Riesengewinne auf Kosten des notleidenden Volkes machen. Das sind alles Dinge, die wir ohne weiteres unterschreiben können. Wir identifizieren uns selbstverständlich nicht mit irgendeiner Art des Sozialismus. Aber wenn man diesen Antrag richtig liest, so braucht man ihn in diesen Antrag der SPD keineswegs hineinzukonstruieren, wie das von seiten der Regierungsbank hier versucht worden ist.
Ich möchte zu dem, was Herr Professor Dr. Erhard vorher erklärt hat, nur ein paar Sätze sagen.
({1})
Das war der eigentliche Grund, warum ich mich jetzt zu Wort gemeldet habe.
({2})
Bei dem Satz des Herrn Professors Erhard, in dem er von dem Bodensatz an struktureller Arbeitslosigkeit sprach, hat es mir als einfachem Staatsbürger und als Christ und Mensch einen Stich gegeben. Wenn man schon von der CDU ist, von der Christlich-Demokratischen oder Christlich-Sozialen Union, dann sollte man niemals Menschen in Verbindung mit einem Bodensatz setzen! Die Menschen sind das Höchste, was es gibt, und sie sind das Wichtigste für den Staat und für diese Welt. Gerade die christliche Lehre gebietet es uns allen, in jedem Menschen den Mitbruder zu sehen und danach zu handeln. Wir wenden uns schärfstens dagegen, daß man hier auch nur mit dem Gedanken spielt, als müsse bei irgendeiner Wirtschaftsordnung - heiße sie, wie sie wolle - ein Bodensatz von Arbeitslosigkeit - scilicet von armen Menschen, von Arbeitern, die kein Brot verdienen können - vorhanden sein. Wir sind der Auffassung, daß es einen solchen Bodensatz nicht geben darf, schon aus humanen und christlichen Gründen, und daß es gar keinen geben darf und k a n n angesichts der ungeheuren Arbeitsgelegenheiten und Arbeitsmöglichkeiten, die auf mehrere Generationen hinaus in diesem Lande existieren. Wir glauben, daß die Arbeitslosigkeit, so wie sie heute herrscht, eine ganz andere Ursache hat, als Herr Professor Erhard und einige Sprecher von der Regierungsseite gestern und heute uns weiszumachen versucht haben. Die Arbeitslosigkeit ist nämlich nur ein Zeichen für die Unfähigkeit dieser Regierung, eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu treiben, staatliche Aufträge zu geben usw. Sagen Sie mir ja nicht, das Geld sei nicht vorhanden. Das Geld ist dazu vorhanden.
({3})
- Jawohl, es wird nur in einem unglaublichen Umfang verwirtschaftet. Es wird dazu verwendet, Tausende und Zehntausende von Leuten in gewissen staatlichen Stellen von oben bis unten Woche für Woche und Monat für Monat zu finanzieren, und zwar Leute, die überhaupt keine Ahnung von der Wirtschaft haben, die ihren ursprünglichen Beruf, den sie gelernt haben, wieder ausüben sollten; sie sollten aber nicht als Oberregierungsräte, als Leiter der Wirtschaftsämter und als Ministerialdirektoren über Dinge -gesetzt
({4})
werden, die sie überhaupt nicht gelernt haben und nicht verstehen.
({5})
Und nun zu einem weiteren Ausspruch des Herrn Professors Erhard: Er meinte, die riesige Zunahme an Arbeitslosen in den letzten Monaten sei nur eine „saisonale Zunahme", wie er sagte. Es wundert mich schon wirklich, daß der maßgebliche Wirtschaftsminister in Deutschland so etwas sagt, obgleich ein einziger Blick auf die Statistik ihn vom Gegenteil überzeugen könnte. Ich habe eine Ziffer vor mir: Arbeitslosenzunahme im Lande Bayern in der vorvorigen Woche. Es war eine Zunahme von insgesamt 20 000 Personen in einer einzigen Woche. Von diesen 20 000 Personen ist keineswegs der größere Teil, nicht einmal die Hälfte, Bauarbeiter gewesen, sondern es handelt sich zum größten Teil bereits um eine rein strukturelle Zunahme der Arbeitslosigkeit bei Berufen, die mit Saisonschwankungen und dem Eintritt des Winters überhaupt nichts zu tun haben.
Herr Professor Erhard, Sie kennen die Verhältnisse bei uns doch sehr genau; denn Sie waren ja einmal bayerischer Wirtschaftsminister. Sind Ihnen die Entlassungen bei Steinheil, den optischen Firmen in München, und anderwärts bekannt? Was hat denn das mit dem Eintritt des Winters zu tun? Das hat mit ganz anderen Dingen zu tun, Herr Professor Erhard, von denen ich gestern schon kurz gesprochen habe. Und so ist es auch bei einer Reihe von anderen Unternehmungen. Ist es wahr oder nicht, Herr Professor, daß wir zur Zeit nicht einmal die Stahlquote ausnutzen, die uns von den Alliierten zugestanden ist, und daß wir sogar unter dieser Ziffer bleiben? Wenn das aber wahr ist, Herr Professor, dann handelt es sich hier um keinerlei durch den Eintritt der Winterzeit bedingte Schwankungen, die man mit dem Satz abtun könnte: „das war schon immer so", sondern dann handelt es sich um eine Erkrankung des Wirtschaftslebens bei uns, die sich zur Zeit in immer fortschreitendem Maße bemerkbar macht. Dann wäre es eigentlich an der Zeit, daß die Regierung andere Maßnahmen dagegen treffen würde, als nur den Kopf in den Sand zu stecken und immer wieder Dementis herauszugeben und zu sagen: „die Sache ist ja gar nicht so schlimm und kein Anlaß zur Beunruhigung!"
Das nur wollte ich gesagt haben, nachdem Herr Professor Erhard heute zum Antrag der SPD wieder das Wort ergriffen hat. Die Arbeitslosigkeit hat nichts mit den einzelnen verschiedenen Systemen zu tun, über die wir heute zwei Professoren sich hier streiten gehört haben, sondern die Arbeitslosigkeit ist direkt verursacht durch das Unvermögen und die Unfähigkeit der heutigen Bundesregierung ebenso wie der Länderregierungen, Arbeitsbeschaffung in größtem Umfange und Aufträge durchführen zu lassen, für die die Projekte schon lange da sind. Denken Sie nur an die Wasserkraftwerke und die Wohnbauten, für die bei vernünftiger Leitung dessen, was an Steuern eingeht, auch die Mittel vorhanden sind und für die die Arbeiter in ganz großem Umfange ebenfalls bereitstehen. Das möchten wir von der WAV zu den Ausführungen des Herrn Professors Erhard gesagt haben.
Was den Antrag der SPD anbetrifft, so werden wir uns gegen jeden Versuch wenden, auf dem
Wege über Kartelle das freie Kaufrecht und Verkaufsrecht der Deutschen irgendwie zu beeinträchtigen. Wenn man weiß, daß die Anzüge nicht unwesentlich dadurch verteuert werden, daß in gewissen Gebieten Deutschlands die Schneidermeister ihre Stoffe nicht etwa direkt bei der Fabrik kaufen können und dürfen, sondern daß hier Verabredungen vorliegen, nur gewisse Großhändler zu beliefern, so war das leider auch schon früher der Fall. Heute sind wieder solche Dinge im Gange mit dem Ergebnis, daß dadurch eine Verteuerung des Stoffes eintritt und damit der Anzüge, also eines der lebenswichtigsten Güter, die es wohl gibt. Wenn man weiß, daß auf dem Gebiet anderer wichtiger Waren ebenfalls solche Bestimmungen herrschen, dann muß man hellhörig werden gegenüber dem Mißbrauch von Kartellen. Wir wenden uns auch dagegen, daß durch Kartelle Leute; die gut produzieren können, weil sie in ihrem Unternehmen eine vernünftige Wirtschaft führen, gezwungen werden, höhere Preise zu verlangen, weil einige Stümper nicht in der Lage sind, ihre Fabriken entsprechend gut zu rationalisieren. Gegen alle diese Dinge wenden wir uns. Wenn der Antrag der SPD - und wir werden das ja in den Ausschüssen sehen können - auch das bezweckt, dann werden wir ihn wärmstens unterstützen.
Das ist die Auffassung der WAV zum Kartellierungsproblem. Durch die Äußerungen des Herrn Professors Erhard sind wir leider zum großen Teil in der heutigen Debatte von dem Kern des uns vorliegenden Antrages abgewichen, weil Professor Erhard versucht hatte, die Arbeitslosenziffer mit diesen Dingen in Verbindung zu setzen. Aber es war notwendig, gegenüber dem immer noch vorhandenen ganz unfaßbaren und rätselhaften Optimismus des Herrn Wirtschaftsministers einige Worte zu sagen, - des Herrn Wirtschaftsministers, der anscheinend gar nicht merkt, wie die Vertrauensbasis für ihn und seine Kollegen bei der Bevölkerung draußen immer schmäler und schmäler wird, weil immer weitere Hunderttausende von Mitbürgern in unserem Lande nicht .mehr Arbeit und Brot haben!
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat einen großen Katalog der Dinge vorgeführt, gegen die er und seine politischen Freunde sich auszusprechen haben. Ich glaube, es würde für die Stellung des Herrn Loritz und seiner Fraktion in diesem Hause nützlicher sein, wenn wir nun bei Gelegenheit auch einmal hören könnten, wie man sich positiv zu der politischen Entwicklung und zu der Gestaltung unseres wirtschaftlichen Lebens zu verhalten gedenkt.
({0})
Es wäre nämlich wichtig, zu wissen, wie Sie sich die praktischen Wege denken. Es genügt nicht, bloß zu sagen: „Ja, dann gibt es irgendwo Möglichkeiten". Nein, mit irgendwelchen gespensterhaften Möglichkeiten unter der Morgenröte irgendeiner verschwommen gedeuteten Zukunft können wir uns nicht abfinden, weil wir nämlich verantwortungsbewußte Politik treiben, eine Politik, die sich an die Realitäten hält, eine Politik, die von der Wirklichkeit ausgeht und zu
({1})
praktischen Nutzanwendungen innerhalb dieses staatlichen Lebens kommt, an dessen Entwicklung, an dessen Anfangswerden wir hier mühevoll arbeiten.
({2})
Das, meine Damen und Herren, sei an den Anfang dieser Ausführungen gestellt.
Nun ein zweites, ein Wort des Bedauerns! Wir haben vorhin wieder erlebt, als der Antrag begründet wurde, daß der Angehörige der Regierung eines Landes hier in diesem Hause als Abgeordneter gesprochen hat. Ich möchte den Herren von der SPD doch die dringende Bitte vortragen, wirklich einmal ernsthaft die Bedeutung der Inkompatibilität zu erkennen und zu prüfen, ob es unserer staatlichen Entwicklung unter dem Aspekt der demokratischen Funktionenteilung innerhalb einer bundesrepublikanischen Einheit dienlich ist, diesen Weg und diese Methode weiter fortzusetzen.
({3})
Dann, meine Damen und Herren, zum eigentlichen Gegenstand! Die Dinge liegen da so, daß von der Regierung wiederholt bekanntgegeben worden ist, sie arbeite an einem Entwurf zur Kartell- oder Antimonopolgesetzgebung. Nun ist das Verhältnis zwischen Regierung und Opposition bei der Vorbereitung von Gesetzen ziemlich ungleich. Die Regierung ist genötigt, um ihrem Entwurf eine gründliche und sachgemäße Fundierung zu geben, mit einer Fülle von Beteiligten zunächst Vorbesprechungen zu halten
({4})
und alle möglichen Sachverhalte heranzuziehen, also die Gesetzentwürfe gut vorzubereiten. Das braucht die Opposition natürlich nicht zu tun, und infolgedessen ist es für sie ungeheuer leicht, laufend Anträge zu stellen: die Regierung wird ersucht, dieses oder jenes zu tun. Dadurch wird der Eindruck erweckt, als ob die Regierung fortgesetzt des Antriebes der Opposition bedürfe, um überhaupt in Tätigkeit versetzt zu werden.
({5})
Dabei ist die wirkliche Lage doch so, daß nicht nur die Gesetze vorzubereiten sind, sondern daß wir in Staatsanfängen stehen. Hinzu kommt nämlich die gewaltige Aufgabe, zunächst einmal die administrativen Voraussetzungen für eine funktionierende Exekutive herzustellen.
({6})
Ich weiß nicht, ob es richtig ist, daß am Anfang des staatlichen Werdens bestehende Mißverhältnis zwischen Regierung und Opposition und ihren Aufgaben und Funktionen so auszunutzen, wie das hier immer wieder geschehen ist.
Deswegen, meine Damen und Herren, überlasse ich unsere Stellungnahme zu Einzelfragen der Monopol- und Kartellgesetzgebung der künftigen Aussprache, die sich an die Vorlage des Regierungsentwurfs knüpfen wird.
({7})
Ich beschränke mich infolgedessen auf ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu der heutigen Debatte und zu den Auffassungen, die da vorgetragen worden sind.
Meine Damen und Herren, es geht hier nicht bloß um die Frage des Verhältnisses zum Kartell oder zu sonstigen Monopolen, um die Frage des Eingriffs des Staates in den Ablauf der wirtschaftlichen Entwicklung. Es handelt sich hier nicht nur um eine Frage rein ökonomischer Art. Sie ist für uns auch eine wesentlich politische Frage. Letzten Endes wird hier das Verhältnis von Staat und Gesellschaft, von Staat und Individuum berührt. Es geht um die Frage: Wie verhält sich der Staat, der die Freiheit des Individuums zu schützen hat, zu gesellschaftlichen Sozietäten, die einen Funktionärkörper haben, der seiner ganzen Wesensart nach - das gilt für alle Sozietäten - das Bedürfnis hat, nach einer gewissen Zeit gewisse politische Macht auszuüben und politische Schwerpunkte zu bilden?
,({8})
- Herr Kollege Rische, das ist eine andere Frage, ob er sich davon beherrschen läßt. Ich sehe diese Herrschaft noch nicht gegeben, aber ich sehe die Möglichkeit einer solchen Herrschaft. Und das ist für uns der entscheidende Gesichtspunkt. Wir meinen, der Staat sei dazu da, auch die Freiheit des Individuums zu schützen, wenn durch gewisse Machtgruppierungen und Machtballungen in der Gesellschaft die Gefahr besteht, daß das Individuum seine Bewegungsfreiheit, auch seine Vereinigungsfreiheit und auch die Freiheit, sich nicht zu vereinigen, verlieren könnte. Das gilt nicht nur für die Monopolgesetzgebung auf dem wirtschaftlichen Gebiete, sondern das gilt für alle Zweige unseres wirtschaftlichen Lebens.
({9})
Das ist das, was in diesem Zusammenhang gesagt werden mußte.
({10})
Wir wollen unter keinen Umständen, daß dieser Staat, der dazu da ist, die Freiheit der vielen zu schützen und zu wahren, von irgendwelchen mächtigen Sozietäten abhängig wird. Insofern bejahen wir das Recht des Staates, in die Bildung von solchen Sozietäten einzugreifen in der Absicht, die Freiheit des Individuums und die Freiheit des Leistungswettbewerbs des wirtschaftenden Menschen zu schützen. - Das ist das eine, was grundsätzlich zu diesen Dingen zu sagen ist.
Ich habe mich über einige Ausführungen gewundert, die zur Begründung des Antrages gemacht worden sind. Ich habe selten eine solche Umschmeichelung von Kartellinstinkten gehört, wie sie da von dem Sprecher der SPD ausgesprochen worden ist.
({11})
Es ist mit einem geradezu rührenden Mitleid von den Gründen gesprochen worden, von betriebswirtschaftlichen, volkswirtschaftlichen und sozialpolitischen Argumenten, die immer wieder - nun schon seit 20, 30 Jahren -, wenn es um die Verteidigung der Kartelle geht, angeführt zu werden pflegen. Ich habe mich gewundert, sie gerade aus diesem Munde zu hören.
Ich darf in diesem Zusammenhang nur einige Dinge herausgreifen. Meine Damen und Herren, es ist von der beklagenswerten Folge des Wettbewerbs gesprochen worden, die etwa eintreten könnte, wenn durch allzu rigorosen Wettbewerb einmal ein Betrieb unterliegen könnte. Ja, meine Damen und Herren, es ist noch sehr die Frage, ob es denn volkswirtschaftlich nützlich oder bedauerlich ist, daß ein solcher Betrieb unterliegt. Es kann sich ja auch um die Ausmerzung rückständiger und unerwünschter Betriebsformen handeln. Wir sind nun einmal Anhänger eines
({12})
wirtschaftlichen Fortschritts, bei dem sich im Wettbewerb der Leistung die neuen Formen immer wieder weiterbilden und die Wirtschaft aus ihren eigenen Elementarkräften nach den ihr eigentümlichen Grundgesetzen ihren Weg in die weitere Zukunft nimmt.
({13})
- Das ist nicht der Wolfskampf, daß die Kleinen die Großen fressen!
({14})
Aber es kann so sein, daß der Untüchtige oder der weniger Tüchtige von dem Tüchtigen überrundet wird. Das ist allerdings ein Ausleseprozeß, den wir für ein sehr wesentliches Element der Entwicklung halten. Und zwar gerade in diesem Augenblick. Wir müssen doch nach diesem verlorenen Krieg, nach diesem Zusammenbruch unserer politischen Existenz eine ungeheure Anstrengung machen, um überhaupt wieder in die Höhe zu kommen. Wir müssen doch die Leistungskräfte antreiben und entfalten, um in unser Volk und in unser Wirtschaftsleben die Impulse hineinzutragen, das Äußerste an Leistung zu vollbringen, Neues zu formen und Neues zu wagen. Diese Wagnisbereitschaft wird aber durchaus nicht durch monopolistische Elemente im Wirtschaftsleben sichergestellt. Vielmehr ist manches Monopolstreben darauf zurückzuführen, daß an die Stelle echten Unternehmerdenkens so etwas wie eine Betriebsrentnergesinnung getreten ist. Wir glauben nicht, daß das der richtige Impuls zum Aufstieg ist. Wir wenden uns bewußt nicht an die Ängstlichen und Zaghaften, sondern an die Auftriebswilligen, an die Tatkräftigen, an die Lebendigen und an die Schöpferischen mit all der Folgerichtigkeit, die sich aus dieser Vorstellung ergibt.
Herr Kollege Nölting hat in diesem Zusammenhang einige Bemerkungen über den Liberalismus gemacht. Er hat gesagt, dive Kartelle seien Kinder des Liberalismus. Ich sehe die Dinge wesentlich anders. Das, was im Grunde genommen zu dieser Betriebsrentnergesinnung geführt hat, die oft hinter der Kartell- oder Monopolbildung gestanden hat, ist nicht Liberalismus, ist nicht der Glaube an das selbstbewußte und selbstverantwortliche Individuum in der Wirtschaft, sondern ist in Wirklichkeit ein nachwirkender Feudalismus, ein Nachwirken der Instinkte, der Neigungen derer, die privilegiensüchtig waren. Nachdem die Privilegien durch die Einführung der Gewerbefreiheit und verwandte Entwicklungen des politischen Lebens weggefallen waren, waren diese Kräfte darauf bedacht, bevorrechtigte Positionen innerhalb des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Geschehens auf neuer Grundlage zu bilden. Diese nachwirkende Denkgewohnheit des Feudalgeistes hat weiß Gott nichts mit dem Liberalismus zu tun, der für meine Freunde und mich der Inhalt unserer politischen Weltanschauung ist.
Also, meine Damen und Herren, wir haben nicht die Absicht, Monopole zu verteidigen, und wir haben nicht die Absicht, eine wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, bei der denjenigen ein Freibrief ausgestellt wird, die sich unter Mißbrauch der Wirtschaftsfreiheit in die Lage versetzen wollen, wirtschaftliche Privilegien zu schaffen und auszunutzen.
Wir teilen auch nicht die Meinung, daß auf diesem Wege eine langfristige Erwerbslosigkeit gefördert werden könnte. Die Frage der Vollbeschäftigung hat mit der Erhaltung privater Monopolstellungen wenig zu tun. Es wurde vorhin gesagt, durch den Wettbewerb und durch das Niederkonkurrieren von Betrieben könne eine Gefährdung der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit breiter Arbeitnehmerschichten eintreten. Das Umgekehrte haben wir aber auch schon erlebt. Ich entsinne mich, daß man Trusts und Kartelle nur mit dem Ziel bildete, sich dadurch eine besonders starke Stellung auf dem Markte zu schaffen, daß man Betriebe aufkaufte, um sie stillzulegen, daß man also nicht den Willen zur Mehrproduktion, zur Mehrleistung, sondern umgekehrt den Willen zur Drosselung der Leistung zum Gegenstand monopolistischer Politik oder Kartellpolitik machte. Ich kann mich an Fälle erinnern, in denen Patente, die wichtige Neuerungen brachten, nicht ausgenutzt wurden, weil nämlich dadurch bestimmte kartellpolitische Methoden, die sich eingelaufen hatten, schlecht hätten genutzt werden können. Meine Damen und Herren, wenn man die Dinge so sieht, dann sollte man doch davon absehen, das Gespenst der Erwerbslosigkeit an die Wand zu malen, wenn etwa die Kartellpolitik oder eine gewisse Lockerung der Kartelle dahin führen sollte, etwas frischeren Wind in die Wettbewerbsverhältnisse hineinzubringen.
Ich glaube, daß am Ende d i e Wirtschaft am erfolgreichsten ist, in welcher durch die Auslese des Wettbewerbs die Tüchtigsten, die Wagnisbereitesten und die Schöpferischsten sich durchgesetzt haben, d i e Wirtschaft, die sich auch freigemacht hat von einer manchmal geradezu autoritären Bürokratie, die aus ihr selbst kam. Diese Bürokratie mit all ihren Statistiken und Tabellen,
mit ihrer Kunstrichtung des Kurvismus beherrschte dabei das betriebswirtschaftliche Denken. Man vermeinte da, wo eigene Ideen über die wirtschaftliche Entwicklung fehlten, aus Statistiken herauslesen zu können, was man eigentlich zu tun habe. Auch diese Erscheinungen werden sich mit Hilfe einer stärkeren Wirkung des Wettbewerbs mäßigen.
Solche Überlegungen bedeuten nun nicht, meine Damen und Herren, daß wir etwa doktrinäre Anhänger eines riesenhaften Monopolamtes wären. Wir sind viel eher geneigt, an ein Beispiel anzuknüpfen, das im vorigen Jahr die britische Regierung gegeben hat, als sie in einer Art empirischelastischer Form dem Kartellproblem auf den Leib zu rücken versuchte. Das ist dort so geschehen, daß man den verschiedenartigsten Bedingungen für die bisherige Existenz von Monopolen, Trusts, Kartellen oder Syndikaten in variablen Formen und Ordnungen Rechnung trug. Da etwa, wo wir im Wettbewerb mit anderen Ländern mit stark monopolistisch untermauerten Wirtschaftszweigen stehen, können wir zeitweilig nicht unter allen Umständen auf angleichende oder entsprechende Gegenmaßnahmen verzichten. Sonst würde man ja kein echtes Wettbewerbsverhältnis durch Gleichartigkeit der formalen Wettbewerbsbedingungen ermöglichen. Es wird auch nicht immer darauf ankommen, nun kleinlich zu sein und jede Form der Verabredung über ein Formular, über den Abschluß von formalen Bedingungen der Lieferungsverträge gleich zum Gegenstand behördlicher Maßregelung zu machen. Das Entscheidende, das wir für unsere wirtschaftliche und politische Regeneration brauchen, ist einerseits eine Stei({15})
gerung des Wettbewerbs, eine Förderung des wagniswilligen und wagnisbereiten Menschen; es ist andererseits eine Minderung oder Beseitigung der Stützen, die diejenigen erstreben, die in der Betriebswirtschaft lediglich eine Möglichkeit suchen, ohne jedes Wagnis oder ohne jede schöpferische Leistung Rendite unter allen Umständen zu gewährleisten.
So komme ich also zu dem Ergebnis: Wenn der Staat seine Aufgabe erfüllen soll, die er in dieser wirtschaftlichen und politischen Situation, in der wir uns heute befinden, hat, nämlich die Kräfte des Auftriebs zu entfesseln, dann wird er nicht an einer Monopolordnung vorbeikommen, die die Impulse zum wirtschaftlichen Leistungsstreben und zum unternehmerischen Wagnis steigert.
({16})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Die Entwürfe, die sich die Regierung hat anfertigen lassen und die sie mit einem größeren Kreis von Interessierten schon besprochen hat, sind uns nicht bekannt. Herrn Professor Nölting waren sie vielleicht bekannt, ich weiß es nicht. Jedenfalls ist es immer ein mißliches Unterfangen, über irgendwelche Dinge zu sprechen und Einzelheiten zu besprechen, die man nicht kennt und die man im einzelnen nicht durchstudiert hat. Wir müssen uns deshalb heute leider auf eine allgemeine Diskussion beschränken, die vielleicht viel besser zu einem Zeitpunkt gepaßt hätte, in dem das Monopolmißbrauchsgesetz hier vorgelegt wird.
({0})
Wir werden aber doch einige wesentliche Punkte, die in der heutigen Debatte - soweit ich es jedenfalls verstanden habe - nicht zum Vorschein gekommen sind, noch vortragen müssen.
Es scheint mir so zu sein, daß der Ausdruck „Kartell" oder das Wort „Monopol" im Laufe der letzten Jahrzehnte, vielleicht sogar im Laufe der allerletzten Jahre tatsächlich einen Bedeutungswandel erfahren hat, den wir im einzelnen vielleicht noch nicht mit der genügenden Schärfe erkannt haben. Man denke doch einmal daran: Wo gibt es noch überall in der Welt einen wirklich funktionsfähigen Markt? Wo sind nicht irgendwelche Machtpositionen aufgebaut? Denken Sie daran, daß heute bei der Devisenzuteilung bei Einfuhrdevisen dem Einfuhrhändler eine gewisse Menge an Devisen zugeteilt wird, und die anderen Gruppen gehen leer aus. Selbstverständlich bringt ein solches Devisenzuteilungsverfahren auch Möglichkeiten des Machtmißbrauchs. Ich führe dies nur als Beispiel an, um Ihnen zu zeigen, daß wir wahrscheinlich in dem Kampf gegen den Monopolmißbrauch viel zu wenig die vielfältigen Möglichkeiten erblicken, die sich in der heutigen Wirtschaft aufgebaut haben. Was wir haben müssen. ist mehr als nur der Kampf gegen die Industriekartelle, die hier anscheinend im Vordergrund der Betrachtungsweise stehen. Was wir haben müssen. ist tatsächlich ein funktionsfähiger Markt; und einen solchen funktionsfähigen Markt auch beispielsweise auf dem Agrarsektor zu schaffen, wird eine außerordentlich schwere Aufgabe sein, die wahrscheinlich jahrelanger Arbeit bedarf. In diesem Sinne müßte .ein Monopolgesetz zunächst einmal untersuchen, wo und auf welchem Marktsektor es überhaupt wirksam werden kann, welche Marktsektoren in diesem Gesetz überhaupt erfaßt werden können und wo die Grenzen eines solchen Monopolmißbrauchs zu suchen sind.
Aber ein zweiter Gesichtspunkt, der meiner Meinung nach ebenso wichtig ist, ist der, daß man die Dinge nicht nur negativ sehen sollte, daß man nicht nur sagen sollte: wir wollen Mißbräuche oder den unlauteren Wettbewerb bekämpfen, sondern man muß sich ein ganz bestimmtes wirtschaftspolitisches Bild machen: man muß in ein solches Gesetz auch die positive Förderung der kleinen und mittleren Betriebe mit hineinsetzen, und man muß sich ein ganz klares wirtschaftspolitisches Bild von den optimalen Betriebsgrößen in jedem einzelnen Wirtschaftssektor machen. Dann hätte man dieses positive Wirtschaftsbild, das hinter einem solchen Gesetz zu stehen hätte, mit allen Mitteln der Rechtsprechung durchzusetzen.
Denken Sie nur einmal an, die Erfahrung, die wir mit der Kartellverordnung von 1923 gemacht haben. Wer die Rechtsprechung des Reichswirtschaftsgerichts irgendwie einmal kennengelernt hat, wird doch selber festgestellt haben, daß die Grenze der Störung des öffentlichen Wohles praktisch außerordentlich schwer zu erfassen ist, wenn man nicht ein Übriges in das Gesetz hineinschreibt, nämlich welches positive, wirtschaftspolitische Bild man sich von der Verfassung der Wirtschaft macht. Deshalb halte ich es für erforderlich, daß wir ein solches Monopolmißbrauchgesetz in beiden Richtungen genau vorbereiten.
Ich möchte mir hier eine Anregung erlauben. Ist es denn richtig, daß jeder Gesetzentwurf nur zunächst im Schoße der Regierung ausgedacht werden muß? Wäre es nicht viel zweckmäßiger, wenn gerade bei so schwierigen und grundsätzlichen Fragen eine Studienkommission aus Angehörigen aller Parteien eingesetzt wird, in der sich die besten Sachverständigen, die von deutscher Seite aus jemals mit diesem Problem zu tun gehabt haben, befinden und sich mit Sachverständigen des Auslandes vereinigen würden, die die Erfahrungen beispielsweise Amerikas uns mit übermitteln könnten? Solch eine Studienkommission hätte dann Material zu sammeln und auf Grund dieses Materials gewisse Anregungen für einen solchen Gesetzesvorschlag uns zu unterbreiten. Dann würden auch die Schwierigkeiten, die Herr Abgeordneter Schäfer hier für die Regierung kennzeichnete, wegfallen. Es würde dann die Möglichkeit bestehen, daß alle Interessierten bereits an der Vorarbeit beteiligt wären, damit etwas Besseres herauskäme, als wenn ein solcher Entwurf nur von parteipolitischer Seite gesehen wird. Damit würden wir vor allem eine Gefahr bannen, die sich meiner Ansicht nach deutlich gezeigt hat. Sowohl die Regierung wie auch der Sprecher der SPD haben im wesentlichen ihre Zustimmung zu dem Monopolmißbrauchgesetz zum Ausdruck gebracht und praktisch fast die gleichen Formulierungen gefunden. Ist es dann nötig, daß über völlig gleiche Dinge, über einen völlig gleichen Antrag hier polemisiert wird, obwohl man den Eindruck hat, daß die bei weitem überwiegende Mehrheit des Parlaments sich in der Grundlinie völlig einig ist? Wenn wir dazu kommen könnten, solche grundsätzlichen Fragen in einer alle Parteien und Sachverständige umfassenden Studienkommission vorzuklären, dann würden wir wahr({1})
scheinlich eine solche etwas schwierige Diskussion, wie wir sie heute haben, vermeiden können.
Wir vom Zentrum wünschen jedenfalls, daß in diesem Gesetz außer diesen rein negativen Punkten, die hier zur Sprache gekommen sind, vor allem auch der mehr positive Punkt herausgeschält wird, nämlich die Ermöglichung des Starts für neue und junge Kräfte, die ja zur Zeit kaum gegeben ist, zweitens die Auffassung vom wirtschaftspolitischen Gesamtbild, nämlich die Förderung des mittleren und kleinen Betriebes als Schutz gegen die größeren, die sich schon selber zu helfen wissen.
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei möchte ich mich auf die Fragen beschränken, die bei der heutigen Debatte aufgeworfen worden sind, und eine gründliche Erörterung vorbehalten, bis die Gesetzesvorlage der Regierung vorgelegt wird.
Der Herr Abgeordnete Schäfer hat in einer sehr eindrucksvollen Weise die Grundprobleme aufgezeigt. Er hat davon gesprochen, daß es sich bei dem Entwurf eines Gesetzes gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht in erster Linie um eine Frage handelt, die das Verhältnis von Staat und Gesellschaft berührt. Auch die Fraktion der Deutschen Partei wünscht, daß die Macht in der Hand des Staates, eines demokratischen Staates, also damit in der Hand aller liegt. Die Deutsche Partei wünscht nach ihrer Grundauffassung die Unabhängigkeit des einzelnen und die Unabhängigkeit des Staates von irgendwelchen Machtanballungen in der Gesellschaft. Wir wünschen ein Wettbewerbsrecht, das die Leistungskräfte steigert, Mißbräuche verhindert und das auf dem Prinzip der sozialen Gerechtigkeit beruht.
Ob angesichts dieser kurz skizzierten Grundfragen wirklich in den Prinzipien eine einheitliche Linie verfolgt wird, wie das mein Herr Vorredner behauptet hat, erscheint mir angesichts des von der sozialdemokratischen Fraktion vorgelegten Antrags zweifelhaft. Wenn man den zweiten Absatz dieses Antrags genau prüft und analysiert, so verstecken sich, obwohl das in der Begründung von Herrn Professor Nölting nicht zum Ausdruck gekommen ist, darin doch Vorstellungen, die wir ablehnen müssen. Es heißt hier, Organisationsformen sollen aufrechterhalten werden, die einer Versorgung - ich kürze etwas ab - der Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs dienen. Darin stecken wirtschaftliche Vorstellungen einer Planungswirtschaft, wie wir sie von der Fraktion der Deutschen Partei nicht billigen können.
Ich möchte doch zwei Irrtümer richtigzustellen versuchen. Es wurde vom Abgeordneten Loritz davon gesprochen, daß in der Stahlproduktion Zurückhaltung zu beobachten sei. Das stimmt nicht. Die Produktion preßt bereits konjunkturell an das Limit der Stahlproduktion mit 11,1 Millionen heran.
Und ein zweites: Eine Untersuchung der Arbeitslosenstatistik beweist, daß das Ansteigen der Arbeitslosenzahl vor allem in Niedersachsen und in
Bayern zu beobachten ist, daß also dann, wenn Landwirtschaft und das Vorhandensein von Flüchtlingen zusammentreffen, ein besonders in der innersten Lage unseres Landes begründetes Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu beobachten ist. Das hat mit den wirtschaftpolitischen Grundlinien der Regierung nichts zu tun.
Wenn man sich überlegt, daß - ich gehe hier besonders von der Begründung aus, die Herr Professor Nölting gegeben hat - zwischen seinem Vorschlag und dem der Regierung kaum Unterschiede bestehen sollen, so erscheint mir angesichts des Vorliegens einer Gesetzesvorlage der Regierung, die nur noch der letzten Ausreifung in den Ressorts bedarf, der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion als gegenstandlos geworden, gegenstandslos im Sinne der Tatsache, daß eine Vorlage der Regierung unmittelbar zu erwarten ist, deren gedanklicher Inhalt und deren Problemstellung bereits weitgehend in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Infolgedessen beantrage ich namens der Fraktion der Deutschen Partei, über diesen Antrag zur Tagesordnung überzugehen.
({0})
Die Rednerliste ist erschöpft. Das Wort hat der Herr Antragsteller zu seiner Schlußbemerkung.
Dr. Nölting ({0}), Antragsteller: Sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der vorgerückten Stunde, nur noch wenige Worte. Es ist von einigen Rednern so hingestellt worden, als ob der ganze sozialdemokratische Antrag letzten Endes höchst überflüssig sei, und es wurde vor allem gesagt, ich selbst hätte hier leeren Theaterdonner gemacht; denn es sei mir ja längst bekannt, welcher Gesetzentwurf bei der Regierung vorliege und welchen sie anzunehmen gedenke. Meine Damen und Herren! Das ist mir nicht bekannt, und das ist vielleicht sind die Regierungsparteien besser informiert - jedenfalls der Opposition bis zur Stunde nicht bekanntgeworden.
({1})
Ich weiß nur, daß es einen Entwurf Josten gab, daß
Herr Josten aber, wie man in Frankfurt erzählt, in
Ungnade gefallen sei; daß dann ein Herr Risse den
Auftrag bekam und schließlich ein weiterer Entwurf von einem Herrn Günther und einem Herrn
Siewers angefertigt worden ist, bei welchem Gesetzentwurf auch ein 29jähriger Referent meines
Ministeriums eine gewisse Mitwirkung geleistet hat.
({2})
Aber gerade dieser junge Herr kam zu mir und sagte, es sei noch absolut unentschieden, ob Herr Professor Erhard gerade diesen Entwurf aus der Schublade herausziehen würde, und das war der Zweck unseres heutigen Antrages: Wir wollten endlich einmal auf den Busch klopfen; denn wir möchten endlich erfahren, wann denn nun dieser Entwurf kommt; und leider haben wir bis zur Stunde auf diese Frage auch heute keine klare Antwort bekommen.
({3})
Ich weiß auch, daß eine Studienkommission demnächst nach Amerika reisen soll,
({4})
({5})
um dort die Kartell- und Trustverhältnisse zu untersuchen. Beabsichtigt Herr Professor Erhard, mit der Einreichung seines Entwurfs so lange zu warten, bis diese Studienkommission, die ja noch nicht einmal zusammengestellt, geschweige denn abgereist ist,
({6})
von Amerika zurückkommt, und in welcher Zeit hofft er, die Ergebnisse dieser Studienkommission in seinen Gesetzentwurf hineinarbeiten zu können? Uns beunruhigt die Sorge, daß, wie verläßlich mitgeteilt worden ist, die Alliierten nicht mehr lange zusehen werden, daß die Regierung fackelt, und dann könnten wir eine böse Überraschung erleben.
Ich glaube also, unser Antrag war höchst notwendig, und hoffentlich führt er zu den Konsequenzen, die wir uns von ihm versprechen, insbesondere zu jener Tempobeschleunigung, die uns dringend erwünscht erscheint. Wenn allerdings Herr Professor Erhard meinte, daß es notwendig sei, zu einem Sitten-, Rechts- und Ehrenkodex zu gelangen, - nein, meine Damen und Herren, das ist ein zu schmales Rezept, und das reicht keinesfalls aus!
({7})
Ich habe mit Deutlichkeit erklärt: wir brauchen eine öffentlich-rechtliche Ordnung, und ich möchte Klarheit darüber haben, ob im Kabinett noch immer die Ansicht vertreten wird, daß ein solches Gesetz gegen einen Artikel des Grundgesetzes verstößt, - wohl eine Meinung, die der Herr Bundesjustizminister jedenfalls bis vor kurzem vorgetragen hat.
Mir hier zu unterstellen - und davon haben ja die meisten Redner gelebt -, daß uns Sozialdemokraten eine geheime und einseitige Kartellfreundlichkeit erfüllt, nun, meine Damen und Herren, das ist so absurd, daß man darauf zu antworten kaum für nötig befindet.
({8})
Ich habe mit aller Deutlichkeit herausgestellt, daß wir uns gegen die Profitsüchtigkeit der Kartelle, gegen Verschachtelung, Verfilzung und Verkalkung des Kapitalismus entschieden wenden. Ich habe davon gesprochen, daß wir keine Klubsessel-Atmosphäre in der Wirtschaft wünschen, daß uns mancher Unternehmer ein reichlich bequemer Karpfen geworden zu sein scheint und daß wir Raubzugsmöglichkeiten ins Land des Konsumenten und des Abnehmers verbauen möchten. Warten Sie die Kritik, die in der Unternehmerpresse erfolgt, ab! Ich bin überzeugt, Herr Professor Erhard wird auch diesmal mehr gelobt werden als der Wirtschaftsminister Nölting. Denn, meine Damen und Herren, der sozialistische Wirtschaftsminister des Landes Nordrhein-Westfalen ist bisher mit Lob der Industrie nicht übermäßig verwöhnt worden.
({9})
Dafür, meine Damen und Herren, werde ich bisweilen von den Gewerkschaften gelobt, während Herr Professor Erhard sein Lob mehr von den Industrie- und Handelskammern erhält.
({10})
Ich bin mit dieser Arbeitsteilung durchaus einverstanden.
({11})
Herrn Kollege Schäfer darf ich noch sagen, daß ich nicht von einer Refeudalisierung, sondern lieber von einer Entartung des Liberalismus reden möchte, die ich schmerzlich beklage, und zwar entartet dieser Liberalismus auf eine doppelte Weise: Er verriet das Konkurrenzprinzip nach innen und wird dadurch monopolistisch; er verriet das Freihandelsprinzip nach außen und wird so imperialistisch. Das ist die kapitalistische Spätphase, und Sie müssen es unter dieser Doppeldeutigkeit sehen.
Und nun zum Schluß noch folgendes, damit mir nicht die ehrenwerten Sportler morgen auf die Bude rücken. Herr Kollege Etzel, ich habe nicht behauptet, daß man sich auf einem Fußballplatz gegenseitig die Schienbeine eintritt. Ich habe gesagt - und das wird das Protokoll ausweisen -, daß man sich bei einem undisziplinierten Spiel leicht die Schienbeine eintreten könnte, und ich möchte nicht, daß die Wirtschaft einem Fußballplatze gleicht, auf dem es so undiszipliniert zugeht. Sehen Sie, deshalb können wir zu Kartellen und zu Monopolen nicht ein primitives Ja, aber auch nicht ein primitives Nein und „Pfui Teufel!" finden. Wir können Ihre Marktwirtschaft nicht einfach glorifizieren, und deshalb müssen wir dafür sorgen, daß notwendige Ordnungsfunktionen erhalten bleiben. Aber der Sozialdemokrat weiß Ordnungs- und Ausbeutungsfunktionen zu unterscheiden, und niemand wird uns an Kartellgegnerschaft übertreffen, wo es um Ausbeutungsfunktionen geht. Ich hoffe, daß Professor Erhard bei der Besetzung seines Monopolamtes uns zeigen wird, daß auch er von ehrlicher Monopolfeindschaft erfüllt ist.
({12})
Das Wort hat der Herr Bun deswirtschaftsminister.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht polemisch, sondern nur sachlich auf die Fragen Antwort geben, die hier gestellt worden sind. Ich möchte erstens feststellen: das Gesetz ist bereits in den Ressorts in Beratung und Bearbeitung.
Zweitens: die Studienkommission, bei deren Zusammensetzung wir uns wirklich bemüht haben, so paritätisch und so gerecht wie möglich zu sein, steht in gar keinem Zusammenhang mit dem zeitlichen Ablauf der Fertigstellung des Gesetzes. Daraus, daß eine Studienkommission nach Amerika. fährt, ist also nicht etwa zu schließen, daß die Behandlung des Kartellgesetzes zurückgestellt wird.
({0})
Drittens: ich kann Ihnen nicht mehr sagen, als daß ich am letzten Samstag noch einmal mit maßgebenden Herren von HICOG gesprochen und die Zusage erhalten habe, daß man uns nicht mit einem alliierten Kartellgesetz überraschen, sondern zulassen wird, daß wir ein deutsches Gesetz schaffen.
Als viertes möchte ich noch sagen: Wenn ich ausgeführt habe, es sei, um Entartungen individueller Art im Wettbewerb zu verhüten, notwendig, nach Art der amerikanischen Trade-Commissions - da liegt ja ein historisches Beispiel vor - eine Art Sitten- oder Ehrenkodex zu schaffen - wie Sie das nennen wollen, ist ja gleichgültig; Namen sind hier wirklich Schall und Rauch -, dann soll
({1})
das nicht als Ersatz eines Kartellgesetzes geschehen, sondern als Ergänzung des Kartellgesetzes.
Es bleibt mir nach Abschluß der Debatte nur noch zu sagen übrig, daß mir diese drei Stunden Diskussion um das Kartellgesetz einmal deshalb überflüssig erschienen, weil wir das, was hier zu hören war, in zehn Minuten unter uns hätten klären können, zweitens deshalb, weil Professor Nölting über die Pläne der Regierung unterrichtet war und in dieser Frage im Kern anscheinend gar keine unterschiedlichen Auffassungen zwischen uns bestehen. Und drittens glaube ich, daß man diese drei Stunden fruchtbarer hätte nutzen können.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Außer dem Antrag der SPD-Fraktion liegen zwei Anträge vor. Am weitesten geht der Antrag der Deutschen Partei auf Übergang zur Tagesordnung. Ich lasse über diesen Antrag zuerst abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Mit eindeutiger Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Antrag abstimmen, den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 405, an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war eindeutig die Mehrheit. Damit ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 ({0}).
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter Herrn Abgeordneten Bodensteiner.
Bodensteiner ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dein Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen war die Drucksache Nr. 430 betreffend Entwurf eines Gesetzes über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Jahr 1949 überwiesen. Im Auftrag des Ausschusses habe ich dem Hohen Hause über die Beratung des Gesetzentwurfs folgendes zu berichten.
Der § 35 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung vom 16. 6. 1949 hat für die Fälle schwankenden Arbeitslohns und unständiger Beschäftigung den Lohnsteuer-Jahresausgleich eingeführt. Dieser allgemeine Lohnsteuer-Jahresausgleich bezweckt die Zusammenfassung der gesamten Jahresbezüge, deren durchschnittliche Besteuerung und damit eine Beseitigung der Härten, welche sich bei schwankendem Arbeitslohn infolge der Progression der Steuersätze ergeben. Durch die zweite Steuerüberleitungsverordnung wurde für 1948 ein erweiterter Lohnsteuer-Jahresausgleich eingeführt, welcher den Umfang der Ausgleichsfälle ausdehnte und unter anderem eine nachträgliche Revision der Sonderausgaben, Werbungskosten usw. am Jahresende ermöglichte. Die Durchführung dieses erweiterten Lohnsteuer-Jahresausgleichs wurde für das Jahr 1948 in den Lohnsteuer-Richtlinien geregelt.
Für das Jahr 1949 bestand bisher noch keine Regelung. Eine solche ist aber notwendig. Es hätte nun nahegelegen, lese Regelung auch für 1949 in
den „Richtlinien" zu treffen. Dagegen bestehen
jedoch in doppelter Hinsicht Bedenken. Durch die Regelung erwirbt nämlich der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch. Es widerspricht den Grundgesetz, solche materiell-rechtlichen Bestimmungen in einer Verwaltungsvorschrift zu treffen. Hierzu bedarf es vielmehr eines Gesetzes bzw. einer Verordnung. Ein Verordnungsrecht bestand aber nur für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet. Der erweiterte Lohnsteuer-Jahresausgleich soll aber für das ganze Bundesgebiet einschließlich der Länder der französischen Besatzungszone geschaffen werden. Aus diesen beiden Gründen ist also eine Regelung der Angelegenheit durch ein Gesetz geboten.
Außer dem § 1, welcher den Umfang des Lohnsteuer-Jahresausgleichs festlegt, ist das ganze Gesetz rein technischer Art. Die Regelung entspricht im großen und ganzen derjenigen, welche für das Jahr 1949 gültig war. Der Lohnsteuer-Jahresausgleich wird grundsätzlich von den Finanzämtern durchgeführt. Wo er bereits vom Arbeitgeber durchgeführt wurde, hat es hierbei sein Bewenden.
Der Ausschuß hat die §§ 1 bis 8 und 10 unverändert angenommen
Die Änderung im § 9 soll, soweit sie den Kreis Lindau betrifft, der etwas unklaren staatsrechtlichen Stellung dieses Kreises Rechnung tragen. Soweit die Änderung das Land Rheinland-Pfalz betrifft, ist sie durch eine Änderung der Gesetzgebung verursacht, welche in diesem Land in der Zwischenzeit seit Erstellung dieses Gesetzentwurfs erfolgt ist.
In § 9 Buchstabe d ergab sich nach Drucklegung der vom Ausschuß zunächst beschlossenen Fassung die Notwendigkeit einer weiteren rein formellen Änderung. Der letzte Satzteil dieser Ziffer ist zu streichen und durch folgenden Passus zu ersetzen: „die zur Anwendung kommenden Vorschriften über den Steuerabzug vom Arbeitslohn". § 9 Buchstabe d lautet folglich in der endgültig vom Ausschuß beschlossenen Fassung:
d) in dem bayerischen Kreise Lindau die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes vom 27. Februar 1939 in der Fassung des Steuerreformgesetzes vom 26. Juni 1948 ({2}) und des Zweiten Steuerreformgesetzes vom 22. Juli 1949 ({3}) und die zur Anwendung kommenden Vorschriften über den Steuerabzug vom Arbeitslohn.
Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen schlägt dem Hohen Hause einstimmig vor, den Gesetzentwurf in der von ihm beschlossenen Fassung unverändert anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache der zweiten Beratung. Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte, mir zu gestatten, die §§ 1 bis 8 zusammen aufzurufen. Ich rufe auf die §§ 1 bis 8 nach der Drucksache Nr. 430. Wer für ihre Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 9 nach der Drucksache Nr. 463 in der vom Berichterstatter vorgetragenen endgültigen Ausschußfassung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
Angenommen.
({0})
Ich rufe nunmehr auf § 10 nach der ursprünglichen Drucksache. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen. Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich lasse über den Entwurf eines Gesetzes über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 in der in der zweiten Lesung beschlossenen Fassung abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist das Gesetz über den Lohnsteuer-Jahresausgleich für das Kalenderjahr 1949 beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 ({1}).
Ich teile dem Hohen Hause mit, daß hier Abänderungsanträge vorgelegt worden sind, und zwar zu den §§ 1, 2, 3 und 4. Ich werde sie beim Aufruf der Paragraphen verlesen.
Ich erteile dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Besold, das Wort.
Dr. Besold ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Drucksache Nr. 318 wurde dem Finanz- und Steuerausschuß der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 durch den Bundestag zur Beratung vorgelegt. In Drucksache Nr. 464 ist dieser Gesetzentwurf durch den Finanzausschuß zur Verabschiedung bearbeitet.
Die unterschiedliche Belastung der einzelnen Länder mit den Besatzungskosten und die sonstigen Kriegsfolgelasten und die verschiedenartige Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder bedingen. einen Finanzausgleich zwischen den Ländern. Das Fehlen klarer Rechts- und Tatsachengrundlagen und die völlig verschieden gelagerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Länder auf der einen und die hohen Kriegsfolgelasten auf der anderen Seite machen die Gestaltung einer gerechten Lösung des Finanzausgleichs unter den Ländern zu einem höchst schwierigen Problem. Nach eingehenden Verhandlungen unter den Ländern des Vereinigten Wirtschaftsgebietes wurde am 6. August 1949 das Gesetz des Wirtschaftsrates zur vorläufigen Regelung der Kriegsfolgelasten im Rechnungsjahr 1949 verkündet. Seine Geltungsdauer ist bis zum 31. Dezember 1949 befristet. Der bisherige Finanzausgleich war nur ein vorläufiger; er muß mit Wirkung vom 1. Oktober 1949 durch eine neue Regelung ersetzt werden. Dazu kommt, daß nach Artikel 120 des Grundgesetzes der Bund die Aufwendungen für Besatzungskosten und die sonstigen inneren und äußeren Kriegsfolgelasten nach näherer Bestimmung eines Bundesgesetzes trägt.
Nach dem Beschluß der Ministerpräsidentenkonferenz vom Sommer 1949 soll die im Grundgesetz angeordnete Übernahme der Kriegsfolgelasten durch den Bund erst zum 1. April 1950 erfolgen, und zwar aus haushalttechnischen Gründen und weil der Umfang und die Begrenzung der zu übernehmenden Lasten erst durch das im Artikel 120 vorgesehene Bundesgesetz zu bestimmen ist. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß der neue Finanzausgleich mit Wirkung vom 1. Oktober 1949 die drei Länder der französischen Zone zu erfassen hat. Gleichzeitig war im Entwurf zu beachten, daß vom 1. Januar 1950 bis zum 1. April 1950 eine gesetzliche Regelung zum Finanzausgleich unter den Ländern getroffen werden muß, um einen gesetzlosen Zustand zu vermeiden.
Der Bundesrat hat die im Gesetzentwurf vorliegende Lösung unter Berücksichtigung aller Umstände, nämlich der Rechtslage und der wirtschaftlichen Verhältnisse der einzelnen Länder nach der steuerlichen und sozialen Seite hin, mit Mehrheitsbeschluß gutgeheißen. Dabei wurden insbesondere die Besatzungskosten und die Kriegsfolgekosten, die Flüchtlingskosten, die Arbeitslosenfürsorge, die Verdrängtenfürsorge und die Beamtenpensionen bei der Findung des Finanzausgleichs in ein bestimmtes Verhältnis gebracht. Man kam dabei zu der Feststellung, daß die Durchschnittslage der Länder Süd-Baden und Württemberg-Hohenzollern trotz der hohen Besatzungskosten eine Berücksichtigung im Finanzausgleich nicht rechtfertige. Andererseits kam man zu dem Ergebnis, daß Rheinland-Pfalz unter dem Durchschnitt liege und unbedingt einen Ausgleich nötig habe. Außerdem ergab sich die Notwendigkeit, Hessen aus einem beitragspflichtigen Land zu einem zuschußempfangenden Land zu machen.
Der Finanz- und Steuerausschuß hat den vorliegenden Entwurf in seiner Sitzung vom 17. Januar 1950 beraten. Entsprechend der Anregung des Deutschen Bundesrats sind in der Drucksache Nr. 318 folgende Änderungen vorgenommen worden. In § 2 ist der Betrag von 300 Millionen D-Mark auf 307,5 Millionen D-Mark, in § 3 der Betrag von 80,5 Millionen D-Mark auf 80 Millionen D-Mark und in § 4 der Betrag von 43 Millionen D-Mark auf 42,5 Millionen D-Mark abgeändert worden. Zudem sind in § 6 die Worte „des Finanzausschusses" gestrichen worden, so daß § 6 lautet: „Der Bundesminister der Finanzen erläßt mit Zustimmung des Bundesrats die zur Durchführung dieses Gesetzes erforderlichen Verwaltungsanordnungen." Damit ist den Erfordernissen des Grundgesetzes Rechnung getragen worden.
Ferner muß festgestellt werden, daß der vorliegende Entwurf im Gegensatz zu dem Gesetz des Wirtschaftsrates vom 6. August 1949 keinen vorläufigen Charakter mehr trägt. Es handelt sich vielmehr um eine endgültige Regelung für das Rechnungsjahr 1949 bis zum 1. April 1950.
Mit dieser Fassung hat der Finanz- und Steuerausschuß in seiner Sitzung vom 17. Januar 1950 die Beratung über den Gesetzentwurf abgeschlossen. Auf besonderen Wunsch des Abgeordneten Morgenthaler ist die Verhandlung hierüber in der Finanzausschußsitzung vom 26. Januar 1950 nochmals aufgenommen worden, da Baden die schon im Bundesrat vorgebrachten Einwendungen gegen den Entwurf des Gesetzes dem Finanzausschuß ebenfalls vortragen wollte. Hierzu ist dem Abgeordneten Morgenthaler und den Vertretern der Regierung des Landes Baden in der Sitzung vom
({3})
26. Januar 1950 Gelegenheit gegeben worden. In der Finanzausschußsitzung vom 26. Januar 1950 sind weder von Baden noch von Schleswig-Holstein, das ebenfalls noch Bedenken erhoben hat, Abänderungsanträge gestellt worden. Da der Finanzausschuß den Gesetzentwurf, wie er nunmehr in Druchsache Nr. 464 vorliegt, bereits in der Sitzung vom 17. Januar 1950 genehmigt hatte, ist es bei dieser Beschlußfassung geblieben.
Es ist noch der Standpunkt des Finanzausschusses festzustellen, daß der vorliegende Gesetzentwurf kein Präjudiz für den zukünftigen Finanzausgleich sein darf.
Der Finanzausschuß empfiehlt dem Hohen Haus, den mit Drucksache Nr. 464 vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 in der vom Finanzausschuß in seiner Sitzung vom 17. Januar 1950 beschlossenen Fassung zu genehmigen.
({4})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Aussprache der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 ein.
In der Einzelberatung rufe ich den § 1 auf. Hierzu ist ein Abänderungsantrag eingegangen, zu dessen Begründung ich dem Abgeordneten Morgenthaler das Wort erteile.
Morgenthaler ({0}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Namen meiner badischen Freunde darf ich erklären, daß wir mit der Regelung dieser Angelegenheit nicht einverstanden sind und daß wir dem Gesetzentwurf unsere Zustimmung nicht geben können. Ich habe bereits in der Sitzung des Bundestages vom 11. Januar dieses Jahres darauf hingewiesen, aus welchen Gründen wir in Baden mit dieser Ausgleichsregelung nicht einverstanden sein können. Ich erkenne dankbar an, daß der Vorsitzende des Finanzausschusses mir noch einmal Gelegenheit gegeben hat, diese Dinge im Finanzausschuß zu besprechen. Ich hätte allerdings gewünscht, daß sowohl der Vertreter der badischen Regierung als auch der Vertreter des Bundesrats in der Person des Finanzministers Dr. Hilpert von Hessen etwas tiefer in die Materie eingedrungen wären, damit wir dann die Möglichkeit gehabt hätten, an Hand der Berechnung, der Zahlen, der Ausgaben, an Hand all der Grundlagen, die eben letzten Endes die Berechnung maßgebend beeinflußt haben, Stellung zu nehmen. Das ist leider nicht geschehen. Ich habe auch die Bitte ausgesprochen, daß man versuchen sollte, entsprechend dem Antrag, den der badische Staatspräsident in der Sitzung des Bundesrats vom 9. Dezember 1949 an den Bundesrat gerichtet hat, die ganze Angelegenheit durch Rechnungshöfe prüfen zu lassen, weil wir in Baden gegen die Art der Berechnung ein gewisses begründetes Mißtrauen haben. Ich habe aber dafür keine besondere Gegenliebe gefunden. Es ist mir also nicht gelungen, diese Dinge so darstellen und so begründen zu lassen, wie es notwendig gewesen wäre.
Baden hat berechtigten Anlaß, mit der Regelung dieser Sache nicht zufrieden zu sein. Wir haben, wie ich bereits damals gesagt habe, Besatzungslasten, die von allen Seiten, auch von seiten des Bundesrats als besonders hoch anerkannt worden
sind. Wir zahlen 17 Prozent mehr an Besatzungslasten, als der Bundesdurchschnitt beträgt, und wenn wir die gesamten Kriegsfolgelasten in Betracht ziehen, kommen wir auf einen noch höheren Prozentsatz. Man hält uns vor, wir hätten nicht genügend Fürsorgelasten und nicht genügend Flüchtlingslasten zu tragen. Was die Fürsorgelasten betrifft, so darf ich sagen, daß sie für Baden nicht geringer sein werden als in den anderen Bundesländern. Bei der Berechnung der Flüchtlingslasten ist zu berücksichtigen, daß wir im ersten Halbjahr des Rechnungsjahres nicht soviel Flüchtlinge hatten. Daß wir sie nicht hatten, ist nicht die Schuld der Badener und auch nicht die Schuld der badischen Regierung. Das möchte ich einmal ganz klar herausstellen. Wir haben aber im zweiten Rechnungshalbjahr einen außerordentlich großen Zuwachs an Flüchtlingen zu verzeichnen, und wenn jetzt die Summe der Flüchtlingslasten 12 Millionen D-Mark beträgt
({1})
- ja bitte, gemessen an unserem kleinen Lande ist das schon eine große Zunahme -, wenn die Aufwendungen für Flüchtlinge auf Grund der Berechnungen des ersten Halbjahres 12 Millionen D-Mark betragen haben, so müssen wir jetzt mit 20 Millionen und im nächsten Jahr mit 35 Millionen D-Mark rechnen. Sie sehen also schon an diesen Tatsachen, daß auch hier die Flüchtlingslasten ganz beträchtlich ins Gewicht fallen; und wenn man einem Land, das an Flüchtlingslasten nur 6 Millionen D-Mark mehr als das Land Baden aufzuweisen hat, eine ganz beträchtliche Summe aus dem Ausgleichsstock gibt, dann dürften wir von Baden aus auch erwarten, daß wir nicht als Stiefkinder behandelt werden. Wir wollen vom Bund durchaus keine Almosen haben, aber unter allen Umständen wollen wir unser Recht haben.
Wenn man uns sagt und wenn man uns zuerkennt, daß die Besatzungslasten und die Verhältnisse bei uns besonders gelagert waren, dann dürfen wir auch die Hoffnung hegen, daß wir aus dem allgemeinen Topf etwas bekommen können. Es darf nicht so sein, daß es Länder gibt, die aus dem Ausgleichsstock etwas erhalten, während auf der anderen Seite durch den Bundesrat festgestellt wird, daß sie am Ende des Monats Überschüsse in ihren Kassen haben, die sie auf ihren Landeszentralbanken anlegen, während Baden nicht nur keine Überschüsse hat, sondern nur Beträge, die zur Ausgabendeckung überhaupt nicht ausreichen. Ich habe Ihnen, wie Sie wissen, erklärt, daß die französische Regierung von uns verlangt hat, daß wir in wenigen Tagen, ich glaube, 24 Millionen D-Mark bezahlen.
({2})
Der badische Staatspräsident war nicht in der Lage, dieser Forderung nachzukommen. Wir stehen mit unseren Besatzungslasten seit November im Rückstand, und wir werden so lange im Rückstand bleiben, bis irgendeine Lösung gefunden wird. Wir waren bestrebt, diese Lösung durch die Länder des Bundes herbeiführen zu lassen. Das ist uns leider nicht gelungen. Es wäre für den föderativen Gedanken unseres Bundes ganz besonders günstig gewesen, wenn wir uns unter Brüdern hätten ausgleichen können. Das ist nicht der Fall gewesen. Wir bedauern das außerordentlich und sind deswegen zu dem Abänderungsantrag gekommen, der dahin geht, daß wir Ihnen
({3})
vorschlagen und um Ihre Zustimmung bitten, daß diejenigen Länder, die geben - es sind vier Länder -, etwa 3,4 Prozent mehr geben und daß die nehmenden Länder 3,4 Prozent weniger nehmen. Dann wird den Wünschen der badischen Regierung Rechnung getragen, und wir würden die Möglichkeit haben, unsere Rückstandsverpflichtungen auszugleichen. Dann werden wir weiter die Möglichkeit haben, als Glied im Rahmen und in der Familie der Bundesländer freudig mitwirken zu können, und das ist unser aufrichtiger Wunsch!
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Antrag lautet, in § 1 in der 7. Zeile
({0})
- ich will nur den Antrag rasch verlesen - in der Drucksache Nr. 464 nach dem Wort „Bayern" einzufügen „Baden".
({1})
- Richtig: zwischen den Worten „Länder" und „Bayern".
Der Herr Bundesfinanzminister hat das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin zu meinem Bedauern gezwungen, im Hinblick auf den Antrag auf eine Tatsache hinzuweisen, über die ich im Ausschuß auch bereits berichtet habe. Es gibt ein Land in Deutschland, das zur Zeit in einer finanziell schwierigen Lage ist und dessen schwierige finanzielle Lage dadurch offenbar wurde, daß die Hohen Kommissare sich gezwungen gesehen haben, dem Haushaltsvoranschlag dieses Landes gegenüber ein Veto einzulegen. Ich habe damals im Haushaltsausschuß bereits darauf hingewiesen, daß es notwendig sein wird, in absehbarer Zeit zu einer Ergänzungsvereinbarung über den Finanzausgleich unter den Ländern zu kommen, wenn gewisse Voraussetzungen für dieses Land geschaffen sind. Es würde die Dinge sehr komplizieren, wenn jetzt vom Bundestag aus der unter den Ländern abgeschlossene Finanzausgleich, der die Zustimmung, ic i möchte sagen: die einhellige Zustimmung der Länder gefunden hat,
({0})
- „einhellig", nicht einstimmig! -, wenn diese Vereinbarung jetzt nachträglich geändert würde. Nachdem im Bundesrat wegen des andern genannten Landes doch neue Besprechungen stattfinden, glaube ich auch, daß diese besondere Frage, die hier der Anlaß dieses Antrags gewesen ist, im Wege neuer Besprechungen und neuer Vereinbarungen vielleicht wieder aufgeworfen werden könnte.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich lasse abstimmen über den Abänderungsantrag - ich wiederhole ihn -, in Zeile 7 zwischen die Worte „Länder" und „Bayern" das Wort „Baden" einzufügen. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse über § 1 abstimmen. Wer für § 1 in der Fassung der Drucksache Nr. 464 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - § 1 ist gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich frage nun die Herren Antragsteller, ob sie unter diesen Umständen ihre Abänderungsanträge zu den §§ 2, 3 und 4 aufrechterhalten; die sind doch damit gegenstandslos geworden.
({0})
- Ich rufe also paragraphenweise auf.
§ 2 nach der Drucksache Nr. 464. Ich eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für § 2 in der Fassung der Drucksache Nr. 464 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 3 und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer für § 3 in der Fassung der Vorlage ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 4 und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für § 4 in der Fassung der Vorlage ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 5 und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für § 5 in der Fassung der Vorlage ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 6 und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme des § 6 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 7 und eröffne die Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für § 7 in der Fassung der Vorlage ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Überschrift und Einleitung. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
({1})
- Ich bitte um Entschuldigung und lasse über das Gesetz als Ganzes abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf die
Dritte Beratung.
Wer für die Annahme des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 in der in zweiter ' Beratung festgestellten Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Ich stelle damit fest, daß das Gesetz zur Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 angenommen ist.
Ich bin gebeten worden, Punkt 5 der Tagesordnung vor Punkt 4 aufzurufen, da der Berichterstatter zu Punkt 5 abreisen muß. Ich bitte das Hohe Haus um Einverständnis.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 5 der Tagesordnung:
({2})
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über die Anträge
der Fraktion der WAV betreffend Benzinpreiserhöhung,
der Fraktion der KPD betreffend Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf Aufhebung derselben,
der Abgeordneten Rademacher, Stahl, Dr. Oellers, Dr. Schäfer, Dr. Wellhausen und Fraktion der FDP betreffend Preiserhöhung für Treibstoff ({3}).
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Dr. Schröder ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen Bericht zu erstatten über den Stand der Anträge, die sich um die Benzinpreiserhöhung drehen und die seit einiger Zeit im Ausschuß für Wirtschaftspolitik und im Ausschuß für Verkehrswesen behandelt worden sind. Der Antrag, um dessen Annahme Sie der Ausschuß heute bitten läßt, liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 465 vor. Ich möchte aber zum Verständnis dieser Drucksache einige Worte vorausschicken.
Wir haben insgesamt vier Anträge vorliegen, die sich mit etwa dem gleichen Gegenstand befassen, und zwar zunächst den Antrag der CDU auf Drucksache Nr. 146, der schon vom 27. Oktober 1949 stammt und die Aufhebung der Bewirtschaftung von Vergaser- und Dieselkraftstoffen zum Ziel hat. Wir haben dann einen zweiten Antrag, am 14. Dezember 1949 von der WAV gestellt, Drucksache Nr. 331, mit der Bezeichnung „Benzinpreiserhöhung", einen dritten Antrag, gestellt von der Fraktion der KPD am 5. Januar 1950, auf Drucksache Nr. 363 mit der Bezeichnung „Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf Aufhebung derselben". Schließlich haben wir noch einen vierten Antrag, gestellt von der FDP am 12. Januar auf Drucksache Nr. 384, betreffend Preiserhöhung für Treibstoff. In diesem Antrag wird einmal verlangt, die Rechtsgrundlage für die Preiserhöhung nachzuprüfen, und außerdem, ein Gesetz vorzulegen, das den Vergaserkraftstoff- und Dieselkraftstoffpreis festlegt.
Die unter 2 und 3 erwähnten Anträge sind in unserer 26. Sitzung behandelt worden. Damals hatte das Hohe Haus diese Anträge an den Ausschuß mit der Maßgabe weitergegeben, daß die Ergebnisse seiner Beratungen bis zum 25. Januar vorliegen müssen. Der Ausschuß hat nun auch die Absicht gehabt, zu diesem Zeitpunkt zu berichten. Es war aber, wie Sie wissen, in der Zwischenzeit eine Veränderung der Sachlage, eingetreten. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hatte nämlich seine Absicht angekündigt, mit Wirkung vom 1. Februar die Bewirtschaftung ab Tankstelle aufzuheben und ebenfalls die Preise aufzuheben. Gegen diese Absicht sind von seiten der Hohen Kommissare gewisse Erwägungen laut geworden, die im Moment noch behandelt werden. Dem Ausschuß ist von Regierungsseite mitgeteilt worden, daß eine abschließende Äußerung der
Hohen Kommissare zu dieser Frage in den nächsten Tagen zu erwarten sein wird.
Unter diesen Umständen hat sich der Ausschuß entschlossen, Sie zu bitten, ihm zu gestatten, die Berichterstattungsfrist über die beiden Anträge, die ich an zweiter und dritter Stelle genannt habe, bis zum Freitag, dem 3. Februar, zu verlängern. Der Grund dafür ist der, daß wir annehmen, daß, sobald eine klare Stellungnahme der Hohen Kommissare vorliegt, wir dann in einer fruchtbaren Weise die Behandlung dieser Anträge, die innerlich zusammengehören, vornehmen können. Ich darf hinzufügen, daß das die Auffassung der Mehrheit des Ausschusses gewesen ist, während eine Minderheit der Auffassung war, daß die Anträge weiter behandelt werden sollten. Ich habe also den Auftrag, Sie im Namen des Ausschusses zu bitten, die uns gesetzte Berichterstattungsfrist bis zum 3. Februar zu verlängern.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache über den Vorschlag des Ausschusses, die Frist für die Berichterstattung bis Freitag zu verlängern. Gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte namens der Antragsteller folgendes zu dem Antrag der WAV-Fraktion Drucksache Nr. 331 erklären. Wir widersetzen uns jeglicher Vertagung dieser Angelegenheit. Wir widersetzen uns der Vertagung vor allem schon deswegen, weil unsere Wirtschaft diese überhöhten und untragbaren Preise für Benzin und Dieselkraftstoff jede Woche weiter zu zahlen hat. Das bedeutet eine Belastung für das Transportgewerbe und ebenso für andere Fuhrunternehmer aller Art, eine Belastung, die einfach untragbar ist und nur dazu führt, daß sich weitere Preissteigerungen daraus für die Wirtschaft ergeben.
Wir widersetzen uns einer Vertagung des ganzen Antrags auch noch aus einer Reihe anderer Gründe. Das Problem hat sich ja unterdessen kompliziert. Es dreht sich heute nicht bloß um diesen Antrag der WAV, es dreht sich vor allem darum: War die Erhöhung der Treibstoffpreise durch die Bundesregierung ohne Zustimmung des Bundestags überhaupt rechtsgültig, war diese Verordnung rechtsgültig oder nicht? Das ist die erste Frage, die so rasch wie möglich geklärt werden muß; denn wenn diese Verordnung nicht rechtswirksam war, dann sind all die geforderten Mehrpreise ex indebito gezahlt, zu Unrecht gezahlt, und wir können Regreßansprüche vor den Gerichten in den nächsten Wochen und Monaten in einem riesigen Ausmaß erwarten.
Das zweite ist dann die Frage nach der Preiserhöhung. Der Herr Wirtschaftsminister will eine Vertagung haben mit Rücksicht darauf, daß gewisse Besprechungen mit den Hochkommissaren noch nicht zu Ende sind, nämlich darüber, ob der Freigabe des Benzin-Endverkaufes, also des Kleinverkaufes in den Geschäften der Detaillisten, von den Hochkommissaren zugestimmt wird. oder nicht. Das hat aber mit unserem Antrag selbst gar nichts zu tun; denn unser Antrag bezieht sich nur auf die Benzinpreise; er wendet sich dagegen, daß die Preise auf diesem Gebiet erhöht werden. Das ist unser Antrag, und darüber müssen Sie
({0})
raschestens abstimmen, schon um den schwebenden Rechtszustand endlich einmal so oder anders zu fixieren; also abstimmen darüber: Ist diese Verordnung der Bundesregierung überhaupt rechtswirksam oder nicht? Das verträgt überhaupt keinen Aufschub mehr!
Wir haben im Ausschuß aus dem Munde der berufenen Vertreter des Kraftfahrzeuggewerbes aus ganz Deutschland gehört, daß eine Preiserhöhung, ganz gleich, ob bei freier Bewirtschaftung oder bei Weiterbestehen der Zwangsbewirtschaftung, untragbar ist, und daß jede Preiserhöhung zwangsläufig eine Erhöhung der Tarife namentlich für Arbeitertransporte sowie für Lebensmitteltransporte und für den Transport anderer wichtigster Güter nach sich ziehen muß. Unser Antrag hat - ich wiederhole es, nachdem der größte Teil der Damen und Herren bei diesen Beratungen in den Ausschüssen nicht. zugegen war - überhaupt nichts zu tun mit der Frage, ob durch die Besprechungen bei den Hochkommissaren in den nächsten Wochen eine Zustimmung der Alliierten zur Freigabe des Benzin-Detailverkaufs erreicht wird. Unser Antrag bezweckt lediglich, Klarheit zu schaffen, daß die Preise für Benzin nicht erhöht werden dürfen. Unser Antrag stützt sich insbesondere auf die von uns von Anfang an vertretene Auffassung, daß die Bundesregierung ohne die Zustimmung des Bundestags überhaupt nicht das Recht gehabt hat, die Preise von sich aus zu erhöhen, und die Klärung dieser Frage duldet keinen weiteren Aufschub mehr.
Ich bitte Sie daher alle, meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses, ganz egal, ob links oder rechts, sich jeder Vertagung aufs entschiedenste zu widersetzen Wir wissen noch gar nicht, was in den nächsten Wochen und Monaten auf dem Petersberg alles besprochen wird. Wir können uns auf gar keinen Fall damit begnügen, daß uns der Herr Bundeswirtschaftsminister hier sagt: „Na, es wird vielleicht schon gut gehen." - Es kann auch anders gehen! Unser Antrag betrifft nur die Preishöhe. Der vorgeschlagenen Vertagung des Antrages widersprechen wir im Interesse des ganzen Kraftfahrzeuggewerbes und im Interesse des ganzen Volkes!
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion wird dem Antrag auf Vertagung auf Freitag, den 3. Februar, zustimmen, obwohl auch wir, wie wir in dem Antrag Drucksache Nr. 384 zum Ausdruck gebracht haben, unsere Bedenken gegen die gegenwärtige Preisgestaltung für die Treibstoffe nicht verhehlen können. Es sind aber gerade Überlegungen im wohlverstandenen Interesse sämtlicher Treibstoffverbraucher der deutschen Wirtschaft, die uns zu der Befürwortung dieses Vertagungsantrages kommen lassen. Es ist nämlich für das gesamte Kraftfahrgewerbe und für alle übrigen Verbraucher zweifellos die günstigste Lösung, wenn es uns gelingt, die Zustimmung der Hohen Kommissare zu der Freigabe der Bewirtschaftung der Preise zu erhalten.
({0})
Wir haben im Augenblick einen ausgeprägten Schwarzen Markt in Treibstoffen. Der offizielle Preis für Benzin ist gegenwärtig 60 Pfennig, der Schwarzmarktpreis liegt bei 1 Mark. Wenn wirklich die Preise aus der Bewirtschaftung herausgenommen werden, wird auch auf diesem Gebiet, genau wie das auf allen übrigen Gebieten der Wirtschaft der Fall war, der Schwarze Markt verschwunden sein. Dann wird auch das Kraftfahrgewerbe, das bis jetzt einen erheblichen Teil seines Bedarfs aus diesen dunklen Kanälen decken mußte, in der Lage sein, den Vergaserkraftstoff zu wesentlich niedrigeren Preisen - wir sind optimistisch genug, anzunehmen: sogar zu Preisen, die niedriger sein werden als die gegenwärtig geltenden - zu kaufen.
({1})
- Wir glauben das nicht nur deswegen, weil bisher die Entwicklung auf allen freigegebenen Gebieten so gelaufen ist, sondern wir glauben das auch auf Grund der Erscheinungen, die gerade in den vergangenen Tagen allein schon im Hinblick auf die Möglichkeit der Aufhebung der Bewirtschaftung zu beobachten waren. Der Schwarzmarktpreis ist schon jetzt erheblich zurückgegangen. Der schwarze Preis für Vergaserkraftstoff ist kaum noch oder überhaupt nicht mehr höher als der offizielle Preis. Bei Dieselkraftstoff - das weiß jeder, der mit Dieselfahrzeugen zu tun hat - besteht überhaupt nicht die geringste Gefahr, daß die Aufhebung der Bewirtschaftung zu einer Preiserhöhung führen würde. Im Gegenteil, man kann hier mit einer Herabsetzung auf etwa 33 oder 35 Pfennig mit ziemlicher Sicherheit rechnen.
({2})
Sie sprechen zur Sache und nicht zur Vertagung!
Die Freigabe würde sich also mit einem Schlage zum Besten aller Verbraucher von Vergaser- und Dieselkraftstoff auswirken. Darüber hinaus liegt es aber auch im wohlverstandenen Interesse unserer ganzen Wirtschaft, die Verhandlungen, die jetzt mit den Hohen Kommissaren geführt werden, nicht durch irgendwelche Maßnahmen zu erschweren, die falsch verstanden werden könnten, wie es schon so oft geschehen ist.
({0})
Ich bitte Sie deshalb im Interesse der Wirtschaft, im Interesse des Kraftfahrgewerbes,
({1})
diese Vertagung um eine Woche zu genehmigen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Veit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als der Bundestag sich mit der Preisanordnung des Herrn Bundeswirtschaftsministers beschäftigte, hat sich hier keine Stimme erhoben, um diese Maßnahme zu verteidigen. Aber alle Kreise waren offenbar darüber einig, daß diese Maßnahme einer Nachprüfung bedürfe, und der ganze Bundestag war der Meinung, daß man auf diese Nachprüfung nicht beliebig viel Zeit verwenden dürfe, sondern daß dem Ausschuß
({0})
eine Frist gesetzt werden müsse, innerhalb deren er seine Arbeiten zu beenden habe. Diese Frist lief am 25. Januar ab. Die Erwägungen, die zu dieser Fristsetzung geführt haben, waren folgende.
Erhebliche Teile des Hohen Hauses waren der Auffassung, daß die Rechtswirksamkeit der Maßnahme des Bundeswirtschaftsministers zumindest zweifelhaft sei und deswegen einer Nachprüfung bedürfe. Ebenso waren erhebliche Teile dieses Hauses sich im Zweifel darüber, ob die Erhöhung der Treibstoffpreise wirklich notwendig und volkswirtschaftlich richtig bzw. ob sie nicht für einzelne Gewerbezweige ruinös sei.
Der wirtschaftspolitische Ausschuß hat die Frist nicht eingehalten und hat Sie jetzt durch den Berichterstatter bitten lassen, diese Frist zu verlängern. Wie kam es dazu, daß der Ausschuß entgegen der Weisung des Plenums die Arbeiten nicht fristgemäß erledigt hat? Zunächst einmal dadurch, daß während der ersten Beratung des wirtschaftspolitischen Ausschusses zur Überraschung aller ein Sprecher der Regierung sich erhob und den erstaunten Hörern verkündete, man brauche über dieses Thema wahrscheinlich nicht weiter zu debattieren, denn der Herr Bundeswirtschaftsminister habe sich entschlossen, sowohl die Bewirtschaftung wie die Preisbindung der Treibstoffe zum 1. Februar aufzuheben, und die Hohen Kommissare hätten im Gegensatz zu ihrer bisherigen Haltung die Zustimmung hierzu erteilt. Im Hinblick auf diese Sachlage hat sich der Ausschuß damit einverstanden erklärt, daß die Beratung zunächst nicht fortgesetzt werde. Nach kurzer Zeit kam schon das erste Dementi bzw. die erste Einschränkung. Wir erfuhren, es treffe gar nicht zu, daß die Hohen Kommissare entgegen ihrer bisherigen Haltung der Aufhebung der Bewirtschaftung und Preisbindung zugestimmt hätten, und wir erfuhren weiter, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister keineswegs plane, die Bewirtschaftung und Preisbindung überhaupt aufzuheben, sondern beabsichtige, diese Aufhebung erst bei der Tankstelle einsetzen zu lassen.
({1})
Meine Damen und Herren, ob ich den derzeitigen Stand der Dementierungen wiedergegeben habe, kann ich nicht mit Sicherheit feststellen; es war jedenfalls die letzte Information, die ich von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister erhalten konnte.
Nun müssen wir uns fragen, ob der Beschluß des Ausschusses, Sie um Verlängerung der Frist zu bitten, im Hinblick auf diese Sachlage sachlich überhaupt gerechtfertigt werden kann. Ich beantworte diese Frage mit Nein. Der Ausschuß hätte, nachdem das Plenum deutlich zu erkennen gegeben hatte, daß ihm an der Einhaltung der Frist etwas gelegen war, unter allen Umständen die Pflicht gehabt, seine Arbeit schon aus diesem Grunde zu beenden. Aber auch die erhebliche Unsicherheit und die Unruhe in weiten Bevölkerungsschichten, die nun bald nicht mehr wissen, woran sie sind,
({2}) hätten dem Ausschuß Veranlassung geben müssen, seine Arbeiten nicht aufzuschieben.
Schließlich - und das scheint mir entscheidend zu sein, meine sehr verehrten Damen und Herren - nützt uns der Aufschub ja nichts. Selbst im günstigsten Fall, daß die Hohen Kommissare der vom Herrn Bundeswirtschaftsminister vorgeschlagenen Regelung zustimmen, muß sich der Ausschuß mit dieser Frage beschäftigen. Denn dann bleibt ja immer noch die Preisbindung beim Zentralbüro übrig, und diese Preisbindung wird ja nach wie vor unsere erhöhte Aufmerksamkeit, unser Interesse und die Notwendigkeit der Nachprüfung erfordern. Infolgedessen versäumen wir wirklich nur unnötige Zeit, weil die Zustimmung der Hohen Kommissare uns nicht von der Aufgabe befreit, die dem Ausschuß gestellt worden ist.
Nun noch etwas Grundsätzliches. Die Kontrolle des Parlaments über das gesetzmäßige Verhalten seiner Regierung ist die oberste Pflicht, die nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen hintangestellt werden sollte; und die Frage, ob unsere Regierung hier gesetzmäßig gehandelt hat, sollte das Parlament auch für den Fall interessieren, daß diese Frage nicht mehr akut ist.
({3})
Die Frage, ob die Regierung gesetzmäßig gehandelt hat, begegnet nicht nur in den Kreisen der einen oder andern Fraktion, sondern auch in den Kreisen des Bundesrats erheblichem Zweifel. Ich mache auf die Denkschrift aufmerksam, die der Senator für Wirtschaft in Hamburg dem Bundesrat gerade zu dieser Frage vorgelegt hat.
({4})
- Das können Sie einer Nachprüfung unterziehen.
({5})
- Wenn Sie staatsrechtliche Fähigkeiten haben, werden Sie zu dem Ergebnis kommen, daß Sie das nicht anzweifeln können, so wenig wie wir anzweifeln, daß die Bundesregierung sich bei Abstimmungen auf die Abgeordnetenplätze dieses Hohen Hauses begeben darf.
Es ist zunächst die Frage zu prüfen, ob die Preisänderung der Zustimmung des Bundestags und nicht nur der des Bundesrats bedurft hätte, da es sich um eine Preisänderung handelt, die auf das allgemeine Preisgefüge Einfluß haben kann und wird. Denn nach § 1 des Preisgesetzes wäre in diesem Falle die Zustimmung des Wirtschaftsrats und nunmehr des Bundestags notwendig gewesen. Man kann dieses Argument nicht damit ausräumen, daß man sich auf den Standpunkt stellt, hier handle es sich deswegen nicht um eine Ausweitung der Streuwirkung auf die gesamte Lebenshaltung der Bevölkerung, weil ja die Genehmigung der Tarife immer noch von der Regierung zu erteilen sei. Diese Preiserhöhung der Treibstoffe wird ganz zweifellos einen Antrag auf Erhöhung der Tarife zur Folge haben; und man kann unmöglich so argumentieren, daß in allen Fällen, wo die Regierung sich die Genehmigung der Tarife vorbehalten hat, die Auswirkung einer Preiserhöhung auf das gesamte Preisgefüge nicht eintreten wird. Dann, meine Damen und Herren, handelt es sich um die Anordnung von Höchstpreisen, die ganz erheblich über den Kostenpreipreisen liegen. Und wenn Höchstpreise über den Kostenpreisen liegen, so liegt ein ganz klarer Vorstoß gegen den § 19 des Wirtschaftsstrafgesetzes vor, ein Tatbestand, mit dem sich die Regierung einmal wird befassen müssen.
({6})
Dann bitte ich zu beachten, daß, wenn die Regierung etwa plant - und das scheint mir ja der Sinn dieses ganzen Unternehmens zu sein -, diese Differenz zwischen dem Kostenpreis und Höchstpreis abzuschöpfen, es sich dann nicht um eine Maßnahme der Preisbildung, sondern um eine verdeckte Steuer handelt,
({7})
die man, weil man sie auf dem gesetzgeberischen Weg wahrscheinlich nicht durchbringen würde, nunmehr auf dem Verordnungsweg verfügen will. Und das scheint mir das Entscheidende zu sein, daß Sie, meine Damen und Herren, als die berufenen Vertreter des Volkes darüber zu wachen haben, daß unsere Regierung gesetzmäßig handelt. Das sollte nicht auf die lange Bank geschoben werden. Aus diesem Grunde lehnen wir es ab, diesem Vertagungsantrag zuzustimmen; und wir dürfen Sie bitten, sich unserer Auffassung anzuschließen.
({8})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat angesichts der offenkundigen Empörung der betroffenen Kreise des Kraftfahrgewerbes und angesichts der seinerzeitigen Haltung des Bundestags selbst beschlossen, daß in dieser Frage der Preiserhöhung spätestens am 25. Januar hier eine Entscheidung gefällt werden soll. Nun gibt es in Deutschland ein Sprichwort, das heißt: .,Ein Mann, ein Wort!". Ich würde mich gar nicht wundern, wenn morgen die Bevölkerung dieses Musterländles sagen würde: ,,Ein Bundestag. ein Wörterbuch!". Ich muß auch dem Herrn Vorredner recht geben, wenn er sich nicht durch den Wald der Dementis durchfindet. Diese Dementis. diese Folge von Dementis, die man der Pressestelle auferlegt hat,
({0})
haben bereits dazu geführt, daß der Herr Bundespressechef Bourdin dem Herrn Dr. Adenauer die bekannten Brocken vor die Füße geworfen hat, weil er sich selber in den Dementis nicht mehr zurechtfindet.
Aber nun zu dem Antrag. Wir Kommunisten hatten bei der Begründung unseres Antrags klar ausgesprochen, daß wir das verfassungsmäßige Zustandekommen dieser Preiserhöhung bezweifeln. Wir haben also all die Bedenken geltend gemacht, die mein Vorredner in vorbildlicher Weise zum Ausdruck gebracht hat. Der Ausschuß hat sich mit dieser Seite des Problems überhaupt nicht beschäftigt. Der Ausschuß hat diese hier heute bekanntgegebenen Informationen entgegengenommen, und nun erhebt sich die Frage, was der im Augenblick noch gescheiterte Plan der Aufhebung der Bewirtschaftung des Treibstoffs an der Base, an der Tankstelle, und die Aufhebung der Preisbindung an der Tankstelle mit der ursprünglich meiner Meinung nach verfassungswidrig zustandegekommenen Anordnung des Wirtschaftsministers in puncto Preiserhöhung zu tun hat. So steht doch die Frage. Was das eine mit dem andern überhaupt zu tun hat, ist doch einfach nicht ersichtlich. Oder man muß die Hintergründe dieser Störungsaktion der hohen Regierung beleuchten. Hinter dieser Regierungsaktion steht meines Erachtens das ausländische Ölkapital. Hier stinkt es in diesem Augenblick auffällig nach Standard Oil und ShellKonzern! Nur merkt das die Masse nicht.
({1})
- Ja, ich habe eine bessere Nase; jedenfalls mache ich den Zinnober nicht mit, den Sie dem Volke vormachen.
Herr Abgeordneter, Sie haben nur das Wort, zur Vertagung zu sprechen, nicht zur Sache!
Ich halte mich genau an meinen geschätzten Vorredner, dem Sie auch nicht das Wort entzogen haben, als er zur Sache gesprochen hat.
Durch dieses Zwischenspiel - ich durchschaue schon dieses Zwischenspiel - soll es der Regierung ermöglicht werden, die Interessen des ausländischen Monopolkapitals mit den Intentionen der Herren Hohen Kommissare in Einklang zu bringen. Und ich bin überzeugt, daß die Herren Hohen Kommissare unter dem Druck dieses ausländischen Ölkapitals in einigen Tagen der Regierung die erwünschte Erlaubnis geben werden. Dann tritt das ein, was eintreten muß, dann tritt die Preiserhöhung an der Base ein.
Vollkommen ungeklärt bleibt schließlich die Frage, welche Zuschüsse Sie in Zukunft an die zentralen Institutionen, an das Zentralbüro zu zahlen bereit sind. Diese Frage lassen Sie bewußt offen.
Ich komme zum Schluß. Ich erblicke in diesem Vorschlag des zuständigen Ausschusses, hinter dem die Intentionen der Regierung stehen, weil ja der Beschluß im Ausschuß von den Koalitionsparteien getragen worden ist, nichts anderes als ein geschicktes Zwischenspiel, um zu vermeiden, die Frage zu klären, was in der Zwischenzeit mit den überhöhten, verfassungswidrig zustande gekommenen Preisen geschehen soll. An dem Problem kommen Sie nicht vorbei. Selbst wenn das wahr wird, selbst wenn die Aufhebung der Bewirtschaftung kommt, dann ist damit die verfassungswidrige Anordnung der Erhöhung der Treibstoffpreise ab 1. Januar doch nicht aus der Welt geschafft. Das gilt es noch zu klären.
Hinter dem Manöver der Regierung sehe ich noch etwas anderes, nämlich die Absicht, den Widerstand der Unternehmerkreise und der von dieser Maßnahme betroffenen Arbeiter und Angestellten im Transportwesen zu zerbrechen, illusorisch und hinfällig zu machen. Da diese Dinge so sind, wie ich glaube sie richtig zu sehen, und da ich hier mit Recht behaupten darf, daß durch diesen Vorschlag des Ausschusses das Problem, das doch die Ausgangsbasis der Diskussion gewesen ist, überhaupt nicht gelöst ist, bitte ich, den Vorschlag des Ausschusses zurückzuweisen und eine Grundsatzdiskussion der Frage hier im Hause im Augenblick zu ermöglichen, damit wir, damit Sie in der Lage sind, das dem Volke gegebene Versprechen einzulösen, spätestens bis zum 25. Januar diesen Tatbestand zu klären.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Es ist ein Antrag der beiden Fraktionen WAV und Zentrum eingegangen, namentlich abzustimmen. Zur Unter({0})
stützung dieses Antrages sind 50 Mitglieder notwendig. Ich frage an, ob dieser Antrag noch von weiteren Abgeordneten unterstützt wird? - Das sind zweifellos mehr als 50.
({1})
Damit habe ich über den Antrag abstimmen zu lassen, ob namentlich abgestimmt werden soll. Wer für namentliche Abstimmung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Zweifellos ist die Mehrheit dagegen.
Dann lasse ich abstimmen über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 465.
({2}) Herr Abgeordneter, der Antrag ist von dem
Herrn Abgeordneten Preusker gestellt worden.
({3})
Der Antrag ist gestellt. Ich lasse abstimmen.
({4})
Wer für die Verlängerung der Frist, die dem Ausschuß bis zum 3. Februar gesetzt ist, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. ({5})
Die Mehrheit ist ohne allen Zweifel für die Annahme des Antrags. Damit ist die Frist bis zum 3. Februar verlängert.
Meine Damen und Herren, wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der DP betreffend Deutsche Kriegsgefangene und Internierte in der Sowjet-Union ({0});
b) Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betreffend Zurückhaltung von 400 000 Deutschen in der Sowjet-Union ({1});
c) Interpellation der Abgeordneten Höfler und Fraktion CDU/CSU betreffend Deutsche Gefangene in Jugoslawien ({2}).
Der Ältestenrat, meine Damen und Herren, hat in Aussicht genommen, daß für die Begründung des Antrags Drucksache Nr. 378 15 Minuten, für die Interpellationen in den Drucksachen Nr. 432 und Nr. 411 je 10 Minuten in Anspruch genommen werden.
Im Anschluß an die Begründung der Anträge durch die Herren Antragsteller wird, wie ich annehmen darf, der Herr Bundeskanzler eine Erklärung abgeben.
Ich erteile zunächst zu Punkt 4 a - wir werden a, b und c gemeinsam behandeln - Herrn Abgeordneten Farke als Vertreter der antragstellenden Fraktion das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter!
Farke ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Sowjetunion zurückkehrende deutsche Kriegsgefangene gaben uns in den letzten Wochen erschütternde Berichte. Eine große Anzahl der zur Heimkehr bestimmten Kriegsgefangenen wurde in den Lagern oder aus dem Transport heraus zurückbehalten. Es wurde ihnen mitgeteilt, daß sie zu 10, 15 oder 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt seien, Strafen, die einem Todesurteil gleichkommen.
({4})
Sie kannten die ihnen zur Last gelegten Beschuldigungen nicht. Sie hatten keine Gelegenheit, sich dagegen zu verteidigen.
Millionen, die noch auf Väter und Söhne warten, sind in Schmerz erstarrt. Das ganze deutsche Volk steht fassungslos diesem neuen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegenüber.
({5})
Es ist selbstverständlich, daß die Vertretung des deutschen Volkes hier im Bundestage sich zu seinem Sprecher machen muß. Der vorliegende Antrag der DP spricht, glaube ich, das aus, was alle denken und was alle erwarten; er spricht also für sich selbst. Möge er die ganze Weltöffentlichkeit aufrütteln, möge er Wege öffnen, die für die Hunderttausende unserer Brüder endlich wieder in die Freiheit, in das Leben hineinführen!
Ich bitte, unserem Antrag zuzustimmen.
({6})
Zur gemeinsamen Begründung der beiden Drucksachen Nr. 432 und 411 hat Herr Abgeordneter Höfler das Wort.
Höfler ({0}), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist wahrhaftig kein Agitationsbedürfnis, sondern es ist eine der tiefen Herzensnöte des deutschen Volkes. was uns dazu antreibt, gegen gewisse Ungeheuerlichkeiten der letzten Zeit, die durch einen amerikanischen Bericht bekanntgeworden sind, öffentlich zu protestieren und die Regierung zu fragen, was sie in diesen Dingen zu tun gedenke.
Sie erinnern sich, daß, nach dem Beschluß von Moskau. am 31. 12. 1948 die letzten Gefangenen aus Rußland entlassen werden sollten. Es handelte sich nach Molotows Angaben um eine Zahl von 892 000. Wer die Heeresberichte des russischen Kommandos in Erinnerung hatte, wußte gleich, daß diese Zahl über den Daumen gepeilt war. Es bleiben, auch wenn man die Heimgekehrten abzieht, noch viele Hunderttausende, die in Rußland zurückgeblieben sind, und um diese handelt es sich bei der gegenwärtigen Interpellation.
Durch einen Bericht von fremder Seite ist bekanntgeworden, daß es sich um etwa 400 000 Menschen handelt, die unter ganz besonders tragischen und ungeheuerlichen Verhältnissen in Rußland mit dem ausgesprochenen Ziel festgehalten werden, Sklavenarbeit zu leisten, ohne die Hoffnung zu haben, je wieder in die Heimat zurückzukehren.
({1})
Dagegen wendet sich das Gefühl, dagegen wendet
sich jedes Empfinden der Gerechtigkeit. Wir
({2})
bitten die Bundesregierung, darauf achtzuhaben, daß hier nichts versäumt wird, und wir bitten sie um eine Erklärung zu diesem Sachverhalt.
Ein weiterer trauriger Sachverhalt ist mit der Drucksache Nr. 411 berührt. 1400 deutsche Menschen, genau: 1200 Deutsche und 200 Österreicher, sind im Laufe der letzten Monate in Jugoslawien in völlig ungenügenden, summarischen Verfahren zu hohen Strafen, Zwangsarbeit, Gefängnisstrafen und eine ganze Reihe auch zum Tode verurteilt worden. Unter den zum Tode Verurteilten befindet sich u. a. ein ehemaliger Wehrmachtdekan Anton Walter, weiterhin ein evangelischer und noch ein katholischer ehemaliger Kriegspfarrer, deren Verbrechen - ich kenne einen davon - gewiß nur darin bestanden haben kann, daß sie ihren Kameraden und Schicksalsgefährten in diesen furchtbaren Monaten Barmherzigkeit und Hilfe erwiesen haben. Es ist Zeit, gegen diese Dinge anzugehen. Vielleicht kann verhindert werden, daß noch weitere Todesurteile vollstreckt werden; aber es ist höchste Zeit. Jugoslawien gehört zu den Ländern, deren materielle Beziehungen, wenn die Öffentlichkeit recht unterrichtet ist, mit uns demnächst sozusagen normalisiert werden sollen. Ich bitte im Namen meiner Freunde sehr, daß in diese Normalisierung oder in die Voraussetzungen dieser Normalisierung vor allen Dingen die Frage unserer Gefangenen zu vorheriger Klärung einbezogen wird.
({3})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Farke.
Ich möchte den Antrag stellen, daß der DP-Antrag dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten überwiesen wird, in dem gerade über das Besatzungsstatut beraten wird.
Das Wort hat der Herr
Meine Damen und meine Herren! Die Bundesregierung hat von der Aufnahme ihrer Tätigkeit an dem Problem der noch nicht zurückgekehrten deutschen Kriegsgefangenen und Verschleppten ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Sie hat die französische Regierung, obgleich es sich nach Erklärung der französischen Regierung nicht mehr um Kriegsgefangene handelt, durch ihren Hohen Kommissar gebeten, die noch schwebenden Untersuchungsverfahren gegen deutsche Staatsangehörige zu beschleunigen. Die gleiche Bitte ist durch Vermittlung der Alliierten Hohen Kommission der belgischen und der niederländischen Regierung unterbreitet worden. Der französische Hohe Kommissar hat inzwischen mitgeteilt, daß der größte Teil der noch schwebenden Fälle in der ersten Hälfte des Jahres 1950, der Rest im Jahre 1950 abgeschlossen werde. Außerdem hat er zugesagt, daß die deutschen Verteidiger ihren Klienten auch schon während der Voruntersuchung zur Seite stehen dürfen. Die Rechtsschutzstelle des Bundesjustizministeriums trägt dafür Sorge, daß jedem Angeklagten ein geeigneter deutscher Verteidiger zur Verfügung gestellt wird.
Vorbereitende Schritte zur Heimschaffung der noch in Italien und auch in Spanien in verschiedenen Internierungslagern beherbergten deutschen Staatsangehörigen sind eingeleitet. Es ist zu hoffen, daß die Heimschaffung in den nächsten Monaten durchgeführt werden kann.
Das Schicksal der großen Anzahl deutscher Kriegsgefangener und Verschleppter in den osteuropäischen Staaten ist Gegenstand der besonderen Sorge der Bundesregierung. Sie hat der Alliierten Hohen Kommission Anfang Dezember 1949 das dringende Ersuchen unterbreitet, alle geeignet erscheinenden Schritte zu unternehmen, damit die von den osteuropäischen Staaten zurückgehaltenen deutschen Kriegsgefangenen und Verschleppten möglichst umgehend in ihre Heimat zurückgeführt werden. Gleichzeitig wurde der Allierten Hohen Kommission eine Aufzeichnung übersandt, in der ihre Aufmerksamkeit auf die besonderen Probleme in den verschiedenen osteuropäischen Staaten gelenkt wurde. Inzwischen haben Besprechungen mit den alliierten Sachverständigen stattgefunden, in denen diesen das der Bundesregierung vorliegende Material zum Kriegsgefangenen- und Verschlepptenproblem im einzelnen unterbreitet worden ist.
In den letzten Wochen sind der Bundesregierung zahlreiche Berichte über Massenverurteilungen deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion zugegangen. Auch ist bekannt geworden, daß bei Auflösung der Gefangenenlager ein wechselnder Prozentsatz von deutschen Kriegsgefangenen vom Heimtransport ausgeschlossen und angeblich zu Vernehmungen mit unbekanntem Ziel abtransportiert worden ist. Es sind weiterhin zahlreiche Nachrichten darüber eingegangen. daß in großem Maße versucht wird, durch schlimmsten körperlichen und ,seelischen Druck falsche Geständnisse und Bezichtigungen von Kameraden zu erpressen. Die Bundesregierung hat angeordnet, daß die Angaben dieser Art gesammelt, gesichtet und überprüft werden. Außerdem wird eine Zentralkartei aller ermittelten Verurteilten und Untersuchungsgefangenen eingerichtet werden. Die Bundesregierung behält sich vor, dieses Material zu gegebener Zeit der Alliierten Hohen Kommission und der Öffentlichkeit zu unterbreiten.
Die Alliierte Hohe Kommission ist ferner von uns darauf hingewiesen worden, daß Hunderttausende deutscher Zivilpersonen, darunter viele Frauen und Kinder, aus allen von den sowjetischen Truppen im Verlauf des Krieges besetzten Gebieten nach der Sowjetunion verschleppt worden sind. Die Beschaffung von Einzelunterlagen, insbesondere auch über die Frauenlager in der Sowjetunion, ist ebenfalls in die Wege geleitet.
In Polen sind trotz der Erklärung der polnischen Regierung, daß die Heimführung der deutschen Kriegsgefangenen im Dezember 1949 beendet sei, noch immer einige Tausend Kriegsgefangene zurückgehalten. Ferner befinden sich in Polen wie in der Tschechoslowakei noch Tausende deutscher Zivilpersonen in Haft. Über die Gründe für diese Internierungen und über die Anschuldigungen, die gegen die Betroffenen erhoben werden, ist der Bundesregierung trotz vielfältiger Bemühungen - von wenigen Einzelfällen abgesehen - nichts Authentisches bekanntgeworden.
({0})
Besonders erschütternd sind die neuesten Nachrichten über das Schicksal der Kriegsgefangenen, die in Jugoslawien unter dem Vorwand von Untersuchungen über Kriegsverbrechen zurückgehalten worden sind. Diese Gefangenen sind bis zum Dezember 1949 in einem besonderen Lager interniert gewesen. Wie aus einwandfreien Berichten hervorgeht, erfolgten Voruntersuchungen und Verhandlungen gegen diese Deutschen ohne Beachtung auch nur der elementarsten Rechtsgrundsätze. Es fanden Verhöre unter verschärften Bedingungen, verbunden mit Schlägen, Folterungen, Einzelhaft und Nahrungsentzug statt. Von Gewährung irgendeines Rechtsschutzes kann keine Rede sein. Nach den neuesten der Bundesregierung vorliegenden Nachrichten wurde die große Mehrheit der Gefangenen im Dezember vorigen Jahres in das Staatsgefängnis Mitrowica übergeführt. Es besteht aber Grund zu der Annahme, daß fast alle deutschen Gefangenen inzwischen im Schnellverfahren zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt worden sind, wenn nicht in vielen Fällen sogar die Todesstrafe ausgesprochen worden ist.
Die Bundesregierung hat bereits Anfang Dezember 1949 die Aufmerksamkeit der Alliierten Hohen Kommission auf die Lage der deutschen Kriegsgefangenen in Jugoslawien gelenkt. Die Nachricht über die summarische Verurteilung der Deutschen in der zweiten Dezemberhälfte haben die Bundesregierung sodann veranlaßt, die in der Alliierten Hohen Kommission vertretenen Mächte ausdrücklich zu bitten, von der jugoslawischen Regierung die Freilassung und Heimsendung dieser Kriegsgefangenen zu fordern. Dabei wurde ausdrücklich erklärt, daß ein Antrag auf Überprüfung der bereits ergangenen Urteile zwecklos erscheine, da die Erfahrung gezeigt hat, daß unter den gegebenen Verhältnissen mit der Durchführung ordnungsgemäßer Verfahren nicht zu rechnen ist. Als Sofortmaßnahme wurde die Alliierte Hohe Kommission gebeten, die Aufschiebung der Vollstreckung etwa ergangener Todesurteile und die Aushändigung einer Namensliste sämtlicher Verurteilter mit den erkannten Strafen und der Untersuchungsgefangenen mit Angabe der Anklagepunkte zu erwirken. Auf die besondere Eilbedürftigkeit der erbetenen Schritte ist die Alliierte Hohe Kommission ausdrücklich hingewiesen worden. Im übrigen ist der jugoslawischen Regierung auch auf anderem Wege das dringende Verlangen der Bundesregierung nach Freilassung dieser Kriegsgefangenen unterbreitet worden.
Sie werden verstehen, meine Damen und Herren, daß diese Vorgänge uns nicht zum Abschluß eines Handelsvertrages mit Jugoslawien ermutigen.
({1})
Es liegt mir noch daran, festzustellen, daß die Hohe Kommission der Angelegenheit ihr größtes Interesse zuwendet.
Lassen Sie mich noch folgendes Wort an die Angehörigen der Kriegsgefangenen und Verschleppten hinzufügen. Ich glaube, alle Deutschen sind sich darin einig, daß wir den Schmerz dieser Anverwandten teilen, und das gesamte deutsche Volk ist sich mit uns darin einig, daß wir alles tun müssen, damit die Leiden dieser unserer deutschen Brüder und dieser unserer deutschen Schwestern baldmöglichst abgekürzt werden.
Lassen Sie mich weiter ein Wort an die gesamte Weltöffentlichkeit richten. Hier handelt es sich um solche Vergehen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, daß die gesamte Öffentlichkeit auf der ganzen Welt sich dagegen empören muß.
({2})
Meine Damen und Herren! Sie haben die Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers gehört. Es ist vorgesehen, daß danach eine Aussprache erfolgt. Die Aussprache soll gleichzeitig über die Drucksachen Nr. 378, Nr. 432 und Nr. 411 erfolgen. Ich frage aber vor Beginn dieser Aussprache, ob das Haus nach den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers der Bedeutung und der Tragweite des hier zur Beratung stehenden Gegenstandes nicht dadurch einen besonderen Ausdruck verleihen will, daß es sich auf eine ganz kurze Zeit, etwa auf 10 Minuten, vertagt. Findet dieser Vorschlag Widerspruch?
({0})
Meine Damen und Herren! Der Antrag ist mir hier in aller Form von dem Herrn Abgeordneten Höfler unterbreitet worden. Infolgedessen bin ich geschäftsordnungsmäßig in der Lage, über diesen Antrag abstimmen zu lassen. Ist es notwendig, daß wir abstimmen?
({1})
- Dann vertage ich das Haus.
({2})
Es ist jetzt 18 Uhr 20. Ich bitte das Haus, um 18 Uhr 30 wieder zusammenzutreten.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({3})
Die Sitzung wird um 18 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Die Aussprache beginnt. Als erster Redner hat der Herr Abgeordnete Renner das Wort.
({0})
Meine Damen und Herren! Wir Kommunisten haben uns stets für die Rückführung der Kriegsgefangenen aus allen Ländern, in denen es solche gibt und gab, eingesetzt. Wir haben alles getan, was in unserer Kraft steht, um diese Rückführung zu beschleunigen und den Heimgekehrten und ihren Familien in der Heimat eine sichere Existenzgrundlage zu verschaffen. Wir haben es aber stets abgelehnt, und wir lehnen es auch in diesem Augenblick mit aller Entschiedenheit ab, daß das Problem der Rückfüh({0})
rung der restlichen Kriegsgefangenen in dieser tendenziösen Form, wie sie bisher von allen bürgerlichen Parteien und der SPD-Führung praktiziert worden ist und wie das auch in den heute vorliegenden Anträgen wieder geschieht, zu einer Steigerung der Völkerverhetzung und der Kriegshetze ausgenutzt wird. Wir verwahren uns dagegen, daß westdeutsche Minister und Westdeutsche Parteiführer wider besseres Wissen - so behaupten wir - diesen ihren „Kampf" um die Heimführung der Kriegsgefangenen ausschließlich gegen die Sowjetunion und die Volksdemokratien ausrichten, daß sie ihn auf der Grundlage von Zahlen führen, die jeder realen, kontrollierten und damit offiziellen Basis entbehren.
Der Herr Bundeskanzler hat hier gesagt, daß das der Regierung zugegangene Material gesammelt, gesichtet und geprüft werden solle. Herr Bundeskanzler, wäre es nicht richtiger gewesen, wenn Sie das Ergebnis dieser Sammlung und Prüfung abgewartet hätten, ehe Sie aus dem Ihnen bisher angeblich zugeleiteten Material diese Konsequenzen, die Sie öffentlich ausgesprochen haben, zogen?
({1})
Wir verwahren uns dagegen, daß diese Propaganda mit den Kriegsgefangenen zu einer Hetze gegen den Frieden mit allen Völkern der Welt, auch mit der Sowjetunion, benutzt wird, und wir sagen Ihnen auch ausdrücklich, daß wir so lange berechtigt sind, an Ihrer wirklichen Hilfsbereitschaft den Kriegsgefangenen gegenüber zu zweifeln, solange diese Kriegsgefangenen hier nach ihrer Heimkehr mit ihren Familien diesem Elend ausgesetzt bleiben, für das Sie verantwortlich sind.
({2})
Wir verwahren uns vor allen Dingen dagegen, daß diese Regierung und ihre Parteiführer bisher nichts getan haben, um den Hinterbliebenen der Kriegsgefallenen und Vermißten das Material über die tatsächlichen Kriegsverluste zugänglich zu machen. Es sind heute Zahlen über die angebliche Höhe der Kriegsgefangenenziffer genannt worden. Ich zitiere amtliches Material der Kontrollkommisssion. Nach einem amtlichen Bericht dieser Kontrollkommission der vier Besatzungsmächte wurden nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Wehrmacht 8 106 046 Kriegsgefangene in Deutschland entlassen. Davon gingen 732 213 in die französische, 3 387 033 in die amerikanische, 837 828 in die sowjetische und 3 138 972 in die britische Besatzungszone. Zur Zeit der Moskauer Außenministerkonferenz im März 1947 gab es amtlichen Berichten zufolge 2 370 093 Kriegsgefangene außerhalb Deutschlands, die sich in den USA, Großbritannien, Frankreich, der Sowjetunion sowie Polen, Jugoslawien und in anderen Ländern befanden und seitdem größtenteils entlassen wurden. Das ergibt die Zahl von rund 10 Millionen entlassener Kriegsgefangener. Dazu kommen 4,5 Millionen Angehörige der Wehrmacht, die während des Krieges gefallen oder als kriegsuntauglich aus dem Heer ausgeschieden sind, sowie die Zahl der Soldaten, die in den Wochen des Zusammenbruchs sich der Gefangennahme durch die Truppen der Vereinten Nationen entziehen konnten.
Der Verbleib von ungefähr 141/2 Millionen Angehörigen der Naziwehrmacht und des Volkssturms ist demnach erwiesen. Da aber während
der Dauer des Krieges etwa 16 Millionen Deutsche zum Kriegsdienst eingezogen waren, können über den Verbleib der restlichen 1,5 Millionen Wehrmachtangehörigen nur die Listen der ehemaligen Wehrmachtauskunftstellen in Saalfeld und Meiningen, die in die Hände der Amerikaner fielen, Auskunft geben. An die Amerikaner müßte die Mahnung gerichtet werden, diese Totenlisten endlich herauszugeben.
({3})
- Ganz bestimmt nicht; und warum, werde ich am Schluß sagen.
Der deutsche Schriftsteller Paul Körner, Schwabach, der während des Krieges Einblick in die Geheimbefehle des deutschen Oberkommandos erhielt, schrieb vor kurzem in einem Offenem Brief folgendes:
Bereits um die Weihnachtszeit 1941 waren die ungeheuer anwachsenden Verluste und deren Verheimlichung Gegenstand einer Besprechung einer Feldkommandantur der 181. I. D. in Witebsk. Es wurde ein Divisionsbefehl vorgeschlagen und später auch erlassen, der den Truppenangehörigen verbot, Mitteilungen privater Natur an die Angehörigen Kriegsgefallener zu geben. Die zu Rate gezogenen Gräberoffiziere gaben bekannt, daß sie nicht in der Lage wären, die Leichen ordnungsgemäß zu bestatten, da es ihnen an Personal mangele, um die Nachlässe der Toten vorschriftsmäßig zu verwalten, zu registrieren und an die Angehörigen zu versenden. Die Beisetzung, wie es die Heeresverordnung besagte, war nicht möglich, ebenfalls nicht möglich die Benachrichtigung der Angehörigen.
In diesem Offenen Brief heißt es weiter:
Da durch den starken Frost und das Fehlen von Winterbekleidung die Zahl der Todesfälle durch Frostschäden erheblich wuchs, mußte man beispielsweise bei Welikije die Toten im Freien aufstapeln wie Eisenbahnschwellen,
({4})
ohne eine Todesbenachrichtigung an die Verwandten zu schicken. Man schrieb ihnen, daß ihr Angehöriger seit dem und dem Tage vermißt würde. Alsbald fanden sich aber gelegentlich Angehörige desselben Truppenteils ein, um in dem Stapel der Toten nach Bekannten oder Verwandten zu suchen, so daß man Posten aufstellen ließ, die den Zutritt zu dem Leichenstapel verhindern mußten. Man meldete diese Toten einfach als Vermißte mit dem Zusatz, daß die Möglichkeit naheliege, daß sie ein Opfer der Partisanen geworden seien. Es handelt sich hier um Einheiten einer schwäbischen Division, insbesondere um die Infanterie-Regimenter 352 und 353. Das letztere wurde in kurzer Zeit aufgerieben.
- „Geheime Kommandosache" heißt es in diesem Offenen Brief.
Aber die Gemeinheit ging noch weiter.
Mitte Januar 1942 wurde im Bereich des Versorgungsgebietes Dnjestr ein Befehl als „Geheime Kommandosache" versandt, in dem ganz präzise angeordnet wurde, daß alle an Frostschäden verstorbenen Unteroffiziere und Mannschaften als vermißt zu melden seien.
({5})
Meine Damen und Herren! Heute sind bei der Begründung der drei vorgelegten von den vier tatsächlich vorhandenen Anträgen sehr auseinandergehende Zahlen genannt worden. Ich bin der Auffassung, daß man sich endlich einmal zwischen den Ministerien der Bundesregierung und den Propaganda-Apparaten der sogenannten demokratischen Parteien Westdeutschlands auf eine einheitliche Propagandabasis einstellen und einigen sollte.
({6})
Vor mir liegt eine Veröffentlichung des Bundesministers für Arbeit, des Herrn Anton Storch, vom 1. Dezember 1949. In dieser Aufstellung über die von den Ländern geschätzte Zahl der Heimkehrer, die nach dem 1. September 1949 noch erwartet werden, ergibt sich für die Länder des Bundesgebietes eine Gesamtziffer von 244 500 noch erwarteten Heimkehrern. Amtliches Material des Herrn Bundesarbeitsministers!
({7})
Er gibt eine Erklärung für diese Ziffer! In dem Zusatzschreiben des Ministers heißt es:
Die Schätzungen der Länder liegen wesentlich niedriger als die Schätzungen des Statistischen Amts des Vereinigten Wirtschaftsgebietes und der Arbeitsgemeinschaft für Kriegsgefangenenfragen in Frankfurt.
({8})
Die Länder sind bei den Schätzungen offenbar von Auskünften ausgegangen, die Heimkehrer über die Kriegsgefangenenlager in Rußland und ihre Belegung gegeben haben. während das Statistische Amt bei seinen Schätzungen offenbar auch allgemeine Überlegungen berücksichtigt hat.
Was sind das für allgemeine Überlegungen? Das sind die Überlegungen nach der Seite der Hetze, nach der Seite der Propaganda!
({9})
Meinen Sie damit - darf ich Sie unterbrechen - das Bundesarbeitsministerium?
({0})
- Dann muß ich das zurückweisen!
({1})
Ich habe sogar eine Differenzierung zwischen den Zahlen des Bundesarbeitsministers und den Zahlen. die diese Stellen erarbeitet haben, gemacht. Was wollen Sie mehr?
In dem Antrag der CDU, der sich auf die bekannten letzten Angaben amerikanischer Dienststellen in Berlin bezieht, wird noch von 400 000 Rückkehrern gesprochen. Der erste Redner, der hier davon gesprochen hat, sagte, daß noch „Millionen" deutscher Menschen auf die Heimführung und auf die Heimkehr warten. Nachdem wir hier im Bundestag diese traurige Szene mit den beiden Kriegsgefangenen erlebt haben, die hier ausstaffiert worden sind, um uns eine Szene vorzuspielen, dürfte man von der Regierung erwarten, daß sie auf der Basis von richtigem, haltbarem und vertretbarem Zahlen- und Beweismaterial arbeitet, ehe sie von Kriegsverbrechen redet und diese Kriegsverbrechen anderen Völkern unterschiebt, wie ich überhaupt der Meinung bin, daß dieses Problem aus der Atmosphäre der Hetze herausgenommen
({0})
und langsam einer sachlichen Behandlung zugeführt werden muß.
Vor kurzem haben wir den Prozeß gegen Manstein erlebt. Dazu schreibt die Schweizer „Nationalzeitung", die über jeden Verdacht erhaben ist, eine kommunistische Zeitung zu sein, folgendes:
Man würde nun dieser deutschen Kritik bereitwilliger Gehör schenken, wenn sie begleitet wäre von einer Einsicht in die eigene Kriegsschuld.
({1})
Der Herr Bundeskanzler hat vor wenigen Wochen, als er uns den Beitritt in die Ruhrbehörde
- das Ergebnis seiner Politik der Preisgabe der Ruhr - anempfahl, sehr feinfühlig von dem Sicherheitsbedürfnis gesprochen, das bei den Völkern des Westens vorhanden sei und das man berücksichtigen müsse. Hätten wir einmal in den zurückliegenden Jahren von Herrn Dr. Adenauer ein ähnlich feinfühliges Wort an die Adresse der Völker der Sowjetunion gehört,
({2})
dann hätte das sehr wohlgetan und vielleicht auch gewirkt.
Nun unser Herr Dr. Dehler! Ich gehe nicht ein auf seine nationalistische Rede vom vergangenen Sonntag und ihre Konsequenzen.
({3})
- Ich habe keine Zeit, darauf einzugehen. Er hat vor einigen Wochen mit dem bei einer solchen Diskussion für einen solchen Minister gebotenen Tremolo in der Stimme von der „Schande von Oradour" geredet. Ich bin der Meinung. daß das Volk der Tschechoslowakei in seinem Lidice, in seinem Auschwitz, daß das Volk von Polen in seinem Lublin, in seinem Ghetto von Warschau, daß die Völker der Sowjetunion vieltausendfache Oradours erlebt und erlitten haben
({4})
und daß man auch einmal mit ein wenig psychologischer Einfühlung
({5})
- und mit Taktgefühl an diese Dinge herangehen sollte, statt hier systematisch eine maßlose Verhetzung zu treiben.
Wen meinen Sie mit dem Ausdruck „Verhetzung"?
Ich meine alle diejenigen, die sie betreiben!
({0}) Ich habe den Mansteinprozeß erwähnt.
({1})
({2})
Darf ich die Schuldpunkte kurz skizzieren? - Herr Richter, seien Sie still!
({3})
- Sie müssen still sein, wenn hier von deutschen Kriegsgefangenen geredet wird! Sie tragen ein Großteil der Schuld daran, daß es überhaupt deutsche Kriegsgefangene gibt!
({4})
- Sie sind ja hier in der Minorität, aber die Mitte, die hier fehlt, zählt natürlich noch mehr Verantwortliche als Sie, und schwerer Verantwortliche!
({5})
Ich zitiere aus dem Urteil gegen von Manstein. Er wurde für schuldig erklärt der unmenschlichen Behandlung von Kriegsgefangenen, der Erschießung von Partisanen ohne Gerichtsurteil, des Einsatzes von Kriegsgefangenen zu verbotenen und gefährlichen Arbeiten, des Kommissarbefehls, der die Erschießung von Gefangenen und Kommissaren anordnete, der Duldung einer Massenausrottung von Juden, der Geiselerschießung, der ungesetzlichen Heranziehung von Zivilisten zu Befestigungsarbeiten, der Deportation und der Politik der verbrannten Erde während des Rückzugs.
({6})
Niemals in meinem Leben werde ich eine Szene vergessen, die ich im Frühjahr des vorigen Jahres im Parlamentarischen Rat drüben erlebt habe. Ich habe dort einmal bei einer ähnlichen Gelegenheit die Tatsache erwähnt. daß die Völker der Sowjetunion in ihrem Kampfe gegen den Faschismus und den totalen Krieg, gegen die Verbrechen des Hitlersystems 15 Millionen Tote verloren haben. Damals ging durch dieses Gremium der Elite des deutschen Volkes
({7}) ein brutales Hohnlachen.
({8})
Der Herr Adenauer hat sich nicht bemüßigt gefühlt, gegen dieses Hohnlachen auch nur eine Geste zu machen. Am andern Tage habe ich einen CDU-Abgeordneten gestellt, der hier sitzt oder sitzen sollte,
({9})
der wahrscheinlich jetzt draußen spazieren geht, und habe ihm diese Szene vorgehalten. Sogar dieser CDU-Abgeordnete hat mir erklärt, daß es ihm bei diesem Hohnlachen anläßlich der Erwähnung der 15 Millionen gefallener und gemordeter russischer Menschen kalt über den Rücken gelaufen ist.
Ich bin der Meinung, diese Seite der Geschichte sollte bei unseren ehrlichen Bemühungen um die Heimführung der letzten Kriegsgefangenen in den Vordergrund gestellt werden statt der bisher beliebten Verhetzung und der Hetze gegen den Frieden. Ist es vergessen, daß in deutschen Gefangenenlagern und Gefängnissen 21/2 Millionen russische Kriegsgefangene ermordet wurden bzw. verhungerten?!
Doch zunächst zu dieser Aktion von heute!
Herr Abgeordneter Renner, Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Ich habe von vier Anträgen gesprochen. Der vierte liegt gar nicht vor. Das ist ein Antrag der CDU, der darauf hinausläuft, den 5. März 1950 zu einem Gedenktag zu machen.
({0}) In dem Antrag heißt es:
Unter dem Leitsatz „Gebt endlich unsere Gefangenen frei" soll er der Erinnerung an das leidvolle Schicksal der immer noch in der UdSSR gewaltsam festgehaltenen deutschen Brüder und Schwestern gewidmet sein.
Sogar der Ältestenrat dieses Bundestages hat es fertiggebracht, den CDU-Führern klarzumachen,
({1})
daß eine derart einseitige Darstellung des Tatbestandes unverantwortlich ist.
({2})
Die CDU-Führer haben diesen Antrag zurückgezogen,
({3})
nachdem sie unter anderem darauf aufmerksam gemacht worden waren, daß auch ein Hitler einmal diesen Tag benutzt hat
({4})
als Gedenktag für die Gefallenen und um Propaganda für einen neuen Krieg zu betreiben.
Das ist auch der Sinn dieser heutigen Aktion.
({5})
Es kommt Ihnen darauf an, die Kriegshetze zu steuern. Diese Hetze dürfen Sie betreiben und müssen Sie betreiben gemäß dem Willen der USA-Monopolkapitalisten und Kriegstreiber.
({6})
Herr Abgeordneter Renner! Es ist unmöglich, daß Sie dem Hause bzw. den Organen der gesamten Bundesrepublik den Vorwurf machen, sie betrieben eine bestimmte Politik auf Weisung der USA-Regierung.
({0})
Ich weise diesen Vorwurf mit aller Schärfe zurück und rufe Sie dafür zur Ordnung!
({1})
Schön, schön! Aber mit diesem Ordnungsruf ist die Tatsache auch nicht aus der Welt geschafft, daß diese Kriegshetze, die hier bei uns im Westen betrieben wird, in die Pläne des USA-Monopolkapitals, die auf einen Krieg gegen die Sowjetunion hinauslaufen, außerordentlich gut paßt.
({0})
Das deutsche Volk hat ein Recht darauf, daß es Klarheit darüber erhält, wo, in welchen Ländern noch Kriegsgefangene verblieben sind. Es hat aber ein noch viel größeres Recht darauf, zu erfahren, wieviel Tote dieser totale, verbrecherische Krieg, dessen Ziel ausgesprochener- und zugestandenermaßen die physische Vernichtung
({1})
der Völker Polens und der Sowjetunion war, das deutsche Volk gekostet hat. Die Möglichkeit, das Faktum der Kriegsgefangenen noch lange als Mittel zur Völkerverhetzung und zur Hetze gegen den Frieden zu benutzen, bricht bald zusammen. Darum im letzten Augenblick auf einmal diese Konzentration, dieses zusammengeballte Vorgehen. Wir sagen dem deutschen Volk: Schluß mit dieser Hetze gegen bestimmte Völker! Wir wollen und müssen mit allen Völkern der Erde in Frieden, Ordnung und Ruhe leben.
({2})
Im Namen des deutschen Volkes, im Namen all derer, die sich noch im unklaren über das Schicksal ihrer Männer, Väter und Söhne befinden, fordere ich die Regierung auf, dafür zu sorgen, daß die Totenlisten, deren Herausgabe bisher verhindert worden ist, deren Aufbewahrungsort bekannt ist, endlich freigegeben werden.
(
Und die verschleppten Frauen?)
Zwingen wir die Amerikaner, diese Zahlen herauszugeben!
({0})
Dann wissen diese Wartenden wenigstens, was aus ihren Angehörigen geworden ist.
({1})
- Ja, das sollte eine Pflicht der Regierung sein,
({2})
wenn sie offenes Spiel mit unserem Volk treiben will, wenn es ihr wirklich darauf ankommt, die Ungewißheit in diesem Personenkreis zu beseitigen. Aber diese Ihre Hetze darf nicht abgestoppt werden, und sie wird auch nicht abgestoppt werden, weil sie nämlich den „höheren" Zweck verfolgt, das deutsche Volk innerlich bereitzumachen, noch einmal für die Nutznießer des alten Krieges in einen neuen Krieg zu ziehen.
({3})
Darum, weil diese Absichten bestehen, dürfen Sie die Hetze nicht aufgeben; darum müssen Sie verhüten, daß die Listen der Gefallenen endlich bekanntgegeben werden.
Weil diese Regierung und die bei uns im Westen an der Macht befindlichen Kräfte zusammen mit den imperialistischen Mächten der USA in einen neuen Krieg hineinsteuern wollen, darum müssen sie die Opfer des alten Krieges verschweigen. Darum haben sie kein Interesse, dem deutschen Volk klarzumachen, daß ein neuer Krieg von ihm erneut riesengroße Opfer an Gut und Blut fordern würde. Das soll unser Volk nicht begreifen, und darum diese Taktik in der Frage des Kriegsgefangenenproblems.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist um.
Diese Regierung, die heute den Heimgekehrten und ihren Familien und Riesenmillionenmassen des deutschen Volkes die nackte Not aufgezwungen hat, wird, wenn ihr das deutsche Volk und die friedliebenden Völker der
Welt nicht in den Arm fallen, morgen das deutsche Volk und die Welt in einen neuen Krieg, in einen noch grausigeren Tod hineinjagen,
({0}) als es beim letzten Hitlerkrieg der Fall war.
({1})
Herr Abgeordneter Renner, ich muß nachträglich Ihre Feststellung, daß die Bundesregierung mit den politischen Kräften der Bundesrepublik Deutschland entschlossen sei, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika in einen neuen, dritten Weltkrieg hineinzugehen, mit aller Schärfe zurückweisen.
Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat nunmehr der Herr Abgeordnete Pohle das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich habe dem Hohen Hause folgende gemeinsame Erklärung zur Kenntnis zu bringen:
Die Fraktionen des Bundestages - CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, WAV und Zentrum - lehnen es entschieden ab, die schmerzliche Tatsache der Nichtherausgabe unserer Gefangenen durch die Sowjetunion und einige andere östliche Län der auf der von der KP bezogenen Basis zu behandeln.
({0})
Sie sprechen der KP das Recht ab, hier im Westen große Worte von Demokratie und Freiheit zu gebrauchen,
({1})
während im Osten noch Hunderttausenden von deutschen Männern und Frauen das hohe Gut der persönlichen Freiheit seit Jahren wider alles Recht vorenthalten wird.
({2})
Die genannten Parteien nehmen mit Befriedigung Kenntnis von der Erklärung der Bundesregierung und billigen alle Schritte, welche die Aufrüttelung des Weltgewissens zur Bewirkung der endlichen Heimkehr unserer Gefangenen, ihren Schutz vor weiterer Willkür und die hinreichende Versorgung ihrer oft in großer Not lebenden Angehörigen zum Ziel haben. Sie ersuchen die Bundesregierung, auch weiterhin auf allen ihr zu Gebote stehenden Wegen - über die Hohe Alliierte Kommission, aber auch über die Vereinten Nationen, die Kirchen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und den Internationalen Bund freier Gewerkschaften - die Weltöffentlichkeit zu tatkräftiger Mithilfe an der Beendigung dieses aller Menschlichkeit und Menschenwürde hohnsprechenden Unrechts aufzurufen.
({3})
Mein Damen und Herren! Sie haben diese Erklärung des Herrn Abgeordneten Pohle im Namen der genannten Parteien des Hauses stehend angehört. Diese Tatsache unterstreicht die Tragweite dieser Erklärung.
Ich stelle geschäftsordnungsmäßig fest, daß die Drucksachen Nr. 432 und Nr. 411 als Interpella({0})
tionen durch die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers als erledigt gelten können.
Bezüglich der. Drucksache Nr. 378 ist seitens der Herren Antragsteller die Verweisung an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten beantragt. Ich darf das Einverständnis des Hauses mit dieser Überweisung feststellen.
Ich höre eben, daß die Nationale Rechte mich ermächtigt, bekanntzugeben, daß sie sich der Erklärung des Herrn Abgeordneten Pohle ausdrücklich anschließt.
({1})
Wir fahren in der Tagesordnung fort und kommen nunmehr zu den Punkten 6 und 7, die zweckmäßigerweise, weil sie thematisch zusammenhängen, gemeinsam in der Berichterstattung behandelt werden können:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag des Abgeordneten Dr. Gerstenmaier und Genossen betreffend Wiederherstellung der deutschen Jagdhoheit ({2})
und
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über den Antrag der Fraktion der DP betreffend Vorlage eines Rahmengesetzes für die Jagd ({3}).
An Stelle des Herrn Abgeordneten Faßbender ist der Herr Abgeordnete Lübke als Berichterstatter vorgesehen. Ich erteile Herrn Abgeordneten Lübke das Wort zur Berichterstattung über die Punkte 6 und 7.
Lübke ({4}), Berichterstatter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Faßbender mußte aus dringlichen Gründen abreisen und hat mich gebeten, in seiner Vertretung Ihnen über, die vorliegende Materie einen kurzen Bericht zu geben. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich mit den Drucksachen Nr. 147 und Nr. 229 betreffend das Jagdrecht und die Jagdhoheit beschäftigt. Zur Beratung im einzelnen wurde ein Unterausschuß eingesetzt, der sich sehr eingehend mit der vorliegenden Materie beschäftigt hat. Die leidigen Zustände auf dem Gebiet des Jagdwesens sind weitgehend bekannt. Die Schäden, die die Gemeinden bedrücken, weil keine Jagdgelder eingehen, die die Bauern bedrücken, weil die Pachtgelder ausbleiben und die Wildschäden nicht bezahlt werden, die Schäden für die Jagdberechtigten sind ebenso bekannt. Sie haben neben der Vermehrung des Schadwildes und der daraus enstehenden Schädigung der Produktion die Hauptthemata des Unterausschusses gebildet.
Im Unterausschuß wurde noch weiterhin zum Ausdruck gebracht, daß die Erfahrungen des Reichsjagdgesetzes und die bewährten Vorschriften der Landesgesetzgebung in Zukunft in das neue Rahmengesetz mit eingearbeitet werden möchten, und daß die Bundesregierung gebeten werden sollte, wie es in der Drucksache Nr. 400 heißt, dafür zu sorgen, daß die deutsche Jagdhoheit möglichst bald wiederhergestellt wird, damit auf diesem Gebiet wieder geordnete Zustände eintreten.
In den vorliegenden Drucksachen Nr. 400 und Nr. 401, die vom Unterausschuß formuliert worden sind und denen sich der Ernährungsausschuß angeschlossen hat, sind nun Vorschläge gemacht betreffend Wiederherstellung der deutschen Jagdhoheit und wegen der Vorlage eines Rahmengesetzes für die Jagd.
Im Ausschuß sind diese Anträge einstimmig angenommen worden. Ich darf bitten, daß das Hohe Haus den Anträgen in den Drucksachen Nr. 400 und Nr. 401 ebenfalls seine Zustimmung gibt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Berichterstattung. Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Fink.
Ich darf darauf hinweisen, daß der Ältestenrat für diese Debatte eine Redezeit von etwa 50 Minuten vorgesehen hat. Ich bitte, darauf Rücksicht zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Artikel 72 bis 75 des Grundgesetzes bestimmen genau die Gegenstände und die Bereiche, bezüglich deren die Gesetzgebung ausschließlich dem Bund zusteht und in denen die Gesetzgebungsbefugnisse den Ländern verliehen sind, soweit und solange der Bund trotz Vorliegens der im Artikel 72 Absatz 2 vorgeschriebenen Voraussetzungen keinen Gebrauch machte oder wegen Fehlens dieser Voraussetzungen keinen Gebrauch machen konnte. Hier nun, auf dem Gebiet des Jagdwesens, sind die Voraussetzungen des Artikel 72 Absatz 2 in keiner Weise gegeben. Jedenfalls besteht keinerlei Bedürfnis für ein Rahmengesetz des Bundes, da die Länder ohne weiteres die Möglichkeit haben, durch eine Vereinbarung der Grundlagen ihrer eigenen Landesjagdgesetze die technischen und die organisatorischen Regelungen einheitlich zu treffen, welche Gegenstand eines solchen Rahmengesetzes der Bundes sein sollen, und dabei die mit dem früheren Reichsjagdgesetz gesammelten Erfahrungen sowie die besonders bewährten Vorschriften der Landesgesetze, wie es in der Drucksache heißt, zu verwerten. Die auch von der Fraktion der Bayernpartei - und gerade von ihr - anerkannte Notwendigkeit einer raschen Regelung kann auch auf dem von mir vorgeschlagenen Wege erreicht werden. Sachliche Voraussetzung einer Jagdgesetzgebung, meine Damen und Herren, ist aber die Jagdhoheit, deren Wiedererlangung fünf Jahre nach Beendigung des Krieges wohl mit Fug und Recht gefordert werden kann. Wer draußen auf dem flachen Lande lebt und den Wildschaden kennt, wer in den letzten Jahren nach dem Kriege draußen gelebt hat und weiß, wie unsere Jäger draußen darauf brennen, endlich wieder mit dem Gewehr auf die Jagd hinaus gehen zu können, wird einsehen, daß die Wiedererlangung der Jagdhoheit notwendig ist! „Tempi passati" heißt es allerdings jetzt. Damals, als durch den zusätzlichen Jagdertrag gerade der Lebensmittel- und Fleischversorgung unserer Bevölkerung etwas geholfen gewesen wäre, hat man die Jagdhoheit
({0})
noch nicht wiederhergestellt. Heute aber muß sie wieder erreicht werden. Wir fordern sie auch mit aller Entschiedenheit!
Im übrigen darf ich aber darauf verweisen, daß meine Fraktion schon am 10. Oktober 1949 einen Antrag - Drucksache Nr. 102 - auf Freigabe von Jagdgewehren eingebracht hat, der den damaligen Gegebenheiten und Verhältnissen entsprechend schon eine wesentliche Erleichterung zu bringen imstande gewesen wäre. Man hätte eigentlich erwarten dürfen, daß sinngemäß auch dieser Antrag der Fraktion der Bayernpartei mit den anderen heute zur Debatte stehenden Anträgen zur Beratung hätte kommen sollen.
Ferner möchte ich darauf hinweisen, daß das bayerische Jagdgesetz, das mit Zustimmung des amerikanischen Landeskommissars von Bayern erlassen wurde, am Dienstag dieser Woche in Kraft getreten ist.
Auch wir von der Bayernpartei befürworten also mit aller Entschiedenheit die Wiederherstellung der Jagdhoheit und eine mit den Voraussetzungen übereinstimmende Jagdgesetzgebung. In dem vorgesehenen Rahmengesetz jedoch können wir nur eine vollkommen überflüssige Vorwegnahme der Gesetzgebung des Bundes erblicken.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 400. Wer für den Antrag des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Ich bitte um die Gegenprobe. - Es ist so beschlossen.
Wir kommen dann zur Drucksache Nr. 401, Antrag des Ausschusses. Wer für den Antrag des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist im Sinne des Ausschußantrages beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Dr. Holzapfel und Genossen betreffend Gesetz über die Liquidation des ehemalig reichseigenen Filmeigentums ({0}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Dr. Dr. Lehr.
Dr. Dr. h.c. Lehr ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik gründet sich auf den Antrag, den am 27. September die Abgeordneten Dr. Holzapfel und Genossen unter Drucksache Nr. 34 gestellt haben. Die Zuständigkeit des Bundestags und der Bundesregierung für diese Materie ist durch den Artikel 134 des Grundgesetzes gegeben, in dem es heißt:
Das Vermögen des Reiches wird grundsätzlich Bundesvermögen.
Das hier beanstandete Gesetz Nr. 24, lex Ufa, ist am 7. September 1949 veröffentlicht und an diesem Tage gleichzeitig in Kraft getreten. Bereits dieser
Zeitpunkt der Veröffentlichung ist für das Gesetz charakteristisch: unmittelbar vor Bildung der Bundesregierung und unmittelbar vor Inkrafttreten des Besatzungsstatuts. Es ist entstanden gegen den Widerspruch des damals zuständigen Verwaltungsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. Insbesondere hat Oberdirektor Pünder damals knapp 48 Stunden Zeit gehabt, sich zu einer so umfassenden und umfangreichen Materie zu äußern. Sein Bericht vom 21. Juli 1949 hat dem Ausschuß vorgelegen, in dem er fundamentale staatsrechtliche und wirtschaftspolitische Einwendungen gegen den Entwurf der Militärregierung erhoben hat. Die Antwort des Bipartite Control Office vom 9. 8. 1949 war gegenüber diesen ausführlich begründeten Vorstellungen völlig ablehnend.
Ich sehe von der Wiedergabe der einzelnen Punkte ab und fasse den Eindruck nach Lesen des Gesetzes und der Ausführungen Dr. Pünders und seiner Mitarbeiter dahin zusammen, daß das tragende Motiv dieses Gesetzes Nr. 24 ist, die ehemalige Ufa nicht nur in kleinste Einheiten aufzuspalten, sondern auch die einzelnen Splitter derart zu zerstreuen, daß selbst eine lose Wiedervereinigung offen oder geheim unmöglich ist. Das Verfahren für die Verwertung des Vermögens ist ebenso ungewöhnlich wie die Unterschiede zwischen den einzelnen Gesetzentwürfen in den verschiedenen Zonen. Ich hebe nur hervor, daß das Verfahren der Liquidation eines solchen Riesenvermögens innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes beendet sein muß, widrigenfalls sich die zuständige Besatzungsbehörde - so heißt es im Entwurf - vorbehält, nach eigenem Ermessen zu verfahren.
({2})
Ich muß, ehe Ich Ihnen die folgenden Gedankengänge des Ausschusses vortrage, nun auch die Geschichte des Films berühren, so wie sie im Ausschuß dargestellt worden ist. Ich übergehe dabei die Krisenjahre bis 1928, Jahre, in denen bei uns die Filmindustrie und die Filmproduktion, der Verleih und die Theater in unendlich viele kleine Gruppen zerfielen und unendlich viel Geld verloren worden ist. Das Jahr 1928 brachte die entscheidende Wendung dadurch, daß zum erstenmal in Amerika der Tonspielfilm erschien. Und hier war das Bedeutende, daß in Deutschland unter Führung der Ufa ausgedehnte Studien und Vorarbeiten der film- und der apparateherstellenden Industrie gemacht worden waren. Dadurch wurde Deutschland - anders als die übrigen europäischen Länder - vom Ausland unabhängig. Seit 1929 wurde Deutschland das führende Filmland in Europa und nach Amerika das zweite Land in der Welt.
In diesem Jahre begann die IG-Farbenindustrie mit der Entwicklung des Farbfilms und entwickelte ihn bis zum Jahre 1938 in dem Agfacolorverfahren, durch welches Amerika, welches nach einem anderen Verfahren arbeitete, technisch weit überholt wurde. In diesem Augenblick war die Vorherrschaft des deutschen Films in Deutschland begründet, ohne daß irgendwelche behördlichen Maßnahmen dabei erfolgt wären. Diese Auswirkung der Vorherrschaft des deutschen Films zeigte sich auch darin, daß große amerikanische Wochenschauen wie Paramount und Metro-Goldwyn-Mayer auf den eigenen Vertrieb in Deutschland verzichteten und gegen angemessene Vergütung all ihr wertvolles und umfangreiches Material den deutschen Wochenschauen, Deulig und Ufa, zur freien Auswahl und Verwendung überließen.
({3})
Der deutsche Kulturfilm hat damals Anerkennung und weitgehende Verbreitung in allen Kulturländern der Welt erreicht. Die Zahl der deutschen Filme gegenüber den ausländischen Filmen stieg im freien Wettbewerb, und der größere Teil der Leihmiete blieb in Deutschland. Ich muß das deshalb erwähnen, weil jetzt unsere Filmbilanz passiv geworden ist. Statt 30 Millionen Überschuß damals brauchen wir heute 80 Millionen Zuschuß, um ausländische Firmen in Deutschland spielen zu lassen.
In der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft kam das ganze Filmspiel-, Kulturfilm- und Wochenschauprogramm unter staatliche Kontrolle, und an Stelle der freiwilligen Spitzenorganisation der Industrie trat die Reichsfilmkammer als Reichsbehörde. Ein großer Teil unserer begabten Darsteller, Autoren, Regisseure und Techniker wanderte aus, und unter starkem politischen Druck erwarb das Propagandaministerium in den nächsten Jahren die großen Filmgesellschaften Tobis und Bavaria und als letzte 1937 die Ufa.
Seit dem Jahre 1940 waren alle Filmproduktionsfirmen, die bisher noch selbständigen Verleiher und die Ateliers in staatlicher Hand und in einem Mammutkonzern zusammengeschlossen. Sieben ad hoc gegründete große Produktionsgesellschaften - Bavaria, Ufa, Terra, Tobis, Prag-, Berlin- und Wien-Film - übernahmen die Herstellung der gesamten deutschen Sprechfilme und wurden jetzt wirtschaftlich, organisatorisch und personell abhängig. Man nahm den Gesellschaften, darunter auch der Ufa, den wichtigsten Zweig, die Produktion, weg.
Nun wurde die Ufa selbst vollkommen umgestaltet. Den altbestandenen Filmfirmen wurden, mit einigen Ausnahmen, alle Nebenzweige wie Verleih, Verlage, Spezialfabriken, Handelsgesellschaften usw. genommen; sie wurden mit der Ufa zu einem großen Zentralverleih verbunden. Ebenso wurden die Filmtheater - es waren damals bereits ungefähr 240 - in die Hand des Reiches genommen, zusammengeschlossen und in dieser völlig veränderten Ufa vereint. Die Ufa wurde ein konkurrenzloses Verwaltungsunternehmen. Und über diesem neuen Gebilde der Ufa als der gemeinsamen Verwaltungsgesellschaft und den sieben vorhin genannten Produktionsgesellschaften stand als Dachgesellschaft die neugegründete Ufa-Film-GmbH, genannt Ufi, um die es sich jetzt ebenfalls hier handelt. Alle Gewinne der vorgenannten Gesellschaften waren an sie abzuführen. Diese Gesellschaft, die ein Unternehmen war, das keinerlei Tradition aufzuweisen hatte, schuf sich ein besonderes Kontrollorgan und einen Organisationsstab von Herren, die mit dem Film zum Teil früher nichts zu tun hatten: Bankleuten, Chemikern usw.
Was ist jetzt? Im Jahre 1945 brach die in der Ufa vereinigte deutsche Filmwirtschaft zusammen. Das Vermögen wurde unter Treuhand gestellt. Lediglich der private Theaterbesitz blieb selbständig. In der Sowjetzone und in Ostberlin sind 70 bis 80 Prozent dieser ehemaligen deutschen Filmindustrie von dem Russen enteignet und einfach als Kriegsbeute erklärt worden. Alle Dollarbeträge für die in der Welt eingespielten Filme fließen nach Moskau, ohne auf Reparationskonto verbucht zu werden. Im Westen verblieb der kleinere Teil des ehemaligen Reichsfilmvermögens, um dessen Entflechtung durch das Gesetz Nr. 24 es sich jetzt handelt.
Zweifellos ist dieses Vermögen in der Nazizeit eine beachtliche wirtschaftliche Machtkonzentration gewesen. Es betrug schätzungsweise 733 Millionen Reichsmark ohne Berücksichtigung des Auslandsvermögens der Ufa und des Goodwill, den es durch internationale Verträge in der ganzen Welt besaß. Der Umsatz betrug 1944 noch 1,2 Milliarden Reichsmark, die Steuerabführung 200 Millionen Reichsmark.
Von diesem Kern ist heute nicht mehr viel übrig geblieben.
In der britischen Zone haben wir einen Generaltreuhänder. Das Sachvermögen sind 14 Theater, die auf Grund von Pachtverträgen betrieben werden. Etwa 10 weitere Gebäude sind zerstört. Zwei Filialen des Ufa-Handels verkaufen Einrichtungsgegenstände für Filmtheater.
In der amerikanischen Zone bestehen sieben Pachttheater und ein eigenes Theater. Von diesen acht Theatern sind vier unterverpachtet und zwei beschlagnahmt. Einige zerstörte Gebäude sind noch auf eigenen Grundstücken vorhanden. In Geiselgasteig ist ein größeres, in Wiesbaden ist ein kleineres Atelier in Betrieb, bzw. auch nicht in Betrieb.
In der französischen Zone unterstehen die Theater dem mittelbaren Einfluß der Militärregierung. Es bestehen drei umstrittene Pachtverträge. Auf ein Theater in Saarbrücken erhebt die französische Regierung Anspruch.
Der Westsektor in Berlin weist ein kleines Tempelhofer Atelier und sechs Pachttheater auf. Ein verpachtetes Eigentumstheater und zwei Musikverlage bestehen noch. Recht erhebliche Einnahmen und Rechte haben die ehemalige Ufi und ihre Tochtergesellschaft aus alten Filmen. Die Erträgnisse werden auf blockierten Konten gutgeschrieben.
Weiter ist eine Lizenzpflicht für Unternehmer der deutschen Filmindustrie durch alliierte Filmoffiziere auf Veranlassung der ausländischen Konkurrenz eingeführt. Mit wenigen Ausnahmen sind es keine wirklichen Fachleute, die hier zum Zuge gekommen sind. Bezeichnend für die ganze Haltung ist das Vorhaben gewesen, das von dem Verband der von den alliierten Filmoffizieren lizenzierten deutschen Nachkriegsproduzenten unterstützt wurde, die bis 1945 hergestellten deutschen Filme vom Markt zurückzuziehen und einzustampfen, um dadurch das deutsche Publikum restlos an den ausländischen Film zu gewöhnen.
({4})
An dem Widerspruch und einhelligen Widerstand der deutschen Öffentlichkeit ist das Vorhaben gescheitert.
Es ist sehr wichtig, auch den Einfluß auf die Devisenbilanz der Trizone darzulegen. Heute werden derartig viele ausländische Filme eingeführt und gezeigt, daß die Devisenbilanz der Trizone mit rund 80 Millionen D-Mark jährlich zugunsten amerikanischer, britischer und französischer Filmfirmen belastet wird.
({5})
Die Verrechnung erfolgt über das ERP, oder die Beträge werden auf Sperrkonto eingezahlt. Ich habe vorhin schon erwähnt, daß bis zum Kriege die Filmhandelsbilanz aktiv war und Deutschland eine Deviseneinnahme von ca. 30 Millionen Reichsmark jährlich hatte.
({6})
Es ist in den Beratungen des Ausschusses damals auch zur Sprache gekommen, daß die amerikanischen Filmgesellschaften im Oktober 1949 etwa für rund 60 Millionen D-Mark eingefrorene Konten in Deutschland besaßen, die sich monatlich um etwa eineinhalb Millionen D-Mark vermehren. Man hofft, durch Lockerung der Restriktionen einen Teil der blockierten Gut. haben abziehen zu können, und will den Rest in Deutschland anlegen, das heißt mit eigenen Filmgesellschaften drehen.
Ich komme nun zu dem bestehenden Liquidationskomitee. Das Gesetz Nr. 24 sah vor, daß die custodians der Ufa-Film-GmbH, der Universum-Film-AG, der Cautio Treuhand GmbH sowie der Bavaria-Film GmbH zu einem Liquidationskomitee zusammentreten sollten, das die Aktiven des gesamten Ufa-Komplexes zu übernehmen und zu liquidieren hatte, und zwar, wie gesagt, in 18 Monaten. Das Gesetz wurde zunächst für die amerikanische und später für die englische Zone erlassen. Dann ist es auch für die französische Zone und für den Bereich der Stadt Berlin erlassen worden.
Das Liquidationskomitee ist auf Einladung der Alliierten einmal am 29. Dezember 1949 in Frankfurt zusammengetreten. Als Grund dafür, daß eine so lange Zeitspanne vergangen war, wurde angegeben, daß die Gleichschaltung von Berlin und der französischen Zone sehr viel Zeit in Anspruch genommen habe. Es war aber im Ausschuß kein Geheimnis, daß schon damals Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung der lex Ufa zwischen den Alliierten bestanden haben. In der Sitzung vom 29. Dezember 1949 wurden drei Mitglieder des Ausschusses, und l zwar für jede Zone ein Mitglied als geschäftsführendes Organ bestellt. Es hat aber nur eine einzige Sitzung des Liquidationskomitees am 11. Januar 1950 stattgefunden. In dieser Sitzung stellte sich heraus, daß die Vertreter der französischen und englischen Zone nicht gewillt waren, den Wünschen der amerikanischen Zone ohne weiteres nachzukommen, Millionenbeträge zur Deckung von Verlusten zur Verfügung zu stellen, die in den Atelierbetrieben der amerikanischen Zone entstanden sind und noch weiter entstehen.
Es ist zu bemerken, daß in der britischen Zone in geringem Umfang gewisse Schulden bereits bezahlt sind. In der amerikanischen und in der französischen Zone sowie in sämtlichen Sektoren Berlins sind die alten Ufa-Gläubiger bisher noch nicht bezahlt. Das Gesetz Nr. 52 stand der Befriedigung der Gläubiger im Wege. Es dürfte nunmehr an der Zeit sein, die Ufa-Gläubiger, insbesondere die Ansprüche der Ufa-Treu-Gefolgschaftshilfe - eine Art Pensionskasse - zu prüfen und zu bezahlen, bevor weiteres Geld in unsichere Geschäfte gesteckt wird. In die Münchener Ateliers sollen bereits 4,5 Millionen DM, in die Wiesbadener Ateliers etwa 1,5 Millionen DM gesteckt worden sein mit dem Erfolg, daß diese Ateliers zur Zeit keine Beschäftigung haben und nach Mitteilung der Vertreter aus der amerikanischen Zone monatlich Verluste von 600 000 DM und mehr haben. Da bisher an keiner Stelle ein umfassender Liquidationsstatus aufgestellt worden ist, ist der Umfang der Gläubigerforderungen auch nicht annähernd bekannt. Es gibt Sachverständige, die die Gläubigerforderungen für wesentlich höher halten als die Mittel, die im Augenblick für ihre Befriedigung zur Verfügung stehen.
Ich komme nunmehr zu den Betrachtungen des Ausschusses über die politische Bedeutung des Films neben der Betonung der wirtschaftlichen Seite, die ich Ihnen eben vorgetragen habe. Ehe ich aber auf die Bedenken staatsrechtlicher und politischer Art eingehe, möchte ich die Meinung des Ausschusses dartun, daß die Filmproduktionen das Schaufenster und das Gesicht eines Landes sind. Sie werben nicht nur für die Kultur, sondern auch für die Lebensart und die industriellen Erzeugnisse eines Landes.
Die Bedenken staatsrechtlicher und politischer Art sind folgende. Nach Artikel 134 des Grundgesetzes wird das Vermögen des Reiches grunsätzlich Bundesvermögen, und nach dem Gesetz Nr. 24 hat der Bund keinen Einfluß auf die Verwertung des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens. Die Regelung der Filmwirtschaft gehört aber nicht zu den im Besatzungsstatut den Alliierten vorbehaltenen Gebieten. Die deutsche Bundesregierung und die Regierungen der Länder sind befugt, entsprechende Gesetze für den Film zu erlassen mit der alleinigen Einschränkung, die sich aus den Erfordernissen der Sicherheit ,der Besatzungsbehörden ergibt. Die Bundesregierung hat ferner nach dem Besatzungsstatut den Anspruch darauf, daß Rechtsvorschriften, die von der Besatzungsbehörde vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen und unvereinbar sind mit dem im Besatzungsstatut Deutschland garantierten Rechten, aufgehoben oder durch Abänderung mit ihnen in Übereinstimmung gebracht werden.
Die heute noch vorhandenen Einrichtungen und i Vermögenswerte der Ufa und ihrer Tochtergesellschaften stellen keine übermäßige Konzentration von Wirtschaftsmacht im Sinne der Dekartellierungsbestimmungen dar. Ich habe die Aufgliederung eben vorgetragen.
Der Aufbau einer leistungsfähigen deutschen Filmwirtschaft in der Bundesrepublik wird unmöglich gemacht, während ausländische und vom Ausland kontrollierte Filmunternehmen ungehindert den deutschen Markt beherrschen können. Die Liquidationsbestimmungen des Gesetzes Nr. 24 sind mit dem geltenden deutschen Wirtschaftsrecht nicht vereinbar. Endlich ist gemäß Artikel 8 des Gesetzes der Reinerlös aus der Liquidation treuhänderisch für die Bundesrepublik Deutschland zu verwahren. Über die Schulden und Lasten, für die das Vermögen haftet, ist in Artikel 7 des Gesetzes vorerst keine Bestimmung getroffen, und es steht deshalb zu befürchten, daß die Bundesrepublik für diese zur Zeit noch nicht übersehbaren Verbindlichkeiten haften muß.
Ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, einen kurzen Abschnitt aus einer Filmzeitschrift verlesen zu dürfen. In der Zeitschrift „Filmexpreß" Abschnitt Kulturpolitik finden sich folgende beachtliche Ausführungen:
Es bedarf doch wohl keiner Diskussion, daß es sich bei dem ehemaligen Reichsfilmvermögen nicht um eine Art Nachkriegsbeute handelt, an der sich einzelne Bevorzugte bereichern können, sondern um Volksgut, dessen sorgfältige Verwaltung die Öffentlichkeit erwartet. Ganz offensichtlich aber schmilzt der silberne Berg unter den Händen seiner Betreuer sichtbar zusammen. Schon werde erste Stimmen laut, die
({7})
warnend verkünden, daß von den Millionenwerten der UFA nach Abdeckung aller Verpflichtungen nicht viel übrig bleibt. Dabei spielt man seit 1945 nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt Ufa-Filme mit ungewöhnlichem Erfolg. Auf geheimnisvollen Kanälen gelangen die Kopien alter deutscher Filme nach Frankreich, in die USA, nach Kanada, in den Orient, nach Südafrika und über sowjetische Gesellschaften nach dem Balkan, nach Rußland und ebenfalls in die westlichen Länder. Man kann schon sagen: es verdient sich gut mit Dr. Goebbels' Filmnachlaß!
Soweit die Filmzeitschrift.
Vom deutschen Standpunkt ist zu fordern, daß das von den Militärgouverneuren verkündete und in Kraft getretene Gesetz über die Liquidation des ehemals reichseigenen Filmeigentums, das ohne Beihilfe amtlicher oder nichtamtlicher deutscher Stellen entstanden ist, durch die Bundesregierung zu überprüfen und mit allen rechtlichen Mitteln eine Änderung anzustreben ist. In diesem Sinne hat der Ausschuß beschlossen und bittet sie um die Annahme seines Beschlusses.
Ich darf hinzufügen, daß die Liquidierung durch die deutschen Funktionäre nicht durch Versteigerung und nicht in einer vorgeschriebenen Zeit, sondern nach den Gesichtspunkten vorgenommen werden dürfte, die ein ordentlicher Kaufmann bei der Auflösung eines solch großen Konzerns anzuwenden hat. Die Liquidierung darf nur bis zu dem Grad fortgeführt werden, der zur Befriedigung der Gläubigerforderungen notwendig ist. Es ist anzustreben, solche Einheiten zusammenzufassen und arbeitsfähig zu erhalten, die für den Wiederaufbau einer neuen deutschen Filmwirtschaft benötigt werden, und diese Liquidation hat unter Aufsicht des Bundeswirtschaftsministeriums zu erfolgen.
Ich bitte Sie um Annahme des Ausschußbeschlusses.,
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen zur Aussprache. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brunner.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch für den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films darf ich dem Hohen Haus empfehlen, dem Antrag des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zuzustimmen. Unser Ausschuß ist sich darin einig gewesen, daß einer Verschleuderung von Bundeseigentum schnellstens entgegengewirkt werden muß. Es wird außerdem auf die Gefahr einer Überschwemmung des deutschen Marktes mit Auslandsfilmen und die damit verbundene Devisenanhäufung des Auslandes in Deutschland hingewiesen, die bereits einen solchen Umfang angenommen hat, daß ausländische Produktionsfirmen daran gehen, in Deutschland Filme herzustellen.
Nach der Auffassung des Ausschusses ist der alles in allem nicht übermäßig befriedigende Anfang einer Entwicklung in der deutschen Filmproduktion zum Teil auf die unzureichenden Produktionsvoraussetzungen zurückzuführen. Die heutigen Produktionsstätten im deutschen Filmschaffen sind hilflos gegenüber der mächtigen Konkurrenz des Auslandes. Was jetzt zur Auflösung des Ufa-Konzerns geschieht, darf daher
nicht zu einer Zersplitterung in zu kleine Arbeitseinheiten führen, die die Produktion unmöglich machen. Die Dekartellisierungspolitik auf diesem Gebiet hat bisher sichtbar allein zu einer einseitigen Bevorzugung der ausländischen Filme geführt. Nach der Auffassung unseres Ausschusses wird allein eine Revision des alliierten Gesetzes über die Liquidation des ehemals reichseigenen Filmeigentums dahin wirken, daß der Weg für eine normale und aussichtsreiche deutsche Filmproduktion wieder frei gemacht wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.
({0})
Meine Damen und Herren! Werden Sie nur nicht ungeduldig! Die ganze Materie ist es wohl schon wert, daß man sich einmal ausführlich darüber ausspricht. Ich will ganz klar aussprechen, daß meine Fraktion sich ebenfalls mit aller Entschiedenheit gegen das von den Militärgouverneuren verkündete Gesetz über die Liquidation des ehemals reichseigenen Filmeigentums wendet. Das ehemalige reichseigene Filmeigentum ist unserer Auffassung nach Eigentum des deutschen Volkes und ist rechtlich unantastbar, und zwar auch für die Militärgouverneure und die Hohen Kommissäre.
Unsere Bedenken gehen jedoch weiter; sie greifen in die allgemeine Wirtschafts- und Kulturpolitik über. In dem Beispiel der Filmwirtschaft und, ich möchte hinzufügen, der gegenwärtigen Filmpolitik haben Sie einen eklatanten Fall rücksichtsloser Geschäftemacherei und auch der Taktik ideologischer Aushöhlung deutscher Kultur durch amerikanische Filmgesellschaften und ihre Propagandisten. Sie haben, als ich in meiner letzten Rede von der Bedrohung des europäischen Kulturerbes durch die Marshallplanpolitiker sprach, sehr laut widersprochen. Ich denke aber, die Rede des Herrn Berichterstatters von heute war eigentlich eine sehr massive Erwiderung und eine Rechtfertigung meiner Ausführungen.
Wie ist die Lage der europäischen Kultur? Wenn man vom Film ausgeht, muß jedenfalls festgestellt werden, daß in allen Ländern, in denen Filme hergestellt wurden, die Eigenprodukte in verstärktem Maße von kulturfeindlichen Hollywood-Produkten aus den Kinos verdrängt werden. Diese Filme, meine Damen und Herren, enthalten genaue Gebrauchsanweisungen zu viehischen Mordtaten und rücksichtloser Gangstertaktik. Ich könnte Ihnen aus einer x-beliebigen Zeitung einmal die Titel dieser Filme vorlesen. Es heißt „Wildwest-Film", gleich mit ein paar Revolvern angezeigt, und so weiter und so fort. Nennen Sie das auch Verteidigung der europäischen Kultur?
Meine Damen und Herren! Darüber hinaus - das möchten wir nicht verschweigen gibt es auch noch eine fortschrittliche amerikanische Kultur. Aber diese fortschrittliche amerikanische Kultur wird heute von den „Verteidigern" der europäischen Kultur vor den Ausschuß für unamerikanische Umtriebe zitiert und dort verurteilt. Darauf wollte ich auch nur so eben am Rande einmal aufmerksam machen.
({0})
Meine Damen und Herren! Die wirtschaftliche Seite des Problems ist nicht minder verhängnisvoll. Nach dem Gesetz der Militärgouverneure erfolgt der Verkauf der ehemaligen Ufa in öffentlicher Versteigerung an den Höchstbietenden. Ausländer können bis zu 33 vom Hundert des Stammkapitals und des Stimmrechts an den neu entstehenden Gesellschaften erwerben. Das genügt nach den Erfahrungen, um 100 Prozent der neu erstehenden Gesellschaften zu beherrschen. Um aber in der Beherrschung der westdeutschen Filmindustrie und des westdeutschen Filmmarktes ganz sicher zu gehen, haben deutsche Strohmänner der amerikanischen Filmgesellschaften in München die sogenannte Deutsche Filmfinanzierungs-GmbH gegründet. Es handelt sich, wie versichert wird, um ein reines Geschäftsunternehmen, jedoch mit den besten Beziehungen zu den Amerikanern. Als leitendes Vorstandsmitglied soll fungieren oder fungiert schon ein gewisser Marin, der in Frankfurt auch schon in eine andere sogenannte Wiedergutmachungsbank eingestiegen ist. Marin hat schon zwei Kreditzusagen, die weitgehend an seine Person gebunden sind, und zwar in Höhe von 15 Millionen D-Mark aus gesperrten Geldern amerikanischer Filmfirmen aus den Erträgnissen ihrer Filme in Deutschland und eine weitere in Höhe von 20 Millionen D-Mark bisher gesperrter Gelder aus englischen Filmen von englischen Filmunternehmungen in Westdeutschland. Es zeigen sich also bereits neue Gefahren für die deutsche Filmwirtschaft, die vor der Tatsache steht, über angebliche Kredite von amerikanischen Interessenten kassiert zu werden.
Die schwer kämpfende deutsche Filmindustrie steht, wie der Herr Berichterstatter so beredt und so richtig, möchte ich hinzufügen, ausgeführt hat, durch hemmungslose Filmeinfuhr vor dem Ruin. Vor dem Kriege - das hat der Herr Berichterstatter ebenfalls angeführt - hat Deutschland mit seiner eigenen Filmausfuhr jährlich über 30 Millionen Mark an Devisen erzielt. Heute erleben wir in den Westzonen durch den Import ausländischer, und zwar schlechter, Filme eine jährliche Belastung der Devisenbilanz bis zu 100 Millionen D-Mark. Wie die Exportabteilung der britischen Filmproduzenten kürzlich mitteilte, betragen die Schulden Westdeutschlands an Großbritannien etwa 366 000 Pfund. Rund 70 Prozent aller Filme, die heute in deutschen Theatern aufgeführt werden, sind bereits ausländischer Herkunft, wobei zu berücksichtigen ist, daß das Eindringen des Auslands erst im Anlaufen ist. Hier entsteht - darauf hat der Herr Berichterstatter auch mit Recht hingewiesen - für unser deutsches Volk die Aufgabe, durch geeignete Maßnahmen der geistigen Vergiftung und der finanziellen Überfremdung wirksam entgegenzutreten. Aber da kommen dann auch von unserer Seite wiederum die Bedenken.
Herr Abgeordneter Dr. Lehr hat als Berichterstatter des Ausschusses hier seinen Bericht gegeben. Im Ausschuß vertrat er als Sprecher der Antragsteller, nämlich der CDU/CSU, den Antrag, der Ihnen ja bekannt ist. Ich möchte sehr deutlich sagen, daß wir zwar für eine Überprüfung und Abschaffung des Militärregierungsgesetzes sind, daß wir uns aber auch mit gleicher Schärfe gegen ein eventuelles Wiederauferstehen der alten UFA wenden. Die Praxis der alten UFA ist uns, meine Damen und Herren, noch zu sehr in Erinnerung. Sie haben, Herr Dr. Lehr, zwar auf die Methoden der Nazis hingewiesen, die die alte UFA an sich rissen und zu einem Instrument imperialistischer Politik ausbauten; aber vergessen Sie dabei nicht, Herr Dr. Lehr, daß die alte UFA vor 1933 in einer geradezu verhängnisvollen Art und Weise mitgewirkt hat, daß das deutsche Volk für den Nationalsozialismus und für den späteren Krieg reif gemacht wurde.
({1})
Denken Sie doch an die Filme mit Otto Gebühr, und denken Sie an die vielen, vielen Proteste wirklich ehrlicher demokratischer Menschen gegen die Monopolmethoden, die Methoden der geistigen Vergiftung durch die UFA.
Wir möchten also hier von dieser Stelle aus unsere Bedenken und unseren schärfsten Protest gegen die amerikanische Überfremdung der deutschen Filmindustrie erheben, möchten aber auch zu gleicher Zeit darauf hinweisen, daß wir mit aller Entschiedenheit ein Wiedererstehen der alten UFA verhindern wollen. Wir werden der Überprüfung des Gesetzes der Militärregierung über die Liquidation des ehemalig reichseigenen Filmeigentums zustimmen, aber aus anderen Beweggründen, als Sie, meine Herren von der CDU, sie heute vertreten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Aumer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß eigentlich ehrlich sagen: Ich frage mich, wieso ausgerechnet der Herr Abgeordnete Rische sich so sehr gegen die UFA wendet, obgleich doch in dem Land, das er so sehr liebt, gerade der Film eine reine Propagandamaschine darstellt.
({0})
- O ja, Herr Abgeordneter Rische, ich habe schon meine Informationen, vielleicht bessere als Sie!
({1})
- O ja, ich habe auch einen DEFA-Film gesehen. Aber ich spreche nicht von einem DEFA-Film, sondern von Ihrem geliebten Sowjetrußland.
({2})
- Da sind wir eben geteilter Meinung, und, Herr Kollege Renner, ich werde mir erlauben, so lange meine Meinung zu vertreten, bis vielleicht am Ende Ihre Volkspolizisten hier sein sollten; sie werden aber nicht hier sein!
({3})
Ich kann Ihnen dabei versichern, daß Sie wahrscheinlich bei der ersten Liquidierungswelle sein werden und ich wahrscheinlich erst bei der zweiten.
({4})
Meine Damen und Herren! Ich bin aus einem anderen Grunde hier heraufgekommen als Herr Abgeordneter Rische. Es sind für meine Freunde und für mich tatsächlich nur die nationalen deutschen Interessen, die uns dazu bestimmen, dem Ausschußantrag zuzustimmen. Denn wir sind auch der Meinung, daß den Deutschen wiederum soviel Verantwortung wie nur möglich auf allen öffentlichen Gebieten übertragen werden soll. Wir sehen allerdings, wenn die Regierung bei den
({5})
Amerikanern Erfolg haben und eine Revision dieses Ufa-Gesetzes erreichen sollte und der Bundestag dann über das Ufa-Vermögen beschließen kann, der Entwicklung der Dinge mit einiger Besorgnis entgegen. Sie wissen, meine Damen und Herren, daß sich von dem restlichen Ufa-Vermögen in den Westzonen die Hauptmasse in Geiselgasteig in Bayern befindet. Wir sind der Meinung, daß eine einheitliche Gestaltung des Filmschaffens, wie sie von 1933 bis 1945 bestand und zu einer Propagandamaschine ausgebaut worden war, nicht wiederkommen sollte. Wir glauben deshalb, daß hier durch eine vernünftige Entflechtung dieses Filmvermögens unbedingt eine befriedigende Lösung auf kulturellem Gebiet geschaffen werden muß. Das Filmvermögen soll nicht in der Hand des Bundes bleiben; es soll den Ländern übertragen werden. Die Länder sollen dann um die Förderung der deutschen Filmwirtschaft bemüht sein und versuchen, dieses Vermögen wiederum an private Einrichtungen weiterzugeben. Die kulturellen Gebiete sind nach dem Grundgesetz Sache der Länder. Leider sind hier in diesem Hause verhältnismäßig sehr wenige Damen und Herren, die wirklich ein föderalistisches Herz haben. Wir haben auf diesem Gebiet schon sehr viele trübe Erfahrungen gemacht. Wenn wir nun heute dem Antrag zustimmen und die Bundesregierung bei den Amerikanern Erfolg haben sollte, dann bitte ich Sie darum, sich dieses Tages und meiner kurzen Rede zu erinnern und die Tat meiner Freunde und auch die meine zu honorieren.
({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Löfflad.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 99 der Geschäftsordnung bezweifle ich die Beschlußfähigkeit des Hauses. Ich bitte den Herrn Präsidenten, die Beschlußfähigkeit feststellen zu wollen.
({0})
Meine Damen und Herren! Sie haben gehört, daß die Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifelt wird. Ich unterbreche die Abstimmung um einige Minuten zur Klarstellung, ob Beschlußfähigkeit besteht.
({0})
Nach übereinstimmender Feststellung des Sitzungsvorstandes ist das Haus nicht mehr beschlußfähig, weil keine 202 Abgeordnete mehr anwesend sind.
Ich schließe damit die Sitzung und berufe die nächsten Sitzungen ein auf Mittwoch, den 1. Februar, 14 Uhr 30, und Donnerstag, den 2. Februar, 14 Uhr 30.