Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 6/25/1953

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 276. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der kranken und entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben. Müller ({0}), Schriftführer: Der Herr Präsident hat dem Herrn Abgeordneten Eichner wegen Krankheit Urlaub für zwei Tage erteilt. Entschuldigt fehlen keine Abgeordneten. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich noch bekanntzugeben, daß der Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen um 10 Uhr zu einer Sitzung zusammentritt. Vereinbarungsgemäß ist die zweite halbe Stunde der Fragestunde zu erledigen: Fragestunde ({0}). Zu Frage 2 der Drucksache Nr. 4499 Herr Abgeordneter Matzner! Matzner ({1}), Anfragender: Ist dem Herrn Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen bekannt, daß das im Zentrum der durch einen Luftangriff fast völlig zerstörten Stadt Pforzheim gelegene Postamt 1 immer noch behelfsmäßig in Baracken untergebracht ist und dadurch für die Kundschaft der Bundespost sowie für die diensttuenden Beamten erhebliche Unzuträglichkeiten entstanden sind? Hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen Vorsorge getroffen, daß innerhalb des Bauprogramms der Bundespost vor allem die Postämter in den Kernen der am stärksten zerstörten Städte wiederaufgebaut werden? Ist der Wiederaufbau des Postamtes Pforzheim 1 bereits im Bauprogramm der Bundespost enthalten? Bis wann ist mit dem Baubeginn und bis wann mit der Fertigstellung des Postamtes zu rechnen?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundespostminister.

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Pforzheim wurden im Krieg total zerstört das im Stadtzentrum gelegene Postamt 2 und das am Bahnhof befindliche Postamt 1. Das Postamt 2 wird zur Zeit mit einem Kostenaufwand von 950 000 DM wiederaufgebaut und im Oktober dieses Jahres in Betrieb genommen. Für das Dienstgebäude des Postamts 1, dessen Postbetrieb noch in einer Baracke abgewickelt werden muß, während der Fernmeldebetrieb bereits in einem wiederausgebauten Gebäude untergebracht ist, müssen jedoch noch Grundstücke zum Betrag von etwa 300 000 DM erworben werden. Die Verhandlungen hierüber sind noch immer im Gange. Sobald sie abgeschlossen sind, werden die Baupläne in Angriff genommen. Mit dem Bau kann begonnen werden, sobald er haushaltsrechtlich genehmigt ist und die nötigen Mittel - schätzungsweise 4 Millionen DM - bereitgestellt werden können. Ich nehme mit einiger Sicherheit an, daß das im Frühjahr 1954 der Fall sein wird. Wann der Bau fertiggestellt sein wird, hängt naturgemäß vom gleichmäßigen Zufiuß der Mittel ab. Dabei darf ich darauf hinweisen, daß ich schon vor etwa zwei Jahren mit der Stadtverwaltung, der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer von Pforzheim Verhandlungen gepflogen habe, mit dem Ergebnis, daß von diesen Gremien ein langfristiges Darlehn von 1 Million DM zum Neubau des Postamts 1 vermittelt werden soll, allerdings erst dann, wenn das Postamt 2, das ja als Ausweiche für Postamt 1 zu gelten hat, fertiggestellt ist. Bei diesen Besprechungen konnte bereits das erste maßstäbliche Modell für das Postamt 1 vorgeführt werden, und das hat allgemein Anklang gefunden. Der Wiederaufbau der Ämter in den Kernen der kriegszerstörten Städte, zu denen auch die großen Betriebsämter an den Bahnhöfen - Bahnpostämter, Paketpostämter -, ferner Sonderbauten wie Postscheckämter rechnen, bildet einen der wesentlichsten Punkte im Bauprogramm der Deutschen Bundespost. Ich beziehe mich dabei auf meinen Bericht über das Investitionsprogramm, das ich schon einmal dem Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen vorgelegt habe. Natürlich hängt das Tempo des Wiederaufbaus - wie ja hinlänglich bekannt - von den Mitteln ab, die dafür jeweils bereitgestellt werden können. Und das liegt leider nicht allein in den Kräften der Post. Seit der Währungsreform sind für neue und wiederaufzubauende -Post- und Fernmeldedienstgebäude im Einzelbetrag von mehr als 50 000 DM rund 220 Millionen DM aufgewendet worden. Bisher sind 669 Gebäude wiedererstellt und 166 Gebäude neu errichtet worden. Auch dabei handelt es sich um den Ersatz von Baulichkeiten, die im Krieg zerstört worden sind. Im Gange befinden sich zur Zeit 162 größere Bauvorhaben. Noch aufzubauen sind 223 kriegszerstörte Gebäude.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zu Frage 3 hat der Abgeordnete Gundelach das Wort. Gundelach ({0}), Anfragender: Ich habe folgende Frage an die Regierung zu richten: Wann gedenkt die Bundesregierung ihrem gegebenen Versprechen gemäß Mittel zur Verfügung zu stellen, damit diejenigen Jugendlichen, die vom Eintritt in die Fremdenlegion abgehalten werden konnten, unter menschenwürdigen Bedingungen in ihre Heimat zurückkehren können?

Dr. Dr. Robert Lehr (Minister:in)

Politiker ID: 11001304

In der Frage der Mittel für die Rückführung Jugendlicher darf ich auf das Bezug nehmen, was auf eine fast gleichlautende Anfrage in der Fragestunde vom 3. Juni dieses Jahres - Sitzungsprotokoll der 268. Sitzung Seite 13184 B, Frage 15 - erklärt wurde. Ich habe wiederholt betont, daß die Kosten der Rückführung in die Heimat im Einzelfall nach den Vorschriften der Fürsorgepflichtverordnung von den Stadt- und Landkreisen getragen werden. Der Bund erstattet für die übernommenen Unkosten aus Kriegsfolgenhilfemitteln 85 % der aufgewendeten Beträge; 15 % bleiben bei der Gemeinde. ({0}) Zur Errichtung von Auffangs- und Weiterleitungsheimen hat die Bundesregierung bereits mehrfach erhebliche Zuschüsse geleistet, um auf diese Weise vom Eintritt in die Fremdenlegion abzuhalten. Es konnte dadurch auch eine ganz erhebliche Anzahl Jugendlicher von dem Eintritt abgehalten werden. Im übrigen werden die Jugendlichen, wenn sie zurückkehren, durch die Bahnhofsmission, durch Wohlfahrts- und durch Jugendverbände, durch die Polizei, durch Jugendämter oder andere vorhandene Stellen wieder der Heimat oder diesen Heimen zugeführt. Aus den Heimen werden sie in ihr Elternhaus, in eine Arbeitsstelle zurückgeführt, oder es wird ihnen eine anderweitige Unterkunft und nach Möglichkeit auch eine Unterbringung in einer Lehrstelle oder in einer beruflichen Tätigkeit vermittelt. Die nachträgliche Betreuung solcher glücklich Zurückgekehrter oder von dem Eintritt in die Fremdenlegion Abgehaltener wird von unserer Seite sehr ernst genommen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zur Frage 12 Herr Abgeordneter Cramer. Damit wird gleichzeitig die Frage 16 beanwortet. Cramer ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundespostminister: Auf Grund welcher Bestimmung des Grundgesetzes oder welch anderer gesetzlichen Bestimmung ist der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen „gehalten", eine Entscheidung eines Landesministers zu erfüllen, der einem als „Hauptschuldiger" eingestuften ehemaligen Nationalsozialisten einen Unterhaltsbeitrag zugebilligt hat; und hat der von einem Landesminister Begnadigte einen Rechtsanspruch gegen den Bund erworben? Auf welchen Paragraphen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen sich in seiner Antwort auf die Kleine Anfrage Nr. 325 der Fraktion der SPD betreffend Weihnachtszuwendung an den früheren Postminister Ohnesorge berufen? Ist dem Herrn Bundesminister für das Post-und Fernmeldewesen bekannt, daß der Abs. 4 des § 162 des Deutschen Beamtengesetzes in der zur Zeit gültigen Fassung dieses Gesetzes nicht mehr besteht?

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Herr Präsident, darf ich mit der Frage 12 gleich die Frage 16 beantworten? Denn sie betrifft denselben Gegenstand.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ja, ich bitte darum.

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Anfragen Nrn. 12 und 16 betreffen den gleichen Gegenstand, nämlich die Angelegenheit des früheren Reichspostministers Dr. Ohnesorge, der als Hauptschuldiger vom Herrn bayerischen Ministerpräsidenten gemäß Art. 54 des Gesetzes zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus insoweit begnadigt wurde, als ihm ab 1. Oktober 1952 ein Unterhaltsbeitrag im Rahmen bis zu 500 DM nach dem freien Ermessen des zuständigen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn bewilligt werden kann. Auf Grund dessen habe ich ihm nach Prüfung der persönlichen Verhältnisse auf jederzeitigen Widerruf und bis auf weiteres einen Unterhaltsbeitrag von 380 DM monatlich eingeräumt. Das Entnazifizierungsgnadenrecht üben die Ministerpräsidenten der Länder aus. Ihre Gnadenerweise sind ebenso anzuerkennen, wie die rechtskräftigen Spruchkammerbescheide in den Ländern des Bundesgebietes von den Behörden anzuerkennen und gemäß § 8 des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes zu berücksichtigen sind. Es gibt zwar keine besondere Bestimmung des Grundgesetzes oder eines anderen Gesetzes, wonach eine Bundesbehörde gehalten ist, einen bestimmten Gnadenerweis eines Ministerpräsidenten zu erfüllen. Wird einem Betroffenen durch Gnadenerweis ein Unterhaltsbeitrag zugestanden, so erwirbt der Begnadigte keinen Rechtsanspruch gegen den öffentlichrechtlichen Dienstherrn oder den Bund auf Zahlung dieses Unterhaltsbeitrags. Es liegt jedoch im pflichtmäßigen Ermessen der zuständigen Behörde, die näheren Voraussetzungen für die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags zu überprüfen; denn es würde zu unerträglichen Rechtsfolgen führen, wenn die Versorgungsregelungsbehörde die Empfänger von Gnadenerweisen kurzerhand ablehnend bescheiden oder nach Willkür verschieden behandeln wollte. Bei der Überprüfung eines Versorgungsbegehrens auf Grund eines Gnadenerweises wird die Versorgungsbehörde alle Erwägungen auszuschalten haben, die der Entnazifizierungsbehörde im Rahmen der Entnazifizierungsgesetzgebung und der einzelnen Verfahrensstadien bis zur Einräumung eines Gnadenerweises obgelegen hätten. Eine nachträgliche Entnazifizierung, eine zweite, dritte oder vierte Entnazifizierung hat die Versorgungsregelungsbehörde nicht zu betreiben, wenn einmal ein Gnadenerweis eingeräumt ist. Nachdem die Ministerpräsidenten der Länder zum Abschluß der Entnazifizierung Gnadenerweise in großem Umfange erteilt hatten, bat ich die Herren Bundesminister der Justiz und des Innern, zu dem Problem Stellung zu nehmen, ob Entnazifizierungsgnadenerweise in ihrer Auswirkung für die Versorgungsgewährung anzuerkennen seien. Beide Ministerien bestätigten mir übereinstimmend, daß die Gnadenerweise anzuerkennen und die Versorgungsbezüge der ehemaligen Postbeamten und ihrer Hinterbliebenen je nach Maßgabe der Gnadenerweise zu gewähren seien. Da ich in zahlreichen Fällen nach bereits feststehender Verwaltungspraxis begnadigten ehemaligen Postbediensteten und ihren Hinterbliebenen auf Grund von Gnadenerweisen Unterhaltsbeiträge gewähre, war ich aus allgemeinen Rechtsgründen gehalten, auch im Falle Ohnesorge dem Gnadenerweis dem Grunde nach Rechnung zu -tragen. Herr Ohnesorge würde ohne Eingruppierung in die Gruppe I oder II nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 1 und § 29 des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes sowie nach Abschnitt XIII des Deutschen Beamtengesetzes Versorgungsbezüge erhalten können. Die Rechtsverhältnisse von Herrn Ohnesorge sind nach Abschnitt XIII in Verbindung mit Abschnitt VII - § 56 - des Deutschen Beamtengesetzes in der ursprünglichen Fassung zu beurteilen. Dabei ist für einen ehemaligen Reichsminister, dessen Amtszeit am 8. 5. 1945 beendet war und der kein Ruhegehalt nach § 162 Abs. 1 des Deutschen Beamtengesetzes erhält oder Übergangsgehalt bezogen hat, § 162 Abs. 4 der ursprünglichen Fassung des Deutschen Beamtengesetzes als Grundlage für eine beamten({0}) rechtliche Versorgung heranzuziehen. Herr Ohnesorge war bis zur sogenannten Machtergreifung der NSDAP Präsident des Reichspostzentralamts und wurde 1933 zum Staatssekretär im früheren Reichspostministerium ernannt. Diese letzte Ernennung wäre nach § 7 des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes wegen enger Verbindung zum Nationalsozialismus nicht zu berücksichtigen. Ohne Eingruppierung in die Gruppe I oder II wäre Herr Ohnesorge in seiner Eigenschaft als ehemaliger Präsident zu versorgen. Als solcher hätte er Ruhegehaltsbezüge mindestens nach Besoldungsgruppe B 7 a zu beanspruchen. Das ist die rechtliche Seite des Falles Ohnesorge. Es gibt noch eine menschliche. Mir liegt ein Bericht vor, wonach der jetzt 82 Jahre alte Betroffene in dürftigsten Verhältnissen lebt. Unter Berücksichtigung dessen, daß er drei unversorgte minderjährige Kinder hat, ferner an einem Leistenbruch leidet, den er nicht behandeln lassen kann, habe ich dem Betroffenen auf Widerruf den erwähnten Betrag von 380,- DM monatlich gewährt, den ich nach Lage des Falles für angemessen halten muß. Da für eine Versorgung von Reichsministern und deren Hinterbliebenen früher die Fachressorts zuständig waren - ich beziehe mich dabei auf den Kommentar von Fischbach -, so ist für den Versorgungsfall Ohnesorge heute das Bundespostministerium zuständig, ohne daß es dafür der Zustimmung des Herrn Bundeskanzlers bedurft hätte. Auf den zweiten Teil der Frage Nr. 16 wird der Herr Bundesminister des Innern als hierfür zuständig antworten. Cramer ({1}), Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage! Cramer ({0}), Anfragender: Herr Bundespostminister, ist Ihnen nicht bekannt, daß die Absätze 1 bis 5 des § 162 nach der Fassung des Beamtengesetzes vom Juni 1950 nicht mehr gültig sind? Sie bezogen sich auf diesen Paragraphen.

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Ich sage ja auch, diese Bezüge sind auf Widerruf gewährt worden. Es kann sich jeden Tag eine neue Rechtslage ergeben. Cramer ({0}), Anfragender: Darf ich eine weitere Zusatzfrage stellen?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Zusatzfrage! Cramer ({0}), Anfragender: Ist, wie das in anderen Wiedergutmachungsfällen geschehen ist, auch in diesem Falle der Zentralbetriebsrat befragt worden?

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Durchaus! Cramer ({0}), Anfragender: Darf ich noch .eine Zusatzfrage stellen?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine weitere Zusatzfrage! Cramer ({0}), Anfragender: Ist Ihnen bekannt, Herr Bundespostminister, wie groß das Einkommen der Familie Ohnesorge durch die Tätigkeit der Frau Ohnesorge ist?

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Das weiß ich auch. Frau Ohnesorge arbeitet in München. Der Mann wohnt in Tölz. Sie kann also nicht jeden Tag hin und zurück fahren. Ich glaube mich nicht zu irren, daß sie brutto 470 DM als Stenotypistin verdient. Cramer ({0}), Anfragender: Noch eine Zusatzfrage!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Noch eine Zusatzfrage! Cramer ({0}), Anfragender: Herr Bundespostminister, sind Sie bereit, in allen anderen Fällen, wo es sich um kleine und mittlere Beamte handelt, in genau derselben großzügigen Weise zu handeln?

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Ich bin überzeugt, daß ich Ihnen den Beweis dafür zahlenmäßig erbringen kann.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Der zweite Teil der Frage 16 soll von dem Herrn Bundesinnenminister beantwortet werden. Sind Sie bereit, Herr Minister? - Ich erteile Ihnen das Wort.

Dr. Dr. Robert Lehr (Minister:in)

Politiker ID: 11001304

Der Gegenstand der Frage ist soeben ausführlich von dem Herrn Kollegen Schuberth beantwortet worden. Ich darf an seine Ausführungen anknüpfen und folgendes erwidern: Die früheren nationalsozialistischen Reichsminister fallen als solche nicht unter das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes, so daß sie in dieser Eigenschaft nach diesem Gesetz keinerlei Bezüge, keine Pensionen oder ähnliche Zahlungen bekommen können. Soweit sie etwa vor ihrer Amtszeit als Reichsminister Beamte gewesen sind, können sie aus diesem Beamtenverhältnis möglicherweise Versorgungsbezüge erhalten, abgesehen von der Bundespost, wie eben der Herr Kollege ausgeführt hat. Nur die Länder können im einzelnen angeben, wieweit sie aus diesem früheren Beamtenverhältnis als eigene Angelegenheit der Länder irgendwelche Pensionen oder Bezüge auszahlen. Was in dieser Hinsicht von den Ländern im einzelnen geschehen ist, ist mir nicht bekannt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zur Frage 17 Herr Abgeordneter Dr. Arndt! Dr. Arndt ({0}), Anfragender: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um das Siedlungsverfahren hinsichtlich des früheren Remontegutes Mansbach im Kreise Hünfeld alsbald zum Abschluß zu bringen und dafür zu sorgen, daß die Siedler endlich als Eigentümer ihrer Siedlerstellen eingetragen werden können? Ist die Bundesregierung bereit, auf die von ihr verlangte Rückgabe der schon mit Siedlern besetzten Grundstücke zu verzichten, besonders da es sich hierbei um elf landwirtschaftliche Nebenerwerbsstellen handelt, von denen zwei von Heimatvertriebenen und zwei von Kriegerwitwen schon bewirtschaftet werden?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Bitte, Herr Staatssekretär!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, zum Abs. 1 Ihrer Anfrage: ({0}) Um das Siedlungsverfahren so schnell wie möglich zum Abschluß zu bringen, wurde am 8. Mai 1953 in Mansbach eine Besprechung abgehalten, an der Vertreter aller für die Siedlung zuständigen Stellen teilgenommen haben. Dabei wurde der gesamte Inhalt des zwischen dem Land Hessen und der Siedlungsgesellschaft mbH. „Hessische Heimat" im März 1951 abgeschlossenen Kaufvertrages und des Nachtragsvertrages vom Mai 1952 durchgearbeitet. Nach den beiden Verträgen hat das Land Hessen an die „Hessische Heimat" ein Gelände in Größe von 390,969 ha zum Kaufpreis von 216 770 DM veräußert. Die Bundesregierung konnte diesen Verträgen bisher nicht zustimmen, weil Unstimmigkeiten hinsichtlich der Größenangaben, der Übernahme des Inventars und Differenzen bei der Einheitsbewertung aufgetreten waren. Die beiden ersten Unstimmigkeiten sind durch die Besprechung vom 8. Mai 1953 beseitigt. Das Finanzamt Bad Hersfeld ist beauftragt worden, einwandfreie Unterlagen für die Einheitswertberechnung, bezogen auf den Beginn der Besiedlung des Geländes, zu beschaffen. Das hessische Landwirtschaftsministerium als oberste Siedlungsbehörde des Landes Hessen wird an Hand der neuen Einheitsbewertung den Kaufpreis überprüfen und damit die Grundlage für die abschließende entscheidende Besprechung liefern, mit der in absehbarer Zeit gerechnet werden kann. Das Bundesfinanzministerium wird die Angelegenheit in jeder Weise beschleunigen. Zu Abs. 2 der Anfrage: Die Bundesregierung ist bereit, auf die Rückgabe der mit Siedlern besetzten Grundstücke und der landwirtschaftlichen Nebenerwerbsstellen zu verzichten. Dr. Arndt (SPD}, Anfragender: Eine Zusatzfrage! Herr Staatssekretär, was verstehen Sie unter „absehbarer Zeit"?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, ich habe ausgeführt, daß die endgültige Berechnung davon abhängt, daß das Finanzamt Bad Hersfeld, das eine Landesbehörde ist, die Grundlage für die Einheitsbewertung herangeschafft. Dr. Arndt ({0}), Anfragender: Darf ich Ihre Antwort so verstehen, daß sich die Bundesregierung jedenfalls intensiv bemühen wird, diese Angelegenheit zu einem unverzüglichen Abschluß zu bringen?

Not found (Staatssekretär:in)

Jawohl. Sobald die Einheitswertberechnung des Finanzamts vorliegt, ist die Bundesregierung in der Lage, ihre Zustimmung zu erteilen. ({0}) Dr. Arndt ({1}), Anfragender: Danke schön!

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zu Frage 15 Herr Abgeordneter von Thadden! von Thadden ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Staatssekretär des Auswärtigen Amts: Ist die Bundesregierung bereit, eine Zusammenstellung darüber zu veröffentlichen: 1. Wieviel Deutsche befanden sich am 1. Juni 1953 als sogenannte Kriegsverbrecher in Haft bei den westlichen Gewahrsamsländern? 2. Aus welchen Gründen wurden dieselben angeklagt bzw. verurteilt? 3. Wer von den Angeklagten bzw. Verurteilten wäre nach deutschem Recht angeklagt bzw. schuldig gesprochen worden?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Bitte, Herr Staatssekretär! Dr. Hallstein. Staatssekretär des Auswärtigen Amts: Herr Abgeordneter, die Bundesregierung nimmt aus folgenden Gründen vorläufig nicht in Aussicht, eine solche Zusammenstellung zu veröffentlichen. Zu Punkt 1 Ihrer Frage: Die Zahlen der in westlichem Gewahrsam unter der Beschuldigung von Kriegsverbrechen festgehaltenen deutschen Staatsangehörigen sind bereits wiederholt bekanntgegeben worden. Am 1. Juni 1953 hat es sich um 811 Gefangene gehandelt. Bis heute hat sich diese Zahl weiter auf 788 ermäßigt. Eine Vergleichszahl: am 1. April 1950 wurden noch 3656 Gefangene festgehalten. Zu Punkt 2 Ihrer Frage: Die gegen diese Gefangenen von seiten der Gewahrsamsstaaten erhobenen Beschuldigungen sind ebenfalls allgemein bekannt. Es handelt sich in erster Linie um den Vorwurf der widerrechtlichen Tötung, der Freiheitsberaubung, der Mißhandlung, der Deportation, der Plünderung und der Brandstiftung. Soweit eine Veröffentlichung der gegen die einzelnen Gefangenen erhobenen Beschuldigungen gewünscht würde, wäre zu bedenken, daß eine solche Zusammenstellung tief in die persönlichen Verhältnisse der Betroffenen eingreifen kann. Zu Punkt 3 Ihrer Frage: Der Bundesregierung stehen nicht alle Prozeßunterlagen zur Verfügung, deren Kenntnis allein ein abschließendes Urteil über den Sachverhalt in sämtlichen Verfahren ermöglichen würde. Im übrigen könnte die Frage, wer von den Gefangenen auch nach deutschem Recht angeklagt und verurteilt worden wäre, zuverlässig nicht von einer Exekutivbehörde, sondern nur von einem richterlichen Gremium nach einem gerichtlichen Verfahren entschieden werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zu Frage 18 Herr Abgeordneter Leonhard! Leonhard ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesverkehrsminister: Wann kann damit gerechnet werden, daß Krankenfahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes in dringenden Fällen Kennscheinwerfer und Sondersignale führen dürfen? Ist dem Herrn Bundesminister für Verkehr bekannt, daß im hessischen Landtag vor einiger Zeit ein diesbezüglicher Antrag gestellt wurde und mit welcher Begründung dieser abgelehnt wurde? Ist der Herr Bundesminister für Verkehr in der Lage, Auskunft darüber zu geben, welche Länder nach Befragung sich gegen das Führen von Kennscheinwerfern und Sondersignalen durch Krankentransportfahrzeuge des Roten Kreuzes ausgesprochen haben? ({1}) Ist dem Herrn Bundesminister für Verkehr weiter bekannt, daß die Krankentransportfahrzeuge in Rheinland-Pfalz diese Sondersignale führen dürfen, und zwar, weil sie dort der Feuerwehr unterstellt sind, obwohl sie die gleichen Aufgaben erfüllen wie in anderen Ländern die Krankentransportwagen des Deutschen Roten Kreuzes? Sprechen nach Ansicht des Herrn Bundesministers für Verkehr gewichtige Gründe gegen das Führen solcher Sondersignale durch Krankentransportfahrzeuge des Deutschen Roten Kreuzes, oder sprechen nicht viel mehr Gründe für eine solche Regelung?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Staatssekretär Dr. Bergemann!

Not found (Staatssekretär:in)

Das sogenannte Verkehrsvorrecht und die Benutzung der blauen Kennscheinwerfer und der Mehrklanghupe steht nur den Fahrzeugen der Polizei und der Feuerwehr zu. Es ist nicht ratsam, dieses Vorrecht auf andere Fahrzeuge, wie auf die Krankenfahrzeuge des Roten Kreuzes, auszudehnen. Es wäre zu erwarten, daß dann eine gleiche Vergünstigung auch den Krankentransportwagen von gemeindlichen oder privaten Krankentransportunternehmen zugebilligt werden müßte und daß man dann vielleicht auch ähnliche Konzessionen - solche Anträge liegen bereits vor - an die Krankenwagen größerer Werke erteilen müßte. Aus diesen Gründen haben sich auch alle Länder, die im Jahre 1950 um gutachtliche Äußerung gebeten worden sind, dagegen ausgesprochen, daß das blaue Licht und die Mehrklanghupe an andere Fahrzeuge als an die der Polizei und der Feuerwehr gegeben wird. Als im Jahre 1951 die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung zur Diskussion stand, hat sich deshalb auch der Bundesrat einmütig gegen eine Änderung des jetzigen Rechtszustandes ausgesprochen. Aus denselben Gründen hat auch im hessischen Landtag eine Anfrage, die dieses Problem wieder aufgenommen hat, neulich ihre Ablehnung gefunden. Der Bundesminister für Verkehr hat geglaubt, in dieser Frage nichts anderes tun zu können, als den Ländern drei Vorschläge zur Milderung der strengen Regelung, die ausschließlich auf Polizei und Feuerwehr beschränkt ist, zu machen. Er hat den Ländern empfohlen, die Polizei und die Feuerwehr mit einer ausreichenden Anzahl von Krankentransportwagen auszustatten. Er hat den Ländern empfohlen, auch zu prüfen, ob und inwieweit es möglich ist, Krankenfahrzeuge des Roten Kreuzes in besonderen Fällen oder auch für eine bestimmte Dauer als Hilfsfahrzeuge der Polizei einzusetzen. Ferner hat er den Ländern empfohlen, die Verkehrspolizei anzuweisen, daß sie auch ohne Gewährung eines echten Verkehrsvorrechtes die Fahrzeuge des Roten Kreuzes auf der Straße so großzügig wie möglich behandelt. Die Fahrzeuge in Rheinland-Pfalz, von denen Sie gesprochen haben und die mit dem blauen Scheinwerfer fahren, sind Fahrzeuge der Polizei.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zu Frage 19 Herr Abgeordneter Meyer! Meyer ({0}) ({1}), Anfragender: Die Frage 19 ist verstümmelt in die Drucksache Nr. 4499 hineingekommen. Sie muß lauten: Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich im Land Nordrhein-Westfalen neben der knappschaftlichen Sozialversicherung noch besondere Maßnahmen notwendig machten für Bergleute, die nach längerer bergmännischer Tätigkeit nicht mehr oder nur mit völliger vorzeitiger Invalidität Untertagearbeit ausüben? Ist der Bundesregierung bekannt, daß aus diesem Grunde der Bergmannversorgungsschein geschaffen wurde, der als eine sozialpolitische Maßnahme dem Inhaber eine bevorzugte Unterbringung unter anderem auch im öffentlichen. Dienst zusichert? Hat die Bundesregierung zur Kenntnis genommen, daß es nach dem mit dem Bergmannversorgungsschein an dieser Stelle gemachten Erfahrungen nicht möglich gewesen ist, in einem Lande mit diesem Problem fertig zu werden? Ist die Bundesregierung bereit, unter Hinweis auf Art. 56 des Vertrages über die Montan-Union die Hohe Behörde der Montan-Union in Luxemburg darauf aufmerksam zu machen, daß es Aufgabe dieser Hohen Behörde wäre, im Rahmen dieser Union den Schutz dieser Bergleute zu übernehmen und die dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen und die dafür erforderlichen Mittel bereitzustellen? Wäre insbesondere die Bundesregierung bereit, entsprechend Art. 56 des Vertrages bei der Hohen Behörde der Montan-Union zu beantragen: 1. den Bergarbeiter nach einer bestimmten Dienstzeit bzw. Dienstuntauglichkeit als vorbeugende Maßnahme für einen Berufswechsel, vor allem für öffentliche Verwaltungen, umzuschulen, 2. den Bergarbeitern nicht rückzahlungspflichtige Beihilfen zur Schaffung selbständiger Existenzen oder zum Erwerb von Eigenheimen zu gewähren, 3. diesen betreffenden Bergarbeitern die Mittel zur Umschulung für ihren neuen Beruf zur Verfügung zu stellen, 4. diesen Bergarbeitern bis zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes eine Übergangshilfe in Höhe des entgangenen Arbeitsverdienstes zu zahlen? Ich habe gestern diese meine Anfrage mit dem Herrn Bundesarbeitsminister besprochen und mich damit einverstanden erklärt, eine schriftliche Beantwortung entgegenzunehmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich rufe auf die Anfrage Nr. 20. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ist dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft bekannt, ob die Gehälter der Arbeitsdirektoren deutscher Großunternehnehmungen höher oder niedriger sind als die Gehälter der Bundesminister? ({0})

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Die genaue Höhe der Gehälter der Arbeits({0}) direktoren deutscher Großunternehmungen, die nach dem Montan-Mitbestimmungsvertrag vom 21. Mai 1951 in die Vorstände der unter dieses Gesetz fallenden Unternehmungen bestellt worden sind, ist mir ebensowenig bekannt wie die Höhe der Gehälter der kaufmännischen und technischen Vorstandsmitglieder.({1}) Ich habe als Bundesminister für Wirtschaft auch nicht die rechtliche Handhabe, die Höhe dieser Gehälter zu erfragen. Ich habe lediglich gehört, daß in gleicher Weise, wie es bei den Gehältern der kaufmännischen und technischen Vorstandsmitglieder der Fall ist, die Gehälter der Arbeitsdirektoren bei manchen Unternehmungen wohl unter, bei andern Unternehmungen aber auch über den Gehältern der Bundesminister liegen. Dr. Wuermeling ({2}), Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Zu einer Zusatzfrage hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.

Dr. Franz Josef Wuermeling (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002570, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Minister! Trifft es hiernach zu, daß die Verantwortung eines Bundesministers gehaltlich niedriger bewertet wird als die manches Arbeitsdirektors in einem Großunternehmen?

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Ich glaube nicht, daß hier bewußt Vergleiche angestellt werden können. Rein rechnerisch trifft das zweifellos zu. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Im übrigen glaube ich nicht, meine Damen und Herren, daß es die Aufgabe der Herren Minister ist, Werturteile solcher Art abzugeben. Wir kommen zur letzten Frage, zur Frage Nr. 21. Das Wort hat .der Herr Abgeordnete Blachstein. Die für die Fragestunde vorgesehene Zeit wird mit dieser Frage erschöpft. Blachstein ({0}), Anfragender: Ist der Bundesregierung bekannt, welche maßgebenden deutschen Politiker in persönlichen Gesprächen dem Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten, wie er laut amerikanischen Agenturberichten vor dem Bewilligungsausschuß des Senats erklärt hat, zu der Auffassung verholfen haben, die „Neue Zeitung" müsse weiterhin als Tageszeitung erscheinen, da sie sonst kein wirkungsvolles politisches Instrument wäre? Haben insbesondere etwa Mitglieder der Bundesregierung sich in solchem Sinne geäußert?

Not found (Staatssekretär:in)

Nein, Herr Abgeordneter,. über derartige Äußerungen ist nichts bekannt.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Eine Zusatzfrage. Blachstein ({0}),, Anfragender: Ist die Bundesregierung bereit, durch geeignete Verhandlungen zu erreichen zu versuchen, daß der leidige Zustand beseitigt wird, daß die amerikanische „Neue Zeitung" unter den Herstellungskosten verkauft wird und durch diesen Preis die deutsche Presse unterbietet?

Not found (Staatssekretär:in)

Ich bin nicht in der Lage, diese Frage jetzt zu beantworten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Damit, meine Damen und Herren, ist die für die Fragestunde vorgesehene Zeit abgelaufen. ({0}) - Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Fisch.

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich heute um die letzte Fragestunde, bevor der Bundestag aufgelöst wird. Ich beantrage darum, daß die noch auf der Tagesordnung stehenden und noch nicht erledigten Fragen behandelt werden, da eine Stellung der Fragen in einer späteren Sitzung nicht mehr möglich ist. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Haus hat den Antrag gehört. Ich lasse darüber abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die ablehnenden Stimmen waren zweifellos in der Mehrheit. Vielleicht ist das Haus geneigt, die Bundesregierung zu bitten, die noch ausstehenden Fragen schriftlich zu beantworten. ({0}) - Die Herren Minister scheinen zuzustimmen; sie werden so verfahren. Bevor wir in der Beratung des Haushalts fortfahren, soll Punkt 2 der für heute, Donnerstag, angesetzten Tagesordnung behandelt werden: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz für das Rechnungsjahr 1953 ({1}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({2}) ({3}); ({4}); b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betr. Sozialversicherungsträger ({5}). Zunächst Punkt 2 a. Berichterstatter ist der Abgeordnete Freidhof. Ich erteile ihm das Wort. Freidhof ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 272. Sitzung hat der Deutsche Bundestag einen Initiativgesetzentwurf ,der Regierungsparteien - CDU/ CSU, FDP und DP - über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz vom 10. August 1951 dem Sozialpolitischen Ausschuß überwiesen. Es handelt sich bei diesem Gesetzentwurf inhaltlich um dieselbe Materie, wie sie im Gesetzentwurf der Regierung enthalten war, ({7}) der vom Bundestag in seiner 267. Sitzung in namentlicher Abstimmung mit 178 gegen 157 Stimmen abgelehnt worden ist. Da es sich textlich und inhaltlich um dasselbe handelt wie bei dem abgelehnten Gesetzentwurf der Regierung, möchte ich mich auf die Ausführungen, die ich als Berichterstatter in der 267. Sitzung des Deutschen Bundestages gemacht habe, beziehen. Der Sozialpolitische Ausschuß hat in seiner 196. Sitzung vorn 24. Juni den Gesetzentwurf auf die Tagesordnung gesetzt. Ein Vertreter der CDU im Ausschuß stellte den Antrag, von. einer Beratung und Aussprache Abstand zu nehmen, da dieselbe Materie bereits früher bei dem Gesetzentwurf der Regierung eingehend beraten worden sei. Eine Aussprache fand deshalb nicht statt. Der Gesetzentwurf wurde im. Ausschuß mit Mehrheit angenommen. Gegen den Gesetzentwurf stimmten die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion. Auch der Haushaltsausschuß hat zu dem Gesetzentwurf Stellung genommen und ihm mit Mehrheit zugestimmt. Namens des Sozialpolitischen Ausschusses bitte ich das Haus, dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 4411 ebenfalls unverändert zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich halte es für zweckmäßig, daß vor Eintritt in die Einzelberatung Punkt 2 b begründet wird. Wer begründet diesen Antrag? - Es ist die Drucksache Nr. 4441. Sicher doch ein Mitglied der antragstellenden Fraktion! - Wird der Antrag nicht begründet? Herr Abgeordneter Wuermeling, wissen Sie Bescheid: Soll 'der Antrag nicht 'begründet werden? Dann treten wir ein in die zweite Beratung. ({0}) - Sie wollen den Antrag 2 b begründen? - Meine Damen und Herren, es hat sich eine Reihe von Abgeordneten gleichzeitig durch Handzeichen zum Wort gemeldet. Ich möchte sie bitten, mir zu sagen, zu welchem Punkte sie sprechen wollen. ({1}) - Wollen Sie den Antrag zu 2 b begründen? ({2}) - Dann hat das Wort der Abgeordnete Arndgen zur Begründung des Antrags Drucksache Nr. 4441. Arndgen ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ihnen mit Drucksache 4441 vorliegende Entschließung ist aus dem Ersuchen der Regierung entstanden, gesetzlich festzulegen, für drei Jahre durch Schuldbuchverschreibungen anstatt in bar Teile der gesetzlichen Zuschüsse an die Rentenversicherung zu zahlen. Wir sind der Meinung, daß, nach dem die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung Rechtens geworden ist, eventuelle spätere Notwendigkeiten nicht durch Gesetz, sondern durch Vereinbarungen mit den Sozialversicherungsträgern erledigt werden sollten. Ich bitte, dieser Entschließung Drucksache Nr. 4441 zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Damit treten wir in die Einzelberatung von Punkt 2 a ein. Ich rufe auf § 1. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preller.

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regelung, die hier vorgesehen ist, hat uns in diesem Hause, wie der Berichterstatter bereits gesagt hat, schon einmal vorgelegen. Dieses Gesetz ist durch seine wörtliche Wiederholung nicht besser geworden. ({0}) Wir haben in der vorhergehenden Debatte zwei- und dreimal ausreichend Gründe genannt, die es uns nicht möglich erscheinen lassen, die in § 1 grundsätzlich geregelte Frage in dieser Form zu regeln. Aus diesem 'Grunde werden wir die Möglichkeit schaffen müssen, daß die Parteien, die sich in dieser Frage bereits einmal geäußert haben, in gleicher Form wieder Stellung nehmen. Wir hatten bereits darauf hingewiesen, daß mit einem solchen Gesetz für etwa zwei Monate Kassenbeträge, die noch vorhanden sind, teilweise, und zwar zur Hälfte, abgezogen werden. Wir hatten auch darauf hingewiesen, daß in den nächsten Jahren nach Auffassung der Versicherungsträger selber etwa 200 Millionen DM jährlich mehr benötigt werden, um die Beträge der Renten dekken zu können. Wir können nicht in diesem Jahre Abschöpfungen von Geldern vornehmen, die dann in den kommenden Jahren benötigt werden. Wir haben auf die Einbuße hingewiesen, die dadurch entsteht, daß das Heilverfahren insbesondere in den notleidenden Bezirken - das sind gerade die Bezirke an der Zonengrenze - nicht gleichmäßig durchgeführt werden kann. Wir haben auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die dem Wohnungsbau durch diese Regelung entstehen werden. Ich darf dann auf einige Dinge eingehen, die Herr Kollege Dr. Hammer, der leider im Moment nicht anwesend ist, bei dieser Gelegenheit vorgebracht hat. Er hat geglaubt, darauf hinweisen zu 'können, daß bei einer Regelung nach Art dieses Gesetzes zwar der Wohnungsbau nicht mehr so stark durch die Rentenversicherungsanstalten betrieben und gefördert werden könne, daß es aber ja auf die Rentabilität der Anlage ankomme. Meine Damen und Herren, die Rentabilität der Anlage ist 'hier meines Erachtens in bezug auf den Menschen zu sehen und nicht in bezug auf das, was etwa an Zinsen zu erlangen ist. Das heißt, der Wohnungsbau würde den Anstalten weniger Geldertrag 'bringen, aber mehr Gesundheit schaffen und damit sowohl finanziell eine Erleichterung für die Rentenversicherungsträger als auch vor allen Dingen vorn menschlichen Standpunkt aus gesehen, eine Erleichterung für alle Rentner bedeuten. Es handelt sich doch wohl in erster Linie darum, daß wir für den Menschen eine Erleichterung schaffen, und nicht darum, daß wir die Sache kapitalmäßig sehen. Es ist in diesem Zusammenhang der Antrag - ich nehme an, daß wir das gesamte Gesetz jetzt besprechen -

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich habe nur § 1 aufgerufen. Ich nehme aber an, daß das Haus damit einverstanden ist, daß die sonst zur dritten Lesung ({0}) fälligen allgemeinen Ausführungen jetzt schon gemacht werden. Wir ersparen uns damit wahrscheinlich einen Teil der Redezeit, die für die dritte Lesung vorgesehen ist. - Das Haus ist damit einverstanden.

Dr. Ludwig Preller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Wenn das Haus damit einverstanden ist, dann würde ich dementsprechend verfahren. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, daß durch diese Regelung, wie sie jetzt für das nächste Haushaltsjahr vorgesehen ist, tatsächlich die Selbstverwaltung ausgeschaltet wird. Nun hat der Kollege -Arndgen für die Regierungsparteien soeben den Antrag Drucksache Nr. 4441 begründet, in dem die Regierung auf die Selbstverständlichkeit hingewiesen wird, künftig derartige Regelungen mit den Selbstverwaltungskörpern zu besprechen. Ich betone, es ist eine Selbstverständlichkeit, um die es sich hier dreht. Aber die Frage ist doch, ob wir damit der Bundesregierung überhaupt erst den Weg eröffnen sollen, noch einmal abzuschöpfen. Das scheint mir die entscheidende Frage zu sein. Der Antrag, den die Regierungsparteien gestellt haben, läuft darauf hinaus, die Bundesregierung zu ermuntern, künftig ebenfalls einen ähnlichen Weg zu beschreiten, wie er in diesem Jahr beschritten worden ist, d. h. weiterhin Gelder von den Sozialversicherungsträgern auf dem indirekten Wege über die Schuldverschreibungen in den allgemeinen Haushalt zu übernehmen. Da wir gerade diesen Grundsatz für verfehlt halten und da Sie ja selbst, meine Damen und Herren - ich erinnere an die Folgerungen, die mein Kollege Schellenberg seinerzeit aus den Worten des Abgeordneten Blank zur Regierungserklärung gezogen hat -, seinerzeit einmal dagegen gewesen sind, die Versicherungsträger, wie es hier damals der Abgeordnete Blank sagte, „vor den Zugriffen eines geldgierigen Staates zu schützen", sollten Sie auch einen solchen Antrag nicht stellen. Wir sind also der Auffassung, daß dieser Antrag die Sache nicht verbessert, um die es 'hier geht. Wenn überhaupt Gelder aus den Kassenbeträgen der Sozialversicherung entnommen werden, dann sollten sie für den Zweck verwendet werden, für den sie da sind, nämlich für die Versicherten selbst. Wir haben ja noch Anträge laufen, die der Ausschuß für Sozialpolitik leider noch nicht behandelt hat, nämlich den Antrag, die Steigerungsbeträge für die Angestelltenversicherung zu erhöhen, und den Antrag, auch den Grundbetrag für die Arbeiterrentenversicherung zu erhöhen. Wenn Geld in Anspruch genommen wird, dann sollte das ausschließlich für Zwecke der Versicherten selbst geschehen. Diese Gelder sollten nicht in den allgemeinen Haushalt übergeführt werden. ({0}) Wie ist es nun mit dem allgemeinen Haushalt? Ich mache darauf aufmerksam, daß auf dem Wege über die Kleine Steuerreform, wie wir alle wissen, in den letzten Wochen etwa 1 Millarde DM entnommen worden sind, die vornehmlich höheren Steuerzahlern zugute gekommen sind. ({1}) Ich mache weiter darauf aufmerksam, daß durch die Wahltaktik, die dabei wohl mitgespielt hat ({2}) - Nun, die Wahltaktik liegt bei Ihnen, Herr Kollege Pelster! ({3}) Die Tatsache, daß der Antrag bezüglich einer einheitlichen Bundesfinanzverwaltung, die doch von allen Sachverständigen für richtig gehalten worden ist, in diesem Hause keine Zweidrittelmehrheit erhalten hat, bedeutet in ihrer Auswirkung eine weitere Milliarde DM. Das sind in einem Vierteljahr zweimal eine Milliarde, zusammen also zwei Milliarden DM, die der Bundesfinanzminister aus seinem Etat praktisch entlassen hat. Demgegenüber müssen wir darauf hinweisen, daß nun diese halbe Milliarde DM aus den Geldern der Rentenversicherungsträger genommen werden soll, mit anderen Worten also aus den Beiträgen der Versicherten selbst. Es wäre möglich gewesen, die Summen, die der Bundesfinanzminister für seinen Etat glaubte in Anspruch nehmen zu müssen, auf andere Weise aus den eben erwähnten zwei Milliarden DM zu decken. Wir können auch nicht die Begründung anerkennen, daß die Mittel des Bundes auf diese Weise nur wieder in den Haushalt zurückgenommen würden, jene Mittel, die der Bund heute den Rentenversicherungsträgern gibt; denn diese Gelder, die der Bund heute gibt, sind ja nichts anderes als die Wiedergutmachung des Verlustes von etwa 20 Milliarden Mark, den die Sozialversicherung durch den letzten Krieg erlitten haf. Diese Wiedergutmachungsgelder sind- es, die der Bundesfinanzminister hier in Anspruch nimmt. ({4}) Eine solche Handhabung wird von den Arbeitnehmern, den Betroffenen, nicht verstanden werden. Sie wird aber auch von den Arbeitgebern nicht verstanden werden. Die Tatsache, daß die Arbeitgebervertreter in der FDP sich bei diesem Gesetz das letzte Mal der Stimme enthalten haben, zeigt doch 'deutlich die Bedenken auf, die auch bei den Arbeitgebern, genau wie bei den Arbeitnehmern, gegen diese Handhabung bestehen. Wir haben eine hohe Achtung vor jenen Mitgliedern der Bundestagsmehrheit gehabt, die das letzte Mal entweder das Gesetz abgelehnt oder aber sich wenigstens der Stimme enthalten haben. Wir würden es menschlich und politisch sehr bedauern, wenn diese damalige bessere Einsicht der betreffenden Mitglieder der Koalition heute dem - wie ich nachgewiesen zu haben glaube - unberechtigten Verlangen des Bundesfinanzministers nachgeben würde. Da wir zu dem Gesetz ja gleichzeitig abschließend sprechen sollen, darf ich erklären: wir können niemanden aus der Verantwortung entlassen, klar zu sagen, welche Auffassung er hinsichtlich dieser Abschöpfung von Mitteln der Versicherten für Zwecke und Interessen des allgemeinen Haus({5}) halts vertritt. Deshalb werden wir für die dritte Lesung namentliche Abstimmung beantragen. ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesarbeitsminister.

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich höre hier das Wort „Abschöpfung". Das klingt genau so, als ab von den Beiträgen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer für die Sozialversicherungsträger Geld für den Bundeshaushalt entnommen werden soll. ({0}) - Hören Sie doch erst zu, statt zu schreien! ({1}) Praktisch ist es doch so, daß wir in diesem Hohen Haus in den letzten Jahren Gesetze geschaffen haben, um die Sozialversicherungsträger in die Lage zu versetzen, ihren Verpflichtungen nachzukommen, und die Sozialversicherungsträger finanziell gesund zu gestalten. Sehen Sie sich doch die tatsächlichen Zahlen .an! Wir haben aus Bundesmitteln im Jahre 1950 für die Sozialversicherungsträger 762 Millionen DM gegeben, im Jahre 1951 1410 Millionen; im Jahre 1952 2088 Millionen DM, und in diesem Haushalt haben wir einen Betrag von 2750 Millionen DM. ({2}) Das ist doch die Entwicklung. Wenn wir diese Regelungen getroffen haben, um den Sozialversicherten auch in Zukunft die Sicherheit zu geben, daß ihnen die heute versprochenen Leistungen auch wirklich gewährt werden, dann bedingt das mehr oder weniger eine gewisse Rücklage. Wenn man in den großen Auseinandersetzungen finanzpolitischer Art zu dieser Ausweitung der Bundesverpflichtungen gekommen ist, dann halte ich es sehr wohl für möglich, daß sich der Bund verpflichtet, einen Teil dieser Verpflichtungen aus dem Haushaltsjahr 1953154 zu einem späteren Zeitpunkt abzudecken. Darum handelt es sich! Es geht nicht darum,, daß man Beiträge der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer anderen Zwecken zuführen will, sondern darum, daß man ungefähr ein Fünftel dessen, was der Bund den Sozialversicherungsträgern gibt, zur Zeit in Schuldverpflichtungen gibt. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Renner.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was hinter diesem Gesetzentwurf steht, ist in den letzten Wochen des öftern in diesem Hause diskutiert worden. Auch der heute vom Herrn Arbeitsminister Storch unternommene Versuch, den Inhalt dieses Gesetzes ({0}) ins Gegenteil seines wahren Zweckes umzudeuten, ({1}) schafft die Tatsachen, die hinter den Absichten der Regierung stecken, nicht aus der Welt. Worum geht es? Am 10. August 1951 hat der Bundestag mit Zustimmung der Bundesregierung und des Bundesrats das Rentenzulagengesetz beschlossen. Dabei hat sich der Bundestag dafür ausgesprochen und entschieden - und die Bundesregierung hat das mitgemacht -, daß ein gewisser Prozentsatz dieser Mehraufwendungen, die den Versicherungsträgern auf Grund dieses Rentenzulagengesetzes erwachsen, vom Bund getragen werden soll. Darum also geht es. Ein Gesetz, das Sie 1951 angenommen haben, soll jetzt insofern umgewandelt werden, als der Bund die damals übernommene Verpflichtung, die Mehraufwendungen für diese Rentenzulage in Höhe von 75 % nun loswerden will. Darum geht es, und darum wollen Sie jetzt mit diesem Gesetz aus der Verpflichtung von 1951 heraus und wollen den Landesversicherungsanstalten die Verpflichtung auferlegen, nun ihrerseits diese 75 % an Mehraufwendungen aus eigenen Mitteln aufzubringen. Und Sie wollen dafür den Landesversicherungsträgern großzügig als „Deckung", als „Sicherheitsgarantie" diese Grundbucheintragungen zur Verfügung stellen. Das ist es, worum es geht. Daß sich der Herr Storch heute hier hingestellt hat, ist nur so zu verstehen, daß er stellvertretend eine Sache verantworten will, für die der Herr Bundesfinanzminister erstinstanzlich verantwortlich ist, ({2}) denn dessen Pläne werden mit diesem Gesetzentwurf realisiert. Nun etwas über die Vorgeschichte. Wir haben das, was wir heute hier beschließen sollen, doch schon einmal gehabt. Ursprünglich haben die Koalitionsparteien genau denselben Antrag gestellt. Sie sind dann unter dem Druck der Meinungen gezwungen gewesen, darauf abzustellen, daß der Betrag in dieser Form nur für das laufende Geschäftsjahr 1953 als Zwangsanleihe bei den Versicherungsträgern erhoben werden sollte. Das hat der Bundestag mit Mehrheit abgelehnt. An dieser Ablehnung waren auch einige Gewerkschaftler aus der CDU beteiligt. Das waren Männer, die sich ihrer Verantwortung gegenüber den Arbeitern und gegenüber den Angestellten, gegenüber den Menschen, die die Versicherungs-Beiträge aufzubringen haben, bewußt waren. ({3}) Daß sie heute umfallen, ist nur ein Beweis mehr dafür, wie sehr sie unter der Peitsche des Herrn Finanzministers stehen. ({4}) Aber noch etwas anderes! Wir haben es bei diesem Vorgehen mit einer Methode zu tun, die von der Praxis ausgeht, die Hitler bereits einmal angewendet hat. Hitler hat seinerzeit zur Finanzierung seines Krieges diese Methoden der Zwangsanleihe angewendet ({5}) mit dem Ergebnis, daß die Versicherungsträger, als das Hitler-System zusammenbrach - die Träger haben sich ja gerettet, die sind noch einmal davongekommen, die sind heute wieder in leitenden Positionen in den Ministerien -, ({6}) ({7}) über 20 Milliarden Vermögen loswaren. Zusammen mit dem Vermögen, das nach dem ersten Weltkrieg durch die Kriegsmanipulationen verlorengegangen ist, waren es insgesamt 44 Milliarden, die die Versicherungsträger losgeworden sind. ({8}) - Wenn Sie das bestreiten sollten, liegt das an Ihrer Unkenntnis, Herr Arndgen, nicht an der Tatsache, daß es nicht wahr ist. Wir haben es also mit folgendem zu tun: der Finanzminister braucht Gelder, um die Wiederaufrüstung zu finanzieren. ({9}) - Ja, jetzt kommt's! - Und mit dem ersten Umfallen war es ihm nicht genug; jetzt will er uns für drei Jahre festlegen, jährlich 555 Millionen DM, also insgesamt 11/2 Milliarden DM, aus den Geldern der Versicherten für seine Kriegsaufrüstung freizumachen. Darum geht es! Dafür müssen Sie, wenn Sie zu diesem Entwurf ja sagen, die Verantwortung übernehmen. ({10}) Sie müssen den versicherten Arbeitern und Angestellten draußen gegenüber die Verantwortung übernehmen; und ich glaube, daß Sie aus dieser Verantwortung von den Arbeitern und von den Angestellten nicht entlassen werden. Ich hoffe, daß die Arbeiter und Angestellten Ihnen bei der kommenden Wahl auch für dieses schändliche Manöver des Diebstahls von Arbeitergroschen die richtige Antwort geben. ({11})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß diese Aussprache als die allgemeine Aussprache gilt, die sonst normalerweise in der dritten Lesung stattfindet, ausnahmsweise aber schon in der zweiten Lesung erfolgen kann. Das Wort hat der Abgeordnete Horn.

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu wiederholten Malen - bei der voraufgegangenen Vorlage in der ersten Lesung und in der zweiten und dritten Lesung - wurden nun die gegenseitigen Meinungen vorgetragen. Es scheint mir deshalb nicht sehr sinnvoll zu sein, auch bei dieser Gelegenheit alles das erneut in ganzer Breite zu sagen. So haben wir uns auch bei den vorausgegangenen Beratungen immer wieder gegen die falsche Darstellung der Opposition gewandt, die behauptete, daß es sich hier um die Abschöpfung von Mitteln zugunsten des Haushalts handele. Der Herr Bundesarbeitsminister ist darauf vorhin schon eingegangen; ich kann es mir deshalb schenken. Erlauben Sie, daß ich nur mit ein paar Sätzen auf einige Bemerkungen eingehe, die meine Herren Vorredner hier gemacht haben. Da möchte ich mich zunächst an den Herrn Kollegen Renner wenden, der vorhin gesagt hat, wir hätten erst unter dem Druck der Meinungen unsere Auffassung geändert und, anstatt die Bereitschaft gleich für eine dreijährige Bewilligung zu zeigen, sie auf das Jahr 1953 beschränkt. ({0}) - Das stimmt nicht, Herr Kollege Renner. ({1}) Nehmen Sie freundlichst zur Kenntnis, daß bei uns von allem Anfang an die Meinung feststand, daß wir dieses Gesetz unmöglich gleich auf drei Jahre ausdehnen können, ({2}) und zwar deshalb nicht, Herr Kollege Schellenberg, weil wir mit Ihnen der Ansicht sind, daß 'man nicht gleich auf drei Jahre hinaus die Dinge so zuverlässig übersehen kann, um für diesen Zeitraum jetzt schon Festlegungen zu treffen. Dann zum zweiten - auch darin stimmen wir mit Ihnen überein -: Wir können die beiden anderen Jahre nicht mit einbeziehen, weil inzwischen die ordnungsgemäß zustande gekommenen Selbstverwaltungskörperschaften in Funktion getreten sind. Es kann nicht Sache des Parlaments sein, für die Folge in die Zuständigkeit dieser Selbstverwaltungskörperschaften in dieser Form einzugreifen, sondern es ist ihnen zu überlassen, auf welche Weise sie die Mittel ihrer Versicherungsträger anzulegen entschlossen sind. ({3}) - Reden Sie nicht von Phrasen, wenn Sie nichts davon verstehen, verehrte Herren. ({4}) Im vorliegenden Falle handelt es sich um den Ausgleich des Haushalts 1953/54. Der Gesetzentwurf war zu einer Zeit eingebracht, als von den ordnungsgemäß in Funktion gesetzten Selbstverwaltungskörperschaften noch keine Rede sein konnte. ({5}) Deshalb haben es die Regierungsparteien - und speziell meine Freunde - verantworten zu können geglaubt, für dieses Jahr diese Entscheidung zu treffen. ({6}) Das zeugt jedenfalls von größerem Verantwortungsbewußtsein, als wenn sich der Herr Renner und auch Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, hier hinstellen und in unverantwortlicher Weise die Dinge so darstellen, als ob es sich um eine Parallele zu den verbrecherischen Maßnahmen handele, die Herr Hitler seinerzeit durchgeführt hat. ({7}) Ich glaube, wenn &e die Dinge mit einiger Ruhe und Sachlichkeit beurteilen, können Sie vielleicht noch an den Punkt kommen, bei dem Sie uns gern attestieren werden, ({8}) ({9}) daß das größere Maß der Verantwortung in dieser Stunde, in der es sich darum handelt, den Ausgleich des Haushalts 1953/54 sicherzustellen, bei uns gelegen hat, die wir in diesem Zusammenhang bereit waren, hier jetzt eine echte Vermögensanlage ({10}) auf diese Weise vorzunehmen. Der Herr Kollege Preller hat eben von der Ausschaltung der Selbstverwaltung gesprochen. Ich glaube, ich habe jetzt dargetan, inwieweit davon die Rede sein kann oder nicht. Wenn er aber mit Bezug auf unseren Entschließungsantrag ausgeführt hat, daß das geradezu eine Ermunterung für die Bundesregierung sei, auch in der Folge die Mittel der Sozialversicherungsträger in Anspruch zu nehmen, so muß ich dazu sagen: Das ist weder eine Ermunterung noch sonst irgend etwas, sondern das ist nur die ganz nüchterne, klare Feststellung, daß wir für die Folge über ein Gesetz dieser Art eben nicht mehr mit uns reden lassen, sondern die Bundesregierung, wenn sie so etwas Wieder für erforderlich hält, auf den nunmehr einzig zuständigen Weg, nämlich auf Verhandlungen mit den Organen der Selbstverwaltung, verweisen. Einen anderen Inhalt hat idas gar nicht. Ich würde das Wort „Wahltaktik" jetzt nicht gebrauchen, wenn uns nicht Herr Preller den Vorwurf gemacht hätte, daß wir Wahltaktik betrieben. Wenn schon davon die Rede ist, muß ich wahrhaftig doppelt und dreifach unterstreichen, was vorhin mit einem Zwischenruf zum Ausdruck gebracht worden ist. Aus der Fülle der Anträge, meine verehrten Damen und Herren von der Opposition, die Sie jetzt stellen, obschon Ihnen die Finanzlage des Bundes durchaus bekannt ist, guckt doch bei Gott - nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich das sage - die Wahltaktik aus allen Knopflöchern.({11}) Ich darf noch einmal folgendes feststellen und damit meine Ausführungen schließen. Die Zukunft wird es zeigen, daß wir mit unserer Haltung, ({12}) die wir jetzt in einer gewiß ernsten Situation einnehmen, das größere Maß von Verantwortungsbewußtsein bewiesen haben, indem wir auch für die Folge eine gesicherte Grundlage unserer finanziellen 'Verhältnisse schaffen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Renner.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Horn dürfen nicht unwidersprochen bleiben. Es geht um 555 Millionen DM, die bisher der Bund den Sozialversicherungsträgern in bar zu geben verpflichtet war und die jetzt die Sozialversicherungsträger aus ihren eigenen Mitteln aufbringen sollen. ({0}) Dafür sollen ihnen dann diese Schuldverschreibungen, über derer Wert man sehr verschiedener Meinung sein kann, '({1}) in die Kassenschränke gelegt werden. Herr Horn hat gesagt, es gehe nur einmal, für dieses eine Jahr, um 555 Millionen DM. Ich wundere mich wirklich, wie man einem so klaren Tatbestand solche verschiedenen Auslegungen geben kann. Nach den Erklärungen von Herrn Horn sollen im nächsten Jahr die Versicherungsträger auf Grund der ihnen jetzt zurückgegebenen Selbstverwaltung selber darüber entscheiden, wie sie ihre Mittel anlegen wollen. Ja, aber dann fehlen doch, Herr Horn, im nächsten Jahr die 555 Millionen DM, die ihnen der Bund bisher in bar gegeben hat; die sind dann doch nicht mehr da! ({2}) Die '555 Millionen sind' dann einfach nicht mehr da. Ihr ganzer Redeschwall führt an den Tatsachen vorbei. ({3}) Der Betrag ist nicht mehr da, und es bleibt den Selbstverwaltungskörperschaften in der Sozialversicherung dann nur übrig - und das wollen Sie doch so haben -, in dieser Linie zu disponieren, daß sie mittels Umlageverfahren untereinander das ersetzen, was ihnen der Bund jetzt nimmt. Darum geht es also. Es handelt sich um eine Zwangsanleihe. Der Bund will sich von der übernommenen Verpflichtung losmachen, die Mehraufwendungen, die mit der Durchführung des Rentenzulagengesetzes von 1951 entstanden sind, den Sozialversicherungsträgern zu erstatten. Darum geht es. Nun eine zweite Bemerkung. Der Herr Horn spricht davon, daß es keine Parallele gibt zwischen der 'derzeitigen Entscheidung und den verbrecherischen Maßnahmen Hitlers. Ich muß das doch behaupten. Aber selbst wenn ich es nicht behaupten würde, müßten Sie doch erkennen, daß es schließlich auf die Auswirkung ihrer derzeitigen Beschlüsse ankommt. Die nachteiligen Folgen sind im Endeffekt die gleichen, ({4}) die Hitler mit seiner Methode den Versicherungsträgern zugefügt hat. Die Sozialversicherungsträger werden um diese 555 Millionen DM beraubt. Nun noch ein letztes Wort. Auch Hitler hat damals den Sozialversicherungsträgern gesagt: Der Staat, das ist Garantie. Das sagen Sie heute auch. Der Hitler-Staat war auf Grund seiner Kriegspolitik keine Garantie. Als er zusammenbrach, waren auch die Sozialversicherungsträger ihre Milliarden los, die die versicherten Arbeiter und Angestellten mit ihren Beiträgen zusammengetragen hatten. Wollen Sie die Garantie dafür übernehmen, daß, wenn die Aufrüstungspolitik der jetzigen Regierung zum Zuge kommt und damit enden wind, womit sie automatisch enden muß, ({5}) nämlich mit einem neuen Krieg, am Ende des neuen Krieges, nach dem neuen Zusammenbruch die Sozialversicherungsträger nicht genau so bankrott sind, wie Hitler sie bankrott gemacht hat? Das ist die Frage, über die Sie sich- klarwerden sollten; aber Sie sollten uns nicht solche bewußt an dem wahren Inhalt der Dinge vorbeigehende Darstellungen geben. Außerdem, Herr Horn, Sie sind doch selber für eine Ersatzkasse verantwortlich. Wie wollen Sie denn Ihren Mitgliedern gegenüber Ihre heutige Haltung entschuldigen? ({6}) Die Mitglieder Ihrer Kasse müssen sich auf Grund Ihrer jetzigen Entscheidung sehr wohl überlegen, ob die in Ihrer Ersatzkasse angelegten Beiträge noch ein Minimum von Sicherheit haben, und Sie wollen doch nicht, daß Ihre Mitglieder Schluß machen sowohl mit Ihnen wie mit Ihrer Ersatzkasse. ({7})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.

Dr. Richard Hammer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000795, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Redner der Opposition haben vorhin verschiedentlich darauf hingewiesen, welch gewaltiger Milliardenbetrag durch die politischen Katastrophen der letzten Jahrzehnte untergegangen und den Rentenversicherungsanstalten verlorgengegangen ist. Es ist aber vergessen worden, die Verluste der Versicherungsträger insgesamt hier aufzuzeigen. Darf ich Sie darauf hinweisen, daß die so viel gepriesenen Deckungsrücklagen, die die Versicherungsträger früher geschaffen hatten, in den Krisenjahren nach 1930, also ehe Adolf Hitler in Deutschland regierte, in den Zeiten unserer Weimarer Republik, Verluste bis zu 50 % erlitten haben. Wissen Sie nicht mehr, wie bei dem Veräußerungszwang, der für die Versicherungsträger in der Kriese bestand, die Kurse jener mündelsicheren Papiere von Hypothekenbanken usw. auf 50 und 48 % heruntergegangen sind? Meine Damen und Herren, es ist doch wohl inzwischen eine unbestrittene Tatsache geworden, daß man Mittel, die man aus dem Konsum herausgezogen und investiert hat, nicht mehr zurückpumpen kann, und unter diesem Gesichtspunkt möchte ich noch einmal die Zweckmäßigkeit einer Schuldbuchforderung ganz kurz erwähnen. Zweifellos sind Schuldbuchforderungen, die beim Bund entstehen, dann, wenn der Zwang zur Verflüssigung besteht, am ehesten ,dahin zu bringen, wohin sie gehören, nämlich als Renten wieder in die Taschen der Versicherten. Wir haben uns ganz genau überlegt, wem wir eigentlich mit unserer Politik verantwortlich sind, ob den Versicherungsträgern oder den Versicherten in Deutschland. Wir haben uns für die Versicherten entschieden. Sie können sich jetzt ruhig im Wahlkampf den Scherz erlauben und können, nachdem die Fastnacht schon vier Monate zu Ende ist, den schönsten Fastnachtszauber treiben; ich glaube, daß die deutschen Versicherten auf diesen Schwindel nicht hereinfallen werden. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat ausgeführt, es handle sich bei der beabsichtigten Maßnahme, 555 Millionen, DM in Schuldbuchforderungen zu gewähren, um keine Abschöpfung. Ich muß demgegenüber nochmals mit allem Nachdruck betonen: Es geht darum, daß die gesetzlich festgelegten staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung in Höhe von 555 Millionen DM nicht in bar, sondern in Schuldbuchforderungen gewährt werden. ({0}) Die Verfügung der Sozialversicherung über ihre Mittel soll also eingeschränkt werden. Das stellt eine indirekte Abschöpfung der Mittel der Sozialversicherung dar. ({1}) Der Herr Bundesarbeitsminister hat weiter auf die Höhe der Staatszuschüsse hingewiesen und erklärt, daß die Staatszuschüsse sich in den letzten Jahren gewaltig erhöht hätten. Herr Bundesarbeitsminister, was Sie in dieser Beziehung dargelegt haben, ist nicht ganz überzeugend. Im laufenden Haushaltsjahr werden, wenn man von den 555 Millionen absieht - die Sie gerade abschöpfen wollen -, nach dem Haushaltsplan, der heute verabschiedet werden soll, 2 075 Millionen DM Zuschüsse gegeben; das sind 28,9 % der Ausgaben der Rentenversicherung für ihre Leistungen. ({2}) Ich darf Sie, Herr Bundesarbeitsminister, darauf hinweisen, daß - um ein Vergleichsjahr zu nehmen - im Jahre 1932 die staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung der Arbeiter 32,8 % und im Jahre 1929 rund 33,7 % ihrer Ausgaben betragen haben. Es entspricht also nicht den Tatsachen, daß sich der Anteil der Staatszuschüsse zu den Leistungen der Rentenversicherung der Arbeiter erhöht hat. Deshalb ist die Argumentation des Herrn Bundesarbeitsministers nach meiner Auffassung nicht überzeugend. Nun zu dem, was der Herr Kollege Horn erklärt hat. Herr Kollege Horn hat zu dem Antrag Drucksache 4441 gesprochen, in dem es heißt: Die Bundesregierung wird ersucht, nachdem nunmehr die Selbstverwaltung bei den Sozialversicherungsträgern wiederhergestellt ist, bei etwaiger künftiger Inananspruchnahme von Mitteln der Sozialversicherung den Weg der Vereinbarung mit den Versicherungsträgern zu beschreiten. Die Selbstverwaltung auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung, für die Sie eine Abschöpfung in Höhe von 185 Millionen DM beschlossen haben besteht bereits seit anderthalb Jahren. ({3}) Es entspricht nicht der Sachlage, zu sagen „nachdem nunmehr die Selbstverwaltung bei den Sozialversicherungsträgern wiederhergestellt ist". Auch auf dem Gebiet der sonstigen Sozialversicherung ist die Selbstverwaltung heute in allen Zwei({4}) gen einschließlich der Angestelltenversicherung tatsächlich wiederhergestellt. ({5}) - Die Wahlen haben stattgefunden, die Organe sind gebildet worden. ({6}) Meine Damen und Herren, ich muß namens meiner Freunde erklären: bei diesem Antrag Drucksache Nr. 4441 handelt es sich um den Ausdruck eines schlechten Gewissens. ({7}) Sie wollen nämlich mit Worten zum Ausdruck bringen, daß Sie die Methoden der Abschöpfung, die Sie heute praktizieren, für die Zukunft ablehnen. Im übrigen gibt es überhaupt keine faktische Möglichkeit einer Fühlungnahme mit den Organen der Selbstverwaltung. Denn die Regierung hat - das haben wir in den Ausschußberatungen immer wieder feststellen müssen - noch nicht einmal den Entwurf eines Verbandsrechts auf dem Gebiete der Sozialversicherung vorgelegt. Es besteht überhaupt gar keine Spitze der Selbstverwaltung, mit der der Herr Bundesarbeitsminister über eine solche Frage wie die Abschöpfung verhandeln könnte. Wir sind der Auffassung, daß der Antrag Drucksache Nr. 4441 nichts anderes bedeutet, als eine zukünftige Inanspruchnahme von Mitteln, der Sozialversicherung in irgendeiner Weise heute schon abzudecken. Deshalb können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Ich muß noch auf einige andere Dinge eingehen, weil der Herr Kollege Horn und die Vertreter der Regierungsparteien trotz der Erörterungen über die Abschöpfung zu diesen Fragen, die wir wiederholt aufgeworfen haben, nicht Stellung genommen haben. Über diese Gesetzesvorlage hat zwar eine Ausschußberatung stattgefunden. ({8}) Aber die Ausschußberatung über diese Vorlage, die gestern stattgefunden hat, war nur eine formale. Nach einer Aussprache von noch nicht fünf Minuten haben Sie die sofortige Abstimmung beantragt ({9}) - Sie waren in der Ausschußberatung nicht anwesend, Sie können deshalb darüber kein Urteil abgeben -, ohne daß überhaupt dem Vertreter der Regierung die Möglichkeit gegeben wurde, die Fragen der Opposition zu beantworten. In der Angelegenheit bestehen noch ungeklärte Fragen. Dies ergibt sich auch daraus, daß ein Teil ihrer Parteifreunde bei der Abstimmung über die Regierungsvorlage in der dritten Lesung gegen das Gesetz gestimmt hat. Also auch in Ihrem eigenen Kreise scheint diese Frage noch nicht gründlich geklärt zu sein. Ich habe deshalb in diesem Zusammenhang an die Vertreter der Regierungsparteien drei Fragen. Erstens: Warum wurde nicht vor der nochmaligen Einbringung des Gesetzentwurfes über die Abschöpfung von 555 Millionen DM der am 21. Februar 1952 auf Ihren Antrag geschaffene Soziale Beirat 'beim Bundesarbeitsministerium befragt? ({10}) - Weil es ihn nichts angeht? Sie kennen doch Ihren eigenen Antrag. ({11}) Ich darf Ihnen vorlesen, wie Ihr eigener Antrag lautet: „Zur Vorbereitung 'gesetzgeberischer Maßnahmen über die finanzielle Sicherung der sozialen Leistungen." ({12}) So beginnt Ihr Antrag. Daß es sich hier um eine gesetzgeberische Maßnahme zur finanziellen Sicherung der sozialen Leistungen handelt, kann doch nicht bestritten werden. Wir fragen Sie deshalb: Warum haben Sie den von Ihnen selbst eingesetzten Sozialen Beirat in dieser wichtigen Frage der finanziellen Sicherung nicht befragt? ({13}) - Das ist doch in diesem Zusammenhang nicht entscheidend. Entscheidend ist aber, daß beim Bundesarbeitsminister ein solches Organ besteht und daß Sie es verabsäumt haben, vor der Einbringung einer so wichtigen 'Gesetzesvorlage diesen Beirat zu befragen. Ich habe eine zweite Frage an die Vertreter der Regierungsparteien zu richten. Von den 19 Trägern der Rentenversicherung im Bundesgebiet können gegenwärtig nur 13 ihre gesetzlichen Pflichtleistungen aus eigener finanzieller Kraft erfüllen. Alle andern Träger der Rentenversicherung sind zur Erbringung der gesetzlichen Leistungen, der Renten, auf die finanzielle Kraft von 6 leistungsstarken Anstalten angewiesen. Für die freiwilligen Leistungen auf dem Gebiete der Rentenversicherung - Heilverfahren und Gewährung von Zahnersatz - besteht bis zur Stunde kein Finanzausgleich unter den Trägern der Rentenversicherung. Warum haben Sie nicht, bevor Sie eine solche Vorlage einbrachten. einen Finanzausgleich unter den Trägern der Rentenversicherung auch für die freiwilligen Leistungen, für Leistungen des Heilverfahrens und des Zahnersatzes, geschaffen? Das haben Sie unterlassen. Deshalb müssen wir immer wieder darauf hinweisen, daß die freiwilligen Leistungen der Rentenversicherung nicht sichergestellt sind. Zum Dritten - meine Damen und Herren, ich muß immer wieder darauf hinweisen, weil Sie auch darauf keine Antwort gegeben haben -: Die Regierungsparteien, insbesondere die CDU und die Freie Demokratische Partei, haben in ihren programmatischen Erklärungen versichert, daß sie die Anlagen der Sozialversicherung vor staatlichen Zugriffen sicherstellen werden. Wollen Sie sich, an diese eigene programmatische Erklärung in Zukunft halten, oder wollen Sie sie durch die Annahme des vorliegenden Gesetzes verletzen? ({14})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister. ({0})

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Professors Schellenberg zwingen mich, einiges richtigzustellen. Herr Professor Schellenberg hat davon gesprochen, daß in den Jahren 1929 bis 1932 die Rentenversicherungsträger bis zu 33 % ihrer Ausgaben aus Staatszuschüssen finanziert hätten. Das mag zum Teil richtig sein. Wir wissen, daß wir in der damaligen Zeit ein Heer von ungefähr 3 bis 6 Millionen Arbeitslosen hatten. ({0}) - Ja, Sie scheinen damals nicht in Deutschland gelebt zu haben. ({1}) Ich weiß, daß im Jahre 1929 die Arbeitslosigkeit bereits auf 2 bis 3 Millionen gestiegen war. Da fragen Sie doch einmal die alten Gewerkschaftssekretäre, die sich damals mit den Problemen herumgeschlagen haben. ({2}) Im Jahre 1932 hatten wir eine Arbeitslosigkeit, die zwischen 4 und 5 Millionen lag. Das waren also arbeitslose Arbeitnehmer, für die keine Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt wurden. Gott sei Dank hatten wir die Staatsgarantie, so daß die Renten gezahlt werden konnten. Herr Professor Schellenberg, dazu möchte ich Ihnen noch etwas sagen. Wenn wir in der Zwischenzeit mühselig die Dinge wieder so weit aufgebaut haben, daß wir glauben, wenigstens wieder einen Grund gefunden zu haben, dann dürfen wir doch nicht vergessen, daß wir das in einer Zeit getan haben, in der die Lösung von sozialen Problemen besonders schwierig ist. ({3}) Es müßte doch auch Ihnen bekannt sein, daß in der Zwischenzeit durch das nationalsozialistische Regime die sämtlichen Grundlagen unserer Sozialversicherung zertrümmert worden sind. Ihr Kollege Herr Richter ist heute leider nicht anwesend; er würde mir sonst bestätigen, daß er in Verbindung mit Herrn Hof aus Stuttgart und Herrn Ernst aus Wiesbaden in den Jahren 1945 und 1946 mit diesen Dingen beschäftigt war und man eine neue Reichsversicherungsordnung erarbeitet hat, worin Staatszuschüsse für die Rentenversicherungsträger überhaupt nicht mehr vorgesehen waren, weil man der ehrlichen Überzeugung war, daß man das vorläufig überhaupt nicht einkalkulieren könne. - So waren die Dinge! Darüber hinaus muß man sich doch auch die sozialen Probleme, vor denen wir stehen, in ihrer Gesamtheit ansehen. Im Jahre 1932 haben wir im Reichsgebiet mit 68 Millionen Einwohnern für die Kriegsopferversorgung 1,6 Milliarden ausgegeben. Heute, wo uns zusätzlich die schwere soziale Belastung durch die Heimatvertriebenen belastet, geben wir bei 48 Millionen Einwohnern mehr als das Doppelte für diesen Personenkreis aus. Ob das ausreichend ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist nicht die entscheidende Frage; sondern die brennende Frage ist die, ob eine Volkswirtschaft alle diese Dinge auf einmal tragen kann. Wenn man irgendwo ein neues Gebäude aufbaut, nimmt man auch einmal eine Hypothek auf in der Meinung, daß man nach einer gewissen Zeit auch in der Lage ist, diese Hypothek wieder abzutragen. ({4}) Und um etwas anderes handelt es sich hier nicht. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Horn.

Peter Horn (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000959, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wirklich erstaunlich, welche immer wieder neuen Gründe Herr Schellenberg heranzieht, um nur ja gegen die Vorlage zu Felde zu ziehen. Wenn er jetzt auch noch daran Kritik übt, daß wir es unterlassen hätten, den im vorigen Jahre beim Bundesarbeitsminister gebildeten Beirat zu befragen, so kann ich darüber eigentlich nur den Kopf schütteln. ({0}) Auch Kollege Schellenberg weiß, zu welchem Zweck der Beirat eingesetzt worden ist. ({1}) Er ist nämlich zu dem einzigen Zweck eingesetzt worden, in Gemeinschaft mit dem Ministerium die Voraussetzungen zu erarbeiten, die demnächst einmal die Grundlage für eine Neuordnung der Sozialversicherung darstellen sollen. ({2}) Es gehört gar nicht zu den Aufgaben des Beirats, zu den Dingen, die wir hier behandeln, Stellung zu nehmen. Wir haben ja jetzt nur über Art und Form einer Vermögensanlage, die diese Versicherungsträger vornehmen sollen, zu entscheiden. Das hat doch beileibe nichts mit der Aufgabe dieses Beirats zu tun, sich Gedanken darüber zu machen, wie die Neuordnung der Sozialversicherung demnächst einmal aussehen soll. Es ist also durchaus abwegig, hier jetzt auch diesen Punkt noch zur Kritik heranzuziehen. Bei der Kenntnis der Dinge, die Herr Schellenberg im übrigen hat, hätte ich das wirklich nicht für möglich gehalten! Was dann noch die zweite Frage, die Herr Schellenberg gestellt hat, anlangt, daß vor der Annahme einer solchen Vorlage erst einmal der Lastenausgleich auf dem Gebiete der Kann-Leistungen, der freiwilligen Leistungen der Rentenversicherungen sichergestellt werden müsse, so gehört auch das in den Komplex der Reform der Sozialversicherung und hat daher mit dieser Beratung ebenfalls nichts zu tun. Was aber die Frage als solche angeht, so kann ich nur noch einmal auf das hinweisen, was ich bereits bei der zweiten Lesung der neulich abgelehnten Vorlage vorgetragen habe: daß in § 1 dieses Gesetzes für die finanzschwächeren Versicherungsträger die Garantie dafür geschaffen ist, daß sie hier nicht in ungebührlicher Weise in Anspruch genommen werden. Ich weise noch einmal darauf hin, daß es dort heißt: Wenn hiernach einzelnen Versicherungsträgern von ihren Gesamteinnahmen für das Kalenderjahr weniger Mittel verbleiben, als zur Deckung ihrer Gesamtausgaben für das Kalenderjahr erforderlich sind ... Hier handelt es sich also nicht nur um die Pflichtaufgaben, sondern um die gesamten Aufgaben. Es wird also bei der Püfung der Frage, ob man ihnen diese Vermögensanlage zu ihrem Teil zumuten kann, sehr wohl Rücksicht darauf genommen, daß die betreffenden Rentenversicherungsträger in der ({3}) Lage bleiben, auch die Aufgabe der Heilverfahrensgewährung und die sonstigen Kann-Leistungen in dem notwendigen Ausmaße zu erfüllen. Es ist nach meiner Überzeugung ebenfalls eine falsche Darstellung der Sachlage, wenn man es so hinstellt, als ob durch diese Vermögensanlage die Versicherungsträger außer Stande gesetzt würden, ihre Aufgaben auf dem Gebiete des Heilverfahrens für die Zukunft noch zu erfüllen. ({4}) In der Begründung der Vorlagen ist ja auch das Zahlenmaterial dafür angegeben, und die in der Zwischenzeit angestellten weiteren Feststellungen haben keinen Beweis des Gegenteils erbringen können. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.

Dr. Ernst Schellenberg (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001954, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Nur zwei kurze Bemerkungen! Erstens zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister vorgetragen hat. Ich habe erklärt, daß die staatlichen Zuschüsse zur Rentenversicherung in den früheren Jahren, insbesondere vor 1933, höher gewesen sind als jetzt. Diese Behauptung halte ich aufrecht. ({0}) Sie waren sogar im Jahre 1913 höher als gegenwärtig; sie betrugen im Jahre 1913 - wenn Sie es nachlesen wollen - 30,9 %. Also, meine Damen und Herren, die staatlichen Zuschüsse für die Leistungen der Rentenversicherung waren früher höher, als sie es gegenwärtig sind. Herr Kollege Horn hat behauptet, daß durch den Gesetzentwurf eine Sicherung auch der freiwilligen Leistungen gewährleistet sei. Das entspricht nicht den Tatsachen. Der Gesetzentwurf spricht in § 1 Abs. 2 letzter Satz davon, daß die Aufbringungsanteile der einzelnen Versicherungsträger, falls diese nicht in der Lage seien, die Mittel für die Abschöpfung bereitzustellen, von den anderen Versicherungsträgern gedeckt werden müssen. Es handelt sich also praktisch um eine Sicherung der Aufbringung jener 555 Millionen DM und nicht um eine Sicherung der freiwilligen Leistungen der deutschen Rentenversicherung. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die namentliche Abstimmung über diese Vorlage erst um 16 Uhr erfolgen. (Abg. Dr. Menzel: Alle Abstimmungen! Ich nehme an, daß auch die Abstimmungen zweiter Lesung erst um 16 Uhr erfolgen sollen. Weiter liegt eine interfraktionelle Vereinbarung vor,- wonach von 13 Uhr bis 14 Uhr 30 eine' Pause eingelegt werden soll. J Die Abstimmung in der zweiten Beratung über Punkt 2 der Tagesordnung wird hiermit bis 16 Uhr ausgesetzt. Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 der Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1953 ({0}) ({1}); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({2}) ({3}). ({4}) Die Beratungen sind gestern steckengeblieben bei Einzelplan 10 Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({5}). Die gestellten Anträge sind alle begründet. Ich lasse zunächst abstimmen über den Änderungsantrag der Gruppe der KPD, Umdruck Nr. 1001, und zwar über die zu Einzelplan 10 gestellten Anträge insgesamt. Wer für die Annahme dieser Änderungsanträge ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Anträge sind abgelehnt. Ich lasse nunmehr abstimmen über den Änderungsantrag der Abgeordneten Frühwald und Genossen auf Umdruck Nr. 1012, und zwar über die Ziffern 1, 2 und 3 dieses Umdrucks. Wer für die Annahme dieser Änderungsanträge ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; diese Anträge sind angenommen. Ich lasse nunmehr, nachdem die Änderungsanträge erledigt sind, über Einzelplan 10 abstimmen. Wer für die Annahme des Einzelplans 10 in der nunmehr festgestellten Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. ({6}) - Es herrscht Unklarheit über die Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich wiederhole: die Änderungsanträge sind durch die erfolgten Abstimmungen erledigt. Durch die letzte Abstimmung über die Anträge auf Umdruck Nr. 1012 ist die Vorlage verändert. Ich lasse nunmehr über die so veränderte Vorlage zu Einzelplan 10 insgesamt abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist der Einzelplan 10 abgelehnt. ({7}) Wir kommen nunmehr zu: Einzelplan 07 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz; Einzelplan 19 - Haushalt des Bundesverfassungsgerichts ({8}). Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Ritzel. ({9}) Ritzel ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berichterstattung zu dem Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz -

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Ritzel, eine kleine Pause bitte! - Ich habe noch bekanntzugeben, daß der Ausschuß für Verkehrswesen sofort zusammentritt. Ich bitte um Entschuldigung für die Unterbrechung. Ritzel ({0}), Berichterstatter: Ich wiederhole: Die Berichterstattung über den Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Justiz und über den erstmals vorliegenden Haushalt des Bundesverfassungsgerichts als eines Einzelhaushalts kann relativ kurz sein. ({1}) - Vielleicht ist es sogar dem Hohen Hause möglich, etwas zuzuhorchen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ich bitte um ein wenig Ruhe. Der Berichterstatter ist nicht zu hören. Ritzel ({0}), Berichterstatter: Die Drucksache Nr. 4000, die den ursprünglichen Entwurf des Haushaltsgesetzes enthält, unterscheidet sich wesentlich von der endgültigen Fassung des Haushaltsgesetzes. In diesem letzten Entwurf des Haushaltsgesetzes, der heute zur Abstimmung steht, ist gegenüber der ursprünglichen Vorlage der Teil, der das Bundesverfassungsgericht betrifft, nicht mehr als Bestandteil des Haushalts des Bundesministers der Justiz enthalten. Vielmehr wird er nun als ein selbständiger Haushalt behandelt. Zu dem verbleibenden Teil darf ich kurz auf zwei Zahlen hinweisen. Der Haushalt 07 - ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, eine Berichterstattung ist schlechthin unmöglich, wenn interfraktionelle oder fraktionelle Verhandlungen laut in diesem Saale geführt werden. Ich bitte, solche Verhandlungen draußen in der Wandelhalle zu führen. ({0}) Ritzel ({1}), Berichterstatter: Der Haushalt für den Bundesminister der Justiz schließt in Einnahmen mit 23 399 800 DM ab. Es ist interessant festzustellen, daß der Löwenanteil an diesen Einnahmen auf die Einnahmen des Deutschen Patentamts entfällt, und zwar mit mehr als 21 Millionen DM. Die Gesamtausgaben des Einzelplans 07 beziffern sich auf 27 907 600 DM. Im einzelnen ist zum Haushaltsplan 07 zu bemerken, daß der Betrag für die Förderung überregionaler rechtswissenschaftlicher Vereinigungen und Forschungsinstitute sowie rechtswissenschaftlicher Veröffentlichungen, die im gesamtdeutschen Interesse erfolgen, von 80 000 auf 100 000 DM erhöht worden ist. Ein Ansatz unter Tit. 304, Kosten für den Rechtsschutz von Deutschen, die von ausländischen Behörden oder Gerichten im Zusammenhang mit den Kriegsereignissen verfolgt werden oder verurteilt worden sind, wurde aus dem Haushalt des Bundesjustizministers entfernt und in den des Auswärtigen Amts verwiesen, wo er auch erscheint. Die Drucksache Nr. 4507, in der sich der Mündliche Bericht befindet, enthält erstmals auch den Einzelplan 19, Haushalt des Bundesverfassungsgerichts. In dem Ausschußantrag wird darauf hingewiesen, daß durch die Beschlußfassung zu den Einzelplänen 07 und 19 eine Entschließung der Fraktion der SPD als erledigt erklärt werden kann. Es handelt sich um das vom Haushaltsausschuß aufgegriffene Ersuchen der SPD auf Schaffung eines selbständigen Haushalts für das Bundesverfassungsgericht. Dieser Haushalt sowie der des Justizministeriums geben im übrigen zu weiteren Bemerkungen keine Veranlassung. Im Namen des Haushaltsausschusses bitte ich Sie, den vorliegenden Anträgen Ihre Zustimmung zu erteilen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat der Abgeordnete Greve. Dr. Greve: ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht, obwohl es angebracht wäre, die Absicht, über den Haushalt des Bundesjustizministeriums anders zu sprechen, als ich es im Falle des Haushalts des Auswärtigen Amts getan habe. Ich will mich hier darauf beschränken, kurz einiges zu dem Status des Bundesverfassungsgerichts zu sagen. Meine politischen Freunde und ich haben seit je den Standpunkt vertreten und geglaubt, diesen Standpunkt vertreten zu müssen, daß das Bundesverfassungsgericht ebenso wie der Bundestag und der Bundesrat nach unserem Grundgesetz ein Verfassungsorgan sui generis ist. Das Bundesjustizministerium und der Bundesjustizminister selbst standen auf einem anderen Standpunkt, dem sich auch die Bundesregierung angeschlossen zu haben schien, als sie nach Eröffnung des Bundesverfassungsgerichts den Haushaltsplan des Bundesverfassungsgerichts mit dem des Bundesjustizministeriums zusammen vorlegte und damit zu erkennen gab, daß nach Meinung der Bundesregierung das Bundesverfassungsgericht beim Bundesjustizministerium zu ressortieren habe. Daß das nicht nur unmöglich, sondern darüber hinaus auch ein großes Unglück gewesen wäre, brauche ich Ihnen im einzelnen nicht näher zu illustrieren. Ich darf Sie in diesem Zusammenhang nur an die Auseinandersetzungen erinnern, die der Herr Bundesminister der Justiz im verflossenen Jahr mit dem Bundesverfassungsgericht geführt hat. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat in einer Denkschrift zum Ausdruck gebracht, daß es seinen Status als den eines selbständigen Verfassungsorgans neben Bundestag und Bundesrat sieht. Das sollte nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur haushaltsmäßig in der Weise zum Ausdruck kommen, daß für das Bundesverfassungsgericht ein selbständiger Einzelplan vorgelegt wird, sondern das sollte selbstverständlich auch in der Behandlung der Dienstangelegenheiten des Bundesverfassungsgerichts zum Ausdruck kommen. Das Bundesverfassungsgericht stellt sich auf den Standpunkt, daß der Bundesminister der Justiz nicht Dienstvorgesetzter irgendeines Richters oder irgendeines Beamten des Bundesverfassungsgerichtes sei, sondern daß das Bundesverfassungsgericht auch diese Angelegenheiten nach dem Grundgesetz in eigener Zuständigkeit zu erledigen habe. Das Bun({1}) desverfassungsgericht gab damit in seinem Gutachten zu erkennen, daß es sich auf den gleichen Standpunkt stellte, den mit mir meine politischen Freunde von jeher eingenommen haben. Diese Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts hat offenbar das Mißfallen des Herrn Bundesministers der Justiz erregt; denn er ließ sich durch einen von mir außerordentlich hoch verehrten Lehrer des öffentlichen Rechts, den Herrn Universitätsprofessor Dr. Richard Thoma in Bonn, ein Gutachten anfertigen, um entgegen der Denkschrift des Bundesverfassungsgerichts den Nachweis zu führen, daß die Stellung, die meine politischen Freunde und ich und auch das Bundesverfassungsgericht eingenommen haben, nicht richtig sei. Meine sehr verehrten Anwesenden! Es erregt unser großes Befremden, daß der Herr Bundesminister der Justiz versucht, mit dem Gutachten ein es Universitätsprofessors das Gutachten des Plenums des Bundesverfassungsgerichts zu entkräften. Damit kommt eine Haltung des Bundesjustizministeriums und seines verantwortlichen Ministers gegenüber dem Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck, die wir einfach unverständlich finden. Das Bundesverfassungsgericht mit der Besetzung von 24 Richtern - ich weiß im Augenblick nicht, ob sämtliche 24 Richter an der Abfassung der Denkschrift mitgearbeitet haben; 22 aber bestimmt - sollte doch eine derartige Stellung als Verfassungsorgan einnehmen, die man nicht einfach mit dem Gutachten eines noch so gelehrten und noch so angesehenen Lehrers des Rechts, wie Herr Professor Thoma einer ist, bekämpfen kann und gegen das man nicht einfach, nur weil man einen anderen Standpunkt vertritt, angehen sollte. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in der Zwischenzeit mit dem Gutachten des Herrn Dr. Thoma auseinandergesetzt und ist, auch unter Berücksichtigung der im Gutachten gemachten Ausführungen, bei seinem ursprünglichen Standpunkt geblieben. Ich glaube, es hat keinen Zweck, daß wir uns hier über den Inhalt der verschiedenen Denkschriften auseinandersetzen; das würde zu weit führen. Uns liegt jedenfalls daran, hier festzustellen, daß der gegenwärtige Status, auch wenn das Bundesverfassungsgericht jetzt aus dem Einzelplan des Justizministeriums herausgenommen worden ist und einen eigenen Einzelplan bekommen hat, nicht als befriedigend angesehen werden kann; auch im Hinblick auf den § 173 des Bundesbeamtengesetzes, in dem es erstmalig gelungen ist, bei der entsprechenden Frage die Beamten des Bundesverfassungsgerichts in gleicher Weise zu behandeln wie die Bundestags- und die Bundesratsbeamten. Im § 173 des Bundesbeamtengesetzes ist damit zum ersten Mal die Gleichstellung des Bundesverfassungsgerichts als Verfassungsorgan mit Bundestag und Bundesrat zum Ausdruck gebracht. Es bleibt dennoch übrig, dem Wunsch meiner politischen Freunde und auch dem Rechnung zu tragen, was das Bundesverfassungsgericht selbst als seine Stellung im Rahmen unseres Verfassungsrechts ansieht und was es entsprechend dieser seiner Auffassung in dem Gutachten festgelegt hat. In diesem Zusammenhang möchte ich einige wenige Hinweise nicht unterlassen. Wir werden uns bei der Verabschiedung des nächsten Etats im neuen Bundestag mit diesen Fragen endgültig zu befasseñ haben. Wir möchten hoffen, daß das Bundesjustizministerium darin eine andere Haltung einnimmt als bisher. So ist nicht einzusehen, warum z. B. den Richtern am Bundesverfassungsgericht die Ministerialzulage vorenthalten wird. Bei der Verabschiedung des Gesetzes über die Besoldung der Bundesverfassungsrichter ist ganz klar der Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck gekommen, daß die Richter des Bundesverfassungsgerichts in j e der Beziehung, auch in der Frage der Besoldung, den Beamten der Bundesministerien in den entsprechenden Gehaltsstufen gleichgestellt würden. Es ist gar nicht zu begreifen, warum ausgerechnet das Bundesjustizministerium die Auffassung vertritt, den Richtern des Bundesverfassungsgerichts könne die Ministerialzulage nicht gegeben werden. Wenn etwa darauf hingewiesen wird, daß man die Ministerialzulage dann auch den Richtern aller anderen oberen Bundesgerichte, denen beim Bundesfinanzhof, beim Bundesgerichtshof, beim Bundesverwaltungsgericht in gleicher Weise geben müsse, dann muß ich demgegenüber feststellen: Das trifft nicht zu! Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner Art und auch in seiner Stellung nach unserem Grundgesetz ein anderes Gericht, als es der Bundesgerichtshof, der Bundesfinanzhof und das Bundesverwaltungsgericht sind. Das Bundesverfassungsgericht ist - um es noch einmal zu betonen - wie Bundestag und Bundesrat ein Verfassungsorgan sui generis. Aus dieser Rechtsstellung heraus sind auch die übrigen Regelungen technischer Art getroffen worden, wie z. B. die Besoldung ihren Niederschlag im Gesetz über die Besoldung der Richter am Bundesverfassungsgericht gefunden hat. Es ist auch - um nur noch einen Punkt zu erwähnen - auf die Dauer nicht erträglich, daß das Bundesverfassungsgericht seine Arbeit unter räumlich völlig unzulänglichen Verhältnissen vornehmen muß. Wer an der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts am 8. und 9. Dezember 1952 teilgenommen hat, weiß, daß das Bundesverfassungsgericht ein eigenes Gebäude dringend notwendig hat, in dem die an diesem Bundesverfassungsgericht tätigen Richter und Beamten ihre Arbeit verrichten können. Die Art und Weise, in der das Bundesverfassungsgericht an dem von mir soeben erwähnten Tage in der Mensa der Hochschule in einer ja nicht ganz unbedeutenden Angelegenheit tätig sein mußte, die Art und Weise, in der alle übrigen Beteiligten dort tätig sein mußten, veranlaßt meine Freunde und mich, den Herrn Bundesjustizminister zu bitten, er möge dringend darum besorgt sein, dem Bundesverfassungsgericht die Stellung angedeihen zu lassen und die Arbeitsmöglichkeiten zu verschaffen, die ihm zukommen. Ich muß mich in diesem Zusammenhang hier noch an den Herrn Bundesminister der Justiz wenden. Wir selbst sind allerdings der Auffassung, daß es Angelegenheit des nächsten Bundestags sein wird, all diese Dinge in Zusammenarbeit mit dem Bundesverfassungsgericht zu regeln.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren, ich habe bekanntzugeben, daß der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen um 11 Uhr in Zimmer 209 zu einer Sitzung zusammentritt. Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion über den Verfassungs- und Verwaltungsstatus und über die haushaltsrechtliche Behandlung des Bundesverfassungsgerichts ist müßig, denn diese Dinge ({0}) sind gegen meine Meinung beim Bundesbeamtengesetz und jetzt im Haushalt entschieden worden. Ich halte diese Regelung de lege lata für unrichtig; aber bitte, ich füge mich den Tatsachen. Der Ausgangspunkt, der vom Herrn Abgeordneten Dr. Greve gegeben wird, ist nach meiner Überzeugung unrichtig. Das Bundesverfassungsgericht ist kein Verfassungsorgan sui generis, sondern ein Gericht mit hoher Kompetenz, ein Staatsgerichtshof, höchstes Verfassungsgericht, aber ein Gericht. Niemand ist noch auf den absurden Gedanken gekommen, zu glauben, daß deswegen, weil ein Gericht bei einem bestimmten Ministerium ressortiert, irgendeine Abhängigkeit der Gerichtsbarkeit bestünde. Ich weise deswegen die Andeutung des Herrn Abgeordneten Dr. Greve zurück, daß es ein Unglück wäre, daß das Bundesverfassungsgericht beim Justizministerium und - solange ich dieses Amt verwalte - bei mir ressortiere. Ich bin nicht Dienstvorgesetzter der Richter und habe das niemals in Anspruch genommen. Die Richter im Bundesverfassungsgericht sind disziplinär vollkommen autonom gestellt. Man soll doch diese Dinge nicht falsch darstellen. Ich habe mit Absicht, um in dieser Diskussion zwischen dem Bundesverfassungsgericht und mir - ich will einmal sagen - keinen falschen Ton aufkommen zu lassen, die Autorität eines angesehenen Staatsrechtlers, des Herrn Geheimrat Professor Thoma, in Anspruch genommen. Das war nichts Ungewöhnliches, sondern das war ein Beweis meiner Zurückhaltung, möchte ich einmal sagen. ({1}) Ich habe meine Stimme unterdrückt und die Stimme der Wissenschaft zur Geltung kommen lassen. Wenn Sie diese Feststellung nicht anerkennen, - gut, ich finde mich damit ab. Immerhin befinde ich mich in meiner Haltung in der Gesellschaft des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, der wohl mehr praktische Erfahrungen und mehr Überblick über die Dinge hat als die anderen Herren des Bundesverfassungsgerichts, die mit der praktischen Verwaltung nicht befaßt sind. Dann zu dem Gebäude des Bundesverfassungsgerichts. Ich finde die Unterbringung des Bundesverfassungsgerichts durchaus würdig. Wir stehen vor dem Erwerb des Prinz-Max-Palais in Karlsruhe und werden, besonders auch durch die bereits erfolgte Einrichtung einer Kantine und durch Vergrößerung der Zahl der Richterzimmer das schaffen, was noch fehlt. Ministerialzulagen können natürlich für die Richter nicht in Frage kommen. Aber ich kämpfe seit Jahren für die oberstrichterliche Zulage, nicht nur für die Richter des Bundesverfassungsgerichts, sondern auch für die Richter der übrigen oberen Bundesgerichte. Ich hoffe, daß der Herr Bundesfinanzminister seinen bisherigen Widerstand aufgeben wird.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.

Walter Fisch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000548, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe aus Anlaß der Behandlung des Haushaltsplans des Bundesjustizministeriums an den Herrn Minister einige Fragen zu richten. Es bleibt dem Herrn Minister überlassen, darauf zu antworten oder nicht. Ich möchte von vornherein sagen, daß ich auch die Verweigerung einer Antwort als eine Antwort betrachten werde. Zunächst zur ersten Frage. Wie ist die Haltung des Bundesjustizministeriums zur Wiedereinführung der Schutzhaft auf westdeutschem Boden? Wir haben in der letzten Zeit einige Fälle erlebt, die mit aller Deutlichkeit beweisen, daß von zentraler Stelle aus Untersuchungsgefangene, die in politischen Verfahren festgehalten werden, über die normale Zeit hinaus in Haft bleiben, selbst dann, wenn vorerst überhaupt kein Fortgang des Verfahrens zu erwarten ist. Ich greife drei Fälle heraus: die Fälle des Diplomingenieurs Oskar Neumann, des Bauingenieurs Karl Dickel und des Redakteurs Erich Loch. Die beiden ersten befinden sich bereits fast ein ganzes Jahr in Untersuchungshaft. Ihnen wurde vorgeworfen, sie hätten sich durch - wie es heißt - „eine führende Anteilnahme an der Volksbefragung gegen die Remilitarisierung und für einen Friedensvertrag des Hochverrats schuldig gemacht". Seit fast einem Jahr kommt das Verfahren keinen Schritt vom Fleck. Selbst nach den Angaben des vom Bundesgerichtshof beauftragten Ermittlungsrichters Dr. Claus in Essen sind in der ganzen letzten Zeit keinerlei neue Momente hinzugekommen. Zu seiner Rechtfertigung erklärte Dr. Claus vor einigen Monaten, man wolle mit der Durchführung der Hauptverhandlung warten, bis das beim Bundesverfassungsgericht anhängige Verfahren in Sachen der Verfassungswidrigkeit der KPD durchgeführt sei, so daß man danach eine ausreichende Grundlage auch für das Verfahren Neumann-Dickel zur Hand habe. Als nun im Mai der Termin für das Verfassungsstreitverfahren bezüglich der KPD auf unbestimmte Zeit vertagt wurde, wurde auch Herr Dr. Claus befragt, wie er sich jetzt zu dem Fall stelle; da das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in absehbarer Zeit nicht stattfinde, müsse doch wohl jetzt die Freilassung der Inhaftierten Neumann und Dickel erfolgen. Darauf erfolgte die Antwort: Auch dann, wenn das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht stattfindet, bleiben die Angeschuldigten Neumann und Dickel auf unbestimmte Zeit in Haft. Aus weiteren Fragen an anderen Stellen, deren Namen ich aus begreiflichen Gründen hier nicht nennen will, obgleich ich es könnte, ergab sich, daß die Auffassung besteht, man lasse die beiden deswegen nicht frei, weil zu befürchten sei, daß die Kommunistische Partei aus der Freilassung eine Agitationsangelegenheit machen werde und die beiden in dem alten „regierungsfeindlichen Sinn" wieder aufträten. Ähnlich liegen die Dinge im Falle des Redakteurs Erich Loch. Auch da mußte der beauftragte Ermittlungsrichter schon vor vielen Monaten zugeben, daß nicht nur kein neues Material in der Sache vorliege, sondern daß nach seiner persönlichen Meinung für die weitere Inhaftierung des Herrn Erich Loch auch keinerlei Grundlage gegeben sei. Trotzdem bleibt er weiter in Haft. Ich sage, wir haben es hier eindeutig mit der Praxis der Schutzhaft zu tun. Ich kann mir nicht denken, daß der Ermittlungsrichter in Essen oder der Bundesgerichtshof in Karlsruhe solche faschistischen Maßnahmen unter eigener Verantwortung ergreift. Es kann nur so sein, daß sie hierzu die Ermächtigung und den Auftrag vom Bundesjustizministerium erhalten haben. Zweite Frage: Was ist die Auffassung des Herrn Ministers über den zunehmenden Abbau der Unabhängigkeit der Richter? ({0}) ({1}) In der Kritik an der Praxis des Bundesjustizministeriums, die die Unabhängigkeit der Richter immer mehr einschränkt, stehen wir Kommunisten keineswegs allein. Ich kann mich auf die Präsidialtagung des Deutschen Richterbundes berufen, die Anfang Februar in Godesberg stattgefunden hat, und auf die Tagung des Bayerischen Richtervereins Mitte Mai in Nürnberg. In beiden Fällen wurden massive Anschuldigungen gegen den Kurs des Bundesjustizministeriums erhoben, der darauf abzielt, die Richter zu Justizbeamten zu degradieren, die Rechtsprechung zu einer Auftragsangelegenheit, die Unabhängigkeit des Richtertums zu einer bloßen Fiktion zu machen, und der schließlich zur Folge hat, daß die Rechtssicherheit der Bürger in aufreizendem Maße gefährdet wird. Nicht nur diese bedeutenden Vereinigungen des Richtertums haben sich in diesem Sinne geäußert. Auch der Präsident des höchsten Gerichts der Bundesrepublik hat kürzlich Veranlassung genommen, die Selbstherrlichkeit des Bundesjustizministeriums gegenüber Gerichten und Richtern ernstlich zu rügen. Ich berufe mich auf die Rede, die der Präsident des Bundesverfassungsgerichts Dr. HöpkerAschoff vor kurzem im Rundfunk gehalten und in der er wörtlich folgendes erklärt hat: Der Bundesjustizminister hat in der Sitzung des Bundestages für sich das Recht in Anspruch genommen, die Rechtsprechung der Gerichte zu überwachen. Dies ist ein erschreckendes Wort; denn auch der Justizminister hat die Entscheidungen der Gerichte zu achten und sich ihrem Spruch zu unterwerfen. Ich habe nicht gehört, daß der Herr Bundesjustizminister es bis jetzt für nötig gehalten hat, auf diese sehr deutliche und harte Anschuldigung des Präsidenten des Bundesverfasungsgerichts zu antworten. Anscheinend hält er auch das nicht für nötig. Ich möchte nun noch einen besonderen Fall herausgreifen, der sozusagen aus der engeren politischen Umgebung des Herrn Bundesjustizministers stammt. Am 21. April fand vor dem Schöffengericht in Erlangen. ein Prozeß statt, in dem der angebliche Privatlehrer Dr. Erhard Asmus der Urkundenfälschung und der üblen Nachrede angeklagt war. Er hatte den Vorsitzenden der Gesamtdeutschen Volkspartei, Herrn Dr. Dr. Heinemann, in Flugblättern bezichtigt, die Notgemeinschaft für den Frieden Europas habe Gelder der Sozialistischen Einheitspartei der „Sowjetzone" und der Kommunistischen Partei erhalten. Dafür hatte sich Herr Dr. Asmus zu rechtfertigen. Was ergab sich bei diesem Prozeß? Herr Dr. Asmus ist einer der führenden Leute des sogenannten Stoßtrupps gegen den Bolschewismus, ({2}) einer der führenden Leute des sogenannten Heimatschutzes in Bayern. Er erklärte vor Gericht, daß er sein ganzes Flugblattmaterial nicht nur in engstem Einvernehmen mit dem' Bundesamt für Verfassungsschutz, sondern auch in direktem Zusammenwirken mit dem Bundesministerium des Herrn Jakob Kaiser herausgegeben habe. Herr Asmus wurde aus „formalen" Gründen freigesprochen. Ich hatte bei früherer Gelegenheit schon einmal Anlaß, Herrn Dr. Dehler nach seinen persönlichen Beziehungen zu Herrn Dr. Asmus zu fragen. Herr Dr. Asmus ist nebenbei auch der Landesvorsitzende der Jungdemokraten in Bayern, und ich denke, daß der Landesvorsitzende der Freien Demokratischen Partei in Bayern, Herr Dr. Dehler, diesen famosen Mann kennen müßte. Darum habe ich die präzise Frage an den Herrn Minister zu richten: Kam dieses schändliche Urteil in Erlangen ohne Einwirkung seiner Person zustande? Hat der Herr Minister etwa nicht persönlich oder indirekt eingegriffen, um dieses beschämende und provozierende freisprechende Urteil herbeizuführen? Es wäre möglich, Dutzende ähnlicher Fälle hier anzuführen, die alle dafür sprechen, daß sich in der Justiz unter der Ägide des Herrn Dr. Dehler ein Prozeß der allgemeinen Gleichschaltung der Gerichte vollzieht, vorerst einmal in politischen, aber in zunehmendem Maße auch in allgemeinen Fragen. Auf diesem Wege geht der Bundesgerichtshof voran. Er hat am 8. April 1952 in einer entscheidenden politischen Frage, die zu entscheiden nur das Bundesverfassungsgericht befugt wäre, ein Urteil gefällt. Er hat sein Urteil ohne die Anwesenheit von Zeugen und ohne die Anwesenheit von Angeklagten gefällt. Dieses Urteil in der Frage des hochverräterischen Charakters bestimmter politischer Unternehmen, das ursprünglich ein paar Monate als Geheimsache behandelt wurde, wurde auf Veranlassung des Bundesjustizministers von September 1952 an allen im Bundesgebiet tätigen politischen Sondergerichten mit der Weisung zugeleitet, daß sie sich auf dieses Urteil des Bundesgerichtshofs, das in einem Geheimverfahren ohne Angeklagte und Zeugen zustande gekommen ist, zu stützen hätten. Ich frage das Haus: ist das nicht die typische Methode der Lenkung der Gerichte durch die Verwaltung, durch den Minister, durch die Regierung? Ist das nicht das Ende der sogenannten Unabhängigkeit des Gerichts? Aber nicht nur hierin zeigt sich dieser Kurs der Gleichschaltung. Auch in der Methode, wie in der letzten Zeit die Strafprozeßordnung in politischen Verfahren gehandhabt wird, zeigt sich die immer stärkere Anwendung der Methoden der alten Freislerschen Sondergerichte. Immer mehr geht man zu den Methoden der Suggestivfragen, der Erpressung des Angeschuldigten, des Kaufs von meineidigen Zeugen über, deren Aussagen als vollgültig gewertet werden, auch wenn das gesamte Gericht von der Unwahrhaftigkeit der Aussage überzeugt ist. ({3}) Das Bundesjustizministerium setzt sich in dem Bundesstrafverfahren kaltschnäuzig über die kürzlich erlassene Untersuchungshaftvollzugsordnung hinweg. Diese Vollzugsordnung ist beispielsweise im Lande Nordrhein-Westfalen formell am 1. Mai dieses Jahres in Kraft getreten. Aber die Untersuchungshäftlinge, die der Bundesanwaltschaft unterstehen, werden von dieser Regelung ausgenommen. Herr Dr. Dehler führt sein eigenes Regime ohne rechtliche Grundlage, das Regime der Mißhandlung der politischen Untersuchungsgefangenen, das Regime der Diskreditierung von politischen Untersuchungsgefangenen. ({4}) Die dritte Frage, die ich an den Herrn Bundesjustizminister zu richten habe, bezieht sich auf die Verhältnisse in der Bundesanwaltschaft. Ich möchte den Herrn Minister fragen, wie lange er noch beabsichtigt, diese unerträglichen Zustände zu dulden. ({5}) Ich nenne persönlich den Oberbundesanwalt Dr. Wiechmann. Wir hatten hier in diesem Hause in einer Sitzung des Ausschusses zum Schutze der Verfassung am 5. Februar dieses Jahres Gelegenheit, die Arbeitsmethoden dieses famosen Oberbundesanwalts kennenzulernen. Ich glaube, daß alle Anwesenden peinlich berührt gewesen sind von der Haltung eines Mannes, den der Minister zum obersten Vertreter der Anklage namens der Bundesregierung bestellt hat. Damals handelte es sich um die Affäre des BDJ und des Technischen Dienstes in Hessen. Herr Dr. Wiechmann sollte vor dem Ausschuß Auskunft geben, warum die Angeschuldigten Lüth, Peters, Hamann, Schipler und Bischoff, gegen die Verfahren durch die Frankfurter Justizbehörden eingeleitet worden waren, wieder auf freien Fuß gesetzt worden sind - auf seine Veranlassung!. Herr Dr. Wiechman hat den Ausschuß des Bundestages bewußt angelogen. Zunächst erklärte er, ihm sei von dem entsprechenden Belastungsmaterial überhaupt nichts bekannt. Dann, in die Enge getrieben, mußte er zugeben, daß dieses Material wochenlang schon in Karlsruhe lagerte, daß er aber dieses Material persönlich „nicht gesichtet" habe und daß darum die Freilassung der Angeschuldigten in Unkenntnis des vom Land Hessen und von den hessischen Untersuchungsbehörden gelieferten Belastungsmaterials erfolgt sei. Herr Dr. Wiechmann gab zu, daß der Bundesgerichtshof auf seine Veranlassung hin die sechs faschistischen Mordknaben auf freien Fuß gesetzt hat, und bis zum heutigen Tag haben wir keinerlei Aufklärung darüber erhalten, wie dieses Verfahren nun weiter verlaufen ist. Damals gab Herr Dr. Wiechmann als Entschuldigung für sein Verhalten an, er habe die sechs freigelassen, weil ihre Handlungen auf amerikanische Direktiven zurückzuführen seien, und er habe geglaubt, amerikanische Anweisungen stünden außerhalb der Beurteilung eines deutschen Gerichts. Diese faule Ausrede mag gegenüber dem Bundesjustizminister oder gegenüber Herrn Adenauer Geltung haben. Gegenüber der Bevölkerung kann sie keine Geltung haben. Seitdem ist ein Dreivierteljahr vergangen, und die Bevölkerung hat ein Recht, danach zu fragen, was mit dem Verfahren geschehen ist und wann die der Mordplanung Überführten endlich ihrer Strafe zugeführt werden. Der Herr Oberbundesanwalt Wiechmann gibt seine politischen Auffassungen auch durch andere Akte sehr deutlich bekannt. Auf sein Wirken ist die Freilassung des Ex-Gauleiters Kaufmann, des Ex-Obernazis Scheel und anderer Leute zurückzuführen. Aber was soll man sich darüber wundern, wenn der Hauptangeschuldigte im BDJ-Skandal, dieser famose Lüth, im persönlichen Organ des Bundeskanzlers, im „Rheinischen Merkur", heute noch Leitartikel veröffentlichen kann? Diese drei Fragen richte ich an den Herrn Bundesminister der Justiz, um ihn zu einer Antwort darauf zu bewegen, ob er diese Anzeichen der Rechtsverwilderung noch mit dem Grundsatz eines Rechtsstaates in Einklang zu bringen verma Ich frage ihn, was er zu tun gedenkt, um. das Überhandnehmen der Erscheinungen polizeistaatlicher Willkür einzudämmen? Er wird darauf keine Antwort geben können und keine Antwort geben wollen, weil dieses Regime eben ,ein System der polizeistaatlichen Willkür ist. Deshalb lehnen wir den Haushaltsplan des Bundesjustizministeriums ab. ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Bausch.

Paul Bausch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ein großes Interesse daran, mit der Haushaltsberatung zu Ende zu kommen. Gestern und auch heute wieder haben wir erlebt, daß eine kleine Gruppe dieses Hauses die Redezeit in einer ganz ungebührlichen Weise in Anspruch genommen hat. ({0}) Ich halte es für völlig unerträglich, daß dieses Verfahren fortgesetzt wird. ({1}) Ich stelle deshalb den Antrag, das Hohe Haus möge beschließen, die Redezeit je Einzelhaushalt auf 60 Minuten festzusetzen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Menzel.

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir sind gegen den Mißbrauch, in der zweiten Lesung des Etats alle politischen Probleme zu erörtern. Aber es wäre in der Geschichte des deutschen Parlamentslebens das erste Mal, wenn bei den Beratungen zum Haushalt eine Beschränkung der Redezeit beschlossen würde. Wir haben grundsätzliche Bedenken dagegen, heute das erste Mal in der deutschen Parlamentsgeschichte einen solchen Beschluß zu fassen. Aus diesen und nur aus diesen grundsätzlichen Bedenken heraus sind wir gegen den Antrag auf Abkürzung der Redezeit.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen zur Geschäftsordnung liegen nicht vor. Nach § 39 der Geschäftsordnung kann die Zeitdauer für die Beratung eines Gegenstandes „in der Regel" nach Vorschlag des Ältestenrates vom Bundestag festgesetzt werden. Ein Vorschlag des Altestenrates ist also keine Voraussetzung für den beantragten Beschluß. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Bausch. Wer für diese Beschränkung der Redezeit ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es besteht keine Klarheit über das Ergebnis der Abstimmung. Wir müssen infolgedessen im Wege des Hammelsprungs entscheiden. ({0}) Die Auszählung beginnt. ({1}) Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. An der Abstimmung haben sich 285 Mitglieder des Hauses beteiligt. Mit Ja haben 160, mit Nein ({2}) 122 gestimmt. 3 Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten. Damit ist dieser Antrag angenommen. Die Redezeit ist damit 'für jeden Einzelplan auf 60 Minuten begrenzt. Diese 60 Minuten werden in der üblichen Weise auf die Fraktionen verteilt werden. Ich 'habe dann noch folgendes bekanntzugeben. Die Fraktion der FDP möchte gern die Mittagspause bis 15 Uhr ausgedehnt wissen. Auch von anderer Seite ist ein solches Ansinnen an mich gestellt worden. Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß die Mittagspause von 13 bis 15 Uhr statt, wie beschlossen, von 13 bis 14.30 Uhr dauert. - Das Haus ist damit einverstanden. Dann habe ich bekanntzugeben, daß die Fraktion der FDP um 14.30 Uhr zu einer Sitzung zusammentritt. Weitere Wortmeldungen zu Einzelplan 07 und Einzelplan 19 liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache hierüber. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der kommunistischen Gruppe Umdruck Nr. 1001 Seite 6. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die ablehnenden Stimmen waren in der Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich lasse über Einzelplan 07 abstimmen, und zwar zunächst über Ziffer 1 des Antrags des Ausschusses Drucksache Nr. 4507. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Nunmehr lasse ich abstimmen über Ziffer 2 des Antrags des Ausschusses Drucksache Nr. 4507, die Entschließung der Fraktion der SPD usw. durch die Beschlußfassung für erledigt zu erklären. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen einige Stimmen angenommen. Damit sind die Einzelpläne 07 und 19 erledigt. Ich rufe auf Einzelplan 08: Einzelplan 08 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen ({3}). Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Brandt. Brandt ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herrin! Der Einzelplan 08, Bundesminister der Finanzen, für das Jahr 1953 schließt mit 116 Millionen DM Einnahmen und 702 Millionen DM Ausgaben, also mit einem Zuschußbedarf von 586 Millionen DM ab. Damit vermindert sich der Zuschußbedarf dieses Einzelplans um 94 Millionen DM gegenüber dem Vorjahr. Diese Verminderung ist teilweise auf eine Erhöhung der Einnahmen zurückzuführen, die um rund 1,5 Millionen DM höher als im Vorjahr veranschlagt sind. Diese Erhöhung ist fast ausschließlich, nämlich mit 14 Millionen DM, auf die Verbesserung des Ertrages des Bundesvermögens zurückzuführen. Zum überwiegenden Teil aber, nämlich mit 86 Millionen DM, ist die Verbesserung des Abschlußergebnisses eine Auswirkung der Ermäßigung des Ansatzes, aus dem die Entschädigung für die Verwaltung der an den Bund abzuführenden Steuern gezahlt wird. Bei Kap. 0804 Titel 220 werden Sie sehen, daß nur 242 Millionen DM statt 328 Millionen DM im Vorjahr eingesetzt sind. Diese vom Haushaltsausschuß beschlossene Ermäßigung stützt sich auf ein durch das Bundeskabinett verabschiedetes, aber noch nicht durchberatenes Gesetz, durch welches die Bestimmungen des Finanzverwaltungsgesetzes geändert werden sollen. Dieses Änderungsgesetz will vorschreiben, daß den Ländern in keinem Falle mehr als ein Drittel ihrer eigenen Steuerverwaltungskosten durch dep Bund ersetzt werden sollen. Zur Begründung dafür, wie notwendig dieses Limit sei, ist auf die Tatsache hingewiesen worden, daß unter Beibehaltung der bisherigen Regelung den Ländern regelmäßig weit mehr als die Hälfte ihrer Steuerverwaltungskosten durch den Bund ersetzt werden würde, in einem Falle sogar mehr als ihre gesamten Steuerverwaltungskosten. Die Kürzung der erwähnten Ausgabeposition erschien zur Herbeiführung des Haushaltsausgleiches unerläßlich. Die vom Haushaltsausschuß vorgeschlagene Kürzung unterstellt allerdings die Verabschiedung des erwähnten, noch nicht abschließend beratenen Gesetzes und steht damit, wie man meinen kann, rechtlich auf etwas schwachen Füßen. Dem Ausschuß erschien diese Maßnahme jedoch angesichts des eingetretenen Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nicht nur finanzpolitisch notwendig, sondern auch insofern unibedenklich, als die Ansätze im Haushaltsplan jedenfalls Schätzungen über den zu erwartenden Einnahmeanfall oder Ausgabebedarf sind, niemals aber von sich aus Ansprüche Dritter begründen oder aufheben. Über die Ansprüche der Länder wird vielmehr im vorliegenden Fall durch das erwähnte Gesetz zu befinden sein. Neben den eben erwähnten Ansätzen sind die übrigen im Einzelplan 08 veranschlagten Einnahme- und Ausgabepositionen von geringerem Interesse. Der Einzelplan 08 ist im wesentlichen ein Verwaltungshaushalt, der in allen entscheidenden Punkten dem des Vorjahres gleicht. Ich darf aber vielleicht doch noch folgende Punkte, die von allgemeinem Interesse sein könnten, herausgreifen, zugleich jedoch, was die einzelnen Änderungen angeht, auf die vorliegende Ausschußdrucksache verweisen. Beim Ministerium selbst hat sich der Haushaltsausschuß nach eingehender Beratung mit einer Vermehrung der Zahl der Planstellen um 36 einverstanden erklärt, nachdem 20 Beamte des Ministeriums aus der Sonderabteilung Besatzungslastenverwaltung in Bad Homburg zur Dienststelle Blank abgegeben werden konnten. Diese Vermehrung um 36 Planstellen liegt um 19 Stellen unter der Regierungsanforderung. Der Ausschuß hat sich nicht in der Lage gesehen, dieser Anforderung voll zu entsprechen. Die Vielzahl der Aufgaben, die das Finanzministerium zu erfüllen hat, schien jedoch dafür zu sprechen, daß der größere Teil der angeforderten Stellen bewilligt werden müßte. Ich darf darauf verweisen, daß sich aus der Erneuerung des Steuerwesens, der Besoldungsordnung, den Arbeiten im 'Zusammenhang mit den ({5}) sich mehrenden finanziellen Verpflichtungen des Bundes im Ausland und Verpflechtungen mit dem Ausland, aus dem Währungsausgleich und einer Reihe ähnlicher Aufgaben neue Belastungen für das Finanzministerium ergeben haben und daß auch Aufgaben aufgetreten sind, die es früher nicht gegeben hat, die Auslandswertpapierbereinigung, die jetzt geregelt werden muß, die Investionshilfe und ähnliche Aufgaben. Die Erhaltung der Aktionsfähigkeit des Finanzministeriums - so meinte der Ausschuß - sei von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung des Steueraufkommens, für unsere Währung und damit für die Aktionsfähigkeit des Bundes überhaupt. Deshalb glaubte der Ausschuß die erwähnte geringfügige Vermehrung des Personals im Finanzministerium als gerechtfertigt anerkennen zu müssen. Bei den allgemeinen Ausgaben unter Tit. 300 ist der Ansatz für die Betreuung überlebender Opfer von Menschenversuchen geändert worden. Es waren zunächst nur 100 000 DM angesetzt. Der Ausschuß hat nach einer Debatte gemeint, einem ursprünglichen Kabinettsbeschluß folgen und wieder 500 000 DM einsetzen zu sollen. Er hätte es nicht für vertretbar gehalten, wenn nicht gerade für diese Gruppe von Menschen, um die es sich handelt und die so Schweres und Tragisches durchgemacht haben, alles getan würde, um zu einer raschen Abwicklung der für sie erforderlichen Betreuungsaufgaben zu kommen. Bei Tit. 675 sind die Beiträge an internationale Organisationen erhöht. Da handelt es sich einmal um den Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens und zum andern um den Internationalen Schiedsgerichtshof für das Abkommen über die deutschen Auslandsschulden vom Februar dieses Jahres. 'Einige Bemerkungen zur Außenverwaltung. In der Devisenüberwachung, ferner zur Durchführung der Versorgungszahlung an ehemalige Reichsbedienstete und in der Vermögensverwaltung sind dem Bund neue Aufgaben erwachsen, zu deren Erledigung eine geringfügige Vermehrung des Personalbestandes zugestanden werden mußte. Dem steht die Tatsache gegenüber, daß bei der Zollbeamtenschaft 972 Planstellen abgesetzt-werden konnten. Allerdings sind daneben entsprechende Stellen für Beamte im Vorbereitungsdienst neu ausgebracht worden. Diese Stellen dienen jedoch nicht einer künftigen stellenmäßigen Vermehrung des Personalkörpers der Zollverwaltung, sondern der Gewinnung des unbedingt notwendigen Ersatzes. Diese ist deshalb erforderlich, weil starke Jahrgänge sich der Pensionsgrenze nähern. Der Dienstzweig Zoll erfordert mit seinen etwa 35 000 Bediensteten erklärlicherweise die meisten Ausgaben innerhalb der Bundesfinanzverwaltung, nämlich rund 308 Millionen DM von insgesamt 702 Millionen DM. Diese Ausgaben haben sich im Vergleich zum Rechnungsjahr 1952 im ordentlichen Haushalt um 3,5 und im außerordentlichen Haushalt um 2 Millionen DM vermindert. Ich darf hier bei der Zollverwaltung darauf aufmerksam machen, daß, wenn ein interfraktionell gestellter Antrag, der wohl nachher begründet werden wird, angenommen wird, eine Veränderung der Titel 220 und 221 erforderlich wird. Dadurch würden sich dann auch die von mir erwähnten Gesamtziffern ändern. Diese interfraktionell vorgeschlagene Änderung bedeutet einfach, daß 14 Millionen DM, die jetzt in der gedruckten Vorlage im Einzelplan Berlin vorgesehen sind und die dazu dienen sollten, die Berliner Zollverwaltung finanziell durch den Bund zu übernehmen, aus haushaltssystematischen Gründen in diesen Einzelplan übernommen werden. Diese Änderung müßte dann also sowohl bei den Titeln 220 und 221 als auch bei den Gesamtansätzen, von denen ich gesprochen habe, berücksichtigt werden. Im Zusammenhang mit dem Zoll darf ich vielleicht noch sagen, daß im außerordentlichen Haushalt, wie Sie bei der Durchsicht der Drucksache zweifellos 'bemerkt haben werden, für die Zollverwaltung und für die Vermögensverwaltung eine Reihe neuer Bauvorhaben vorgesehen sind. Die Regierung hat bei der Beratung dieses Teils auf den erheblichen Nachholbedarf gerade bei der Zollverwaltung hingewiesen. Von verschiedenen Seiten ist im Ausschuß allerdings auch der Wunsch zum Ausdruck gebracht worden, sich doch in Zukunft beim Bau neuer Verwaltungsgebäude auf das äußerste zu beschränken. Zu den sonstigen dem Bundesminister der Finanzen unterstellten Dienststellen ist nicht viel zu bemerken. Bei Kap. 0803, Bundesfinanzhof, sind bei den Personal- und Sachausgaben kleinere Senkungen deswegen möglich gewesen, weil der Spruchsenat in Soforthilfesachen vom Bundesverwaltungsgericht übernommen worden ist. Beim Bundesausgleichsamt, beim Hauptamt für Soforthilfe, das nur noch mit einem Erinnerungsposten vermerkt ist, und beim Amt für Wertpapierbereinigung sind keine oder nur unwesentliche Veränderungen im Vergleich zum Vorjahr eingetreten. Zusammenfassend darf ich sagen, daß der Einzelplan 08 mit den hier vorgeschlagenen und von mir vorgetragenen Änderungen erkennen läßt, daß sich Haushaltsausschuß und Regierung bemüht haben, alles nur Mögliche zu tun, um jene Einsparungen zu erzielen, die dem Ausschuß für die Erreichung eines Haushaltsausgleiches erforderlich schienen. Ich darf dem Hohen Hause vorschlagen, den Einzelplan 08 mit den aus dem Mündlichen Bericht sich ergebenden Änderungen annehmen zu wollen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort zur Begründung des Umdrucks Nr. 1006 hat der Abgeordnete Bausch.

Paul Bausch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt auf Umdruck Nr. 1006 ein Antrag vor, in dem vorgeschlagen wird, in Einzelplan 08 einen Ansatz zu ändern und einen neuen Tit. 221 einzufügen. Ich bitte Sie, mir zu gestatten, einige Worte zur Begründung dieses Antrages zu sagen. Der Haushaltsausschuß hat bei seinen Beratungen u. a. beschlossen, einen Betrag in Höhe von 14 Millionen DM für die Stadt Berlin zu bewilligen, um diese von den Kosten ihrer Zollverwaltung zu entlasten. Ursprünglich war vorgesehen, diesen zusätzlich bewilligten Betrag von 14 Millionen DM in den Einzelplan 45, Haushalt der finanziellen Hilfe für Berlin, einzustellen. Bei näherer Nach({0}) prüfurig hat es sich aber als zweckmäßig erwiesen, diesen Betrag nicht dort, im Einzelplan 45, zu plazieren, sondern im Einzelplan 08, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen, einen neuen Tit. 221 einzustellen und diesen Betrag hier aufzunehmen. Bei diesem Antrag handelt es sich also nicht um eine materielle Änderung der Beschlüsse, die der Haushaltsausschuß gefaßt hat, sondern nur um eine mehr technisch bedingte Änderung, die sich auf die andere Plazierung eines vom Haushaltsausschuß bereits beschlossenen Betrages bezieht. Ich darf Sie daher bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung geben zu wollen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 1007 hat der Abgeordnete Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht nur den Umdruck Nr. 1007 begründen, sondern auch einige Bemerkungen zur Politik des Herrn Bundesfinanzministers machen. Ich beginne mit Umdruck Nr. 1007. In diesem Antrag bitten wir den Bundestag, die Deutsche Revisions- und Treuhand A. G. in Frankfurt zu beauftragen, den Geschäftsbetrieb der Verwertungsstelle bei der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein und die Geschäftsberichte, die im Antrag aufgeführt worden sind, zu prüfen. Dieser Antrag, der vom Büro fälschlicherweise als Änderungsantrag bezeichnet worden ist - ich bitte das Wort „Änderung" zu streichen -, stützt sich auf § 9 des Branntweinmonopolgesetzes. Man möge nicht einwenden, daß nach § 9 die Geschäftsberichte auch vom Rechnungshof geprüft werden; das ist der Fall. Aber unabhängig davon steht ausdrücklich im § 9, daß der Reichstag - jetzt also der Bundestag - eine andere Stelle beauftragen kann, den Geschäftsbetrieb der Verwertungsstelle zu prüfen; und das wollen wir mit diesem Antrag erreichen. Um die Notwendigkeit dieser Prüfung zu begründen, müßte man weit ausholen. Aber ich will nichts von dem wiederholen, was ich im Laufe zweier Jahre von dieser Stelle aus zum Branntweinmonopolgesetz, zur Monopolverwaltung und zum Bundesfinanzministerium kritisch gesagt habe. Vor zwei Jahren hatte der Herr Finanzminister uns für September 1951 die Vorlage von Branntweinmonopolnovellen zugesagt. Er ist mehrfach daran erinnert worden. Dann hat die SPD einen Initiativgesetzentwurf eingebracht, daraufhin wurde der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen gebeten, die Beratung des SPD-Initiativgesetzentwurfs zurückzustellen, bis die Novellen der Regierung vorlagen. Das haben wir getan. Wir sind dann weiter gebeten worden zurückzustellen, weil das Mineralölgesetz, das Tabaksteuergesetz und die Kleine Steuerreform vorlagen. Im Effekt ist dabei nun herausgekommen, daß die Gesetzentwürfe nicht mehr in diesem Bundestag behandelt werden und somit, wie es scheint, die Zustände in der Monopolverwaltung und im Finanzministerium zunächst bleiben, wie sie sind. Aber das eine Verdienst haben wir uns erworben: die Diskussion um die Neuordnung der Branntweinwirtschaft eingeleitet zu haben; ({0}) und diese Neuordnung läßt sich nicht mehr aufhalten. Am 1. Oktober vorigen Jahres habe ich an den Herrn Bundesfinanzminister die Frage gerichtet, ob außer dem bekannten Tauschgeschäft noch weiterer ausländischer Sprit eingeführt worden sei. Diese Frage ist bis heute nicht beantwortet worden. Das große Geschäft, das damals unmittelbar vor dem Abschluß stand, ist übrigens nicht durchgeführt worden. Wohl aber hat interessanterweise die Berliner Monopolverwaltung seit dem vorigen Herbst größere Mengen von Melasse oder Zuckerrübenfeinsprit zu Preisen von 53 DM je Hektoliter aus dem Ausland bezogen. Man sieht, daß die Monopolverwaltung in Berlin begonnen hat, wirtschaftlich zu denken, und aus dem Ausland diesen Sprit eingeführt hat. Ich glaube auch, daß die damit eingeleitete Entwicklung nicht aufgehalten werden kann. Das Monopolgesetz als solches ist total veraltet. Herr Dr. Dietrich, ein besonderer Kenner der ganzen Materie, bezeichnet dieses Monopolgesetz in einer kürzlich erschienenen Denkschrift als „ein Flickwerk von Jahrzehnten, ohne eine weitsichtige Wirtschaftskonzeption". Zu den außerordentlich dürftigen Novellen, die die Bunderegierung dem Bundestag vorgelegt hat, sagt er folgendes - ich darf ein paar Sätze vorlesen -: Aber ganz abgesehen davon wird das fiskalische Kontrollsystem des geltenden Monopolgesetzes in der Novelle zu einer totalen Lenkung mit totaler Planung, d. h. zu einer Zwangswirtschaft verdichtet, die die Funktionen des Branntweinmarkts vernichtet und das Prinzip der Unternehmerwirtschaft ablehnt, obwohl diese die Grundlage der wirtschaftlichen Kraft bildet. Die Folgen der Mißachtung der wirtschaftlichen Grundsätze müßten Unrationalität, Fehlinvestitionen und die Ausschaltung eines mehr oder weniger unbehinderten Leistungswettbewerbes sein. Die Privatinitiative würde vollends durch den runden Tisch der Monopolbürokratie ersetzt werden. Ich sagte, daß außer dem veralteten Gesetz, welches in diesem Bundestag leider nicht reformiert worden ist, das Gesetz in seiner gegenwärtigen Fassung auch fortgesetzt falsch angewendet wird. Verbrauchsteuern, gesetzlich festgelegte Branntweinaufschläge, Monopolaufschläge, fließen nur zum Teil in die Bundeskasse, zum Teil werden sie unmittelbar von der Monopolverwaltung vereinnahmt und zur Deckung ihrer Unkosten verwendet. Ich will aber jetzt nur ein Beispiel aus der falschen Anwendung des Gesetzes bringen. In § 68 des Branntweinmonopolgesetzes ist vorgesehen, daß für die Betriebe mit höherem Brennrecht sogenannte Betriebsabschläge bzw. -zuschläge erfolgen können. Diese Abschläge werden in Prozentsätzen vom Übernahmepreis beziffert, und zwar so, daß mit steigendem Brennrecht bis zu 7°/o steigende Prozentsätze vorgesehen sind. Bei einem Übernahmepreis von 180 DM pro hl wird ({1}) daher bei größeren Brennereien ein Abschlag in Höhe von 12,60 DM kraft Gesetzes fällig. Wie verfährt aber das Bundesfinanzministerium in Wirklichkeit? In Wirklichkeit berechnet es diese 7 % nur von dem ja längst fiktiv gewordenen Branntweingrundpreis von 48 DM gleich 3,36 DM. Man begründet das damit, daß der Übernahmepreis viele Jahre hindurch 48 DM betragen habe. Zu diesem sei ein Teuerungszuschlag von 132 DM gekommen. Der Abschlag erfolge mithin kraft Gesetzes nur unter Zugrundelegung des Grundpreises von 48 DM. Dies geschah und geschieht contra legem. Daß man die Widerrechtlichkeit dieses Verfahrens im Bundesfinanzministerium kennt, ergibt sich aus der Haltung beim Überbrandabzug, der nach § 74 des Gesetzes berechnet wird. Der Überbrandabzug wird ebenfalls aus dem Grundpreis berechnet. Er beträgt mindestens 20 % des Branntweingrundpreises. 20 % von 48 DM wären 9,60 DM. Man berechnet ihn aber auf 20 % von 180 DM gleich 36 DM, unid zwar mit der richtigen Bemerkung, daß bei diesen Abzügen der Gesamterlös der Industrie getroffen werden müsse. Nehmen wir nun einen Betrieb von rund 30 000 hl Brennrecht, so bedeutet die Falschberechnung der Abzüge ein jährliches Geschenk von einer runden Viertelmillion an einen einzigen Betrieb. Erst der, der weiß, was hinter den Kulissen vorgeht; vermag die ganze Bedeutung dieser Tatsache zu erkennen. Herr Kollege Morgenthaler, wenn richtig berechnet würde, dann bekämen die kleinen Brenner für ihren ablieferungsfähigen Branntwein nicht 330 DM, sondern rund 600 DM. ({2}) - Ja! Ich meine, man kann hinfassen, wohin man will, das ganze Branntweinmonopol und auch die Handhabung durch das Bundesfinanzministerium sind einfach nicht in Ordnung. Es ist auch völlig unklar, auf Grund welcher Bestimmungen das Bundesfinanzministerium mit Interessenverbänden des Gewerbes über bestehende Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts paktiert. ({3}) Aber ich möchte noch ein persönliches Wort an den Herrn Bundesfinanzminister richten. Ich habe im Laufe dieser Jahre auf keinen Mißstand öffentlich hingewiesen, ohne ihn vorher persönlich, schriftlich oder mündlich unterrichtet zu haben. Erst nachdem er nichts geändert hat, ({4}) habe ich mach auf die Tribüne des Deutschen Bundestages gestellt und versucht, das Interesse des 'Bundestages zu erregen. Ich habe wirklich in vollster Loyalität den Herrn Bundesfinanzminister auf diese Dinge aufmerksam gemacht. Meine Fraktion weiß, wie sehr ich mich bemüht habe, das Verhältnis zum Bundesfinanzminister, der ein schweres Amt hat - das wissen wir -, so gut wie nur irgend möglich zu gestalten. Es hat mir persönlich leid getan - und deshalb sage ich es zum Abschluß dieses Bundestags -, daß Herr Minister Schäffer alle gutgemeinten, sachlich fundierten und freundschaftlich vorgetragenen Ratschläge mißachtet hat. ({5}) Er hat wohl gedacht, er habe seine Mehrheit. Aber wir haben gesehen, wie auf Grund seiner verfehlten Finanz- und Steuerpolitik seine Mehrheit immer mehr dahinschwindet und er im eigenen Lager keine Anerkennung findet. ({6}) Bei der Beratung des Kaffeesteuergesetzes hatte er beispielsweise im Ausschuß noch einen aus seiner Fraktion, der gegen den SPD-Antrag stimmte. Der Grund ist wohl der, daß Herr Minister Schäffer fiskalisch-ärarisch denkt und daß es ihm nicht gelingt, bei jeder steuer- und finanzpolitischen Maßnahme den wirtschaftspolitischen Hintergrund oder die wirtschaftspolitischen Ziele zu sehen. Es kommt aber heute bei dem gewaltigen Umfang der öffentlichen Finanzwirtschaft mehr denn je darauf an, mit finanzpolitischen Mitteln wirtschaftspolitische Effekte zu erzielen. Ich mache noch ein paar weitere kurze Anmerkungen, weil die Redezeit bei der zweiten Beratung des Haushaltsplans leider beschränkt worden ist. ({7}) Ein Wort zum Bundesvermögen. Wir hatten vor mehreren Jahren den Antrag Höpker-Aschoff zur Frage der Verfügungen der Länder über Bundeseigentum. Wir halben ,dann schließlich die vorläufige Regelung der Rechtsverhältnisse in dem sogenannten „Vorschaltegesetz" vom 21. Juli 1951 erreicht. Bisher liegt noch kein Vermögensnachweis vor. Er soll erstmalig mit dem Haushalt 1954/ 55 vorgelegt werden. Natürlich liegt das zum Teil an den Ländern. Das ist ganz klar. Aber das Land, welches am heftigsten gegen das Bundesvermögen ist, ist Bayern, und der Herr Bundesfinanzminister ist Bayer. Es steht zu befürchten, daß er in diesem Falle - wie auch in anderen Fällen - sein bayerisches Herz über seinen Bundesfinanzministerverstand hat siegen lassen. ({8}) Zur Steuerpolitik will ich auch nur wenige Worte sagen. Wir haben in diesem Bundestag bisher eine Fülle von Steuergesetzen behandelt; es sind wohl mehr als 100. An allen möglichen kleinen Dingen ist herumgeflickt worden, und das Steuersystem ist immer unübersichtlicher geworden. Es ist damit schwerer zu handhaben und bietet natürlich mehr Gelegenheit zu Steuerhinterziehungen. Ich erinnere daran, daß der Herr Bundeskanzler in der Regierungserklärung am 20. September 1949 die große Steuerreform für das Jahr 1950 in Aussicht gestellt hat. Sie ist auch vom Bundesfinanzminister immer wieder angekündigt worden. Eine Ablösung des unübersichtlichen und unsozialen Steuersystems durch ein den gestiegenen und noch weiter ansteigenden Anforderungen angepaßtes System ist jedoch nicht erfolgt. Zu einer Senkung der Verbrauchsteuern hat sich der Herr Minister Schäffer in keinem Fall bereitgefunden. Dagegen hat er wiederholt die Einführung von Sondersteuern erwogen. Ich erinnere an das unselige Süßwarensteuerprojekt. Er hat immer wieder überlegt, wie man die Verbrauchsteuern er({9}) höhen oder zumindest die überhöhten Sätze beibehalten könnte. Die Verbrauchsteuern sind nämlich geradezu enorm hoch: beim Kaffee sind rund 45%, beim Tee rund 47% des Kleinverkaufspreises Umsatz- und Verbrauchsteuern, bei Zucker rund 37%, bei Bier rund 20%, bei Branntwein rund 42%, bei Zigaretten waren es über 71%; jetzt weniger. Beim Salz machen sie über 38% und bei den Zündwaren 55,5% aus. Man sieht also, daß die Verbrauchsteuern unheimlich hoch sind. Das Ziel sollte aber sein, durch Senkung der Verbrauchsteuern den Massenkonsum auszuweiten. Die bisherige Senkung der direkten Steuern hat im Effekt die höheren Einkommen überproportional begünstigt. Besonders bedauerlich ist, daß Herr Minister Schäffer nicht in der Lage gewesen ist, dem Hause das nach Art. 107 bis zum 31. Dezember 1952 vorzulegende Gesetz über die endgültige Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern zu unterbreiten. Auf seinen Antrag hat das Haus beschlossen - dazu war eine verfassungändernde Mehrheit nötig, und wir konnten unsere Zustimmung nicht versagen, weil wir sonst an die Neuverteilung überhaupt nicht mehr herangekommen wären -, die Frist für die Vorlage dieses Gesetzes bis zum 31. Dezember 1955 zu verlängern. Durch Einspruch ides Bundesrats ist die Verlängerung auf 31. Dezember 1954 befristet. Wenn das Gesetz zum vorgesehenen Zeitpunkt hätte verabschiedet werden können, hätte es den alljährlichen Finanzstreit zwischen Bund und Ländern um den Bundesanteil an den Ländersteuern verhindern und zur größeren Stetigkeit der Haushalte beitragen können. Das alljährliche Aushandeln des horizontalen Finanzausgleichs, das zu den unerfreulichsten Kontroversen zwischen Bund und Ländern und zwischen den Ländern untereinander geführt hat, wäre ebenfalls verhindert worden. Die Aufgabe, einen befriedigenden, nach objektiven Maßstäben errechenbaren Finanzausgleich zu finden und die Anteile am gesamten Steueraufkommen nach Umfang und Dringlichkeit der Aufgaben bei Bund und Ländern zu bemessen, ist nicht gelöst worden. Der Bundesfinanzminister bezeichnet sich immer als Föderalisten. Er hat hier sogar gesagt, er sei in erster Linie Abgeordneter des bayerischen Wahlkreises Passau. Ich bin der Meinung, daß er durch sein Verhalten dem Föderalismus in Deutschland schweren Schaden zugefügt, nicht aber den Föderalismus gefördert hat. Das hat sich .am deutlichsten in (der Frage der Bundesfinanzverwaltung gezeigt. Obgleich alle Sachverständigen sowie die gesamte dem Herrn Bundesfinanzminister nachgeordnete Finanzverwaltung des Bundes und die Beamten der Finanzverwaltungen der Länder einhellig der Meinung sind, daß 'die zentrale Bundesfinanzverwaltung notwendig ist, hat sich der Herr Bundesfinanzminister dagegen gestellt und auch in der vorigen Woche in der namentlichen Abstimmung hierzu wieder nein gesagt. Wenn man bedenkt, daß die Sachverständigen zu einem Einnahmeausfall von rund 1000 Millionen gekommen sind, dann muß man wohl sagen, daß es unverständlich ist, daß wir uns weiterhin den Luxus der Länderfinanzverwaltungen, den Luxus des Aushandelns eines Teiles der Einkommen- und der Körperschaftsteuer, den Luxus dieses falschen Finanzausgleichs leisten. Die sozialdemokratische Fraktion sieht sich nicht in der Lage, dem Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen zuzustimmen; sie bittet jedoch um die Annahme des Antrages auf Umdruck Nr. 1007, den ich einleitend begründet habe. ({10})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst ein Wort über den Antrag auf Umdruck Nr. 1007 sprechen. Dieser Antrag will, daß die Deutsche Revisions- und Treuhand AG entsprechend § 9 Abs. 2 des Branntweinmonopolgesetzes beauftragt wird, den Geschäftsbetrieb der Verwertungsstelle bei der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein zu prüfen. Diese Prüfung soll neben der Prüfung durch den Bundesrechnungshof erfolgen. Ich betrachte den Antrag nicht etwa in dem Sinne, daß darin eine Art Mißtrauen steckte. Das, Mißtrauen könnte sich nicht gegen das Bundesfinanzministerium richten, sondern gegen den, der gesetzlich die Rechnungen nachzuprüfen hat, und das ist der Bundesrechnungshof. Ich stelle nur folgendes fest. Ich bin sehr dankbar, obwohl ich den Beschlüssen des Plenums nicht vorgreifen will, wenn eine solche Nachprüfung durch die Revisions- und Treuhandgesellschaft erfolgt; denn die Gegner des Branntweinmonopols, auch unser sehr verehrter Herr Kollege D r. Gülich, pflegen meistens über das Branntweinmonopol so zu reden, als ob sich hier das oder jenes abspiele, was das Licht der Öffentlichkeit scheue. ({0}) Meine Damen und Herren, ich bin gern bereit, die Öffentlichkeit in alle Kammern des Branntweinmonopols hineinsehen zu lassen. ({1}) Ich hoffe, daß, wenn der Antrag angenommen worden ist und die Revisions- und Treuhandgesellschaft Ihnen den Bericht vorgelegt hat, das Geflüster über geheimnisvolle Dinge ein Ende nimmt und die Berichte des Bundesrechnungshofes und der Deutschen Revisions- und Treuhandgesellschaft die Grundlagen jeder sachlichen Erörterung sein werden. Ich habe mit Interesse dem Herrn Redner zugehört; der sich ja sehr viel mit dem Branntweinmonopol beschäftigt, und bin mir jetzt nicht klargeworden: wird derjenige, der auswärtigen Sprit einführt, gelobt, oder wird er getadelt? Tatsache ist jedenfalls folgendes - ich stelle es hier ruhig fest -: im Bundesgebiet ist auswärtiger Sprit nicht eingekauft worden, weil inländischer Sprit genügend vorhanden ist. Berlin hat ihn eingeführt. Ich will die Gründe dafür nicht nachprüfen; es wird seine eigenen Gründe gehabt haben. Aber ob der eine zu loben oder zu tadeln ist, ich glaube, darüber könnte man sich erst unterhalten, wenn man die Dinge einmal kaufmännisch nachprüft. Jedenfalls, solange ich meinen Bedarf im Inland decken kann, sehe ich keinen Anlaß, den Sprit aus dem Ausland einzuführen. Dann wird gesprochen über die Vereinbarungen bezüglich der Berechnung des Übernahmepreises. ({2}) Herr Kollege Dr. Gülich, ich kann nur sagen, daß diese Vereinbarungen wegen des Übernahmepreises im Benehmen mit sämtlichen Gewerbezweigen erzielt worden sind und daß die Berechnung nach einer Übung erfolgt, die meines Wissens bis zum Jahre 1932 zurückgeht. Ich weiß also auch nicht - die Feststellung, die erfolgt ist, ist richtig -, was eigentlich an der Handhabung auszusetzen wäre. Ich bin einer Belehrung sehr gern zugänglich, aber vorläufig wüßte ich nicht, was auszusetzen ist. Dann kommen Vorwürfe allgemeinpolitischer Art; zunächst, daß die Auseinandersetzung mit den Ländern wegen des früheren Reichs- und preußischen Vermögens noch nicht erfolgt sei. Der Herr Kollege Gülich war noch Finanzminister eines Landes, als ich damals die unendlich vielen Besprechungen und Verhandlungen mit den Ländern wegen des Vollzugs der Artikel 134 und 135 GG führte. Er weiß, daß zur Regelung dieser ganzen Materien, auch zu den entscheidenden Gesetzentwürfen selbst, die Zustimmung der Länder erforderlich Ist. Wie schwer es ist, die Zustimmung der Länder auf Gebieten zu erhalten, in denen es um Auseinandersetzungen über Vermögen und Geld geht, und dabei zu erreichen, daß die Länder ihre Verpflichtungen, dem Bund zu geben, auch erfüllen, sollte man hier allmählich wissen. Ich bin nun einmal nach dem Grundgesetz an die Zustimmung gebunden, und ich war stolz, daß wir wenigstens das Vorschaltegesetz in Vereinbarungen zustande gebracht haben und auf Grund dieses Vorschaltegesetzes wirklich arbeiten können. Ich wünsche dem Bundestag des Jahres 1954 und idem Finanzminister, der dann vor dem Bundestag zu erscheinen hat, den Erfolg, daß er zu der endgültigen Gesetzgebung - die praktische Linie ist heute bereits abgezeichnet - auch noch das Schlußsiegel und die Zustimmung der Länder erhält. Aber ich glaube, daß mir eine Verzögerung nicht vorgeworfen werden kann. Herr Kollege Gülich, es ist richtig: ich bin gewählt im Bundeswahlkreis Passau, bin geboren in München, bin beheimatet in Bayern; ich rechne mir das garnicht als Nachteil an und habe mich deswegen weder zu schämen noch habe ich das zu verbergen. Aber, Herr Kollege Gülich, wenn Sie so Andeutungen machen, daß Bayern deswegen durch den Bundesfinanzminister etwa gegenüber anderen Ländern ungerechtfertigt bevorzugt würde, dann muß ich doch um konkrete Unterlagen bitten. Ich hoffe in meiner Einstellung allen, sowohl dem Bund wie den Ländern, gerecht geworden zu sein. Nun zu der Frage des Verhältnisses Verbrauchsteuern - direkte Steuern und der großen Steuerreform! Ich werde oft darüber gefragt und habe schon oft meine Meinung gesagt: man soll während des Rennens die Pferde nicht wechseln. In der Zeit, in der sich der Finanzbedarf der öffentlichen Hand sprunghaft entwickelt und gar nicht zu übersehen ist, in der die volkswirtschaftlichen Verhältnisse jeden Monat und jedes Jahr wieder einer Erschütterung ausgesetzt werden können, - in einer solchen Zeit ist von einem großen Umbau in ein ganz neues Steuersystem in keinem Land der Erde die Rede unid kann auch in der jungen Bundesrepublik, die auf dem Schutt, auf den Ruinen des Jahres 1945 aufbauen muß, nicht die Rede sein. Ich kenne keinen ernsthaften Mann, der je daran gedacht hat, daß man in den Jahren 1949 bis 1953, wo wir reichlich genug zu tun hatten, um überhaupt die junge Bundesrepublik aufzubauen, die Möglichkeit gehabt hätte, ein ganz neues Steuersystem zu schaffen. Ich glaube, wir können mit der Arbeit, die wir geleistet haben, und auch damit, daß es gelungen ist, diese Arbeit zur Deckung der notwendigen Ausgaben unter Beibehaltung der finanziellen Ordnung des Haushalts zu leisten, eigentlich recht zufrieden sein. Die Kleine Steuerreform, die hier vorgeschlagen wurde, ist ein Wegweiser. Ich wollte, daß dieser Wegweiser auch in seiner Bedeutung richtig verstanden wird. Die Kleine Steuerreform beruht auf der Erkenntnis, daß wir eine Finanzpolitik mit dem Ziel der Minderung der Steuern treiben müssen. Daraus folgt aber, daß ich mich auch anstrengen muß, eine Politik der Minderung der Ausgaben der öffentlichen Hand zu treiben und jedes unnötige Anwachsen derselben zu vermeiden. Das geht Hand in Hand. Weiter ist die Politik fortschreitend die gewesen, die öffentliche Hand aus dem Bereich der öffentlichen Investitionen zurückzuziehen und durch die Gesetzgebung sowie die gesamte Finanzpolitik die Voraussetzungen für einen Kapitalmarkt zu schaffen, der die natürliche Aufgabe des privaten Kapitalmarks, Investitionen zu leisten, erfüllt und den Staat, der das in der Zeit der Not mehr, als ihm lieb war, tun mußte, auf diesem Gebiete entlastet. ({3}) Das ist der Wegweiser der Kleinen Steuerreform, und ich hoffe, daß dieser Weg in der Zukunft konsequent weiter beschritten wird. Richtig ist - das gebe ich zu -, daß es mir nicht möglich war, die Länder bis zum 31. Dezember 1952 dazu zu bewegen, sich auf Grund des Art. 107 des Grundgesetzes mit dem Bund über eine neue Verteilung der Steuerquellen und im Zusammenhang damit über eine Steuerreform zu einigen. Ich glaube, Herr Kollege Gülich, das wäre Ihnen in diesem Zeitraum auch nicht gelungen. Ich habe mich mit den Ländern geeinigt, daß wir die Frist verlängern - das ist dann nach Widerständen einzelner einstimmig erfolgt -, um zu versuchen, ob wir dieses Kunststück, das die Zustimmung der Länder voraussetzt, bis zum 31. Dezember 1954 leisten können. Gott gebe es! Zur Zeit arbeitet ein Ausschuß der Länderfinanzminister an diesem Problem; das Bundesfinanzministerium selber hat die Unterlagen vorbereitet. Ich habe neulich ein spontanes Gutachten eines sehr geachteten Wissenschaftlers über den Vorschlag des Bundesfinanzministeriums erhalten, das sich recht anerkennend ausspricht. Die Frage ist aber, ob die politischen Voraussetzungen dafür "gegeben sind. Gott gebe es, daß sie bis zum Dezember 1954 da sind, Jetzt kommt die Hauptsünde. Richtig ist, ich habe meiner Überzeugung gemäß gegen den Antrag auf Änderung der Verfassung zur Einführung der Bundesfinanzverwaltung gestimmt. Das war meine Überzeugung, die ich als Abgeordneter in diesem Hause vertreten habe. Dabei habe ich auch als Bundesfinanzminister Stellung genommen und gesagt: in der Zeit, in der ich an die Zustimmung ({4}) der Länder gebunden bin, ist es mein Bestreben, eine gesunde Politik unter Vermeidung unnötiger Konflikte und unnötiger Verbitterung zu treiben. Ich bin den Weg des Art. 108 des Grundgesetzes gegangen. Ich habe mit den Ländern das schwierige Problem des horizontalen Finanzausgleichs bewältigen können. Wir sind beim vertikalen Finanzausgleich, Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes, nicht zu dem Ziel gekommen, das ich als Bundesfinanzminister gewünscht habe. Ich kann mich aber nicht erinnern, Herr Kollege Gülich, daß Ihre Fraktion mich als Bundesfinanzminister in dieser Situation gegen die Länder unterstützt hat. Ich muß also sagen: ich wollte eine Politik, in der das, was dem Bunde gehört, dem Bunde möglichst ohne Konflikte gegeben wird. Chimären will ich nicht nachlaufen. Es ist aber eine Chimäre - so möchte ich einmal sagen -, von der Einsparung einer Milliarde zu reden, die auf dem Tisch liege und die man nur wegzunehmen brauche, wenn der Abänderungsantrag angenommen worden wäre. ({5}) Wie ist es denn? Ein Sachverständiger hat rein hypothetisch gesagt: wenn durch eine gleiche Handhabung sämtlicher Steuergesetze ungefähr eine Steigerung der Steuereingänge von 10% erreicht werden könnte, würde das bei den direkten Steuern, die heute 10 Milliarden betragen, 1 Milliarde sein. Richtig, das kann jedes Schulkind ausrechnen. Aber ob die Voraussetzung dafür gegeben ist, ob eine zentrale Finanzverwaltung eine Steigerung des Steuererträgnisses um 10% bringen würde, das ist ja gerade die Frage. Diese Frage hat der Sachverständige auch nicht beantwortet. Das hängt von ganz anderen Dingen ab, Herr Kollege Dr. Gülich, nicht allein von der Organisationsgestaltung; es hängt von den Kräften ab, die auf eine zentral gelenkte Finanzverwaltung einwirken und ihren politischen Einfluß nach dieser Richtung hin geltend machen. Also mit der Einführung der Bundesfinanzverwaltung wäre im Haushalt 1953/54 keine Entlastung, sondern höchstens für den Augenblick sogar eine Belastung erfolgt. Im übrigen bitte ich, das Gesetz über die Begrenzung der Entschädigung für die Kosten der Verwaltung der Bundessteuern möglichst zu unterstützen. Ich glaube, daß das ein Weg praktischer Politik, fern von unnützer Theorie, ist. Aber zum Schluß! Sie sagen ganz allgemein, der Finanzminister denke fiskalisch, ärarisch. Erstens möchte ich Ihnen erwidern: Soll der Finanzminister nicht daran denken, daß er die finanzielle Ordnung ides Haushalts aufrechterhält? ({6}) Wenn dieser Gedanke immer als fiskalisch bezeichnet wird, dann muß ich erklären: dann bekämpfen Sie den Finanzminister wegen einer Sache, die seine natürliche Aufgabe und seine Pflicht ist.({7}) Ihr Vorwurf könnte nur dann einen Sinn haben, wenn es hieße: der Finanzminister denkt so sehr nur an seinen Hauhalt, an seinen Etat, so daß er als Etatist für die Auswirkungen der Steuergesetzgebung überhaupt keinen Sinn hat. Ja, Herr Kollege, dann muß ich schon fragen: wenn ein Finanzminister in einer Zeit dringendster Not den Mut hat und das Wagnis unternimmt, eine Steuerreform mit einem großen Ausfall zu übernehmen, nur weil er der Überzeugung ist, daß volkswirtschaftliche Gründe zu einer Erleichterung der Steuerlast führen müssen, dann hat der Finanzminister doch den Beweis erbracht, daß er nicht bloß Etatist ist, sondern auch volkswirtschaftlich denkt. ({8}) Aber beides muß sein. Herr Kollege Dr. Gülich, die Leute, die immer sagen: „Denkt nicht bloß fiskalisch, sondern auch volkswirtschaftlich", sind meistens Leute, die n u r wirtschaftlich - ich möchte das Wort „volkswirtschaftlich" nicht gebrauchen -, manchmal interessenwirtschaftlich und in keiner Weise fiskalisch denken. ({9}) Ich sage: beides muß sei n. Ich muß, wenn ich für die Allgemeinheit sorgen will, den Haushalt des gesamten Bundes und des gesamten Staates in Ordnung halten. Der Haushalt ist die Grundlage von Währung und Wirtschaft! Der Finanzminister andererseits darf nicht nur etatistisch, sondern er muß auch volkswirtschaftlich denken. In dieser Harmonie liegt die ganze Kunst der Finanzpolitik! ({10})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Morgenthaler.

Wendelin Morgenthaler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001534, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und' Herren! Lassen Sie mich nur ein paar Worte zu dem Antrag sagen, den Herr Kollege Gülich hier vorgetragen hat! Zunächst freue ich mich, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht gegen diesen Antrag ist. Er ist genau wie ich und ich darf wohl auch sagen: wie der größte Teil meiner Freunde der Auffassung, daß es durchaus erwünscht ist, wenn einmal in den Geschäftsbetrieb der Bundesmonopolverwaltung hineingeleuchtet wird, weil Herr Kollege Gülich ja immer und immer wieder die Meinung vorträgt, sehr verehrter Herr Professor, daß hier etwas nicht in Ordnung ist. Der Herr Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, daß dieser Bericht der Monopolverwaltung immer vom Bundesrechnungshof geprüft wird. Aber man sagt, der Bundesrechnungshof prüfe ja nur die Zahlen. Wenn ich Herrn Professor Gülich recht verstanden habe, will er eine Prüfung haben, die sich auf kaufmännische Gesichtspunkte bezieht. Es soll also geprüft werden, ob im Geschäftsbetrieb der Monopolverwaltung kaufmännisch gehandelt worden ist, ob nicht etwa Einnahmen verschleudert worden sind und ob der Bund nicht etwas anderes hätte tun können, um der Finanzkasse mehr einzubringen. Er hat bei dieser Gelegenheit auch mich persönlich angesprochen und darauf hingewiesen, daß unsere kleinen Brenner ja eigentlich von der. Bundesmonopolverwaltung höhere Preise bekommen ({0}) müßten. Andererseits hat Herr Kollege Gülich vor ein paar Tagen darauf aufmerksam gemacht, daß an verschiedene Zweige der Brennerei Subventionen gezahlt werden, auch an die Landwirtschaft! Ich finde, daß diese beiden Dinge nicht miteinander übereinstimmen. Aber ich möchte eines sagen: Die kleinen Brenner können nicht nur nach kaufmännischen Gesichtspunkten beurteilt werden! Ich habe schon immer darauf hingewiesen, daß es sich für diese kleinen Abfindungsbrenner-wir haben etwa 45 000 Eigenbrenner und vielleicht 120 000 oder je nach den Jahren 160 000 bis 180 000 Stoffbesitzer - ja nicht allein darum dreht, bei der Bundesmonopolverwaltung kaufmännische Gesichtspunkte vorherrschen zu lassen, sondern vielmehr handelt es sich auch um soziale und ethische Momente. Das hat Herr Professor Gülich ja letzten Endes auch gesehen. Ich konnte mich freuen, daß sich die Herren des Finanzausschusses diese Verhältnisse einmal angesehen haben. Bei uns im südwestdeutschen Raum, wo auf kleinstem Raum Existenzen bestehen können, mit denen die Brennerei eng verbunden ist, kann man nicht so rechnen, wie man es vielleicht bei den Großen macht. Ich möchte schon jetzt darauf hinweisen, daß bei der Behandlung des Monopolgesetzes gerade auch diesem Gedanken Rechnung getragen wird. Ich bin dankbar, daß der Herr Finanzminister und das Finanzministerium gerade auch diese sozialen Seiten bei den kleinen Brennern immer und immer wieder berücksichtigen. Wenn auch noch lange nicht alle Wünsche, die ich für die Besserung der Verhältnisse der kleinen Brenner vorgetragen habe, erfüllt worden sind, so muß ich doch anerkennen, daß man sich Muhe gegeben hat, weitestgehend entgegenzukommen. Ich möchte hoffen und wünschen, daß es gelingt, unsere Forderungen, von denen wir ja im Interesse unserer kleinen Leute nicht ,abgehen können, auf dem Wege der Verhandlungen und ides Entgegenkommens zu regeln. Dafür bin ich auch heute schon dankbar. Ich habe nicht dieses Mißtrauen gegen das Bundesfinanzministerium, das Herr Professor Gülich immer und immer wieder vorträgt, sondern ich bin davon überzeugt, daß man sehr wohl und ich freue mich, das noch einmal sagen zu dürfen - einer solchen Prüfung mit Ruhe entgegensieht. Ich möchte auch hoffen und wünschen, daß hernach die Ruhe auch in diesem Punkte wieder eintritt. Daß nun die Novellen nicht bearbeitet werden konnten, lag doch, Herr Professor Gülich, an der fehlenden Zeit. Auch wir wünschen, daß dieses Monopolgesetz vernünftig geändert wird. Aber wir werden nie auf jenen Nenner kommen, wo alle Sparten der Branntweinindustrie so berücksichtigt werden können, wie es eben gewünscht wind. Es werden immer zwischen der Chemie, den großen Brennnern und den Kleinbrennern Differenzen bestehen, die man nicht ohne weiteres ausräumen kann, und es wird notwendig sein, daß das soziale - ich betone das nochmals! - und das ethische Moment unter allen Umständen bei der künftigen Regelung des Branntweinmonopols Berücksichtigung finden. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Dresbach, haben Sie das Wort zu dieser Auseinandersetzung über das Branntweinmonopol gewünscht oder allgemein? - Zum Branntweinmonopol; dann gebe ich Ihnen dazu das Wort.

Dr. Dr. h. c. August Dresbach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000419, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Kollege Gülich, ich bringe leider die Passion für den Branntwein nicht so auf wie Sie, weil meine Liebe vornehmlich dem Moselwein gehört. Aber ich möchte Sie auf einen Punkt aufmerksam machen. Sie verlangen eine Revision durch die Deutsche Revisions- und Treuhand-AG. Ist Ihnen bekannt, daß der ausschließliche Aktionär dieser Gesellschaft der Bund ist? ({0}) So! - Wissen Sie, daß - soweit ich im Augenblick unterrichtet bin - der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Präsident des Bundesrechnungshofs ist? ({1}) Ich weiß also nicht, was diese „doppelt gemoppelte" Sache eigentlich soll. Wir haben für solche Dinge traditionell die Prüfung durch den Bundesrechnungshof. Ich könnte mir vorstellen, daß sie genügt. Aber, wie gesagt, ich stelle mich nicht wider Ihren Antrag, ebensowenig wie es der Herr Bundesfinanzminister getan hat; ich wollte jedoch das Hohe Haus einmal darauf aufmerksam machen, daß hier eine Gesellschaft bestellt wird, deren Aktionär der zu Prüfende ist.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Gülich, wollen Sie sich zu dieser Branntweinmonopol-Angelegenheit zum Wort melden, oder wollten Sie nachher gewissermaßen das Schlußwort zu den Ausführungen von Herrn Minister Schäffer sprechen? ({0}) - Dann gebe ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Vogel zur Begründung seines Antrags.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Haushaltsausschuß haben wir uns in einer sehr ausführlichen Debatte mit Kap. 0806 und den dort veranschlagten einmaligen Ausgaben der „Bundesvermögens- und Bundesbauverwaltung" befaßt. Dort steht unter Tit. 700 ein Betrag von 20 Millionen DM mit der Zweckbestimmung: „Durchführung vom Reich vor dem Zusammenbruch eingeleiteter Grunderwerbsgeschäfte". In der Erläuterung dazu heißt es sehr vornehm ausgedrückt, in einer sehr edlen Sprache: Das Reich hat für öffentliche Zwecke Grundstücke in Anspruch genommen, ohne das Eigentum daran zu erwerben. Ich muß sagen: der nackte Tatbestand einer Enteignung ist hier wirklich in einer sehr vornehmen Art und Weise . umschrieben worden. ({0}) Soweit der Bund diese Grußstücke - so heißt es weiter weiterhin für öffentliche Zwecke benötigt, muß der Eigentumserwerb durchgeführt werden. Nach den bisherigen Feststellungen ist mit einem Gesamtbetrag von 100 Millionen DM zu rechnen. Davon werden als 1. Rate 20 Millionen DM veranschlagt. Das sind diese 20 Millionen DM, die Sie hier unter „Einmalige Ausgaben" verzeichnet finden, ({1}) Wir haben uns nun von seiten der Regierungskoalition auch im Haushaltsausschuß darüber verständigt, hierzu gemeinschaftlich einen Ergänzungsantrag einzubringen. Ich erlaube mir, ihn vorzulesen: Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, den im Bundeshaushaltsplan 08 des Bundesministers der Finanzen im Einzelplan 08 06, Titel 700, ausgebrachten Ansatz in Höhe von 20 Millionen DM „Durchführung vom Reich vor dem Zusammenbruch eingeleiteter Grunderwerbsgeschäfte" noch im laufenden Haushaltsjahr durch zusätzlichen Verkauf von Liegenschaften und Vermögensbesitz des Bundes zu erhöhen. Eventuell soll den enteigneten Grundbesitzern auf dem Tauschwege Bundesbesitz zum Ausgleich ihrer Forderungen angeboten werden. Die Bundesregierung hat durch diese vorgeschlagene Maßnahme dafür Sorge zu tragen, daß die bisher festgestellten Gesamtforderungen in Höhe von 100 Millionen DM an die Bundesvermögensverwaltung nicht wie vorgesehen durch fünf Jahresraten, sondern in spätestens zwei Jahren befriedigt werden. Der Sinn dieses Antrags ist es also, den Bundesfinanzminister dazu zu veranlassen, hier ein schreiendes Unrecht nicht in fünf Jahren zu beseitigen, sondern das bereits in zwei Jahren zu tun. Es ist sehr weiten Kreisen unserer Bevölkerung, gerade den davon Betroffenen längs der Autobahn, früheren Wehrmachtgrundstückseigentümern usw., heute sehr schwer begreiflich zu machen, daß, obwohl der Grundbesitz noch da ist, erst nach vier Jahren daran gedacht 'wird, in fünf Einzelraten, d. h. in fünf weiteren Jahren, dieses Unrecht wiedergutzumachen. Man kann nicht ohne weiteres eine Parallele zu anderen Geschädigten ziehen; weil ja hier die Grundstücke noch da sind. Ich darf den Herrn Bundesfinanzminister dabei vielleicht noch einmal an jenen verspäteten Nachkommen von Michael Kohlhaas im Schwabenland erinnern, der sich neulich an der Autobahn bei Heilbronn mit einer Haltekelle bewaffnete und die Fahrzeuge anhielt, die nach wie vor über sein früheres Grundstück hinwegbrausten, für das er jahrelang weiter Steuern zahlte, für das ihm aber der Staat selbst bis zum heutigen Tage noch keinen Pfennig gezahlt hatte. Wenn der Mann hier unter Mißbrauch der ihm zustehenden Gewalt zur Eigenhilfe griff, so war das psychologisch verständlich, auch wenn er sich damit ins Unrecht setzte. Aber dieser Vorgang ist wohl ein deutlicher Beweis dafür, 'daß diese Dinge in weitesten Kreisen der Bevölkerung für nicht mehr haltbar angesehen werden und daß hier eine rasche Hilfe, eine raschere jedenfalls, als sie vorgesehen ist, Platz greifen sollte. Sicherlich wird der 'Herr Bundesfinanzminister mir entgegenhalten, daß man bei der Grundstücksveräußerung auf große Schwierigkeiten stoßen wird. Ich teile seine Besorgnis in der Beziehung keineswegs voll und ganz. Die bisherige Erfahrung hat gelehrt, daß ein großer Teil der Kommunen heute sehr wohl bereit ist, solchen Grundbesitz wieder rückzuerwerben. Auf keinen Fall, glaube ich, entspricht es der Auffassung der Regierungskoalition, daß die Bundesvermögensverwaltung den in den Jahren von 1933 bis 1945 enteigneten Besitz des nationalsozialistischen Staates in vollem Umfang weiter horten sollte. Vielmehr sind wir der Meinung, daß es an der Zeit ist, sich in einem vernünftigen Ausmaß dieses 'Grundbesitzes wieder zu entledigen und vor allen Dingen zunächst einmal die Erwerbserträge denjenigen zugute kommen zu lassen, die in diesen Jahren durch Enteignung eine Schädigung erlitten haben. Ich kann mir vorstellen, daß, wenn der Bund energische Maßnahmen ergreift, um hier Eigentum an den Mann zu bringen, er auch Käufer dafür finden wird. Es ist durchaus nicht gesagt, daß man für die großen Vermögensobjekte des Bundes so rasch Käufer finden kann. Da teile ich die Auffassung des Bundesfinanzministers voll und ganz. Aber ich glaube, daß in den vielen tausend Fällen von Enteignungen kleiner Grundstücke hier tatsächlich mehr geschehen kann, als bisher geschehen ist, und daß man mit Hilfe auch dieser Dinge durchaus zu einer schnelleren Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger des Bundes gelangen kann. Ich glaube, daß das ein gerechtfertigtes Anliegen ist. Die Verwirklichung des vorliegenden Antrags bedeutet keine Verschlechterung des Bundeshaushalts. Der Antrag weist einen Weg, auf dem diesem Verlangen Rechnung getragen werden kann, und wir bitten das Bundesfinanzministerium, diesen Weg mit uns zu beschreiten. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Finanzminister.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Absicht stimme ich mit dem Antrag, den Herr Kollege Dr. Vogel begründet hat, natürlich völlig überein. Zur Aufklärung möchte ich aber doch folgendes dazu bemerken. Mit der wirklichen Ablösung und der wirklichen Durchführung der Rückgabe konnte erst sehr spät begonnen werden. Es dürfte bekannt sein; daß der Bundesregierung durch die Regelung, die die Besatzungsmächte getroffen hatten, zunächst die Hände gebunden waren. Dadurch war der Bundesregierung lange Jahre hindurch jede Eingriffsmöglichkeit verwehrt. Dann mußten die Voraussetzungen, Vorschaltegesetze und Vereinbarungen mit den Ländern geschaffen bzw. getroffen werden. Erst heuer kann die technische Arbeit wirklich anlaufen, und nun bitte ich doch, zu dem Bundesfinanzminister d'as Vertrauen zu haben, daß er in der Lage ist, abzuschätzen, was denn heuer technisch überhaupt abgewickelt werden kann. Zur Zeit liegen Hunderte von Anträgen vor, Der Apparat, der notwendig ist, um die Dinge durchzuführen, konnte in den letzten Monaten geschaffen werden. Die Arbeiten sind also jetzt im Anlaufen. Was aber die Frage anlangt, wieviel in diesem Jahre, rein technisch, wirklich abgewickelt werden kann, so bitte ich, .zu bedenken, daß ja doch jeder Fall einzeln´behandelt werden muß. Alles muß abgeschätzt und gewertet werden. Wenn ich das abschätze, Herr Kollege Dr. Vogel, dann kommen wir, glaube ich, in diesem Jahr nicht über einen Wert von 20 Millionen DM hinaus. Würden wir uns also vornehmen, in diesem Jahr, sagen wir einmal, 50 Millionen DM abzuwickeln, ({0}) Herr Kollege Dr. Vogel, das wäre technisch gar nicht zu machen. ({1}) Die Bundesregierung muß sich natürlich nach der Seite der technischen Möglichkeiten ein Programm machen. Ich bin gerne bereit, alles zu tun, um den Grundbesitz, der ja als Erbschaft des Reiches dem Bund zugeflossen ist, möglichst rasch abzustoßen unid zu verwerten. Das geschieht ja auch. Aber ich bitte, auch hier nicht zu meinen, daß es nur nach den Wünschen gehe. Es ist doch so: Ich bin natürlich erstens verpflichtet, an eine wirtschaftliche Verwendung der Grundstücke zu denken und die Grundstücke nicht zu verschleudern, sondern die Grundstücke - wenn auch der Kaufpreis gegenüber. Privaten meistens mäßig ist -doch zu einem entsprechenden Kaufpreis abzugeben. Zweitens muß ich möglichst gegen bar abgeben können; denn die Entschädigung an den andern wird ja in erster Linie in bar gezahlt. Was ich im Tauschwege machen kann, ohne weiteres! Aber das wirkt sich ja im Etatkapitel nicht aus. Im Etatkapitel wirken sich doch in erster Linie Barzahlungen aus. Infolgedessen müssen diese Grundstücke, wenn es geht, bar verkauft werden. Es ist aber in der großen Zahl der Fälle nicht so leicht, einen entsprechenden baren Kaufpreis zu erhalten. Ich bitte darum wirklich, das Vertrauen zum Bundesfinanzminister zu haben, daß er sein Möglichstes tut, urn eine rasche Abwicklung durchzuführen. In diesem Jahr, im ersten größeren Anlaufsjahr, werden wir nicht über 20 Millionen DM kommen. Im nächsten Jahr rechnen wir mit 50 Millionen DM und im übernächsten hoffen wir die Dinge bereinigt zu haben. Das Tempo der Abwicklung, das wir uns als Ziel gesetzt haben, ist, glaube ich, unter den gegebenen Verhältnissen auch der Zeit nach das einzig mögliche. Selbst wenn wir daher die Summe für dieses Jahr von 20 auf 50 Millionen DM erhöhten, würde wahrscheinlich die praktische Durchführung technisch gar nicht möglich sein. Wir hätten dann nur eine unnötige äußere Aufblähung des Etats herbeigeführt. Deswegen möchte ich davor warnen, den Antrag anzunehmen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das . Wort hat der Abgeordnete Schoettle als letzter vor der Pause.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind beredt, dem Antrag Vogel zuzustimmen unter der Voraussetzung, daß sich die Veräußerung von Grundbesitz und Vermögensbesitz des Bundes auf diese Aufgabe beschränkt. Der Antrag selber ist ja im Grunde genommen unverfänglich. Er verpflichtet die Bundesregierung nicht, in einer bestimmten Weise zu erhöhen, sondern er will dem Bundesfinanzminister offenbar die Mäglichkeit einer schnelleren Abwicklung des Geschäftes geben; und das scheint uns durchaus in Ordnung zu sein. Denn die Betroffenen warten wahrhaftig lange genug auf die Befriedigung ihrer Ansprüche. Wir sind also bereit, dem Antrag zuzustimmen. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Meine Damen und Herren! Ich habe gesagt, es ist die letzte Worterteilung vor ider Pause. Wir müssen einige Ordnung in diese Verhandlung bringen. ({0}) Wenn ich Ihnen das Wort erteile, muß ich es auch einem anderen geben. Es ist jetzt 13 Uhr. Wir unterbrechen die Sitzung. Um 15 Uhr tritt das Haus wieder zusammen. . ({1}) Die Sitzung wird um 15 Uhr 4 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer wieder eröffnet.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Die Sitzung ist wieder eröffnet. Die Verhandlungen waren bei Einzelplan 08 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen ({0}) unterbrochen worden. Es liegen dazu noch einige Wortmeldungen vor. Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und 'Herren! Ich habe heute morgen etwas mißverstanden. Der Antrag des Herrn Abgeordneten V o g e l enthält, wie ich aus dem jetzt schriftlich vorliegenden Antrag entnehme, nicht eine unmittelbare Änderung der Haushaltsposition. Meine Einwendungen hatten sich nur gegen eine unmittelbare Änderung der Haushaltsposition gewandt. Mit der Tendenz des Antrags stimme ich völlig überein. Es bestehen gar keine Bedenken, den Antrag anzunehmen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister, wir sind sehr befriedigt über die Erklärung, die Sie vorhin abgegeben haben, daß 'Sie in das kommende Haushaltsjahr als zweite Rate nicht 20, sondern 50 Millionen DM - wir werden Sie beim Wort nehmen - einsetzen werden. Ich möchte Ihnen dazu gleich noch folgendes sagen. Im Haushalt des Bundesministeriums des Innern hatten wir einen ähnlichen Fall. Als dort die Wiedergutmachungs- bzw. 131er Fälle zur Prüfung anstanden, haben wir sofort die von uns angeregten Stellen für die zur rascheren Bewältigung einer solchen Spezialaufgabe notwendigen Aushilfskräfte bewilligt. Ich bin sicher, daß Sie im Haushaltsausschuß sofort eine Mehrheit dafür finden werden, die auch in diesem Falle für eine raschere Erledigung der Wiedergutmachungsanträge notwendigen Zusatzkräfte zu erhalten.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen, die Herr Minister Schäffer gemacht hat, nötigen mich zu einigen Bemerkungen. Ich hätte sie lieber sofort im Anschluß an seine Ausführungen gemacht. Herr Minister Schäffer hat sich an meine ({0}) Adresse mit der Unterstellung gewandt, wir machten Interessenpolitik. Vom Wort „Volkswirtschaft" wollte er „Volks" streichen und er meinte, man könne auch das Wort „Wirtschaft" streichen und von einer „Interessenpolitik" sprechen. Damit hat der Herr Bundesfinanzminister die Sphäre sachlicher Auseinandersetzungen verlassen. Ich muß sagen, daß es mich betrübt hat, mir etwas Derartiges zu unterstellen. Sie wissen um meine jahrelangen Bemühungen um eine sachliche - ich kann schon sagen, freundschaftliche - Zusammenarbeit. Herr Schäffer hat gesagt, die Kunst einer ausgewogenen Finanzpolitik liege in der Harmonie zwischen Fiskus und Wirtschaft. Zu einer so allgemein anerkannten These, die wir im ersten Semester schon gehört haben, ist nicht viel zu sagen. Es kommt aber darauf an, ob die Harmonie in Wirklichkeit vorhanden ist. Wir kennen ja die „Harmonie" zwischen Bundesfinanzminister und Bundeswirtschaftsminister und zwischen Bundesfinanzminister und Bundesernährungsminister sehr genau. Gerade weil in der Praxis die Harmonie in der Regierung fehlt, mußte es notwendigerweise zu so vielen falschen Maßnahmen kommen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard hat z. B. in einem ausführlichen Schreiben an den Vorsitzenden des Finanz- und Steuerausschusses seine Auffassung zur Kaffeesteuer dargelegt. Sie hat aber nicht die Billigung des Kabinetts gefunden. Infolgedessen durfte dieser Brief dem Finanz- und Steuerausschuß, an den er doch gerichtet war, nicht zur Kenntnis gebracht werden. Ein solches Verfahren halte ich für unmöglich. Ich habe, als ich stellvertretend den Vorsitz führte, von diesem Brief mit großem Interesse Kenntnis genommen. Nun zur Frage der Bundesfinanzverwaltung. Man darf doch nicht so tun, als ob ich so primitiv gewesen wäre, zu glauben, daß plötzlich ein Kuchen von 1000 Millionen DM auf dem Tisch liege. So einfach wollen wir uns das nicht machen. Ich empfehle allen Kolleginnen und Kollegen die Lektüre der Drucksache mit den Ausführungen der Sachverständigen zur Frage der Bundesfinanzverwaltung. Wenn Sie die gelesen haben, wissen Sie, wie die Dinge liegen. Ich bin der festen Meinung, daß die Neuverteilung der Steuern nach Art. 107 des Grundgesetzes hätte erfolgen können. Es ist doch nicht so, daß vorher eine Einigung mit den Ländern erzielt werden mußte. Die Bundesgesetze werden vorgelegt, und die Länder nehmen dann dazu Stellung. Ich bedaure, daß das nicht geschehen ist; denn der staatsrechtliche Aufbau - das habe ich heute morgen zum Ausdruck gebracht - hat dadurch sehr gelitten; auch dem Gedanken des Föderalismus ist Schaden zugefügt worden. Zur Bundesvermögensverwaltung hat mich Herr Kollege Schäffer als früheren Finanzminister eines Landes 'apostrophiert. Er hat dabei unterstellt, daß dieser Finanzminister bundeswidrige Verfügungen über Bundeseigentum getroffen habe. Ich darf dazu sagen, daß der schleswig-holsteinische Finanzminister sehr großen Wert darauf gelegt hat, keine derartigen Verfügungen zu treffen. Schleswig-Holstein ist das erste Land gewesen, das den lückenlosen Nachweis über das Vermögen vorgelegt hat. Wie anders liegen die Dinge beispielsweise in Bayern! ({1}) Wo sind die 'großen Branntweinbestände geblieben, die von der Reichsmonopolverwaltung in Bayern gelegen haben? Zum Branntweinmonopol wiederhole ich: ich bin nicht Gegner des Monopols, sondern Gegner der falschen und gesetzwidrigen Handhabung des Monopols. Herr Morgenthaler, ich habe kein Mißtrauen gegen das Bundesfinanzministerium, sondern ich habe, wie jedermann weiß, größte Hochachtung vor den hochqualifizierten Beamten dieses Ministeriums. Ich habe das oft genug gesagt. Ich bin allerdings der Meinung, daß das Branntweinsteuerreferat sehr unzulänglich besetzt ist. Konkrete Angaben, die Herr Minister Schäffer vermißt, habe ich ihm ja oft genug gemacht sehr konkrete Angaben! -, und es ist mir ärgerlich, daß er sich hier hinstellt und so tut, als ob er sie nie bekommen hätte. Ich kann so konkret werden, daß es peinlich wird. Herr Minister Schäffer sagt, die Übernahmepreise würden im Benehmen mit dem Gewerbe berechnet. Das stimmt nicht. Das Gewerbe wird gehört, aber von Einvernehmen ist keine Rede. Ich habe beanstandet, daß der Grundpreis nach § 65 mit 48 DM gesetzwidrig eingesetzt worden ist und daß wir infolge dieser gesetzwidrigen Berechnung des Grundpreises und der verschiedenartigen Berechnung bei den Übernahmepreisen und beim Überbrandabzug zu schweren wirtschaftlichen Fehlern kommen. Was Berlin betrifft, so lobe ich die kaufmännische 'Haltung der Monopolverwaltung in Berlin.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Ich darf darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit nicht unbeschränkt ist und daß sie sich ihrem Ende genähert hat.

Dr. Wilhelm Gülich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident, ich nähere mich auch dem Ende. Ich muß ja nur auf die Bemerkungen, die Herr Minister Schäffer hier gemacht hat, antworten. - Also ich lobe die kaufmännische Haltung, daß Berlin den Sprit aus dem Ausland wesentlich billiger eingeführt hat. Lieber Kollege Dresbach- er hört gar nicht zu! -, über unsere Übereinstimmung in bezug auf Moselwein brauchen wir nicht zu reden. Aber ich bin erschrocken über das, was Sie hier weiter gesagt haben, indem Sie nämlich unterstellt haben, daß bei der Deutschen Revisions- und TreuhandAktiengesellschaft, weil der Präsident des Aufsichtsrates gleichzeitig Präsident des Bundesrechnungshofes sei und weil alle Anteile der Deutschen Revisions- und Treuhandgesellschaft im Besitz des Bundes seien, eine Unobjektivität entstehen könnte. Ich kenne keinen der Männer dieser Gesellschaft; aber das sind doch Männer, Herr Handelskammersyndikus Dresbach, die vor der Handelskammer vereidigt sind. Das sind doch Männer, die zu einem unbestechlichen und objektiven Urteil verpflichtet sind, und wir haben gar keine Veranlassung, an dieser Objektivität zu zweifeln. (Abg. Dr. Dresbach: Herr ({0}) - Das haben Sie unterstellt.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Ich bitte, nun zum Schluß zu kommen, Herr Abgeordneter. Heute morgen ist eine Begrenzung der Redezeit beschlossen worden, und ich muß mich schon daran halten. ({0})

Dr. Wilhelm Gülich (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000747, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich muß doch, wenn der Minister gesprochen hat, die Möglichkeit haben, in aller Kürze zu antworten. ({0}) Gegenüber Herrn Morgenthaler muß festgestellt werden, daß ich kein Wort gegen die landwirtschaftlichen Brennereien und kein Wort gegen die Kleinbrennereien gesagt habe. Ich habe mich nur dagegen gewendet, daß man durch falsche Gesetzesanwendung gewerbliche Großbetriebe subventioniert. Das ist der Witz der Geschichte, das wissen Sie ja ganz genau. Ich habe die Kleinbrenner in ihrer sozialpolitischen Bedeutung noch niemals unterschätzt. Was ihre ethische Haltung betrifft, die Sie angeführt haben, - darüber muß ich noch nachdenken. Im übrigen bin ich der Meinung, daß das Steuersystem hätte umgebaut wenden können. Einer der zentralen Gesichtspunkte ist dabei die Stellung der Verbrauchsbesteuerung. Ich freue mich, Herr Minister Schäffer, auf die offene Kaffeeschlacht, die wir nächste Woche im Plenum haben werden. Wir wenden bei dieser Gelegenheit diese Fragen vertiefen. ({1})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Kollege Dr. Gülich, ich bitte, mein Stenogramm nachzulesen; es steht unkorrigiert zur Verfügung. Ich habe das, worüber Sie sich eben erregt haben, überhaupt nicht gesagt. Ich habe weder Ihnen noch einem anderen Parlamentarier den Vorwurf der Interessenwirtschaft gemacht, noch habe ich von dem Finanzminister Schleswig-Holsteins auch nur andeutungsweise gesagt, daß er über Bundesvermögen verfügen wolle. ({0})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft und die Aussprache beendet. Wir kommen zur Abstimmung über die Änderungsanträge zu Einzelplan 08, zunächst über den Antrag der KPD Umdruck Nr. 1001. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Dann der Änderungsantrag der Abgeordneten Bausch, Brandt, Dr. Blank ({0}), Jaffé und Genossen Umdruck Nr. 1006. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war 'die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nrn. 1007. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ferner liegt vor der nicht umgedruckte Antrag Dr. Vogel und Genossen. - Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Wir kommen dann zur Abstimmung über die Vorlage. Ich bitte diejenigen, die der Vorlage Einzelplan 08 mit den vorhin beschlossenen Änderungen zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat gebeten, mit Rücksicht auf eine Verpflichtung seinerseits seinen Haushalt jetzt zu beraten. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an. - Ich rufe also auf: Einzelplan 12 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr ({1}) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({2}) über den Antrag der Abgeordneten Ollenhauer, Lange, Dr. Dresbach, Grundmann, Pannenbecker und Genossen betreffend Umbau des Ruhrschnellweges ({3}) ({4}). Zur Berichterstattung hat das Wort Herr Abordneter Dr. Bärsch.

Dr. Siegfried Bärsch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000074, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Verkehrshaushalt schließt in den Ausgaben mit einer Summe von 368 431 900 DM und damit gegenüber dem Vorjahr mit einem Betrag von 16 000 000 mehr ab. Diese Ausgabenerhöhung konnte allerdings durch eine in etwa derselben Größenordnung liegende Erhöhung der Einnahmen ausgeglichen werden, so daß der Zuschußbedarf dieses Haushalts sich gegenüber dem Vorjahr praktisch nicht verändert hat. Bei den Personalstärken des Ministeriums und seiner nachgeordneten Behörden ist ebenfalls eine Vermehrung eingetreten, und zwar von 8730 Beamten, Angestellten und Arbeitern auf 9040, wobei ich die 11 251 Angestellten und Arbeiter der beiden Binnen- und Seewasserstraßenverwaltungen außer Betracht lasse. Die planmäßigen Beamtenstellen sind von 2750 auf 2786 erhöht worden. Im organisatorischen Aufbau des Ministeriums ist insofern eine Änderung eingetreten, als wir jetzt neben den bisherigen acht Ministerialabteilungen eine eigene Abteilung für Eisenbahnen haben. Zu den bisher acht nachgeordneten Oberbehörden sind drei weitere hinzugekommen: die Bundesanstalt für Wetterdienst, die Bundesanstalt für Flugsicherung und das Bundesluftamt. Außerdem verfügt das Verkehrsministerium über eine große Anzahl von Mittelbehörden und eine noch sehr viel größere Anzahl von Unterbehörden, die im wesentlichen Bestandteile der Binnenwasserstraßen- und Seewasserstraßenverwaltung sind. Die Wasser- und Schiffahrtsverwaltungen in Stade, Oldenburg und Aurich sind aufgelöst worden. Ihre Aufgaben sind auf die Wasser- und ({0}) Schiffahrtsdirektionen in Hamburg und Bremen und auf die neu errichtete Wasser- und Schiffahrtsdirektion Aurich übergegangen. In der Drucksache Nr. 4512 liegt Ihnen der Mündliche Bericht des Ausschusses mit den einzelnen Abänderungsvorschlägen vor. Ich darf im weiteren auf diese Empfehlungen des Ausschusses eingehen. In Kap. 1201 haben wir bei den Personalausgaben unter Tit. 101 26 Stellenzugänge, denen 10 Abgänge gegenüberstehen, so daß eine tatsächliche Vermehrung der Planstellen um 16 eintritt. Bei diesen 16 neuen Stellen sind die 4 Stellen mit inbegriffen, die im Nachtrag des Jahres 1952 vom Ausschuß abgelehnt worden waren. Allein 9 Stellen betreffen die neue Abteilung Luftfahrt. Es handelt sich dabei um eine A 1 a-Stelle, eine A 1 b-Stelle, eine A 2 b-Stelle, drei A 2 c 2-Stellen, eine A 2 d- Stelle, eine A 3 b-Stelle und eine A 4 b 1-Stelle. Diese Stellenvermehrungen sind notwendig geworden, weil dem Bundesverkehrsministerium u. a. durch das Flugsicherungsgesetz neue Aufgaben übertragen worden sind. Sie sind deshalb auch vom Rechnungshof anerkannt worden. Der Ausschuß empfiehlt dem Plenum, diese Stellenvermehrungen zu genehmigen. Außerdem ist in diesem Titel eine Leerstelle für einen Oberregierungsrat, A 2 b, enthalten, der als stellvertretender Leiter der Schiffahrtsabteilung des zwischenstaatlichen Komitees für europäische Auswanderung nach Genf abgestellt ist. In Kap. 1202, Allgemeine Bewilligungen, ist der Tit. 600 um 3 000 DM auf 12 000 DM gekürzt worden, weil die Ausgaben für c) „Fachgemeinschaft Kraftmaschinen im Verein Deutscher Maschinenbauanstalten e. V." nicht mehr anfallen, da der Bund sich nicht, wie beabsichtigt, an der entsprechenden Ausstellung in Italien beteiligt. Der Tit. 601, Zuschuß zur Förderung des Fremdenverkehrs, ist sehr wesentlich erhöht worden, von 3 '750 000 DM auf 4 500 000 DM. Die Erhöhung wird damit begründet, daß durch die Fremdenverkehrswerbung eine erhebliche Steigerung der Devisengewinne herbeigeführt werden kann. Im Jahre 1952 hat der Fremdenverkehr der Bundesrepublik einen Betrag von 400 Millionen DM an Devisen eingebracht. Der Ausschuß hat dann mit dem Tit. 617 in Kap. 1202 einen Titel aus dem Haushalt des Innenministeriums auf den Haushalt des Verkehrsministeriums übernommen. Es handelt sich um den Titel zur Förderung der Luftfahrtforschung. Hierfür sind 1,5 Millionen DM vorgesehen. Dieser Titel stand ursprünglich im Haushalt des Innenministeriums, weil in diesem Haushalt ursprünglich sämtliche Ausgaben für die Schwerpunktforschung konzentriert werden sollten. Der Ausschuß hat sich aber nach längerer Beratung entschlossen, die jeweiligen Forschungsvorhaben bei den zuständigen ministeriellen Ressorts zu etatisieren. Der Tit. 957, Betriebszuschuß an die Deutsche Luftverkehrsgesellschaft, an der der Bund als Gesellschafter beteiligt ist, konnte um 10 Millionen auf 6 800 000 DM gekürzt werden, weil der Aufbau des Luftverkehrswesens nicht in dem Umfang und dem Maße fortgeschritten ist, wie es ursprünglich angenommen worden war. Diese 10 Millionen DM sind im Tit. 300 des Kap. 1210 - Beseitigung von Frostschäden - ausgebracht. Eine Debatte gab es über den Tit. 359, Bau eines neuen größeren Rettungskreuzers für Helgoland, von dessen Baukosten der Bund zunächst 200 000 DM übernommen hatte. 180 000 DM bringt 'die Gesellschaft auf. Die Gesamtkosten betragen 680 000 DM, so daß die Finanzierung noch nicht gesichert erschien. Der Ausschuß hat von der Regierung die Zusage erhalten, daß der Bund bereit ist, auch die restlichen 200 000 DM zu übernehmen. Im Kapitel 1203, Binnenwasserstraßenverwaltung, Einnahmen, handelt es sich bei den Titeln 45, 47 und 48 lediglich um einige redaktionelle Änderungen. Auch bei den persönlichen Ausgaben sind nur unwesentliche redaktionelle Änderungen, auf die ich hier nicht näher einzugehen brauche, vorgenommen worden. Bei den Titeln 957 und 958, Kosten für die Beseitigung von Bergschäden an den westdeutschen Kanälen, ist erstmalig das Bruttoprinzip zur Anwendung gekommen. Hier sind die Ausgaben vollständig etatisiert. Sie haben ein entsprechen des Kapitel bei den Einnahmen. Im Zusammenhang mit diesem Kapitel muß ich noch auf den Tit. 963, der ebenfalls neu ist, eingehen. Hier ist als Zuschuß an das Land Berlin zur Unterhaltung und Instandsetzung der Westberliner Wasserstraßen ein Teilbetrag von 2 400 000 DM ausgebracht. Der Bund hat bereits im vorigen Rechnungsjahr 2 400 000 DM als außerplanmäßige Ausgabe an Berlin gegeben. In diesem Haushalt ist der Zuschuß ordentlich etatisiert worden. Der Ausschuß Vertritt die Meinung, daß diese Mittel nicht in den allgemeinen Berlin-Haushalt hineingehören. Im Kap. 1204, Seewasserstraßenverwaltung, konnten auf der Einnahmeseite bei den Titeln 1 u. 3 durch eine Tarifreform, durch die insbesondere die Tarife für die Benutzung des Nord-Ostsee-Kanals heraufgesetzt worden sind, geringe Erhöhungen veranschlagt werden. Diese Einnahmeerhöhungen machen es möglich, die Erhöhung der Ausgaben im Tit. 301 des Kapitels, in dem auch die Personalausgaben enthalten sind, zum Teil aufzufangen. Die Ausgabenerhöhung ist durch Lohnerhöhungen entstanden, die sich insgesamt auf 1,2 Millionen DM beziffern, von denen 750 000 DM auf diese Weise abgedeckt werden konnten. Von Tit. 305, Ersatz abgängiger schwimmender Geräte für den -Betrieb und die Unterhaltung der Seewasserstraßen, sind 100 000 DM für einen neuen Tit. 310, Vorarbeiten für Radarlandanlagen an Elbe und Weser, abgezweigt worden. Es ist notwendig, daß wir an den Flußmündungen Radarstationen einrichten, um dem Schiffsverkehr weitgehendste Sicherheit zu geben. Mit diesen Mitteln sollen zunächst zwei Versuchsstationen errichtet werden. Zu dem Kap. 1205, Bundesschleppbetrieb, ist nicht viel zu sagen. Die Veränderungen stellen lediglich eine Korrektur der Regierungsvorlage entsprechend dem Nachtrag 1952 dar, durch den die Regierungsvorlage in verschiedenen Teilen überholt war, weil ihre Vorarbeiten vor der Aufstellung des Nachtrags 1952 liegen. Kap. 1207, Bundesanstalt für Gewässerkunde. Da ist bei Tit. 101, Personalausgaben, insofern ein Änderungsvorschlag des Ausschusses vorhanden, als von den sieben A 2 a-Stellen in Zukunft eine Stelle in eine A 2 b- und drei Stellen in A 2 c 2-Stellen umgewandelt werden sollen. Es handelt sich hier um die beabsichtigte generelle Umwandlung der A 2 a-Stellen, einer Stellengruppe, die für wissenschaftliche Arbeiter vorgesehen ist, in die normalen Besoldungsgruppen A 2 b und A 2 c 2. ({1}) Bei den Bundesfernverkehrsstraßen, Kap. 1210 des ordentlichen Haushaltes, sind erstmalig die Einnahmen aus dem Betrieb der Raststätten und Tankstellen etatisiert worden. Im Jahre 1952 ist für die Verwaltung von Tankstellen und Raststätten an den Autobahnen eine Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen gegründet worden. Diese Gesellschaft verwaltet die bereits vorhandenen Tankstellen und Raststätten, und über sie werden in Zukunft die Konzessionen für neue Tankstellen und Raststätten vergeben. Dafür hat sie entsprechende Konzessionsabgaben an den Bund zu leisten, die in Tit. 3 der Einnahmen unter „Gebühren" mit 422 000 DM veranschlagt sind. Außerdem haben wir in Tit. 15 6 490 000 DM für Einnahmen aus dem Betrieb der Raststätten und Tankstellen veranschlagt. Diesen beiden Einnahmetiteln entsprechen auf der Ausgabenseite die Titel 220, 306 und 532. Im. Tit. 220 sind 55 000 DM zur Erstattung der Verwaltungskosten an die neu gegründete Gesellschaft vorgesehen. Der Tit. 532 sieht 1,6 Millionen DM als Darlehen an die Gesellschaft für Nebenbetriebe der Bundesautobahnen mbH. für die Beteiligung an Finanzierungen neuer Raststätten und Tankstellen vor. Und in Tit. 306 schließlich sind für die Unterhaltung, Erneuerung und Erweiterung von Raststätten und Tankstellen an der Bundesautobahn einschließlich des Baues von Verkehrsanlagen insgesamt 4 835 000 DM ausgebracht mit der Maßgabe, daß die Mittel in der Höhe der Einnahmen bei Kap. 1210 Tit. 15 abzüglich der Ausgaben bei Kap. 1210 Tit. 220 und 532 verausgabt und zuzüglich etwaiger Mehreinnahmen überschritten werden dürfen. Sie sind außerdem in Höhe der hiernach verbleibenden nicht verbrauchten Einnahmen übertragbar. Außerdem ist in diesem Kapital der Titel 300, Unterhaltung, einfacher Um- und Ausbau der Bundesstraßen ... , um 10 Millionen DM auf 117 652 200 DM erhöht worden. Diese 10 Millionen DM sollen dazu dienen, um die oberflächlichen Frostschäden an den Bundesstraßen zu beseitigen, die im letzten Jahr etwa 38 Millionen DM betrugen, wovon ungefähr 15 Millionen DM sogenannte Grundschäden sind, für die ein Betrag von 10 Millionen DM im Titel 785 des außerordentlichen Haushalts Kap. 1204 eingesetzt worden ist. Titel 303, Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf dem Gebiete des Straßenwesens, ist um 100 000 DM auf 300 000 DM erhöht worden, mit der Maßgabe, den Ursachen und Auswirkungen der Frostschäden nachzugehen, um dadurch die Voraussetzungen für eine Einschränkung solcher Schäden zu schaffen. Das Kap. 1212, Kraftfahrt-Bundesamt, gehört zu den wenigen Kapiteln, die sich selbst tragen, bei denen die Einnahmen die Ausgaben decken. Auch hier ist in Titel 3 im Hinblick auf die erfolgte Gebührenerhöhung eine Erhöhung der Ansätze vorgenommen worden. Dafür ist bei den Personalausgaben in Titel 104, Dienstbezüge der nichtbeamteten Kräfte, eine entsprechende Erhöhung eingetreten, weil man die bisherigen Zeitangestellten in ein normales Dauerangestelltenverhältnis übergeführt hat und infolgedessen ihre Löhne und Gehälter auch regulär etatisiert werden müssen. Das Kap. 1214, Deutscher Wetterdienst, stellt lediglich eine Zusammenlegung der bisherigen Einzelhaushalte der verschiedenen Wetterdienste in der Bundesrepublik dar, und es ist, wie bereits im Nachtragshaushalt, auch hier überrollt worden. Die Regierung hat ein Organisationsgutachten beim Bundesrechnungshof beantragt, und es kann damit gerechnet werden, daß dieses Gutachten für den nächsten Haushalt als Grundlage der Beratungen zur Verfügung steht. In diesem Kapitel ist bei den Ausgaben ein neuer Titel 675, Beitrag für die Weltorganisation für Meteorologie, mit 65 000 DM eingefügt. Die Bundesrepublik wird in Kürze Mitglied dieser Weltorganisation werden. Kap. 1215, Bundesanstalt für Flugsicherung, gehört zu den neu hinzugekommenen Bundesoberbehörden. Diese Anstalt mußte errichtet werden, weil die Verantwortung für die Flugsicherung am 1. April 1953 in vollem Maße von den Alliierten auf den Bund übergegangen ist. Im Rechnungsjahr 1952 sind veranschlagt gewesen 14,8 Millionen DM. In diesem Jahr hat sich der Voranschlag auf 20 Millionen DM erhöht, davon 12,1 Millionen für fortdauernde und 0,1 Millionen für einmalige Ausgaben sowie 7,8 Millionen DM für Ausgaben des außerordentlichen Haushalts, also für eine Reihe größerer Investionen, die durchgeführt werden müssen. Die Bundesanstalt für Flugsicherung hat einen Personalbestand von 44 beamteten Kräften und 769 Angestellten und Arbeitern. Schließlich Kap. 1216, ebenfalls ein neues Kapitel, das eine neue Bundesoberbehörde, das Bundesluftamt umfaßt. Sein Etat beträgt 761 000 DM. Insgesamt sind 6 Beamtenstellen sowie weitere 31 Angestellten- und 8 Arbeiterstellen veranschlagt. Der Ausschuß schlägt jedoch dem Hause vor, dieses Kapitel mit einem Sperrvermerk zu versehen, weil zur Zeit das entsprechende Gesetz noch nicht verabschiedet und infolgedessen keine gesetzliche Grundlage für diese Abteilung vorhanden ist. Sobald das geschehen ist, kann der Finanzminister den Sperrvermerk aufheben. Im außerordentlichen Haushalt mußten ebenfalls eine gewisse Anzahl von Umdispositionen vorgenommen werden. Es gab zunächst eine ausgedehntere Debatte über das Kap. A 1202 Tit. 530, Schiffsbaudarlehen zum Aufbau unserer Handelsflotte. Hier waren 70 Millionen DM angesetzt. Im Ausschuß wurde eine Erhöhung dieses Titels um 20 Millionen beantragt, wie es vom Finanz- und Verkehrsminister den Ländern zugesagt worden war. Der Ausschuß hat den Antrag dann fallenlassen, als seitens der Regierung erklärt wurde, daß der Finanzminister bereit sei, diese 20 Millionen DM für den Fall bereitzustellen, daß die etatisierten 70 Millionen DM in diesem Haushaltsjahr voll ausgeschöpft würden. Von seiten des Verkehrsministeriums wurde betont, daß nach den bisherigen Erfahrungen damit kaum zu rechnen sei. In Tit. 531, Darlehen an die Länder Hamburg und Bremen für den Wiederaufbau ihrer Seehäfen, ist ebenfalls eine Erhöhung vorgenommen worden, und zwar von 12 auf 18 Millionen DM. Damit ist einem dringenden Bedrüfnis dieser Hafenstädte Rechnung getragen worden, die für den Wiederaufbau ihrer zerstörten Häfen erhebliche Mittel benötigen und bereits im großen Maße eigene Mittel aufgewandt haben, obwohl es sich bei den Häfen zweifellos auch wesentlich um Bundesinteressen handelt. ({2}) In Tit. 890, Beteiligung an der Osthannoverschen Eisenbahnen A.G. in Celle, ist eine Herabsetzung um 300 000 DM auf 450 000 DM erfolgt, nachdem sich gezeigt hat, daß für die beschlossene Kapitalerhöhung dieser Gesellschaft, an der der Bund beteiligt ist, 450 000 DM ausreichen, weil die Bundesbahn sich mit einem Anteil von 1,5 Millionen DM engagiert hat. Dafür ist der Tit. 736, Zuschuß zu den Kosten der Verlegung der Meppen-Haselünner Eisenbahnen, neu hinzugefügt worden. Hier handelt es sich um eine Verlegung dieser Eisenbahnstrecke, die erforderlich war, um einen kostspieligen Brückenbau über den Gleesen-PapenburgKanal zu vermeiden für den Fall, daß dieser Kanal fortgeführt worden wäre. In Tit. 772 konnte der Zusatz der Bindungsermächtigung für den Bundesfinanzminister, Darlehen bis zur Höhe von 4 Millionen DM aufzunehmen, gestrichen werden, weil diese Bindungsermächtigung bereits in den Nachtragshaushalt 1952 aufgenommen worden war. Also auch hier ist die Regierungsvorlage durch den Nachtragshaushalt 1952 bereits überholt gewesen. In Kap. A 1204, außerordentlicher Haushalt, Seewasserstraßenverwaltung, ist zwischen den Tit. 724 und 731 ein interner Ausgleich dadurch herbeigeführt worden, daß die Mittel für Tit. 724, Baumaßnahmen an der unteren Hunte zur Sicherung der Deiche und Schiffahrt, um 1 Million auf 2,5 Millionen DM erhöht worden sind und dafür der Tit. '731, Neubau eines Feuerschiffs als Ersatz für das Feuerschiff „Borkumriff", um 1 Million auf 200 000 DM gekürzt worden ist. Die Erhöhung des Titels für Baumaßnahmen an der unteren Hunte ergab sich zwingend aus der außerordentlichen Gefährdung der Deiche, die mit den veranschlagten 1,5 Millionen DM in keiner Weise so instand gesetzt werden können, wie es erforderlich erscheint, um Sturmflutkatastrophen vorzubeugen. Andererseits konnte der Tit. 731 um 1 Million DM gekürzt werden, weil diese Million im laufenden Jahr wahrscheinlich ohnehin nicht in Anspruch genommen wird. Außerdem ist ein gewisser Ausgleich für die Herabsetzung des Titels dadurch geschaffen worden, daß die Bindungsermächtigung für den Bundesfinanzminister um 1 Million auf 1 800 000 DM erhöht worden ist. Bei den Bundesfernverkehrsstraßen, außerordentlicher Haushalt, Kap. A 1210, ist ebenfalls eine Umdisposition von Mitteln vorgenommen worden, und zwar sind bei den Tit. 710 und 714, „Kleinerer Um- und Ausbau der Bundesstraßen" bzw. „Beseitigung von Kriegsschäden an Bundesfernverkehrsstraßen" insgesamt etwa 5 Millionen eingespart worden, die mit weiteren 5 Millionen DM, die der Bundesfinanzminister zusätzlich zur Verfügung gestellt hat, als Tit. 7&5, „Beseitigung außergewöhnlicher Frostschäden", ausgebracht worden sind. Die beiden Tit. 710 und 711, „Kleinerer Um- und Ausbau der Bundesstraßen" bzw. „Größerer Um- und Ausbau der Bundesstraßen", sind im Verkehrshaushalt an dieser Stelle neu. Die Mittel sind bisher im normalen Unterhaltungstitel, Kap. A 1210, Tit. 300, einbegriffen gewesen. Sie sind jetzt gesondert ausgewiesen entsprechend einem Ersuchen des Bundesrechnungshofes, in Zukunft solche Ausgaben, wenn sie 50 000 DM überschreiten, als gesondert zu etatisieren. Für die Herabsetzung der Mittel in den Tit. 710 und 714 um 5 Millionen ist auch wieder dadurch ein gewisser Ausgleich gefunden worden, daß die Bindungsermächtigung gemäß § 45 b der Reichshaushaltordnung für den Bundesfinanzminister in diesen Kapiteln von 6 300 000 DM auf 8 955 000 DM erhöht worden ist. Über den Titel 785 - Beseitigung außergewöhnlicher Frostschäden, 10 000 000 DM - hatte ich bereits gesprochen. Wichtig ist noch eine Erhöhung des Titels 813 um 2 000 000 DM: Fertigstellung der 16,5 km langen Teilstrecke der Bundesautobahn Köln - Frankfurt vom „Wandersmann" bei Wiesbaden bis zum Anschluß an die Bundesautobahn Frankfurt - Mannheim. Diese Erhöhung war notwendig geworden, weil die Kostenkalkulation des Landes Hessen um 2 Millionen zu niedrig war. Es handelt sich hier um die meist befahrene Straße der Bundesrepublik, die so schnell wie möglich durch Herstellung der Autobahnverbindung zwischen Wiesbaden und Frankfurt entlastet werden muß. Mit diesen 10,5 Millionen DM wird es möglich sein, noch in diesem Jahre den Anschluß an den Rhein-Main-Flughafen zu gewinnen. Die 2 000 000, die hierfür zur Verfügung gestellt worden sind, ({3}) sind von den Titeln 803 und 823 weggenommen worden, Sicherungs- und Restarbeiten an der Bundesautobahn Nürnberg - Tennenlohe, 1. Teilbetrag, und Fertigstellung der 18,1 km langen Teilstrecke Düren - Kerpen. ({4})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Meine Damen und Herren! Mit den sehr vielen Kulissengeräuschen wird der Verkehr im Verkehrsetat nicht beschleunigt. ({0})

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich komme jetzt, meine Damen und Herren, zum Kapitel 1211 ({0}) des außerordentlichen Haushalts. Hier ist im Titel 710 eine Erhöhung um 100 000 DM eingetreten, weil das Baugelände für den Neubau eines Dienstgebäudes in Köln nicht im Erbbaurecht erworben werden konnte, sondern angekauft werden mußte. Zum Schluß darf ich noch das Ergebnis der Beratungen über verschiedene Anträge dem Hause unterbreiten, und zwar handelt es sich dabei um die Anträge Drucksache Nr. 3328 und Drucksache Nr. 3804, die der Bundesregierung mit der Maßgabe überwiesen werden sollen, sie als Material zu benutzen, um auf Grund dieser Anträge im Haushaltsjahr 1954 die entsprechenden Mittel einzustellen. Außerdem hat sich der Ausschuß noch mit dem Antrag Drucksache Nr. 4451 befaßt, der ebenfalls der Bundesregierung als Material überwiesen werden soll, damit ({1}) im Haushaltsplan 1954 entsprechende Mittel eingestellt werden. Die Anträge Drucksache Nr. 4275, 4274 und 4353 sollen der Bundesregierung ebenfalls als Material unterbreitet werden, damit in zukünftigen Haushaltsplänen entsprechende Mittel bereitgestellt werden. Ich darf Sie bitten, die Empfehlungen des Ausschusses hinsichtlich der beratenen Anträge anzunehmen und den Änderungsempfehlungen des Ausschusses zum Verkehrshaushalt gemäß Drucksache Nr. 4512 Ihre Zustimmung zu erteilen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Aussprache ein. Aussprache im Rahmen der heute morgen festgelegten Redezeit von 60 Minuten. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel.

Dr. Rudolf Vogel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002380, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bild, das sich dem Haushaltsausschuß bei der Durchsicht der einzelnen Etatstitel zur Behebung der Verkehrsnöte geboten hat, war nicht gerade sehr erfreulich. Ich glaube, nirgends ist uns die Begrenzung der uns zur Verfügung stehenden Haushalts-Mittel so deutlich geworden wie gerade hier, wo wir uns drei ungelösten Problemen gegenüber sehen. Wir sehen einerseits, daß sich die Bundesbahn in einer schweren finanziellen Krisis befindet. Wir wissen, daß die Mittel zur Behebung der Straßennot völlig unzureichend sind, j a, daß noch nicht einmal die notwendigen Mittel bereitgestellt werden konnten, um die allerschlimmsten Mängel - siehe Dringlichkeitsstufe 1, die das Bundesverkehrsministerium ausgearbeitet hat -zu beseitigen. Wir wissen weiter, daß wir mit großer Sorge dem Wiederaufbau der dringend notwendigen Handelsflotte entgegensehen, und wir wissen auch dort nicht, ob wir auf diesem Gebiet die gesteckten Ziele in absehbarer Zeit werden erreichen können. Zu diesen Problemen gesellt sich nun als viertes Problem - durch einen Titel im Nachtragshaushalt bereits und jetzt im Haushalt 1953/54 neu gestellt -: der Eintritt Deutschlands in den internationalen Luftverkehr. Ich glaube, es ist notwendig, daß sich das Hohe Haus bei einem so bedeutsamen Ereignis einen Augenblick besinnt und diesem sehr wichtigen Problem seine Aufmerksamkeit zuwendet. Ich habe mir erlaubt, zwei Anträge dazu einzubringen, von denen ich ausdrücklich sagen möchte, daß sie nicht von meiner Fraktion, sondern von mir und einer Anzahl von Freunden der Koalition eingebracht worden sind. Die beiden Anträge haben folgenden Wortlaut, und sie stehen miteinander in Verbindung. Der erste Antrag lautet: Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, baldmöglichst Verhandlungen mit anderen europäischen Regierungen, die eigene Luftverkehrsgesellschaften besitzen, mit dem Ziel einzuleiten, eine europäische Luftverkehrsgesellschaft zu gründen. Der zweite Antrag lautet: Die Bundesrgierung wird ersucht, baldmöglichst Verhandlungen mit den Luftverkehrsgesellschaften aufzunehmen, die deutsche Flugplätze anfliegen, zwecks Beteiligung an den Kosten der Bundesanstalt für Flugsicherung. Diese beiden Dinge stehen, wie ich schon bemerkte, in einem ursächlichen Zusammenhang. Lassen Sie mich zur Begründung dieser Anträge folgendes ausführen. Die Lufthansa von ehedem hatte die in der damaligen Luftwelt wohl an Verkehrssicherheit einzig dastehende Ju 52 als Basis. Eine neue Luftfahrtgesellschaft wird nicht mehr über ein so ausgezeichnetes und sicheres Verkehrsmittel verfügen. Sie muß mit fremden Maschinen arbeiten. Wir wissen aus den Ausarbeitungen, die inzwischen gemacht worden sind und die der Herr Bundesverkehrsminister dem Haushaltsausschuß vorgetragen hat, daß der Bundeshaushalt auf Jahre hinaus mit Zuschüssen für eine kommende Luftverkehrs-Gesellschaft belastet werden wird. Das ist angesichts der schweren Belastungen, die ohnehin auf dem Verkehrshaushalt ruhen, eine sehr unangenehme Tatsache. Unter diesen Umständen haben wir dem Bundesverkehrsminister bereits im Haushaltsausschuß die Frage vorgelegt, ob nicht ein sinnvolles Zusammengehen der bereits bestehenden europäischen Luftverkehrsgesellschaften unter deutscher Mitwirkung die gegebene Lösung sei. Ich glaube, nirgendwo auf dem Verkehrsgebiete sind nationale Verkehrsgesellschaften in dem klein gewordenen Europa so überholt wie gerade auf dem Gebiet des Luftverkehrs. Nirgendwo bieten sich infolgedessen Lösungen an, wie sie sich gerade auf dem Gebiete des Luftverkehrs als beinahe selbstverständlich darbieten. Denn es kann nur im Interesse z. B. der skandinavischen Luftlinie, der schweizer Luftlinie, der belgischen, der holländischen und der spanischen Luftverkehrsgesellschaften, der italienischen nicht ausgenommen, liegen, zu einem sinnvoll miteinander ausgeglichenen europäischen Luftverkehr auf der großen Basis einer europäischen Luftverkehrsgesellschaft zu kommen. Alle diese Regierungen steuern zu ihren Luftgesellschaften zu. Wenn wir Deutschen uns an einer solchen Gesellschaft beteiligen, sollte es in einer Form geschehen, die uns einen entsprechenden Anteil sichert, die aber zugleich dazu beiträgt, die europäischen Luftverkehrsgesellschaften auf eine gesunde wirtschaftliche Basis zu stellen. Ich glaube, der Bundesverkehrsminister, der mit einer kürzlichen europäischen Verkehrskonferenz für die Eisenbahnen in Paris so ausgezeichnete Erfahrungen gemacht hat, wird sich sicherlich auch einer solchen Idee nicht verschließen, die immerhin eine gute Lösung anbietet. Lassen Sie mich im Zusammenhang damit noch das Problem der internationalen Luftverkehrsgesellschaften und ihrer finanziellen Beteiligung an der Flugsicherung in Deutschland anrühren. Der Zustand, in dem einst alle internationalen Luftverkehrsgesellschaften Zuschußbetriebe par excellence waren, ist heute weitgehend überwunden. Die uns vorgelegten Bilanzen der großen internationalen Gesellschaften, vor allen Dingen der großen amerikanischen, der KLM sowie der British Overseas Airlines usw. zeigen, daß es sich hier heute bereits um stabilisierte Großbetriebe mit zum Teil Milliardenumsätzen handelt. Damals, als diese Gesellschaften ihren Verkehr aufnahmen, konnte es sehr wohl im Interesse aller Staaten liegen, die Flugplätze errichteten, ihnen zum Anlaufen ihres Betriebes die Flugsicherungsdienste kostenlos zur Verfügung zu stellen. Aber heute sind wir über diesen Zustand längst hinaus, und Deutschland hat noch keine eigene Luftverkehrsgesellschaft. Es ist infolgedessen nicht einzusehen, warum diese hohe Gewinne abwerfenden internationalen Luftverkehrsgesellschaften nicht auch zu dem 12 MillionenHaushalt der deutschen Flugsicherung etwas beitragen sollten. Hier eröffnet sich dem Bundesfinanzminister wohl eine Chance, auch mal etwas einzunehmen. Dann noch ein zweites. Es könnte eingewandt werden: Wir sind die ersten, die hier etwas Derartiges verlangen. Bis vor wenigen Jahren waren diese Gesellschaften noch Zuschußobjekte. Heute sind sie Gewinnträger. Es ist, glaube ich, kein unbilliges Verlangen, wenn das Land, das von allen diesen Gesellschaften angeflogen wird, auch von diesen Gewinnen etwas für sich in Anspruch nimmt, um den Flugsicherungsdienst sicherzustellen. ({0}) Ich darf darauf verweisen, daß der Herr Bundesverkehrsminister auch von der Seeschiffahrt 6,2 Millionen DM an Einnahmen im Haushalt für die Dienste zu verzeichnen hat, die der Seeschiffahrt geleistet werden. Ebenso nimmt das Verkehrsministerium über 12 Millionen DM für Dienste ein, die der Binnenschiffahrt geleistet werden. Warum sollte es nicht auch möglich sein, von internationalen Flugverkehrsgesellschaften, die in Deutschland erhebliche Gewinne machen, eine derartige Einnahme zu erzielen? Ich bitte Sie daher, diesen beiden Anträgen zuzustimmen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Steinhörster.

Willi Steinhörster (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002239, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Finanzminister Schäffer seine vorhin geäußerte Bemerkung, daß für ihn die Harmonie zwischen Wirtschaft und Fiskus oberstes Gesetz sei, beim Verkehrshaushalt wahrgemacht hätte, dann müßte der Verkehrshaushalt andere Zahlen ausweisen, als er heute ausweist. Wir sind keineswegs davon befriedigt, daß für diesen wichtigen Zweig der deutschen Wirtschaft nur in dem Umfang Mittel zur Verfügung gestellt werden, wie das aus den Zahlen des Haushaltsplans zu entnehmen ist. Es ensteht für uns die Frage, ob der Herr Verkehrsminister, von dem wir wissen, daß er sich um Verbesserungen seines Haushalts bemüht hat, wirklich alles darangesetzt und darum gekämpft hat, um für seinen Haushalt, der doch im wesentlichen produktive Ausgaben enthält, dieses Ziel zu erreichen. Wir glauben, daß der Verkehr in der deutschen Wirtschaft eine größere Beachtung finden sollte, als es bisher der Fall gewesen ist. Wir vermissen in der ganzen Anlage eine absolut klare Verkehrspolitik, und wir meinen - wenn wir uns den Haushaltsplan etwas näher anschauen -, daß zuviel experimentiert wird und daß es zu kostspielig ist, ständig tausend Eisen im Feuer zu haben, anstatt e i n Projekt ganz durchzuziehen. Wenn ich das ausspreche, dann meine ich damit, daß es im ganzen Bundesgebiet - um auf eine Sparte zu kommen - z. B. bei den Autobahnen sehr viele unfertige, halbfertige und angefangene Projekte gibt, die in einem solchen Zustand einfach keinen Verkehrseffekt darstellen. Ich meine, man sollte dann Projekte ganz durchziehen und darauf verzichten, nur hier und da etwas zu tun. Es kommt hier auf die richtigen Einstufungen an. Wir erkennen nicht die Absicht des Verkehrsministeriums, solche Abstufungen hinsichtlich der Dringlichkeit einzuführen. Es ist zuzugeben, daß die Verkehrsdichte, insbesondere was den Straßenverkehr betrifft, außerordentlich beängstigende Formen angenommen hat. Aber gerade deshalb müssen wir mit stärkerem Nachdruck fordern, daß man Projekte, die man angefangen hat, auch zu Ende führt. Sonst haben sie überhaupt keinen Verkehrseffekt, wie oft festzustellen ist. Es ist im Augenblick nicht der rechte Zeitpunkt, über das große Problem Straße-Schiene zu sprechen. Die Lage der Bundesbahn ist ja hinreichend bekannt. Der nächste Deutsche Bundestag sollte es als seine erste Aufgabe betrachten, Ordnung in das Problem Straße-Schiene zu bringen. Ich will mich in diesem Augenblick weder für die eine noch für die andere Seite aussprechen, glaube aber sagen zu müssen, daß die Lage der Deutschen Bundesbahn nicht so zu sein brauchte, wie sie heute ist. Sie wäre bestimmt nicht so, wenn man der Bundesbahn und der Frage ihrer Existenz mehr Beachtung geschenkt hätte, als das bisher offenbar geschehen ist. Zu dieser katastrophalen Situation der Bundesbahn durfte es einfach nicht kommen. Unsere Vorstellungen, die wir als sozialdemokratische Fraktion dazu haben, werden wir zum Teil in der dritten Lesung, zum Teil aber auch im nächsten Bundestag vortragen. Meine Damen und Herren, es sind im Laufe der letzten Jahre eine Reihe von Anträgen gestellt worden, die mit Eindringlichkeit beweisen, welch großes Interesse an einer stabilen Verkehrspolitik im gesamten Bundesgebiet besteht. Heute hat man eine Anzahl von neueren Anträgen dieser Art dadurch erledigt, daß man sie der Regierung als Material überwiesen hat. Das Schicksal solcher Überweisungen an die Regierung als Material ist uns allen hinreichend bekannt. Nur in sehr wenigen Fällen ist das, was solche Anträge begehrt haben, erfüllt worden. Ich habe mir nun mit einigen Freunden zusammen erlaubt, einen Antrag zu stellen, der aus dem Rahmen dieser von mir skizzierten Anträge fällt. Ich meine den Antrag Umdruck Nr. 1011. Damit bitten wir das Hohe Haus, einer Erhöhung des Ansatzes in der Seewasserstraßenverwaltung zuzustimmen. Es geht dabei einfach um das Schicksal des Nord-Ostsee-Kanals. Er ist eine Einmaligkeit in der Bundesrepublik und nicht mit irgendeiner Binnenwasserstraße zu vergleichen. Der Nord-Ostsee-Kanal ist eine echte internationale Wasserstraße und hat eine große Verkehrswichtigkeit. Er hat wie alle derartigen Anlagen während des Krieges außerordentlich gelitten. Das wissen auch wir. Aber gerade darum sollte um so mehr Veranlassung bestehen, für die Unterhaltung und den Betrieb mehr zu tun als bisher. Unter den drei großen Weltkanälen - Panama-Kanal, Suez-Kanal und NordOstsee-Kanal - rangiert, was die Verkehrsdichte betrifft, der Nord-Ostsee-Kanal an erster, und was die Tonnage anlangt, an dritter Stelle. Das besagt doch in der Tat etwas. Bei der Gelegenheit sollte auch vermerkt werden, daß der Nord-Ostsee-Kanal ein echter Devisenbringer ist. Er war überhaupt der erste Devisenbringer der Bundesrepublik auf diesem Gebiet. Es wären noch einige Daten zu nennen. Mit Rücksicht auf die Zeit möchte ich es nicht tun. Aber auf eines kann ich leider nicht verzichten, meine Damen und Herren, Ihnen nämlich mitzuteilen, daß die Verwaltung uns wiederholt erklärt hat, daß mit den zur Zeit zur Verfügung gestellten Mitteln einfach nicht auszukommen ist, ganz abgesehen davon, daß der Kanal vertieft und verbreitert werden muß, daß man an seinen Ufern vernünftige Wirtschaftseinrichtungen schaffen muß, daß man den Kanal überhaupt sowohl ökonomisch wie kommerziell besser ausnutzen muß, was gar nicht sehr schwierig ist. Aber dazu bedarf es gewisser Beträge. Ich möchte Sie bitten, meinem Änderungsantrag zuzustimmen, mit dem ich nur erreichen will, daß den Unterhaltungs- und Betriebsmitteln 3,5 Millionen hinzugefügt werden. Es ist mir bekanntgeworden, daß der Verkehrsminister von dem ausgeworfenen Betrag von 27,5 Millionen DM nur 8,35 Millionen DM für die Unterhaltungs- und Betriebskosten zur Verfügung stellen will oder zur Verfügung gestellt hat und daß dieser Betrag einfach um 3,5 Millionen zu ({0}) niedrig ist, um den dringendsten Bedarf in bezug auf die Wiederherstellung der Verkehrssicherheit zu decken. Ich darf Sie also nochmals bitten, diesem Antrag zuzustimmen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen verschiedene Änderungsanträge vor, zunächst ein Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 1001. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. Es liegt weiter ein Antrag der Abgeordneten Steinhörster und Genossen auf Umdruck Nr. 1011 vor. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Wir kommen dann zur Abstimmung über die beiden Anträge Vogel. Der eine bezieht sich auf den Betriebszuschuß an die Deutsche Luftverkehrsgesellschaft, an der der Bund als Gesellschafter beteiligt ist. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ja, meine Damen und Herren, jetzt müßten eigentlich nach dem Bild der Abstimmung die Enthaltungen sehr zahlreich sein. Ich wiederhole die Abstimmung. Ich bitte doch, Handzeichen zu geben. Wer für den Antrag Dr. Vogel ist, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Ein weiterer Antrag des Abgeordneten Dr. Vogel zu Einzelplan 12 betrifft die Bundesanstalt für Flugsicherung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen. Dann stimmen wir über die Vorlage ab. Ich bitte diejenigen, die der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Ferner ist noch abzustimmen über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 4530. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Damit ist der Zeitpunkt erreicht, der vorgesehen war für die Abstimmungen zu Punkt 2 der Tagesordnung: a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz für das Rechnungsjahr 1953 ({0}). Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({1}) ({2}). ({3}). b) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, betreffend Sozialversicherungsträger ({4}). Dabei war für die dritte Beratung namentliche Abstimmung beantragt. Auch die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung war heute morgen abgeschlossen worden, lediglich die Abstimmung war vertagt. Ich lasse zunächst zur zweiten Beratung abstimmen. Ich rufe auf die §§ 1 bis 5, - Einleitung und Überschrift. - Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Wir kommen nun zur Abstimmung der dritten Beratung. Es handelt sich um die Vorlage Drucksache Nr. 4411. Ich bitte die Herren Schriftführer, mit der Einsammlung der Stimmkarten zu beginnen. ({5}) Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmkarten abgegeben? - Dann ist die Abstimmung beendet. ({6}) Bis zur Feststellung des Auszählungsergebnisses können wir wohl schon über den zugehörigen Entschließungsantrag auf Drucksache Nr. 4441 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die der Entschließung zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Entschließungsantrag ist angenommen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis *) der Schlußabstimmung zur Drucksache Nr. 4411 bekannt: insgesamt abgegebene Stimmen 388, von den Berliner Abgeordneten 17 Stimmen; mit Ja haben gestimmt 207 Abgeordnete, mit Nein 179, Enthaltungen 2; von den Berliner Abgeordneten haben mit Ja gestimmt 10, mit Nein 7. Damit ist das Gesetz in der Schlußabstimmung verabschiedet. Wir kommen nunmehr zu Punkt 4 der Tagesordnung: Dritte Beratung des Entwurfs eines Bundeswahlgesetzes ({7}). Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung ({8}). ({9}) Für die allgemeine Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 180 Minuten vorgesehen. ({10}) - Ich bin verpflichtet, Ihnen das mitzuteilen. Ich nehme sogar Ihre Zustimmung an. ({11}) - Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Mende. Ich darf aber bitten, über die Frage der Redezeit keine lange Debatte zu führen.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Ich erlaube mir, im Namen eines großen Teils meiner Fraktion eine Redezeit von 90 Minuten vorzuschlagen. ({0}) *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 13787 )

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. Ich lasse darüber abstimmen. ({0}) - Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner! ({1})

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Normalerweise hält sich der Bundestag an Redezeiten, die im Ältestenrat festgelegt worden sind. Der Redezeit von 180 Minuten zu diesem Tagesordnungspunkt hat im Ältestenrat auch der Herr Kollege Mende zugestimmt, der heute vorgeschlagen hat, die Redezeit auf die Hälfte zu reduzieren. ({0}) Nachdem wir heute schon erlebt haben, daß die Verabschiedung des Haushaltsplans in eine Form hineingepreßt worden ist, die geradezu als eine Selbstverhöhnung, die Sie begehen, ({1}) als eine Verhöhnung des Begriffs Demokratie anzusprechen ist wollen Sie jetzt eine entscheidende Frage in einer derart beschränkten Zeit herunterleiern. Diese Beschränkung macht es unmöglich, den Inhalt der Gesetzentwürfe, die Geschichte der verschiedenen Änderungsanträge und auch die Hintergründe dieser Änderungsanträge auch nur halbwegs klar und eindeutig zu besprechen. Weil wir es für notwendig halten, daß unser Volk erfährt, auf welche Art und Weise diese Wahl zusammengeschoben werden soll, bitten wir, es bei der alten Redezeit zu belassen. Wir bitten Sie deshalb, Ihren eigenen Antrag zurückzuziehen oder ihn selber abzulehnen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Meine Damen und Herren, Sie haben diese beiden Anträge gehört. Es liegt ein Änderungsantrag zum Vorschlage des Ältestenrats bezüglich der Redezeit vor. Über den Änderungsantrag muß zuerst abgestimmt werden. Ich bitte diejenigen, die für die Änderung der Redezeit auf 90 Minuten sind, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen. Damit ist die Redezeit auf 90 Minuten festgesetzt. Ich möchte nun die Aussprache gern eröffnen. Es fehlen nur die Wortmeldungen. - . ({0}) Es liegen noch immer keine Wortmeldungen vor. ({1}) - Also! Das Wort hat der Abgeordnete Rische.

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und. Herren! Die Beratung eines Wahlgesetzes für den kommenden Bundestag ist eine Frage, die unser ganzes Volk angeht. Es hat den Anschein, daß die Abgeordneten des Bundestags nicht daran interessiert sind, unter welchen Bedingungen der kommende Bundestag in der Bundesrepublik gewählt wird, oder daß diese Abgeordneten schon jetzt mit ihrer Entscheidung über die Redezeit zu diesem Wahlgesetz eine Vorentscheidung für ein Monopolgesetz der CDU/CSU-Fraktion schaffen wollen. ({0}) Die Vorgänge in den letzten Tagen und Wochen haben gezeigt, mit welchen Methoden Dr. Adenauer den Kampf unseres Volkes um die demokratischen Rechte niederzwingen will. Niemand kann mehr wagen, von parlamentarischen Verhandlungen zu sprechen. Die Vorgänge im Palais Schaumburg zeigten dem Volke ein Spiel um einen in der Geschichte unseres Volkes beispiellosen Wahlschacher. Alle diese Einwirkungen auf eine klare Willensentscheidung der gewählten Abgeordneten durch Dr. Adenauer werden vom Volk und allen ehrlichen Menschen verabscheut. Es ist bekannt, daß der ehemalige Außenminister Acheson gemeinsam mit dem damaligen Hohen Kommissar McCloy die Anregung gab, über eine antidemokratische Wahlgesetzgebung der Adenauer-Regierung und ihrer Koalitionsparteien auch für den kommenden Bundestag ein Monopol zu sichern. Jeder weiß auch, daß dieses nichts anderes besagen soll, als den Generalvertrag und andere antidemokratische Gesetze ({1}) und Regierungsverordnungen mit Hilfe einer verfassungswidrig zustande gekommenen parlamentarischen Mehrheit zu sichern. Herr Wuermeling war es, der bei der zweiten Lesung die Katze aus dem Sack ließ und davon sprach, daß der vorgelegte Onnen-Entwurf ein Förderungsgesetz für die Kommunisten sei. Nichts kann deutlicher die Furcht der Bonner Regierung und der Koalitionsparteien vor einer klaren Willensäußerung unseres Volkes unterstreichen als diese Erklärung, die einen Anschlag gegen die demokratischen Rechte unseres Volkes darstellt. ({2}) Der von der Bonner Regierung vorgelegte Wahlgesetzentwurf war ein Schlag gegen die Grundrechte der Bürger. ({3}) Das Monopol der politischen Macht soll in den Händen der antidemokratischen, intoleranten Clique der Beauftragten der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie bleiben. ({4}) Dazu diese Unzahl von raffinierten Wahlbestimmungen, die kein Mensch unseres Volkes überhaupt begreifen kann. Dr. Adenauers Eingreifen hat nun erreicht, daß eventuell Millionen von Wählern durch eine 5 %Klausel an der Ausübung ihrer vollen demokratischen Rechte gehindert werden sollen. Warum hat Dr. Adenauer in letzter Minute diesen Schacher herbeigeführt? ({5}) Genau wie de Gaspari in Italien hat er Angst vor einer demokratischen Entscheidung des Volkes. ({6}) Er fürchtet eine demokratische Wahlentscheidung des Volkes, ({7}) weil sie den Sturz dieser Regierung herbeiführen und ein neues politisches Kräfteverhältnis im kom({8}) menden Bundestag schaffen würde! Darum ist dieses Wahlgesetz ausschließlich ein Gesetz gegen den demokratischen Willen des Volkes und die konsequenteste Vertreterin des Volkes, die KPD. ({9}) Mehr noch! Es ist ein Gesetz gegen die politische Willensentscheidung, ,die sich seit der Gründung der GVP und des Bundes der Deutschen im Volke zeigte. Aber dieses Wahlgesetz ist zugleich auch gegen die SPD gerichtet; denn Dr. Adenauer zielt darauf ab, ein reaktionäres Monopol im Bundestag gegen jede Opposition zu errichten - selbst gegen eine solche Scheinopposition, wie sie die SPD-Führung im Bundestag ausübte. Die nun vorgelegten neuen Bestimmungen der CDU-Anträge schaffen ein Gesetz zur Strangulierung des demokratischen Volkswillens. Von dieser Unterbindung der klaren Willensbildung des Volkes bis zum offenen Faschismus ist es nicht mehr weit. Aber wir .sind der Meinung, daß alle diese Versuche der Strangulierung des Volkswillens scheitern werden. Dieselben Kräfte, die Dr. Adenauer und seine Regierungskoalition, vor allem die CDU/CSU, in Westdeutschland stützen, haben in Italien und Frankreich das gleiche versucht. Das Volk hat jedoch eine unmißverständliche Antwort erteilt. ({10}) Das Volk in Westdeutschland wird Dr. Adenauer wie in Italien und Frankreich bei der kommenden Wahl eine Quittung geben. Das Volk wird entscheiden. Es wird sich weder durch antidemokratische Wahlbestimmungen noch durch den überall aufkommenden Wahlterror beeindrucken lassen. Das Volk wird bei der kommenden Bundestagswahl über Dr. Adenauer und seine Regierungskoalition siegen. Die politischen Ziele, die Dr. Adenauer mit der Vorlegung der neuen Bestimmungen durchsetzen will, sind eindeutig klar. Es soll mit scheinlegalen Mitteln ein Gesetz geschaffen werden, das den reaktionären Kurs der Innen- und Außenpolitik gegen den Willen des Volkes sichern soll. Unser Volk muß darum gerade angesichts dieses erneuten Anschlages auf seine demokratischen Rechte und gegen die Bestimmungen des Grundgesetzes größte politische Wachsamkeit üben. ({11}) Die Sprecher der kommunistischen Fraktion ({12}) erklären darum unmißverständlich: Dieses Wahlschwindelgesetz nach den CDU-Anträgen wird von der Bevölkerung niemals als eine demokratische Gesetzesäußerung anerkannt werden können. ({13}) Eine Wahl, die sich auf solche Bestimmungen gründete, wäre keine legale Wahl, keine demokratische Willensäußerung des Volkes. ({14}) Wir kennen die Absichten, die Dr. Adenauer mit diesem Gesetz verfolgt. ({15}) Wir sind der Meinung, daß der Sinn der kommenden Bundestagswahl darin bestehen muß, eine Änderung des politischen Kräfteverhältnisses im Bundestag herbeizuführen. ({16}) So muß der Weg frei gemacht werden zur Verständigung der Deutschen untereinander, zur nationalen Wiedervereinigung Deutschlands und zur Stärkung der Kräfte, die für die Erhaltung des Friedens eintreten. ({17}) Die Kommunistische Partei erklärt, daß es das dringendste Gebot der Stunde ist, daß sich alle Kräfte in unserem Volk, die gegen Adenauer und seine Politik sind, zusammenfinden. Die Parteien, Organisationen und Gruppen, die Gegner der Adenauer-Regierung sind, müssen sich über Maßnahmen zur Veränderungen des Kräfteverhältnisses in dem kommenden Bundestag und zur Schaffung einer Koalitionsregierung verständigen. ({18}) Die Kommunistische Partei ist bereit, in einer solchen kommenden Koalitionsregierung voll mitverantwortlich mitzuwirken. ({19}) Meine Damen und Herren, Sie mögen heute lachen - das Volk und die Geschichte wird den Kommunisten und den Patrioten und Demokraten unseres Volkes ({20}) recht geben. ({21}) Die Möglichkeiten einer solchen Verständigung der demokratischen Anti-Adenauer-Kräfte liegen für jeden heute klar auf der Hand. Die sich anbahnende internationale Entspannung, die Maßnahmen der Regierung der DDR zeigen die gegebenen realen Möglichkeiten der Verständigung. ({22}) Es ist selbstverständlich, meine Damen und Herren, daß man im Rahmen einer solchen Debatte auch ein Wort sagen muß zu dem ersten Anliegen des deutschen Volkes, ({23}) nämlich zu den freien Wahlen in ganz Deutschland.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß die Redezeit abgelaufen ist.

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Gestatten Sie -

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Sie müssen abschließen.

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

- - loyalerweise nur noch eine Minute! ({0})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Ich kann nicht „loyalerweise" einige Minuten geben. Für Sie gilt loyalerweise die festgesetzte Redezeit. ({0})

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Lassen Sie mich abschließen. Der reale Weg zum Frieden, zu Deutschlands Einheit und Freiheit besteht darin, daß sich die Vertreter aus Ost- und Westdeutschland über die Möglichkeiten einer Verständigung über die Durchführung freier Wahlen entscheiden. Meine Damen und Herren, damit will ich zum Schluß kommen: ({0}) Dieses Wahlgesetz mit der Absicht der CDU, dort einige Bestimmungen hineinzuusurpieren und den Volkswillen auszuschalten, ist ein antidemokratisches Gesetz.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Herr Abgeordneter, Sie sollen zum Schluß kommen, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Es wird niemals vom Volke anerkannt werden. ({0})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling. ({0}) Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Aussprache geschlossen. Wir treten ein in die Einzelberatung. ({1}) - Also, meine Damen und Herren, die Aussprache ist geschlossen. Melden Sie sich rechtzeitig zum Wort! -Es ist doch unmöglich, hier zu arbeiten, ({2}) wenn fortgesetzt solche Tricks angewandt werden, daß man erst abwartet, ob andere das Wort nehmen. Ich kann Ihnen unter diesen Umständen zur allgemeinen Aussprache das Wort nicht mehr erteilen. ({3}) Sie haben sich nicht gemeldet. Überhaupt haben Sie nach der Geschäftsordnung Ihre Wortmeldung schriftlich beim Schriftführer anzubringen. ({4}) Also, meine Damen und Herren, wir treten ein in die Einzelberatung in dritter Lesung. Es werden die Punkte aufgerufen, zu denen Änderungsanträge gestellt sind. Zunächst liegt zu § 1 ein Änderungsantrag Umdruck Nr. 996 Ziffer 1 vor. ({5}) Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Jaeger.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Änderungsantrag betrifft weder das Wahlsystem, noch hat er sonst eine irgendwie aktuelle politische Bedeutung. Es handelt sich nur darum, daß diejenigen deutschen Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes, die aus dienstlichen Gründen unmittelbar jenseits der Bundesgrenze wohnen müssen, also vor allem in Salzburg, Kufstein und Basel sowie in anderen ähnlichen Orten, das Recht erhalten, sich in die Wahlkartei des Nachbarorts eintragen zu lassen und damit das Recht bekommen, zu wählen. Ein solches Recht besteht auch nach einigen deutschen Landtagswahlgesetzen, und es hat auch früher beim Deutschen Reichstag bestanden. Nach Einbringung meines Antrags wurde ich darauf aufmerksam gemacht, daß das Reichswahlgesetz dafür eine bestimmte Formulierung gewählt hat. Ich möchte Ihnen deshalb vorschlagen, den Antrag in einem Punkt zu ändern. Nach unserem Antrag Ziffer 1 soll in § 1 folgender Abs. 3 angefügt werden - ich darf ihn noch einmal vorlesen -: Wahlberechtigt sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch Beamte, Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst, die auf Anordnung ihres Dienstherrn -

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Darf ich einen Augenblick unterbrechen. Es liegt im Interesse der Klarheit. Mir ist eben mitgeteilt worden, der Umdruck Nr. 996, den Sie jetzt begründen, sei nicht allgemein verteilt. ({0}) - Also, dann darf ich bitten, meine Damen und Herren, jetzt sehr genau der Verlesung des Antragstextes zu folgen.

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich darf bemerken, meine Damen und Herren, daß ich den Antrag bereits in der vorigen Woche bei der Drucksachenstelle eingereicht habe, daß das Versäumnis also nicht bei mir und den Unterzeichnern des Antrags liegt. Es soll in § 1 folgender Abs. 3 angefügt werden: Wahlberechtigt sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch Beamte, Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst, die auf Anordnung ihres Dienstherrn ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt - und hier wird der Umdruck abgeändert in die Worte - _ im Ausland in nächster Nähe der Bundesgrenze genommen haben, sowie die Angehörigen ihres Hausstandes. Der § 13 soll folgenden Abs. 2 erhalten - ich darf ihn ganz verlesen, nachdem Sie diesen Umdruck nicht haben -: Wahlberechtigte Personen gemäß § 1 Abs. 3 - „Art. 1" im Umdruck ist falsch; es muß heißen ,,§ 1" sind auf Antrag in das Wählerverzeichnis einer benachbarten deutschen Gemeinde einzutragen. Also statt „Gemeinde des Bundesgebietes" soll es heißen „deutschen Gemeinde". Mit diesen Änderungen, die nur dem Recht entsprechen, das zur Zeit der Reichstagswahl gegolten hat, bitte ich Sie, den Antrag anzunehmen. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrags der Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß und Genossen gehört. Wird dazu das Wort gewünscht? ({0}) - Das ist nicht der Fall. Ich komme also zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß und Genossen, Umdruck Nr. 996, in der noch geänderten Fassung. Meine Damen und Herren, sind Sie alle sich über den Gegenstand der Abstimmung im klaren? ({1}) - Darf ich fragen, wer „Nein" gerufen hat? ({2}) - Niemand! Es war also ein akustischer Irrtum. ({3}) Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß und Genossen, Umdruck Nr. 996, in der noch geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist dieser Antrag mit Mehrheit angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; ist angenommen. Dann liegen Änderungsanträge zu § 6 vor, zunächst der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß, Stücklen und Genossen, Umdruck Nr. 1014 Ziffer 1. Wer wünscht den Antrag zu begründen? - Herr Abgeordneter Dr. Jaeger!

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf, der in zweiter Lesung beschlossen worden ist, bringt gegenüber dem Gesetzentwurf 'von 1949 u. a. die wesentliche Verschlechterung, daß die Mandatszahl von 400 auf 484 erhöht werden soll. Ich darf mir erlauben; darauf hinzuweisen, daß ich schon bei der ersten Lesung im Ausschuß hiergegen meine Bedenken vorgebracht habe. Damals jedoch wurde erklärt, daß es bei dem System Scharnberg, um das es sich handelte, schwer möglich sei, diese Zahl zu ändern. Inzwischen hat man das System gewechselt. Es besteht gar keine Notwendigkeit, bei der Zahl von 484 zu bleiben, sondern wir können zu der Zahl von 400 zurückkehren, die in dem Wahlgesetz des Jahres 1949 stand und die auch die sozialdemokratische Fraktion in ihrem Antrag wünscht. Ich möchte Sie namens der Antragsteller um diese Entscheidung aus folgenden Gründen bitten: Es gab bisher im Wahlgesetz das Verhältnis 60 zu 40. 60 % der Mandate wurden direkt, 40 % indirekt errungen. Darin, ,daß Sie nunmehr zum Verhältnis 50 zu 50 kommen, liegt eine Verschlechterung für das Mehrheitswahlrecht, das Mischsystem gleich sich damit noch mehr dem Listenwahlrecht an, und auch die Zersplitterung wird dadurch weiterhin gefördert. Im übrigen darf ich darauf hinweisen, daß die Vermehrung der Mandate allgemein als unpopulär angesehen wird. Es gibt keine sachlichen Gründe, die für eine Vermehrung sprechen. Man sagt zwar, 50 Ausschüsse des Hauses machten eine größere Zahl von Abgeordneten notwendig. Aber die Erfahrung zeigt doch, daß es sehr zweifelhaft ist, ob im menschlichen Leben ganz allgemein und im parlamentarischen Leben im besonderen mit der Quantität auch die Qualität steigt. Der Bayerische Landtag des Jahres 1932 - in einem Land, zu dem die Pfalz nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich damals noch gehört hat - hatte 128 Abgeordnete, der heutige hat 204, und man geht nun ernsthaft daran, diese Zahl wieder herabzusetzen, eben weil es sich nicht bewährt hat. Die Schwerfälligkeit des Parlaments wird gerade durch die Vermehrung der Zahl der Abgeordneten noch erhöht. Die Aufblähung des Parlaments kann geradezu als Symptom einer modernen parlamentarischen Krankheit betrachtet werden. Der zweite Grund, der für die Erhöhung der Mandate angeführt wird, liegt in den internationalen und europäischen Organisationen, insonderheit in Straßburg. Meine Damen und Herren, die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, daß ein Teil der Abgeordneten dieses Hauses sowohl in Straßburg als auch hier im Parlament sitzen, gelten doch nur für eine Übergangszeit. Sobald Europa konsolidiert ist - und wir hoffen doch, daß das vielleicht schon in Jahresfrist der Fall sein wird -, wird es ebenso unmöglich sein, zugleich im Bundestag in Bonn und im Europarat oder in der Beratenden Versammlung in Straßburg zu sitzen, wie es heute schon unmöglich ist, zugleich im Bayerischen Landtag und im Deutschen Bundestag zu sein. Sie können überhaupt nicht .an zwei Orten gleichzeitig anwesend sein, wie ich schon einmal unter der Heiterkeit dieses Hauses bemerkt habe. Doppelmandate sind nun einmal dem parlamentarischen Leben nicht förderlich und werden auch hier abgeschafft werden müssen. Außerdem darf ich darauf hinweisen, daß die Vermehrung der Abgeordneten keine ganz billige Sache ist. Der Umbau dieses Plenarsaals soll, so wurde uns im Ausschuß gesagt, allein 3 Millionen DM kosten. Das wäre vielleicht die Sache noch wert; denn dieser Plenarsaal ist wirklich nicht besonders erfreulich, und man könnte ihn auch wohl ohne Erhöhung der Zahl der Abgeordneten umbauen. Aber ich darf darauf hinweisen, daß dies neue Ausschußzimmer, erweiterte Fraktionszimmer und neue Arbeitszimmer der Abgeordneten bedingt. Der Gedanke, drei Abgeordnete in ein Zimmer zu setzen, wird meines Erachtens die Arbeitsfähigkeit angesichts der Zahl der Besuche und Telephongespräche noch mehr erschweren. ({0}) - Unter diesen Umständen, zudem auch noch eine Erweiterung der gesamten Büros, eine Vergrößerung der Angestelltenzahl usw., auch ein Ausbau des Restaurants erforderlich wird, und daß praktisch - ({1}) - meine Herren, Sie lachen darüber, aber Sie werden sehen, wie sehr damit die Arbeit in diesem Hohen Hause erschwert wird. Angesichts der Unkosten, die praktisch keinen Nutzeffekt haben, schlage ich Ihnen vor, bei der Zahl von 400 Abgeordneten zu bleiben. ({2}) Das Volk sieht bei dieser Angelegenheit zu. Ich bitte Sie deshalb, sich das bei der Abstimmung zu überlegen. ({3})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.

Dr. Gerhard Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002077, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zur Unterrichtung des Hohen Hauses und um eine mögliche Verwirrung zu vermeiden, möchte ich sagen, daß wir diesen Antrag ablehnen. Auch ein Teil der Unterzeichner hat bereits seine Unterschrift zurückgezogen. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ein weiterer Antrag der Fraktion der SPD zu § 6 Umdruck Nr. 1013 Ziffer 1. Herr Abgeordneter Maier zur Begründung.

Friedrich Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001411, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der zweiten Lesung haben wir beschlossen, daß das Gesetz nur für die Wahl des zweiten Bundestags Geltung haben soll. Dadurch wird eine Übergangsbestimmung überflüssig. Wir können die Bestimmung in § 55a in den systematischen Teil des Gesetzes übernehmen. Ich bitte Sie, der vorgeschlagenen Änderung zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Dr. Schneider.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002046, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Fraktion wird diesem Änderungsantrag zustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren! Die Kürze dieser Aussprache überrascht, nach allem, was wir erlebt haben. ({0}) Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag, den Herr Abgeordneter Dr. Jaeger begründet hat, Drucksache Nr. 1014 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. -- Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 1013 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 6 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich komme zu § 9. Dazu liegen zwei Änderungsanträge vor. Ein Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 1013 Ziffer 2 für den größeren Teil der Absätze des Paragraphen und ein Änderungsantrag Drucksache Nr. 1015 Ziffer 1 der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP. - Zur Begründung des Antrages Drucksache Nr. 1013 Ziffer 2 Herr Abgeordneter Maier.

Friedrich Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001411, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Die Änderung des § 9 Absatz 1 dient nur einer Klarstellung; sie bedeutet keinen materiellen Unterschied gegenüber dem Text, wie er in der zweiten Lesung beschlossen worden ist. Der Satz 4 in Absatz 2: „Entfallen auf eine Landesliste mehr Sitze, als Bewerber benannt sind, so bleiben diese Sitze unbesetzt", ist lediglich eine technische Ergänzung. Ich bitte um Annahme des Änderungsantrags. In Abs. 3 werden die Worte „gleiche Zahl" durch die Worte „Unterschiedszahl" ersetzt. Auch das ist nur eine textliche Verbesserung. In Abs. 5 Satz 1 werden die Worte „im Wahlkreis" durch die Worte „in den Wahlkreisen" und in Satz 2 die Worte „nationalen Minderheiten" durch die Worte „Parteien nationaler Minderheiten" ersetzt. Auch hier handelt es sich lediglich um eine textliche Veränderung. Ich bitte, diesen Änderungsanträgen zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Begründung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Herr Abgeordneter Dr. Schröder!

Dr. Gerhard Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002077, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Zur Erleichterung der Abstimmung möchte ich vorweg erklären, daß wir von den vom Kollegen Maier vorgetragenen Anträgen die Buchstaben a, b und c annehmen, Buchstabe d ablehnen. Für den Änderungsantrag der Koalition nur ganz wenige Worte. Die Splitterklausel, die in der zweiten Beratung angenommen worden ist, erscheint uns unzulänglich. Wir schlagen Ihnen eine bessere Splitterklausel vor. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich darf zunächst die Änderungsanträge begründen lassen. Zu Umdruck Nr. 1015 liegt erstens ein Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion vor, an die Stelle der Worte „im Bundesgebiet" die Worte „im Lande" zu setzen. Bedarf der Antrag einer Begründung? - Herr Abgeordneter Dr. Menzel, bitte!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Änderungsantrag sieht lediglich die Wiederherstellung des § 10 Abs. 4 des jetzt geltenden Wahlgesetzes vor.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Es liegt weiter ein Änderungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union vor, die Worte einzufügen: „oder wenigstens in einem Lande 300 000 gültige Zweitstimmen". Herr Abgeordneter Dr. Reismann zur Begründung! ({0}) - Es ist ein handschriftlich soeben eingereichter Antrag, der noch keine Nummer hat. Er trägt den Wortlaut: In Ziffer 1 a werden hinter dem Wort „Sitz" und vor dem Wort „errungen" die Worte eingefügt: „oder wenigstens in einem Lande 300 000 gültige Zweitstimmen". ({1})

Dr. Bernhard Reismann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001815, Fraktion: Föderalistische Union (FU)

Von der Fraktion unterstützt! Das ist sehr wohl möglich, übrigens: die SPD hat ihren Antrag auch entsprechend eingebracht, und ich bringe einen Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag der SPD ein. Das ist nach ({0}) I der Geschäftsordnung natürlich möglich. Ich glaube, .das können Sie auch ruhig dem Herrn Präsidenten überlassen, sehr verehrter Herr Kollege Kunze, der kennt die Geschäftsordnung! Um nun in der Begründung auf den Kern des Antrags einzugehen, darf ich auf folgendes hinweisen: Es sind sich wohl alle einig, daß man es als ausreichend ansieht, wenn ein Mandat errungen ist. Wenn ein Mandat direkt errungen ist, bedeutet das, daß etwa 50- oder 60 000 Stimmen oder in einem Wahlkreis unter Umständen auch nur 21 % der Einwohner dieses Wahlkreises hinter dem gewählten Kandidaten stehen. Dann ist es doch nicht mehr als recht und billig, daß man einer Partei, wenn sie in einem Lande 300 000 Stimmen auf sich vereinigt, denselben Vorteil zukommen läßt. Das bedeutet doch mehr als 5 oder 6 Mandate und unter Umständen mehr als das Zehnfache des Stimmengewichts, das ein Kandidat bekommt, der schon in direkter Wahl durchgekommen und gewählt ist. Die bisherige Klausel mit den 3 %, die in der zweiten Lesung beschlossen wurde, wurde von manchen deswegen beanstandet, weil es dann gelingen könne, in einem so kleinen Land wie z. B. in Bremen unter Umständen mit einer kleinen Zahl durchzudringen. ({1}) - Ja, gut; eben deswegen haben wir uns zu einem Entgegenkommen verstanden, einem Entgegenkommen in dem Sinne, daß diese kleine Zahl, die dann eventuell genügte, nicht ausreichen soll, sondern immerhin 300 000 Stimmen erforderlich sind; und das ist keine Kleinigkeit! Wie komme ich nun auf die Zahl von 300 000? Weil die deutschen Länder so unterschiedlich sind, könnte man nur von einer mittleren Zahl der Einwohner und der Wähler ausgehen. Wenn wir also auf - abgerundet - 50 Millionen Einwohner und 10 Länder je Land 5 Millionen Einwohner mit etwa 3,5 Millionen Wählern rechnen, dann würden davon 5 % nur ungefähr 160 bis 170 000 Wähler ausmachen. Wenn nun das Dopelte verlangt wird, so bedeutet das, daß eine Sperrklausel eingeführt wird, nach welcher mindestens in einem Lande das Doppelte der 5 %-Klausel eines Landes mit mittlerer Bevölkerungszahl überstiegen sein muß. Mir scheint, daß das doch eine ausreichend große Sperre ist, die man nicht erweitern sollte, wenn das Ganze nicht in eine Schikane ausarten soll. Ich darf dann auf folgendes hinweisen. In der Gesetzesvorlage der CDU-Fraktion heißt es: „5 % auf der Bundesbasis". Das bedeutet nahezu 24 Mandate, die unterdrückt werden sollen. Bei 24 Mandaten kann man doch nicht mehr von einer Splitterpartei reden. Das wäre eine Maßnahme, die nach der schon vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sicherlich nicht dessen Zustimmung als verfassungsgemäß finden würde. Denn bei einer derartig hohen Sperrklausel wäre der Grundsatz verletzt, den . das Bundesverfassungsgericht in der Südschleswig-Klage schon zum Ausdruck gebracht hat. Davon ausgehend, daß ein Direktmandat auf alle Fälle nur den fünften oder sechsten Teil, in manchen Fällen sogar nur den zehnten Teil der hier notwendigen 300 000 Stimmen aufbringt, und ferner davon ausgehend, daß das in einem Land durchschnittlicher Größe die doppelte 5 %-Sperrklausel auf Landesbasis bedeutet, glaube ich, daß unser Vorschlag der richtige Weg ist, einmal im Interesse der demokratischen Gerechtigkeit - schließlich ist die Wahl dazu da, dem Volkswillen Ausdruck zu verleihen - und zum andern, um wirklich echte Splittergruppen zu verhindern. Er liegt im übrigen in der Mitte und vermeidet das Extrem nach beiden Seiten hin, wenn Sie etwa den bisherigen Vorschlag mit den 3 % in einem Lande als zu extrem und zu entgegenkommend ansehen wollen. 300 000 Stimmen in einem Lande, das erscheint wirklich ausreichend.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Schröder!

Dr. Gerhard Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002077, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehr zur Erleichterung der Abstimmung als um zu argumentieren, möchte ich sagen, daß wir beide Anträge, sowohl den von Herrn Kollegen Dr. Menzel als auch den von Herrn Dr. Reismann gestellten, ablehnen. Ich möchte Herrn Reismann nur folgendes erwidern. Die Tatsache, daß man hier eine Bundeszahl als Sperrklausel verlangt, rechtfertigt sich allein daraus, daß es sich um Wahlen zum Bundestag handelt. Ich glaube, alle anderen Argumente gehen fehl. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Clausen, dann Herr Rische! Clausen ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wahlrechtsausschuß hat in seinen Verhandlungen dem § 9 einen Abs. 5 gegeben, in dem bestimmt ist, daß die Sperrklausel keine Anwendung auf die von nationalen Minderheiten eingereichten Listen findet. In dem Änderungsantrag der CDU/CSU, FDP und DP wird eine Änderung ides Abs. 4, also der Prozentklausel, verlangt. Ich habe in der zweiten Lesung über unsere Stellungnahme zur Prozentklausel Ausführungen gemacht und brauche sie nicht zu wiederholen. Unter Ziffer 1 b des Antrags der CDU/CSU, FDP und DP wird weiter beantragt, den Abs. 5 mit der, wie ich es mal nennen will, Minderheitenklausel völlig zu beseitigen. Es war, wie schon gesagt, gelungen, im Wahlrechtsausschuß diesen Absatz in die Vorlage zu bringen. Ich hatte dafür die Begründung gegeben, daß man in Dänemark gewillt ist, der deutschen Minderheit wieder ein Mandat in Kopenhagen zu geben. Von meinen politischen Gegnern wurde behauptet, daß ich den Wahlrechtsausschuß über die Aussichten der deutschen Minderheit in Dänemark, ein Mandat im dänischen Reichstag zu erreichen, falsch informiert habe. Meine Damen und Herren, Sie werden verstehen, daß mir viel daran liegt, eine Klarstellung herbeizuführen. Deshalb bitte ich um die Genehmigung des Herrn Präsidenten, eine kurze Verlautbarung des dänischen Staatsministeriums in dieser Angelegenheit, die gestern von dpa veröffentlicht wurde, verlesen zu dürfen. Darin ist gesagt: Von verschiedenen Seiten ist behauptet worden, daß die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig nur dann eine Vertretung im dänischen Parlament erhoffen könne, wenn sie sich noch vor der bevorstehenden Wahl im Sep({1}) tember als Partei anmelde, was die Beibringung von zehntausend Unterschriften voraussetzt. Ob dieser Veranlassung macht das dänische Staatsministerium darauf aufmerksam, daß die Minderheit durch Aufstellung eines oder mehrerer Kandidaten außerhalb der Parteien, wozu die Beibringung von Unterschriften nicht erforderlich ist, die Möglichkeit hat, an den Wahlkreismandaten der nordschleswigschen Bezirke 'beteiligt zu werden: Weiter heißt es in dieser Meldung: Über die Aussichten der deutschen Volksgruppe auf ein derartiges Parlamentsmandat schrieb das Organ der Volksgruppe „Der Nordschleswiger" am 25. April 1953, also unmittelbar nach der letzten Folketingwahl und vor der endgültigen Verabschiedung der neuen dänischen Verfassung, u. a. folgendes: „Falls die Verfassungsreform am 28. Mai die erforderliche Mehrheit erzielt, gilt das neue Wahlgesetz bei der Wahl zum neuen größeren Folketing am 28. September 1953. Das Mandat der deutschen Minderheit ist schon bei der am Dienstag erzielten Stimmenzahl von 8438 gesichert, vielmehr aber, wenn diese Stimmenzahl gesteigert wind. Ich bitte daher das Hohe Haus, auch der dänisch-friesischen Minderheit in der deutschen Bundesrepublik bei den kommenden Bundestagswahlen eine demokratische Chance zu geben, um so mehr als der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Lübke, der der CDU angehört, mir bei einer kurzen Unterredung gesagt hat, er sei dafür, daß diese Minderheit im Bundestag vertreten sei. Ich bitte also, eine Änderung des § 9 nicht vorzunehmen. Sollte jedoch der Antrag der CDU/CSU, FDP und DP unter Ziffer 1 a angenommen werden, so würde ich an Stelle des Antrags unter Ziffer 1b folgenden neuen Abs. 5 des § 9 vorschlagen: Die 5-%-Klausel des Abs. 4 findet keine Anwendung auf die von Parteien nationaler Minderheiten eingereichten Listen. Ich bitte 15 Abgeordnete des Hohen Hauses, diesen Antrag zu unterstützen, denn ich stehe in diesem Augenblick allein da. ({2})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Antrag ist hinreichend unterstütz. Es hat das Wort - vielleicht können wir sachgemäß gliedern - zu dieser Debatte der Abgeordnete Dr. Edert.

Dr. Eduard Edert (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000435, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens meiner schleswigholsteinischen Freunde von der FDP und DP und zugleich im Namen der Fraktion der CDU bitte ich, diesen Antrag des Herrn Abgeordneten Clausen abzulehnen. Ich möchte nicht die Argumente vorn vorigen Mittwoch wiederholen, aber doch mit aller Klarheit feststellen, daß der Eindruck, der hier im Hause vielleicht erweckt worden ist, als wenn die deutsche Minderheit in Dänemark ein besonderes Vorrecht hätte, nicht zutrifft. Es ist der deutschen Minderheit in Dänemark nur auf dem normalen Wege möglich, ein Mandat zu erringen. Nun, das Land ist klein; es hat vier Millionen Einwohner und sendet im ganzen 170 bis 180 Abgeordnete in das Folketing. Infolgedessen ist es vielleicht möglich, mit etwa 8500 oder 9000 Stimmen ein Mandat zu erreichen. Bis dahin ist es der deutschen Minderheit nicht möglich gewesen; aber wenn sie es erreicht, dann - und das ist das Entscheidende - nur auf normalem Wege. Auf normalem Wege kann auch die dänischgesinnte Bevölkerung in Südschleswig ein Mandat erringen; schon in Flensburg selbst: hier halten sich die deutsch- und dänisch gesinnten Bewohner die Waage, hier regiert heute noch ein dänisch gesinnter Oberbürgermeister, eine dänisch gesinnte Mehrheit im Magistrat, Und nicht weniger als vier südschleswigsche Abgeordnete vertreten die dänische Minderheit im Landtag in Kiel. Wir wollen die dänische Minderheit keineswegs an der Ausübung ihrer demokratischen Rechte hindern. Es handelt sich hier nur darum, daß wir ein Vorrecht ablehnen, das andere Deutsche nicht haben und das auch die deutsche Minderheit in Dänemark nicht genießt. Was die letzte Bemerkung in bezug auf den Herrn Ministerpräsidenten Lübke anlangt, so kann ich nur sagen, daß dieser sich dahin geäußert hat, er wolle unter keinen Umständen einen Abgeordneten mit beratender Stimme; wenn schon die Minderheit im Bundestag vertreten werde, dann nur auf dem normalen Wege mit einer vollen Stimme.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Brandt!

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich zu der eben erörterten Frage ein paar Sätze sage. Es handelt sich nicht um irgendein parteipolitisches Interesse. Wenn man es vom parteipolitischen Interesse aus sähe, könnte jede deutsche Partei in dem Gebiet, um das es sich hier handelt, wenn dort eine Partei der nationalen Minderheit - in diesem Falle der Südschleswigsche Wählerverband - unter den und den Bedingungen kandidieren kann und ihre Stimmen gezählt werden, sagen, das gehe auf Kosten anderer Listen. Aber nicht darum geht es hier, glaube ich, sondern wir können doch, wenn wir jetzt das Wahlgesetz zum zweiten Deutschen Bundestag verabschieden, nicht den Grundsatz verleugnen, zu dem wir uns in diesem Hause zu Beginn des vorigen Jahres bekannt haben, als der Entwurf einer gesamtdeutschen Wahlordnung aufgestellt wurde. ({0}) Damals bei der Aufstellung einer gesamtdeutschen Wahlordnung ist ausdrücklich gesagt worden, die Partei einer nationalen Minderheit solle nicht bevorzugt werden, man solle aber ihre Stimmen nur in bezug auf das Gebiet werten, in dem sie kandidiere. Um nichts anderes gehrt es doch auch bei dem § 9 Abs. 5: nicht um eine Bevorzugung, wie der verehrte Herr Vorredner gesagt hat, sondern darum, daß die Stimmen dieser Partei eben nicht auf ein Gesamtgebiet bezogen werden, in dessen größerem Teil sie gar keine Kandidaten aufgestellt hat. Das wäre nicht gerecht, wenn man die Art und Struktur einer solchen Partei, über die ich ({1}) mich im übrigen gar nicht zu äußern habe, in Betracht zieht. Weiter meine ich, daß die Koalitionsparteien in dieser Frage eigentlich von dem Herrn Außenminister hätten beraten werden sollen; ({2}) denn hierin steckt auch ein Stück deutscher Außenpolitik. ({3}) Denken Sie auch an unser Verhältnis zum demokratischen Norden, zu den skandinavischen Ländern, und lehnen Sie den Streichungsantrag zu § 9 Abs. 5 ab. ({4})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich gehe in einer gewissen Reihenfolge vor. Herr Abgeordneter Rische, bitte!

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch einige Bemerkungen zum Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP zu § 9 in neuer Fassung. Ich sagte bereits, daß diese neue Fassung einen ganz bestimmten politischen Zweck verfolgt. Es ist sehr erstaunlich, daß eine bestimmte Mehrheit in diesem Bundestag eine beachtliche politische Indifferenz an den Tag legt. Niemand kann doch glauben - und das glaubt ja auch niemand der hier anwesenden Damen und Herren -, daß mit dieser neuen Fassung des § 9 eine klare und demokratische politische Willensentscheidung unseres Volkes in seiner Gesamtheit bei den kommenden Bundestagswahlen beabsichtigt ist. Diese klare politische Willensentscheidung unseres Volkes wird von Dr. Adenauer gefürchtet! Es ist eine Tatsache, daß man ganze Gruppen unseres Volkes, starke politische aufbauwillige Kräfte unserer Nation ({0}) bei einer kommenden Wahlentscheidung ohne weiteres ausschalten will. Dr. Adenauer will statt dessen für seine Partei, die längst innen- und außenpolitisch bankrott gemacht hat, ({1}) für den kommenden Bundestag ein politisches Monopol erhalten. Die Lage im Volk ist jedoch ganz anders. Wenn Herr Schröder heute glaubt, hier in diesem Zusammenhang sozusagen als Dirigent einer Abstimmungsmaschine zu wirken, so soll er sich darüber im klaren sein - und auch diejenigen, die ihm Folge leisten -, daß eine solche Abstimmungsmaschine bei den Wahlen von unserem deutschen Volk keinesfalls geduldet wird. ({2}) Seien Sie sich darüber im klaren: in der Wahlzelle steht jeder Bürger frei und ungehindert und ohne Gewissenszwang. ({3}) In der Wahlzelle wird der Bürger gegen die politische Intoleranz und gegen die antidemokratische Anmaßung ({4}) der Adenauer-Regierung eine Wahlentscheidung treffen, die das Ende dieser Adenauer-Regierung bedeuten wird. ({5}) Wir als Kommunistische Partei haben dazu konkrete Vorschläge unterbreitet. Hören Sie ins Volk hinein, -

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Rische, wir sind bei der Debatte über § 9. Ich bitte, nicht den Rest der Rede zu halten, den Sie vorhin nicht mehr halten konnten. ({0})

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Ich spreche zu § 9.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Bisher nicht; Sie sprechen im Stil der allgemeinen Aussprache.

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Man versucht doch, den Eindruck zu erwecken, als sei dieser § 9 in seiner neuen Fassung nicht ein Ausdruck des politischen Wollens der CDU, sondern irgendeine wahltechnische Machination. Es geht hier in Wirklichkeit darum - ich wiederhole es -, die Frage der Demokratie zu entscheiden. Entweder siegen die Demokratie und ein ehrliches Wahlgesetz, oder es siegen die Intoleranz und der antidemokratische Terror. ({0}) Meine Damen und Herren, Sie haben zu den Fragen der gesamtdeutschen Wahl - ich sagte, das ist das erste Anliegen unseres deutschen Volkes - zur damaligen Zeit, im Jahre 1952, die bekannten 14 Punkte vorgelegt. Sie haben dann durch die Entscheidung des Bundestages auch eine gesamtdeutsche Wahlordnung hinzugefügt. Ich frage Sie nun, meine Damen und Herren von der intoleranten Seite: stehen Sie zu dieser gesamtdeutschen Wahlordnung, ja oder nein? ({1}) Ich behaupte, daß die damals verabschiedete gesamtdeutsche Wahlordnung und die vorher verkündeten 14 Punkte bei diesem Licht besehen nichts anderes darstellten als eine Propagandaformel. Dahinter stand kein ehrliches Wollen für die Durchführung freier demokratischer Wahlen. Meine Damen und Herren, wollen Sie freie demokratische Wahlen? Ja oder nein? Wenn Sie die unter den Gesichtspunkten der gesamtdeutschen Wahlordnung wollen, dann fort mit Ihrem Antrag, fort mit der Neufassung des § 9. ({2}) - Ihre Aufregung ist nicht ein Zeichen der Sicherheit, ({3}) Ihre Aufregung kennzeichnet nur Ihre politische Unsicherheit. Ihre ganze politische Intoleranz ist ein Zeichen der Furcht vor einer echten demokratischen Wahlentscheidung unseres Volkes gemäß unserem Grundgesetz, das freie, gleiche und unge({4}) hinderte Wahlen, also gleiche Chancen und gleiche Möglichkeiten für alle politischen Gruppen unseres Volkes vorsieht. ({5}) - Ihre Aufregung, Herr Mende, kann ich auch verstehen. ({6}) - Humor? - Einverstanden! Dann handelt es sich bei vielen Herren der intoleranten Regierungskoalition nur um politischen Galgenhumor. ({7}) Herr -O n n en - leider sehe ich ihn nicht ({8}) hätte doch jetzt eine Gelegenheit, hier heraufzukommen und mit der gleichen politischen Überzeugungskraft zu seinen und zu den von seiner gesamten Fraktion verkündeten politischen Grundsätzen zu stehen. Unter dem Änderungsantrag steht „Dr. Schäffer und Fraktion". Wenn ich nicht irre, hat Herr Onnen vor der Bonner Bundespressekonferenz einmal erklärt, daß es in der Frage der Anerkennung der unwandelbaren Grundsätze des Entwurfs des Herrn Onnen zum erstenmal in der Geschichte der Fraktion der FDP eine Einmütigkeit gegeben habe. Von dieser Einmütigkeit, meine Damen und Herren von der FDP, Herr Blücher, ist nicht viel übriggeblieben. Ich weiß, Sie waren von vornherein dafür, sich mit Ihrer Fraktion an die Seite des Herrn Bundeskanzlers zu stellen. Aber erinnern Sie sich daran, daß unser deutsches Volk auch noch an andere Dinge denkt, nämlich an die kommende Wahlentscheidung. ({9}) Nunmehr ist also die Unterschrift der FDP unter diesem Änderungsantrag zu lesen. Es ist ja interessant, die Berichte der deutschen Presse über die verschiedensten Stationen sozusagen bei der interfraktionellen Lesung dieses Wahlgesetzes zu verfolgen. ,Man hat in den deutschen Zeitungen vernommen, daß einige Parteien und auch einige 'Politiker dieses Hauses sich von der CDU/CSU, der Partei des Dr. Adenauer, bestimmte Versprechungen haben machen lassen. Ich möchte jenen Parteien, die diesen Versprechungen des Herrn Bundeskanzlers etwa Glauben schenken, doch zu bedenken geben, daß der Herr Bundeskanzler es mit seinen Versprechungen in der Innen- und Außenpolitik beileibe nicht sehr genau nimmt. Lassen Sie sich bitte von mir sagen, daß die Entscheidung bei den kommenden Wahlen nicht etwa auf der Grundlage der Versprechungen des Herrn Bundeskanzlers ausfallen wird, sondern auf der Grundlage der immer wieder durchbrechenden politischen Intoleranz der AdenauerRegierung und Dr. Adenauers selbst. Wir Kommunisten sind der Meinung, daß alles getan werden muß, um den Schutz der demokratischen Grundrechte unseres Volkes entsprechend Art. 38 des Grundgesetzes zu garantieren. (Lachen bei den Regierungsparteien. ({10}) Wir sind entschlossen, gegen jede Verletzung der Bestimmungen des Grundgesetzes zu kämpfen und für die Verwirklichung der vom Grundgesetz zugestandenen Rechte und Freiheiten des Volkes bei den kommenden Bundestagswahlen einzutreten. Dies kann am klarsten geschehen, wenn unser Volk den Grundsatz der reinen Verhältniswahl vertritt.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Rische, ich rufe Sie zum zweiten Mal zur Sache. Sie sprechen nicht zu § 9. Ich mache Sie auf die Folgen eines dritten Rufes zur Sache aufmerksam.

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Das Verhältniswahlsystem in Deutschland ist eine Errungenschaft der Arbeiterklasse aus der Novemberrevolution von 1918. Es bietet die höchstmögliche demokratische Form des Wahlrechts überhaupt. Die Arbeiterklasse -

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Rische, Sie sind bei Ihrem Konzept für Ihre vorige Rede, noch nicht bei § 9. Ich rufe Sie zum drittenmal zur Sache und entziehe Ihnen das Wort. ({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Trischler.

Dr. Josef Trischler (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002343, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will ausdrücklich betonen, daß ich in dieser Sache nur in meinem Namen und im Namen von Herrn Abgeordneten de Vries spreche. Ich glaube, gerade wir haben das Recht, in .dieser Frage unsere Meinung zu sagen, weil wir beide selbst einmal - ich sogar zweimal - in fremden Parlamenten als Vertreter der deutschen Minderheit tätig gewesen sind. Es ist eine grundsätzliche Entscheidung, die hier gefällt wird. Wir wollen darauf hinweisen, daß heute noch über eine Million deutscher Menschen im Osten - vom Baltikum über das Schwarze Meer bis herunter zur Adria - leben. Es wird in einem zukünftigen befriedeten Europa auch weiterhin deutsche Minderheiten geben. Wir wären seinerzeit in den Jahren von 1918 bis zum zweiten Weltkrieg froh gewesen, wenn wir uns im Kampf um unsere eigene parlamentarische Vertretung in den Staaten, in denen wir lebten, darauf hätten berufen können, daß im Reichsgebiet damals eine ähnliche Bestimmung wie die jetzt in Rede stehende vorhanden gewesen wäre. Wenn wir in die Zukunft sehen und bedenken, daß wir auch weiterhin deutsche Minderheiten haben werden, dann ist es, glaube ich, sehr entscheidend, wie wir uns hier verhalten. Ich bin dafür, entweder die Fassung der zweiten Lesung beizubehalten oder aber dem Änderungsantrag des Kollegen Clausen zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Schröder.

Dr. Gerhard Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002077, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Worte zu dem, was Herr Clausen, Herr Brandt und Herr Trischler ausgeführt haben. ({0}) Den Grundsätzen, die Herr Brandt entwickelt hat, stimmen wir voll und ganz zu. Ich glaube ({1}) aber, er macht hier einen falschen Gebrauch davon. Nach unserer Auffassung handelt es sich nicht um eine nationale Minderheit in dem Sinne, wie er es in seinen Ausführungen unterstellt hat. Wir sind jederzeit bereit, für die betreffenden Gruppen dasselbe Recht gelten zu lassen, das die Deutschen drüben in Dänemark haben. Nur noch ein abschließendes Wort zu Herrn Rische, den ich sonst nicht zitiere. Aber er hat etwas gesagt, was hundertprozentig richtig ist, nämlich daß der Wähler in der Wahlzelle allein sein wind und daß er dort frei und - bei uns - unabhängig von Furcht wird abstimmen können. Wie sich das auf Herrn Rische und seine Freunde auswirken wird, werden wir mit ihm in voller Geduld abwarten. ({2})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Goetzendorff.

Günter Goetzendorff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000706, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die lässige und sehr elegante Art, in der Kollege Schröder die Abstimmungsmaschine bedient, kann doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß hier eine Ungeheuerlichkeit geschieht. In zweiter Lesung hat dieses selbe Parlament eine 3-%-Klausel auf Landesbasis beschlossen, und jetzt, in der dritten Lesung, wird plötzlich auf Grund der Besprechungen innerhalb der Koalition diese Sicherung auf das Zehnfache erhöht. Es ist vorgesehen, die 5-%-Klausel einzuführen. Hierzu möchte ich Ihnen folgendes sagen: Den Hechtsprung verdanken wir der FDP, deren schillerndes Gesicht sich ja in allen Spielarten zeigt und das sich bei der Wahl hoffentlich sehr sauer verziehen wird. Es ist beabsichtigt, durch dieses Gesetz die nationale Opposition in diesem Lande auszuschalten. ({0}) - Die Koalition lacht heute. Lachen 'Sie! Meine lieben Kollegen, ich kenne viele von Ihnen persönlich, und wenn ich Sie so sehe, dann weiß ich, daß Ihnen noch vorige Woche das Weinen näher stand als heute das Lachen. Ich möchte Ihnen folgendes sagen: Die nationalen Kräfte, die Sie ausschalten möchten, sie werden und sie sind aufgerufen aufzustehen. Sie aber werden abtreten müssen, und wenn Sie sich mit Syndetikon an Ihre Sessel festkleben. Das Volk und die nationale Opposition werden Ihnen trotz dieser Sperrklausel die Quittung für dieses Wahlgesetz der Bankrotteure geben. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Brandt.

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Ich muß doch noch einmal um eine Minute oder zwei Minuten Geduld bitten. Es geht nicht nur darum, ob ein Vertreter der Volksgruppe, von der hier die Rede war, auch in Zukunft im Deutschen Bundestag sitzt oder nicht, sondern es geht um ein Prinzip. Herr Schröder, das Argument, das Sie vorgebracht haben: „Wir sind jederzeit bereit, das zu tun, was die Dänen auch tun", akzeptiere ich nicht. Wir müssen vielmehr bereit sein, das zu tun, was richtig ist, ({0}), und wir müßten das auch dann tun - was ich jetzt gar nicht weiter untersuchen will -, wenn Dänemark es noch nicht täte. ({1}) Ich wende mich noch einmal an den Herrn Bundesaußenminister. ({2}) Auf anderen Gebieten zeichnet sich seine Politik dadurch aus - und er betont es häufig selber -, daß er für die europäische Verständigung und Zusammenarbeit Opfer zu bringen bereit ist. ({3}) Hier handelt es sich nicht einmal um ein Opfer; hier handelt es sich um ein formales Entgegenkommen, das an den demokratischen Kräfteverhältnissen gar nichts ändert. Hier handelt es sich zugleich aber auch um eine grundsätzliche Frage, die zu bedenken wir Sie bitten, und um die außenpolitische Frage, die nicht nur unsere dänischen Nachbarn, sondern auch ihre schwedischen und norwegischen Nachbarn in höchstem Maße interessiert. ({4})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Meine Damen und Herren, damit Sie sich über den Inhalt ,der Abstimmung klar sind: Es liegen vor einmal der Antrag der SPD-Fraktion Umdruck Nr. 1013 zu Ziffer 2 hinsichtlich der Änderung von vier Absätzen des § 9; der Umdruck Nr. 1015 der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP betreffend Änderung des Abs. 4 und Streichung des Abs. 5; dazu ein Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion, an Stelle des Wortes ,,Bundesgebiet" die Worte „im Lande" einzufügen; dazu wieder ein Änderungsantrag der Fraktion der FU, die Worte hinzuzufügen: „oder wenigstens in einem Lande 300 000 gültige Zweitstimmen"; außerdem ein Antrag des Abgeordneten Clausen, der von mehr als 15 Abgeordneten unterstützt ist: „Die 5-%-Klausel des Absatzes 4 findet keine Anwendung auf die von den Parteien nationaler Minderheiten eingereichten Listen." - für den Fall, daß der Antrag der CDU/CSU, FDP, DP angenommen wird. Ich schlage Ihnen vor, daß wir absatzweise abstimmen. Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 1013 Ziffer 2 a, der eine Neufassung des § 9 Abs. 1 verlangt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ich komme dann zur Abstimmung über 2 b betreffend Einfügung eines vierten Satzes in Abs. 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist angenommen. ({0}) Ich lasse abstimmen über 2 c: Ersetzung der Worte „gleiche Zahl" durch das Wort „Unterschiedszahl" in Abs. 3. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, uni ein Handzeichen. - Das ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der FU zum Änderungsantrag der Fraktion der SPD zum Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag der Fraktion der FU zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der SPD an Stelle der Worte „im Bundesgebiet" die Worte „im Lande" zu setzen. Ich habe den Antrag bereits verlesen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der CDU/CSU, FDP und DP, Umdruck Nr. 1015 Ziffer 1 a, betreffend Fassung des Abs. 4. Ich bitte die Damen und Herren, die Abs. 4 in dieser Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Meine Damen und Herren, es besteht wohl kein Zweifel, ich sage aber vorsichtshalber noch einmal: Umdruck 1015 Ziffer 1 a, betreffend Abs. 4. Wer ist dafür? - Gegenprobe bitte! -Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Abs. 5. Darf ich einen Augenblick um Ruhe bitten, damit klar ist, worüber abgestimmt wird. Die Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP haben beantragt, den Abs. 5 zu streichen. Es ist Umdruck Nr. 1015 Ziffer 1 b. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 1013 Ziffer 2 d. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte urn die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt. Es steht noch der Antrag Clausen zur Abstimmung. ({1}) - Meine Damen und Herren, ich bitte um Entschuldigung. Bei den vielen durcheinandergehenden Anträgen kann man sich schon einmal irren. Nachdem also jetzt über sämtliche Änderungsanträge abgestimmt ist, bitte ich die Damen und Herren, die § 9 insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; § 9 ist angenommen. Ich komme zu § 13. Herr Abgeordneter Dr. Jaeger hat seinen Antrag - Umdruck Nr. 996 Ziffer 2 - bereits "begründet. ({2}) - Meine Damen und Herren, sind Sie sich klar, worüber abgestimmt wird? ({3}) - Ich darf einen Augenblick um Ruhe bitten, damit es klar wird: Wir sind bei § 13. Dazu ist ein Änderungsantrag der Herren Abgeordneten Dr. Jaeger, Strauß und Genossen - Umdruck Nr. 996 Ziffer 2 - gestellt worden. ({4}) - Meine Damen und 'Herren, ich lese ihn vor. Er hat folgenden Wortlaut: § 13 erhält folgenden Absatz 2: „({5}) Wahlberechtigte Personen gemäß § 1 Abs. 3 sind auf Antrag in das Wählerverzeichnis einer benachbarten Gemeinde des Bundesgebietes einzutragen." ({6}) - Herr Abgeordneter Dr. Jaeger, wollen Sie dazu noch eine Erklärung abgeben, ob der Antrag gegenstandslos ist?

Dr. Richard Jaeger (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001006, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist zwar nicht gegenstandslos; aber ich war der Annahme, er sei vorhin bereits in der Gesamtabstimmung des Umdrucks angenommen worden. Ich sehe, daß Herr Dr. Menzel nickt; es scheint also auch Zustimmung im Hause darüber zu sein. - Es ist hier nur das technische Verfahren für die Durchführung der bereits grundsätzlich. angenommenen Änderung des § 1 festgelegt, nach der die deutschen Beamten in Salzburg, Kufstein, Basel usw. zur Wahl zugelassen sind.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich glaube, der Fall ist jetzt klar. Ich komme zur Abstimmung über diesen Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Jaeger, Umdruck Nr. 996 Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ichbitte die Damen und Herren, die § 13 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen. Zu § 14 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 1013 Ziffer 3 vor. Herr Abgeordneter Maier!

Friedrich Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001411, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den verschiedenen Ländern ist die Gemeindeaufsichtsbehörde ganz unterschiedlich geregelt. In einem Land ist es die Kreisbehörde, im anderen der Regierungspräsident, wieder in einem anderen vielleicht sogar das Innenministerium. Der Kreiswahlleiter hingegen ist ein bestimmtes Organ, das mit Wahlsachen vertraut ist. Deswegen wollen wir die Gemeindeaufsichtsbehörde durch den Kreiswahlleiter ersetzt haben.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; er ist angenommen. ({0}) Ich bitte die Damen und Herren, die § 14 in der abgeänderten Fassung zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen. Ich komme zu § 16. Der Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Jaeger unid Genossen auf Umdruck Nr. 1014 Ziffer 2 ist zurückgezogen. Soll der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP auf Umdruck Nr. 1015 Ziffer 2 begründet werden? ({1}) - Es wird auf die Begründung verzichtet. ({2}) - Meine Damen und Herren, es handelt sich um den Antrag auf Umdruck Nr. 1015 Ziffer 2 betreffend § 16 Abs. 1 Nr. 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 16 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen. Ich komme zu § 25. Dazu Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP auf Umdruck Nr. 1015 Ziffer 3. Soll er begründet werden? ({3}) - Auf die Begründung wird verzichtet. - Herr Abgeordneter von Thadden wollte dazu das Wort haben. Bitte! von Thadden ({4}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 25 wurde in der zweiten Lesung gegenüber der Ausschußfassung verändert. Eine analoge Änderung der §§ 26 Ziffer 1 und 35 Ziffern 1 und 4 unterblieb seinerzeit, und zwar durch ein Versehen. Es ist jetzt von seiten der Koalitionsparteien der Antrag gestellt worden, die Ausschußfassung wiederherzustellen, die eine lex specialis war. Ich bitte Sie - lange Worte sind hierzu überflüssig -, den § 25 in der Formulierung der zweiten Lesung zu belassen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Loritz wünscht das Wort dazu. ({0})

Alfred Loritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001375, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Herr Mende, ich möchte Ihnen auf Ihren Zwischenruf eines sagen. Schauen Sie nur zu, ob Sie nicht mit Ihrem Beschluß heute Ihrer Partei das Grab gegraben haben ({0}) nach dem Grundsatz: Wer mit der CDU geht, wird am Schluß gefressen! ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, das Wort „Kannibalismus" gilt bisher nicht als unparlamentarisch. ({0}) Bitte, Herr Abgeordneter Loritz!

Alfred Loritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001375, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Es gibt nämlich zwei Kategorien von Abgeordneten in diesem Haus: ({0}) die einen, die, wie Sie, an ihrem Amt kleben und mit allen Mitteln hier wieder hereingewählt werden wollen deswegen, weil sie nämlich keinen Beruf erlernt haben, der sie ernähren könnte, und die anderen, die etwas gelernt haben und einen entsprechenden Beruf haben und nicht darauf angewiesen sind, hier für weitere vier Jahre Diäten zu beziehen. ({1}) Sie müssen erst mal schauen, Herr Kollege Mende, wie viele von Ihrer Partei hier am Schluß den kürzeren ziehen werden! ({2}) Das auf Ihre Zwischenrufe, die mich etwas von der Sache abgebracht haben. Meine Damen und Herren! Zu § 25 ist im 52. Ausschuß die Formulierung beschlossen worden: „ununterbrochen mit mindestens fünf Abgeordneten oder als Fraktion". Die Formulierung „ununterbrochen" bedeutet, daß hier eine Bestimmung quasi rückwirkend angewendet werden soll. Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Partei im Bundestag vertreten ist oder nicht, muß und kann nach allgemeinen juristischen Grundsätzen nur das Moment sein, in dem das Gesetz in dritter Lesung hier beraten und beschlossen ist, also der heutige Stichtag. Sie können auch noch einen späteren Tag nehmen; das widerspricht den allgemein gültigen Rechtsgrundsätzen nicht. Die Formulierung dagegen, wie Sie sie hier in § 25 Abs. 2 getroffen haben, widerspricht dem absolut. Es kann nicht darauf ankommen, wie und inwieweit eine Partei vor drei oder vier Jahren im Bundestag vertreten war. 'Deswegen verstößt die Formulierung des § 25 gegen die Grundsätze der allgemeinen Rechtsanwendung und auch gegen die Verfassung. Sie können hier nicht die Formel „ununterbrochen" nehmen, sondern Sie müssen hier auf den heutigen Tag abstellen, an dem das Gesetz beschlossen ist, oder meinetwegen auf den Tag, an dem das Gesetz verkündet wird. ({3}) - Sie können es beim heutigen Stichtag belassen, Herr Abgeordneter Kunze. Das können Sie tun, um zu verhindern, daß sich ad hoc noch irgendwelche Gruppen oder Fraktionen jetzt erst in diesem Hause bilden. Einverstanden! Aber Sie können den Stichtag, wenn Sie die juristischen Grundsätze auch auf dieses Gesetz anwenden wollen, nicht einfach willkürlich vorverlegen. ({4}) Deswegen stellen wir den Antrag, - ({5}) - Wir, die Gruppe der WAV, stellen den Antrag! ({6}) ({7}) - Lassen Sie mich doch nur den Satz noch zu Ende sprechen! Wir stellen den Antrag, in § 25 das Wort „ununterbrochen" zu streichen. Ich bitte, wie es vor mir schon ein Abgeordneter getan hat, daß noch weitere zehn Damen und Herren des Hauses diesen unseren Antrag unterstützen, und ich bitte den Herrn Präsidenten, wie er es schon eben gemacht hat, darum, das Hohe Haus deswegen zu fragen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter, ich würde Ihnen nach der Geschäftsordnung empfehlen, die Bitte an weitere 14 zu richten. ({0})

Alfred Loritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001375, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Darf ich eines sagen: ich weiß nicht, warum ich die Bitte an weitere 14 richten soll; denn es sind von unserer Gruppe, wie Sie sehen, noch weitere Abgeordnete hier anwesend, die diesen meinen Antrag unterstützen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Im Augenblick haben Sie noch keine hinreichende Unterstützung beigebracht, Herr Abgeordneter Loritz. Ich habe bis jetzt nur die Unterschrift „Loritz". ({0}) - Meine Damen und Herren, vereinfachen wir das Verfahren! Herr Abgeordneter Loritz hat gebeten, ihn zu unterstützen. Darf ich fragen, wo das geschieht. ({1})

Alfred Loritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001375, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Ich ziehe daraus auch die Konsequenz -

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, es haben bisher nur 13 kommunistische Abgeordnete Herrn Abgeordneten Loritz unterstützt. Das sind also erst 14.

Alfred Loritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001375, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Entschuldigen Sie, es haben von meiner Gruppe außer mir noch zwei Abgeordnete die Hand hochgehoben!

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Goetzendorff ist der ,fünfzehnte. Jetzt sind es 15. ({0}) Mit Ihnen!

Alfred Loritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001375, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Ja, ja. - Kann ich das nur noch formulieren? ({0}) Hier, bitte, Herr Präsident! ({1}) - Ich weiß nicht, warum Sie da lachen!

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Besprechung zu § 25. Zu dem Änderungsantrag der CDU/CSU, FDP, DP, Umdruck Nr. 1015 Ziffer 3, hat Herr Abgeordneter Loritz, unterstützt durch weitere 14 Abgeordnete, den eben von ihm begründeten Änderungsantrag gestellt, das Wort „ununterbrochen" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Herrn Abgeordneten Loritz und Genossen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Dieser Antrag ist abgelehnt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der CDU/CSU, FDP, DP, Umdruck Nr. 1015 Ziffer 3, den § 25 Abs. 2 in der Ausschußfassung wiederherzustellen, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; diese Wiederherstellung ist erfolgt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 25 in der so geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die überwiegende Mehrheit; angenommen. Meine Damen und Herren, ich darf noch einen Augenblick auf § 9 zurückkommen. Sie haben aus Umdruck Nr. 1015 Ziffer 1, die angenommen worden ist, entnehmen können, daß hier der Satz steht „oder in mindestens einem Wahlkreis einen Sitz errungen haben". Dadurch ist die stehengebliebene Vorschrift des Abs. 5 „sofern die Partei im Wahlkreis des Landes einen Sitz errungen hat" gegenstandslos geworden. Darf ich Ihnen vorschlagen, daß Abs. 5 in einer redaktionellen Änderung einfach den Wortlaut bekommt: Die Vorschrift in Absatz 4 findet keine Anwendung auf die von nationalen Minderheiten eingereichten Listen. Sind Sie mit dieser redaktionellen Fassung einverstanden? ({0}) - Dann ist das ausdrücklich festgestellt. Ich rufe auf § 26. Dazu Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 1013 Ziffer 4. - Herr Abgeordneter Maier zur Begründung.

Friedrich Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001411, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fassung des Abs. 1 des § 26, wie sie Ihnen vorliegt, ist nur redaktionell geändert. Sie ist materiell in keinem Punkt von der alten Fassung verschieden. Ich bitte das Hohe Haus, deshalb dem Antrag zu entsprechen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Bodensteiner. Bodensteiner ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu § 26 den Antrag gestellt, in den Absätzen 1 und 2 die Zahl 500 jeweils durch die Zahl 100 zu ersetzen. Ich bitte erstens weitere 13 Mitglieder des Hohen Hauses, diesen meinen Antrag zu unterstützen, und ich bitte zweitens die Mehrheit des Hohen Hauses, diesen meinen Antrag anzunehmen. ({1}) Zur Begründung darf ich folgendes ausführen: Die Vorschrift über das Erfordernis der 500 Unterschriften ({2}) wird mit dem Hinweis auf den § 15 des Wahlgesetzes vom März 1924 begründet. Es bestehen jedoch weitgehende sachliche Unterschiede zwischen diesen beiden Gesetzen. Erstens galt damals das Erfordernis der 500 Unterschriften für alle Parteien ({3}) . ohne Ausnahme. Das ist schon für 'das Erfordernis der Gleichheit der Wahl ein entscheidender, Unterschied gegenüber der heutigen Bestimmung. Zweitens besagt der Hinweis auf das Gesetz vom März 1924 nur eine halbe Wahrheit, und zwar aus folgendem Grund. Unter der Herrschaft des Reichswahlgesetzes von 1924 gab es im ganzen Deutschen Reich insgesamt nur 35 Wahlkreise, während es heute im etwas mehr als halben Deutschland, der Bundesrepublik, 242 Wahlkreise gibt. ({4}) Es liegen also zwei völlig unvergleichbare Tatbestände vor. Früher z. B. waren Ostpreußen, Berlin, Schleswig-Holstein und Württemberg jeweils ein einziger Wahlkreis. Der Wahlkreis Württemberg umfaßte insgesamt 2,6 Millionen Einwohner. Zum Vergleich darf ich z. B. auf die Stadt Essen hinweisen, die mit 600 000 Einwohnern drei Wahlkreise umfaßt. Eine Partei, die 1924 im ganzen Reichsgebiet antreten wollte, brauchte insgesamt 17 500 Unterschriften; eine Partei, die heute in dem wesentlich kleineren Bundesgebiet antreten will, braucht 121 000 Unterschriften. Berücksichtigt man die unterschiedliche Größe der Wahlkreise, so wären heute nach dem System von 1924 etwa 60 Unterschriften angebracht. Meine Damen und Herren, das ist keine belanglose Angelegenheit, sondern mit der Frage, wie viele Unterschriften man verlangen kann, um den Grundsatz der geheimen und gleichen Wahl nicht zu verletzen, hat sich der Staatsgerichtshof des Weimarer Staates eingehend befaßt. Ich darf Sie auf folgendes hinweisen. Diese Vorschrift hat einen unrühmlichen Vorgänger in dem Wahlgesetz der mecklenburgischen Landesregierung von 1927. Bei der damaligen Landtagswahl wurde auch versucht, neuen Parteien das Auftreten zu erschweren. Zu diesem Zweck hatte man die Vorschrift eingefügt, daß Wahlvorschläge der neuen Parteien mindestens 1000 Unterschriften tragen mußten, während für die alten Parteien nur 20 Unterschriften vorgesehen waren. Das hat dazu geführt, daß sich der Staatsgerichtshof der Weimarer Republik mit dieser Frage beschäftigt hat. Ich darf, da wir der Überzeugung sind, daß auch dieses Gesetz einer Verfassungskontrolle nicht standhält, kurz auf das hinweisen, was der Staatsgerichtshof des Weimarer Staates dazu gesagt hat. Er hat in einer Entscheidung vom 17. Dezember 1927 dieses mecklenburgische Wahlgesetz für verfassungswidrig und für ungültig erklärt. Die Begründung der Entscheidung ist im 118. Band der Reichsgerichtsentscheidungen enthalten. Darin wird grundsätzlich etwas niedergelegt, was auch heute noch für diese Vorschrift unseres Wahlgesetzes uneingeschränkt gilt. Der Staatsgerichtshof sieht eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes darin, daß die alten Parteien ohne jeden Grund einseitig bevorzugt werden Es heißt wörtlich: „Es ist nicht angängig, Wahlvorschläge, auf die wahrscheinlich nur wenige Abgeordnetensitze entfallen, anderen Bedingungen zu unterwerfen als die Wahlvorschläge der großen Parteien." Den Grundsatz der allgemeinen Wahl sieht der Staatsgerichtshof dadurch verletzt, daß sich die Wahlbehörden Entscheidungsbefugnisse anmaßen, die nur der Wähler selber haben kann und darf. Wörtlich heißt es: „Die Frage, ob ein Wahlvorschlag Aussicht auf Erfolg bietet, darf nicht schon bei Zulassung der Wahlvorschläge von den Wahlbehörden geprüft und entschieden werden. Gerade darüber sollen im eigentlichen Wahlgang selbst die Wahlberechtigten ihr Urteil abgeben." In dem Urteil wird ausdrücklich festgestellt, daß sich der Grundsatz der Gleichheit der Wahl auch auf die Erfolgsaussichten der einzelnen Wählerstimmen erstrecken muß. Nach Ansicht des Staatsgerichtshofs dürfen Unterschriften unter einem Wahlvorschlag nur gefordert werden, um sicherzustellen, daß nur ernstgemeinte Wahlvorschläge eingereicht werden. Der Grundsatz der geheimen Wahl wird nach Meinung des Staatsgerichtshofs dadurch verletzt, daß für die Unterzeichner der Wahlvorschläge das Wahlgeheimnis praktisch entfällt. Diese Tatsache kann man wohl nicht bestreiten. Schon deshalb muß die Zahl der Unterschriften, so sagt der Staatsgerichtshof, „tunlichst niedrig gehalten werden." Niemand kann wohl bestreiten, daß diese Grundsätze auch für das vorliegende Wahlgesetz und die zur Beratung stehende Vorschrift gelten. Sie werden mit der geplanten Vorschrift, die sich doch ausdrücklich gegen die Gesamtdeutsche Volkspartei richtet, nicht verhindern, daß wir mit einer großen Zahl von Abgeordneten in den nächsten Bundestag einziehen werden. ({5}) - Das werden Sie nicht verhindern, meine Herren! Sie werden damit nur folgendes erreichen: erstens werden wir gegen diese Bestimmung beim Bundesverfassungsgericht vorgehen, und zweitens werden Sie dadurch den Wahlkampf vergiften; denn wir werden einige sehr deutliche Worte dazu sagen. Im höheren Interesse der Demokratie bitte ich Sie, meinem Antrag auf Einsetzung der Zahl 100 statt 500 zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Es ist von Herrn Abgeordneten Bodensteiner ein Antrag gestellt worden, der geschäftsordnungsmäßig nicht hinreichend unterstützt ist. Nach der in diesen Beratungen üblich gewordenen Praxis frage ich nach der Unterstützung. - Es haben sich 15 Abgeordnete gefunden, die ihn unterstützen. Es liegt dann weiter ein Antrag des Herrn Abgeordneten Loritz vor. Bitte, Herr Abgeordneter Loritz, zur Begründung,!

Alfred Loritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001375, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Meine Damen und Herren! Es sind in Deutschland bereits gerichtliche Entscheidungen ergangen, daß eine Klausel, die eine so große Anzahl von Wählern verpflichtet, praktisch schon vor der Wahl zu bekennen, welche Partei sie wählen werden, dem Grundsatz der Geheimhaltung 'der Wahl ins Gesicht schlägt und deswegen verfassungswidrig und nichtig ist. Wenn man die normalerweise abgegebenen Wählerstimmen bei einem Wahlkreis nimmt und berücksichtigt, daß die Wahlkreise in ihrer Größe keineswegs ganz gleichwertig sind, dann sind oft die ({0}) Stimmen von 500 Wahlberechtigten mehr als 1% der abgegebenen Stimmen des gesamten Wahlkreises. ({1}) Das ist bereits -eine Zahl, die unter keinen Umständen mehr mit dem Grundsatz der absoluten Geheimhaltung der politischen Überzeugung jedes einzelnen Staatsbürgers hinsichtlich seiner Wahnhandlung in Übereinstimmung gebracht werden kann. Wir von der WAV sind schärfstens gegen das Erfordernis der Unterschriften von 500 Wahlberechtigten für irgendeine Partei, sei sie, welche sie wolle. Ich persönlich gehe sogar so weit, zu sagen, daß schon das Verlangen von 100 Unterschriften für jeden einzelnen, Wahlkreis eine verfassungswidrige Erschwerung bedeutet. Denn es müssen praktisch mehr als 100 sein, weil man nicht verhindern kann, daß vielleicht - namentlich in Großstädten - Leute unterschreiben, die selbst gar nicht wissen, ob sie z. B. dem Wahlkreis München I oder dem Wahlkreis München IV usw. angehören, und die dann deswegen von der Unterschriftenliste gestrichen werden müssen. Wenn Sie diesem Passus mit den 500 Wahlberechtigten zustimmen, dann machen Sie diese Bestimmung verfassungswidrig: ({2}) - Das wird der Verfassungsgerichtshof dann zu entscheiden haben, ({3}) wie so vieles andere, Herr Zwischenrufer! ({4}) - Ich würde Sie bitten, mir solche Dinge nicht in Zwischenrufen, sondern außerhalb dieses Hohen Hauses zu sagen; dann werde ich Ihnen die Antwort darauf geben, die Ihnen gebührt, seien Sie überzeugt! Aber wenigstens ein kleines bißchen Respekt, Herr Zwischenrufer, vor den Einrichtungen der Demokratie, zu denen ja auch das Parlament gehört, sollten Sie haben. Wenn unbeteiligte 'Zuhörer auf der Tribüne das hören würden, was Sie an unparlamentarischen Zwischenrufen hier heraufrufen, dann würden sie wahrscheinlich einen sehr merkwürdigen Eindruck von Ihren „demokratischen" Gepflogenheiten hier haben! ({5}) Darf ich, nachdem ich von Ihnen unterbrochen worden bin, hier nochmals sagen: Wir wenden uns schärfstens gegen die Bestimmung mit der Unterschriftennotwendigkeit von mindestens 500 Wahlberechtigten! Nur ganz eventuell haben wir den Antrag eingebracht, über den ich schon bei den vorhergehenden Paragraphen sprach, indem ich sagte, daß man nicht rückwirkende Bestimmungen machen kann, sondern daß man unter allen Umständen den Stichtag nehmen muß, an dem das Gesetz in dritter Lesung hier beschlossen wird. Man muß also im § 26 Abs. 1 den 255. Juni 1953 als Stichtag einsetzen. 'Deshalb haben wir diesen Änderungsantrag zu § 26 Abs. 1 und analog zu dem korrespondierenden § 35 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 für den Eventualfall gestellt. Ich mache nochmals darauf aufmerksam, daß Sie unter keinen Umständen eine Rückwirkungsklausel in das Gesetz hineinbringen dürfen!

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Renner. ({0})

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Wie haben Sie gesagt? ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Sprechen Sie zur Sache, Herr Abgeordneter.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Ich merkte, er will mir etwas sagen. Meine Damen und Herren! Insbesondere deshalb, weil der Herr Bundestagspräsident bei der Feststellung, ob der Antrag des Herrn Loritz die notwendige Unterstützung findet, mit so besonderer Betonung gesagt hat, (daß er von den Kommunisten unterstützt worden ist, was bei solchen Feststellungen bisher nicht üblich war,

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Ich habe von „Abgeordneten" gesprochen.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Sie haben von Kommunisten geredet, Herr Präsident. Überzeugen Sie sich bitte selber auf Grund des Protokolls. - Mit Rücksicht auf 'das, was ich eingangs gesagt habe, sehe ich mich zu der Feststellung genötigt, daß das, was der Herr Kollege Bodensteiner mit seinem heutigen Antrag bezweckt, identisch ist mit dem, was wir 'Kommunisten in der zweiten Beratung mit unserem Antrag zu dieser Bestimmung bereits erstrebt haben. Unsere Zustimmung zu diesem Antrag bedeutet also nur die Wiederholung eines in der zweiten Beratung von uns Kommunisten gestellten Antrags. Da man wegen Ihrer Auslegungskunst draußen vorsichtig sein muß, habe ich diese Vorbemerkung machen müssen. Aber nun etwas zur Sache. Niemand kann bestreiten, daß es Ihre Absicht ist, mit diesem Paragraphen jungen, neuen Parteien ({0}) oder einzelnen Personen, die sich um das Mandat eines Bundestagsabgeordneten bewerben wollen, die Beteiligung an der Wahl zu erschweren. Diese Ihre Absicht ist daraus zu erklären, daß Sie unter allen Umständen die Konkurrenz, die Ihnen, wie Sie genau wissen, droht, vermeiden wollen. Was Sie hier wollen, ist eine weitere Untermauerung des Prämiencharakters des ursprünglichen Adenauer-Gesetzentwurfes. Es ist immerhin auch sehr beachtlich,- wie Sie sich, die Sie doch bei jeder Gelegenheit betonen, daß Sie sich für verpflichtet halten, die Rechtsstaatlichkeit Ihres Staates zu wahren, über einen Rechtsgrundsatz hinwegsetzen, der sogar vom Weimarer Reichsgericht als Recht statuiert worden ist. Der Herr Kollege Bodensteiner hat dankens({1}) werterweise Sie vor diese Verantwortung gestellt, indem er Ihnen das Reichsgerichtsurteil zitiert hat. Selbstverständlich bedeutet Ihr Verlangen einen Bruch der Geheimhaltung der Wahl, also einen Verfassungsbruch. Auch die andere These, die er vertreten hat und die auch in diesem Urteil enthalten ist, ist selbstverständlich richtig, daß es verfassungswidrig ist, ein Wahlgesetz mit dem Effekt zu konstruieren, daß am Ende eine Ungleichwertigkeit der Stimmen herauskommt. Alle diese Dinge wollen Sie mit Ihrem Gesetz erreichen. Wir stimmen deshalb ausdrücklich diesem neuen Antrag, der unser alter Antrag ist, zu und machen Sie darauf aufmerksam, daß Sie mit Ihrer Änderung Verfassungsrecht grundsätzlich außer Kraft setzen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Loritz hat mit seiner Gruppe einen Änderungsantrag gestellt. Darf ich fragen, ob der Antrag unterstützt wird, den Herr Loritz gestellt hat. - Das sind mehr als 15 Abgeordnete. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schröder.

Dr. Gerhard Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002077, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen, und Herren! Die Anträge Loritz, Bodensteiner, Gruppe der .KPD lehnen wir ab. Wir müssen auch den Antrag Umdruck Nr. 1013 Ziffer 4 ablehnen, den der Herr Kollege Maier für die SPD 'begründet hat, weil die andere Fassung bereits in § 25 angenommen worden ist. Es handelt sich also bei uns nur darum, § 26 mit dem bereits angenommenen § 25 in Übereinstimmung zu halten. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Keine weiteren Wortmeldungen; ich schließe die Besprechung. Meine Damen und Herren, der weitestgehende Antrag ist der des Herrn Abgeordneten Bodensteiner, in § 26 Abs. 1 und 2 die Zahl 500 durch die Zahl 100 zu ersetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Dieser Antrag ist abgelehnt. Wer wünscht dem Eventualantrag, den Herr Abgeordneter Loritz mit Unterstützung betreffend eine neue Fassung des § 26 Abs. 1 gestellt hat, zuzustimmen? - Dieser Antrag ist abgelehnt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 1013 Ziffer 4 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 26 in der Fassung der zweiten Beratung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Zu § 28 ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 1013 Ziffer 5. - Herr Abgeordneter Maier!

Friedrich Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001411, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Entgegennahme von Erklärungen können auch andere Stellen tätig werden, beispielsweise der Kreiswahlausschuß, der Landeswahlleiter, der Landeswahlausschuß und andere. Es empfiehlt sich deshalb, in Abs. 2 die Worte „Erklärungen ides Kreiswahlleiters entgegenzunehmen und" zu streichen und statt dessen am Schluß des Satzes die Worte „und entgegenzunehmen" einzufügen. Damit sind alle Stellen umfaßt, die Erklärungen abgeben können. Ich bitte Sie, der Änderung zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Wird das Wort weiter gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck 1013 Ziffer 5 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 28 in der abgeänderten Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich komme zu § 33. Hierzu liegt der Antrag Umdruck Nr. 1013 Ziffer 6 vor. Soll er begründet werden, Herr Abgeordneter Maier? - Es ist nicht erforderlich. Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 1013 Ziffer 6 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit. Ich bitte die Damen und Herren, die § 33 in der so abgeänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Zu § 34 ein Antrag auf Umdruck Nr. 1013 Ziffer 7. Keine Begründung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich bitte die 'Damen und Herren, die § 34 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit. Zu § 35 der Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 1013 Ziffer 8. Erübrigt sich eine Begründung? - Herr Abgeordneter Schröder, Sie haben den Antrag Umdruck Nr. 1015 Ziffer 4 gestellt. Bitte!

Dr. Gerhard Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002077, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Ich möchte nur erklären - der Antrag der SPD ist noch nicht begründet worden -, daß wir Ziffer 8 dieses Antrags ablehnen, da wir einen eigenen Antrag gestellt haben. Der Antrag spricht für sich selbst. Ich glaube, ich brauche ihn nicht zu begründen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Sie wollen Ihren Antrag begründen, Herr Abgeordneter Maier. Bitte!

Friedrich Maier (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001411, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Ich glaube, die textliche Fassung ist so klar, daß eine Begründung nicht gegeben zu werden braucht. Ich bitte das Hohe Haus, der Änderung zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Bodensteiner. Bodensteiner ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag der Regierungskoalition abzulehnen. ich möchte nicht noch einmal wiederholen, was ich schon gesagt habe, und beziehe mich auf meine Ausführungen zu § 26. Wir halten diese Bestimmung in zweifacher Hinsicht für verfassungswidrig. Wenn die Grundsätze des Staatsgerichtshofs des Weimarer Staates noch richtig sind, so verletzt diese Vorschrift sowohl das Erfordernis der geheimen Wahl als auch das der Gleichheit der Wahl. Vom Staatsgerichtshof ist eindeutig festgestellt daß sich die Gleichheit auch auf die Erfolgsaussichten jeder Stimme erstrecken muß. Hiergegen verstößt dieser Antrag. Ich bitte Sie darum, ihn abzulehnen. Ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß wir die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift prüfen lassen werden.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter von Thadden! von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Änderungsanträge zu den §§ 25, 26 und 3'5 Abs. 1 bis 4 haben bereits in der zweiten Lesung eine Rolle gespielt. Ich möchte Ihnen an Hand des Stenographischen Berichts vom vorigen Mittwoch nur noch einmal die Genesis dieser Angelegenheit ins Gedächtnis zurückrufen. Es ist doch einigermaßen merkwürdig: Am vorigen Mittwoch wurde der Antrag auf Änderung des § 25 vom ganzen Hause - und zwar, wenn ich nicht irre, gegen die Stimmen der KPD - angenommen. Nun plötzlich, eine Woche später, wind genau das Gegenteil für richtig gehalten. Es ist nicht einzusehen, warum das, was noch in der vorigen Woche für die §§ 25, 26 und analog natürlich auch 315 für richtig gehalten wurde, jetzt plötzlich falsch sein soll. Ich glaube, es ist nicht gut, wenn man die Dinge in der Form, wie das hier geschieht, zurechtzubiegen sucht. Ich möchte daher bitten, daß man sich trotz aller Erklärungen, die soeben abgegeben worden sind, an das hält, was man mit erdrückender Mehrheit in der zweiten Lesung beschlossen hat, also dem vom Kollegen Maier eingebrachten Antrag zustimmt.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Es empfiehlt sich hier, absatzweise abzustimmen. Zu Abs. 1 des § 35 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 1013 Ziffer 8 betreffend Satz 2 vor. Ich bitte die Damen und Herren, 'die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; 'der Antrag ist abgelehnt. Zu Abs. 2 liegt der Änderungsantrag der CDU/ CSU, FDP und DP vor, den Satz 1 zu streichen, Umdruck Nr. 1015 Ziffer 4 a. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen; um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Zu Abs. 3 liegen keine, zu Abs. 4 zwei Änderungsanträge vor. Der weitergehende ist der der CDU/CSU, FDP und DP. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 1015 Ziffer 4 b betreffend Fassung ides Abs. 4 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Damit erledigt sich der Antrag, der von der SPD gestellt worden ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dem so abgeänderten § 35 insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich komme zu § 38. Dazu liegen zwei Änderungsanträge vor, einmal der Antrag Umdruck Nr. 1013 Ziffer 9. Soll er begründet werden? - Offenbar nicht. Ferner liegt vor der Änderungsantrag Umdruck Nr. 1019 der Fraktion der FU, in Abs. 3 an die Stelle 'der Worte „die ersten 'beiden Bewerber" zu setzen „die ersten fünf Bewerber". Eine besondere Begründung? - Herr Abgeordneter Dr. Decker, bitte!

Dr. - Ing. Hugo Decker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000362, Fraktion: Föderalistische Union (FU)

Wir möchten mit diesem Antrag lediglich erreichen, daß der Stimmzettel dem Wähler ungefähr einen Aufschluß darüber gibt, welche Persönlichkeiten er auf Liste wählt. Aus zwei Namen ist das nicht zu erkennen. Fünf Namen geben immerhin ein etwas deutlicheres Bild. Da ja die ganze Liste nicht aufgeführt werden kann, schlagen wir fünf Namen als Kompromiß vor. ({0}) Ich glaube, mit diesem Kompromiß ist es möglich, einen vernünftigen Stimm-Zettel zu machen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Keine weiteren Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der SPD betreffend § 38 Abs. 2 und Umbenennung des Abs. 3 a in Abs. 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die 'Mehrheit; angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der -Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 1019 betreffend § 38 Abs. 3 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei nicht sehr zahlreichen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen. ({0}) - Es handelt sich um die Abstimmung über den Antrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 1019, an die Stelle der Worte „die ersten beiden Bewerber" die Worte ,,die ersten fünf Bewerber" zu setzen. Da offenbar ein Irrtum vorgekommen ist, darf ich noch einmal abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist gegen 'wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 38 in der so abgeänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich komme zu § 43. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 1013 Ziffer 10 vor. Ohne Begründung! ({1}) ({2}) - Ja, es sind übereinstimmende Anträge. Ich wollte mir gerade gestatten, das festzustellen. Ich kann ja nicht zwei Sätze auf einmal sagen. - Keine Begründung. Ich bitte die Damen und Herren, die den übereinstimmenden Änderungsanträgen auf Umdruck Nr. 1013 Ziffer 10 und auf Umdruck Nr. 1015 Ziffer 5 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 43 in der so abgeänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Zu § 44 ist von der SPD auf Umdruck Nr. 1013 Ziffer 11 der Antrag gestellt, 'das Wort „Ermittlung" durch 'das Wort „Feststellung" zu ersetzen. Keine Begründung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.- Angenommen. Ich darf unterstellen, daß § 44 damit gleichzeitig in der neuen Fassung angenommen ist. Zu § 45 liegen auf Umdruck Nr. 1013 Ziffer 12 und Nr. 1015 Ziffer 6 übereinstimmende Anträge vor. Keine Begründung. Ich bitte die Damen und Herren, die beiden Anträgen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 45 in der abgeänderten Fassung zuzustimmen wünschen, um ein 'Handzeichen. - Auch das ist die Mehrheit; angenommen. Zu § 48 liegt auf Umdruck Nr. 1013 Ziffer 13 ein Antrag der SPD betreffend Änderung der Überschrift vor. Keine Begründung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 48 in der geänderten Fassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Auch das ist 'die Mehrheit; angenommen. Zu § 54 Abs. 1 liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und 'der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 1018 vor. Soll der Antrag 'begründet werden? - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schneider.

Dr. Ludwig Schneider (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002046, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP und die CDU/CSU haben auf Umdruck Nr. 1018 einen Änderungsantrag zu § 54 Abs. 1 eingebracht. Es handelt sich um das umstrittene Problem Berlin. Es ist die Frage, wie Berlin seine Abgeordneten hierher entsenden soll. ({0}) Das Hohe Haus hat in der zweiten Lesung den Abs. 1 so formuliert: „Die wahlberechtigte Bevölkerung des Landes Berlin entsendet ...". Daß Berlin entsenden soll, darüber besteht kein Streit. Die Frage ist nur, in welcher Form das geschehen soll. ({1}) - Meine Damen und Herren, bitte, unterbrechen Sie mich doch nicht. Lassen Sie mich doch erst einmal den Antrag begründen; vielleicht können Sie mich dann noch berichtigen. Es kann - ich muß sagen leider - kein Zweifel darüber bestehen, daß der alliierte Vorbehalt, ({2}) der in dem Schreiben vom Jahre 1949 - ich weiß das genaue Datum nicht mehr - ausgesprochen worden war, auch heute noch gilt. In 'dem Wahlprüfungsverfahren, über das der Wahlprüfungsausschuß in der vorigen Woche zu entscheiden hatte und wo das gleiche Problem anstand - ob nämlich ein Abgeordneter, der in Berlin wohnt, hier als Stimmberechtigter nachrücken kann, ob er also das aktive Wahlrecht auch in Berlin haben kann -, hat das Ministerium Kaiser dem Ausschuß ein sehr eingehend begründetes Gutachten eingereicht, aus dem sich ergibt, daß der alliierte Vorbehalt heute noch besteht und daß gar kein Zweifel daran sein kann, daß dem so ist. Man mag 'das bedauern, aber das ist die Tatsache. Und weil 'dem so ist und weil hier die Formulierung „wahlberechtigte Bevölkerung des Landes Berlin" in Verbindung mit der Ergänzung in Abs. 2 „Das Nähere regelt ein Gesetz des Landes Berlin" die Auslegung zuläßt - jedenfalls nicht zweifelsfrei ausschließt -, daß auch in Berlin in direkter Wahl gewählt werden müsse, entsteht die gefährliche Situation, daß wir, wenn das Hohe Haus diese Fassung beibehält, die Alliierten in die Lage bringen, unter Umständen gegen eine solche Beschlußfassung dieses Hohen Hauses formell ihr Veto einlegen zu müssen., ({3}) - Wir sind allerdings der Meinung, daß das in der derzeitigen politischen Situation nicht wünschenswert erscheint. Deshalb stellen wir diesen Änderungsantrag und bitten, ihn anzunehmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Brandt bitte!

Willy Brandt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000246, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst 'die Gelegenheit benutzen, eine Berichtigung zur Kenntnis zu bringen. Im Protokoll der 272. Sitzung, in der der gleiche Gegenstand erörtert worden ist, habe ich eben gesehen, daß ich Herrn Kollegen Dr. Will zitiert hätte. Ich habe in Wirklichkeit Herrn Kollegen Dr. Tillmanns zitiert, hatte aber nicht mehr die Möglichkeit, das zu korrigieren. Ich möchte bei dieser Gelegenheit diese Korrektur angebracht haben. In ,der zweiten Lesung ist die Fassung, die der Ausschuß vorgeschlagen hatte und die Ihnen vorliegt, beschlossen worden. Jetzt liegt ein Antrag vor, zu einer neuen Formulierung überzugehen. Damit gar kein Zweifel darüber bestehen kann, worum die Abstimmung geht: Wenn die Fassung, die der Änderungsantrag enthält, angenommen wird, wird mit der „kompakten" Mehrheit von fünf Stimmen derselben Parteien, die diesen Änderungsantrag unterschrieben haben, im Berliner Abgeordnetenhaus eine direkte Wahl unmöglich gemacht. Das ist die Situation. Daß von gewisser alliierter Seite Wünsche in bezug auf eine Änderung des Beschlusses der zweiten Lesung auf die eine oder andere Weise geltend gemacht worden sind, ist auch uns be({0}) kannt. Wir waren nur bis zu diesem Augenblick der Meinung, daß der Bundestag auch in dieser Frage ein deutsches Gesetz zu machen hat. ({1}) Wir sind der Meinung, daß die Alliierten; wenn sie es in dieser politischen Situation - gerade in dieser Situation, von der Sie, Herr Kollege Dr. Schneider gesprochen haben - für richtig halten, einen solchen Beschluß des Deutschen Bundestags zu beanstanden, es tun mögen. Wenn Sie es a) angesichts der Beziehungen zwischen den Deutschen und den Alliierten im Sommer 1953 und b) angesichts der Ereignisse, die wir gerade hinter uns haben oder in denen wir noch drinstehen, tatsächlich für angebracht und für möglich halten, der Bevölkerung von Berlin das Recht zur direkten Wahl ihrer Vertreter in den Bundestag streitig zu machen, dann mögen sie es tun. ({2}) Es ist einfach nicht wahr, sondern es heißt der Wahrheit 'Gewalt antun, wenn heute behauptet wird, daß die Vorbehalte der Alliierten vom Mai 1949 irgend etwas über den Modus, nach dem die Berliner die ihnen zugestandenen, wenn auch noch nicht stimmberechtigten Mitglieder entsenden, enthalten hätten. Der Vorbehalt bezog sich erstens darauf, daß Berlin nicht direkt vom Bunde regiert werden darf; er bezog sich zweitens darauf, daß die Abgeordneten hier kein volles Stimmrecht haben, und drittens darauf, daß sie noch nicht in der der Bevölkerung entsprechenden Zahl hier vertreten sein dürften. Der 'dritte Vorbehalt ist inzwischen gefallen; die beiden anderen Vorbehalte bestehen noch. Mit ihnen haben wir uns abzufinden. Das weiß jeder von uns. Aber wie kommen wir eigentlich dazu, alliierte Vorbehalte zu erfinden, die es gar nicht gibt? ({3}) Und wie kommen wir dazu, vor dem Deutschen Bundestag die Alliierten geradezu darauf hinzuweisen, daß sie wegen eines Vorbehaltes, den die Alliierten selber noch gar nicht ausgesprochen haben, vielleicht einen Einspruch gegen einen solchen Paragraphen einlegen könnten? ({4}) Man kann nicht einerseits für freie Wahlen in allen Zonen sein, man kann nicht jenen Leuten, die unter der Parole „freie Wahlen!" auf die Straße gegangen sind, Beifall spenden, wenn man andererseits den Berlinern das Wahlrecht dort, wo es möglich ist, streitig macht. ({5}) Ich sehe hier den Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, der sich in genau dem gleichen Sinne, wenn auch vielleicht nicht in derselben Formulierung, 1949 als damaliger Berliner Stadtverordneter vor dem Berliner Stadtparlament für diese Form der Wahl ausgesprochen hat. ({6}) Die Stellung der Abgeordneten in diesem Hause wird dadurch nicht berührt; 'denn hier können wir uns nicht über den ja tatsächlich bestehenden alliierten Vorbehalt nach gegebener besatzungsrechtlicher Lage hinwegsetzen. Aber die andere Frage ist die, daß wir das Recht betonen und fordern, daß auch die Abgeordneten aus Berlin ihr Mandat vom Volke selber erhalten. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, es bei der Fassung der zweiten Lesung zu belassen, welche die Voraussetzung dafür schafft, daß die Berliner ihre Abgeordneten direkt wählen. Ich beantrage namens 'der sozialdemokratischen Fraktion namentliche Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 1018 und bitte Sie, in dieser namentlichen Abstimmung den Änderungsantrag abzulehnen. ({7})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tillmanns.

Dr. Robert Tillmanns (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002327, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß Herr Kollege Brandt geglaubt hat, uns darauf hinweisen zu müssen, daß wir hier ein deutsches Gesetz verabschieden. Das sollte für uns alle selbstverständlich sein. Ebenso selbstverständlich sollte es aber sein, daß jeder, der heute für Deutschland Verantwortung trägt, das in der Art und Weise tut, die sich aus der gegebenen Situation Deutschlands ergibt. Es ist nicht gut, in dieser Frage durch solche Bemerkungen Affekte auszulösen, die für unser Volk häufig sehr schädlich geworden sind. ({0}) Wir sind uns doch darüber einig - jedenfalls ist das in den Verhandlungen im Ausschuß zum Ausdruck gekommen -, daß der Modus der Wahl der Berliner Abgeordneten durch ein Berliner Landesgesetz festgelegt werden soll. Es ergibt sich nun einmal aus dem von Herrn Kollegen Brandt zitierten Vorbehalt, daß Berlin nicht vom Bund regiert werden soll, daß gegenwärtig die Art und Weise der Wahl der Berliner Abgeordneten nicht durch ein Bundesgesetz festgelegt werden kann, sondern der Entscheidung eines Berliner Landesgesetzes vorbehalten werden soll. Durch die Formulierung: „Die wahlberechtigte Bevölkerung Berlins entsendet . . . " wird aber zum mindesten der Zweifel zugelassen, daß hier schon die Art und Weise der Wahl durch ein Bundesgesetz festgelegt werden soll. ({1}) Das ist der Punkt, um den es sich handelt. Es ist nicht richtig, daß, wenn unser Änderungsantrag angenommen würde, die direkte Wahl von Abgeordneten aus Berlin unmöglich gemacht würde. Diese Frage wird in einer ganz anderen Ebene entschieden und geklärt werden. Heute haben wir es nur mit der Entscheidung zu tun, ob wir durch die Fassung des Bundesgesetzes den Modus der Wahl der Berliner Abgeordneten festlegen oder ob wir das einem Landesgesetz Berlins überlassen. Das ist die Frage, um die es sich handelt. Aus diesem Grunde ist der Änderungsantrag - der ja im übrigen nichts anderes ist als die Wiederherstellung der ersten Ausschußfassung - hier eingebracht worden. Er dient lediglich der Klärung der Angelegenheit. Herr Kollege Brandt, wenn Sie gesagt hätten, daß diejenigen, die freie Wahlen in ganz Deutschland wünschen, unter keinen Umständen dagegen ({2}) sein könnten, daß -freie Wahlen in Berlin sind, so möchte ich Ihnen darauf antworten: Wir wünschen wahrhaftig freie Wahlen in Berlin, wir wünschen noch mehr freie Wahlen in ganz Berlin, und unser sehnlichster Wunsch ist, daß bald in ganz Deutschland frei gewählt werden kann. ({3}) Die Frage ist nur, ob eine Entscheidung, wie Sie sie heute wünschen, uns zum Ziele verhilft oder ob eine solche Entscheidung nicht geradezu neue Steine in den Weg gesamtdeutscher Wahlen legen würde. ({4})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter, Schröter.

Richard Schröter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002088, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Tillmanns, darf ich Sie an das erinnern, was Sie im Ausschuß gesagt haben . Ich habe hier das Protokoll. Dort haben Sie in einer Auseinandersetzung mit dem Kollegen Brandt festgestellt - ich darf zitieren -: Tatsächlich liegen doch die Dinge so: Wenn die Alliierten ihren Einspruch gegen die unmittelbare Wahl in Berlin fallenlassen - das ist noch nicht gschehen und steht auch noch nicht fest, die Frage ist noch zu prüfen -, wird selbstverständlich in Berlin unmittelbar gewählt. ({0}) Daran gibt es gar keinen Zweifel. Ich könnte mir nicht vorstellen, daß irgend jemand, wenn der Einspruch der Alliierten fällt, in Berlin auf die Idee kommen sollte, zu sagen: „Dann wählen wir trotzdem nicht unmittelbar." Herr Kollege Tillmanns, das haben Sie festgestellt; und jetzt haben Sie von den Wünschen gesprochen. ({1}) Darf ich Ihnen sagen, welche Wünsche - das wissen doch die Auguren! - im Moment hier vorgetragen worden sind, als wir in der letzten Sitzung diese Formulierung angenommen hatten? Wir sind als Berliner nicht gewillt, Wünsche ohne weiteres als Befehle zu nehmen. ({2}) Deshalb darf ich Ihnen sagen: ich stelle mir in diesem Moment vor, was jener Bauarbeiter sagen würde, der den „Minister" Selbmann vom Tisch abservierte und ihm einfach sagte: „Wir kommen hier nicht nur wegen der Norm, wir kommen hier wegen der Freiheit!" ({3}) Ich könnte jetzt eine Parallele zu diesem Ausspruch ziehen und Ihnen sagen, daß wir nicht nur wegen der Diplomatie hier sind. Wir wissen das wohl zu würdigen; aber in diesem Moment vorher schon eine Vorleistung auf Wünsche hin zu tun, das lehnen wir ab. Und deswegen sage ich kurz und bündig - und das verstehen auch nicht nur die Berliner Arbeiter und die Berliner Bevölkerung, das versteht man auch hier im Lande -: Wir richten uns nicht nach fremden Maximen. ({4}) - Das andere fängt auch mit „fr" an. Wir richten uns nicht nach diesen Maximen, sondern wir richten uns nach den Maximen der Freiheit und bitten, in diesem Sinne auch im Bundestag zu handeln. ({5})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Weitere Wortmeldungen? - Bitte schön!

Dr. Rudolf Will (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002514, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! In der heutigen Debatte ist im wesentlichen wiederholt worden, was schon in der zweiten Lesung an Argumenten zu dieser Frage vorgebracht worden ist. Aus diesem Grunde wäre es nur Zeitverschwendung, auf diese Dinge erneut einzugehen. Es ist ja nicht so, Herr Kollege Brandt, als ob die Leute, die nun in Ostberlin auf die Straße gegangen sind, etwa zum Bundestag wählen könnten, wenn wir Ihre Fassung annähmen. ({0}) Sie wissen genau, daß diese Leute durch andere Mächte gehindert sind, jemanden in den Bundestag zu schicken, und zwar auch nur in beratender Funktion, geschweige denn mit vollem Stimmrecht. ({1}) Das aber nur am Rande. Worum es hier geht, ist, die Entscheidung darüber, in welcher Weise Berlin im Bundestag vertreten sein will und soll, dem Berliner Abgeordnetenhaus zu überlassen und ihm nicht von hier aus die Form zu diktieren, in der das geschehen soll. Mag es so kommen, daß das Berliner Abgeordnetenhaus sich Ihrer Auffassung anschließt, - gut, dann soll es dort so sein. Mit welchem Recht aber wollen Sie hier diesem Land Berlin vorschreiben, in welcher Weise es seine Abgeordneten hierherschickt? ({2}) Dazu besteht gar keine Notwendigkeit. ({3}) - Die Situation ist völlig anders. Die Abgeordneten aus Bayern und Niedersachsen - das wissen Sie genau - haben Stimmrecht, die Abgeordneten aus Berlin haben es nicht. Und solange ein Abgeordneter aus Berlin das Stimmrecht nicht hat, ist es eine Zumutung, für die Berliner von ihnen den Aufwand einer Bundestagswahl zu verlangen mit dem Ergebnis, daß nachher den von ihnen direkt gewählten Abgeordneten ein ordentliches Stimmrecht doch nicht gewährt wird. Wer entgegen dieser Auffassung die Dinge vorantreibt, hat ganz andere Wünsche, die wir alle genau kennen. Aber wir wollen ja ein deutsches Gesetz und kein sozialdemokratisches Gesetz machen. ({4}) - Ich verstehe, daß Sie, meine Herren, in dieser wichtigen Frage in Erregung versetzt sind. ({5}) Aber das ändert nichts daran, daß die Entscheidung darüber, in welcher Weise die Stadt Berlin hier ({6}) vertreten sein wird, eine Angelegenheit des Landes Berlin und des Berliner Abgeordnetenhauses, nicht aber eine Angelegenheit der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion ist. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, den Änderungsantrag der CDU/CSU und der FDP, Umdruck Nr. 1018, anzunehmen. ({7})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001993, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gestehe, daß mich diese Rede aufs höchste erstaunt hat. Mein Herr Vorredner hat davon gesprochen, daß man offenbar von hier aus Berlin etwas „diktieren" wolle. Offensichtlich ist er der Meinung, daß ein Gesetz der Bundesrepublik den Berlinern gegenüber ein Diktat ist. Logik läge in dieser seiner Annahme nur dann, wenn man davon ausgehen könnte, daß der Herr Kollege meint, daß der Bundestag Berlin zu einer Art Untertanenkanton macht, wenn er Gesetze beschließt, die sich auf Berlin beziehen, ({0}) daß er dann Berlin gegenüber als Herr auftrete. Ich weiß nicht, ob er sich das überlegt hat. Ich hoffe, er hat es sich nicht überlegt; denn wenn das Wort vom Diktat mit Überlegung ausgesprochen worden wäre, Herr Kollege, dann würde ich bitten, daß man den Passus, der es enthält, aus dem Protokoll streicht. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Meine Damen und Herren, die sozialdemokratische Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und der FDP, Umdruck Nr. 1015 Ziffer 7. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln. ({0}) Meine Damen und Herren, darf ich nur noch eine Berichtigung geben. Ich hoffe, Sie haben alle gemerkt, daß über den Änderungsantrag zu § 54 auf Umdruck Nr. 1018 abgestimmt wird. ({1}) - Das ist nicht zweifelhaft. Ich danke Ihnen. Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir während der Auszählung mit der Beratung fortfahren. Ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen. Zu § 54 a liegt ein Streichungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP vor. Darf ich die Frage stellen, ob dieser Streichungsantrag durch die erfolgte Beschlußfassung zu § 9 Abs. 5 sachlich erledigt ist? ({2}) - Soll er begründet werden? ({3}) Das Wort dazu hat der Abgeordnete Clausen. Clausen ({4}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Wortlaut des § 54 a war ursprünglich eigentlich für das Regierungswahlsystem gedacht.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich bitte freundlichst um Ruhe. Clausen ({0}): Die Formulierung stammt von der CDU, von Herrn Kollegen Scharnberg. Der Wahlrechtsausschuß hat es aber trotzdem für nötig gehalten, diesen Paragraphen auch noch in den Gesetzentwurf hineinzubringen, und zwar aus folgenden Gründen. Wenn die dänisch-friesische Minderheit als gleicher Partner nach dem d'Hondtschen System an der Wahl teilnimmt, muß sie eine große Zahl Stimmen aufbringen, die etwas über 50 000 liegt. Da diese Zahl in keinem Verhältnis zu der Stimmenzahl steht, mit der Dänemark der Vertretung der deutschen Minderheit ein Mandat gibt, soll dieser Paragraph ein Ausgleich sein. Wir können selbtsverständlich nicht für 8 500 Stimmen ein Mandat verlangen. Wir haben diese Zahl in ein Verhältnis zur Einwohnerzahl Dänemarks und der Bundesrepublik und zu der Stärke der beiden Parlamente zu bringen. Wenn ich das aber tue, dann liegt die Stimmenzahl, die die dänische Minderheit in Gleichheit zu den 8 500 in Dänemark aufbringen müßte, ungefähr bei 28 bis 29 000. Daher ist dieser Paragraph eingefügt. Falls also die dänische Minderheit nach dem d'Hondtschen System nicht zum Zuge kommt und die vorgeschriebene Stimmenzahl nicht erreicht, soll ihr ein Vertreter mit beratender Stimme zugebilligt werden; denn wir legen außerordentlich großen Wert darauf, in allen Fällen die Verbindung mit den großen Parteien - mit den Parteien überhaupt - und mit 'den Ministerien in Bonn zu halten. Ich bitte daher die Mehrheit des Hohen Hauses, mir auch bei der Abstimmung über diesen Paragraphen die Treue zu halten und den Antrag abzulehnen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.

Dr. Gerhard Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002077, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man für den Antrag, den Kollege Clausen vorhin zu § 9 gestellt hat, sicherlich manches Verständnis und Sympathie haben konnte, so geht dieser Antrag zu § 54 a doch sehr, sehr weit, und das scheint uns bestimmt ungerechtfertigt.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Dr. Menzel.

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Herrn Kollegen Schröder lediglich folgendes erwidern: § 54 a in der Fassung der zweiten Lesung, den er jetzt gestrichen haben möchte, geht auf einen Antrag des Herrn Abgeordneten Scharnberg von der CDU im Ausschuß zurück. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 1015 Ziffer 7 auf Streichung des § 54 a zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag auf Streichung ist angenommen. ({0}) Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis *) der namentlichen Abstimmung über ,den Änderungsantrag Umdruck Nr. 1018 betreffend § 54 bekannt. Es sind 387 Stimmen von stimmberechtigten Abgeordneten abgegeben worden, davon mit Ja 196, mit Nein 173 bei 18 Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten haben mit Ja 9, mit Nein 7 gestimmt. Der Antrag ist angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 54 in der so geänderten Fassung insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 54 ist angenommen. Zu § 55 a liegt der Umdruck Nr. 1013 Ziffer 14 auf Streichung dieses Paragraphen vor. Soll er begründet werden? ({1}) - Ist nicht erforderlich. Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Streichungsantrag Umdruck Nr. 1013 Ziffer 14 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; § 55 a ist gestrichen. Zu § 56 liegt auf Umdruck Nr. 1015 Ziffer 8 ein Antrag auf Einfügung eines Abs. 3 vor. Ohne Begründung? ({2}) Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 56 unter Berücksichtigung dieser Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Meine Damen und Herren, damit ist die Einzelberatung der dritten Beratung beendet. - Bevor wir zur Schlußabstimmung kommen, sollen einige Erklärungen abgegeben werden. Herr Abgeordneter Dr. Menzel für die sozialdemokratische Fraktion!

Dr. Walter Menzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001476, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der sozialdemokratischen Fraktion gebe ich folgende Erklärung ab. Die Beratungen über das Wahlgesetz zum zweiten Bundestag wurden von Anfang an dadurch erschwert, daß die Bundesregierung lange - allzulange - mit der Ausarbeitung und Vorlage eines Gesetzentwurfs gewartet hatte. Von Anfang an war zu erkennen, daß das Tauziehen um das neue Wahlgesetz eine Einigung im Bundeskabinett erschwerte. Der Versuch, ein allen Regierungsmitgliedern - ich sage ausdrücklich nicht „allen Regierungsparteien" - befriedigendes Wahlgesetz vorzulegen, führte zu jenem Entwurf des Herrn Bundesinnenministers, der im Bundesrat mit Recht als Wechselbalg bezeichnet worden ist. Mit der Hilfsstimme neben der Erst- und der Zweitstimme, mit seinem inneren und äußeren Proporz - ausgerechnet von denjenigen erfunden, die in ihrer politischen Propaganda immer wieder vorgeben, für das Persönlichkeits- und Mehrheitswahlrecht zu sein - war dieser Regierungsentwurf zugleich ein sehr eindeutiger Versuch, das Wahlrecht - und über das Wahlrecht den Wähler - zu parteiegoistischen Zielen zu mißbrauchen. Man versuchte ihn zu ent- *) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 13787 mündigen und seine Stimme lediglich als Mittel zu benutzen, schon jetzt eine bestimmte Koalitionsregierung für die künftige Wahlperiode zu schaffen, indem man die alte Koalition verewigte. Die Fraktionen der CDU/CSU und der DP waren dabei - wie ihre Anträge im Ausschuß und zur zweiten Lesung im Bundestag bewiesen - bereit, den Kampf gegen die sogenannten Splitterparteien in dem Augenblick aufzugeben und einzustellen, in dem diese kleinen Parteien- bereit waren, sich den Regierungsparteien anzuschließen. ({0}) Sie haben mit diesen Versuchen auch in Ihren eigenen Reihen Widerspruch gefunden. Mit dem Entwurf Scharnberg hatten Sie den Fehler begangen - und das ist wohl auch der Grund, warum er keinen Erfolg hatte -, den Wähler nur als eine Figur auf Ihrem Schachbrett anzusehen. ({1}) Dabei hätte der Ausgang der Wahlen in Italien eine Warnung sein sollen. ({2}) De Gaspari ist mit seinem Versuch, seine Regierung und seine bisherige Mehrheit durch ein anscheinend geschickt gewähltes System zu sichern, kläglich gescheitert. ({3}) Es unterliegt wohl keinem Zwifel, daß gerade dieses Manöver beim Wahlrecht dazu geführt hat, daß de Gasperi nicht mehr die Mehrheit bekam. Das italienische Wahlergebnis ist zugleich ein eindrucksvoller Beweis dafür, daß man die Ergebnisse einer Wahl nicht allein durch Wahlgesetze dirigieren kann und daß keine Regierung auf die Dauer Bestand hat, hinter der nicht eine schöpferische Politik steht, die die Grundlagen sozialer Gerechtigkeit anerkennt. ({4}) Für uns Sozialdemokraten war der Weg von Anfang an klar vorgezeichnet. Schon vor Jahrzehnten hat die Sozialdemokratie gegen politisch unmögliche und politisch korrupte Wahlgesetze kämpfen müssen. ({5}) - Warten Sie nur ab! Sie haben uns übrigens seinerzeit das hessische Wahlrecht als gutes Vorbild hingestellt. ({6}) Ich erinnere an den Kampf der Sozialdemokratie gegen das Dreiklassenwahlrecht in Preußen und das absolute Mehrheitswahlrecht im kaiserlichen Deutschland vor 1918. ({7}) Die Sozialdemokratie stand auch damals nicht allein. Die liberalen Kräfte des Bürgertums standen auf ihrer Seite. Ich darf nur an Männer wie Friedrich Naumann und andere erinnern. ({8}) Sie hatten alle erkannt, daß der moderne Staat und die industrialisierte Wirtschaft auch in einem die ärmeren Schichten des Volkes berücksichtigen({9}) ) den Wahlrecht ihren Niederschlag finden müssen, um die sozialen Spannungen der damaligen Zeit aufzufangen und zu mildern. Ausgangspunkt all unserer Überlegungen war und blieb die Überzeugung, daß ein Wahlrecht nur dann gut sein und nur dann gedeihlich wirken könne, wenn es den Wähler und nur den Wähler sehe. ({10}) Richtschnur war und blieb für uns, daß ein Wahlgesetz in erster Linie der Realisierung des politischen Willens der Wähler zu dienen hat, ({11}) daß es dem Wähler die Gewißheit geben muß, durch seine Stimme, durch sein Wahlrecht seinen Staat aufbauen und formen zu können. Das Wahlrecht hat dazu zu dienen, dem Staatsbürger mehr, als das bisher in der deutschen Geschichte der Fall war, das Gefühl zu geben, daß er und der Staat eins und nicht zwei sich gegenüberstehende Kräfte sind. Daher muß die Stimmabgabe vom Wähler in ihrer Voraussetzung und Auswirkung eindeutig erkannt werden können. Wir geraten sonst in die unübersehbare Gefahr, daß wir die Menschen dem Staat entfremden und damit jahre- vielleicht sogar jahrzehntelange Bemühungen, ihn an den Staat heranzubringen, wieder zunichte machen. Das Gesetz, wie es jetzt in der dritten Lesung vor uns liegt, hat gewiß manche Mängel. Vieles - so die Aufteilung in Erst- und Zweitstimmen - findet nicht unseren ungeteilten Beifall. Aber wir müssen leider auch hier - wie so häufig in der Politik - alles nur in allem nehmen. Das heute zu verabschiedende Gesetz wird nur für eine Wahlperiode gelten. Damit ist der Bundestag auf einen Vorschlag zurückgekommen, den ich namens meiner politischen Freunde bereits bei der ersten Lesung der vorgelegten Wahlgesetzentwürfe gemacht habe, der damals aber von den Regierungsparteien abgelehnt worden ist. Die Entwicklung der Beratungen über das Wahlrecht hat uns inzwischen recht gegeben. Wir hoffen, daß der neue Bundestag sich alsbald zu Beginn - und nicht erst in den letzten sechs Monaten - seiner Wahlperiode mit dem künftigen Wahlgesetz befaßt. Wir sind hierzu bereit. Wir werden sogar hierauf drängen. Wenn die Mehrheit des neuen Bundestags bei ihren Beratungen die demokratischen Grundelemente eines Wahlrechts anerkennt, wie ich sie soeben namens meiner politischen Freunde entwickelt habe, sollte es nicht schwer sein, alsbald zu einer allseitigen Verständigung zu gelangen. Über allem aber steht die Erwartung, daß auch das neu zu schaffende Gesetz von kurzer Lebensdauer ist, weil wir hoffen, es alsbald durch ein Wahlgesetz für das frei gewählte Parlament des gesamten Deutschlands ersetzen zu können. ({12})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Farke.

Ernst August Farke (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000518, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der Fraktion der Deutschen Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben. Bei den Beratungen zu den Landeswahlgesetzen gleich nach 1946 und dem Wahlgesetz zum ersten Bundestag im Jahre 1949 war es den verantwortlichen Parteien klar, daß das Wahlrecht der Weimarer Zeit, das im weitesten Ausmaße das parlamentarische System zersetzt und ad absurdum geführt hatte ({0}) und dazu noch das Wahlsystem der Diktatur wurde, ({1}) nicht wiederkehren durfte. Auch die Wähler erhoben ihre warnende Stimme. ({2}) Aber trotz der damaligen Erkenntnis und der eindeutigen Willensäußerung besonders der nichtsozialistischen Wähler behielt man das Wahlsystem bei und änderte es nur der äußeren Form nach. Man beschränkte sich also auf eine Tarnung und blieb bei dem verhängnisvollen Verhältniswahlsystem. Die Deutsche Partei und ihre Fraktion im Bundestag waren vom ersten Tag an entschlossen, sich nur für ein Bundeswahlgesetz einzusetzen, das von der verhängnisvollen Verhältniswahlsystem-Straße wieder hinwegführt. Sie sah diese Möglichkeit zuletzt in dem klar und einfach durchgeführten, modifizierten Regierungsentwurf. Sie schaltete dabei eigensüchtige parteitaktische Gesichtspunkte aus. ({3}) Es gab in ihr auch keine Abgeordneten, die aus Angst, nicht wieder in den Bundestag gewählt zu werden, ({4}) Bedenken erhoben hätten. ({5}) In ihr war nur der eiserne Wille vorhanden, ({6}) ein Wahlsystem zu schaffen, das nicht wie in der Weimarer Zeit zur Auflösung, sondern zur Konzentration der parlamentarischen Kräfte, ({7}) zur politischen Stabilität führt, die die einzige Garantie unserer Existenz als Volk und Staat bedeutet. ({8}) Eine geringe Mehrheit hat der Opposition zum Ziele verholfen und unseren Willen bei dem Wahlgesetz zum zweiten Deutschen Bundestag zunichte gemacht und damit auch dem Wähler die Möglichkeit genommen, nicht nur den Kandidaten oder die Partei, sondern darüber hinaus auch die von ihm gewollte Regierung zu wählen. ({9}) Auch wenn die angenommenen Anträge das Schlimmste in dem vorliegenden Verhältniswahlgesetzentwurf verhüten können, ist meine Fraktion trotzdem nicht in der Lage, ihm zuzustimmen. Wir wollen in unveränderter Haltung vor dem deutschen Wähler stehen ({10}) als Mahner und als solche, die aus der Vergangenheit wissen, ({11}) ({12}) daß dieses Wahlgesetz der Start zu neuem Verhängnis sein kann, an dem wir nicht mitschuldig werden wollen. ({13})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Schröder.

Dr. Gerhard Schröder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002077, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Menzel hat manches gesagt, was mich bedauern läßt, daß wir uns nicht im Anfang der Aussprache zur dritten Beratung befinden. Ich möchte mich trotzdem an den Charakter einer Schlußerklärung halten. Ihm und seinen Freunden möchte ich aber sagen, daß es Beispiele dafür gibt, daß er und seine Freunde - ich denke an Hamburg und Hessen - auch Wahlgesetze verabschieden konnten ({0}) - meine Herren, ich werfe Ihnen ja gar nicht vor, daß Sie dort mit der CDU gestimmt haben! -, daß es Länder gibt, in denen sie Wahlgesetze verabschiedet haben, die wesentlich mehr dem entsprechen, was wir für richtig halten. Darauf möchte ich mich beschränken. Seit dem Jahre 1945 hat die CDU/CSU übereinstimmend immer wieder auf die entscheidende politische Bedeutung des Wahlsystems hingewiesen. Ein Wahlgesetz hat nicht nur die Aufgabe, die technischen Vorgänge einer Wahl zu regeln; es hat vielmehr die Aufgabe, einer für den Bestand und die Entwicklung der parlamentarisch-demokratischen Ordnung gefährlichen Zersplitterung zu begegnen. ({1}) Nach der Überzeugung der CDU/CSU kann nur ein Wahlgesetz, das auf den Grundsätzen einer echten Mehrheitswahl beruht, diese Aufgabe erfüllen. ({2}) Wir haben noch zuletzt auf unserem Hamburger Parteitag folgendes beschlossen: Wir erstreben das Personen- und Mehrheitswahlrecht. Es fördert echte politische Willensbildung, wirkt der Zersplitterung entgegen und schafft klare Mehrheitsverhältnisse im Parlament, die stetige Regierungsarbeit sichern. Es verbindet die Wähler mit ihren Abgeordneten, mit der Volksvertretung und den Parteien. Gegen den Widerspruch der Fraktion der CDU/ CSU hat der Parlamentarische Rat ein Wahlgesetz verabschiedet, das diesen Erfordernissen in keiner Weise Rechnung trug. Der erste Deutsche Bundestag hatte die Aufgabe, ein neues Wahlgesetz zu schaffen. Der Entwurf der CDU/CSU hat in diesem Bundestag keine Mehrheit gefunden. Auch die Bemühung, das Mehrheitswahlrecht wenigstens in seinen Ansätzen zu verwirklichen, ist erfolglos geblieben. Die Mehrheit des Deutschen Bundestags hat sich für die Beibehaltung eines Wahlrechts entschlossen, das auf den Grundsätzen des Verhältniswahlsystems beruht. Die Fraktion der CDU/CSU wird dem vorliegenden Entwurf, wie er sich jetzt nach Annahme einer Reihe von Änderungsanträgen darstellt, ihre Zustimmung geben. Sie tut es einzig und allein aus der Erkenntnis, daß eine andere Mehrheitsbildung im gegenwärtigen Bundestag nicht zu erwarten ist. ({3}) Die Fraktion der CDU/CSU bedauert diese Entwicklung. Sie wird zu Beginn der Legislaturperiode des neuen Bundestags eine neue Vorlage einbringen. Das heute verabschiedete Wahlgesetz ist in seiner Geltungsdauer auf unsern Antrag ausdrücklich auf die Wahl zum zweiten Bundestag beschränkt. Die Fraktion. der CDU/CSU hofft, daß der neue Bundestag unverzüglich zu Beginn seiner Legislaturperiode ein neues Wahlgesetz im Sinne der Vorschläge der CDU/CSU verabschieden wird. ({4})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Onnen. ({0})

Alfred Onnen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001649, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich hatten nicht die Absicht, heute hier noch irgend etwas zu erklären. Die Tatsache, daß das Gesetz eine so große Mehrheit gefunden hat, sagt mehr als alle Reden, die hier zum Abschluß noch gehalten worden sind. ({0}) Meinen Freunden von der Deutschen Partei möchte ich folgendes sagen: Sie haben hier von dem Sieg der Opposition gesprochen. Ich habe den Eindruck, sie fühlen sich schon so sehr als Opposition gegen die Koalition, daß sie gar nicht mehr die richtigen Worte zu finden vermögen, wenn sich dieser Bundestag in letzter Stunde auf sich selber besinnt ({1}) und ein Wahlrecht verabschiedet, über das nunmehr die Wähler in Verantwortung und in Ruhe entscheiden werden. ({2}) Ich darf Ihnen nur das eine sagen. Ich möchte im Namen meiner Freunde erneut den Appell an Sie alle richten, sich im Wahlkampf auf die Dinge zu besinnen, auf die allein der Wähler angesprochen sein will und die er allein entscheiden will. Der neue Bundestag hat die Aufgabe, solche Situationen, wie sie sich hier in ihrer ganzen Schwere gezeigt haben, dadurch zu vermeiden, daß man sich rechtzeitig zusammenfindet und - das ist auch eine Mahnung an die Opposition, aber ganz besonders an die neue, die sich hier gezeigt hat ({3}) - warten Sie doch das Ergebnis ab! - und auf die Grundsätze besinnt, die nicht nur für den Bundestag, sondern in allen Ländern Geltung haben. Ich darf hinzufügen: man sollte nicht so sehr uneigennützig tun, denn das eine Mandat, das eine, hat doch seine ganz besondere Bedeutung. ({4}) Aber ich möchte nicht mit irgendwelchen verletzenden Worten schließen, sondern wirklich hoffen, daß die Öffentlichkeit und die Wählerschaft diese immerhin überwältigende Mehrheit würdigen, deren Bedeutung, wie gesagt, auch einige aufgeregte Reden nicht mehr zu verwischen vermögen. ({5})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Renner. ({0})

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Wir singen die Schwanengesänge erst kurz vor dem Tod. Empfehle ich Ihnen auch! ({0}) Entschuldigen Sie, Herr Präsident, aber gegen soviel Dummheit kann man sich nur so wehren.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Renner, wir haben keine Diskussion. Sie wollten eine Erklärung abgeben.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Richtig. Aber ich kann ja nichts schuldig bleiben. Die Rede des Sprechers der sozialdemokratischen Fraktion, des Herrn Menzel, war eine ausgesprochene Wahlrede. Sie war eine Wahlrede, die den Zweck hatte, die sozialdemokratische Wählerschaft über die Grundsatzlosigkeit hinwegzutäuschen, die die sozialdemokratische Führung schon seit Beginn der Arbeit des Parlamentarischen Rates in dieser grundsätzlichen Frage des Wahlrechts bewiesen hat. Solange es eine Arbeiterbewegung in der Welt gibt, haben die Parteien der Arbeiterklasse um ein klares, eindeutiges Verhältniswahlsystem gekämpft, weil sie der Überzeugung waren - und die Überzeugung ist an Hand der Erfahrungen gerechtfertigt worden -. daß auf der parlamentarischen Plattform die Arbeiterparteien nur auf der Basis eines klaren Verhältniswahlrechts die Interessen ihrer Wähler, die Interessen ihrer Klasse, der Werktätigen, durchsetzen und verteidigen können. So ist es schon richtig, daß die alte Sozialdemokratische Partei im alten Preußen und auch noch bis in den ersten Weltkrieg hinein gegen das preußische Dreiklassenwahlrecht angekämpft hat.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Renner, ich weise noch einmal darauf hin, man gibt hier Erklärungen zur Abstimmung ab, die sowieso geschäftsordnungsmäßig nicht zulässig sind. Ich bitte, sich dann aber an den langsam eingeführten Begriff einer solchen Erklärung zu halten.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Ich halte mich durchaus an die Praxis, die heute hier von allen Parteien und Parteisprechern geübt worden ist.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Keineswegs!

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Wenn Sie mich nicht unterbrechen, bin ich in einigen wenigen Sätzen auch fertig. ({0}) Ich habe wohl das Recht, die Hintergründe dieser Haltung der .Sozialdemokratie zu beleuchten. Schon im Parlamentarischen Rat, als es um die Schaffung des ersten Wahlgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland ging, sind Sie umgefallen, meine Herren von der SPD. Da haben Sie sich doch bereits die These der bürgerlichen Vertreter im Parlamentarischen Rat zu eigen gemacht, daß Hitler auf Grund des Verhältniswahlsystems an die Macht gekommen sei. ({1}) Sie haben damals bewußt die These vertreten, daß Hitler seinen Sieg diesem Wahlsystem zu verdanken hatte. Sie haben übersehen, daß Hitlers Sieg nicht durch die Vielheit der Parteien herbeigeführt worden ist - von der Seite des Parlaments her -, nicht durch die Zersplitterung im Lager der bürgerlichen Parteien. Die beiden Arbeiterparteien waren bis zum Jahre 1933 nicht zersplittert, sie standen unangetastet von diesen Auseinandersetzungen im bürgerlichen Lager da. Das ist also die Lage. Nun eine Frage: Wer hat denn eigentlich heute in dem Kampf gesiegt? Jeder beklagt das Ergebnis. Jeder sagt: Ich bedaure den Ausgang, aber ich stimme doch zu. Was ist denn da eigentlich los? Was heute hier geschehen ist, ist eine eindeutige, durch keine Reden aus der Welt zu schaffende Mißachtung des Wählers. Sie haben durch Ihr Wahlgesetz e i n Ziel durchzusetzen versucht, nämlich das Ziel, die amerikanische Koalition in dieser oder jener Form zum Zug zu bringen. Das ist Ihr Ziel, das ist auch das Ziel der Führerschaft der SPD. Darum ging es Ihnen. Aber fragen wir nicht und klären wir hier nicht, welche „starken Bataillone" hinter dem Sieg stehen. Dann müßte ich nämlich zu der Formulierung kommen, daß gewisse weit geöffnete Kassenschränke offensichtlich auf den Ausgang dieser Auseinandersetzungen einen sehr „wohltuenden", bestimmenden Einfluß ausgeübt haben. Zu diesem Ergebnis müßte ich kommen. Aber das wollen wir dem nächsten Untersuchungsausschuß überlassen. ({2}) Der kriegt dann viel Arbeitsmöglichkeiten und todsicher viel Ergebnisse, die mir recht geben. ({3}) - Frau Kalinke, das Ergebnis steht erst fest, wenn der Kampf abgerollt ist. Was Sie meinen, das wird nicht durchgehen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Renner, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.

Heinz Renner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001823, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Wir werden wiederkommen. Uns wird das deutsche Volk in diesen Bundestag schicken, ({0}) das deutsche Volk, das vom Parlament die Einheit und soziale Sicherheit verlangt und weiß, daß es diese soziale Sicherheit, die Einheit und den Frieden nicht erwerben kann, wenn es erleben müßte, daß noch einmal dieselbe Koalition Adenauerscher Färbung und dieselbe Opposition Ollenhauerscher Färbung in diesem neuen Bundestag auftreten. Auf Wiedersehen! Wir kommen, das Volk schickt uns! ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Freudenberg. Freudenberg ({0}): Meine Damen und Herren! Ich spreche bei dieser Vorlage weder für die Sieger noch für die Besiegten; ich spreche nicht für die Opposition und nicht für die Koalition. Ich möchte vielmehr zum Schluß nur die Hoffnung aussprechen, daß es dem kommenden Bundestag gelingt, ein Wahlrecht zu schaffen, das den Willen des Wählers in den Vordergrund stellt. Niemand kann sich des Eindrucks erwehren, daß bei dem Tauziehen um diese Vorlage der Wille des Wählers nicht erkannt worden ist. Ich habe vor vier Jahren vor der Wahl die Erklärung abgegeben, daß ich mich in Erkenntnis der Gefahren, die ich in dem Verhältniswahlrecht sehe, für ein Mehrheitswahlrecht aussprechen werde. Ich muß bei diesem Wort, das ich gegeben habe, bleiben. Deswegen kann ich dieser Vorlage nicht zustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.

Alfred Loritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001375, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Meine Damen und Herren! Dieses Wahlgesetz ist das Gegenteil von dem, was Sie in Ihren Erklärungen Tag für Tag der Außenwelt gegenüber sagen, daß man die Kleinen und die Schwachen schützen soll, daß man in der ganzen Welt nicht bloß das Recht der Großen vertreten darf, sondern ebensogut das Recht der Kleineren vertreten muß. Sie haben hier ein Gesetz angenommen, das das Recht der Großen mit den unerhörtesten Mitteln durchdrückt und die Rechte der Kleinen mit den Füßen tritt. Damit haben Sie selbst dem Kampf gegen das Unrecht, das man uns Deutschen angetan hat, und dem Kampf für die Gleichberechtigung des deutschen Volkes unter den Großmächten einen entscheidenden Schlag versetzt. Sie sind sich dessen anscheinend gar nicht bewußt, daß man nicht mit diesem Wahlgesetz im Innern die Kleineren unterdrücken kann und nach außen hin im Namen des deutschen Volkes für die kleineren Nationen, zu denen wir im Vergleich zu den Riesenmächten ebenfalls gehören, gleiche Rechte fordern kann! Kommende Historiker werden einmal feststellen, wie dieses Wahlgesetz zustande gekommen ist. ({0}) In der vorigen Woche haben sich die Vertreter und Wortführer der Freien Demokratischen Partei wie Herr Onnen noch hier heraufgestellt und sind mit beredten Worten für ein Wahlrecht eingetreten, das auch den kleineren Parteien die Möglichkeit gibt, den Willen ihrer Wähler hier zu vertreten. Und jetzt diese Kehrtwendung um 180 Grad! Ich glaube, jeder von Ihnen, der ein Protokoll der Rede nachliest, die Herr Onnen namens seiner Kollegen von der FDP hier knapp ein Woche vorher gehalten hat, müßte sich schämen!

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Loritz, Sie geben keine Erklärung zur Abstimmung ab, Sie halten eine Diskussionsrede. Kommen Sie bitte zum Schluß!

Alfred Loritz (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001375, Fraktion: Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV)

Ich gebe eine Erklärung zur Abstimmung ab, und nachdem gerade die Zwischenrufe aufkamen, - ich kann nichts zu diesen Zwischenrufen, aber ich habe das Recht, darauf zu antworten.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Loritz, Sie geben keine Erklärung zur Abstimmung ab. Ich entziehe Ihnen das Wort. ({0}) Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel. ({1}) - Ich bitte, sich an die Art und Weise zu halten, in der die Vertreter der großen Fraktionen eine Erklärung zur Abstimmung abgeben. ({2}) Frau Wessel ({3}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im demokratischen Staat soll das Parlament an Stelle des Volkes, das nur im Wahlakt unmittelbar zur Geltung kommt, oberstes Organ der staatlichen Willensbildung sein. Man sollte deshalb bei der Frage eines Wahlrechts davon ausgehen, daß das Parlament eine echte Repräsentation des Volkes sein muß und nur dann als solche gelten kann, wenn sich das Volk in seiner Ganzheit in ihm verkörpert sieht. Von diesem Standpunkt aus ist das vorliegende Wahlgesetz abzulehnen. Vom demokratischen Standpunkt aus ist es ein unerträgliches Verfahren, daß die Wählerstimmen nach diesem Wahlgesetz durch ein besonders ausgeklügeltes System ein unterschiedliches Gewicht bekommen sollen. Mit solchen Methoden, meine Damen und Herren, mögen die größeren Parteien. ihren Besitzstand zu wahren suchen. Sie müssen sich aber darüber klar sein, daß das Vertrauen zu der demokratischen Ordnung und, was noch bedenklicher ist, zu unserer staatlichen Ordnung erschüttert wird, wenn die Gleichheit der Chancen in Frage gestellt ist. Wer die Spielregeln der Demokratie so mißachtet, wie es heute geschehen ist, läßt sich auf ein sehr gefährliches Spiel ein. ({4}) Der Ausgang der italienischen Wahl trotz und vielleicht gerade wegen eines ähnlich ausgeklügelten Wahlsystems, um den Regierungsparteien von vornherein die Regierungsgewalt zu sichern, sollte uns hier im Hause eine Mahnung sein. Man sollte sich viel mehr dessen bewußt sein, daß nur die Taten und Leistungen der Regierung wie der Parteien auf die Dauer die Mehrheit des Volkes gewinnen und seine Wahl bestimmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Frau Abgeordnete Wessel, ich bitte, hier keine Diskussionsrede zu halten, sondern sich in den Grenzen der Erklärung zur Abstimmung zu halten. Frau Wessel ({0}): Ich glaube, es muß aber noch einiges grundsätzlich dazu gesagt werden. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Frau Abgeordnete Wessel, zur grundsätzlichen Erkärung war die Möglichkeit im Rahmen der allgemeinen Aussprache bei der dritten Lesung vorhanden. Davon haben Sie keinen Gebrauch gemacht. Halten Sie sich bitte an die Grenzen der Erklärung zur Abstimmung. Frau Wessel ({0}): Dann lassen Sie mich mit Rücksicht auf das Verhalten, das die FDP gezeigt hat, Sie ganz kurz noch einmal an die Worte des Herrn Bundespräsidenten Heuß im Parlamentarischen Rat bei der Beratung des Wahlgesetzes erinnern. Er sagte: „Ob die kleinen Parteien vernichtet werden sollen oder nicht, ob Millionen von Menschen im politischen Sinne -heimatlos werden sollen oder nicht, kann man sentimental betrachten. Man muß mit der Erbsünde des Deutschen rechnen, daß es für das Wort „Fairneß" im Deutschen kein entsprechendes Wort gibt, eine Tragik unserer deutschen Situation." Diese Fairneß hat der Bundestag heute wahrhaftig nicht geübt. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.

Dr. h. c. Franz Josef Strauß (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002270, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die meisten Abgeordneten der Christlich-Sozialen Union darf ich folgende Erklärung abgeben. ({0}) Wir sind grundsätzlich, mit allen Konsequenzen, Anhänger des Mehrheitswahlrechts und haben uns bisher im politischen Kampf dazu bekannt. Wir halten die Durchführung des Mehrheitswahlrechts für einen untrennbaren Bestandteil der Existenzsicherung der Demokratie. ({1}) Wir halten den Proporz, d. h. das Verhältniswahlrecht, gleich in welcher Tarnung, gleich in welcher Verkleidung er durchgeführt wird, auf lange Sicht für verhängnisvoll. ({2}) Wir haben den Verbesserungen, die heute an diesem Gesetz gegenüber den Beschlüssen der zweiten Lesung durchgeführt worden sind, zugestimmt, weil sie die ärgsten Auswüchse verhindert haben. Wir können aber aus den eben erwähnten grundsätzlichen Erwägungen und genau den umgekehrten Gründen, als sie von den Kollegen der KPD und den Rednern hernach angeführt worden sind, diesem Gesetz nicht zustimmen und werden deshalb mit Nein stimmen. ({3})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Für einen Satz Herr Abgeordneter von Thadden! von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Erklärung zur Abstimmung ist nur ganz kurz, nämlich: Das Benehmen eines Teiles dieses Hauses gegenüber der Frau Kollegin Wessel war symbolisch für das Zustandekommen dieses Gesetzes.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter von Thadden, die Wahrung der Ordnung in diesem Haus ist nicht Ihre Aufgabe, sondern meine. Ich habe keine Veranlassung gehabt, Vorkommnisse zu rügen. ({0}) Meine Damen und Herren, es werden keine weiteren Erklärungen abgegeben. ({1}) Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Wahlgesetzes zum zweiten Bundestag und zur Bundesversammlung. Ich bitte die Damen und Herren, - ({2}) - Ich bin in der Abstimmung. (Abg. Loritz begibt sich nach vorn. - Lebhafte Zurufe von allen Seiten. - Sie haben nicht das Wort, Herr Abgeordneter Loritz. - Herr Abgeordneter Loritz, ich weise Sie wegen Störung der Ordnung des Hauses aus dem Saal. ({3}) Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die dem Entwurf eines Wahlgesetzes zum zweiten Bundestag und zur Bundesversammlung in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({4}) Enthaltungen? ({5}) - Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung bei wenigen Enthaltungen mit überwiegender Mehrheit angenommen worden. Meine Damen und Herren, mir ist der Wunsch der Fraktionen des Hauses zum Ausdruck gebracht worden, nach dieser Beratung heute nicht mehr in der zweiten Lesung des Bundeshaushaltsplanes fortzufahren. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist. - Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es mag sein, daß es der Wunsch einer Reihe von Mitgliedern dieses Hauses ist, jetzt die Beratung abzubrechen. ({0}) Ichmache aber darauf aufmerksam, daß der Bundestag nach den Beschlüssen des Ältestenrats, die offenbar auch die Zustimmung des Hauses gefunden haben, am 3. Juli seine Tagungsperiode abschließen will und daß wir noch längst nicht durch die zweite Beratung des Bundeshaushalts durch sind. ({1}) Sie haben überhaupt nichts zu sagen da drüben! - Ich bitte Sie, sich doch einmal zu überlegen, wie Sie eigentlich diesen Geschäftsanfall bewältigen wollen, wenn Sie heute nicht mindestens die zweite Beratung ihrem Ende entgegenführen. ({2})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich kann nur sagen, daß mir im Interesse der Erledigung der Tagesordnung und angesichts des Geschäftsumfanges des Bundestages die Fortsetzung der Sitzung wie üblich, bis 9 Uhr, außerordentlich sympathisch ist. Ich habe lediglich den Wunsch einiger Fraktionen, der mir zum Ausdruck gebracht worden ist, zur Kenntnis gegeben. Wenn Sie wünschen, weiterzuverhandeln, ist das außerordentlich gut, um so mehr, als einige der Herren Bundesminister morgen nicht zur Verfügung stehen und ein großer Teil der FDP-Fraktion morgen zum Parteitag der FDP fahren muß. Ich mache Ihnen also den Vorschlag und bitte, das durch Abstimmung zu klären, die heutige Sitzung jedenfalls bis 9 Uhr fortzusetzen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses. Es wird also weiterberaten. Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Haushalte derjenigen Ministerien, deren Minister morgen nicht zur Verfügung stehen können, vorziehen, und zwar ({0}) - ich bitte freundlichst um Ihre Aufmerksamkeit und Ruhe! - zunächst: Einzelplan 24 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für den Marshallplan ({1}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Blachstein. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. ({2}) - Ich bitte um Ruhe. Blachstein ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 24 enthält die Einnahmen und Ausgaben im Geschäftsbereich des Bundesministers für den Marshallplan. Im einzelnen sind hier veranschlagt die Einnahmen und Ausgaben für: 1. das Bundesministerium für den Marshallplan, 2. die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland beim Europäischen Wirtschaftsrat ({4}), 3. die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland bei der MSA in Washington und 4. das ERP-Kontor in Godesberg. Im Vergleich mit den Ansätzen des Rechnungsjahrs 1952 ist festzustellen, daß die Einnahmen von 1953 etwa denen des Haushalts 1952 entsprechen, wogegen die Ausgaben 1953 um 174 000 DM niedriger veranschlagt sind als im Vorjahr. Dabei wurden die Ansätze der Personalausgaben um 47 800 DM, die der Sachausgaben um 154 600 DM und die der einmaligen Ausgaben um 71 800 gekürzt. Der Personalbestand 1953 wurde gegenüber dem des Rechnungsjahres 1952 von 294 um 13 Personen auf 281 vermindert. Die Stelleneinsparungen entfallen auf die Vertretung in Washington mit 12 Stellen und auf das Ministerium mit 1 Stelle. Die Stellen von Washington sind auf das Auswärtige Amt übernommen worden. Im übrigen sind geringfügige Verschiebungen zwischen Beamten-, Angestellten- und Arbeiterstellen zu verzeichnen. Um zwei Beamte, die unter das Gesetz zu Art. 131 GG fallen, wieder unterbringen zu können, sind 2 Stellen A 4 e neu eingesetzt und dagegen 2 Stellen der Vergütungsgruppe VI b gestrichen worden. Zur Überführung von zwei Arbeitern in ein ihrer Tätigkeit entsprechendes Angestelltenverhältnis wurden unter Wegfall von zwei TOB-Stellen zwei TOA-Stellen der Gruppe VIII eingesetzt. Im Ministerium mußten durch Einschränkung von Aufgaben frei gewordene Stellen neu mit Kräften besetzt werden, die für die Verwaltung des ERP-Sondervermögens notwendig geworden sind. Auf die Höhe des ERP-Sondervermögens komme ich an anderer Stelle noch zu sprechen. Die allgemeinen Ausgaben sind gegenüber 1952 unverändert geblieben. Im einzelnen handelt es sich um folgende Ausgaben: In Tit. 300 um den Mitgliedsbeitrag zur OEEC. Der deutsche personelle Anteil an den höheren Angestelltenstellen bei der OEEC hat sich inzwischen um zwei weitere Stellen auf neun Personen erhöht. ({5}) Tit. 301: Kosten der Veröffentlichungsverpflichtungen im Rahmen der amerikanischen Wirtschaftshilfe und im Rahmen der Verpflichtungen gegenüber der OEEC. Tit. 302: Förderung des Erfahrungsaustausches im Rahmen der amerikanischen Wirtschaftshilfe. Tit. 303: Kosten der Kontrolle der im Rahmen der amerikanischen Wirtschaftshilfe eingeführten Güter. Einmalige Mittel sind nur für den notwendigen Ersatz eines in Paris unbrauchbar gewordenen Kraftwagens angefordert. Im übrigen enthält der Haushaltplan keine Mittel für einmalige Ausgaben. Der außerordentliche Haushalt. Im Kap. A 2404 Titel 40 und 41 sind die Mittel veranschlagt, die aus dem ERP-Sondervermögen dem außerordentlichen Haushalt als Beitrag für Kredite oder als Zuschüsse zufließen. Sie setzen sich zusammen aus a) DM-Gegenwerten, die für Importe im Rahmen der MSA-Wirtschaftshilfe eingehen, in Höhe von 399 800 000 DM, b) Zinsen und Tilgungen auf gewährte Investitionsdarlehen in Höhe von 120 680 000 DM und c) Verkaufserlösen von Wertpapieren in Höhe von 10 Millionen DM. Die Titel 42 bis 45 der Einnahme behandeln nur durchlaufende Posten, die in der Ausgabe als Abführung an das ERP-Sondervermögen in gleicher Höhe nachgewiesen sind. Aus dem Zins- und Tilgungsaufkommen, das für das Rechnungsjahr 1953 mit 341 Millionen DM vergl. Tit. 45 - veranschlagt ist, werden 249 904 000 DM zum Erwerb von nominell 255 Millionen DM 5 %iger Bundesanleihe verwendet. Die Vereinnahmung dieses Betrages ist in Kap. A 3201 Tit. 91 veranschlagt. Für Kredite sind 480 900 000 DM in Ansatz gebracht worden, die vornehmlich für die Fortfinanzierung von mit ERP-Mitteln anfinanzierten Investitionsvorhaben bestimmt sind. Von diesem Betrage sind für Berlin 131 Millionen DM vorgesehen. Es darf ferner auf das Wohnungsbauprogramm in Berlin hingewiesen werden, für das insgesamt 75 Millionen DM bereitgestellt werden sollen. Von diesem Betrag sind 25 Millionen DM bereits im Haushaltsplan 1952 veranschlagt. Im vorliegenden Haushaltsplan erscheinen 25 Millionen DM als Kredite und 25 Millionen DM als Zuschuß. Für Remontagekredite sollen aus dem ERP-Sondervermögen weitere 5 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, so daß mit den im Rechnungsjahr 1952 bereitgestellten 30 Millionen DM insgesamt 35 Millionen DM aus ERP-Mitteln für die Remontage verausgabt werden. Neben dem bereits erwähnten Zuschuß an Berlin in Höhe von 25 Millionen DM sind weitere Zuschüsse für die landwirtschaftliche Beratung, zur Förderung der wirtschaftsnahen und Grundlagenforschung und der Exportsteigerung vorgesehen. Ich nehme hierbei Bezug auf die Erläuterungen zu Tit. 600. Die im Rechnungsjahr 1952 im Rahmen der MSA-Wirtschaftshilfe aufgenommene Anleihe in Höhe von 70 980 000 DM ist in Form von Krediten der deutschen Wirtschaft zur Verfügung gestellt worden. Da für diese Anleihe Zinsen erstmalig im Rechnungsjahr 1956, Tilgungen erst im Rechnungsjahr 1960 zu zahlen sind, ist vorgesehen, die bis dahin aus den Krediten aufkommenden Zinsen und Tilgungen als Kredite wieder herauszulegen. Für das Rechnungsjahr 1953 wird mit einem Aufkommen von 3 904 000 DM gerechnet; die Veranschlagung dieser Einnahme und der entsprechenden Ausgabe erfolgte in Kap. A 2405. Gemäß § 9 a der Reichshaushaltsordnung ist als Anlage dem Einzelplan 24 die Nachweisung über die Entwicklung des ERP-Sondervermögens in der Zeit vom 1. April 1950 bis 31. März 1952 beigefügt. Ich möchte hierbei nur auf zwei Zahlen hinweisen. Das ERP-Sondervermögen hatte am 1. April 1950 einen Bestand von 1 975 210 852,20 DM, am 21. März 1952 einen Bestand von 5 236 865 666,08 DM. In diesen zwei Jahren betrug also der Vermögenszuwachs 3 261 654 813,88 DM. ({6}) Ich darf Sie zum Schluß im Auftrage der Mehrheit des Ausschusses bitten, dem Einzelplan 24 Ihre Zustimmung zu geben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ehe ich die Aussprache eröffne, habe ich bekanntzugeben, daß Herr Präsident Ehlers den Abgeordneten Loritz für den heutigen Sitzungstag ausgeschlossen hat. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Rische.

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag gestellt, den Einzelplan 24, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für den Marshallplan, in seiner Gesamtheit zu streichen. Der Marshallplan ist heute sichtbar und, wie von den politischen Repräsentanten des Westens eingestanden, ein Rüstungs- und Waffenlieferungsvertrag mit verheerenden wirtschaftlichen und politischen Folgen für die Beteiligten. Im Zeichen des hoffnungsvollen Abbaus bestehender internationaler Spannungen in Europa und Asien ist die Frage angebracht, ob einseitige Einrichtungen und einseitige Verträge des kalten Krieges ihre Berechtigungen haben. Mr. William Draper, der bis vor kurzem -den Posten eines Sondervertreters der sogenannten „Verwaltung für gegenseitige Gewährleistung der Sicherheit in Europa.' innehatte, äußerte sich kürzlich in einer amerikanischen Zeitschrift über die Einstellung der Hilfe für Europa. Er erklärte zur Kritik aus Europa und zu der besorgten Losung des britischen Finanzministers Butler „Handel und keine Hilfe", das nach dem „neuen Plan" der amerikanischen Regierung den europäischen Ländern die Möglichkeit eines Dollarbezugs durch Waffenexport und Zustrom privater amerikanischer Kapitalinvestitionen gewährleistet werden sollen. Solche Auslandsaufträge sollen in den nächsten zwei bis drei Jahren den Übergang von der Hilfe zum Handel - Waffenhandel, wohlbemerkt! - erleichtern. Kein vernünftiger Geschäftsmann und Wirtschaftler kann darum verstehen, warum wir uns noch an Einrichtungen beteiligen, die politisch im Zeichen des Abbaus des kalten Krieges zum Sterben verurteilt sind. Was will denn der Bundesminister für den Marshallplan nach Tit. 301 der Öffentlichkeit über „Ziele und Fortschritte der amerikanischen Hilfe" mitteilen? Wofür will er denn, wie es in der Erläuterung zu Tit. 301 heißt, das allgemeine Verständnis wecken? Etwa für die amerikanische Embargo-Politik zur Unterbindung des Ost-West-Handels? Die Vertreter der deutschen Wirtschaft jedenfalls stehen nunmehr vor der Frage, wohin sie ihre Produktion für den Export lenken sollen. Nun einige Bemerkungen zum außerordentlichen Haushalt ERP-Sondervermögen. Unter dieser Bezeichnung verbergen sich die fetten Brocken der Investitionsdarlehen, der verlorenen Zuschüsse, der Beteiligungen usw. Hinter diesen Titeln verbirgt sich die Ökonomik der Aufrüstung, verbergen sich die Summen, die für die Rüstung ausgegeben wurden und werden. Diejenigen Industrien, die im Koreawettlauf mit ihrem allgemeinen Stand über dem allgemeinen Durchschnitt liegen - Steinkohlenbergbau,. Eisen- und Stahlindustrie und andere Industrien -, werden bewußt in der Kreditpolitik unterstützt; andere Industrien, wie die der Verbrauchsgüter, minimal bedacht. Ich zitiere den Bericht des Ministeriums von 1953, Stand per 31. 12. 1952. Danach erhielt die Elektrizitätswirtschaft zusammen 967,3 Millionen DM, der Kohlenbergbau 581 Millionen DM, die Stahlindustrie 167,7 Millionen DM, die übrige Industrie für Rüstung 518 Millionen DM. Dagegen erhielten die Exportindustrie 46,7 Millionen DM und Handwerk und Kleingewerbe 20,2 Millionen DM. Ich frage den Herrn Minister: Welche Orientierung will er bei einer solch einseitigen Ausrichtung der Marshallplan-Kreditpolitik jetzt der deutschen Wirtschaft geben? Ich denke, es gibt nur eine einzige von Bestand: Kurs auf die Erzeugung von Konsumgütern und Waren des friedlichen Exports. Weg mit der amerikanischen Embargopolitik. Handel nach allen Richtungen, statt amerikanische Waffenlieferungsprogramme. Das ist übrigens für den klugen und weitschauenden Wirtschaftler und Fabrikanten bei der Lage in der Weltpolitik und Weltwirtschaft die einzige reale Alternative. Wenn wir darum den Antrag stellen, den gesamten Einzelplan 24 zu streichen ({0}) - ich bin sofort fertig -, dann aus den Erfahrungen der Vergangenheit und aus den realen Gesichtspunkten einer radikalen Umkehr in der Politik und Wirtschaft. Die Zeichen stehen auf Verständigung. Deutschlands Wirtschaft braucht sie, so wie Deutschland für die nationalen Lebensfragen den Friedensvertrag und die nationale Einheit benötigt. Wir brauchen einen Friedensplan statt den Marshallplan; den Plan einer Friedenswirtschaft unter gleichen Bedingungen mit den anderen Völkern in einem friedlich wiedervereinigten Deutschland. Darum stimmen wir gegen diesen Einzelplan 24. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Mende.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Ich erlaube mir zur Geschäftsordnung den Vorschlag, daß wir mit Rücksicht auf die eben erfolgte vierstündige Debatte nunmehr die Abstimmungen bis 21 Uhr aussetzen und sie dann geschlossen durchführen, weil sich das Haus nach der ununterbrochenen vierstündigen Debatte jetzt kaum wieder zu Abstimmungen füllen dürfte. ({0}) - Ich berichtige mich: Bis 20 Uhr 45.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Abstimmungssperre bis 20 Uhr 45. Ist das Haus einverstanden? - Das Haus ist einverstanden. Der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hatte gebeten, die Beratung des Einzelplans seines Ministeriums vorzuziehen. Er liegt in Konkurrenz mit dem Herrn Minister für den Wohnungsbau, Ich möchte mich in diese regierungsinternen Dinge nicht einmischen. Können Sie sich untereinander verständigen? - Dann rufe ich, da Sie mir, Herr Minister Kaiser, räumlich am nächsten stehen, Ihren Haushalt auf: Einzelplan 27 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen ({0}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Heiland. ({1}) Er hat mich gebeten, auf Berichterstattung verzichten zu dürfen. Ich nehme an, daß das Haus diesem Wunsch Rechnung tragen will. Es erhebt sich kein Widerspruch. Das Wort hat der Abgeordnete Müller.

Oskar Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001562, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag auf Streichung des gesamten Etats dieses Ministeriums bringen wir nicht nur unser Mißtrauen zum Ausdruck, sondern erheben auch zugleich eine scharfe Anklage. Dieses Ministerium soll nach dem Vorwort zu dem Einzelplan die Aufgabe haben, alle Maßnahmen und Vorbereitungen zu treffen, .die der Wiederherstellung der deutschen Einheit dienen. Die Tatsachen der Politik dieses Ministeriums beweisen, daß es kein Ministerium für die Wiederherstellung der deutschen Einheit, sondern ein Ministerium gegen die Wiedervereinigung ist. Ich möchte nur an wenige Tatsachen der letzten - 14 Tage erinnern. Als die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik konkrete Maßnahmen beschloß, die nicht nur in der. Richtung einer Verbesserung der Lage der Bevölkerung der Deutschen Demokratischen Republik, sondern vor allen Dingen der Verständigung der Deutschen untereinander und in der Richtung der Wiedervereinigung Deutschlands liegen, da war es das Ministerium des Herrn Kaiser, das sich sofort überlegte, welche Maßnahmen gegen die Wirkung dieser Vorschläge ergriffen werden sollten. Herr Kaiser glaubte wahrscheinlich, daß sein Plan: „Es liegt im Bereich der Möglichkeit, daß dieser Tag X rascher kommt. Es ist unsere Aufgabe, für alle Probleme bestmöglich vorbereitet zu sein. Der Generalstabsplan ist so gut wie fertig." nun zum Zuge käme, um den Beschlüssen der Deutschen Demokratischen Republik entgegenzuwirken, Beschlüssen, die der Hoffnung unseres Volkes auf die Wiedervereinigung einen starken Auftrieb geben. Ich erinnere daran, daß die Wirkung der Beschlüsse von dem „Tagesspiegel" vom 14. Juni 1953 bestätigt werden mußte, der feststellt, daß die Beschlüsse der Deutschen Demokratischen Republik den Gegnern der Politik Dr. Adenauers eine Trumpfkarte in die Hand gedrückt haben, die zu schlagen schwer fallen dürfte. Die in Kopenhagen erscheinende „Berlinske Tidende" schreibt am 12. Juni, daß die Wendung in Ostdeutschland eine Fülle von Spekulationen in deutschen und alliierten Kreisen hervorrufe. Man sei nicht im Zweifel darüber, daß der neue politische Kurs mit Jubel von den 18 Millionen Deutschen begrüßt werde. Die „Newyork Herald Tribune" schrieb, daß diese Maßnahme ganz zweifellos zur Schaffung der deutschen Verständigung erheblich beitragen werde. So gibt es noch eine Reihe von anderen Stimmen, die die Wirkung dieser Beschlüsse für die deutsche Verständigung ganz zweifellos anerkannten und zum Ausdruck brachten. Dagegen nun wurden die Maßnahmen ergriffen, deswegen wurden die Aktionen und die Provokationen gegen die Deutsche Demokratische Republik in Berlin organisiert. Sie werden nicht bestreiten können, Herr Kaiser, daß z. B. die „Deutsche Zeitung und Wirtschaftszeitung" vom 6. September 1952 geschrieben hat, daß zu den Vereinigungen, die den Widerstand gegen die Deutsche Demokratische Republik organisieren, auch das Bonner Ministerium für gesamtdeutsche Fragen gehört. Sie tragen also die volle Verantwortung für die Provokationen in Berlin! In Ihrem Etat, Herr Kaiser, werden annähernd 29 Millionen DM als Geheimfonds ausgewiesen. Über deren Verwendung legen Sie der Öffentlichkeit keine Rechenschaft ab. Wiederholt wurde festgestellt, wer aus diesem Ihrem Geheimfonds gespeist wird. Es sind u. a. die Banditenorganisation des BDJ, der „Volksbund", der BVN; diese Mittel fließen zur Hetze, zur Sabotage. Millionen von Hetzbroschüren, Hetzplakaten gegen die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes werden von Ihnen finanziert. Ihr Ministerium treibt eine verderbliche Politik gegen das deutsche Volk. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ihre Redezeit ist abgelaufen! Kommen Sie zum Schluß! Müller Frankfurt) ({0}): Selbst seitens der Sozialdemokratischen Partei wurde auf ihrem Parteitag die Frage der Verwendung der Mittel und die Unterstützung solcher Organisationen durch Ihr Ministerium aufgeworfen und festgestellt, daß siebenstellige Zahlen an die Unterstützung solcher Organisationen verwendet werden.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß!

Oskar Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001562, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Aus all dem ergibt sich nur eine Schlußfolgerung: Weg mit diesem Ministerium und weg mit dieser Regierung, damit der Weg für eine Wiedervereinigung unseres Vaterlandes frei wird! ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Auch hier wird die Abstimmung bis 20 Uhr 45 ausgesetzt. Ich rufe dann auf Einzelplan 25 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Wohnungsbau ({0}). Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hoffmann ({1}). Ich erteile ihm das Wort zur Berichterstattung. Hoffmann ({2}) ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Einzelplan 25, Geschäftsbereich des Bundesministeriums für den Wohnungsbau, hat der Ausschuß mit den im Mündlichen Bericht niedergelegten Änderungen angenommen. Auf diesen Bericht - Drucksache Nr. 4516 - möchte ich in diesem Zusammenhang hinweisen. Zu dem Einzelplan selbst ist folgendes zu bemerken. Das Ministerium für Wohnungsbau verlangte für das Jahr 1953 an neuen Stellen 17 für Beamte und 7 für Angestellte, davon eine Stelle eines Ministerialdirektors als Abteilungsleiter in der Abteilung I - Wohnungs- und Siedlungswesen sowie Wohnungswirtschaft -. Daneben wurden 16 Stellenhebungen verlangt. Die Notwendigkeit der ({4}) Stellenvermehrung und Stellenhebung wurde damit begründet, daß ein dringendes Bedürfnis vorhanden sei und die Hebung der Bedeutung der Abteilungen bzw. Referate entsprächen. Es bestanden im Ausschuß Bedenken, diese Stellen alle zu bewilligen. Besondere Bedenken wurden gegen die Bewilligung der Ministerialdirektorenstelle vorgebracht. Auch weitere höhere Stellen in der Abteilung II glaubte man nicht bewilligen zu können. Besonders bei dem Referat II kamen diese Bedenken zum Ausdruck, weil man der Ansicht war, daß die Planungen auch von den Ländern, die ja entsprechende Ministerien haben, durchgeführt werden können und bei der Planung auch Rücksicht auf die Eigenart der Länder genommen werden müsse. Bei der Koordinierung im Interesse .der baulichen Ordnung befürchtete man Überschneidungen im Wohnungsbau in Verbindung mit der Notwendigkeit des Luftschutzes, da im Innenministerium bereits ein Referat bestehe, das mit einem Regierungsdirektor, einem Regierungsrat und einem Amtsrat besetzt sei. Von den angeforderten Stellen wurden drei mit „K.u."-Vermerk versehen. Die Mehrheit des Haushaltsausschusses trat trotz gewisser Bedenken für die Stellenhebung und -vermehrung ein. Eine längere Debatte entwickelte sich über die Durchführung von Wohnungsbauten für die Zollverwaltung und den Zollgrenzschutz. Man war der Ansicht, daß die planerische und technische Durchführung beim Wohnungsbauministerium liegen könne. Zu diesem Zweck wurde der Beschluß gefaßt, den Beauftragten für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu beauftragen, einmal zu prüfen, ob im Finanz- und Innenministerium diese Arbeiten selbständig durchgeführt werden müssen, oder ob sie besser dem Wohnungsbauministerium angegliedert werden. Längere Ausführungen wurden auch wegen der auszufüllenden Papierschlange von 136 m gemacht. Das Ministerium wurde gebeten, endlich von diesen unsinnigen Schreibereien, die den einfachen Leuten nur Schwierigkeiten machen, abzugehen. Der Herr Staatssekretär versprach, eine Änderung herbeizuführen. Die Sachausgaben in den Titeln 204 und 221 mußten ebenfalls erhöht werden, was mit dem Umfang der Arbeit im Wohnungsbauministerium begründet wurde. Nachstehende Hauptposten für den Wohnungsbau wurden bewilligt und dabei für die Titel 530 und 538 wie im Vorjahr im Einverständnis mit dem Finanzminister die Bindungsermächtigung erteilt. Haushaltsrechtliche Bedenken wurden zwar vorgebracht, doch wurde entsprechend dem Vorschlag des Ministeriums beschlossen. Für den sozialen Wohnungsbau sind im ordentlichen Haushalt 400 Millionen DM vorgesehen. Dazu kommen 240 Millionen DM aus dem Aufkommen der Kohlenabgabe für den Bergarbeiterwohnungsbau. Der entsprechende Ansatz im Jahre 1952 betrug 104 Millionen DM, so daß im letzten Jahre eine Steigerung um 36 Millionen DM eingetreten ist. An Darlehen für Wohnungen von Verwaltungsangehörigen wurden im Tit. 836 36 500 000 eingesetzt. Dieser Betrag soll sich je nach dem Aufkommen aus dem Einnahmetitel 1949 erhöhen oder vermindern. Im Tit. 895 - Erwerb von Beteiligungen an wohnungswirtschaftlichen Unternehmen - ist der vorjährige Ansatz von 12 Millionen DM auf 2 Millionen DM herabgesetzt worden. Der Betrag für Ersatz der Grundstücksteuer wurde in der vorjährigen Höhe beibehalten. Im außerordentlichen Haushalt sind in Tit. 530 ({5}) Darlehen an die Länder für den mit öffentlichen Mitteln geförderten Wohnungsbau in Höhe von 100 Millionen DM eingesetzt worden. Dieser Betrag ist zur Verstärkung des Tit. 530 - der Förderung des sozialen Wohnungsbaus - in gleicher Weise zu verwenden. Nachträglich wurde im außerordentlichen Haushalt der Tit. 532 ({6}) - Darlehen an die Länder zur Unterbringung von Sowjetzonenflüchtlingen - in Höhe von 180 Millionen DM eingesetzt. Für die Instandsetzung von alten Wohngebäuden sieht der außerordentliche Haushalt 40 Millionen DM vor. Der ordentliche Haushalt des Einzelplans 25 schließt mit 710 251 700 DM ab, der außerordentliche Haushalt mit 320 Millionen DM. Die Gesamtaufwendungen für den Wohnungsbau im Wohnungsbauministerium betragen somit im Jahre 1953 1 030 251 700 DM. Im Auftrag des Ausschusses bitte ich das Hohe Haus um Annahme des Einzelplans 25 mit den in der Drucksache Nr. 4516 vorgenommenen Änderungen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir setzen auch hier die Abstimmung bis 20 Uhr 45 aus. Wir kommen zum nächsten Punkt: Einzelplan 13 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen ({0}). Berichterstatter ist der Abgeordnete Barsch. ({1}) - Verzichtet das Haus auf Berichterstattung? - Wortmeldungen liegen keine vor. Dann wird die Aussprache über diesen Einzelplan abgeschlossen und die Abstimmung bis 20 Uhr 45 ausgesetzt. Ist noch einer der Herren Minister morgen verhindert? - Dann rufe ich auf: Einzelplan 09 - Haushalt für den Geschäftsbereich des., Bundesministers für Wirtschaft - ({2}) in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({3}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Höhne, Dr. Wellhausen und Genossen betreffend Ausnahmetarif für Kohle nach Bayern ({4}). In beiden Fällen ist der Abgeordnete Dr. Vogel Berichterstatter. ({5}) Verzichtet das Haus auf Berichterstattung? - ({6}) - Einen Moment, Herr Abgeordneter Rische, Sie bekommen das Wort. Das Haus verzichtet auf Berichterstattung? ({7}) ({8}) Dann erteile ich das Wort dem Herrn Abgeordneten Rische. ({9})

Friedrich Rische (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001857, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Etat des Bundesministeriums für Wirtschaft wird den Erfordernissen einer deutschen Wirtschaftspolitik in keiner Weise gerecht. ({0}) Ich möchte dies an einigen Beispielen darlegen. Im außerordentlichen Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft sind die Sanierungsbeträge der Bundesregierung für die Investitionsmaßnahmen der Schwerindustrie enthalten, einer Industrie, die heute ausschließlich den Rüstungsinteressenten dient. Ich mache auf den außerordentlichen Widerspruch aufmerksam, der zwischen der einseitigen, bevorzugten Förderung der Betriebe der Rüstungswirtschaft und der einseitigen Benachteiligung der Industrien der Friedenswirtschaft besteht. Ich verweise dazu nur auf Tit. 530 des außerordentlichen Haushalts, worin Darlehen für Investitionen in der demontagegeschädigten Wirtschaft in Höhe von 100 Millionen DM vorgesehen sind. Es handelt sich dabei ausschließlich um Investitionen in der Schwerindustrie. Vergleicht man diese Summe von 100 Millionen DM mit dem Betrag unter Tit. 613 - das ist der einmalige Zuschuß für gesamtdeutsche Förderungsmaßnahmen des Handwerks -, dann sieht man, welch ein großer Widerspruch in der Wirtschaftspolitik besteht. Die Großen erhalten alles, die Kleinen werden abgespeist. Zur Unterstützung der handwerklichen Exportbestrebungen sind entsprechend den Erläuterungen zu Tit. 613 ganze 500 000 DM vorgesehen. Insgesamt sind ganze 6 Millionen DM für die Förderung des Handwerks veranschlagt, davon 5 Millionen DM für eine einmalige Subvention, eine Summe, die nicht einmal gesichert ist. In den Erläuterungen zu Tit. 606 wird von exportfördernden Maßnahmen gesprochen. Es handelt sich dabei um die Mitarbeit und Mitfinanzierung an dem Dollar-Drive-Büro bei Errichtung von Handelskammern, Marktforschungsinstituten im Ausland usw. Die vorgesehenen Maßnahmen zeigen eine völlig einseitige Bindung an das westliche Ausland. In Tit. 675 sind weitere Beträge für die Beteiligung an internationalen Wirtschaftseinrichtungen verzeichnet. In der Erläuterung wird unter anderen auch das Ost-West-Handelssekretariat in Paris genannt. Die Beteiligung beträgt ganze 1300 DM. Deutlicher könnte die einseitige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik Professor Erhards gar nicht unterstrichen werden. In diesem Zusammenhang ist es notwendig, auf Tit. 602 der Allgemeinen Bewilligungen hinzuweisen, der die Beträge für die Beteiligung an ausländischen Messen enthält. Auch hier ist eine einseitige Westorientierung festzustellen. Es sind keinerlei Maßnahmen für die Beteiligung an Veranstaltungen der Länder des Ostens vorgesehen. Gerade in diesen Tagen findet ein regelrechter Wettlauf der Handelsinteressenten aus den USA, England, Frankreich usw. nach China statt. Die Vertreter dieser Länder sind bemüht, die nationalen Interessen ihrer Staaten bei dem großzügig erweiterten Handel mit Volkschina wahrzunehmen. Sie lösen sich dabei aus den Fängen der amerikanischen Embargo-Politik. Wer nimmt aber die Interessen der Wirtschaft der Bundesrepublik wahr? Nach dem Haushalt niemand. Ehrliche Kaufleute, die sich darum bemühen, werden auf Anweisung der ausländischen Konkurrenten der deutschen Wirtschaft vom obersten Bundesgericht hinter Schloß und Riegel gesetzt. Man tut so, als wolle man sich für die Wiedervereinigung Deutschlands einsetzen. Aber in Tit. 602 ist kein Betrag für die Unterstützung deutscher Kaufleute ausgeworfen, die z. B. an der Messe in Leipzig teilnehmen können. Während alle anderen Staaten die EmbargoPolitik durchlöchern und für ungeeignet erklären, hält die Bundesrepublik daran fest. Der Etat des Bundeswirtschaftsministeriums ist somit seinem ganzen Geist nach Ausdruck der bankrotten Innen- und Außenpolitik der AdenauerRegierung. Diese Politik ist auf Kriegsfurcht und wirtschaftlicher Expansion aufgebaut. Eine deutsche Politik jedoch und eine deutsche Wirtschaftspolitik muß sich gerade in diesen Tagen des Abbaues der Meinungsverschiedenheiten in der Welt auf neue Wege orientieren, d. h. auf die völlige Abkehr von der amerikanischen Vorherrschaft in Westdeutschland und auf die Überwindung der Spaltung der deutschen Wirtschaft durch die Wiederherstellung der deutschen Einheit.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter Dr. Vogel, wollen Sie den Antrag begründen, den Sie eingereicht haben und der nicht verteilt ist? Ich glaube, Sie können darauf verzichten. ({0}) - Dann erteile ich Ihnen das Wort. Dr. Vogel ({1}).: Meine Damen und Herren! Ich möchte vor allen Dingen auf zwei Punkte dieses Haushalts hinweisen, die immerhin von sehr großer Bedeutung sind. Zunächst befinden sich im außerordentlichen Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums 5 Millionen DM zur Förderung des Handwerks. In den Ausschußsitzungen ist von seiten der Bundesregierung ausdrücklich festgestellt worden, daß sich das Bundesfinanzministerium stark machen wird, diese Mittel auf Abruf durch das Wirtschaftsministerium hin zur Verfügung zu stellen. Der Haushaltsausschuß hat diese Erklärung des Bundesfinanzministeriums mit sehr großer Befriedigung zur Kenntnis genommen. Ich möchte nicht versäumen, sie hier noch einmal festzuhalten, um das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesfinanzministerium an diese Zusage vor dem Ausschuß zu erinnern. Ich habe dann noch eine zweite Erinnerung anzubringen. Ich habe im Haushaltsausschuß den Antrag eingebracht, der Ausschuß möge beschließen, er erwarte, daß die Bundesregierung baldmöglichst ein Gesetz vorlegt, das die Gebühren der Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft regelt und nach dem Vorbild der anderen Behörden einen Ausgleich der Ausgaben für diese Gebühren ermöglicht. Ich glaube, daß vor allen Dingen der Herr Bundesfinanzminister sehr zufrieden sein wird, wenn er eine solche Möglichkeit zu Neueinnahmen eröffnet erhält. Denn hier können immerhin durch Gebühren, die für einen derartigen Zweck durchaus üblich sind, ({2}) soviel Mittel erschlossen werden, daß damit der Haushalt der Bundesstelle für den Warenverkehr, der über 1000 Beamte und Angestellte umfaßt, befriedigt werden könnte. Ich darf dann schließlich noch einen anderen Antrag einbringen, den ich dem Herrn Präsidenten nachher schriftlich hinaufreichen werde. Er hat folgenden Wortlaut: Das Hohe Haus wolle beschließen: zum Kap. 0905 Tit. 101 den dortigen Sperrvermerk: „Die neuen Stellen für Beamte sind daher vorläufig gesperrt" zu streichen; denn dieser Sperrvermerk war nur für die Zeit ausgebracht worden, in der das Gesetz über die Verlängerung des Gesetzes 'betreffend die Errichtung der Bundesstelle für den Warenverkehr noch nicht verkündet war. Da dieses Gesetz in der Zwischenzeit verkündet worden ist, besteht kein Anlaß mehr, diesen Sperrvermerk aufrechtzuerhalten. Ich bitte, dementsprechend zu beschließen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen? Das Wort hat der Abgeordnete Solleder.

Dr. Max Solleder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002189, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident!- Meine Damen und Herren! 'Zu dem Antrag Drucksache Nr. 3414 betreffend. Ausnahmetarif für Kohlen nach Ost-Bayern möchte ich kurz folgendes ausführen. Der Antrag hat den Zweck, für die entferntest liegenden Gebiete des Bundes in Ostbayern Vergünstigungen bei den Kohlenfrachten zu erreichen. Der Sinn des Antrags ist, die außerordentlich ungünstigen Auswirkungen, die durch die politische Grenzziehung herbeigeführt worden sind, wenigstens bei den Kohlenfrachten auszugleichen. ({0}) Die Grenze Westdeutschlands gegenüber dem sowjetischen Machtbereich beträgt etwa 1200 km. Davon entfallen 400 km auf die bayerische Sowjetzonengrenze und weitere 400 km auf die tschechoslowakische Grenze. Hieraus ist ersichtlich, daß der östliche Teil Bayerns in einer Ausdehnung von 800 km an den Eisernen Vorhang grenzt, also etwa in der Hälfte der Grenzlänge von Lübeck herunter bis nach Passau. '({1}) Besonders beachtenswert ist, daß die Sowjetzonengrenze im Norden das Gebiet abschnürt, während es im Osten durch die tschechoslowakische Grenze hermetisch abgeriegelt wird. Damit ist dieses Gebiet in einen toten Winkel geraten, nicht nur verkehrsmäßig - die ganzen Straßen und Schienenstränge von Nord nach Süd sind abgeschnürt -, sondern auch hinsichtlich der Bezugs- und Absatzgebiete. Besonders gilt dies bezüglich der Bezugsmöglichkeiten für diese Gebiete, die ursprünglich sozusagen vor der Haustür lagen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter, alle diese Dinge, die Sie hier dem Hause vortragen, haben doch schon im Ausschuß vorgelegen. Der Ausschuß hat doch einen Beschluß gefaßt, in dem er dem Hause einen bestimmten Antrag vorlegt.

Dr. Max Solleder (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002189, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident, ich darf das kurz begründen. Ich führe das deshalb aus, weil in dieser Sache drei Ausschüsse tätig geworden sind, der Verkehrsausschuß, der Wirtschaftspolitische Ausschuß und federführend der Haushaltsausschuß. Der Verkehrsausschuß hat in Erkenntnis der Sachlage, insbesondere des Umstands, daß die Frachtferne für Kohle von 50 auf 600 km heraufgegangen ist - weil an Stelle der tschechoslowakischen Kohle nunmehr die aus dem Ruhrgebiet bezogen werden muß -, sich positiv zu dem Antrag ausgesprochen. Diesem Votum hat sich der Wirtschaftspolitische Ausschuß angeschlossen und beantragt, die Bundesregierung möge bewirken, daß für die rheinischen Briketts und die Steinkohle aus dem Ruhrgebiet die entsprechend beantragten Frachtermäßigungen gewährt werden. Demgegenüber hat der Haushaltsausschuß diese beiden Anträge insofern abgewandelt, als er beantragt, die Bundesregierung möge überprüfen, ob diese Frachtermäßigung gewährt werden könne. Also eigentlich wiederum eine Untersuchung und Überprüfung, obwohl bereits zwei Ausschüsse positiv zu der Frage Stellung genommen haben. Ich glaube, der Haushaltsausschuß war hier von haushaltsmäßigen Erwägungen geleitet ({0}) - selbstverständlich -, die aber hier eigentlich nicht so sehr maßgebend sind. Denn der Verkehrsausschuß hat erklärt: In erster Linie muß die Bundesbahn sich überlegen, ob sie nicht für diese Frachtbegünstigung aufzukommen hat, weil diese entfernt gelegenen Gebiete nunmehr an Stelle der früheren Frachten von 50 km 550 km Frachten für ihre Kohle bezahlen müssen und der Einnehmer dieser Frachten die Bundesbahn ist. Infolgedessen hätte die Bundesbahn nach kaufmännischen Gesichtspunkten wohl Veranlassung, dafür zu sorgen, daß die Frachtkunden, die so weite Strecken bezahlen, auch als Kunden erhalten bleiben und nicht durch die wirtschaftliche und soziale Notlage allmählich verschwinden. Die Bundesbahn hat sich dieser Aufgabe leider entschlagen, ist auf die Gesichtspunkte, die der Verkehrsausschuß angeschnitten hat, nicht eingegangen und hat sich unter Hinweis auf § 28 des Bundesbahngesetzes darauf berufen, daß die Bundesregierung für den allenfallsigen Ausfall aufzukommen habe. Nachdem die Bundesbahn sich insoweit dieser Überprüfungsverpflichtung entzogen hat, besteht wohl Veranlassung, nicht ausschließlich den Standpunkt des Haushaltsausschusses gelten zu lassen, sondern sich den Auffassungen der beiden anderen Ausschüsse anzuschließen und den Antrag in der Form anzunehmen, daß die Bundesregierung ersucht wird, zu bewirken, daß für rheinische Braunkohlenbriketts und für Steinkohlen aus dem Ruhrgebiet nach Bayern für diejenigen Gebiete, für die schon im Rahmen der ostbayerischen Frachthilfe Erleichterungen vorgesehen sind, Ausnahmetarife mit den in die A T 6 B 11 und 6 B 14 für Ortskohle eingerechneten Ermäßigungen genehmigt werden. Ich stelle hiermit diesen Antrag und überreiche ihn dem Herrn Präsidenten.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.

Paul Bausch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mir erlauben, zu einigen Feststellungen, die der Herr Kollege Dr. Vogel soeben in seinem Bericht über die Arbeit des Haushaltsausschusses getroffen hat, noch etwas Ergänzendes zu sagen. In den außerordentlichen Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft, Einzelplan 09, Kap. A 0901, Tit. 613, sind Mittel für Förderungsmaßnahmen für das gesamtdeutsche Handwerk in Höhe von 5 Millionen DM als einmaliger Zuschuß eingestellt. Nachdem der Herr Bundesminister der Finanzen aus anderem Anlaß erklärt hatte, er könne noch keine eindeutige Erklärung darüber abgeben, ob es möglich sein werde, die Mittel zu beschaffen, deren er bedürfe, um die Ausgaben des außerordentlichen Haushalts zu decken, da die Bereitstellung dieser Mittel von dem Erfolg von Kreditaktionen abhänge, lag uns von der CDU daran, zu klären, ob der Betrag von 5 Millionen DM, der für Förderungsmaßnahmen für das gesamtdeutsche Handwerk bestimmt ist, Aussicht darauf hat, auch wirklich honoriert zu werden. Ich habe ,deshalb im Verlauf der Haushaltsberatungen an den Vertreter des Herrn Bundesministers der Finanzen eine diesbezügliche Anfrage gerichtet. Die von dem Vertreter des Herrn Bundesfinanzministers völlig eindeutig abgegebene Erklärung ging dahin, auch der Bundesrat habe sich für die Bewilligung dieser Mittel von 5 Millionen DM für das gesamtdeutsche Handwerk eingesetzt und habe dringend gewünscht, daß ein Betrag in dieser Höhe für mittelständische Zwecke, insbesondere für Handwerkszwecke zur Verfügung gestellt werde. Darüber hinaus habe das Kabinett sich mit dieser politisch bedeutsamen Angelegenheit befaßt und beschlossen, auf alle Fälle dafür zu sorgen, daß diese Mittel zur Verfügung stünden. Die Mittel würden deshalb ganz sicher bereitgestellt wenden. ({0}) - Ja, das wäre noch viel besser gewesen. Aber nachdem der Betrag nicht im ordentlichen, sondern im außerordentlichen Haushalt steht, mußte geklärt wenden, daß diese Mittel auch wirklich honoriert werden. Nach den Erklärungen also, die der Vertreter des Finanzministeriums im Haushaltsausschuß abgegeben hat, kann nicht der geringste Zweifel daran bestehen, daß das Finanzministerium die Absicht hat, dem Handwerk diese im außerordentlichen Haushalt verabschiedeten Mittel auch tatsächlich zur Verfügung zu stellen. Ich lege Wert darauf, diese bereits im Haushaltsausschuß abgegebene Erklärung des Vertreters des Finanzministers, deren Eindeutigkeit von allen Mitgliedern des Ausschusses bestätigt werden kann, diesem Hohen Hause zur Kenntnis zu bringen. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen liegen offenbar nicht vor. - Dann schließe ich die 'Besprechung über den Einzelplan 09. ({0}) - Ich kann Ihnen darauf keine Antwort geben, Herr Abgeordneter Heiland. ({1}) Ich rufe auf: Einzelplan 26 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Vertriebene ({2}). Die Berichterstattung hat Frau Abgeordnete Dr. Probst. Ich erteile ihr das Wort. Frau Dr. Probst ({3}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Personalbedarf im Haushalt des Ministeriums für Vertriebene für das Rechnungsjahr 1953 - Einzelplan 26 - bleibt in den Grenzen des Vorjahres. Der Personalbedarf des Jahres 1952 einschließlich der Notaufnahmelager belief sich auf 587 Stellen. Der Bedarf des Jahres 1953 umfaßt einschließlich der Notaufnahmelager 583 Stellen. Im Organisations- und Stellenplan ergeben sich, bedingt durch die Übernahme neuer und die Erweiterung bestehender Aufgaben, Änderungen: Sie sind erstens durch die Übernahme des Suchdienstes und durch die Vermehrung der Betreuungsaufgaben für die Kriegsgefangenen erforderlich. Für das Referat „Kriegsgefangene" werden zwei neue TOA-V b-Stellen eingerichtet. Ferner wird die Hebung einer TOA-III-Stelle auf TOA II und die Umwandlung einer TOA-S-Stelle auf A 1 a beantragt. Der Flüchtlingsstrom aus dem Osten ist von 4400 Personen im Mai 1952 auf 40 991 Personen im Mai 1953 angewachsen. Damit hat sich ein Ansteigen der Einzelpetitionen, der Revisionsbeschwerden, Verwaltungsgerichtsklagen und der Gutachten ergeben. Der erhöhte Arbeitsanfall in den Notaufnahmelagern wirkt sich zwangsläufig auf das Notaufnahmereferat des Ministeriums aus. Dadurch wird die Schaffung einer A-3 b-Stelle notwendig. Für die Notaufnahmelager ist in dem Haushalt 1953 keine stellenmäßige Personalverstärkung vorgesehen. Dagegen wurden im Zusammenhang mit der verstärkten Zahl der in Berlin ankommenden Flüchtlinge vorläufig bis zum 30. September 1953 350 Aushilfsangestellte herangezogen. Eine Änderung des Organisations- und Stellenplans wird ferner durch die Bearbeitung der Gleichstellungen nach § 4 Abs. 2 des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes verursacht. Im Referat Beamtenrecht werden eine TOA-II- und eine TOA-V b-Stelle benötigt. Durch die Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes tritt infolge der Bearbeitung der Durchführungsverordnungen eine Vermehrung des Arbeitsanfalls und eine verstärkte Zusammenarbeit mit andern Ressorts ein. Die Wichtigkeit des Referats begründet die Stellenanhebung von A 1 b auf A 1 a. Die Schaffung einer Sachbearbeiterstelle der Vergütungsgruppe VI b im Referat Planung und Statistik trägt einem dringenden Bedürfnis Rechnung. ({4}) Durch die Aufgabe der Hausverwaltung in der Ermekeilkaserne und die Übernahme eines kleineren Dienstgebäudes sind einige Einsparungen möglich gewesen. Die Sachausgaben weisen nur geringe Verschiebungen auf. Bei den allgemeinen Ausgaben möchte ich auf eine Erhöhung im Tit. 301 b für die kulturelle und sonstige Betreuung, zur Erhaltung und Auswertung des kulturellen Heimaterbes der Heimatvertriebenen um 150 000 DM hinweisen. Der bisherige Ansatz von 500 000 DM war zu gering. Weitere Ansatzerhöhungen sind bei den allgemeinen Ausgaben nicht vorgesehen. Dagegen ergeben sich eine Reihe von Einsparungen: 200 000 DM fallen in Zukunft weg im Tit. 300 für die Herstellung und Verbreitung von Informationsmaterial, da der im Vorjahr als k. w. bezeichnete Betrag von 200 000 DM eine Sonderbewilligung zur Herstellung von Dokumentationsbänden darstellte. Ferner fallen 44 000 DM im Tit. 306 weg, die als einmalige Zahlung für eine zurückliegende Zeit an das Deutsche Rote Kreuz in München für die Rückführungsmaßnahmen der in den Gebieten östlich der Oder-Neiße usw. noch befindlichen Deutschen vorgesehen waren. Weiter 7 Millionen DM im Tit. 308. Es handelt sich dabei um einmalig veranschlagte Mittel zur Gewährung von Beihilfen an Flüchtlinge und Vertriebene als Ersatz für den Wegfall der Begünstigungen nach §§ 7 e und 10 a des Einkommensteuergesetzes. Für die Erfüllung von Suchdienstaufgaben und die 'dokumentarische Erfassung von deutschen Kriegsgefangenen usw. sind im Tit. 305 3 555 500 DM beantragt worden. Im Rechnungsjahr 1952 waren für den genannten Zweck im Einzelplan VI - Innenministerium - 2 350 000 DM und in den Titeln 37 und 39 des Einzelplans XV 1 939 500 DM, zusammen 4 289 500 DM veranschlagt. Nach Abzug der im Vorjahr mit k. w. bezeichneten Beträge in Höhe von 384 000 DM ergibt sich durch die Zusammenlegung der Suchdienst- und Dokumentationsaufgaben eine Einsparung von 350 000 DM. Im ganzen gesehen schließt der Haushalt des Bundesvertriebenenministeriums für das Rechnungsjahr 1953 mit einem Zuschußbedarf von 14 149 800 DM ab. Es werden also 5 718 800 DM weniger benötigt als im Rechnungsjahr 1952, wobei aber darauf hingewiesen werden muß, daß sich dieser Minderbetrag rein rechnerisch ergibt. Ich bitte das Hohe Haus, dem Einzelplan 26 im Sinne des Ausschußbeschlusses zuzustimmen.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke Frau Dr. Probst für die Berichterstattung. Wortmeldungen? - Das Wort hat der Abgeordnete Müller.

Oskar Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001562, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag auf Streichung des Gehalts des Ministers und des Staatssekretärs gestellt. Damit bringen wir zum Ausdruck, daß wir mit den Maßnahmen und der Politik dieses Ministeriums nicht einverstanden sind. Wir sind der Meinung, daß sowohl der Minister wie der Staatssekretär nicht die Möglichkeiten ergriffen haben, deren Durchführung im Interesse der Flüchtlinge und Umsiedler notwendig gewesen ist und auch heute noch ist, um ihrer Notlage gerecht zu werden. Ich greife eine Frage heraus. Das ist die Umsiedlung als solche. Wir haben uns in diesem Hause oft genug mit der Tatsache beschäftigt, daß eine Umsiedlung aus den überbesiedelten und übervölkerten Ländern durchgeführt werden muß, um die Menschen aus den Bunkern und aus den Notwohnungen zu holen und nicht nur in eine anständige, menschenwürdige Wohnung zu bringen, sondern ihnen auch gleichzeitig einen Arbeitsplatz und damit Lohn und Brot zu geben. Diese Frage der Umsiedlung hätte gelöst werden können, wenn sich das Ministerium mit der Energie, die notwendig gewesen wäre, im Kabinett durchgesetzt hätte, um die erforderlichen Mittel zu bekommen, die für die planmäßige Durchführung der Umsiedlung in jedem Jahr notwendig sind. Wir hatten seinerzeit den Betrag von einer Milliarde DM gefordert. Dafür hat sich das Ministerium nicht stark gemacht und nicht eingesetzt. Eine zweite Tatsache ist, daß heute nach wie vor der Anteil der Umsiedler- und Flüchtlingsjugend an der Gesamtarbeitslosigkeit immer noch annähernd 40 % beträgt. Auch das ist eine Frage, die im Interesse der Flüchtlingsjugend hätte gelöst werden können, wenn seitens des Ministeriums die erforderlichen energischen Maßnahmen durchgeführt worden wären. Nicht anders sieht es mit der Ansiedlung und Seßhaftmachung der Flüchtlingsbauern, der Bauernsöhne und der Landarbeiter aus. Es wären eine Reihe von Möglichkeiten gewesen. Wir haben oft genug in diesem Hause Vorschläge gemacht, durch energische Maßnahmen, sei es durch die Bodenreform, sei es durch Bereitstellung von Gelände, das für die Ansiedlung geeignet ist, und derjenigen Ländereien, die für die Zwecke der Besatzungsmächte, für ihre Kasernen, Flugplätze usw. verwendet werden, Gelände für die Ansiedlung von Flüchtlingsbauern zu schaffen. Das ist nicht geschehen. Die bestehenden Möglichkeiten sind vom Ministerium nicht ausgeschöpft worden. Ich brauche die Frage des Wohnungsbaues nicht mehr anzuschneiden; ich habe sie vorhin bereits im Zusammenhang mit der Frage der Umsiedlung behandelt. Ich möchte nun noch einige Bemerkungen zu einzelnen Kapiteln bzw. Titeln machen. In Kap. 331 wind ein Betrag von einer halben Million D-Mark zur Herstellung und Verbreitung von Informationsmaterial ausgeworfen. Ich möchte im Zusammenhang damit gleich die anderen Zahlen in Titel 301 - 250 000 DM zur Betreuung der Organisationen und 650 000 DM zur Betreuung kultureller Organisationen - mit erwähnen und behandeln. Wir haben festgestellt - und das ist eine weitere Anklage, die wir gegen das Ministerium erheben -, daß es unter den Flüchtlingen und Umsiedlern jene Ideologie unterstützt, die im Interesse der gesamten Politik der Bundesregierung liegt. Mit der illusionären Parole von der Rückkehr in die alte Heimat werden eben Illu({0}) sionen erweckt, die nicht realisierbar sind. Vorallen Dingen aber soll damit unter der Flüchtlingsjugend die Bereitschaft erzielt werden, sie im Zuge der Aufstellung der deutschen Söldnerdivisionen für die Anwerbung und Rekrutierung reif zu machen. Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit dagegen, weil das in seiner Konsequenz zur Vernichtung auch dieser jungen Menschen und dieser Bevölkerungskreise führen muß. Wir möchten eine Auskunft vom Ministerium haben, wie diese halbe Million D-Mark für Informationsmaterial verwendet wird, d. h. was im einzelnen und konkret dafür an Broschürenmaterial herausgegeben wird und welchen Inhalts dieses Material ist. Eine zweite Frage. Wir haben festgestellt, daß auf verschiedenen Treffen gerade die von mir behandelte Züchtung einer solchen Ideologie immer und immer wieder im Mittelpunkt aller Reden und Ansprachen steht. Wir sind nicht der Meinung, daß diese Gelder für diese Zwecke zur Verfügung gestellt werden sollten. Es würde uns auch die Aufschlüsselung interessieren, nach der diese Beträge auf die einzelnen Organisationen verteilt werden. ({1}) Meine Damen und Herren, ich bin der Meinung, ({2}) und Brot zu geben. ({3})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß.

Not found (Mitglied des Bundestages)

, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

- nicht den Flüchtlingen und Umsiedlern dient, sondern, daß es notwendig ist, alle Maßnahmen zu ergreifen, ({0}) um sie hier seßhaft zu machen, ihnen hier Arbeit und Brot zu geben. -

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ihre Redezeit ist abgelaufen! ({0}) Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Besprechung des Einzelplans 26. Ich rufe auf: Einzelplan 28 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrates ({1}). 'Berichterstatter ist der Abgeordnete Frühwald. Ich erteile ihm das Wort zur Berichtersattung, es sei denn, das Haus wolle auf die Entgegennahme eines mündlichen Berichts verzichten. Frühwald ({2}), Berichterstatter: Der Haushaltsausschuß ,des Bundestages hat den Haushaltsplan für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrats in seiner 220. Sitzung am 27. Februar beraten. Einwendungen gegen die einzelnen Positionen wurden nicht erhoben. Der Vertreter der SPD hat lediglich erklärt, daß die SPD diesem Etat ihre Zustimmung nicht geben werde. Das ist auch aus dem vorliegenden Antrag für diese Position ohne weiteres ersichtlich. Ich möchte den Antrag, den Einzelplan 28 - Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten ides Bundesrates - unverändert nach der Vorlage anzunehmen, der im Ausschuß mit Mehrheit angenommen worden ist, hiermit dem Hohen Hause unterbreiten.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.

Herbert Wehner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002444, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitdem der Herr Bundeskanzler und Außenminister in eigener Person anzuordnen pflegt, was der Bundesrat zu tun und zu lassen hat, ist das Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrates noch überflüssiger als bisher. Wir beantragen deshalb die Streichung. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.

Paul Bausch (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000116, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Meine Damen und Herren! Ich möchte einige Bemerkungen zu dem Antrag machen, den der Herr Abgeordnete Wehner soeben mit Ausführungen begründet hat, ({0}) die mir in gar keiner Weise stichhaltig erscheinen. Ich glaube nicht, daß es angängig ist, den gesamten Haushalt eines Bundesministeriums ({1}) kurzerhand zu streichen, wenn man zur Begründung nicht mehr als das zu sagen hat, was soeben gesagt worden ist. Die Sache liegt doch eindeutig so, daß es heute mehr denn je nötig ist, dafür einzutreten, daß der Kontakt zwischen den Ländern, deren Vertretung der Bundesrat darstellt, und dem Bund ein guter ist. ({2}) Wir haben allen Anlaß, dafür zu sorgen, daß nicht überflüssigerweise Reibungen entstehen. ({3}) Wir haben in der Vergangenheit der deutschen Geschichte mehr als einmal erlebt, daß ein gut Teil der Kraft der Willensträger unserer Demokratie eben durch diese internen Reibungen schen dem Bund und den Ländern, zwischen den einzelnen Parteien und zwischen den einzelnen Körperschaften des öffentlichen Lebens überflüssigerweise und sinnloserweise verbraucht wurde. ({4}) Die gute Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem Bund ist heute nötiger denn je. Wir haben zu unserem Bedauern gerade im letzten Jahr und in letzter Zeit feststellen müssen, daß es eine ganze Reihe von Länderregierungen offenbar als ihre besondere Aufgabe ansehen, die Bundespolitik zu stören, ihr Hemmungen zu bereiten und sie nach Möglichkeit zu torpedieren. ({5}) ({6}) Angesichts dieser Situation ist es von allerhöchster Wichtigkeit, daß es in der Bundesverwaltung eine verantwortliche Persönlichkeit gibt, die sich ganz im besonderen die Aufgabe stellt, diesen negativen Wirkungen entgegenzutreten, eine positive Zusammenarbeit zwischen den Ländern und dem Bund in die Wege zu leiten und dieser immer mehr den Weg frei zu machen. ({7}) Die Persönlichkeit, die an der Spitze des Ministeriums für die Angelegenheiten des Bundesrats steht, ({8}) bietet uns die Gewähr dafür, daß die Aufgaben dieses Ministeriums sachgemäß und in guter, nützlicher und die Sache fördernder Weise erfüllt werden. Ich habe das Bedürfnis, diese Erklärung auch im Namen meiner Fraktion abzugeben. Wir werden den Antrag der SPD deshalb ablehnen. ({9})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.

Gustav Gundelach (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000752, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Ich bin ganz anderer Meinung als mein Herr Vorredner. Wir halten dieses Ministerium für völlig überflüssig. Es ist ein Ministerium, welches -das ist in diesem Hause doch bekannt - damals bei der Bildung dieser Regierung nur aus Koalitionsrücksichten zustande gekommen ist. Die für dieses Ministerium vorgesehenen Mittel in Höhe von 556 700 DM werden zwecklos verausgabt. Deshalb hat meine Gruppe die Streichung dieser Ausgaben beantragt. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Weitere Wortmeldungen? - Nicht? - Dann schließe ich die Aussprache über diesen Einzelplan. Meine Damen und Herren, wir kommen nunmehr zu den Abstimmungen, die ausgesetzt worden sind. Wir haben abzustimmen in der Reihenfolge, in der sie behandelt worden sind, die Einzelpläne 09, 13, 24, 25, 26, 27 und 28. Zunächst eine Frage über den besten Modus der Abstimmung. Bei einigen dieser Einzelpläne ist Streichung beantragt. Verlangen die Antragsteller, daß über diesen Antrag abgestimmt wird, oder wollen sie sich damit begnügen, abzulehnen? ({0}) - Sie wollen über den Antrag abgestimmt haben, gut. Dann zunächst Einzelplan 09! Hierzu liegen eine Reihe von Änderungsanträgen vor, zuerst der Antrag Dr. Vogel, den Sperrvermerk zu beseitigen. Muß ich diesen Antrag besonders bekanntgeben? ({1}) - Aber vor einem ziemlich leeren Hause! Ich möchte doch gern, daß die Damen und Herren einigermaßen wissen, worüber sie abstimmen. Das ist zunächst der Antrag, im Einzelplan 09 bei Kap. 0905 Tit. 101 den Sperrvermerk ,,Die neuen Stellen für Beamte sind daher vorläufig gesperrt" zu streichen. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. ({2}) Ich lasse abstimmen über den zweiten Änderungsantrag Dr. Vogel und Genossen: Die Bundesregierung wird ersucht, zu prüfen, wie die Bundesaußenstelle für den Außenhandel in die Lage zu versetzen ist, ihre betriebstechnischen Einrichtungen zum Ausbau des Nachrichtenbetriebes auf den erforderlichen Stand zu bringen, gegebenenfalls durch Bereitstellung der notwendigen Mittel im Einzelplan 0906 . . . Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen. Ich lasse nunmehr abstimmen über den Änderungsantrag, der von den Abgeordneten Dr. Solleder und Genossen zum Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 4534 gestellt worden ist. Es ist praktisch die Wiederaufnahme des ursprünglich gestellten Antrags. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt. Nunmehr sind die Änderungsanträge beschieden. Ich lasse über die Ausschußvorlage in der nunmehr durch die Abstimmung festgestellten Fassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Dieser Einzelplan ist angenommen. Ich lasse abstimmen über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 4534. Es handelt sich um die Frachttarife für die rheinische Braunkohle nach bayerischen Bezirken. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist der Einzelplan 09 erledigt. Wir stimmen nun über Einzelplan 13, Post- und Fernmeldewesen, ab. Hier waren keine Anträge gestellt. Wer für die Annahme dieses Einzelplanes ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 13 ist angenommen. Nun Einzelplan 24; das ist das ERP-Ministerium. Hier ist der Antrag von der kommunistischen Gruppe gestellt worden, den ganzen Einzel({3}) plan zu streichen. Wer für diesen Streichungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist abgelehnt. Wer für die Annahme des 'Einzelplanes 24 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; Einzelplan 24 ist angenommen! Nunmehr Einzelplan 25, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für den Wohnungsbau. Auch hier sind keine Anträge gestellt worden. Wer für die Annahme dieses Einzelplans ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Gegenstimmen bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Einzelplan 26. Auch hier ist zunächst ein Antrag der kommunistischen Gruppe auf Streichung der Gehälter des Ministers und des Staatssekretärs zu verabschieden. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Nun lasse ich über Einzelplan 26 im ganzen abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Gegenstimmen und bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Einzelplan 27, Haushalt für den Geschäftsbereich des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen. Auch hier ist ein Antrag der kommunistischen Gruppe gestellt, den ganzen Einzelplan zu streichen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt. Ich lasse über den Einzelplan 27 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Gegenstimmen und bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Nun als letzte Abstimmung Einzelplan 28. Haushaltsplan für den Geschäftsbereich des Bundesministers für Angelegenheiten des Bundesrats. Auch hier ist ein Antrag auf Streichung gestellt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Damit kann der Einzelplan 28 ohne besondere Abstimmung wohl als angenommen gelten. Die Abstimmungen sind damit erledigt. Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter von Brentano das Wort.

Dr. Heinrich Brentano (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000263, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte hat sich der Herr 'Abgeordnete Arndt eine Bemerkung erlaubt, die der Herr Präsident nicht richtiggestellt hat. Ich nehme an, daß er sie nicht gehört hat. Ich möchte dem Herrn Abgeordneten Arndt sagen, daß wir es ablehnen, von ihm Belehrungen darüber entgegenzunehmen, was wir für anständig halten. ({0}) Die Meinungen darüber, was anständig ist, gehen bei uns sehr weit auseinander. ({1})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Arndt.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider entzieht es sich den Blicken des Herrn Präsidenten, daß sich hinter der Regierungsbank etwas abspielt, was nicht dem Ansehen dieses Hauses dienen kann. ({0}) Das war heute schon ({1}) während der ganzen Debatte zum Wahlgesetz so, und Herr Bundesminister Storch hat mir gesagt, er werde das in der nächsten Kabinettssitzung zur Sprache bringen, weil es auch ihm aufgefallen sei. ({2}) Es geht nicht an, ({3}) daß dieses Haus als eine Art von Zirkus oder Panoptikum betrachtet wird ({4}) - nein, aber Herr Sabel! -, daß hinter der Regierungsbank die Beamten aufstehen und in einer solchen Weise das Haus herausfordern. ({5}) Ich halte das, wie ich ganz klar sagen möchte, nicht für ein Betragen, das dem Anstand in diesem Hause entspricht. ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mit aller Entschiedenheit protestieren gegen das Amt, das sich Herr Arndt hier anmaßt: der Zensor zu sein! ({0}) - Ich weiß gar nicht, was Sie wollen. Ich bin genau so gut Abgeordneter wie Sie. ({1}) Und genau so gut, wie Sie das Recht für sich in Anspruch nehmen, gehört zu werden, nehme ich für mich das Recht in Anspruch, als Abgeordneter und als Bundeskanzler gehört zu werden. ({2}) Ich habe während der ganzen Debatte hier unten gesessen und habe genau so gut, wie Herr Arndt das kann, beobachtet, was da gewesen ist, ({3}) ({4}) und ich habe nichts Unpassendes gesehen. ({5}) Ich kann nur das eine sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: die Herren, die da oben gesessen haben, haben sich ruhiger vethalten als die Herren, die hier unten gesessen haben! ({6})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte - ohne mit meiner Fraktion darüber gesprochen zu haben - zu dieser Affäre einen rein persönlichen Eindruck wiedergeben, der nicht von heute datiert. Vielleicht nimmt sich das der Herr Bundeskanzler auch ad notam. Solange ich hier unten sitze, war bei gewissen großen Gelegenheiten die Regierungsbank nicht nur von den Herren Ministern besetzt, sondern auch von einer großen Anzahl von Herren aus der Verwaltung. ({0}) Die Herren aus der Verwaltung haben die Aufgabe, den Herren Ministern, als Berater zur Seite zu stehen. Sie haben aber nicht die Aufgabe, die Reaktionen des Hauses zu beobachten und durch wohlwollende oder weniger wohlwollende Gesichtsverzerrungen zu kommentieren. ({1}) - Jawohl, meine Damen und Herren! Dies hier ist ein Parlament, und die Beamten sind in diesem Parlament nicht als handelnde Figuren, sondern als Berater der Minister, die parlamentarisch verantwortlich sind. ({2}) Ich 'möchte das mit aller Deutlichkeit klarstellen, &me damit gegen irgendeinen einzelnen einen Vorwurf zu erheben. ({3}) Ich glaube, es ist eine Frage der Erziehung, die wir alle auch an den Herren aus der Verwaltung durchzuführen haben, damit sie wissen, wie man sich im Parlament korrekt benimmt. ({4}) Wenn sich die Abgeordneten nicht korrekt benehmen, Herr Bundeskanzler, dann ist es Aufgabe des Herrn Präsidenten, von den Mitteln der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen. Und was der eine oder andere über das Benehmen seiner Kollegen denkt, ist seine private Sache. Wenn er sich laut darüber äußert, ist es ebenfalls seine Angelegenheit. Wenn die Ordnung des Hauses dadurch gestört wird, daß jemand sich laut aber das Betragen anderer Kollegen äußert, haben wir dafür die Geschäftsordnung und die Präsidenten. Ich glaube, dabei sollten wir es bewenden lassen und sollten nicht Zensuren an Abgeordnete austeilen, nur weil sie zufällig persönlich oder politisch nicht ganz genehm sind. ({5})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich kann wohl annehmen, daß dieser Zwischenfall damit erledigt ist und weitere Wortmeldungen dazu nicht mehr erfolgen. Herr Abgeordneter Dr. Mende zur Geschäftsordnung! '

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor der Herr Präsident nach § 24 unserer Geschäftsordnung die heutige Sitzung schließt und die Tagesordnung der morgigen Sitzung bekanntgibt oder - wie es üblich ist - auf die gedruckte Tagesordnung verweist, bitte ich Sie, folgenden Antrag der FDP-Fraktion, der auch von den Fraktionen der CDU/CSU und DP unterstützt wird, entgegenzunehmen. Wir bitten, von der morgigen Tagesordnung, der Tagesordnung der 277. Sitzung, den Punkt 1 der Tagesordnung: Viermächteverhandlungen zur Wiedervereinigung Deutschlands, Drucksache Nr. 4444, den Punkt 2 a und b betreffend Saargebiet und Saarfrage, Drucksachen Nrn. 4418, 4436 und 2347, ebenso abzusetzen wie den Punkt 11 der Tagesordnung: Zweite und dritte Lesung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes, Drucksachen Nm. 4296 und 4493. Ich möchte zur Begründung folgendes anführen. Wir haben - wie das bei den anderen großen Parteien in der letzten Zeit auch der Fall war - an diesem Wochenende unseren Bundesparteitag in Lübeck. Es war in diesen vier Jahren immer üblich, daß auch bei der Gestaltung der Tagesordnung auf die Parteitage Rücksicht genommen wurde. Wir haben unseren Parteitag schon einmal verschoben und sind sehr in Bedrängnis gekommen. Wir haben aber darauf verzichtet, den Freitag grundsätzlich von einer Plenarsitzung freizuhalten. Wir haben im Ältestenrat lediglich den Wunsch geäußert, an diesem Freitag möchten keine wesentlichen Debatten oder Entscheidungen stattfinden, weil sich der größte Teil der Fraktion der FDP morgen, wenn nicht schon heute nacht auf dem Wege nach Lübeck befindet. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß die Verbindungen nach Lübeck immerhin etwas zeitraubend sind. Im Ältestenrat hat darüber auch Einmütigkeit bestanden, das man das tun sollte. ({0}) Inzwischen ist aber, wie mir aus Besprechungen, die der Vorsitzende der Opposition, Herr Ollenhauer, und seine beiden Begleiter, Wehner und Brandt, mit dem Herrn Bundeskanzler gehabt haben, bekanntgeworden ist, für morgen doch eine erhebliche Ausweitung des Punktes 1 im Rahmen einer außenpolitischen Debatte zu erwarten. Meine Damen und Herren, es ist eine selbstverständliche kollegiale Pflicht, in diesem Fall auf eine Fraktion Rücksicht zu nehmen, die an dieser Debatte nicht teilnehmen kann. Wir bitten Sie daher, diese Debatte am kommenden Mittwoch stattfinden zu lassen. Ähnliches gilt für die zweite und dritte Beratung des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundesversorgungsgesetzes. Wir hatten ursprünglich angenommen, daß hier große Änderungsanträge nicht gestellt werden. Nun ist uns aber bekanntgeworden, daß die Opposition einen wesentlichen Antrag über die Erhöhung der Grundrenten angekündigt hat, der nach den Angaben des Finanzministeriums eine Ausweitung um etwa 241 Millionen DM zur Folge haben würde. Sie werden unsere Bitte verstehen, auch diesen Punkt erst am kommenden Mittwoch zu behandeln. Eine Verzögerung um wenige Tage fällt nicht ins Gewicht. Entscheidend ist, daß das Zweite Änderungsgesetz des Bundesversorgungsgesetzes noch in dieser Wahlperiode verabschiedet wird, was auch gewährleistet ist, wenn es am Mittwoch zur Debatte steht. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, diesem Antrag zur Tagesordnung ,der morgigen Sitzung ihre Zustimmung zu geben und sich damit an die Gepflogenheiten zu halten, die wir in ähnlichen Situationen seit vier Jahren geübt haben.

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Menzel. Dr. Menzel ({0}),: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir lehnen diesen Antrag ab. Die Begründung, die FDP habe am Samstagmittag ihren Parteitag in Lübeck, ist zweifellos nur ein Vorwand, ({1}) denn der Lübecker Parteitag ist seit Wochen festgesetzt. In Kenntnis dieser Tatsache, daß ihr Parteitag am Samstag und Sonntag dieser Woche in Lübeck stattfindet, haben die Vertreter der Freien Demokratischen Partei im Ältestenrat zugestimmt, daß die außenpolitische Debatte morgen als Punkt 1 auf die Tagesordnung kommen soll. ({2}) Wenn Sie, Herr Kollege Mende, davon sprechen, daß die Gepflogenheiten dieses Bundestages der letzten vier Jahre eingehalten werden sollten, frage ich Sie: Wie halten denn Sie die Gepflogenheit ein, sich nach den Verabredungen im Ältestenrat zu richten? Sie haben es doch am Mittwoch gewußt. Warum haben Sie denn nicht am Mittwoch etwas dazu gesagt? ({3}) - Sie haben ausdrücklich gesagt, Herr Kollege Mende, daß es zeitlich noch möglich wäre, wenn wir mittags um 12 oder 1/21 Uhr mit der außenpolitischen Debatte zu Ende wären; Ihre Herren, und zwar nur ganz wenige Ihrer Fraktion, die erst morgen abend in Lübeck zu sein brauchten, könnten dann noch rechtzeitig abfahren. Der Vertagungsantrag, der erst jetzt und nach all dem, was sich im Ältestenrat zugetragen hat, gestellt wird, ist doch offenbar weiter nichts als der Versuch der weiteren Verschleppung einer öffentlichen Erörterung der deutschen Außenpolitik. ({4}) Am 9. Juni haben wir unseren Antrag gestellt. Morgen schreiben wir den 26. Juni. Das sind schon zweieinhalb Wochen. Wenn wir die außenpolitische Debatte erst in der nächsten Woche führen können, bedeutet das, daß zu einem so wichtigen und entscheidenden Thema des deutschen Volkes drei Wochen nach der Antragstellung verhandelt wird. Es ist auf die Dauer geradezu unerträglich, wie Sie solche wichtigen Themen behandeln. Es ist auch unerträglich, daß die Bundesregierung, daß der Herr Bundeskanzler, daß der Herr Außenminister und daß die Regierungsparteien glauben, sich um jede verantwortliche Debatte in einem Zeitpunkt drücken zu können, ({5}) in dem draußen jeder danach verlangt, endlich zu wissen, was denn jetzt in Deutschland geschehen soll. ({6}) Meine Damen und Herren, angesichts der Lage in Berlin und der Situation in der russischen Besatzungszone bedauern wir diese Verschleppung, ({7}) die Sie, glaube ich, vor dem deutschen Volk nicht verantworten können. Wir machen diese Verschleppung nicht mit. ({8})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Mende.

Dr. Erich Mende (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001467, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Ich wollte nur einiges richtigstellen. Erstens. Ich habe loyalerweise bereits heute mittag den Fraktionen des Hauses, auch der Opposition, von dem Antrag; den ich heute abend stellen würde, Kenntnis gegeben. Zweitens. Vor acht Tagen ist die damals angesetzte Debatte auf ausdrücklichen Wunsch der SPD vertagt worden, ({0}) weil sich diese Vertagung aus 'Gründen, die in den Berliner Ereignissen lagen, als notwendig heraus({1}) gestellt hatte. Sie können deshalb objektiv nicht von einer Verschleppung sprechen. ({2})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

Erwin Schoettle (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002061, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Angesichts des Antrages, der wahrscheinlich eine Mehrheit findet, möchte ich anregen, morgen die dritte Lesung des Bundeshaushalts nicht vorzunehmen; denn sie würde sich vor einem recht leeren Hause abspielen. Die zweite Beratung können wir 'durchaus zu Ende führen. Den Rest, nämlich die dritte Beratung, könnten wir in der nächsten Woche erledigen. Ich bitte Sie, wenigstens diese Anregung zu akzeptieren. ({0})

Dr. Carlo Schmid (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001993

Ich lasse abstimmen. Wer für den Vertagungs- bzw. Absetzungsantrag des Kollegen Mende ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen. Besteht Einverständnis über die Durchführung der dritten Lesung in der von dem Kollegen Schoettle beantragten Weise? ({0}) - Ich brauche demnach nicht abstimmen zu lassen. Dann berufe ich die nächste, die 277. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 26. Juni, 9 Uhr, und schließe die 276. Sitzung.