Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 279. 'Sitzung ides Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigt abwesenden Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Koch, Glüsing, Brese, Bauknecht, Dr. Henle, Dr. Orth, Dr. Bertram ({0}), Dr. Dr. Müller ({1}), Struve, Gockeln, Reimann, Fisch, Rische, Paul ({2}), Agatz, Frau Thiele, Dr. Hoffmann ({3}).
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat unter dem 29. Juni 1953 die Kleine Anfrage Nr. 340 der Fraktion der SPD betreffend Bruch des Postgeheimnisses - Drucksache Nr. 4413 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 4633 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren, die heutige Tagesordnung wird ergänzt um den in der gestrigen Sitzung nicht behandelten Punkt 3 a und b der gestrigen Tagesordnung: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Saargebiet, Drucksache Nr. 4418, und Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Saarfrage, Drucksachen Nrn. 4436 und 2347. - Ist das Haus damit einverstanden, daß dieser Punkt der gestrigen Tagesordnung als Punkt 1 der heutigen Tagesordnung beraten wird? - Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Saargebiet ({0});
({1})
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten ({2}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Saarfrage ({3}).
Das Wort zur Begründung der Anfrage hat der Abgeordnete Mommer.
Dr. Mommer ({4}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird allzugern vergessen, daß das große Problem der Wiedervereinigung Deutschlands, das wir gestern so ausführlich behandelt haben, auch eine westliche Komponente hat. In der Tat hat zuerst eine westliche Besatzungsmacht ein deutsches Gebiet aus dem deutschen Staatsverband herausgelöst und auf ihm ein Protektorats- und Quisling-Regime errichtet. Die erste Saardebatte, die án diesem Hause im März 1950 geführt wurde, fand statt nach der Unterzeichnung der sogenannten Konventionen zwischen idem von Frankreich selbst geschaffenen Protektoratsregime und der französischen Regierung. Damals gab es in diesem Hause gegen das Vorgehen Frankreichs einmütige und leidenschaftliche Auflehnung. Diese Auflehnung war nicht antifranzösisch, sie war proeuropäisch. Wir alle waren der Überzeugung, daß die Abtrennung eines deutschen Grenzgebietes von Deutschland keine Basis für die so notwendige deutsch-französische Verständigung sein könne. Darin waren sich auch die Hauptsprecher der damaligen Debatte, Dr. Adenauer und Dr. Kurt Schumacher, durchaus einig.
Aber schon damals schieden sich die Wege. Der Bundeskanzler vertrat die These, daß die Saar zwar wichtig, Europa aber wichtiger sei. Er vertrat weiter die These, daß die zunehmende Annäherung und die sogenannte Integration in Europa nach und nach die Saarfrage entschärfen würden; schließlich werde eine Saarlösung im Sinne des Rechtes und der demokratischen Freiheiten sozusagen als Abfallprodukt bei der Integrationspolitik herauskommen.
Heute, nach fast vier Jahren, kann man diese Saarpolitik der Bundesregierung an ihren Früchten erkennen. Ich darf Ihnen 'da ein Zitat aus dem „Manchester Guardian" bringen, das in der Nummer zwei Tage nach Abschluß der neuen sogenannten Staatsverträge - 'der Ton wird in Saarbrücken und Paris auf „Staats-" gelegt - erschienen ist. Ich bringe das Zitat nicht, um mich dahinter zu verbergen, sondern um mich damit vollinhaltlich zu identifizieren. „Die Wahrheit ist", schreibt der „Manchester Guardian", „daß Dr. Adenauer bei der Saarfrage übel ausmanövriert worden ist und daß seine Politik des Abwartens überhaupt keine Dividenden eingetragen hat."
Schon als Dr. Adenauer die Saarfrage bagatellisierte, hatte er den festen Boden verlassen, den wir mit Völkerrecht und demokratischen Ansprüchen in dieser Frage haben. In der Praxis der Verhandlungen aber wurde dieser Boden immer noch weiter verlassen. Schließlich erschien die Saar als ein fremdes Gebiet, das nicht zu uns gehört, ein Gebiet, 'das einseitig von Frankreich beherrscht werde und das europäisiert werden müsse, wobei dann ein gehöriger Anteil für Deutschland herauskommen sollte.
Diese Politik der Europäisierung hat niemandem so sehr geschadet wie der deutschen Opposition an der Saar selbst, und sie hat in keiner Weise dazu geführt, daß Frankreich von seiner ursprünglichen Saarpolitik auch nur ein Jota nachgegeben hätte. Im Gegenteil hat Frankreich gerade jetzt, als die neuen Staatsverträge am 20. Mai in Paris unterzeichnet wurden, seine alte Saarpolitik erneut bekräftigt. Außenminister Bidault hat bei dieser Gelegenheit gesagt:
Dem Vertragswerk, das wir unterzeichnen werden, liegt eine doppelte Absicht zugrunde. Es hat einerseits zum Ziele, das Prinzip der französischsaarländischen Währungs- und Zollunion sowie das der daraus hervorgehenden Wirtschaftsunion zu bestätigen und dabei gleichzeitig auf Grund der gemachten Erfahrungen ihre Durchführungsbestimmungen zu lockern.
Die Losreißung von Deutschland wird also bestätigt, und die Politik bleibt die gleiche wie 1946/47, trotz 'der Saar- und Europapolitik der Bundesregierung.
Soweit in den neuen Verträgen Lockerungen enthalten sind, müssen wir sie als Erfolg der deutschen Opposition an der Saar verbuchen. Das beweist nichts besser als der Brief, den Außenminister Schuman sinnigerweise vier Tage vor den Wahlen 'des 30. November im Saargebiet an Herrn Hoffmann gerichtet und in dem er gewisse Konzessionen in neuen Vertragsverhandlungen zugesichert hat. Aber trotz gewisser Lockerungen bleibt die Saar politisch, wirtschaftlich und militärisch fest in französischer Hand. Vielleicht äußert sich die Bundesregierung dazu, was sie von 'dem Inhalt der neuen Verträge denkt. Mir reicht die Zeit nur, um auf einen wichtigen Punkt hinzuweisen.
In den Artikeln 8 bis 11 des allgemeinen Vertrages sind die Notstands- und Verteidigungsklauseln des Vertrages enthalten. In einem beigelegten Protokoll werden die Rechte und Pflichten der französischen Truppen im Saargebiet festgelegt.
Das ist besonders interessant, wenn wir an die jüngsten Ereignisse in Ost-Berlin und in der Ostzone denken. Die von Siegermächten auf deutschem Boden geschaffenen Satellitenregimes können sich erstens keine demokratische Freiheit leisten, und sie können zweitens nicht einmal mit der polizeistaatlichen Unterdrückung der Freiheit auskommen, sondern sie brauchen für alle Fälle die fremden Truppen und die fremden Tanks. Die fremden Tanks sind der Kern des separatistischen Pudels auch im Saargebiet.
Dabei wird uns sehr interessieren, was die Bundesregierung zu der Vereinbarkeit der Truppenstationierung im Saargebiet mit dem Artikel 10 des EVG-Vertrags zu sagen hat. Dieser Artikel schließt nach unserer Meinung eine Stationierung französischer Nationaltruppen im Saargebiet eindeutig aus. Trotzdem steht jetzt die französische Unterschrift unter dem EVG-Vertrag und unter einem Vertrage mit der Satellitenregierung in Saarbrücken.
In diesem Zusammenhange muß man das Junktim sehen, diese Koppelung, die die französische Politik zwischen der Ratifizierung des EVG-Vertrags und der Saarfrage vorgenommen hat.
({5})
Herr Bidault hat in seiner Rede anläßlich der Unterzeichnung der neuen Verträge dieses Junktim noch erweitert und hat gesagt:
Frankreich ist sich bewußt, daß die Fortführung jeder europäischen Einigungspolitik von nun an eine vorhergehende und endgültige Regelung des Saarproblems bedingt.
Hier ist die Saar- und Europapolitik der Bundesregierung in der Tat in einer Sackgasse; hier hat sie sich völlig festgefahren. Es kann keine Rede davon sein, daß diese Europapolitik, die die Bundesregierung geführt hat, dazu führen wird, daß uns das Saargebiet gleichfalls als Abfallprodukt wieder zufällt, sondern umgekehrt: Diese Europapolitik wird dazu benutzt, der Bundesregierung ein Ja zu der Abtrennung des Saargebiets abzupressen.
Die staatsrechtliche und völkerrechtliche Stellung des Saargebiets ist die eine Seite des Problems, die demokratischen Freiheiten an der Saar selbst sind die andere Seite. In dieser Beziehung ist die Bilanz der Tätigkeit der Bundesregierung genau so negativ 'wie auf dem ersten Gebiet. Schon in der ersten Saardebatte hat hier Dr. Kurt Schumacher einen Schritt beim Europarat gefordert. Ein Jahr darauf hat die Bundesregierung diesen Schritt getan. Aber nie hat die Bundesregierung darauf bestanden, daß die Beschwerde über die undemokratischen Zustände an der Saar nun auch wirklich behandelt werde. Dabei ist die Unterdrückung immer schärfer geworden. Wir kennen alle das Parteienverbot, die unfreien Wahlen im November vorigen Jahres und schließlich die Krönung des Ganzen: das Verbot der größten Gewerkschaftsorganisation im Saargebiet.
So ist auch hier nach vier Jahren angeblich europäisch geführter Saarpolitik nur Verhärtung festzustellen, und mehr denn je drängt sich dem Beobachter der Zustände im Saargebiet der Vergleich mit Tunis auf.
Wir stellen in unserer Großen Anfrage Fragen an die Bundesregierung nach den Schritten, die sie zu tun gedenkt. Wir tun das ohne Illusionen über das Wollen und die Möglichkeiten, die der Bundesregierung auf diesem Gebiet noch bleiben. Aber das Scheitern, dieser Saarpolitik in vier Jahren muß für eine neue Bundesregierung Konsequenzen haben. Dann muß ein neuer Anfang gemacht werden, und dann muß man ausgehen von dem festen Boden des Rechtes und der Freiheit, wie er in dem Antrag des Auswärtigen Ausschusses, der hier auch zur Debatte steht, aufgezeigt ist. Das Recht und die Freiheit sind unteilbar, sagte gestern Herr Kollege von Brentano. Jawohl, sie sind unteilbar. Deshalb muß der Ruf der Freiheitskämpfer des 17. Juni nach Wiedervereinigung Deutschlands und nach freien Wahlen auch in die Ohren derjenigen geschrieen werden, die für die Spaltung Deutschlands im Westen verantwortlich sind.
({6})
Das Wort zum zweiten Teil dieses Punktes der Tagesordnung hat als Berichterstatter der Abgeordnete Dr. Kopf.
Dr. Kopf ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht, den ich namens des Auswärtigen Ausschusses Ihnen
zur Saarfrage zu erstatten die Ehre habe und dessen Antrag von allen Mitgliedern unseres Ausschusses einmütig gebilligt worden ist, drückt den Wunsch aus, daß sich die Bundesregierung bei der weiteren Behandlung der Saarfrage von gewissen Grundsätzen leiten lasse. Die Grundsätze, die der Auswärtige Ausschuß formuliert hat, enthalten zunächst zwei rechtliche Feststellungen von grundlegender Bedeutung. Darüber hinaus werden für die weitere Behandlung der Saarfrage zwei Forderungen aufgestellt, die dem Gebiete der Politik, aber zugleich dem Gebiete des Rechts - und ich möchte wohl sagen: in höherem Maße dem Gebiete des Rechts als dem der Politik - angehören.
Die Saar ist ein Teil Deutschlands. Aber was ist Deutschland? Deutschland im Sinne dieser rechtlichen Feststellungen ist 'kein nebuloser Mythos, ist kein Sammelgebilde von deutschen Landschaften, sondern ein geographisch und rechtlich fest umrissener Begriff. Deutschland in diesem Rechtssinne ist nach der übereinstimmenden Erklärung der vier Besatzungsmächte vom 6. Juni 1945 dasjenige Gebiet, das innerhalb der deutschen Grenzen vom 31. Dezember 1937 liegt. Auch die nachfolgenden Beschlüsse der Besatzungsmächte, insbesondere die Potsdamer 'Beschlüsse vom 17. Juli bis 2. August 1945, haben diesen territorial fest umrissenen Begriff von Deutschland zugrunde gelegt, und es ist darin ausgesprochen worden, daß die endgültige Regelung der Grenzen Deutschlands dem Friedensvertrag vorbehalten bleiben solle.
Deutschland ist aber auch dasjenige Deutschland, auf das unser Grundgesetz an zwei wichtigen Stellen Bezug nimmt. Innerhalb dieses Deutschland's haben sich elf deutsche Länder zur Bundesrepublik als einem Bundesstaat zusammengeschlossen. Sie haben das Geltungsgebiet dieses Grundgesetzes über ihr Gebiet, das Gebiet der elf deutschen Länder, erstreckt, sie haben aber zum Ausdruck gebracht, daß den zu Deutschland gehörigen Gebietsteilen, deren Bevölkerung zur Zeit noch die Mitwirkung versagt ist - wie es in der Präambel des Grundgesetzes heißt -, die Möglichkeit eines Beitritts eröffnet sein solle. Das ist bestimmt in Art. 23 des Grundgesetzes. Diese Anwartschaft auf Beitritt bedeutet ein Recht, und Deutschland erscheint somit in unserem Bonner Grundgesetz als ein fest umrissener staatsrechtlicher Rechtsbegriff.
Deutschland ist aber auch das Deutschland als Glanzes, wie es im Bonner Generalvertrag in Art. 7 erwähnt worden ist.
Eine andere Überlegungsreihe führt zu demselben Ergebnis. Nach unserer Rechtslehre und Rechtspraxis ist die Bundesrepublik Deutschland identisch mit dem früheren deutschen Staat und setzt sein staatliches Leben fort. Diese Identität Deutschlands mit sich selber ist aber nicht nur in der deutschen Rechtstheorie und in der deutschen Rechtspraxis angenommen und behauptet worden, sie ist auch im internationalen Rechtsverkehr, und zwar in zwei sehr entscheidenden Dokumenten, anerkannt worden. Das Londoner Schuldenabkommen, das wir heute zu behandeln haben werden, geht davon aus, daß die Bundesrepublik als Rechtsnachfolger des deutschen 'Staates die Haftung für die deutschen Vorkriegsschulden über13932
({1})
nommen hat, wie es im Schriftwechsel vom 6. März 1951 heißt. Wenn auch die Bundesrepublik in diesem Schriftwechsel auf die Wirkungen ihrer territorialen Beschränkung mit vollem Recht hingewiesen hat, so ist sie doch in die Verpflichtungen des früheren deutschen Staates eingetreten. In dem New Yorker Kommuniqué vom 19. September 1950 haben die Drei Mächte erklärt, daß sie die Regierung der Bundesrepublik als die einzige deutsche 'Regierung ansehen, die frei und legitim gebildet und deshalb berechtigt ist, als Repräsentant des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten für Deutschland zu sprechen.
Zu diesem deutschen Staat, der identisch ist mit der Bundesrepublik, hat auch die Saar gehört. Eine Loslösung eines Gebietsteiles Deutschlands könnte aber nach dem internationalen Recht nur im Wege eines Friedensvertrages erfolgen. Ein derartiger Friedensvertrag ist bis heute nicht geschlossen worden. Auch aus dieser Gedankenkette ergibt sich somit, daß die Saar ein Teil Deutschlands ist, wie es im ersten Satz des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zum Ausdruck gebracht worden ist.
Die Saar hat aber auch nicht aufgehört, einen Teil Deutschlands zu bilden. Die Bestrebungen Frankreichs waren allerdings darauf gerichtet, die Saar aus dem Verband Deutschlands herauszulösen. Das Memorandum, das Frankreich der Moskauer Außenministerkonferenz im Jahre 1947 vorgelegt hat und das späterhin als Richtlinie für die Ausarbeitung einer saarländischen Verfassung diente, hat die Forderung aufgestellt, daß das Saarland aufhören solle, einen Teil Deutschlands zu bilden. Dieser Forderung ist nicht stattgegeben worden. Die Moskauer Außenministerkonferenz hat über diese Frage keinen Beschluß gefaßt, es ist kein Übereinkommen über die Saar getroffen worden, und bis heute ist auch kein internationales Statut der Saar geschaffen worden. Rußland hat sich einer Beschlußfassung über die Saar widersetzt. Die beiden anderen Mächte, England und USA, haben zwar nicht widersprochen, Herr Marshall hat aber u. a. zum Ausdruck gebracht: Die Fragen der endgültigen Trennung des Saargebiets von Deutschland und der endgültigen Festlegung seiner Grenzen müssen in der deutschen Friedensregelung entschieden werden. Ein hervorragender französischer Staatsmann, Herr Bidault, hat in der Folgezeit seinem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß Frankreich 14mal vergebens um ein Übereinkommen über die Saar gebeten habe, und hat hinzugefügt, daß es diese Bitte nicht ein 15. Mal wiederholen werde.
Frankreich war im Saarland Besatzungsmacht. Seiner Tätigkeit als Besatzungsmacht war jedoch eine doppelte Schranke gesetzt. Frankreich konnte im Saarland nicht diejenigen besatzungsrechtlichen Befugnisse ausüben, die allein durch die vier Mächte gemeinsam oder durch den Kontrollrat als gemeinsames Organ der vier Mächte insgesamt hätten ausgeübt werden können. Eine Delegation dieser Befugnisse, die den vier Mächten insgesamt zugestanden hätten, auf Frankreich ist nicht erfolgt und kann nicht nachgewiesen werden. Die zweite Schranke besteht darin, daß Frankreich im Saarland nicht Maßnahmen und Regelungen treffen konnte, die allein einem Friedensvertrag vorbehalten sind. Frankreich konnte daher nicht mit Rechtswirksamkeit solche Maßnahmen treffen oder Verhältnisse schaffen, die einer Lostrennung oder faktisch einer Annexion des Saarlandes gleichgekommen wären. Es ist ein unwidersprochener Grundsatz des öffentlichen Rechts, daß territoriale Veränderungen nur durch einen Friedensvertrag möglich sind. Zu solchen territorialen Veränderungen zählen jedoch auch Maßnahmen, die in ihren tatsächlichen Auswirkungen einer Loslösung oder einer Annexion oder einer Separation gleichkommen. Dieser allgemeine Grundsatz des internationalen Rechts hat auch seinen speziellen Anwendungsfall und seinen Ausdruck gefunden in Art. 7 Abs. 1 des Vertrages über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten, wonach die endgültige Festlegung der Grenzen bis zu einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung für ganz Deutschland aufgeschoben wird. Ebenso ist in einem vor kurzer Zeit gefaßten gemeinsamen Beschluß der Parteien dieses Hauses zum Ausdruck gebracht worden, daß territoriale Veränderungen nur durch einen frei vereinbarten Friedensvertrag vorgenommen werden können. Es ergibt sich somit, daß die Saar niemals aufgehört hat, ein Teil Deutschlands zu sein, und daß sie auch heute zu Deutschland gehört.
Hieraus folgt nun - und damit komme ich zum zweiten Absatz des Antrages des Auswärtigen Ausschusses -, daß das Verhältnis der Bundesrepublik zur Saar nicht auf den Grundsätzen des Völkerrechts beruht, sondern staatsrechtlicher Natur ist. Die im Saargebiet bestehende Ordnung ist demgemäß ein Bestandteil der inneren Organisation Deutschlands. Ähnliches galt bereits für den rechtlichen Zustand, der sich nach dem Versailler Vertrag im Verhältnis der Weimarer Republik zum Saarland herausgebildet hatte. Das Saarland war damals ein Bestandteil der Weimarer Republik, und nach deutscher Auffassung war - ich zitiere damit einen Staatsrechtslehrer der damaligen Zeit - die Regierungskommission des Saarlandes einfach an die Stelle der ausgeschalteten deutschen preußisch-bayerischen Behörden getreten. Die Dienststellen und Behörden des Saargebiets sind somit Dienststellen eines Gebiets, das sich auch heute, wie sich aus dem Grundgesetz ergibt, in einem staatsrechtlichen Verhältnis zu Deutschland befindet und dem der Beitritt zur Bundesrepublik gemäß Art. 23 des Grundgesetzes jederzeit offensteht.
Die Fakten, wie sie sich entwickelt haben, stehen nun allerdings in einem Widerspruch zur Rechtslage. Der gegenwärtige Zustand ist jedoch ein faktischer, und er ist kein rechtlicher; er ist ein einseitig von Frankreich -geschaffener und nicht mit der Bundesrepublik vereinbarter, und er ist schließlich ein provisorischer, da territoriale Veränderungen nur durch einen Friedensvertrag geregelt werden können. Diesen Widerspruch zwischen der Faktizität und -der Rechtslage hat ein französischer Völkerrechtler im Jahre 1948 in den Worten zum Ausdruck gebracht:
Wir stehen also gegenwärtig vor einer tatsächlich ungesetzlichen Lage, - une situation die fait illegale.
({2})
Damit habe ich die beiden rechtlichen Feststellungen entwickelt, die in den Ziffern 1 und 2 des Antrags des Ausschusses niedergelegt sind. Aus diesen rechtlichen Feststellungen ergeben sich rechtliche Forderungen. Diese rechtlichen Forderungen verfolgen kein anderes Ziel, als die faktische Lage in Einklang mit der Rechtslage zu bringen.
Durch das Gesetz vom 17. März 1952 über politische Parteien ist im Saargebiet eine Registrierungspflicht für die Tätigkeit von Parteien eingeführt. Sämtliche Vorstandsmitglieder müssen sich verpflichten, Bestrebungen entgegenzutreten, welche die Beseitigung der in der saarländischen Verfassung festgelegten staatlichen oder demokratischen Ordnung zum Ziele haben. Zu dieser staatlichen oder demokratischen Ordnung gehört nach Auffassung der Saarregierung die politische Unabhängigkeit des Saargebiets von Deutschland und der wirtschaftliche Anschluß an Frankreich. Vor den letzten Saarwahlen sind verschiedene Registrierungsanträge neu gebildeter Parteien abgelehnt worden; die Mitglieder dieser Parteien konnten sich nicht an den Wahlen beteiligen. Nach Art. 3 der Satzung des Europarats erkennt jedes Mitglied den Grundsatz der Anwendung der Menschenrechte und der Grundfreiheiten auf alle seiner Herrschaftsgewalt unterstellten Personen an. Zu diesen anerkannten 'Grundsätzen gehören die Grundrechte der freien Meinungsäußerung, der friedlichen Versammlung, des freien Zusammenschlusses und der Freiheit und Sicherheit. In Art. 3 der Zusatzkonvention zur Konvention über die Menschenrechte haben sich weiterhin die vertragschließenden Mächte, zu denen die Bundesrepublik und Frankreich gehören, verpflichtet, in regelmäßigen Zeitabständen gewisse freie Wahlen unter denjenigen Bedingungen durchzuführen, die den freien Ausdruck des Volkswillens bezüglich der Wahl der Abgeordneten gewährleisten.
Der Auswärtige Ausschuß legt Wert darauf, daß die Bundesrepublik bei der künftigen Behandlung der Saarfrage darauf hinwirkt, daß innerhalb des Saargebiets solche freiheitlichen demokratischen Zustände geschaffen werden, die in Einklang stehen mit den in Art. 3 der Satzung des Europarats und den darin zitierten Bestimmungen der Konvention der Menschenrechte übernommenen Verpflichtungen.
Schließlich ergibt sich eine letzte Forderung. Die De-facto-Abtrennung des Saargebiets steht nicht in Einklang mit der internationalen Rechtsordnung, da Gebietsabtrennungen nur im Rahmen eines Friedensvertrags, und zwar, wie wir hörten, eines frei vereinbarten, möglich sein sollen. Es soll daher erstrebt werden, den faktischen Zustand wieder in 'Einklang mit dieser Rechtslage zu bringen. Die Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland besteht noch und schon, und sie soll beachtet werden. Der Auswärtige Ausschuß ist der Auffassung, daß die Stärke der deutschen Position in der Saarfrage gerade im Recht begründet ist.
Die Grundsätze, die von mir entwickelt worden sind, sind nicht neue Grundsätze des Rechts. Es handelt sich vielmehr darum, diese rechtlichen Feststellungen und Erkenntnisse zu verdeutlichen und in einer klaren und rechtlich einwandfreien
Weise aufzuzeigen. Der Auswärtige Ausschuß hat daher die Bundesregierung ersucht, die staatsrechtliche und völkerrechtliche Lage des Saargebiets baldmöglichst in einer. Denkschrift niederzulegen. Diese Denkschrift soll jedoch erst ausgearbeitet werden, nachdem das Gutachten einer unabhängigen, in internationalen Fragen erfahrenen Persönlichkeit oder eines mit internationaler Autorität ausgestatteten Instituts über die rechtliche Lage der Saar eingeholt worden ist. Der Auswärtige Ausschuß legt Wert darauf, daß auf der Grundlage des Gutachtens einer Stelle, die durch eine hohe internationale Autorität ausgezeichnet ist, die deutsche Rechtsauffassung bezüglich der Lage im Saarland und hinsichtlich der Maßnahmen, die notwendig sind, um die Rechtslage und Sachlage miteinander in Einklang zu bringen, behandelt wird. Die Feststellung der rechtlichen Verhältnisse und die Betonung des deutschen Rechtsstandpunktes schließen aber nicht den ernsten Willen und die innere Bereitschaft des deutschen Volkes aus, mit Frankreich in Verhandlungen einzutreten und eine Regelung zu erstreben, die den wirtschaftlichen Bedürfnissen Frankreichs Rechnung trägt und die Erfordernisse einer zukünftigen europäischen Integration in bezug auf das Saarland berücksichtigt.
Im Widerspiel der politischen Kräfte und im Ablauf der geschichtlichen Vorgänge darf die Stimme des Rechts nicht überhört werden. Je entschlossener und 'bereiter eine Nation ist, sich auf den Boden des Rechts zu stellen, um so mehr ist sie berechtigt, sich vertrauensvoll dem Schutz der internationalen Rechtsordnung zu unterstellen. Diese Rechtsordnung kann zwar zeitweise durch ihr entgegenstehende Maßnahmen in ihren Wirkungen beeinträchtigt werden; aber ihre rechtliche Geltung bleibt für alle Staaten und für jedes Volk zu jeder Zeit verbindlich und unverbrüchlich.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hatte die Absicht, bei der Behandlung dieses Gegenstandes anwesend zu sein. Er war nur, als gestern abend die Behandlung auf heute früh verlegt wurde, nicht mehr in der Lage, die Dispositionen zu ändern, die ihn heute vormittag außerhalb von Bonn festhalten. Ich bin deshalb beauftragt, die Große Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zu beantworten. Ich beantworte sie wie folgt.
Zu Nr. 1. Diese Frage hat der Herr Bundeskanzler bereits in der Sitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten am 5. Juni beantwortet. Der Herr Bundeskanzler ist bereit, in diesem Ausschuß auf dort gestellte Fragen ergänzende Auskünfte zu geben.
Zu Nr. 2. Die Bundesregierung hat der Frage der Freiheiten an der Saar immer ihr besonderes Augenmerk zugewandt. Der Herr Bundeskanzler hat bei allen Besprechungen mit 'der französischen Regierung und anderen interessierten Regierungen
({0})
über die Saarfrage immer wieder auf diesen Punkt hingewiesen. Anfang Mai dieses Jahres hat er auf diplomatischem Wege .den Regierungen der Mitgliedstaaten des Europarats ein neues Memorandum überreichen lassen. In ihm ist besonders nachdrücklich darauf hingewiesen worden, daß die Saarregierung Parteien, die sich nicht auf die Grundlagen der gegenwärtigen Saarlösung auch für die Zukunft festlegen wollen, zur politischen Tätigkeit nicht zuläßt. Es ist dargelegt, daß dies ebenso wie die Unterdrückung jeder freien öffentlichen Diskussion über die Möglichkeiten einer künftigen Saarregelung im Widerspruch zu den Bestimmungen der Konvention zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten steht. Das Memorandum trifft weiterhin die Feststellung, daß bei den Wahlen zum saarländischen Landtag am 30. November 1952 ein entscheidender Teil der Wählerschaft daran gehindert war, für seine politische Anschauung zu werben und seine Stimme für einen Kandidaten seines Vertrauens abzugeben. Das Memorandum zieht daraus den Schluß, daß bei diesen Wahlen nicht die freie Äußerung der Meinung des Volkes, sondern höchstens die freie Äußerung der Meinung eines Teiles des Volkes gewährleistet war. Somit haben die Wahlen nicht den Anforderungen entsprochen, die Art. 3 des Zusatzprotokolls der Konvention zur Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für Wahlen aufstellt.
Durch das Memorandum vom Mai 1953 ist die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage völlig klargemacht worden. Kurz vor der Sitzung des Ministerkomitees des Europarats hatten -nach der durch das Ausscheiden von Außenminister Robert Schuman verursachten Unterbrechung der Saargespräche - neue Unterhaltungen über dies Problem begonnen. Mit Rücksicht hierauf hatten wir Grund zu der Annahme, daß im Ministerkomitee in jenem Zeitpunkt keine Neigung bestehen würde, in eine Erörterung des deutschen Saarmemorandums einzutreten.
Zu Nr. 3. Die Bundesregierung hat die am 20. Mai 1953 abgeschlossenen neuen Verträge zwischen Frankreich und dem Saargebiet einer eingehenden Prüfung unterzogen und in einer Note an die drei Hohen Kommissare zu ihnen Stellung genommen. In dieser Note hat die Bundesregierung dagegen Verwahrung eingelegt, daß die Verträge, mit Ausnahme des Grubenvertrages, nicht unter den Vorbehalt einer Friedensregelung mit Deutschland gestellt sind. Denn die Saarfrage ist eine Frage der deutschen Grenzen. Die endgültige Festlegung der Grenzen Deutschlands muß aber, wie die drei Mächte in Art. 7 Abs. 1 des Deutschlandvertrages erneut bestätigt haben, bis zu einer zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Gegnern frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung für ganz Deutschland aufgeschoben werden. Die Bundesregierung hat sich dementsprechend auch dagegen verwahrt, daß die Verträge die rechtliche Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland nicht 'berücksichtigen und auf die Errichtung eines Saarstaates hinzielen. Im übrigen hat die Bundesregierung dagegen protestiert, daß die volle wirtschaftliche Vorherrschaft Frankreichs im Saargebiet in den neuen Verträgen aufrechterhalten wird.
Zu Nr. 4. Das Zusatzprotokoll zu dem zwischen Frankreich und dem Saargebiet abgeschlossenen allgemeinen Vertrag geht von der Stationierung französischer Truppen im Saargebiet aus. Art. 9
des allgemeinen Vertrages stellt die Bestimmungen dieses Zusatzprotokolls aber unter den Vorbehalt von Änderungen, die sich auf diesem Gebiet aus dem Abschluß internationaler Abkommen ergeben können. Es kann daher nicht gesagt werden, daß die Bestimmungen des Zusatzprotokolls mit Art. 10 des EVG-Vertrages nicht vereinbar wären. Vielmehr gelten, sobald der EVG-Vertrag ratifiziert ist, nur dessen Bestimmungen.
Ich füge hinzu: Über die Frage, was Art. 10 des EVG-Vertrags in bezug auf das Verbleiben von Streitkräften französischer Herkunft im Saargebiet bedeutet, habe ich während der Beratungen über die Verträge am 5. Dezember 1952 von dieser Stelle aus Ausführungen gemacht, auf die ich verweisen darf.
Meine Damen und Herren, wird eine Besprechung der Anfrage gewünscht? - Das ist - mit genügender Unterstützung - der Fall.
Ich eröffne die Aussprache über beide Punkte gemeinsam. Der Ältestenrat schlägt dem Haus eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vor. - Kein Widerspruch; dann ist so beschlossen. - Ich bitte um Wortmeldungen.
Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 20. Mai 1953 wurden von der separatistischen Clique Hoffmann-Kirn die sogenannten neuen Staatsverträge zwischen Frankreich und dem Saarland unterzeichnet. Diese Verträge wurden ohne Befragung der deutschen Bevölkerung und entgegen allen deutschen Interessen abgeschlossen. Durch diese Vertragsabschlüsse sind wohl den separatistischen Knechten des „Comité des Forges" und Washingtons einige Vergünstigungen zugeflossen. Aber die Rechnung für diese Verträge soll die Bevölkerung im Saargebiet tragen.
Herr Kollege Mommer, beim besten Willen ist von einer Lockerung in diesen neuen Verträgen nichts 'zu verspüren. Im Gegenteil, wenn man diese neuen Verträge mit den sogenannten Saarkonventionen vergleicht, so fällt einem ein Zusatzprotokoll auf, von dem auch soeben der Herr Professor Hallstein als Staatssekretär gesprochen hat. Darin ist festgelegt, welche Rechte den Militärkräften im Saargebiet gegeben sind. Wir haben auch soeben durch den Herrn Professor Dr. Hallstein vernommen , daß das Saargebiet zu dem Zeitpunkt, in dem der EVG-Vertrag in Kraft treten würde, in diesen Vertrag eingereiht werden soll.
Was sich seit dem 20. Mai 1953 im Saargebiet vollzog, ist die konsequente Fortsetzung der alten verräterischen, antidemokratischen und antinationalen Politik der Hoffmann und Kirn. Weil es die Fortsetzung der alten verderblichen Politik ist, muß etwas zur Vergangenheit gesagt werden. Die Führer der CVP, der Christlichen Volkspartei, und der SPS tragen die Verantwortung für die Abtrennung des Saargebiets und alle Folgen, die sich daraus ergeben. Das war aber nur möglich, und das möchte ich ausdrücklich feststellen, weil die Amerikaner diese Pläne von allem Anfang an, seit dem Jahre 1944, gefördert haben. Die Hoffmann-Clique ist dafür verantwortlich, daß die Bevölkerung an der Saar ausgeplündert und in ihren Rechten eingeengt wird.
({0})
Aber ich stelle die Frage: Wo waren die Führer der CDU, wo waren Herr Adenauer, Herr Lehr und Herr Blücher, die Führer der Regierungsparteien, als es galt, den Anfängen der Gewaltmaßnahmen der Separatisten und ihrer Hintermänner zu wehren? Damals, von 1945 bis 1948, haben sie geschwiegen, als Gefängnis und Verfolgung für das Eintreten für die Einheit unseres Vaterlandes im Saargebiet drohten. Sie haben geschwiegen, als Hoffmann und Kirn der Bevölkerung im Saargebiet erklärten, hinter ihren Maßnahmen ständen die CDU, die FDP und die SPD. Sie haben damals geschwiegen, weil es den Herren in Washington und ihren Verbündeten nicht in den Kram paßte, daß über die Saar gesprochen wurde, und weil das ihren eigenen größeren Plänen entgegenstand. Aber nicht nur das. Wir haben von dieser Stelle aus festgestellt, daß Herr Adenauer mit der Unterzeichnung des Schumanplans die deutschen Belange für das größere Geschäft, für die Verträge von Bonn und Paris preisgegeben hat. Das war die Lösung der Saarfrage nach der Auffassung Adenauers „in Bälde"!
Die Herren Adenauer und Kaiser, die Führer der Regierungsparteien und leider auch die Führer der SPD haben durch ihre Losungen und Parolen bei der letzten Landtagswahl, als sie zur Wahlenthaltung und Abgabe von weißen Zetteln aufriefen, den Separatisten zur Mehrheit im Parlament verholfen. So wie ihre antikommunistische Hetze, die Hetze gegen alles Fortschrittliche, den Herren in Washington hilft, so hilft sie im Saargebiet den Separatisten, die die treuesten Abnehmer des Bulletins und der Kaiser-Märchen sind. Wenn man sich wie der Herr Berichterstatter neuerdings auf die Sowjetunion beruft, sa kann man hier nur sagen, daß die Sowjetunion die einzige Macht war, die konsequent damals gegen die Annexion des Saargebiets aufgetreten ist. Deshalb, Herr Dr. Kopf: spät kommt ihr, aber ihr kommt!
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Niebergall ({0})': - Ich bin gerade zu Ende.
Nichts zeigt deutlicher den Bankrott der Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers als die Saarfrage. Das Saargebiet ist deutsch, und im Potsdamer Abkommen ist diese Tatsache anerkannt. Jede deutsche Politik hat davon auszugehen. Mit schönen Protesten und Reden ist nicht geholfen. Wer die deutschen Interessen an der Saar vertreten will, der muß eintreten für die beschleunigte Durchführung von Viermächteverhandlungen, für die Wiedervereinigung Deutschlands zu einem einheitlichen, demokratischen, friedliebenden und unabhängigen Staat, dessen unlösbarer Bestandteil das Saargebiet ist, der muß eintreten für einen Friedensvertrag, für freie, geheime, demokratische Wahlen in ganz Deutschland; denn nur dadurch wird den Deutschen an der Saar geholfen. Nur dadurch wird den Deutschen in Ost und West geholfen. Und gerade dieses Handeln dient den Deutschen, den Belgiern, Franzosen, Luxemburgern, kurzum: allen Völkern in dieser Welt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Becker.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube wohl im Namen aller Mitglieder dieses Hohen Hauses zu sprechen, wenn ich den Dank, den der Herr Präsident dem Herrn Berichterstatter hier ausgesprochen hat, noch einmal besonders unterstreiche. Wir danken für die ausgezeichnete Arbeit, die uns mit diesem Bericht vorgetragen wurde.
({0})
Ich erinnere mich dabei gern an eine 'besondere Besprechung im kleinen Kreis über dieses Problem, die Sie, Herr Berichterstatter, und noch einige wenige Deutsche in Paris im Frühjahr dieses Jahres gehabt und wo Sie damals auch diese Rechtsfragen in einer absoluten Klarheit vorgetragen haben. Dafür danke ich Ihnen auch hier noch einmal.
Nach der juristischen, staatsrechtlichen Seite hin unterschreiben wir alles, was Sie vorgetragen haben. Politisch nur noch einige Bemerkungen dazu: Erstens: Wenn von einer Europäisierung der Saar gesprochen worden ist, so möchte ich darauf hinweisen, daß damit nichts anzufangen ist, solange hinter dem Wort kein klarer Begriff steckt. Die Formulierung eines neuen Wortes ist nicht die Lösung eines Problems. Zweitens: Wenn Frankreich erklärt, daß es keine Annexion an der Saar wünscht, dann muß es auch den Anschein vermeiden, als ob ohne eine formelle Annexion Tatsachen geschaffen würden, die einer Annexion praktisch gleichkommen. Drittens: Keine deutsche Regierung wird jemals einer Ausklammerung des Saargebiets aus dem Gebiet des Deutschen Reichs zustimmen können. Daran muß festgehalten werden, und ich glaube, unsere französischen Nachbarn werden sich an diese Tatsache gewöhnen müssen. Viertens: Deutschland ist zweifellos bereit, wirtschaftliche Fragen, die sich aus der Verflechtung der Industrie an der Saar und in Lothringen ergeben, in einer Form zu lösen, die den Interessen beider Länder, aber auch den Interessen der deutschen Bevölkerung an der Saar zu dienen geeignet ist. Dazu gehört aber zunächst, daß Frankreich nun einmal - ich komme damit auch auf Besprechungen zurück, die wir drüben hatten, in Paris, in Straßburg -sagt, konkret, nicht in allgemeinen Wendungen, sondern klar, ziffernmäßig und deutlich sagt, was es in wirtschaftlicher Beziehung eigentlich wünscht, damit die deutsche Öffentlichkeit und ihre Vertreter hier im Parlament in der Lage sind, dazu in irgendeiner Form Stellung zu nehmen. Ohne derartige Angaben wird sich die Diskussion immer nur in allgemeinen Wendungen bewegen und Gefahr laufen, sich zu verhärten und in Formen zu geraten, die der Lösung der Dinge nicht zuträglich sind. Wir sind überhaupt der Meinung, daß diese Diskussion, da sie sich nun auf wirtschaftliche Fragen wird beschränken müssen, in Ruhe und Sachlichkeit verläuft. Sie muß aber auch in Freiheit verlaufen können. Und - das ist der letzte Punkt - die deutsche Bevölkerung an der Saar muß die Möglichkeit haben, in absoluter Freiheit und unter Ausnutzung aller bürgerlichen Rechte ihre Meinung zu diesem Punkt zu sagen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Eichler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir sind der Meinung, daß der Bericht des Herrn Dr. Kopf die Rechtslage außerordentlich klargestellt hat. Wir haben nicht den geringsten Grund zu irgendeiner Einwendung. Aber er hat ja selber erklärt - was jedem bekannt ist -, daß hier „Faktizität und Rechtlichkeit nicht übereinstimmen". D'a es sich ja 'hier im Bundestag nicht um
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eine Zusammensetzung von Personen handelt, die gerichtlich, rechtlich, juristisch zu entscheiden haben, wohin die Saar gehört, was dort zu geschehen hat, und da wir uns diese Aufgabe auch nicht anmaßen dürfen, haben wir uns die Frage zu stellen: Was kann geschehen, damit sich im Saargebiet die Faktizität etwas der Rechtlichkeit annähert? Das scheint uns das Problem zu sein, das auch in unserer Großen Anfrage ausgedrückt ist.
Damit will ich den Bericht des Herrn Dr. Kopf nicht verkleinern. Es ist trotzdem von Bedeutung, daß sich der Bundestag entschließt, seine rechtliche Erörterung und die rechtlichen Feststellungen hier zustimmend zur Kenntnis zu nehmen.
Kollege Becker hat gemeint, die Franzosen müßten doch endlich einmal deutlich sagen, was sie eigentlich wollen, und sie müßten sich an die Tatsache gewöhnen, daß wir rechtlich nicht mit dem einverstanden sind, was sie politisch an der Saar tun. Nun, ich habe den Eindruck, in Frankreich hat man sich an diese Tatsache längst gewöhnt, und man ist sicher bereit, das rechtliche Nichteinverstandensein der Deutschen mit den politischen Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und wahrscheinlich auf die Dauer ad acta zu legen, wenn dieses rechtliche Nichteinverstandensein nur praktisch mit einer politischen Kapitulation einhergeht. Davor, meine Damen und Herren, sollten wir uns in diesem Bundestag zu schützen suchen, dagegen sollten wir uns wehren, dazu sind wir hier zuständig.
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Es kann niemand deutlicher die Ziele Frankreichs an der Saar erklären, als Herr Bidault dies immer getan hat. Ich glaube, Kollege Kopf hat bereits zitiert, wie sich Herr Bidault einmal beschwert hat, er hätte vierzehnmal versucht, die Zustimmung der Alliierten zur Annexion des Saargebietes zu erhalten; das fünfzehnte Mal würde er es nicht tun. Das hieß nicht, daß er von da an darauf verzichten wollte, sondern daß er nun seine eigenen Wege gehen würde, ohne Rücksicht darauf, ob das anderen und insbesondere den Deutschen gefallen würde oder nicht.
Das zweite: Die Herausnahme der Ruhr aus der Kontrolle des deutschen Staates und die Annexion des Saargebietes ist in dieser simplen Brutalität von den Alliierten und auch auf der Moskauer Konferenz von 1947 nicht akzeptiert worden, weil man damals einen so eklatanten Bruch der Atlantikcharta noch nicht konzedieren wollte.
Nun, praktisch ist man in Frankreich beiden erheblich näher gekommen durch die Montanunion, durch den famosen sogenannten wirtschaftlichen Anschluß des Saargebiets an Frankreich und durch die politische Autonomie der Saar.
Dazu sollte man hier, da dieses Argument immer wieder, insbesondere auch gelegentlich von französischer Seite, zum Teil auch von deutscher Seite gebraucht wird, einmal erklären, daß die Behauptung, die Deutschen hätten den Krieg verloren, kein Argument ist im Streit um die Annexion des Saargebiets. Wir wissen natürlich, daß wir den Krieg verloren haben, und wir wissen, daß sich daraus für die Überlebenden eines Staates, der den Krieg verloren hat, gewisse Konsequenzen zur Liquidierung des Krieges und seiner Folgen ergeben.
Aber nirgendwo und insbesondere nicht in unserer modernen Zeit ist es zu verantworten, als Kriegsbeute 'Menschen zu nehmen. Äußerstenfalls läßt sich 'darüber streiten, ob man Sachen und welche und in welchem Ausmaß als Kriegsentschädigung und als Beute einsteckt. Aber daß man eine Million Menschen zusammen mit Kahle und Eisenbahnen nimmt, das ist nicht nur außerhalb der 'bestehenden formulierten Rechtsordnung, sondern insbesondere unter der Vorstellung jedes objektiven Rechts ein ganz unerträgliches Vorgehen.
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Selbstverständlich soll man nicht den Zustand der Welt nur danach beurteilen, was an der Saar geschieht. Wir wissen, sie ist nicht der Nabel der Welt und nicht das Zentrum aller Politik. Aber die Behandlung des Saargebiets ist ein Beispiel und, wie ich glaube, ein Beispiel, das in seiner schlechten Wirkung, die es ausübt, weit über die Beziehungen zwischen dem Saargebiet und Deutschland oder über die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Saargebiet hinausreicht. Sie ist geradezu ein test case für das, was heute überhaupt an europäischer Gesinnung in der Welt und vor allen Dingen in Europa vorhanden ist.
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Es ist unbestreitbar, daß die Bevölkerung im Saargebiet nicht demokratisch leben kann, daß sie dort terrorisiert wird. Der Streit, ob das im Osten noch schlimmer sei oder nicht, ist in diesem Fall müßig, denn es handelt sich hier nicht darum, festzustellen, daß es irgendwo noch schlimmer sein kann als im Saargebiet. Wir stellen fest, daß es dort schlimm genug ist verglichen mit dem, was die Völker, die sich im Europarat zusammengefunden haben, in eigenen Konventionen über die Menschenrechte zusammengestellt haben, denen sie gemeinsam zugestimmt 'haben.
Daraus folgt für 'uns: Die große Protestkundgebung, die der Bundestag im März 1950 bei dem Abschluß der ersten 'Konventionen zwischen Frankreich und der Saar 'durchgeführt hat, und alle weiteren Proteste rechtlicher Art entwerten sich, und zwar zunehmend, mit jedem Fall, in dem diesen rechtlichen Protesten keine politischen Schritte folgen.
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Wir werden sogar so weit kommen, die moralische. Macht eines rechtlichen Argumentes durch ein solches Verhalten zu entkräften. Wir alle kennen ja das zynische Wort aus der Zeit, als der Haager Schiedsgerichtshof den Litauern Wilna zusprach, worüber man damals sagte: Die Litauer haben recht und 'die Polen Wilna. Das ist eine so zynische Verachtung des Rechts, eine Handhabung und eine Aushöhlung des Rechtsbegriffes, die begünstigt werden, wenn rechtliche Proteste nicht gleichzeitig von politischen Handlungen begleitet werden.
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Wenn wir uns klarmachen, was bei 'den Verhandlungen des Bundeskanzlers mit der französischen Regierung über das Saargebiet herausgekommen ist, so haben wir eine ganze Skala von Gemütsbewegungen: den Absturz von höchster Freude bis zum tiefsten Leid. Er hat uns erklärt - alle paar Monate verschieden -, er sei in erfolgversprechenden Verhandlungen, die Verhandlungen seien sehr günstig angelaufen; dann wieder waren sie nicht ganz aussichtslos; schließlich, auf einem Höhepunkt seiner Verzweiflung, als ein Brief von Herrn Schuman ihn ganz besonders enttäuschte - und zwar mit Recht -, so daß er nicht einmal riskierte, ihn hier ganz vorzulesen; er habe festgestellt, daß kein
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europäischer Geist - oder nicht genug - in Frankreich herrsche. Alles das haben wir gehört.
Die größte Brüskierung nicht nur des Bundeskanzlers, sondern auch der ganzen deutschen Regierung war es, als vor einigen Monaten der Bundeskanzler in Paris anläßlich der Außenministerkonferenz fragte, ob etwas über die Abschlüsse der neuen Konventionen bekannt sei, und man ihm darauf „nein" sagte; er saß aber noch im Zuge nach Deutschland und war noch nicht ganz über die Grenze, da wurden die Konventionen bereits veröffentlicht.
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Nun ist es nicht unsere Sache, auf die Einhaltung der Protokollvorschriften zwischen der französischen und der deutschen Regierung zu achten. Wir glauben aber, es gehört zum Teil auch zum Ehrgefühl des deutschen Volkes, mit bestimmten Arten von Verhandlungen über ein politisches Problem, wie es das Saargebiet darstellt, Schluß zu machen.
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Wir haben schließlich gehört, die Lösung der Saarfrage würde durch den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und den Generalvertrag erleichtert werden. Das Gegenteil ist der Fall. Jetzt heißt es, Frankreich wird den EVG-Vertrag erst ratifizieren, wenn die Annexion der Saar durch die Deutschen anerkannt wird, wobei ich hier das Wort „Annexion" nicht als ein wörtliches Zitat der französischen Regierung gebrauche; sie hat nie davon gesprochen, sie hat es sogar bestritten, aber ich glaube, dieser Bundestag wird sich einig sein, daß es faktisch eine Annexion ist, was dort geschieht.
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In dieser Diskreditierung der europäischen Idee sollte man auch eine Aushöhlung unserer Proteste nach Osten hin sehen. Es ist grundsätzlich - grundsätzlich, ich wiederhole es - das gleiche, was im Osten und was im Westen geschieht.
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Wir möchten uns hier nicht auf die Diskussion einlassen, wie unbestritten es ist, daß der Terror im Osten viel stärker ist. Es geht hier um die rechtliche Behandlung der Frage, und gelöst werden kann beides nur, wenn man sich entschließt, festzustellen, daß nur in einem Friedensvertrag die Grenzen zu ziehen sind, und daß deshalb die vier Mächte über den Osten und auch über den Westen zu verhandeln hätten.
Nun möchten wir noch die Augen darauf lenken, daß es auch in Deutschland Stimmen gibt, die durchaus dem französischen Separatismus die Waage halten. Da gab es vor einiger Zeit, am
15. Juni, eine Diözesan-Kolpingstagung in Trier. Auf dieser Tagung hat Herr Wenger gesprochen, ein Mitarbeiter des hier schon häufig zitierten Blattes, bei dem man sich nur ungern entschließt, es „Rheinischer Merkur" zu nennen, weil die Ursprünge dieses Blattes vor einigen Jahrzehnten in erheblich andere Richtung wiesen, auch eine erheblich andere Gesinnung und einen anderen Charakter hatten. Immerhin, wir haben über den Namen von Zeitungen hier nicht zu entscheiden. In der „Saarländischen Volkszeitung" vom
16. Juni wird die Rede des Herrn Wenger vom „Rheinischen Merkur" sehr ausführlich wiedergegeben. Danach soll er gesagt haben, über die
Saar hätten die deutsche Bundesregierung und Deutschland manche Gelegenheiten verpaßt.
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Er protestiert dagegen, daß man einen so christlichen saarländischen Mann wie Herrn Hoffmann mit Herrn Grotewohl vergleicht, und er schlägt angesichts der großen Bereitwilligkeit der Franzosen vor, Deutschland brauchte nur auf die echte Zentralgewalt an der Saar zu verzichten - nur darauf braucht es zu verzichten, auf weiter nichts!! -, und er sei sicher, Frankreich würde keine Einwendungen dagegen erheben, daß die Saarländer kulturell im deutschen Kulturraum verbleiben.
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Das ist nun eine hervorragende Formulierung! Ich glaube, daß Frankreich in der Tat nicht dagegen protestieren wird, daß die saarländische Bevölkerung kulturell im deutschen Kulturraum verbleibt, was wahrscheinlich heißt, daß Herr Hoffmann auch in Zukunft christlich bleiben kann, wenn er dann auch ein christlicher Separatist sein muß.
Wenn wir europäische Gesinnung der jüngsten Zeit beurteilen wollen, dann ist eine einzige Tatsache aus den letzten Konventionen, die jetzt -Staatsverträge heißen, bedeutungsvoll. Es ist dort über die Nutzung und Benutzung von Gegenständen verhandelt worden, die weder dem Saargebiet noch Frankreich gehören, sondern der deutschen Bundesrepublik, und die deutsche Bundesrepublik
ist nicht einmal vorher gefragt worden, ob sie zu dieser Veräußerung oder dieser Behandlung ihres Eigentums irgend etwas zu sagen hätte. Die Hinnahme solcher Unredlichkeit hat aber nicht einmal dem Ziel des Bundeskanzlers gedient, das wir formal wohl alle hier bejahen: die Beziehungen zwischen Frankreich und Deutschland endlich auf ein vernünftiges und menschenwürdiges Maß zu bringen. Denn diese Unredlichkeit führt natürlich dazu, daß jeder andere politische Schritt der Französischen Republik mit Mißtrauen verfolgt wird, insbesondere die albernen Versuche, nachdem sich die Annexion durch den Namen „wirtschaftlicher Anschluß und politische Autonomie" nicht hat populär machen lassen, sie einfach durch die Umtaufe in das Wort „Europäisierung" als politischen „Fortschritt" anzubieten. Dazu kann man nur sagen: Das ist nur ein neuer Versuch der Roßtäuscherei und der Augenauswischerei.
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Wir möchten in aller Ruhe und Bestimmtheit feststellen, daß das, was die deutsche Bundesregierung in bezug auf das Saargebiet geglaubt hat, nämlich daß ihr Verhalten dort ein Umweg auf dem Wege nach Europa sei - und wir sind ganz sicher: es gibt manche Umwege, die die kürzesten Wege sind, wenn die direkten Wege nicht gangbar sind -, kein Umweg gewesen ist, sondern auf einen Holzweg geführt hat, auf dem sich die deutsche Bundesregierung in ihren Verhandlungen um das Saargebiet heute befindet.
Ich möchte zum Schluß kommen. In der Antwort, die der Herr Staatssekretär in Vertretung des Herrn Bundeskanzlers gegeben hat, haben wir etwas so Typisches gehört, daß es als Motto über unserer ganzen Saarpolitik stehen könnte: Bei den Mitgliedern des Ministerrates habe sich voraussehen lassen, daß keine Neigung bei ihnen bestand, die Beschwerden der deutschen Regierung zu diskutieren, deshalb habe die Bundesregierung nicht darauf bestanden!
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Nun, das hätte ich dem Herrn Bundeskanzler vorher sagen können, wenn er Zweifel daran gehabt hätte, ob Neigung bestehe, seine Beschwerden zu diskutieren! Das war immer klar. Wem sollte es denn Spaß machen, im Ministerrat solche Beschwerden über das Saargebiet zu diskutieren, wo er weiß Gott andere, viele und große Sorgen hat. Aber der Sinn der deutschen Politik mußte es sein, diesen Ministern entweder diese Neigung beizubringen oder als deutscher Bundeskanzler trotz der vorhandenen Abneigung darauf zu bestehen, daß dort Lebensinteressen der deutschen Nation diskutiert werden, vor allen Dingen, da er meint, nicht nur rechtlich damit auf der richtigen Seite zu stehen, sondern auch politisch dem allgemeinen Ziel zu dienen, endlich wieder einen erheblichen Schritt für Deutschlands Wiedervereinigung getan zu haben.
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Wir möchten deshalb die Bundesregierung ernstlich auffordern - ohne zu glauben, daß sie vielleicht morgen dieser Aufforderung nachkäme -, mit dieser Politik des Nachgebens, des Opferns der rechtlichen Notwendigkeiten gegenüber den bloßen Faktizitäten Schluß zu machen und im Europarat, im Ministerrat, ihre Mitarbeit zu verweigern, solange dieses Problem nicht wenigstens diskutiert wird.
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Auch die Bundesregierung sollte sich dann entschließen zu erklären, sie hätte keine Neigung, unter diesen Umständen andere Probleme zu diskutieren. Die Abneigung der Bundesregierung hätte dann genau so ins Gewicht geworfen werden müssen wie jede andere Abneigung. Hier geht es in der Tat um die Abwägung rechtlicher Interessen, nicht etwa um irgendeine bloße Machtpolitik; um so besser und um so sauberer wäre das Gewissen aller Deutschen und auch der Bundesregierung in dieser Frage. Wir haben nicht den geringsten Anlaß, auf irgend etwas zu verzichten oder uns zu schämen, nur weil wir auf etwas bestehen, was den anderen zugegebenermaßen unangenehm ist. Dafür können wir nichts; außerdem haben die Deutschen genug zu tun, was ihnen unangenehm ist.
Wir werden jedenfalls darauf bestehen, daß die Rechte der Bevölkerung hinter und vor dem Eisernen Vorhang und hinter und vor dem Seidenen Vorhang gewahrt werden und daß mit eiserner Kraft versucht wird, politisch die Diskrepanz zwischen Faktizität und Rechtlichkeit in Ordnung zu bringen. Wir werden weder unsere Volksgenossen im Osten noch im Westen bei diesem Kampf um demokratische Freiheiten und Rechte im Stich lassen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 4436. Wer für die Annahme des Ausschußantrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe angenommen.
({0})
Damit ist die gestrige Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 1 der heutigen Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 über Deutsche Auslandsschulden;
des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verschuldung Deutschlands aus Entscheidungen der deutsch-amerikanischen Gemischten Kommission;
des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung der Ansprüche der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe ({1});
des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung der Verbindlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika aus der Lieferung von Überschußgütern an Deutschland;
des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und Ihrer Majestät Regierung im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die Regelung der Ansprüche des Vereinigten Königreichs aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe;
des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über die Regelung der Ansprüche der Französischen Regierung aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe;
des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die Erstattung der Aufwendungen in Verbindung mit dem Aufenthalt deutscher Flüchtlinge in Dänemark von 1945 bis 1949 ({2}); Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses „Londoner Schuldenabkommen" ({3}) ({4}),
({5});
b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Abkommens über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 ({6}); Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses „Londoner Schuldenabkommen" ({7}) ({8}), ({9});
c) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die innerdeutsche Regelung von Vorkriegsremboursverbindlichkeiten ({10}); Mündlicher Bericht des Sonderausschusses „Londoner Schuldenabkommen" ({11}) ({12}), ({13}).
Es handelt sich um einen Komplex von Gesetzen, die alle mit dem Abkommen vom 27. Februar 1953 über die deutschen Auslandsschulden zusammenhängen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Gesamtaussprachezeit von 90 Minuten für alle Punkte vor. Wir haben bei diesen Gesetzentwürfen eine ganze Reihe von Berichten entgegenzunehmen, allein zu Punkt 1 a haben wir als Berichterstatter die Herren Abgeordneten Dr. Wellhausen, Dr. Gülich, Dr. Hoffmann ({14}), Neuburger und Dr. Köhler, zu Punkt 1 b Herrn Abgeordneten Neuburger. Wer soll zu Punkt 1 c Bericht erstatten? - Herr Dr. Semler.
Ich schlage ihnen vor, daß wir zunächst die Berichte zu i a, b und c anhören und daß wir dann
- abweichend von dem üblichen Verfahren - die allgemeine Aussprache, die sonst in dritter Lesung stattzufinden pflegt, schon in zweiter Lesung vornehmen; daß wir dann die zweite Lesung im Wege der Einzelberatung durchführen und uns auch bei der dritten Lesung auf die Einzelberatung und auf die Abstimmung beschränken. Ist das Haus mit dieser Prozedur einverstanden?
({15})
- Dann bitte ich Herrn Abgeordneten Dr. Wellhausen um die Berichterstattung.
Dr. Wellhausen ({16}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Gewicht,, das diese Angelegenheit nicht nur in finanzieller, sondern auch in politischer Hinsicht hat, erscheint es mir doch richtig - auch um Ihnen die Anwendung des Schriftlichen Berichts*), den Sie ja in Händen haben, zu erleichtern -, mit wenigen Worten auf die wichtigsten Punkte hinzuweisen, die dieser Bericht, der ja selbstverständlich sehr allgemein gehalten ist, herausholt.
Das Abkommen von London ist am 27. Februar 1953 unterzeichnet worden. Sie können aus dem Abkommen, wenn Sie es durchgelesen haben, entnehmen, daß seine Anlagen Bestandteil des Abkommens selbst sind, so daß auch sie mit der Ratifizierung unmittelbare Rechtskraft für die betroffenen deutschen Schuldner erhalten. Ich habe nicht die Absicht, Ihnen eine Fülle von Zahlen über die durch das Abkommen und seine Anlagen neu zu regelnden Vorkriegsverbindlichkeiten zu servieren; aber es will mir doch nötig erscheinen, Sie auf die Ausführungen des Berichts, den Sie in Händen haben, hinzuweisen, die die erheblichen Ermäßigungen betreffen, die erzielt worden sind.
Daran anschließend möchte ich bemerken, daß die vom Abkommen erfaßten Vorkriegsschulden, die zum größten Teil längst überfällig sind, einschließlich der rückständigen Zinsen nicht sofort bezahlt werden müssen. Vielmehr haben die Gläubiger zugestanden, daß sie langfristig fundiert werden. Darüber hinaus sind die rückständigen und die laufenden Zinsen wesentlich ermäßigt.
Ich glaube in diesem Zusammenhang noch erwähnen zu sollen, daß die Goldklausel bei Fremdwährungsverbindlichkeiten völlig in Wegfall gekommen ist. Die Zahlungen sollen statt dessen auf
*) Siehe Anlage 1 Seite 14020
der Grundlage des dem Gold gegenüber abgewerteten Dollars und gegebenenfalls des Schweizer Franken erfolgen.
Ich mache in meinem Bericht einen großen Sprung und komme mit einem Satz auf das zu sprechen, was von der Regelung durch das Londoner Schuldenabkommen ausgenommen ist, nämlich die aus dem ersteh Weltkrieg herrührenden Regierungsforderungen gegen Deutschland und - das ist sicher wichtiger - die aus dem zweiten Weltkrieg herrührenden Forderungen von Staaten oder deren Staatsangehörigen gegen das Reich oder im Auftrage des Reiches handelnde Stellen oder Personen. Hier finden Sie einen alten Bekannten wieder, nämlich die Reparationsansprüche gegen das Reich einschließlich der während der deutschen Besetzung oder während des Krieges mit Deutschland auf Verrechnungskonten erworbenen Guthaben sowie die Forderungen gegen die Reichskreditkassen, diese Einrichtung, die der liebe Gott im Zorn geschaffen hat. Die Geltendmachung dieser Ansprüche wird in Anlehnung an die entsprechenden Klauseln des Deutschland-Vertrags bis zur allgemeinen Regelung der Reparationsfrage zurückgestellt, mit der Erweiterung allerdings, daß hieran außer den drei Mächten auch die übrigen dem Londoner Abkommen beitretenden Staaten - das ist j a eine ganz große Zahl - gebunden sind.
Darüber hinaus - und es will uns richtig erscheinen, daß dies hier in diesem Bundestag vor aller Öffentlichkeit ausgesprochen wird - hat die deutsche Delegation den drei Mächten in London erklärt, daß sie den dort vereinbarten Schuldendienst nicht werde erfüllen können, wenn über die bisher geleisteten gewaltigen Reparationen hinaus weitere Ansprüche dieser Art gegen die Bundesrepublik geltend gemacht werden sollten.
Diese Erörterung führt mich in meinem Bericht zwangsläufig an die Frage des deutschen Auslandsvermögens heran. Ich möchte darauf hinweisen, daß der Verrechnung von Liquidationserlösen aus dem deutschen Auslandsvermögen mit deutschen Auslandsschulden von den Vertretern der drei Mächte zu unserem sehr großen Bedauern nicht stattgegeben worden ist, obwohl die deutsche Delegation das mehrfach und nachdrücklich gefordert hat. Lediglich im Stillhaltekomplex, also in einem wertmäßig verhältnismäßig sehr geringen Komplex haben die privaten englischen Gläubiger trotz Widerspruchs ihrer Regierung eine Verrechnung im Rahmen der sogenannten Ex-gratia-Ausschüttung zugestanden. Die Vertreter der drei . Mächte haben bedauerlicherweise die Regelung der Auslandsvermögensfrage abgelehnt, weil dieses Problem, da es zum Reparationskomplex gehöre - was ich Ihnen schon mit zwei Sätzen klarzumachen versucht habe -, nicht in die Zuständigkeit der Schuldenkonferenz falle. Die drei Mächte haben sogar unmißverständlich zu erkennen gegeben, daß sie nicht bereit seien, eine von der Bundesrepublik Deutschland ausgearbeitete Note zur Frage des Auslandsvermögens oder auch nur eine Erklärung des Leiters der deutschen Delegation, des Herrn Abs, in öffentlicher Sitzung entgegenzunehmen. Sie haben vielmehr zum Ausdruck gebracht, daß im Falle der Abgabe einer solchen Erklärung die schwerwiegendsten Folgen für das Gelingen der Gesamtkonferenz eintreten würden.
Man kann diese Dinge nicht erörtern, ohne einen Blick auf den Deutschlandvertrag zu werfen, in dem ja unter Teil 6 der Bundesrepublik die Be({17})
fugnis eingeräumt werden sollte - und hoffentlich auch noch soll -, unter bestimmten Voraussetzungen mit anderen Ländern Vereinbarungen über die deutschen Auslandswerte zu treffen. Ich selbst habe die Ehre, sagen wir: weniger die Ehre als die schwere Aufgabe gehabt, Ihnen über diesen Teil des Deutschlandvertrags hier zu berichten. Demgemäß ist auch im Ausschuß eine sehr lebhafte Diskussion gerade deswegen entstanden, weil von einigen Seiten geltend gemacht wurde, daß der Deutschlandvertrag in absehbarer Zeit kaum in Kraft treten werde und daß deshalb wenigstens die dort vorgesehene Verhandlungsbefugnis über das Auslandsvermögen noch mit dem Schuldenabkommen verknüpft werden sollte, da andernfalls das Abkommen als einseitige Belastung des Bundes angesehen werden müsse. Mein Freund Pfleiderer, Mitglied des Ausschusses, wird gelegentlich der dritten Lesung - wir sind in der zweiten - Veranlassung nehmen, über diese Dinge noch ausführlich zu sprechen und Ihnen, nachdem er ein besonderer Sachkenner ist, einen Vorschlag unterbreiten, den der Ausschuß in sehr langwierigen und hartnäckigen Beratungen mit großer Mehrheit erarbeitet hat, um ihn bei dieser dritten Lesung zum Beschluß zu erheben. Ich nehme mir also die Freiheit, diesen Punkt unter Verweisung auf die Ausführungen des Herrn Pfleiderer hiermit abzuschließen.
Es kann niemanden verwundern, daß besonders eingehend der Art. 25 des Abkommens erörtert worden ist, in dem von der Anpassung der Schuldenregelung bei der Wiedervereinigung Deutschlands die Rede ist. In dieser Vorschrift wird festgelegt, daß zusätzliche Leistungen der unter das Abkommen fallenden privaten Schuldner im Falle der Wiedervereinigung nur dann in Betracht kommen, wenn diese Schuldner mit Rücksicht auf ihre Verluste in den Ostgebieten von den Gläubigern besondere Zugeständnisse erhalten haben. Bei den öffentlichen Schulden bleibt es dagegen bei den von mir bereits in meinem Bericht erwähnten Leistungen an bestimmten rückständigen Zinsen, die im Falle der Wiedervereinigung erbracht werden müssen; es würde sich hier um einen zusätzlichen Betrag von rund 1 Milliarde DM handeln. Lediglich bei den Schulden des Staates Preußen, bei denen die seit dem 1. Januar 1937 fällig gewordenen rückständigen Zinsen bis zur Wiedervereinigung mit den außerhalb der Bundesrepublik liegenden Gebietsteilen Preußens mit der Bundesrepublik gestundet sind, ist nach der Wiedervereinigung mit den Gläubigern neu zu verhandeln. Soviel zu dem Art. 25, dessen Formulierung von uns nicht beanstandet worden ist.
Ich übergehe das Kapitel der Schiedsgerichtsbarkeit und stelle es Ihrer .Aufmerksamkeit anheim, meine Ausführungen im Schriftlichen Bericht hierüber nachzulesen.
Ich darf einen Satz sagen über den Stand der Beratungen in den anderen Ländern, die an diesem Abkommen beteiligt sind, und beschränke mich auf die drei großen Mächte. Die britische Regierung und die französische Regierung haben das Abkommen bereits genehmigt. Abgesehen von uns, die wir heute dabei sind, steht nur noch die Genehmigung des Abkommens durch den Senat der Vereinigten Staaten aus, vor dem die Verhandlungen am 17. Juni dieses Jahres begonnen haben.
Vielleicht vermissen Sie einige wenige Worte über die Transferklausel bzw. über die Transferverpflichtung, und ich will Ihre Wißbegierde darüber gern auch noch mündlich befriedigen. Es handelt sich hier um die Regelung alter Verbindlichkeiten. Eine unbedingte Verpflichtung hinsichtlich der Bezahlung und des Transfers ihrer eigenen Verbindlichkeiten sowie hinsichtlich des Transfers für die öffentlichen und privaten Schulden war infolgedessen für die Bundesrepublik - das erkennt der Ausschuß, ich darf wohl sagen, einstimmig an - eine Selbstverständlichkeit. Diese Zahlungs- und Transferverpflichtung ist in Art. 6 des Abkommens niedergelegt. Ohne eine solche Bestimmung wäre das Ziel der Konferenz, nämlich die Wiederherstellung der deutschen Kreditwürdigkeit - ein Ziel, das der Leiter der deutschen Delegation dem Ausschuß als nicht nur erstrebenswert, sondern auch als weitgehend erreicht sehr oft und eindringlich und sehr überzeugend dargelegt hat -, nie erreicht worden.
Auf der anderen Seite haben nun aber die Gläubiger - was vielleicht als ein Novum in der Geschichte von Schuldenregelungen festgehalten werden darf - einen Mechanismus der Beratung zugestanden für den Fall, daß sich die Bundesregierung während des Laufes des Abkommens in der Erfüllung vor Schwierigkeiten gestellt sehen sollte. Dieses Beratungsverfahren ergibt sich aus Art. 34, den ich Ihrer besonderen Aufmerksamkeit empfehlen möchte. Die Beratung nach Art. 34 kann auf Beschluß der hieran beteiligten Parteien zur Ein' holung des Rates geeigneter internationaler Organisationen oder anderer unabhängiger Sachverständiger führen. Damit würde praktisch, nicht theoretisch, das Menschenmögliche für eine objektive Beurteilung der zur Beratung stehenden Probleme gewährleistet sein.
Zusätzlich zu dieser Konsultativklausel - ich verweise noch einmal auf Art. 34 des Abkommens - wirken nun die Beratungsklauseln, die in dem Abkommen über die Nachkriegswirtschaftshilfe enthalten sind. Sie besitzen ja einen ausführlichen Bericht über die Nachkriegswirtschaftshilfe, von der ich in meinem Generalbericht bisher nicht gesprochen habe. Da ist nun wieder von besonderer, Wichtigkeit die Beratungsklausel, die mit den USA vereinbart werden konnte; denn mit ihr sind Möglichkeiten für die Erleichterung oder Beseitigung etwaiger Transferschwierigkeiten gegenüber dem Dollarraum gegeben. Ich mache darauf aufmerksam, daß die in Dollar zu erfüllenden Verbindlichkeiten dieser Kategorie - ich spreche von den Nachkriegsschulden - während der ersten fünf Jahre 126 Millionen DM jährlich und von 1958 ab fast das Doppelte, nämlich 240 Millionen DM jährlich betragen.
Die beiden Klauseln im Abkommen und in der Nachkriegswirtschaftshilfe decken sich nicht völlig. Diejenige des Nachkriegsabkommens geht insofern weiter als 'Art. 34 des Abkommens, als dort ausdrücklich von der Möglichkeit der Stundung von Zins- oder Tilgungsraten sowie von der Änderung der Vorschriften des Nachkriegsabkommens schlechthin die Rede ist.
Ich glaube mich auch in dieser Beziehung auf das Wesentlichste beschränken zu dürfen und beschränkt zu haben.
Nach der bisherigen Entwicklung der Zahlungsbilanz der Bundesrepublik ist, ohne daß wir auch nur im entfernten Propheten sein wollen, wenn wir das sagen, für eine menschlich absehbare Zeit kaum mit der Notwendigkeit zu rechnen, von den
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Beratungsklauseln Gebrauch zu machen. Dies gilt bestimmt - und heute, wenn ich das sage, haben wir den 2. Juli 1953 - für den EZU- und für den Dollarraum und ebenso für die Verpflichtungen gegenüber den sogenannten Verrechnungsländern. Betrachtet man überdies das Verhältnis der zu transferierenden Annuitäten zu dem derzeitigen Gesamtvolumen unseres Exports, unseres Außenhandelsvolumens schlechthin, so kommt man zu dem Ergebnis - und so weit möchte ich gehen -, daß auch bei ungünstigerer Entwicklung der deutschen Zahlungsbilanz Schwierigkeiten für die deutsche Versorgung oder im Hinblick auf sonstige wichtige deutsche Belange wegen der zu erbringenden Schuldenzahlung aus dem Londoner Schuldenabkommen kaum entstehen. Andererseits - und die Sache hat zwei Seiten - dürften schwerwiegende Schäden für die deutschen Außenhandelsbelange, vor allem in Zeiten erhöhten internationalen Konkurrenzkampfes - und in solchen Zeiten leben wir -, und ebenso für die finanziellen Bedürfnisse der westdeutschen Gesamtwirtschaft kaum ausbleiben, wenn wir nicht mit der rechtzeitigen Ratifizierung des Londoner Schuldenabkommens dartun, daß wir zu den einmal eingegangenen Auslandsverbindlichkeiten auch tatsächlich stehen.
Aus diesem Grunde und aus manchem anderen empfiehlt Ihnen die Mehrheit des Ausschusses zur Beratung des Londoner Schuldenabkommens, dem gesamten Vertragswerk zuzustimmen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur weiteren Berichterstattung erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Gülich.
Dr. Gülich ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auf wenige Bemerkungen beschränken, damit Sie über die Größenordnungen, mit denen wir hier zu tun haben, Bescheid wissen. Ich habe in meinem Schriftlichen Bericht *), Nachtrag zu Drucksache Nr. 4568, auf Seite 7 eine Zusammenstellung der öffentlichen Vorkriegsschulden**) vorgenommen, die ich dem Einzelstudium empfehle. Diese Daten basieren auf den Dokumenten selbst und auf Unterlagen der Bundesschuldenverwaltung. Das ausstehende Kapital der öffentlichen Vorkriegsschulden hat einen D-Mark-Gegenwert von rund 2,5 Milliarden. Die gesamten in der Londoner Schuldenkonferenz geregelten deutschen Schulden belaufen sich auf rund 13 Milliarden DM Kapitalbeträge und rund 1,5 Milliarden DM an den Kapitalbeträgen zuzuschlagenden rückständigen Zinsen. Dabei interessiert, wieviel davon auf die öffentlich en Vorkriegsschulden entfällt. Ich kann es nicht ganz genau sagen. Es entfallen von den Vorkriegsschulden einschließlich der Nachkriegsschulden 74,5 % auf die öffentliche Hand, insbesondere auf den Bund, und zwar derart, daß den größeren Anteil die Nachkriegsschulden ausmachen. Genauere Angaben über die Aufgliederung konnte ich vor der Drucklegung nicht mehr machen.
Es interessieren noch die Jahresleistungen der Bundesrepublik aus Vor- und Nachkriegsschulden. Sie belaufen sich für die ersten fünf Jahre auf
*) Siehe Anlage 1 Seite 14024 B **) Siehe Seite 14025
567 Millionen DM, und ab 1958 sollen sie 765 Millionen DM jährlich betragen. Während der ersten fünf Jahre nach Abschluß des Abkommens entfallen dabei auf die Bedienung der gesamten Vorkriegsschuld, also der öffentlichen und der privaten Auslandsschulden, 340 Millionen DM, von 1958 ab 360 bis 380 Millionen DM pro Jahr.
Im übrigen dürfte sich diese Materie für die mündliche Darlegung im Plenum nicht eignen. Ich verweise deshalb auf den Schriftlichen Bericht.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und erteile das Wort zur weiteren Berichterstattung dem Abgeordneten Dr. Hoffmann ({0}).
({1}) und verzichtet auf
mündliche Erläuterungen!)
- Ich stelle fest, daß auf eine mündliche Berichterstattung verzichtet wird. Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
({2})
- Auch der Abgeordnete Neuburger verzichtet auf Berichterstattung und verweist auf den Schriftlichen Bericht**). Das Haus ist einverstanden. Dasselbe wird dann auch wohl von Ihnen gelten, Herr Abgeordneter Dr. Köhler?
({3})
- Dann ist die Berichterstattung zu lit. a abgeschlossen.
Nunmehr rufe ich auf zur Berichterstattung zu lit. b:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Abkommens über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953 ({4}); Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses „Londoner Schuldenabkommen" ({5}) ({6}). ({7})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter neuburger. Wird auch hier verzichtet?
({8})
- Ist das Haus damit einverstanden, daß der Herr Berichterstatter sich mit der Verweisung auf seinen Schriftlichen Bericht****) begnügt? - Das Haus ist einverstanden. Damit ist die Berichterstattung zu diesem Teilpunkt erledigt.
Nun zu lit. c:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die innerdeutsche Regelung von Vorkriegsremboursverbindlichkeiten ({9});
Mündlicher Bericht des Sonderausschusses „Londoner Schuldenabkommen" ({10}) ({11}).
({12})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Semler. Hier wird der Bericht wohl mündlich erstattet werden müssen. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Dr. Semler.
*) Siehe Anlage 1 Seite 14027 B **) Siehe Anlage 1 Seite 14027 C ***) Siehe Anlage 1 Seite 14028 A ****) Siehe Anlage 2 Seite 14031
Dr. Semler ({13}), Berichterstatter: Herr Präsiden! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf Drucksache Nr. 4626 über die innerdeutsche Regelung von Vorkriegsremboursverbindlichkeiten befaßt sich mit einem Kreis von Industrie- und Handelsfirmen, die durch das Londoner Schuldenabkommen in besonderer Weise betroffen sind, den sogennannten Remboursschuldnern. Der Bundesrat hat bei der Beratung der Vorlage beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, eine Entscheidung hinsichtlich der Behandlung der Remboursschuldner bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs herbeizuführen. Dabei sollte nach Ansicht des Bundesrates von der Bundesregierung geprüft werden, ob die Angelegenheiten im Rahmen 'des vorliegenden Gesetzentwurfs oder in anderer Weise zu regeln sind.
Der von Ihnen eingesetzte Sonderausschuß hat sich mit dieser Frage befaßt und zunächst festgestellt, daß eine Regelung dieses Sonderproblems im Rahmen des großen Gesetzes nicht tunlich sei. Er hat die Möglichkeit der besonderen gesetzlichen Regelung geprüft und bei dieser Gelegenheit die Sachverständigen ,der verschiedensten Gebiete, nicht nur des Ein- und Ausfuhrhandels und der Industrie, sondern auch des Bankgewerbes eingehend gehört. Es ist dann zu dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf gekommen.
Zur Frage selbst darf ich bemerken, daß es sich im vorliegenden Falle nicht etwa um eine Entschädigung handeln soll, die einem Kreise Betroffener gewährt werden soll. Der Grundgedanke ist der, daß durch die besonderen Bedingungen des Londoner Schuldenabkommens dieser Kreis Betroffener möglicherweise in eine ungemein schwierige Lage geraten könnte. Da es sich um eine . größere Anzahl von Firmen handelt, die teilweise nicht übermäßig kapitalstark sind, zum Teil sogar als kapitalschwach angesehen werden müssen, würde die mögliche Folge die sein, daß ein großer Teil dieser Firmen sich der Vertragshilfe bedienen müßte, ja daß unter Umständen eine größere Anzahl kleinerer Firmen in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Volkswirtschaftlich besteht ohne Zweifel ein Interesse daran, daß diese Firmen, auch wenn es sich um kleinere Importfirmen handelt, für die Ein- und Ausfuhrwirtschaft erhalten bleiben, da ihre Erfahrung, ihr Wissen, ihr Können und ihre Verbindungen für den Außenhandel von Bedeutung sind. Wir haben uns bemüht, eine Regelung zu finden, die diesem besonderen Umstand Rechnung trägt.
Ich darf erläutern, daß es sich bei den Remboursschuldnern um zwei Kategorien handelt, um solche Firmen, die zum Zwecke der Finanzierung der Einfuhr unmittelbar 'bei einer ausländischen Bank Rembourskredite in Anspruch genommen haben, und um solche Firmen, die ebenfalls bei einer ausländischen Bank, aber unter Einschaltung eines 'deutschen Bankinstituts derartige Kredite aufgenommen haben. Das erste sind die sogenannten Direktschuldner, wie sie im Gesetz bezeichnet werden, das andere die Zweitschuldner.
Zahlenmäßig gesehen ist das Gesamtvolumen dieser 'Verbindlichkeiten folgendes. Bei den sogenannten Direktschuldnern, die durch die Kriegsereignisse von 1939 und der folgenden Zeit in die Schwierigkeit geraten sind, daß sie diese Kredite
nicht mehr termingemäß abdecken konnten, belaufen sich diese auf einen Betrag, der zwischen 10 und 12 Millionen DM liegt. Bei den sogenannten Zweitschuldnern, also denjenigen Firmen, die über deutsche Banken diese Kredite in Anspruch genommen haben, handelt es sich um einen Gesamtbetrag zwischen 100 und 110 Millionen DM.
Es kann sich nicht darum handeln, in diesen Größenordnungen durch dieses Gesetz eine Ordnung zu schaffen. Erstens hat sich ein großer Teil der beteiligten Firmen in der Zwischenzeit mit den beteiligten Banken in irgendeiner Weise arrangiert, sei es, daß sie die Kredite zurückgezahlt haben, sei es auf andere Weise. Zweitens ist damit zu rechnen, daß ein weiterer Teil dieser Firmen sich künftig hinsichtlich der Remboursschulden arrangieren wird. Drittens ist es nicht der Sinn dieses Gesetzes, generell Erleichterungen für die Rückzahlung dieser Kredite zu schaffen, sondern es soll eine ausgesprochene Hilfsstellung gewährt werden. Infolgedessen scheiden für die Inanspruchnahme der Möglichkeiten dieses Gesetzes alle die Firmen aus, die nach ihrem Status per 31. Dezember 1952 in der Lage sind, diese Kredite zurückzuzahlen, denen mit anderen Worten die Erfüllung der Verbindlichkeiten zugemutet werden kann. Lediglich diejenigen Firmen, denen diese Erfüllung im Rahmen des Londoner Schuldenabkommens und seiner Auswirkungen nicht zugemutet werden kann, ahne daß sie in ihrer Existenz mehr oder weniger gefährdet werden, werden von dem vorliegenden Gesetz umfaßt. Dabei ist eine ganze Reihe erschwerender Bedingungen durch das Gesetz vorgesehen. Zum Beispiel kommen keine Firmen in Frage, deren Gesamtvermögen höher als 1 Million DM ist. Notwendig ist ferner, daß der Vergleich des Gesamtvermögens vom 31. Dezember 1952 mit der Reichsmark-Schlußbilanz erbringt, daß nur noch ein Drittel des Gesamtvermögens vorhanden ist und daß endlich die Remboursverpflichtungen mehr als die Hälfte ides vorhandenen Kapitals darstellen.
Im übrigen soll nicht jede Remboursverpflichtung, die vor 1939 eingegangen worden ist, ohne weiteres unter dieses Gesetz fallen. Der § 3 sieht vielmehr vor, daß die Möglichkeit nur dann gegeben sein soll, wenn der Einführer von der zuständigen Reichsstelle zur Einfuhr dieser Waren unter Inanspruchnahme von Valuta-Krediten angehalten wurde, wenn die zuständige Reichsstelle die Bereitstellung der Devisenbeträge bei Fälligkeit verbindlich zugesagt hat und endlich, wenn der Einführer die eingeführte Ware, falls sie in seinen Besitz gekommen ist, bis zum 8. Mai 1945 gegen Reichsmark verkauft hat. Es soll also nicht etwa auch derjenige in den Genuß des Gesetzes kommen, der die Waren gehortet hat, der die Waren über das Jahr 1945 hinaus behalten konnte.
Da uns der Bundesminister der Finanzen hat wissen lassen, daß aus Mitteln des Haushalts für diesen Zweck keine Gelder zur Verfügung ständen, ist eine Lösung in diesem Gesetz vorgesehen, die über die Lastenausgleichsbank die Bereitstellung der Mittel ermöglicht. Diese Frage ist im Ausschuß sehr eingehend erörtert worden. Wir haben uns entschlossen, auch dem Bankgewerbe ein zusätzliches Opfer zuzumuten, indem wir vorschlagen, daß die Banken, insoweit sie von ihren
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Zweitschuldnern nun nicht mehr die Bezahlung der vollen Remboursbeträge erhalten, dafür Ausgleichsforderungen in Empfang zu nehmen haben. Sicherlich ist das kein für die Banken übermäßig angenehmer Tausch, denn sie handeln 3%ige ewiglaufende Ausgleichsforderungen gegen eine Forderung ein, die sie, jedenfalls bei der ReichsmarkUmstellung noch, als vollwertig ansehen konnten. Immerhin darf man nicht vergessen: wenn dieses Gesetz nicht gemacht würde, dann würde eine große Anzahl der hier betroffenen Firmen die Vertragshilfe in Anspruch nehmen müssen. Geschähe das und würde wegen der Vertragshilfe die Forderung herabgesetzt, dann müßten die Banken nach bestehendem Recht auch ohne Widerspruch Ausgleichsforderungen entgegennehmen. Wie gesagt: da ein Teil der Remboursschuldner ohne Zweifel auch künftig voll in bar die Verpflichtungen bei den deutschen Banken abdecken wird und da der andere Teil, wenn er die Vertragshilfe in Anspruch nähme, den Banken auch nichts anderes mehr als Ausgleichsforderungen bieten könnte, so bleibt in der Mitte ein gewisser Rahmen, der für die Banken ohne Zweifel lästig ist. Die Banken werden aber auf diese Weise hier einer Notlage, die zweifellos gegeben ist, ihrerseits Rechnung tragen und ihren Beitrag leisten können.
Wir dürfen wohl annehmen, daß sich das Bankgewerbe mit dieser Lösung, so wie sie jetzt vorliegt, vor allem angesichts der finanziellen Grenzen einverstanden erklären wird. Für die Lastenausgleichsbank muß selbstverständlich Vorsorge getroffen werden, daß die Finanzierung, die sie im Rahmen ihrer Satzungen für diesen Zweck ja vornehmen kann, bonitätsmäßig kein Risiko bedeutet. Zu diesem Zweck schlägt der Gesetzentwurf vor, daß der Bundesminister der Finanzen Sicherheitsleistungen bis zum Höchstbetrag von 12 Millionen DM übernehmen darf.
Hinsichtlich der Liquidität gehen wir davon aus - das steht natürlich nicht in dem Gesetz -, daß im Falle liquiditätsmäßiger Bedürfnisse die Lastenausgleichsbank von den Landeszentralbanken und von der Bank deutscher Länder, wenn sie dieser Hilfsaktion in dieser Form beitritt, entsprechende Entlastung findet.
Ich habe Ihnen nur die wesentlichsten Punkte dieses Gesetzentwurfs vorgelegt. Die Fraktion der Föderalistischen Union hat sich diesem Antrag angeschlossen. Der Ausschuß hat die Vorlage gestern beraten. Zu der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 4626 sind einige rein redaktionelle textliche Berichtigungen notwendig, die in der Drucksache Nr. 4631 aufgeführt sind. Der Ausschuß schlägt Ihnen mit seiner Mehrheit vor, dem vorliegenden Gesetzentwurf mit den Änderungen in Drucksache 4631 Ihre Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Damit ist die Berichterstattung zu allen drei Teilen dieses Punktes der Tagesordnung erledigt.
Wir treten in die zweite Beratung ein und beginnen, wie vorher vereinbart, mit der allgemeinen Aussprache, die also nicht erst in der dritten, sondern schon in der zweiten Beratung stattfinden wird.
Wortmeldungen? - Das Wort hat der Abgeordnete Luetkens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine deutsche Delegation hat fast zwei Jahre lang über eine Regelung der Vor- und Nachkriegsschulden in London verhandelt. Sie hat das offenbar mit Beharrlichkeit, Geschick und auch mit Sachkenntnis getan. Der Herr Bundeskanzler hat ihr in der ersten Lesung den Dank der Bundesregierung ausgesprochen. Wir haben es hier in diesem Hohen Hause nicht mit der deutschen Delegation zu tun, sondern mit der Haltung der Bundesregierung, die der deutschen Delegation für diese Schuldenkonferenzen die großen politischen Richtlinien zu geben hatte. Schon in der ersten Lesung hat mein Freund Professor Gülich gefragt, ob die Art, in der die Bundesregierung eine so folgenschwere Angelegenheit durch die gesetzgebenden Körperschaften zu erledigen versuche., der Sache und der Verantwortung gerecht werde, die dieses Hohe Haus in diesem Falle zu tragen hat.
Der weitere Ablauf der Dinge hat unsere Zweifel bestärkt. Der Sonderausschuß konnte infolge des Schwalles von 'Gesetzesanträgen, mit denen die Regierung dieses Hohe Haus bedenkt, erst am 8. Juni und unter großer Zeitnot zusammentreten. Er hat seine Beratungen zu dieser Materie erst vor wenigen Tagen, ich glaube sogar erst gestern abend beenden können. Das federführende Ressort, das Auswärtige Amt, war zunächst im Ausschuß überhaupt nicht verantwortlich vertreten.
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Dazu kam, daß dem Ausschuß erst am 17. Juni das Ausführungsgesetz, ein sehr umfangreiches Gesetz von wieder 146 Druckseiten, zusätzlich zur Bearbeitung zugeleitet wurde. Es war technisch in keiner Weise vorbereitet, jedenfalls in durchaus ungenügender Weise. Noch während der Beratungen im Ausschuß und nach dem ersten Durchgang durch den Bundesrat hatte die Ministerialbürokratie ein weiteres Konvolut mit Änderungsvorschlägen, insgesamt wieder 26 Seiten, auf den Tisch des Hauses gelegt.
Ich glaube, keines der Ausschußmitglieder hat die Arbeiten in der Überzeugung abgeschlossen, der sachliche Inhalt des Vertragswerks sei in den Beratungen genügend geklärt worden. Wieder hat die Bundesregierung in einer sehr wichtigen Sache einen Ausschuß unter unerträglichen Zeitdruck gestellt, und leider hat sich der Ausschuß diesem Druck gefügt.
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Die Neigung, den Bundestag zu übergehen, hat sich bei den Auslandsschulden auch schon an der Art und Weise gezeigt, wie die Bundesregierung die Frage der gesetzlichen Zustimmung zur Schuldenerklärung vom 6. März 1951 behandelt hat, und zwar nicht so sehr nach der rein staatsrechtlichen oder verfassungsrechtlichen Seite als nach der politischen.
Diese Schuldenerklärung wird nunmehr zum zweiten Mal diesem Hohen Hause zur Billigung vorgelegt, und zwar - sozusagen versteckt - als Anhang A zum Vorkriegsschulden-Abkommen. Das erste Mal geschah es in der gleichen morganatischen Weise, als diese Erklärung im Achten
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Teil des Überleitungsvertrages auftauchte. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage meiner Fraktion hat die Bundesregierung ihr Vorgehen damit begründet, sie habe gewünscht, bei seiner Entscheidung über die Schuldenerklärung mage dieses Hohe Haus in der Lage sein, in Kenntnis der Texte des Schuldenabkommens die Tragweite der Schuldenerklärung zu erkennen. Wenn ich einen heimatlichen Ausdruck gebrauchen darf, so muß ich sagen, daß ich selten eine windigere Erklärung gesehen habe. Denn die Bundesregierung hat die Schuldenerklärung dem Hause doch schon einmal zur Billigung vorgelegt, nämlich mit dem Generalvertrag im Juni vorigen Jahres, als die Ergebnisse der Londoner Schuldenkonferenz völlig unbekannt waren. Damals jedenfalls hat die Bundesregierung die Sorge, die sie später ausgedrückt hat, doch in keiner Weise zuerkennen gegeben.
Es müssen andere Gründe gewesen sein, die die Bundesregierung veranlaßt haben, die Schuldenerklärung diesem Hohen Hause niemals zu einer selbständigen Debatte vorzulegen. Diese Gründe sind auch unschwer zu erkennen. Lange Zeit hindurch haben sich der Auswärtige Ausschuß dieses Hauses und die Bundesregierung in dem politischen Gedanken getroffen, die Schuldenerklärung solle hier zu selbständiger Beschlußfassung vorgelegt werden. Einer der Gründe, warum der Auswärtige Ausschuß dazu riet und. warum die Bundesregierung sich dieser Ansicht anschloß, war, die Bestätigung der Haftung für die Vorkriegsschulden solle Gelegenheit geben, den rechtlichen Status der Bundesrepublik, d. h. ihre völkerrechtliche Identität mit dem ehemaligen Deutschen Reich, zu erhärten. Aus diesem Grunde war der Ausschuß einhellig, und war auch die Bundesregierung damals der Auffassung, das deklatorische Schuldenanerkenntnis für die Vorkriegsschulden solle durch den Bundestag in markanter Weise bestätigt werden.
Noch am 21. Februar 1952 hat der Herrn Bundeskanzler dem Auswärtigen Ausschuß versichert - die Protokolle weisen es aus -, die Schuldenerklärung werde dem Bundestag allein und getrennt vorgelegt werden. Der Herr Bundeskanzler gab damals dem Wunsche Ausdruck, der Zeitpunkt für die Debatte solle in Fühlungnahme zwischen Regierung, Auswärtigem Ausschuß und auch der Delegation vereinbart werden. Dazu gekommen ist es, wie wir alle wissen, nicht. Nach unserer Auffassung haben sich die Folgen dieses Stellungswechsels der Bundesregierung für die Bundesrepublik nicht günstig ausgewirkt.
Die Zustimmung ides Auswärtigen Ausschusses zur Schuldenerklärung war von Anfang an einhellig an eine zweite sachliche Voraussetzung geknüpft worden, die sich etwa so beschreiben läßt: Es möge vielleicht unvermeidlich sein, einige zwischen der Bundesrepublik und den Alliierten schwebende Fragen vorweg zu regeln, d. h. vor einem Friedensvertrag, in den Fragen solcher Art an sich gehören, aber die rechtliche und politische Lage der Bundesrepublik werde erschwert - ich spreche von der einhelligen Haltung des Auswärtigen Ausschusses -, wenn solche Fragen auf alliiertes Verlangen so geregelt würden, daß sachlich Zusammengehöriges auseinandergerissen und die Alliierten einseitig begünstigt würden. So bezog sich der Ausschuß - ich sage das noch einmal: einhellig - auf den Sachzusammenhang zwischen Auslandsschulden, Auslandsvermögen und auch den Reparationen und damit dem gesamten Transfer-Problem.
Als zu erkennen war, daß die Alliierte Hohe Kommission entgegen zunächst gegebenen Zusagen Schwierigkeiten machen könnte, hat die Bundesregierung am 28. Juni 1951 auf Veranlassung des Auswärtigen Ausschusses eine Note abgesandt, die sie nach einigem Drängen, wie man sich erinnern wird, diesem Hohen Hause in der 246. Sitzung zur Kenntnis gegeben hat. In der Note heißt es wörtlich:
Der Ausschuß ist . . . von der Voraussetzung ausgegangen, daß ... spätestens auf der internationalen Schuldenkonferenz auch die Frage des deutschen Auslandsvermögens zur Erörterung gestellt werden könnte. Er glaubte zu dieser Annahme auch deshalb berechtigt zu sein, weil er seine Auffassung . . . in einem ... Schreiben ... niedergelegt hatte, das den drei Stellvertretenden Hohen Kommissaren ... zugeleitet worden ist.
Es heißt dann weiter in der Note:
. . . Ich habe
- nämlich der Bundeskanzler -... die Befürchtung, daß die Parteien
- nämlich alle Parteien -. . sich . . . veranlaßt sehen könnten, ihre bisherige zustimmende Haltung zu überprüfen.
Daß die Bundesregierung es unmöglich gemacht hat, zu dieser Überprüfung durch eine selbständige Behandlung der Schuldenerklärung vor diesem Hohen Hause zu gelangen, daß sie also die Schuldenerklärung nicht ohne den Ballast schon von ihr getroffener Abkommen zur Beschlußfassung vorgelegt hat, das muß meine Fraktion ihr
politisch vorwerfen. Darin drückte sich der Rückzug aus, den die Bundesregierung aus einer Position vorgenommen hatte, welche sie lange zusammen mit dem ganzen Auswärtigen Ausschuß eingenommen hatte.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt, vielleicht schon vor dem Februar 1952, in dem, wie ich eben sagte, der Herr Bundeskanzler noch eine Äußerung über die Schuldenerklärung im Auswärtigen Ausschuß abgab, hat die Bundesregierung der deutschen Delegation für die Schuldenkonferenz eine Weisung gegeben, die Verhandlungen fortzuführen, ohne auf den Zusammenhang der Schuldenfrage mit derjenigen des deutschen Auslandsvermögens weiter zu bestehen. Dem Auswärtigen Ausschuß hat die Bundesregierung, soviel ich mich erinnern kann, von dieser ihrer Schwenkung niemals Kenntnis gegeben. Es handelt sich um die Zeit, als die Verhandlungen über den Generalvertrag in ihre entscheidendere Phase traten. Um den Generalvertrag und den EVG-Vertrag unter Dach und Fach zu bringen, hat die Bundesregierung diese Schwenkung, von der ich gesprochen habe, unternommen. In diesem Zusammenhang .hat die Bundesregierung es aufgegeben, gestützt auf die einhellige Auffassung des Auswärtigen Ausschusses eine Politik zu betreiben, die eine Politik der
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volkswirtschaftlichen Vernunft und, wie ich glaube, auch des Völkerrechts gewesen wäre. Damals aber hat sie es auch aufgegeben, an einem wichtigen Stück auf der Linie einer gemeinsamen Außenpolitik aller Fraktionen festzuhalten.
Schon bei den Debatten über den Generalvertrag war einer der Gründe, deretwegen meine Fraktion das Vertragswerk ablehnte, der darin enthaltene De-facto-Verzicht auf das deutsche Auslandsvermögen. Mein Freund Schoettle hat damals im Namen meiner Fraktion erklärt: „Der Vertrag spricht einen Verzicht auf das Auslandsvermögen aus - auf das private Auslandsvermögen, wohlgemerkt! -; daß er abgenötigt werden konnte, ist bezeichnend für den Geist, in dem die Verhandlungen geführt worden ist. Es ist nötig, hier klipp und klar auszusprechen, daß eine Regierung, die auf ihre Fahne den Schutz des Privateigentums geschrieben hat; auf deutsches Privateigentum Verzicht leistet." -Wenn wir die vorgesehene Regelung im Rahmen des Generalvertrages damals schon abgelehnt haben, wieviel mehr müssen wir es heute tun! Denn damals waren 'wenigstens mit dem Anerkenntnis der Vorkriegsschulden gewisse Erleichterungen und Zusicherungen in der Reparationsfrage verbunden sowie in der Frage des noch nicht liquidierten deutschen Auslandsvermögens in dem Sinne, daß wenigstens mit einigen Ländern Verhandlungen zugelassen werden sollten.
Nun ist der Generalvertrag nicht in Kraft getreten. Über seine Zukunft will ich hier nicht weiter in Spekulationen eintreten, weil ich den Eindruck habe, daß es in diesem Hohen Hause eine sehr weitverbreitete Ansicht über diese Zukunft gibt.
Träte nun aber das Londoner Schuldenabkommen, wie es uns vorliegt, allein in Kraft, dann würde die Lage der Bundesrepublik im Vergleich mit den schon genügend ungünstigen Vereinbarungen des Überleitungsvertrages noch weiterhin verschlechtert. Wir müssen deshalb das Abkommen über die Vorkriegsschulden ablehnen. Für diese Ablehnung hat meine Fraktion im wesentlichen politische Gründe, die ich darzulegen versucht habe.
Es gibt aber auch noch eine Reihe wirtschaftspolitischer Gründe für diese Ablehnung. Wir sind, wie ich glaube, mit allen oder mit fast allen Fraktionen dieses Hohen Hauses der Meinung, daß Schulden bezahlt werden müssen und sollen. In diesem Sinne haben wir dem Schuldenanerkenntnis auch hinsichtlich der Vorkriegsschulden im Auswärtigen Ausschuß zugestimmt, nicht nur, wie gesagt, in bezug auf die Nachkriegsschulden, sondern auch auf die Vorkriegsschulden. Aber selbst im innerstaatlichen Verkehr gibt es Vergleichsverfahren, die einen ehrbaren Kaufmann in seinem Status nicht kränken. Die Erfahrungen einer ersten Weltwirtschaftskrise sollten uns auch noch genügend in Erinnerung sein und zeigen, daß staatsvertragliche Vereinbarungen über zu große Schuldenzahlungen gefährliche Folgen für alle Beteiligten haben können. Die Auslandszahlungen, denen sich die Bundesrepublik auf Grundlage dieses ganzen Vertragswerkes wie auch auf Grund anderer Verpflichtungen, die wir schon
und als dringender übernommen haben - z. B. das Israel-Abkommen - oder die noch zu übernehmen sein werden, gegenübersieht, sind außerordentlich groß.
In diesem Zusammenhang will ich aber nur kurz darauf hinweisen, daß der Art. 25 des Vorkriegsschuldenabkommens, der sich mit dem Falle der Wiedervereinigung 'Deutschlands befaßt, keine Nachprüfung im Falle der Wiedervereinigung vorsieht, um das Abkommen und seine Bestimmungen an die für Deutschland aus seiner Wiedervereinigung zu erwartenden wirtschaftlichen Veränderungen anzupassen. Es handelt sich nur noch um weitere Zahlungen, die der Art. 25 vorsieht, nicht aber um eine Anpassung an nicht voraussehbare Veränderungen des ganzen wirtschaftspolitischen Zusammenhangs eines gesamtdeutschen Staates.
Die Bundesrepublik wird durch dieses Abkommen hinsichtlich Zins- und Kapitalzahlungen tatsächlich auf eine Einbahnstraße gesetzt; um so entscheidender wäre nach unserer Ansicht eine befriedigende Lösung der Transferfrage gewesen. Was diese Frage angeht, so läßt die Denkschrift der Bundesregierung selbst bei der Erläuterung des Art. 34 klar erkennen, daß die Bundesregierung mit dem Ergebnis der Verhandlungen nicht übermäßig befriedigt gewesen ist. Der Art. 34 enthält nur eine Konsultativklausel. Es hat sich gezeigt, daß sich die Gläubigerstaaten nicht auf eine handelspolitische Bindung einlassen wollen, wie sie die Grundlage der in ZW. 21 des Konferenzberichts ursprünglich niedergelegten Transfer-Empfehlungen gewesen ist. Es ist vielleicht nützlich festzuhalten, daß die Aufnahme einer solchen Art von Transferregelung, wie sie die Ziffer 21 des Konferenzberichts in Aussicht genommen hatte, von den Verhandlungspartnern deshalb abgelehnt worden ist, weil es nicht möglich sei, Staaten eine solche Bindung ihrer Handelspolitik für Jahrzehnte aufzuerlegen. Ob ein genügender Transferschutz auf dem Gedanken der Liberalisierungspolitik allein hätte aufgebaut werden können, will ich hier nicht untersuchen. Jedenfalls aber hätte es nach unserer Ansicht neben den in den Richtlinien enthaltenen handelspolitischen Sicherheiten noch des Einbaus objektiver Maßstäbe bedurft, an denen sich ablesen ließe, wann der Transferschutz vom Schuldner Rechtens beansprucht werden könnte. So etwas wurde seinerzeit in nicht sehr befriedigender Weise .freilich schon bei der DawesAnleihe versucht. Inzwischen haben, sowohl die Wirtschaftswissenschaft - außer vielleicht in Manchester und Nürnberg - als auch die wirtschaftliche Erfahrung große Fortschritte gemacht. Es wäre wohl möglich, einen objektiven befriedigenden Transferstandard niederzulegen, wonach unter bestimmten Bedingungen automatisch ein Recht auf Revision durch den 'Schuldner gegeben wäre.
Ich komme zum Schluß. Meine Fraktion nimmt zu den sieben unter Punkt 1 der Tagesordnung vorgelegten Gesetzentwürfen und den mit ihnen zu billigenden Schuldenabkommen folgende Haltung ein: Die Abkommen über die Vorkriegsschulden lehnen wir aus Gründen allgemein politischer Art, die ich darzulegen versucht habe, ab. Den folgenden fünf Abkommen über die Regelung von Nachkriegsschulden stimmt die sozialdemo({4})
kratische Fraktion im Prinzip zu und wird der größeren Zahl von ihnen auch tatsächlich zustimmen.
Ich glaube,, ich werde mich in Übereinstimmung mit diesem Hohen Hause befinden, wenn ich zu dem an letzter Stelle aufgeführten Abkommen mit dem Königreich Dänemark über die Erstattung der Aufwendungen in Verbindung mit dem Aufenthalt deutscher Flüchtlinge in Dänemark kurz den Dank wenigstens meiner Fraktion, vielleicht auch den des ganzen Hauses, an das Land Dänemark und an seine damalige Regierung ausspreche,
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daß es in schwierigen Zeiten einer großen Anzahl deutscher Flüchtlinge mit Umsicht und Menschlichlichkeit entgegengekommen ist.
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Unsere prinzipielle Zustimmung zu den Abkommen über die Nachkriegsschulden gründet sich auf zwei Erwägungen. Damit darf ich schließen. Für diese Nachkriegsschulden ist ein Zusammenhang mit dem beschlagnahmten, deutschen Auslandsvermögen nicht gegeben. Diese Nachkriegsschulden bilden keinen integralen Teil und können niemals ein integraler Teil einer Regelung des Gesamtproblems, wie es vorliegt, sein, die ja eigentlich in . einem Friedensvertrag zu treffen wäre. Ferner beruhen diese -Verpflichtungen im großen ganzen jedenfalls auf Leistungen, die der Bevölkerung, die in der heutigen Bundesrepublik lebt, nach dem Kriege in schwierigen Zeiten zugeflossen sind. Mit dieser Zustimmung im Prinzip und, wie ich sagte, überwiegend auch im einzelnen will meine Fraktion auch ihre Ansicht bekräftigen - und möchte dahin verstanden werden -, daß eingegangene Verpflichtungen nach bestem Wissen und nach besten Kräften eingelöst werden müssen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jaffé.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich halte es angesichts unserer Zeitnot für völlig unmöglich, die umfangreichen Erörterungen, die im Ausschuß stattgefunden haben, hier im Plenum zu wiederholen. Das müßte man aber tun, wenn man auf die Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners im einzelnen eingehen und sie widerlegen wollte. Ich darf nur eines sagen: Ebensowenig wie man uns, die Koalitionsseite, im Ausschuß hat überzeugen können, ebensowenig hat man es heute im Plenum tun können; denn die Ausführungen des Kollegen Luetkens stellten keine überzeugende Begründung der Ablehnung der SPD für das Schuldenabkommen dar. Ich darf dabei sagen: Wenn man das multilaterale Londoner Abkommen grundsätzlich ablehnt und nur einzelnen der bilateralen Albkommen zustimmt, so ist das praktisch doch eine Ablehnung des ganzen Komplexes, der ja, wenn auch nicht juristisch, aber politisch eine untrennbare Einheit bildet und dem auch die in den zweiseitigen Verträgen angesprochenen Staaten nur zustimmen werden, wenn auch ihre zweiseitigen Verträge von uns ratifiziert werden.
Ich darf den Standpunkt meiner Freunde zu der Frage des Londoner Schuldenabkommens möglichst kurz präzisieren. Das Schuldenabkommen einschließlich der zweiseitigen Verträge ist natürlich ein Stück Außenpolitik, und zwar einerseits das bisher umfassendste - wenn man daran denkt, daß hieran nicht weniger als 65 Staaten beteiligt sind -, andererseits auch das begrenzteste, da es sich ja nur auf eine Schuldenregelung erstreckt, also ein begrenztes Teilgebiet der internationalen Wirtschaftspolitik. Es könnte jedenfalls so aussehen. Aber eine derartige Auffassung wird natürlich der wirklichen Bedeutung der Dinge nicht gerecht. Das Abkommen ist weder revolutionär im Sinne ganz großer neuer Gedanken - wie der EVG-Vertrag -, noch beschreitet es grundsätzlich neue unbekannte Wege, sondern bedient sich der im internationalen Finanz- und Kreditwesen ganz allgemein üblichen Methoden. Und doch geht es, obgleich es nur als eine zwischenstaatliche Lösung eines Teilgebietes erscheint, weit über die Bedeutung einer solchen eng begrenzten Regelung hinaus. Seine Bedeutung liegt in der Beendigung eines für normale wirtschaftliche Beziehungen Deutschlands mit der freien Welt völlig unbefriedigenden Zustandes und darüber hinaus in der Wiederherstellung der Kreditwürdigkeit und Kreditfähigkeit der Bundesrepublik - eine durchaus reale Frage von großer Tragweite -, und sie liegt letzten Endes - und das ist das Entscheidende - in der Wiederherstellung des Vertrauens auch auf diesem Gebiete, in der Dokumentation des Begriffs von Treu und Glauben, der Vertragstreue und des Eigentumsbegriffs, etwas, was das Dritte Reich achtlos beiseite geschoben hatte und was auch von der Seite der Alliierten auf der Basis der bedingungslosen Kapitulation grundsätzlich mißachtet worden war.
Ich erkenne dabei ohne weiteres an, daß auch für uns ein sehr bitterer Geschmack in bezug auf die Frage des deutschen Auslandsvermögens übrigbleibt und daß gerade eine konservative Partei wie die, die zu vertreten ich die Ehre habe, die die Grundsätze der Unantastbarkeit des Eigentumsbegriffs hochhalten will, sich sehr schwer damit abfindet, daß hier kein Erfolg erzielt worden ist. Wir werden den Kampf um die Freigabe der Reste des deutschen Auslandsvermögens unbeirrt fortsetzen. Es wird Ihnen ja nachher vom Kollegen Pfleiderer eine Entschließung vorgelegt, die dahin zielt, diesen Kampf fortzuführen.
Ich kann auf das Abkommen selbst im Interesse der Zeitersparnis nicht eingehen. Sie haben ja aus den Berichten der Kollegen einen kurzen Abriß der Beratungen im Sonderausschuß erhalten. Die Materie ist so außerordentlich diffizil und detailliert, daß es natürlich - ich muß Ihnen insofern recht geben, Herr Kollege Luetkens - in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich war, in .die Tiefe aller Probleme ausreichend einzudringen. Dabei möchte ich sagen, es gehört ein sehr starkes Vertrauen zu den vorgelegten Verhandlungsergebnissen unserer Delegation dazu, diese abgekürzte Methode zu rechtfertigen. Dabei möchte ich nicht verfehlen, zu sagen, daß die sehr umfangreichen, klaren, von Verantwortungsbewußtsein und Sachkunde getragenen Ausführungen des Leiters der Delegation dieses Vertrauen bei uns in hohem Maße gestärkt
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und unsere Aufgabe in jeder Weise erleichtert haben. Ich möchte das an dieser Stelle einmal besonders betonen.
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Es ist mir bei der kurzen Redezeit, die mir nur zur Verfügung steht, nicht möglich, hier nochmals grundsätzliche Fragen anzuschneiden. Ich möchte nur sagen, daß das Abkommen mit Frankreich auch für uns eine sehr bittere Pille ist und daß wir nur deswegen kein absolutes Veto gegen dieses Abkommen eingelegt haben, weil wir nicht das Zustandekommen des ganzen Vertragswerkes gefährden wollten. Denn angesichts der Auspowerung der französischen Zone durch die dortige Besatzungsmacht kann doch von einer geleisteten Wirtschaftshilfe keine Rede sein;
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darüber können auch die zur Konstruierung einer solchen Wirtschaftshilfe angewandten Kunstgriffe nicht hinwegtäuschen.
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Zum Transferproblem zwei kurze Worte, ehe ich zum Schluß komme. Das Transferproblem ist - das muß man klar sehen - ein Dollarproblem, und zwar praktisch gesehen ausschließlich ein Dollarproblem. Man kann es nicht isoliert sehen; es muß im Zusammenhang gesehen werden mit dem Transfer anderer Kapitalerträgnisse, nämlich der Kapitalerträgnisse von Ausländern, die in Deutschland z. B. Industriebeteiligungen haben. Über das Problem des Transfers von Dollars aus Dividenden usw. wird - das ist auch vorgesehen - noch zu verhandeln sein. Ein automatisches Inkrafttreten des Transfers von Kapitalerträgnissen ist natürlich indiskutabel.
Das Transferproblem kann - und damit komme ich zum Schluß - nur im Rahmen der deutschen Wirtschaftslage und der internationalen Handelspolitik überhaupt gesehen werden, wobei die Zahlungsbilanz abhängig sein wird von der weiteren Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit, insbesondere der weiteren Entwicklung der Liberalisierung ides internationalen Handels, der Ausweitung des Welthandels und letzten Endes von der einmal erreichbaren freien Konvertierbarkeit der Währungen. Darin liegt der Schlüssel zum Funktionieren. Dieses Funktionieren ward nur gewährleistet sein, wenn alle Staaten eine Außenhandelspolitik in diesem Sinne betreiben.
Ich darf damit abschließen, meine Damen und Herren, daß ich nochmals sage: Der Sinn des Abkommens ist der Vergleich eines bisher zahlungsunfähigen Schuldners mit seinen Gläubigern. Dazu, diesen Vergleich durchzuführen, dient bekanntlich das Ausführungsgesetz, ein Rahmengesetz, das privaten Schuldnern die Möglichkeit gibt, mit ihren Gläubigern Abkommen zu treffen. Diesen Vergleich sollten wir schließen, und wir müssen ihn jetzt schließen und das Abkommen ratifizieren. Eine Verzögerung unsererseits ist hier ebensowenig zu verantworten, wie sie unserer Ansicht nach bei den beiden großen außenpolitischen Verträgen zu verantworten war.
Wir stimmen dem Abkommen zu, weil wir es für erforderlich halten und weil wir es als eine
brauchbare Regelung der Frage unserer Auslandsverschuldung ansehen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Die Antwort auf die vorhin aufgeworfene Frage, wer denn an der beschleunigten Ratifizierung dieses Londoner Schuldenabkommens so stark interessiert sei, ist doch offensichtlich klar: das sind die Nutznießer aus diesem Abkommen, und das; ist in erster Linie die amerikanische Hochfinanz. Aber ich denke, wenn man weiß, daß der Ausgangspunkt zu diesem Londoner Schuldenabkommen das New Yorker Abkommen vom September 1950 ist, in dem bekanntlich nicht allein der Startschuß für die Wiederaufrüstung in Westdeutschland gegeben wurde, sondern das zugleich auch den Anstoß für die Verhandlungen über die Schuldenregelung gegeben hat, dann werden zugleich auch die Politik und die Absichten der Herren der amerikanischen Rüstungsindustrie und Hochfinanz offenkundig.
Meine Damen und Herren! Es kann doch nicht verschwiegen, sondern muß immer wieder unterstrichen werden, daß die Interessen der amerikanischen Industrie und Hochfinanz dahin gehen, Westdeutschland für ihre imperialen Pläne zu benutzen, zugleich aber auch Westdeutschland zur melkenden Kuh für die Herren der amerikanischen Wirtschaft zu machen.
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Die Bundesregierung anerkennt mit diesem Abkommen einmal die Verpflichtung zur Zahlung von 14,5 Milliarden und außerdem eine weitere Schuldensumme von rund 30 Milliarden DM, die nach einem noch von den Westmächten festzulegenden Modus zu zahlen ist. Herr Dr. Wellhausen hat in seinem Bericht auf die Annuitäten hingewiesen, die von der Bundesregierung zu zahlen sind. Das Entscheidende in diesem Zusammenhang aber ist, daß die »Bundesregierung - und das ist das Ungeheuerliche zugleich auch auf das deutsche Auslandsvermögen in Höhe von etwa 30 Milliarden DM verzichtet. Wir sprechen der Bundesregierung überhaupt das Recht ab, ein solches Abkommen zu schließen.
Ich möchte noch darauf hinweisen, daß nach den Bestimmungen dieses Abkommens, wenn es zur Wiedervereinigung Deutschlands kommt, dann bereits eine Festlegung in der Richtung erfolgt wäre, daß Gesamtdeutschland die Verpflichtungen aus diesem Abkommen übernehmen muß. Dazu sind diese Bundesregierung und dieser Bundestag gar nicht autorisiert. In dieser Präjudizierung liegt ein erschwerendes Moment, weil damit der Wiedervereinigung Deutschlands ein weiterer Stein in den Weg gelegt wird. Daß die Bundesregierung ein solches Abkommen mit derartigen Bestimmungen abschließt, entspricht der auch in der gestrigen Debatte so eindeutig zum Ausdruck gekommenen Politik des Herrn Dr. Adenauer, alles zu tun, um die Wiedervereinigung Deutschlands zu verhindern. Sie haben in Ihrer gestrigen namentlichen Abstimmung diese Politik der Bundesregierung noch einmal bestätigt.
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Die Wirkung des Londoner Schuldenabkommens wird naturgemäß sein, daß die Verpflichtungen aus diesem Abkommen auf keinem anderen Wege realisiert werden als nach dem System der Politik der Herren Dr Adenauer und Schäffer, dem Volke neue Belastungen aufzuerlegen. Denn dieses Abkommen soll ja kein Fetzen Papier bleiben, sondern es soll nach den Interessen und Zielen der Bundesregierung und der Koalitionsmehrheit realisiert werden, d. h. Hunderte von Millionen, ja, im Laufe der Jahre Milliarden werden unserem Volk auf dem Weg über die Steuern auferlegt. Das wird zu einer weiteren Verschlechterung des gesamten sozialen Standards unseres Volkes führen.
Hinzukommt die Tatsache, daß es die Herren Amerikaner mit Hilfe dieses Abkommens naturgemäß sehr leicht haben werden, den bereits jetzt erreichten Aufkauf der deutschen Wirtschaft noch weiter durchzuführen, die Tatsache also, daß mit Hilfe dieser Gelder weitere Betriebe und weitere Industriezweige in die Hände des amerikanischen Finanzkapitals gelangen werden.
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- Aber, verehrter Herr Kollege Dr. Wellhausen, ich. möchte Ihnen nur die Frage vorlegen: Ist Ihnen nicht bekannt, daß z. B. alle wichtigen und großen Betriebe Westberlins restlos im Besitz der Amerikaner sind?
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Ist Ihnen nicht der Anteil der amerikanischen Wirtschaft an der gesamten Industrie in Westdeutschland bekannt, die sie in der Regel mehrheitsmaßig bereits in ihren Händen hat?
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- Herr Kollege Dr. Wellhausen, Sie können das nicht bestreiten. Ich spreche gar nicht von Opel, diesen Betrieb haben die Amerikaner schon 100%ig in den Händen.
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- Sie wollen es nicht zugeben, Herr Kollege Jaffé; Sie dürfen es auch nicht. Aber die Tatsachen sprechen eben ihre eigene Sprache: Die Amerikaner sind heute bereits Lim Besitz der Wirtschaft in Westdeutschland.
({6})
- Ich nenne die Tatsachen und gehe nicht an ihnen vorbei; aber Sie wollen sie nicht genannt haben.
Meine Damen und Herren! Das Ziel des Aufkaufs und damit auch der Einfluß auf die gesamte westdeutsche Wirtschaft im Interesse der amerikanischen Industrie wird mit Hilfe dieses Abkommens immer stärker vorangetrieben werden. Wir sind der Meinung, daß der Bundestag das Abkommen nicht ratifizieren darf und daß die Regierung,, wie. ich schon sagte, nicht berechtigt gewesen ist, 'das Abkommen überhaupt zu unterzeichnen, vor allen Dingen auch deswegen - ich möchte es noch einmal herausstellen -, weil
damit der Wiedervereinigung Deutschlands ein weiterer Stein in den Weg gelegt wird, abgesehen von all den anderen Folgen, die ich bereits aufgezeigt habe.
Wir werden dieses Abkommen selbstverständlich ablehnen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Jaffé sagt, die Zustimmung zu zweiseitigen Abkommen 'bedeute gar nichts angesichts unserer Ablehnung des gesamten Vertragwerks. Das ist im Effekt richtig. Aber es ist doch von Bedeutung, ob man einzelne Regelungen positiv beurteilt und dem dann auch Ausdruck gibt.
Ich weiß nicht, ob wir nicht zu einem anderen Ergebnis gekommen wären, wenn wir im Ausschuß mehr Zeit gehabt hätten. Ich möchte deshalb einige wenige Sätze über die Art der Behandlung internationaler Verträge in den Ausschüssen sagen. Von seiten der Regierungskoalition wird uns immer wieder gesagt: Es hat doch gar keinen Zweck, die Dinge im einzelnen zu beraten; denn wir können ja doch nur im ganzen zustimmen oder ablehnen. Das ist richtig. Aber wenn wir nicht beraten, bekommt erstens das Parlament keine Kenntnis der Vertragswerke, und erhält zweitens die Regierung keine Richtlinien, für künftige außenpolitische Vertragsberatungen. Infolgedessen ist es im Interesse des Verhältnisses von Parlament zur Regierung notwendig, zu beraten, auch wenn im Einzelfall der Ausschuß oder das Parlament trotz Bedenken ja sagt, damit die Regierung für zukünftige internationale Vertragsverhandlungen Richtlinien an die Hand bekommt, wie sie arbeiten soll.
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine Freunde bedauern, daß es notwendig war, diese Dinge in einer sehr kurzen Frist und unter ungeheurer Anstrengung des eigens dafür eingesetzten Sonderausschusses zu beraten. Sie legen aber Wert darauf, zu erklären, daß sie mit den Sätzen des Kollegen Gülich hinsichtlich der unbedingten Notwendigkeit solcher Beratungen völlig übereinstimmen. Es ist uns ein Glück - ich gebrauche bewußt diesen etwas großartigen Ausdruck - darin zuteil geworden, daß wir uns bei der Beratung sämtlicher Fragen - sie waren sehr zahlreich und weitschichtig - der außerordentlichen Sachkunde des Leiters der Delegation bedienen konnten. Ich glaube sagen zu dürfen - auch den folgenden Ausdruck gebrauche ich bewußt -, daß er souverän - ein Ausdruck, der hier sonst selten, aber in diesem Fall angebracht ist - die Dinge beherrscht hat, daß er auf jede Frage vorbereitet war und 'uns ins Bild gesetzt hat. Er hat keine Frage unbeantwortet gelassen.
({0})
Dahinter soll die Anerkennung der großen Sachkunde nicht zurücktreten, mit der Herr Ministerial({1})
direktor Wolff vom Bundeswirtschaftsministerium uns bedient hat.
({2})
- Finanz! Die Wirtschaft liegt mir immer noch näher.
({3})
Daß der Sonderausschuß sich „gefügt" habe, wie Herr Luetkens es gesagt hat, das sehe ich als einen Anklang oder als eine Reminiszenz an andere Zeiten an. Ich habe die Ehre gehabt, den Vorsitz zu führen. Ich eigne mich nicht besonders zum Sichfügen.
Was die Schuldenerklärung angeht, so sind meine Freunde mit der historischen Darstellung des Herrn Luetkens in vielen Punkten einverstanden. Welche Folgerungen daraus zu ziehen sind, darüber haben wir trotz heißen Bemühens keine Einigung gefunden. Uns wäre, verehrter Herr Luetkens, um in Ihren Ausdrücken zu bleiben, auch eine morganatische Ehe in dieser Beziehung ausreichend gewesen. Aber auch dazu haben Sie sich nicht verstehen können.
Wenn 'Sie von den politischen Gründen für die Ablehnung des Gesamtabkommens oder des Vorkriegsabkommens gesprochen haben, so sind das ja in erster Linie die Dinge des Auslandsvermögens. Ich wurde sehr aufmerksam und neugierig, als Sie andeuteten. Ihnen schwebten auch wirtschaftspolitische Gründe vor; denn ich dachte, Sie würden uns Gelegenheit geben, über die Auswirkungen unserer Wirtschaftspolitik kurz vor den Wahlen nochmals ein paar treffende Worte zu sagen. Sie haben aber darauf verzichtet, darüber zu sprechen, und haben nur den Art. 25 betreffend die Wiedervereinigung zitiert. Sie haben gesagt, es könnten Probleme auf uns zukommen, die es notwendig machten, unter das herunterzugehen, was im Londoner Schuldenabkommen stehe. Ich finde diese Betrachtung nicht ganz logisch; denn durch etwas, was dazukommt, kann man zwar, besonders wenn es so freiwillig geschieht, wie wir es möchten, in seiner Leistungsfähigkeit ein wenig geschmälert werden; aber es handelt sich darum, Dinge zu realisieren, zu denen wir uns verpflichtet haben. Ich gehöre zu denen, die der Ansicht, die im Ausschuß sehr häufig vertreten wurde, zuneigen, daß, wenn wir es riskieren, dieses Abkommen, aus welchem Grunde auch immer, 'also von mir aus wegen des Art. 25, nicht zu ratifizieren, wir dann bei einer Neuaufrollung der ganzen Dinge einschließlich der Entwicklung, die in den zwei Jahren der Verhandlungen in wirtschaftlicher Hinsicht in dieser Bundesrepublik vor sich gegangen sind, einen schweren und einen schlechteren Stand hätten, und wir möchten Sie, meine verehrten Herren von der Sozialdemokratie, doch nicht gern in die Zwangslage versetzen, den Gläubigerstaaten darzulegen, daß wir uns wirtschaftspolitisch nicht so günstig entwickelt haben, wie Sie es ja auch in keiner Weise möchten, wie Sie es dann aber darlegen müßten. Ich glaube nicht, daß jemand Ihnen das abnimmt.
Was die französische Nachkriegshilfe angeht - ich hätte sie viel lieber Nachbarhilfe getauft; denn dazu wäre ja vielleicht nach dem Kriege Veranlassung gewesen -, so haben meine Freunde auch mehrere Male - wie soll ich sagen? - trocken herunterschlucken müssen, ehe sie diesen Brocken verdaut haben. Einige wenige meiner Freunde haben das kraft ihrer besonderen Sachkunde aus der französischen Zone auch jetzt noch nicht getan und werden gegen diesen Teil des Abkommens stimmen.
Meine Damen und Herren, soll ich mich mit Herrn Müller beschäftigen?
({4})
Also ich stelle mit einem Satz fest, daß zu unserem
Bedauern - überwiegend zu unserem Bedauern noch kein Dollar auf privatem Wege nach dem
Kriege in die westdeutsche Wirtschaft geflossen ist.
({5})
Infolgedessen sind das reine Hirngespinste und zweckbestimmte Ausführungen,
({6})
die wir ja durchweg kennen und über die wir uns eigentlich nicht mehr wundern.
Darf ich noch ein Wort zu dem Gesetzentwurf über die Rembourskredite - er steht ja auch schon zur Beratung - sagen. Herr Semler hat als Berichterstatter des Ausschusses für das Londoner Schuldenabkommen einiges darüber gesagt. Wir schließen uns der Zielrichtung des Abkommens an. Wir wissen, daß die Wege, die beschritten sind und nach denen seit 2 Jahren, wie uns Herr Abs berichtet hat, gesucht wird, nicht ganz normal sind. Wir halten es aber für richtig, zu versuchen, außergewöhnlichen Lagen, wie sie für die Remboursschuldner durch die Anlage 3 zum Londoner Abkommen geschaffen sind, mit außergewöhnlichen Mitteln beizukommen. Der eigentliche Sinn besteht darin, die etwa in Liquiditätsschwierigkeiten kommenden Exporteure und Importeure nicht auf das normale Vertragshilfeverfahren zu verweisen, sondern ihnen einen Sonderweg zu eröffnen unter möglichst geringer, ja, ich kann beinahe sagen, ohne eine Inanspruchnahme des Bundeshaushalts. Wir glauben, daß in den sehr zahlreichen Beratungen des Unterausschusses des Ausschusses für das Londoner Schuldenabkommen zu diesem Problem das Menschenmögliche erreicht ist.
Wir werden daher dem Rembourskreditgesetzentwurf ebenso wie dem ganzen Vertragswerk unsere Zustimmung geben.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich ausschließlich mit dem Gesetzentwurf über die Kredithilfe bei Rembourskrediten, die unter das Londoner Schuldenabkommen fallen, beschäftigen. Dieser Gesetzentwurf befaßt sich mit einem Problem, das besteht und das im Rahmen des Londoner Schuldenabkommens behandelt werden muß. Ich glaube, alle Beteiligten und auch der Ausschuß haben sich davon überzeugt, daß die Vertreter meiner Fraktion alle erdenkliche Arbeit diesem Problem gewidmet haben, sowohl in den Ausschußverhandlungen als auch in den vorhergehenden Besprechungen über dieses Thema.
Trotzdem bedauern wir, feststellen zu müssen, daß die jetzt vorgeschlagene Regelung uns nicht richtig und nicht annehmbar erscheint. Zunächst ist das Ausleseprinzip, das jetzt 'angewandt werden soll, nicht so beschaffen, daß uns die Gewähr dafür zu bestehen scheint, daß es wirklich den Richtigen hilft und daß es nicht außerdem denjenigen hilft, die vielleicht die Hilfe gar nicht so benötigen. Es bestehen ferner sehr ernstliche Zweifel, ob die Hilfe, die nun hier angeboten wird, auch tatsächlich
({0})
ein geeignetes Mittel ist, um in. ernsten Fällen tatsächliche Hilfe zu gewähren. Wir hätten es lieber gesehen - denn das Problem ist in seinen ganzen Zusammenhängen und in seiner finanziellen Auswirkung in der Zeit, die uns zur Verfügung stand, schlechterdings nicht zu klären gewesen -, wenn man zunächst durch eine Sperrbestimmung Stundungen in Härtefällen, bei denen ein Bedürfnis dafür bestand, ausgesprochen und so die Möglichkeit geschaffen hätte, dem ganzen Problem noch einmal ernsthaft näherzutreten. Es hätte auch die Möglichkeit geprüft werden müssen, diese Angelegenheit im Rahmen der Abrechnung über Verluste und Gewinne bei Schulden und Verbindlichkeiten, die am 20. Juni 1948 bestanden, zu behandeln, d. h. im Anschluß an das System der Kreditgewinnabgabe.
Ein sehr entscheidender Einwand gegen das Gesetz ist unserer Ansicht nach der, daß in dem bekannten Dilemma: wer soll die Mittel zur Verfügung stellen, der Bund oder die beteiligten Länder? - die Lastenausgleichsbank mit dem Effekt eingeschaltet worden ist, daß zu immerhin nicht unerheblichen, in seiner- Größe gar nicht voraussehbaren Millionenbeträgen Lastenausgleichsmittel zum Teil in Ausgleichsforderungen - also dem Untilgbarsten, was wir zur Zeit haben -, zum Teil in zehnjährigen Krediten angelegt werden, und zwar in solchen Krediten, wie sie im Lastenausgleichsgesetz nicht vorgesehen sind. Die Lastenausgleichsbank hat bekanntlich nur Mittel des Lastenausgleichs zur Verfügung, denn die ERP-Mittel, die ihr einmal zugeflossen sind, hat sie ja längst verbraucht und angelegt.
Wir haben uns über die Kredithilfen, die durch die Verwendung von Lastenausgleichsmitteln nach dem Gesetz zu gewähren sind, seinerzeit außerordentlich lange unterhalten, und gerade von unserer Seite haben wir damals Wert darauf gelegt, derartige Möglichkeiten auszudehnen. Wir sind dabei auf einen gewissen Widerstand gestoßen. Wir haben Aufbaudarlehen nur bis zu einer beschränkten Höhe und sonst Darlehen dieser Art nur als Arbeitsplatzdarlehen vorgesehen. Es ist richtig, oder es ist jedenfalls möglich, die Schwierigkeiten bezüglich der Rembourskredite, die hier behandelt werden, als eine Art Kriegsschaden anzusehen, aber sie müssen dann in einem Verhältnis mit anderen Kriegsschäden gesehen werden, mit Schäden an Auslandsvermögen, Demontageschäden und ähnlichen, für die auch derartige Regelungen, wie sie hier vorgesehen sind, bisher nicht geschaffen wurden und für die auch nach den gesetzlichen Bestimmungen des Lastenausgleichs Mittel des Lastenausgleichs nicht in dieser Weise 'eingesetzt werden können, wie das hier vorgesehen ist.
Diesen Gesichtspunkt des notwendigen Zusammenhangs scheint uns das Gesetz zu verletzen. Wir bedauern deswegen, trotz der Bedeutung des Problems, die wir anerkennen, dieser Lösung unsere Zustimmung nicht geben zu können.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache, die der zweiten Beratung vorgeschaltet worden ist.
Wir kommen nunmehr zur Einzelaussprache, zunächst über den
Entwurf eines 'Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 über Deutsche Auslandsschulden ({0}).
Ich rufe auf die Art. I, - II, - III, - IV, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den 'bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Ich rufe auf:
Entwurf eines Gesetzes 'betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verschuldung Deutschlands aus Entscheidungen der deutsch-amerikanischen Gemischten Kommission ({1}).
Ich rufe auf die Art. I, - II, - III, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. -- Gegenprobe! - Sie sind mit derselben Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf zur Einzelberatung des.
Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung der Ansprüche der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Deutschland geleisteten
Nachkriegs-Wirtschaftshilfe ({2}) ({3}).
'Ich rufe auf die Art. I, - H, - III, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Weiter:
Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung der Verbindlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika aus der Lieferung von Überschußgütern an Deutschland ({4}).
Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige wenige Stimmen und bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Weiter:
Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und Ihrer Majestät Regierung im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die Regelung der Ansprüche des Vereinigten Königreichs aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe ({5}).
Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe angenommen.
Nunmehr:
Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen vorn 27. Februar 1953 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Re({6})
publik über die Regelung der Ansprüche der Französischen Regierung aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe ({7}).
Hier erteile ich dem Abgeordneten Gülich das Wort zur Abgabe einer Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab:
Die Fraktion der SPD stimmt den Abkommen über die Nachkriegs-Wirtschaftshilfen, soweit es sich um Schuldenregelung aus echter Wirtschaftshilfe handelt, zu. Die Fraktion sieht sich zu ihrem Bedauern nicht in der Lage, dem „Abkommen über die Regelung der Ansprüche der Französischen Regierung aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe" zuzustimmen.
Die Forderung besteht aus einer Summe von rund 15 Millionen Dollar, die als Saldo zugunsten Frankreichs aus Außenhandelsgeschäften der Französischen Regierung mit der französischen Besatzungszone entstanden sein sollen. Die drei Oberkommissare haben bestätigt, daß diese Summe am 18. Oktober 1948, dem Tage des wirtschaftlichen Zusammenschlusses der französischen Zone mit den beiden anderen westlichen Besatzungszonen, bestanden hätte und durch die Joint Export-Import Agency ({0}) eingebracht worden sei.
Es ist allgemein bekannt, daß das Oficomex deutsche Waren aller Art, insbesondere auch durch überhöhten Einschlag gewonnenes Holz, zu Stopppreisen mit Nachlässen in Reichsmark gekauft und zu Weltmarktpreisen in Dollar verkauft hat.
({1})
Das Büro für Friedensfragen hat seinerzeit festgestellt, daß pro Festmeter Stammholz 3 Dollar im Einkauf bei einem Weltmarktpreis von 10 bis 12 Dollar gezahlt wurden.
({2})
Es ist ferner bekannt, ,daß die Französische Republik mehrere Jahre hindurch außer ihren Besatzungstruppen auch deren Familienangehörige aus der französisch besetzten Zone verpflegt hat.
Deutsche Unterlagen über die Außenhandelsgeschäfte des Oficomex in den Jahren 1945 bis 1948 gibt es nicht. Die französischen Unterlagen reichen zu einer Prüfung nicht aus. Die amerikanische Revisionsgesellschaft Price, Waterhouse & Co. hat nach monatelangen Untersuchungen erklärt, daß es auf Grund der mangelhaft geführten Bücher des Oficomex unmöglich sei, einen Prüfungsbericht zu erstatten.
({3})
Wir erinnern nur ungern an die der Vergangenheit angehörenden Vorkommnisse, aber es scheint uns angesichts der Art und des Umfanges der Lieferungen und Leistungen, die die Französische Republik in 'den Jahren 1945 bis 1948 aus der französisch besetzten Zone Deutschlands bezogen hat, unmöglich, heute eine französische NachkriegsWirtschaftshilfe für Deutschland anzuerkennen.
({4})
Es sei ausdrücklich gesagt, daß wir nicht vergessen, was das, Hitlerreich dem französischen Volke angetan hat, und daß es unser ernsthaftes Bemühen ist, gutnachbarliche Beziehungen zur französischen Republik zu unterhalten. Voraussetzung dafür ist, daß zwischenstaatliche Verträge mit Frankreich nicht mit Fehlern aus 'der Vergangenheit belastet werden.
({5})
Keine weiteren Erklärungen.
Dann treten wir ein in die Einzelberatung. Ich rufe auf Art. I, - II, - III, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, ich bitte die Abstimmung zu wiederholen, und zwar der besseren Übersichtlichkeit halber durch Erheben von den Plätzen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. -Ich bitte um die Gegenprobe. ({0})
- Enthaltungen? - Es bestehen Zweifel über die Mehrheit. Ich bitte im Hammelsprung zu entscheiden.
({1}) Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, die Türen zu öffnen; die Auszahlung beginnt.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bitte die Auszählung zu beschleunigen. Die Tagesordnung ist heute sehr reichlich besetzt.
Ich bitte, die Türen zu schließen; die Auszählung ist beendet. Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt: An der Abstimmung haben sich beteiligt 301 Mitglieder des Hauses, mit Ja haben gestimmt 135, mit Nein 148, enthalten haben sich 18 Mitglieder des Hauses. Damit ist dieses Gesetz in zweiter Lesung abgelehnt. Eine dritte Lesung findet nach § 84 Abs. 3 der Geschäftsordnung nicht statt.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die Erstattung der Aufwendungen in Verbindung mit dem Aufenthalt deutscher Flüchtlinge in Dänemark von 1945 bis 1949 ({3}).
- Meine Damen und Herren, ich bitte um ein wenig Ruhe! Es ist mir sonst kaum möglich, mich verständlich zu machen. Ich möchte nicht, daß abgestimmt wird, ohne daß im Hause eine genaue Kenntnis des Abstimmungsgegenstandes vorliegt.
Ich rufe auf Art. I, - II, - III, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, eine Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der kommunistischen Gruppe einstimmig angenommen.
Damit ist Litera a in zweiter Lesung erledigt. Wir gehen zur
dritten Beratung
über. Damit Klarheit besteht: Es handelt sich immer noch um Ziffer 1 Litera a. Änderungsanträge sind nicht gestellt. Wir stimmen zunächst über Anlage 1 a ab. Die Titel der Gesetze brauche ich
({4})
wohl nicht mehr aufzurufen. Nach § 88 der Geschäftsordnung entfällt eine Schlußabstimmung. Ich lege das in diesem Falle so aus, daß wir durch Hochheben je einer Hand abstimmen und nicht durch Erheben von den Sitzen. - Das Haus ist damit einverstanden, daß ich die Geschäftsordnung so auslege.
Wer für die Annahme des Gesetzes 'betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 über deutsche Auslandsschulden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Anlage 2 a! Es handelt sich um das Gesetz betreffend das Abkommen der Bundesrepublik mit den Vereinigten Staaten über die Verschuldung Deutschlands aus Entscheidungen der deutschamerikanischen Gemischten Kommission. Wer für die Annahme dieses Gesetzes ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Ich rufe Anlage 3 a auf. Hier handelt es sich um das Abkommen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten über die Regelung der Ansprüche der Vereinigten Staaten aus der Deutschland . geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe außer der Lieferung von Überschußgütern. Wer für die Annahme dieses Gesetzes ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Anlage 4 a. Hier handelt es sich um das Gesetz betreffend das Abkommen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten über die Regelung der Verbindlichkeiten der Bundesrepublik gegenüber den Vereinigten Staaten aus der Lieferung von Überschußgütern an Deutschland. Wer für die Annahme dieses Gesetzes ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Anlage 5 a auf. Dabei handelt es sich um das Abkommen zwischen der Bundesrepublik und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die Regelung der Ansprüche des Vereinigten Königreichs aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe. Wer für die Annahme dieses Gesetzes ist, den bitte ich, eine Hand zu heben. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe angenommen.
Über Anlage 6 a kann ich nach der Geschäftsordnung nicht mehr abstimmen lassen, da alle Bestimmungen in der zweiten Beratung abgelehnt worden sind.
Nunmehr Anlage 7 a! Hier handelt es sich um das Abkommen mit Dänemark. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei Enthaltung der kommunistischen Gruppe angenommen.
Damit ist die dritte Beratung erledigt.
Es steht noch die Abstimmung über eine Entschließung aus, zu deren Begründung der Abgeordnete Dr. Pfleiderer das Wort hat.
Herr Präsident! Ich habe die Ehre, im Namen der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und FU die Entschließung Umdruck Nr. 1032 dem Hause zu unterbreiten. Die Entschließung befaßt sich mit der für die Bundesrepublik bestehenden Notwendigkeit, nunmehr instand gesetzt zu werden, mit anderen Staaten freie Vereinbarungen über das deutsche Auslandsvermögen zu treffen.
Ich möchte nicht mehr in die Einzelheiten eintreten, wie sich der Zusammenhang zwischen Auslandsschulden und Auslandsvermögen im Laufe der Verhandlungen und der Beratungen des Auswärtigen Ausschusses entwickelt hat. Der Herr Berichterstatter und die Herren Vorredner haben hierzu bereits das Nötige gesagt, insbesondere auch die Odyssee oder die Irrfahrt des Notenwechsels vom 6. März 1951 geschildert, wie er in das Überleitungsabkommen hineinkam und nachher wieder herauskam. Jedenfalls wurde dadurch, daß der Notenwechsel nunmehr als Anhang A in das Schuldenabkommen aufgenommen worden ist, der Zusammenhang zwischen Auslandsschulden und Auslandsvermögen zerrissen, der in den Teilen VI und VIII des Überleitungsabkommens bestanden hatte. Dieser Zusammenhang soll durch die Entschließung wiederhergestellt werden.
Die Alliierten haben sich in der Frage des Auslandsvermögens in den letzten Jahren besonders hartnäckig gezeigt. Umgekehrt hatten bei den Demontagen frühzeitig Bestrebungen eingesetzt, diese Maßnahmen einzustellen, die für das Gedeihen der westlichen Welt geradezu selbstmörderisch gewesen waren. Aber die Liquidation des deutschen Auslandsvermögens wurde bis heute fortgesetzt, und trotz des Antrages, der fast einstimmig von diesem Hause angenommen wurde, ist es doch nie zur Einsetzung .eines internationalen Finanzausschusses gekommen, der die wirtschaftlich schädlichen Auswirkungen der Wegnahme des Auslandsvermögens hätte untersuchen und beseitigen können. Nie hat es auf dem Gebiet des Vermögens eine Hilfe gegeben, wie sie der Humphrey-Ausschuß auf dem Gebiete der Demontagen leistete. Die Weisheit und die Tatkraft des derzeitigen amerikanischen Finanzministers Humphrey, der die verhängnisvollen Demontagen beendete, werden in Deutschland unvergessen bleiben.
Eine Rückkehr zu normalen Verhältnissen ist nur dadurch möglich, daß die Bundesrepublik mit den einzelnen ausländischen Staaten Abmachungen über das deutsche Auslandsvermögen trifft. Solche Abmachungen sind aber bis heute nur mit Zustimmung der Alliierten möglich. Diese Zustimmung wurde in Art. 4 Abs. 4 des Teiles VI des Überleitungsabkommens grundsätzlich erteilt. Da aber diese rechtliche Bestimmung noch nicht in Kraft getreten ist, entsteht nunmehr die schwierige Lage, daß wir zwar die Schulden anerkennen, aber auf der andern Seite die natürlichen Gegenrechte bezüglich des Auslandsvermögens nicht erhalten. Dies bedarf der Abhilfe.
Bei den Überlegungen, die zu der vorliegenden Entschließung geführt haben, erhob sich die Frage, ob die Zustimmung zu den Abkommen über deutsche Auslandsschulden juristisch davon abhängig gemacht werden sollte, daß die Gegenseite ihr Einverständnis zur Aufnahme von Verhandlungen über das deutsche Auslandsvermögen erklärte. Die Unterzeichner der Entschließung wollten nicht so weit gehen, da sie befürchteten, es könnten hier Weiterungen eintreten, die vermieden werden könnten. Dies soll jedoch nicht heißen, daß die Fraktionen, die hinter der Entschließung stehen, nicht mit allem Nachdruck wünschten, daß auf alliierter Seite die rechtlichen Voraussetzungen zur
({0})
Aufnahme der Verhandlungen über das Auslandsvermögen alsbald geschaffen werden möchten.
Im Falle der Schweiz wurde die Zustimmung zu Verhandlungen seinerzeit erteilt, und die Verhandlungen haben zu einem befriedigenden Abschluß geführt. Ich bin nicht berufen, fremden Staaten gute oder schlechte Noten auszustellen; aber ich säume nicht, hier zu behaupten, daß die Schweiz durch ihr Verhalten in der Vermögensfrage dem Glauben an das Recht als einer der wichtigsten Errungenschaften der gesitteten Welt einen unschätzbaren Dienst erwiesen hat.
({1})
Möglichkeiten zu Verhandlungen sind bei zahlreichen anderen Staaten gegeben. Verhandlungen mit Schweden haben stattgefunden, mußten aber leider unterbrochen werden. Ich möchte über die Einzelheiten hier nicht weiter sprechen und auch die Hintergründe der alliierten Note vom 5. Februar nicht untersuchen. Aber ich glaube, ich würde meine Pficht verletzen, wenn ich hier nicht erklärte, daß das Verhalten der schwedischen Regierung in der Eigentumsfrage eine der tiefsten Enttäuschungen bedeutet, die das deutsche Volk von seiten einer neutralen Regierung, die es gewohnt war als befreundet zu betrachten, je erlebt hat.
({2})
Man hat wirklich Mühe, zu glauben, daß der königlich schwedischen Regierung bei ihren Maßnahmen, bei der Verletzung des Gesandtschaftsrechts, bei der Veräußerung unseres Gesandtschaftsgebäudes, hei der Wegnahme und oft rohen Verwertung des privaten deutschen Vermögens ein völkerrechtlich sachverständiger Rat zur Verfügung gestanden hat.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier nicht mißverstanden werden. Was hier über die Handlungen der schwedischen Regierung zu sagen ist, beeinträchtigt in nichts die Zuneigung, die wohl alle Deutschen und ich selbst ganz besonders für Schweden empfinden, und beeinträchtigt in nichts die tiefe und unauslöschliche Dankbarkeit für die wahrhaft großartige menschliche Hilfe, die das schwedische Volk den Deutschen in der Zeit ihres größten Unglücks erwiesen hat.
Um so mehr möchte ich hier die Hoffnung aussprechen, daß Schweden alles tut, um den juristischen Trümmerhaufen, der zwischen ihm und Deutschland liegt, baldmöglichst und gründlich zu beseitigen.
({3})
Auf der Londoner Schuldenkonferenz hat Einmütigkeit darüber bestanden, daß sich das Wirtschaftsleben der westlichen Demokratien vor allen Dingen auf zwei Grundsätzen aufbaue, nämlich auf' der Vertragstreue und der Anerkennung des privaten Eigentums. Die Bundesrepublik hat mit der Anerkennung der ungeheuren Schuldenlast von 14 000 Millionen DM bewiesen, daß sie bereit ist, diesen Grundsätzen die größten Opfer zu bringen, auch dort, wo ihre eigenen Vermögensrechte aufs schwerste beeinträchtigt sind. Aber wir halten den Zeitpunkt nunmehr für gekommen, daß der Grundsatz der Anerkennung des privaten Eigentums auch gegenüber den Deutschen wieder zur Anwendung kommt. Das italienische Auslandsvermögen ist völlig freigegeben, das japanische in weniger harter Weise beschlagnahmt und enteignet worden als das deutsche. Wir unterliegen einem diskriminierenden Ausnahmerecht, das härter ist als alles, was man in und nach dem zweiten Weltkrieg irgendeinem Staat der freien Welt auferlegt hat. Insbesondere wurden uns als einzigem ehemaligem Feindstaat die gewerblichen Schutzrechte genommen. Noch im November 1952 wurde z. B. die Beschlagnahme des Warenzeichens 4711 von der amerikanischen Feindvermögensverwaltung erweitert.
({4})
Oft ist es heute noch nicht einmal möglich, daß deutsche Firmen ihren eigenen Namen im Ausland benutzen.
({5})
Die dadurch entstehenden materiellen und ideellen Schäden sind nicht abzuschätzen. Die Ausfälle für unsere Wirtschaft werden auch künftig ein beträchtliches Ausmaß erreichen, wenn es nicht gelingt, wenigstens unseren alten eingeführten Warenzeichen wieder Geltung zu verschaffen. Man könnte sich denken, daß dies dadurch geschähe, daß die im Ausland hergestellten Waren, die heute mit den enteigneten deutschen Warenzeichen versehen werden, eine Herkunftsbezeichnung erhielten, die sie von den echten deutschen Waren unterscheiden.
Die Eigentümer des Auslandsvermögens sind diejenigen, die sich am stärksten mit den fremden Ländern verbunden fühlen, die am meisten zum internationalen Verständnis, zum wirtschaftlichen Austausch, zum Handel und zum Gedeihen der Welt beitragen. Warum soll man gerade sie so tödlich verletzen, warum gerade sie für die Taten und Untaten des Staates haftbar machen? Warum, so fragen wir heute, sollte es nicht möglich sein, wenigstens die kleinen deutschen Vermögen bis 10 000 Dollar in den Vereinigten Staaten freizugeben?
({6})
Niemand könnte glauben, daß dadurch der Reichtum der Vereinigten Staaten auch nur im geringsten angetastet würde!
({7})
Warum wird auch der letzte Wille amerikanischer Erblasser überall geachtet, nur dort nicht, wo ein Deutscher der Erbe ist? Wenn man in der Welt draußen doch nur begreifen wollte, welch großer politischer Schaden dadurch angerichtet wird und wie es dem Deutschen Bundestag dadurch erschwert wird, diesem Abkommen zuzustimmen!
Auch auf dem Gebiet der deutschen Auslandsvermögen hat die Delegation in London getan, was in ihren Kräften stand. Wir schulden Herrn Abs und seinen bewährten Mitarbeitern, die soeben eine der größten und schwierigsten Regelungen der neueren Finanzgeschichte zum Abschluß gebracht haben, auch hierfür den aufrichtigsten Dank.
({8})
Wenn die Vermögensfrage trotzdem bis heute im wesentlichen offengeblieben ist, dann deshalb, weil sie durch die Verquickung mit der Reparationsfrage zu einer politischen Frage geworden war und daher über die Zuständigkeit der Londoner Finanzkonferenz hinausging.
Die Bundesrepublik erbringt mit dem Abkommen über die Auslandsschulden nur deshalb eine Vorleistung, weil sie der festen Überzeugung ist, daß die alliierten Mächte nun nicht mehr zögern werden, den Weg zu Verhandlungen über das
({9})
deutsche Auslandsvermögen unbehindert und großzügig freizugeben. Ich bitte das Haus, die Entschließung Umdruck Nr. 1032 annehmen zu wollen.
({10})
Wird das Wort zur Entschließung verlangt? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Luetkens.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Politik und die Haltung meiner Fraktion konnte nicht besser gerechtfertigt werden als durch die Rede des Herrn Kollegen Pfleiderer, die das Hohe Haus soeben gehört hat, und ich glaube, aus dieser Rede hätte sich nur eine Konsequenz ergeben können: daß die Kollegen, für die sie gehalten worden ist, gegen das Abkommen über die Vorkriegsschulden gestimmt hätten. Meine Fraktion hat immer in dieser Richtung gearbeitet. Das erwies sich auch an dem Antrag, der auf Einsetzung eines internationalen Finanzausschusses abzielte. Wir haben den damaligen Antrag mit unterschrieben und für seine Annahme gestimmt. Wir glauben nicht, daß in Form einer Entschließung - die ja an den gefaßten Beschlüssen staatsrechtlich und völkerrechtlich nichts ändert - die Scherben wieder zusammengeleimt werden können, die durch die vorhergehenden Beschlüsse dieses Hohen Hauses entstanden sind.
Wir werden uns bei der Abstimmung über diese Entschließung der Stimme enthalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
, Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wäre richtiger gewesen, wenn Herr Kollege Dr. Pfleiderer diese Rede vor oder bei der zweiten Beratung des Londoner Schuldenabkommens gehalten, wenn die Regierungskoalition daraus die Konsequenzen für ihre Haltung bei der Abstimmung über dieses Abkommen gezogen hätte. Diese Entschließung hat keinen anderen Zweck, als die Tatsache zu verschleiern, daß die Regierungskoalition mit der Annahme des Abkommens auf das deutsche Auslandsvermögen verzichtet und es in der von mir bereits genannten Höhe von 30 Milliarden auch schon abgeschrieben hat. Mit dieser Entschließung will man sich einzig und allein nach draußen das Mäntelchen umhängen, als wolle man noch etwas tun. Wenn ich noch einmal an das erinnere, was ich vorhin schon sagte, nämlich daß wir dieser Regierung kein Recht geben und daß sie durch nichts autorisiert ist, irgendwelche Verhandlungen auf diesem Gebiet zu führen, dann ergibt sich daraus die Schlußfolgerung, daß wir diese Entschließung ablehnen.
({0})
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es will mir scheinen, daß der Kollege Luetkens die Motive des Abgeordneten Pfleiderer, denen wir sachlich voll zustimmen, absolut verkannt hat. Wir haben bei unserer Zustimmung zu den Abkommen zum Ausdruck gebracht, daß wir daneben diese Entschließung annehmen wollen, und wir haben uns außerdem von dem Gedanken leiten lassen, von dem sich - erlauben Sie mir diese Bemerkung - dieses Haus vielleicht
bei dem französischen Abkommen hätte leiten lassen sollen: daß die Abkommen ein unteilbares Ganzes sind und daß wir durch die Ablehnung irgendeines Teils dieses Ganze nicht nur gefährden, sondern vereiteln.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung über die Entschließung auf Umdruck Nr. 1032. Wer für den Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Es erhebt sich nun die Frage, wie die Mittagszeit reguliert werden soll. - Ich bitte um Entschuldigung, ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß noch Abstimmungen ausstehen. Wir können aber die Regelung der Mittagspause jetzt gleich besprechen. Ich glaube, das Haus ist damit einverstanden, daß keine Pause gemacht wird, sondern nur eine Abstimmungspause.
({0})
Ich schlage vor, daß wir nunmehr noch über die Punkte 1 b) und 1 c) abstimmen und anschließend eine Abstimmungspause eintreten lassen bis - es sind Vorschläge gemacht worden - 15 Uhr oder 14 Uhr 30.
({1})
- 15 Uhr scheint offenbar die meiste Vorliebe zu finden. Das Haus ist damit einverstanden.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung in der zweiten Beratung über Punkt 1 b:
Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung des Abkommens über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953.
Änderungsanträge sind nicht angekündigt. Besteht die Absicht, zu irgendeinem der 120 Paragraphen dieses Gesetzentwurfs einen Änderungsantrag einzubringen? - Das ist nicht der Fall. Dann rufe ich summarisch auf die §§ 1 bis 120, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung und rufe auf zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache enfällt. Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir kommen daher sofort zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme dieses Gesetzes ist, den bitte ich, dies durch Erheben von seinem Sitz zu bezeugen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist angenommen.
Wir kommen nun zur Beratung des Punktes 1 c: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die innerdeutsche Regelung von Vorkriegsremboursverbindlichkeiten.
Auch hier- liegen Änderungsanträge nicht vor. Ich rufe deshalb summarisch auf die §§ 1 bis 23, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, eine
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Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind in zweiter Beratung angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Änderungsanträge liegen nicht vor. Wir können sofort zur Schlußabstimmung schreiten. Wer für die Annahme des Gesetzes ist, den bitte ich, sich von seinem Sitz zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Annahme dieses Gesetzes ist beschlossen.
Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt. Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({3}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Förderungsprogramm für die Gebiete an der Sowjetzonengrenze ({4});
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({5}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Protest gegen Evakuierungsmaßnahmen im sowjetzonalen Zonengrenzgebiet ({6});
c) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({7}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Sicherheit im Zonengrenzgebiet ({8});
d) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({9}) über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Schutz der Zonengrenzgebiete ({10});
e) Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({11}) betreffend Hilfsmaßnahmen an der Zonengrenze ({12}).
Wir treten zunächst in die Beratung der Berichte zu den Punkten 2 a bis d ein. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Henn als Berichterstatter.
Dr. Henn ({13}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 264. Sitzung des Hohen Hauses am 6. Mai dieses Jahres wurde über einen Antrag aller Fraktionen Beschluß gefaßt, der sich erneut mit den Sofort- und Sondermaßnahmen im Zonengrenzgebiet befaßte, die zur Beseitigung der infolge der verschärften Zonengrenzsperre von Ende Mai 1952 entstandenen Schäden dringend notwendig sind. Von den Parlamenten und allen beteiligten Regierungs- und Verwaltungsstellen des Bundes und der betroffenen Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern wurden diese Maßnahmen, die im Sommer vergangenen Jahres eingeleitet wurden, für unbedingt erforderlich gehalten. Bedauerlicherweise ist aber die Soforthilfeaktion für das Zonengrenzgebiet seit November des vergangenen Jahres völlig ins Stocken geraten.
Zu Beginn meiner Ausführungen muß ich deshalb noch einmal ausdrücklich betonen, daß wir von Bund und Ländern gemeinsam weitere wirksame Maßnahmen erwarten müssen, um die durch die verschärfte Zonengrenzsperre von Mitte vergangenen Jahres entstandenen akuten Schäden zu beheben, die begonnene Hilfe fortzusetzen und zu einem Abschluß zu bringen.
Die bisher zur Verfügung gestellten 15 Millionen DM für diese Soforthilfeaktion reichen in keiner Weise aus. Der Ausschuß bittet - wie schon am 6. Mai - heute erneut um eine Auskunft über die Erledigung der Kabinettsvorlage auf Bewilligung weiterer 26 Millionen DM für Sofortmaßnahmen und über den für ihre Verwirklichung vorgesehenen Zeitpunkt. In der Sitzung vom 6. Mai hatte der Herr Bundesfinanzminister davon abgesehen, sich überhaupt zu unserer Anfrage zu äußern.
Bei dem heute vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 4467 betreffend Förderungsprogramm für die Gebiete an der Sowjetzonengrenze geht es nicht um die Beseitigung der akuten Schäden, die im vergangenen Jahr entstanden sind, sondern um ein langfristiges Förderungsprogramm für die Zonengrenzgebiete, um sie wirtschaftlich, sozial und kulturell gesund zu erhalten und zu stärken. Es geht dabei um eine dringliche nationalpolitische Aufgabe, die genau so wie z. B. die Hilfe für Berlin oder für die Heimatvertriebenen und die Sowjetzonenflüchtlinge von uns allen gemeinsam geleistet werden muß. Die von den Kriegsereignissen und den Folgen des kalten Krieges besonders Betroffenen haben selbstverständlich einen Anspruch auf unsere Hilfe, soweit das in unseren Kräften steht.
Bei den hier für das Zonengrenzgebiet geforderten strukturellen Maßnahmen handelt es sich nicht allein um Hilfsmaßnahmen für wirtschaftliche Notstandsgebiete schlechthin, wie sie in zahlreichen Volkswirtschaften zu allen Zeiten erforderlich gewesen sind. Solche ewigen Notstandsgebiete gibt es im Zonengrenzgebiet freilich auch, und gerade dort gibt es sie. Aber hier liegen auch andere, an sich wirtschaftlich gesunde Gebiete, die durch die Zonengrenze und infolge der von sowjetzonaler Seite Ende Mai vergangenen Jahres durchgeführten verschärften Grenzsperre, also infolge der politischen Entwicklung, eigentlich erst oder erst richtig notleidend geworden sind. Die für das Zonengrenzgebiet zu fordernden Maßnahmen haben also - wenigstens zu einem erheblichen Teil - Ursachen ganz besonderer Art, politischer Art, denen aus wesentlich politischen Erwägungen auch mit Maßnahmen besonderer Art beizukommen ist.
Der Unterausschuß Zonengrenzgebiet des Gesamtdeutschen Ausschusses hat sich Monate hindurch bemüht, gemeinsam mit allen beteiligten Stellen der Ministerien des Bundes und der Länder und sonstigen sachverständiger Gremien, wobei die wertvolle Mitarbeit der Industrie- und Handelskammern des Zonengrenzgebiets besonders erwähnt werden muß, ein auf wenige entscheidende Punkte beschränktes strukturelles Förderungsprogramm auszuarbeiten, das Ihnen in der Drucksache Nr. 4467 vorliegt. Das Programm enthält neben wirtschaftspolitischen Vorschlägen auch die Forderung kultureller Hilfsmaßnahmen, wie sich das aus der besonderen Art der zu lösenden Aufgabe von selbst ergibt.
Ich wende mich dem ersten, wirtschaftlichen Teil des Programms zu. Ich muß hier zunächst kurz die Schwierigkeiten wirtschaftlicher Art aufzeigen, die im Zonengrenzgebiet entstanden sind, weil aus ihnen unsere Vorschläge von Hilfsmaßnahmen ihre Begründung erhalten.
Besonders instruktiv ist die Situation in Oberfranken, dessen Wirtschaftsraum eine Bevölkerung von einer Million Menschen umfaßt. Nebenbei bemerkt: im gesamten Zonengrenzgebiet wohnen rund 7 Millionen Menschen. - Rund 45% der gesamten Beschäftigten Oberfrankens waren im Jahre
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1951 in der Industrie in Betrieben mit 10 und mehr Beschäftigten tätig. Die Lebensfähigkeit der oberfränkischen Industrie beruhte vor dem Kriege auf folgenden Tatbeständen: Einmal lagen die Rohstoffe für die Industrie vor den Toren Oberfrankens, so daß sie zu niedrigen Preisen störungsfrei bezogen werden konnten. Es sei hier nur darauf verwiesen, daß die Steinkohle aus Zwickau, Böhmen und Schlesien und die Braunkohle aus Böhmen und Mitteldeutschland nur über kurze Entfernungen bezogen zu werden brauchte. Auch andere Rohstoffe wie Kaolin, Glassand, Rundholz und Halbfabrikate wie Zellwolle und Garne konnten früher frachtgünstig aus dem benachbarten Mitteldeutschland bezogen werden. Schließlich war selbst die Fracht für importierte Rohstoffe wie Baumwolle nicht unmäßig hoch, da diese Güter auf dem direkten Weg von Bremen über Magdeburg herangebracht werden konnten.
Zum andern lag das oberfränkische Industriegebiet bis 1945 ausgesprochen günstig zu den Absatzzentren Mitteldeutschland und Berlin. Wesentliche Teile der oberfränkischen Industrie waren dementsprechend in ihrem Absatz auf diese wichtigen Verbraucherzentren ausgerichtet. Die Industrie- und Handelskammer Bayreuth hat z. B. festgestellt, daß die oberfränkische Textilindustrie 50% ihrer Erzeugnisse im Norden und Osten abgesetzt hat und daß Mälzereien und Brauereien sogar bis 95% ihrer Erzeugnisse nach Sachsen. Thüringen und Berlin geliefert haben. Für andere Industriezweige liegen die Verhältnisse ähnlich.
Drittens waren die Verkehrsverhältnisse Oberfrankens bis 1945 außerordentlich' günstig. Erinnert sei hier an die Bahnstrecken Berlin-München, Stuttgart-Dresden und Paris-Frankfurt-Prag sowie die großen Nord-Süd- und Ost-West-Straßenverbindungen und die Autobahn München-Berlin, die Oberfranken schnitten bzw. berührten.
Schließlich war infolge der Streuung der Industrie auf kleinere Orte der Lebensunterhalt der arbeitenden Bevölkerung etwas billiger als in anderen Industriegebieten, was ein gewisses Lohngefälle zugunsten Oberfrankens einerseits ermöglichte und auf der andern Seite erträglich machte.
Durch die Nachkriegsverhältnisse, insbesondere durch die immer schärfere Abtrennung der sowjetischen Besatzungszone, ist .der größte Teil der eben erwähnten Standortfaktoren aufgehoben worden. Es ist neuerdings der oberfränkischen Industrie nicht mehr möglich, die vor ihren Toren lagernden Rohstoffe und die mitteldeutschen Halbfabrikate zu den früheren günstigen Bedingungen zu beziehen. Darüber hinaus müssen die importierten Rohstoffe wie Baumwolle auf Umwegen um die Zonengrenze herum in die Verarbeitungsstätten Oberfrankens gefahren werden. Fast der gesamte Absatz der oberfränkischen Industrie nach Ost- und Mitteldeutschland ist unterbrochen, und die oberfränkischen Erzeugnisse, die in ihrer Ausstattung und Geschmacksrichtung auf mitteldeutsche bzw. ostdeutsche Abnehmerkreise zugeschnitten waren, müssen sich mühsam neu einen Weg zu den westdeutschen Absatzzentren suchen. Dabei müssen sie, ebenso wie die hereinkommenden Importrohstoffe, die sowjetische Besatzungszone umfahren, wenn sie in den Verbrauchzentren Nord- und Nordwestdeutschlands abgesetzt werden sollen.
Die neue Situation wird am deutlichsten an zwei Beispielen. Eine Spiritus- und Preßhefefabrik in Oberfranken verarbeitet jährlich 2200 t Melasse. Die frühere Bezugsentfernung betrug 110 km, die Fracht 24 200 DM. Die heutige Bezugsentfernung beträgt 468 km, die Fracht 103 400 DM, die Frachtmehrbelastung aus der Bezugsverlagerung insgesamt also 79 200 DM. Der Kohleverbrauch betrug früher 1800 t Tschechenkohle; die Fracht dafür betrug wertmäßig 8000 DM. Heute, für 1000 t Ruhrkohle, beträgt die Fracht 29 000 DM, die Frachtmehrbelastung aus der Bezugsverlagerung also 21 000 DM. Die Absatzfrachten für Hefe haben sich bei gleicher Absatzmenge infolge der Bezugsverlagerung von früher 90 000 DM auf heute 113 000 DM erhöht; die Frachtmehrbelastung beträgt also 23 000 Mark. Die Mehrfrachten im Vergleich zu früher machen demnach insgesamt rund 123 000 Mark aus, das sind 10 % des Umsatzes. Ich möchte bemerken, daß alle Tarifangaben auf den Stand vom 1. März 1953 bezogen sind.
Das zweite Beispiel betrifft eine oberfränkische Glashütte, die ihren gesamten Bedarf an Rohmaterialien vor Errichtung der Zonengrenze in Mitteldeutschland bzw. in Schlesien deckte. Der Verbrauch betrug jährlich 7200 t Briketts, 720 t Soda und 2000 t Quarzsand. Für Kohle betrug die frühere Bezugsentfernung 170 km, heute beträgt sie 515 km; für Soda früher 242 km, heute 509 km; für Quarzsand früher 274 km, heute 366 km. Die Gesamtfracht betrug früher 158 000 DM; sie beträgt heute 263 000 DM. Die Frachtmehrbelastung beträgt insgesamt 104 272 Mark. Würde der gleiche Betrieb z. B. im Raume Frankfurt am Main seinen Sitz haben, ergäbe sich infolge der kürzeren Entfernung zu den Bezugsgebieten folgender Frachtvorsprung bei Kohle in Höhe von 70 000 DM, bei Soda in Höhe von 18 000 DM und bei Quarzsand in Höhe von 11 000 DM, insgesamt also ein Frachtvorsprung in Höhe von 99 000 DM.
Ganz anders als in Oberfranken liegen die Verhältnisse in dem mehr agrarischen, weiter westwärts gelegenen Gebiet Bayerns an der Zonengrenze. In diesem Gebiet war von jeher nur eine geringe gewerbliche Intensität vorhanden. Zu der Not, mit der z. B. die Rhön schon immer zu kämpfen hatte, kommt seit 1945 die Belastung hinzu, die das Einströmen der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge gerade in die agrarischen Gebiete mit sich brachte. Bekanntlich war es in den Jahren nach 1945 nur unter dem Druck der Ereignisse möglich, die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge zunächst dorthin zu lenken, wo der Krieg wenigstens Unterbringungsmöglichkeiten für die obdachlosen Vertriebenen übrig gelassen hatte. Das hat aber zur Folge, daß jetzt in diesen durch Kriegshandlungen, insbesondere durch Luftangriffe wenig zerstörten landwirtschaftlichen Gebieten Heimatvertriebene und Flüchtlinge ohne Arbeits- und Verdienstmöglichkeit herumsitzen. Die Aufgabe besteht also bei Gebieten wie der Rhön darin, sie von dem Druck ihrer überzähligen Bevölkerung zu entlasten. Es müssen zunächst die schon immer verbesserungsbedürftigen landwirtschaftlichen Produktionsverhältnisse durch Meliorationen und ähnliche Maßnahmen in Ordnung gebracht werden. Ferner darf natürlich auch hier nicht darauf verzichtet werden, die bereits vorhandenen gewerblichen Betriebe von den Kosten zu entlasten, die durch die Zonengrenzziehung ähnlich wie in Oberfranken entstanden sind. Außerdem sollte keine Gelegenheit unberück({15})
sichtigt bleiben, die sich zur Errichtung geeigneter neuer gewerblicher Betriebe ergibt, für die die Standortverhältnisse einigermaßen günstig sind. Dies erscheint schon deshalb notwendig, weil der Ballungstendenz der Industrie, die im allgemeinen zum Ruhrgebiet, zum Rhein-Main-Gebiet und nach Württemberg hindrängt, entgegengewirkt werden sollte, soweit dies volkswirtschaftlich zu vertreten ist.
In Hessen fiel im Kasseler Industriebezirk nach dem Kriege die Beschäftigungsmöglichkeit für zahlreiche Betriebe fort, insbesondere soweit sie der Rüstungsfertigung dienten. Zudem erfuhr die dadurch bedingte Arbeitslosigkeit eine weitere Verschärfung durch den Zustrom von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen, die zwar nicht in das zerstörte Kassel selbst, aber in den um Kassel liegenden Gebirgskranz im großen Umfange einströmten. Die Kasseler Industrie hat zwar nicht in dem Umfange wie die oberfränkische Industrie mit Verteuerungen des Rohstoffbezuges zu kämpfen, jedoch trifft sie im besonderen Maße - soweit es sich nicht um große Betriebe handelt, die schon immer exportintensiv waren - die Abschnürung von dem mitteldeutschen Industriegebiet, zu dem sie als Zulieferer und Zwischenlieferant ehemals in enger Verbindung stand.
In Niedersachsen lebte das Zonengrenzgebiet Harz im wesentlichen von seiner Forstwirtschaft und von seinem Fremdenverkehr, der durch die Nähe der Zonengrenze schwer in Mitleidenschaft gezogen ist. Wenn es gelingt, den Fremdenverkehr wieder zu beleben und durch geeignete Maßnahmen die Aufnahmefähigkeit des dortigen Hotelgewerbes zu steigern, wird eine allmähliche Besserung der Situation im Harz sich einstellen.
Im Raum Baunschweig liegen die Verhältnisse wenn auch nicht gleichartig, so doch ähnlich wie in Kassel. Auch hier wird weniger die Verteuerung des Rohstoffbezugs als die Abschnürung der mitteldeutschen Handelsbeziehungen drückend empfunden.
Der Raum Ülzen-Lüneburg weist als industriearmes Gebiet ähnliche Probleme auf, wie sie bezüglich der Rhön von mir skizziert wurden.
Aus dem Raum Schleswig-Holstein muß ich als letzten markanten Punkt an der unmittelbaren Zonengrenze den Lübecker Raum erwähnen. Lübeck als Handelsstadt ist natürlich ebenso wie die Industriezentren weiter südlich an der Zonengrenze in seinem Lebensnerv durch die Absperrung der sowjetischen Besatzungszone betroffen. Die Lübekker Firmen haben es besonders schwer, einen Ersatz für ihr früheres Bezugs- und Absatzgebiet in dem westdeutschen Raum zu finden, zumal sie dort auf eingeführte und eingearbeitete Konkurrenz stoßen. Ein besonderes Sorgenkind ist hier die Schlutuper Fischkonservenindustrie.
Meine Feststellungen über die einzelnen Gebiete zeigen, wie jeder Raum an der Zonengrenze seine besonderen Schwierigkeiten hat und wie diese Schwierigkeiten in verschiedenem Ausmaß die einzelnen Gebiete belasten. Die Flüchtlingsbelegungen der agrarischen Gebiete z. B. bringen für diese Gebiete eine Arbeitslosenquote, die aus sozialpolitischen Gründen nicht länger hingenommen werden kann. In den industriereicheren Gebieten dagegen ist es oftmals so, daß die statistisch erfaßte Arbeitslosigkeit zwar auf den ersten Blick nicht so alarmierend wie in den agrarischen Gebieten ist, daß jedoch die Entwicklung im Gegensatz zum Bundesgebiet nicht aufwärts verläuft, sondern teilweise stagniert. Auch dieser Tatbestand muß dort, wo er vorliegt, beachtet werden, wenn man nicht Gefahr laufen will, mit Hilfsmaßnahmen erst dann einzusetzen, wenn die Entwicklung nach unten eingeleitet und nicht mehr aufzuhalten ist.
Allerdings muß in diesem Zusammenhang festgestellt werden, daß Gefahren durchaus nicht an allen Punkten der Zonengrenze gegeben sind. Somit sollten auch die Hilfsmaßnahmen vernünftigerweise nicht in breitester Streuung entlang der gesamten Zonengrenze zum Anlaufen kommen, sondern sich zweckmäßigerweise auf die Gebiete und die Tatbestände beschränken, die als alarmierend angesehen werden müssen. Dies ist schon deshalb notwendig, weil die beschränkten Hilfsmöglichkeiten jetzt und in absehbarer Zukunft es wohl nicht erlauben werden, großzügige Maßnahmen in breitester Streuung durchzuführen.
Der Überblick über die Situation in den einzelnen Zonengrenzgebieten hat - wenn auch in verschiedener Intensität - für alle gewerbeintensiven Gebiete an der Zonengrenze gezeigt, daß ein wesentliches Erschwernis für sie der Wegfall des mitteldeutschen und ostdeutschen Absatzgebiets bedeutet. Selbstverständlich sind auch anderswo in Westdeutschland frühere Beziehungen zum mittel- und ostdeutschen Raum verlorengegangen. Es steht aber fest, daß die wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Zonengrenzgebiet und dem benachbarten Mitteldeutschland intensiver war als die der übrigen Gebiete der Bundesrepublik, einfach deshalb, weil naturgemäß die wirtschaftlichen Beziehungen zu einem bestimmten Raum in der Regel um so intensiver sind, je näher dieser Raum gelegen ist. Dieser Tatbestand beruht auf der einfachen wirtschaftlichen Gegebenheit, daß in einer vernünftig gewachsenen Wirtschaft die Rohstoffe ebenso wie die Halb- und Fertigfabrikate möglichst nur über kurze Strecken transportiert werden, um Frachtbelastungen in den Kosten der Enderzeugnisse zu sparen. Man muß also dementsprechend den Betrieben im Zonengrenzgebiet beim Bezug ihrer Rohstoffe und Vorprodukte in all den Fällen Hilfestellung leisten, wo sich durch die politischen Verhältnisse an der Zonengrenze eine wesentliche Verteuerung ergibt. Selbstverständlich muß die Hilfe auf die Betriebe beschränkt bleiben, bei denen die Verteuerung ins Gewicht fällt. Zu denken ist hierbei vor allem an die Betriebe, die ihre billigen Kohlenbezugsquellen verloren haben, sowie an die verarbeitenden Betriebe, die gewisse Rohstoffe wie Sande, Kaolin usw. früher aus unmittelbarer Nähe geliefert bekamen und die sich nun diese frachtintensiven Güter über viele Hunderte Kilometer heranschaffen müssen. Unser Förderungsprogramm sieht unter Punkt 1 einen Sonderfonds von mindestens 10 Millionen für diese Zwecke vor.
Man muß weiterhin, um den Zonengrenzgebieten ihre verlorenen Absatzgebiete ersetzen zu helfen, Frachterleichterungen zum Suchen und Erkämpfen neuer Absatzgebiete zugestehen. Selbstverständlich wird man sich auch hier darauf beschränken, nur die Gebiete und Betriebe einzubeziehen, die durch die Frachtkosten tatsächlich wesentliche Belastungen erfahren. Auch nach der Gewährung der Frachthilfe bleibt den Betrieben aus den Grenzgebieten - vernünftigerweise, wenn man die Grundsätze der Marktwirtschaft nicht durchbrechen will - die Aufgabe, mit vielen Schwierig({16})
keiten selbst fertigzuwerden, die sich aus der neuen Situation auf ungewohnten Märkten mit alteingesessener Konkurrenz ergeben. Unser Förderungsprogramm sieht unter Punkt 2 für Frachthilfe einen Betrag von mindestens 5 Millionen DM vor. Es liegt auf der Hand, daß die Verbilligung des Rohstoffbezugs und die frachtliche Unterstützung beim Warenversand allein kein Äquivalent für die Erschwernisse bieten, mit denen die Unternehmer an der Zonengrenze zu kämpfen haben. Will man verhindern, daß die Unternehmer aus den ungünstigen Wettbewerbsverhältnissen die Konsequenzen ziehen und ihre Betriebe nach dem Westen verlagern, so muß man ihnen über die Hilfestellung beim Warenbezug und Warenversand hinaus einen Anreiz zur Durchführung von Investitionen im Zonengrenzgebiet geben. Dies könnte dadurch geschehen, daß man den Unternehmen gestattet, eine steuerfreie Rücklage in einem bestimmten Umfang zu bilden. Allerdings muß gewährleistet sein, daß diese steuerfreie Rücklage tatsächlich auch für Investitionen im Zonengrenzgebiet verwendet wird. Dies kann dadurch erreicht werden, daß man den Unternehmer zwingt, die Rücklage steuerpflichtig aufzulösen, wenn sie nach einer angemessenen Frist nicht für Investitionen im Zonengrenzgebiet verwendet worden Ist.
Bereits zu beobachtende Betriebsverlagerungen gehen nicht so vor sich, daß bestehende Betriebe in wesentlichem Umfang demontiert und nach 'dem Westen abtransportiert werden. In Wirklichkeit geht die Verlagerung vielmehr so vonstatten, daß sich ein Unternehmer entschließt, eine notwendige Neuanlage nicht in seinem bisherigen Betrieb an der Zonengrenze, sondern in einem neuen Teilbetrieb in Westdeutschland zu erstellen. Diese Anlage - und Idas ist das Gefährliche an der Sache -' wird aus Mitteln finanziert, soweit sie der alte Betrieb an der Zonengrenze abgeben kann. Dies bedeutet also, daß vor allem die leistungsfähigen Unternehmer in der Lage sein werden, Betriebe in Westdeutschland außerhalb des Zonengrenzgebiets zu errichten, weil diese Unternehmer aus ihrem Betrieb an der Zonengrenze nennenswerte Beträge freimachen können. Gerade diese Unternehmer gilt es jedoch im Zonengrenzgebiet zu halten. Es muß ihnen ein Anreiz geschaffen werden, ihre neuen Investitionen, zu denen sie auf Grund der guten Lage ihres Unternehmens fähig sind, im Zonengrenzgebiet und nicht anderswo vorzunehmen. Dieser Sachverhalt unterstreicht von neuem die Notwendigkeit, über die kostenausgleichenden Hilfsmaßnahmen hinaus - Rohstoffverbilligung, Frachthilfe beim Warenversand - den Unternehmen einen Anreiz zu geben. Investitionen im Zonengrenzgebiet vorzunehmen, wie wir das in Punkt 4 unseres Förderungsprogramms vorschlagen.
Schließlich könnte eine weitere Hilfestellung für die Zonengrenzwirtschaft darin bestehen, daß man dort, wo besonders hohe Realsteuersätze bestehen, den Betrieben die überhöhte Steuer bis zu einem tragbaren Satz zurückerstattet. Dies könnte so vor sich gehen, daß aus einem von der Bundesregierung und den Landesregierungen gemeinsam bereitzustellenden Fonds den Betrieben die zu viel gezahlte Gewerbesteuer zurückerstattet wird. Hiervon ist in Punkt 3 unseres Programms die Rede.
Alle von uns vorgeschlagenen Förderungsmaßnahmen müssen selbstverständlich von der Bundesregierung und den Länderregierungen gemeinsam durchgeführt und finanziell getragen werden. Zum Teil sind es - wie z. B. die Bildung einer steuerfreien Rücklage - Maßnahmen, die in erster Linie sogar die finanzielle Lage der Länder berühren.
Eine Einschaltung der Länder und insbesondere eine Heranziehung der Länder zur finanziellen Belastung erscheint auch schon deshalb notwendig, weil ohne eine solche Beteiligung der Länder die Gefahr besteht, daß die Landesregierungen in ihren Förderungen weitergehen, als die knappen Mittel des Bundes dies zulassen. Vor allem muß dabei auch sichergestellt werden, daß Bundesmittel sich nicht 'in abwanderungsfördernde Maßnahmen in den Ländern umsetzen.
Die Punkte 1 bis 4 unseres Förderungsprogramms bilden den entscheidenden Teil unserer wirtschaftlichen Vorschläge. Punkt 5 unseres Programms zählt Maßnahmen auf, die wir in Zukunft für erforderlich halten. Ich muß es mir aus Zeitnot ersparen, näher auf diese Dinge einzugehen. Zum Schlußsatz dieses Punktes möchte ich nur erwähnen, daß wir z. B. auch die Möglichkeit einer Art „Ostpreußenrückfahrkarte" in das Zonengrenzgebiet überlegt haben.
Oberstes Ziel aller Maßnahmen muß es sein, die geringen zur Verfügung stehenden Mittel so zu lenken, daß nur solche Hilfen gegeben werden, die auf Grund 'der politischen Nachkriegsverhältnisse berechtigt sind. Eine Unterstützung notleidender Betriebe schlechthin, die aus allen möglichen anderen Gründen in eine Zwangslage geraten sein mögen, ist nicht zu vertreten. Weiterhin müssen die Mittel zunächst dorthin gegeben werden, wo der zu erwartende Effekt im Verhältnis zu den eingesetzten Mitteln am höchsten zu sein verspricht.
In diesem Zusammenhang ein Wort zu dem Grundgedanken unseres Programms, den Betrieben zu helfen, gesund zu bleiben und stärker zu werden. Wir haben das Programm einzig und allein aus der Überlegung heraus aufgestellt, alte Arbeitsplätze im Zonengrenzgebiet zu erhalten und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Das schien uns der zweckmäßigste Weg, dem wirtschaftlichen Teil des Zonengrenzgebietsproblems überhaupt beizukommen. Es hat sich gezeigt, daß die Verteilung_ und der Einsatz der zu Verfügung stehenden Mittel einheitlich gelenkt und überwacht werden muß. Es wird deshalb empfohlen, ein oder zwei Bundesministerien federführend für alle Maßnahmen im Zonengrenzgebiet einzusetzen. Der Lage der Dinge nach dürfte dafür hinsichtlich aller wirtschaftspolitischen Maßnahmen das Bundeswirtschaftsministerium und bezüglich aller kulturellen Förderungsmaßnahmen - auf die ich nunmehr zu sprechen komme - das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen in Betracht kommen.
Die Landesregierungen von Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern haben dem Unterausschuß „Zonengrenzgebiet" des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen auf dessen Bitte in umfassender Weise über die kulturelle Situation und die kulturellen Einrichtungen im Zonengrenzgebiet berichtet. Der Unterausschuß selber hat sich an Ort und Stelle über die Situation und die hieraus sich ergebenden Notwendigkeiten unterrichtet.
Es ist folgendes festzustellen. Das Volksschulwesen weist in allen Ländern entlang der Zonengrenze die größten Mißstände auf. Es besteht vor allem eine außerordentlich große Schulraum- und Schulausstattungsnot.
Im Bereich des Mittelschulwesens liegen die Verhältnisse nicht viel günstiger. In vielen Kreisen fehlt diese Schulart vollständig, weil früher die
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jetzt infolge der Zonengrenze .nicht mehr erreichbaren Mittelschulen in der sowjetischen Besatzungszone besucht werden konnten.
Auch höhere Lehranstalten fehlen in größerer Zahl. Die vorhandenen Schulgebäude sowie deren Einrichtungen sind in vieler Hinsicht ergänzungs-
und erneuerungsbedürftig. Meist fehlen moderne Unterrichtsräume, Übungssäle, Turnhallen, Waschräume, ausreichende Heizungsräume usw.
Berufs- und Berufsfachschulen fehlen in vielen Kreisen des Zonengrenzgebietes völlig. Es besteht fast überall völliger Mangel an Facharbeitsräumen mit den entsprechenden Einrichtungen. Auch die Fachschulen für besondere Gewerbezweige wie z. B. für Glasindustrie und Holzbearbeitung, Textilindustrie, für Porzellan, für Stickerei, für Steinbearbeitung usw., 'die durch den Wegfall entsprechender Schulen jenseits der Zonengrenze besondere Bedeutung erlangt haben, können bisher nicht in dem erforderlichen Ausmaß gefördert werden.
Im Bereich der Erwachsenenbildung ist der Mangel an Volkshochschulen zu beklagen. Wo sie bestehen, sind sie ungenügend dotiert. Ihre Träger können den an sie infolge der Zonengrenze und der Vertriebenen- und Flüchtlingsansiedlung gestellten höheren Anforderungen nicht entsprechen.
In einem beklagenswerten Zustand befinden sich die Volksbüchereien; im übrigen ist ihre Zahl viel zu gering.
Für die Jugendpflege sind zwar aus dem Bundesjugendplan Mittel in die Zonengrenzgebiete geflossen, aber die jugendpflegerische Arbeit liegt in diesen Gebieten noch sehr im argen. Es fehlt an Jugendheimen, Jugendbüchereien, Herbergen, Wanderhütten, Turnhallen, Sportplätzen usw.
Von einer ausreichenden Förderung der Kunst in den Grenzgebieten kann ebenfalls nicht die Rede sein. Ich muß auf nähere Ausführungen verzichten und kann nur feststellen, daß alle Gebiete der Kunst in gleicher Weise betroffen sind.
Diese kulturelle Situation im Zonengrenzgebiet zwingt zu folgenden grundsätzlichen Feststellungen: Aus der sowjetischen Besatzungszone heraus wird ein hartnäckiger Kampf gegen die staatliche, wirtschaftliche, soziale und, was in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist, kulturelle Ordnung der Bundesrepublik geführt. Naturgemäß wenden sich die sowjetzonalen Werber und ihre offen kommunistischen oder getarnten Helfer im Bundesgebiet in erster Linie an die wirtschaftlich schwächeren Kreise der Bevölkerung. In den Zonengrenzgebieten versuchen sie vor allem, Einfluß auf die dort in großer Zahl vorhandenen Heimatvertriebenen und Flüchtlinge- zu nehmen. Aber auch die einheimische Bevölkerung, besonders in den seit jeher als Notstandsgebiete geltenden Räumen z. B. des Harzes, der Rhön und Unterfrankens, -ist der kommunistischen Beeinflussung ausgesetzt. All diese Bezirke und Personenkreise gilt es deshalb, wie schon gesagt, wirtschaftlich und sozial, aber auch geistig und seelisch so zu stärken, daß sie die wahren Absichten der östlichen Propagandisten erkennen und ihren Beeinflussungsversuchen widerstehen können.
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Die Zonengrenzgebiete sind aber neben Berlin auch das Schaufenster der Bundesrepublik nach Mitteldeutschland.
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Herr Abgeordneter Kohl, Sie stören die Berichterstattung.
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- Das festzustellen ist' nicht Ihre Sache, sondern die meine.
Dr. Henn ({1}), Berichterstatter: Ihre werbende Aufgabe in dieser Hinsicht kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Auch aus diesem Grunde müssen sie nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell so gefördert werden, daß die Überlegenheit des Westens den Menschen jenseits der Zonengrenze immer wieder vor Augen geführt wird.
Der Tatsache des Bestehens eines kulturellen Notstandes von beträchtlichem Ausmaß in den Zonengrenzgebieten kommt eine hervorragende politische Bedeutung zu. Es erscheint dringend erforderlich, zur Abwendung auch der hieraus drohenden Gefahren alsbald umfangreiche Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Zwar würde es in erster Linie Sache der Länder sein, diesen kulturellen Notständen abzuhelfen, weil die Verwaltung der kulturellen Angelegenheiten nach dem Grundgesetz zu ihrer alleinigen Zuständigkeit gehort. Wie die Dinge aber liegen, ist wohl nicht damit zu rechnen, daß die Länder an der Zonengrenze die erforderlichen Mittel ohne Hilfe des Bundes werden aufbringen. können. Bei dieser Sachlage dürften die vier Zonengrenzländer sicherlich bereit sein, die vorgeschlagene Bundeshilfe für kulturelle Aufgaben anzunehmen. Die vier in Frage kommenden Länder haben einen Gesamtbedarf von 220 Millionen DM errechnet. Eine eingehende Überprüfung hat ergeben, daß mit jährlich 25 Millionen über fünf Jahre hin eine entscheidende Hilfe geleistet würde. So schlägt es denn auch Punkt 6 unseres Förderungsprogramms dem Hohen Hause vor.
Der gesamtdeutsche Ausschuß bzw. sein Unterausschuß „Zonengrenzgebiet" haben sich bei der Ausarbeitung des Förderungsprogramms im wesentlichen mit dem Zonengrenzgebiet von Lübeck bis Hof befaßt. Der Ausschuß für Grenzlandfragen hat in seiner Sitzung vom 17. Juni 1953 einstimmig beschlossen, daß der Antrag des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen, Drucksache Nr. 4467, wie folgt ergänzt werden möge:
Die gemäß Drucksache Nr. 4467 vorgesehenen Förderungsmaßnahmen sind auf alle Gebiete des Eisernen Vorhangs von Flensburg bis Passau auszudehnen. Hierfür sind, soweit erforderlich, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Die Mittel des Sanierungsfonds dürfen hierfür nicht in Anspruch genommen werden.
Ich gebe diesen Beschluß des Ausschusses für Grenzlandfragen hiermit auftragsgemäß bekannt. Der Gesamtdeutsche Ausschuß schließt sich diesem Beschluß des Grenzlandausschusses vollinhaltlich an.
Ich bin damit am Ende meines Berichts. Ich bitte das Hohe Haus noch einmal, die große nationalpolitische Aufgabe der Gesunderhaltung und der Stärkung des Zonengrenzgebiets zu erkennen und dies durch eine einstimmige Annahme unseres Förderungsprogramms für die Gebiete an der Sowjetzonengrenze zu bekunden. Wir wollen gerade diese Gebiete gesund und kräftig in ein wiedervereinigtes Deutschland einbringen. Deshalb müssen wir
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dem Zonengrenzgebiet in der Zwischenzeit der Not helfen, soweit es in unseren Kräften steht.
Ich habe weiterhin über die Drucksache Nr. 4468 betreffend den Antrag Drucksache Nr. 3497 zu berichten, in dem die Bundesregierung ersucht wurde, ein Weißbuch über die auf sowjetzonaler Seite im Zonengrenzgebiet und Berlin vorgenommenen Sperr- und Evakuierungsmaßnahmen zu veröffentlichen. Dieser Punkt des Antrags ist erledigt durch ein Gelbbuch, daß das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen vorgelegt hat. Auch Punkt 2 des Antrags Drucksache Nr. 3497 ist erledigt, da auch den fremden Regierungen dieses Gelbbuch unterbreitet worden ist. Ich bitte Sie also, entsprechend unserem Vorschlag in Drucksache Nr. 4468 den Antrag Drucksache Nr. 3497 für erledigt zu erklären.
Ich komme zum Antrag der Fraktion der SPD,- Drucksache Nr. 3498, betreffend Sicherheit im Zonengrenzgebiet. Der Punkt 1 dieses Antrags, die Verantwortlichkeit für die in jüngster Zeit vorgekommenen Übergriffe über die Zonengrenze usw. festzustellen, hat sich zeitlich erledigt.
Zu Punkt 2, eine allgemeinverbindliche Feststellung über den Verlauf der Zonengrenze zu treffen und öffentlich bekanntzumachen, liegt ein Schreiben des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen vor, das eine befriedigende Auskunft enthält.
Zu Punkt 3 wird freilich noch eine Erklärung der Bundesregierung erwartet.
Der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen hat Ihnen mit Drucksache Nr. 4469 vorgeschlagen, die Drucksache Nr. 3498 für erledigt zu erklären. Ich bitte Sie, dementsprechend zu entscheiden.
Am Schluß meiner Ausführungen komme ich zur Drucksache Nr. 4470, die auf die Drucksache Nr. 3504 zurückgeht, in der vor allem beantragt wurde, die Stärke des Bundesgrenzschutzes so heraufzusetzen, daß er in die Lage versetzt wird, seinen Aufgaben in vollem Umfange gerecht zu werden. Auch dieser Antrag der FDP ist durch den Beschluß des Hohen Hauses erledigt, daß der Grenzschutz auf 20 000 Mann erhöht werden soll. Ich bitte Sie also entsprechend Drucksache Nr. 4470, auch den Antrag Drucksache Nr, 3504 für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Es bleibt noch Litera e der Ziffer 2 zu begründen. Herr Abgeordneter Freiherr von Aretin, wollen Sie nach diesem ausführlichen Bericht noch begründen? Ich glaube, es scheint nicht mehr notwendig zu sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf in ganz kurzen Zügen darauf hinweisen, daß sich die Einbeziehung der Gebiete entlang des Eisernen Vorhangs an der tschechischen Grenze und der sowjetisch besetzten Zone Österreichs genau so rechtfertigt wie die Sowjetzonengrenzgebiete. Es haben sich fünf Argumente herausgestellt, unter denen sich die besondere Notlage des Zonengrenzgebiets ergibt, nämlich die Umwandlung der geographischen Situation, die Ungunst der Verkehrslage, die Verschlechterung der Standortbedingungen, der Flüchtlingsstau und die Arbeitslosigkeit.
Alle diese fünf Bedingungen treffen auch auf das Zonengrenzgebiet entlang der Grenze von Hof bis Passau zu.
Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht noch darauf hinweisen, daß auch die Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom 16. 7. 1932 ausdrücklich den Bayerischen Wald - bereits damals! - in das Osthilfeprogramm hineingenommen hat.
Weil nun der Herr Berichterstatter in seinen Ausführungen etwas ausführlich auf die besondere Bedeutung .der Kohle in Oberfranken eingegangen ist, darf ich ein weiteres Wort dazu verlieren.
In anderem Zusammenhang hat mir die Industrie- und Handelskammer Passau eine Zusammenstellung der Einstandskosten von je 10 t Kohle für eine Glasfabrik gegeben, aus der sich am schlagendsten ergibt, wie berechtigt unser Antrag ist.
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Darin werden die Einstandskosten für 10 t Kohle einer Glasfabrik im Bayerischen Wald und einer im Rheinland verglichen. In 1936 waren die Einstandskosten im Rheinland mit 136 RM eine Kleinigkeit höher als die im Bayerischen Wald mit 128,87 RM. Das kam daher, daß die tschechische Kohle damals preisgünstig zu beziehen war und die tschechischen Zechen die dortige Industrie beliefert haben. In 1951 betrug der Einstandspreis im Rheinland 215 Mark, im Bayerischen Wald 540,80 Mark. Wir haben also bei einer allgemeinen Preissteigerung der Kohle von 79 % im Rheinland eine Steigerung von 320% im Bayerischen Walde festzustellen.
Diese Zahlen wollte ich nennen, um darauf hinzuweisen, daß unser Antrag, den sich auch der Grenzlandausschuß heute zu eigen gemacht hat, ein Gebot der Gerechtigkeit darstellt, weshalb ich um Zustimmung bitte.
Damit sind alle unter dem Punkt 2 zusammengefaßten Vorlagen und Anträge begründet. Wir treten in die Aussprache ein. Die Gesamtredezeit ist vom Ältestenrat auf 90 Minuten begrenzt worden. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es besteht alle Veranlassung, dem Herrn Henn als Berichterstatter des Ausschusses für den ausgezeichneten, umsichtigen und abschließenden Bericht zu danken. Ich muß aber offen sagen, mir wäre es lieber, wenn der Bericht entsprechend Art. 74 der Geschäftsordnung schriftlich erstattet worden wäre. Erstens hätten wir im Plenum zirka eine Stunde Zeit gespart, und zweitens hätten wir eine besondere Urkunde in den Händen und nicht nur in den Protokollen einen Mündlichen Bericht, der jetzt vor leerem Hause in das Diktat der Herren Stenographen gegeben wurde. Das bedaure ich. Der Bundestag könnte nach Art. 74 Abs. 3 der Geschäftsordnung den Antrag stellen, den Bericht schriftlich zu erstatten und ihn noch nachzuliefern. Das erspare ich mir, weil ich der Meinung bin, der Bericht ist sachlich so ausgezeichnet, daß man ihn auch im Stenogramm lesen kann. Leider hat man dann aber keine Urkunde in seinen Zonengrenzakten. Das vorweggenommen.
Nun möchte ich den Antrag meiner Partei begründen, den ich schriftlich eingereicht habe. Er ist nicht umgedruckt; das ist aber auch nicht nötig. Es handelt sich um eine ganz kleine Ergänzung zu Drucksache Nr. 4467, jenen umfänglichen und
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von dem Herrn Henn in so ausgezeichneter Weise begründeten Vorschlägen des Ausschusses zur Abhilfe der Zonengrenznot. Dort heißt es unter Ziffer 2 a - das ist die Hilfe für diejenigen Betriebe, die ihre Absatzmärkte verloren haben -, daß
allen Betrieben im Zonengrenzgebiet, die durch die Zonengrenzziehung ihrer früheren Absatzgebiete beraubt wurden, insbesondere den Betrieben aus der Gießerei-, der Holz-, der Steine- und Erden-Branche sowie den Salinen und landwirtschaftlichen Betrieben Frachtausgleich gewährt werden solle.
Der Berichterstatter hat in seinem Bericht namens des Ausschusses auch auf die besondere Lage, und zwar auf die unerhörte Krisenlage der Fischindustrie hingewiesen. Ich habe es deswegen hier, wie ich glaube, mit Recht vermißt und nur als ein Versehen angesehen, daß die Fischindustrie nicht besonders erwähnt ist. Ich habe zu beantragen, daß zwischen die Worte „sowie" und „den Salinen" in der vierten Zeile der Ziffer 2 a der Drucksache Nr. 4467 die Worte „der Fischindustrie" eingeschoben werden, so daß der Text jetzt heißt: „sowie der Fischindustrie, den Salinen und landwirtschaftlichen Betrieben ...".
Die Fischindustrie muß in dem Bericht erwähnt werden. Der Ausschuß hat sich vor rund einem Jahre von den beteiligten Verkehrskreisen, insbesondere auch von Amtsstellen, über die besondere Lage dieser Betriebe erfreulich eingehend, wie ich damals feststellen konnte, Bericht erstatten lassen. Die Sachlage ist daher den Interessenten dieses Hauses bekannt. Ich glaube, der Antrag dürfte die Unterstützung aller Fraktionen finden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mißlich, über ein so wichtiges Gebiet vor fast leerem Hause sprechen zu sollen. Die Beschlüsse, die hier vorgetragen bzw. dem Hause zur Annahme empfohlen worden sind, sind sehr gut. Es hängt aber alles von der Ausführung dieser Beschlüsse ab. Werden die Beschlüsse durchgeführt, so werden wir zweifellos zu Erfolgen in den Zonengrenzgebieten kommen. Bisher sind ja die Maßnahmen in den Zonengrenzgebieten meist nur recht sporadisch getroffen worden. Sie hängen überwiegend von der Initiative eines Landesministers, eines Landrats, eines Bürgermeisters und manchmal eines einzelnen Bürgers ab. Es ist der Sinn der vorliegenden Anträge, in die bisherige Ungeregeltheit eine gewisse Ordnung zu bringen. Die Durchführung wird sehr häufig daran scheitern, daß die 'Beamten, die mit der Durchführung betraut sind, sich nicht für zuständig erklären.
Damit sind wir bei einem Zentralproblem angelangt. Wir haben ja so oft in den Nachkriegsjahren erlebt, daß eine Zuständigkeit für die vielfältige Not, die an die Behörden herangekommen ist, nach den alten Ressorteinteilungen nicht gegeben war. Deswegen erfordert die Durchführung dieser Maßnahmen Männer in den Amtsstuben mit Verstand und Herz und Menschenkenntnis.
Die Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stärkung der Zonengrenzgebiete schlagen sich ja immer in den öffentlichen Finanzen des Bundes, der Länder oder der Gemeinden nieder, und zwar entweder als unmittelbare Aufwendungen oder als Verzicht
auf gegenwärtige Einnahmen in Form von steuerlichen Maßnahmen, die, wenn der Anstoß, den die Wirtschaft durch sie erhält, kräftig genug ist, ja nur eine Verlagerung in der Zeit und in der Zusammensetzung der Steuern bedeuten, weil dann die eingeleiteten Maßnahmen zu einer Erhöhung der Wirtschaftskraft und damit des Steueraufkommens führen.
Ich will zu den Darlegungen des Kollegen Henn jetzt nur noch einige Anmerkungen machen, die ich für vordringlich halte. Wir können nicht, wie es der Bundesfinanzminister bisher tun wollte, die Hilfe für die Zonengrenzgebiete mit der Begründung zurückstellen, daß die Behebung der Schäden durch den erneuten Einstrom von Flüchtlingen aus der Sowjetzone den Vorrang haben müsse, sondern gerade weil die wirtschaftliche Aufnahmefähigkeit der gesamten Bundesrepublik vergrößert werden muß, um die Flüchtlinge wirtschaftlich einzugliedern, müssen durchgreifende Maßnahmen für die Zonengrenzgebiete auf gleicher Stufe rangieren.
Die Finanzpolitik der Bundesregierung hat bisher zu wenig in Rechnung gestellt, daß es sich hier durchweg um Erfüllung von Aufgaben handelt, denen man mit den Mitteln liberaler Finanzpolitik ebensowenig gerecht werden kann wie mit marktkonformen Methoden. Hierzu möchte ich zunächst unmittelbar an die Adresse des Bundesfinanzministers einige Anregungen geben, Anregungen, deren Verwirklichung den Haushalt nicht unmittelbar belastet. Das betrifft die Verwertung von Bundesliegenschaften, die wir ja zahlreich in den Zonengrenzgebieten haben. Gerade diese Grundstücke und Gebäude in den Zonengrenzgebieten sind nicht so ausgenutzt wie Liegenschaften in anderen Gebieten mit stärkerer industrieller Kraft. Infolgedessen muß das Bundesfinanzministerium seinen Standpunkt verlassen, daß man solche Liegenschaften nach den sonst üblichen Verfahren bewerten müsse. Ich habe dabei zahlreiche Fälle im Auge, wo man im Bundesfinanzministerium die Liegenschaft nach dem Baukostenindex von 1936, dann sogar nach dem Baukostenindex von 1952 bewertet, wodurch die Gebäude für den Unternehmer im Grenzgebiet zu hoch bewertet sind. In den Grenzgebieten sollte man also andere Bewertungsmaßstäbe anwenden. Dies hat dann für den Bundeshaushalt keine unmittelbaren nachteiligen Konsequenzen. Es wird sich lediglich beim künftigen Bundesvermögensnachweis ein geringeres Vermögen zeigen. Die wirtschaftliche Aktivität in den Grenzgebieten aber wird außerordentlich erhöht werden.
Über die einzelnen Probleme, die Herr Henn vorgetragen hat, möchte ich nicht sprechen, sondern nur noch einige ergänzende Dinge sagen. Neben der Förderung der gewerblichen Wirtschaft, die in der Lage ist, größere Mengen von Arbeitskräften aufzunehmen, ist der Schaffung von Siedlerstellen im Zonengrenzgebiet eine ganz besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Denn diese Zonengrenzgebiete sind teilweise dünn bevölkert und haben zum Teil - ich denke etwa an die Grenzkreise Schleswig-Holsteins - Siedlungsland genug, das nunmehr auch für die Siedlung beschafft werden muß. Man kann das Flüchtlingsbauernproblem zu einem wesentlichen Teil durch die zusätzlichen Siedlungen lösen, die ja nun möglich geworden sind, nachdem die Anträge Frühwald und Genossen vor einigen Tagen angenommen worden sind.
Ferner muß die öffentliche Hand mehr als bisher bemüht sein, Aufträge in die industriellen Be({0})
triebe zu legen; dies muß ein Anliegen der gesamten Vergeber öffentlicher Aufträge sein. Es müßte auch eine öffentliche Propaganda dafür gemacht werden, daß von privaten Unternehmungen im Westen Offerten in den Zonengrenzgebieten eingeholt werden. Dies scheint mir unbedingt erforderlich, weil sonst die Wirtschaftskraft der Zonengrenzgebiete immer mehr nachläßt.
Ein Wort zur Kreditgewährung. Ich habe mancherlei Erfahrung darin, wie durch zu späte Kreditgewährung wichtigen Unternehmern, die den Mut hatten, in den Zonengrenzgebieten ihre Unternehmen zu pflegen und auszubauen, nicht mehr oder zu spät geholfen worden ist. Es ist natürlich klar, daß solche Unternehmen, zumal wenn sie nicht auf eigenem Grund und Boden arbeiten, sondern etwa in früheren Kasernengebäuden oder Munitionsanstalten - sogar noch mit einer Kündigungsklausel von drei Monaten -, nicht die banksicheren Unterlagen beibringen können wie andere. Deswegen müssen in den Grenzgebieten Kredite gewährt werden, etwa wie ein guter Privatbankier früher Kredite gegeben hat.
Sie schütteln mit dem Kopf, Herr Atzenroth. Wir haben in Schleswig-Holstein eine gute Einrichtung, die Schleswig-Holsteinische Wirtschaftsaufbaukasse AG. Das ist zwar eine Kasse der öffentlichen Hand. Aber ich habe bei der Vorlage zur Begründung dieser Einrichtung im schleswig-holsteinischen Landtag gesagt: „Es kommt darauf an, daß wir mit dieser Wirtschaftsaufbaukasse auch nicht bankfeine Geschäfte machen". Wir sind nun immerhin fünf Jahre im Gange und haben bei einer Bilanzsumme von 20 und mehr Millionen DM bisher, wenn ich es recht in Erinnerung habe, 140 000 DM minus gemacht. Wir haben in etwa der gleichen Größenordnung noch ein paar dubiose Schuldner, die sich aber überwiegend rangieren werden. Das ist angesichts der großen Zahl von Arbeitsplätzen, die wir in Schleswig-Holstein geschaffen haben, überhaupt kein Verlust. Vielmehr machen die Gewinne, die erzielt worden sind, und die Verminderung der Arbeitslosigkeit diese kleinen Verluste in der Gewinn- und Verlustrechnung wett. So habe ich das gemeint, Herr Atzenroth, und ich hoffe, jetzt Ihre Zustimmung zu der Sache zu finden. - So müßte man vorgehen. Dazu fehlt allerdings für die Grenzgebiete noch eine Garantiekasse. Man sollte eine Bundesgarantiekasse gründen, um Rückbürgschaften zu geben.
Was ich eben gesagt habe, ist nicht etwa leichtfertig gesagt, sondern ist gesagt worden auf Grund einer jahrelangen Erfahrung, die ich gemacht habe, sowohl in den drei Jahren, in denen ich Landrat eines Zonengrenzkreises gewesen bin, wie auch in der Zeit, in der ich Landtagsabgeordneter und Finanzminister des Landes Schleswig-Holstein war. Ich würde gern mehr darüber sagen, aber bei den begrenzten Redezeiten am vorletzten Tage dieses Bundestages ist das nicht möglich. Deswegen habe ich mich auf wenige Anmerkungen beschränkt.
Meine Damen und Herren, es ist immer wieder erstaunlich, zu bemerken, in wie starkem Maße Männer und Frauen aus dem Binnenland, etwa hier im deutschen Westen, über die wahren Zustände in den Zonengrenzgebieten nicht unterrichtet sind. Die großen Zahlen, mit denen man so gern operiert, um den Wohlstand der Bundesrepublik zu demonstrieren, gelten eben in diesen Gebieten nicht. Ich hätte es gestern gern Herrn Kollegen Wuermeling gesagt - ich habe es früher schon einmal betont -, daß man bei der Betrachtung der großen statistischen Zahlen nicht die Streuung vergessen darf. Eine Folge dieser Streuung ist, daß in unseren Zonengrenzkreisen die wirtschaftliche Not sehr groß ist. Dort herrscht bei einer Arbeitslosigkeit, die in Geesthacht z. B. über 50 % der Erwerbstätigen beträgt, in allen Kreisen, natürlich auch in Kreisen des Handwerks, wirklich Not, weil zu wenig Beschäftigungsmöglichkeit vorhanden ist. Ich habe immer wieder den Eindruck, wenn ich mit Menschen aus dem Westen über solche Fragen spreche, daß sie sich nicht klar darüber sind, wie beunruhigend das West-Ost-Gefälle in der deutschen Wirtschaft bereits ist und wie fürchterlich es werden wird, wenn wir hier nicht bald Abhilfe schaffen. Deswegen geht mein Appell dahin, daß alle an der Ausführung der zu fassenden Beschlüsse beteiligten Personen mit Großzügigkeit, mit Verstand und mit Herz an die Bewältigung ihrer Aufgaben herantreten, weil ich sonst für die Zukunft unseres Volkes sehr ernste Gefahren aufsteigen sehe.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.
Frau Dr. Brökelschen ({0}).: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch ich möchte meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß diese uns alle sehr ernst angehende Frage der Not im Zonengrenzgebiet in dieser Mittagsstunde vor fast leerem Hause erörtert werden muß.
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Wir sind sehr dankbar für den ausführlichen und ausgezeichneten Bericht, den Herr Dr. Henn hier im Auftrage des Unterausschusses gegeben hat. Dieser Bericht zeigt, daß sich der Unterausschuß die Arbeit nicht leicht gemacht hat, daß wir uns aber- und abermals die Dinge überlegt haben und an Ort und Stelle den Problemen nachgegangen sind. Die Fülle des Materials zeigt aber auch, daß das Problem um so schwieriger und um so komplexer geworden ist, je mehr wir uns in 'die Einzelheiten vertieften.
Ich glaube, man braucht dem umfassenden Material, das in dem Bericht steckt, keine Einzelheiten mehr hinzuzufügen. Deshalb will ich nur ein paar grundsätzliche Bemerkungen anschließen. Es ist wohl uns allen gleich ergangen: Wir glaubten, die Aufgabe erkannt zu haben, wenn wir uns den akuten Notständen im Zonengrenzgebiet widmeten, aber dann ergab sich, daß hinter dem augenblicklich akuten Problem das viel ernstere Problem der strukturellen Lage im Zonengrenzgebiet stand. Durch die Arbeit des Unterausschusses ist erreicht worden, daß in dem Zonengrenzgebiet ein drittes gesamtdeutsches Aufgabengebiet - neben Berlin und der sowjetischen Besatzungszone - vor uns lebendig geworden ist; es ist ein Gebiet, im Herzen von Deutschland gelegen, das durch die unsinnige Spaltung Deutschlands weithin im Lebensnerv getroffen ist. Aus dieser Feststellung ergibt sich die Berechtigung, zu sagen, daß dieses Zonengrenzgebiet, wenn auch in großem Abstand, aber immerhin im Grundsatz genau so wie die sowjetisch besetzte Zone und Berlin einen Anspruch auf eine ganz besondere Berücksichtigung hat.
Aus dem Bericht von Herrn Dr. Heim ist sehr deutlich geworden, daß es beim Zonengrenzgebiet in erster Linie um eine wirtschaftliche Frage geht.
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Zu den Einzelheiten, die Herr Dr. Gülich angeführt hat, will ich nicht Stellung nehmen, sondern nur bemerken, daß sich noch unendlich viele Einzelheiten anfügen ließen. Für den Unterausschuß handelte es sich darum, ein Minimalprogramm aufzustellen. Darin sollten die Aufgaben zusammengestellt werden, deren Verwirklichung vom Bund in Angriff genommen werden muß. Dabei unterstütze ich, was Herr Dr. Henn gesagt hat: alle wirtschaftlichen Maßnahmen können sich nur auf die Gewerbezweige und Betriebe erstrecken, die wegen der Spaltung, also aus politischen Gründen, in Schwierigkeiten gekommen sind. Des weiteren möchte ich in aller Deutlichkeit unterstreichen, was auch schon Herr Dr. Henn betont 'hat, daß unter diesen politischen Gesichtspunkten Hilfsmaßnahmen des Bundes nur dort verantwortet werden können, wo eine sichtbare Effektierung zu erwarten ist. Es kann aber nicht unsere Aufgabe sein, jeden Betrieb, der aus irgendwelchen Gründen in eine Notlage gekommen ist, zu unterstützen und ihm aus den Schwierigkeiten herauszuhelfen.
Ich möchte aber auch noch das andere sagen: die wirtschaftspolitischen Maßnahmen an der Grenze haben ihr besonderes Gesicht; sie müssen unter politischen Gesichtspunkten ,gesehen werden. Dabei will ich das, was aus dem Bericht des Herrn Dr. Heim in dieser Beziehung herausklang, ausdrücklich unterstreichen: daß sich jede wirtschaftliche Maßnahme politisch auswirkt. Es hat politische Auswirkungen, ob wir solche Maßnahmen ergreifen oder unterlassen.
In diesem Zusammenhang darf ich z. B. auf die ungeheure Beunruhigung hinweisen, die es in der vorvorigen Woche und schon vorher im Oberharz gegeben hat, als es plötzlich hieß, dieses Gebiet solle aus der Liste der Sanierungsgebiete gestrichen werden. Da haben wir erlebt, was übrigens für das gesamte Zonengrenzgebiet charakteristisch ist, daß die Menschen im ganzen außerordentlich empfindlich sind. Wir sollten deswegen alles unterlassen, was in einer solchen Situation die Ruhe gefährden, also Unsicherheit und Beunruhigung zur Folge haben könnte. Ich möchte an dieser Stelle mit aller Deutlichkeit sagen: Ich bin dem Herrn Bundeswirtschaftsminister dankbar dafür, daß er die Situation sofort begriffen und, noch ehe irgendwelche ernste Konsequenzen eingetreten sind, die Maßnahme rückgängig gemacht und erklärt hat, daß der Oberharz weiterhin Sanierungsgebiet ist. Wir wissen, daß diese Erklärung inzwischen Wirklichkeit geworden ist.
Ich darf nun noch die Bitte aussprechen, dafür zu sorgen, daß die Mittel möglichst schnell fließen. Bekanntlich sind im Oberharz 8 Monate Winter und nur 4 Monate Sommer. Die Arbeiten, die in Angriff genommen worden sind, müssen infolgedessen beschleunigt zu Ende geführt werden, wenn nicht vorher der Winter hereinbrechen soll.
Gerade durch den Oberharz ist eine andere Frage angerührt worden. Ich möchte sie mit einigen Worten streifen. Herr Dr. Gülich hat mit Recht gesagt, daß in die Arbeit für das Zonengrenzgebiet eine gewisse Ordnung kommen muß. Ich möchte das etwas anders formulieren: Im Zonengrenzgebiet muß in viel größerem Maße als bisher eine Koordinierung der verschiedenen Maßnahmen erreicht werden.
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Ich halte es für völlig untragbar, daß immer wieder
von gewisser Seite dem Bund die Schuld zugeschoben wird, wenn im Zonengrenzgebiet irgend etwas nicht klappt. Wir wollen hier doch feststellen, daß die erste Verantwortung für die Verhältnisse in diesen Gebieten und für einen Notstand bei dem einzelnen Land liegt. Der Bund kann nur eingreifen, wenn die Kräfte des Landes nicht ausreichen. Es geht aber meiner Meinung nach auf keinen Fall an, daß solche Schwierigkeiten auf dem Rücken eines einzelnen Betroffenen ausgetragen werden, weil der Bund ihn ans Land und das Land ihn an den Bund verweist. Ich möchte da das unterstreichen, was schon gesagt worden ist: Es wird darauf ankommen, daß man das Minimalprogramm, das hier aufgestellt ist, auch vom psychologischen Standpunkt aus und mit einem gewissen Prozentsatz Herz von den beteiligten Stellen der Bürokratie verwirklicht.
Lassen Sie mich nun ein Weiteres sagen. Wer die Verhältnisse im Zonengrenzgebiet kennt, der weiß, mit welchen Schwierigkeiten der verschiedensten Art - über die hinaus, die hier erwähnt worden sind - die Betriebe dort zu kämpfen haben. Ich möchte gerade hier im Westen einmal sagen, welche ethische und physische Leistung ein Unternehmer jeden Tag zu erfüllen hat, dessen Betrieb plötzlich durch die Zonengrenzlinie durchschnitten- wurde, so daß ein Teil des Betriebes gar nicht mehr zugänglich ist. Welche Leistung vollbringt er, wenn er trotz dieser schwierigen Situation den Betrieb und damit die Arbeitsplätze seiner Belegschaft zu erhalten sich bemüht. Deshalb möchte ich hier auch mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß es untragbar ist, wenn von gewissen Seiten Versuche unternommen werden, die Betriebe durch irgendwelche verlockenden Angebote anzureizen, von der Zonengrenze wegzugehen und in den - so behauptet man - sicheren Westen überzusiedeln.
Im Zusammenhang damit ein anderes Wort. Wir hören so viel von der „Gefährdung" im Zonengrenzgebiet. Ich muß hier ein Wort an die Presse richten. Ein Artikel etwa mit der Überschrift „Besuch am Todesstreifen" ist bedenklich. Eine solche Überschrift hat, wenn der Artikel selbst nicht gelesen wird, für ein Gebiet, das wir in bezug auf die Fremdenindustrie fördern wollen, allzu leicht die Folge, daß Rückschläge kommen, die wir nicht verantworten können.
Wegen der vorgeschrittenen Zeit nur noch ein paar Bemerkungen zum Kulturellen. Herr Dr. Henn hat mit allem Ernst die großen Aufgaben aufgezeigt, die in dem weiten Rahmen der kulturellen Verpflichtungen im Zonengrenzgebiet vor uns stehen. Ich möchte sagen, daß die Länder nach dem Grundgesetz „Kulturautonomie" besitzen und daß es zunächst Ländersache ist, alle Kräfte anzuspannen. Auf der anderen Seite weiß ich genau, daß die Kräfte der Länder oft nicht ausreichen und daß wir deswegen um der gesamtdeutschen Verpflichtung willen vom Bund aus alles tun müssen, um das Zonengrenzgebiet kulturell zu aktivieren. Dazu aber gehört z. B., daß wir das unterstützen, was hier an privater Initiative wirksam ist. Wir müssen z. B. die Länder 'bitten, das zu unterstützen, was hier an Privatschulen und Internaten vorhanden ist, die gerade heute sehr viele Kinder aufnehmen, die von drüben kommen, und die damit echte öffentliche Aufgaben erfüllen.
Wir wissen, .daß das Programm, das wir aufgestellt haben, ein Minimalprogramm ist. Wir wissen auch, daß es nicht gelungen ist, dieses Programm im Augenblick auf das ganze Gebiet am Eisernen
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Vorhang entlang auszudehnen, trotz der wiederholten Bitten, die vor allem von Herrn Kollegen Solleder in dieser Richtung ausgesprochen worden sind. Es wird Aufgabe des neuen Bundestages sein, die Blicke weiter auf das Zonengrenzgebiet zu richten und Maßnahmen zu ergreifen und zu fördern, die notwendig sind, um die gesamtdeutsche Aufgabe, die hier vorliegt, zu erfüllen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Bielig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich das besondere Anliegen, das ich als Abgeordneter eines Zonengrenzkreises vorzubringen habe, hier vortrage, möchte ich ein kritisches Wort zu dem sagen, was die verehrte Frau Kollegin Brökelschen über die Zuständigkeit von Bund und Ländern gesagt hat.
Meine Fraktion ist mit mir der Meinung, daß für die Folgen, das durch das irrsinnige Ziehen des Zonengrenzstreifens quer durch Deutschland entstanden sind, in erster Linie der Bund verantwortlich ist.
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Er trägt ja die Verantwortung für die gesamte Wirtschaftspolitik. Schließlich ist das, was wir hier behandelt haben, nicht zuletzt eine Angelegenheit der Wirtschaftspolitik, von der wir erwarten, daß sie die Nöte, die in diesen Gebieten bestehen, behebt. Die Länder, die an der Zonengrenze liegen - das ist für uns alle nichts Neues -, sind ja zugleich die Länder, die sowohl durch die_ Zonengrenzziehung als auch durch den Flüchtlingsstrom ganz besonders belastet sind. Ich brauche doch nur Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen und Bayern zu nennen, um einem jeden bei dieser Gelegenheit klarzumachen, um was es sich hier eigentlich handelt. Die überfüllten Länder - man hat SchleswigHolstein mit Recht „das Armenhaus der Bundesrepublik" genannt - sind schließlich diejenigen, die in erster Linie cue Hilfe des Bundes benötigen, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die ihre besonderen Nöte an der Zonengrenze beheben sollen.
Das trifft vollinhaltlich aùch hinsichtlich der kulturellen Notstände zu. Als wir im vergangenen Jahre das Zonengrenzgebiet von Nordhessen bereisten, sagte mir der Regierungspräsident von Kassel, Dr. Hoch, daß das Land Hessen in den Jahren nach der Währungsreform mehr Schulen gebaut habe als in den vergangenen 50 Jahren zusammen. Und doch haben wir in einem Ort eine Schule gesehen, in der sich die Kinder noch in die Bänke hineinquetschen mußten, die im Jahre 1873 für die Schule beschafft worden waren. Es zeigt sich an diesem einen Beispiel, wie es selbst bei größter Bereitwilligkeit und größtem Kraftaufwand der Länder einfach nicht möglich ist, alle Notstände, die an der Zonengrenze bestehen, zu beheben.
Aber nun, meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu meinem eigentlichen Anliegen kommen. Hier bin ich erfreulicherweise wieder einmal durchaus einig mit meiner verehrten Frau Kollegin Dr. Brökelschen. Es hat uns wohl alle sehr unangenehm berührt, als auf einmal die Meldung durch die Zeitungen ging, der interministerielle Ausschuß habe beschlossen, den Oberharz und das Stadtgebiet von Salzgitter aus dem Sanierungsprogramm herauszunehmen. Erfreulicherweise ist dieser Beschluß rückgängig gemacht worden. Ich glaube, man hat eingesehen, daß es einfach nicht möglich ist, einen Kreis wie den Oberharz, der sich durch eine steigende Arbeitslosenzahl „auszeichnet", einfach nicht mehr unter das Sanierungsprogramm fallen zu lassen.
Ich habe, wie auch Frau Kollegin Dr. Brökelschen, in der vergangenen Woche Gelegenheit gehabt, mit Vertretern des Kreises Clausthal-Zellerfeld zu sprechen. Das Bild, das uns von den berufenen Leuten dort gezeichnet wurde, war erschütternd. Ich will nur ein einziges Beispiel nennen. Die Holzindustrie ist eine der wichtigsten Industrien im Kreise Clausthal-Zellerfeld. Im Harz ist es heute so weit, daß 40 % des von der Industrie benötigten Holzes eingeführt werden müssen, eingeführt zum Teil im echtesten Sinne des Wortes, nämlich sogar aus dem Ausland. Das heißt also, in einem Mittelgebirge, das einstmals großartig bewaldet war, ist der Kahlschlag derart groß, daß die vorhandene Holzindustrie nicht mehr in der Lage ist, genügend Holz ortsnah zu beschaffen und, wie gesagt, bis ins Ausland gehen muß, um sich das notwendige Rohmaterial zu besorgen.
Das gleiche gilt für ,die Stadt Salzgitter, wo die Grundlagen an sich ganz anders sind. Das erfreuliche Absinken der Arbeitslosigkeit in der Stadt Salzgitter ist ja schließlich nicht das einzige Kriterium dafür, ob man dieses Gebiet aus der Liste streichen kann oder nicht. Ich meine: Was für Salzgitter not tut, das ist die Heranführung von anderen Industrien, um dort die extrem hohe Frauenarbeitslosigkeit zu beseitigen.
Ich habe im Falle Salzgitter ein ganz besonderes Anliegen. Ich bedaure, daß weder der Herr Arbeitsminister noch der Herr Finanzminister anwesend sind, aber Herr Staatssekretär Hartmann, der am vergangenen Samstag mit in Salzgitter war, hat ja vor der Tribüne bei der Einweihung des SiemensMartin-Ofens auch die lustigen Gesichter der Lehrlinge gesehen. Was wir aber nicht gesehen haben, Herr Staatssekretär, das sind die Hunderte von jungen Menschen, die in diesem Gebiet in den vergangenen Jahren keinen Lehrplatz gefunden haben. Ich habe hier eine Aufstellung, aus der hervorgeht, daß im Jahre 1951 391, im Jahre 1952 1112 und im Jahre 1953 479, zusammengezählt 1982 Schulentlassene in Salzgitter keine Lehrstellen, keine Arbeitsplätze bekommen konnten. Nun könnte der eine oder andere sagen: Die Zahl der Schulentlassenen wird ja in den nächsten Jahren zurückgehen. Auf Grund der eigenartigen soziologischen Struktur der Stadt Salzgitter sieht es aber dort ganz anders aus. Die Zahl der Schulentlassenen in der Stadt Salzgitter steigt mindestens bis zum Jahre 1956, und zwar werden dann noch 2686 Schulentlassene zu verzeichnen sein.
Am vergangenen Samstag sagte mir - und das beweist eine geradezu groteske Situation - der Herr Oberbürgermeister der Stadt Salzgitter, daß bei der vollen Inbetriebnahme der Hütte damit zu rechnen sei, daß etwa 1300 Facharbeiter in die Stadt Salzgitter hineingezogen werden müßten. Das bedeutet mindestens 1000 Wohnungen und nach der Faustregel etwa dié Schaffung von 20 neuen Schulklassen. Man muß also Facharbeiter in das Gebiet ziehen, muß für sie Wohnungen bauen und für die Kinder Schulen schaffen. Dabei hat man in den letzten drei Jahren für 2000 künftige Facharbeiter keinen Lehrplatz gehabt! Ich meine, wir sollten uns vielleicht doch insbesondere an den Herrn Arbeitsminister, aber auch an den Herrn Innenminister
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wenden, damit über die Bundesanstalt bzw. über den Bundesjugendplan die Möglichkeit geboten wird, zusätzliche Lehrplätze zu schaffen.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit betonen, daß ganz besonders die Reichswerke-Betriebe, und zwar alle drei: die Hütte, die FAMAS und die SMG, in Salzgitter Spezial-Lehrwerkstätten aufgebaut haben; aber sie kommen mit der bisherigen Form nicht aus, und es ist notwendig, Zuschüsse zu gewähren. Die Zuschüsse brauchen keineswegs besonders hoch zu sein. Mit 100 Mark im Monat, also mit 1200 Mark im Jahr, ist es möglich, einen Lehrplatz für einen künftigen Facharbeiter in der Metallindustrie im Braunschweiger Raum, Salzgitter-Raum und auch in Wolfenbüttel zu schaffen. Mit 1,2 Millionen DM schaffen Sie die Ausbildung von 1000 künftigen Facharbeitern, die dort dringend benötigt werden.
Dies ist zwar nur ein Teil aus dem Problem, das wir hier behandeln. Aber ich meine, man sollte solche Dinge, die vielleicht an der Peripherie liegen, die aber angesichts der Zukunft des Facharbeiternachwuchses in der ganzen Bundesrepublik von großer Bedeutung sind, doch beachten und sich darüber Gedanken machen, wie man es hier mit einer verhältnismäßig geringen Anstrengung ermöglichen kann, daß dort am Zonengrenzgebiet nicht, wie es bisher war, Tausende - es ist buchstäblich so -, Tausende von Jugendlichen, wenn sie die Schule verlassen haben, ohne Lehr- und Arbeitsplatz dastehen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Solleder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag bezweckt ein Förderungsprogramm für diejenigen Gebiete, die an die Sowjetzone grenzen. Diese Tatsache könnte uns aber dazu .verleiten, zu übersehen, um welches Problem es sich in Wirklichkeit handelt.
Es handelt sich doch darum, die Auswirkungen auf die Gebiete am Eisernen Vorhang zu bekämpfen, und die Sowjetzonengrenze ist durchaus nicht etwa identisch ausschließlich mit dem Eisernen Vorhang. Der Eiserne Vorhang von Lübeck herunter bis Passau beträgt etwa 1600 km; die Sowjetzonengrenze beträgt 1200 km. Von diesem Eisernen Vorhang fallen etwa 800 km auf diejenigen Gebiete, die den östlichsten Teil des Bundesgebiets abschnüren; das ist der ostbayerische Raum, der bekanntlich durch die politische Grenzziehung so gestaltet wurde, daß im Norden die Sowjetzonengrenze mit einer Länge von 400 km und im Osten die hermetisch abgeschlossene Grenze an der Tscheckoslowakei verläuft.
Der Eiserne Vorhang ist - darüber sind wir uns klar - der Ausdruck des Willens der östlichen Machthaber, uns wirtschaftlich und politisch irgendwie kleinzukriegen. Diese Auswirkungen machen sich selbstverständlich in diesen Gebieten besonders bemerkbar. Deshalb ist es ein politisches Gebot, hier abzuhelfen. Ich war nahezu erschrokken, als ich erfuhr, daß sich alle diese Maßnahmen auf die Sowjetzonengrenze beschränken sollen, daß also der exponierteste Teil des Bundesgebiets, derjenige, der abgeschnürt und umfaßt ist, mehr oder weniger unbeachtet bleiben soll.
Meine Damen und Herren, hier handelt es sich nicht um partikularistische Gesichtspunkte, sondern hier handelt es sich um eine echte Aufgabe des Bundes, zu helfen, weil hier die Auswirkungen außerordentlich deutlich sichtbar sind.
Ich möchte heute nicht in Einzelheiten gehen: die Arbeitslosigkeit, die Abschnürung vom Verkehr, der Verlust der Bezugs- und Absatzgebiete nicht nur in Mitteldeutschland, sondern auch in der Tschechoslowakei, wo die Kohle vor der Haustür lag, die Frachtentfernung von 600 km gegen ehedem 50 km, - all das bewirkt, daß dort eine strukturelle Arbeitslosigkeit begründet wurde, daß sich dort eine Abwanderungsbewegung in der Wirtschaft bemerkbar macht, die das bewirkt, was die östlichen Machthaber haben wollen: die Zersetzung der dortigen Bevölkerungsschichten etwa im Sinne eines chemischen Kampfmittels im modernen Krieg. Programme in dieser Richtung haben wir ja viele erlebt, aber ein Programm, das schlagartig diese Dinge an der Wurzel packt, vermissen wir.
Ich glaube, dieser Antrag, ausgeweitet auf den Eisernen Vorhang, gibt uns die Möglichkeit, die strukturellen Mängel wirklich zu beheben, die dort in der Nachkriegszeit entstanden sind, und ein starkes wirtschaftlich und politisch gesichertes Gebiet am Eisernen Vorhang zu schaffen. Deshalb habe ich im Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen gebeten, die tschechoslowakische Grenze mit einzubeziehen, und deshalb haben der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen und der Ausschuß für Grenzlandfragen beschlossen, das zu tun. Es ist also nicht so, wie Herr Kollege Aretin, der die Wahrheit ein klein wenig korrigieren will, gesagt hat, daß der Ausschuß für Grenzlandfragen sich seinen Antrag, der heute erst auf .den Tisch des Hauses gelegt wurde,
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angeeignet hat, sondern umgekehrt, Ihr Antrag hinkt nach. Das nur, um die Tatsachen festzustellen.
Ich bitte daher, dem Antrag des Ausschusses für Grenzlandfragen und des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen in der Richtung stattzugeben, daß in diese Gebiete auch diejenigen fallen, die an die tschechoslowakische Grenze stoßen und bis nach Passau hinunter reichen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Behrisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Tag ist ein guter Tag für das Grenzland, und wir haben lange auf ihn gewartet, haben wir doch seit 1949 ununterbrochen auf die Dinge hingewiesen, die wir heute ernsthaft in Angriff nehmen wollen. Ich sehe, daß Kollege Kemper mit dem Kopf nickt. Er weiß, wir haben seit 1949 in seinem Ausschuß immer und immer wieder die Frage auch der Sowjetzonengrenze und des Eisernen Vorhangs in den Vordergrund zu zerren versucht, aber es ist uns nie so recht geglückt. Bis dann endlich durch die Ereignisse im vorigen Jahr die Chance kam, nun auch Maßnahmen zu treffen, die für das Zonengrenzgebiet Hilfe bringen können. Es ist schade, daß ein Teil der Kollegen, die das besonders angehen müßte, hier nicht anwesend ist; ich suche sie, aber ich kann sie nicht entdecken. Es ist auch schade - ich muß es wieder sagen, und ich werde nicht müde werden, es zu
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sagen -, daß von den sechs Bayern, die in der t Bundesregierung sitzen, wieder keiner da ist, obwohl ich weiß, daß der Bundesminister Jakob Kaiser in dieser Regierung, glaube ich, der einzige ist, der ernsthaft das Problem der Sowjetzonengrenze zu lösen versucht.
Ich möchte daher sagen: die Bundesregierung wird ungefähr zwei Monate Bewährungsfrist bei den Leuten an der Zonengrenze haben. Kollege Dr. Henn hat zu Recht darauf hingewiesen, daß es auf die Durchführung, auf die Ausführung dessen ankommt, was wir heute, so hoffen wir, einmütig und einstimmig beschließen werden. Die Bundesregierung wird bemüht sein müssen, zu zeigen, daß sie Nägel mit Köpfen machen will und daß nun auch wirklich endlich etwas geschieht und wir nicht nur beschließen. Ich habe eine Notiz aus dem „Münchener Merkur" vom 27. Juni vorliegen, die lautet:
Mit einer wirksamen Hilfe für die Zonengrenze beschäftigte sich das Bundeskabinett am Dienstag, ohne jedoch zu einem Beschluß zu kommen.
Wir hoffen, daß es nach unserem Beschluß der Bundesregierung leichter sein wird, zu einem entsprechenden Beschluß zu kommen.
All die Dinge, die im Bericht und in der Debatte erwähnt worden sind, brauche ich nicht noch einmal anzuschneiden. Ich darf aber auf eines hinweisen. Was der Kollege von Aretin vorgetragen hat, betrifft tatsächlich eine Frage, die wir uns von vornherein überlegt haben. Wir haben selbstverständlich daran gedacht, daß, während im vorigen Jahre an der Zonengrenze ein 10-Meter-Streifen aufgepflügt worden ist, dasselbe vor drei Jahren schon am Eisernen Vorhang geschehen ist und man schon vor drei Jahren die deutschen Dörfer in der Tschechoslowakei gesprengt hat. Infolgedessen haben wir vom Gesamtdeutschen und auch vom Grenzlandausschuß es uns angelegen sein lassen, den gesamten Eisernen Vorhang von Flensburg bis Passau in die Förderungsaktion einzubeziehen. Ich darf den Herrn Präsidenten bitten, den Antrag des Grenzlandausschusses mit zur Abstimmung zu bringen, der dahin lautet, daß sich der Bundestag den einstimmigen Beschluß des Grenzlandausschusses vom 17. Juni - und dann folgt der Beschluß - zu eigen macht.
Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß, wenn der neue Bundestag zusammentritt, ein Teil der brennenden und dringenden Probleme an der Zonengrenze, genauer gesagt: am Eisernen Vorhang, gelöst sein werden. Ich möchte aber schon jetzt daran erinnern: die, die von der Zonengrenze dann kommen - ob ich oder andere -, die aus Oberfranken und aus Bayern hier sein werden, werden auf die Sache zurückkommen und werden die Bundesregierung - sei es diese oder eine andere - fragen, was geschehen ist, und werden nicht müde werden, immer und immer wieder darauf zu drängen, daß diese unaufschiebbare Angelegenheit endlich in Ordnung gebracht wird.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Brookmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Berichterstatter Dr. Henn hat am Schluß seines Berichts die Tatsache hervorgehoben, daß der Grenzlandausschuß in Übereinstimmung mit dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen den Beschluß gefaßt hat, die ganze Grenze von Passau bis Flensburg in das Förderungsprogramm einzubeziehen. Ich habe diesen Beschluß dankbar begrüßt, besonders deswegen, weil er das Problem der sogenannten nassen Grenze in Schleswig-Holstein, d. h. der Grenze von Lübeck über Kiel, Eckernförde, Schleswig bis Flensburg in das Programm mit einbeziehen möchte. Mein besonderer Wunsch ist der, daß das Bundesfinanzministerium und auch das Bundeswirtschaftsministerium sich dieses Beschlusses vordringlich annehmen.
Das Programm, das wir aufgestellt haben, ist kurz. Es ist meiner Meinung nach gut und sehr solide, solide deswegen, weil es alle Chancen seiner Realisierbarkeit in sich trägt. Ich habe den Wunsch an das Bundesfinanzministerium, daß dieses Programm so schnell wie möglich verwirklicht wird, sei es, daß der Bund der Meinung ist, er könne es allein, sei es, daß er der Auffassung ist, die Länder müßten dabei mit herangezogen werden.
An der Arbeit des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen und auch des Unterausschusses „Zonengrenzgebiet" ist auf einer Zonengrenztagung der Sozialdemokratischen Partei in Kassel am 7. Juni dieses Jahres Kritik geübt worden. Ich glaube, daß diese Kritik nicht den Tatsachen gerecht wird, sondern daß sie unberechtigt, ist. Mir liegt der Wortlaut einer Rede vor, die auf dieser Zonengrenztagung gehalten worden ist. Da wird unter anderem folgendes gesagt:
Die Bundesregierung muß sich zu der Auffassung bekennen, daß das Zonengrenzgebiet als Ganzes, auch wenn es darin einige Rosinen gibt, einer speziellen Aufmerksamkeit, Fürsorge und Behandlung bedarf.
Völlig auch unsere Meinung. An einer andern Stelle wird gesagt:
Wir
- damit ist die SPD gemeint -haben uns zum Unterschied von der Bundesregierung, die bisher nur ab und zu Pflaster aufgelegt hat, Gedanken gemacht, und wir haben im vergangenen Jahr Anträge eingebracht, die leider von der Mehrheit, d. h. von den zur Regierungskoalition gehörenden Abgeordneten, in ihrer Erledigung über Gebühr verschleppt worden sind. Die Abgeordneten haben sich - grotesk ist das - ins Kielwasser des interministeriellen Ausschusses begeben, statt der Motor für dessen Arbeit zu sein. Sie haben also, wenn etwas gemacht und beraten werden sollte, es jedesmal vorher erst fragt: wie weit will der interministerielle Ausschuß gehen?
So ist es nicht gewesen. Man sollte besser solche Reden nicht halten, auch dann nicht, wenn man meint, unter sich zu sein.
({0})
Die Abgeordneten, die im Unterausschuß „Zonengrenzgebiet" gearbeitet haben, haben sehr fleißig gearbeitet. Wir haben sehr mühsam das Material zusammengetragen, und wir haben sehr gewissenhaft gearbeitet. Hätten wir das nicht getan und hätten wir mit dem interministeriellen Ausschuß
({1})
nicht zusammengearbeitet, dann wäre wohl nicht ein Programm vorgelegt worden, wie es heute durch den Bericht von Herrn Dr. Henn erläutert worden ist, ein Programm, das in der Tat gut und solide ist und Anspuch darauf erheben kann, tatsächlich verwirklicht zu werden.
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Ich habe den einen Wunsch - und ich wiederhole das noch einmal ganz kurz -, daß sich die Regierung schnell über die Durchführung des Programms schlüssig wird. Die Lage an der Zonengrenze von Flensburg bis Passau erfordert nun einmal schnelle Maßnahmen, weil die Not in der Tat sehr groß ist.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Freidhof.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Parteifreund Professor Dr. Gülich hat von dem wirtschaftlichen Gefälle, das in der Bundesrepublik vorhanden ist, gesprochen und hat hinzugefügt, daß sich das Gefälle von Westen nach Osten hin schwerwiegend verlagert hat, und zwar von Gebieten mit einem gewissen Wohlstande zu Gebieten mit einem wirtschaftlichen Notstande. Ich möchte diese Feststellung noch mit einigen Zahlen erhärten, um daraus die notwendigen Folgerungen zu ziehen.
Nach vorliegenden Untersuchungen wohnen 80 % aller Arbeitslosen in den Grenzländern. Allein in den 25 Arbeitsämtern der Zonengrenzgebiete sind über 250 000 Arbeitslose und die Hälfte aller deutschen Kurzarbeiter registriert. Schon allein aus dieser Tatsache können Sie ersehen, wie das wirtschaftliche Gefälle nach den Zonengrenzgebieten absinkt. Ein weiteres Moment der Belastung dieser Gebiete besteht darin, daß die Arbeitslosen zu einem erheblichen Teile jahrelang arbeitslos sind, daß die Facharbeiter und jüngere Arbeitskräfte abwandern, aber das soziale Gepäck zu einem erheblichen Teil in diesen Zonengrenzkreisen bleibt.
Deshalb ist es zu begrüßen, daß auf unseren Antrag hin jetzt zum ersten Male ein Förderungsprogramm aufgestellt worden ist, daß also den Worten jetzt endlich Taten folgen sollen.
Ich möchte einige Bemerkungen über Maßnahmen machen, die mir notwendig erscheinen. Nach meiner Überzeugung handelt es sich nicht darum, jetzt in erster Linie in diesen Grenzgebieten neue Betriebe anzusiedeln - eine Frage, die selbstverständlich einmal befriedigend gelöst werden muß -, sondern es geht darum, die vorhandenen Betriebe finanziell und wirtschaftlich so zu stärken, daß sie krisenfest sind und daß weitere Arbeitskräfte in den dort vorhandenen Betrieben eingestellt werden können.
({0})
An der hessisch-thüringischen Grenze haben wir in der letzten Zeit eine Reihe von Betrieben, insbesondere Flüchtlingsbetriebe, angesetzt, Betriebe, die weder leben noch sterben können. Deshalb wäre es notwendig, diese Grenzkreise in die Verdingungsordnung einzubeziehen. Ich möchte unterstreichen, was Herr Professor Dr. Gülich gesagt hat: es müßte ein öffentliches Anliegen der Bundesrepublik und aller beteiligten Kreise sein, Aufträge in jene Bezirke zu vergeben, damit dies& Gebiete kein Armenhaus bleiben, sondern zum Schaufenster - auch nach der Ostzone hin - werden, um so mehr als es auf die Dauer politisch untragbar ist, daß dort eine solche Not vorhanden ist.
Die hessische Regierung gibt sich gegenwärtig Mühe, ein großes Aluminiumwerk im Sontraer Gebiet zu errichten; die Verhandlungen sind bis jetzt positiv verlaufen. Es ist anzunehmen, daß der Vertrag in der nächsten Zeit zustande kommt und daß dort ein großes Aluminiumwerk erstehen wird. Schon heute richte ich an die Regierung die Bitte, mit anderen Firmen darüber zu verhandeln, daß in der Nähe dieses großen Aluminiumwerkes aluminiumverarbeitende Industrien angesiedelt werden, um damit diesem Notstandsgebiet wirtschaftliches Leben einzuhauchen.
Ich möchte noch auf das, was vorher auch von Frau Kollegin Brökelschen angesprochen worden ist, eingehen und darum bitten, den Fremdenverkehr in diese Gebiete zu lenken. In den dortigen Gebieten gibt es ausgezeichnete Naturschönheiten und herrliche Landstriche wie das Fulda- und das Werratal, die früher zu einem erheblichen Teile von Reisenden besucht und durch den Fremdenverkehr aufgeschlossen worden sind. Durch die Zonengrenzziehung ist ein großer Teil des Fremdenverkehrs verkümmert bzw. ganz beseitigt worden. Es wäre deshalb notwendig, in der Presse und überall auf diese Gebiete aufmerksam zu machen, um den Fremdenverkehr in die dortigen Gebiete neu zu beleben.
Wir freuen uns, daß endlich ein Programm aufgestellt worden ist. Wir hoffen, daß dieses Programm durchgeführt wird. Wir erwarten von ihm eine wirksame Hilfe für die Zonengrenzgebiete.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Ich bedaure zunächst, daß Herr Kollege Dr. Henn in seinen im übrigen sonst sachlichen Bericht eine parteipolitische Note hineingebracht hat, die nicht hineingehört. Es wäre zweifellos richtig gewesen, wenn er auf die Gründe eingegangen wäre, die zu dieser Lage in den Zonengrenzgebieten überhaupt geführt haben, und in Verbindung damit auch zu der Frage, wie sie beseitigt werden können, gesprochen hätte.
Im übrigen werden die Vorschläge, die vom Ausschuß gemacht worden sind, von uns unterstützt, wobei ich ergänzend sagen möchte, daß mir der Umfang der Maßnahmen, die hier vorgeschlagen werden, noch nicht weitgehend genug ist. Der Herr Berichterstatter hat umfassendes Material über die Lage in den Zonengrenzgebieten vorgelegt. Ich darf vielleicht in diesem Zusammenhang noch einige Ergänzungen vortragen. Ich bin der Meinung, daß die Absetzung von Industriebetrieben aus den Zonengrenzgebieten nicht nur verhindert werden muß, sondern daß es notwendig ist, die Möglichkeiten, neue Industrien anzusetzen, vor allen Dingen von dem Gesichtspunkt aus in die Wirklichkeit umzusetzen, leerstehende Industriebauten zum Aufbau neuer Industrien zu verwenden, Industriebauten, die z. B. durch die Demontage zum Stillstand gekommen sind, wofür aber die Arbeitskräfte in genügender Anzahl vorhanden sind. Ich greife ein Beispiel aus Niedersachsen her({0})
aus und verweise auf die Kreise Lauterberg und Andreasberg, auf den Kreis Duderstadt, den Kreis Goslar und die anderen Kreise, von denen bereits mein Vorredner gesprochen hat.
Genau so wäre es notwendig, den Zonengrenzgebieten vor allen Dingen in der Richtung des Ausbaus kommunaler Einrichtungen eine weitgehende Hilfe angedeihen zu lassen und ihnen die notwendigen Mittel etwa auf dem Gebiete des Baues der Wasserleitungen zur Verfügung zu stellen. Ich erwähne in diesem Zusammenhang z. B. Helmstedt, den Kreis Schöningen, den Bau des Steinastaudammes im Kreise Osterode. In diesen Kreisen müßten solche Förderungsmaßnahmen eingeleitet werden und den finanzschwachen Gemeinden und Kreisen die notwendigen Mittel zur Durchführung solcher Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden.
Ebenso liegt es auf dem Gebiet des Wohnungsbaues. Auch hier liegen wie aus allen anderen Kreisen insbesondere auch aus niedersächsischen Kreisen Anträge und Wünsche vor, so aus HannoverschMünden, Göttingen, Osterode, Duderstadt usw., die vor allem eine wirkungsvolle Hilfe auf dem Gebiete des Wohnungsbaues seitens der Bundesregierung erwarten.
In dem Ausschußbericht sind auch Maßnahmen betreffend Steuervergünstigungen für die Betriebe in diesen Gebieten vorgeschlagen worden. Ich möchte hier eine gewisse Einschränkung machen. Diese Vergünstigungen, die für alle Betriebe gefordert worden sind, sollten nur den Betrieben zugute kommen, deren Existenz tatsächlich durch die Zonengrenzziehung gefährdet und durch die dortigen Verhältnisse in Mitleidenschaft gezogen worden ist. Den Betrieben, denen dadurch keine Folgeerscheinungen für ihre Existenz erwachsen sind, sollte man solche Vergünstigungen natürlich nicht gewähren.
Auch die schon erwähnte Angelegenheit des Straßen- und Brückenbaues muß im Zuge dieser Maßnahmen gefördert werden.
Ich sprach schon von der Notwendigkeit des Wohnungsbaues und möchte in diesem Zusammenhang als Beispiel Lübeck erwähnen, wo heute noch 22 000 Personen in Notunterkünften untergebracht sind. Mit Hilfe dieser Mittel - und ich sagte, sie reichen unserer Auffassung nach nicht aus; es ist nicht' genug getan - sollten diese Menschen aus diesen Notunterkünften herausgebracht werden. Das würde bedeuten, daß, um bei Lübeck zu bleiben, die Arbeitslosigkeit - sie beläuft sich dort auf etwa 22 bzw. 23 Arbeitslose pro 100 Beschäftigte - im wesentlichen beseitigt werden könnte.
Der Bericht spricht davon, daß eine Förderungsmaßnahme auf dem Gebiet der Frachten durchgeführt werden muß. Es wird Ihnen bekannt sein, daß die Delegierten aus 100 bayerischen Grenzgemeinden zusammengekommen sind und eine Notgemeinschaft gegründet haben. Die Beratungen dieser Notgemeinschaft haben sich insbesondere auf die Notwendigkeit der Senkung von Steuern und Frachten in diesem Gebiet erstreckt. Die Äußerung des Geschäftsführers eines Betriebes der Glasindustrie im Bayerischen Wald unterstreicht die Notwendigkeit der Maßnahmen noch besonders. Der Geschäftsführer dieses Betriebes erklärte:
Früher bekamen wir die Braunkohle aus der
Tschechoslowakei und den Quarzsand aus
Thüringen und Sachsen. Heute müssen wir den
Sand von weither holen, weil der innerdeutsche Handel unterbunden ist. Von Lippe und sogar aus Schleswig kommt der Sand, und so kommt es, daß die Fracht teurer wird als der Sand selbst.
({1})
Wir sind der Meinung, daß diese Fakten Veranlassung sein müßten, noch über die im Ausschußbericht vorgeschlagenen Schritte hinaus weitere Maßnahmen zu ergreifen.
Bei den Besprechungen - ob es oben in Lübeck oder bis herunter zum Bayerischen Wald war - klang immer wieder eines durch: die Tatsache, daß die entscheidende Ursache für den gegenwärtigen Zustand das Vorhandensein der Zonengrenze, d. h. die Spaltung ist. Es wurde immer wieder darauf hingewiesen, daß die Zonengrenzen so schnell wie möglich beseitigt werden müssen.
({2})
Es wäre gut gewesen, wenn der Ausschuß in seinem Bericht auf diese Notwendigkeit mit aller Entschiedenheit aufmerksam gemacht hätte. Wir haben gestern - und ich hatte Gelegenheit, heute schon einmal darauf hinzuweisen - einen Beweis dafür erhalten, daß seitens der Bundesregierung und auch der Koalitionsparteien nicht die Absicht besteht, das Erforderliche zu tun, um die Zonengrenzen zu beseitigen, sondern daß im Gegenteil von der Regierung und auch von der Regierungskoalition alles getan wird, der Wiedervereinigung Deutschlands und damit der Beseitigung der Zonengrenzen Schwierigkeiten in den Weg zu legen. Die Wiedervereinigung Deutschlands ist aber die einzig mögliche Lösung. Alles, was wir jetzt tun, sind nur Hilfsmaßnahmen, die zu einer grundsätzlichen Gesundung der gesamten Verhältnisse in diesen Gebieten nicht führen können. Entscheidend ist: die Zonengrenze muß fallen, damit auch diese Gebiete wieder wirtschaftlich gesunden.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Freiherr von Aretin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Frage wollte ich noch anschneiden. Hier ist heute das Wort über die Zuständigkeiten der Länder in diesen Grenzfragen gefallen, und es ist mit einem Seitenblick auf die Finanzkraft der Länder gesagt worden, daß die Länder dieser Zuständigkeit rind ihren Anforderungen nicht nachkommen. Darf ich Ihnen dazu folgendes sagen. Der Bundesfinanzminister begründet seine verstärkten Anforderungen gegenüber den Ländersteuern mit den verstärkten Ausgaben, die sich aus der besonderen Situation an der Ostzonengrenze ergeben. Die natürliche Konsequenz davon ist, daß er dann aber auch den Ländern die Lasten abzunehmen hat. Das heißt, ich stelle mich auf den Standpunkt: es besteht eine klare Bundeszuständigkeit für die Unterstützung der Zonengrenzgebiete. Es ist das in gewissem Umfang eine weiterreichende Kriegsfolgelast.
Noch ein letztes Wort! Die von mir gegebene Begründung unseres Antrags Drucksache Nr. 4563 scheint Herrn Kollegen Solleder nicht gefallen zu haben. Ich darf daher ganz kurz sagen, warum ich den Antrag gestellt habe. Dem Mündlichen Bericht des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen, Druck({0})
sache Nr. 4467, liegt der Antrag der Fraktion der SPD vom 24. Juni 1952 zugrunde betreffend Förderungsprogramm für die Gebiete an der Sowjetzonengrenze. Es ist mit keiner Silbe von der anderen Grenze entlang dem Eisernen Vorhang bis Passau die Rede. Nachdem dem Grenzlandausschuß ein solcher Antrag nicht überwiesen worden war und nach der Geschäftsordnung Ausschüsse keine eigene Initiative entfalten dürfen, mußte ich befürchten, daß die berechtigte Hereinnahme der Grenze entlang der Tschechoslowakei an Zwirnsfäden scheitert, die in der Geschäftsordnung verankert sind. Daher habe ich den Antrag gestellt und heute hier auch begründet.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorletzte Redner, Herr Müller, hat als Radikalmittel die Aufhebung der Zonengrenzen empfohlen.
({0})
Ich meine, er hätte damit beginnen können, zu sagen, daß selbst unter Einhaltung des Potsdamer Abkommens, in dem die Wirtschaftseinheit Deutschlands immer noch vorausgesetzt war, man niemals die Zonengrenze hätte einführen sollen.
({1})
Aber die größten Nöte sind in unserer Gegend dadurch entstanden, daß diese Zonenabschnürung im Sommer vorigen Jahres noch besonders verstärkt worden ist.
({2})
Damals mußten die Landwirte ihre Ernte drüben über der Grenze auf ihrem Acker stehenlassen. Damals wurden die Starkstromleitungen abgeschnitten, damals wurden die Quellwasserleitungen abgeschnitten, und wir mußten vom Westen her in einem Sofortprogramm erst einmal alle diese Dinge wieder beschaffen, um das Allernotwendigste für das Leben zu sichern.
Zu diesen sofortigen Leistungen gehört nun noch einiges, was leider - und damit möchte ich mich an die beiden hier vertretenen Ministerien wenden - in unserer Gegend wenigstens noch nicht in vollem Umfang erfüllt ist. Durch den Zustrom von Flüchtlingen aus der Ostzone und durch die Schaffung von Wohnungen für Zollbeamte ist dort die Schülerzahl stark angewachsen. Die Schulen reichen nicht mehr aus. Nun beginnt der edle Wettstreit zwischen Ländern und Bund darüber, wer dafür zuständig ist, und da keiner von den beiden wollte, daß der andere zahlte, zahlte keiner von den beiden. Bisher! Meine Damen und Herren, so geht es natürlich nicht. Ich bitte dringend, dafür zu sorgen, daß baldmöglichst dem Bau von Schulen dort nähergetreten wird.
Unabhängig von diesen einmaligen Leistungen, die zu erbringen sind, kommt es aber natürlich vor allem auf Leistungen an, die für die Dauer gedacht sind. Ich .denke daran, daß auch vom Bund her z. B. für das Handwerk in diesen an der Zonengrenze gelegenen Gebieten durch die Erteilung von Aufträgen manches geschehen könnte. Bitte, geben
Sie doch einige Druckaufträge auch einmal in diese Gebiete! Es wäre besser gewesen, wenn die Behörden, die bisher eigentlich nur auf der Linie Köln-Frankfurt-Karlsruhe im Bundesgebiet konzentriert sind, zum Teil auch in den östlich gelegenen Gebieten eingerichtet worden wären. Behörden mit ihrem gleichbleibenden Aufkommen an Gehältern und Löhnen stellen für die Plätze, an denen sie sich befinden, einen krisenfesten Zuschuß dar. Alles das fehlt im Osten mit Ausnahme von hier und da eingerichteten Zollstationen, von denen ich schon vorhin gesprochen habe. Bringen Sie also Aufträge für das Handwerk dorthin, Aufträge z. B. auch für die Ausgestaltung des Bundesgrenzschutzes und die im Zusammenhang damit notwendigen Beschaffungen! Ich bitte dringend, das Handwerk in diesen Grenzgegenden mehr zu berücksichtigen.
Der Kollege Fr e i d h o f hat mit Recht auf die Möglichkeiten des Fremdenverkehrs hingewiesen. Ich möchte das nach jeder Richtung hin unterstützen und danke bei der Gelegenheit der Bundesregierung für die Unterstützung, die sie z. B. den jetzt im Kreis Hersfeld beginnenden Festspielen hat zuteil werden lassen. Ich bitte aber auch die sonstigen kulturellen Belange in den Grenzgebieten nicht zu unterschätzen, z. B. die Einrichtung und Förderung von Bibliotheken.
Schließlich ist von Flüchtlingsbetrieben die Rede gewesen. Ja, du lieber Gott, es ist immer das alte Lied. Wenn man das Lastenausgleichsgesetz eben so gemacht hätte, daß man die Kredite geringer gehalten und dafür auf mehrere Jahre Steuerfreiheit gegeben hätte, so daß die Betriebe in der Lage gewesen wären, von sich aus ein Kapital zu ersparen, so wäre auch in den Grenzgebieten manches anders gewesen.
Schließlich noch ein Punkt. Durch die oft merkwürdig verschlungenen Grenzlinien, die wir im Osten haben, hat es sich nach der Verschärfung der Zonenabschnürung im vorigen Sommer als notwendig erwiesen, daß eine erhebliche Zahl von Arbeitern auf großen Umwegen durch Waldwege usw. in Omnibussen nach ihren Arbeitsstätten befördert werden muß. Dadurch werden die Straßen ruiniert, und die Leute müssen noch einen Fahrpreis zahlen, den sie bisher nicht zu zahlen brauchten. Ich möchte also die Aufmerksamkeit der zuständigen Minister auch darauf richten, daß den Leuten diese zusätzlichen Ausgaben für die Omnibusfahrten ersetzt werden und daß ferner den Kreisen, Gemeinden und evtl. auch dem Land Zuweisungen gemacht werden, damit die Straßen, die für einen derartig schweren Omnibusverkehr gar nicht eingerichtet sind, entsprechend ausgestaltet werden können.
Abschließend noch eine letzte Bemerkung. Es ist unerträglich zu beobachten, daß Länder und Bund in diesen Fragen über die Zuständigkeit streiten und stolpern. In der Öffentlichkeit versteht kein Mensch, warum nun hier der Bund und warum dort die Länder zuständig sein sollen. Man versteht noch viel weniger, wenn darüber gestritten wird, anstatt daß gehandelt wird. Man versteht am allerwenigsten, wenn Länderminister - dieses Mal nicht in ihrer Eigenschaft als Minister, sondern als Parteistrategen - in der Gegend herumreisen und Reden halten, in denen sie alle Schuld auf den Bund schieben. Dabei haben die Länder insgesamt 400 Millionen DM Überschuß, während der Bund ein Defizit von einer Milliarde hat. Damit schnell
({3})
geholfen wird, sollte man zunächst die Quellen anzapfen, die vorhanden sind, und die Regelung der Zuständigkeit untereinander könnte dann in zweiter Linie und weniger mit Geräusch in der Öffentlichkeit erfolgen.
({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte Herrn Brookmann nur sagen, daß wir in Kassel auf der Zonengrenztagung gar nicht so unter uns waren. Die Referate, die dort gehalten wurden von den Herren Ollenhauer, Wehner, Dr. Bleiß und mir also sämtlich Mitglieder des Hauses - und vom Kultusminister Richard Voigt, werden demnächst veröffentlicht. Ich glaube, daß Herr Brookmann manche Anregung daraus ziehen kann. Es ist doch ganz klar, daß Menschen, die gemeinsamen Zielen zustreben, auch die Mittel, die zu den Zielen führen, gemeinsam erörtern. Das haben wir in Kassel getan. Darin unterscheiden wir uns in nichts von anderen Parteien. Es kam uns heute in bezug auf die Zonengrenzfrage darauf an, nicht das Trennende zu betonen, sondern das Gemeinsame. Ich bin der Meinung, daß .es in bezug auf diese großen nationalen Fragen hier im Hause Trennendes gar nicht geben sollte.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit beendet. Zur Abstimmung kann ich nicht übergehen, weil vereinbarungsgemäß bis 15 Uhr Abstimmungssperre ist.
Für den nächsten Punkt der Tagesordnung ist ebenfalls die Zurückstellung der Beratung bis nach 15 Uhr wegen Beanspruchung des Herrn Berichterstatters vorgesehen.
Ich rufe daher jetzt Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes ({0});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen ({1}) ({2}).
({3})
Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Diel.
Diel ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen hat mich mit der Berichterstattung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes beauftragt. Da der Ausschuß einen ausführlichen Schriftlichen Bericht*) vorgelegt hat, kann ich mich als Berichterstatter kurz fassen und auf die Vorlage Drucksache Nr. 4493 verweisen.
Bei der Beratung ides Regierungsentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes, Drucksache Nr. 4296
*) Siehe Anlage 3 Seite 14042
des Deutschen Bundestags, ist im Gegensatz zu sonstigen Beratungen des Ausschusses nicht in allen Punkten eine übereinstimmende Auffassung zu erzielen gewesen. Die Fraktionen haben sich deshalb vorbehalten, ihre im Ausschuß gestellten und abgelehnten Änderungsanträge dem Plenum zur Entscheidung vorzulegen. Da sie ihre Anträge begründen werden, brauche ich als Berichterstatter jetzt nicht näher darauf einzugehen.
Es erscheint mir dagegen wesentlich, einige kurze Ausführungen zum Gesamtkomplex der Kriegsopferversorgung. zu machen, der anläßlich der Beratung der Novelle in ausführlichen Grundsatzdebatten im Ausschuß erörtert worden ist. Die Mitglieder des Ausschusses haben übereinstimmend die Auffassung vertreten, daß in Würdigung der von ,dem betreffenden Personenkreis gebrachten Opfer die Anwendung des Gesetzes wohlwollend zu erfolgen habe. Es sei - so betont der Ausschuß - der Wille des Gesetzgebers, der einmütig gebilligt werde, daß die zweite Novelle ein Schritt auf dein Wege zur weiteren Vervollkommnung zur Versorgung der deutschen Kriegsopfer sein möge.
Trotz dieser beschränkten Zielsetzung ist es im weiteren Verlaufe der Ausschußverhandlungen nicht möglich gewesen, über die Frage der Anpassung der Grundleistungen ohne Abstimmung zu entscheiden. Sämtliche Anträge, die auf eine Erhöhung der Grundrente abzielten, sind bei Stimmengleichheit der Ablehnung verfallen.
Es ist dagegen unbestritten gewesen, daß die Notwendigkeit einer Erhöhung der Ausgleichsleistungen und der Einkommensbegrenzungen, die mit dem Bezug von Ausgleichsrenten gekoppelt sind, besteht. Über die Höhe der Verbesserungen haben jedoch auch in diesem Sektor Differenzen bestanden. Einstimmigkeit hat dagegen in der Frage der Aufhebung der Ruhensvorschriften für die Versorgung kinderloser Kriegerwitwen und in der Frage der Einheitlichkeit der Ausgleichsrentenbezüge für Kriegerwitwen geherrscht.
Die Debatte über die Notwendigkeit einer Verbesserung der Elternversorgung hat im Zeichen der Einmütigkeit gestanden; aber über das Ausmaß hat man sich nicht verständigen können.
Zu Auseinandersetzungen hat schließlich auch die Absicht der Bundesregierung Anlaß gegeben, Neufestsetzungen des Grades der Erwerbsminderung seitens der Versorgungsämter um ein weiteres Jahr nicht von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse abhängig zu machen. Während die Mehrheit des Ausschusses der Meinung gewesen ist, daß den Verwaltungsdienststellen diese Möglichkeit gegeben werden müsse, offenbar falsche Einstufungen zu berichtigen, hat die Minderheit die Auffassung vertreten, daß drei Jahre eine ausreichende Zeit dafür gewesen sei und es nicht verantwortet werden könne, nach Abschluß der Umanerkennung mit einer solchen Bestimmung erneut Unruhe in den Kreis der Versorgungsberechtigten zu tragen. Bei dieser Gelegenheit ist gerügt worden, in welchem Umfang von den Versorgungsbehörden in der Praxis der Art. 86 Abs. 3 teilweise gehandhabt wird.
Die Beachtung von einigen Vorschlägen aus der Mitte dies Ausschusses ist der Bundesregierung nach Entgegennahme entsprechender Erklärung bei der zukünftigen Handhabung zur Pflicht gemacht worden. Es handelte sich hierbei erstens um die Berücksichtigung des vor der Schädigung ausgeübten
({5})
oder angestrebten Berufs bei der Einstufung und Festsetzung des Prozentsatzes der Erwerbsminderung, zweitens um die Berücksichtigung der seelischen Auswirkungen schwerer Verstümmelungen bei der Einstufung und Festsetzung des Grads der Erwerbsminderung, drittens um die Ausstattung von Schwerbeschädigten, die ihrer freien Bewegungsmöglichkeit beraubt sind, mit motorisierten Krankenfahrzeugen, viertens um die großzügigere Handhabung bei der Zubilligung der Pflegezulage. Hierbei wurde aus der Ausschußmitte die Forderung erhoben, daß den Doppelunterschenkelamputierten eine Pflegezulage zuzubilligen sei und daß bei der Frage der Inanspruchnahme fremder Hilfe die von den Angehörigen übernommene Pflege und Wartung der fremden Hilfe gleich zu erachten sei.
Zum Schluß habe ich Ihnen folgenden Antrag des Ausschusses vorzutragen:
Der Bundestag wolle 'beschließen,
1. dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes mit 'den aus der anliegenden Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen zuzustimmen;
2. die folgende Entschließung anzunehmen:
„Der Bundesregierung wird ersucht, die in § 92 des Bundesversorgungsgesetzes für § 6 vorgesehenen Richtlinien unverzüglich zu erlassen";
3. die nachfolgend aufgeführten Anträge für erledigt zu erklären:
a) Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Eckstein, Stücklen und Genossen betr. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes - Nr. 3785 der Drucksachen -,
b) Antrag der Fraktion der FU ({6}) betr. Rentenkapitalisierung - Nr. 3993 der Drucksachen -;
4. die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe den Art. I auf. Dazu liegen auf Umdruck Nr. 1034 Änderungsanträge zu Nrn. 8 a, 9, 10, 11 und 12 b vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich darf die Änderungsanträge auf Umdruck Nr. 1034 begründen. Zunächst ist für Art. I eine neue Nr. 8 a vorgesehen, wonach die Grundrente für die Beschädigten um 20 % zu erhöhen ist. Ich darf hierzu grundsätzlich sagen, daß sich das Hohe Haus anläßlich der Beschlußfassung zur Gewährung der doppelten Monatsrente vor Weihnachten einmütig zur Gesamtstruktur des Bundesversorgungsgesetzes bekannt hat, das im Oktober 1950 von diesem Hohen Hause ebenfalls einmütig angenommen worden ist. Wir müssen uns heute darüber klar sein, daß, wenn wir das Bundesversorgungsgesetz gemäß dem einstimmigen Beschluß an das veränderte Preis- und Lohngefüge anpassen wollen, nur die Gesamtrente beinhaltet sein kann. Wenn wir die Versorgung heute in einseitiger Weise allein zur Ausgleichsrente hin entwickeln wollten, dann würden wir das Gesetz in
seiner Grundkonzeption verändern. Wir würden das Gesetz in Richtung auf den Wohlfahrtsgedanken hin entwickeln, während das Bundesversorgungsgesetz vom Leistungswillen der Kriegsopfer getragen ist. Die Voraussetzung zur Entfaltung dieses Leistungswillens ist und bleibt die Grundrente. Das ist ihr Charakter: die Möglichkeit zu geben, im gleichen Start mit dem Gesunden im Lebenskampf die noch verbliebenen Kräfte im Dienst des Volkes voll zu entfalten, für das dieses große Opfer an Gesundheit und Lebenskraft gebracht worden ist. Wenn wir die Grundrente heute auf der Strecke ließen, so würde dies dem Wollen des Schwerbeschädigtengesetzes diametral entgegenstehen, das ja Arbeitsplätze für die Arbeits- und Kriegsopfer erschließen soll und will. Ich erlaube mir deshalb, das Hohe Haus zu bitten, dem Antrag auf Umdruck Nr. 1034 in allen Teilen, in denen es sich um die Erhöhung der Grundrente um 20 % handelt, zu entsprechen.
Ich darf auf eine Einzelbegründung zu den späteren Paragraphen verzichten und mich auf diese allgemeine Begründung für sämtliche Paragraphen, die für die Grundrente einschlägig sind, beziehen. Außerdem enthält unser Antrag noch eine mehr redaktionelle Änderung. In Art. I Nr. 10 Buchstabe a soll in Abs. 1 von § 33 die Zeile „um 60 vom Hundert 93 Deutsche Mark" geändert werden in: „um 60 vom Hundert 95 Deutsche Mark". Dadurch soll eine Angleichung an die Dezimale erfolgen, dies entspricht dem Regierungsentwurf. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich hatte eben den Art. I aufgerufen. Der Artikel besteht aber aus so vielen Teilen, daß es günstiger ist, ihn zunächst teilweise, also nach Ziffern zu erörtern. Wir sprechen jetzt über Art. I Ziffer 1. Dazu ist eben ein Antrag von der Frau Abgeordneten Dr. Probst begründet worden. Wird weiter das Wort gewünscht? ({0}) - Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst eine Vorfrage an den Herrn Präsidenten. Ich bin mir nun wirklich nicht im klaren, wie diskutiert werden soll.
Über Art. I Ziffer 1.
Nach dem Bericht des Ausschusses? - ({0})
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine kleine Vorbemerkung. Wir haben zur Novelle des Bundesversorgungsgesetzes eine Reihe von Anträgen gestellt. Die Basis unserer Anträge sind das Reichsversorgungsgesetz vom Jahre 1920 und die grundsätzlichen Forderungen, die von den verschiedenen Organisationen der Kriegsopfer an den Bundestag .herangetragen worden sind. Wir haben uns bei unseren Anträgen auf die wichtigsten Probleme in diesem ganzen Komplex des Gesetzes beschränkt. Wenn einzelne unserer Anträge angenommen werden würden, ergäbe sich natürlich die Notwendigkeit, auch einige von uns noch nicht angesprochene Paragraphen im BVG entsprechend zu ändern.
Ich darf darauf hinweisen, daß nach der Verabschiedung des Reichsversorgungsgesetzes vom Jahre
({1})
1920 bereits im Jahre 1923 eine grundsätzliche Änderung durch die erste Novelle vorgenommen worden war. Nun sind in den Jahren des Bestehens dieses Bundesversorgungsgesetzes derart viele grundsätzliche berechtigte Klagen über die Mängel in diesem Gesetz laut geworden, daß es hoch an der Zeit erscheint, eine Novelle zu dem Gesetz zu verabschieden, die eine grundsätzliche Änderung in der Linie der von den Organisationen gestellten Forderungen bringt. Wir sind der Auffassung, daß diesmal kein Flickwerk gemacht werden sollte, wie das unstreitig bei dem Vorschlag des Ausschusses der Fall ist, der, was bekannt sein dürfte, von den Organisationen der Kriegsopfer als Ganzes abgelehnt wird. Wir sind der Ansicht, daß dieser Vorschlag des Ausschusses nicht das beinhaltet, was seinerzeit vom Bundestag einstimmig gefordert worden ist, nämlich das Heranbringen der Renten an das veränderte Lohn- und Preisgefüge.
Ich werde mich heute auf Begründung der wichtigsten unserer Änderungsanträge beschränken. Wir beantragen, Art. I Ziffer 3 in der Fassung des Ausschusses zu streichen und dafür folgende Fassung des § 10 Abs. 5 des Bundesversorgungsgesetzes zu beschließen:
Schwerbeschädigte erhalten auch für Gesundheitsstörungen, die nicht Folge einer Schädigung sind, Heilbehandlung.
Das stimmt überein mit dem ersten Satz der bisherigen Fassung. Nun schlagen wir aber vor, zu sagen:
Angehörige Schwerbeschädigter, die mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft leben und von ihnen überwiegend unterhalten werden, erhalten ambulante ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Arznei- und Verbandmittel, Krankenhausbehandlung sowie
- und das ist jetzt das Entscheidende die zur Sicherung des Heilerfolges notwendigen kleineren Heilmittel. An Stelle der ärztlichen Behandlung, Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln können Kur- und Heilanstaltspflege gewährt werden.
Zur Begründung lassen Sie mich folgendes sagen: Wir sind grundsätzlich der Auffassung, daß die Heilbehandlung von Schwerbeschädigten und ihrer Familienangehörigen bzw. der mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen in jedem Falle vom Bund und nicht von den Krankenkassen zu tragen ist. Wir sind darüber 'hinaus der Auffassung, daß die Lasten aus der Kriegsopferversorgung vom ganzen Volk zu tragen sind und nicht von den Versicherten, wie das jetzt nach dem Gesetz der Fall ist. Wir sind weiter der Auffassung, daß auf Kosten der Versorgungsbehörden jeder Schwerbeschädigte in ein reguläres Krankenversicherungsverhältnis gebracht werden muß, so, als ob der Betreffende in einem Arbeitsverhältnis stände. Wird das, was wir verlangen, Gesetz, so hat der Schwerbeschädigte für sich und seine Familienangehörigen Anspruch auf volle Leistungen der Krankenkasse einschließlich der zur Sicherung des Heilerfolgs notwendigen sogenannten kleineren Heilmittel. Wird diese unsere Forderung nicht durch Gesetz verwirklicht, dann erhalten Familienangehörige von Schwerbeschädigten, deren Heilbehandlung nicht auf Grund eines regulären Krankenversicherungsverhältnisses, sondern nur durch die sogenannte Rentenkrankenversicherung erfolgt, nur die Regelleistungen, nicht aber die zur Sicherung des Heilerfolgs notwendigen kleineren Heilmittel.
Die derzeitig herrschenden Zustände auf diesem Gebiet sind unerträglich. Die Tatsache, daß sie unerträglich sind, wird nicht nur von uns Kommunisten behauptet, sondern ich erinnere Sie an die große Denkschrift, 'die der VdK an die Bundestagsabgeordneten herangebracht hat. 'Hier wird zum § 10 gesagt:
Mindestens sollte der Umfang der Krankenbehandlung der gleiche sein, wie er versicherten Kassenmitgliedern gewährleistet ist. Es wird immer wieder
- so sagt der VdK darüber Klage geführt, daß kleinere Heilmittel nicht gewährt werden.
Der Vorschlag des VdK: kleinere Heilmittel, Zuschüsse zu größeren Heil- und Hilfsmitteln und Krankenhausbehandlung, soll in das Gesetz eingearbeitet werden. Dieser Auffassung des VdK trägt unser Änderungsantrag zum § 10 Rechnung. Wir bitten Sie, diesem Antrag stattzugeben.
Sie haben zu Art. I Ziffer 3 gesprochen. Jetzt käme an sich die Abstimmung; wir kommen wegen der getroffenen Verabredung aber nicht dazu.
Sie können nun die Ziffer 3 Ihres Antrags begründen, den Sie mit Umdruck Nr. 1035, der noch nicht vervielfältigt ist, gestellt haben.
Das nächste ist unser Antrag betreffend den Kleider- und Wäscheverschleiß.
Das ist also die Ziffer 3.
Dazu schlagen wir vor, daß der § 13 Abs. 4 folgende Fassung erhält:
Verursachen die Folgen der Beschädigung außergewöhnliche Kosten für Kleider- und Wäscheverschleiß, so sind diese mit einem Pauschbetrag von 5 bis 20 DM monatlich zu ersetzen. Übersteigen in Sonderfällen die tatsächlichen Aufwendungen die höchste Stufe des Pauschbetrages, so sind die nachgewiesenen Kosten zu ersetzen.
Der Ausschuß schlägt eine Erhöhung der derzeitigen Sätze für Kleider- und Wäscheverschleiß in der Form vor, daß für den außergewöhnlichen Verschleiß Sätze von 3 bis 15 DM monatlich festgesetzt werden. Es heißt dann in dem Vorschlag des Ausschusses:
Übersteigen in Sonderfällen die tatsächlichen Aufwendungen die höchste Stufe des Pauschbetrags, so sind sie erstattungsfähig.
Aber nun soll nach dem Ausschußvorschlag durch Rechtsverordnung bestimmt werden, welche Sätze den einzelnen Gruppen der Körperbeschädigten zu gewähren sind und in welchen Sonderfällen eine Erstattung in Frage kommt.
Wir schlagen also nicht nur eine Erhöhung in der von mir vorgetragenen Form auf 5 bis 20 DM als Ersatz für außergewöhnlichen Verschleiß vor, sondern wir möchten auch in das Gesetz eingefügt wissen, daß das, was da zu erstatten ist, nicht in das Belieben des Bundes und der Versorgungsbehörden gestellt wird. Die tatsächlichen und nachgewiesenen Kosten, die durch Kleider- und Wäscheverschleiß in außergewöhnlichem Maße entstehen,
({0})
sollen erstattungspflichtig gemacht werden. Lassen Sie mich ein Wort der Begründung dazu sagen. Als niedrigster Satz der Pauschbeträge werden in der Ausschußfassung 3 DM festgelegt. Damit kann sich der Beschädigte im Jahr nicht einmal eine Hose kaufen, wie Ihnen ja geläufig sein wird. Ein DoppelOberschenkelamnutierter aber verschleißt im Jahr neben einem Anzug mindestens vier bis fünf Garnituren Unterwäsche. Mit der vom Ausschuß festgelegten Summe kann er nur einen verschwindend geringen Prozentteil dessen beschaffen, was ihm tatsächlich infolge seiner Beschädigung an außergewöhnlichen Kosten entsteht. Wir bitten Sie, auch diesem unserem Antrag stattzugeben.
({1})
- Das ist nicht meine Schuld. Sie tragen die Nr. 1035. Sie sind gestern um 8 Uhr bereits eingereicht worden. Ich habe eben feststellen müssen, daß der Umdruck Nr. 1051 - also 16 Nummern weiter - schon verteilt ist.
({2})
Ich komme nicht hinter die Geheimnisse dieses Modus, aber ich hoffe, daß der Umdruck noch im Laufe der Aussprache verteilt wird.
({3})
- Das kann ich Ihnen nachfühlen. Wir haben auch genug von Ihren Ausschußvorschlägen. Auch die Kriegsopfer haben genug davon!
Wir fahren in der Begründung fort. Praktisch ist der Herr Abgeordnete Renner in der Begründung seiner Anträge bis zur Ziffer 4 des Art. I gekommen. Liegen zu dem Voraufgegangenen noch Wortmeldungen vor? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich also weitergehen und aufrufen: Art. I Ziffern 4, 5, 7. Dazu liegen, soweit ich sehen kann, keine Änderungsanträge vor. Bei Ziffer 6 kommen aber welche. Da 'ist ein Änderungsantrag von der EDP gestellt. Dazu hat Herr Abgeordneter Hammer das Wort gewünscht.
Meine Damen und Herren! § 19 des Gesetzes befaßt sich mit dem Kostenersatz an die Krankenkassen, und zwar mit dem Kostenersatz für Krankenhilfe der Kriegsbeschädigten, die Versicherte sind. In der Ausschußbehandlung wurde eine Änderung des Abs. 1 vorgenommen, die sehr zu begrüßen ist. Die Dauer der Ersatzleistung war für drei Jahre festgelegt. Daraus sind jetzt fünf Jahre geworden. Das geht in Ordnung. Dann wurde aber in Ziffer 6 b der Ausschußvorlage eine Bestimmung aufgehoben. Das scheint uns außerordentlich problematisch zu sein.
In Abs. 3 des § 19 steht, daß als Ersatz Heilanstaltspflege usw., und bei ambulanter Behandlung, soweit und solange Krankengeld gegeben wird, das satzungsmäßige Krankengeld gewährt wird. Dann hat dort früher gestanden „sonst 3 Deutsche Mark für jeden Behandlungstag". Das ist also der Betrag gewesen, der an die Versicherungsträger dafür zurückerstattet wurde, daß sie Kriegsbeschädigte, die in ambulanter Behandlung waren, betreut hatten. In dieser 'Summe sind das Arzthonorar und alle Aufwendungen für Arznei- und Heilmittel enthalten. Dieser Betrag ist nun unglückseligerweise - offenbar in Verkennung der Auswirkungen - im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen gestrichen worden. Wir haben in einem Antrag, den ich soeben dem
Herrn Präsidenten heraufgereicht habe, beantragt, die Ziffer 6 b wieder zu streichen und den Betrag von 3 DM wieder einzusetzen.
Die Forderung ist durchaus berechtigt. Ich darf Sie auf folgendes aufmerksam machen. Die Krankenkassen behaupten mit Recht, daß auf Grund ihrer Aufzeichnungen die Anforderungen für ärztliche Hilfe bei Kriegsbeschädigten noch dauernd steigen. Außerdem wird die Erstattung nur dann vorgenommen, wenn der Nachweis der tatsächlichen Behandlung und Betreuung geführt ist.
Ich darf Sie noch auf folgendes aufmerksam machen. Aus diesem Betrag von 3 DM fließt das Arzthonorar. Wenn Sie ihn streichen, bekommen die Kassenärzte Deutschlands für die Behandlung der versicherten Kriegsbeschädigten nicht einen roten Pfennig mehr. 'Sie würden die Behandlung trotzdem 'durchführen. Sie haben niemals darin nachgelassen, diesen Opfern des Krieges, unseren besten Kameraden zu helfen, wo sie 'helfen können. Ob aber die Forderung berechtigt ist, ihnen zuzumuten, in Zukunft eine solche ärztliche Leistung ohne jedes Honorar zu gewähren, - ich glaube, meine Damen und Herren, diese rhetorische Frage brauche ich kaum zu stellen. Sie sind sicher selber überzeugt, daß das nicht der Fall sein soll. .
Die Frage war, wie sich das auf den Etat des Herrn Finanzministers auswirkt. In einer Besprechung mit dem Arbeitsministerium ist heute morgen festgestellt worden, daß für den Etat des Finanzministers keine Belastung entstehen wird, 'da diese kleinen Beträge, die außerdem in Zukunft fortgesetzt weiter absinken werden, noch im Etat des Arbeitsministers vorhanden sind. Der Herr Finanzminister braucht also darüber keine grauen Haare zu bekommen.
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen und den kleinen Halbsatz: „sonst drei Deutsche Mark für jeden Behandlungstag" wieder so, wie er früher im Gesetz gestanden hat, einzusetzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen - zu diesem Punkt?
({0})
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Hammer abzulehnen, und zwar deswegen, weil wir eine Versorgung für die Kriegsopfer und nicht für die Krankenkassen und für die Ärzte schaffen wollen. Der Pauschalbetrag, der jetzt gestrichen werden soll, wird in einer Weise in Anspruch genommen, von der man nicht sagen kann, daß das im Dienste der Kriegsopfer ist. Denn die angesprochenen Kriegsopfer sind Versicherte der Krankenkasse und leisten ihre Beiträge in ihre Krankenversicherung.
Je weiter wir uns von dem Kriegsgeschehen entfernen, um so mehr werden die Erkrankungen, wie es in der Fachsprache heißt, einer Abflachung entgegengehen. Es wird nicht immer ersichtlich sein, ob sich der Betreffende auf Grund einer normalen Krankheit oder auf Grund einer Krankheit, die mit dem Kriegsleiden in Verbindung steht, krank meldet. Auch nach dem ersten Weltkrieg sind die ursprünglichen Vergütungen nach dem damaligen Reichsversorgungsgesetz geändert worden, und zwar schon viel früher nach dem Kriegsgeschehen als heute, nämlich schon nach drei Jahren, wenn ich genau unterrichtet bin. Seit dem letzten Kriegsgeschehen sind rund acht Jahre vergangen. Wenn
({0})
jetzt, also nach acht Jahren, eine Änderung erfolgt, werden die Krankenkassen in keiner Weise benachteiligt. Da das feststeht, sind wir der Meinung, daß auch keine Begünstigung der Krankenkassen durch die Beibehaltung dieses Pauschalsatzes bestehenbleiben soll. Ich bitte daher, den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Hammer abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hammer.
Meine Damen und Herren! Ich muß dem Herrn Kollegen Arndgen leider widersprechen. Derr Herr Kollege Arndgen hat auf die Vergleichszeit vor dem ersten Weltkrieg abgestellt. Die Zeit ist der heutigen völlig unvergleichbar. Vor dem ersten Weltkrieg sind die Abrechnungen zwischen den Ärzten und den Krankenkassen nach Einzelleistungen erfolgt. Wenn also ein Kranker in der Sprechstunde gewesen war, so bekam der Arzt dafür sein Honorar. Heute ist das nicht mehr der Fall, sondern die Abrechnung erfolgt in einem Pauschale. Dieses Pauschale geht von den 1932 aufgezeichneten Leistungen aus, so daß heute noch nur diese Leistungen honoriert werden. In der Vergleichszeit des Jahres 1932 befindet sich auch nicht eine Leistung, die für einen Kriegsbeschädigten, geschweige denn für einen Kriegsbeschädigten des zweiten Weltkrieges ausgeführt worden ist. Die Streichung der drei Mark würde also zweifellos bedeuten, daß es für den Kassenarzt überhaupt kein Honorar mehr gäbe, es sei denn, daß man das Honorar aus dem Gesamtpauschale, das für andere Zwecke angeschafft worden ist, entwendet und für diese Zwecke abführt.
Erstaunt hat mich allerdings die Bemerkung des Herrn Kollegen Arndgen, daß wir hier ein Gesetz für Kriegsbeschädigte machten und nicht für Krankenkassen und nicht für Ärzte. Ich finde das doch, an meine Adresse gerichtet und an die Adresse der Vertreter der Versicherungsträger, 'die hier im Hause sitzen - Leute, die seit Jahrzehnten im Interesse der Volksgesundheit tätig sind -, gelinde gesagt als eine unverschämte Äußerung. Wir haben hier genau so zu prüfen wie bei jedem anderen Gesetz, wie sich die Bestimmungen mit Recht und Ordnung und Deckungsmöglichkeiten in Übereinstimmung befinden und wieweit wir gezwungen sind, dafür finanzielle Aufwendungen zu machen. Das ist 'der Grund, aus dem heraus ich hier zweierlei eindeutig festzustellen habe: Wenn Sie streichen, werden wir Ärzte jeden Kriegsbeschädigten genau so als Kameraden weiter behandeln wie vorher auch. Er wird es nicht merken, daß Sie hier wieder auf unserem Rücken Ihre Finanzkalamität ausgefochten haben. Aber die Tatsache bleibt bestehen, daß Sie hier rigoros den Versicherungsträgern und den Ärzten den Anspruch für tatsächlich von ihnen gegebene Vorleistungen gestrichen haben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde zuerst unseren Änderungsantrag zu § 19 begründen und dann auf die mit der Krankenbehandlung überhaupt zusammenhängenden Fragen, die wir -in unserem Antrag angesprochen haben, eingehen.
Ein Wort zu dem Problem, das durch die Kontroverse der beiden Herren Vorredner hier aufgetaucht ist. Ich bin der Auffassung - und wir Kommunisten haben das schon in unseren ersten Grundsatzanträgen im Herbst 1949 herausgestellt -, daß es zur Sicherung einer ordentlichen Krankenbehandlung notwendig ist, auch die Belange der Krankenkassenärzte in gebotenem Ausmaß zu wahren. Wir sind der Auffassung, daß ein Krankenkassenarzt zur Durchführung seiner Arbeit genau so eine ausreichende Entlohnung braucht, wie jeder andere Arbeiter. Wir wissen, 'daß die derzeit gezahlten Sätze nicht ausreichen. Das wird von allen Krankenkassenärzten generell festgestellt und ausgesprochen. Wir wollen auch eine Befriedigung der Interessen der Krankenkassenärzte, was dann wechselwirkend wieder den Versicherten und in dem speziellen Fall den kranken Kriegsopfern zugute kommt. Das mußte doch wohl zur Sache gesagt werden.
Dem Herrn Vertreter der Krankenkassenärzte etwas zum Bedenken! Wir sind der grundsätzlichen Auffassung, daß die Verpflichtungen der Krankenkassen, auch in den sogenannten Krankenversichertenverträgen, für die Krankenkassen und die versicherten Arbeiter große Belastungen bedeuten. Das ist der Standpunkt der Gewerkschaften dazu, Herr Arndgen. Wir sind 'der Meinung, daß ein Kriegsbeschädigter auf Grund seiner Beschädigung mehr an Heilbehandlung und Heilmitteln bedarf als ein normaler Arbeiter, um das Wort einmal zu gebrauchen. Diese beiden Faktoren zusammengenommen bringen uns zu der Ansicht, daß die gesamten Kosten, die durch die Krankenbehandlung der Kriegsopfer entstehen, 'den Krankenkassen global und in der vollen Höhe durch den Bund zu ersetzen sind. Das ist die einzige vom Standpunkt der Versicherten, vom Standpunkt der Gewerkschaften .und vom Standpunkt der Kriegsopfer vertretbare Konzeption. Demzufolge haben wir den von mir bereits vorgetragenen Antrag zu § 19 gestellt.
Nun zur Sache noch ein Wort. Wenn man den Krankenkassen die Kosten, die ihnen entstehen, in voller Höhe ersetzt, wenn man jeden Rentenberechtigten nach dem BVG in ein ordentliches Versicherungsverhältnis bringt, so, als sei er ein im Arbeitsprozeß stehender Mensch, dann haben die Krankenkassen ja auch, sobald der Staat die Kosten trägt, die Möglichkeit, die Leistungen in voller Höhe - auch die kleinen Heilmittel - zu gewähren und die Tätigkeit der Krankenkassenärzte entsprechend zu vergüten. Aus dem Grunde sollte man unseres Erachtens endlich dazu übergehen, eine Regelung in dem von uns vorgeschlagenen Sinne vorzunehmen.
Nun zum Problem Heilbehandlung an und für sich! Zu § 14 Abs. 2 des Gesetzes haben wir folgenden Antrag gestellt:
Im übrigen wird die Heilbehandlung einschließlich der Heilanstaltspflege und der Hauspflege durch die Krankenkassen durchgeführt.
- Also nicht, wie es im Gesetz heißt: gesichert. Die Wahl der Krankenkassen ist den Beschädigten freigestellt. Während der Heilbehandlung ist der Beschädigte der Krankenordnung und den sonstigen Verordnungen der jeweiligen Kasse unterworfen.
Das ist eine Selbstverständlichkeit. Außerdem sind wir der Meinung, daß die Absätze 3 und 5 logischerweise gestrichen werden könnten, wenn man diesen Passus in § 14 annimmt.
({0})
Nun zu dem Problem Heilbehandlung und zu unserem Änderungsantrag zu § 17! Wir fordern:
Wird die Heilbehandlung weder in einer Heilanstalt noch als Badekur oder Heilstättenbehandlung gewährt, so erhält der Beschädigte für die Dauer der Heilbehandlung Krankengeld, soweit dieses nach Gesetz oder Satzung von der die Heilbehandlung durchführenden Krankenkasse ihm als versicherungspflichtigem Mitglied zu zahlen wäre.
Wenn man die Voraussetzungen schafft, daß der Rentenberechtigte nach dem BVG ordentliches Krankenkassenmitglied ist, wenn der Krankenkasse die entsprechenden Leistungen vom Bunde vergütet werden, dann ist auch die Möglichkeit gegeben, während der Heilbehandlung oder Heilstättenpflege das Krankengeld in dem üblichen Rahmen zu geben, wie es die Krankenkassen ihren ordentlich versicherten Mitgliedern gegenüber leisten.
Zu § 17 Abs. 3 stellen wir noch folgenden Änderungsantrag. Es heißt im Gesetz:
Neben Wartegeld, Ruhegehalt, ruhegehaltähnlichen Bezügen und Renten aus der Sozialversicherung wird Krankengeld nicht gewährt.
Wir sind der Auffassung, daß die Worte „Renten aus der Sozialversicherung" gestrichen werden sollten. Diese Forderung entspricht unserer grundsätzlichen Konzeption vom Wesen der Renten aus der Sozialversicherung, und wir bitten Sie, diesem unserem Antrag stattzugeben, zumal auch diese Gedankengänge mit der Denkschrift, die der VdK allen Mitgliedern dieses Hauses zugeschickt hat, identisch sind.
Nun zu § 18! Wir sind der Auffassung, daß die Regelung, die in Art. I Ziffer 6 Buchstabe a des Ausschußberichtes vorgeschlagen wird, gestrichen werden sollte. Wir verlangen, daß während der Heilanstaltspflege, der Badekur oder Heilstättenbehandlung die Renten weitergezahlt werden. Der Vorschlag des Ausschusses besagt:
. . . Dauert die Heilanstaltpflege oder Heilstättenbehandlung länger als drei Monate, so wird Ausgleichsrente nur insoweit gezahlt, als der Beschädigte ihrer zur Erfüllung gesetzlicher Verpflichtungen oder solcher vertraglicher Verpflichtungen, die schon vor dem Beginn der Behandlung bestanden haben und von ihm erfüllt worden sind, bedarf . . .
Wir sind der Meinung, daß das unbedingt gestrichen, daß also der alte § 18 a Abs. 1 in der ursprünglichen Form wiederhergestellt werden muß.
Dann haben wir noch zu § 18 Abs. 2 folgende neue Fassung vorgeschlagen:
Hat ein Beschädigter, der Heilbehandlung auf Grund dieses Gesetzes erhält, Angehörige, deren Ernährer er ist, so wird diesen während der Heilanstaltspflege Hausgeld gewährt. Das Hausgeld ist so zu bemessen, als ob der Beschädigte Mitglied der Krankenkasse wäre. Es wird nur gezahlt, soweit und solange das Einkommen durch die Erkrankung gemindert ist.
Dann noch ein letzter Änderungsantrag zu § 18 Abs. 4:
Dem Beschädigten, der für keine Angehörigen zu sorgen hat, ist bei Bedürftigkeit eine Beihilfe zu gewähren, wenn er nachweist, daß er während der Heilanstaltspflege, Badekur oder
Heilstättenbehandlung laufende Verpflichtungen ({1}) zu erfüllen hat.
Das bezieht sich auf Fälle, in denen er also nachweist, daß laufende Verpflichtungen' zu erfüllen
' sind. Dann soll ihm ohne weiteres während der Dauer der Heilbehandlung auch das Krankengeld zustehen. Dauert nämlich die Heilstättenpflege länger als drei Monate, dann sollen nach dem Vorschlag des Ausschusses, wie ich schon vorgetragen habe, das Hausgeld und das Krankengeld wegfallen.
Nun noch ein entscheidender Paragraph zu dem Problem Heilbehandlung! Wir schlagen in unserem Antrag zu § 22 folgenden neuen Passus- vor:
Mit Zustimmung des Beschädigten kann die Verwaltungsbehörde jederzeit eine neue Heilbehandlung durchführen, wenn die Sicherung dafür besteht, daß sie den Gesundheitszustand des Beschädigten bessert.
Und nun das Entscheidende:
Operationen oder sonstige schmerzhafte Eingriffe und Untersuchungsmethoden ({2}), durch die die körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 GG des Beschädigten bedroht ist, dürfen ohne Zustimmung des Beschädigten nicht vorgenommen werden.
({3})
Wir sind der Auffassung, daß es dringend notwendig ist, diese Bestimmung in das Gesetz einzuführen, um endlich mit den Praktiken Schluß zu machen, die heute von breiten Kreisen' der Versorgungsärzte angewendet werden mit dem Ziele, die Renten dadurch herabzusetzen, daß man die Beschädigten vor solche Alternativen stellt, sich entweder solchen schmerzhaften Untersuchungsmethoden zu unterziehen oder eine Herabsetzung der Rente zu gewärtigen. Sie, 'die Sie in der Praxis stehen, wissen alle, von welcher Bedeutung dieses Problem ist. Wir bitten Sie im Interesse der beschädigten Menschen und unter Wahrung des Art. 2 des Grundsegesetzes - das schließlich auch für einen Beschädigten in Frage kommen sollte -, diesem unserm Änderungsantrag stattzugeben.
({4})
Meine Damen und Herren, es ist etwas schwierig, durch die vielen Änderungsanträge ,durchzufinden. Ich habe den Eindruck, daß zunächst Herr Abgeordneter Horn das Wort zu diesen Punkten wünscht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wollte mir ein paar kurze sachliche Bemerkungen zu dem von Herrn Dr. Hammer vertretenen Antrag gestatten. Was ich zu sagen habe, steht allerdings in Widerspruch zu den Ausführungen meines Freundes Arndgen, die er vorhin gemacht hat. Ich möchte die Dinge wie folgt sehen.
({0})
Die Ausschußvorlage hat die im Bundesversorgungsgesetz auf drei Jahre befristete Erstattungspflicht an die gesetzlichen Krankenkassen um zwei Jahre verlängert, und zwar für Heilanstaltspflege, Krankengeld usw., wie es eben in §§ 19 usw. der Vorlage steht. Wenn man aber die Erstattungspflicht grundsätzlich bejaht - was ich jetzt sage, hat nichts mit der Frage der ärztlichen Honorierung oder auch mit einer zusätzlichen Vereinnahmung durch Krankenkassen zu tun, wie es vielleicht dargestellt worden ist oder werden könnte - und sie um zwei weitere Jahre verlängert, dann darf man dabei nach meinem Dafürhalten die ambulante Behandlung, soweit es sich um Kriegsfolgeschäden handelt, nicht ausnehmen; denn auch sie gehört doch zu diesem Sachkomplex, um den es sich hier handelt.
Es ist sicher richtig, daß diese Beanspruchung zwangsläufig geringer wird; aber solange sie besteht und man im übrigen den Erstattungsgrundsatz bejaht, darf man dabei nach meinem Dafürhalten die ambulante ärztliche Behandlung nicht ausschließen. Man darf es auch nicht tun, wenn man etwa der Meinung ist, daß es gerade auf diesem Gebiet nicht immer und in jedem Fall hundertprozentig ehrlich zugeht. In dieser Beziehung muß man eben an das Verantwortungsbewußtsein der Beteiligten und auch der Ärzteschaft appellieren. Man darf aber nicht grundsätzlich in der ambulanten Behandlung ablehnen, was man im übrigen bezüglich der stationären Behandlung zugesteht. Der Aufwand, der hierfür in Frage kommt, ist nach meinem Dafürhalten und auch nach der Aussage der Ressorts immerhin ein äußerst minimaler Betrag gegenüber so vielen anderen Forderungen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden. Die etwa 5 Millionen DM, die das kosten würde, sind - ich glaube, das wird auch vom zuständigen Ministerium nicht bestritten werden können - in der Summe, die man im ganzen an sich zuzugestehen bereit ist, ohne jede Schwierigkeit zu verkraften, und es entstehen daraus keinerlei zusätzliche Komplikationen.
({1})
Ich möchte Sie also auf Grund dieser rein sachlichen grundsätzlichen Überlegung bitten, dein Änderungsantrag des Kollegen Hammer zuzustimmen, weil wir nach meinem Dafürhalten sonst eine ungerechte Lösung herbeiführen.
Herr Abgeordneter Arndgen hatte sich dazu gemeldet.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst kann ich die Aufregung des Herrn Dr. Hammer nicht verstehen.
({0})
Denn es handelt sich bei den Kriegsversehrten um Menschen, die genau so wie alle anderen Arbeitnehmer in der Krankenversicherung versichert sind und für diese Krankenversicherung Beiträge bezahlen,
({1})
ergo auf Grund ihrer Versicherung Anspruch auf Leistung haben.
({2})
Wenn nun, meine sehr verehrten Damen und Herren - und Herr Kollege Horn -, auch in der
zurückliegenden Zeit für die stärkere Inanspruchnahme während dieser Zeit eine Pauschale gezahlt worden ist, so steht doch heute, acht Jahre nach dem Kriege fest, daß sich eine Planierung gezeigt hat und die Krankheiten durcheinandergehen.
({3})
Dann hat der Rechnungshof sich eingehend mit den einschlägigen Gesetzesbestimmungen beschäftigt. Er hat schon seit längerem verlangt, daß sie abgeändert werden. Wenn wir in dieser Novelle noch einmal zwei Jahre für die Erstattungspflicht im allgemeinen verankert haben, dann haben wir damit, glaube ich, den jetzt noch verbleibenden Notwendigkeiten in jeder Weise Rechnung getragen. Hier ist davon gesprochen worden, die Pauschdeckung würde auch 5 Millionen ausmachen. Bei der augenblicklichen Kassenlage des Bundes und bei den Ansprüchen, die wir noch für die Kriegsopfer irgendwie verankern wollen, müssen wir auf jede Million Mark Wert legen, die wir sparen können.
({4})
Wünscht jemand noch dazu das Wort? - Herr Abgeordneter Dr. Hammer!
({0})
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Arndgen hat die Frage an mich gerichtet, warum ich mich aufgeregt hätte. Er hat wieder genau dasselbe gesagt, was mir vorhin so unpaß kam, als er sagte, es handele sich um ein Kriegsopferversorgungsgesetz und nicht um ein Ärztegesetz oder ein Krankenkassengesetz. Dies ist in diesem Zusammenhang doch gelinde gesagt eine sehr unhöfliche Bemerkung. Man müßte allen Beteiligten unterstellen, daß sie sich durchaus über Ziel und Tendenzen des Gesetzes klar sind. Im übrigen stimmt das andere, was er eben gesagt hat, leider nicht. Es fehlt ihm offenbar die Kenntnis der ärztlichen Honorarabkommen. Es ist nicht wahr, daß, wenn man diesen § 3 streichen würde, irgendein Honorar für ausgeführte ärztliche Leistungen vorhanden wäre. Das Gesamtpauschale, das bezahlt wird, wird nämlich für eine ganz bestimmte Gruppe ermittelter Einzelleistungen bezahlt; und zwar sind das die Leistungen, die vergleichsweise vor dem Kriege bei Versicherten ausgeführt wurden, also bei Lungenentzündungen, Furunkulose, Typhus und gebrochenen Beinen und nur insoweit, als diese Schäden nicht länger als 26 Wochen zu behandeln waren. Noch nicht honoriert bis zum heutigen Tag wird die Mehrleistung infolge der Ausdehnung der Versicherungspflichtgrenze. Im Gesamtpauschale nicht enthalten sind auch diese Mehrleistungen für Erkrankungen, die im. Zusammenhang mit Kriegsschäden zusätzlich ausgeführt werden. Dafür ist dieser Betrag von 3 DM bestimmt und für die Ausgaben, die der Krankenkasse aus demselben Tatbestand entstehen. Denn die Krankenkasse hat nicht nur Aufwendungen an Arzneimitteln für an Lungenentzündung Erkrankte, sondern auch die weiteren Aufwendungen für die Behandlung von Leuten mit Gehirnschüssen, mit Stumpfgeschwüren und mit anderen Kriegsverletzungen. Wenn Sie es für richtig halten, meine Damen und Herren, dann streichen Sie diese 3 DM! Aber ganz erstaunlich kommt es mir
({0})
vor, daß ausgerechnet der Herr Kollege Arndgen das jetzt verlangt, nachdem am vorigen Sonntag sein Parteiführer Adenauer eine große Rede über den Mittelstand in Deutschland gehalten hat.
({1})
Zur Mittelstandspolitik sollte doch mindestens die Absicht gehören, auch den Arzt eines Honorars zu würdigen. Das ist aber offenbar nicht der Fall, wenn es sich um eine zahlenmäßig so unbedeutende Gruppe des Mittelstandes wie uns handelt, die in ihrer Mehrzahl im Herzen auch noch liberal ist!
({2})
Meine Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, daß es unzweckmäßig ist, die ganze Einzelbesprechung bei Art. I hintereinander durchzuführen, weil zum Schluß überhaupt niemand, mehr Bescheid weiß, worum es sich handelt.
({0})
Ich schlage Ihnen also vor, da ich den Eindruck habe, daß die Besprechung bis zu Ziffer 7 des Art. I gediehen ist, zunächst einmal über die dazu vorliegenden Anträge per Artikel und Ziffern abzustimmen und dann fortzufahren. Vielleicht wird es dann für alle etwas übersichtlicher.
Zu Ziffer 1 liegt ein Änderungsantrag nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Dann hat die kommunistische Gruppe beantragt, zu Paragraphen, die in dem Antrag des Ausschusses nicht vorgesehen sind, Änderungen vorzunehmen.
({1})
- Also, meine Damen und Herren, ich bekomme hier auf Raten Anträge überreicht - ich kann es nicht ändern -, Sie wahrscheinlich auch. Ich habe jetzt vor mir liegen einen Umdruck Nr. 1046, Änderungsantrag der Gruppe der KP. -({2})
- Meine Damen und Herren, die Ziffer 1 ist angenommen.
({3})
Es liegt mir vor ein Antrag der Gruppe der KP auf Umdruck Nr. 1047 - ich unterstelle, daß Sie ihn vielleicht bekommen haben -,
({4})
und zwar in Ziffer 1, 2 und 3. Ziffer 1 ist ein Antrag: § 3 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung. Sind Sie sich über die Abstimmung klar?
({5})
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag der Gruppe der KP zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller - ({6})
- Meine Damen und Herren, ich muß um Entschuldigung bitten. Wir wollen also zunächst einmal
klären, welche Anträge vorliegen; dann wird es einfacher. Es liegen vor:
Umdruck Nr. 1034 - Änderungsantrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Dr. Horlacher und Genossen -, der mit der Ziffer 8 a beginnt, im Augenblick also noch nicht zur Abstimmung steht;
Umdruck Nr. 1041 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD -, der sich nun leider wieder nicht auf die Ziffern des Gesetzentwurfs, sondern auf die Paragraphen des Bundesversorgungsgesetzes bezieht; er beginnt aber erst mit § 31 Abs. 1, steht im Augenblick also noch nicht zur Abstimmung;
Umdruck Nr. 1049 - Änderungsantrag der Fraktion ,der SPD betreffend § 33 Abs. 2 -;
Umdruck Nr. 1033 - Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betreffend Ziffer 10 -;
Umdruck Nr. 1035 - ich habe das nur im Original vorliegen; es sind acht Seiten Änderungsanträge der Gruppe der KP;
({7})
und ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Hammer und Genossen betreffend Ziffer 6 a.
Haben Sie noch weitere Änderungsanträge vorliegen?
({8})
- Offenbar nicht.
Dann kommen wir zu Ziffer 2. - Kein Änderungsantrag. - Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu Ziffer 3 hat die kommunistische Gruppe auf Umdruck Nr. 1035 Ziffer 1 die Streichung beantragt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Streichungsantrag der kommunistischen Gruppe zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 3 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ferner liegt ein kommunistischer Antrag vor, dem § 10 Abs. 5 eine andere Fassung zu geben, Umdruck Nr. 1035 Ziffer 2. Wer stimmt dafür? - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Zu Ziffer 4 liegt ein kommunistischer Antrag vor, § 13 Abs. 4 eine neue Fassung zu geben - Umdruck Nr. 1035 Ziffer 3 -. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem kommunistischen Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 4 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Sodann liegt ein kommunistischer Antrag vor, der mit der Ziffer des Ausschußberichts nicht übereinstimmt, § 14 Abs. 2 eine neue Fassung zu geben, und zu den Absätzen 3 und 5. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Zu Ziffer 5 liegt kein Änderungsantrag. vor; ebenso nicht zu Ziffer 6. Ich bitte die Damen und Herren, die den Ziffern 5 und 6 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
({9})
I Meine Damen und Herren, ich sehe allerdings eben, daß noch eine ganze Reihe von kommunistischen Anträgen betreffend §§ 17 und 18 vorliegt.
({10})
- Einen Augenblick bitte, Herr Abgeordneter Mende. - Begründet sind die Anträge; sie gehen auf Streichung oder Neufassung von Teilen der §§ 17 und 18. Es handelt sich um die Anträge unter den Ziffern 7 bis 14 auf Umdruck Nr. 1035. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Diese Anträge sind gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe abgelehnt.
"Ober 5 und 6 hatte ich abstimmen lassen. Zu 6 a liegt der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Hammer und Genossen vor, in Ziffer 6 a § 19 b zu streichen. Dieser Antrag ist begründet und diskutiert. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Streichungsantrag des Abgeordneten Dr. Hammer zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; dieser Streichungsantrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 6 a in dier so geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 19 sind auf Umdruck Nr. 1035 unter den Ziffern 15 und 16 Änderungsanträge der kommunistischen Gruppe gestellt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Zu Ziffer 7 ist ein Streichungsantrag von der I kommunistischen Gruppe gestellt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Der Streichungsantrag ist gegen 'die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Darf ich unterstellen, daß mit dieser Abstimmung die Ziffer 7 genehmigt ist? - Das ist der Fall. Dann hätten wir damit die Ziffern 1 bis 7 erledigt.
Weiter liegen Anträge der Gruppe der KPD auf Umdruck Nr. 1035 Ziffern 18 bis 20 vor. Ich bitte die Zustimmenden um das Handzeichen. - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich rufe die Ziffer 8 auf. Wird zu Ziffer 8 das Wort gewünscht, meine Damen und Herren? - Die Ziffer betrifft § 28. - Offenbar wird idas Wort nicht gewünscht.
({11})
Dazu liegt auf Umdruck Nr. 1035 unter Ziffer 21 ein kommunistischer Änderungsantrag vor.
Sie wünschten zur 'Geschäftsordnung ,das Wort, Herr Abgeordneter Mende. Darf ich Ihnen das erst geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß wir die heutige und morgige Tagesordnung nicht abwickeln können, wenn wir uns nicht allesamt in der Redezeit einer gewissen Selbstbeschränkung in der zweiten Lesung unterwerfen.
({0})
Da die Geschäftsordnung keine Redezeitbegrenzung für die zweite Lesung kennt, schlage ich Ihnen vor, daß vom Haus für Änderungsanträge eine Begründungszeit von höchstens 5 Minuten und für die Aussprache zu dem jeweiligen Punkt eine Redezeit
von ebenfalls höchstens 5 Minuten für den einzelnen Redner festgesetzt werden. Nur auf diesem Wege wird es möglich sein, die vielen anderen anstehenden Sozialgesetzentwürfe zu verabschieden, damit sie nicht infolge der Diskontinuität der Parlamentsperioden morgen abend unter den Tisch fallen und erst viele Monate später wieder in disem Hause. erscheinen können.
Ich bitte Sie, diesem Geschäftsordnungsantrag aus den dargelegten Gründen Ihre Zustimmung zu geben.
({1})
Nach § 39 der Geschäftsordnung ist es keineswegs ausgeschlossen, auch für die zweite Beratung eine Redezeitbegrenzung vorzunehmen. Der Bundestag hat das bisher bis auf einen Ausnahmefall nicht getan. Der gestellte Geschäftsordnungsantrag ist zulässig.
({0})
- Herr Abgeordneter Renner wünscht zur Geschäftsordnung das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die Wahl ist sogar diese Ihre eigene Vorlage zu miserabel. Damit können Sie draußen keinen Eindruck schinden. Das sei Ihnen mal vorweg gesagt.
Aber nun zu Herrn Mende.
({0})
- Ja, wir wollen fertig werden, ganz recht. Aber ich bitte Sie, gerade Sie speziell, zu beachten, daß eine Stellungnahme zu diesem Gesetz unid zu dem Ausschußbericht in einer anderen Form, als wir das getan haben, für uns gar nicht möglich war. Der endgültige Ausschußbericht ist uns vor 20 Stunden vorgelegt worden. Genau vor 20 Stunden! Also wie soll man es anders machen, wenn man zu dem Komplex Änderungsanträge stellen will?
({1})
- Im Ausschuß mitarbeiten? Da haben Sie uns ja hinauseskamotiert nach dem Diebstahl unseres 15. Mandats. Sie sollten sich klügere Zwischenrufe angewöhnen! Sie haben uns ja die praktische Mitarbeit im Ausschuß dadurch unmöglich gemacht, daß Sie uns das 15. Mandat gestohlen haben.
({2})
- Ich kann Ihr Bedürfnis, daß über diese Geschichte nicht gesprochen wird, nur zu gut verstehen. Sie müssen sich ja des Inhalts dieses Ausschußberichtes schämen. Deshalb ist es gut zu begreifen, daß Sie nicht daran interessiert sind, daß hier eine offene Aussprache durchgeführt wird und Änderungsanträge gestellt werden.
({3})
- Schön, Herr Mende, 5 Minuten, nicht wahr! Aber es ist doch eigenartig, daß ausgerechnet Sie sich berufen fühlen, der Reaktion das Wort zu reden. Das wollte ich an Ihre spezielle Adresse nur gesagt haben.
Ich bitte also, den Antrag abzulehnen. Es gibt, abgesehen von einer einzigen Ausnahme, die Sie in der letzten Woche gemacht haben, um die Debatte in der zweiten Beratung des Haushalts ab({4})
zuwürgen, keinen Vorgang, der als Parallele hierzu herangezogen werden könnte.
({5})
- Aber machen wir doch Nachtschicht! Wir haben gestern gesagt, daß der Bundestag nicht in die Ferien gehen sollte. Machen wir doch Nachtschicht! Wir brauchen uns ja nachts nicht zu benehmen wie Sie damals in der denkwürdigen Nacht vom 4. zum 5. Dezember 1952.
({6})
Herr Abgeordneter Renner, das hat mit der Geschäftsordnung nichts mehr zu tun.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Geschäftsordnungsantrag des Herrn Abgeordneten Mende gehört, die Begründung der Änderungsanträge auf eine Redezeit von 5 Minuten zu beschränken und die Stellungnahme zu Anträgen in der zweiten Beratung ebenfalls auf 5 Minuten zu begrenzen. Ich frage, wer für diese Begrenzung der Redezeit für dieses Gesetz ist. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die Begrenzung ist so beschlossen.
Zu Ziffer 8 liegen keine Änderungsanträge vor, Wortmeldungen auch nicht.
({0})
- Tatsächlich! Umdruck Nr. 1035 Ziffer 21, Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe. Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beantragen, daß § 28 des Bundesversorgungsgesetzes in Abänderung des Ausschußberichts folgende Fassung erhält:
Witwer, Witwen und Waisen sowie rentenberechtigte Verwandte der aufsteigenden Linie ({0}) erhalten ambulante, ärztliche und zahnärztliche Behandlung, Arznei- und Verbandmittel sowie die zur Sicherung des Heilerfolges notwendigen kleineren Heilmittel im Rahmen der Bestimmungen in § 10 Abs. 5 des Gesetzes. Dies gilt auch für Personen, die die unentgeltliche Wartung und Pflege von Pflegezulageempfängern nicht nur vorübergehend übernommen haben. An Stelle der ärztlichen Behandlung, Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln können Kur und Verpflegung in einer Heilanstalt ({1}) gewährt werden. Die Heilbehandlung wird so lange fortgesetzt, als sie eine Besserung des Gesundheitszustands erwarten läßt oder Heilmaßnahmen zur Behebung einer Verschlimmerung oder zur Behebung von körperlicher Schädigung erforderlich sind.
Ich darf auch zu diesem Antrag sagen, daß er eine logische Konsequenz aus dem grundsätzlichen Antrag, den wir zur Frage der Heilbehandlung für die Kriegsbeschädigten gestellt haben, ist: Ich darf abschließend sagen, daß dieser unser Antrag identisch ist mit der Forderung, die im Programm des VdK enthalten ist, das Ihnen vor einigen Wochen zugestellt worden ist.
Keine Wortmeldungen dazu? - Ich schließe die Besprechung zu Ziffer 8.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem eben
begründeten Änderungsantrag zu § 28 zuzustimmen
wünschen, eine Hand zu erheben. - Dieser Antrag
ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 8 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -- Das ist die Mehrheit; angenommen.
Dann liegen Anträge zu einer Ziffer 8 a vor, einmal der Antrag der Fraktion ,der SPD, Umdruck 1034, dem § 31 Abs. 1 die in dem Umdruck ersichtliche Fassung zu geben, und der Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst; Dr. Horlacher und Genossen, der sich ebenfalls auf den § 31 Abs. 1 bezieht.
Zunächst Herr Abgeordneter Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube sicher, daß das Haus in der letzten Woche so übermüdet ist, daß es schon von sich aus Selbstzucht üben wird, um die Redezeit nicht so lange zu strapazieren. Aber ich habe mich eines peinlichen Gefühls nicht erwehren können, Herr Kollege Dr. Mende, obwohl ich weiß, daß Sie keine böse Absicht dabei haben, daß man diese Redezeitbeschränkung gerade bei der Behandlung von Kriegsopferfragen vornimmt.
({0})
- Es war nur eine Feststellung. Ich will Ihnen keine böse Absicht unterstellen.
({1})
Als ich am 19. Oktober 1950 dem Hohen Hause einen Bericht über die Arbeit des Kriegsopferausschusses zum Entwurf eines Bundesversorgungsgesetzes erstatten konnte, habe ich als Meinung des Ausschusses vortragen können, daß wir viele peinlich zu tragende Reste übrig behalten haben. Ich habe Ihnen weiter als Meinung des Ausschusses berichtet, daß in künftigen Novellen so manches nachgeholt werden kann, was zur Zeit zurückgestellt werden mußte. Mein sehr geschätzter Herr Kollege Lücke hat damals als Sprecher der Regierungsparteien festgestellt:
Das Gesetz stellt vielmehr trotz seines hohen Aufwandes von über 2,3 Milliarden DM jährlich nur einen bescheidenen Beitrag des Volkes zur Wiedergutmachung der den Opfern zweier Kriege durch eine verantwortungslose Politik der Vergangenheit zugefügten Schäden dar.
Das Bescheidenste an diesem Gesetz aber war die Festlegung der Höhe der Grundrente. Darüber sind nun nahezu 'drei Jahre verflossen. In diesen drei Jahren hat uns nun alle die Sonne der sozialen Marktwirtschaft beschienen, und als Tatbestand können wir verbuchen, daß ihre sengenden Strahlen die bescheidene Grundrente noch bescheidener gemacht haben. Wenn Sie sich die Drucksache Nr. 4296 zur Hand nehmen, finden Sie dort als Antwort der Regierung auf einen Erhöhungsvorschlag des Bundesrates für den außergewöhnlichen Kleider- und Wäscheverschleiß, daß eine Erhöhung dieser Pauschsätze nicht gerechtfertigt sei, weil sich die Preise für Textilerzeugnisse seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht erhöht hätten, sondern zurückgegangen seien.
({2})
({3})
- Nicht bestritten! - Den Rentnern nützt es z. B. gar nichts, wenn die Preise für Nylonstrümpfe fallen, und es nützt ihnen auch nichts, wenn Porzellan, Möbel und andere Gegenstände des gehobenen Bedarfs im Preise sinken. Wenn die Grundnahrungsmittel wie Brot, Suppenwürfel, Kaffeeersatz, Fleisch, Fisch, Quark, Gemüse und Kartoffeln im Preise steigen, dann trifft das den Rentner doppelt.
Im Spannungsfeld dieser Entwicklung kam es zu einer Situation des sozialen Unbefriedigtseins in den Kreisen der Kriegsopfer. Die wachsende Unruhe in diesen Kreisen führte am 7. Oktober 1952 zu einer Aussprache zwischen den Verbänden der Kriegsopfer, dem Herrn Arbeitsminister und dem Herrn Bundesfinanzminister. Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat damals der Meinung Ausdruck gegeben, eine Steigerung der Lebenshaltungskosten sei nicht in dem Maße vorhanden, daß daraus die absolute Notwendigkeit einer Rentenerhöhung hergeleitet werden könne. Die Bereitstellung weiterer Mittel sei leider nicht möglich. Es bleibe zu überlegen, wieweit durch eine Strukturänderung innerhalb des Bundesversorgungsgesetzes geholfen werden könne.
Das bedeutet einen Lastenausgleich in der Kriegsopferversorgung unter den Kriegsopfern selbst. Die Vertreter der Kriegsopferverbände haben diese Sitzung mit einem Gefühl der Empörung verlassen, was unsere Kollegen von der CDU/CSU Fraktion dann veranlaßt hat, einen Tag später eine Große Anfrage an die Bundesregierung zu richten. Darin heißt es:
Seit dem Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes im Oktober 1950 ist der Lebenshaltungsindex von 149 auf 168 gestiegen. Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Renten der Kriegsopferversorgung und der Sozialversicherung, die den derzeitigen Verhältnissen nicht entsprechen, den veränderten Lebenshaltungskosten anzupassen?
Nun, die Antwort der Regierung war schon einen Tag vorher erfolgt, nämlich nichts!
Auf .den sozialdemokratischen Antrag vom 22. Oktober 1952 wurde eine zweite Novelle zum Bundesversorgungsgesetz vorgelegt und am 5. Mai 1953 dem Kriegsopferausschuß überwiesen. Sie beschränkt sich in ihrer Bescheidenheit auf die Verteilung der Ersparnisse, die im Kriegsopferhaushalt bisher gemacht worden sind und noch weiter gemacht werden. Diese Novelle übergeht die Grundrente durch vornehmes Schweigen. Die Außerachtlassung der Erhöhung der Grundrente unterminiert jedoch die Rechtsfundamente des Bundesversorgungsgesetzes und vermehrt das peinliche Gefühl in Kriegsopferkreisen, daß wir uns auf der Ebene des Gnadentalers bewegen.
({4})
Was stellt sich die Bundesregierung unter Grundrente vor? In ihrer Begründung zum Bundesversorgungsgesetz sagt sie:
Jedoch haben Beschädigte, deren Erwerbsfähigkeit um 25 bis 30 v. H. oder mehr gemindert ist, Mehraufwendungen oder Ausgaben, die ein gesunder Mensch nicht hat, oder Ausfälle von wirtschaftlichen Vorteilen aus einer Betätigung außerhalb des Berufs, die einen gewissen Ausgleich erfordern.
Aber, meine Damen und Herren, dahinter steckt
ja noch weit mehr! Dahinter steckt eine geminderte
Lebensfreude, da ist in vielen Fällen eine kürzere Lebenserwartung, da ist so vieles, was einem nun das Leben vorenthält. Da müssen schon Ausgleiche, wenigstens ein unabdingbarer Rechtsanspruch bestehen bleiben. Herr Kollege Arndgen wird naturgemäß nachher wieder aufkreuzen
({5})
und die Frage nach der Deckung stellen. - Ich weiß, Herr Arndgen, Sie sind der Deckungsrufer in diesem Hause. Der Herr Finanzminister wird ebenfalls an das Rednerpult treten und erneut die Geister der drohenden Inflation beschwören, wenn diese echten Mehraufwendungen im Kriegsopferhaushalt erfolgen. Der Herr Finanzminister hat meinen bescheidenen Rat zum Milliarden-Aufwand des Verteidigungsbeitrags nicht benötigt. Er wird mich auch bei diesem bescheidenen Millionen-Aufwand nicht strapazieren wollen. Wenn jener Milliarden-Aufwand keine Inflation und keine Steuererhöhung produziert, dann wollen wir uns doch abgewöhnen, diese Gespenster ausgerechnet nur immer bei Mehraufwendungen für Versorgungs- und Sozialleistungen spuken zu lassen.
({6})
Und dann, Herr Finanzminister, wenn Sie bei den Abstimmungen zur Bundesfinanzverwaltung nicht immer durch die falsche Tür gingen und nicht die falsche Stimmkarte abgäben, könnten wir ohne Strangulierung die Milliarde einsparen, die uns zur sozialen Befriedung in der Kriegsopferversorgung fehlt.
({7})
Meine Damen und Herren, ich befinde mich in noch besserer Gesellschaft. Als es in diesem Hause um die Erhöhung des Grenzschutzes ging und bescheiden gefragt wurde, woher die 145 Millionen DM Deckung kämen, erhob sich in der Sitzung vom 19. Juni 1953 Herr Innenminister Lehr und sprach die Worte:
Dann die Frage der Kosten. Meine Damen und Herren, zerbrechen Sie sich doch nicht den Kopf des Herrn Finanzministers und meinen eigenen.
Dann noch weiter, als es um den Grenzschutz ging: „So gefährlich, wie Sie meinen, ist er in bezug auf den Bundesgrenzschutz nun doch nicht."
Ich komme zum Schluß.
({8})
- Ich habe den Herrn Präsidenten gebeten, das von der allgemeinen Redezeit abzusetzen. Ich strapaziere das Haus nicht unnötig, da ich mich auf eine kurze Erklärung beschränken will. Ich glaube, Herr Kollege Kunze, daß ich noch nie ein Langredner in diesem Hause war; Sie dürfen also auf Kürze rechnen.
In diesem Hohen Hause hat heute eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung zu fallen. Wir stehen an einem Scheidewege. Der Weg der Bundesregierung ist der Weg eines Fürsorgegesetzes für verarmte Kriegsbeschädigte.
({9})
Der Weg, den wir vorschlagen, ist die Fortentwicklung des Bundesversorgungsgesetzes zu einem echten Versorgungsgesetz. Bei dieser Entscheidung wollen wir uns nicht in die Anonymität flüchten. Wir wollen uns namentlich zu unseren Kriegsopfern und ihrem Rechtsanspruch bekennen. Des({10})
halb beantrage ich zu dem Grundrentenerhöhungsantrag der SPD namentliche Abstimmung. Ich hoffe, daß es in diesem Hause noch die Möglichkeit eines gemeinsamen Bekenntnisses und eines gemeinsamen Helfenwollens für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene gibt.
({11})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stehe jetzt vor Ihnen in meiner Eigenschaft als Bundesminister der Finanzen, der 'die Verantwortung dafür zu tragen hat, daß die finanzielle Ordnung des Staates aufrechterhalten wird.
({0})
Ich stehe gleichzeitig vor Ihnen als ein Mann aus dem politischen Leben, der genau so wie Sie in wenigen Tagen und Wochen sich mit dem Volk auseinanderzusetzen hat und auseinandersetzen wird und 'der das vertreten wird, was er hier sagt.
({1})
Ich habe mich mit dem Volk bereits über das, was wir jetzt zu bereden haben, unterhalten. Ich habe schon in vielen öffentlichen Versammlungen darauf hingewiesen, wie leicht es ist, Anträge und Forderungen zu stellen.
({2})
Ich habe darauf hingewiesen, wie schwer es war, bisher die finanzielle Ordnung aufrechtzuerhalten, und daß sich, wenn ich die Anträge der letzten Tage zusammenzähle, Milliardensummen ergeben,
({3})
die noch von keiner Seite gedeckt sind, für die die Antragsteller keinerlei Deckung vorgeschlagen haben und für die sie nicht bereit sind, irgendeine Verantwortung zu Übernehmen. Ich bräuchte nur die Summen des heutigen Tages zusammenzustellen. Ich habe mich aber hier zunächst mit dem vorliegenden Antrag zu beschäftigen.
Wir haben uns seinerzeit, als wir uns mit dem Kriegsopfergesetz und seiner Verbesserung beschäftigten, darauf geeinigt, daß das nur im Rahmen der vorhandenen Mittel geschehen könne. Ich darf daran erinnern, daß dasselbe Haus doch gestern erst den Haushalt des Jahres 1953/54 beschlossen hat. Ich darf daran erinnern, daß doch gerade von der Opposition der Vorwurf gemacht worden ist, die Abgleichung dieses Haushalts sei schon so schwer, daß man sie als unecht empfinde. Ich könnte doch erwarten, daß dieselben Kreise, die diesen Vorwurf machten, sich am nächsten Tage noch daran erinnern und nicht neue Forderungen erheben, die nicht nur den Haushaltsausgleich gefährden, sondern ihn nach meiner Überzeugung aussichtslos zerstören.
Gestern ist von meiner Erfindungsgabe gesprochen worden. Ganz gewiß, ich habe diese Erfindungsgabe in den letzten Jahren reichlich gebraucht. Aber ich bitte, mir auch zuzugestehen, daß es einmal eine Grenze für jede Erfindungsgabe gibt und diese Grenze längst erreicht ist.
Zu diesem Gesetz allein - wir können uns beim nächsten Punkt der Tagesordnung, Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener, über dasselbe Thema noch einmal unterhalten - stelle ich folgendes fest. Die Bundesregierung war bereit, im Rahmen des Möglichen eine Verbesserung in der Kriegsopferentschädigung durchzuführen. Wir haben im Jahre 1952 hierfür eine Ausgabe von 3200 Millionen DM gehabt. Ich darf daran erinnern, daß wir im Jahre 1949/50 nur 1800 Millionen DM ausgegeben und inzwischen diese Ausgaben für die Kriegsopfer durch das Bundesversorgungsgesetz und sonstige Gesetze um mehr als das Doppelte gesteigert haben. Ich darf daran erinnern und halte das aufrecht, daß wir seit Jahresfrist keine Teuerung, keine Steigerung der Lebenshaltung, die aus sich heraus allein eine Aufbesserung von Renten erfordern würde, in Deutschland gehabt haben. Wenn wir trotzdem bereit waren, einer Verbesserung der Kriegsopferversorgung zuzustimmen, so haben wir das unter der Begründung getan, daß wir bereit sind, alles Mögliche für die Verbesserung der Lebenshaltung der Kriegsopfer überhaupt zu tun, ohne ängstlich Lebenshaltungsindex und Lebenshaltungsindex gegeneinander abzuwägen, aber im Rahmen dessen, was möglich ist.
Wenn ich die Reden höre: „Jetzt wird der Herr Finanzminister kommen und wird die inflationäre Gefahr an die Wand malen!" und wenn ich daran sehe, wie das, was das Rückgrat jedes Staates ist, die Ordnung im Haushalt, mit solchen Redewendungen beiseitegeschoben wird, dann denke ich mit Schaudern daran, daß wir eine Demokratie, und zwar eine parlamentarische Demokratie zu verteidigen haben
({4})
und daß wir diese parlamentarische Demokratie nur dann verteidigen können, wenn wir an sie glauben.
({5})
Wer soll an die parlamentarische Demokratie glauben,
({6})
wenn nicht alles Tun und Handeln eines Parlaments von einer Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit getragen wird?
({7})
Wir waren bereit, im Rahmen dessen, was überhaupt möglich ist, im Rahmen dessen, was die Volkswirtschaft leisten kann, eine Verbesserung der Versorgung für die Kriegsopfer durchzuführen. Wir, der Herr Arbeitsminister und ich, haben uns schweren Herzens entschlossen', sogar über die Summe, die die Regierungsvorlage zunächst in Aussicht genommen hatte, noch hinauszugehen. Ich habe damals dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen erklärt, das äußerste, was ich haushaltsmäßig für möglich hielte, sei ein Aufwand von ungefähr 380 Millionen DM. Die Beschlüsse, die der Ausschuß vorgelegt hat, würden, wenn der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP auf Umdruck Nr. 1033, der gewisse Dinge rektifiziert, zur Annahme gelangte, die finanziellen Auswirkungen ungefähr in diesem Rahmen halten; sie würden ihn mit etwa 20 oder 25 Millionen DM übersteigen. Der Finanzminister hat Sorgen, aber die Sorge um diese 20 oder 25 Millionen DM würde er wohl noch zu übernehmen wagen. Ich darf jedoch daran erinnern, daß der Ausschuß
({8})
schon über die Grenze von 380 Millionen DM mit 100 Millionen DM, also auf insgesamt 480 Millionen DM, hinausgegangen ist.
Jetzt darf ich auf die neuen Anträge zu sprechen kommen. Der Antrag Umdruck Nr. 1041 wird nach der überschlägigen Berechnung, die ich hier vor mir liegen habe, zu den genannten 480 Millionen DM einen Mehrbedarf von insgesamt wenigstens 900 Millionen DM verursachen.
({9})
Meine Damen und Herren, ich wage es, in den nächsten Wochen vor den deutschen Wähler hinzutreten, ich wage es, dem deutschen Wähler zu sagen, daß ich mich weigere, in der letzten Stunde dieses Bundestages überstürzte und unüberlegte Anträge mit einer Mehrbelastung von einer Milliarde in fünf Minuten und bei beschränkter Redezeit hinzunehmen.
({10})
Ich sage nicht, daß ich die beschränkte Redezeit wollte. Ich sage nur, in welchem Zeitdruck dieses Haus Gesetze und Anträge von dieser Bedeutung übernehmen und verantworten will.
({11})
Was muten Sie der Bundesregierung zu? Die Bundesregierung hat nach Art. 113 des Grundgesetzes die Verantwortung für diese Ausgabengesetze zu übernehmen. Sie beschließen in kurzer Zeit, in fünf Minuten, und Sie überlassen es dem Finanzminister - von dem Sie genau wissen, daß er die innere Verpflichtung hat, für alle Ausgaben eine Deckung zu beschaffen -, für einen Mehrbedarf von 900 Millionen DM über den Ausgabenbeschluß von 480 Millionen DM, über die Grenze von 380 Millionen DM, die Ihnen der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung als den Rahmen des Möglichen bezeichnet haben, eine Deckung zu finden. Sie glauben dann vielleicht, wenn ihm das nicht so rasch gelingt, ihn als einen Feind der Kriegsopfer oder einen Feind der Kriegsgefangenen oder einen Feind der 131er, kurz als einen besonderen Volksfeind hinstellen zu können. Ich bin der Überzeugung, daß, wenn ich wirklich vor dem Volke stehe, das Volk mich verstehen wird und daß es das Wort begreifen wird, das ich einmal gesagt habe: wenn all den Anträgen, die in solchen Stunden geboren werden, nachgegangen würde, dann hätten wir Milliardengeschenke gemacht, aber die Kriegsopfer, die Sozialrentner, die 131er und die ehrlichen Arbeiter mit ihrem Lohn
({12})
könnten die Geldscheine ihres Einkommens als Zimmertapeten verwenden, aber sich keinen Laib Brot mehr davon kaufen. Das ist die letzte Konsequenz,
({13})
und davor haben wir nun einmal Halt zu machen. - Machen Sie nicht diese Zwischenrufe, diese törichten Zwischenrufe mit „EVG-Vertrag"; mir ist das Thema wirklich viel zu ernst.
({14})
Sie wissen, unser Haushalt ist bis heute abgeglichen. Es 'handelt sich darum, daß Sie mit solchen Anträgen den Haushalt und die finanzielle Ordung gefährden; darum geht es. Ich stelle fest: der Antrag Umdruck Nr. 1041 würde zu den Ausschußbeschlüssen hinzu eine Mehrbelastung von 900 Millionen DM bringen. Ich kann es Ihnen vorrechnen. Die Erhöhung der Grundrente um 30 %, die in § 31 genannt worden ist, würde allein 370 Millionen DM jährlich erfordern; die Erhöhung der Ausgleichsrente, die weiter vorgeschlagen ist, würde einen weiteren Betrag von 143 Millionen DM erfordern: die Änderung, des § 34, die Ernährungszulage, würde rund 90 Millionen DM erfordern; der § 35 würde eine kleinere Summe von 5 Millionen DM erfordern, die Änderung des § 41 Abs. 4 weitere 60 Millionen DM, die Änderung des § 47 rund 200 Millionen DM, die Änderung unter Ziffer 9 des Antrags, Witwen- und Waisenbeihilfen, wie es hier genannt .ist, rund 60 Millionen DM, die Erhöhung der Elternrente weitere 30 Millionen DM. Dann kommt noch dieser neue Antrag hinzu, der inzwischen auf Umdruck Nr. 1049 gestellt ist, mit weiteren 50 Millionen DM. Das sind rund 900 Millionen über die Ausgabenbeschlüsse des Ausschusses hinaus! Ich muß Sie warnen, einen Weg zu gehen, der die Bundesregierung und damit die Gesamtheit dieses Hauses vor eine unlösbare Aufgabe stellt.
Ich kann unter diesem Gesichtspunkt auch dem Antrag, der auf Umdruck Nr. 1034 gestellt ist, unmöglich zustimmen. Auch er sieht eine Änderung des Gesetzes vor, auch er wird einen Mehraufwand von etwa 250 Millionen DM erfordern; auch bei ihm liegen die Dinge so, daß für ihn eine neue Dekkung in dem bereits abgeschlossenen Haushalt unmöglich gefunden werden kann.
Meine Damen und Herrn, ich muß bitten, nicht unmögliche Anforderungen an die Bundesregierung zu stellen. Ich muß bitten, wenn Sie schon eine Änderung auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung über die Grenze dessen, was unter Berücksichtigung des Antrags Umdruck Nr. 1033 entsprechend den Ausschußbeschlüssen als möglich erscheint, wünschen, wenn Sie über diese 380 Millionen DM, von denen man doch als Verbesserung ausgehen sollte und die man nicht so einfach als Leichtigkeit mit Stillschweigen übergehen darf, weil sie nun einmal bereits in Aussicht genommen sind - diese 380 Millionen DM sind eine weitere neue Leistung, die wir für die Kriegsopfer auf uns genommen haben -, wenn Sie über diesen Betrag hinausgehen wollen und Verbesserungen wünschen, geben Sie mir doch zu: wenn keine Wahlen wären, dann würde man sich damit begnügen, daß man das für das nächste Haushaltsjahr in Aussicht nimmt; denn so dringend, daß es heute geschehen müßte, ist es nicht. Und, meine Damen und Herren: wenn die Demokratie leben soll und leben bleiben soll, dann kann sie das nur, wenn jeder Abgeordnete die Verpflichtung als Mandatar des Volkes fühlt, gleichgültig, ob er kurz vor oder kurz nach den Wahlen in diesem Hause steht.
({15})
Frau Dr. Probst ({16})': Meine sehr geehrten Herren und Damen!
Frau Abgeordnete Probst, ich hatte Ihnen bisher noch nicht das Wort gegeben. Ich tue es aber jetzt.
Ich hatte als Antragstellerin ums Wort gebeten, und ich möchte, gerade weil ich die Einstellung des Herrn Bundesfinanzministers voll und ganz teile und weil ich genau so wie er die Verantwortung fühle, die wir für unser ganzes deutsches Volk haben, sagen, daß ich gerade deshalb diesen Antrag gestellt habe, weil die Entwicklung eines so großen Sozialgesetzes für einen Kreis von 8 Millionen deutscher Menschen von so großer Bedeutung ist, daß sich dieses Gesetz nicht in Richtung auf eine unproduktive Wohlfahrt, Bedürftigkeit und Fürsorge entwickeln darf, und zwar gerade .auch aus finanzpolitischen Gründen, aus Gründen des produktiven Einsatzes der beschränkten deutschen Mittel im Sozialsektor. Gerade deshalb warne ich davor, nur die Ausgleichsrenten weiterzuentwickeln und die Grundrenten auf der Strecke zu lassen.
Die deutschen Kriegsopfer sind Steuerzahler; sie sind dazu keine schlechten Steuerzahler: sie arbeiten und sie stehen sogar vor den Hochöfen; sie arbeiten mit der letzten Kraft, die ihnen verblieben ist. Die Blinden ohne Arme haben uns hier im Bundeshaus besucht. Was haben sie gesagt? „Wir wollen Arbeit: gebt uns Arbeit!"
Die Grundrente hat nichts anderes zum Ziel, als die Voraussetzungen dafür zu schaffen, im Arbeitsprozeß stehen zu können, und zwar trotz der Behinderung der Erwerbsfähigkeit, trotz der mangelnden Körperkräfte.
Aus diesen Gesichtspunkten wage ich es, an meinem Antrage festzuhalten und das Hohe Haus zu bitten - gerade weil ich dem Herrn Bundesfinanzminister zustimme -, meinem Antrage zu entsprechen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es muß eigentümlich berühren, wenn angesichts einer Beschränkung der Redezeit für die Mitglieder dieses Hauses auf fünf Minuten in einer so wichtigen Frage der Herr Bundesfinanzminister in aller Breite grundsätzliche und zum Teil den Rahmen der zur Diskussion stehenden Probleme überschreitende Ausführungen zur Sache macht.
({0})
Diese Ausführungen zwingen uns zur Auseinandersetzung, insbesondere deshalb, weil hier Motive unterstellt worden sind, die unter keinen Umständen unwidersprochen bleiben können. Der Herr Bundesfinanzminister glaubte in seiner allgemeinen Betrachtung darauf hinweisen zu müssen, das Rückgrat unseres Staates sei der Haushalt des Bundes. Ich möchte ihm in aller Bescheidenheit erwidern, daß meiner Überzeugung nach das Fundament unseres Staates die Gerechtigkeit ist.
({1})
Er sprach davon, man sei in der Versorgung der Kriegsopfer mit dieser Vorlage der Regierung bis an die Grenzen des Möglichen gegangen. Ich möchte ihm antworten: Herr Bundesfinanzminister, die Grenzen des Möglichen in der staatsbürgerlichen Hingabe haben die Kriegsopfer erreicht, indem sie
Blut, Leben und Gesundheit für die Gesamtheit des Volkes hingegeben haben!
({2})
Die Grenzen des Möglichen erkämpfen sie jeden Tag, indem sie ungeheure Belastungen im Schicksalskampfe und in der Schicksalsbezwingung auf sich nehmen. Die Masse unseres Volkes kann demgegenüber das Gewicht der Last, das sie kraft ihrer schicksalsmäßigen Verbundenheit mit Deutschland zu tragen hat, beinahe, so möchte ich sagen, auf dem kleinen Finger einer Hand balancieren. Sie ist weit entfernt davon, unter dieser Last derart zu Boden gedrückt zu werden, daß manchmal das Leben aufhört, noch lebenswert zu sein.
Wenn man von einem hohen Maß von Verantwortung spricht, dann muß man das in erster Linie den deutschen Kriegsopfern zubilligen, die mit ihren Forderungen im politischen Raum bis jetzt noch stets eine Bescheidenheit an den Tag gelegt haben, die beweist, daß sie sich ihrer staatsbürgerlichen Pflichten und ihrer Verantwortung um das Wohl und Wehe des Ganzen voll bewußt sind, gerade weil sie die größten Opfer von allen für diesen Staat und für diese Gesamtheit gebracht haben.
({3})
Es ist auch falsch, so zu argumentieren, als seien die Anträge etwa aus der Atmosphäre der letzten Wochen oder der letzten Tage geboren.
({4})
Von den Vorsprachen der deutschen Kriegsopferorganisationen im vergangenen Jahr her ist es Ihnen genau bekannt, daß unsere Anträge auf eine angemessene Beteiligung der deutschen Kriegsopfer an den allgemeinen Fortschritten, die man in Deutschland gemacht hat und die Sie doch so gern für sich in Anspruch nehmen, das mindeste sind, was die deutschen Kriegsopfer beanspruchen können. Die Anträge, die meine Fraktion zur zweiten und dritten Lesung gestellt hat, sind nichts anderes als ein Widerspiegel jener Forderungen der Kriegsopfer, die unter sehr gründlicher und gewissenhafter Abwägung der Leistungsfähigkeit des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit an den Bund gerichtet worden sind. Es gehört schon eine gewisse Phantasie dazu, diese Forderungen nun einfach in die bereitsbegonnenen Auseinandersetzungen der Wahlen hineinzustellen. Ich glaube nicht, daß man dem Anliegen der deutschen Kriegsopfer und der Achtung vor deren Schicksal gerecht wird, wenn man versucht, die Diskussion um das Bundesversorgungsgesetz in dieser Art und Weise abzuwürgen.
Die Forderungen sehen eine Verbesserung der Rentenversorgung vor, die in ihrer Spitze dem Erwerbsunfähigen - also dem Mann, den das Kriegsschicksal daran hindert, sich mit seiner Hände oder seines Geistes Arbeit seinen Lebensunterhalt selbst zu schaffen - monatlich 220 Deutsche Mark zubilligt. Angesichts einer derartigen Selbstbeschränkung im Lebenszuschnitt eines 100 %igen Kriegsopfers kann man wohl nicht davon sprechen, daß diese Forderungen überspitzt seien, die Tendenz zur Inflation brächten und den Staat an den Rand des Ruins führten. Meine politischen Freunde sind auf jeden Fall bereit, dem
({5})
deutschen Volke gegenüber jederzeit zu verantworten und zu vertreten, daß es in seiner Gesamtheit an jener Hypothek beteiligt wird, die auf den Lebensfreuden unseres deutschen Volkes lastet, solange wir noch das Heer der Opfer des Krieges zu versorgen haben.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den eindringlichen und sachkundigen Ausführungen des Herrn Finanzministers ist uns, glaube ich, der Ernst der Situation klargeworden, in der wir uns befinden. Ich möchte daher den Antrag stellen, jetzt die Anträge, die sich mit der Erhöhung der Grundrente beschäftigen, auszuklammern und am Schluß der zweiten Lesung ein Sondergesetz anzunehmen, das sich mit diesen Grundrenten beschäftigt. Ich stelle diesen Antrag, weil uns nach den Ausführungen des Herrn Finanzministers allen klargeworden ist, daß wir diese Novelle zum Kriegsopfergesetz nicht verabschieden können, ohne den Haushaltsausschuß noch mit ihr beschäftigt zu haben.
({0})
Wenn wir anders verführen, würde das bedeuten, daß noch nicht einmal die sonstigen Vergünstigungen wirksam würden, die die Novelle für die Kriegsopfer vorsieht. Das wollen wir verhindern. Es geht mir nicht um Wahlpropaganda.
({1})
Es geht mir darum, daß den Kriegsopfern das, was möglich ist, auch noch am vorletzten Tage unseres Zusammenseins gewährt wird.
Ich stelle daher folgenden Antrag:
Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung
und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes.
Der Bundestag wolle beschließen:
Artikel I
Das Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges vom 20. Dezember 1950 ({2}) wird wie folgt geändert:
1. § 31 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
({3}) Die Grundrente beträgt monatlich bei einer Minderung 'der Erwerbsfähigkeit um 30 vom Hundert 18 Deutsche Mark um 40 vom Hundert 24 Deutsche Mark um 50 vom Hundert 30 Deutsche Mark um 60 vom Hundert 42 Deutsche Mark um 70 vom 'Hundert 54 Deutsche Mark um 80 vom Hundert 66 Deutsche Mark um 90 vom 'Hundert 78 Deutsche Mark bei Erwerbsunfähigkeit
90 Deutsche Mark.
2. In § 40 wird die Zahl „40" durch die Zahl „48" und die Zahl „20" durch die Zahl „24" ersetzt.
3. In § 46 wird die Zahl „10" durch die Zahl „12" und die Zahl „15" durch die Zahl „18" ersetzt.
Artikel II
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 ({4}) auch im Lande Berlin.
Artikel III
Dieses Gesetz tritt am 1. April 1954 in Kraft.
Ich übergebe den Antrag dem Herrn Präsidenten und bitte, die Beratung der zu den Grundbeträgen gestellten Anträge auszuklammern und dieses Gesetz am Schluß der zweiten Lesung anzunehmen.
Wenn wir so verfahren, dann haben wir die Gewähr und die Sicherheit, daß das übrige in der Novelle Vorgesehene von diesem Bundestag bestimmt angenommen werden kann, ohne daß der Haushaltsausschuß in Bewegung gesetzt ,zu werden braucht. Dann sind wir sicher, daß die Kriegsopfer wenigstens in den Genuß 'der Leistungen kommen, die die Novelle vorsieht.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Löfflad.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir waren zwar nicht überrascht über den Antrag Umdruck Nr. 1041. Wir rechneten bestimmt damit, daß er von dieser Seite kömmen würde. Aber nach den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers wissen wir jetzt, daß dieser Antrag über die Beschlüsse 'des Ausschusses hinaus noch weitere 900 Millionen DM erforderlich machen würde. Daraus ist, glaube ich, klar und deutlich ersichtlich, daß der Antrag nur unter dem Druck des kommenden Wahlkampfes gestellt worden ist.
({0})
Weit mehr wunderte uns allerdings der Antrag der Kollegin Frau Dr. Probst , mit der wir uns ja die letzten 14 Tage gerade im Kriegsopferausschuß über den Grundsatz auseinandersetzten, nichts zu beschließen, wofür keine Deckung vorhanden sei. Dabei ging es um die Frage der Entschädigung für die Heimkehrer.
({1})
Wenn man kein Geld 'hat, sollte man deswegen nicht der Koalition - man hat auch von Koalitionstreue gesprochen - in den Rücken fallen.
({2})
Wird der Antrag aufgegriffen, 'dann werden unserer Meinung nach trotz aller Versprechungen angesichts des Wahlkampfes letzten Endes die Kriegsopfer die Blamierten sein, weil eben das Gesetz nicht mehr zum Tragen kommt. Aus diesem Grunde, glaube ich, sollten wir auch nicht idem Antrag des Kollegen Arndgen zustimmen, die Beratungen jetzt auszusetzen.
Die Verantwortungsbewußten dieses Hauses erkennen klar und deutlich die Tragweite dieser Anträge. Wir sollten den Mut aufbringen, das, was nach ausführlichen Beratungen im Ausschuß beschlossen worden ist, jetzt zu verabschieden und nicht den Kriegsopfer- bzw. den Haushaltsausschuß neu einberufen, so daß wir letzten Endes morgen auseinandergehen und bei den Kriegsopfern eine Verbitterung hinterlassen, die wir in keiner Weise verantworten können. Wir wären die letzten, die nicht auch zu Zugeständnissen im Rahmen des Möglichen bereit wären. Operieren wir doch nicht jetzt vor den Wahlen mit solchen Versprechungen, sondern gehen wir daran, Schritt für Schritt - wie es auch der Vorsitzende unseres Ausschusses gefordert hat - das Gesetz zu verbessern! Überlassen
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wir doch auch ,dem neuen Bundestag noch Aufgaben!
Wir lehnen also die Änderungsanträge ab in dem Bewußtsein, damit den Kriegsopfern weit mehr zu nutzen, weil sie dann wenigstens noch in den Genuß der Auswirkungen der Beschlüsse des 26. Ausschusses kommen!
({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte mich an meine Anträge zur Sache und ich halte mich an die beschlossenen fünf Minuten Redezeit.
Entschuldigen Sie, wenn ich etwas zurückgreifen muß. Es ist nämlich übersehen worden, daß vor dem Antrag zu § 31 noch einige andere Änderungsanträge gestellt sind. Damit komme ich zu unserem Antrag zu § 29 - Umdruck Nr. 1035 Ziffer 22 -, der darauf hinausgeht:
({0}) Der Beschädigte hat Anspruch auf eine Grundrente, solange seine Erwerbstätigkeit infolge einer Schädigung um 20 vom Hundert oder mehr gemindert ist.
({1}) Beschädigten mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 50 vom Hundert oder mehr ({2}) wird außerdem eine Schwerbeschädigtenzulage gewährt.
Meine Damen und Herren! Ich sagte eingangs schon, daß unsere Änderungsanträge auf dem Reichsversorgungsgesetz von 1920 beruhen. Was wir mit unserem Antrag wollen, ist das, was alle Kriegsopferverbände und alle Kriegsopfer draußen seit Jahren fordern: die Beseitigung der Spaltung der Renten in Grundrente und Ausgleichsrente.
Dazu ist folgendes zu sagen. Die Grundrenten und die Schwerbeschädigtenzulagen, also die Basis des Versorgungsgesetzes von 1920, sollen unserer Auffassung nach als Rechtsanspruch anerkannt werden. Die Grundrente soll nicht der „Ehrensold" sein, sondern die Grundrente soll die Basis für die wirtschaftliche Existenz, eine echte Unterhaltsrente sein, als Ersatz für die Schäden körperlicher und seelischer Natur auf Grund der Dienstbeschädigung. Darüber hinaus soll der Mehrschaden - die Mehraufwendungen, die dem Schwerbeschädigten entstehen -, genau wie es im Gesetz von 1920 der Fall war, durch die sogenannte Schwerbeschädigtenzulage ausgeglichen werden.
Wir haben außerdem den Antrag gestellt, die Rente wieder zu gewähren für die Beschädigten, deren Erwerbsfähigkeit nur um 20 vom Hundert gemindert ist. Ich darf dazu sagen, daß das heute auch noch in der Unfallversicherung so der Fall ist, und ich darf darauf hinweisen, daß im alten kaiserlichen Deutschland für eine Erwerbsbeschränkung von 10 % bereits eine Rente gegeben worden ist, die für den gemeinen Soldaten damals auf Grund des Mannschaftsversorgungsgesetzes vom Jahre 1905 pro Monat den Betrag von 19,50 Mark ausmachte. Wenn Sie diese 19,50 Mark für 10 % Erwerbsbeschränkung von damals mit den heutigen Sätzen vergleichen und wenn Sie die Entwertung des Geldes und die Verteuerung der Lebenshaltung in Rechnung stellen, dann müssen Sie zugeben, daß der damalige zu 10 % erwerbsbeschränkte gemeine Soldat besser versorgt war als der Schwerbeschädigte mit 50 % von heute.
Wir wollten also mit unserem Antrag die Frage aufreißen: Beseitigung des derzeitigen Zustands der Spaltung der Renten in Grundrente und Ausgleichszulage. Wir wollten die Rente für die Kriegsopfer von dem Geruch einer „Wohltätigkeit", der ihr gegeben worden ist, befreien. Wir wollten den Rechtsanspruch klar herausgestellt wissen und wollten damit wieder zurück zu dem Reichsversorgungsgesetz der Weimarer Republik, das ja auch nach einem verlorenen Krieg geschaffen worden ist.
Ich bitte Sie also, unserem Grundsatz stattzugeben und gemäß den Prinzipien und den Leistungssätzen des Reichsversorgungsgesetzes von 1920 die derzeitige Rentenversorgung aufzubauen.
Darf ich jetzt noch zu § 31 etwas sagen. Meine Damen und Herren, was wir heute erlebt haben - seien wir ehrlich -, war ein beklagenswertes Schauspiel. Seit mehr als sechs Monaten beschäftigt sich dieses Hohe Haus mit der Frage der Erhöhung der Rentenbezüge. Einmal mehr haben wir heute erlebt, daß der Herr Finanzminister sich hinstellt und uns erklärt: Der ganze Bau bricht zusammen, wenn er die Anträge der SPD, die er aus dem Handgelenk heraus mit 900 Millionen DM abschätzt - wie er dazu gekommen ist, ist schleierhaft -, realisieren soll! - Was wir heute erlebt haben, war ein kluges Regiespiel. Erst Ihre Tränen ob der Not der Kriegsopfer und dann die Backpfeife des Herrn Finanzministers an alle „schlechten Demokraten" in diesem Hause und sein Mahnruf: Rettet die Demokratie! Was aber aus den Kriegsopfern draußen wird, danach fragt der Herr Finanzminister nicht, und die Deckungsfrage stellt er bezeichnenderweise nur dann, wenn es darum geht, Anträge auf sozialpolitischem Gebiet abzuwimmeln. Hat er die Deckungsfrage gestellt, als es galt, die heute zugegebenermaßen schon über 9 Milliarden betragenden Kriegsvorbereitungskosten zu decken? Hat er die Deckungsfrage gestellt, als Sie vor einigen wenigen Wochen die über 40 %ige Erhöhung der Ministergehälter beschlossen haben? Hat er da die Deckungsfrage gestellt? Da war Deckung da. Deckung hat der Minister nur dann nicht, wenn es gilt, der Not der Armen gerecht zu werden. E r stellt sich den Kriegsopfern, e r stellt sich den Wählern! Darauf kommt es gar nicht an; e r wird ja wohl gewählt, dank der Kräfte, die über den irdischen Dingen schweben,
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nicht zuletzt dank dem Kriegsschatz, den Herr Pferdmenges bewilligt u n d die Großindustrie. Aber es geht ja nicht darum, Herrn Schäffer wieder in dieses Hohe Haus zurückzuführen; es geht darum, den Kriegsopfern die Renten zu geben, die sie brauchen, um zu leben. Von all dem schönen Geschmuse, das heute wieder einmal gemacht worden ist, werden doch die Töpfe der armen Kriegsbeschädigten nicht voller.
Noch ein letztes Wort. Je mehr die Sache, die Sie zu vertreten haben, faul ist und stinkt, desto tönender, aber auch desto hohler werden die Phrasen, die Sie anwenden, um diese Anträge abzuwimmeln. Wir sind der Meinung, daß das Mindeste, was geschehen muß, wenn man schon nicht zu dem Prinzip übergehen will, das wir vorschlagen, eine Erhöhung der derzeitigen Grundrente um mindestens 30 %, eine Erhöhung der Ausgleichszulage um mindestens 30 %, eine Verdoppelung der derzeitigen Einkommensgrenzen für die Gewährung der Ausgleichszulage ist. Das ist das Mindeste, was geschehen muß; dann werden Sie in etwa dem ge({4})
recht, was Sie, beginnend. mit Oktober vorigen Jahres, immer wieder in tönenden Phrasen den Kriegsopfern versprochen haben: Angleichung der Renten an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten. Mit allen schönen Reden werden Sie diese Verpflichtung vor den Kriegsopfern doch nicht los, und die Dinge heute so hinzustellen,
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als seien die sozialdemokratischen und unsere Änderungsanträge Wahlmache, das ist doch lächerliches Getue. Was der Herr Minister Ihnen erzählt hat, das war Wahlmache. Die Rede sollte Ihnen die Basis dafür geben, die Anträge der Kriegsopfer draußen zurückzuweisen; es war eine Verteidigungsrede für Ihr Nein gegenüber den berechtigten Forderungen der Kriegsopfer.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag auf eine Selbstbeschränkung stellte, habe ich bewußt jene Atmosphäre vermeiden wollen, die leider doch entstanden ist und die auch bei der letzten Rede des Herrn Kollegen Renner unverkennbar war.
({0})
Ich darf kurz erklären: mir kam es darauf an, zu erreichen, daß die übrigen Sozialgesetze, die Novelle zum Gesetz nach Art. 131, das Gesetz zu Punkt 3, das Heimkehrerentschädigungsgesetz unid all die übrigen Punkte heute auch noch verabschiedet werden. Meine Damen und Herren, in fünf Minuten kann man durchaus etwas sagen; und ich spreche hier auch ein hartes Wort aus: den Kriegsopfern kommt es nicht darauf an, die Reden hier zu hören, sondern die Entscheidungen zur Kenntnis zu nehmen,
({1})
und zu Entscheidungen brauchen Sie keine fünfminütigen oder noch längeren Reden.
Wenn ich mir die Änderungsanträge der Kommunisten ansehe, habe ich das Gefühl, daß hier das Bundesversorgungsgesetz in einer Wahlpsychose verabschiedet werden soll. Deswegen mein Antrag.
Wir lehnen daher auch die Änderungsanträge in der überwiegenden Mehrheit unserer Fraktion ab und bleiben auf dem im Kriegsopferausschuß dargelegten Standpunkt.
Wir sind auch nicht in der Lage, Herr Kollege Arndgen, Ihrem Gesetzentwurf, der so überraschend jetzt hier vorgebracht wird, unsere Zustimmung zu geben, solange wir nicht davon überzeugt sind, daß er mehr ist als eine bloße Deklamation.
Wir bitten daher, baldigst zu den Abstimmungen zu schreiten, die jeder von uns auch draußen wird verantworten müssen.
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Meine Damen und Herren, ich kann erst zu den Abstimmungen schreiten, wenn die Debatte beendet ist.
({0})
- Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren! Alle die schönen Klagelieder, die hier über die Tatsache angestimmt werden, daß wir jetzt in letzter Minute im Bundestag noch eine Reihe von Gesetzen verabschieden müssen, sind sicher berechtigt. Aber ich glaube, diejenigen, die sie anstimmen, sollten sich einmal überlegen, wer denn die Schuld daran trägt,
({0})
und ich glaube, Herr Finanzminister, auch Sie hätten vor Ihrer donnernden Philippika, die Sie dem Hause hielten, einige Ursache gehabt, sich einmal zu überlegen, warum diese Gesetze jetzt noch alle kommen. Ist es denn nicht Schuld Ihres Ministeriums, ist es nicht Schuld der Bundesregierung, daß das Wiedergutmachungsgesetz bis zum gegenwärtigen Augenblick nicht verabschiedet werden konnte?
({1})
Warum haben Sie die Vorlage nicht eher im Hause eingebracht, und warum haben die Vertreter der Regierungsparteien die Beratung des Antrages der sozialdemokratischen Fraktion im Rechtsausschuß so lange verschleppt, daß dieser Punkt jetzt in letzter Minute in unzulänglicher Form auf der Tagesordnung stehen muß? Ich glaube auch, Herr Finanzminister, daß es nicht sehr gut ist, wenn man erst von den Koalitionsparteien 5 Minuten Redezeit beschließen läßt und sich dann darüber mokiert, daß hier in 5 Minuten Redezeit so weitgehende Anträge behandelt werden.
({2})
Im übrigen dürfen Sie überzeugt sein, daß wir uns draußen schon mit Ihnen auseinandersetzen werden.
({3})
Wenn Sie die Kürze der für die Beratung dieses Gesetzes zur Verfügung stehenden Zeit beklagt haben, dann sollten Sie daran denken, daß die entscheidende Unterredung der Kriegsopfer mit Ihnen im Oktober vorigen Jahres stattgefunden hat.
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Diese Vorlage der Bundesregierung aber datiert vom 25. April dieses Jahres. Sie haben also erheblich lange Zeit gehabt, und trotzdem regen Sie sich heute darüber auf, daß so kurz vor Schluß der Beratungen noch solche Vorlagen verabschiedet werden müssen. Und wenn Sie, Herr Finanzminister, über die Gelddinge reden, so wissen die Kriegsopfer doch, daß Sie einer der ersten waren, die die rote Nein-Karte in die Urne steckten, als es um die Bundesfinanzverwaltung ging, die Ihnen praktisch eine Milliarde mehr gebracht hätte.
({5})
Wenn Sie nach der Richtung hin einmal eine Überprüfung eintreten lassen, werden Sie vielleicht auch zu der Feststellung kommen, daß Sie bei den 600 Millionen für die Exportförderung einige Einsparungen vornehmen können, die dann auch. für diesen 'Zweck zur Verfügung ständen.
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Es ist nicht möglich, diese Dinge in fünf Minuten im einzelnen aufzuzählen. Aber wenn darüber geredet wird, dann soll auch mit allem Ernst darüber geredet werden.. Dann veranlassen Sie bitte erst einmal Ihre Koalition, daß der Beschluß, die Redezeit auf 5 Minuten zu beschränken, wieder aufgehoben wird. Dann werden wir Ihnen in aller Eindeutigkeit über diese ganzen Fragen Rede und Antwort stehen. Und wenn Sie sich hier sozusagen zum Hüter der Demokratie aufwerfen, Herr Finanzminister, ({7})
das gesamte deutsche Volk wäre glücklich, wenn sich die Bundesregierung in den letzten Jahren immer so vor Augen geführt hätte, daß hier für die Demokratie etwas getan werden muß.
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Seien Sie sich darüber klar, die Kriegsopfer sind doch schließlich nicht dafür verantwortlich, daß die Preissteigerungen eingetreten sind.
({9})
Wenn man dieser Entwicklung nicht Rechnung trägt, dann führt das zu sozialen Spannungen, die doch letzten Endes bedeuten., daß das ganze soziale Gefüge zerbricht, und dann nützt alles schöne Gerede über die Demokratie nichts mehr.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Maerkl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Appell an die parlamentarische Demokratie erscheint uns im Zusammenhang mit der Verbesserung der Kriegsopferversorgung heute fehl am Platze, weil dieser Appell nicht dieses Hohe Haus treffen kann, sondern höchstens 8 Millionen Kriegsopfer, die ein schwergeprüfter, aber nicht wegzudenkender, hervorragender Bestandteil der Demokratie sind. Die Angleichung der Grundrenten an die Versorgung bei Erwerbsunfähigkeit erscheint uns ebenso dringlich wie notwendig. Sie, meine Damen und Herren, können doch die Folgen der Brutalität und Totalität des Krieges in diesem Ausmaß nicht die Kriegsopfer tragen lassen. Es ist unseres Erachtens nur ein Bruchteil von sozialer Haltung und sozialer Opferbereitschaft notwendig, um der Rentenverbesserung, wie sie im Umdruck Nr. 1041 vorgeschlagen ist, zuzustimmen.
Ich darf erklären, die Föderalistische Union - Bayernpartei/Zentrum - stimmt dieser Vorlage zu.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich darf .die Abstimmung über die beiden von Herrn Abgeordneten Renner gestellten Anträge zu § 29 und § 30 Abs. 2 nachholen. Er hat sie begründet. Ich bitte die Damen und Herren, die den Anträgen der kommunistischen Gruppe zu § 29 und § 30 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Diese Anträge sind gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Der Herr Abgeordnete Arndgen hat beantragt, diesen Punkt auszuklammern. Eine geschäftsordnungsmäßige Möglichkeit dazu scheint mir
nicht vorhanden zu sein. Er hat einen Gesetzentwurf eingereicht, von dem ich ohne weiteres unterstellen darf, daß er, da er nicht rechtzeitig verteilt 'worden ist, heute nicht mehr behandelt werden kann. Er steht auch nicht auf der Tagesordnung. Er ist nicht in der Form eines Änderungsantrages gestellt. Ich muß also diesen Gesetzentwurf den üblichen geschäftsordnungsmäßigen Weg gehen lassen.
Der weitestgehende vorliegende ,Antrag ist der Antrag der kommunistischen 'Gruppe auf Umdruck Nr. 1035, Ziffer 24, die Grundrente von 50 bis 250 DM usw. festzusetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem kommunistischen Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Der nächste Antrag, über den abzustimmen ist, ist der Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 1041, Ziffer 1, zu § 31 Abs. 1. Dazu ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
({0})
Meine Damen und Herren, ich frage: sind noch Abgeordnete vorhanden, die zur namentlichen Abstimmung ihre Stimme abzugeben wünschen?
- Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.
({1})
Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der Abstimmung bekannt. Es haben sich 341 stimmberechtigte Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 160, mit Nein 180 bei einer Enthaltung.
({2})
Der Antrag ist abgelehnt. Von den Berliner Abgeordneten haben. 6 mit Ja und 9 mit Nein gestimmt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Dr. Horlacher, Dr. Bartram ({3}) und Genossen.
- Herr Abgeordneter Bazille.
Ich beantrage namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren! Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmkarten zur Abstimmung über den Umdruck Nr. 1034 Ziffer 1 einzusammeln.
'({0})
Meine Damen und Herren', ich frage: sind noch Abgeordnete vorhanden, die ihre Stimme zur namentlichen Abstimmung abzugeben wünschen?
- Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.
({1})
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung bekannt. Es sind von stimmberechtigten Abgeordneten 337 Stimmen abgegeben worden; davon haben mit Ja gestimmt 160, mit Nein 171 bei 6 Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten haben 6 mit Ja, 9 mit Nein gestimmt. Der Antrag ist abgelehnt.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 14055
({2})
Zu Ziffer 9 - § 32 - liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 1041 Ziffer 2 vor. - Herr Abgeordneter Bazille!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Änderungsantrag unter Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 1041 bezweckt meine Fraktion eine Angleichung der Ausgleichsrente an die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Wenn schon die Mehrheit des Hauses einer Erhöhung der Grundrenten glaubte nicht zustimmen zu können, so möchte ich Sie doch darum bitten, daran zu denken, daß die Ausgleichsrente jenen Opfern des Krieges zugute kommt, die ihren Lebensunterhalt ganz oder überwiegend aus ihrer Versorgungsrente zu bestreiten gezwungen sind. Es handelt sich hier also um Kriegsopfer, die wegen ihrer Beschädigung nicht mehr in der Lage sind, einem Erwerb nachzugehen, die also bis an ihr Lebensende gezwungen sind, den Lebensunterhalt aus ihrem Renteneinkommen zu bestreiten. Angesichts dieser Tatsache stellt eine 30%ige Erhöhung der Ausgleichsrente, wie sie der Antrag meiner Fraktion bezweckt, die unterste Grenze dessen dar, was nach Meinung meiner politischen Freunde gegenüber diesen Bürgern unseres Staates verantwortet werden kann. Denn hier sind Menschen, die einen Anspruch darauf haben, ihr Leben noch so weiterzuleben, daß es einen Inhalt hat. Ich möchte Sie in Berücksichtigung der schweren Schicksale, die hinter den nackten Ziffern des Antrags stehen, darum bitten, wenigstens diesem Antrag auf eine 30%ige Erhöhung der Ausgleichsrenten zuzustimmen.
Zur Begründung des Antrages Umdruck Nr. 1034 Ziffer 2 Frau Abgeordnete Dr. Probst.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich muß nun schon vorschlagen, daß wir die Änderungsanträge zusammen begründen. Sonst gibt es ein völlig unübersichtliches Bild. Bitte!
Mein Antrag läuft darauf hinaus, die Regierungsvorlage in § 32 Abs. 2 wiederherzustellen, und zwar bei der Stelle „um 60 vom Hundert - 50 Deutsche Mark" statt 48 Deutsche Mark.
Herr Abgeordneter Renner hatte auch einen Änderungsantrag zu § 32 gestellt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser grundsätzlicher Antrag lief darauf hinaus, die Ausgleichsrente überhaupt zu streichen und ganz aus dem Gesetz zu beseitigen. Das hätte natürlich nur dann Sinn gehabt, wenn Sie beschlossen hätten, die Rentenversorgung an und für sich auf dem Prinzip des alten Reichsversorgungsgesetzes aufzubauen. Da Sie das abgelehnt haben, ist unser Antrag auf Streichung der Ausgleichsrente inhaltlich natürlich illusorisch. Wir haben den Eventualantrag gestellt, die derzeitige Ausgleichsrente um 300/o zu erhöhen. Das ist also ein Antrag, der sich inhaltlich mit dem Antrag
deckt, den die SPD soeben gestellt hat. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß der Ausschuß gegenüber dem Regierungsentwurf, der eine Erhöhung der Ausgleichsrente um 30% vorgeschlagen hat, noch um 10% zurückgegangen ist und nur eine 20 %ige Erhöhung der Ausgleichsrente vorgeschlagen hat.
Nun ein abschließendes Wort zu der Frage der Gesamtrentenhöhe! Dem sozialdemokratischen Antrag stattzugeben, würde bedeuten, daß der 100%ig Beschädigte eine Rente von 250 DM gegenüber jetzt 165 DM bekäme. Das alte Reichsversorgungsgesetz kannte neben den Renten - Grundrente und Schwerbeschädigtenzulage -, wie wir sie gefordert haben, außerdem noch die Ausgleichszulage nach § 28 und gewährte also noch zur Grundrente und Schwerbeschädigtenzulage für die gelernten und angelernten Arbeiter 25, später 35% Zulage, dann für den Akademiker, für den Arbeiter, dessen Beruf außergewöhnliche Verantwortung in sich schloß, 50, später 70 % Zulage zu diesen Grundrenten nebst Schwerbeschädigtenzulage. Dazu kam die Ortszulage, die in 1920 zwischen 10 und 35 % ausgemacht hat. Die damaligen Leistungen waren also wesentlich höher als die Leistungen, die im jetzigen Bundesversorgungsgesetz verankert sind. Darüber sollte man sich einmal klarwerden.
Damals hatten die Kräfte, die den Krieg angezettelt haben, auch einen Krieg verloren. Damals mußte auch das Volk die Schuld dieser Kriegsanstifter bezahlen.
({0})
Aber damals hat die Regierung, zwei Jahre nach dem Zusammenbruch, noch nicht mit dem Gedanken gespielt, einen neuen Krieg vorzubereiten, und hat für die Wiederaufrüstung noch keine 10 Milliarden Mark ausgegeben. Das ist der Unterschied zwischen damals und heute! Damals hat das Reich 33 % seiner gesamten Staatsausgaben zur Deckung der Kriegsopferversorgung verwendet, und heute gehen 46 % für die direkte Kriegsvorbereitung drauf. Das ist der politische Unterschied zwischen damals und heute! Diesen Unterschied haben Sie zu verantworten, Sie mit Ihrer Politik der Wiederaufrüstung sind schuld daran, daß die Kriegsopfer draußen Hunger leiden müssen.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung der drei Anträge gehört. Herr Abgeordneter Renner hat einen Eventualantrag gestellt, nachdem seine Anträge zu § 32 gegenstandslos geworden sind, die Teuerungszulage zu den Ausgleichsrenten um 30% zu erhöhen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 1041 Ziffer 2 auf eine neue Fassung des § 32 Abs. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Probst auf Umdruck Nr. 1034 Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand
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zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ausschußfassung von § 32 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?- Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Ziffer 10 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen' der CDU/CSU, FDP, DP Umdruck Nr. 1033 vor. Wer wünscht ihn zu begründen? - Herr Abgeordneter Arndgen, bitte!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der von den Regierungsparteien gestellte Antrag auf Umdruck Nr.. 1033 ist wie folgt zu begründen: In § 33 Abs. 2 ist durch Ausschußbeschluß die Zahl 60 auf 80 erhöht worden. Es handelt sich um die nichtanrechnungsfähigen Beträge für sonstiges Einkommen. Es ist nun nicht berechtigt, für einen Teil der Einkommen - und zwar für ein Einkommen, das aus Arbeit herrührt - die Freigrenze zu erhöhen, während bei anderen beispielsweise aus Renten herrührenden Einkommen die Freigrenze gar nicht beachtet wird. Ein weiteres Unrecht enthält der Beschluß insofern, als für die Witwen nichts bestimmt ist. Man sollte es da bei der bisherigen Bestimmung belassen. Aus diesem Grunde sind die Regierungsparteien gegen den entsprechenden Beschluß des Ausschusses.
Dann ist in der gleichen Ziffer gesagt, daß bei sonstigem Einkommen, das ganz oder teilweise aus land- oder forstwirtschaftlichen Erträgen herrührt, diese Erträge durch die unteren Landwirtschaftsbehörden festgestellt werden sollen. Eine ähnliche Bestimmung hatten wir schon einmal im Lastenausgleichsgesetz, und der Bundesrat hat deswegen den Vermittlungsausschuß angerufen.
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Ich bin der Meinung, daß wir heute die Novelle zum Gesetz so verabschieden sollten, daß sich der Vermittlungsausschuß nicht mehr damit zu beschäftigen braucht und das Gesetz recht bald wirksam werden kann.
Ich bitte, dem Antrag Umdruck Nr. 1033 zuzustimmen.
Unter Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 1041 ist ein Änderungsantrag angekündigt. Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vielleicht darf ich der Einfachheit halber die Begründung zu Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 1041 und die Begründung zu Umdruck Nr. 1049 zusammen geben, da es sich beide Male um den § 33 handelt. Es ist wohl wenig sinnvoll, Sie darum zu bitten, einer 30%igen Erhöhung der Einkommensgrenzen für die Berechnung der Ausgleichsrenten zuzustimmen, nachdem Sie die Erhöhung der Ausgleichsrenten um 300/o verweigert haben. Ich halte mich allerdings für verpflichtet, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß Sie damit der Tendenz unseres Bundesversorgungsgesetzes in einem entscheidenden Punkt schwersten Abbruch tun, in seiner Absicht nämlich, dem Leistungswillen des in der Arbeit stehenden Beschädigten durch weitestgehende Schonung und Erhaltung seiner Rente entgegenzukommen. Sie begünstigen damit den
nicht arbeitenden Beschädigten und bestrafen die Anstrengungen desjenigen, der trotz einer schweren Beschädigung noch einer Arbeit nachgeht.
Diese Tendenz wird noch bedenklicher in Zusammenhang mit dem Änderungsantrag, den der Herr Kollege Arndgen eben begründet hat; denn damit wird grundsätzlich eine Anpassung jener Bezüge aus der eigenen Arbeitsleistung verweigert, die seither freigestellt waren. Der Beschädigte wird also für seine Arbeitsleistung bestraft, indem man an seiner Ausgleichsrente einen Abzug vornimmt. Welche Auswirkungen das auf ,die Haltung des Beschädigten gegenüber dem Staate haben wird, können Sie sich selbst ausmalen. Denn auch der Beschädigte versteht zu rechnen. Sie werden jede eigene' Anstrengung abtöten, wenn Sie fortfahren, das Bundesversorgungsgesetz mit derartigen Tendenzen einer rückschrittlichen Sozialpolitik zu verschlechtern.
Schließlich ein Wort zum Umdruck Nr. 1049. Meine Fraktion beantragt hier, daß das Einkommen aus Renten oder rentenähnlichen Bezügen, das durch eigene Arbeitsleistung entstanden ist, dem Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit gleichgestellt wird. Die Frage ist die, ob man dem Beschädigten, solange er in Arbeit steht, zumuten kann, aus seinem Arbeitseinkommen für sein Alter Beiträge zur Altersversicherung in die Sozialversicherung abzuführen, solange der Staat ihn, wenn er aus dem Arbeitsprozeß ausscheidet, auf Grund der Anrechnungsvorschriften des § 33 um den Genuß dieser eigenen Vorsorge bringt. Das wird in der Öffentlichkeit mit der Begriffsbestimmung „Staatsbetrug" bezeichnet und wirkt sich auf den Staatsbürger in völlig einseitig negativer Weise aus. Der Wille zur eigenen Vorsorge wird abgetötet durch ein System der Verrechnung von Ausgleichsrenten mit Ansprüchen, die kraft eigener Arbeit begründet worden sind. Das läßt eine sozialpolitisch rückschrittliche Tendenz erkennen und wird - wenn man die Auswirkungen insgesamt betrachtet - wahrscheinlich nicht zu der von Ihnen erwarteten Entlastung der Volkswirtschaft, sondern alles in allem genommen zu einer schädlichen Belastung führen.
Ich bitte Sie daher, unter klarer Abwägung der Auswirkungen im Staatspolitischen und Volkswirtschaftlichen, diesem Antrag zuzustimmen, auch wenn es zunächst den Anschein hat, als ob damit erhebliche finanzielle Mehraufwendungen verbunden wären. Die Antwort auf die Frage, was auf lange Sicht teurer ist, müßte hier Ihre Entscheidung bestimmen.
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Damit, meine Damen und Herren, sind die angekündigten Änderungsanträge begründet.
Ich eröffne die Aussprache und bitte um Wortmeldungen. - Das Wort hat Frau Dr. Probst.
Ich muß zu dem Antrag des Kollegen Bazille Bedenken anmelden. Er hat nämlich gesagt, man solle die Einkommensfreigrenze, wie sie bei nicht selbständiger Arbeit gegeben ist, ausdehnen auf die Bezüge aus Invalidenrenten und Pensionen. Wenn wir beim sonstigen Einkommen, d. h. bei Ruhegehältern, die 3/10-Progression einbauen, schaffen wir die größten Ungerechtigkeiten. Wir können uns das selbst ausrechnen. Jemand, der das Glück hatte, später in
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höherem Alter erst verwundet zu werden, der also die Möglichkeit hatte, für seine Invalidität besser vorzusorgen, würde bei einer 3/10-Progression, wenn er 110 DM als Invalidenrente hätte, einen Freibetrag von 33 DM haben. Wenn aber jemand durch ein schweres Schicksal, das ihn in früherer Jugend getroffen hat, früher zur Invalidität verurteilt war, würde er bedeutend weniger haben. Er würde durch diese Progression 'bei 50 Mark höchstens 15 Mark haben. Das ist also eine Ungerechtigkeit in sich, die vor allem auch für unsere Witwenrenten - wenn das Schule machen sollte - abgelehnt werden müßte. Diese Frage muß noch einmal gründlich durchdacht und überarbeitet werden. Es ist zu bedauern, daß dieses Gesetz in einem solchen Zeitdruck entstanden ist. Sonst wäre diese Frage nicht im Plenum, sondern im Ausschuß zur Ausreifung gelangt.
Es ist noch der Antrag Umdruck Nr. 1035 Ziffer 27 zu begründen. - Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch hier gehen wir von unserem ursprünglichen Antrag ab, mit dem wir eine Streichung dieser Anrechnungsvorschriften von „Einkommen in Geld und Geldeswert aller Art" verlangt hatten. Nachdem unser Antrag auf grundsätzliche, strukturelle Änderung des Gesetzes abgelehnt worden ist, verlangen wir jetzt, daß die derzeitigen Freigrenzen nach § 33 gegenüber den jetzt vorgesehenen Sätzen verdoppelt werden. Wenn wir diese Verdoppelung durchführen, schaffen wir einen großen Teil der berechtigten Klagen, die über diesen Paragraphen jeden Tag an uns herangetragen werden, aus der Welt.
Nun etwas zum Prinzip. Es ist immerhin eigenartig, daß Sie es für richtig halten, schon bei derartig niedrigen Nebeneinkommen die Bestimmungen über die Ausgleichsrente anzuwenden. Sie haben zwar jetzt im Ausschuß die alten Freigrenzen erhöht, und zwar um einen Betrag von 13 DM bei 50%iger Erwerbsunfähigkeit und um einen Betrag von 23 DM bei voller Erwerbsunfähigkeit. Das ist angesichts der an und für sich schon niedrigen Renten und angesichts der Erbärmlichkeit dieser Freigrenzen einfach nicht mehr zu verantworten. Darf ich Sie daran erinnern, daß auch das alte Reichsversorgungsgesetz Ruhensvorschriften im Zusammenhang von Rente und Einkommen enthielt.
Da begann das Ruhen der Rente mit einem Zehntel des Betrages bei einem jährlichen Einkommen von ungefähr 5000 Mark. Wenn Sie Ihre heutigen Ruhensvorschriften und Anrechnungsbestimmungen von Einkommen jeder Art, worunter ja auch die Invalidenrente fällt, mit den Bestimmungen über die Anrechnung von Einkommen auf die Beamtenpension vergleichen, dann müssen Sie auch da zugeben, daß zwischen Beamtenrecht und Kriegsopferrecht ein wirklich eigenartig krasser Gegensatz besteht. Ich meine, der Anspruch des Beamten, den Sie doch immer als Rechtsanspruch herausstellen, sollte in Ihrem „Rechtsstaat" nicht stärker fundiert und untermauert sein dürfen als der Anspruch des Kriegsbeschädigten.
Also das Mindeste, was geschehen muß, um das krasse Unrecht der derzeitigen Regelung aus der Welt zu schaffen, ist, daß Sie unserem Antrag stattgeben, der eine Verdoppelung der derzeitigen Einkommensfreigrenze des § 33 fordert. Es ist um die Sache hier schon sehr viel geredet worden, und die Sinnwidrigkeit dieser Anrechnungsbestimmungen
ist hier schon oft genug begründet worden. Sie haben diesen Argumenten nichts entgegenzusetzen, was auch nur irgendwie beweiskräftig wäre. Angesichts all dieser Dinge, die Sie ja mit aller Dialektik nicht aus der Welt schaffen können, bitte ich Sie wirklich eindringlich, den Kriegsopfern wenigstens diese minimale Vergünstigung zugute kommen zu lassen, die wir im Zusammenhang mit dem § 33 beantragt haben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst ein Wort an den Herrn Bundesfinanzminister. Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie Gast bei mir im Ausschuß gewesen sind, können Sie nicht behaupten, daß Sie jemals so unfreundlich behandelt worden sind, wie Sie mich heute hier behandelt haben. Ich glaube, daß die Fakten auch noch eine andere Sprache reden, wenn wir auf die Ablehnung der beantragten Millionen kommen werden. Ich erinnere Sie daran - Frau Dr. Probst war Zeuge -, daß wir eines Tages bei der ersten Novelle zum Bundesversorgungsgesetz aus dem Haushaltsausschuß herausgeschickt wurden mit dem Bemerken, wir sollten uns auf 20 Millionen DM beschränken, obwohl wir schon damals die Zahlen für die Ersparnisse in etwa richtig geschätzt hatten, die wir bei der Bundesversorgung machen werden. Herr Bundesfinanzminister, Sie können nicht dafür, denn Sie können nicht alle Zahlen nachrechnen. Aber Sie wissen, daß Sie sich in der letzten Woche allein bei den Kinderbeihilfen um 200 Millionen DM verhauen haben. Wir wollen nun einmal sehen, wenn wir die Zahlen nachrechnen, wie wir es im einzelnen miteinander abwägen. Wir kommen bei den einzelnen Punkten noch darauf zu sprechen.
Ich will Ihnen nun begründen, warum Sie den Antrag Umdruck Nr. 1033 ablehnen sollen. Eine sehr wichtige und in den Kriegsopferverbänden hart umstrittene Bestimmung ist die Frage der Freigrenze. Hier ist eine unglückliche Lösung gewählt. Wenn man 60 und mehr D-Mark verdient, wird dieser Verdienst auf den Kriegsopferrentenbezug angerechnet. Das bedeutet volkswirtschaftlich, daß der Beschädigte entweder durch einen Abzug seiner Rente für seine Arbeit bestraft wird oder gezwungen ist, durch irgendwelche formellen Manipulationen zu versuchen, doch keine Abzüge auferlegt zu bekommen. Es kommt doch darauf an, aus diesem großen Kreis von vier Millionen Berechtigten soviel wie möglich für unsere Volkswirtschaft zu mobilisieren. Das kann man nicht, indem man eine solch engherzige Bestimmung schafft und indem man denjenigen, der arbeitet, dafür noch bestraft; sondern man kann es dadurch, daß man die Freigrenze so hoch wie nur irgend möglich ansetzt.
({0})
({1})
Uns schwebt für den Ledigen - wir kommen darauf, Herr Dr. Mende - ein Betrag von 200, DM und für den Verheirateten ein Betrag von 300 DM vor. Wir hoffen, daß das im Ausschuß und hier im Plenum durchzusetzen sein wird.
({2})
Diese Ausführungen sind nicht in meinem Hause gewachsen; es sind die Ausführungen des Herrn Dr. Mende in der 84. Sitzung des Deutschen Bundestags zur Beratung des Bundesversorgungsgesetzes.
({3})
Ich wollte also nach dieser Richtung hin bitten,
wenn man sich solche weitgesteckten Ziele schon
damals gesetzt hat, daß man dann nicht heute das trifft Sie nicht, Herr Dr. Mende - hier von
Wahlpropaganda und Propagandaanträgen redet.
({4})
Seit Monaten ist auch im Kriegsopferausschuß das echte Anliegen der Sozialdemokratischen Partei bekannt, und wenn wir mehr Zeit gehabt hätten, hätten wir dem Hause eine ausgereifte Lösung vorgelegt. Ich verstehe es, daß der eine oder andere hier von „Wahlpropaganda" spricht. Aber wenn das ein Mitglied des Kriegsopferausschusses sagt, dann tut mir das in der Seele bitter weh, weil dadurch das Vertrauen zerstört wird, das vier Jahre in diesem Kriegsopferausschuß geherrscht hat. Wir haben uns gegenseitig immer in Hochachtung und in Verantwortung begegnen können. Und was geschieht heute hier? Ich bin doch erschüttert, daß sich einige Redner bei der Debatte um diesen Tagesordnungspunkt gegenseitig unterstellen, Propaganda, anträge eingereicht zu haben. Glaubt man, auf diese Weise draußen die Überzeugung von der Ernsthaftigkeit parlamentarischer Arbeit zu fördern? Fügt man nicht der staatspolitischen Tätigkeit des Parlaments Schaden zu, wenn man bei den heutigen labilen politischen Verhältnissen der Bundesrepublik nicht selbst den Glauben an die Ernsthaftigkeit hat, wenn man diesen Glauben noch durch solche Verdächtigungen untergräbt? Ich bin bis zum Beweise des Gegenteils gewillt, jedem dieser Anträge die Ernsthaftigkeit sozialen Bemühens zu unterstellen. Ich glaube, davon sollte man zunächst ausgehen. Die Ausführungen des Herrn Dr. Mende, denen ich zugestimmt habe, in der Sitzung vom 30. Oktober 1952 - ({5})
- Nicht von Ihnen, Herr Dr. Mende; ich wollte es nur sagen, weil es so oft bei der ganzen Geschichte hier aufgeklungen ist.
Meine Damen und Herren, uns geht es um ein echtes Anliegen für unsere Kriegsopfer und um keine Wahlpropaganda.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Freudenberg.
Freudenberg ({0}): Meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Antrag unter Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 1041 zuzustimmen. Ich weiß aus eigenster Erfahrung, daß wir alles daransetzen müssen, die Not der Kriegsbeschädigten zu überwinden und sie in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Jede Erhöhung der Freigrenze, die wir irgendwie verantworten können, wird uns auf die Dauer in der Rentenzahlung entlasten und nicht belasten. Hier gibt es, Herr Finanzminister, keine Rechenkunststücke, sondern ganz einfach die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß unsere Kriegsbeschädigten keine Hemmungen zu haben brauchen, sich voll und ganz in den Arbeitsprozeß einzugliedern.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen. Dann schließe ich die Beratung zu Nr. 10. Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge. Ich werde in folgender Reihenfolge abstimmen lassen - ich habe die Anträge nach dem Prinzip geordnet, daß zunächst kommt, wer am weitesten geht -: Umdruck Nr. 1035 Ziffer 27; Umdruck Nr. 1041 Ziffer 3; Umdruck Nr. 1034 Ziffer 3 ist zurückgezogen; Umdruck Nr. 1033 und dann Umdruck Nr. 1049, der einen späteren Absatz meint. - Das Haus ist einverstanden.
Zunächst Umdruck Nr. 1035 Ziffer 27. Wer für diesen Antrag der kommunistischen Gruppe ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Antragsteller bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Nunmehr Umdruck Nr. 1041 Ziffer 3, der Antrag der Fraktion der SPD. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
Enthaltungen? - Es bestehen Zweifel über das Ergebnis der Abstimmung. Wir müssen im Wege des Hammelsprungs die Mehrheit feststellen. Meine Damen und Herren, ich bitte den Saal zu räumen.
({0})
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({1})
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es haben sich an der Abstimmung beteiligt 312 Mitglieder des Hauses. Mit Ja haben gestimmt 161, mit Nein 148; 3 Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten. Der Änderungsantrag ist damit angenommen.
Damit entfällt wohl die Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 1033.
({2})
- Wenn der weitergehende Antrag angenommen worden ist, dann kann man nicht mehr über den weniger weitgehenden abstimmen.
({3})
- Ich möchte nur Klarheit schaffen. Ihr Antrag lautet:
In Art. I Nr. 10 ist der Wortlaut des Abs. 2 des § 33 in der Fassung des Gesetzes vom 20. September 1950 wiederherzustellen.
Wollen Sie das Wort dazu haben? - Zur Abstimmung Herr Abgeordneter Arndgen!
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Antrag Umdruck Nr. 1033 beinhaltet 2 Punkte. Wir haben zunächst Tiber den ersten Punkt abgestimmt, der die Ziffer 10 b -§ 33 Abs. 2 - betrifft.
Nun ist aber im Umdruck Nr. 1033 ein weiterer Antrag enthalten, wonach die Worte:
Besteht das sonstige Einkommen ganz oder
teilweise aus land- oder forstwirtschaftlichen
({0})
Erträgen, so sind diese Erträge durch die unteren Landwirtschaftsbehörden in ihrem Ertragswert zu ermitteln,
zu streichen sind. Es muß noch darüber abgestimmt werden, ob dieser Wortlaut bleibt oder nicht.
Ihr Antrag bezieht sich nur noch auf den eben verlesenen Satz. Besteht Klarheit im Haus? - Es wird also nur noch abgestimmt über den soeben von Herrn Abgeordneten Arndgen verlesenen Satz. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Nunmehr wird abgestimmt über den Umdruck Nr. 1049, einen Antrag der Fraktion der SPD,, in § 33 Abs. 2 hinter Satz 2 einen weiteren Satz einzufügen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über Ziffer 10 in der durch die soeben erfolgten Abstimmungen festgestellten Fassung. Wer der Ziffer 10 zustimmen will, bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Nunmehr beraten wir Ziffer 10 a. Hierzu liegt ein Antrag der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 1035 Ziffer 28 vor. Wird auf Begründung verzichtet?
({0})
- Auf Begründung wird verzichtet.
Es liegt dann noch ein Antrag auf Umdruck ) Nr. 1041 Ziffer 4 vor, nach dem ein § 34 a einzufügen ist. Wir werden ihn nachher besprechen.
Ich lasse zunächst über den Antrag der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 1035 Ziffer 28 abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über § 34 in der Ausschußfassung - Ziffer 10 a des Ausschußberichts - abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - -Angenommen.
Wir kommen nun zum Antrag Umdruck Nr. 1041 Ziffer 4, wonach ein § 34 a eingefügt werden soll. Das Wort hat Frau Abgeordnete Hubert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ziffer 4 unseres Antrags Umdruck Nr. 1041 schlägt vor, einen § 34 a einzufügen. Wir haben heute weit mehr als nach dem vorigen Kriege dauernde Gesundheitsschädigungen, die nicht unmittelbar auf Kriegsverletzungen beruhen. Denken wir allein an die vielen Leberschäden, die z. B. Teile des Afrika-Korps davongetragen haben, denken wir an die Magen- und Darmleiden, die nach den Hungerjahren in russischer Kriegsgefangenschaft viele Kriegsgefangene und viele Kriegsopfer haben. Außerdem haben wir daneben heute auch noch durch die Fortschritte der Chirurgie viele früher hoffnungslose Fälle heilen und retten können - ich denke da an Bauchverletzungen, an Bauchschüsse -, bei denen zwar die Verwundeten gerettet, aber durch Magen- und Darmdefekte ja auch in gewisser Weise Amputierte wurden, die nun infolge ihres Leidens einer dauernden Schonkost, einer dauernden Diät bedürfen. Diese Diät ist für die Betreffenden oft außerordentlich kostspielig, besonders wenn sie im Berufsleben stehen. Wenn sie gezwungen sind, auswärts ihre Mahlzeiten einzunehmen, geht teilweise die ganze Rente für diese erhöhten Unkosten für die Diät drauf.
Bei den Amputierten haben wir die Zulage für Wäsche, für erhöhten Kleiderverschleiß. Für die Hilfs- und Pflegebedürftigen haben wir die Pflegezulagen. Die Beschädigten aber, die dauernde Leiden des Magen- und Darmkanals davongetragen haben, sind völlig ohne jede besondere Hilfen. Wir müssen deshalb neben die Pflegezulagen und neben die besondere Zulage für Wäsche- und Kleiderverschleiß eine Ernährungszulage stellen. Der dafür in Frage kommende Personenkreis ist bestimmt nicht sehr groß. Wenn der Herr Bundesfinanzminister -meinte, die Annahme unseres Antrags Ziffer 4 würde etwa 90 Millionen kosten, so muß ich sagen, daß der Herr Bundesfinanzminister hier nicht richtig orientiert sein kann.
({0})
Ich habe zwar nicht die Unterlagen, wie sie der Regierung zur Verfügung stehen, aber ich besitze doch gewisse Vergleichsmöglichkeiten. - Im Ausschuß hat der Regierungsvertreter festgestellt, daß z. B. die Aufhebung der Ruhensvorschriften für die Witwen unter 40 Jahren einen Aufwand von etwa 9 Millionen DM verursacht. Wenn ich nun unterstelle, daß der Kreis derer, die solche dauernden Magenschädigungen haben, dem Kreis der Witwen unter 40 Jahren entspricht - was keineswegs der Fall ist -, und wenn ich nun bei unserem Antrag, der ja einen großen Ermessensspielraum läßt und für den Einzelfall 30 bis 60 DM vorsieht, einmal 40 DM ansetze, so käme im Höchstfall eine Summe von 18 Millionen DM in Frage.
({1})
Aber es ist gar nicht anzunehmen, daß der Kreis der Beschädigten mit dieser Form von Bauchverletzungen oder mit Dauermagenleiden so groß sein könnte, wie der Kreis der Witwen, die die 20 DM empfangen. Ich glaube, man kann wohl sagen, daß die Summe kaum 10 Millionen DM erreichen wird. Wahrscheinlich wird sie bei 5 Millionen DM liegen.
Unser Antrag will eine Lücke im Gesetz ausfüllen, die in der Vergangenheit zu großen Härten für einen sehr schwer geprüften Kreis von Kriegsopfern geführt hat. Ich bitte Sie daher, unserem Antrag auf diese Ernährungszulage zuzustimmen.
({2})
, Das Wort hat der Herr Arbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, daß der Frau Abgeordneten Dr. Hubert etwas entgangen ist. In den Verwaltungsvorschriften vom März 1951 zum § 30 des Bundesversorgungsgesetzes ist bestimmt:
Bei Feststellung der Minderung der Erwerbsfähigkeit ist auch zu würdigen, ob der Beschädigte besondere Aufwendungen zur Erhaltung und Verwertung seiner ihm verbliebenen Erwerbsfähigkeit machen muß. Dies gilt besonders für Beschädigte mit aktiv fortschreitender Tuberkulose oder mit chronischen Magen- und Darmleiden.
({0})
Das besagt doch nichts anderes, als daß der Mann, wenn er mit seiner Beschädigung eingruppiert wird, geltend machen kann: Meine Arbeitsfähigkeit ist zwar im allgemeinen nicht so zurückgegangen. Aber ich brauche für die Aufrechterhaltung meiner Arbeitskraft, soweit sie mir noch gegeben ist, die und die besonderen Aufwendungen.
Wenn Ihr Antrag durchginge, müßte die Versorgungsverwaltung alle Fälle überprüfen und neue Festlegungen machen; denn Sie werden es auch nicht wollen, daß man für ein und denselben Zweck zweimal honoriert wird.
Dann haben Sie die Zahlen angezweifelt, die der Herr Finanzminister vorhin angegeben hat. Sie meinen, mit einem Betrag von 5 bis 10 Millionen DM käme man aus. Die einzige zuverlässige Statistik über die Zusammensetzung derartig Erkrankter haben wir in Bayern. Dort beträgt die Zahl 23 942. Wenn man diese Zahl auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland bezogen verfünffacht, dann kommt man auf einen Kreis von 120 000 erkrankten Menschen.
Nun haben Sie drei Sätze vorgesehen: 30 DM, 45 DM und 60 DM. Wenn ich den mittleren Satz annähme, käme für jeden Beteiligten eine Jahresausgabe von 500 DM in Frage. Wenn Sie das nun multiplizieren, dann kommen Sie genau zu der Zahl, die der Herr Bundesfinanzminister genannt hat.
Ich möchte wirklich dringend darum bitten, doch derartige Gesetzesvorschriften nicht aufzubringen, weil das allein schon in der Umbewertung und vor allen Dingen bei der ärztlichen Betreuung zu großen Schwierigkeiten führt, die meines Erachtens dadurch überbrückt werden können, daß die Verwaltungsvorschrift, die seit dem Jahre 1951 besteht, für den hier umschriebenen Personenkreis richtig angewandt wird.
Weitere Wortmeldungen?
({0})
- Herr Abgeordneter Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte nicht zur Ziffer 4 des Antrags der SPD-Fraktion reden, sondern noch einmal .auf den Antrag der SPD-Fraktion Nr. 1041 Ziffer 3 zurückkommen. Hier ist dem Herrn Präsidenten anscheinend ein Irrtum unterlaufen; denn wir haben in dieser Ziffer 3 des Umdrucks Nr. 1041 über die Ausgleichsrente abgestimmt, die nach dem Antrag der SPD-Fraktion zwischen 95 und 160 DM festgelegt ist. Der Antrag der Regierungskoalition beinhaltet etwas anderes, nämlich die Wiederherstellung des Abs. 2 des ursprünglichen Versorgungsgesetzes.
Ich bitte daher, nicht nur über den zweiten Teil des Antrags Umdruck Nr. 1033, sondern auch über den ersten Teil dieses Antrags abstimmen zu lassen, der nämlich die Frage beinhaltet, ob in Abs. 2 Satz 2 die Zahl „60" durch die Zahl „80" ersetzt werden soll. Es handelt sich, Herr Präsident, um einen Irrtum, der vorhin bei der Abstimmung unterlaufen ist, und ich bitte, das zu korrigieren.
Herr Abgeordneter Arndgen, ich verstehe Ihren Antrag nicht ganz. Der Antrag Umdruck Nr. 1033 besteht nur aus einem Satz.
Jawohl, Herr Präsident, der Antrag besteht aus einem Satz. Er beinhaltet aber zwei Punkte. Wenn Sie sich die Beschlüsse des 26er Ausschusses unter Nr. 10 ansehen, dann finden Sie unter b den Satz:
In Absatz 2 Satz 2 wird die Zahl „60" durch
die Zahl „80" ersetzt und hinter Satz 2 folgender neuer Satz eingefügt:.. .
Dieser Satz soll gestrichen werden. Wir haben aber durch Hammelsprung über etwas anderes abgestimmt, und zwar über die Festsetzung der Ausgleichsrente nach Ziffer 3 des Änderungsantrags der SPD Umdruck Nr. 1041.
Ich stelle daher den Antrag, erneut abzustimmen, und zwar darüber, ob der Satz im Ausschußbeschluß „In Absatz 2 Satz 2 wird die Zahl „60" durch die Zahl „80" ersetzt und hinter Satz 2 folgender neuer Satz eingefügt ...." - gestrichen werden soll oder nicht.
Wir können über Ziffer 10 nicht mehr abstimmen, denn wir sind schon bei Ziffer 10 a. Sie müssen den Antrag in der dritten Lesung wiederholen. Ich habe Sie ausdrücklich gefragt, worüber abgestimmt werden sollte. Sie haben dann einen Satz vorgelesen, und ich habe das Haus darauf aufmerksam gemacht, daß über diesen von Ihnen verlesenen Satz abgestimmt würde. Das ist geschehen. Wenn ein Fehler vorgekommen sein sollte, so liegt er nicht bei mir, sondern bei dem Antragsteller.
Weitere Wortmeldungen zu idem Antrag Umdruck Nr. 1041 liegen nicht vor.
({0}) - Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß der Herr Bundesminister für Arbeit .als der für die Kriegsopferversorgung zuständige Minister versucht, mit sachlich nicht zu begründenden Argumenten die Einführung einer notwendigen und unbestreitbar im Interesse der Beschädigten liegenden Gesetzesverbesserung zu verhindern. Eine Erfassung der Aufwendungen, die für eine spezielle Kost notwendig sind, im Rahmen des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit, ist nur dann möglich, wenn die ärztliche Beurteilung des Schadens auf unter 100% Erwerbsminderung lautet. Wenn ein Kriegsbeschädigter wegen einer schweren Schädigung seiner inneren Organe infolge Bauchverletzung eine Rente von 100% bezieht und damit eine optimale Rente von noch nicht 200 DM monatlich erhält, dann muß eine Möglichkeit geschaffen werden, die Mehraufwendungen für eine besondere Kost abzudecken. Sonst bekäme er nämlich im Endeffekt eine niedrigere Rente als ein anderer 100%ig Beschädigter, der keine besonderen Aufwendungen notwendig hat.
Ich appelliere an die Frauen im Bundestage, mir zu bestätigen, was es kostet, wenn ein Beschädigter auf Grund der Verstümmelung seiner Verdauungsorgane einer besonderen Kost bedarf. Da ist mit einer Mark oder mit einer Mark fünfzig im Tag nicht allzuviel anzufangen!
({0})
- Herr Kollege Kunze, sehen Sie, ich bin selber einer, der wegen seiner schweren Verbrennungen und seiner Leberschädigung in Afrika einer besonderen Diät bedarf. Ich bin bereit, einmal acht Tage mit Ihnen zusammen im Bundeshaus zu essen;
({1})
dann können Sie sehen, was dieser Spaß kostet. Ich kann mir das auf Grund meiner Stellung im Beruf und meiner Tätigkeit hier erlauben. Ein Mann aber, der 1000/o erwerbsgemindert ist, der nul. von seiner nackten Rente leben muß, der wird gezwungen, zu hungern., weil er nicht in der Lage ist, sich die Diät zu verschaffen, die ihm ärztlich vorgeschrieben wird. Denn er darf die billigen Lebensmittel eben nicht verzehren, wenn er nicht eine weitere schwere Schädigung seiner Gesundheit in Kauf nehmen will.
Ich meine, wir haben alle Veranlassung, diesem Personenkreis zu helfen, der bestimmt klein ist. Denn es ist ja nicht an die Fälle der Gastritis und der normalen Magen- und Darmbeschwerden gedacht, sondern es ist an jene gedacht, die vor zehn oder zwanzig Jahren überhaupt nicht lebensfähig gewesen wären, die heute aber im Hinblick auf die Fortschritte der modernen Chirurgie in der Lage sind, trotz eines entfernten Magens, trotz der Entfernung eines Teils des Darms, trotz ... zigfacher Operationen des Darms zu leben. Diesen Menschen muß die Möglichkeit gegeben werden, sich ihre Diät nicht von ihrer Rente abhungern zu müssen. Ich kenne von meiner Berufstätigkeit her eine Anzahl dieser bedauernswerten Menschen, die zum Teil wegen der psychischen Auswirkungen dieser Schädigungen oft zwei und mehr Selbstmordversuche hinter sich haben, und ich weiß, was es bedeutet, wenn der Verdauungsapparat so schwer geschädigt ist, daß stets eine besondere Kost notwendig ist.
Ich finde es tief 'bedauerlich, daß der Herr Bundesminister für Arbeit, dem es ja obliegt, die Verwaltungshandhabung dieser Bestimmung vorzunehmen, glaubt, sich hier dagegen aussprechen zu müssen, wo es sich darum handelt, einem Teil schwerstgeprüfter Menschen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
({2})
Das Wort hat der Herr Arbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was eben hier vorgetragen wurde, ist etwas ganz anderes, als in dem Antrag der SPD enthalten ist. Dann hätte man das sagen müssen. Wir haben ungefähr anderthalb Millionen Kriegsbeschädigte. Davon sind 72 000 Kriegsbeschädigte von 100%, die also nach diesen Ausführungsbestimmungen nicht in der Lage sind, sich ihre Renten erhöhen zu lassen. Das ist doch die Wahrheit. Sie gehen her und stellen die Anträge in einer derart allgemeinen Form! Vor kurzem ist hier im Hause auf Grund einer Anfrage darauf hingewiesen worden, wie durch diese wunderbare Formulierung unserer Gesetze nachher die Familienangehörigen des Herrn Heydrich auch Kriegshinterbliebene geworden sind. Wollen wir denn derartige Dinge in der Zukunft noch weiter treiben? Man soll ganz klare gesetzliche Bestimmungen schaffen. Hier ist für alle die Leute, die nicht 100%ig kriegsbeschädigt sind, über die Verwaltungsanordnung die Möglichkeit gegeben, auf diesem Gebiet zu ihrem Recht zu kommen. Das dem Hause zu sagen, ist nicht nur mein Recht, sondern meines Erachtens auch meine Pflicht.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
({0})
Man kann jung und klug sein, Herr Löfflad.
Ich bin der Meinung, daß dem sozialdemokratischen Antrag in der Form, wie er gestellt worden ist, und nicht in der Form, wie der Herr Kollege Bazille ihn begründet 'hat, Rechnung getragen werden muß.
Ein Wort an den Herrn Minister selber! Ich wäre dem Herrn Minister dankbar gewesen, wenn er uns gesagt hätte, in wie vielen Fällen tatsächlich auf Grund der obskuren Verwaltungsanordnung, auf die er sich in Abwehr des Antrags bezogen hat, Kriegsbeschädigte eine graduelle Erhöhung ihrer Erwerbsbeschränkung erfahren haben.
({0})
- Aber, Herr Minister, Sie sind doch ein Mann, Sie waren doch bestimmt einmal ein Mann aus der Praxis!
({1}) Jetzt sind Sie Minister;
({2})
das eine macht sich nicht schlechter als das andere, Herr Minister. Aber die Sache ist doch so: Wir sind doch nun auch alt geworden in der Kriegsopferversorgung, und wenn Sie schon die Einschränkung machen: Wenn es beantragt wird!, dann beweist das doch schon, daß die Sache nicht in Ordnung geht.
({3}) Also wenn der Herr Minister will, daß die Belange dieser Menschen berücksichtigt werden sollen - das ist ja anscheinend seine eigene Auffassung -, dann soll er sich doch bereit erklären, die Kann-Vorschrift in eine Muß-Vorschrift umzuwandeln. Er müßte sich bereit erklären, eine Bestimmung ins Gesetz zu nehmen, die besagt, daß Beschädigte, die auf Grund ihrer Magen- oder Darmleiden eine besondere Schonkost - oder mehr noch: eine besondere Diät - haben müssen, soundso viel Prozent bei der Festsetzung ihrer Erwerbsbeschränkung höher eingestuft werden sollen. Herr Minister, dann haben wir das, was wir wollen, und das, was anscheinend auch Sie wollen! Aber mit Ihrer KannVorschrift ist die Sache nicht aus der Welt zu schaffen.
Nun zur Sache! Niemand kann sich hier hinstellen und behaupten, daß solche schwerbeschädigten Menschen in der Lage sind, diese Mehraufwendungen mit ihrer Rente zu bezahlen. Da braucht man gar keine Hausfrauen zu fragen, sondern man braucht sich nur die Speisezettel der Restaurants anzusehen, um festzustellen, was die sogenannte Schonkost kostet. Ich habe festgestellt, daß die Magenschonkost teurer ist als der dritte oder vierte Gang, den wir auf der Karte des Bundestagsrestaurants finden. Das weiß doch ein Laie, und man braucht keine Köchin zu sein, um das zu wissen. Ein Kind weiß doch, daß das teurer ist. Ich bin der Meinung, wir sollten diesen Dingen Rechnung tragen.
Wer jedenfalls draußen unter den Kriegsopfern die Diskussionen um diese Frage miterlebt, der muß anerkennen, daß 'das ein Fragenkomplex ist, der sehr, sehr viele Beschädigte angeht; denn die Zahl
({4})
der Magenkranken ist doch heute viel größer, als das jemals der Fall gewesen ist. Ich 'bin nicht der Meinung, daß das nur ein kleiner Personenkreis ist. Ich bin auch nicht der Meinung, daß das nur den 100 %ig Beschädigten zugute kommen sollte. Ich bin, .da die allgemeinen Renten nicht ausreichen, der Meinung, daß wir diese Sonderaufwendungen, die der Beschädigte auf Grund seiner Beschädigung machen muß, irgendwie ausgleichen sollten, und zwar entweder durch diesen Antrag, was ich für das Beste halte, oder durch eine formelle Anordnung im Gesetz, die besagt, daß dieser Mehraufwendungen in Form der Erhöhung des Grades der Erwerbsbeschränkung Rechnung getragen werden muß.
Nunmehr liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Umdruck Nr. 1041 Ziffer 4 zustimmen will, den bitte ich um ,das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Ziffer 10 b. Hier sind zwei Anträge angekündigt: Wiederum Umdruck Nr. 1035 Ziffer 29. Wird auf Begründung verzichtet?
({0})
Dann liegt unter Ziffer 5 des Umdrucks Nr. 1041 ein Antrag von der SPD vor. Wird auf Begründung verzichtet? - Es wird verzichtet. Dann lasse ich abstimmen, wenn keine weiteren Wortmeldungen mehr erfolgen. - Das ist der Fall.
Zunächst lasse ich über die Ziffer 29 des Umdrucks Nr. 1035 abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag unter Ziffer 5 des Umdrucks Nr. 1041. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer den Ziffern 10 b unid 10 c der Ausschußvorlage, zu der keine Änderungsanträge gestellt sind, zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen und einigen Gegenstimmen angenommen.
Nunmehr kommen wir zu Ziffer 11 der Ausschußvorlage. Hier sind unter den Ziffern 30, 31, 32 und 33 des Umdrucks Nr. 1035 Anträge der kommunistischen Gruppe angekündigt.
({1})
- Sie verzichten. Weiter liegt unter Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 1034 ein Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst vor. Verzichten Sie auch auf Begründung?
({2})
- Dann lasse ich abstimmen.
Wer für die Anträge unter den Ziffern 30 bis 33 des Umdrucks Nr. 1035 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Wer für den Antrag unter Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 1034 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist gegen die Stimme der Frau Antragstellerin abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über Ziffer 11 in der Ausschußfassung abstimmen.
({3})
- Wir haben schon abgestimmt.
({4})
- Den müssen Sie in der dritten Lesung stellen. - Wer Ziffer 11 in der Ausschußfassung annehmen will, der möge die Hand erheben. - Das ist die große Mehrheit; die Ziffer 11 ist angenommen.
Ich rufe Ziffer 12 auf. Hier sind wiederum zwei Änderungsanträge ungekündigt, zunächst unter Ziffer 34 des Umdrucks Nr. 1035. Sie verzichten auf Begründung, Herr Renner?
({5})
- Ja, ja, Sie kommen gleich dran, Frau Kollegin Hubert. Ich habe zuerst Herrn Renner gefragt, ob er auf die Begründung seines Antrags verzichtet.
({6})
Dann hat Frau Abgeordnete Hubert zur Begründung des unter Ziffer 6 des Umdrucks Nr. 1041 gestellten Antrags das Wort.
Unser Antrag zu § 41 Abs. 4 sieht zunächst eine Erhöhung der Einkommensfreigrenze auch bei der Witwe vor. Hierbei lehnen wir uns an unseren Antrag über die Erhöhung der Einkommensfreigrenzen bei den Kriegsbeschädigten an, um die Angleichung der Regelung für die Witwe - entsprechend der bisherigen Regelung - an die der 60 %ig Schwerbeschädigten wieder vorzunehmen.
Nun ist aber die zweite wesentliche Änderung, die unser Antrag vorsieht, die, daß eine Ungleichheit beseitigt wird, die bisher bei dein anrechnungsfreien Betrag zwischen der Kriegshinterbliebenen und dem Kriegsbeschädigten bestanden hat. Während der Kriegsbeschädigte, wenn er in unselbständiger Arbeit steht, einen anrechnungsfreien Betrag von 60 DM hat-der Ausschußbeschluß ist j a leider wieder rückgängig gemacht, der 80 DM vorgesehen hatte -, hat die Witwe nur eine anrechnungsfreie Grenze von 40 DM, wenn sie an unselbständiger Arbeit steht. Das ist eine echte Benachteiligung der Frau, die eigentlich schon bei Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes durch nichts, außer vielleicht durch rein fiskalische finanzielle Überlegungen, begründet werden konnte. Sie trifft ganz besonders die Witwe mit Kindern. Bei den Witwen, die Ausgleichsrente erhalten, kommt die erwerbsunfähige Witwe hier nicht in Betracht. Dann haben wir die Gruppe der Witwen über 50 Jahre und die Witwen, die für Kinder zu sorgen haben. Es ist das selbstverständliche Bestreben einer Mutter, ihren Kindern möglichst die Ausbildung weiter zu geben, die die Kinder gehabt hätten, wenn der Vater noch lebte. Es ist meistens nicht so, daß die Frauen in Arbeit gehen, weil sie gern arbeiten möchten, sondern es ist der Zwang, der dadurch entsteht, daß die Renten einfach nicht ausreichen, um den Kindern die Ausbildung zu geben, die man für sie wünscht. Darum trifft diese Benachteiligung der Witwen besonders die Frauen mit Kindern, die in Arbeit stehen. Zum anderen steht sie nach unserer Überzeugung im Widerspruch zum Grundgesetz, das in Art. 3 feststellt, daß niemand wegen seines Geschlechts, seiner Rasse usw. benachteiligt werden
({0})
darf. Hier liegt eine echte Benachteiligung der Frau, die in unselbständiger Arbeit steht, gegenüber dem Mann vor.
Aus diesem Grunde bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen, nach dem die Anrechnungsfreigrenze für die Witwe mit der Anrechnungsfreigrenze beim Kriegsbeschädigten, der in unselbständiger Arbeit steht, gleichgesetzt werden soll.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich möchte mich nur berichtigen. Über das Thema selbst ist in den Ausschüssen so häufig gesprochen worden, daß man sich eigentlich wundern muß, daß im Ausschuß abgelehnte Anregungen hier immer wieder neu vorgetragen werden.
({0})
Der Ausfall beträgt nicht etwa, wie ich irrtümlich angenommen hatte, 60 Millionen DM, sondern ist nach den Unterlagen auf wenigstens 100 Millionen DM berechnet. Ich bitte also dringend, das, was ich grundsätzlich zu dem Antrag gesagt habe, nicht bei allen Einzelheiten wiederholen zu müssen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe auf die Begründung unseres Antrages verzichtet, weil Sie durch die Ablehnung des Antrags im Zusammenhang mit dem Problem Kriegsbeschädigte die Sache im Prinzip bereits abgelehnt haben.
Aber, Herr Minister, an Ihre Adresse möchte ich doch etwas sagen. Wieso können Sie es als Demokrat einem Abgeordneten, der im Ausschuß mit seiner Meinung nicht durchgedrungen ist, verwehren, im Plenum noch einmal den Versuch zu machen, das, was er für richtig hält, durchzudrükken? Herr Schiffer, Sie sollten es sich tatsächlich abgewöhnen, die Rolle des - nach Herrn Adenauer - zweiten Präzeptors des Bundestages zu spielen.
({0})
Wir müssen es so oft von Ihnen entgegennehmen, daß Sie uns hier in bestimmt schlechter Ausnutzung Ihrer Funktion mit „massiven Zahlen" kommen, die nicht jeder Nachprüfung standhalten, wenn es gilt, im Sinne der CDU und der Adenauer-Koalition Anträge abzuwimmeln. Sie sollten uns aber dann wenigstens Ihre undemokratischen Ermahnungen und Erziehungsversuche ersparen. Das mußte ich Ihnen doch einmal sagen, Herr Schäffer. Es genügt, daß Sie sowieso nein sagen zu jeder sozialpolitischen Forderung, die aus dem Hause kommt.
({1})
Wir danken für die Erziehung in Demokratie, Herr Schäffer. Wir danken! Die „Erzieher in Demokratie", die aus Ihrem Lager kommen, sind schon von vornherein außerordentlich verdächtig.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Umdruck Nr. 1035 Ziffer 34 zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer dem Antrag auf Umdruck 1041 Ziffer 6 zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer Ziffer 12 in der Ausschußfassung annehmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Enthaltung? - Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
Ziffer 12 a. Ein Antrag der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 1035 Ziffer 35. - Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
({0})
Gehen Sie doch ins Restaurant, da sitzen Sie doch sowieso die halbe Zeit!
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe unseren Antrag zu dem Problem der Abfindung von Witwen im Falle ihrer Wiederverheiratung zu begründen. Wir verlangen in unserem Antrag, daß die Abfindungssumme auf den dreifachen Betrag einer Jahresrente dieser Witwe heraufgesetzt wird.
({1})
Ich hoffe mit diesem Antrag Ihren eigenen Bestrebungen entgegenzukommen und Ihrer Sucht nach Moral, die Sie hier so oft zum Ausdruck gebracht haben, wenn Sie von den „Onkel-Ehen" gesprochen haben. Hier 'hätten Sie eine gute Gelegenheit, durch eine anständige Abfindung die Gefahr, die eine Wiederverheiratung bei dem Charakter gewisser Ehemänner immer in sich birgt, auf ein Minimum zu reduzieren. Darüber hinaus hätten Sie damit auch die Möglichkeit, der Witwe zu helfen, in ein geordnetes Familienverhältnis, in eine geordnete Ehe hineinzukommen. Also ich komme mit unserem Antrag Ihren Moralbedürfnissen und zugleich dem Interesse der Witwen entgegen, und ich bitte Sie, unserem Antrag stattzugeben, damit Ihre Klagen über die Onkel-Ehen endlich aufhören.
({2})
Weitere Wortmeldungen hierzu liegen nicht vor. Ich lasse abstimmen. Wer für Annahme dieses Änderungsantrages ist, ,den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer Ziffer 12 a in der Ausschußfassung annehmen will, der möge die Hand erheben. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, es sind Anträge angekündigt, eine Ziffer 12 b einzufügen.
Aber zunächst Antrag der Gruppe der KPD auf Umdruck Nr. 1035 Ziffern 36 und 37. Verzichten Sie auf Begründung, Herr Renner?
({0})
({1})
Dann der Antrag Umdruck Nr. 1034 Ziffer 5. Frau Dr. Probst, verzichten Sie auf Begründung?
({2})
- Es ist sehr schwer, sich durch alle diese Anträge durchzufinden, entschuldigen -Sie.
Dann der Antrag Umdruck Nr. 1041 Ziffer 7. Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Antrag Umdruck Nr. 1041 Ziffern 7 und 8 begründen. Der Herr Finanzminister hat heute in einer seiner Reden sehr leidenschaftlich dem Haus zugerufen: Was muten Sie der Bundesregierung zu? Ich möchte diesen Satz umkehren und sagen: Was mutet die Regierung den Kriegerwaisen zu? Wenn Sie ihnen eine Grundrente von 10 DM und eine Ausgleichsrente von 21 DM, insgesamt also eine monatliche Rente von 31 DM gewähren, dann bedeutet das, daß für eine Kriegerwaise für Erziehung, Pflege und Verpflegung täglich nur i DM aufgewendet werden darf. Wahrscheinlich wissen die Herren hier im Hause nicht, was die Lebenshaltung für ein Kind kostet: deshalb will ich hier keine Kostenrechnung aufmachen.
({0})
- Nein, Sie wissen es nicht, aber Ihre Frauen wissen es, und Ihre Frauen würden -die Dinge wahrscheinlich anders beurteilen, als Sie es hier tun. Ich möchte Ihnen aber ein Beispiel anführen. Wenn Sie sich hier im Hause verpflegen, dann brauchen Sie an einem Tag mindestens 10 DM, ohne -daß Sie sich etwas Besonderes geleistet haben. Wenn man das in Verhältnis setzt zu dem, was man mit dieser Rente, die bisher gewährt worden ist, einem Kind pro Tag bieten kann, dann geht daraus klar hervor, daß man mit dieser Rente den Lebensunterhalt der Kriegerwaisen einfach nicht sichern kann. Das zeigt doch mit aller Deutlichkeit, daß die soziale Sicherung der Kriegerwaisen nicht gewährleistet ist, sondern -daß es in erster Linie den Müttern überlassen bleibt, durch Hinzuverdienen für die Lebenssicherung ihrer Kinder zu sorgen. Aus den Berichten der Schulärzte ist zu ersehen - ich habe selbst einige sehr genau studiert -, daß der Gesundheitszustand der Kinder in den letzten Jahren wieder erheblich nachgelassen hat. Man kann mit Sicherheit annehmen, daß ein ganzer Teil dieser Kinder den Kreisen der Kriegshinterbliebenen angehört. Ich meine, daß der Staat gerade diesen Kindern gegenüber eine ganz besondere Verpflichtung hat. Diese Verpflichtung muß ein Rechtsanspruch sein und kann nicht mit der sozialen Fürsorge, die im Bundesversorgungsgesetz festgelegt ist, abgegolten werden.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie reden doch so viel vom Schutz der Familie, und Sie haben einen Antrag eingebracht, daß ein Familienreferat geschaffen werden soll. Wir haben es hier mit Kindern aus Familien zu tun, die ganz besonders gefährdet sind, weil der Vater fehlt und die ganze Last der Familie auf der Mutter ruht. Hier hätten Sie nun einmal eine Möglichkeit, wenn Sie unserem Antrage zustimmen, zu beweisen, daß es Ihnen wirklich um eine ganz positive Familienpolitik geht. Sie haben kürzlich in einem sozialpolitischen Gesetz, in der Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, hier deutlich zum Ausdruck gebracht, daß der Rechtsanspruch des Kindes auf Erziehung zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit Ihnen so sehr am Herzen liege. Ich glaube aber, daß es mit solchen programmatischen Erklärungen einfach nicht getan ist. Sie kennen ja -den Satz: An -den Taten werdet ihr sie erkennen! Wir werden sehen, wie nachher die Abstimmung in dieser Sache ausfällt.
Ich möchte noch einen Punkt anführen. Wenn es vielleicht in diesem Hause Abgeordnete geben sollte, die die soziale Notlage der Kriegerwaisen nicht einsehen, dann möchte ich den Befürwortern des EVG-Vertrages folgendes sagen. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts stellte ein General Horn im Rheinland fest, daß nicht genügend Rekruten ausgehoben werden konnten, weil die Jugendlichen durch die schlechten Umweltbedingungen für den Militärdienst nicht tauglich waren. Ich hoffe, daß Sie alle für die Kinder der Gefallenen mehr übrig haben, als daß diese Anspielung nötig wäre, um Ihre Zustimmung zur Erhöhung der Waisenrenten zu erhalten. Es scheint mir völlig überflüssig, noch weiter auseinanderzusetzen, daß ein Kind mit einer Rente von 31 DM im Monat nicht erhalten werden kann. Ich appelliere an Ihre Vernunft und Ihr Verantwortungsgefühl und bitte Sie, -dem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe -die Beratung. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für -die Anträge der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 1035 Ziffern 36 und 37 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt.
Wer für den Antrag -auf Umdruck Nr. 1041 Ziffer 7 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die Abstimmung ist unklar; wir müssen im Wege -des Hammelsprungs die Mehrheit feststellen.
({0}) Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, mit -der Auszählung zu beginnen.
({1})
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. An der Abstimmung haben sich 319 Mitglieder des Hauses beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 152, mit Nein 166 bei einer Stimmenthaltung. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Ziffer 13 der Vorlage. Herr Abgeordneter Renner, verzichten Sie auf die Begründung Ihres Antrages Ziffer 38?
({2})
Dann der Antrag Umdruck Nr. 1041 Ziffer 8. Wird auf Begründung verzichtet? ,
({3})
Dann lasse ich abstimmen. Wer für den Antrag Umdruck Nr. 1035 Ziffer 38 ist, den 'bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; -der Antrag ist abgelehnt.
Wer für -den Antrag Umdruck Nr. 1041 Ziffer 8 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen, und zwar durch Erheben von den Sitzen. Wer für den Antrag Umdruck Nr. 1041 Ziffer 8 ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist -die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({4})
Wer für Ziffer 13 der Ausschußfassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Ziffer 13 ist angenommen.
Ziffer 14. Herr Abgeordneter Renner, verzichten Sie auf die Begründung Ihres Antrages Umdruck Nr. 1035 Ziffer 39? - Sie verzichten.
({5})
- Meine Damen und Herren, durch diesen Beifall reizen Sie den Kollegen Renner, seine Anträge doch noch zu begründen.
({6})
Der Änderungsantrag Umdruck Nr. 1041 Ziffer 9 wird nicht besonders begründet.
Dann lasse ich zunächst über den Antrag Umdruck Nr. 1035 Ziffer 39 abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
- Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Umdruck Nr. 1041 Ziffer 9. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für Ziffer 14 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; Ziffer 14 ist angenommen.
Zwischen Ziffer 14 und Ziffer 15 soll nach dem Antrag der kommunistischen Gruppe eine weitere Ziffer eingeschoben werden. Dieser Antrag ist in Umdruck Nr. 1035 Ziffer 40 zu finden. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Renner.
({7})
Ich kann mir eine Bemerkung an die Adresse der Klatschenden in der Ecke nicht gut verkneifen.
({0})
Ich bin der Meinung, daß Sie der Sache, um die es geht, durch das läppische und lächerliche Verhalten, das Sie hier an den Tag legen, wirklich nicht dienen.
({1})
- Ich stehe immerhin 36 Jahre in der Kriegsopferbewegung und habe ein Recht mitzureden, im Gegensatz zu manchem, der jetzt erst merkt, daß es überhaupt Kriegsbeschädigte gibt, seitdem wir über die Novelle diskutieren.
({2})
Meine Damen und Herren, es gibt wohl in der ganzen Versorgungsgesetzgebung kein unbefriedigenderes Kapitel als das der Versorgung der Kriegereltern. Wir sind der Meinung, daß diese Versorgung auf eine neue Grundlage gestellt werden soll, und haben deshalb beantragt, daß Eltern, die ein Kind auf Grund einer Schädigung nach § 1 BVG verloren haben, generell Elternrente erhalten. Als Voraussetzung für den Bezug von Elternrente möchten wir im Gesetz verankert wissen, daß jeder die Elternrente erhält, der körperlich oder geistig gebrechlich ist oder das 50. Lebensjahr überschritten hat oder im Sinne der Reichsversicherurigsordnung Invalide ist oder - und das ist der entscheidende Gegensatz zu der derzeitigen Regelung - keinen Unterhaltsanspruch gegenüber Personen hat, die imstande sind, ausreichend für ihn zu sorgen. Die heutigen Elternrenten liegen, wenn man die dafür geltenden Einkommenshöchstgrenzen mitberücksichtigt, weit unter dem kommunalen Wohlfahrtsrichtsatz für ein Elternpaar. Die Kriegereltern, die ihr Anrecht auf Renten nach diesem Gesetz haben, sind in den allermeisten Fällen gezwungen, auch noch die kommunale Wohlfahrtspflege in Anspruch zu nehmen. Ich glaube, daß kein Kreis aus dem Personenkreis des Bundesversorgungsgesetzes höheres Anrecht auf Versorgung hat als ein Kriegerelternpaar, das mit dem Tode des Sohnes auch den Ernährer verloren hat. Wer weiß, wie rigoros geprüft wird, ob noch unterhaltspflichtige und unterhaltsfähige Kinder vorhanden sind, der muß wollen, daß die Kriegerelternrente von dem derzeitigen Odium befreit wird, der muß anerkennen, daß ein Elternpaar, auf das die Bedingungen, die wir unter Ziffer 2 hier festgehalten haben, zutreffen, ohne weiteres Anspruch auf eine Elternrente hat, deren Erhöhung um 30 % wir in unserem Ergänzungsantrag gefordert haben.
Keine Wortmeldung?
- Dann kommen wir zur Abstimmung über diesen Änderungsantrag. Damit kein Irrtum entsteht: es handelt sich um Umdruck Nr. 1035 Ziffer 40. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann Ziffer 15. Herr Abgeordneter Renner, verzichten Sie auf die Begründung Ihres Antrags, Umdruck Nr. 1035 Ziffer 41? ({0})
Dann Umdruck Nr. 1041 Ziffer 10. Zur Begründung hat das Wort die Frau Abgeordnete Ansorge.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat in Umdruck Nr. 1041 Ziffer 10 einen Antrag auf . Erhöhung der Elternrente eingebracht. Danach soll der § 51 Abs. 1 und 2 folgende Fassung erhalten:
({0}) Die volle Elternrente beträgt monatlich bei einem Elternpaar 90 Deutsche Mark,
bei einem Elternteil 65 Deutsche Mark.
({1}) Die Elternrente ist nur insoweit zu gewähren, als sie zusammen mit dem sonstigen Einkommen ({2}) folgende Monatsbeträge nicht übersteigt:
bei einem Elternpaar 150 Deutsche Mark, bei einem Elternteil 120 Deutsche Mark.
Das ist der Satz unter Berücksichtigung einer Erhöhung der Sätze des Teuerungszulagengesetzes um 30 %. Bei Verlust mehrerer Söhne ist der Betrag um 10 DM bei einem Elternpaar und 5 DM bei einem Elternteil zu erhöhen.. Hier handelt es sich um einen Personenkreis, der heute am Lebensabend steht. Es sind Menschen, die in Not und Sorge im zweiten Weltkrieg und in der Folgezeit ihre Söhne großgezogen haben, die einmal die Stütze ihres Alters sein sollten. Damals standen die Väter im Felde, sind Gefallen oder kamen als Krüppel nach Hause. Weil damals die Elternbeihilfen, die Unterstützungen usw. noch niedriger lagen, wurden sie gezwungen, bei drei und vier Kindern Arbeit anzunehmen, um ihre Familie überhaupt unterhalten zu können. Die Frauen mußten damals in die Betriebe gehen, um Granaten zu drehen, mit denen sich draußen im Felde ihre Männer gegenseitig niedergeschossen haben.
({3})
({4})
Wenn wir heute diesen Antrag gestellt haben, so deswegen, damit endlich einmal eine einigermaßen menschenwürdige Versorgung dieser Kriegereltern erfolgt. Viele sind dabei, die drei und vier Söhne verloren haben. Der damalige Staat hat ihnen versprochen, für ihr Alter in ausreichender Weise zu sorgen. Sie, meine Herren und Damen, und die heutige Bundesregierung sind die Rechtsnachfolger des damaligen Staates und Sie sind auch verpflichtet,
({5})
- Sie und wir alle sind verpflichtet, ausreichend dafür zu sorgen, daß die Versprechungen wahrgemacht werden, die man ihnen damals gegeben hat. Damals hat man erklärt: Der Dank des Vaterlandes ist euch sicher! Ich möchte Sie heute bitten, den Antrag unserer Fraktion anzunehmen. Dann kann ich Ihnen versichern: Der Dank der alten Eltern usw. ist Ihnen auch sicher!
({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der KP auf Umdruck Nr. 1035 Ziffer 41. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Gegen die Antragsteller abgelehnt.
Wir stimmen dann über den Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 1041 Ziffer 10 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 15 der Ausschußvorlage zu § 51. Ich bitte diejenigen, die der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe die Ziffern 16 und 17 der Ausschußvorlage - § 52 und § 53 - auf. Dazu liegen keine Anträge und keine Wortmeldungen vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Dann liegt ein Antrag auf Einfügung eines § 53 a vor, und zwar handelt es sich um einen Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 1041 Ziffer 11. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Geritzmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gemäß Umdruck Nr. 1041 Ziffer 11 soll ein § 53 a eingefügt werden. Im Namen meiner Fraktion beantrage ich:
Stirbt eine Witwe, die Bezüge nach diesem Gesetz erhält, so werden der Vollwaise für die auf den Sterbemonat folgenden drei Monate noch die Beträge gezahlt, die der Verstorbenen nach den §§ 40, 41 und 51 zu zahlen gewesen wären.
Dieser Antrag bedeutet die Einführung eines Gnadenvierteljahrs, wie es z. B. im Beamtenrecht gewährt wird. Durch die Übergangszeit von drei Monaten soll den Vollwaisen Gelegenheit gegeben werden, sich ihren finanziellen Verhältnissen allmählich anzupassen und sich über die erste große Not hinwegzuhelfen. Ich bitte Sie im Namen meiner Fraktion, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Keine weiteren Wortmeldungen? - Dann schließe ich die Beratung und komme zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem eben begründeten Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt, und damit entfällt die Einfügung.
Ich rufe auf Ziffer 18 § 55. Dazu liegt ein Streichungsantrag der KPD Umdruck Nr. 1035 Ziffer 42 vor.
({0})
- Ist schon begründet. - Wir kommen also zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Streichungsantrag der KPD zustimmen, die Hand zu heben. - Gegen die Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte dann diejenigen, die der Ziffer 18 -§ 55 - in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
In Umdruck Nr. 1035 Ziffern 43 und 44 liegen Anträge der KPD auf neue Einfügungen vor. Die Begründung dazu ist schon gegeben. Wir stimmen darüber ab. Ich bitte diejenigen, die diesen Anträgen zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich rufe § 58 in der Fassung der Vorlage auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Dann kommen wir zu § 59, Ziffer 20. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor; ich stelle die Annahme der Ziffer 20 fest. - Weiter liegen Änderungsanträge der KPD auf Umdruck Nr. 1035 Ziffern 45 bis 49 vor. Auch das ist bereits begründet.
({1})
- Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Änderungsantrag zu § 60 des BVG streben wir etwas an, was nach allgemeiner Auffassung der Kriegsopferorganisationen unbedingt im Gesetz verankert werden müßte. Wir haben beantragt, daß § 60 folgende neue Fassung erhält:
({0}) Die Versorgungsbehörden sind zu einer Kürzung von Renten erst dann berechtigt, wenn über den Einspruch bzw. die Berufung des Rentenberechtigten gegen den Kürzungsbescheid die Spruchinstanz auf Landesebene rechtskräftig entschieden hat. Die Versorgungsbehörden sind zu einer Entziehung 'der Renten erst dann berechtigt, wenn über die Berufung bzw. den Rekurs des Rentenberechtigten die Spruchinstanz auf Bundesebene rechtskräftig entschieden hat.
({1}) Der Rentenberechtigte nach diesem, Gesetz, dem durch Entscheid der Versorgungsbehörde die Rente gekürzt oder entzogen werden soll, hat das Recht, sich für das Berufungsverfahren vor der Landes- oder Bundesinstanz auf Kosten der Versorgungsbehörde ein Obergutachten von einem Krankenhaus, einer Universitätsklinik oder einer anerkannten ärztlichen Autorität nach eigener Wahl zu beschaffen.
Meine Damen und Herren, die Methode, nach der
eine Reihe von Versorgungsärzten die Rentenkür({2})
zungen und die Rentenentziehungen durchführt, hat in den letzten Monaten überall breiteste empörte Kritik gefunden. Ich nenne aus der Masse der Fälle, die uns im Bundestag beschäftigt haben, nur den einen Fall Kulich, des armen Kameraden aus Bayern, der zum Selbstmord gegriffen hat und bei dem erst im Zuge der Obduktion festgestellt worden ist, welches krasse Unrecht ihm die Versorgungsärzte zugefügt haben.
Als letzten Beweis in dieser Linie zitiere ich die Veröffentlichungen des VDK über die Tagung der Hirnverletzten in Godesberg. Dort heißt es wörtlich:
Lebhafte Klagen wurden über die Methoden der versorgungsärztlichen Gutachten und der Nachuntersuchungen laut.
- Lebhafte Klagen wurden auf dieser Tagung der Hirnverletzten laut! Insbesondere wurde der häufige Mißbrauch der Begriffe „anlagebedingtes Leiden" und „schicksalsmäßiger Verlauf" als Begründung für ablehnende Bescheide heftig kritisiert.
Das ist also eine offizielle Stellungnahme der größten deutschen Kriegsopferorganisation, auf deren Meinung Sie ja gelegentlich zu hören vorgeben.
Das Thema, das wir in unserem Antrag aufgegriffen haben, stinkt zum Himmel; jeder, der es mit den Kriegsopfern ehrlich und ernst meint, müßte diese Kautele in das Versorgungsgesetz einfügen. Wir haben bereits bei der ersten Diskussion des Gesetzes über die Sozialgerichtsbarkeit über diesen Komplex gesprochen und schon damals gefordert, daß die genannte Bestimmung entweder in dieses Gesetz oder in das SozialgerichtsbarkeitsGesetz eingefügt wird. Darf ich Sie daran erinnern, daß nach dem vor 1933 geltenden Verfahrensrecht die Spruchinstanzen das Recht hatten, auf Grund eines eigenen Beschlusses solche Obergutachten einzufordern! Darf ich daran erinnern, daß es damals möglich war, daß eine Spruchinstanz von sich aus dem klagenden Kriegsbeschädigten das Recht zusprach, auf Kosten des Fiskus ein derartiges Obergutachten einzuholen, um zu seinem Recht zu kommen!
Unsere Anträge fordern also in diesem Punkte gar nichts Neues. Sie fordern nur die Wiederherstellung eines Rechtes, das Weimar den Kriegsbeschädigten bzw. den Spruchinstanzen vor 1933 zugestanden hat. Das wollen wir.
Vor allen Dingen aber wollen wir einen Hebel dagegen einschalten, daß die willkürlichen Rentenquetschungsbescheide noch weiterhin ergehen. Wir schaffen das aus der Welt, wenn wir das Rechtskräftigwerden derartiger Bescheide davon abhängig machen, daß die erste bzw. die zweite Berufungsinstanz erst zu dem Fall Recht gesprochen hat. Wenn wir diese Sicherung einschalten, dann hört der willkürliche, der leichtfertige Entzug von Renten durch die Versorgungsbehörden von selber auf.
Keine weiteren Wortmeldungen. - Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich glaube, ich kann über sämtliche Anträge zugleich abstimmen lassen. Es handelt sich um die Anträge der KPD auf Umdruck Nr. 1035 Ziffern 45 'bis 49. Ich bitte
diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Abgelehnt.
Zu Ziffer 20 a liegt ebenfalls ein Änderungsantrag der KPD Umdruck Nr. 1035 Ziffer 50 vor.
({0})
- Keine Wortmeldungen.
Wir kommen 'zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die der Ziffer 20 a in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; 'angenommen.
Wir kommen zu Ziffer 20b. Ich bitte diejenigen, die der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist ebenfalls die Mehrheit; angenommen.
Zu Ziffer 21 liegt ein Änderungsantrag Umdruck Nr. 1035 Ziffer 51 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
({1})
- Das Wort wird nicht gewünscht. - Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 1035 Ziffer 51 zustimmen, die Hand zu heben. - Zweifellos die Minderheit; abgelehnt.
Dann bitte ich diejenigen, die Ziffer 21 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Es liegt nun vor wieder ein Antrag der KPD, Umdruck Nr. 1035 Ziffer 52 zu § 71, der zu der Ziffer 21 a gehört, über die wir jetzt beraten. Wird das Wort gewünscht?
({2})
- Das Wort ist nicht gewünscht. Wir stimmen zunächst ab über den Änderungsantrag der KPD Umdruck Nr. 1035 Ziffer 52. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Zweifellos die Minderheit; abgelehnt.
Wir kommen nun zu Ziffer 21 a in der Fassung der Ausschußvorlage. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 73 liegt ein Antrag der KPD vor, Umdruck Nr. 1035 Ziffer 53. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Es geht hier um die Ausschließungsgründe für die Kapitalabfindung, die in dem § 73 des BVG enthalten sind. Ich hatte vor einigen Wochen schon Gelegenheit, in einer mündlichen Anfrage den Fragenkomplex zu streifen, den wir mit unserem Antrag ansprechen. Im Gesetz steht, daß die Abfindung nur dann gezahlt werden darf, wenn „nach Art des Versorgungsgrundes nicht zu erwarten ist, daß innerhalb des Abfindungszeitraumes die Rente wegfallen wird". Wir beantragen, den Passus „nach Art des Versorgungsgrundes nicht zu erwarten ist, daß innerhalb des Abfindungszeitraumes die Rente wegfallen wird" zu streichen. Warum wollen wir das? Heute machen die Versorgungsbehörden die Bewilligung der Abfindungen, die ja auf eine Kann-Vorschrift zurückgeht, wie das im Gesetz ganz eindeutig festgelegt ist, davon abhängig, daß die Garantie dafür gegeben ist, daß der
({0})
Rentenberechtigte den Zeitraum, für den die Abfindung gilt, also den Zeitraum der zehn Jahre überlebt. Zwar haben sie die Möglichkeit, die Rentenabfindungssumme für den Fiskus dadurch zu sichern, daß sie auf das zu bebauende Grundstück eine Hypothek legen. Sie können sich also in jedem Fall eine Garantie dafür verschaffen, daß die Kapitalabfindungssumme dem Fiskus nicht verlorengeht. Aber wie wirkt sich die Bestimmung in der Praxis aus? Vor kurzem habe ich einen Fall aus der Nähe von Hagen vorgetragen. Der Mann ist schwer tbc-krank. Die Versorgungsbehörde besitzt - es gibt kein anderes Wort dafür - die Roheit. ihm zu sagen: Wegen Ihres körperlichen Zustandes besteht keine Gewähr dafür, daß Sie diese zehn Jahre überleben. Mit dieser wirklich hundertprozentig unanständigen Begründung schickt man den Mann nach Hause. Alle Versuche, das aus der Welt zu schaffen, waren erfolglos. Der Herr Minister kennt den Fall; vielleicht kennt er ihn nicht persönlich, aber seine Beamten kennen ihn. Ich muß sogar zugeben, daß sein Ministerium den Fall an die zuständigen Beamten in Düsseldorf weitergegeben hat, Aber da sitzen ja auch so kleine Adenauers, die haben ihn genau so abgelehnt.
({1})
Machen Sie sich einmal klar, welche Roheit darin liegt, daß man einem hundertprozentig tbc-kranken oder krebskranken Menschen sagt: Du bekommst keine Kapitalabfindung, weil du die zehn Jahre nicht überdauerst, für die wir sie dir zusprechen. Wollen Sie das verantworten, zumal Sie doch die Garantie haben, durch eine Hypothek das, was Sie da hergeben, für die Versorgungsbehörde bzw. für den Fiskus zu sichern? Das ist doch eine unverantwortbare Roheit im Gesetz, die man beseitigen muß.
({2})
- Nein, in Ihrem eigenen Gesetz, Herr Minister, steht drin, daß es nur .dann gewährt werden darf, wenn die Garantie gegeben ist, daß der Zeitraum erfüllt wird. Sie kennen doch die Materie, Herr Minister, und sie müßten doch, wenn Sie Ihr Inneres sprechen lassen, mir recht geben. Ich habe doch recht, wenn ich von Ihnen und von dem Hause verlange, daß diese Ungeheuerlichkeit aus dem Gesetz herauskommt. Wer kann denn so etwas verantworten! Sie verlieren doch gar nichts; sie haben doch die Garantie, das Geld in Form einer Hypothek für den Staat zu sichern. Warum also diese Roheit den Schwerkriegsbeschädigten gegenüber?
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge auf Umdruck Nr. 1035 Ziffer 53 und 54. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu heben. - Das ist zweifellos die Minderheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann bitte ich diejenigen, die der Ziffer 22 in der Fassung der. Vorlage zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe die Ziffern 23, 24 und 25 auf. Dazu liegen weder Änderungsanträge noch Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache und komme zur Abstimmung. - Ich bitte diejenigen, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen zu Ziffer 26. Dazu liegt ein Änderungsantrag der KP Umdruck Nr. 1035 Ziffer 55 und ein Änderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 1041 Ziffer 12 vor.
Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hatte seinerzeit nur unter schwersten Bedenken dem § 86 Abs. 3 zugestimmt, der die Möglichkeit vorsieht, daß die Renteneinstufung ohne wesentliche Änderung der Verhältnisse durch eine einfache Korrektur des ärztlichen Befundes geändert wird.
Es war nicht zu bestreiten, daß für eine gewisse Zeit ein Bedürfnis für die Möglichkeit solcher Korrekturen bestand, weil in den Jahren nach Ende des Krieges oftmals die Einstufung der Beschädigten ohne vorhergehende gründliche ärztliche Untersuchung unter Übernahme von Befunden aus Lazarettpapieren des Beschädigten vorgenommen werden mußte.
In der Zwischenzeit haben die mit der Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes betrauten Behörden drei Jahre Zeit gehabt, solche Korrekturen in jenen Einzelfällen vorzunehmen, in denen die Untersuchung nicht mit der notwendigen Sorgfalt und Gründlichkeit vorausgegangen war. Nach Ablauf dieser drei Jahre erscheint es uns mit Rücksicht auf die rechtsstaatliche Ordnung und das Vertrauensverhältnis 'zwischen dem kriegsbeschädigten Staatsbürger und der staatlichen Verwaltung nicht vereinbar, daß weiterhin von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, ohne die Angabe von Gründen den Grad der Erwerbsminderung durch einfache Bescheidkorrektur zu ändern.
Wir sind dazu um so weniger in der Lage, als die Praxis der Vergangenheit 'bewiesen hat, daß man mit dem § 86 Abs. 3 einen unerhörten Mißbrauch im behördlichen Raume getrieben hat.
({0})
Man hat nämlich nicht nur jene Rentenfälle begradigt, in denen eine sorgfältige Untersuchung nicht vorausgegangen war, sondern es sind mir eine ganze Reihe von Fällen bekannt, in denen auch solche Rentenfestsetzungen mit dem § 86 Abs. 3 zu ändern versucht wurden, die kraft eines Urteils des Oberversicherungsamtes festgesetzt waren.
Das führte natürlich zwangsläufig zu neuen Einspruchsverfahren, die kostspielig sind und bei denen von vornherein klar .ist, daß die Versorgungsverwaltung in der Rechtsauseinandersetzung verlieren wird. Es ist also nur zweckmäßig, daß die Bundesregierung von vornherein auf solche fragwürdigen Praktiken verzichtet und die dubiosen Fälle, die jetzt nach Ablauf von drei Jahren noch übriggeblieben sein sollten, im Interesse der Rechtssicherheit in Kauf nimmt. Schließlich und endlich müssen auch die Beschädigten ärztliche Fehldiagnosen, die doch nur allzu menschlich sind und die sich zu ihren Ungunsten auswirken, hinnehmen und haben nicht die Möglichkeit, diese Dinge zu korrigieren. Deshalb muß auch der Staat diese menschlichen Unzulänglichkeiten in Kauf nehmen und darf sich nicht immer ein Ventil schaffen, durch das er auf seinem Gebiet ausmerzen kann, was er die Beschädigten zu ertragen zwingt.
Es liegt ein weiterer Änderungsantrag der Gruppe der KP vor. Soll er begründet werden?
({0})
- Nein. Keine weiteren Wortmeldungen.
Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 12 des Änderungsantrags der SPD betreffend § 86 Abs. 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 55 des Antrags der KP Umdruck Nr. 1035. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 26 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe Ziffer 27 auf. Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu Ziffer 28 liegt unter Ziffer 56 des Umdrucks Nr. 1035 ein Änderungsantrag der KP vor. - Ohne Begründung. Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 56 des Änderungsantrags Umdruck Nr. 1035 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Gegen die Stimmen der Antragsteller und des Herrn Bundesfinanzministers abgelehnt.
({1})
- Des Herrn Abgeordneten Schäffer, ich bitte um Entschuldigung.
Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 28 der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe Art. II auf. - Herr Abgeordneter Arndgen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Nr. 4 des Art. II des vorliegenden Entwurfs stelle ich den Änderungsantrag:
In § 7 werden die Worte:
„bei der Bemessung der Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und der Elternrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und den bis zu seinem Inkrafttreten maßgebend gewesenen versorgungsrechtlichen Vorschriften sowie"
gestrichen.
Zur Begründung folgendes: Nach einem dem Bundestag vorliegenden Initiativgesetzentwurf über die Erhöhung der Unterstützungssätze in der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenfürsorge ist beabsichtigt, die Bestimmungen des Teuerungszulagengesetzes ebenfalls fortfallen zu lassen, die eine Gewährung der Teuerungszulage zur Arbeitslosenfürsorgeunterstützung vorsahen. Die Teuerungszulage soll in die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung eingebaut werden. Damit fällt § 7 des Teuerungszulagengesetzes auch fort, soweit er sich auf die Arbeitslosenfürsorge bezieht. Mit Rücksicht auf
dieses Initiativgesetz ist eine Änderung des bisherigen Art. II Nr. 4 notwendig.
Ich übergebe den Antrag dem Herrn Präsidenten. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
Wird das Wort zu dem Antrag gewünscht? - Meine Damen und Herren, ich bin zwar kein Fachmann, ich vermag aber nicht ganz den Sinn dieses Antrags zu verstehen. In § 7 sollen also die genannten Worte gestrichen werden? Das Haus müßte doch wenigstens wissen, worüber es abstimmen soll.
Herr Präsident, im Art. II heißt es, daß der § 7 des Teuerungszulagengesetzes eine neue Fassung erhalten soll. Es heißt im § 7 des Teuerungszulagengesetzes: „Nach dem Gesetz bleiben bei der Gewährung von Unterstützung der Arbeitslosenfürsorge außer Ansatz ...."
Da aber das Haus heute oder morgen ein Gesetz zum Arbeitslosenversicherungs- und Arbeitsvermittlungsgesetz verabschiedet, das eine andere Bestimmung enthält, fällt § 7, wie er hier vorgeschlagen ist, weg. Daher sind auch in dem § 7 des Teuerungszulagengesetzes die Worte, die in diesem Antrag angegeben sind, zu streichen.
Also, meine Damen und Herren, ich habe es hoffentlich mit Ihnen zusammen richtig verstanden. Es geht darum, daß die hier vorgeschlagene Fassung des § 7 nicht beschlossen, sondern die bisherige Fassung abgeändert werden soll. Ist das richtig, Herr Abgeordneter Arndgen?
({0})
- Wir haben es ja noch gar nicht beschlossen, Herr Abgeordneter Renner.
({1})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag, den der Abgeordnete Arndgen gestellt hat, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; dieser Änderungsantrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die Art II unter Berücksichtigung dieser Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Art. III, - Art. IV, - Art. V, - Art. VI. - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren. die den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen. um ein Handzeichen. - Das ist die überwiegende Mehrheit; sie sind angenommen.
Meine Damen und Herren, ich komme zur
dritten Beratung.
Wird zur 'allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? ({2})
Meine Damen und Herren, es war eine Redezeit
von 60 Minuten für die allgemeine Aussprache der
dritten Beratung vorgesehen. Darf ich fragen: Wird
({3})
das Wort dazu gewünscht? Also im Rahmen der Redezeit von 60 Minuten schlage ich Ihnen vor, Herr Abgeordneter Pohle.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, von meiner Fraktion aus, nachdem die Fronten hier klargeworden sind, die von uns gestellten Anträge zu wiederholen, die in der zweiten Lesung abgelehnt worden sind. Ich habe für die sozialdemokratische Fraktion zur dritten Lesung folgende Erklärung abzugeben:
Die sozialdemokratische Fraktion kann nur das tiefste Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, was in Mehrheitsentscheidungen in der zweiten Beratung hier erzielt worden ist. Was 1950 mit der Schaffung des Bundesversorgungsgesetzes hoffnungsvoll begonnen wurde, endete im Jahre 1953 mit einer großen Enttäuschung für die Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen. Das 'bedeutet besonders im Hinblick auf die abgelehnte Erhöhung der Grundrente nicht einmal die Erhaltung der Kaufkraft der Renten, sondern durch die inzwischen eingetretene Teuerung eine Rentenkürzung. Für die Beschreitung dieses Weges tragen die Koalitionsparteien in diesem Hause die volle Verantwortung vor den deutschen Kriegsopfern.
Da sich die Bundestagsfraktion der SPD an dieser Aufrechterhaltung der Grundrentenkürzung nicht mitschuldig machen will, wird sie sich in der Schlußabstimmung zu diesem Gesetz der Stimme enthalten. Sie hofft jedoch, in diesem Hause einmal eine Mehrheit zu finden, von der dann die soziale Gerechtigkeit für die Kriegsopfer nicht nur gepredigt, sondern auch geschaffen wird.
({0})
Herr Renner hat sich zum Wort gemeldet.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Kommunisten in diesem Hause erkläre ich zu dieser Novelle folgendes:
Das, was in dieser Novelle an sogenannten Verbesserungen enthalten ist, bleibt selbst hinter dem zurück, was sogar die Regierung in ihrem ersten Entwurf zuzugestehen bereit war. So hat z. B. der Ausschuß mit der Begründung, daß die Haushaltslage das im Augenblick nicht vertretbar erscheinen lasse, es, trotz Anerkennung der Notwendigkeit einer Erhöhung, abgelehnt, die Zuschläge für Ausgleichsrenten um 30 % zu erhöhen. Der Ausschuß hat lediglich eine Erhöhung um 20 % empfohlen. Was der Herr Minister zu diesem Gesetz gesagt hat, nämlich daß seine Durchführung eine Erhöhung der Ausgaben um einige 300 Millionen bedeute, ist insofern nicht richtig, als wir alle wissen, daß diese erhöhten Ausgaben kompensiert werden durch die Einsparungen bzw. durch die Überschätzung der Ausgaben im letzten Etat. Also hier wird nicht mehr bewilligt, sondern hier wird nur das, was bewilligt war, was aber nicht zur Auszahlung gelangte im Rahmen des bestehenden Haushalts, verausgabt. Das ist der Inhalt Ihrer Novelle!
Aber nun noch ein Wort an die Kriegsopfer, die es angeht. Ihnen kann man nur sagen: Das ist der Dank des Hauses Adenauer,
({0})
das ist der Dank dieser Adenauer-getreuen Koalition! Man kann hier in diesem Hause nur immer
wieder herausstellen, daß der Kampf um die soziale Sicherstellung nur erfolgreich geführt werden kann, wenn er als Kampf gegen die gesamte Politik dieser Adenauer-Regierung und der sie tragenden Koalition geführt wird. Das muß herausgestellt werden. Die Kriegsopfer, die eine Rentenverbesserung so dringend nötig haben, müssen sich darüber klarwerden, daß sie dieses Adenauer-Regime auf der ganzen Linie bekämpfen müssen, daß sie bei der nächsten Wahl zu seinem Sturz beitragen müssen. Denn dieses Regime, das den Sozialberechtigten, den Kriegsopfern, das Existenzminimum versagt, hat mehr als das Dreifache dessen, was die Rentenversorgung für die Kriegsopfer ausmacht, zugegebenermaßen bereits im Jahr verplempert für die Wiederaufrüstung und die daraus resultierende Gefahr eines neuen Krieges.
({1})
Wer also den Kriegsopfern helfen will, muß sie in Bewegung setzen gegen dieses Kabinett Adenauer und gegen das Regime, dessen politischer Repräsentant der Herr Bundeskanzler Adenauer ist. Hoffentlich ziehen die Kriegsopfer draußen aus der Art und Weise, wie ein Teil der Herren Abgeordneten dieses Hauses sich heute bei der Beratung dieses Gesetzes benommen hat, den richtigen Schluß und erkennen, wie wenig wirkliches Interesse diese Herren für die Belange der notleidenden Kriegsopfer aufbringen. Hoffentlich geben sie Ihnen bei der Wahl im September die gebührende Antwort!
({2})
Oder glauben Sie, Sie könnten sie angesichts dieser Novelle noch länger über Ihre wirkliche Haltung. zu diesem Komplex im unklaren halten? Glauben Sie, daß es draußen auch nur einen Kriegsbeschädigten gibt, der nicht begreift, wie sehr Sie die Kriegsbeschädigten in den letzten Monaten irregeführt haben, welches Spiel Sie mit ihnen getrieben haben? Ich bin sicher, daß die Kriegsopfer Ihnen am 6. September die gebührende Antwort geben werden! .
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwei kurze Feststellungen: Ich stelle fest, daß heute eine Reihe Anträge gestellt worden sind, von denen der Herr Finanzminister erklärt hat, daß sie finanziell undurchführbar seien. Ich stelle ferner fest, daß am gestrigen Tage sämtliche Haushalte, in denen doch die Ausgaben, die nach Ihrer Auffassung heute hätten beschlossen werden sollen, nun niedergelegt sein müßten, von Ihnen ({0}) restlos abgelehnt worden sind. Das ist ein Widerspruch in sich selbst.
({1})
Und die zweite Feststellung: Die SPD hat eben erklären lassen, daß sie sich bei diesem Gesetz in der dritten Lesung der Stimme enthalten würde. Meine Damen und Herren von der SPD! Wenn wir das gleiche täten, was geschähe denn dann? Sie enthalten sich deshalb der Stimme, weil Sie das Vertrauen haben, daß wir die volle Verantwortung für das, was zu geschehen hat, übernehmen!
({2})
Herr Abgeordneter Erler! - Herr Abgeordneter Renner, Sie haben ihre Redezeit verbraucht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin einigermaßen erschüttert ({0})
- daß Sie erschüttert sind, das merke ich auch -, ich bin einigermaßen erschüttert, daß ein Vertreter Ihrer Koalition sich hierhin stellt und fragt, was eigentlich passieren würde, wenn er sich auch noch weigere, die Verantwortung für ein Gesetz zu übernehmen, das Sie selbst beschlossen haben!
({1})
Herr Abgeordneter Arndgen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest, daß es nach den Bemühungen einer ganzen Reihe von Wochen dem Hause möglich gewesen ist, die Leistungen an die Kriegsopfer aufzubessern,
({0})
und zwar im Rahmen des Möglichen.
({1})
Ein Abgeordneter der SPD-Fraktion hat mit einem besonderen Augenaufschlag zur Tribüne hin davon gesprochen: „Wenn wir einmal die Mehrheit in diesem Hause haben!" Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ob wir als CDU und CSU die Mehrheit in diesem Hause haben oder nicht, wir werden immer verantwortungsbewußt darauf bedacht sein, den im Schatten des Lebens Stehenden das Notwendige zu schaffen.
({2})
Daß wir von diesem Wollen beseelt sind, bestätigt der Antrag, den ich vorhin während der zweiten Lesung ganz kurz begründet habe.
({3})
Wenn dieses Sondergesetz noch hätte geschaffen werden können, dann hätten wir die Voraussetzungen geschaffen, daß auch bezüglich der Grundrenten vorsorglich etwas vorbereitet worden wäre. Es war aber nicht möglich, die Erhöhungen, die beantragt worden sind, in die Novelle aufzunehmen, weil dann das Gesetz nicht hätte verabschiedet werden können. Ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir, wenn diese Mehranforderungen Gesetz geworden wären, dieses Gesetz dem Haushaltsausschuß hätten zuleiten müssen; denn auf irgendeine Weise hätte man die Mehrausgaben doch decken müssen.
({4})
Gestern, als der Etat für Kriegsfolgelasten zur Debatte stand, hätten Sie Gelegenheit gehabt, Anträge auf Einbeziehung von Ansätzen zu stellen, die diesen Ihren Anträgen gerecht geworden wären. Aber Sie haben es nicht für notwendig gehalten, auch nur ein Wort zu solchen Anträgen vorzubringen.
({5})
Dieses Versäumnis zeigt, daß es Ihnen gar nicht darauf ankam, Ihre Anträge auch Wirklichkeit werden zu lassen.
({6})
Sie stellten diese Anträge nur aus propagandistischen Gründen.
({7})
Denn wäre es nicht Propaganda, dann hätten Sie gestern die entsprechenden Anträge beim Etat für Kriegsfolgelasten stellen müssen. Das haben Sie nicht getan.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe schon während der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß sich bei der Abstimmung ein Irrtum eingeschlichen hat. Es ist abgestimmt worden über die Änderung der Ausgleichsrente nach dem Umdruck Nr. 1041; ich glaube, es ist die Ziffer 6 gewesen. Da glaubte der Herr Präsident feststellen zu müssen, daß bei diesem Abstimmungsergebnis der von den Regierungsparteien gestellte Antrag, nach dem in Art. I Ziffer 10 der Wortlaut des Abs. 2 des § 33 in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1950 wiederhergestellt werden solle, erledigt sei. Ich stelle diesen Antrag erneut und bitte, ihm zuzustimmen.
Frau Abgeordnete Kalinke! - Meine Damen und Herren! Darf ich Sie daran erinnern, daß wir uns vorgenommen haben, morgen abend die Beratungen dieses Bundestages zu beenden.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Das Erbe der großen Opfer des Krieges und der Vorkriegszeit tragen wir hier alle gemeinsam. In diesem Hause ist mehr als einmal ausgesprochen worden, daß die Opfer des Krieges die letzten sein sollten, mit deren Not politische Parteien im Wahlkampf oder davor Propaganda machen sollten.
({0})
Wir, die Generation dieser Kriege, die drinnen und draußen das Unheil und die Trümmer erlebt haben, wir haben auch nicht vergessen, daß diejenigen, die heute hier gesprochen haben, sozial scheinen wollten, aber nicht sozial gehandelt haben da, wo sie die Verantwortung trugen und wo sie die Gelegenheit zum Handeln hatten.
({1})
Die Sozialdemokratische Partei weiß, daß in jener Zeit, als mein Freund Herr Dr. Seebohm in Niedersachsen für die Kriegsopfer mit Pakenham verhandeln mußte, viele ihrer Freunde mit den Besatzungsmächten der Meinung waren, es genüge, wenn man die Unfallversicherung auch auf unsere Kriegsopfer übertrage.
Ich möchte kein Wort zu den Anträgen des Herrn Renner sagen. Er hätte allen Anlaß, hier beschämt die Augen niederzuschlagen und an das zu denken, was im Osten geschehen ist,
({2})
ganz zu schweigen von dem Unglück der vielen Opfer des Krieges in russischen Lägern, an die wir jeden Tag und jede Stunde denken.
Wir haben auch nicht vergessen und werden nie vergessen, wie diejenigen, die sich heute so ge({3})
bärden, von deutschen Soldaten, Kriegsgefangenen und Kriegsopfern zu anderen Zeiten gesprochen haben.
({4})
Ich bedaure, daß wir heute die Eröffnung des Wahlkampfes ausgerechnet bei der Novelle zum Bundesversorgungsgesetz erlebt haben.
({5})
Meine politischen Freunde haben das Vertrauen, nicht nur die Funktionäre der Organisation der Kriegsopferversorgung - auf die kommt es nicht so an -, sondern die deutschen Kriegsopfer werden es lieber sehen, daß ihnen diese Bundesregierung nach dem Möglichen - auch wir hätten sehr gern sehr vieles besser gemacht! - die bisherigen Leistungen geschaffen hat, um in einer künftigen Fortentwicklung des Bundesversorgungsgesetzes den sozial Schutzbedürftigen wahrhaft zu helfen, allen übrigen aber die eigene Kraft zu stärken, damit sie als Kriegsbeschädigte das Gefühl haben, als gleichwertige Bürger mit allen anderen Staatsbürgern wieder aus eigener Kraft für sich und die Ihren zu sorgen.
({6})
Das wird das vornehmste Ziel unserer Sozialpolitik sein.
Ich kann nur wiederholen, was ich .beim Haushalt der Kriegsfolgelasten gesagt habe: Nicht die Höhe der sozialen Leistungen ist entscheidend,
({7})
sondern ihre gerechte und sinnvolle Verteilung und Anwendung. Ihnen aber, die Sie heute hier Wahlreden gehalten haben, möchte ich ins Stammbuch schreiben: Denken Sie daran, daß es immer darauf ankommt, sozial zu handeln und nicht nur soziale Fanfaren zu blasen.
({8})
Wir werden diesem Gesetz zustimmen.
({9})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fröhlich.
Fröhlich ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Gesamtdeutschen Blocks möchte ich folgende Erklärung zu dieser Novelle abgeben.
Die Novelle zum Bundesversorgungsgesetz entspricht nicht den Erwartungen der Masse der Kriegsopfer. Während die Vorzüge der heutigen Novelle nur einem geringen Teil der Kriegsopfer zugute kommen, ist der Schwerpunkt, nämlich die Erhöhung der Grundrente, nicht berücksichtigt worden. Hierin aber liegt gerade die Härte. Mit dieser Novelle, die nur die Empfänger der vollen Ausgleichsrente anspricht, werden bei den Kriegsbeschädigten nur etwa 3 %, bei den Kriegerwaisen etwa 8 % und bei den Kriegerwitwen nur etwa ein Drittel erfaßt, während die Masse der Kriegsopfer diesmal leer ausgeht. Wir sind der Auffassung, daß eine grundsätzliche Strukturänderung des BVG durch den neuen Bundestag angestrebt werden muß, da insbesondere die Ausgleichsrente gegen den Rechtsanspruch der Kriegsopfer verstößt. Wenn wir heute der Vorlage zustimmen, dann in der Hoffnung, daß der neue Bundestag eine baldige Reform des BVG durchführt, die insbesondere die Erhöhung der Grundrenten vorsieht, um diese dem
Preisgefüge anzupassen, und sie in etwa an die Sätze des RVG von 1927 heranführt, einen vollen Ausgleich für den körperlichen Schaden und den Verlust des Ernährers gewährt und einen Ausgleich für den beruflich-wirtschaftlichen Schaden für den Fall, daß eine berufliche Unterbringung nach dem Schwerbeschädigtengesetz nicht möglich ist, sicherstellt.
Meine Damen und Herren, keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine - - Zur allgemeinen Aussprache Herr Abgeordneter Pohle!
Ich muß Sie noch einmal behelligen, Herr Präsident.
Zur allgemeinen Aussprache!
Eine Minute!
Eine Minute!
Meine Damen und Herren! Das habe ich erwartet! Weniger von Herrn Becker, aber bei der geschätzten Kollegin Frau Kalinke bin ich nach der Richtung hin etwas gewöhnt. Und ich muß schon sagen: Die Posaunenklänge, die hier ertönt sind, nehme ich gelassen entgegen.
({0})
Ich erinnere an ein altes Wort, das Bismarck einmal im Reichstag zu den Konservativen gesprochen hat: Wenn Sie nicht ein wenig Furcht vor der
Sozialdemokratie hätten, würden die wenigen sozialen Errungenschaften nicht erreicht sein, die wir
im Deutschen Reich den Arbeitern gegeben haben.
({1})
- Meine Damen und Herren, ich bin durchaus bereit, darauf Rücksicht zu nehmen, daß sich das Parlament in einem Fieberzustand befindet.
({2})
- Ich bin gleich fertig, wenn Sie sich einen Augenblick beruhigen!
Ich möchte Ihnen, Herr Dr. Becker, sagen: Sie scheinen nicht zu begreifen, wenn auch im Kriegsopferausschuß die Erhöhung der Grundrente nur mit Stimmengleichheit abgelehnt worden ist, daß auch auf der Seite Ihrer Freunde zum Teil ein echter Gewissenskonflikt vorgelegen hat. Was wir hier an propagandistischen Fanfaren gehört haben, hat uns in der Ansicht bestärkt, daß das, was wir vermutet haben, richtig ist. Wir werden Ihnen nicht den Gefallen tun, unsere Stimmenthaltung weiter aufrechtzuerhalten; wir werden trotz unserer Bedenken dem Gesetz zustimmen.
({3})
Herr ,Abgeordneter Pohle, es ist allgemein nicht üblich, auf Raten zu reden!
({0})
Meine Damen und Herren! Ich bin so glücklich darüber, daß ich Ihnen noch eine Freude bereitet habe.
({0})
Meine Damen und Herren, damit können wir die allgemeine Aussprache schließen.
Zur Einzelbesprechung rufe ich auf erstens die Ziffer 10. Der Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP und DP Umdruck Nr. 1033 ist wiederholt und von Herrn Abgeordneten Arndgen begründet worden. Ich brauche ihn nicht noch einmal zur Aussprache zu stellen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 1033 zuzustimmen wünschen, ein Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 10 in der so abgeänderten Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Ich rufe auf Ziffer 11. Ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu § 40. Frau Abgeordnete Hubert wünscht ihn zu begründen.
Zu § 40 schlägt meine Fraktion folgende Änderung vor:
Die Grundrente der Witwe beträgt 52 Deutsche Mark monatlich. Hat eine Witwe, die weder erwerbsunfähig ist noch für Kinder im Sinne des § 41 Abs. 1 Buchstabe c zu sorgen hat, das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet, 30 beträgt die Grundrente 26 Deutsche Mark monatlich.
Das entspricht ganz allgemein der Anhebung der Grundrenten, die von uns hier schon weitgehend begründet worden ist, und bedeutet, daß diese sich auch auf die Witwen erstrecken soll. Ich glaube, ich brauche das nicht weiter zu begründen.
Wird das Wort dazu gewünscht? - Offenbar nicht. Ich schließe die Besprechung zu Ziffer 11.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der SPD, der soeben von der Frau Abgeordneten Hubert begründet wurde, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, ich komme damit zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß der Gesetzentwurf vom Bundestag einstimmig verabschiedet ist.
({0})
- Meine Damen und Herren, darf ich fragen: Hat jemand dagegen gestimmt? - Hat sich jemand der Stimme enthalten? - Also bei wenigen Enthaltungen ist das Gesetz im übrigen einstimmig angenommen. Vielleicht darf ich es so feststellen.
Meine Damen und Herren, ich habe dann weiterhin die Entschließung unter Ziffer 2 des Antrags des Kriegsopferausschusses, Drucksache Nr. 4493, zur Abstimmung zu stellen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Entschließung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Entschließung ist angenommen,
Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen immer noch nicht die Freude machen, die persönliche Erklärung des Herrn Abgeordneten Renner entgegenzunehmen. Ich bitte Sie zunächst, über Ziffern 3 und 4 des Antrags des Kriegsopferausschusses abzustimmen, die dahingehen, eine Reihe von Anträgen und die eingegangenen Eingaben und Petitionen für erledigt zu erklären. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
({1})
- Meine Damen und Herren, bin ich wirklich so schlecht zu verstehen? Ich glaube, es liegt vielleicht mehr an der Unruhe im Hause als an mir. - Diese Anträge des Ausschusses sind angenommen.
Der Herr Abgeordnete Renner wünscht im Rahmen des § 35 der Geschäftsordnung eine persönliche Erklärung abzugeben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Arndgen von der CDU hat die Behauptung aufgestellt, die Fraktionen bzw. die Abgeordneten, die heute anläßlich der Beratung der Novelle zum Bundesversorgungsgesetz Anträge gestellt haben, die Mehrausgaben beinhalten, hätten bei der Verabschiedung des Haushaltsplans nicht daran gedacht, Anträge auf Erhöhung der Positionen im Haushaltsabschnitt „Kriegsfolgelasten" zu stellen. Ich stelle demgegenüber fest, Herr Arndgen - nachkontrollierbar an Hand des Protokolls des Bundestages
-, daß wir Kommunisten zum Haushalt der Kriegsfolgelasten 1953 beantragt haben, die dort enthaltenen Positionen zu erhöhen, um eine 30 %ige Erhöhung der Grundrenten, der Ausgleichszulagen, der Witwen- und Waisenrenten, der Elternrenten
({0})
und eine Verdoppelung der Einkommensfreigrenzen zu § 34 durchführen zu können. Diese unsere Anträge sind von der Gesamtheit des Hauses abgelehnt worden, auch von Herrn Arndgen.
({1})
- Möchten Sie noch etwas, Frau Kalinke? ({2})
Ihre persönliche Erklärung ist offenbar beendet, Herr Abgeordneter Renner.
Zu einer persönlichen Erklärung hat das Wort der Abgeordnete Bazille.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der ersten Lesung des soeben verabschiedeten Gesetzes hat der Herr Bundesminister für Arbeit von dieser Stelle aus erklärt, daß in der „Fackel", dem Organ des Verbands der Kriegsbeschädigten, dessen langjähriger Herausgeber ich war, eine Bemerkung gestanden hätte, wonach sein Ministerialdirektor wegen Unfähigkeit aus Bayern abgeschoben worden sei. So ähnlich lautete die Formulierung. Ich habe ihn ebenfalls von dieser Stelle aus aufgefordert, den Wahrheitsbeweis für diese seine Behauptung anzutreten. Er ist ihn schuldig geblieben. Er hat sich zwar
({0})
persönlich dem Präsidenten des Verbandes der Kriegsbeschädigten gegenüber damit entschuldigt, daß er einem Irrtum zum Opfer gefallen sei. Ich bedaure, daß ich diese Berichtigung an seiner Stelle vornehmen muß, da er offensichtlich nicht den Mut gefunden hat, dem Hause zu sagen, daß er hier eine falsche Behauptung aufgestellt und verbreitet hat.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte nicht geglaubt, daß diese Dinge heute hier vorgetragen würden. Ich habe damals im Bundestag tatsächlich zwei Dinge miteinander verwechselt. In der „Fackel" ist einer der maßgebendsten Leute in meinem Ministerium in einer meiner Meinung nach unverantwortlichen Weise behandelt worden. Daraufhin habe ich Leute, die die tieferen Zusammenhänge kannten und kennen mußten, gefragt: Woher kommt das? Da ist mir gesagt worden: es ist uns mitgeteilt worden, daß er wegen Unfähigkeit aus dem bayerischen Ministerium entfernt worden sei. Das hat nicht in der „Fackel" gestanden. Aber es hat in der „Fackel" gestanden, daß der Mann nicht, wie es heißt, die Qualifikation habe, im Arbeitsministerium die Fragen der Kriegsbeschädigten zu behandeln. Dagegen habe ich mich damals hier gewehrt, und ich habe die Herren von der Organisation gefragt, ob sie wünschten, daß ich diese Erklärung nun nochmal abgeben sollte. Es hat niemand Gewicht darauf gelegt. Ich weiß nicht, ob Herr Bazille von seiner Organisationsleitung heute nun den Auftrag bekommen hat, die Sache noch einmal aufzugreifen.
({0})
Ich darf annehmen, daß diese Frage damit erledigt ist.
Heute morgen sind die Abstimmungen zu Punkt 2 der Tagesordnung zurückgestellt worden. Ich kehre jetzt zu Punkt 2 zurück:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Förderungsprogramm für die Gebiete an der Sowjetzonengrenze ({1});
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({2}) über den Antrag 'der Fraktion der SPD betreffend Protest gegen Evakuierungsmaßnahmen im sowjetzonalen Zonengrenzgebiet ({3});
c) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({4}) über den Antrag der Fraktion der 'SPD betreffend Sicherheit im Zonengrenzgebiet ({5});
d) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({6}) über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Schutz der Zonengrenzgebiete ({7});
e) Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({8}) betreffend Hilfsmaßnahmen an der Zonengrenze ({9}).
Wir haben hier zunächst die Drucksache Nr. 4467 Dazu ist von den Abgeordneten Dr. von Merkatz und Fraktion und dem Abgeordneten Ewers der Antrag gestellt worden, unter Ziffer 2 a) in der vierten Zeile zwischen die Worte „sowie" und „den Salinen" die Worte „der Fischindustrie" einzuschieben. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag 'der Deutschen Partei zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit: diese Änderung ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die unter Berücksichtigung dieser Änderung der Drucksache Nr. 4467 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie ist angenommen.
Ich komme zu Drucksache Nr. 4468 betreffend Protest gegen Evakuierungsmaßnahmen im sowjetzonalen Zonengrenzgebiet. Es wird beantragt, diese Drucksache, den Antrag der SPD, für erledigt zu erklären. Ich bitte die Damen 'und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist erledigt.
Ich komme zu Drucksache Nr. 4469, zum gleichen Antrag des Ausschusses. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; er ist angenommen.
Das gleiche gilt für Drucksache Nr. 4470. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist 'die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zum Antrag Drucksache Nr. 4563 betreffend Hilfsmaßnahmen an der Zonengrenze. Dazu liegt ein Antrag der Abgeordneten Behrisch, Brookmann, Dr. Solleder, Dr. Henn und Genossen betreffend Ausdehnung des Förderungsprogramms für das Zonengrenzgebiet auf den gesamten Eisernen Vorhang von Flensburg bis Passau vor, ein Antrag des Ausschusses für Grenzlandfragen. Ich lasse zunächst über diesen Antrag abstimmen, der eine Ergänzung darstellt. Oder eine Abänderung?
({10})
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag Behrisch, Brookmann usw. zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Ich bitte die Damen und Herren, die Drucksache Nr. 4563 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; sie ist ebenfalls angenommen.
Damit sind die Abstimmungen zu Punkt 2 erledigt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ({11}) ({12});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({13}) ({14}).
({15})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Weber ({16}). Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Weber ({17}) ({18}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorschlag des Rechtsausschusses, über den ich hinsichtlich des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anerkennung des deutschen Widerstandes und zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts, Nr. 3472 der Drucksachen, und hinsichtlich des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, Nr. 4527 der Drucksachen Anlage 1, und hinsichtlich des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Bundesentschädigungsgesetzes, Nr. 4527 der Drucksachen Anlage 3, zu berichten habe, stellt etwas Ungewöhnliches, in der Parlamentsgeschichte wohl kaum Dagewesenes vor. Er geht nämlich dahin, den Entwurf des von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzes, Anlage 1 der Drucksache Nr. 4527, ohne Änderung oder Ergänzung anzunehmen. Dabei haben die Fraktionen, soweit sie im Rechtsausschuß vertreten waren, durch ihre Vertreter dortselbst erklären lassen, daß auch bei der weiteren Behandlung des Gesetzentwurfs in zweiter und dritter Lesung keine Änderungsanträge gestellt würden. Dieses ungewöhnliche Verfahren bedarf einer kurzen Erläuterung.
Der Ausschuß sieht dieses Verfahren dadurch als gerechtfertigt an, daß ein Problem, das so außerordentliche Bedeutung hat wie die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus, auch ein außerordentliches Verfahren rechtfertigt, daß der erste Bundestag nicht nach Hause gehen darf, ohne auf diesem Gebiet eine Regelung geschaffen zu haben, die dem tief gekränkten Rechtsempfinden wieder Genugtuung verschafft und den Opfern eines ruchlosen Unrechtssystems soweit wie möglich materielle Hilfe bringt.
Der Ausschuß hatte ja gar nicht die Möglichkeit, die ihm heute vor acht Tagen überwiesenen Gesetzentwürfe sachlich zu beraten und zu behandeln.
({19})
In Voraussicht dieser Lage hatte er aber schon vor Monaten eine gewisse Vorsorge getroffen und im April mit den Beratungen auf Grund des damals bereits dem Ausschuß vorliegenden Gesetzentwurfs der SPD, allerdings auf der Grundlage des zur Verfügung gestellten Referentenentwurfs, der in der Regierungsvorlage fast unverändert übernommen wurde, und unter Heranziehung des uns ebenfalls bereits als Bundesratsdrucksache zugeleiteten Entwurfs des Initiativgesetzes des Bundesrats zu einem Bundesentschädigungsgesetz, begonnen. Der Ausschuß war mit der Materie eingehend vertraut; hatte er sich doch schon anderthalb Jahre lang mit der Beratung dieser Fragen befaßt. Seine damaligen Anträge hatten in 'der Drucksache Nr. 3583, die am 11. September vorigen Jahres von diesem Hause einstimmig verabschiedet wurde, ihren Niederschlag gefunden.
Diese Drucksache hatte zwei Anliegen: erstens die Regelung dei. Entschädigung. Es waren darin bestimmte Vorschläge gemacht worden, und an die Bundesregierung war die Aufforderung ergangen, diese Vorschläge in einem Bundesergänzungs- und Rahmengesetz zu berücksichtigen. Der Antrag hatte aber noch ein zweites Anliegen. Er hatte auch die Probleme der Rückerstattung und die dadurch aufgeworfenen Fragen angesprochen und deren Regelung von der Bundesregierung verlangt.
Die Beratung erwies sich als so schwierig, daß nur eine erste Lesung der materiellen Bestimmungen des Gesetzes - das sind die §§ 1 bis 76 -durchgeführt werden konnte. Inzwischen war die Zeit so weit vorgeschritten, daß eine eingehende sachgemäße Beratung und Beschlußfassung nicht mehr möglich war. Deshalb mußte ein anderer Weg beschritten werden, wenn die Verabschiedung ,des Gesetzes noch sichergestellt werden sollte. In dieser Lage machten in der vorletzten Woche 'die Ausschußmitglieder der Sozialdemokratischen Partei drei Vorschläge: Erstens: Unveränderte Annahme des Regierungsentwurfs, der zwar damals noch nicht vorlag, uns aber als Referentenentwurf bekannt war. Zweitens: Unveränderte Annahme des Bundesrats-Entwurfs. Drittens, für den Fall der Ablehnung dieser beiden Anträge: Ausdehnung des Entschädigungsgesetzes der US-Zone auf die britische und eventuell auf die französische Zone.
Meine Damen und Herren, ich darf Sie der Abkürzung halber auf die Berichterstattung in der Sitzung vom 11. September 1952 verweisen und Sie nur noch 'darauf aufmerksam machen, daß in der britischen Zone noch keine Regelung für Vermögens- und sogenannte Existenzschäden bestand. Von 'den Ländern ist - das muß man in diesem Zusammenhang betonen - gewiß schon manches auf dem Gebiete 'der Wiedergutmachung getan worden. Aber die Regelungen waren lückenhaft. Daß der Bundestag erst heute zur Behandlung kommt, liegt daran, daß wir in den ersten Jahren noch der Ansicht sein konnten, die Länder, die in der Regelung noch rückständig waren, würden doch noch eigene Ländergesetze schaffen, wie sie in der amerikanischen Zone und auch in der französischen Zone in umfassender Weise bestehen.
Die Ausschußmitglieder der Sozialdemokratie verlangten eine alsbaldige Klärung der Frage, welcher dieser drei Vorschläge angenommen werde. Im Ausschuß bestand Einmütigkeit darüber, daß ein gangbarer Weg gesucht werden müsse, um das Entschädigungsproblem noch in diesem Bundestag zur Lösung zu bringen. Von anderer Seite wurde geltend gemacht, mit der Regierungsvorlage erledige sich nur ein Teil der Forderungen, die das Hohe Haus am 11. 'September 1952 durch die Annahme der Anträge Drucksache Nr. 3583 erhoben hat, allerdings der vordringlichste Teil, die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus. Es wurde darauf hingewiesen, daß der zur Herstellung des Rechtszustandes ebenso bedeutsame zweite Teil, die Regelung der sich aus der Rückerstattung ergebenden Probleme, noch unausgeführt bleibe. 'Beide Unrechtstatbestände hätten ihre Wurzel im gleichen Vorgang. Das Recht sei unteilbar. Deshalb müsse auch möglichst noch der zweite Teil ides 'Beschlusses vom 11. September 1952 verwirklicht werden.
Einzelne Mitglieder wollten ihre Zustimmung. zum Entschädigungsgesetz von der gleichzeitig erfolgenden Regelung der rückerstattungsrechtlichen Probleme abhängig machen. Dabei wurde darauf verwiesen, daß gelegentlich der Verabschiedung und Ratifizierung des Israel-Abkommens vom Bundestag erneut ein Antrag angenommen worden war, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, längstens bis zum 1. Mai auch zur Erfüllung dieses Teils, des zweiten Teils der Drucksache Nr. 3583, ein Gesetz vorzulegen. Die Vertreter der Regierung gaben dahin Auskunft, der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung 'der rückerstattungsrechtlichen Probleme habe noch nicht fertiggestellt werden können. Sie gaben aber die Zusage, diesen Ent({20})
wurf während der Parlamentsferien zu bearbeiten, so daß er dem neuen Bundestag alsbald vorgelegt werden würde.
Nach Beratung dieser Sachlage in den Fraktionen beschloß der Ausschuß dann einstimmig bei einer Stimmenthaltung, 'dem ersten Vorschlag, En-bloc-Annahme des Regierungsentwurfs, zuzustimmen. Unter diesen Umständen kann es 'nicht meine Aufgabe sein, mich mit der gesetzlichen Regelung im einzelnen zu befassen. Ich darf vielmehr auf die Begründung des Regierungsentwurfs und die Ausführungen, die die Referentin des Bundesjustizministeriums, Frau Landgerichtsrat Dr. Becker, im Bundesanzeiger Nr. 103 vom Mittwoch, dem 3. Juni 1953, nichtamtlicher Teil S. 4 ff., gemacht hat, verweisen.
Der Entwurf bringt in seinem Kernstück eine Ausdehnung des Entschädigungsrechts der US-Zone auf das gesamte Bundesgebiet und enthält dazu auch noch Verbesserungen dieses Rechts. Er geht aber auch darüber hinaus und bringt insbesondere entsprechend der Forderung des Bundestags in seinem Beschluß vom 11. September 1952 auch die Einbeziehung der Widerstandskämpfer in die Entschädigung. Des weiteren hat der Entwurf entsprechend den im Haager Abkommen übernommenen Verpflichtungen in den §§ 67 bis 76 auch die Sondergruppen, nämlich die Verfolgten aus den Vertreibungsgebieten, Staatenlose und politische Flüchtlinge sowie Nationalverfolgte, in den Kreis der Entschädigungsberechtigten aufgenommen. Ferner hat er im § 79, wie es unserer damaligen Forderung entsprach, einen weitgehenden Härteausgleich vorgesehen. Das Verfahren ist auf der Grundlage des in der amerikanischen Zone geltenden Rechts geregelt worden, und entsprechend der von uns erhobenen Forderung ist auch eine Revisionsinstanz, also die Möglichkeit der Anrufung des Bundesgerichtshofs, vorgesehen.
Der Ausschuß hat seine Arbeit darauf beschränkt, einige redaktionelle Änderungen vorzunehmen und einige Leerstellen auszufüllen. Dies ersehen Sie im einzelnen aus der Drucksache Nr. 4590, die Ihnen ja vorliegt.
Zur Erläuterung habe ich kurz folgendes zu sagen.
In der „Inhaltsübersicht" sind unter Art. I hinter den Worten „Neufassung und Erstreckung des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts" die Worte „vom 26. April 1949" zu streichen.
Zur Begründung ist folgendes zu sagen. In den Ländern der amerikanischen Zone gilt zwar ein einheitliches Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts, und dieses ist am 26. April 1949 vom süddeutschen Länderrat beschlossen worden. Es ist jedoch in den einzelnen Ländern zu verschiedenen Zeitpunkten verkündet worden. Aus diesem Grunde empfiehlt sich nach der Auffassung des Ausschusses die Streichung des Datums „vom 26. April 1949".
Ferner:
In der „Inhaltsübersicht" muß es unter „Erster Abschnitt" hinter „Zweiter Titel" an Stelle von „Geltendmachung und Übertragung des Entschädigungsanspruchs" richtig lauten: „Übergang und Übertragung des Anspruchs auf Entschädigung".
Die bisherige Überschrift für die §§ 10 bis 13 gibt
den Inhalt dieser Bestimmungen ungenau wieder.
Geregelt ist hier nicht die Geltendmachung, sondern der Übergang 'des Anspruchs auf Entschädigung.
In Art. I des Gesetzestextes sind die Worte „vom 26. April 1949" zu streichen.
Zur Begründung darf ich auf die soeben gemachten Ausführungen verweisen.
§ 8 Abs. 1 Nr. 4 erhält folgende Fassung:
„4. als Vertriebener im Sinne der §§ 1 und 2 des Bundesvertriebenengesetzes vom 19. Mai 1953 ({21}) im Geltungsbereich dieses Gesetzes seinen Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt genommen hat;".
Zur Begründung bemerke ich, daß inzwischen das Bundesvertriebenengesetz verabschiedet worden ist und die darin gegebenen Formulierungen übernommen werden sollen.
Das -gleiche gilt für die Ziffer 5, wo der Begriff des Zonenflüchtlings übernommen ist.
Zu 6! Die Überschrift von § 10 muß entsprechend der Berichtigung im Inhaltsverzeichnis nunmehr lauten: Übergang und Übertragung des Anspruchs auf Entschädigung.
§ 16 Abs. 5 Satz 2, der zunächst in Ihrer Vorlage mit Pünktchen versehen war, ist wie folgt auszufüllen:
Für die Zwecke dieses Gesetzes kann ein Antrag nach 'den genannten Rechtsvorschriften bis zum 1. Oktober 1955 gestellt werden, auch wenn die Fristen bei Inkrafttreten dieses Gesetzes abgelaufen sind oder vor dem 1. Oktober 1955 ablaufen.
Es war vorgesehen, daß 'diese Anträge bis zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden können, und nach dem Vorschlage des Ausschusses soll das Gesetz - dazu möchte ich gleich noch Näheres sagen - am 1. Oktober 1953 in Kraft treten.
In § 65 ist hinter dem Wort „Ausland" ein Punkt zu setzen. Die bisherigen Wörter „vom ({22})" entfallen. Zur Begründung ist zu bemerken, daß 'das Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Kriegsopferversorgung für Berechtigte im Ausland noch nicht verabschiedet ist. Soweit ich sehe, steht es erst morgen auf der Tagesordnung. Da das Gesetz noch nicht verabschiedet ist und infolgedessen die genaue Bezeichnung hier nicht aufgenommen werden kann, empfiehlt sich diese Streichung. Was gemeint ist, ist hinreichend klargestellt.
§ 68 enthält eine Angleichung an die Tatsache, daß das Bundesvertriebenengesetz inzwischen in Kraft getreten ist.
In § 71 ist lediglich ein redaktionelles Versehen richtigzustellen. Es muß richtig heißen: „Verfolgte im Sinne von Absatz 3", nicht „Absatz 1", wie es infolge eines Druckfehlers in 'der Vorlage steht.
Der § 91 Abs. 2 soll wie folgt ausgefüllt werden:
Der Anspruch auf Entschädigung ist von Berechtigten, die ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Inland haben, bis zum 1. Oktober 1954, von den übrigen Berechtigten bis zum 1. Oktober 1955 bei der zuständigen Entschädigungsbehörde anzumelden.
Das ergibt sich auch aus dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes.
({23})
Der § 113 soll dann wie folgt lauten:
Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1953 in Kraft.
Dazu noch einige Worte!
Das Gesetz wird, wenn es, wie wir hoffen, heute verabschiedet wird, noch durch den Bundesrat müssen, und es wird wohl kaum vor Mitte August im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden können.
Die Einrichtung der Behörden, vor allen Dingen in der britischen Zone, die bis jetzt völlig andere Einrichtungen hatte, wird eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Die Behörden müssen sich zunächst auch mit den Regelungen des Gesetzes vertraut machen können. Infolgedessen empfiehlt es sich, ihnen eine gewisse Zeitspanne zu geben, um das Gesetz kennenzulernen und die entsprechenden Vorkehrungen für die Durchführung des Gesetzes zu treffen.
Schließlich hat man noch erwogen, daß es auch gut sei, wenn ein Zeitpunkt gewählt würde, der wie der 1. Oktober die Hälfte des Haushaltsjahres darstellt, so daß sich dadurch haushaltsrechtlich gewisse Vorteile ergeben.
Namens des Ausschusses habe ich die Ehre, Sie, meine Damen und Herren, zu bitten, zu beschließen, dem Entwurf eines Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung ({24}) mit den eben vorgetragenen redaktionellen Änderungen, im übrigen unverändert nach der Vorlage Drucksache Nr. 4527 Anlage 1 zuzustimmen.
({25})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Dr. Brill.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor etwa zwei Stunden haben wir den Umdruck Nr. 1046 erhalten. Auf diesem Umdruck finden sich unter der Bezeichnung „Änderungsantrag der Gruppe der KPD" tatsächlich 47. einzelne Änderungsanträge zu dem vorliegenden Gesetz. Nun hat der Herr Berichterstatter dankenswerterweise bereits mitgeteilt, die großen Parteien im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht seien der Meinung, daß in der zweiten Lesung keine Änderungsanträge gestellt und auch nicht dazu gesprochen werden sollte. Um diese Absicht durchzuführen, bitte ich den Herrn Präsidenten auf Grund des § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung einen Beschluß des Bundestages dahingehend herbeizuführen, daß die Beratung über mehrere Einzelbestimmungen - nämlich über die §§ 1 bis 113 dieses Gesetzes - miteinander verbunden wird. Ich gestatte mir, Ihnen den Teil des in Frage kommenden § 80 der Geschäftsordnung vorzulesen, der die Überschrift trägt: „Zweite Beratung von Gesetzentwürfen". Dieser Paragraph ist also zweifelsfrei hier anwendbar. Ich zitiere ihn, soweit er hier in Betracht kommt:
Auf Beschluß des Bundestages kann . . . die Beratung über mehrere Einzelbestimmungen verbunden . . . werden.
Mehrere können mehr als eins, in diesem Falle also auch 113 sein.
Sollte der Bundestag, wie ich hoffe, einen solchen Beschluß fassen, so bitte ich den Herrn Präsidenten weiter, bei der Abstimmung nach § 83 -Überschrift: „Abstimmung in der zweiten Beratung" - zu verfahren. Ich lese den in Betracht kommenden Satz 1 vor: Über mehrere oder alle Teile eines Gesetzentwurfs kann gemeinsam abgestimmt werden.
Wie bei der Abstimmung nach dieser Vorschrift mit dem Änderungsantrag der Gruppe der KPD Umdruck Nr. 1046 zu verfahren wäre, ergibt sich in sehr einfacher Weise.
({0})
({1})
Herr Abgeordneter Müller!
Meine Damen und Herren! Offensichtlich bezweckt der Antrag, den der Kollege von der sozialdemokratischen Fraktion soeben gestellt hat, daß eine Einzelberatung des vorliegenden Gesetzentwurf, nicht durchgeführt werden soll. Ich bedaure diesen Antrag. Ich bedaure ihn um dessentwillen, weil nach meiner Auffassung eine Klarheit über die Bedeutung des vorliegenden Gesetzes bei vielen Abgeordneten des Hauses nicht vorhanden ist.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt, wenn alle - vor allen Dingen die selbst zu den Verfolgtenkreisen gehörenden - Mitglieder dieses Hauses dieses Gesetz in allen seinen Einzelheiten und seinen zusammenhängenden Wirkungen überprüft hätten, daß es dann nicht möglich wäre, daß ein solcher Antrag gegebenenfalls Ihre Zustimmung findet.
Ohne in die Materie selbst einsteigen zu können, stelle ich aber fest, und zwar entgegen den Auffassungen, wie sie der Herr Berichterstatter zum Ausdruck gebracht hat: Dieses Gesetz übernimmt nicht das in der US-Zone geltende Entschädigungsgesetz auf das gesamte Bundesgebiet, sondern es bringt in entscheidenden Bestimmungen erhebliche Verschlechterungen gegenüber dem in der US-Zone geltenden Gesetz, so daß es in seiner Wirkung gegenüber den Verfolgten des Naziregimes in ihrer Gesamtheit eine ungeheure Verschlechterung bedeutet. Darauf einzugehen, das im einzelnen nachzuweisen, dazu muß nach der Geschäftsordnung bei der Beratung in zweiter Lesung die Möglichkeit gegeben werden, und ich bitte Sie deshalb, diesen Antrag abzulehnen.
.Herr Abgeordneter Ewers zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion und, wie ich überzeugt bin, auch andere Abgeordnete dieses Hauses verfolgen mit Entsetzen, in welcher Weise wir in den letzten drei Tagen unseres sterbenden Bundestages hier die Gesetzgebungsmaschinerie überbeanspruchen.
({0})
({1})
- Nein, nicht heulen! Sie machen sich offenbar über die Wirkung solcher mit heißer Nadel und am Fließband hergestellten Gesetze in der öffentlichen Meinung keine richtige Vorstellung. Ich bin der Ansicht, daß jedenfalls das Ansehen des Bundestags, vielleicht auch die Geltung der Demokratie im Herzen des deutschen Volkes durch das, was wir jetzt in den drei Tagen hier betreiben, schwersten Schaden leiden kann.
({2})
Ich möchte deswegen betonen: Meine Fraktion hält es für ausgeschlossen, ein Gesetz zu verabschieden, dessen Tendenz auch von uns durchaus anerkannt wird und für das wir dem Prinzip nach an sich sehr wohl zu haben sind, ohne auch nur im geringsten eine flüchtige Vorstellung davon zu haben, welche Lasten es auf kurze oder lange Sicht dem Bunde auferlegt. Die Zahlen, die insbesondere darüber genannt sind, was die in den sogenannten Vertreibungsländern angerichteten Schäden anlangt, sind absolut vage und haben vorläufig gar kein Gewicht. Es fehlt an jeder Enquête, die auch nur im geringsten andeutungsweise etwas darüber sagen könnte. Insbesondere die neuen Entschädigungen für Berufsverhinderungen und dergleichen sind nicht mit irgendwie genau genug geschätzten Summen erfaßbar.
Hinzu kommt, daß es selbstverständlich Sache der öffentlichen Hand ist zu entschädigen und daß bei der Restitution diejenigen entschädigen müssen, die das Plus gemacht haben, und nicht die redlichen Käufer von Eigentum, das im Grundbuch auf ihre Verkäufer eingetragen war.
({3}) Diese Dinge gehören alle in ein Gesetz.
({4})
Ehe wir nicht genau wissen, was wir hier eigentlich auf uns nehmen, und solange wir uns mit der leeren Phrase begnügen, das würden j a die Länder tragen - was sie übrigens nicht tun; denn § 84 sagt ja deutlich: die Kosten trägt der Bund, und wir haben lediglich die Hoffnung, daß die Länder damit einverstanden sind, daß ihnen dann in den nächsten Paragraphen wieder Einzelleistungen aufgebürdet werden -, ehe wir, sage ich, das nicht alles genau wissen, kann kein Bundestag, selbst nicht am letzten Tag vor den Wahlen, es verantworten, ein solches Gesetz mit heißer Nadel unter Abwürgung aller Anträge - und kommen sie selbst von den Kommunisten - hier in Bausch und Bogen zu verabschieden.
Meine Fraktion ist nicht in der Lage, an einer solchen Gesetzgebungs-, man kann nicht mehr sagen: -„maschinerie", sondern -bastelei mitzuwirken, und beantragt ausdrücklich, die Vorlage an den Rechtsausschuß zurückzuüberweisen mit der Folge, daß sie dann von diesem Bundestag nicht mehr verabschiedet werden kann. Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, daß die beiden großen Fraktionen sich völlig darüber einig sind: im neuen Bundestag muß diese Vorlage nach den vorläufigen Beschlüssen des Rechtsausschusses ohnehin überholt werden. Sie wird uns also nach deren heutigem Anliegen dann noch ein halbes bis ein Jahr beschäftigen.
Aber diese Art der Gesetzgebung ist das, was den Gesetzgeber in der öffentlichen Meinung in der
Tat völlig erniedrigt. Denn damit bekennen Sie ja: Das ganze Gesetz ist nichts als ein Wahlmanöver. Und dafür ist der Bundestag uns zu gut.
({5})
Deshalb beantragen wir Zurückverweisung dieser Vorlage an den Rechtsausschuß, um im neuen Bundestag so schnell wie möglich das, was bisher versäumt worden ist, nachzuholen.
({6})
Dazu ein Wort. Zwischen den Länderregierungen und der Bundesregierung bestand bis vor eineinhalb Jahren Einigkeit darüber, daß ein Bundesgesetz nicht dringlich sei. Erst durch die neueren internationalen Abmachungen, die neue Rechtsentwicklung hat sich dieser Bedarf herausgestellt. Den Bundestag trifft weiß Gott kein Verschulden, wenn wir mit dieser Vorlage erst im zweiten Bundestag zu Rande kommen können.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Brill, - zur Geschäftsordnung, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, solange nicht über meine Anträge entschieden ist, befinden wir uns noch immer in der Geschäftsordnungsdebatte.
({0})
Ich will deshalb nicht den Bahnen des Herrn Abgeordneten Ewers folgen. Ich möchte Sie vielmehr nur bitten, die Einwände, die der Herr Abgeordnete Müller gegen meinen Antrag und meine Abstimmungsanregung erhoben hat, als gegenstandslos zu betrachten.
Nach meiner Ansicht muß das ganze Haus einem kommunistischen Abgeordneten die moralische und tatsächliche Legitimation zu solchen Einwänden bestreiten.
({1})
Die moralische deshalb, weil es in der sowjetischen Besatzungszone oder der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik eine Wiedergutmachungsgesetzgebung überhaupt nicht gibt.
({2})
Wer hier deshalb mit der Behauptung auftritt, unsere Gesetzgebung müsse gerade von der Kommunistischen Partei besonders auf ihre sachliche Zuverlässigkeit geprüft werden, handelt innerlich unwahr
({3})
und verdient nicht, daß er mit seinen Einwänden ernst genommen wird.
Aber auch was die tatsächliche Legitimation angeht, müssen wir so verfahren. Die Kommunistische Partei hat Gelegenheit gehabt, im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht mitzuarbeiten. Sie war in einer einzigen Sitzung durch den Herrn Abgeordneten Müller vertreten.
({4})
({5})
In dieser Sitzung hat der Herr Abgeordnete Müller nicht eine einzige Meinungsäußerung von sich gegeben.
({6})
Wenn er das sachliche Interesse besäße, das er heute von diesem Platz aus demonstrierte, so hätte er ja im Ausschuß seine Meinung sagen können, und der Herr Berichterstatter hätte das Haus sicherlich auch über seine Argumente informiert.
Drittens weise ich das Hohe Haus darauf hin, daß ein flüchtiger Vergleich des Umdrucks Nr. 1046 mit einer Petition, die der vormalige nordrhein-westfälische Ministerialdirigent Dr. Marcel Fränkel an den Bundestag gerichtet hat, beweist, daß diese Anträge die Privatarbeit des Herrn Dr. Fränkel und nicht eine Erfindung der Kommunistischen Partei sind.
({7})
Wenn der zweite Bundestag an die Novellierung des Gesetzes geht und den Herrn Dr. Fränkel, der sicher über Erfahrungen verfügt, als Sachverständigen einvernimmt, wird das für die Gesetzgebungsarbeit des Bundestages viel vorteilhafter sein, als wenn wir jetzt so verfahren, wie es Herr Abgeordneter Müller zur Geschäftsordnung beantragt hat.
Ich fasse mich dahin zusammen: Ich bitte das Haus, den von mir gestellten Antrag gemäß § 80 Abs. 3 anzunehmen, und ich bitte den Herrn Präsidenten, bei der Abstimmung nach § 83 Satz 1 zu verfahren.
({8})
Herr Abgeordneter Gerstenmaier zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Antrag .des Herrn Kollegen Dr. Brill ausdrücklich zustimmen und mich mit aller Entschiedenheit gegen die Behandlung wenden, die der Herr Kollege Müller von den Kommunisten hier vorgeschlagen hat. Ich bin der Auffassung, daß eine Partei wie die Kommunistische, die neue unerhörte Opfer gleicher Art auf dem Gewissen hat, uns in diesem Augenblick, in dem wir ohnehin unter Zeitdruck stehen, keine Sekunde mehr hindern darf, etwas zu tun, was zu tun höchste Zeit ist.
({0})
Und das muß jetzt und hier in diesem Hause geschehen!
Ich bedaure, vor der Notwendigkeit zu stehen, einen Antrag der Fraktion der Deutschen Partei ebenfalls abweisen zu müssen. Für meine Freunde und mich ist es völlig ausgeschlossen, dem Antrag des Herrn Kollegen Ewers auf Rückverweisung dieses Gesetzentwurfs an den Rechtsausschuß zuzustimmen.
({1})
Ich widerspreche also sowohl dem kommunistischen wie dem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei und bitte Sie, dem Geschäftsordnungsantrag des Herrn Professor Brill zu folgen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß die verschiedenen Standpunkte in der Geschäftsordnungsdebatte hinreichend geklärt sind.
({0})
- Ich gebe das Wort zur Geschäftsordnung nicht mehr.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist zunächst der Antrag gestellt worden, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zurückzuüberweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, eine Hand zu erheben. - Dieser Antrag ist gegen wenige Stimmen abgelehnt.
({2})
Jetzt hat Herr Abgeordneter Dr. Brill den Antrag gestellt, gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Beratung über die sämtlichen Einzelbestimmungen dieses Gesetzes und ,die dazu gestellten Änderungsanträge miteinander zu verbinden. Ich bitte die Damen und Herren, die für diese Verbindung sind, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses.
Meine Damen und Herren! Ich rufe zur
zweiten Beratung
dieses Gesetzes auf §§ 1 bis 113, unter Berücksichtigung der Korrekturen, die in der Drucksache Nr. 4590 zusammengestellt sind, - Einleitung und Überschrift. - Dazu liegt ein Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 1046 vor. Herr Abgeordneter Müller!
Meine Damen und Herren! Wünscht das Haus, eine Begrenzung der Redezeit vorzunehmen?
({3})
Wird ein Antrag dazu gestellt?
({4})
- Für die Gesamtaussprache, Herr Abgeordneter?
({5})
- Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag gestellt worden, die Aussprache für die zweite Beratung auf 15 Minuten zu begrenzen.
({6})
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag
zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. ({7})
Das ist die Mehrheit. Die Begrenzung der Redezeit ist beschlossen.
Herr Abgeordneter Müller, Sie haben. das Wort im Rahmen der Mindestredezeit von fünf Minuten.
({8})
Meine Damen und Herren! Ich glaube, dieser Beschluß, der soeben gefaßt worden ist, richtet Sie selbst. Ich habe in diesem Zusammenhang nur die Möglichkeit, darauf
({0})
zu verweisen, daß unter Vergewaltigung der Geschäftsordnung und der Rechte, die den Abgeordneten zustehen,
({1})
ein Gesetz verabschiedet werden soll, das in seinen Wirkungen ein schwerer Schlag gegen die Verfolgten des Naziregimes in ihrer Gesamtheit ist.
Erstens: In § 1 des Regierungsgesetzes werden die Bestimmungen über den Anspruch auf Entschädigung und den Ausschluß der nicht Anspruchsberechtigten niedergelegt. In diesem § 1 Abs. 4 wird u. a. festgelegt, daß keinen Anspruch auf Entschädigung hat - das ist eine entscheidende Verschlechterung gegenüber dem in der US-Zone geltenden Gesetz -, wer z. B. die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft.
({2})
Meine Damen und Herren! Das bedeutet, daß die Entscheidung darüber in die Hände dieser Regierung und ihrer Verwaltungsorgane gelegt wird. Das bedeutet aber, daß nicht nur Kommunisten, sondern ebenso Sozialdemokraten und Gewerkschaftler,
({3}) .
die Verfolgte sind,
({4})
durch dieses Gesetz und seine Bestimmungen getroffen werden.
({5})
Es bedeutet, daß jeder Widerspruch gegen die Regierungspolitik - und die Regierung beansprucht für sich, daß sie bestimmt, was freiheitliche demokratische Grundordnung ist -, daß jeder Widerspruch dagegen automatisch zur Aberkennung der Ansprüche führen muß.
Zweitens: Diese Bestimmung bedeutet, daß aber Tausende, die nach bisherigen Ländergesetzen Renten aus. der Wiedergutmachung erhalten, um diese Rentenansprüche gebracht werden. Diese Bestimmung bedeutet aber ferner, daß der Verfolgte, der gegen das barbarische Naziregime Gesundheit und Freiheit geopfert und eingesetzt hat und deswegen in die Konzentrationsläger und die Zuchthäuser gesteckt wurde, nicht nur damals durch den Unrechtsstaat bestraft wurde, sondern jetzt, noch einmal bestraft werden soll.
Drittens bedeutet eine solche Bestimmung einen Verstoß gegen das Grundgesetz. Die Gleichheit vor dem Gesetz, die im Grundgesetz festgelegt ist, soll durch dieses Gesetz aufgehoben werden. Es ist selbstverständlich, daß sich daraus die entsprechenden Konsequenzen ergeben.
Eine zweite Frage betrifft die in diesem Gesetz eingeführte Verfahrensordnung, die in ihrer Konsequenz bedeutet - wie ich schon gesagt habe -, daß man Tausenden und aber Tausenden von Rentenempfängern und Anspruchsberechtigten ihren Anspruch auf Wiedergutmachung und Rente entziehen will.
Meine Damen und Herren, eine dritte Frage ist die der Entschädigung und der Regelung der Entschädigungszeiten. Nach diesem Gesetz sollen die Ansprüche bis zum Etatsjahr 1963 geregelt sein. Das bedeutet, ich möchte das noch einmal zum Ausdruck bringen, daß ein Teil, vielleicht sogar ein sehr großer Teil der Verfolgten nicht mehr in den
Genuß der Ansprüche kommen wind, die sich aus dem Wiedergutmachungsgesetz ergeben.
Wir haben mit unseren Anträgen versucht, eine Regelung zu finden, die den Ansprüchen der Verfolgten gerecht wird, indem die schlimmsten Bestimmungen aus diesem Gesetz herausgebracht werden. Durch Ihr Verfahren verhindern Sie es.
Meine Damen und Herren, ich bin davon überzeugt und ich weiß es, daß die überwältigende Mehrheit der Verfolgten dieses Gesetz ablehnt.
({6})
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor; ich schließe die Besprechung der zweiten Beratung.
Sie haben den Änderungsantrag der Gruppe der KPD, Umdruck Nr. 1046, vor sich. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag, Ziffer 1 bis 47, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
({0})
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über die §§ 1 bis 113, Einleitung und Überschrift dieses Gesetzes. - Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Dieses Gesetz ist bei einigen Enthaltungen gègen wenige Stimmen in der zweiten Beratung angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich unterstelle, daß das Haus auf eine allgemeine Aussprache verzichtet, Herr Abgeordneter Brill.
({1})
- Offenbar wird verzichtet. Änderungsanträge sind nicht gestellt.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Bundesergänzungsgesetzes zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz ist bei wenigen Gegenstimmen und wenigen Enthaltungen in der Schlußabstimmung angenommen*).
({2})
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Leistungen an ehemalige deutsche Kriegsgefangene ({3}) ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen ({5}) ({6}). ({7});
b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, FU ({8}), den Abgeordneten Merten, Frau Hütter und Genossen und des von den Fraktionen der FDP, DP und Genossen eingebrachten Entwurfs eines
*) Schriftliche Erklärungen der Abgeordneten Dr. Arndt ({9}), Dr. Greve ({10}) und Wagner ({11}) 4 Anlagen 4 bis 6, Seiten 14046 bis 14048.
({12})
Gesetzes über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener ({13});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen ({14}) ({15}).
({16}).
Zu dem einen Gesetz Herr Abgeordneter Merten!
Merten ({17}),, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 12. Juni 1953 wurden die Drucksachen Nrn. 4318 und 4446 dem Ausschuß Nr. 26 zur Bearbeitung überwiesen. Beide Drucksachen hatten den Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener zum Inhalt. Der Ausschuß Nr. 26 hat sich in zahlreichen Sitzungen mit den beiden überwiesenen Gesetzentwürfen befaßt. Er hat mit Mehrheit den Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener beschlossen, der Ihnen mit Drucksache Nr. 4629 vorliegt.
Zu den grundsätzlichen Fragen der Entschädigung für deutsche Kriegsgefangene sind in diesem Hohen Hause am 9. Oktober 1952, am 27. November 1952 und am 12. Juni 1953 von verschiedenen Seiten Ausführungen gemacht worden, die ich nicht wiederholen will. Ich verweise ausdrücklich auf diese Ausführungen, weil sie im Ausschuß die Grundlage für die allgemeinen Erwägungen und Aussprachen zu diesem Gesetz gewesen sind.
Der Ausschuß hatte sich im einzelnen mit der Festlegung des Personenkreises zu befassen, dem ein Anspruch auf Entschädigung, Gewährung von Darlehen zum Aufbau einer Existenz und zur Beschaffung einer Wohnung und von Beihilfen zur Beschaffung von Hausrat gegeben werden soll. Grundsätzlich sollte sich dieser Personenkreis mit dem Kreis decken, der in § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer in der Fassung vom 30. Oktober 1951 ebenso wie in § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen in der Fassung vom 30. April 1952 umschrieben ist. Diesen Kriegsgefangenen werden gleichgestellt die Zivilinternierten, wie sie in § 2 Abs. 2 des eben erwähnten Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen und in § 1 Abs. 3 und Abs. 4 des Heimkehrergesetzes umschrieben sind. Eine Erweiterung des in den beiden genannten Gesetzen festgelegten Personenkreises erfolgt durch den in § 2 Abs. 2 Ziffer 2 des vorliegenden Gesetzes festgelegten Personenkreis der Zivilverschleppten, die auch in der Ihnen heute vorliegenden Novelle zum Heimkehrergesetz den Heimkehrern im Sinne des Heimkehrergesetzes gleichgestellt werden sollen. Unter Zivilverschleppten sind diejenigen Deutschen zu verstehen, die in ursächlichem Zusammenhang mit den Kriegsereignissen zwangsweise in ein ausländisches Staatsgebiet verschleppt worden sind. Die Verwendung zu Zwangsarbeiten innerhalb des Heimatgebietes, auch wenn dieses Heimatgebiet in den Vertreibungsgebieten liegt, fällt nicht unter den Begriff der Verschleppung.
Der zahlenmäßige Umfang des in den §§ 1 und 2 des vorliegenden Gesetzes umschriebenen Personenkreises beträgt unter Berücksichtigung des in § 3 genannten Stichtages vom 1. Januar 1947 insgesamt rund 930 000 Personen. Diese Zahl gliedert sich in 900 000 Kriegsgefangene, die seit 1947 in
das Bundesgebiet entlassen worden sind, und 30 000 Zivilinternierte und Zivilverschleppte, die seit 1947 im Bundesgebiet ständigen Aufenthalt genommen haben.
In Abschnitt I des Entwurfs, der die §§ 3 bis 27 umfaßt, wird die Frage der Entschädigung für das Festhalten in ausländischem Gewahrsam geregelt. § 3 sieht vor, daß für jeden Kalendermonat des Festhaltens .in ausländischem Gewahrsam, entsprechend natürlich auch für die Zeitdauer der Verschleppung in ein ausländisches Staatsgebiet, eine Entschädigung gewährt wird, die jedoch nur für die Zeit festgestellt wird, die vom 1. Januar 1947 an in ausländischem Gewahrsam verbracht wurde. Dieser Stichtag hat im Ausschuß zu ausgedehnten Diskussionen geführt. Der Ausschuß hat sich jedoch aus folgenden Gründen entschlossen, den Stichtag vom 1. Januar 1947 zu wählen:
1. Über die Zahl der in den Jahren 1945 und 1946 heimgekehrten Kriegsgefangenen liegen keinerlei Unterlagen vor. Der Umfang des Personenkreises ist auch nicht annähernd zu übersehen. In einer besonderen Entschließung, die einzubringen ich mir noch erlauben werde, müßte die Bundesregierung ersucht werden, Feststellungen über den Umfang der Heimkehr aus Kriegsgefangenschaft in den beiden Jahren 1945 und 1946 zu treffen. Diese Zahlen zu kennen, ist nicht nur wegen der Frage der Entschädigung wesentlich, sondern dies hat auch Bedeutung für die Feststellung der Kriegsverluste, die Feststellung der gesamten Arbeitsleistung der deutschen Kriegsgefangenen und die damit 'in Zusammenhang stehenden völkerrechtlichen Ansprüche an die Gewahrsamsstaaten.
2. Der Ausschuß war in seiner Mehrheit der Auffassung, daß auch unter normalen Verhältnissen, . unter Beachtung der Bestimmungen des Völkerrechts durch die Gewahrsamsstaaten und bei gutem Willen auf seiten dieser Staaten die geordnete Entlassung einer Millionenzahl von Kriegsgefangenen 18 Monate nach Kriegsende beansprucht hätte. Aus diesem Grunde ist nach Auffassung des Ausschusses die Tatsache der Kriegsgefangenchaft an sich in diesem Zeitraum als eine außergewöhnliche Härte nicht anzusehen, wobei natürlich anerkannt wird, daß gerade in diesen Jahren die Lebensbedingungen der Kriegsgefangen en besonders schlecht und unerträglich waren.
3. Auch der Einwand, daß gerade die in diesen Jahren entlassenen Kriegsgefangenen sich in einer besonders schlechten körperlichen Verfassung befanden, wurde vom Ausschuß zwar in seiner sachlichen Richtigkeit anerkannt. Jedoch mußte darauf hingewiesen werden, daß auch die in der Kriegsgefangenschaft Zurückgebliebenen sich durchweg in derselben oder einer ähnlichen Verfassung befanden, wobei die zuerst Genannten in der Heimat in eine geordnete ärztliche Pflege kamen, während die Zurückbleibenden auf die mangelhaften Pflegemöglichkeiten der Kriegsgefangenenlager angewiesen waren.
Der Ausschuß hat als Entschädigung für die Kriegsgefangenschaft vom 1. Januar 1947 ab einen Betrag von monatlich 30 DM festgelegt. Da die Gefangenschaft eine um so größere Härte für den Betroffenen bedeutet, je länger sie dauert, erhöht sich dieser Betrag nach weiteren zwei Jahren ausländischen Gewahrsams, also für die Zeit vom 1. Januar 1949 an, auf 60 DM. Mit dieser Entschädigung sind alle Ansprüche, die der Entschädigungsberechtigte nach diesem Gesetz wegen der Freiheitsentziehung und der Arbeitsleistung in aus({18})
ländischem Gewahrsam gegen den Bund geltend machen könnte, abgegolten. Es sind jedoch diejenigen Ansprüche nicht abgegolten, die gegenüber den Gewahrsamsstaaten geltend gemacht werden können. Diese Ansprüche bleiben durch das vorliegende Gesetz vollkommen unberührt.
Die Zahlung der Entschädigung soll auf fünf Jahre verteilt werden und in der Reihenfolge der sozialen Dringlichkeit erfolgen. Die nähere Bestimmung der Reihenfolge wird einer Rechtsverordnung der Bundesregierung nach § 4 des vorliegenden Gesetzes überlassen.
Der Anspruch auf Entschädigung nach diesem Gesetz kann nicht übertragen werden. Für den Fall, daß der Berechtigte nach Inkrafttreten dieses Gesetzes stirbt, ohne daß eine Zahlung bis dahin an ihn erfolgen konnte, ist der Anspruch in bezug auf seinen Ehegatten, seine Kinder und seine Eltern vererblich, aber nur dann, wenn die Hilfsbedürftigkeit der genannten Erben die Vererbung billig erscheinen läßt. In der Person des unmittelbar Berechtigten unterliegt der Anspruch nicht der Zwangsvollstreckung; dies gilt jedoch nicht für die Erben.
§ 7 sieht vor, daß Einkünfte aus diesem Gesetz steuerfrei sind. Ausgeschlossen von der Entschädigung, auch von der Gewährung von Darlehen und Beihilfen nach diesem Gesetz, sind diejenigen, die unter dem Begriff „Kameradenschinder" bekannt sind, d. h. diejenigen, die wegen Vergehen und Verbrechen, die sie an Kriegsgefangenen in der Kriegsgefangenschaft begangen haben, rechtskräftig von einem deutschen Gericht verurteilt worden sind.
Die Feststellung der Ansprüche aus diesem Gesetz erfolgt auf Antrag. Welche Dienststellen für die Entgegennahme und Bearbeitung der Anträge sowie für die Durchführung des Gesetzes zuständig sind, wird nach Landesrecht näher bestimmt. Das Gesetz schreibt lediglich allgemein vor, daß die für die Angelegenheiten von Kriegsgefangenen und Heimkehrern zuständigen Dienststellen dieses Gesetz auszuführen haben. Wegen der Verschiedenartigkeit der Zuständigkeit in den einzelnen Ländern muß die nähere Regelung dem Landesrecht überlassen bleiben.
Die §§ 11 bis 27 enthalten nähere Vorschriften über das Verfahren bei der Anmeldung, Feststellung und Gewährung der Entschädigung. Das Verfahren ist dem bei der Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes vorgeschriebenen Verfahren angeglichen.
Die Entschädigung soll ein Jahr nach der Verkündung des Gesetzes beginnen, weil für die Anmeldung und die Feststellung der Ansprüche ein längerer Zeitraum benötigt wird. Auch die Anträge auf Feststellung der Ansprüche müssen - von einigen Ausnahmen abgesehen - binnen eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gestellt werden. Der Ausschuß hat es für richtig gehalten, eine verhältnismäßig lange Frist festzulegen, weil die Erfahrung gezeigt hat, daß in anderen Gesetzen enthaltene kürzere Fristen regelmäßig dazu führen, daß in Ergänzungsgesetzen diese Fristen verlängert werden müssen.
Der zweite Abschnitt des Gesetzes umfaßt gesetzliche Bestimmungen über die Gewährung von Darlehen an den in diesem Gesetz festgelegten Personenkreis zum Aufbau oder zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz, zur Beschaffung von Wohnraum sowie von Beihilfen zur Beschaffung
von Hausrat. Da Bestimmungen über diese Angelegenheiten sowohl in der Drucksache Nr. 4318 als auch in der Drucksache Nr. 4316, die den Entwurf eines Zweiten Heimkehrergesetzes enthielt, vorgesehen waren, mußte eine grundsätzliche Regelung getroffen werden, ob diese Frage in diesem Gesetz oder in dem Gesetz zur Ergänzung und Änderung des Heimkehrergesetzes geregelt werden sollte. Der Ausschuß hat mit Mehrheit entschieden, diese Frage in dem vorliegenden Gesetz einer Regelung zuzuführen. Hierfür waren folgende Gründe bestimmend:
1. Das Verfahren bei der Gewährung von Darlehen und Beihilfen wird denselben Dienststellen und _Ausschüssen übertragen, die auch für den ersten Abschnitt des Gesetzes zuständig sind.
2. In den einzelnen Fällen, in denen Anträge auf Darlehen oder Beihilfen gestellt werden, ist zunächst zu prüfen, ob und wieweit die nach Abschnitt I dieses Gesetzes gewährte Entschädigung zur Finanzierung des beabsichtigten Vorhabens ausreicht.
3. Für die Beweiserhebung, Beweiswürdigung und den Beschwerdeweg gelten die in diesem Gesetz vorgesehenen Bestimmungen.
Grundsätzlich sollten durch den zweiten Abschnitt dieses Gesetzes den Kriegsgefangenen und Heimkehrern, die nicht als Geschädigte im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes anzusehen sind, einige der Förderungsmaßnahmen zuteil werden, die das Lastenausgleichsgesetz für die geschädigtengruppen im Rahmen dieses Gesetzes vorsieht. Es handelt sich ,hierbei jedoch lediglich um Kannvorschriften, deren Inanspruchnahme seitens der Berechtigten dieses Gesetzes durch den Umfang der zur Verfügung stehenden Mittel bestimmt wird.
Es war der Wunsch des Ausschusses, daß bei der Vergabe von Darlehen zur Schaffung einer neuen gesicherten Lebensgrundlage oder zur Sicherung einer bereits geschaffenen, aber gefährdeten Existenz, ferner bei der Gewährung von Darlehen zur Beschaffung von Wohnraum die Grundsätze beachtet werden, die auch bei der Ausführung des Lastenausgleichsgesetzes entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes und den Weisungen des Präsidenten des Bundesausgleichsamts Anwendung finden.
Ebenso wie die Bestimmungen dieses Gesetzes denen des Lastenausgleichsgesetzes angeglichen sind, hat der Ausschuß den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß auch die in § 44 der Bundesregierung erteilte Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen in der Form erfüllt wird, daß diese Rechtsverordnungen, die die Voraussetzungen, die Höhe, Laufzeit und Sicherung der Darlehen regeln, den entsprechenden Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes und den dazu ergangenen Weisungen angeglichen werden. Die näheren Einzelheiten über die Höhe der Darlehen und Beihilfen und das Verfahren. bei der Gewährung der Darlehen bitte ich dem vorliegenden Entwurf zu entnehmen.
An dieser Stelle bitte ich um eine Berichtigung der Drucksache Nr. 4629 in der Form, daß die Zwischenüberschrift „Abschnitt III - Schlußbestimmungen" vor dem § 45 gestrichen und vor dem § 44 eingefügt wird.
Die Schlußbestimmungen enthalten die bereits erwähnte Ermächtigung an die Bundesregierung zum Erlaß von Rechtsverordnungen, die Regelung der Kostenerstattung nach diesem Gesetz nach
({19})
Maßgabe des Ersten Überleitungsgesetzes vom 21. August 1951, die Berlin-Klausel und den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes.
Der Ausschuß Nr. 26 hat mit Mehrheit beschlossen, dem Hohen Hause zu empfehlen,
1. dem in Drucksache Nr. 4629 vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangenen zuzustimmen,
2. die zu diesem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen und Eingaben für 'erledigt zu erklären und
3. folgende Entschließung anzunehmen:
Die Bundesregierung wird ersucht, Erhebungen darüber durchzuführen, wieviele Kriegsgefangene, Zivilinternierte und Zivilverschleppte in den Jahren 1945 und 1946 in das Bundesgebiet und nach dem Lande Berlin entlassen worden sind oder dort ständig Aufenthalt genommen haben. Insbesondere sollen diese Erhebungen durchgeführt werden unter dem Gesichtspunkt, ob und inwieweit die Möglichkeit besteht, den genannten Personenkreis noch in den Personenkreis der Berechtigten nach dem Gesetz über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangenen einzubeziehen.
Ich bitte den drei Anträgen des Ausschusses Ihre Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Die Berichterstatterin zur Drucksache Nr. 4632, Frau Abgeordnete Dr. Probst, hat sich bereit erklärt, den Bericht schriftlich zu erstatten. Ich darf annehmen, daß das Haus gerne damit einverstanden ist*).
({0})
Ich rufe auf zur zweiten Beratung die Drucksache Nr. 4629, den Gesetzentwurf, den Herr Abgeordneter Merten als Ausschußantrag begründet hat, und zwar die §§ 1 bis 47. Dazu liegt ein Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 1047 vor. Herr Abgeordneter Müller, ich bitte, die §§ 3, 4 und 5 gemeinsam zu begründen!
Meine Damen und Herren! Vielleicht tritt auch jetzt, wie vorhin, ein Abgeordneter auf und stellt die Frage, warum wir die Änderungsanträge nicht schon früher oder vielleicht sogar im Ausschuß eingebracht haben.
({0})
Ich möchte nur der Sache wegen feststellen, daß der Versuch, den Kollege Professor Dr. Brill vorhin gemacht hat, daneben traf; denn durch Ihre Entscheidung ist uns das 15. Mandat geraubt worden.
({1})
Damit haben Sie uns aus allen Ausschüssen ausgeschaltet und uns keine Möglichkeit gegeben, in den Ausschüssen Anträge zu stellen.
({2})
Nun zur Sache selbst. Wir haben den Änderungsantrag hinsichtlich des § 3 eingebracht.
({3})
*) Siehe Anlage 7 Seite 14049
Wir sind dabei davon ausgegangen - ich habe schon bei der ersten Beratung kurz darauf hingewiesen -,
({4})
daß die bisherigen Regelungen hinsichtlich der Heimkehrer vollkommen ungenügend sind. Vor allen Dingen in der Richtung ihrer Existenzsicherung, in der Frage der Wohnung, in der Beschaffung verlorengegangenen Mobiliars usw. reichen die bisherigen Bestimmungen nicht aus. Deshalb wird in unserem Antrag eine Erhöhung gegenüber dem Antrag des Ausschusses gefordert.
({5})
Ich bitte Sie also, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben und dabei zu berücksichtigen, daß es notwendig ist, schnell zu helfen. Das heißt mit anderen Worten, daß nach unserem Antrag zu § 4 die Auszahlung dieser Entschädigung noch bis zum Ende dieses Jahres durchgeführt werden soll.
({6})
Ich brauche unseren Änderungsantrag zu § 5 wohl nicht im einzelnen zu begründen.
({7})
Ich möchte nur zu der anderen Vorlage noch ein Wort sagen. Welche Gesinnung dem zugrunde liegt, was Sie hier bezwecken, das ergibt sich aus der Drucksache Nr. 4632. Auf Seite 3 im Abs. d heißt es:
Als Heimkehrer im Sinne und unter den Voraussetzungen des Abs. 1 gelten auch Ausländer und Staatenlose, die innerhalb militärischer oder militärähnlicher Verbände auf deutscher Seite gekämpft haben.
Die Tatsache, daß Sie das so aufgenommen haben, richtet Sie selbst.
({8})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Hütter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Herr Kollege Müller, Sie nehmen eine schlechte Position ein, wenn Sie als einer der Vertreter dieses Hauses, der die Tendenzen der Gewahrsamsmacht fördert, die leider noch die meisten Deutschen festhält, einer Erhöhung der Entschädigung für ehemalige Kriegsgefangene zustimmen. Hierin liegt ein Bruch der Logik. Es wäre folgerichtiger, wenn Sie von dieser Tribüne aus verkündeten, daß sich alle im Osten festgehaltenen Deutschen auf der Heimreise befinden. Ihr Vorschlag entbehrt der moralischen Grundlage. Er wird deshalb von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt, die sich durch ihre Vertreter bemüht hat, das unter den augenblicklichen Umständen Bestmögliche zu machen.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Änderungsantrag Umdruck Nr. 1047, den Herr Abgeordneter Müller begründet hat, vor sich. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag in den Ziffern 1, 2 und 3 betreffend die §§ 3, 4 und 5 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen .der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 4629 unter Berücksichtigung der Änderungen in den §§ 44 und 45, und zwar den §§ 1 bis 47, Einleitung und Überschrift, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
({0})
- Bitte! Wer ist dagegen? - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe von der Drucksache Nr. 4632 die Art. I bis III, Einleitung und Überschrift auf.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, ,der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wird zur allgemeinen Aussprache das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Besprechung. Eine Einzelberatung entfällt.
Herr Abgeordneter Löfflad hat mir soeben angekündigt, daß die Fraktion der Deutschen Partei eine namentliche Abstimmung beantragen werde. Zu welcher Bestimmung, Herr Abgeordneter?
({1})
-Entschädigung deutscher Kriegsgefangener, d. h. also offensichtlich über den Antrag Drucksache Nr. 4629. Ich frage die Damen und Herren, ob 50 Abgeordnete die namentliche Abstimmung wünschen. -({2})
- Das waren keine 50; es findet keine namentliche Abstimmung statt.
Ich bitte Sie, die Sie dem Gesetz über die Entschädigung ehemaliger deutscher Kriegsgefangener Drucksache Nr. 4629 in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich von Ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem vom Abgeordneten Merten vorgetragenen Entschließungsentwurf des Kriegsopferausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; die Entschließung ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Ziffer 2 Drucksache Nr. 4629, die Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz über Leistungen an ehemalige deutsche Kriegsgefangene, Zweites Heimkehrergesetz. Das Gesetz heißt „Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer ({3})". Ich bitte .die Damen und Herren, die diesem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieses Gesetz ist bei einigen Enthaltungen - soweit ich sehe -, im übrigen einstimmig angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Zifer 2 Drucksache Nr. 4632, die Petitionen und Eingaben für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, da wir uns vorgenommen haben, um 9 Uhr unsere Sitzung zu beenden,
,({4}) diese Sitzung abzuschließen.
({5}) - Kommt gleich!
Meine Damen und Herren, Sie haben noch zwei persönliche Erklärungen gemäß § 35 und § 36 der Geschäftsordnung entgegenzunehmen.
Ich bitte zunächst, bekanntgeben zu dürfen, daß morgen früh um 9 Uhr Fraktionssitzungen der CDU/CSU, FDP und DP stattfinden. Darf ich Ihnen darum vorschlagen, die Plenarsitzung erst um 9 Uhr 30 beginnen zu lassen. Für die Sitzung ,des Ältestenrats bleibt es bei 8 Uhr.
Zu einer persönlichen Erklärung hat das Wort zunächst Herr Abgeordneter Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den Schlußerklärungen zu Punkt 2 der gestrigen Tagesordnung über den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hinsichtlich der Wiedervereinigung Deutschlands hat der Abgeordnete Herr Becker von der CDU den Zwischenruf „Wehner gehört zur SED" gemacht. Wir verwahren uns auf das schärfste gegen diese Unterstellung. Sie ist eine Verleumdung, die wir mit geschäftsordnungsmäßigen_ Mitteln zu ahnden bitten. Im übrigen ist dieser Zwischenruf bezeichnend dafür, wie einzelne Mitglieder des Hauses sich die sachliche Zusammenarbeit in nationalen Lebensfragen des ,deutschen Volkes denken.
({0})
Zu einer weiteren Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung hat ,das Wort Herr Abgeordneter Freiherr von Fürstenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine kurze Erklärung zu einer sachlichen Richtigstellung geben.
Herr Abgeordneter Eichler hat heute vormittag zu einer Rede, die der Redakteur des „Rheinischen Merkur", Herr Wenger, auf der Kolpingstagung der Diözese Trier gehalten hat, Stellung genommen. Herr Eichler hat sich dabei auf die Wiedergabe der Rede in der „Saarländischen Volkszeitung" vom 16. Juni gestützt. Ich darf dazu mitteilen, daß Herr Wenger eine Berichtigung dieser
({0})
Wiedergabe verlangt und am 29. Juni die Deutsche Presseagentur gebeten hat, seine Berichtigungsforderung durchzugeben. Die Berichtigung geht in unserem Zusammenhang dahin, daß Herr Wenger nicht erklärt hat, daß die Saar nur kulturell zu Deutschland gehöre und mehr auch nicht gefordert werden dürfe, sondern daß nach seiner Meinung umgekehrt die saarländisch-französische Wirtschaftsunion sich ohnehin Zug um Zug auflösen werde, wenn Schritt für Schritt ein einheitlicher Wirtschafts- und Zollraum geschaffen werde.
Meine Damen und Herren, Sie haben die beiden Erklärungen zur Kenntnis genommen.
Ich berufe die nächste, die 280. Sitzung des Deutschen Bundestages zur Erledigung der Punkte der Tagesordnung, die heute unerledigt geblieben sind, und der für morgen vorgesehenen Tagesordnung auf morgen, 9.30 Uhr, und schließe die 279. Sitzung.