Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 262. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt in die Tagesordnung bitte ich den Herrn Schriftführer, die Liste der Beurlaubten zu verlesen.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Koch, Frau Dr. Weber ({0}), Dr. Menzel, Dr. Orth, Dr. Horlacher, D. Dr. Gerstenmaier, Dr. Glasmeyer, Graf, Strauß und Paul ({1}).
Ich habe sodann bekanntzugeben, daß Herr Minister Lehr darum bittet, die beiden ersten Punkte der Tagesordnung: Heilpraktikergesetz und Volksentscheid in der Pfalz, erst gegen 12 Uhr aufzurufen, weil sowohl Minister als auch Staatssekretär von 9 Uhr ab an der Kundgebung des Beamtenbundes teilnehmen müssen.
({0})
Wir beginnen darum mit Punkt 3 der Tagesordnung.
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({2})
- Herr Abgeordneter Kunze bittet, auch Punkt 4, Änderung der Gesetze über den Lastenausgleich - wohl bis gegen 12 Uhr? - zurückzustellen.
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- Ich bitte um Entschuldigung; ich konnte es nicht vorher bekanntgeben; ich habe es eben erst erfahren.
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Ich rufe auf Punkt 3 der gedruckten Tagesordnung:
Erste Beratung des
Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 über Deutsche Ausslandsschulden,
Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verschuldung Deutschlands aus Entscheidungen der deutsch - amerikanischen Gemischten Kommission,
Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung der Ansprüche der Vereinigten Staaten von Amerika aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe ({5}), Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Regelung der Verbindlichkeiten der Bundesrepublik Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika aus der Lieferung von Überschußgütern an Deutschland,
Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und Ihrer Majestät Regierung im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland über die Regelung der Ansprüche des Vereinigten Königreichs aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs-Wirtschaftshilfe,
Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über die Regelung der Ansprüche der Französischen Regierung aus der Deutschland geleisteten Nachkriegs - Wirtschaftshilfe,
Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Februar 1953 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über die Erstattung der Aufwendungen in Verbindung mit dem Aufenthalt deutscher Flüchtlinge in Dänemark von 1945 bis 1949
({6}).
Die heutige Beratung ist eine erste Lesung.
Das Wort zur Begründung hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abkommen zur Regelung der deutschen Auslandsschulden aus der Vor- und Nachkriegszeit, die Ihnen heute zur Zustimmung vorliegen, fügen sich in ihrer Gesamtheit als ein wesentlicher Bestandteil in die allgemeinen Bemühungen der Bundesregierung und der beteilig- ten anderen Regierungen ein, die deutschen finanziellen und wirtschaftlichen Beziehungen zum Ausland zu ordnen und in normale Bahnen zu lenken. Dieses Ordnungswerk mußte in Angriff genommen werden, um auch auf dem finanziellen Gebiete die Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Ausland wieder zu schaffen.
Als die deutsche Leistungsfähigkeit bis zu einem gewissen Grade wiederhergestellt war, konnten insbesondere die privaten Auslandsgläubiger mit Recht erwarten, daß ihre Forderungen aus der Vorkriegszeit, die teils seit Jahrzehnten unerfüllt geblieben waren, einer Regelung zugeführt wurden. Ohne einen sichtbaren Beweis dafür, daß der deutsche Schuldner es mit der Erfüllung seiner alten Verpflichtungen ernst nimmt, kann das Vertrauen des Auslandes in die gesamte deutsche Wirtschaft nicht wieder erweckt werden. Dieses Vertrauen ist die wirkliche Grundlage für die Anknüpfung neuer finanzieller Beziehungen. Ich bitte Sie deshalb, die Ihnen vorliegenden Abkommen in dem Geist zu behandeln, in dem sie in London ausgearbeitet worden sind. Die nüchterne Betrachtung und Beurteilung der aus der Vergangenheit gegebenen Tatsachen muß sich dabei mit wirtschaftlicher Vernunft, zugleich aber auch mit der Zuversicht verbinden, die das Vertrauen in unseren guten Willen stützt.
Ich möchte es an dieser Stelle ausdrücklich anerkennen, daß alle unsere Partner in den Londoner Verhandlungen, trotz der Energie, mit der sie für die ihnen anvertrauten Gläubigerinteressen eingetreten sind, sich von der wirtschaftlichen Einsicht haben leiten lassen, daß von den Schuldnern nicht mehr gefordert werden darf, als es ihrer beschränkten Leistungsfähigkeit entspricht. Ohne diese wirtschaftliche Vernunft hätte der Schuldenregelungsplan nicht zustande gebracht werden können.
Seinen Hauptteil bildet das Abkommen über deutsche Auslandsschulden, das sich mit der Regelung der deutschen Verbindlichkeiten öffentlicher und privater Natur aus der Vorkriegszeit befaßt. Skeptiker im In- und Ausland hatten bei Beginn der Verhandlungen über dieses Abkommen behauptet, daß eine so umfangreiche und weitverzweigte Materie kaum in einem einheitlichen und umfassenden Plan behandelt werden könnte. Der Plan ist in langer und mühsamer Arbeit dennoch fertig geworden. Daß er in seinem Aufbau und seinen einzelnen Bestimmungen kompliziert ist, liegt im Wesen der Materie begründet, die er behandelt.
Zur Geschichte und zur Erläuterung des Abkommens im einzelnen möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Denkschrift der Bundesregierung lenken, die in der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 4260 enthalten ist. Einige Punkte allerdings, die im Zusammenhang mit den Schuldenverhandlungen das öffentliche Interesse erweckt haben, möchte ich hier klarstellen, um dadurch die bevorstehenden parlamentarischen Beratungen zu erleichtern.
({0})
Meine Damen und Herren, die Schuldenerklärung vom 6. März 1951, die Ihnen als Anhang des Hauptabkommens auch heute vorliegt, bildete einen Bestandteil der damaligen ersten Revision des Besatzungsstatuts. Erst heute kann man auf der Grundlage der vorliegenden Abkommenstexte auch die wirtschaftliche und finanzielle Tragweite jenes Schriftwechsels klar erkennen. In diesem Sinne hat die Bundesregierung schon auf die Kleine Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei vom 20. März 1953 mit einem Schreiben vom 8. April geantwortet, enthalten in Drucksache Nr. 4252.
Ich möchte gleich an dieser Stelle, um jeden Zweifel auszuräumen, hervorheben, daß es sich in London nicht um die Übernahme neuer Verpflichtungen, auch nicht zu Lasten der privaten Schuldner gehandelt hat, sondern um den Abschluß einer Rahmenvereinbarung, die den Schuldner auf Grund noch zu treffender Absprache mit seinem Gläubiger in die Lage versetzen soll, die Verzinsung und Tilgung seiner alten Verbindlichkeiten aus der Vorkriegszeit wiederaufzunehmen. In dieser Rahmenvereinbarung haben die Gläubigervertreter mit Rücksicht auf die beschränkte Leistungsfähigkeit des Bundes und der deutschen Wirtschaft auf ihr Recht verzichtet, eine volle und sofortige Abtragung dieser längst fälligen Schulden zu verlangen. Sie haben vielmehr sowohl in bezug auf die Höhe der Schulden als auch auf den Zeitraum für ihre Abtragung erhebliche Zugeständnisse gemacht.
Im Zusammenhang mit den Schuldenverhandlungen wurde ferner oft die Frage erörtert, ob es nicht möglich sei, die deutschen Vermögenswerte im Ausland zur Schuldendeckung zu verwenden. Was die Behandlung der deutschen Vermögenswerte im Ausland betrifft, so kann ich dem Deutschen Bundestag erneut versichern, daß die Bundesregierung und auch ich selbst in meinen Verhandlungen mit ehemals feindlichen Regierungen nichts unversucht lassen, um den schweren Verlust, den wir als Kriegsfolge erlitten haben, zu mildern. Mit den Londoner Schuldenverhandlungen allerdings konnten die Probleme des Auslandsvermögens nur in mittelbaren Zusammenhang gebracht werden. Bei der Bemessung der deutschen Leistungsfähigkeit sind in London neben den anderen aus dem Krieg herrührenden Schäden die schweren Einbußen aus dem Verlust des deutschen Auslandsvermögens berücksichtigt worden.
Bei den Erwägungen über die Regelung der deutschen Auslandsschulden trat natürlich auch zugleich das Reparationsproblem in Erscheinung. Art. 5 des Abkommens bestätigt, daß dieses Problem zurückgestellt wird. Hier im Schuldenabkommen bedeutet dies eine Zurückstellung nicht nur im Einvernehmen mit den drei Hauptmächten wie im Deutschland-Vertrag, sondern im Einvernehmen mit allen Staaten, die das Schuldenabkommen unterzeichnet haben oder die ihm beitreten werden. Dieses Einvernehmen ist ein Schutz für uns im Hinblick auf die Tatsache, daß 18 Regierungen schon unterzeichnet haben und 55 weitere Regierungen zum Beitritt eingeladen sind, die sich zu einem großen Teil mit dem Deutschen Reich im Kriegszustand befunden haben. Ich glaube sagen zu können, daß die alliierten Hauptmächte -obgleich ein offizieller Verzicht nicht ausgesprochen worden ist - nicht beabsichtigen, gegen alle Regeln wirtschaftlicher Vernunft noch Reparationsforderungen geltend zu machen. Im übrigen hat die deutsche Delegation den Verhandlungspartnern keine Zweifel darüber gelassen, daß der in London vorgesehene Schuldendienst angesichts der beschränkten Leistungsfähigkeit Deutschlands nicht erfüllt werden könnte, wenn erneut Reparationsforderungen gestellt werden sollten.
Was das Verhältnis des Schuldenabkommens zu dem Sechsten und dem Achten Teil des Überleitungsvertrags zum Deutschland-Vertrag betrifft, so bestehen hier, wie ich ausgeführt habe, zwar sachliche Beziehungen, eine juristische Abhängigkeit beider Vertragswerke voneinander besteht jedoch nicht. Das Abkommen über deutsche Auslandsschulden stellt schon wegen des weiteren Kreises der Beteiligten ein selbständiges Vertragswerk dar.
In der öffentlichen Diskussion über das Abkommen ist zum Teil kritisiert worden, daß hier eine Regelung der Auslandsschulden des Reichs erfolgt, während eine Regelung seiner Inlandsschulden noch aussteht. Ich darf dazu folgendes sagen: Ohne vorangegangene Regelung der Auslandsschulden ist eine Regelung der Inlandsschulden überhaupt nicht möglich.
({1})
Ich kann aber weiter hinzufügen, daß sich die Bundesregierung der Bedeutung auch dieses Problems voll bewußt ist und daß die Vorarbeiten zur Regelung auch dieses Fragenkomplexes in Angriff genommen sind.
Den Londoner Verhandlungen haben ausführliche Untersuchungen der deutschen Transferfähigkeit zugrunde gelegen. Gerade in diesem Zusammenhang wurde die Beschränkung des Gebietes der Bundesrepublik berücksichtigt, die im Vergleich zum Deutschen Reich nur über eine stark verminderte volkswirtschaftliche Substanz verfügt. Bei der Beurteilung der künftigen Entwicklung der deutschen Transfermöglichkeiten bitte ich Sie zu bedenken, daß die in London vorgesehenen Leistungen in den ersten fünf Jahren nicht ganz 4 % des gesamten deutschen Ausfuhrvolumens ausmachen.
({2})
Nach dem Stand der bisherigen Entwicklung der Zahlungsbilanz der Bundesrepublik ist zu erwarten, daß dieser Schuldendienst sowohl im europäischen Raum als auch im Dollar-Raum erfüllt werden kann.
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Es wurde aber auf deutscher Seite Wert darauf gelegt, daß, falls trotz unseres ernsten Bemühens, die Verpflichtungen aus dem Abkommen zu erfüllen, Transferschwierigkeiten auftreten sollten, rechtzeitig neue Beratungen aufgenommen werden. Sie finden die entsprechende Konsultationsklausel in dem Art. 34 des Abkommens. Ich glaube auch erklären zu können, daß die von den einzelnen privaten Schuldnern zu erfüllenden Verpflichtungen mit Rücksicht auf die vereinbarten Erleichterungen getragen werden können.
Ich habe eingangs das Abkommen über deutsche Auslandsschulden als den Hauptteil der gesamten Schuldenregelung bezeichnet. Den zweiseitigen Abkommen zur Regelung der Nachkriegsverbindlichkeiten aus der Wirtschaftshilfe, die uns vom Ausland geleistet worden ist, kommt wirtschaftlich und politisch keine geringere Bedeutung zu. Eine vernünftige Regelung der Vorkriegsschulden, wie sie in dem vorliegenden Hauptabkommen enthalten
({4})
ist, bildet nach Ansicht der drei Hauptmächte die Voraussetzung für die Konzessionen, die sie uns bei den Nachkriegsschulden zu gewähren bereit sind. Mit Rücksicht auf diese Verknüpfung der beiden Probleme mußte in London über die Vor- und über die Nachkriegsschulden gleichzeitig verhandelt werden. Aus demselben Grunde wurde das Hauptabkommen an dem gleichen Tage unterzeichnet wie die verschiedenen zweiseitigen Abkommen, die Ihnen heute mit den Entwürfen der entsprechenden Zustimmungsgesetze ebenfalls vorliegen. Es ist verständlich, daß die drei Hauptmächte ihre Ansprüche aus der Nachkriegswirtschaftshilfe gleichzeitig mit den Vorkriegsschulden geregelt und nicht ungünstiger als die übrigen deutschen Auslandsschulden behandelt sehen wollen. Ohne die großzügige Hilfe insbesondere von seiten der Vereinigten Staaten wäre eine wirtschaftliche Erholung der Bundesrepublik und somit eine Regelung der deutschen Auslandsschulden nicht möglich gewesen.
Bei der Behandlung der zweiseitigen Abkommen möchte ich mich auf einige leitende Gedanken beschränken. Die wesentlichste Hilfe, aber auch die größte Herabsetzung des Rückzahlungsanspruchs, haben wir von den Vereinigten Staaten erfahren. Sie haben Deutschland bis Mitte 1951 eine Hilfe von 3,2 Milliarden Dollar oder 13,5 Milliarden DM geleistet. Die Bundesrepublik soll hierauf im Laufe der Jahre 1,2 Milliarden Dollar, also rund ein Drittel, zurückzahlen. Bei meinem Besuch in den Vereinigten Staaten habe ich den Amerikanern den Dank des deutschen Volkes für diese Hilfe und für das großzügige Angebot zur Regelung der Rückzahlungsverpflichtung überbracht.
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Bei den amerikanischen Lieferungen handelt es sich, wie Sie wissen, nicht allein um die Marshallplan-Hilfe, sondern auch um die umfangreiche sogenannte GARIOA-Hilfe. In den von mir als Rückzahlungsverpflichtung erwähnten 1,2 Milliarden Dollar sind ferner 203 Millionen Dollar enthalten, die auf Grund des vorliegenden Abkommens über die Verbindlichkeiten aus der Lieferung von Überschußgütern der amerikanischen Streitkräfte zu erstatten sein werden.
Aus Gründen, die hauptsächlich im amerikanischen Haushaltsrecht liegen, wurde der Nachlaß von zwei Milliarden Dollar ausschließlich für Marshallplan-, GARIOA-Hilfe gewährt. Aus diesem Grunde verblieb es im StEG-Abkommen bei dem errechneten Schuldbetrag von 203 Millionen Dollar.
Angesichts des Umfangs der amerikanischen Unterstützung ist es der Öffentlichkeit weniger zum Bewußtsein gekommen, daß auch andere Staaten Deutschland nach dem Kriege Hilfe geleistet haben, an erster Stelle Großbritannien, das sich selbst erheblich verschulden mußte, um seine Wirtschaft wieder in Gang zu bringen.
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In dem vorliegenden deutsch-britischen Abkommen wird von einer britischen Hilfeleistung von rund 202 Millionen Pfund Sterling oder 2,4 Milliarden DM ausgegangen. Hierauf wird die Bundesrepublik 150 Millionen Pfund Sterling, also rund drei Viertel zurückzuzahlen haben. Dabei muß anerkannt werden, daß Großbritannien seine Forderung schon aus eigener Initiative von rund 244 Millionen auf rund 202 Millionen Pfund Sterling in dem Bestreben herabgesetzt hatte, der Bundesrepublik nur solche Leistungen in Anrechnung zu
bringen, die der deutschen Wirtschaft und der deutschen Bevölkerung unmittelbar zugute gekommen sind.
({7})
Die französische Forderung von rund 16 Millionen Dollar wurde auf rund 12 Millionen Dollar herabgesetzt.
Schließlich möchte ich hier das deutsch-dänische Abkommen über die Flüchtlingshilfe erwähnen und diese Gelegenheit benutzen, Dänemark für die Hilfe zu danken, die es deutschen Flüchtlingen von 1945 bis 1949 gewährt hat.
({8})
Wir kennen das schwere Schicksal der Flüchtlinge aus dem Osten, und es liegt uns am Herzen. Wir verkennen jedoch auch nicht, was es für Dänemark bedeutete, die Betreuung von 200 000 deutschen Heimatvertriebenen zu übernehmen, nachdem es gerade von der deutschen Besatzung befreit worden war.
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Obgleich Dänemark nicht zu den eigentlichen Nachkriegsgläubigern gehört, hat es sich mit einer Regelung seiner Forderung nach dem Beispiel der drei Hauptmächte einverstanden erklärt und in entgegenkommender Weise seine Ansprüche von 430 Millionen dänischer Kronen auf 160 Millionen dänische Kronen herabgesetzt.
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Bei diesen Nachkriegsforderungen haben die Gläubigerregierungen mit Ausnahme der amerikanischen auf eine Verzinsung der geschuldeten Beträge verzichtet und sich - einschließlich der amerikanischen Regierung - mit einer sehr langfristigen Abtragung dieser Verbindlichkeiten einverstanden erklärt.
Die Nachkriegsschulden stellen eine bedeutende finanzielle Last dar. Es darf aber nicht übersehen werden, daß andere Staaten für Hilfeleistungen weit größere Rückzahlungsverpflichtungen übernehmen mußten. Die übrigen europäischen Staaten, denen Hilfe aus dem Marshall-Plan oder ähnlichen amerikanischen Programmen zuteil wurde, haben durchschnittlich 45 °/o zurückzuzahlen, während die deutsche Rückzahlungsverpflichtung sich aus 37 % der amerikanischen Hilfeleistung errechnet. Im übrigen ist diese finanzielle Last auf viele Jahre verteilt, und der Schuldendienst wird erst im fünften Jahr auf seine volle Höhe ansteigen. Gewiß wird unsere Dollarlage durch die Leistungen an die Vereinigten Staaten beeinträchtigt. Es ist jedoch in dem deutsch-amerikanischen Abkommen vorgesehen, gemeinsam eine Lösung zu suchen, falls sich hieraus Schwierigkeiten ergeben sollten.
Ich möchte Ihnen nun in großen Zügen einen Überblick über die finanzielle Tragweite der Verpflichtungen geben, die mit der Schuldenregelung im ganzen übernommen werden. Die zu regelnde Vorkriegsverschuldung einschließlich der rückständigen Zinsen machte unter Berücksichtigung der in den einzelnen Verträgen enthaltenen Goldklauseln rund 13,5 Milliarden DM aus. In London wurde eine Herabsetzung auf rund 7,3 Milliarden DM erreicht. An Stelle einer sofortigen Rückzahlung dieser, wie ich nochmals betonen möchte, seit langer Zeit fälligen Schulden wurde eine langfristige Fundierung vorgesehen.
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Die Nachkriegsschulden, die in London verhandelt wurden, sind von den Gläubigerregierungen von dem ursprünglichen Gesamtbetrag von rund 16 Milliarden DM auf 7 Milliarden DM herabgesetzt worden. Diesen Gesamtbeträgen soll nun ein zu transferierender Schuldendienst entsprechen, der in den ersten fünf Jahren jährlich rund 340 Millionen DM für Vorkriegsschulden und rund 227 Millionen DM für Nachkriegsschulden, also insgesamt jährlich 567 Millionen DM beträgt. Diese Leistungen wachsen nach fünf Jahren durch stärkere Amortisationszahlungen auf den Gesamtbetrag von rund 765 Millionen DM an.
Es wurde erreicht, daß der Maßstab der Leistungen der Schuldner, sei es nun öffentlicher oder privater Hand, sich auf die Transferfähigkeit der Bundesrepublik beschränkt. In keinem Fall und bei keiner Schuldenkategorie werden also neben den zu transferierenden Zinsen und Amortisationsbeträgen noch ergänzende Leistungen in DM auf Sperrkonto zu erbringen sein. Wenn das Abkommen somit eine Anhäufung von Sperrguthaben vermeidet und zu einer langfristigen Konsolidierung der Schulden führt, so bildet es zugleich auch einen wesentlichen Beitrag zu der von der Bundesregierung angestrebten Wiederherstellung der Konvertibilität der Deutschen Mark und des Übergangs zu freieren Wirtschaftsformen. Die gegenwärtig noch beschränkte deutsche Devisenhoheit wird mit dem Inkrafttreten des Abkommens wiederhergestellt werden.
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Meine Damen und Herren! Die deutsche Delegation für Auslandsschulden hat unter der sehr umsichtigen Leitung von Herrn A b s seit nunmehr zwei Jahren im Auftrag der Bundesregierung die außerordentlich schwierigen Verhandlungen mit dem Drei-Mächte-Ausschuß für deutsche Schulden und mit den Vertretern vieler anderer Staaten geführt. Ich möchte auch von dieser Stelle aus dem Leiter und allen Mitgliedern der deutschen Delegation heute den Dank der Bundesrepublik und die grüßte Anerkennung für die geleistete Arbeit aussprechen.
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Diese Arbeit war von großer Sachkenntnis getragen, von unermüdlicher Geduld bei der Klärung der Probleme und von dem ständigen Bestreben, dem deutschen Interesse im Rahmen einer geordneten Weltwirtschaft nach Kräften zu dienen.
Ich möchte nicht schließen, ohne die Bitte an Sie, meine Damen und Herren, gerichtet zu haben, bei aller Sorgfalt, die zur Behandlung des Vertragswerks aufgewandt werden muß, auf eine möglichst baldige Verabschiedung der Zustimmungsgesetze bedacht zu sein, damit der Schuldendienst beginnen kann. Die Bundesregierung wird ihrerseits alles tun, um die parlamentarische Arbeit zu fördern. Sie bittet darum, daß die zuständigen Ausschüsse des Bundestags sich für die Behandlung der Schuldenabkommen vereinigen, und sie wird bemüht sein, durch ihre Vertreter alle Begründungen und Erläuterungen zu dem Inhalt der Abkommen zu geben, so daß der Bundestag sich möglichst bald in der Lage sehen kann, die Zustimmungsgesetze zu beschließen.
Die Vorbereitungen der Bundesministerien für das Durchführungsgesetz, das für die praktische Verwirklichung des Abkommens über deutsche Auslandsschulden erforderlich ist, sind so weit fortgeschritten, daß der Entwurf den gesetzgebenden Körperschaften in Kürze vorgelegt wird. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, das Durchführungsgesetz, wie es dringend erforderlich ist, noch in dieser Wahlperiode zu verabschieden.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, bei der Diskussion der vorliegenden Zustimmungsgesetze sich stets bewußt zu bleiben, daß es gerade im Zusammenhang mit der Regelung alter finanzieller Verpflichtungen entscheidend darauf ankommt, das Vertrauen des Auslandes in die deutsche Vertragstreue zu festigen. Eine wirtschaftliche und eine politische Erholung Deutschlands ist nicht möglich ohne das Vertrauen des Auslandes in das deutsche Volk in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Zahlungen zu leisten, fällt jedem schwer. Aber, meine Damen und Herren: einmal besteht eine rechtliche Verpflichtung, zu bezahlen; und weiter, meine Damen und Herren: wir können unsere Wirtschaft nicht weiter aufbauen, wir können keine weitere Förderung unserer Wirtschaft vom Ausland, auf die wir absolut angewiesen sind, erwarten, wenn wir nicht vorher alles tun, was in unserer Kraft steht, um die alten Schulden im Rahmen unserer Leistungsmöglichkeit zu begleichen.
({14})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Gesamtredezeit von 2 Stunden zu beschließen. - Das Haus erhebt keinen Widerspruch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 6. März 1951 richtete die Bundesregierung aus Anlaß der ersten Revision des Besatzungsstatuts an die Alliierte Hohe Kommission ein Schreiben, in dem sie sich bereit erklärte, die Haftung für die deutschen Vorkriegsschulden und für die Wirtschaftshilfe, die seitens der alliierten Mächte nach dem 8. Mai 1945 gewährt worden ist, zu übernehmen. Noch am selben Tage wurde dieses Schreiben der Bundesregierung durch die Alliierte Hohe Kommission bestätigt. In ihrem Schreiben hat die Bundesregierung auf den fundamentalen Grundsatz hingewiesen, daß der allgemeinen Lage der Bundesrepublik und den Wirkungen der territorialen Beschränkung ihrer Herrschaftsgewalt und ihrer Zahlungsfähigkeit Rechnung zu tragen sei. Sie hat an einer weiteren Stelle dieses Schreibens ausgesprochen, daß die allgemeine Lage, die Zunahme der Lasten der Bundesrepublik und die Minderung ihrer volkswirtschaftlichen Substanz bei der Schuldenregelung Berücksichtigung finden müssen. Die Alliierte Hohe Kommission hat diesen maßgebenden Grundsatz ihrerseits anerkannt. Sie hat diesen Briefwechsel vom 6. März 1951 als die Beurkundung eines Abkommens bezeichnet. Dieser Schriftwechsel bildet einen Teil des Sechsten Teils des Überleitungsvertrages und ist als solcher vom Deutschen Bundestag in drei Lesungen genehmigt worden. Er bildet ferner einen Teil des vorliegenden Schuldenabkommens und wird erneut der Beschlußfassung des Bundestages unterworfen werden.
Die Bundesregierung hat sich in diesem grundlegenden Schreiben erneut zum Grundsatz der Identität und der Kontinuität des deutschen Staates bekannt. Wenn die Bundesregierung in demselben Schreiben auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der territorialen Beschränkung
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ihrer Herrschaftsgewalt Bezug genommen hat, so steht und stand diese Bezugnahme keineswegs in Widerspruch zu dem Grundsatz der Identität des deutschen Staatswesens. Diese Bezugnahme auf die beschränkte Territorialgewalt bedeutet keineswegs, daß etwa, wie von anderer Seite gelegentlich behauptet worden ist, auf dem Gebiete des früheren deutschen Staates Teilstaaten entstanden seien, die Teilhaftungen gegenüber Gläubigern übernommen hätten. Sie bedeutet vielmehr, daß die Bundesrepublik, die mit dem deutschen Staat identisch ist und ihn fortführt, in der Lage eines Erben steht, der auch der Rechtsnachfolger des Erblassers ist, dem aber die Rechtsordnung gestattet, eine Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlaß herbeizuführen. In ähnlicher Weise hat die Bundesrepublik auf die Notwendigkeit der Rücksichtnahme auf ihre territoriale Beschränkung und auf die wirtschaftlichen und finanziellen Veränderungen innerhalb ihres Gebietes Bezug genommen.
Die Aufgabe, zu deren Erfüllung die Bundesrepublik sich durch dieses Schreiben vom 6. März 1951 bereit erklärt hat, war groß, schwierig und undankbar. Die Größe und die Schwierigkeit dieser Aufgabe kommt vielleicht zum Ausdruck in der drastischen, aber doch aufschlußreichen und etwas pessimistisch klingenden Äußerung eines sehr maßgebenden Mitgliedes dieses Hohen Hauses - es war nicht der Herr Bundeskanzler -, der damals zu dem Leiter der deutschen Delegation gesagt hat: „Herr A b s , wenn Sie ein schlechtes Ergebnis haben sollten, werden Sie an einem Birnbaum aufgehängt, und wenn Sie gut abschneiden, an einem Apfelbaum." Ich glaube, wir sollten den Pessimismus der damaligen Äußerung Lügen strafen, indem wir heute von dieser Stelle aus dem Leiter der deutschen Delegation für die Schuldenverhandlungen und seinen Mitarbeitern für die außerordentlich schwierige und nervenaufreibende, über viele Monate sich hinziehende Arbeit den Dank des Deutschen Bundestages zum Ausdruck bringen.
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Diese Arbeit war schwierig und kompliziert einmal durch die Vielzahl der Verhandlungspartner. Außer den drei beteiligten alliierten Hauptmächten waren nicht weniger als 31 Länder an den Verhandlungen der Londoner Schuldenkonferenz beteiligt. Das Abkommen, das Ihnen vorliegt, ist mit 20 Staaten abgeschlossen worden, und nicht weniger als 65 Staaten sind zum Beitritt aufgefordert.
Die Arbeit war weiterhin schwierig durch die Vielfältigkeit der Auslandsverpflichtungen, die sich nach den Verpflichtungsarten, nach ihrem Entstehungszeitpunkt und nach ihren Gläubigerländern unterscheiden. Sie war schwierig durch die Vielfalt der Schulden-Kategorien; handelte es sich doch um Schulden des Staates, der Länder, der Gemeinden, der Körperschaften des öffentlichen Rechts, der privaten Industrieunternehmungen, um Stillhalteschulden und um zahlreiche weitere Schulden, die in der vierten Empfehlung behandelt worden sind. Die Vielfalt der zu regelnden Beziehungen drückt sich auch in der Komplexität des Vertragswerks aus, das Ihnen heute in einer Zahl von etwa 230 Seiten vorliegt und das neben dem großen und umfassenden multilateralen Vertrag mit 20 Ländern nicht weniger als sechs andere Abkommen mit Einzelstaaten enthält.
Die Prinzipien, welche der Schuldenregelung zugrunde liegen sollten, sind in dem Bericht der Londoner Schuldenkonferenz vom August 1952 einstimmig angenommen worden. Die Grundlage für das Zustandekommen dieses Abkommens bildete die Erklärung der drei alliierten Mächte, durch die sie sich grundsätzlich zur Herabsetzung ihrer Nachkriegsforderung bereit erklärten, falls eine befriedigende und gerechte Regelung der Vorkriegsschulden erreicht werde. In diesen Prinzipien ist erneut zum Ausdruck gekommen, daß die allgemeine Wirtschaftslage der Bundesrepublik und die Wirkungen der territorialen Beschränkung ihrer Herrschaftsgewalt berücksichtigt werden müssen. Es sollten unerwünschte Auswirkungen auf die Finanzlage vermieden werden. Es sollte eine übermäßige Inanspruchnahme deutscher Devisenquellen unterbleiben. Es sollte keine mehr als vorübergehende Inanspruchnahme von Währungsreserven Platz greifen, und der Transfer der Zahlungen sollte genau wie der Transfer anderer Zahlungen für laufende Transaktionen durch Deviseneinnahmen aus Exporten gedeckt werden. Diese Zahlungsbilanzlage sollte weiterhin durch internationale Zusammenarbeit im Sinne einer liberalen Handelspolitik erleichtert werden. Der Welthandel sollte ausgeweitet und die freie Konvertierbarkeit der Währungen sollte erstrebt werden.
Im Vertrauen auf die Durchführbarkeit dieser Prinzipien sind die Nachkriegsschulden dank dem Entgegenkommen der drei Hauptgläubigerländer wesentlich ermäßigt worden. Die USA haben nicht weniger als 2 Milliarden Dollar der Nachkriegsschulden nachgelassen, Großbritannien die Forderung von 200 Millionen Pfund auf 150 Millionen, Frankreich von 16 auf 11,8 Millionen Dollar ermäßigt. Es würde ein Versäumnis bedeuten, wenn wir nicht in dieser Stunde und von dieser Stelle aus den Dank des deutschen Volkes einmal für die Gewährung dieser Nachkriegshilfe, durch die die Wiedergesundung der deutschen Wirtschaft ermöglicht worden ist, und zweitens für das großzügige Entgegenkommen bei der Streichung eines wesentlichen Teils dieser Verpflichtungen zum Ausdruck bringen wollten.
Erst nachdem durch diese Senkung der Nachkriegsschulden eine Grundlage für weitere Verhandlungen geschaffen worden ist, war es möglich, in langwierigen und zeitraubenden Verhandlungen eine Ermäßigung der Grundlage der Vorkriegsschulden von einer Goldbasis von 13,5 auf 7,3 Milliarden zu erreichen. Kein Gläubiger kann in den ersten fünf Jahren sowohl Zinsen als auch Amortisation verlangen. Die Durchführung dieses Grundsatzes hat bewirkt, daß die Vereinigten Staaten auf die Zinsleistungen von 93 Millionen DM in den ersten fünf Jahren verzichtet und dadurch zu einer Senkung der Annuitäten beigetragen haben. Aus laufenden Überschüssen der Handels- und Dienstleistungsbilanz sollen die laufenden Annuitäten gedeckt werden; sie sollen in Handels- und Zahlungsabkommen Aufnahme finden.
Von ganz besonderer Bedeutung ist Art. 34 des Schuldenregelungsabkommens, der für den Fall einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Konsultation vorsieht. Auf Ersuchen der Bundesregierung oder eines Gläubigerstaates soll eine erneute Beratung stattfinden. Hierbei sollen die maßgeblichen wirtschafts-, finanz- und währungspolitischen Gesichtspunkte berücksichtigt werden, insoweit sie die Transferfähigkeit beeinflussen. Eine ähnliche Bestimmung in einer noch stärkeren Fassung ist in Art. VI des Abkommens mit
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den USA über die Regelung der Ansprüche aus der Nachkriegs-Wirtschaftshilfe eingefügt worden. Neben dieser umfassenden Gesamtregelung des Schuldenregelungsabkommens mit 20 Staaten ist eine Reihe von bilateralen Verträgen und Sonderregelungen getroffen worden.
Besonderer Erwähnung bedürfen die Abkommen, die mit unseren beiden Nachbarländern Dänemark und der Schweiz getroffen worden sind, Ländern, mit denen uns nicht nur die enge geographische Nachbarschaft, sondern auch freundnachbarliche Beziehungen verbinden und in der Zukunft verbinden sollen. Das Land Dänemark hat in der Nachkriegszeit durch die Aufnahme der deutschen Flüchtlinge dem deutschen Volke einen großen Dienst erwiesen, und es ist auch hier an der Zeit, ihm hierfür den Dank auszusprechen. Auch die Schweiz hat bei der Regelung ihrer Forderungen Verständnis für die deutsche Lage gezeigt, wenn sie auch verständlicherweise auf die Regulierung alter Schuldverpflichtungen Wert gelegt hat.
Wenn wir die Gesamtheit der erzielten Regelung betrachten, so glauben wir sagen zu können, daß das Schuldenregelungsabkommen in Verbindung mit den Sonderabkommen einen Erfolg der Verhandlungsführung darstellt und daß es gelungen ist, Lösungen herbeizuführen, die, im Vertrauen auf eine günstige Weiterentwicklung der deutschen Wirtschaft, noch als tolerabel bezeichnet werden können.
Aber wenn wir diese positive Wertung des Abkommens vornehmen, so mischen sich in den Becher der Freude über das gute Gelingen und den von allen Seiten bekundeten guten Willen auch bittere Wermuttropfen. Trotz der weitgehenden Ermäßigung der Vorkriegs- und vor allem der Nachkriegsschulden ist die von der Bundesrepublik übernommene Last schwer. Die zu tragenden Verpflichtungen belaufen sich auf nicht weniger als 14 Milliarden DM. Zu diesen Verpflichtungen treten die weiteren Verpflichtungen aus dem Israel-Abkommen in Höhe von 3,5 Milliarden DM und aus der individuellen Wiedergutmachung.
Das Abkommen kann nur im Vertrauen darauf gutgeheißen werden, daß die günstige Entwicklung der deutschen Wirtschaft in den künftigen Jahren andauern wird. Aber gerade im Dollarraum können möglicherweise Schwierigkeiten eintreten, wenn sich nicht die Exportmöglichkeit aus Deutschland nach diesem Raum auch in Zukunft günstig gestaltet.
Es muß bedauert werden, daß sich der Grundsatz der Berücksichtigung der territorialen Beschränkung der deutschen Herrschaftsgewalt, den auch die Gegenseite anerkannt hat, in dem Abkommen nur in unvollkommener Weise hat durchsetzen lassen. Eine Kapitalreduktion, die diesem Grundsatz in vollem Ausmaß gerecht geworden wäre, hat sich leider nicht erzielen lassen. Bei der Berechnung der Zinsen aus den alten deutschen Reichsanleihen, insbesondere der Young- und der Dawes-Anleihe, ist diesem Grundsatz allerdings Rechnung getragen worden; die Bedienung dieser großen Reichsanleihen durch Zinsen und Amortisation ist bis zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung hinausgeschoben worden.
Mit der vollen Übernahme der Verpflichtungen, die die Saar berühren, erkennt die Bundesrepublik die rechtliche Eigenart der Saar als eines Teiles Deutschlands an.
Durch den Verzicht auf die Beibehaltung der Goldklausel ist der territorialen Beschränkung der
Bundesrepublik nicht, wie von der Gegenseite angenommen wurde, ausreichend Rechnung getragen worden; denn die Goldklausel hätte, nachdem der Dollar seinerzeit um 40,6 % gegenüber dem Goldkurs abgewertet worden ist, nicht aufrechterhalten werden können.
Ein weiteres Bedenken betrifft die Frage der Währungsumstellung bei Goldmarkschulden und Reichsmarkschulden mit Goldklausel. In diesen Fällen ist vorgesehen, daß die Umstellung nicht im Verhältnis 10 : 1, sondern im Verhältnis 1 : 1 erfolgt, und zwar dann, wenn es sich um Goldmarkverbindlichkeiten spezifisch ausländischen Charakters handelt. Die deutsche Währungsumstellung des Jahres 1948 geht auf Direktiven der alliierten Mächte zurück. In diesen Umstellungsgesetzen ist das Umstellungsprinzip 10 : 1 grundsätzlich anerkannt und die Umstellung demgemäß durchgeführt worden. Wenn nunmehr in den vorliegenden Verträgen für Angehörige der alliierten Mächte in den genannten Fällen eine begünstigte Währungsumstellung, nämlich im Verhältnis 1 : 1, vorgesehen wird, so wird damit der Grundsatz gleichmäßiger Behandlung von Inländern und Ausländern zweifellos nicht beachtet. Diese unterschiedliche Behandlung weist vielmehr die Trennungslinie auf, die die Besiegten von den Siegermächten trennt. Der Umstellungsgrundsatz 1 : 1, der bisher nur für die alliierten Mächte galt, ist in den Abkommen ausgedehnt worden auf weitere Länder und Angehörige weiterer Länder, die nicht zu den alliierten Mächten gehören, immer unter der Voraussetzung, daß es sich hierbei um Hypotheken auf Goldmarkbasis oder um Reichsmarkhypotheken mit Goldklausel handelt und daß diese Schuldverpflichtungen einen spezifisch ausländischen Charakter aufweisen. Es handelt sich bei dieser Ausdehnung in erster Linie um die Goldmarkhypotheken schweizerischer Gläubiger, die in einer Höhe von schätzungsweise 30 Millionen bestehen. So anerkennenswert es ist, daß schweizerische Gläubiger ihr Kapital seit vielen Jahrzehnten immer wieder nach Deutschland ausgeliehen und hierdurch wirtschaftliche Aufbaumöglichkeiten geschaffen und gefördert haben, so kann andererseits doch nicht verkannt werden, daß die Geschichte vieler derartiger Goldmarkhypotheken, die manchmal bis in die Zeit um 1870 zurückreichen, sich als eine Tragödie für die Schuldner entwickelt hat. Diese Schuldner haben zweimal den Verlust ihrer Ersparnisse erlebt. Ihre Häuser sind vielleicht in Trümmer gelegt worden, aber ihre Schulden sind bestehengeblieben.
Das vorliegende Abkommen sieht vor, daß diese Goldmarkhypotheken schweizerischer Gläubiger wiederum aufleben und in gewissen Fällen neu eingetragen werden können. Hierdurch tritt in vielen Fällen eine Benachteiligung der deutschen Schuldner ein, die sich darauf verlassen haben, daß die Umstellung dieser Goldmarkhypotheken auf Grund der Umstellungsgesetze des Jahres 1948 erfolgt. Diese deutschen Schuldner verlieren insbesondere die Begünstigungen, die ihnen bezüglich ihrer Umstellungsverpflichtungen durch das Lastenausgleichsgesetz eingeräumt worden sind. Es muß daher die Forderung erhoben werden, daß die Bundesrepublik, nachdem sie diese Goldmarkhypotheken zugunsten ausländischer, insbesondere schweizerischer Gläubiger wiederhergestellt hat, die deutschen Schuldner in vollem Umfange für alle Benachteiligungen materieller und finanzieller Art, die ihnen durch diese Maßnahme erwachsen, schadlos hält.
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Es ist zu bedauern, ,daß es nicht gelungen ist, einen Kapitalnachlaß auch in dem Abkommen zu erhalten, das die Bundesrepublik mit den USA über die Regelung der Verbindlichkeiten aus der Lieferung von Überschußgütern, den sogenannten StEG-Gütern, geschlossen hat. Die Gründe, weshalb sich die Vereinigten Staaten zu einem solchen Nachlaß nicht entschlossen haben, sind in der Begründung zur Vorlage dargelegt worden. Es sind haushaltsrechtliche Schwierigkeiten, und es besteht das Bedürfnis, weiterhin gewisse Beträge in Landeswährung zur Verfügung zu haben. Aber gerade in diesem Falle wirkt sich das Fehlen einer Kapitalreduktion als besonders bedauerlich aus; denn die Erlöse aus den StEG-Gütern sind bereits vor der Währungsreform erzielt worden und vielfach untergegangen, und dem Wert der gelieferten Waren in Höhe von rund 216 Millionen Dollar steht eine Deckung nur noch etwa in Höhe eines Viertels dieses Betrages gegenüber.
Eine besondere Sorge hat uns immer der Zusammenhang zwischen den Auslandsschulden und dem Auslandsvermögen bereitet. Die Bundesregierung hat noch im Frühjahr 1951, wenige Wochen nach ihrer grundlegenden Erklärung vom 6. März 1951, der Alliierten Hohen Kommission den Wunsch unterbreitet, daß das deutsche Auslandsvermögen zur Deckung der deutschen Auslandsschulden herangezogen werden möge. Die Alliierte Hohe Kommission hat namens der von ihr vertretenen Mächte diesem Wunsch der Bundesregierung nicht stattgegeben. Auch in der Folgezeit ist diese Haltung der alliierten Mächte unverändert geblieben. Es ist seitens der alliierten Mächte lediglich anerkannt worden, daß die Tatsache des Verlustes des deutschen Auslandsvermögens als ein Faktor anerkannt werden kann, der die deutsche Transferfähigkeit und die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft beeinflußt. Diese Feststellung ist für uns betrüblich, und wenn wir uns heute durch den Abschluß dieses Abkommens zu der Anerkennung des Eigentums und auch des Privateigentums feierlich und vor aller Welt bekennen, so können und müssen wir hiermit den Wunsch verbinden, daß dieses Eigentum nicht nur innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland, sondern innerhalb der ganzen Welt und der ganzen Menschheit als ein schutzwürdiges Gut ein für allemal anerkannt und respektiert werden möge.
Wir haben in Verbindung mit der heutigen Behandlung der Schuldenregelungsabkommen einige Wünsche zum Ausdruck zu bringen. Der Herr Vorsitzende der deutschen Delegation hat bei der Schlußverhandlung in London in unmißverständlicher Weise die Erklärung abgegeben, falls seitens der alliierten Mächte - was wir nicht annehmen können - noch Reparationsansprüche jemals erhoben werden sollten, wäre Deutschland nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen aus den Schuldenregelungsabkommen nachzukommen. Es erscheint wichtig und notwendig, ,daß sich der Deutsche Bundestag diese Erklärung des Leiters der deutschen Schuldenregelungsdelegation zu eigen macht.
Die Schuldenregelung stellt in gewissem Sinne eine Vorwegnahme des Achten Teils des Überleitungsvertrags dar. Es ist richtig, daß die Vertragspartner des Überleitungsvertrags und des Schuldenregelungsabkommens verschiedene sind. Aber auch die drei alliierten Mächte sind Mitvertragspartner des Schuldenregelungsabkommens. Deutschland nimmt somit in diesem Schuldenregelungsabkommen gewisse Verpflichtungen vorweg, die ihm im Achten Teil des Überleitungsvertrags auferlegt werden sollen. Der Sechste Teil des Überleitungsvertrags behandelt das Schicksal des deutschen Auslandsvermögens und eröffnet gewisse, wenn auch bescheidene, Verhandlungsmöglichkeiten für Deutschland mit gewissen Ländern über bestimmte deutsche Auslandsvermögenswerte. Wenn Deutschland sich heute bereit erklärt, zur Wiederherstellung des internationalen Vertrauens gewisse wichtige und weittragende Verpflichtungen, die im Überleitungsvertrag vorgesehen sind, gegenüber den Gläubigerländern und den alliierten Mächten jetzt schon, vor der Ratifikation des Überleitungsvertrags, zu übernehmen, dann darf dem Wunsche Ausdruck gegeben werden, daß der Bundesrepublik in Würdigung dieser deutschen Bereitschaft zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen gestattet werden möge, von den Verhandlungsmöglichkeiten, die ihr im Sechsten Teil des Überleitungsvertrags bezüglich bestimmter Auslandsvermögenswerte eröffnet sind, schon jetzt und ohne Verzug Gebrauch zu machen. Es dürfte seitens der zuständigen Ausschüsse zu prüfen sein, ob und in welcher Form ein Ersuchen an die Bundesregierung gerichtet werden soll, einen derartigen Schritt bei den alliierten Mächten zu unternehmen.
Ein weiterer Wunsch ist von mir bereits vorhin angedeutet worden. Es ist notwendig, diejenigen deutschen Schuldner, deren Rechtslage durch den Abschluß des deutsch-schweizerischen Schuldenabkommens verschlechtert wird, in vollem Umfang zu entschädigen. Die Bundesrepublik soll demgemäß verpflichtet sein, den deutschen Schuldner von allen Verbindlichkeiten zu befreien, die ihm über die Verpflichtungen hinaus auferlegt werden, die sich für ihn auf Grund der deutschen Umstellungsgesetze ergeben würden. Die Bundesregierung ist damit befaßt, ein Ausführungsgesetz für die Durchführung der Schuldenregelungsabkommen auszuarbeiten. Es darf der Erwartung Ausdruck gegeben werden, daß dieses Ausführungsgesetz eine vollkommene Schadloshaltung dieser deutschen Schuldner enthält.
Der Ältestenrat hat in Erwägung gezogen, die beschleunigte Prüfung des sehr umfassenden Vertragswerkes einem neu zu bildenden Sonderausschuß zu übertragen. Es gäbe einen anderen Weg, der mir persönlich als der vielleicht glücklichere erscheinen möchte. Ich glaube, ,daß für dieses Vertragswerk, bei dem der Primat des politischen Gesichtspunkts vor dem finanziellen und dem wirtschaftspolitischen anerkannt werden muß, der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten federführend sein sollte und daß man ihn beauftragen sollte, in Gemeinschaft mit den anderen beteiligten Ausschüssen eine Arbeitsgruppe zu bilden, in der möglichst beschleunigt das gesamte Vertragswerk unter den verschiedenen Gesichtspunkten, die aus den verschiedenen Ausschüssen herangebracht werden, geprüft wird. Diese Prüfung sollte eine sorgfältige, aber auch eine beschleunigte sein.
Abschließend darf ich in wenigen Worten nochmals eine Gesamtwürdigung dieses großen Vertragswerks abgeben. Es legt dem deutschen Volke zweifellos große und schwere Opfer auf. In der Geschichte der deutschen Verschuldung, der Nachkriegsverschuldung der beiden Weltkriege, in den jahrelangen Bemühungen, eine Lockerung und Lösung des Schuldenbandes zu erzielen, ist das Spiegelbild eines tragischen Ablaufs der deutschen Geschichte zu erblicken, die durch zwei Katastrophen geführt hat. Es ist der Sinn des Abkom({4})
mens, einige Jahrzehnte der deutschen Geschichte auf dem finanziellen und finanzpolitischen Gebiet zu liquidieren. In diesem Sinne ist ,das Abkommen in die Vergangenheit gerichtet. Aber es weist zugleich in die Zukunft. Denn es bedeutet zugleich eine Novation von Schuldverpflichtungen, eine Konsolidierung und Fundierung bereits bestehender Schulden, einen Neubeginn, der allerdings mit schweren Hypotheken belastet ist. Es wird somit gleichzeitig ein Schlußstrich unter eine tragische Vergangenheit gezogen und ein neuer Anfang mit schweren Opfern gemacht. Dieser Neubeginn fällt zeitlich zusammen mit dem Zeitpunkt, in dem sich Deutschland anschickt, seine Souveränität wiederzugewinnen und sich in eine neu zu schaffende europäische Ordnung als gleichberechtigter Partner einzufügen. Nach der finanziellen Seite, aber auch nach der Seite der Wiedergewinnung des Vertrauens soll das Abkommen, wie es unter Ziffer 21 des Berichts der Londoner Schuldenkonferenz heißt, „zu der Wiederherstellung des internationalen Kredites Deutschlands durch Neubegründung des Vertrauens in das finanzielle Ansehen und die Verläßlichkeit Deutschlands als Kreditnehmer beitragen". Aber die Bedeutung und der Sinn des Abkommens wächst weit über den Rahmen seiner finanziellen Bestimmungen hinaus. In einer Welt der zerstörten Ordnung sollen alte und bewährte, aber allzuoft vergessene Tugenden als neue Eckpfeiler wiederhergestellt werden, wie ein Rocher de bronze: die Bereitschaft zur Erfüllung übernommener Verpflichtungen, die Respektierung des Eigentums und die Treue zu den Verträgen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Geschäftsordnung ist zwar voll Genüge getan, indem diese 215 Seiten umfassende Druckschrift eine Woche vor der Behandlung im Parlament in die Fächer der Abgeordneten gelegt worden ist; aber es ist doch zu fragen, ob bei einer so schwierigen und verwickelten Materie die Abgeordneten des Bundestags nicht früher unterrichtet werden sollten.
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Das Studium dieser Originaldokumente ist um so notwendiger, als die Zeitungen bisher außerordentlich unzulänglich berichtet haben. Jedenfalls konnte die Lektüre von einigen Hundert Zeitungsausschnitten kein Bild vermitteln von dem, was im Londoner Schuldenabkommen wirklich geschehen ist. Wenn eine so seriöse Zeitung wie das „Handelsblatt" oder eine Wochenschrift wie der „Volkswirt" - der ja auch große Ansprüche an sich stellt - so schief, so falsch, so unzulänglich berichten, so muß uns das doch zu denken geben, und wir sind hier wie in vielen anderen Fällen in der Hauptsache auf die „Neue Zürcher Zeitung" und die „Tat" angewiesen.
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Der erste Eindruck nach der Lektüre des Vertragswerks ist der, daß die deutsche Delegation unter Hermann A b s gut zusammengesetzt und gut geführt ist und daß sie mit Geschick und Erfolg verhandelt hat.
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Was wir nicht wissen, aber gerne wissen möchten,
ist, nach welchen Richtlinien des Herrn Bundeskanzlers die Delegation ihre Arbeit getan hat.
Ich will in der ersten Lesung nicht auf Einzelheiten eingehen, sondern mich auf wenige Anmerkungen beschränken. Der zentrale Punkt des gesamten Abkommens ist ja die wirtschaftliche Tragfähigkeit, und zwar sowohl was die Aufbringung des gewaltigen Schuldendienstes im Inneren als auch was den Transfer ins Ausland betrifft. Es ist hier die Frage zu stellen, ob sowohl die innere Aufbringung wie die Übertragung ins Ausland ohne wirtschaftliche, soziale und politische Schwierigkeiten durchgeführt werden können. Man vermißt in dem Vertragswerk eine Transferschutzklausel mit objektiven Merkmalen. Es wird deshalb zu fragen sein, ob die Bestimmungen über den Transfer in Art. 9 und die Konsultativklausel in Art. 34 des Vertragswerkes und die entsprechenden Artikel 6 bzw. 8 in den zweiseitigen Abkommen mit USA und Großbritannien, ferner in dem Abkommen mit Frankreich den tatsächlichen Bedürfnissen genügen. Diese Frage wird bei den Ausschußarbeiten ganz besonders beraten werden müssen.
Dann verdient eine besondere Beachtung die Frage der sogenannten „Ballons", d. h. der auf einmal fälligen Rückzahlungen der Anleihen zwischen 1960 und 1978. Wahrscheinlich werden solche „Ballons" nur mit neuen Anleihen an alte oder neue Schuldner zu bezahlen sein. Auch diese Frage wird bei den Ausschußberatungen besonders beachtet werden müssen. Wir werden die gesamten Lasten bei Aufbringung und Transfer während der Laufzeit des Abkommens prüfen müssen, da eine Koordination mit den anderen Belastungen in diesem Abkommen vermißt wird.
Die Basis für dieses Abkommen bildet der Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den Hohen Kommissaren vom 6. März 1951. In diesem Briefwechsel ist klar zum Ausdruck gebracht, daß er durch das Parlament ratifiziert werden muß. Das hat der Herr Bundeskanzler aber leider unterlassen. Daß die Ratifizierung implizite jetzt geschieht, ist zwar richtig, hat aber den Herrn Bundeskanzler nicht von der Verpflichtung entbunden, unmittelbar nach diesem Briefwechsel vom 6. März 1951 das Parlament mit der Sache zu befassen und die Genehmigung des Parlaments einzuholen.
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Es ist doch überhaupt zu fragen, ob bei Abkommen von so entscheidender Bedeutung das Parlament nicht vorher unterrichtet werden sollte, damit es in der Lage ist, seine Zustimmung zu den großen Linien, nach denen verhandelt werden soll, zu geben. Das haben wir nicht nur hier, sondern auch bei anderen, bei allen Fragen von außenpolitischer Bedeutung vermißt. Es wäre auch zu wünschen, daß der Regierungschef in allen solchen Fragen mit der Opposition rechtzeitig Fühlung aufnehmen würde.
Ich möchte noch ein paar Anmerkungen mehr grundsätzlicher Art hinzufügen: Dieses Abkommen über die deutschen Auslandsschulden steht in derselben Perspektive und unterliegt mithin denselben Kriterien wie die Verträge von Bonn und Paris. Wie diese Verträge, stellt das Abkommen einerseits eine Liquidation der Vergangenheit, andererseits eine Verpflichtung dar, die weit in eine unsichere und unüberschaubare Zukunft reicht. In einem
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Zeitpunkt, in dem die außenpolitischen Weltfronten in Bewegung geraten sind und eine Lösung der deutschen Frage zumindest möglich erscheint, drängt sich die Regierung der Bundesrepublik geradezu danach, dem deutschen Volke schwere und unübersehbare Verpflichtungen aufzuerlegen, bevor die völkerrechtliche, die politische und die wirtschaftliche Zukunft Gesamtdeutschlands auch nur in Umrissen sichtbar wird. Wir haben jede Frage, nicht zuletzt auch das Problem des Londoner Schuldenabkommens, unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, wie es auf die deutsche Wiedervereinigung wirkt, ob es sie fördert oder hindert.
({5}) Verpflichtungen solcher Art setzen einen Grundbestand fester Aspekte voraus, die eine Abschätzung der Tragfähigkeit für solche Verpflichtungen erlauben, wie sie nur ein Friedensvertrag oder wenigstens eine klare. Sicht auf künftige Entwicklungen, inbesondere auf die Frage etwaiger Reparationsverpflichtungen, ermöglicht. Dies gilt schon für ein besiegtes Land wie das Deutsche Reich nach dem Ersten Weltkrieg, das eine Schulden- und Reparationslast übernehmen mußte und übernahm, der es gar nicht gewachsen sein konnte. Um so mehr gilt das für ein Volk, das mit der unendlich größeren Belastung des Zusammenbruchs nach dem Zweiten Weltkrieg eine schwerwiegende und sowohl politisch als auch wirtschaftlich belastende Bündnisverpflichtung auf sich nehmen will, die ebenfalls unübersehbare Zukunftslasten aufbürdet. Wenn diese Bündnisverpflichtung, wie ja immer betont wird, auf gleichberechtigter Partnerschaft beruht, folgt daraus, daß der frühere Gegner das Schulden- wie das Verpflichtungsverhältnis des neuen Partners komplex, im ganzen, betrachten muß, nicht aber isoliert.
Der Begriff der Verpflichtung bringt es mit sich, daß man nicht mehr übernimmt, als man äußerstenfalls zu leisten verantworten kann. Jede Vabanquepolitik, die sich auf die unsichere Zukunft verläßt, wäre nach beiden Seiten verantwortungslos. Niemand leugnet - und wir wären die letzten, die es tun würden - unsere moralische und faktische Verpflichtung, Schulden anzuerkennen und abzutragen, auch solche der Vorkriegszeit. Im Rahmen der Partnerschaft, die wir eingehen sollen, ist jedoch die einseitige Perspektive der Frage von „Schuld" und „Recht", wie sie die Drei Mächte oft üben, sehr gefährlich. Es muß ein gerechter, d. h. ein lebensfähiger Ausgleich zwischen Verschuldung und Bündnisfähigkeit gefunden werden, ein Ausgleich, wie er in dem doppelpoligen Ausdruck „Verpflichtung" enthalten ist.
Die Frage nach der Verantwortlichkeit, der Verpflichtung, die der Bundesrepublik auferlegt wird, erscheint nach beiden Seiten offen. Man kann hier die Frage nicht außer acht lassen, ob die Aufrechterhaltung der Beschlagnahme der deutschen Auslandsguthaben und der deutschen Auslandsvermögen mit der echten Partnerschaft auf Tod und Leben vereinbar ist;
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man wird vielmehr sagen müssen, daß diese Fragen nur insgesamt gelöst werden können. Man müßte von der Bundesregierung gewissermaßen einen Gesamtlastenplan erwarten. Hierzu werden wir dem Herrn Bundeskanzler in den Ausschußberatungen noch ganz konkrete Fragen stellen. Was heute schon offenbar scheint, ist die gefährliche Tatsache, daß man auf beiden Seiten eben
nicht über den gesamten Komplex der deutschen Auslandsverpflichtungen, sondern, wie ich schon andeutete, über die einzelnen Sparten und Lasten besonders verhandelte und daß überhaupt nicht alle Verpflichtungen geregelt wurden. Das gilt z. B. für die Reparationsforderungen, die zwar formell nicht vor dem Friedensvertrag erhoben werden sollen, auf die man aber andererseits bisher auch nicht verzichtete. Das gilt weiterhin - ich will es im einzelnen nicht aufzählen - für die sogenannten Altschulden, die noch zu regeln sind. Das gilt vor allem für den Finanzvertrag und die finanziellen Bestimmungen des EVG-Vertrags. Das gilt für die Zahlungsverpflichtungen aus dem Montanunionpakt, für das Abkommen mit Israel und für die zahlreichen individuellen Restitutions-forderungen. Die erhoffte Anerkennung der Bundesrepublik als Wirtschaftspartner und die Wiederherstellung des Vertrauens in die deutsche Vertragstreue würden aber in Frage gestellt, wenn wir Verpflichtungen übernehmen, die unerfüllbar sind. Es ist leider nicht so, wie Herr Kollege Kopf vorhin ausführte, daß mit dem Londoner Schuldenabkommen ein Schlußstrich unter die Vergangenheit gesetzt wird;
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sondern es ist vielmehr so, daß noch sehr viele zähe Verhandlungen geführt werden müssen und daß noch sehr viel Einsicht auf der Seite der Alliierten erweckt werden muß, bis wir einmal zu einem solchen Schlußstrich - hoffentlich - kommen werden.
Dieses Schuldenabkommen ist so umfangreich, so gewaltig, daß ich glaube, daß es in der Finanzgeschichte keine Parallele dafür gibt. Solche Abkommen können nur dann wirklich Vertrauen für Deutschland erwerben, wenn eine breite parlamentarische Mehrheit solchen Abkommen zustimmt. Die Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion ist noch offen. Wir werden uns intensiv an den Ausschußberatungen beteiligen, und wir werden von dem Ergebnis dieser Beratungen unsere endgültige Stellungnahme zu diesem Vertragswerk abhängig machen.
Herr Kollege Kopf hat den Gedanken, den ich ihm gestern sagte und der ein Beschluß der sozialdemokratischen Fraktion ist, freundlicherweise aufgegriffen. Wir waren in unserer Fraktionssitzung vorgestern der Meinung, daß bei einem Vertragswerk von so großer außenpolitischer Bedeutung unter allen Umständen der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten die Federführung haben muß.
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Wenn man nun aber bedenkt, daß auch die Ausschüsse Haushalt, Finanzen und Steuern, Geld und Kredit, Wirtschaftspolitik und Außenhandel mitberaten sollten, dann würden wir, falls wir diese Vorlage federführend an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, mitberatend an die eben genannten fünf Ausschüsse überweisen, nach unserer Meinung einen Fehler begehen. Wir würden die Verabschiedung des Vertragswerks über Gebühr hinauszögern. Deshalb kamen wir zu dem Ergebnis: nur Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, was ich hiermit beantrage, und diesem Ausschuß jedoch dann die Auflage zu geben, daß er einen Arbeitskreis bildet, dem sachverständige Mitglieder seines eigenen Ausschusses und der übrigen genannten Ausschüsse angehören. Ein solcher Arbeitskreis würde sich im
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wesentlichen auf die finanziellen, die rechtlichen und die technischen Fragen des Vertragswerkes beziehen, während die eigentliche Beratung über das außenpolitisch Wichtige beim Auswärtigen Ausschuß läge. Ich wäre also dem Hohen Hause dankbar, wenn es diesem Antrag zustimmen würde, da durch Annahme dieses Antrags die schnelle Verabschiedung und die gute Beratung im Auswärtigen Ausschuß und in dem Arbeitskreis gewährleistet ist.
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Herr Abgeordneter, ist Ihre Meinung, daß dieser Arbeitskreis zahlenmäßig begrenzt sein soll?
Ich glaube, Herr Präsident, man müßte ihn schon siebenundzwanzigköpfig machen, aber auch nicht größer; also in der Größe eines normalen großen Ausschusses.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Jaffé.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn auch die Normalisierung der Beziehungen der Bundesrepublik zu den Staaten der übrigen freien Welt in wirtschaftlicher Beziehung bereits weit fortgeschritten ist, so erscheint es doch schon auf den ersten Blick als anomaler Zustand, daß auf einem so grundlegenden Gebiet wie dem der Schuldenregelung noch Verhältnisse herrschen, die keineswegs dem Fortschritt der letzten Jahre in Hinsicht auf die wirtschaftlichen Beziehungen entsprechen. Ich bin infolgedessen nicht der vom verehrten Kollegen Dr. Gülich ausgedrückten Meinung, daß die Bundesregierung gewissermaßen voreilig gehandelt habe, wenn sie auf eine schnelle Lösung dieses Problems gedrängt und dazu die nötigen Schritte unternommen hat. Der Zustand war doch folgender: Nicht erst während des Krieges, sondern auch in den Jahren vorher war z. B. die Bedienung der Auslandsschulden nicht mehr vertragsgemäß, und seit 1945 war von irgendwelcher Verzinsung oder Tilgung, geschweige denn einer Gesamtrückzahlung alter Schulden nicht mehr die Rede, und die neuen Schulden auf Grund der Wirtschaftshilfe hingen völlig in der Luft. Schon - das ist hier von Vorrednern bereits betont worden - die Wiederkehr der Vertragstreue und die Rückkehr zum Eigentumsbegriff erforderten eine Regelung. Der Zustand des zahlungsunfähigen Schuldners, in dessen Rolle unsere Bundesrepublik geraten war, mußte doch ein Ende finden, ein Ende, das nach Lage der Dinge nur ein Vergleich sein konnte. Als solchen müssen wir daher das Londoner Abkommen auch sehen und werten.
Im Verhältnis der Völker miteinander ist es doch nicht anders als im Geschäftsleben: Neue wirtschaftliche Beziehungen zwischen einem bankrotten Schuldner und seinen früheren Geschäftspartnern stehen so lange auf völlig unsicherer Basis, als die alten Verpflichtungen nicht bereinigt sind. Daß die Kapitalarmut unserer Bundesrepublik, die nach einer Aufbesserung durch finanzielle Hilfe auf der Basis echter Verträge, sei es der öffentlichen Hand - ich denke z. B. an die Bundesbahn -, sei es von privaten Unternehmungen, also auf kommerzieller Basis, geradezu schreit, nicht abgestellt werden kann ohne eine faire Regelung der bisherigen Verpflichtungen gegenüber dem Ausland, ist dabei selbstverständlich.
Das umfangreiche Vertragswerk als Ergebnis langwieriger Verhandlungen versucht der deutschen Situation gerecht zu werden. Es wäre dabei doch eine einseitige Betrachtung, wollte man nicht anerkennen, daß auf der anderen Seite mit sehr viel Geduld bisher stillgehalten worden ist und daß in dem Abkommen von allen ausländischen Gläubigern Opfer gebracht worden sind. Es ist gelungen, praktisch alle Gläubiger unter einen Hut zu bringen. Das sollte uns, glaube ich, damit aussöhnen, daß man dabei zwischen ehemaligen Kriegsgegnern und Neutralen keinen Unterschied gemacht hat. Es wäre ja auch nicht angegangen, einzelnen Gläubigerländern dadurch letzten Endes eine bessere Position uns gegenüber zu ermöglichen, daß man sie nicht in die generelle Regelung einbezogen hätte.
Eine grundsätzliche Betrachtung dieser generellen Regelung, zu der unsere. Zustimmung von der Bundesregierung begehrt wird, müßte unseres Erachtens vor allem zwei Gesichtspunkte umfassen. Erstens: War unter den gegebenen Verhältnissen zu unserem Gunsten noch mehr zu erreichen?, und zweitens: Sind die Lasten, die uns das Abkommen in seiner Gesamtheit auferlegt, für uns wirtschaftlich tragbar?
Ich darf zum ersten Punkt kurz sagen: Es ist leicht, Kritik zu üben, vor allen Dingen für solche, die nur allzu gern der Tatsache sich verschließen, daß das Ansehen Deutschlands auch in der uns befreundeten Welt noch lange nicht so gefestigt ist, als daß man in solchen Verhandlungen uns nicht mit teilweise sehr starken Vorurteilen gegenüberträte. Zudem darf man nicht vergessen, daß Verträge, an denen nicht weniger als 31 Länder unmittelbar beteiligt sind, immer nur ein Kompromiß darstellen können, ein Kompromiß zwischen Leistungsfähigkeit des Schuldners und - das muß man dabei immer wieder anmerken - den verbrieften Rechten der Gläubiger. Wir glauben - ohne hierbei der eingehenden Prüfung auf der Ausschußbasis vorgreifen zu wollen -, daß man in den langwierigen und zähen Verhandlungen, die sich auf dem Verhandlungsergebnis von 1951 über die Nachkriegsschulden mit aufbauen mußten, doch das erreicht hat, was man von der deutschen Delegation angesichts der äußerst schwierigen und detaillierten Problemstellung billigerweise erwarten konnte.
Dabei ist gerade für meine Fraktion eines besonders unbefriedigend. Vorhin ist mehrfach betont worden, daß es nicht gelungen ist, bei der Schuldenregelung auch eine Behandlung der deutschen Auslandsvermögen zu erreichen, die gegenüber der bisherigen, als besondere Härte empfundenen, eine Verbesserung bedeutet hätte. Es war doch ein Gebot der Gerechtigkeit, zur Abdeckung der Schulden solche Vermögenswerte des Schuldners zunächst heranzuziehen, die sich in Gläubigerhänden befinden, statt es einfach bei der Konfiskation dieser Werte zu belassen. Wir bedauern dabei gleichfalls, daß die angestrebte globale Regelung, die ohne Zweifel per Saldo für uns günstiger gewesen wäre, nicht hat erreicht werden können. Das Abkommen sieht, wie bekannt, Einzelregelungen der verschiedenen Schuldengruppen vor und ist auch dementsprechend gegliedert. Es handelt sich, wie Ihnen bekannt ist, um ein gesamt-multilaterales Abkommen und verschiedene bilaterale Verträge. Schließlich ist es dabei doch gelungen, die Vorkriegsschulden - die Zahlen sind bereits genannt worden - von rund 131/2 Milliarden auf etwa 7,3
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Milliarden herunterzusetzen. Dabei dürfen Sie natürlich nicht vergessen, daß die Regelung der kommerziellen Schulden nicht so günstig ist wie die Regelung der Schulden der öffentlichen Hand.
Zu dem zweiten Problem, zu der Frage der wirtschaftlichen Tragbarkeit der sich aus dem Abkommen ergebenden Lasten habe ich kurz folgendes zu sagen. Entscheidend sind natürlich die Annuitäten, die Jahresleistungen, einmal in Hinsicht auf ihre Höhe in D-Mark, andererseits in bezug auf die Frage des Transfers. Das Transferproblem
- das ist für jeden, der mit der Materie auch nur einigermaßen vertraut ist, selbstverständlich
- ist das Entscheidende. Unsere mühsam aufgebauten Währungsreserven können hierfür keinesfalls in Anspruch genommen werden. Es ist klar, daß nur vermehrte Exportüberschüsse - und zwar angesichts sinkender Weltmarktpreise mengenmäßig gesteigerter und ausgedehnter Außenhandel
- den Transfer verbürgen. Auch in den bekanntlich in bezug auf die Annuitäten begünstigten ersten fünf Jahren ist die Größenordnung von 567 Millionen DM derart, daß es alle Anstrengungen kosten wird, um hiermit fertig zu werden. Auf den Art. 34, die Konsultations- und Revisionsmöglichkeit, möchte ich in diesem Zusammenhang nur kurz hinweisen. Die Annuitäten, an denen die öffentliche Hand mit rund zwei Dritteln, die Privatschuldner etwa mit einem Drittel beteiligt sind, stellen gegenüber dem bisherigen Zustand ohne Zweifel eine zusätzliche ernste Belastung dar. Es gibt aber für einen Schuldner keinen anderen Ausweg, als im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit seine Verpflichtungen in der Form von Annuitäten abzutragen. Wir dürfen wohl hoffen, daß unsere Leistungsfähigkeit für die vorgesehenen Raten ausreicht. Was die Belastungen des öffentlichen Haushalts, in erster Linie des Bundes, angeht, so tragen wir an dieser neuen Last besonders schwer. Der prozentuale Anteil dieser Last ist im Verhältnis zum Gesamthaushaltsvolumen nicht erschrekkend. Ich muß aber immer wieder daran erinnern, in welch hohem Maße, nämlich in Höhe von über 80 %, der Bundeshaushalt unelastisch und für festliegende große Aufgaben in Anspruch genommen ist, so daß jede zusätzliche Belastung aus dem verhältnismäßig kleinen, noch zur Verfügung stehenden Restbetrag gedeckt werden muß. Auch der privaten Wirtschaft werden die Lasten angesichts der hohen Gesamtbelastung, die bereits zugunsten der öffentlichen Hand besteht, Kummer genug machen.
Ich darf mit einigen kurzen Worten dahin zusammenfassen: Wir sind uns der Schwere der Last und insbesondere des Risikos des Transfers durchaus bewußt. Wir halten es aber für unser Ansehen wie für unseren Kredit für unumgänglich notwendig, zu einer Regelung der Frage der Auslandsschulden, und zwar möglichst schnell, zu gelangen. Sie muß umfassend sein, und sie muß tragbar sein. Wir werden die sehr umfangreichen und detaillierten Abkommen im einzelnen noch zu prüfen haben, stehen aber heute nicht an, zu erklären, daß wir im Grundsatz den in London vereinbarten Regelungen zustimmen. Wir sehen sie - wie schon seitens des Herrn Bundeskanzlers betont worden ist - als einen wesentlichen Beitrag zur Vertiefung der Zusammenarbeit der freien Welt an. Der Geist ihrer Durchführung wird zum Prüfstein für den Willen aller werden, zum gemeinsamen Ziel zu gelangen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Föderalistische Union - Bayernpartei-Zentrum - hält das abgeschlossene Vertragswerk, das uns nunmehr zur Beurteilung vorliegt, für ein - wie man auch sonst darüber denken mag - sehr vierdienstliches Werk. Die Arbeit, die da geleistet worden ist, war sehr mühevoll. Die Regelung der Schulden war für unsere internationalen Beziehungen zu den Gläubigerländern überfällig und dringend notwendig. Es sei also vorab unser Dank namentlich der Kommission ausgesprochen, die so gründliche und sorgfältige Arbeit geleistet hat. Es ist ein dringendes Bedürfnis und unterstützt über das Moralische und Ethische hinaus auch unsere Kreditwürdigkeit und den Willen unserer früheren Gläubiger, mit uns weiter zusammenzuarbeiten, erheblich, daß wir nunmehr an eine loyale Anerkennung und an eine loyale Abtragung unserer alten Verbindlichkeiten herangehen und sie regeln.
Dabei ist aber die Frage zu prüfen - und der gute Wille, unsere Verbindlichkeiten zu erfüllen, ändert daran nichts -, ob man dabei nicht auf seiten der Gläubigerländer und auch auf der eigenen Seite die Leistungsfähigkeit unserer Nation nicht vielleicht überschätzt hat. Schon der Herr Kanzler hat darauf hingewiesen, daß das Wirtschaftsvolumen und damit die Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik nicht mit dem bzw. der früher sehr viel größeren des Deutschen Reiches gleichzusetzen sind. Wir müssen uns aber dabei auch vor Augen halten, daß wir es uns nicht leisten können, zu unterstellen, die derzeitige Grundlage unserer Leistungsfähigkeit werde immer dieselbe bleiben. Wir haben zunächst zu berücksichtigen, daß unsere Wirtschaft sich zur Zeit auf einer für die Zukunft keineswegs sicheren Grundlage bewegt, nämlich auf der einer auf einer gewissen Konjunktur beruhenden Vollbeschäftigung, von der wir nicht wissen, wie lange sie noch anhält. Man mag darüber streiten, ob das, was wir heute haben, echte Vollbeschäftigung ist; aber es kommt jedenfalls diesem Zustand nahe.
Es ist sehr bedenklich, zu glauben, das müsse nun für alle Zukunft so bleiben. Die Aufbauverpflichtungen, die Aufgaben, die uns nach dem verlorenen Kriege und der totalen Zerstörung unseres Landes und unserer Wirtschaft erwachsen sind, lasten wie eine schwere Hypothek auf unserem Volk und vor allen Dingen auf unserer Wirtschaft. Der anhaltende und sich verstärkende Flüchtlingsdruck muß berücksichtigt werden. Wir stehen vor völlig unübersehbaren Aufgaben, deren wir Herr werden müssen. Wir können uns das allein schon wegen der Notwendigkeit einer leistungsfähigen Volkswirtschaft - neben allem anderen; auch von der politischen Seite darf man nicht absehen -, nicht leisten, den Lebensstandard unseres Volkes zu senken. Wir müssen uns auch darüber klar sein, daß gerade wegen der gesunkenen Kaufkraft die Versorgungsberechtigten aus diesen zwei Kriegen ein Absinken der ihnen zukommenden Leistungen nicht ertragen können.
Einer meiner Vorredner hat soeben schon richtig gesagt: Es ist nur ein beschränkter Teil des Aufkommens aus unserer Volkswirtschaft frei verfügbar; alles übrige ist von zwingenden Notwendigkeiten bestimmt. Leider ist dabei zu berücksichtigen, daß das Ausmaß unserer inneren Verschul({0})
dung von unseren Verhandlungspartnern bis jetzt kaum richtig erkannt werden konnte. Vor allen Dingen lag die Last des Lastenausgleichs, als diese Verhandlungen unternommen und sogar als sie abgeschlossen wurden, noch völlig unerkennbar, namentlich für ausländische Gläubiger, vor uns. Das Lastenausgleichsgesetz kam zu spat, um im Ausland die Erkenntnis begründen zu können, in welchem Maße eine innere Verschuldung noch über die Währungsreform hinaus auf dem Staat liegengeblieben ist. Und das Lastenausgleichsgesetz ist auch unzulänglich, einmal, weil man die Höhe der Verschuldung, die sich daraus ergibt, nur schätzen, aber noch nicht zahlenmäßig genau erfassen kann, und weil vor allen Dingen die Altspareraufwertung dabei noch nicht berücksichtigt worden ist, an der wir auf keinen Fall vorbeigehen dürfen.
Es kommt noch hinzu, daß die öffentliche Verschuldung dem Ausland gegenüber geringer erscheinen muß, als sie ist, weil die öffentliche Hand in Deutschland hinsichtlich der Finanzierung ihrer Aufgaben nach unserer Auffassung einen falschen Weg beschritten hat. Man hat sich viel zu sehr bemüht, aus den laufenden Steuermitteln heraus die Aufgaben zu bewältigen, als daß, wie das früher üblich war, langfristige Aufgaben durch langfristige Investitionen gedeckt wurden, die dann nur verzinst und amortisiert werden mußten.
So kann sowohl im Inland als auch im Ausland der Eindruck entstehen, daß zur Zeit von allen Ländern der Welt das Bundesgebiet die geringste innere Schuldenlast zu tragen habe. Nichts wäre unrichtiger als das, zumal wir besonders - sei es nun in dieser oder jener Form - mit der Möglichkeit noch ansteigender Verteidigungslasten zu rechnen haben.
Wir bedauern ferner, daß es nicht gelungen ist, das deutsche Auslandsvermögen zur Abtragung unserer Verbindlichkeiten in Einsatz zu bringen. Denn wenn wir selbst mit einer klaren Anerkennung unserer Schulden, mit einer klaren Anerkennung des Rechts der Gläubiger und der Idee des Privateigentums uns hier vor die Weltöffentlichkeit stellen, dann sollten wir auf der anderen Seite aber auch erwarten, daß sich die ausländischen Gläubigerstaaten dazu verstehen, die Grundsätze des Völkerrechts hinsichtlich der Wahrung des privaten Eigentums anzuerkennen. Daß das nicht geschehen ist, ist nun eine Folge der Auseinandertrennung der zusammengehörenden Komplexe, die sich einmal nicht vermeiden läßt. Dieser Umstand stellt uns indessen vor Aufgaben, die wir berücksichtigen müssen, wenn wir im Ausschuß demnächst an die Beratung dieses Komplexes herangehen.
Ein Anliegen liegt uns dabei besonders am Herzen. Es ist im Bundesrat in der 104. Sitzung vom 27. März schon angeklungen, als dort der Antrag akzeptiert wurde:
Die Bundesregierung wird mit Rücksicht darauf, daß durch das Abkommen über die deutschen Auslandsschulden sich bei den echten Remboursschulden Fälligkeiten ergeben, ersucht, die Verhandlungen über eine angemessene Regelung solcher Fälle beschleunigt zum Abschluß zu bringen.
Hier klingt das Transferproblem an. Es ist zwar gut, daß eine Konsultationsklausel verabredet ist. Aber, sie ist, wie Herr Professor Gülich soeben gesagt hat, zu vage, sie ist nicht substantiiert und tatbestandsmäßig umrissen. Es sind keine objektiven
Merkmale festzustellen, sondern lediglich subjektive und sehr starke Ermessensfragen spielen dabei herein. Wir haben sehr schlechte Erfahrungen mit solchen Dingen gemacht. Und wenn man auch auf die Dynamik der Tatsachen und auf die Einsicht der führenden Persönlichkeiten in aller Welt vertrauen kann, so müssen wir doch auf die schlechten Erfahrungen hinweisen, die wir mit dem Dawes-und dem Youngplan nach dem ersten Weltkrieg gemacht haben. Auch der Youngplan sah sich zunächst als eine Verbesserung unserer Situation an. Er hatte aber letzten Endes den Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft, die Deflationspolitik, die Arbeitslosigkeit und damit das Großwerden des Nationalsozialismus zur Folge. Es muß von Anfang an mit allem Nachdruck darauf hingewiesen werden, daß wir es uns nicht leisten können, die Fehler von damals zu wiederholen.
Das sind die Gesichtspunkte, nach denen wir bei voller Anerkennung des Grundsatzes, der diesen Verträgen zugrunde liegt, und der Grundidee, die für sie leitend gewesen ist, in den Ausschußberatungen mitarbeiten wollen. Wir stimmen der Überweisung an einen besonderen Ausschuß zu.
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Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Schuldenabkommen vom 27. Februar 1953 hat sich die Bundesregierung zu weitreichenden Verpflichtungen hergegeben.
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Sie hat erstens eine Summe von 14,3 Milliarden DM anerkannt, die als Auslandsschuld abzutragen ist. Sie hat zweitens eine weitere Summe von 30 Milliarden DM anerkannt, deren genaue Fixierung später erfolgen und für die der Abtragungsmodus ebenfalls später festgesetzt werden soll. Drittens hat die Bundesregierung in diesem Abkommen einen formellen Verzicht auf das deutsche Auslandsvermögen in Höhe von 20 bis 30 Milliarden DM ausgesprochen. An dieser Tatsache ändert auch nichts, daß der Herr Bundeskanzler heute erklärte, man werde bemüht sein, diesen „schweren Verlust zu mildern". Tatsache bleibt jedenfalls, daß die Verfügung über das Deutsche Auslandsvermögen in das freie Ermessen der Westmächte gestellt ist, wobei höchstens zugestanden wird, daß sie vielleicht diese oder jene Konzession an deutsche Konzernherren machen, um geringe Teile dieses Auslandsvermögens verwerten zu lassen.
Im übrigen entspricht diese Anerkennung genau dem Text des Überleitungsabkommens des Generalvertrages, und zwar dessen Abschnitt VI Art. 3, in dem es heißt:
Die Bundesrepublik wird in Zukunft keine Einwendungen gegen die Maßnahmen erheben, die gegen das deutsche Auslands- oder sonstige Vermögen durchgeführt worden sind oder werden sollen.
Damit hat die Adenauer-Regierung erneut einen Beweis dafür erbracht, daß sie gewillt ist, für den Preis der Eingliederung Westdeutschlands in das amerikanische Militärpaktsystem nicht nur deutsche Fremdenlegionen zur Verfügung zu stellen, sondern auch Tributleistungen finanzieller Art in ungeheurem Ausmaß anzuerkennen und zu gewährleisten.
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Die Bundesregierung hat weiterhin mit ihrer Unterschrift unter das Schuldenabkommen einen neuerlichen Beitrag zur Vertiefung der Spaltung Deutschlands geleistet. In diesem Zusammenhang möchte ich insbesondere auf Art. 25 des Vertrages hinweisen, in dem es ausdrücklich heißt:
Bei der Wiedervereinigung Deutschlands werden die Parteien dieses Abkommens das Abkommen einer Nachprüfung unterziehen, und zwar ausschließlich mit dem Ziele,
a) die Bestimmungen der Anlagen dieses Abkommens über Anpassungen, die bei bestimmten Schulden im Falle der Wiedervereinigung vorzunehmen sein werden, auszuführen, soweit sie dann nicht ohne weiteres wirksam werden sollen, und
b) die Bestimmungen dieses Abkommens auf die Schulden von Personen auszudehnen, die in dem mit der Bundesrepublik Deutschland wiedervereinigten Gebiet ansässig sind, ...
Das ist das Gegenstück zu Art. VII des Generalvertrages. Auch in diesem Abkommen werden Verpflichtungen für den Teil Deutschlands eingegangen, für den die Bundesrepublik nicht zuständig ist, d. h. für die Deutsche Demokratische Republik. Damit erklärt die Bundesregierung erneut ihre Absicht, das Gebiet der DDR gewaltsam zu erobern und zu unterwerfen.
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Da sie aber weiß, daß die Aussicht gering ist, mit Mitteln der Gewalt durchzudringen, hat diese Klausel die Bedeutung eines Sperriegels gegen die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands.
Dieser Sinn des Abkommens ergibt sich auch aus seiner Gesetlichte. Im September 1950 haben die westlichen Außenminister in New York ein Abkommen geschlossen, das die Bundesrepublik nicht nur zur Bereitstellung von Truppenkontingenten für eine europäische Armee verpflichtete, sondern ihr auch eine Blankoverpflichtung auferlegte zur Abtragung seiner Vorkriegs- und Nachkriegsschulden in einer Höhe und mit einem Modus, die allein von den Westmächten zu bestimmen sind. Diesem Beschluß der westlichen Außenminister entsprach dann die am 23. Oktober 1950 ergangene Aufforderung an die Bundesregierung, auch formal diese Verpflichtung selbst anzuerkennen. Diesem Beschluß entsprach der alliierte Vordruck für einen Antworttext, mit dem die Bundesregierung die Anerkennung dieser Forderung zu unterschreiben habe, und die Bundesregierung hat sich auch beeilt, den von den Alliierten vorgelegten Text genau so zu schreiben.
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Darum hat der Brief, den die Bundesregierung entsprechend dem vorgeschriebenen alliierten Text dann am 6. März 1951 an die Adresse der Hohen Kommissare abschickte, nur den Sinn einer Ausführungsbestimmung zu dem Abkommen der Außenminister der Westmächte in New York, und auch das jetzt vorliegende sogenannte Vertragswerk stellt somit eine Ausführungsbestimmung des Westalliierten Abkommens von New York dar, also eine Ausführungsbestimmung für den Plan zur Remilitarisierung Westdeutschlands und für die Spaltung Deutschlands.
Der Herr Bundeskanzler hielt es für nötig, sich für die sogenannte Hilfe zu bedanken, die die Amerikaner uns geleistet haben, und vor allem dafür, daß wir nur verpflichtet seien, lediglich 37 % dieser „großzügigen Hilfe" zurückzuzahlen. Herr Bundeskanzler, Sie haben wohl noch nichts davon gehört, daß allein aus der Zwangsexportverpflichtung für deutsche Kohle und der Abnahmeverpflichtung für amerikanische Kohle andererseits der Bundesrepublik ein materieller Schaden und den Amerikanern ein materieller Gewinn entsteht, der die ganze Summe der Marshall-Hilfe übersteigt? Haben Sie sich etwa auch für diese großartige „Hilfe" bedankt? Sie wissen doch, daß in diesem Abkommen z. B. auch die Anerkennung der Zurückzahlung der Schulden ausgesprochen ist, die aus der Lieferung der sogenannten StEG-Waren entstanden sind, also jener Lieferungen von alten BDM-Jacken, von Hunderttausenden Paaren linker Schuhe, von türkischen Lumpen und ähnlichem Zeug, das die Amerikaner hier billig loswerden wollten. Haben Sie sich auch dafür bedankt, Herr Bundeskanzler, daß für jene großzügige „Hilfeleistung" jetzt eine Schuld von 825 Millionen festgelegt wird?
Zum Schluß noch ein Wort zur Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion. Herr Kollege Gülich hat erklärt, die Stellung seiner Fraktion sei noch offen. Ich verstehe nicht ganz, wie er das mit dem „noch offen" meint. Ich habe eine andere Auffassung davon. Ich meine, die SPD hat sich bereits festgelegt. Zwar hat der verstorbene Vorsitzende Ihrer Partei in einer Pressekonferenz in Bonn am 16. Dezember 1950 zum Schuldenanerkennungsvorhaben der Bundesregierung erklärt:
Der Bundeskanzler ist zu einem solchen Schritt moralisch und politisch nicht legitimiert. Eine solche Unterschrift des Bundeskanzlers würde gegen den erkennbaren Widerstand des deutschen Volkes geleistet.
Aber schon zwei Monate später, am 16. Februar 1951, haben Ihre Vertreter, Herr Kollege Gülich, im Auswärtigen Ausschuß der Antwort des Bundeskanzlers an die Westmächte zugestimmt. Und wissen Sie nichts darüber, daß am 27. März dieses Jahres der Bundesrat den Schuldenabkommen einstimmig und ohne Debatte seine Zustimmung gegeben hat,
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also mit den Stimmen aller dort anwesenden sozialdemokratischen Minister? Ich frage Sie: Was ist denn da an Ihrer Stellungnahme noch „offen"? Sie haben doch schon ja gesagt!
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Sie machen nur noch eine Komödie. Sie wollen hier in diesem Hause, wo Sie sich der Mehrheit der Jasager sicher sind, kleine formelle Einwände erheben, um bessere Chancen für den Wahlkampf zu haben, während Sie im Bundesrat, wo Sie die Möglichkeit hätten, die Dinge zu verhindern, ja sagen, genau so, wie Sie sich in der Frage des Generalvertrags und des EVG-Vertrags verhalten.
Die kommunistische Fraktion erklärt, daß sie das Abkommen der Bundesregierung in keiner Hinsicht anerkennt. Sie erklärt, daß die Schuldenanerkennung der Bundesregierung keinerlei Rechtskraft besitzen kann, denn unser Volk fühlt sich weder verpflichtet noch ist es gewillt, Leistungen zu tragen, die aus der Unterwerfung einer gewissenlosen Regierung unter fremde Kolonialsklaverei entstehen. Unser Volk will nichts zu tun haben mit der Rückzahlung von Rüstungsgeldern, die in den zwanziger Jahren den Krupp und Thys({6})
sen zur Vorbereitung des Krieges geleistet wurden, und unser Volk will nichts zu tun haben mit einer sogenannten „Hilfe", die nur den einen Zweck verfolgt, die Bundesrepublik wirtschaftlich zu unterwerfen, die Spaltung Deutschlands aufrechtzuerhalten und aus Westdeutschland ein gefügiges Objekt für die amerikanische Kolonial- und Kriegspolitik zu machen. Aus diesem Grunde lehnt die kommunistische Fraktion die Vorlage ab.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Dieses Schuldenabkommen ist hier mehrfach kritisiert worden im Hinblick darauf, daß es nur wieder einen Teilbereich der gesamten Probleme regelt, die sich aus der allmählichen Wiedereingliederung Deutschlands in die freie Welt ergeben. Auch wir haben das bedauert.
Ich darf für meine Fraktion sagen, daß wir von Anbeginn in vollem Umfang die Auffassung vertreten haben, es könne in der Anerkennung des Gedankens des Eigentums und der Verpflichtungen, die sich daraus ergeben, keinen Unterschied geben zwischen Deutschen und Alliierten oder Schuldnern und Gläubigern, sondern es müsse, wie vorhin auch der Herr Kollege Kopf ausgeführt hat, die absolute Reziprozität der Anerkennung der Rechte und Pflichten des Eigentums wiederhergestellt werden. Wir möchten gerade an die ausländischen Gläubiger appellieren, deren Rechte wieder anzuerkennen wir bereit sind, daß es in ihrem Interesse liegen muß, auch die deutschen Rechte auf das deutsche Auslandsvermögen so bald wie möglich wieder anzuerkennen. Denn erst wenn diese Grundsätze wieder Allgemeingültigkeit in der Welt erlangt haben, werden sich auch in Zukunft unliebsame Auseinandersetzungen über diese ganzen Fragenbereiche erübrigen. In den Ausschüssen wird zu überlegen sein, in welcher Weise man diesem nach wie vor unverrückbaren Ziel, auch eine Berücksichtigung des deutschen Auslandsvermögens zu erreichen, noch näherzukommen vermag.
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Der zweite Punkt, auf den hier hingewiesen wurde, war, daß noch kein offizieller Verzicht auf Reparationsforderungen gegenüber Deutschland im Zusammenhang mit der Regelung dieser Fragen ausgesprochen worden ist. Auch das bedauern wir. Wenn Deutschland die Verpflichtungen erfüllen soll, zu deren Übernahme es sich entweder bereits bereit erklärt hat, weil sie einfach übernommen werden müssen, oder die es jetzt noch zusätzlich zur Regelung seiner alten Schulden und Verbindlichkeiten aus Hilfeleistungen übernehmen will, dann bedeuten diese Verpflichtungen des Verteidigungsbeitrages, des Israel-Abkommens, der Ausgleichszahlungen und Umlagen für die Montan-Union und nun dieser Zahlungen im Rahmen des Schuldenabkommens eine so außerordentlich hohe Belastung, daß wir es uns beim besten Willen nicht vorstellen können, jemand wolle die Leistungsfähigkeit Deutschlands im Rahmen der Verteidigungsgemeinschaft, der europäischen Montan-Union und zugunsten der Wiederherstellung der Rechte privater Gläubiger im Ausland dadurch mutwillig gefährden, daß er darüber hinausgehend noch wirklich unerfüllbare Verpflichtungen auferlegen will.
Man soll also doch endlich bereit sein, so schnell wie möglich das Fazit aus dieser Situation zu ziehen.
Das nächste große Problem, das hier angesprochen worden ist, ist das Problem der deutschen Transferfähigkeit nicht nur für diese Schuldentilgungen und Zinszahlungen, sondern auch im Rahmen des Verteidigungsbeitrages, im Rahmen der Montan-Union und der anderen Verpflichtungen unter Aufrechterhaltung eines ausreichenden deutschen Export- und Importvolumens.
Von einer Seite wurde noch auf die gewachsenen Schwierigkeiten hingewiesen, die durch ein sinkendes Weltmarktpreisniveau entstehen könnten. Wir sehen diese Dinge doch etwas ernster, als sie die Bundesregierung in ihrer Begründung hier vortrug, indem sie sagte, daß es ja nur 4 % des deutschen Ausfuhrvolumens seien, die durch dieses Abkommen absorbiert würden. Hierbei handelt es sich um das gegenwärtige wertmäßige Volumen des Außenhandels, um das wir bei sinkenden Preisen sehr erheblich werden kämpfen müssen, und außerdem ist es im Zusammenhang mit den anderen Verpflichtungen - Verteidigungsabkommen, Israel-Abkommen, Montan-Union usw. - zu sehen. Also es ist schon eine gewaltige Last. Aber wir werden es uns - ich möchte es hier aussprechen - auf Grund der Leistungen, die die deutsche Wirtschaft in der Vergangenheit hervorgebracht hat, zutrauen können, dieses eingegangene Abkommen einzuhalten, unter einer Voraussetzung: daß uns die ausländischen Gläubiger und Gläubigerstaaten die Möglichkeit dazu geben. Diese Forderung richtet sich mindestens im Augenblick stärker an sie als an unsere eigene Regierung und unser eigenes Volk.
Wir bemühen uns seit langem, Schrittmacher zu sein in der Frage der Liberalisierung, in der Frage des Abbaus der Devisenzwangswirtschaft, in der Frage des Verzichts auf Diskriminierungen und Exportförderungen zweifelhaften Charakters, in der Frage des Abbaus der bilateralen Handelshemmungen und Handelsschranken und in der Wiederherstellung einer völligen Konvertibilität.
Wenn wir zurückdenken an die Jahre zwischen den beiden Kriegen, an die Schwierigkeiten auf dem Transfergebiet: es war auch damals nicht die Schuld des deutschen Schuldners, daß er nicht leisten konnte, sondern der Gläubiger übernahm eine wesentliche Verantwortung dadurch, daß er sich gegen die Annahme der deutschen Leistungen sperrte. Diese Verantwortung bleibt bei der Unterzeichnung dieses Schuldenabkommens unverrückbar fest bestehen.
Wir sind bereit, in vollem Umfang wieder zum Dienst an früheren Schulden, zur Rückzahlung von Hilfeleistungen zurückzukehren. Die anderen müssen aber auch bereit sein, unsere Leistungen entgegenzunehmen. Sie müssen auch bereit sein, Schranken, bilaterale Hemmnisse abzubauen und auf - ich möchte es etwas vorsichtig ausdrücken - sehr zweifelhafte Außenhandelsförderungsmethoden und dergleichen zu verzichten. Wenn diese Gegenseitigkeit und dazu noch die Gegenseitigkeit in der Frage des deutschen Auslandsvermögens und des Eigentums hergestellt werden kann und wenn in dieser Richtung in den Beratungen der Ausschüsse noch Anregungen für die Verhandlung der Bundesregierung gegeben werden, dann kann, glaube ich, die Bundesregierung das Gesamtrisiko übernehmen als Basis für den Fluß neuer Rem({1})
bourskredite, für den Fluß neuer Anleihen und anderer Kapitalbeiträge für die deutsche Volkswirtschaft.
Es ist nicht - ich muß es zum Schluß noch einmal sagen - allein der deutsche Wille, der über den Erfolg dieses Schuldenabkommens entscheiden wird, sondern es ist mindestens genau so die Bereitschaft der übrigen Länder zur Mitverantwortung, ihre Bereitschaft, uns wieder ehrliche Schuldner werden zu lassen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Etzel.
Dr. Etzel ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Kommuniqué der New Yorker Außenministerkonferenz vom September 1950 wußten wir, daß die Bundesrepublik große Verpflichtungen aus deutschen Vorkriegsschulden und aus Nachkriegswirtschaftshilfe erwarteten. Es war für den deutschen Verhandlungsführer gewiß nicht leicht, die Mitte zu nehmen zwischen den für die Wiederherstellung des deutschen Rufes und Kredits unumgänglichen seriösen Zugeständnissen und den wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten der Bundesrepublik. Die Gegenseite, beeindruckt von dem deutschen „Wirtschaftswunder", hat die bundesrepublikanische Leistungsfähigkeit wahrscheinlich überschätzt und die gewichtigen negativen Momente, wie die ständige Dollarlücke, unterschätzt. Der Fall zeigt, wie gefährlich es ist, aus an sich verständlichen Beweggründen immer wieder die rasche Zunahme des Sozialprodukts laut zu verkünden.
Man hat uns hart angefaßt und uns einen Betrag von 14 Milliarden auferlegt, dessen Zins- und Tilgungsdienst zunächst 600, nach fünf Jahren 750 Millionen DM jährlich erfordern, mit den Verbindlichkeiten aus dem Israel-Vertrag aber vielleicht gegen 1 Milliarde, also fast 7 % des sich gegenwärtig ebenfalls auf 14 Milliarden DM belaufenden Ausfuhrwerts ausmacht.
Zu bedauern ist, daß an den Nennbeträgen der Vorkriegsschulden nichts nachgelassen wurde und die Tatsache der Abtrennung weiter Gebietsteile ebenso wie das traurige Kapitel der Beschlagnahme und Liquidation deutscher Privatvermögen und Patente im Ausland unberücksichtigt blieb, wenn andererseits auch nicht verkannt werden soll, daß uns bei der Festsetzung der Nachkriegsschulden sowie in der Zinshöhe, bei den Zinsrückständen, in den Tilgungszeiten und durch Vorschaltung einer fünfjährigen Atempause Entgegenkommen gezeigt worden ist.
Eine günstigere Beurteilung ergibt sich vielleicht auch daraus, daß seit der Aufnahme der Vorkriegsschulden in der Welt eine erhebliche Geldentwertung eingetreten ist und daß die Goldklausel bei den auf Dollar und Schweizer Franken lautenden Schulden nicht angewendet und bei den übrigen Währungen durch die Umrechnung über den Dollar ersetzt wird, was in den letzteren Fällen infolge der seit 1930 stattgefundenen Dollarabwertung effektiv einer Ermäßigung um fast 40 % entspricht.
Mit der Möglichkeit des terminlichen, den I Lebensstandard nicht antastenden Transfers aus dem laufenden Aufkommen der Zahlungsbilanz, nicht aus Währungsreserve, steht und fällt das Abkommen. Das ist das Haupt- und Kernproblem. Seine Lösung ist durch die heute noch nicht absehbare politische und wirtschaftliche Entwicklung bedingt.
Der Schlußbericht der Londoner Konferenz vom 8. August vorigen Jahres enthielt in einer besonderen Sicherheitsklausel die Grundsätze der Ausweitung und Liberalisierung des Welthandels und des freien Austauschs der Währungen als Voraussetzungen für eine günstige Entwicklung. Die Empfehlung ist juristisch dann in die Form des Art. 34 des Regierungsabkommens vom 27. Februar dieses Jahres gebracht worden, der im Falle einer den Transfer gefährdenden Entwicklung eine Konsultation vorsieht und dabei die Berücksichtigung der erwähnten Grundsätze des Schlußberichts fordert. Ist dem so, dann muß der Geist des „Kauf-inAmerika"-Gesetzes von 1933 verschwinden. Dann darf sich auch nicht Mr. Taft gegen den Abbau des amerikanischen Protektionismus wenden. Man wird auf deutscher Seite gut daran tun, Geduld zu haben und sich nicht sanguinisch gleich ab jetzt in größtem Stile Anleihen und Rembourskredite zu erhoffen. Es ist zu befürchten, daß der großen deutschen Bereitschaft nicht sofort die erwartete Antwort folgt. Dazu liegt zuviel dazwischen, und überdies ist die politische Lage in Europa noch nicht bereinigt. Das Fatale ist, daß der Bundestag auch hier wieder nur nachträglich ja oder nein sagen und nichts mehr ändern kann. Es ist zu hoffen, daß man uns nicht eine seidene Schnur um den Hals gelegt hat, um sie zuzuziehen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Scharnberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können dem sozialdemokratischen Antrag, zur Beratung dieser Sache einen Sonderausschuß gewissermaßen als Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses einzusetzen, nicht zustimmen. Ich beantrage infolgedessen namens meiner Fraktion und der Fraktionen der FDP und DP die Einsetzung eines Ad-hoc-Sonderausschusses, wie wir es auch in anderen Fällen gemacht haben. Bei diesem Abkommen handelt es sich nicht allein um die Behandlung von auswärtigen Angelegenheiten, sondern ebensosehr um finanzpolitische, währungspolitische und wirtschaftspolitische Dinge, so daß für die Fraktionen die Möglichkeit gegeben sein muß, einen entsprechenden Ausschuß zusammenzusetzen. Ich beantrage, diesen Ausschuß als Sonderausschuß mit 27 Mitgliedern einzusetzen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren! Wir sind uns darin einig, daß die Beratung gründlich und schnell vorgenommen werden soll. Unsere Fraktion glaubt aber, daß die Federführung auf alle Fälle beim Auswärtigen Ausschuß liegen muß. Es handelt sich hier um ein Gebiet, das auf die ganze auswärtige Politik in außerordentlich starkem Maße ausstrahlt. Wir sind der Auffassung, daß es nicht zu vertreten ist, wenn der Auswärtige Ausschuß in diesem Falle nicht die Federführung hat. Wir glauben, daß die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses die Verantwortung für
({0})
I alle die Dinge, die damit verbunden sind, die späteren Maßnahmen der auswärtigen Politik, sonst einfach nicht tragen können.
Ich glaube, Herr Scharnberg, unser Vorschlag bewirkt praktisch doch dasselbe. Wir möchten aus den Ausschüssen einen Arbeitskreis einsetzen, der die Beratung vorzunehmen hat und dann sein Beratungsergebnis dem Auswärtigen Ausschuß vorlegt. Aber der Auswärtige Ausschuß soll die Generalsicht - wenn ich mich so ausdrücken darf - in der politischen Beziehung dann noch einmal überprüfen und dem Hause seinen Bericht vorlegen. Aus diesen grundsätzlichen Erwägungen heraus, die uns bewegen, dem Auswärtigen Ausschuß die Federführung zu übertragen, bitten wir Sie, unserem Vorschlag zuzustimmen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Damit kommen wir zur Abstimmung. Bezüglich der Überweisung liegen zwei Anträge vor. Ich will sie noch einmal wiederholen. Der eine Antrag will - wie ich Herrn Scharnberg verstanden habe - einen von anderen Ausschüssen völlig losgelösten Sonderausschuß von 27 Köpfen ausschließlich für diese Frage einsetzen. Der Vorschlag, der von Herrn Kollegen Gülich eingebracht war, will die Überweisung an den Außenpolitischen Ausschuß mit der Auflage, aus der Mitte des Hauses einen 27köpfigen Arbeitskreis zu bilden.
Es ist nicht ganz leicht zu entscheiden, welcher dieser Anträge weitergehend ist. Aber ich glaube, die stärkste Abweichung von dem bisherigen Zustand bringt der Antrag Scharnberg. Ich stelle ihn also zuerst zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag Scharnberg zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag Scharnberg ist angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Darf ich inzwischen eine Klarstellung über den weiteren Verlauf unserer Sitzung vornehmen. Mir ist mitgeteilt worden, es läge eine Vereinbarung vor, etwa gegen halb eins eine Mittagspause eintreten zu lassen. Dem ist widersprochen worden. Der Ältestenrat hat keine Pause vorgesehen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Schröder zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die dringende Bitte an das Haus, uns doch eine Mittagspause zu gestatten. Wir möchten nämlich eine Fraktionssitzung abhalten und haben sie bereits einberufen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie unsere Bitte unterstützen wollten.
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Also, Herr Abgeordneter Mellies! Ich glaube zwar nicht, daß man unter diesen Umständen viel zu debattieren braucht. Es entspricht ja unseren Gepflogenheiten.
Ganz Ihrer Meinung, Herr Präsident. Selbstverständlich werden wir den Wunsch einer großen Fraktion entsprechend berücksichtigen. Wir hatten nur ein Interesse daran, heute mit der Tagesordnung möglichst bald fertig zu werden. Wenn aber bei der CDU-Fraktion der Wunsch besteht, müssen wir dem natürlich entsprechen.
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Also, meine Damen und Herren, ich nehme an, das Haus ist damit einverstanden, daß wir um halb eins oder ein Uhr - je nach dem Stand der Dinge - eine Pause von etwa anderthalb Stunden eintreten lassen.
Wir können dann fortfahren. Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Sozialgerichtsgesetzes ({0}).
Das Wort zur Einbringung hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute einen Gesetzentwurf vor, der sich sehr wesentlich von dem früheren Zu- stand im Reich und dem Zustand, den wir jetzt haben, entfernt. Die Reichsversicherungsordnung hatte den Versicherungsbehörden die Entscheidung von Streitigkeiten auf dem Gebiete der Sozialversicherung übertragen. Über den Versicherungs- und Oberversicherungsämtern stand als oberste Instanz das Reichsversicherungsamt. Die Zuständigkeit dieser Behörden wurde auf Streitfälle der Arbeitslosenversicherung ausgedehnt. Nach dem ersten Weltkrieg wurden für die Kriegsopferversorgung die Versorgungsgerichte und das Reichsversorgungsgericht geschaffen. Sie waren in ihrer Organisation eng mit den Versicherungsbehörden verbunden. Reichsversicherungsamt und Reichsversorgungsgericht waren in der Spitze in Personalunion vereinigt. Die Bedeutung der Rechtsprechung dieser Behörden ist auch heute noch allgemein anerkannt.
Nach dem 8. Mai 1945 setzten die Versicherungs und Oberversicherungsämter ihre Tätigkeit fort; dagegen konnten das Reichsversicherungsamt und das Reichsversorgungsgericht ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen. Nur in den Ländern Bayern und Baden-Württemberg wurden Landesversorgungsämter errichtet, denen für den Bereich der genannten Länder die Aufgaben des Reichsversicherungsamts und die letztinstanzliche Entscheidung von Streitigkeiten aus der Arbeitslosenversicherung und der Kriegsopferversorgung zugewiesen wurden. Im allgemeinen war damit aber jede Möglichkeit genommen, Streitfälle aus den bisher den Versicherungsbehörden und Versorgungsbehörden zukommenden Gebieten höchstrichterlich entscheiden zu lassen.
Das Fehlen der obersten Spruchinstanz, wie sie bis 1945 im Reichsversicherungsamt und Reichsversorgungsgericht bestand, bedeutete einen immer fühlbarer werdenden Mangel. In Kreisen der Rechtsschutzsuchenden kam das Gefühl der Rechtsunsicherheit auf. Unter Berufung auf den Grundsatz der Gewaltentrennung, der die Wahrnehmung der Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt - das heißt der Verwaltung - und der Rechtsprechung verlangt und der in Art. 20 des Grundgesetzes aus({0})
drücklich niedergelegt ist, wurden. die Versicherungsämter und Oberversicherungsämter von den Verwaltungsgerichten, denen nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes eine umfassende Zuständigkeit auf dem Gebiet öffentlich-rechtlicher Ansprüche zukam, teilweise nicht mehr als Gerichte anerkannt.
Das Grundgesetz schreibt in Art. 96 in gleicher Weise wie für alle anderen Gerichtszweige auch für die Sozialgerichtsbarkeit die Errichtung eines oberen Bundesgerichts vor. Um den verfassungsrechtlichen Erfordernissen zu genügen und insbesondere den rechtsstaatlichen Grundsatz der Gewaltenteilung zu erfüllen, genügt es nicht, nur dieses obere Bundesgericht zu schaffen; vielmehr mußte der gesamte Gerichtsaufbau neu geordnet werden; dabei waren neue Wege zu beschreiten.
Der Begriff der Sozialgerichtsbarkeit ist nicht näher festgelegt. Jedoch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß Streitigkeiten aus der Sozialversicherung, der Kriegsopferversorgung und der Arbeitslosenversicherung, soweit sie bisher von den Versicherungsbehörden behandelt wurden, zukünftig zur Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gehören müssen. Im Hinblick auf die Bedeutung dieser Sachgebiete und die Rechtsansprüche, über die gegebenenfalls richterlich zu entscheiden ist, soll der Rechtsschutz für alle Staatsbürger, die Ansprüche aus diesen Rechtsgebieten verfolgen wollen, so gestaltet werden, wie er auf anderen Rechtsgebieten besteht. Die Sozialgerichtsbarkeit soll in ihrem gesamten Aufbau und in ihrem Verfahren gleichwertig neben den ordentlichen, den Verwaltungs-, Finanz- und Arbeitsgerichten stehen.
Der heute dem Bundestag vorliegende Entwurf eines Sozialgerichtsgesetzes regelt ausschließlich die Verfassung der Gerichte, während über das Verfahren in einem weiteren Gesetz Näheres bestimmt werden soll. Entgegen dem bisherigen Zustand bei den Versicherungsbehörden, die neben der rechtsprechenden Tätigkeit Verwaltungs- und Aufsichtsaufgaben zu erfüllen hatten, werden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit künftig nur die rechtsprechende Tätigkeit ausüben. Diese Zuständigkeitsregelung entspricht dem Grundsatz der Gewaltentrennung, der im Art. 20 des Grundgesetzes festgelegt ist. Er stellt die sachliche Unabhängigkeit des Richters sicher, der nicht, wie Verwaltungsbeamte, an Weisungen gebunden sein darf, sondern, außerdem unabsetzbar und unversetzbar, nur dem Gesetz unterworfen seine Tätigkeit ausüben muß.
Die Sozialgerichtsbarkeit wird an die Richter hohe Anforderungen stellen. Die Ansprüche, über welche sie zu entscheiden haben, sind immer an Rechtsvoraussetzungen geknüpft, die im öffentlichen Recht ihre Grundlage haben. In aller Regel kommt es daher nicht darauf an, in sozialgerichtlichen Verfahren einen Streit schiedsrichterlich zu schlichten und im Vergleichsverfahren zu beenden. Die Bundesregierung hat sich deshalb für das Berufsrichtertum entschieden und die Tradition der bisherigen Spruchbehörden der Sozialversicherungsordnung aufgenommen, bei denen fast ausschließlich Berufsrichter tätig waren. Zu umfassenden Rechtskenntnissen müssen aber Erfahrungen auf den Gebieten des sozialen Lebens treten, um beim Urteilsspruch die Lage des Rechtsschutzsuchenden erfassen und würdigen zu können.
Die Gleichwertigkeit der Gerichte wird durch die Schaffung eines dreistufigen Rechtszuges betont. Während die Sozial-. und Landessozialgerichte in den Ländern rechtliche und tatsächliche Fragen zu prüfen haben, wird der dritten Instanz, dem Bundessozialgericht, die Nachprüfung der richtigen Rechtsanwendung obliegen. Das Bundessozialgericht wird damit jene Aufgabe erhalten, die auch jedem anderen oberen Bundesgericht zukommt, nämlich die Rechtseinheit zu wahren und das Recht fortzuentwickeln.
Der innere Gerichtsaufbau, insbesondere die Besetzung der Spruchkörper, muß nach der Aufgabe der Gerichte ausgerichtet werden. Der Sozialgerichtsbarkeit obliegt die Rechtskontrolle der Sozialverwaltung als eines Teils der öffentlichen Verwaltung, mag diese durch Behörden, wie in der Kriegsopferversorgung, oder in den Formen der Selbstverwaltung, wie in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung, durchgeführt werden. Die Sozialgerichtsbarkeit ist darum eine besondere Erscheinungsform der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Es bedeutet also keine Wertung im Verhältnis zur Arbeitsgerichtsbarkeit, wenn die Besetzung der Spruchkörper in stärkerer Anlehnung an die Verwaltungsgerichtsbarkeit gestaltet wird. Bei den Sozialgerichten sollen Kammern mit einem Berufsrichter als Vorsitzendem tätig sein, während die Landessozialgerichte und auch das Bundessozialgericht mit Senaten arbeiten werden, in denen drei Berufsrichter mitwirken.
Die Landessozialgerichte werden unbedingt den Schwerpunkt der Sozialgerichtsbarkeit bilden müssen. Vor diesen Gerichten soll nicht nur das Verfahren, das vor dem Sozialgericht als der ersten Instanz durchgeführt worden ist, wiederholt werden. Eine qualifizierte Besetzung soll vielmehr dem Rechtsschutzsuchenden die Sicherheit geben, eine sorgsam abgewogene Entscheidung zu erhalten. Darin liegt zudem für die rechtsuchenden Versicherten und Versorgungsberechtigten die Gewähr, daß ihre Ansprüche in der gleichen Weise im Rechtszug verfolgt werden können, wie dies bei anderen öffentlich-rechtlichen Ansprüchen der Fall ist, die vor allgemeinen Verwaltungsgerichten anhängig gemacht werden können.
Es ist dabei entscheidend, daß die möglichen Ansprüche ihrer Natur nach in den meisten Fällen für den einzelnen Lebensfragen darstellen, so daß jede Minderbewertung dieses Gerichtszweiges und auch nur der Eindruck einer solchen ausgeschlossen sein muß.
Auf dem Gebiete der Sozialverwaltung, insbesondere in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung, wirken die Versicherten und ihre Arbeitgeber eigenverantwortlich mit. Der gleiche Gedanke rechtfertigt die Beteiligung dieser Kreise bei der Rechtsfindung. Es geht nicht darum, durch den ehrenamtlichen Beisitzer die Interessen eines an dem Streit Beteiligten wahrzunehmen; vielmehr ist es die Aufgabe des Laienelements, das Wohl der Versichertengemeinschaft beim Urteilsspruch zu beachten und die alltäglichen Erfahrungen aus dem sozialen Bereich der Rechtsprechung dienstbar zu machen.
Der Regierungsentwurf hat darum den bewährten Grundsatz aufgenommen, der bei den Versicherungsbehörden und Versorgungsgerichten galt. Für die Gerichte aller Rechtsstufen bis hinauf zum Bundessozialgericht ist die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter vorgesehen. Wenn die ehrenamtlich tätigen Richter mit die Verantwortung für den Urteilsspruch tragen sollen, dann ist es unbedingt erforderlich, besonders geeignete Per({1})
sönlichkeiten für diese Aufgabe heranzuziehen. Ein Vorschlagsrecht derselben Stellen, die auch im Rahmen der Selbstverwaltung die Vertreter namhaft machen, bietet am ehesten die Gewähr, dieses Ziel zu erreichen. Die Gewerkschaften, die Arbeitnehmervereinigungen mit berufs- und sozialpolitischer Zwecksetzung, die Arbeitgeberverbände und die Verbände der Kriegsopfer stehen damit vor einer bedeutenden Aufgabe, deren befriedigende Lösung erheblich dazu beitragen wird, das Vertrauen des einzelnen in die Gerichte und damit ihr Ansehen bei der Allgemeinheit zu stärken.
Für die Regelung des Verfahrens vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit wird dem Deutschen Bundestag in Kürze ein besonderes Gesetz, die Sozialgerichtsordnung, vorgelegt werden. Der Regierungsentwurf dieses Gesetzes ist bereits vom Bundesrat in seiner Sitzung vom 24. April 1953 behandelt worden. Es wird also mit Sicherheit zu erreichen sein, daß beide Entwürfe in einem Gesetz vereinigt werden und den Versicherten und Versorgungsberechtigten ein Gesetzwerk in die Hand gegeben wird, das der bestehenden Rechtsnot entgegenwirkt. Die baldige Verabschiedung dieser Gesetze wird einen Beitrag zur sozialen Sicherheit im sozialen Rechtsstaat darstellen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Freidhof.
Meine Damen und Herren! Die Schaffung eines Sozialgerichts ist nach unserer Auffassung eine der vordringlichsten sozialpolitischen Aufgaben, die der jetzige Bundestag noch in dieser Wahlperiode erledigen muß. In der Rechtsprechung auf dem Gebiet der Sozialversicherung und besonders auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung besteht gegenwärtig ein ernster Notstand. Tausende von Revisionen und Rekursen schweben seit Jahren und können nicht erledigt werden, weil ein oberstes Sozialgericht nicht vorhanden ist. Ganz besonders in der Kriegsopferversorgung sind unhaltbare Zustände vorhanden, die ernsten Zweifel aufkommen lassen, ob die Bundesregierung sich diesem Personenkreis gegenüber nicht ein schweres Versäumnis hat zuschulden kommen lassen, indem sie das Sozialgerichtsgesetz erst jetzt vorlegt. Der Art. 96 des Grundgesetzes schreibt zwingend vor, daß für das Gebiet der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit oberste Bundesgerichte einzurichten sind. Wir können die Bundesregierung nicht von der Schuld freisprechen, daß sie erst jetzt unmittelbar vor dem Ende der Legislaturperiode dieses Bundestags den Entwurf des Sozialgerichtsgesetzes vorgelegt hat. Die Regierung muß in ihrer Begründung selber zugeben, daß im Bundesgebiet keine einheitliche Rechtsprechung besteht. Ja, sie muß selber feststellen, daß das Fehlen des Bundessozialgerichts als Revisionsinstanz in Rechtsstreitigkeiten in der Sozialversicherung, in der Arbeitslosenversicherung und in der Kriegsopferversorgung zu einer Rechtsunsicherheit geführt hat, die noch dadurch verstärkt wird, daß in einzelnen Ländern der zweite Rechtszug fehlt. In der Begründung zu ihrem Entwurf sagt die Regierung selber, daß das Fehlen einer dritten Instanz sich im Laufe der Zeit insofern unangenehm bemerkbar gemacht hat, als eine Reihe voneinander abweichender Entscheidungen der verschiedenen Spruchkammern ergangen sind, die zwangsläufig ein Gefühl der Rechtsunsicherheit ergeben haben. Es wäre deshalb nach unserer Auffassung Pflicht der Regierung gewesen, dieses Gesetz nicht erst jetzt, sondern schon viel früher vorzulegen, um so mehr als auch nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes jedermann der Rechtsweg offensteht, wenn er sich durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt fühlt. Die sozialdemokratische Fraktion hat vor bald zwei Jahren, nämlich am 12. Juni 1951, einen Antrag auf Drucksache Nr. 2331 eingereicht, in dem die Bundesregierung ersucht wird, dem Bundestag alsbald den Gesetzentwurf über die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit vorzulegen. Der Ausschuß für Arbeit hat sich mit diesem Antrag beschäftigt und hat in seinem Bericht unter Drucksache Nr. 2634, den er dem Bundestag erstattet hat, dem Bundestag vorgeschlagen, die Bundesregierung zu ersuchen, diese Gesetzentwürfe unverzüglich vorzulegen. Dieser Antrag ist seinerzeit vom Bundestag einstimmig angenommen worden.
Von dem Vorwurf, auch diesen Antrag sehr lässig behandelt zu haben, kann die Regierung nach meiner Auffassung nicht freigesprochen werden.
Der Gesetzentwurf behandelt nur den Aufbau der Sozialgerichtsbarkeit, nicht aber das Verfahren selbst. Der Herr Bundesarbeitsminister hat soeben erklärt, daß die Verfahrensordnung, die dem Bundesrat bereits vorgelegen hat, uns in der nächsten Zeit zugeht. Ohne die Verfahrensordnung ist es gar nicht möglich, dieses Gesetz in Wirksamkeit treten zu lassen, denn beide Teile sind eine Einheit. Die Durchführung des Gesetzes hängt also davon ab, ob uns auch die Verfahrensordnung vorgelegt wird. Wir werden damit einverstanden sein, daß beide Gesetze in ein einheitliches Gesetz hineingearbeitet werden.
Zu dem Inhalt des Gesetzes, insbesondere zu der Frage, ob nur Berufsrichter oder - was wir wünschen - auch Personen, die durch ihre Tätigkeit in der Sozialgesetzgebung besondere Erfahrungen gesammelt haben und über umfassende Kenntnisse verfügen, als Vorsitzende der Gerichte fungieren können, werden wir im Ausschuß unsere Vorschläge machen. Daß die Stadt Kassel als Sitz des Bundessozialgerichts ausersehen ist, begrüßen wir. Wir hoffen, daß der Bundestag diesem Vorschlag zustimmt. In Anbetracht der Wichtigkeit und der Dringlichkeit dieses Gesetzes hoffen wir, daß eine schnelle und rasche Erledigung durch den Bundestag erfolgt.
Namens der sozialdemokratischen Fraktion beantrage ich, diesen Gesetzentwurf dem Sozialpolitischen Ausschuß als federführendem Ausschuß und dem Kriegsopferausschuß als mitberatendem Ausschuß zu überweisen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte die Hoffnung aussprechen, daß der künftige Bundestag in seiner Geschäftsordnung dafür Sorge trägt, daß nicht einzelne Fraktionen gezwungen sind, zu derart umfangreichen Gesetzen mit so ernsthafter Materie in fünf Minuten Stellung zu nehmen.
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Es ist unmöglich, in fünf Minuten auf die Probleme einzugehen, die sich aus der Diskussion dieses Gesetzes im Ausschuß zwangsläufig ergeben
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werden. Schon die Vorarbeit und die Vorbesprechungen zeigten, wie viele grundsätzliche Fragen hierbei angeschnitten werden müssen.
Die wichtigste dieser grundsätzlichen Fragen, nämlich jene, ob es bei dem bisherigen Zustand der Verbindung von Verwaltung und Rechtsprechung bleiben soll, ob das Aufbaugesetz vom 5. Juli 1934 in Kraft bleiben muß, wird von uns nicht mehr gelöst werden können, weil die Trennung von Verwaltung und Rechtsprechung, über die es sehr erhebliche Meinungsverschiedenheiten auch bei uns gibt, schon vom Grundgesetz entschieden worden ist.
Grundlage aller Diskussionen wird bei uns die Erfahrung der letzten Jahre sein müssen, auch die Erfahrung mit dem Besatzungsrecht und den Einflüssen der Besatzungsmacht, vor allem aber das, was als Wünsche der Versicherten an uns herangetragen wird.
Die Fraktion der Deutschen Partei hat gegen die Vorschläge des Bundesrats, die ja auch weitgehend - wie hier vorgetragen worden ist - die Vorschläge der Opposition sind, die größten Bedenken. Wir meinen, die Sicherheit der Rechtsfindung verlangt, daß bei der übergeordneten Instanz auch eine von der ersten Instanz abweichende Besetzung garantiert ist. Der Bundesrat und die Opposition sind der Auffassung - wir haben es eben gehört -, daß auch sachverständige Laien Vorsitzende der Kammern sein können.
Die Sozialgerichtsbarkeit sollte der Verwaltungsgerichtsbarkeit unbedingt gleichwertig sein. Die Verwendung von Laien als Berufsrichter würde dem widersprechen, ganz abgesehen davon, daß das höchste Ziel dieses Gesetzes und der Sozialgerichtsbarkeit ja sein muß, dem Versicherten einen wirksamen Rechtsschutz zu geben und im rechtsstaatlichen Interesse dafür zu sorgen, daß das Vertrauen zu diesem Rechtsstaat immer mehr gefestigt wird. Deshalb sollten aus diesen Gründen und in diesem Interesse zu Vorsitzenden der Sozialgerichte nur Volljuristen bestellt werden. Man sollte die Sozialgerichtsbarkeit nicht in Mißkredit bringen, ganz abgesehen auch von einer Gefahr, auf die ich hier hinweisen möchte, nämlich der Politisierung, jener Gefahr, der unser Kampf seit Jahren gilt in dem Bestreben, unsere Sozialversicherung, die Versicherungsträger und auch die Verwaltungen aus der Kampf- und Interessenebene der Politisierung herauszunehmen. Deshalb kann und darf die Gerichtsbarkeit auch keine Domäne irgendwelcher Interessengruppen sein; sie muß ein Hort des Vertrauens auf die rechtsstaatliche Ordnung werden.
Beim Vorschlagsrecht wird im Ausschuß sehr ernsthaft die Frage diskutiert werden müssen, wieweit denn überhaupt eine echte Selbstverwaltung zustandegekommen ist und wieweit sie hier eingeschaltet werden muß. Ich möchte dabei nicht unser Bedenken verschweigen, auch hinsichtlich des Ausbildungsstandes der Richter. Wir sehen mit großer Sorge die fortschreitende Atomisierung der Justiz und glauben, daß hier eine große Aufgabe entsteht: die Justiz zum Arbeitsrecht und zum Sozialversicherungsrecht heranzuziehen. Ich möchte auch hoffen, die notwendige Berufung von Berufsrichtern möge nicht dazu führen, daß sich Länder und Bund - die verschiedenen Ministerien - der Beamten entledigen, die entweder unbequem sind oder deren juristisches Können und Wissen dann vielleicht auf einem Abstellgleis verwandt werden soll.
Die Absicht, dieses Vorverfahren, das hierbei auch diskutiert werden muß, z. B. in die Krankenkassen zu legen, wird uns im Ausschuß mancherlei Anlaß zu der Überlegung geben, ob es gut ist, den Versicherten, der am Schalter ,der Krankenkasse eine Leistung abgelehnt bekommt, der sie vom Geschäftsführer abgelehnt bekommt, der sich an den Vorstand wendet und sie abgelehnt bekommt, nun zu einer Schiedsstelle innerhalb desselben Versicherungsträgers zu schicken, weil der Versicherungsträger ja selber Interesse daran haben muß, daß außerhalb des Versicherungsträgers Recht gefunden wird, das die Entscheidung, die dort getroffen ist, wiederum bejaht. Das Vertrauen in viele Versicherungsträger und das Vertrauen in die Versicherungsämter ist aus den Erfahrungen der letzten Jahre weitgehend untergraben worden. Die Gesetzgebung wird dafür Sorge zu tragen haben, daß bei allen diesen Fragen von der notwendigen Wiederherstellung ,des Vertrauens und des Glaubens an den wirklich vorhandenen Rechtsstaat ausgegangen wird.
Hinweisen möchte ich noch kurz auf die Eingabe der kassenärztlichen Landesstellen bezüglich der Entscheidungen über die gemeinschaftliche Selbstverwaltung von Krankenversicherung und kassenärztlichen Stellen bei den Zulassungsausschüssen und hinsichtlich der Überprüfung der Prüfungs und Disziplinarinstanzen.
Wir hoffen, daß die in der Vergangenheit erlassenen und angefochtenen Entscheidungen nun sehr bald durch schnelle Entscheidungen und durch Beseitigung des Rechtsnotstandes, den auch mein Vorredner hier sehr richtig gekennzeichnet hat, revidiert werden können, indem der Ausschuß für Sozialpolitik, an den wir dieses Gesetz federführend überweisen möchten, und der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, den ich bitte, ebenfalls mit einzuschalten, dafür Sorge tragen, daß die Behandlung dieser schwierigen Materie so schnell wie möglich noch während dieser Sitzungsperiode erfolgt.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Standpunkt zu dieser Gesetzesvorlage: Wir bejahen die Schaffung einer Sozialgerichtsbarkeit, getrennt von den Verwaltungsorganen der Sozialversicherung, der Arbeitslosenversicherung und den Versorgungsbehörden für die Kriegsopfer. Wir bejahen die Schaffung zweier Tatsacheninstanzen und einer Revisionsinstanz in der Sozialgerichtsbarkeit. Die Tatsacheninstanzen sollen nach unserer Auffassung die Sozialgerichte und Landessozialgerichte sein, die Revisionsinstanz soll das Bundessozialgericht sein.
Wir lehnen den in der Gesetzesvorlage der Bundesregierung enthaltenen Gedanken, diese Sozialgerichte mit Berufsrichtern zu besetzen, grundsätzlich ab. Nach unserer Meinung müssen als Richter in allen Instanzen der sozialen Gerichtsbarkeit
({0})
geeignete Persönlichkeiten aus den Gewerkschaften und aus den Organisationen der Sozialberechtigten und der Kriegsopfer eingesetzt werden. Diese Organisationen verfügen über genug erfahrene Persönlichkeiten, die auf Grund jahrelanger Tätig({1})
keit auf sozialpolitischem Gebiet die Gesetzgebungsmaterie genauestens kennen und die Funktion eines Richters voll auszuüben in der Lage sind. Einer der zwei ehrenamtlichen Richter bzw. Beisitzer in allen Instanzen muß nach unserer Ansicht dem Kreis der zuständigen Organisationen auf Grund eines echten Vorschlagsrechts der Gewerkschaften bzw. der Organisationen entnommen werden. Dasselbe soll auch auf die Richter in allen Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit zutreffen. Wir bestehen ferner darauf, daß das Vertretungsrecht bei allen Instanzen der Sozialgerichtsbarkeit den Vertretern vorbehalten bleibt, die die Organisationen der Sozialberechtigten selber stellen.
Ebenso wichtig aber ist, daß entweder in das Verfahrensgesetz, in die zu diesem Gesetz angekündigte Sozialgerichtsordnung oder in das Bundesversorgungsgesetz bzw. in die Sozialgesetzgebung selber ausreichende Sicherungen dafür eingebaut werden, daß dem augenblicklichen skandalösen, planmäßig betriebenen Rentenraub ein Ende bereitet wird.
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Die Organe der Sozialversicherung und vor allem der Kriegsopferversorgung müssen durch Gesetz gezwungen werden, gewisse zu Recht heftig kritisierte Praktiken einzustellen. Ich denke vor allem an die neuerlich praktizierte Methode, Rentenkürzungen, ja den völligen Entzug der Rentenversorgung mit der Begründung vorzunehmen, daß neue wissenschaftliche, ärztliche Erkenntnisse den Rentenentzug rechtfertigten. Wozu diese Methoden führen, hat die Öffentlichkeit durch den Fall Kulik erfahren. Diesem Kriegsbeschädigten des ersten Weltkrieges wurde die Rente auf Grund einer offensichtlichen Fehldiagnose entzogen. Er beging daraufhin Selbstmord. Nachträglich hat sich herausgestellt, daß der Rentenentzug völlig unberechtigt war. Die Versorgungsbehörde hat ihre Fehlentscheidung hinterher damit zu korrigieren versucht, daß sie der Witwe die zu Unrecht entzogenen Rentenbezüge ihres Mannes nachbewilligt hat. Aber den Freitod des 100 %ig kriegsbeschädigten Sozialberechtigten schafft man damit nicht aus der Welt.
Wir ziehen aus diesen Tatsachen die Schlußfolgerung, daß eine Sicherung geschaffen werden muß in der Form, daß jeder Sozialberechtigte, dessen Rentenbezüge auf Grund eines ärztlichen Gutachtens gekürzt oder völlig entzogen werden sollen, das Recht erhält, sich auf Kosten der Versicherungsträger bzw. der Versorgungsbehörden ein Gegengutachten zu beschaffen. Dieses Gegengutachten soll von einer gleichrangigen ärztlichen Autorität bzw. einem Krankenhaus oder einem medizinischen Institut erstattet werden, zu dem der Sozialberechtigte Vertrauen haben kann. Wir sind außerdem der Auffassung, daß Bescheide der Versorgungsorgane bzw. der Versicherungsorgane erst dann rechtswirksam werden dürfen, daß also eine Rentenkürzung bzw. der Rentenentzug erst dann vollzogen werden darf, wenn die Landesberufungsinstanz der Sozialversicherung gesprochen hat.
Zusammenfassend sei gesagt: Wir halten den Gesetzentwurf in seiner derzeitigen Form für völlig ungenügend. Wir werden bei der zweiten Beratung der Gesetzesvorlage die uns erforderlich scheinenden Änderungsvorschläge machen.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon bei Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung eines Bundesversicherungsamtes haben wir uns in diesem Hause auch mit dem jetzt vorliegenden Entwurf eines Sozialgerichtsgesetzes beschäftigt, so daß es kaum notwendig erscheint, sich mit diesem Gesetz heute lange zu befassen. Ich bin mit dem Kollegen Freidhof und mit Frau Kalinke hinsichtlich der Eilbedürftigkeit dieses Gesetzes einig, und ich bin der Meinung, daß wir uns im Sozialpolitischen Ausschuß in den nächsten Tagen eingehend mit der Vorlage beschäftigen müssen, damit sie recht bald verabschiedet werden kann. Wenn aber der Herr Kollege Freidhof der Bundesregierung eine Schuld zuschieben will, weil dies Gesetz erst heute dem Hause vorgelegt wird, dann möchte ich doch darauf verweisen - ich habe das schon in der vergangenen Woche getan -, daß wir seit September 1949 im Bundestag 50 sozialpolitische Gesetze verabschiedet haben und daß der Herr Bundesarbeitsminister für diese Gesetze die Vorarbeiten hat leisten müssen.
({0})
Außer diesen 50 Gesetzen, mit denen wir uns beschäftigt haben, sind noch etwa 30 Verordnungen sozialpolitischer Art von der Regierung im Benehmen mit dem Bundesrat erarbeitet und erlassen worden. Dies ist eine sozialpolitische Arbeitsleistung, die bisher kein Parlament der Welt aufzuweisen vermag.
({1})
Wenn angesichts der Situation, in der wir uns seit dem Jahre 1949 befinden, von einer Schuld geredet wird,, dann muß ich schon fragen: Hat dann der Ausschuß, der von einem Abgeordneten der SPD geleitet wird, keine Schuld auf sich gehäuft? Ich habe heute morgen feststellen lassen, wieviel Drucksachen im Ausschuß für Sozialpolitik noch nicht erledigt worden sind. Es sind nicht weniger als 23 Drucksachen, die der Erledigung harren.
({2})
Es ist doch kein Unterschied, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir in diesem Hause wegen der Fülle von Gesetzen, die auf uns zukommen, wegen Zeitmangels nicht alle erledigen können, oder ob das der Regierung wegen Zeitmangels nicht möglich ist. Man soll doch nicht immer von Schuld und von Versäumnissen reden, wenn man die Situation kennt, in der wir uns seit dem Jahre 1949 oder, besser gesagt, seit dem Jahre 1945 befinden.
({3})
Wir haben doch, als wir 1945 bzw. 1949 unsere Arbeit begonnen haben, vor einer. Situation gestanden, in der von Grund auf alles von neuem gesetzgeberisch geregelt werden mußte.
({4})
Das ist der Opposition genau so bekannt wie uns. Darum muß ich es entschieden zurückweisen, wenn hier irgendwie von Versäumnissen und von Schuld geredet wird.
({5})
Das zu den Ausführungen der Opposition.
({6})
Dann möchte ich dem Antrag der Frau Kollegin Kalinke widersprechen, mit dem sie fordert, daß der vorliegende Gesetzentwurf neben den Sozialausschüssen auch dem Rechtsausschuß überwiesen wird.
({7})
Wir haben alle - auch die Frau Kollegin Kalinke hat es getan - von der Eilbedürftigkeit dieses Gesetzes gesprochen. Wenn wir es schnell verabschieden wollen, dann ist es nach meinem Dafürhalten überflüssig, einen dritten Ausschuß hinzuzuziehen.
Noch ein Wort zu den Juristen. Ich bin nicht, wie das im Entwurf vorgesehen ist, der Meinung, daß es unbedingt Berufsrichter sein müssen. Ich habe in den Jahren, in denen ich in der Öffentlichkeit tätig bin, sehr oft mit Juristen verhandeln müssen, und dabei ist mir von den Juristen häufig gesagt worden: Ja, vom Sozialrecht habe ich keine Ahnung; ich habe nur gelegentlich einmal als Gasthörer eine sozialrechtliche Vorlesung besucht. - Ich bin der Ansicht, daß es gerade auf dem Gebiete des Sozialrechts unter den Laien Menschen gibt, die genau so und vielleicht noch besser in der Lage sind, die rechtlichen Gesichtspunkte herauszufinden, die für Entscheidungen wichtig sind.
({8})
Ich bin daher nicht mit dem Entwurf der Meinung, daß es nur Berufsrichter sein müßten.
({9})
- „Hört! Hört!"? Ich könnte Ihnen Namen von Juristen nennen, die auf ihrem Gebiet etwas bedeuten, die aber selbst zugeben, im Sozialrecht Laien zu sein.
({10})
Zum Schluß möchte ich den Antrag stellen, den Gesetzentwurf dem Sozialpolitischen Ausschuß als federführendem Ausschuß und zur Mitberatung dem Ausschuß für Kriegsopferfragen zuzuleiten.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Teil der Ausführungen der Abgeordneten Frau K a link e veranlaßt mich, hier einige Feststellungen zu treffen. Offenbar gibt es zu verschiedenen Problemen innerhalb der Deutschen Partei auswechselbare Meinungen,
({0})
je nachdem, ob das betreffende Problem in Deutschland oder ob das gleiche Problem in Europa auf der Tagesordnung steht. Im Rechtsausschuß des Europarats hat der hier amtierende Fraktionsvorsitzende der Deutschen Partei, unser Kollege von Merkatz, in einer wichtigen Frage genau den entgegengesetzten Standpunkt vertreten wie hier die Kollegin Frau Kalinke.
({1})
Er hat nämlich bei der Beratung des Statuts für den künftigen europäischen Gerichtshof der Meinung Ausdruck gegeben - und zwar schriftlich und mündlich -, daß es auch nützlich und möglich sein müsse, in diesen Gerichtshof Richter aufzunehmen, die ihre Erfahrung nicht nur auf dem Wege der normalen richterlichen Berufsausbildung gewonnen haben.
({2})
Diese Auffassung des Kollegen von Merkatz ist auch durch die Praxis innerhalb der Montanunion bestätigt worden. Auch dort hat sich die Deutsche Partei damit einverstanden erklärt, daß z. B der sehr verdiente frühere Vorsitzende des Sozialausschusses des Europarats, der aus der katholischen Gewerkschaftsbewegung kommende holländische Abgeordnete Serrarens, mit zum höchsten Richter in Europa berufen worden ist, obwohl er nicht das besitzt, was man hierzulande die Befähigung zum Richteramt zu nennen pflegt. Aber der ganze Werdegang dieses Mannes schien ausreichend dafür zu bürgen, daß er die Qualifikation in sich birgt, bei sehr schwierigen rechtlichen Fragen, die in der Montanunion insbesondere auch auf dem Gebiet des Sozialrechts zu lösen sind, das berufene Urteil mit abzugeben.
({3})
Das möchte ich der Frau Kollegin Kalinke sagen. Sie soll es lieber mit ihrem Fraktionsfreund von Merkatz halten und sich dahin entscheiden, daß eine Qualifikation, die ausreicht, höchster Richter in Europa zu sein, auch dazu ausreichen dürfte, Richter in der deutschen Sozialgerichtsbarkeit zu werden.
({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Auch wir begrüßen die Vorlage, die dazu bestimmt ist, endlich die Lücke auszufüllen, die sich seit 1945 in unserer Sozialgerichtsbarkeit ergeben hat und die bisher gedroht hat, zu einer Rechtszersplitterung zu führen, insbesondere durch die verschiedenartigen Maßnahmen, die von seiten der Länder auf diesem Gebiet getroffen worden sind. Wir begrüßen auch die Tendenz der Regierungsvorlage. Wir sind eigentlich überrascht von den Anträgen, die der Bundesrat gestellt hat und die man sich nur aus der etwas einseitigen Zusammensetzung des zuständigen Fachausschusses erklären kann.
({0})
Wir setzen uns auch für die Trennung der Rechtsprechung von der Sozialverwaltung ein, wie sie ja das Grundgesetz fordert. Aber gerade diese Trennung verlangt eine klare Regelung nach den Grundsätzen des Rechtsstaates, und diese ist im ersten Abschnitt des Gesetzentwurfs durchaus gegeben, wenn vielleicht auch die zusätzlich geschaffene Instanz manchmal einige Erschwerungen bringen wird.
Die Änderungsvorschläge des Bundesrats enthalten aber eine ganz andere Tendenz, und ich bin überrascht, daß sich auch der Herr Kollege Arndgen mit solcher Entschiedenheit dafür einsetzt. Das kommt besonders in der Forderung zum Ausdruck, daß auch andere als Berufsrichter mit der Leitung der Gerichte betraut werden können. Das würde doch bedeuten, daß wir Gerichte bekämen, die nur aus Laien zusammengesetzt wären, denen jede Berufsbefähigung fehlt. Die Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Beisitzern berücksichtigt das Laienelement in ausreichendem Maße. Es gibt ihm sogar gegenüber dem Berufsrichter ein Übergewicht. Wir halten den Berufsrichter für unbedingt erforderlich. Hier sind - und darin stimme ich mit dem Herrn Bundesarbeitsminister überein - keine schiedsrichterlichen Entscheidungen zu treffen, sondern
({1})
hier ist auf Grund der bestehenden Gesetze Recht zu sprechen, und das erfordert eine umfassende Kenntnis nicht nur der Gesetze auf dem sozialen Gebiet, sondern auch der Gesetze auf dem weiteren Gebiet des allgemeinen Rechts, des Handelsrechts usw.;
({2})
und dazu ist eine ausreichende Vorbildung erforderlich. Zweifellos haben Sie recht, Herr Kollege Arndgen, wenn Sie sagen, daß ein Teil der Richter, der nur in der allgemeinen Rechtsprechung tätig ist, hierfür nicht die geeignete Vorbildung hat. Aber es sind genügend Personen vorhanden, die die Voraussetzungen, die ich eben skizziert habe, voll und ganz erfüllen.
({3})
Das Laienelement kann in den beiden Beisitzern voll und ganz zum Zuge kommen.
({4})
Wir haben zu dem Gesetz noch eine Reihe von Wünschen und vielleicht auch Änderungsanträgen vorzutragen, die aber nicht die grundsätzliche Tendenz berühren und die wir dann im Ausschuß vorbringen werden. Wir setzen uns ebenso wie Sie für eine schnelle Bearbeitung im Ausschuß ein. Wir stimmen aber dem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei zu, diesen Gesetzentwurf außer den beiden Ausschüssen, die hier schon genannt worden sind, auch dem Rechtsausschuß zu überweisen.
({5})
Damit ist die Rednerliste erschöpft. Dann können wir also zur Abstimmung kommen. Es bestehen einige widerspruchsvolle Auffassungen wegen der Überweisung. Ich glaube, übereinstimmend war die Auffassung: Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß.
({0})
Jetzt ist noch die Frage der Mitbeteiligung anderer Ausschüsse zu entscheiden. Da ist der Antrag gekommen, den Rechtsausschuß mitzubeteiligen.
({1})
- Der Antrag ist gekommen.
({2})
Darm war noch der Antrag gestellt, den Kriegsopferausschuß zu beteiligen. Besteht da Übereinstimmung?
({3})
- Die scheint vorhanden zu sein; also Mitbeteiligung des Kriegsopferausschusses.
Jetzt müssen wir wohl über die Frage der Mitbeteiligung des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht abstimmen. Ich bitte diejenigen, die für die Mitbeteiligung des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht sind, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung - - ({4})
- Nein, nein, es ist gesagt worden: halb eins. Wir haben noch eine Viertelstunde Zeit, da können wir noch einiges erledigen.
({5})
- An sich war vorgesehen, Punkt 1 nach 12 Uhr zu behandeln.
({6})
- Also dann rufe ich auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Ehren, Arnholz, Stegner, Löfflad, Mayerhofer und Genossen betreffend Vorlage eines Heilpraktikergesetzes ({7}).
Wer begründet diese Anfrage? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Ehren.
Ehren ({8}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 108. Sitzung des Bundestags vom 5. Dezember 1950 erklärte der Abgeordnete Pohle als Berichterstatter, daß der Gesundheitsausschuß sich seit dem Monat Mai des Jahres 1950 intensiv mit der Frage der Schaffung eines Heilpraktikergesetzes befaßt habe. Er schilderte Einzelheiten dieser Bemühungen, Anhörung von Sachverständigen usw. Abschließend gab er der einstimmigen Meinung des Ausschusses Ausdruck, daß ohne eine Ordnung in der Heilpraktikerfrage eine vernünftige Regelung nicht kommen könne. Es sei im Interesse des Volkes notwendig, daß diese Regelung erfolge. Es sei nicht beabsichtigt, für einen Stand ein neues Privileg zu schaffen. Er empfahl dem Hause die Annahme der Drucksache Nr. 1503. Diese Drucksache hat folgenden Wortlaut:
Die Bundesregierung wird ersucht, beschleunigt den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, welches das Heilpraktikergesetz vom 17. Februar 1939 ablösen und den gegenwärtigen verfassungsrechtlichen und gewerberechtlichen Bestimmungen entsprechen soll.
Dieser Beschluß wurde vorn Bundestag einstimmig gefaßt.
Seit dieser Zeit sind mehr als zweieinhalb Jahre vergangen, ohne daß die Bundesregierung dem Ersuchen des Bundestags nachgekommen wäre. Ich glaube, niemand kann und will dem Herrn Bundeskanzler oder dem Gesamtkabinett die Schuld für dieses Versagen zuschieben. Wir alle kennen den Werdegang einer Gesetzesvorlage. Wir wissen, daß die vorbereitenden Arbeiten von den Ressorts der zuständigen Ministerien getroffen werden. Ich habe den Eindruck - und ich bin sehr vorsichtig bei meiner Formulierung -, daß die für diese Aufgabe zuständige Gesundheitsabteilung des Innenministeriums nicht das Notwendige getan hat, um dem einstimmigen Wunsch des Bundestags Rechnung zu tragen.
({9})
An Erinnerungen, aber auch an Versprechungen, diesem Wunsche nachzukommen, hat es nicht gefehlt. Was die Versprechungen anlangt, kann ich folgendes Beispiel anführen. Ein Vertreter des in Frage kommenden Berufsstandes hat sich, sich auf sein Recht als Demokrat berufend,
({10})
direkt an den Herrn Bundeskanzler gewandt,
({11})
und zwar mit Datum vom 8. September 1951. Dieser Interpellant erhielt nun folgende Antwort:
Auf Ihr Schreiben vom 8. September 1951 an den Herrn Bundeskanzler teile ich Ihnen folgendes mit. Die Arbeiten am Entwurf eines neuen Heilpraktikergesetzes sind im wesentlichen abgeschlossen. Der Entwurf wird demnächst im Kabinett behandelt und anschließend den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet werden. Ich habe die im Bundesministerium zu leistenden Vorarbeiten laufend verfolgt und kann daher Ihre Befürchtungen zerstreuen, daß es dort am guten Willen gefehlt habe und daß die Fertigstellung des Gesetzentwurfs absichtlich verzögert worden sei.
Etwas später hat sich in einer Fragestunde der Herr Kollege Arnholz nach dem Stand der Dinge erkundigt, und Herr Minister Lehr gab in dieser Fragestunde - das war im Juni vorigen Jahres - folgende Antwort:
Von der Bundesregierung aus, insbesondere im Hinblick auf den erreichten Stand der Bearbeitung der Angelegenheit in meinem Hause, könnte ich Ihnen diesen Entwurf ohne weiteres noch vor den Ferien zuleiten.
Auf Grund dieser Erklärung wurde in einer Kleinen Anfrage vom 8. Oktober 1952 die Regierung gefragt, warum bis dato noch immer nichts erfolgt sei.
Im Auftrag unseres Hauses stelle ich diese Frage hier erneut. Ich habe nicht die Absicht und nicht die Aufgabe, zu dem materiellen Inhalt des von uns verlangten Gesetzes Stellung zu nehmen. Es ist auch nicht meine Aufgabe, die Wünsche des Heilpraktikerstandes hier darzulegen oder herauszustellen. Diese Aufgabe wird erst mit der Vorlage des Gesetzes an uns alle herantreten. Ich habe heute nur zu sagen, daß auch der Beruf der Heilpraktiker ein Recht darauf hat, vor klare Rechtsverhältnisse gestellt zu werden, und daß die Heilpraktiker verlangen können, daß das vom „Dritten Reich" geschaffene Ausnahmerecht beseitigt wird.
({12})
Die Schaffung neuen Rechtes ist im Interesse der Gesundheit unseres Volkes unbedingt notwendig. Gestalten wie Gröning und Genossen konnten nur auf dem Boden der jetzigen Rechtsunsicherheit ihr Unwesen treiben. Die einzelnen Länder haben bereits von sich aus versucht, verfassungsmäßige Verhältnisse herzustellen. Die Ärztekammern - und ich bin dieser Körperschaft ob dieses Tatbestandes nicht einmal böse - haben die Rechtlichkeit der Bemühungen und der Erlasse angefochten. Das Ergebnis ist, daß wir in einzelnen Ländern tagaus tagein lustig Verwaltungszivilprozesse haben, daß in einem Lande so, in dem andern so entschieden wird. Ich glaube, es wird die allerhöchste Zeit, daß dem Wunsch des Bundestags, der vor mehr als zweieinhalb Jahren geäußert wurde, nun endlich Rechnung getragen wird. Es handelt sich doch nicht um ein Gesetz mit 50 und mehr Paragraphen, sondern 14 Paragraphen umfaßt die ganze Angelegenheit. Ich glaube - ich spreche das einmal mit aller Deutlichkeit aus -, daß nicht irgendeine Abteilung in einem Ministerium den Gang der Dinge zu entscheiden hat, sondern daß in jedem Ministerium der Wunsch des Bundestags für den Verlauf der Verhandlungen entscheidend ist.
({13})
Es wäre dringend zu wünschen, daß diesem Wunsch nun endlich entsprochen würde.
({14})
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär Bleek.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit Dank und Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß der Bundesregierung als solcher Vorwürfe wegen der bisherigen Nichtvorlage des Gesetzes nicht gemacht worden sind.
({0})
Ich darf aber auf die weiteren Ausführungen des Herrn Abgeordneten Ehr en insoweit eingehen, als er glaubt, daß in der Gesundheitsabteilung unseres Hauses gewisse Hemmungen bestehen. Dieser Vorwurf würde, wenn er gerechtfertigt wäre, nämlich bedeuten, daß eine Abteilung eines Ministeriums stärker ist als der Wille des für das Ministerium verantwortlichen Ministers und der für die Geschäftsführung dieses Ministeriums verantwortlichen Bundesregierung.
({1})
Meine Damen und Herren! Wenn Sie die Vorgeschichte, die Herr Abgeordneter Ehren hier an Hand des Beschlusses vom Jahre 1950, an Hand der Beantwortung einer Frage in der Fragestunde, an Hand der Beantwortung einer Kleinen Anfrage vorhin dargelegt hat, verfolgen, dann wird sich daraus für Sie eines ergeben. Die zuständige Abteilung unseres Hauses hat den Entwurf nicht nur im wesentlichen, sondern in seinem vollen Umfange schon seit langem fertiggestellt gehabt. Es haben sich aber von uns nicht vertretbare Verzögerungen dadurch ergeben, daß in einem gewissen Stadium, als wir so gut wie fertig waren, eine Spaltung in der Organisation der Heilpraktiker erfolgte und es notwendig war, mit neuen Verbänden neue Verhandlungen zu führen. Aus der Beantwortung der erwähnten Kleinen Anfrage ersehen Sie, daß im Gegensatz zu früheren Stellungnahmen die Ärzteschaft plötzlich erhebliche Bedenken gegen die Vorschriften des Entwurfs erhob und deshalb auch mit ihr weitere Verhandlungen notwendig wurden. Dies sind die einzigen Gründe der Verzögerung.
Nun darf ich noch folgendes erklären. Es ist Ihnen bekannt, daß die Bundesregierung vor kurzem im Hinblick auf den bevorstehenden Ablauf der Legislaturperiode und unter Würdigung der dem Hohen Hause noch vorliegenden Gesetzentwürfe ein Programm darüber aufgestellt hat, welche Gesetzentwürfe unbedingt als so vordringsich anzusehen sind, daß sie dem Bundestag noch zugeleitet werden müssen. Wenn es vielleicht auch eine gewisse Enttäuschung im Kreise der Interessierten hervorrufen wird, so bin ich doch verpflichtet zu erklären: Die Bundesregierung ist nach sorgfältiger Prüfung nicht mehr der Auffassung, daß im Hinblick auf den großen Arbeitsstoff, der bereits vorliegt und der noch vorgelegt werden muß, dieser Gesetzentwurf noch eingebracht werden sollte. Es ist zweifellos anzuerkennen, daß im Jahre 1950 die Vorlage des Gesetzentwurfs eine gewisse Vordringlichkeit hatte. Inzwischen scheint sich die Situation aber auf rechtlichem Gebiet nicht unwesentlich geändert zu haben. Damals - im Jahre 1950 - bestand eine gewisse Rechtsunsicher({2})
heit bezüglich der Frage, welche Bestimmungen des Heilpraktikergesetzes vom 17. Februar 1939 mit dem Grundgesetz im Einklang standen und deshalb noch anwendbar waren. In der Zwischenzeit haben sich jedoch in dieser Beziehung völlig neue Gesichtspunkte ergeben. Soweit wir es übersehen, haben sich sämtliche Länder in der praktischen Handhabung der Dinge einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Hamburg angeschlossen; sie erteilen auf Antrag die Erlaubnis zur Ausübung der Heilkunde ohne Bestallung, nachdem eine Überprüfung der Bewerber stattgefunden hat. Dabei wird der § 2 Abs. 1 der Ersten Durchführungsverordnung zum Heilpraktikergesetz zugrunde gelegt, soweit es sich nicht um Bestimmungen nationalsozialistischen Charakters handelt. Im Prinzip wird also das gleiche Verfahren bereits geübt, das in unserem Entwurf des Heilpraktikergesetzes vorgesehen ist. Dem Bundesministerium des Innern sind keine Klagen mehr darüber zugegangen, daß Heilpraktikern die Erlaubnis zur Ausübung ihrer Tätigkeit unter Berufung auf das Gesetz von 1939 verweigert wurde.
Bei dieser durch die erwähnte Oberverwaltungsgerichtsentscheidung doch wohl im wesentlichen klargestellten Rechtslage sah die Bundesregierung unter Würdigung der 'Arbeitsbelastung des Bundestags keinen Anlaß mehr, das Gesetz auf das Dringlichkeitsprogramm zu setzen. Ich darf aber versichern: die Vorlage ist nun tatsächlich so weit fertiggestellt, daß sie nach der Neuwahl ohne weiteres und mit Beschleunigung eingebracht werden kann.
Damit ist die Anfrage beantwortet. Ich frage das Haus, ob eine Aussprache gewünscht wird. Ich bitte diejenigen, die eine Aussprache wünschen, die Hand zu erheben. - Es scheint niemand dafür zu sein, jedenfalls ist die Zahl von 30 Abgeordneten nicht erreicht, und wir können keine Aussprache stattfinden lassen.
Unter diesen Umständen dürfte es angezeigt sein, in die vorgesehene Mittagspause einzutreten. Wir kommen um 14 Uhr wieder zusammen.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 08 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich rufe auf den Punkt 2 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Decker, Dr. Besold und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids in der Pfalz ({0});
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Freiherr von Aretin, Dr. Reismann und Genossen betreffend Volksentscheid in der Pfalz ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Herr Abgeordneter Dr. Decker zur Begründung!
Dr. Decker ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch viele Jahrhunderte - das reicht bis 1214 zurück - ist die Pfalz unmittelbar oder über das Haus Wittelsbach mit Bayern verbunden gewesen. Gerade die letzten 175 Jahre haben bewiesen, wie glücklich dieses Band für beide Länder sich ausgewirkt hat. Die Verbindung Bayern-Pfalz war bis 1945 für das ganze deutsche Volk eine Selbstverständlichkeit, und es wurde nie bestritten, daß die Pfalz als ein Teil des bayerischen Staates anzuerkennen sei.
({3})
Echtes und lebendiges bayerisches Staatsbewußtsein war im links- und im rechtsrheinischen Bayern vorhanden, ein Staatsbewußtsein, das bisher durch kein anderes ersetzt worden ist. Selbst das Dritte Reich hat in seiner Rücksichtslosigkeit eine vollständige Abtrennung der Pfalz vom rechtsrheinischen Bayern nicht durchführen können; dieser Schritt blieb vielmehr den Alliierten nach 1945 vorbehalten, und - das sei ganz besonders hervogehoben - nicht deutsche Interessen, sondern lediglich besatzungspolitische Gesichtspunkte waren hierfür maßgebend. Die Pfalz, die einst ein sorglich gehütetes und gepflegtes Juwel im Kranze der bayerischen Kreise war, ist nun zum Hinterland geworden. Ludwigshafen, das jetzt seinen 100. Geburtstag feiert, eine blühende bayerische Gründung, droht zu einem Vorort zu werden.
({4})
Die organischen wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen der Pfalz haben immer nach Franken und nach Altbayern gereicht, und sie sind trotz mancher Erschwerung bis heute noch nicht völlig abgerissen. Ohne die starke und enge Klammer zwischen dem rechtsrheinischen Bayern und der linksrheinischen Pfalz wäre die Pfalz wahrscheinlich dem Schicksal des Saarlandes oder gar Elsaß-Lothringens verfallen.
({5})
- Bitte, studieren Sie einmal die Geschichte! Das
Verhältnis Bayerns zur Pfalz war ein Musterbeispiel für gesunden und lebendigen Föderalismus.
({6})
Die Zeit ist nun reif, daß Schritte unternommen werden, um die unglückliche Trennung wieder rückgängig zu machen. In Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes ist für die Neugliederung ein Bundesgesetz gefordert. Der Art. 29 Abs. 2 sieht in einer Kann-Bestimmung ein Volksbegehren vor. In dem Wortlaut ist ausdrücklich das Wort „kann" und nicht „muß" enthalten. Warum? Der Verfassunggeber wollte für den Fall, daß die gesetzgebende Körperschaft des Bundes die Initiative zu einer anstehenden Neugliederung nicht ergreift, der Bevölkerung die Möglichkeit einer eigenen Initiative geben. Offensichtlich ist aber durch diese Kann-Bestimmung nicht ausdrücklich ausgeschlossen, daß der Bundestag von sich aus das Neugliederungsproblem aufgreift. In dem letzteren Fall ist ein Volksbegehren sinnwidrig und überflüssig; denn der auf einen solchen Schritt folgende Volksentscheid gibt der Bevölkerung die Gelegenheit, ihren Willen zum Ausdruck zu bringen. Gerade das wollen wir durch unsere Anträge zum Problem der Pfalz erreichen. Unser Antrag auf Drucksache Nr. 4226, „Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung eines Volksentscheids in der Pfalz", bezweckt,
({7})
die Grundlage für einen Volksentscheid in der Pfalz zu schaffen. Ein Volksbegehren ist dann nach unserer Ansicht, die ich Ihnen soeben dargelegt habe, überflüssig. Durch die Annahme des Antrages soll vielmehr der Bundestag die Initiative ergreifen und den Volksentscheid veranlassen.
Die Durchführung des geforderten Gesetzes ist durch die Einstellung der Alliierten zum Bonner Grundgesetz heute noch gehindert. Diese Einstellung ist aber weiß Gott überholt. Ein Beschluß dieses Hauses müßte doch die Alliierten veranlassen, von dieser heute unverständlichen Haltung abzugehen.
Wir haben in einem zweiten Antrag, Drucksache Nr. 4227, das Hohe Haus gebeten, der Regierung den Auftrag zu geben, die Voraussetzungen für die Durchführung eines Volksentscheides zu schaffen. Ich darf an das ganze Haus appellieren, unsere Anträge zu unterstützen. Gerade Sie, meine Damen und Herren aus der Mitte des Hauses, haben ja in der letzten Woche den Anschauungsunterricht gehabt, wie gefährlich es ist, in den Bestand der im Laufe der Jahrhunderte gewachsenen Länder einzugreifen. Daß das Land Baden zerstört und mit Ihrem Zutun eine „Maierei" zusammengeklebt worden ist, bereuen Sie alle miteinander heute schwer.
({8})
Das Band zwischen Bayern und der Pfalz ist in Jahrhunderten so eng geworden, daß es ohne Schaden für beide Länder, ja für das ganze deutsche Volk auf die Dauer nicht getrennt werden darf. Helfen Sie uns, es wieder zu knüpfen. Geben Sie den Pfälzern das Recht, über die Stellung ihres Landes im Bund selber zu entscheiden.
({9})
Wir beantragen, unsere beiden Anträge dem Ausschuß für innergebietliche Neuordnung zur Bearbeitung zu überweisen.
({10})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin leider genötigt, einige verfassungsrechtliche Bedenken zu dem Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Decker, Dr. Besold und Genossen vorzubringen. Gestatten Sie mir dazu einige kurze Ausführungen.
Wie Ihnen bekannt ist, besteht ein alliierter Vorbehalt zu dem Art. 29 des Grundgesetzes, der für diese Neugliederung allein maßgebend ist. Es gibt zwar noch den Art. 118, aber der enthält eine Sonderbestimmung, die für den Südweststaat, wie Ihnen bekannt ist, angewandt worden ist.
({0})
Wir haben uns je und je bemüht, von den Alliierten die Aufhebung des Vorbehalts zu Art. 29 zu erreichen. Es ist bis zur Stunde aber nicht möglich gewesen.
Die Suspendierung dieses Artikels erstreckt sich leider auch auf alle vorbereitenden Maßnahmen. Wir haben das ebenfalls zur Genüge in den erfolglosen Verhandlungen mit den Alliierten feststellen müssen. Zu den vorbereitenden Maßnahmen gehört auch die in dem zweiten Absatz des Art. 29 vorgesehene Möglichkeit des Volksbegehrens. Wir konnten also nichts anderes tun, als feststellen, daß angesichts der Vorbehalte der Alliierten die in dem Art. 29 enthaltene Frist von einem Jahr noch nicht zu laufen begonnen hat, sondern daß diese Frist erst von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnt, in dem die alliierten Vorbehalte fortgefallen sind.
Ich muß noch eines hervorheben. Abgesehen von der zur Zeit nicht überwindbaren Schwierigkeit der alliierten Vorbehalte besteht noch eine weitere verfassungsrechtliche Schwierigkeit, auf die ich Sie hinweisen muß. Zwar bietet Art. 29 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bevölkerung derjenigen Gebietsteile, die bei der Neubildung der Länder nach dem 8. Mai 1945 ohne Volksabstimmung ihrer Landeszugehörigkeit entzogen worden sind oder die ihre Landeszugehörigkeit ohne Volksabstimmung geändert haben, die Möglichkeit, binnen eines Jahres nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes - d. h. hier: nach Fortfall des Vorbehalts der Alliierten - eine Änderung der über die Landeszugehörigkeit getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen im Wege des Volksbegehrens zu fordern. In dem Antrag des Herrn Kollegen Decker und seiner Freunde handelt es sich aber nicht um ein Volksbegehren, sondern um einen Volksentscheid. Für den Volksentscheid bestimmt unser Grundgesetz, daß er erst stattfinden kann, wenn das Hohe Haus und der Bundesrat ein Neugliederungsgesetz erlassen haben. Cher dieses Neugliederungsgesetz kann dann ein Volksentscheid stattfinden, aber vorher nicht. Man wird auch davon ausgehen können, daß das in Art. 29 Abs. 7 des Grundgesetzes vorgesehene Bundesgesetz, das das Verfahren über jede sonstige
d. h. nicht unter die Neugliederungsmaßnahmen fallende - Änderung des Gebietsbestandes der Länder regeln soll, die Durchführung von Volksbegehren und Volksentscheid tatsächlich vorsehen kann. Aber das würde bedeuten, daß ein solches Gesetz zu seiner Annahme einer qualifizierten Mehrheit im Bundestag und darüber hinaus der Zustimmung des Bundesrats bedarf. Ein solches Gesetz ist bisher nicht ergangen und konnte auch nicht ergehen. Bei dem Antrag des Herrn Kollegen Decker handelt es sich auch nicht um eine sonstige Gebietsänderung, sondern mit diesem Antrag ist tatsächlich die Vorwegnahme einer allgemeinen Neugliederung des Bundesgebiets in einem bestimmten Rahmen vorgesehen. Soweit zu dem Antrag der Herren Decker und Genossen.
Zu dem Antrag der Herren Abgeordneten Freiherr von Aretin, Dr. Reismann und Genossen betreffend Volksentscheid in der Pfalz darf ich zunächst auf meine soeben gemachten Ausführungen Bezug nehmen. Wir haben uns mit allem Nachdruck bemüht, von den Alliierten die Aufhebung der Vorbehalte zu dem allein maßgebenden Art. 29 zu erreichen. Wir stützten uns dabei auf den Beschluß des Bundestages vom 8. März 1951, durch den die Bundesregierung ersucht wurde, bei der Hohen Kommission alle Schritte zu unternehmen, um eine alsbaldige Anwendung des Art. 29 zu ermöglichen. Ich wiederhole, daß das mit allem Ernst von der Bundesregierung geschehen ist. Ich wiederhole, daß alle Schritte erfolglos gewesen sind. In den Verhandlungen mit den Drei Mächten über die Ablösung des Besatzungsstatuts konnten wir nur erkennen, daß wir es nach Wegfall der in dem Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure zum Ausdruck gebrachten Vorbehalte auch nicht mehr nötig haben, besondere Verhandlungen mit den
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Alliierten zu pflegen, sondern mit dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Deutschlandvertrages fallen automatisch alle Vorbehalte zu Art. 29 fort, und es bedarf keiner weiteren Verhandlungen mehr. Ich glaube allerdings, daß es in diesem Zeitpunkt wenig aussichtsreich erscheint, nochmals Verhandlungen über einen vorzeitigen Wegfall der Vorbehalte mit den Alliierten zu führen.
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Ich eröffne die Aussprache im Rahmen der vereinbarten Redezeit von 40 Minuten. Das Wort hat der Abgeordnete Eberhard.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nicht zu dem Antrag der Rückgliederung der Pfalz an Bayern im besonderen, sondern ganz allgemein gesehen möchte ich zunächst folgendes sagen: Die Freie Demokratische Partei hält sich schon nach Programm und Zielsetzung verpflichtet, der Frage der innerdeutschen Ländergliederung ihre besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Bei einer notwendigen Länderneugliederung wird deshalb meine Partei unter allen Umständen darauf Bedacht nehmen, daß nicht Gedankengänge verwirklicht werden, die eine rückschrittliche Lösung bedeuten würden.
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Als eine rückschrittliche Lösung wäre meines Erachtens im heutigen Kleinstdeutschland z. B. die Wiederbildung von Exklaven anzusehen,
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die, in heutiger Sicht betrachtet, sowohl in volksmäßiger wie auch wirtschaftlicher Hinsicht als Fehllösung anzusprechen wäre.
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Den südlichen Teil des Landes Rheinland-Pfalz bildete die Exklave Rheinpfalz, die von 1815 bis 1945 bestanden hat. Sie ist im Westen verkleinert um die sogenannte Saarpfalz, bestehend -aus den Kreisen Homburg, St. Ingbert und Blieskastel, die die Besatzungsmächte schon im Jahre 1918 wie wiederum im Jahre 1945 mit dem Saarland vereinigt haben.
Der Freien Demokratischen Partei kommt es deshalb darauf an, wirtschaftlich gesunde und alle Bevölkerungsteile befriedigende Länder zu haben und, falls noch nicht allenthalben vorhanden, diese neu zu schaffen. Deshalb werden wir Fragen dieser Art mit besonderer Sorgfalt prüfen, bevor wir unsere Entscheidung treffen.
Wir dürfen auch nicht in den Fehler verfallen, neu Geschaffenes, einerlei aus welchen Gründen, kurzerhand über Bord zu werfen. Wir haben auch hier die Pflicht, sorgfältigst zu prüfen, was untragbar und unzumutbar oder was, von der gesamtdeutschen Schau aus, den Gegebenheiten und Forderungen unserer Zeit am besten entspricht und auch förderlich ist. Gemessene Zurückhaltung und temperiertes Abwarten in dieser Frage bedeuten nicht Mangel an Verantwortungsfreude und Bekennermut, sondern Verantwortungsbewußtsein und Sorgfaltspflicht gegenüber Volk und Vaterland.
Im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Innenministers zu Art. 29 möchte ich noch folgengendes sagen: Die Stellungnahme zu dem Antrag Drucksache Nr. 4227 setzt auch voraus, daß man sich zunächst den Art. 29 des Grundgesetzes etwas näher ansieht. Es ist nicht uninteressant, zu wissen, daß die Formulierung des Art. 29 keine in Zeitnot geborene ist, wie das etwa für den Art. 18 der Weimarer Verfassung gilt. Tatsache dürfte sein, daß in den Ausschußberatungen über Art. 29 größte Sorgfalt darauf verwendet wurde, eine Verwässerung der gefundenen Formulierungen der Absätze 1 bis 7 auszuschließen. Der Wortlaut des Art. 2 läßt durchaus die Frage zu, ob ein einzelner Volksteil eines Landes, das sich aus nur abgetrennten Volksteilen früherer Länder zusammensetzt, einen Volksentscheid für sich allein rechtlich verlangen kann oder ob in einem solchem Falle nicht alle in diesem Land zusammengefaßten Volksteile nur gemeinsam einen Volksentscheid begründen können. Bei der Prüfung dieser Frage muß man sich vergegenwärtigen, daß das Land Rheinland-Pfalz ein völlig neu geschaffenes Land ist.
Deshalb vertrete ich die Auffassung, daß der Gesetzgeber mit der Schaffung des Art. 29 die Absicht verfolgte, zum Ausdruck zu bringen, daß am Anfang nur eine das gesamte Bundesgebiet umfassende Neuregelung stehen kann.
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Diese Absicht findet ihre fundierte Begründung darin, daß etwa notwendig werdende Gebietsveränderungen eine Fülle von Fragen aufrollen, die nur in der Sicht eines Gesamtrahmens sowohl wirtschaftspolitisch als auch innen- und außenpolitisch am gegebenen X-Tage geregelt werden können.
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Für die Länderneugliederung sind gemäß Art. 29 allein der Bundestag und der Wille der Bevölkerung der in Frage kommenden Teile des Bundesgebietes maßgebend und nicht die Länder,
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wie das seinerzeit Art. 18 der Weimarer Verfassung vorsah.
Man wende nicht ein, daß man anläßlich der Neuregelung des Südweststaates Überlegungen dieser Art nicht angestellt habe. Der Herr Innenminister hat bereits darauf hingewiesen, daß es sich bei der in Art. 118 des Grundgesetzes vorgesehenen Regelung um eine Sonderregelung gehandelt hat. Wenn man aber dem Willen der Bevölkerung Rechnung tragen und den Willen eines Bevölkerungsteils ergründen will, dann darf die Frage nicht etwa nur so lauten: Wünschen Sie die Rückgliederung an Bayern?, sondern dann müßte sie etwa lauten: 1. Wünschen Sie die Rückgliederung an Bayern? 2. Wünschen Sie den Anschluß an den Südweststaat? 3. Wünschen Sie die Beibehaltung des status quo? Nur wenn man die Frage in dieser oder ähnlicher Form stellt, kann man nach meiner Überzeugung den echten Volkswillen ergründen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Wagner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte diesen Antrag, den formell die Föderalistische Union zeichnet, der aber faktisch von der Frakion der Bayernpartei gestellt ist, von einer anderen Schau aus betrachten. Die Bayernpartei ist, wenn ich recht unterrichtet bin,
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diejenige Partei, die die bayerischen Belange ganz besonders betont.
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Die Fraktion dieser Bayernpartei stellt nun einen Antrag über Belange, die an und für sich Belange des pfälzischen Volkes sind.
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Der Antrag der Bayernpartei ist allerdings noch von unserm sehr geschätzten Kollegen Reismann gezeichnet. Ich will nicht die Frage aufwerfen, weil ich viel zu höflich dazu bin, ob alle Unterzeichner dieses Antrages mein wunderschönes Pfälzer Land, meine geliebte Heimat, jemals gesehen haben.
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Ich hoffe, daß sie genau wissen, wo sie geographisch liegt,
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und daß es nicht nur eine Fernverbindung ist, die sie so begeistert.
Aber wenn die Bayernpartei einen solchen Antrag stellt, dann übersieht sie nicht nur - das werde ich ganz kurz streifen - die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten. Sie prüft die Frage überhaupt nicht gründlich, sondern wirft ihren Antrag oberflächlich aufs Papier. Sie beeilt sich, irgendeinen Antrag zu stellen, der die Pfalz betrifft, nicht um eine sachliche Lösung herbeizuführen, sondern sie stellt diesen Antrag aus innerpolitisch bayerischer Konkurrenz.
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Sie will damit den übrigen bayerischen Parteien bzw. den Regierungsparteien in Bayern, der CSU vor allem und der SPD, beweisen, daß sie mit Bezug auf ihre Agitation bezüglich Rückgewinnung der Pfalz viel bajuwarischer ist, als diese es sind.
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Meine Herren, daß dieser Antrag von vornherein der Ernstlichkeit entbehrt, ergibt sich aus seinen Motiven. Die Bayernpartei hat es gar nicht nötig, mit Bezug auf die Pfalz bayerischer sein zu wollen, als die bayerische Staatsregierung es ist. Die bayerische Staatsregierung bedarf ihres Antriebes auf diesem Gebiete gar nicht.
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Die Agitation, die sie bei uns in der Pfalz betreibt, ist so stark, daß man beinahe versucht ist, zu sagen, es wäre oft mehr, wenn es weniger wäre.
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Allerdings muß ich sagen, sie könnte sich den Ministerpräsidenten von Bayern, Herr Dr. Ehard, zum Vorbild nehmen. Dieser hat bei dem Jubiläum meiner Vaterstadt Ludwigshafen, die Sie vorhin erwähnt haben, mit einer Zurückhaltung und einem Takt gesprochen, der für sich selbst wirkt. Er hat politisches Fingerspitzengefühl, das Ihnen wenigstens fehlt.
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- Ich habe mit dieser Koalition nichts zu tun. Ich bin gar nicht so bayerisch!
({10}) Er hat die Sache mit einem Fingerspitzengefühl behandelt, das man Ihnen wünschen könnte, von Ihnen aber wahrscheinlich nicht erwarten darf; denn wenn Sie Fingerspitzengefühl hätten, wenn Sie auch nur ein Gefühl für politische Realitäten und für eine politische Psychologie hätten, dann hätten Sie einen solchen Antrag niemals eingebracht. Wie kommen Sie denn ausgerechnet als bayerische Abgeordnete, als Urbayern dazu, solche Anträge zu stellen, wo doch in diesem Hause in allen großen Parteien soundso viele Abgeordnete aus der Pfalz, geborene Pfälzer, sitzen?
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- Das ist eine pfälzische Sache, und es ist nicht Ihre Sache, über unsern Kopf hinweg über unser eigenes Land zu verfügen. Wir verteidigen die Interessen und die Rechte unseres eigenen pfälzischen Landes.
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Wir verteidigen es gegen Sie! Dann will ich Ihnen noch eines sagen: wenn Sie wollen, daß die Pfalz niemals zu Bayern zurückkehrt, dann brauchen bloß Sie weiter so zu agitieren.
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Nun will ich diese Gelegenheit gar nicht benutzen, mich grundsätzlich über die Neugliederung der Länder - ein außerordentlich wichtiges Kapitel - auseinanderzusetzen. Ich will insbesondere diese Gelegenheit nicht benutzen, zu der Frage Stellung zu nehmen, wohin die Pfalz gehen will, ob sie bei Rheinland-Pfalz bleiben will, ob sie zu Bayern, zum Südweststaat oder zu Hessen will.
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Dieser Antrag ist nicht wert, daß man eine grundsätzliche Ausführung daran knüpft.
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- Unsachlich ist Ihr Antrag! - Über Ihre Ausführungen will ich auch nicht debattieren. Ich weiß nicht, woher Sie wissen, daß in der Pfalz bis 1945 ein „echtes bayerisches Staatsbewußtsein" lebendig gewesen ist, daß die Pfalz ein „sorglich gepflegtes Juwel" war. Wenn Sie in die Pfalz gehen, meine Damen und Herren, seien Sie gegenüber Leuten, die die Geschichte der Pfalz kennen, mit dem „sorglich gepflegten Juwel" etwas vorsichtig! Ich will weitere Ausführungen daran nicht knüpfen, weil ich mich nicht provozieren lassen möchte, in einer Frage eine Festlegung zu treffen, in der meine eigene .pfälzische Partei und auch meine Gesamtpartei eine Festlegung nicht vorgenommen hat. Aber wie gesagt, Ihr Antrag verdient nicht, daß man sich so grundsätzlich darüber auseinandersetzt.
Herr Dr. Decker, Sie sind kein Jurist,
({16}) brauchen es auch nicht zu sein. Aber daß Sie keiner sind, hat man gemerkt; Sie scheinen diesen Antrag formuliert zu haben. Aber Sie haben in Ihrer Fraktion Juristen, und wenn Sie nicht genügend haben, stellen wir Ihnen einige zur Verfügung.
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Wenn Sie nämlich den Artikel 29 des Grundgesetzes nur mit gesundem Menschenverstand
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gelesen hätten, hätten Sie gemerkt, daß dieses Grundgesetz einen außerordentlich demokratischen Charakter hat und nicht duldet, daß man über die Länder so hinweggeht, wie Sie es tun wollen.
({19})
- Vielleicht passen Sie jetzt auf, damit Sie darüber etwas lernen!
({20})
In Art. 29 Abs. 2 ist das Schicksal der Gebietsteile besonders geregelt, die nach dem 8. Mai 1945 ohne Volksabstimmung ihre Landeszugehörigkeit gewechselt haben. Diese Gebietsteile sollen nun, wenn sie den Wunsch empfinden, von sich aus das Recht haben, ein Volksbegehren zu stellen und darin auszudrücken, daß der nach dem 8. Mai 1945 ohne ihre Zustimmung geschaffene Zustand zugunsten eines anderen Zustandes geändert werden solle. Ihre Auslegung, das sei eine Kann-Bestimmung, ist überhaupt nicht zu diskutieren. Wenn ein Volksbegehren im Sinne von Art. 29 Abs. 2 in der Pfalz nicht vorliegt, kann der Bundesgesetzgeber überhaupt nicht in Funktion treten. Der Bundestag hat gar kein Recht - außer im Rahmen des Art. 29 Abs. 1, der die Neugliederung des gesamten Bundesgebiets vorsieht -, hier irgendwie tätig zu werden, wenn nicht wir Pfälzer ein Volksbegehren einbringen.
Ich will nicht auf die verfassungsrechtlichen Ausführungen des Herrn Minister Dr Lehr eingehen. Zum Teil bin ich seiner Meinung, zum anderen Teil - aber mir fehlt die Zeit, es zu erörtern - bin ich anderer Meinung.
Ich will noch eines sagen. Wenn heute meine pfälzische Heimat und ihre Bevölkerung ein solches Volksbegehren einbringen, werden wir als verantwortungsbewußte Deutsche die Dinge so anfassen und so bearbeiten, daß nicht einfach ein Stück aus dem lebendigen Staatskörper herausgerissen wird ohne Rücksicht auf das, was sonst geschieht.
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Vielmehr werden wir, wenn sich eine Änderung des Staates Rheinland-Pfalz als notwendig erweisen und dem Wunsche der Bevölkerung entsprechen sollte, verantwortungsbewußt für eine Organisation eintreten, bei der nicht meinetwegen Rheinhessen und Koblenz-Trier in der Luft hängen bleiben und einfach aus egoistischen Gründen ein Teil abgetrennt und einem anderen Teil zugeteilt wird, ohne daß man sich das Schicksal der anderen Teile überlegt, die genau so aus deutschen Menschen zusammengesetzt sind wie unser Land.
({22})
Unser erster Gesichtspunkt in der Pfalz ist, daß wir Deutsche sind. Wir sind ein Grenzland. Wir können uns nicht irgendwelche Abenteuer gestatten.
({23})
Wir haben eine Politik der Besinnung zu treiben. Die Politik der Bayernpartei - das beweist dieser Antrag wieder - ist zum Glück nur die Politik einer kleinen Minderheit in Bayern. Wenn diese Politik aber die Politik einer großen Mehrheit wäre, wäre eine Rückgliederung der Pfalz an Bayern für uns in der Pfalz geradezu eine nationale Gefahr.
Ich beantrage, über die beiden Anträge auf Drucksachen Nrn. 4226 und 4227 zur Tagesordnung überzugehen.
({24})
Herr Abgeordneter Wagner, ich darf Sie so verstehen, daß Übergang zur Tagesordnung beantragt werden soll, nachdem die vorgesehene Aussprache beendet worden ist.
({0})
- Sie wollen niemandem jetzt das Wort abschneiden. - Das Wort hat der Abgeordnete Neber.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Bundesministers des Innern über die staatsrechtliche Seite der beiden vorliegenden Anträge kann ich es mir ersparen, darauf noch im einzelnen einzugehen, zumal ja mein Herr Vorredner, Herr Justizrat Wagner, in so trefflicher Weise den Abs. 2 des Art. 29 des Grundgesetzes herangezogen hat. Ich kann mich darauf beschränken, noch einmal herauszustellen, daß ein Volksbegehren, wie es denkbar wäre, nach diesem Abs. 2 eine ausschließliche Angelegenheit des betreffenden Landesteils, in diesem Falle von uns Pfälzern, ist. Insofern habe ich es eigentlich bedauert, meine lieben bayerischen Freunde, daß ich das schöne alte Lied vernommen habe: „Horch, was kommt von draußen rein".
({0})
Ich hätte gewünscht, daß man sich rechtzeitiger daran erinnert hätte, welche Möglichkeiten das Grundgesetz zur Zeit noch zuläßt. Ich hätte weiter gewünscht, daß man abgewartet hätte, bis nach dem Fallen der Sperre über den besagten Art. 29 die Pfälzer selbst die Initiative ergriffen hätten, um nun zu bekunden, ob sie dem Lande, dem sie 1945 zugeteilt wurden, weiter treu bleiben wollen, ob sie, worauf die Propaganda vielfach zielt, wieder zu Bayern zurück wollen oder welche sonstigen Möglichkeiten für sie dann gegeben wären.
Auf jeden Fall aber muß bei dieser Gelegenheit einmal herausgestellt werden: Wir fühlen uns gar nicht in der Rolle der Braut, die, sagen wir einmal, um ihres Reichtums willen von ihrem Vater oder von wem sonst verkauft werden will, sondern wir fühlen uns durchaus in ,der angenehmen Rolle, daß unsere eigene Persönlichkeit so liebreizend ist, daß wir uns selbst den angenehmsten Bräutigam suchen können.
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Es spielt aber noch etwas anderes eine Rolle. Wir Pfälzer haben zur Zeit noch ganz andere Sorgen. Das können Sie feststellen, wenn Sie bei uns in Versammlungen herumhören, wenn Sie bei uns Tagungen mitmachen und tagtäglich erleben, wie wir uns Gedanken darüber machen, um die Bauern wieder unterzubringen, wie wir die von Landbeschlagnahmen Betroffenen befriedigen und die Heimatvertriebenen unterbringen können, wie wir das Wohnungsproblem und all die anderen vielen, vielen Fragen lösen können, die bei uns eine so vielfache Gestalt angenommen haben, die so mannigfaltig sind, daß sie uns oft zu erdrücken drohen. Wir sind wahrhaftig der Meinung, daß jetzt nicht die Zeit ist, Fragen der Neugliederung voreilig, nur partiell zu lösen, bevor die gesetzlichen Grundlagen geschaffen sind.
Wir sind darüber hinaus der Meinung, daß der gegenwärtige Zeitpunkt - wir stehen vor den Bundestagswahlen - der denkbar ungeeignetste ist. Wir verwahren uns dagegen, daß durch die Behandlung einer Teilfrage der Neugliederung eine Verwischung der Tatbestände entsteht, wie sie bei der kommenden Bundestagswahl zur Entscheidung gestellt werden.
({2})
Aus allen diesen Gründen werden wir rheinpfälzischen Abgeordneten der CDU uns dem Antrag, den mein sehr verehrter Herr Vorredner gestellt hat, anschließen.
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Meine Damen und Herren, damit Sie sich innerlich auf die Abstimmung vorbereiten können, möchte ich darauf hinweisen, daß nach der bisherigen Praxis dieses Hauses - und entsprechend der Formulierung des § 79 Abs. 2 der Geschäftsordnung, wonach in der ersten Beratung außer der Abstimmung über eine Ausschußüberweisung keine andere Abstimmung stattfindet -, ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung bei Gesetzentwürfen aus der Mitte des Hauses in der ersten Lesung nicht als zulässig angesehen worden ist.
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- Meine Damen und Herren, welche Folgerungen Sie daraus ziehen, habe ich Ihnen zu überlassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich den Gesetzentwurf der Bayernpartei unter juristischen Gesichtspunkten betrachte, dann ist er, wie ja auch aus der Rede des Herrn Bundesministers des Innern hervorgegangen ist, sicherlich nicht der Weisheit letzter Schluß. Aber das, was Herr Justizrat Wagner in diesem Hause vorgetragen hat, schien mir doch ein wenig Sturm im Wasserglas zu sein.
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Denn im Augenblick ist die Sache ja noch gar nicht so brennend, und die Frage, wohin die Pfalz geht und wohin die übrigen Teile Deutschlands, die von der Neugliederung erfaßt werden, gehen, wird dieses Hohe Haus - oder vielmehr den nächsten Bundestag - wahrscheinlich noch recht oft beschäftigen, und nach den Erfahrungen mit dem Südweststaat werden wir ja hier wieder sehr lebhafte Auseinandersetzungen haben. Nur hoffe ich, daß die Erfahrungen - die bitteren Erfahrungen - dieses Hauses unsere Nachfolger zu weiseren Beschlüssen bringen werden.
Wir alle, glaube ich, haben ein Interesse daran, daß eine baldige Lösung des gesamten Problems der Neugliederung jenes Teils des Bundesgebiets erfolgt, der von den Besatzungsmächten willkürlich neu geordnet oder, wie man besser sagen könnte, in Unordnung gebracht worden ist. Der alliierte Vorbehalt gegen den Art. 29 scheint jedoch unaufhebbar zu sein, bis wir den Deutschland-Vertrag ratifiziert haben. Auch hier führt eben der Weg zur deutschen Freiheit nur über die Annahme des internationalen Vertragswerks, meine Damen und Herren, und daran werden Sie sich hier wie auf anderen Gebieten zu gewöhnen haben. Hoffen wir, daß diese Ratifizierung rasch vorangetrieben wird, so daß wir auch hier in den Genuß der deutschen Freiheit kommen.
Die Bayernpartei hat beantragt, die Frage der Pfalz in gesonderter Weise zu regeln. Rechtlich ist dies möglich; denn die Theorie, ,daß man die ganze Neugliederung nur in einem Gesetz regeln kann, ist an den Haaren herbeigezogen. Was jedoch die Regelung des Volksbegehrens betrifft, würde ich die Meinung vertreten, daß es zweckmäßiger ist, in einem einfachen Gesetz für das gesamte Bundesgebiet die Möglichkeit des Einreichens dieses Volksbegehrens eben sicherzustellen. Ich habe gerade deshalb, weil ein solcher Weg, wie ihn die Bayernpartei beschreiten will, verfassungsrechtlich nicht möglich ist, den Vorsitzenden des Ausschusses für innergebietliche Neuordnung namens der Christlich-Sozialen Union gebeten, einen Gesetzentwurf der Bundesregierung, der seit dem Jahre 1950 im Ausschuß ruht, nun endlich zu verabschieden, der die Regeln aufstellt, die für Volksbegehren und Volksentscheid notwendig sind, um, sobald der Art. 29 in Kraft tritt, die Neugliederung anlaufen lassen zu können. Dieser Gesetzentwurf erscheint uns deswegen vordringlich, weil niemand weiß, wann die Suspension des Art. 29 durch die Besatzungsmächte aufhört, weil in dem Augenblick, in dem die Suspension aufhört, die Frist von einem Jahr auf Einreichen des Volksbegehrens läuft und weil das Volk in der Pfalz wie in den übrigen Teilen des Bundes in eine schwierige Situation käme, wenn diese Frist nicht sofort ausgenutzt würde. Wir wären vielleicht gezwungen, wie beim Finanzausgleich oder bei der Familienrechtsreform einen Antrag auf Änderung der Verfassung einzubringen. Dem sollte man dadurch vorbeugen, daß man dieses Gesetz jetzt schon verabschiedet, mindestens in dem Teil, der die Einbringung des Volksbegehrens regelt. Ich weiß, daß sich auch der Vorsitzende des Ausschusses der Bundesregierung für die innergebietliche Neugliederung, Herr Altreichskanzler Dr. Luther, in diesem Sinne ausgesprochen hat. Und wenn ich nicht irre, hat sich sogar der Herr Präsident dieses Hohen Hauses in diesem Sinne verwandt und ausgesprochen. Wir werden auf diese Weise am besten auch für die Pfalz die Lösung finden, die ihr das Recht gibt, ihren Willen im Wege des Volksbegehrens zum Ausdruck zu bringen.
Als Angehöriger einer bayerischen Regierungspartei kann ich ja darauf hinweisen, daß wir Bayern rechts des Rheins es gar nicht nötig haben, in irgendeiner Weise besonders laut zu werben, wie es vielleicht die Nachbarn im Südwesten tun. Gerade der deutsche Gesichtspunkt, den Herr Justizrat Wagner mit Recht herausgestellt hat, spricht geschichtlich für Bayern. Der Kampf gegen den Separatismus ist gerade durch die Verbindung der Pfalz mit Bayern in bester Weise unterstützt worden.
({1})
Man sagt uns, die Pfalz sei Exklave. Der deutsche Charakter Ostpreußens wurde nicht dadurch gefährdet, daß es eine Exklave war. Der bayerische Charakter der Pfalz kann genau so wenig damit bestritten werden.
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Die Pfalz ist - um mit einem Wort des bayerischen Ministerpräsidenten zu sprechen - nicht durch fremde Länder von Bayern getrennt, sondern durch deutsche Länder mit Bayern verbunden. Eine Verbindung, die eine 700jährige Geschichte - davon 170 Jahre ununterbrochener Zugehörigkeit der Pfalz zu Bayern - hat, kann auch nicht durch die Willkür einer Besatzungsmacht beseitigt werden. Wir werben nicht für Bayern; wir wissen, wie sich das Pfälzer Volk entscheidet.
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Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Decker, niemand bestreitet, daß das Land Rheinland-Pfalz ein Besatzungskind ist. Leider haben bei der Geburt dieses Landes einige deutsche Politiker, darunter auch Bayern, Pate gestanden
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und mitgeholfen, der deutschen Bevölkerung Alimente aufzubürden.
Heute eine Neuregelung der Zugehörigkeit einzelner Teile des Landes anzustreben, hätte doch nur dann einen Sinn, wenn die deutsche Bevölkerung greifbar etwas Besseres dafür bekäme. Das ist aber keineswegs der Fall. Ein Volksentscheid in der Pfalz für oder gegen Bayern bringt uns weder die Einheit unseres Vaterlandes noch dem Frieden näher. Das aber sind Hauptfragen, das sind Lebensfragen unseres Volkes. Die Angliederung der Pfalz an Bayern würde weder an den unerträglichen Besatzungsverhältnissen noch an den undemokratischen Zuständen im Lande Rheinland-Pfalz etwas ändern. Eine Angliederung der Pfalz an Bayern würde weder eine Senkung der hohen Steuerlasten mit sich bringen, noch eine Verbesserung der Löhne, Renten und Unterstützungen herbeiführen.
Der vorliegende Gesetzentwurf bringt keine Lösung des Problems, das unsere Bevölkerung in der Pfalz und allerwärts bedrückt. Er läßt eine Tatsache einfach außer acht, nämlich, daß zur Pfalz ja auch die Saarpfalz gehört, und berücksichtigt nicht, daß wir als Pfälzer in erster Linie darüber zu befinden haben, wohin die Pfalz gehört.
({1})
Und, Herr Dr. Decker, Sie lassen vollständig außer
acht, daß wir Pfälzer ja nur „Beute"-Bayern sind.
Die einzige deutsche Lösung ist nach unserer Auffassung der verstärkte Kampf für die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes als einheitlichen, demokratischen, friedliebenden, unabhängigen Staates, der Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland und der Abzug aller Besatzungsmächte.
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Deshalb heißt es mit Recht in unserem Programm
der nationalen Wiedervereinigung unseres Vaterlandes: „Vereinigen wir Deutsche uns zu einem
Freiheitskampf! Wir haben nur ein Vaterland, und
das heißt Deutschland. Das Unterpfand ist seine
Einheit. Diesem Deutschland wollen wir dienen.
Dieses Deutschland werden wir auch verteidigen."
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Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Aretin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie können unbesorgt sein, auch die Bayern-Partei war natürlich darüber im Bilde, daß der alliierte Vorbehalt noch besteht. Die bisherigen Verhandlungen mit den Alliierten richteten sich aber auf eine generelle Freigabe der innergebietlichen Neuordnung. Was wir mit unserer Drucksache Nr. 4227 wollen, betrifft einen konkreten Punkt. Ich hoffe, daß dieses Hohe Haus seinen Beschluß mit einer möglichst starken Mehrheit faßt und damit der Bundesregierung eine gute Grundlage gibt, damit es uns gelingt, die Sache so, wie es beantragt ist, durchzubringen.
Zur Ehrenrettung unseres Antrags, soweit es die juristische Seite betrifft, möchte ich folgendes ausführen. Der Art. 29 Abs. 2 des Grundgesetzes regelt das Verfahren. Der erste Schritt ist das Volksbegehren. Findet es die notwendige Unterstützung, so folgt ein Gesetz und auf Grund dessen als dritter Schritt der Volksentscheid. Aus dem Wortlaut des Art. 29 ergibt sich keineswegs, daß das Hohe Haus nicht die Möglichkeit hätte, durch den zweiten Schritt, nämlich durch das Gesetz, den ersten unnötig zu machen, d. h. den Ablauf der Dinge in einem solchen Falle zu erleichtern. Der Herr Bundesminister des Innern und der Herr Justizrat Wagner haben das bezweifelt. Aber ich glaube, daß ich mich mit meiner Auffassung in einer ganz guten Gesellschaft befinde; denn der Kommentar zum Bonner Grundgesetz von Mangoldt hebt ausdrücklich hervor, daß die Lösung möglich ist, wie wir sie . in unserem Antrag vorsehen.
({0})
Ich meine, daß man sich die Ansicht des als Verfassungsjuristen ziemlich unumstrittenen Professors von Mangoldt zu eigen machen kann.
Es wurde uns weiter vorgeworfen, wir trieben mit diesem Antrag Parteiagitation. Meine Herren, diesen Vorwurf weise ich auf das schärfste zurück.
({1})
Ich werde Ihnen sagen, warum. Die Pfalz-Frage ist im bayerischen Landtag mit einem interfraktionellen Antrag aufgegriffen worden, der auch die Unterschrift der dortigen sozialdemokratischen Abgeordneten trägt.
({2})
Im bayerischen Landtag, in dem doch die Situation eine andere gewesen wäre, hat die Bayern-Partei darauf verzichtet, in der Debatte zu sprechen, weil die Pfalz-Frage für uns keine Parteifrage, sondern eine Herzenssache des bayerischen Volkes ist.
({3})
- Oder, Herr Justizrat, wollen Sie leugnen, daß z. B. der Bürgermeister Ihrer Gemeinde Neustadt auf einer öffentlichen Sitzung in Passau den Gedanken eines Zusammengehens von Bayern und der Pfalz mit allen Schlauchlagen unterstützt hat?
({4})
- Das ist eine andere Frage. Sie werfen uns aber Parteiagitation vor. Diesen Vorwurf habe ich deutlich zurückgewiesen.
In Ihren weiteren Ausführungen haben Sie davon gesprochen, daß sich ein Grenzland kein Abenteuer erlauben könne. Die bayerische Sache ist kein Abenteuer. Ich glaube, daß diese Ihre Äußerungen absolut unglücklich gewesen sind. Was den Vorwurf der Parteiagitation betrifft, so könnte ich Ihnen eigentlich ein Kompliment mit der Bemerkung machen, daß wir in dieser Beziehung etwas von Ihnen lernen könnten.
({5})
Sie wollen mir zum Abschluß folgende Feststellung gestatten. Wir wollten mit unseren beiden Anträgen nur erreichen, daß die Pfalz-Frage auf({6})
gerollt wird. Es gibt einen Bund „Bayern und Pfalz", und es hat mehr als einen Anlaß gegeben, an dem dies gewünscht warden ist.
({7})
- Der Bund Bayern-Pfalz dürfte wohl überwiegend aus Pfälzern bestehen, Herr Kollege.
({8})
- Warum regen Sie sich aber dann so auf?
({9})
Wir wollen mit diesem unserem Antrag ja nicht den Bundestag dahin bringen, daß er durch einen Beschluß die Pfalz zu Bayern schlägt, über den Kopf der Leute hinweg, sondern was wir wollen, ist, daß die Leute befragt werden, daß unter erleichterten Bedingungen eine Volksbefragung stattfindet.
({10})
Wenn die Volksbefragung zugunsten Bayerns ausgeht, entspricht dies unseren Erwartungen. Geht sie zu unseren Ungunsten aus, dann werden wir auch das selbstverständlich als eine Tatsache hinnehmen.
({11})
Aber warum scheuen Sie so die Befragung der Pfälzer Bevölkerung?
({12})
- Das klang aus Ihren Reden heraus. Unser Wunsch ist - die Feststellung darf ich treffen -: Das letzte Wort muß der Pfälzer haben!
({13})
Aber Sie müssen auch das letzte Wort dem Pfälzer geben!
({14})
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen. Ich darf den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung angesichts der geschäftsordnungsmäßigen Frage - -({0})
- Also, meine Damen und Herren, es steht dann nur der Antrag der Föderalistischen Union zur Debatte, die beiden Gesetzentwürfe dem Ausschuß für innergebietliche Neuordnung zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung an diesen Ausschuß zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; die Überweisung ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Punkt 4 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU ({1}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich ({2}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich ({3}) ({4}).
({5})
Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth, bitte schön!
Dr. Atzenroth ({6}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! In den Problemen des Lastenausgleichs hat von Anfang an die Frage zur Debatte gestanden, ob und wie bei der Vermögensabgabe die Anrechnung selbst erlittener Kriegsschäden erfolgen solle. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah hierfür eine Regelung vor, wie sie zur Zeit Rechtens ist. Die Anrechnung sollte danach auf erhaltengebliebene Vermögen bis zu 75 000 DM beschränkt werden. Sie sollte, so sah die Skala vor, dann absinken und bei erhaltengebliebenen Vermögen von 150 000 DM völlig wegfallen. Die Bundesregierung rechnete dabei in ihrer Kalkulation mit einer Minderung des Aufkommens um etwa 100 Millionen DM.
In den Beratungen des Lastenausgleichsausschusses wurde von den Koalitionsparteien die Ansicht vertreten, daß diese Regelung unbefriedigend sei. Es wurde gefordert, daß auch anderen Abgabepflichtigen, also solchen, die ein größeres Vermögen behalten hatten, die Möglichkeit gegeben werden solle, zu einer Ermäßigung ihrer Abgabe zu gelangen, wenn sie erhebliche Kriegsschäden erlitten hatten.
Mit Mehrheit hat der Ausschuß für den Lastenausgleich damals beschlossen, eine Neufassung vorzunehmen, und zwar im wesentlichen in der Formulierung, die in der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 4243 enthalten ist. Der Bundestag hat in zweiter und dritter Lesung das Gesetz mit dem so formulierten § 47 beschlossen. Der Bundesrat hat gegen diese Fassung Einspruch erhoben und den Vermittlungsausschuß angerufen. Im Vermittlungsausschuß wurde die Wiederherstellung der alten Regierungsfassung beschlossen. Der Bundestag nahm diesen vom Vermittlungsausschuß beschlossenen Antrag, der eine Reihe von Punkten umfaßte, an und verabschiedete das Lastenausgleichsgesetz in diesem Punkt damit in der ursprünglichen Regierungsfassung. Von den Regierungsparteien wurde bei der Verabschiedung die Erklärung abgegeben, daß diese Formulierung nicht befriedige und daß man einen Antrag auf Änderung des § 47, und zwar auf Wiederherstellung der vom Bundestag beschlossenen Fassung, stellen würde.
Von den drei Koalitionsparteien und der FU ist dann ein Initiativgesetzesantrag eingereicht worden, der diese Forderung zum Gegenstand hatte. Der Gesetzentwurf wurde in erster Lesung dem Lastenausgleichsausschuß überwiesen. Dieser Ausschuß beschloß wiederum mit Mehrheit, dem Bundestag die Annahme des Gesetzentwurfes zu empfehlen.
In der zweiten Lesung wurde der Antrag abgelehnt.
Nunmehr liegt ein neuer Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, FU vor, den Sie in der Drucksache Nr. 4243 finden. Wiederum wird gefordert, daß der § 47 des Lastenausgleichsgesetzes die Fassung erhält, die im Bundestag in zweiter und dritter Lesung beschlossen worden war. Ich brauche auf den Inhalt nicht einzugehen, da darüber in diesem Hause schon wiederholt debattiert worden ist.
Über den Antrag Drucksache Nr. 4243 ist in erster Lesung hier beraten worden. Er wurde dem Ausschuß für den Lastenausgleich überwiesen. Dieser Ausschuß beschloß -in diesem Falle einstimmig-, von einer nochmaligen Beratung im Ausschuß Abstand zu nehmen, da ja die Frage im Ausschuß schon häufig debattiert worden ist.
({7})
I Ich habe die Ehre, Ihnen im Namen der Mehrheit des Ausschusses vorzuschlagen, diesem Antrag zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und rufe auf Art. 1. - Wird zu Art. 1 das Wort gewünscht?
({0})
- Zur allgemeinen Besprechung oder zu Art. 1?
({1})
- Art. 2, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die Art. 1, Art. 2, Einleitung und Überschrift in der zweiten Beratung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die Artikel 1 und 2, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Ich komme zur allgemeinen Besprechung der
dritten Beratung.
Es ist eine Redezeit von 40 Minuten vom Ältestenrat vorgeschlagen. - Herr Abgeordneter Seuffert!
Darf ich vorher eine Mitteilung machen - ich bitte um Entschuldigung, Herr Abgeordneter, einen Augenblick! -, damit die Ausschüsse ihre Dispositionen darauf einstellen können. Infolge der Tatsache, daß die Beratungen des Europarats bereits am 7. Mai beginnen und die Herren Vizepräsidenten Schäfer und Schmid nicht anwesend sein können, hat es sich als erforderlich erwiesen, die Sitzungen der nächsten Woche auf Dienstag 13 Uhr 30 und Mittwoch 9 Uhr anzusetzen. Für den Fall, daß die Ausschüsse darauf Rücksicht nehmen und ihre Dispositionen ändern wollen, gebe ich es jetzt schon bekannt.
Bitte, Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kunze hat sich in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs aus Gründen, die mit der mangelnden Besetzung des Hauses zusammenhingen, veranlaßt gesehen, längere Ausführungen zu machen, und hat uns bei dieser Gelegenheit einige Beispiele über die behauptete Auswirkung dieses nun vorliegenden Antrags gegeben. Sie haben uns u. a. ein Beispiel gegeben, wonach bei einem Vermögen von 20 000 DM und einer Schadenspunktzahl von 50 nach dem neuen System 25 DM mehr an Ermäßigung gewährt werden sollen, bei der Schadenspunktzahl von 100, ebenfalls bei dem Restvermögen von 20 000 DM, 1875 DM oder besser 1625 DM mehr.
Herr Kollege Kunze, diese Beispiele waren durchaus willkürlich, und Sie haben von der wirklichen Auswirkung dieses Antrages ein gänzlich unzutreffendes Bild gegeben. Sie haben uns diese Beispiele gegeben und haben sich z. B. darauf berufen, daß bei einer Schadenspunktzahl von 50 und bei einem Restvermögen von 20 000 DM nach Ihrem Antrag eine um 25 DM größere Ermäßigung
- das ist eine Differenz zwischen 975 DM und 1000 DM, also eine sehr winzige Differenz - eintritt. Sie haben nicht erwähnt, Herr Kollege Kunze
- und ich wäre dankbar, wenn Sie zuhörten -, daß bei derselben Schadenspunktzahl von 50 der Besitzer eines Vermögens von -30 000 DM nach der bisherigen Regelung 1 787,50 DM Ermäßigung bekommt, nach Ihrem Antrag 1500 DM, daß bei derselben Schadenspunktzahl auf ein Vermögen
von 60 000 DM nach der bisherigen Regelung 3900 I DM Ermäßigung, nach Ihrem Antrag aber nur 2400 DM Ermäßigung entfällt. Sie haben ferner nicht erwähnt, daß bei kleinen Schadenspunktzahlen alle kleinen Vermögen nach Ihrem Antrag wesentlich weniger Ermäßigung bekommen. Bei einer Schadenspunktzahl von 35 und bei einem Restvermögen von 20 000 DM z. B. würde bisher die Ermäßigung 600 DM, jetzt aber nur 250 DM betragen, bei 30 000 DM Restvermögen bisher 1100 DM, jetzt aber nur 375 DM, bei 60 000 DM Restvermögen bisher 2 400 DM und jetzt 600 DM.
({0})
- Das ist alles berücksichtigt, Herr Kollege. Es gibt da nämlich einige Teufeleien mit der Auswirkung der Freibeträge, je nachdem, ob man mit Prozenten vom abgabepflichtigen Vermögen oder von der Abgabe rechnet.
Ihre Beispiele, Herr Kollege Kunze - ich wiederhole das -, waren durchaus willkürlich. Sie können durchaus nicht sagen, daß, wie Sie in der ersten Lesung hier vorgebracht haben, die kleinen Vermögen im Durchschnitt oder auch nur in den meisten Fällen durch Ihren Antrag größere Ermäßigungen bekommen. Bei Schadenspunkten etwa unter 50 sind alle kleineren Vermögen schlechter gestellt als bisher. Auch bei der Schadenspunktzahl 400 und darüber z. B. wollen Sie von 50 000 DM Restvermögen ab nur 95 % Ermäßigung geben, während bisher in diesen Fällen bereits 100 % gegeben worden sind.
Das ist die wirkliche Auswirkung dieses Antrages, und das sollte hier richtig dargestellt werden. Auf der anderen Seite - und das ist der wirkliche Grund des Antrages - gibt es allerdings bei Restvermögen über 75 000 DM, etwa 100 000 DM usw., keinen Fall, wo irgendein Vermögen nach dem neuen System eine kleinere Ermäßigung bekäme als nach dem alten System. Im Gegenteil. Herr Kollege Kunze, wenn Sie hier etwa mit den 25 DM paradiert haben, die ein Restvermögen von 20 000 DM in einem bestimmten Fall gutmachen könnte, so hätten Sie etwa die 11 600 DM oder 14 500 DM erwähnen sollen, die bei Schadenspunkten von 100 und Restvermögen von 100 000 und 145 000 DM mehr an Ermäßigung bekommen, von den höheren Vermögen ganz zu schweigen. Das bisherige System war, so behelfsmäßig es sein mußte
- in diesen Dingen läßt sich keine andere Entscheidung treffen als durch behelfsmäßige Tabellen -, immerhin auf klaren Grundsätzen aufgebaut. Es sollten nämlich auch kleinere Schäden bei kleinen Vermögen ziemlich erheblich berücksichtigt werden, weil man der wohlbegründeten Ansicht war, daß auch kleinere Schäden bei diesen kleinen Vermögen nicht so leicht zu verschmerzen sind. Auf der anderen Seite war man der Ansicht, daß man da, wo große Restvermögen übriggeblieben sind - wenn am Währungsstichtage 150 000 DM oder noch mehr übrigbehalten worden sind -, mit der Abgabe nicht so vorsichtig zu sein braucht und daß man diese Leute mit Fug und Recht bezüglich ihrer Verluste auf die Hauptentschädigung des Lastenausgleichs verweisen kann.
Dieses System ist mit dem, was Sie hier beantragen, vollständig durcheinander gebracht. Sie haben im großen und ganzen bei den kleineren Schadenspunktzahlen wesentliche Verschlechterungen für die kleinen Vermögen vorgesehen. Sie haben insbesondere die Vermögen etwa zwischen 50 000 und 100 000 DM bei vielen Schadenspunkt({1})
zahlen - jedenfalls auch bei den mittleren Schadenspunktzahlen - schlechter gestellt als die kleinen Vermögen.
Es ist überhaupt schon sehr fraglich, ob es zweckmäßig und tunlich ist, ein einmal bekanntgegebenes und beschlossenes System in diesem Augenblick zu ändern, selbst wenn dafür Gründe vorlägen. Denn die Ablösungen sind berechnet, und es sind immerhin auch schon eine Reihe von Kaufverträgen usw. auf Grund dieser Berechnungen geschlossen. Selbst wenn Fehler vorhanden wären, müßte man sich die Änderung dieses Systems überlegen. Es könnte auch niemand etwa die Absicht haben, das bestehende System mit dieser Auswirkung für die kleinen und mittleren Vermögen - ich spreche hier von den Restvermögen bis zu 150 000 DM, mindestens bis zu 75 000 oder 100 000 DM - zu ändern, wie das hier geschieht. Darauf kommt es den Antragstellern gar nicht an. Es kommt lediglich darauf an, gewisse Erleichterungen für relativ große Restvermögen zu schaffen, ganz gleichgültig, was den kleinen und mittleren Vermögen dabei passiert.
Sprechen Sie doch nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren, von einem weit verbreiteten Bedürfnis! Wenn ein wirkliches Bedürfnis im Volke bestünde, dann wäre das der Sozialdemokratischen Partei auch schon zu Ohren gekommen. Wir sind ja nicht taub und blind. Aber diejenigen Herren, die an diesem Antrag interessiert sind und die veranlaßt haben, diesen Antrag trotz der eindeutigen Stellungnahme des Bundesrats noch einmal vorzulegen, pflegen nicht mit uns zu sprechen, weil sie wissen, daß sie bei uns gewissen Fragen begegnen, die sie nicht beantworten können.
Noch eines! In der ersten Lesung ist vorgetragen worden, die 100 Millionen DM Ausfall seien schon einkalkuliert. Nichts ist unrichtiger! Die Regierung hat den Ausfall, der mit dem jetzigen Gesetz eintreten wird, auf etwa 100 Millionen DM kalkuliert. Der Ausfall, der hier verursacht wird, ist aber ein anderer. Rechnen Sie doch einmal aus, wieviel Fälle von 25 DM oder 100 DM Verschlechterung bei den kleinen Vermögen - zum Teil auch sehr erheblich mehr: 500 und 1000 DM Verschlechterung bei den kleinen Vermögen - Sie brauchen, um die Ausfälle an Abgaben in den Beträgen von 11 000, 15 000, 20 000 DM - sogar bis zu viel höheren Beträgen - bei den großen Vermögen wettzumachen. Es ist nicht wahr, daß diese 100 Millionen DM schon einkalkuliert sind. Es ist - auch darüber gibt es bereits eindeutige Stellungnahmen des Bundesrats - einfach nicht möglich, ein Ermäßigungssystem mit einer Plafondbestimmung einzuführen, die man bei den einzelnen Ermäßigungsentscheidungen überhaupt nicht berücksichtigen kann.
Dies, verehrte Damen und Herren, ist der wahre Charakter und die wahre Auswirkung dieses Antrags. Das möchte ich hier noch einmal mit Zahlen festgestellt haben. Ich fordere Sie auf, diese Zahlen zu widerlegen!
Wir lehnen diesen Antrag ab und bitten Sie, das gleiche zu tun.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer die Verhältnisse dieses Hauses nicht kennt und verfolgt hat, der wird sich vielleicht wundern, daß Herr Kollege Seuffert
heute so warmherzig die Regierungsvorlage vertreten hat, die er im Ausschuß eisern bekämpft hat.
({0})
Zum zweiten: Sie wünschten Zahlen. Herr Kollege Seuffert, ich will Ihnen zuvor etwas sagen; dann bringe ich Ihnen sofort die Zahlen. Sie haben völlig übergangen, daß ich in der ersten Lesung die volkswirtschaftliche Bedeutung dieser Frage dargestellt habe.
({1})
- Das ist bedauerlich, denn das wäre eine sachliche Diskussion gewesen, während das Übergehen dieser volkswirtschaftlichen Belange nur ein Reden zum Fenster heraus ist.
Nun darf ich Ihnen vielleicht folgende absoluten Zahlen vorlegen, wenn Sie sie mitschreiben wollen. Ich bin auch gern bereit, sie Ihnen noch schriftlich zu geben. Ich nenne Ihnen das Stichtagsvermögen, die Höhe der Vermögensabgabe netto unter Berücksichtigung von Freigrenzen, soweit sie vorhanden sind, nach der jetzigen Konzeption des § 47 und wie sie sich nach der Vorlage gestaltet, die heute in der dritten Lesung verabschiedet werden soll.
Bei einem Stichtagsvermögen von 20 000 DM bleibt die Vermögensabgabe nach der jetzigen geltenden Fassung des Gesetzes 6525 DM. Wir kommen auf 6500 DM. Bei 20 000 DM Stichtagsvermögen unter Berücksichtigung von 100 Schadenspunkten ist die Abgabe 5625 DM jetzt, 4000 DM nach dem neuen Antrag, der zur Entscheidung steht.
({2})
Bei 20 000 und 30 000 DM Schaden ist die Abgabe 4650 DM nach der alten Fassung, 1500 DM nach der jetzt vorgeschlagenen Fassung.
({3})
Bei zwei Drittel Vermögensverlust - immer Restvermögen, das am Stichtag vorhanden war - von 20 000 DM ist die Abgabe nach § 47 geltender Fassung 3750 DM, nach dem neuen Vorschlag nichts, weil wir allerdings der Meinung waren, wenn jemand schon zwei Drittel seines Vermögens verloren hat, soll man ihm nicht noch weitere 25 % seines Vermögens abnehmen.
Ich will Ihnen jetzt die größeren Zahlen bringen. Sie fragen nach Zwischenzahlen; dann will ich Ihnen die Zwischenzahlen geben. Wenn ein Abgabevermögen von 100 000 DM am Stichtag vorhanden war und der Schaden war 100 000 DM, dann sind also 100 Schadenspunkte entstanden. Vermögensabgabe nach § 47 der jetzigen Fassung 47 000 DM, nach der neuen Fassung 38 000 DM.
({4})
Sie sehen also, es gibt an keinem Punkt, auch bei den kleinen Vermögen, eine stärkere Belastung, sondern überall eine Entlastung.
({5})
({6})
- Verzeihen Sie, ich will Ihnen sofort weitere Zahlen geben. Nehmen Sie ein Stichtagsvermögen von 40 000 DM, wobei 20 000 DM Schaden eingetreten ist, dann haben Sie nach der jetzigen Fassung 17 400 DM Abgabe. Nach der neuen Fassung haben Sie 18 000 DM Abgabe.
({7})
- Verzeihen Sie!
({8})
- Ja, das ist richtig. ({9})
Bei 40 000 DM Stichtagsvermögen und 40 000 DM Schaden haben Sie nach Ihrer Konzeption, also § 47, alte Fassung, 12 400 DM Vermögensabgabe, die bleibt, nach der neuen Fassung, die vorgeschlagen wird, 8000 DM. Sie können sich die Tabelle ansehen; dann werden Sie sehen, daß immer bei solchen Prozenttabellenberechnungen an irgendeinem Punkt ein Bruch eintritt; den können auch Sie nicht vermeiden.
({10})
Wir kommen unter Berücksichtigung der sozialen Freigrenzen in unserem Vorschlag auch bei den kleinen Vermögen durchweg zu einer Verbesserung, und das scheint uns allerdings richtig zu sein.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Föderalistische Union ({0}) stimmt dem vorliegenden Antrag zu. Ich will aber hier zum Ausdruck bringen, daß die Berücksichtigung der Eigenschäden auch nach diesem Vorschlag, den wir als eine Verbesserung ansehen, noch absolut unzulänglich ist.
({1})
Man hat nämlich in der Öffentlichkeit, insbesondere in den Kreisen der Geschädigten, kein Verständnis dafür, daß, wenn einer alles behalten hat, er nur mit Schonung, die auch wir für notwendig halten, im Laufe der Zeit 50 % abzugeben braucht, daß aber, wenn einer schon das Zwei- oder Dreifache seines Restvermögens im Krieg verloren hat, er dann von dem Verbliebenen noch die Hälfte abgeben muß.
Deswegen halten wir diesen Antrag, dem wir zustimmen, nur für eine Etappe auf dem Wege zur Gerechtigkeit für. die Geschädigten. Wir werden auch nicht dabei stehenbleiben, sondern wir unterstützen diesen Antrag lediglich in der Absicht, demnächst auf diesem Wege weiterzugehen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Es kann nicht Aufgabe einer allgemeinen Aussprache in der dritten Lesung sein, mit einzelnen Zahlen zu operieren.
({0})
- Nein, im Ausschuß, Herr Kollege Seuffert, und da haben wir uns doch wirklich mit diesen Zahlen
bombardiert. Zahlen, die nicht einmal diejenigen aufnehmen können, die sich als Fachleute des Lastenausgleichsgesetzes betrachten, haben keinen Sinn für diejenigen, die sich normalerweise mit der Materie nicht befassen. Wir können hier nur die allgemeinen Grundzüge erörtern, und da muß ich Ihnen, Kollege Seuffert, entschieden widersprechen, wenn Sie sagen, als allgemeiner Grundzug dieses Änderungsantrages gelte, daß die erhaltengebliebenen kleineren Vermögen durch diesen Antrag wesentlich geschädigt würden. Wir haben die Zahlen, die nun hier zwischen Herrn Seuffert und Herrn Kunze hin- und hergeworfen worden sind, im Ausschuß doch eingehend beraten,
({1})
und wir sind dabei immer zu der Überzeugung gekommen, daß es auch nach dem jetzigen Gesetzentwurf bei den erhaltengebliebenen kleineren Vermögen an keiner Stelle zu einer Abgabe käme, die über 50 % liegt. Die kleineren Vermögen unterliegen ja durch die Freigrenzen usw. einer geringeren Abgabe.
Nun zu dem anderen Einwand, dieser Antrag bedeute eine unzulässige und ungerechte Begünstigung der erhaltengebliebenen größeren Vermögen. Auch dieser Vorwurf - ich würde das jedenfalls als Vorwurf betrachten - ist unberechtigt. Um welche Vermögen handelt es sich denn? Doch nicht um erhaltengebliebene größere Vermögen, die heute wieder in ein normales Funktionieren gekommen wären. Diese Vermögen sind durch die Form der D-Mark-Eröffnungsbilanz und auch durch die Höhe, in der wir die Schadensanrechnung vornehmen, ausgeschaltet. Schaden ist ja nicht der gleiche Begriff, wie ihn der normale Geschädigte auffaßt, sondern für die Schadenshöhe haben wir scharf und eng umgrenzte Begriffe aufgestellt. Dieser Schaden ist für den Betrieb, der wieder zum normalen Arbeiten gekommen ist, in der Praxis sehr viel geringer, als er ihn sich selbst errechnet. Außerdem: wer in der D-Mark-Eröffnungsbilanz von den Möglichkeiten hat Gebrauch machen können, die ihm der Gesetzgeber bewußt gegeben hat, kommt hier überhaupt nicht zum Zuge. Zum Zuge kommen nur diejenigen Vermögensgruppen, die die großen Schäden bis heute noch nicht haben überwinden können, die sich immer noch in schwieriger Lage befinden. Denen zu helfen, ist aber ein Gebot der Gerechtigkeit. Das hat nichts mit einer Begünstigung von großen Vermögen zu tun. Vielmehr liegt es im Interesse der deutschen Wirtschaft, daß auch diese Betriebe möglichst bald wieder in den Kreis der arbeitenden und werteschaffenden Gruppen hineingebracht werden.
Noch ein Wort zu dem letzten Argument des Kollegen Seuffert bezüglich der Anrechnung von hundert Millionen. Ich habe in meinem Bericht ebenfalls zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung den Ausfall von hundert Millionen natürlich auf der Grundlage der jetzigen Gesetzesfassung errechnet hat. Aber auch das Bundesfinanzministerium steht heute auf einem anderen Standpunkt. Es erkennt jetzt an, daß die ursprüngliche Schätzung von hundert Millionen viel zu hoch war, und heute ist die Meinung der Sachverständigen die, daß auch der neue Gesetzentwurf keinesfalls einen Ausfall von mehr als hundert Millionen bringen wird.
Zum Schluß noch eines, Herr Kollege Seuffert. Gerade Sie, der Sie doch in finanzpolitischen Din({2})
gen so sehr bewandert sind, müßten selbst wissen, welche Folgen sich ergeben, wenn nun die Finanzämter über die Tausende von Anträgen entscheiden müssen, die sich auf § 131 der Abgabenordnung berufen. Diesen Leuten muß einfach geholfen werden, gleichgültig, ob wir als Gesetzgeber das mit einem Gesetz tun, oder ob das die Finanzämter tun.
({3})
- Natürlich! Aber das sollten eigentlich nicht die Finanzämter machen, sondern das müßte durch eine vernünftige Gesetzgebung geschehen.
Deshalb bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Wackerzapp.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Behandlung dieses Problems ist nach meiner Auffassung immer eine merkwürdige Gedankenverwirrung insofern festzustellen, als man die Ermäßigung der Vermögensabgabe als ein Geschenk betrachtet. Das Wesen des Geschenks ist die unentgeltliche Vermögensvermehrung. Aber hier handelt es sich nicht darum, das Vermögen zu vermehren; vielmehr soll durch die Anrechnung der Schäden verhindert werden, daß zu den durch den Krieg verursachten Verlusten durch eine nach unserer Ansicht verfehlte Gesetzesbestimmung noch ein weiterer Schaden hinzutritt.
Weiter ist gesagt worden, durch die Berücksichtigung der Vermögensschäden nach unserem Tarif würde eine unerträgliche Verkürzung des Aufkommens zum Lastenausgleich eintreten. Ich habe schon früher darauf hingewiesen, daß dies nach meiner Auffassung nicht der Fall ist, weil insbesondere bei den großen Schäden der großen Betriebe eine Schranke dadurch aufgerichtet worden ist, daß nach § 13 des Feststellungsgesetzes mit dem Vermögensstand vom 1. Januar 1940 verglichen wird, so daß alle im Kriege erzielten Gewinne bei der Schadensfeststellung nicht zum Zuge kommen.
Sodann darf ich auf die in ihrer Bedeutung noch nicht recht gewürdigte Bestimmung des § 249 des Lastenausgleichsgesetzes hinweisen, eine etwas tückische Bestimmung, die besagt, daß das, was bei der Vermögensabgabe infolge der Saldierung er-. mäßigt wird, auf den Grundbetrag der Hauptentschädigung angerechnet wird, d. h. daß der Ausgleichsfonds die Beträge, die er auf der Einnahmeseite durch die Saldierung verliert, ganz oder zum Teil auf der Ausgabenseite dadurch wieder ausgleicht, daß er bei der Hauptentschädigung entsprechend geringere Beträge zu zahlen braucht.
Ich möchte noch auf folgendes hinweisen: Wir wissen alle, welch außerordentlich verdienstliche Arbeit gerade Herr Kollege Seuffert bei der Gestaltung der Kreditgewinnabgabe geleistet hat, allerdings nach meiner Ansicht mehr in bezug auf die technische Behandlung der Angelegenheit als in bezug auf die materielle Regelung. Ich darf darauf aufmerksam machen, mit welcher Gewissenhaftigkeit, man kann schon sagen: mit welch zärtlicher Sorgfalt darauf geachtet worden ist, daß hier eine volle Saldierung der Währungsverluste und der Betriebsverluste mit den Währungsgewinnen stattfinden darf, ohne daß die Rede davon gewesen wäre, bei irgendeiner Vermögenshöchstgrenze haltzumachen. Dabei handelt es sich bei der Kreditgewinnabgabe darum, daß ein unverdienter Wertzuwachs für den Lastenausgleich herangezogen werden soll, während es bei unserem Antrag doch darum geht, daß ein durch den Krieg zerschlagenes Vermögen davor bewahrt bleiben soll, durch Maßnahmen des Gesetzgebers weiter in seinem Bestand und seiner Lebensfähigkeit beeinträchtigt zu werden.
Zum Schluß darf ich darauf hinweisen, daß diese ganze Angelegenheit für uns auch noch eine prinzipielle Bedeutung hat. Es hat sich auch heute wieder so angehört, als ob bei den Gegnern unseres Entwurfs die Meinung obwaltet, der Besitz eines größeren Vermögens sei eigentlich von vornherein etwas Anstößiges, etwas Unzulässiges, und die Tatsache, daß der Krieg hier schädigend eingegriffen hat, sei zwar im Einzelfall vielleicht bedauerlich, im Grundsätzlichen aber doch mehr die Korrektur eines unerwünschten sozialen Tatbestandes. So klingt es manchmal heraus. Wir aber bejahen die Institution des Eigentums als einen der tragenden Grundpfeiler unserer Zivilisation und Kultur aus Überzeugung und wollen keinen Unterschied etwa in der Richtung machen, daß das Eigentum nur bis zu einer willkürlichen Höchstgrenze von 75 000 oder 150 000 DM anzuerkennen ist; es ist vielmehr dem Grundsatz nach zu bejahen. Auch die größeren Vermögen sind doch in aller Regel nicht vom Himmel gefallen.
({0})
- Jawohl, vereinzelt durchaus möglich. Aber in der Regel sind die großen Vermögen entstanden in jahrelanger Lebensarbeit, oft durch Generationen hindurch, durch Fleiß, Arbeit, Unternehmermut und überragendes Wissen und Können. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, daß die größeren Vermögen genau so viel Anspruch auf den Schutz des Staates haben wie die kleineren.
Also auch aus diesen, über den Spezialfall hinaus wirksamen allgemeinen Gründen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Eine Einzelbesprechung der dritten Beratung entfällt, da Änderungsanträge nicht gestellt sind.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Lastenausgleich. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 6:
Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesfernstraßengesetzes ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Die Bundesregierung nimmt auf ihre schriftliche Begründung Bezug.
Es ist angeregt worden, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Verkehrswesen als federführendem Ausschuß und weiterhin wegen der Bedeutung des Gesetzes für das Baurecht und das Wohnungswesen auch dem 18. Ausschuß, dem Ausschuß für
({1})
Wiederaufbau und Wohnungswesen, zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 7:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend Haferaufkauf ({3}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Tobaben. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Tobaben ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich tue der Sache keinen Abbruch, wenn ich mich in meiner Berichterstattung sehr kurz fasse. Der Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen ist dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Beratung überwiesen worden. Nach mehreren Beratungen gab der Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Erklärung ab, das Bundesministerium werde im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesfinanzminister veranlassen, daß die Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide- und Futtermittel vor dem 1. Juli 1953 von dem in diesem Wirtschaftsjahr nicht mehr absetzbaren Hafer inländischer Erzeugung nach Fühlungnahme mit den Ländern in bestimmten Gebieten eine noch festzusetzende Höchstmenge zum diesjährigen Mindestpreis ohne Vergütung von Lagerkosten aufnimmt.
Daher bittet der Ausschuß, seinem Beschluß, den Antrag Drucksache Nr. 4036 für erledigt zu erklären, zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 4236, den der Abgeordnete Tobaben eben vorgetragen hat, zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 8:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Freiherrn von Aretin gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 3. September 1952 ({1}) ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Müller ({3}). Bitte!
Müller ({4}) ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 3. September 1952 hat der Herr Bundesjustizminister gebeten zu überprüfen, ob zwecks Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Bundestagsabgeordneten Herrn von Aretin wegen Betruges die Immunität aufgehoben werden solle. Dieser Bitte lagen entsprechende Berichte des Herrn Landesministers der Justiz von Bayern, des Generalstaatsanwalts von Bayern und als Ausgangspunkt der Bericht der Oberstaatsanwaltschaft München zugrunde.
Danach wird der Herr Abgeordnete von Aretin in einer Anzeige eines Münchner Rechtsanwalts beschuldigt, Ende 1948 bei der Hypotheken- und Wechselbank in München einen Kredit von 15 000 DM genommen und dabei die von dem Anzeigenden angeblich vertretene Frau Fischer durch bewußt unwahre Darstellungen dazu gebracht zu haben, für diesen Kredit die Bürgschaft zu übernehmen. Er habe ihr dabei vorgetäuscht, der Kredit sei für die Bayernpartei bestimmt und werde von dieser und ihm rechtzeitig zurückgezahlt werden. In Wirklichkeit habe er das Geld für sich verbraucht. Die Bayernpartei habe nichts erhalten und daher auch nichts zurückgezahlt, so daß eben Frau Fischer, die Mandantin des Anwalts, in Bürgschaft genommen worden sei. - So weit die Anzeige und der Bericht des Oberstaatsanwalts.
Wir haben diesen Fall im Ausschuß in mehreren Sitzungen überprüft, und es konnte uns seitens der Bayernpartei unter dem 26. März 1953 folgende Erklärung vorgelegt werden:
Auf Ersuchen unseres Mitgliedes Ihres Ausschusses, Herrn Dr. Meitinger,
- schreibt Herr Dr. Besold als Generalsekretär der Bayernpartei habe ich gestern in dessen Gegenwart Ihnen Einsicht in das Originalprotokoll der Sitzung der Landesvorstandschaft der Bayernpartei vom 26. März 1949 in Augsburg gegeben.
Diese Originalprotokolle lagen auch dem Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung und
Immunität, dem Herr Abgeordneten Ritzel, vor.
Hiernach erhielt damals u. a. von .der Hypothekenbank in München die Bayernpartei einen Kredit von DM 25 000. Herr von Aretin hat diesen Kredit für die Partei aufgenommen. In diesem Betrag sind die fraglichen DM 15 000 des Herrn von Aretin enthalten, die von dem damaligen Landesschatzmeister an die Kreisverbände Oberpfalz und Niederbayern ausbezahlt wurden.
Danach war für den Ausschuß der Vorwurf der betrügerischen Absicht bei der Darlehnsnahme und der Inanspruchnahme der Bürgen widerlegt, und der Ausschuß kam in seiner Sitzung vom 28. März 1953 fast einstimmig zu dem Beschluß, die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten von Aretin zu versagen. Ich bitte das Hohe Haus, entsprechend diesem Ausschußbeschluß nach der Drucksache Nr. 4257 die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen Herrn von Aretin nicht zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Ich bitte die Damen und Herren,
die dem Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität Drucksache Nr. 4257 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist
die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Ich komme zum Punkt 9 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zur Haft zwecks Erzwingung der Ableistung des Offenbarungseides gegen den Abgeordneten Langer gemäß Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Lungershausen, Bad Gandersheim, vom 14. Februar 1953 ({1}).
Meine Damen und Herren, der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immu({2})
nität hat mir ein an ihn gerichtetes Schreiben des Abgeordneten Langer übergeben, in dem er - der Abgeordnete Langer - um Absetzung dieses Punktes bittet, und zwar mit folgendem Satz:
Sie haben mein Wort, daß ich Ihnen binnen
fünf Tagen die Unterlagen über erfolgte Zahlung unterbreite bzw. in Ihrem Büro abgebe.
Der Herr Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses hat mir mitgeteilt, daß er persönlich keine Bedenken habe, die Sache auf die Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen in der kommenden Woche zu setzen. - Ich darf unterstellen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß diese Angelegenheit auf die Tagesordnung vom Mittwoch nächster Woche gesetzt wird. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Dann rufe ich auf Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({3}) betreffend Regelung der Verhältnisse der Pensionskasse Deutscher Privateisenbahnen ({4}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Begründung und auf eine Aussprache zu verzichten.
- Das Haus ist damit einverstanden.
Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Dann weiter Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Wiedereinführung des § 397 AVG in der britischen Zone ({5}).
Auch hier ist vorgeschlagen, ohne Begründung, ohne Aussprache - Frau Kalinke! - diesen Punkt der Tagesordnung zu erledigen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
({6})
- Frau Abgeordnete Kalinke, seien Sie doch so liebenswürdig, diese Ausführungen im Ausschuß für Sozialpolitik zu machen, dem es überwiesen wird. - Ich schlage dem Hause vor, diesen Antrag dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
({7})
- Ausschuß für Arbeit wollen Sie?
({8})
- Ja, meine Damen und Herren, nun wird es schwierig!
({9})
- Also zur Ausschußüberweisung Frau Abgeordnete Kalinke!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es handelt sich hier eindeutig um ein Problem, das den Sozialpolitischen Ausschuß angeht, nämlich um ein Teilgebiet der Reform der Rentenversicherung oder, besser ausgedrückt, um ein Teilgebiet der Schaffung einheitlichen Rechts in der Rentenversicherung. Im Antrag der Deutschen Partei betreffend einheitliches Recht in der Rentenversicherung, der hier diskutiert und angenommen worden ist und durch den bereits die Bundesregierung beauftragt worden ist, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen, ist dieses Problem des § 397 AVG behandelt worden.
({0})
Sie sprechen nicht zu Ihrem Antrag.
Also nur der Sozialpolitische Ausschuß kann im Anschluß an dieses Problem darüber beraten und nicht der Arbeitsausschuß.
({0})
Nach dieser Aufklärung - ({0})
- Aber nicht die Aufklärung, die Sie nun wieder im Auge haben, Herr Abgeordneter Renner! ({1})
Ich frage also, meine Damen und Herren: wer ist für Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik? - Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP betreffend Nachwuchs für supranationale Behörden ({2}).
Auch hier wird nach dem Vorschlag des Ältestenrats auf Begründung und Aussprache verzichtet. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht, an den Haushaltsausschuß und den Auswärtigen Ausschuß - federführend Ausschuß für Beamtenrecht - vor.
({3})
- Sie sind mit der Überweisung einverstanden.
Nächster Punkt der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({4}) betreffend Familienbeirat ({5}).
Auch hier schlägt der Ältestenrat das gleiche Verfahren vor. Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. - Sie sind einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Dann rufe ich Punkt 14 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({6}) betreffend Steuerliche Sonderregelung für Lieferungen von und nach Ländern der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl ({7}).
Herr Abgeordneter Bertram hat hier die schriftliche Begründung*), da er sie persönlich nicht geben kann, eingereicht. Sie liegt Ihnen in Umdruck Nr. 878 vor. Wird das Wort dazu gewünscht?
({8})
- Wozu, Herr Abgeordneter? Das ist der Antrag auf Bildung eines Sonderausschusses. Wünschen Sie, zur Debatte zu sprechen?
({9})
- Dann wollen wir die Frage der Ausschußüberweisung erst einmal zurückstellen, Herr Abgeord-
*) Siehe Anlage Seite 12790
({10})
neter Meitinger. Ich schlage Ihnen für die Aussprache eine Höchstredezeit von 40 Minuten entsprechend dem Vorschlag des Ältestenrates vor. Sie sind damit einverstanden?
({11})
Bitte schön, Herr Dr. Schöne!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag Drucksache Nr. 4230 bedeutet, in einfachen Zahlen dargestellt und auf die beiden Beispielländer Deutschland und Frankreich angewandt, daß Deutschland bei einem Export von Stahl nach Frankreich eine Rückvergütung von 4,7 % fallenläßt. Als Gegenleistung dafür wird der deutsche Stahl in Frankreich nicht mit 20 % Ausgleichsabgabe belastet. Frankreich dagegen läßt bei einem Stahlexport nach Deutschland eine Rückvergütung von 19,6 % fallen. Als Gegenleistung dafür wird französischer Stahl in Deutschland nicht mit 4 % bis 6 % Ausgleichsabgabe belastet. Damit würde französischer Stahl in Deutschland denselben Preis haben wie in Frankreich. Sinngemäß würde deutscher Stahl in Frankreich denselben Preis wie in Deutschland haben.
Der Antrag will - und der Ton dieses Antrags liegt auf dem letzten Halbsatz - einen Wegfall der Exportrückvergütungen und der Importbelastungen zugleich und außerdem nur dann, wenn es in allen Mitgliedsländern gleichzeitig geschieht.
Nun, meine Damen und Herren, ökonomisch gesehen könnte ein solcher Antrag nur Beifall finden, vorausgesetzt, daß er sich realisieren ließe. Die Unmöglichkeit seiner Realisierung hat sich jedoch gerade in den letzten Wochen im sogenannten Steuerstreit der Montan-Union herausgestellt. Die nationalwirtschaftlichen Grenzen stellten sich für die Montangüter - in vielen Jahrzehnten gewachsen - bis zum Wirksamwerden der Hohen Behörde so dar, daß die Zölle den eigentlichen Schutzwall bildeten und daß man versuchte, mittels Ausfuhrrückvergütungen über diese Mauern in das andere Land hinüberzuspringen, wie man andererseits versuchte, durch entsprechende Ausgleichsabgaben das Herüberspringen des anderen zu verhindern. Durch die Montan-Union werden nun die Zollmauern eingeebnet. Es bleiben jedoch zunächst die gleichsam auf diese Mauern aufgestockten Rückvergütungen und Ausgleichsbelastungen.
Rückvergütungen und Ausgleichsbelastungen ihrerseits aber sind nur aus dem in dem betreffenden Lande bestehenden Steuersystem zu erklären. Gerade mit den Beispielländern Deutschland und Frankreich stoßen Länder mit grundsätzlich unterschiedlichen Steuersystemen aufeinander. Deutschland kennt erhebliche direkte Steuern für die Unternehmen, kennt als indirekte Steuer nur die Umsatzsteuer. Ausgleichsabgaben und Rückvergütungen beziehen sich im Grundsatz nur auf die indirekten Steuern, sind also relativ niedrig. Frankreich dagegen kennt keine direkte Besteuerung der Unternehmen, kennt verhältnismäßig hohe indirekte Steuern. Ausgleichsabgaben und Rückvergütung sind also relativ hoch.
Durch die Montan-Union werden nun nicht nur die Zollmauern eingeebnet. Die Hohe Behörde beabsichtigt offensichtlich, den am 1. Mai 1953 beginnenden gemeinsamen Markt für Stahl damit zu eröffnen, daß als Diskriminierung erklärt wird, wenn Steuern oder Abgaben, bei denen der Verkäufer einen Anspruch auf Befreiung und Rückvergütung hat, in den Preis, den der Käufer zu zahlen hat, einbezogen werden. Mit einfachen Worten: Rückvergütungen im grenzüberschreitenden Verkehr sollen fallen, Importausgleichsabgaben bleiben ungeschoren. Auf mein eingangs gebrachtes Zahlenbeispiel angewandt, würde dies bedeuten: Deutschland gibt bei einem Stahlexport nach Frankreich den Stahl um 4,7 % billiger ab; dafür wird er in Frankreich mit 20 % belastet. Frankreich gibt bei einem Stahlexport nach Deutschland den Stahl um 19,6 % billiger ab; dafür wird er in Deutschland mit 4 bis 6 % belastet.
Es ist offensichtlich, daß auf solchem Wege in allerkürzester Frist eine erdrückende Einfuhr französischen Stahls zu erwarten ist. Monsieur Ricard, Leiter des französischen Stahlwerkverbandes, sagte kürzlich, daß Frankreich nunmehr mit Hilfe des Montanvertrages einen Absatzanspruch auf den größeren deutschen Markt zu realisieren strebt.
({0})
Kurzum, bei der Steuerfrage handelt es sich sicher um mehr als um eine einfache technische Angelegenheit.
Jedoch - und das ist das Argument aus dem Schumanplan selbst - handelt es sich hier nicht um richtige ökonomische Werte, sondern um Diskriminierungen bzw. Subventionierungen. Mit der Steuererhebung verlangt der Staat von der Wirtschaft einen entsprechenden Anteil an den öffentlichen Kosten der Produktion überhaupt. Wären die Steuersysteme in beiden Ländern grundsätzlich gleich - also direkt und indirekt in etwa gleichem Verhältnis -, so würde lediglich die besondere öffentliche Last des betreffenden Staates zum Ausdruck kommen. Das ist es, was die Hohe Behörde in ihrem ersten Exposé als „geographische Gegebenheit" bezeichnete. Die Dinge liegen jedoch so, daß die Steuersysteme grundverschieden sind, daß im Lande Deutschland mit den erheblichen direkten Steuern die gesamten Anteile der Industrie an den öffentlichen Kosten der Produktion abgedeckt werden, und daß im Lande Frankreich, das keine direkten Steuern erhebt, die öffentlichen Produktionskosten allgemeiner Art im indirekten Wege aufgebracht werden.
Das Land Deutschland verzichtet nach dem Gedanken der Hohen Behörde nun auf den indirekten Steuerteil; denn die allgemeinen Produktionskosten sind durch die direkten Steuern gedeckt. Das Land Frankreich erhebt dagegen von dem außer Landes gehenden Teil der Produktion überhaupt keine allgemeinen Produktionskosten; es erhebt sie lediglich von dem Teil der Produkte, die von außen her in das Land kommen. Es ist ohne weiteres ersichtlich, daß eine solche Politik eine bewußt grobe Verzerrung des Bildes der Grundindustrien, insbesondere der eisenschaffenden Industrie, im Gefolge haben muß.
Die von mir geschilderte Diskriminierung durch ein solches Vorhaben der Hohen Behörde muß sich um so nachhaltiger auswirken, als die Ausgleichsabgaben in Höhe und Wirkung als Aufstockung auf ein Zollsystem, das im Laufe vieler Generationen gewachsen war, geschaffen waren. Nun, da die Zölle für die Montanerzeugnisse im Gemeinschaftsraum beseitigt sind, klafft eine Lücke, die durch ein entsprechendes Anheben der Abgaben steuerlicher Art ausgeglichen werden muß, wenn die Gemeinschaft nicht mit zusätzlichen Verzerrungen beginnen soll.
({1})
Es wird von anderer Seite argumentiert werden müssen, daß man eine Gemeinschaft, wie sie der Schumanplan sein will, nur auf organischem Wege wird erreichen können. Als Sprecher der SPD wäre es mir ein Leichtes, all die Argumente zu wiederholen, die meine Freunde und ich anläßlich der parlamentarischen Beratung des Schumanplans vorgebracht haben. Ich möchte es nicht tun, sondern nur daran erinnern. Wir haben seinerzeit mit nachdrücklichem Ernst auf die Tendenz hingewiesen, die nun bedauerlicherweise in greifbare Nähe gerückt ist. Einzelheiten möchte ich mir ersparen, um nicht in die Nachbarschaft derer zu geraten, die - seinerzeit eifrige Verfechter und Befürworter der Montan-Union - sich heute die Dinge bei Licht besehen und sich mit lauter, überlauter Stimme dagegen wenden.
Zur Begrundung der Haltung meiner Freunde darf ich über das oben Dargelegte hinaus mit allem Nachdruck und tiefem Ernst folgendes hervorheben. Zu den „geographischen Gegebenheiten", so sagt das erste Exposé der Hohen Behörde, gehören einerseits die Steuer, andererseits die Löhne und soziale Bedingungen. Versucht man nun mit dem „Koste es, was es wolle!" die geographischen Gegebenheiten an dem einen Punkt, nämlich bei den Steuern, zu korrigieren, zu planieren, so konzentriert man die geographische Unterschiedlichkeit rücksichtslos und mit entsprechender Wucht auf die dann noch verbleibende Unterschiedlichkeit, nämlich die Löhne und Sozialleistungen.
Wir erinnern uns ja deutlich daran, daß durch den Schumanplan die Kapitalkosten und entsprechender Unternehmergewinn vertraglich gesichert wurden. Wir werden mit allen verfügbaren Mitteln zu verhindern suchen, daß man die Unterschiedlichkeit der Gegebenheiten auf Löhne und Sozialleistungen abwälzt. Damit täte man nichts anderes, als daß man den Kampf um die Konkurrenzfähigkeit auf den „breiten Schultern" austrüge.
Dem aufmerksamen Beobachter der deutschen Wirtschaft wird nicht entgangen sein, daß sich in der deutschen eisenschaffenden Industrie die Merkmale der Arbeitsdämpfung und Kurzarbeit mehren. Straßen werden stillgelegt; Walzwerke fahren mit halber Schicht. Diese Symptome sind heute bereits - einen Tag vor dem gemeinsamen Markt für Stahl - sehr, sehr ernst zu nehmen. Ein Zögern mit Korrekturmaßnahmen bringt konsequent einen sprunghaften Rückgang der deutschen Eisenindustrie. In dem Antrag der Föderalistischen Union sind Korrekturmaßnahmen angedeutet. Sie sind sofort zu ergreifen.
Ich darf Sie namens meiner Freunde bitten, den Antrag Drucksache Nr. 4230 dem Wirtschaftsausschuß und dem Finanzausschuß mit dem Ersuchen zu überweisen, zur Beratung bereits morgen vormittag zusammenzutreten.
Ich darf abschließend noch einmal folgendes sagen. Das Motiv für die Einstellung der SPD zu diesem Antrag wie überhaupt zu Korrekturanträgen ist das Wohl und Wehe der in der deutschen Eisenindustrie arbeitenden Menschen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fäderalistischen Union beschäftigt sich mit einem Problem, das im Laufe der letzten Wochen bereits im Auftrage der Hohen Behörde der Montan-Union durch den sogenannten Tinbergen-Ausschuß, einen Ausschuß von vier Wissenschaftlern, einem Engländer, einem Holländer, einem Italiener und einem Belgier, untersucht worden ist. Diese Untersuchung ging auf eine Frage zurück, die die Hohe Behörde im Auftrage sowohl des Beratenden Ausschusses als auch des Marktausschusses der Gemeinsamen Versammlung gestellt hatte: Ist es das beste Verfahren einer Harmonisierung des Überganges in den Gemeinsamen Markt, wenn - wie es von der deutschen Seite immer wieder unterstrichen worden und wie es im FU-Antrag aufgenommen worden ist - die Lieferungen an den Gemeinsamen Markt aus jedem Land so vorgenommen werden, als seien es Inlandslieferungen? Das entspräche der Vorstellung, durch die Eröffnung des Gemeinsamen Marktes hätten sich praktisch die Grenzen des einzelnen Marktes auf die gesamte Montan-Union erweitert, d. h. jedes Produkt würde mit allen Steuern und sonstigen Abgaben belastet, die es in seinem Produktionsland trägt, und ohne daß es irgendwelche Rückvergütungen in diesem Produktionsland oder zusätzliche Belastungen im Einfuhrland gäbe, würde der Gemeinsame Markt so weit beliefert, wie eine Konkurrenz möglich ist.
Demgegenüber stammt aus der ganz anderen Konstruktion einer Produktionssteuer, einer EinPhasen-Umsatzsteuer in Frankreich die Vorstellung: Es ist doch nicht möglich, von Preisen auszugehen, in denen Steuern enthalten sind, die überhaupt nicht der Produzent zu tragen hat, sondern die der Konsument trägt. Es kommt also darauf an, daß nicht die Verhältnisse im Produktionsland, sondern die im Verbraucherland zum Ausgangspunkt genommen werden, so daß also weiterhin die Umsatzsteuerausgleichszahlungen und die Rückvergütungen wie bisher erfolgen.
Wären in allen Ländern die steuerlichen Verhältnisse gleich, so könnte man darüber hinwegsehen. Tatsächlich ist es aber so, daß in Frankreich eine viel geringere direkte Steuerbelastung besteht als in Deutschland, dagegen eine indirekte Steuerbelastung von 19 oder sogar, wie behauptet wird, 25 %, während in Deutschland die indirekten Steuern relativ gering sind. Ich darf Ihnen an einem Beispiel zeigen, wohin es führte, wenn man nach dem Vorschlag, wie er sich aus der romanischen Steuerdenkweise ergibt, verführe. Es würde dazu führen, daß Stabstahl, der in Deutschland und in Frankreich im Augenblick ungefähr gleich teuer ist - er kostet bei uns 410 und dort 427 DM -, durch dieses System der Rückvergütung völlig inkommensurabler Steuern bei einer Lieferung nach Deutschland 382 DM kostete, während umgekehrt der deutsche Stahl bei der Lieferung nach Frankreich 467,40 DM kosten würde. Das hieße zwangsläufig einen Wettbewerb der Leistungen auf diesem Gemeinsamen Markt auf einmal in einen Wettbewerb der Finanzminister und der Steuersysteme beider Länder oder beider Länderkategorien umwandeln. Das aber könnte nach unserer deutschen Vorstellung natürlich niemals der Sinn dieses Gemeinsamen Marktes sein.
Das ganze Problem geht aber viel tiefer, weil es in dieser Teilintegration des Schumanplans, der ja nur Kohle und Stahl umfaßt, auch wieder noch
({0})
die Zusammenhänge innerhalb der Volkswirtschaften - also bei der deutschen zwischen Kohle, Stahl, Maschinenbau usw. und bei der französischen und belgischen entsprechend - gibt. Man würde in dem anderen Falle der Unterstellung der Teilintegration, so wie sie nach dem deutschen System vorgeschlagen worden ist, natürlich in diese Zusammenhänge der einzelnen Volkswirtschaften stärker eingreifen, würde auch dort Schwierigkeiten hervorrufen.
Im Augenblick könnte man von seiten der deutschen eisenverarbeitenden Industrie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik, des Schiffbaus unter Umständen sagen: Na schön, wenn das nun so gemacht werden soll, dann bekommen wir ja auf einmal den Stahl zu wesentlich günstigeren Bedingungen, als ihn etwa die Franzosen selber bekommen. Es wird also zwar in Deutschland eine Beeinträchtigung der Stahlindustrie erfolgen, aber die gesamte Verarbeitung Europas auf dem Gebiet von Eisen und Stahl wird sich in Zukunft in Deutschland konzentrieren. Und auch das war ja niemals der Sinn des Schumanplans, daß nun in den nachfolgenden Industriestufen derartige durch steuerliche Gründe, nicht durch Leistungsgründe bedingte Verschiebungen eintreten sollten.
Herr Präsident, ich darf noch um ein paar Minuten bitten. Das Problem ist so schwierig, und ich glaube, es ist notwendig, es vor der deutschen Öffentlichkeit auseinanderzulegen.
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- Danke sehr!
Das konnte also niemals der Sinn sein. Und nun darf ich Ihnen einmal etwas darstellen. Wir haben uns bemüht, gegenüber dem Gutachten der Professoren, die nur den Zusammenhang der Volkswirtschaften im einzelnen, im Vertikalen gesehen haben, nun diese anderen Gesichtspunkte zum Tragen zu bringen, und sind uns klar darüber gewesen, daß die im Augenblick mögliche Lösung, die allen Interessen gerecht wird, weder die sein kann, die der Ausschuß der Professoren vorgeschlagen hat, noch im gegenwärtigen Moment die deutsche Vorstellung, weil sie wegen der beschränkten Teilintegration in die anderen Bereiche zu stark eingreift. Auf lange Sicht gesehen, kann es überhaupt keine andere Lösung als die deutsche geben, ist keine andere denkbar; denn auf einem gemeinsamen Markt können letzten Endes nur die Preise regieren und können nicht Kostenfaktoren miteinander in Wettbewerb treten. Man kann es schließlich nicht darauf hinauskommen lassen, daß man nicht mehr die Eisen- und Stahlindustrie - um das Beispiel herauszugreifen - miteinander in Wettbewerb treten läßt, sondern den Herrn Schäffer und seinen französischen Kollegen als Finanzminister und den Herrn Storch und seinen französischen Kollegen als Arbeitsminister und so fort durch alle Kostenfaktoren hindurch.
Das Problem geht tiefer. Es handelt sich darum, das Prinzip durchzusetzen, das wir bereits in dem europäischen Verfassungsentwurf gefordert haben: über die Teilintegration wegzukommen zur Koordinierung der Währungs-, Kredit- und Finanzpolitik auf der ganzen Linie. Das werden wir im Augenblick nicht erreichen können; das ist eine Aufgabe, die sehr schwer ist. Deshalb geht es im Augenblick darum, für eine Übergangszeit einen vernünftigen
Kompromiß zu finden. Dieses vernünftige Kompromißangebot kann nur so aussehen, daß im gegenwärtigen Augenblick die Unterschiede in den Steuersystemen einigermaßen ausgeglichen werden, d. h., daß in sämtlichen Ländern nur die Steuer der letzten Verarbeitungsstufe zurückvergütet und bei der Lieferung in das andere Land zugeschlagen wird. Das würde also etwa bedeuten, daß eine Lieferung, die von Frankreich nach Deutschland geht, dort eine Rückvergütung nicht mehr in Höhe von 16 % - die ja die Rückvergütung für Erz, für Schrott, für alle Vorstufen mit enthält -, sondern nur noch für die letzte Stufe der unmittelbaren Produktion des Stahlerzeugnisses erhält - sagen wir 4, 5, 6 % - und daß umgekehrt in Deutschland auch nur diese Belastung hinzutreten würde. Wenn man sich auf dieser Basis zunächst einmal vernünftig einigen kann, wird man das schwierige Unternehmen einer solchen Teilintegration, die nach unser aller Willen aus politischen und wirtschaftlichen Gründen ein Erfolg werden soll, erfolgreich durchführen können.
Man darf sich jedoch nicht in Dogmen verrennen, die wirklichkeitsfremd sind und an der Realität vorbeigehen. Das gilt z. B. von der Behauptung, daß nur die indirekten Steuern in die Preise eingingen, nicht hingegen die direkten Steuern. Das ist eine Vorstellung, die sicher richtig war, als wir einmal 10 oder 15 °/o Einkommensteuer hatten. Aber wenn heute ein Unternehmen investieren will, muß es das Kapital verzinsen. Es muß die Zinsen verdienen, die es seinen Gläubigern oder Aktionären zahlen muß. Es muß folglich auch die Ertragsteuern verdienen und mit in den Preis einbeziehen. Herr Kollege Schöne hat schon darauf hingewiesen, daß in Art. 3 des Schumanplan-Vertrages diese Erkenntnis enthalten ist.
Das Gutachten geht also etwas in die Irre. Wir möchten am Vorabend der Eröffnung des Gemeinsamen Marktes vor dem Deutschen Bundestag, vor der ganzen deutschen Öffentlichkeit und gegenüber den Herren der Hohen Behörde noch einmal deutlich aussprechen, daß eine ungeheuerliche Verantwortung auf ihnen lastet. Wenn die Hohe Behörde einen Weg beschreitet, der zu Gegenmaßnahmen auf deutscher Seite führen müßte, so bedeutet das einen schrecklichen Umweg. Wenn man sich weiterhin auf das Gutachten Tinbergen stützt, bleibt uns auf deutscher Seite praktisch nichts anderes übrig, als die Ermächtigung an den Finanzminister zu geben, daß er die Belastung mit der Umsatzausgleichsteuer bei der Einfuhr französischer Produkte in das deutsche Wirtschaftsgebiet ähnlich hoch setzt, wie auf der anderen Seite die Rückvergütungen an den französischen Produzenten sind. Das ist aber nicht der Sinn des Schuman-plans, der auf eine möglichst billige Versorgung und möglichst große Erleichterung der Beziehungen zwischen den einzelnen Ländern gerichtet ist. Der Sinn des Vertrages geht vielmehr in umgekehrter Richtung. Wir richten deshalb an die Hohe Behörde den Appell, den einzig möglichen Weg zu gehen - die Steuerhoheit bleibt nach dem Schumanplan bei den einzelnen Regierungen -, sich selbst einer Entscheidung zu enthalten, die Regierungen unmittelbar zusammenzurufen, ihnen auf Grund einer Empfehlung die Möglichkeit zu geben, sich auf einer Kompromißbasis, wie ich sie angedeutet habe, zu einigen, so einen vernünftigen und gerechten Start der Montan-Union zu ermöglichen und nicht von vornherein dieses sehr, sehr schwierige und von uns allen mit ernstem Willen
({2})
verfolgte Experiment mit dem Druck zu Gegenmaßnahmen zu belasten, die nicht erfreulich sein können.
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Das Wort hat der Abgeordnte Dr. Meitinger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Kollegen, die vorher gesprochen haben, haben das, was in der Ihnen schriftlich vorliegenden Begründung des Herrn Kollegen Dr. Bertram aufgezeigt ist, ausführlicher dargelegt. Wir haben es absichtlich vermieden, diese steuerrechtlichen Schwierigkeiten vor dem Plenum zu behandeln, um Verstimmungen internationaler Art zu vermeiden. Es steht fest, daß die Regelung der steuerrechtlichen Einzelheiten große Schwierigkeiten bereitet. Wir sind deshalb der Ansicht - es ist auch mit anderen Fraktionen hierüber gesprochen worden, sie sind damit einverstanden -, daß für diese schwierige Frage ein eigener Ausschuß, ein Siebener-Ausschuß gebildet werden sollte, in dem die antragstellende Fraktion vertreten ist. Wir beantragen erstens die Einsetzung eines Ad-hoc-Ausschusses und zweitens die Überweisung unseres Antrages an diesen Ausschuß.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Loritz ({0}): Meine Damen und Herren! Die schönsten Redensarten der Vertreter der Regierungsparteien zu diesem Punkt der Tagesordnung können niemanden darüber hinwegtäuschen, welch unglaubliche Blamage diese Herren mit der Annahme des Schumanplans, des Montan-UnionPlans, auf sich genommen haben, und jetzt vor der Öffentlichkeit auszubaden haben.
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Wenige Monate ist es erst her, da rollte die dritte Lesung des Schumanplans in diesem Hohen Hause ab. Herr Abgeordneter Dr. Preusker war es, der mir mehrfach Zwischenrufe heraufsandte, als ich erklärte, welch unheilvolle Wirkung der Schumanplan auch auf die deutsche Stahlindustrie haben werde - Herr Preusker, der mir vorwarf, ich hätte doch gar keine volkswirtschaftlichen Kenntnisse; die haben natürlich nur er und seine Fraktionskollegen!
Jetzt, wenige Monate später, sieht man, was uns der Schumanplan gebracht hat, wenn sogar die Zeitungen, die den Stahlindustriellen besonders nahe stehen - wie die „Handelszeitung" -, vor wenigen Tagen geschrieben haben, eine ganz große Lücke im Schumanplan zeige sich hier in der Frage der Steuernachlässe usw. Meine Herren von den Regierungsparteien, Sie haben, bevor Sie den Schumanplan angenommen haben, lange genug Zeit und Gelegenheit gehabt, darüber nachzudenken, was in diesem Vertragswerk steht. Jeder vernünftig Denkende, der die Verhältnisse in Deutschland und Frankreich kennt, wußte, daß es so kommen mußte, daß heute Stahlsorten, Stabstahl usw., von den Franzosen auf Grund dieser fehlerhaften Bestimmungen im Schumanplan um 20 %, ja um 30 % billiger frei Ruhrgebietsstation angeboten werden, als die deutschen Werke sie anbieten können. Eine Blamage sondergleichen haben Sie sich mit der Annahme des Schumanplans eingebrockt! Sie riefen mir damals bei der Besenüberreichung - können Sie sich noch erinnern? - Schimpfworte herauf, die ich gar nicht mehr zitieren will.
Sie haben unserem Vaterland den denkbar schlechtesten Dienst geleistet. Es wäre sehr viel besser gewesen, Herr Preusker und die anderen hätten sich heute hier heraufgestellt und vor dem deutschen Volke ein „Pater peccavi" gesprochen, statt mit gleisnerischen Redensarten um den Kern der Dinge herumzureden. Der Kern der Dinge ist, daß der Schumanplan einer der skandalösesten Verträge ist, die man diesem Hause je zur Annahme vorgelegt hat. Sie werden von den Ruhrindustriellen dafür auch noch einmal zur Rechenschaft gezogen werden. Den Herren geschieht es dann ganz recht, die erst auf das Pferd Hugenberg gesetzt haben und jetzt aus das Pferd Adenauer setzen. Es geschieht ihnen recht - nur schade, daß nicht sie die Leidtragenden sein werden, sondern das gesamte deutsche Volk, die Stahlverbraucher, die Bauindustrie usw.
Keine weiteren Wortmeldungen? - Herr Dr. Schöne.
Meine Damen und Herren! Ich möchte noch ein paar Worte an die Herren der Föderalistischen Union richten. Der Gedanke der Bildung eines Ad-hoc-Ausschusses stammt eigentlich sogar von mir. Trotzdem möchte ich Sie darum bitten, davon Abstand zu nehmen. Der Ad-hocAusschuß könnte frühestens in der nächsten Woche zusammentreten. Ich glaube, daß die Beratung dieses Problems und das Erwägen von Korrekturmaßnahmen so brennend sind, daß ich Sie bitten möchte, meinem Antrag zuzustimmen, den Wirtschaftsausschuß als federführenden Ausschuß und dazu den Finanzausschuß mitberatend mit der Frage zu befassen. Beide Ausschüsse tagen morgen. Wir könnten bereits morgen vormittag in die Verhandlung über dieses Problem eintreten.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Keine weiteren Wortmeldungen? - Ich schließe die Besprechung.
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- Herr Meitinger zieht den Antrag zurück.
Es ist Überweisung an den Wirtschaftsausschuß als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen beantragt worden.. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir noch nicht ganz am Ende der Tagesordnung. Ich habe Ihnen noch die Mitteilung zu machen, daß sich die Abgeordneten Goetzendorff, Reindl, Hedler, Langer und Loritz zur Gruppe der Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung zusammengeschlossen haben.
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Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Dienstag, den 5. Mai, 13 Uhr 30, und schließe die 262. Sitzung.