Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 261. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Entschuldigungen bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Juncker, Dr. Greve, Frau Strobel und Sabel für sechs Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, der Abgeordnete Dr. Becker ({0}) für vier Wochen wegen Krankheit.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Erteilung dieses Urlaubs einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Kalbitzer, Dr. Veit, Frau Strohbach, Rische, Harig, Müller-Hermann, Gockeln, Wönner, Dr. Nölting, Kuhlemann, Kalbfell, Dr. Luetkens, Böhm, Margulies, Dr. Oesterle, Morgenthaler, Steinhörster, Tenhagen, Jaeger ({0}), Eickhoff, Lücke, Dirscherl, Dr. Kreyssig, Dr. Luchtenberg, Dr. Königswarter, Richter ({1}), Neumann, Dr. Besold, Dr. Arndt, Dr. von Brentano, Lausen, Dr. Semler.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Frau Nadig, Dr. Atzenroth, Jahn, Ruhnke, Horn, Dr. von Merkatz, Blank ({2}), Wirths, Frau Dr. Gröwel, Huth, Albers, Lampl, Wagner, Mensing, Even.
Meine Damen und Herren, ich begrüße die wenigen nicht entschuldigten Abgeordneten herzlich in diesem Saale.
({0})
Ich habe Glückwünsche nachzuholen, und zwar zum 60. Geburtstag für Herrn Abgeordneten Dr. Bartram, der am 21. April seinen Geburtstag gefeiert hat,
({1})
und zum 61. Geburtstag, den Herr Abgeordneter Gerns am 22. April gefeiert hat.
({2})
Nach einer Vereinbarung in der heutigen Sitzung des Ältestenrats soll Punkt 12 der Tagesordnung - zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes - abgesetzt werden. Ich bitte Sie freundlichst, die Unterlagen für die Beratung aufzubewahren, da wir sie nicht noch einmal verteilen können.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. April 1953 beschlossen, den folgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag nach Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz zur Ordnung des Handwerks;
Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge;
Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen;
Zweites Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Viehzählungen;
Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz; Tabaksteuergesetz;
Gesetz über steuerliche Begünstigung von Zuschössen und Darlehen zur Vorfinanzierung des Lastenausgleichs;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener;
Gesetz zur Ergänzung des Ersten Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarkts;
Gesetz zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung;
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes.
Der Bundesrat in seiner Sitzung am 24. April 1953 weiter beschlossen, zum Gesetz zur Änderung von einzelnen Vorschriften der Reichsabgabenordnung und des Steueranpassungsgesetzes die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen.
Hinsichtlich der Gesetze
1 a) betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen,
b) betreffend das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder und betreffend das Protokoll vom 26. Juli 1952, durch das die Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Streitigkeiten aus dem vorbezeichneten Abkommen erstreckt wird,
2 a) betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft,
b) betreffend das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft
hat er eine Entschließung gefaßt, die als Drucksache Nr. 4297 verteilt wird. Die Bundesregierung hat in der Kabinettssitzung vom 10. April 1953 beschlossen, zu verlangen, daß wegen des vom Bundestag in seiner 254. Sitzung verabschiedeten Entwurfs eines Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften, dem der Bundesrat in seiner Sitzung vom 20. März 1953 seine Zustimmung versagte, der Vermittlungsausschuß einberufen wird.
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat unter dem 16. April 1953 die Kleine Anfrage Nr. 328 der Fraktion der SPD betreffend Deutscher Protest gegen die Auflösung des Industrieverbandes Bergbau der saarländischen Einheitsgewerkschaft - Drucksache Nr. 4231 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 4281 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 13. April 1953 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Bundestages in seiner 155. Sitzung über die Statistik der Kriegsopferversorgung abschließend berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 4284 vervielfältigt.
({3})
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 22. April 1953 unter Bezugnahme auf § 33,1 RHO die Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im Betrag von 10 000 DM und darüber für das Rechnungsjahr 1951 übersandt, die als Drucksache Nr. 4293 verteilt wird.
Ich rufe auf den Punkt 1 der Tagesordnung: Fragestunde ({4}).
Wir beginnen mit der. Fragestunde um 13 Uhr 35 Minuten.
Zur ersten Frage Herr Abgeordneter Niebergall!
Niebergall ({5}), Anfragender: Meine Frage lautet:
Sind der Bundesregierung die besonders schweren Fälle von Willkür- und Gewaltmaßnahmen der Besatzungsmacht in Rheinland-Pfalz gegenüber der deutschen Bevölkerung, die sich in den letzten Monaten ständig steigern, bekannt?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun zum Schutz von Leben und Eigentum der deutschen Bevölkerung?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts!
Der Bundesregierung ist eine Reihe von Fällen bekannt, in denen es zu Übergriffen von einzelnen Angehörigen der in Rheinland-Pfalz stationierten Truppen gekommen ist. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat in allen Fällen von Bedeutung Vorstellungen erhoben. In einer gemischten Kommission unter Beteiligung rheinland-pfälzischer Regierungsvertreter sollen demnächst Verhandlungen über notwendig gewordene Maßnahmen geführt werden. Es ist den deutschen wie den alliierten zuständigen Stellen ein ernstes Anliegen, derartige Zwischenfälle nach Möglichkeit zu verhindern. Die uns bisher bekannten Fälle sind von den Besatzungsmächten 'eingehend untersucht und die Schuldigen ihrer Strafe zugeführt worden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niebergall?
Niebergall ({0}), Anfragender: Ist die Bundesregierung der Meinung, daß die erwähnten Maßnahmen ausreichen, um Sicherheit, Leben und Eigentum der Bevölkerung in Rheinland-Pfalz zu gewährleisten?
Ja!
({0})
Zur zweiten Frage Herr Abgeordneter Fisch!
Fisch ({0}), Anfragender: Ich stelle die Frage in der Form, wie sie vor fünf Wochen formuliert worden ist, obwohl sich in der Zwischenzeit aus den Ereignissen bereits einige Antworten ergeben haben. Damals lautete die Frage:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß am 1. März 1953 in Bauschheim, Kreis Groß-Gerau ({1}), die 19jährige Anna Tichy von angetrunkenen amerikanischen Soldaten mutwillig überfahren und getötet worden ist?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Täter während der Zeit, als ein Bauschheimer Bürger einen Arzt herbeiholen wollte, geflüchtet sind?
Ist der Bundesregierung bekannt, daß den alten Eltern der Getöteten, die aus dem Sudetengebiet stammen, bis heute keine Entschädigung und keine sonstige Beihilfe in ihrer schweren, durch den Tod ihrer Tochter verursachten Lage gewährt worden ist?
Ist die Bundesregierung gewillt, bei der Alliierten Hohen Kommission entschiedenen Protest gegen derartige barbarische Handlungen amerikanischer Besatzer, gegen einen solchen Akt der „Tötung zum Spaß" einzulegen und die schärfste Bestrafung der Schuldigen zu verlangen?
Ist die Bundesregierung gewillt, von den amerikanischen Besatzungsbehörden die Leistung eines unverzüglich zu entrichtenden angemessenen Betrages zu verlangen?
Ist die Bundesregierung bereit, auf jeden Fall der Familie Tichy eine angemessene finanzielle Vorleistung zu gewähren?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!
Herr Abgeordneter, ich darf als bekannt voraussetzen, daß das Bundesfinanzministerium in der Landes- und in der örtlichen Ebene keine eigenen Verwaltungsorgane besitzt, sondern daß in Beantwortung dieser Frage und bei den Maßnahmen, die zu ergreifen sind, wir uns auf die Verwaltung der Landesbehörden zu stützen haben.
Der Bericht der hessischen Landesregierung zu dieser Sache ist erst vor zwei oder drei Tagen hier eingegangen. Da er nicht ganz vollständig war, waren wir genötigt, telephonisch Ergänzungen einzufordern. Ich darf aber einleitend bemerken, daß auch jetzt die gesamte Sach- und Rechtslage noch nicht vollständig klar ist. Mit diesem Vorbehalt darf ich Ihre Frage zunächst wie folgt beantworten.
Es ist der Bundesregierung bekanntgeworden, daß Anna Tichy am 1. März 1953 in Bauschheim, Kreis Groß-Gerau ({0}), einem Verkehrsunfall zum Opfer gefallen ist. Wegen dieses Vorfalls hat die zuständige deutsche Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren durchgeführt. In dem Verfahren haben sich nach Meinung der Staatsanwaltschaft keine genügenden Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der amerikanische Soldat, der den Unfall verursacht hat, im angetrunkenen Zustande mutwillig gehandelt habe. Es wird insbesondere darauf hingewiesen, daß er, wie eine deutsche Zeugin bekundet habe, nach dem Unfall einen verzweifelten Eindruck gemacht habe, als er die Verletzte habe liegen sehen. Dafür, daß er nach dem Unfall geflüchtet sei, ergibt sich aus der mir zugegangenen Stellungnahme des hessischen Finanzministeriums nichts. Jedenfalls sind seine Personalien festgestellt worden.
Die deutsche Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt, weil der Fahrer als amerikanischer Besatzungsangehöriger nicht der deutschen Gerichtsbarkeit in Strafsachen untersteht.
({1})
Vor dem amerikanischen Militärgericht hat ein Strafverfahren gegen den Fahrer des Kraftwagens stattgefunden. Wie mir auf fernmündliche Rückfrage vom hessischen Finanzministerium mitgeteilt worden ist, soll der amerikanische Soldat in dem Verfahren als nichtschuldig erklärt worden sein. Einzelheiten sind mir bisher noch nicht bekanntgeworden.
Bei dem Fahrzeug handelt es sich nicht um ein Fahrzeug der Besatzungsmacht, sondern um einen der Selbstfahrerunion in Mainz-Castell gehörenden Personenkraftwagen, der von der Zentrale dieser Union in Hamburg versichert sein soll.
Der Rechtsberater des Vaters der Verunglückten hat dessen Forderung in Höhe von 9000 DM bei der Versicherungsgesellschaft geltend gemacht. Sollte sich ergeben, daß ein Versicherungsschutz nicht besteht, so würde der Schaden als Besatzungsschaden nach dem Gesetz Nr. 47 der Alliierten Hohen Kornmission und dem Circular Nr. 57 des Amerikanischen Hauptquartiers geltend gemacht werden können. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach den in 'diesen Vorschriften festgelegten Grundsätzen. Der zuständigen amerikanischen Dienststelle, dem Claims Office Team in München, ist eine Anzeige über den Schadensfall vorsorglich zugesandt worden.
Wenn nach den noch durchzuführenden Ermittlungen ein Besatzungsschaden im Sinne des Gesetzes Nr. 47 anzuerkennen ist, dessen Abwicklung längere Zeit in Anspruch nimmt, so können die Schadensersatzansprüche der Eltern aus Bundesmitteln bevorschußt werden. Zu diesem Zweck sind bereits vor längerer Zeit den Herren Finanzministern der Länder Mittel zur Verfügung gestellt worden, über die sie in eigener Zuständigkeit verfügen können.
Sobald mir das endgültige Ergebnis der Ermittlungen vorliegt, werde ich die Anfrage abschließend schriftlich beantworten.
Fisch ({2}), Anfragender: Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Fisch.
Fisch ({0}), Anfragender: Ich möchte den Herrn Staatssekretär fragen, ob ihm bekannt ist, daß die Darstellung, es handele sich um einen Verkehrsunfall, durch Zeugen als unrichtig erwiesen worden ist.
Nein!
Fisch ({0}), Anfragender: Ich habe dann die Frage zu stellen, ob dem Herrn Staatssekretär bekannt ist, daß durch die Ortsbehörden der Gemeinde Bauschheim demgegenüber festgestellt wurde, daß der Zusammenstoß nicht auf der Straße erfolgt ist, wie es z. B. auch das hessische Innenministerium behauptet hat, sondern daß der von dem Amerikaner gesteuerte Wagen von der Straße weg 80 m weit ins Feld hineingefahren ist, die flüchtende Anna Tichy verfolgte, bis er sie mit der Stoßstange erfaßt, zu Boden geworfen und dann zu Tode gefahren hat.
Meine erste Zusatzfrage geht also dahin, ob dieser Tatbestand dem Ministerium bzw. dem Herrn Staatssekretär bekannt ist.
Nein, davon ist mir nichts bekannt. Ich werde diese Ihre Mitteilung zum Gegenstand einer Rückfrage bei der hessischen Regierung machen.
Fisch ({0}), Anfragender: Die zweite Zusatzfrage: Sie haben in Ihrer Antwort erklärt, der Fahrer des deutschen Mietwagens, der amerikanische Soldat, habe einen verzweifelten Eindruck gemacht. Ist dem Ministerium bekannt, daß der herbeigeholte Arzt von einem deutschen Bürger geholt wurde und nicht von dem Fahrer, auch nicht von dem amerikanischen Beifahrer, daß vielmehr beide amerikanische Insassen des Wagens geflüchtet sind? Es gibt nur ein Gerücht, wonach der eine der beiden sich dann bei der amerikanischen Militärpolizei gemeldet habe. Ist also bekannt, daß die Täter sich an der Herbeischaffung ärztlicher Hilfe nicht beteiligt haben?
In den mir zugegangenen Mitteilungen ist darüber nichts gesagt. Ich hatte mir aber erlaubt, auszuführen, daß sich aus der Stellungnahme des hessischen Finanzministeriums über ein Flüchten nach dem Unfall nichts ergeben hat.
Fisch ({0}), Anfragender: Eine weitere Zusatzfrage. Der Herr Staatssekretär hat festgestellt, daß der Täter vor dem amerikanischen Militärgericht in Wiesbaden freigesprochen worden ist. Ich habe darum die Frage, ob seitens der Bundesregierung Schritte beabsichtigt sind, um gegen einen solchen provozierenden Freispruch entschieden Verwahrung einzulegen und zu verlangen, daß der mutwillige Täter nachträglich auf andere Weise zur Verantwortung gezogen wird.
Herr Abgeordneter, ich habe einleitend gesagt, daß die Feststellungen noch nicht abschließend sind. Ich habe noch kein Material darüber, ob das Urteil, das Sie hier über das Verfahren des amerikanischen Gerichts abgeben, zutreffend ist oder nicht. Ich darf aber nochmals wiederholen, daß wir auch diese Ihre Zusatzfrage der hessischen Landesregierung zur Stellungnahme und zur Mitteilung an uns zuleiten werden.
Fisch ({0}), Anfragender: Ich habe noch eine letzte Zusatzfrage. Der Herr Staatssekretär hat erklärt, -
Herr Abgeordneter Fisch, stellen Sie Fragen und knüpfen Sie daran keine Erörterungen! Ich kann ständige Erörterungen nicht zulassen.
Fisch ({0}), Anfragender: Das ist die letzte Zusatzfrage.
Eine Frage, Herr Abgeordneter Fisch, und nichts anderes!
Fisch ({0}), Anfragender: Ist der Bundesregierung bekannt, daß die an das Besatzungsschädenamt gerichtete Forderung der Familie Tichy auf 18 000 DM beziffert wird? Ist dem Ministerium bekannt, daß trotz wiederholter Anfragen bis heute seitens des zuständigen Besatzungsschädenamts in Darmstadt nicht einmal eine Antwort eingegangen ist, geschweige denn eine finanzielle Leistung oder auch nur eine Vorleistung? Darum meine Zusatz({1})
frage, ob die Bundesregierung bei der hessischen Landesregierung darauf zu drängen gewillt ist, daß aus den für solche Zwecke zur Verfügung gestellten Mitteln eine Vorleistung für die Familie zustande kommt.
Herr Abgeordneter, ich glaube, deutlich ausgeführt zu haben, daß der Vater der Verunglückten zunächst bei der Versicherungsgesellschaft aus der Versicherung einen Schaden von 9000 DM geltend gemacht hat. Es pflegt immer so zu sein, daß erst die Frage des Versicherungsschadens erörtert wird und nur, wenn eine Versicherung nicht oder nicht in entsprechender Höhe zahlt, eine etwaige staatliche Ersatzpflicht zum Zuge kommt. Zur Zeit schwebt noch die Frage, ob die Versicherungsgesellschaft den geltend gemachten Betrag zahlen wird. Ich habe aber im übrigen auch gesagt, daß Schadensersatzansprüche der Eltern nach dem Gesetz Nr. 47 aus Bundesmitteln bevorschußt werden können, daß die Finanzminister der Länder Mittel dafür haben und darüber in eigener Zuständigkeit entscheiden können.
Fisch ({0}), Anfragender: Ich danke Ihnen.
Frage 3, Herr Abgeordneter Ritzel.
Ritzel ({0}), Anfragender:
Ist der Herr Bundesfinanzminister bereit, die Pauschalabgaben für eingeführte Tabakerzeugnisse nicht nach unzweckmäßigen theoretischen Belastungen ({1}) zu berechnen, sondern für Zoll und Steuern lediglich eine Gebühr festzusetzen, die dem Preis der betreffenden Ware beim Einkauf im Ausland entspricht und die diesen Preis unter keinen Umständen übersteigt?
Bitte, Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!
Herr Abgeordneter, es sind hier zwei Fälle zu unterscheiden. Es kann sich einmal um Tabakerzeugnisse handeln, die zum Handel, also zur Weiterveräußerung, eingeführt werden, und zum andern um Tabakerzeugnisse, die nicht zum Handel eingeführt werden.
Was die ersteren betrifft, so ist nach den bestehenden Vorschriften Zoll, Umsatzausgleichsteuer und Tabaksteuer zu erheben. Der Zoll beträgt für 100 kg bei Feinschnitt und Zigaretten 9000 DM, bei Zigarren 7500 DM, bei Pfeifentabak, Kautabak und Schnupftabak 5000 DM. Infolge dieser hohen Zollsätze ergeben sich auch hohe Beträge an Tabaksteuer und Umsatzausgleichsteuer. Der wirtschaftliche Zweck dieser hohen Einfuhrabgaben ist es, die deutschen Tabakwarenhersteller und die in ihren Betrieben arbeitenden Arbeiter und Angestellten zu schützen, und zu diesem Zweck werden sie auch tatsächlich erhoben. Ich weiß nicht, ob man diese auf der gesetzlichen Grundlage des Zollgesetzes und des Tabaksteuergesetzes erhobenen Belastungen mit dem Ausdruck „unzweckmäßige theoretische Belastungen" benennen soll.
Was die Tabakerzeugnisse betrifft, die nicht zum Handel eingeführt werden, so ist eine Pauschalierung der Abgaben zulässig, und zwar nach § 15 Ziffer 1 des zur Zeit noch geltenden Tabaksteuergesetzes, nach dem von dem Hohen Hause vor weniger als zwei Wochen beschlossenen neuen Tabaksteuergesetz auf Grund des § 17 Ziffer 1. Die Pauschalierung soll der Beschleunigung der Abfertigung an den Zollstellen für derartige Erzeugnisse, die nicht zum Handel bestimmt sind, also insbesondere im Reiseverkehr, dienen; sie soll aber nicht die Einfuhr solcher Erzeugnisse begünstigen. Trotzdem sind die Pauschalabgaben für die Nichthandelsware gegenüber der Belastung der Handelsware weitgehend ermäßigt.
Würden aber entsprechend Ihrer Anregung die Pauschalabgaben nach dem Preis der Erzeugnisse beim Einkauf im Ausland festgesetzt, so würde die Einfuhr solcher Erzeugnisse erheblich erleichtert werden. Das würde dem Zweck, der mit der gesetzlichen Festsetzung der hohen Einfuhrzölle verbunden ist, widersprechen. Es würde dann auch in zahlreichen Fällen gegen den jetzigen § 15, den zukünftigen § 17, des Tabaksteuergesetzes verstoßen werden, wonach die Pauschalabgaben die Belastung inländischer Tabakerzeugnisse nicht unterschreiten dürfen.
Es wäre auch praktisch sehr schwierig, die Pauschalabgaben nach dem Einkaufspreis zu erheben; denn dann müßten für dasselbe Tabakerzeugnis je nach dem Einfuhrland und der dort geltenden Preislage verschieden hohe Eingangsabgaben festgesetzt werden.
Aus diesen Gründen ist das Bundesfinanzministerium nicht in der Lage, entsprechend Ihrer Anregung eine Gebühr für eingeführte Tabakerzeugnisse nach ,den Einkaufspreisen festzusetzen.
Ich darf ergänzend noch hinzufügen, daß die Verwaltung hier ja nur im Rahmen der Gesetze handelt, die der Gesetzgeber, insbesondere vor zwei Wochen das Hohe Haus, beschlossen hat. Wir führen nur diese Gesetze aus. Ich glaube, Ihre Anregung betrifft weniger die Verwaltungshandhabung als die gesetzliche Festlegung derart hoher Einfuhrzölle aus, wie ich annehmen darf, wohlerwogenen wirtschaftlichen Gründen.
Ritzel ({0}), Anfragender: Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel!
Ritzel ({0}), Anfragender: Da meine Anregung nicht die gesetzliche Regelung, sondern die Vollmacht, die dem Herrn Bundesfinanzminister erteilt worden ist, betrifft, möchte ich die Frage stellen, ob demnach auf Grund der jetzt gegebenen Auskunft der Zustand andauern soll, den ich vor einigen Wochen hier bereits zum Gegenstand einer Frage gemacht habe und der darin besteht, daß ein Schweizer Stumpen, der nicht im Handelsverkehr, sondern zum Genuß des Reisenden eingeführt wird und der etwa 11 Rappen kostet, von dem Herrn Bundesfinanzminister auch weiterhin mit einer Gebühr für Zoll und Steuern von 20 Pf belegt werden soll.
Herr Abgeordneter, im Interesse des Schutzes der deutschen Tabakindustrie und der in ihr beschäftigten Arbeiter und Angestellten ist der Bundesfinanzminister nicht in der Lage, von der Erhebung der gesetzlichen Abgaben abzusehen.
({0})
Ritzel ({1}), Anfragender: Ich danke Ihnen.
Herr Abgeordneter Dr. Mommer zur Frage 4!
Dr. Mommer ({0}), Anfragender: Im Januar hat der Bundestag die Bundesregierung in einem Beschluß gebeten, den Visumzwang für Reisen von Angehörigen der OEEC-Staaten nach Deutschland zum 1. April abzuschaffen. Was hat die Bundesregierung in Durchführung dieses Beschlusses getan?
Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern!
Die Bundesregierung ist dem Beschluß des Hohen Hauses vom 22. Januar 1953 über die Abschaffung des Sichtvermerkszwanges gegenüber den Angehörigen der OEEC- und der Europaratstaaten beigetreten. Sie hat jedoch beschlossen, die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges erst zum 1. Juli 1953 durchzuführen, weil die Durchführung der Maßnahme zum 1. April 1953 aus technischen Gründen nicht möglich war. Es mußte auch den in Betracht kommenden ausländischen Staaten ausreichend Zeit für etwaige Verhandlungen gegeben werden.
Die Bundesregierung hat daher in einer Mitteilung an die Mitgliedstaaten der OEEC und des Europarats als Termin für die beabsichtigte Aufhebung des Sichtvermerkszwanges im Verhältnis zu diesen Staaten den 1. Juli 1953 zugrundegelegt. Zugleich sind die oben genannten Staaten gebeten worden, den Sichtvermerkszwang für Reisen von Deutschen in ihr Gebiet ebenfalls möglichst bald aufzuheben. Eine Antwort darauf ist bei uns noch nicht eingegangen.
Wir haben die erforderlichen Vorarbeiten zur Schaffung einer rechtlichen Grundlage für die Aufhebung des Sichtvermerkszwanges zum Datum 1. Juli 1953 für die Reisen der von mir schon genannten Staatsangehörigen inzwischen durchgeführt. Wir brauchen eine Novelle zu der Verordnung über Reiseausweise als Paßersatz und über die Befreiung von Paß- und Sichtvermerkszwang vom 17. Mai 1952. Diese Änderungsverordnung ist im Entwurf fertiggestellt.
Dr. Mommer ({0}), Anfragender: Danke.
Zur Frage 5 Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Dr. Mommer ({0}), Anfragender:
Weiß die Bundesregierung Näheres über die Unterdrückungsgesetze, die Herr Johannes Hoffmann in einer Rede in Saarbrücken am 22 März 1953 angekündigt hat?
Nein. Der Bundesregierung ist trotz der Ermittlungen, die sie angestellt hat, bis jetzt nichts über den Inhalt des Gesetzentwurfs zur Sicherstellung der inneren Ordnung im Saargebiet bekanntgeworden, den Herr Hoffmann in seiner Rede am 22. März angekündigt hat.
Eine Zusatzfrage?
Dr. Mommer ({0}), Anfragender: Macht sich die Bundesregierung Gedanken darüber, welche Abwehrnaßnahmen sie ergreifen könnte?
Ja.
Dr. Mommer ({0}), Anfragender: Gehört zu diesen Abwehrmaßnahmen die Behandlung der deutschen Beschwerde beim Europarat bei der nächsten Tagung des Ministerrats?
Das hängt von dem Inhalt der Ermittlungen ab, die noch laufen.
Zur Frage 6 Herr Abgeordneter Volkholz!
Volkholz ({0}), Anfragender:
Muß der § 11 Abs. 4 des Bundesjagdgesetzes nach Inkrafttreten des Bundesjagdgesetzes in sämtlichen Ländern angewendet und beachtet werden?
Der Herr Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten!
Antwort: Ja.
({0})
Eine Zusatzfrage?
Volkholz ({0}), Anfragender: Sind dazu besondere Ergänzungsgesetze in den Ländern notwendig?
Antwort: Nein.
({0})
Damit ist die Frage 6 erledigt. Zur Frage 7 Herr Abgeordneter Schmitt ({0})!
Schmitt ({1}) ({2}), Anfragender: Ich habe folgende Frage:
Besteht die Möglichkeit, das Gebiet der Stadt Mainz unabhängig von einer späteren Regelung nach Art. 29 des Grundgesetzes wieder zusammenzulegen, da durch die willkürliche Grenzziehung das Stadtgebiet in zwei Hälften zerrissen ist, die Stadt Mainz fast ihr gesamtes Industriegebiet verloren hat und hierdurch sowohl wirtschaftlich wie finanziell unerträgliche Zustände geschaffen worden sind? Wenn ja, welche Schritte gedenkt die Bundesregierung in dieser Richtung zu unternehmen?
Staatssekretär Ritter von Lex, bitte!
Im Zuge der Neugliederung der Länder durch die Alliierten nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945 sind durch die Verordnung Nr. 57 des französischen Oberkommandierenden in Deutschland vom 30. August 1946 die linksrheinischen Gebietsteile Rheinhessens mit der Pfalz und den Regierungsbezirken Trier, Koblenz und Montabaur zum Lande Rheinland-Pfalz zusammengefaßt worden. Die rechtsrheinischen Gebietsteile Rheinhessens dagegen sind durch die Proklamation Nr. 2 der amerikanischen Militär({0})
regierung vom 19. September 1945 dem Land Hessen zugeschlagen worden. Das ehemalige Stadtgebiet von Mainz ist infolgedessen - leider, muß man sagen - auf zwei verschiedene Länder der Bundesrepublik aufgeteilt worden. Die Zusammenlegung des Stadtgebiets würde eine Änderung des Gebietsbestandes der beiden genannten Länder bedeuten. Eine solche Gebietsänderung ist nach dem Grundgesetz nur im Rahmen des Art. 29 zulässig. Die Möglichkeit einer Zusammenlegung des ehemaligen Stadtgebietes von Mainz bietet sich daher erst nach Aufhebung der Suspension des Art. 29, und zwar dann entweder im Zuge der Neugliederung nach Art. 29 Absätze 1 bis 6 oder im Wege einer sonstigen Gebietsänderung nach Art. 29 Abs. 7.
Schmitt ({1}), ({2}), Anfragender: Eine Zusatzfrage: Ist der Bundesregierung der Inhalt des Schreibens vom 29. Dezember 1952 bekannt, das die Stadt Mainz an das Bundespräsidialamt gerichtet hat?
Ich kann Ihnen diese Frage im Augenblick nicht beantworten, Herr Abgeordneter. Aber ich werde dieser Sache sofort nachgehen.
Schmitt ({0}) ({1}), Anfragender: Dann darf ich Ihnen die Kopie dieses Schreibens übergeben und bin mit einer schriftlichen Beantwortung einverstanden.
Damit ist die Frage 7 erledigt.
Zur Frage 8 Herr Abgeordneter Niebergall!
Niebergall ({0}), Anfragender:
Welche Ursache hat zu der enormen Erhöhung der Preise für Stickstoff-Düngemittel geführt, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um im Interesse der Bauern und Verbraucher diesen Zustand zu ändern?
Der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums!
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Bereits im Mai 1952 hatte die Stickstoffindustrie beantragt, die damaligen Höchstpreise für Stickstoffdünger im Hinblick auf die zweimal gestiegenen Kohlenpreise, die Lohnerhöhungen und das Ansteigen anderer Kostenarten zu erhöhen. Auf Veranlassung des Bundeswirtschaftsministeriums wurde eine eingehende Untersuchung der Kosten- und Ertragslage dieser Industrie durchgeführt, die Kostenunterdeckungen bei Kalkstickstoff von durchschnittlich 138 DM, bei den anderen Stickstoffsorten von 72 bis rund 300 DM je Tonne Reinstickstoff anzeigte. Auf Grund dieser Ergebnisse wurden zwischen den Vertretern der Verbraucherkreise, also der Landwirtschaft, und der Erzeuger Verhandlungen geführt, die zu einer Einigung über die Preiserhöhungsanträge führten.
Danach erst hat der Bundeswirtschaftsminister, und zwar im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, mit den Preisverordnungen Nrn. 79 und 80 vom 23. Dezember 1952 die Höchstpreise für Kalkstickstoffdünger um 11 Pf und für die anderen Stickstoffsorten um 101/2 Pf je Kilogramm Reinstickstoff erhöht. Damit Sie sich einen Begriff von dem Umfang dieser Erhöhungen machen können, nenne ich ein paar Preisvergleiche. Der Kalkstickstoff ungeölt kostete 1,15 DM je Kilogramm Reinstickstoff; dieser Preis wurde um 11 Pf auf 1,26 DM erhöht. Ammonsulfat kostete 991/2 Pf je Kilogramm Reinstickstoff; dieser Preis wurde auf 1,10 DM je Kilogramm erhöht.
Der Bundeswirtschaftsminister sieht daher keine Veranlassung, diese neuen Höchstpreise, die durch die Kostenuntersuchung einwandfrei als angemessen belegt sind und über die es im Interesse einer ausreichenden Produktion und eines geregelten Absatzes zwischen Verbraucher und Produzent zu einer Verständigung kam, zu ändern.
Keine weitere Frage. Zur Frage 9 Herr Abgeordneter Niebergall!
Niebergall ({0}), Anfragender:
Wieviel Hektoliter Wein wurden im Jahre 1951 aus dem Ausland in die Bundesrepublik eingeführt?
Wieviel Hektoliter deutschen Weines des Jahrgangs 1951 wurden abgesetzt?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die deutschen Weinbauern und Winzer vor der ausländischen Weinschwemme zu schützen und den Absatz des deutschen Weines zu sichern?
({1})
Meine Damen und Herren, Sie können es ja nachlesen, wenn es Sie interessiert. Frage 9 war es, auf der Drucksache Nr. 4288! - Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten!
Die Frage, wieviel Hektoliter Wein 1951 importiert wurden, ist bereits durch die Erklärung zur Frage Nr. 26 der Drucksache Nr. 4203 beantwortet worden. Ich wiederhole, daß 1951 1 031 197 hl im Werte von 18 342 000 Dollar eingeführt wurden. Die Einfuhr verteilt sich mit 583 000 hl oder 56 % auf Trinkwein und 448 000 hl oder 43 % auf Verarbeitungswein einschließlich 167 000 hl Brennwein.
Bei der Einfuhr wird von mir ständig darauf geachtet, daß nach Möglichkeit kein Wein eingeführt wird, der den Absatz der deutschen Konsumweine gefährden kann. Es werden in der Hauptsache teurere Weine importiert.
Die Beantwortung der weiteren Frage ergibt sich ebenfalls aus der Beantwortung der Frage Nr. 26 in der Drucksache Nr. 4203. Ich wiederhole, daß als Lagerbestände im Erzeugerkeller folgende Mengen geschätzt werden: Baden zirka 20 %, Württemberg 20 %, Franken 30 %, Rheingau 10 %, Rheinhessen 15 %, Pfalz 15 bis 20 %, Mittelrhein zirka 30 %, Obermosel ausverkauft, Saar 20 % bis 25 %, Ruwer die gleiche Menge, Mittelmosel 20 %, Untermosel 10 %. Hiernach sind die Keller der Winzer inzwischen zu 80 % bis 90 % von Beständen des Jahrgangs 1951 geräumt worden. Die noch vorhandenen Vorräte sind Spitzenweine, die des weiteren Ausbaues bedürfen.
Die Einfuhr von ausländischen Weinen ist von den Handelsvertragsverhandlungen abhängig. Die Höchstmenge an importierten Weinen sollte sich
({0})
auf ungefähr 1 Million hl beschränken. Für den Absatz der deutschen Weine wirkt im Ausland die deutsche Weinwerbung. Um die Ausfuhr der deutschen Weine bemüht sich der Exportverband des deutschen Weinhandels. Letzterer wird von mir durch Beihilfen zur Veranstaltung internationaler Weinproben unterstützt. Zur Zeit sind solche Proben vorgesehen in Kopenhagen, Paris, London, Dublin, Rom, Brüssel und Stockholm. Die mir für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Mittel sind jedoch beschränkt.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niebergall!
Niebergall ({0}), Anfragender: Herr Bundesminister, verfügt die Bundesregierung über eine Übersicht über die illegale Weineinfuhr, und um wieviel Hektoliter handelt es sich schätzungsweise dabei? Denn das kann man ja nur ungefähr schätzen.
Der Herr Fragesteller weist selbst auf die Schwierigkeiten hin, auf diesem Gebiet irgendwelche konkreten Zahlen zu bekommen. Richtig ist, daß zeitweise Einfuhren von französischen Weinen in das französisch besetzte Gebiet erfolgen, die nicht nur zur Verpflegung der Truppen, sondern früher vielfach auch für andere Zwecke verwendet wurden. Die zuständigen Landesregierungen haben alles getan, um die mißbräuchliche Einfuhr dieser Weine zu unterbinden.
Niebergall ({0}), Anfragender: Herr Bundesminister, eine Zusatzfrage. Kann es stimmen, wenn in eingeweihten Kreisen behauptet wird, daß im Jahre 1951 in die französische Zone 100 000 1 eingeschmuggelt wurden?
100 000 1? Ohne weiteres!
({0})
Zur Frage 10 Herr Abgeordneter Müller!
Müller ({0}) ({1}), Anfragender:
Ich frage den Herrn Bundespostminister, welche Gründe dafür maßgebend waren, daß das Ministerium bisher die von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Gießen und der Stadtverwaltung dringlich geforderte Errichtung eines Stadtpostamtes in Gießen abgelehnt hat?
Ist der Herr Bundespostminister jetzt bereit, dem am 30. Januar 1953 von der Stadtverordnetenversammlung der Stadt 'Gießen an ihn gerichteten dringenden Appell stattzugeben?
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Das Bundespostministerium hat den Neubau des Dienstgebäudes für das Stadt-Zweigpostamt in Gießen stets als notwendig und dringlich anerkannt und sich auch bereit erklärt, zu bauen. Wenn der Bau bisher noch nicht fertiggestellt worden ist, so hat das folgende Gründe. Erstens. Der Grunderwerb für das benötigte Baugelände konnte im Wege des Umlegungsverfahrens mit Hilfe der Stadt erst Ende 1951 abgeschlossen werden. Zweitens. Im Jahre 1952 ergaben neue organisatorische Maßnahmen auf dem Gebiet des Fernmeldewesens, insbesondere die Zentralisierung des Fernsprechreehnungsdienstes für Gießen und die Nachbarstädte Wetzlar, Limburg, Dillenburg und Marburg einen zusätzlichen Raumbedarf von rund 1000 qm. Dieser Raumbedarf machte den Erwerb eines Nachbargrundstückes erforderlich. Die Verhandlungen über den Erwerb dieses Grundstücks sind noch nicht abgeschlossen. Wenn sie abgeschlossen sind, wird der Bau sofort begonnen werden.
Keine weitere Zusatzfrage. - Zu Frage 11 Herr Abgeordneter Renner.
Renner ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesminister der Justiz:
Ist der Herr Bundesminister der Justiz bereit, zur Wahrung der verfassungsmäßigen Ordnung in den Ländern gemäß Artikel 28 GG und gestützt auf sein -Weisungsrecht, dem Oberbundesanwalt Anweisung zu erteilen, den unter Verfassungsbruch am 12. März 1953 auf Grund eines bereits am 3. März ausgestellten Haftbefehls in Duisburg verhafteten Abgeordneten des Landtags von Nordrhein-Westfalen, Jupp Angenfort, sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen?
Ist dem Herrn Bundesminister der Justiz bekannt, daß der Justizausschuß des Landtags von Nordrhein-Westfalen in seiner Sitzung am 18. April 1953 in Mißbilligung der verfassungswidrigen Maßnahme des Oberbundesanwalts gegen den Landtagsabgeordneten Jupp Angenfort den Beschluß gefaßt hat: „Das Justizministerium beauftragt die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, einen Initiativantrag an den Bundesrat mit dem Ziel einzubringen, die Immunität der Landtagsabgeordneten im Verhältnis zum Bund und anderen Ländern durch die Bundesbehörden zu sichern."?
Der Herr Bundesminister der Justiz zur Beantwortung.
Ich bin nicht gewillt und bin nicht in der Lage, dem Herrn Oberbundesanwalt eine Weisung in dem angedeuteten Sinne zu geben; nicht in der Lage deswegen, weil bereits eine Entscheidung des Gerichts vorliegt. Der Zweite Senat des Bundesgerichtshofes hat am 24. April den Haftbefehl - und zwar aus den Gründen, die zu seiner Erlassung geführt haben - aufrechterhalten
({0})
und besonders festgestellt, daß der Angeschuldigte bei der Ausübung der Tat ergriffen worden ist und daß deswegen die Verhaftung schon nach Art. 48 Abs. 1 der Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen zulässig war. Dieser Artikel sagt ebenso wie Art. 46 unseres Grundgesetzes, daß jeder Abgeordnete, der bei der Tat oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird, ohne Genehmigung des Parlaments zur Untersuchung gezogen, festgenommen oder verhaftet werden kann.
({1})
({2})
- Nein, Herr Abgeordneter Fisch, die Situation war ganz anders; diese Meinung wird bereits in der Anfrage des Herrn Abgeordneten Renner vertreten.
Wir stehen auf dem Standpunkt - darüber muß notfalls das Bundesverfassungsgericht entscheiden -, daß die Immunität eines Landes nur Schutz gegen Maßnahmen der Landesbehörden,
({3})
der Staatsanwälte und der Gerichte des Landes gewährt, niemals gegen Maßnahmen der Bundesbehörden, also besonders des Oberbundesanwaltes und des Bundesgerichtshofs.
({4})
Herr Kollege Heiland, Sie sind ja Verfassungsexperte von Nordrhein-Wesfalen, lesen Sie die führenden Kommentare der Verfassung von Nordrhein-Westfalen nach;
({5})
Geller und Kleinrahm und Vogels, die diesen Standpunkt vertreten.
({6})
Wir haben in unseren Richtlinien für das Strafverfahren in Übereinstimmung mit allen Landesjustizverwaltungen ausdrücklich festgelegt, daß die Immunität nur vor einer Strafverfolgung durch die Behörden .des Landes schützt, dessen Verfassung sie gewährt. Die Frage war in der Weimarer Verfassung anders geregelt. Im Grundgesetz sind wir bewußt davon abgewichen.
Wenn der Haftbefehl schon einige Tage vor der Verhaftung erlassen worden ist, so nicht deswegen, weil man erwartet hat, man würde den Abgeordneten Angenfort bei Ausübung der Tat verhaften, sondern weil man die Verhaftung eines Landtagsabgeordneten auf der Ebene der Bundesjustiz, also eine Verhaftung auf Weisung des Oberbundesanwalts, ohne weiteres für zulässig gehalten hat.
Herr Abgeordneter Renner, ich lasse mich auf Ihre Angriffe „Verfassungswidrigkeit", „Verfassungsbruch" nicht ein.
Von einem Beschluß des Justizausschusses des Landtags von Nordrhein-Westfalen ist mir nichts bekannt.
Renner ({7}), Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Renner.
Renner ({0}), Anfragender: Es ist doch immerhin erstaunlich, Herr Minister, - ({1})
Bitte, eine Frage.
Renner ({0}), Anfragender: Dann kleide ich es eben in eine Frage um: Fällt es dem Herrn Bundesjustizminister nicht als ein erstaunlicher Tatbestand auf, daß der Haftbefehl bereits am 3. März ausgestellt, der Abgeordnete aber erst am 12. März, angeblich „auf frischer Tat", ertappt und verhaftet worden ist? Wie erklärt sich der Herr Bundesjustizminister diesen offensichtlichen Widerspruch in der augenblicklichen Darstellung?
Herr Abgeordneter Renner, diese Frage ist beantwortet. Es ist keine notwendige Zusatzfrage. Herr Bundesjustizminister, ich bitte freundlichst zur Kenntnis zu nehmen: die Frage ist nicht als notwendig zugelassen.
Renner ({0}), Anfragender: Schön, dann eine andere Frage. Ihr Herr Staatsanwalt hat gelegentlich einer Aussprache mit mir gesagt, daß die Maßnahme des Oberbundesanwalts auf einen Beschluß zurückgehe, den die Landesjustizminister im November vorigen Jahres gefaßt haben. Der Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen D r. Amelunxen bestreitet das. Wie erklärt sich der Herr Bundesjustizminister diesen Widerspruch?
Auch diese Frage ist schon beantwortet. Ich habe Ihnen gesagt, daß in den Entwurf der Richtlinien für das Strafverfahren Nr. 184 Abs. 6 eine Vorschrift aufgenommen ist, die diese Frage regelt, nämlich die Möglichkeit des Vorgehens der Bundesstrafverfolgungsbehörden gegen einen Landtagsabgeordneten ohne Aufhebung der Immunität gibt.
Renner ({0}), Anfragender: Ist der Herr Bundesjustizminister der Auffassung, daß durch die kommende Neuregelung bereits Recht geschaffen ist?
Nun, das ist eine Interpretation der Rechtslage.
Renner ({0}), Anfragender: Nun darf ich eine letzte Frage an Sie richten, Herr Minister. Ist Ihnen bekannt, daß der Landtag von Nordrhein-Westfalen und der Ministerpräsident die Verhaftung öffentlich auch als in Widerspruch zur Landesverfassung stehend charakterisiert haben?
Das ist mir nicht bekannt.
Renner ({0}), Anfragender: Ich könnte ja die Zwischenbemerkung machen: sein Staatssekretär weiß es zufällig.
Dann eine andere, eine letzte Frage.
({1})
Ist dem Herrn Bundesjustizminister bekannt, daß der wohl angesehenste Kenner des Immunitätsrechts, der Professor Buggelmann an der Universität in Göttingen, in seinem letzten Buch über Immunitätsrecht ausdrücklich sagt, daß die Bundesbehörden gehalten sind, die in Länderverfassungen verankerte Immunität der Landtagsabgeordneten zu wahren?
Die Ansicht ist mir bekannt. Sie ist falsch.
({0})
Zur Frage 12, Herr Abgeordneter Renner! - Herr Abgeordneter Renner, wollen Sie die Frage 12 nicht mehr stellen?
({0})
- Sie haben nur Anspruch darauf, daß ein Staatssekretär da ist; und das ist der Fall.
({1})
Renner ({2}), Anfragender:
Welche Gründe waren für den Herrn Bundesfinanzminister maßgebend, bisher die Einstufung der Stadt Kaiserslautern in die Ortsklasse I abzulehnen?
Ist der Herr Bundesfinanzminister bereit, der von der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, Kreisverwaltung Kaiserslautern, gestellten Forderung, die Stadt Kaiserslautern wegen der dort herrschenden Verhältnisse in die Ortsklasse I ({3}) einzustufen, stattzugeben?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter! Der Reichsfinanzminister hatte bis zum Jahre 1945 das Recht, das Ortsklassenverzeichnis abzuändern. Der Bundesfinanzminister hat dieses Recht bis vor wenigen Wochen nicht gehabt. Die mehrere Jahre andauernden Bemühungen der Bundesregierung mit Unterstützung des Hohen Hauses, eine Möglichkeit für die Änderung des Ortsklassenverzeichnisses zu schaffen, sind verschiedene Male an dem Widerstand des Bundesrats gescheitert. Erst durch das 3. Besoldungsänderungsgesetz vom 27. März 1953, das also jetzt einen Monat und einen Tag alt ist, ist die Möglichkeit einer Änderung des Ortsklassenverzeichnisses geschaffen worden. Nach § 1 Ziffer 6 dieses Gesetzes kann in besonders begründeten Ausnahmefällen der Bundesminister der Finanzen eine anderweitige Einstufung von Orten vornehmen, und zwar mit Zustimmung des Bundesrats. Sie werden sich denken können, daß wir seit diesen vier Wochen mit Anträgen auf Änderung überhäuft werden.
({0})
- Wir sind uns dessen bewußt gewesen. Wir glaubten uns aber doch nicht der Pflicht entziehen zu können, bei der manchmal völligen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse diese Arbeit auf uns zu nehmen. Wir werden trotz der vielen vorliegenden Anträge in Kürze dem Bundesrat eine Reihe von Orten zur höheren Einstufung im Ortsklassenverzeichnis vorlegen. Vorher müssen wir jedoch eine Fühlungnahme mit den Finanzministern der Länder und mit den Organen des Deutschen Städtetages haben. Die Vorbereitungen dafür sind getroffen.
Unter den Orten, deren Höhereinstufung vom Bundesfinanzministerium beabsichtigt ist, befindet sich auch die Stadt Kaiserslautern.
Zur Frage 13 Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender:
Wird die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode den Beschluß des Bundestages vom 26. November 1952, baldigst einen Gesetzentwurf zur Beseitigung des unterschiedlichen Rechts in der Invalidenversicherung und Angestelltenversicherung vorzulegen, durchführen?
Der Herr Bundesminister für Arbeit.
Ein derartiges Gesetz wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr vorgelegt werden können, weil erstens die hier angesprochenen Fragen mit dem neu errichteten Beirat in unserem Ministerium verhandelt werden müssen und weil zweitens in Kürze die Selbstverwaltungen der Sozialversicherungsträger wirksam werden, die wohl ein gutes Recht darauf haben, zu diesen Fragen gehört zu werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Warum hat der Bundesminister bei dieser Sachlage Gesetzentwürfe verwaltungstechnischer Art vorgelegt, aber noch nicht das wichtige Gesetz zur Schaffung bundeseinheitlicher Leistungen?
Es kommt darauf an, ob es sich um grundsätzliche Fragen oder um Zweckmäßigkeitsfragen handelt. Hier handelt es sich um eine Grundsatzfrage erster Güte, während die anderen Gesetze Zweckmäßigkeitsgesetze waren.
Frage 14. Bitte, Herr Abgeordneter Schellenberg!
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender:
Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Bundestag noch in dieser Legislaturperiode Nachweise über die Rechnungsergebnisse der Rentenversicherungen vorzulegen?
Nachweise über die Rechnungsergebnisse erfolgen ja schon seither periodisch, wenn auch nicht in der zusammengefaßten Form, wie wir es selbst für notwendig hielten. Wir hoffen aber, daß, wenn das Bundesversicherungsamt errichtet und wirksam geworden ist, wir wieder zu der früheren Ordnung zurückkehren und den Parlamenten und auch der Öffentlichkeit laufend einen klaren Überblick über die Rechnungslegungen geben können.
Eine Zusatzfrage? - Bitte!
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender:
Warum hat die Bundesregierung erst bei Beratung des Gesetzes über die Deckung der Rentenzulagen, also in einem Zeitpunkt, in dem Barmittel der Rentenversicherung abgeschöpft werden sollten, dem zuständigen Ausschuß gewisse Rechnungsunterlagen vorgelegt? Ist nicht die Bundesregierung der Auffassung, daß nach § 1358 der Reichsversicherungsordnung die Bundesregierung ohnehin verpflichtet gewesen wäre, alljährlich Rechnungsergebnisse vorzulegen?
Ja, Sie hätten recht, wenn nicht die Landesversicherungsanstalten, die die Versicherungsträger sind, für sich das Recht herausgenommen hätten, ihre Berichterstattung nur ihren Länderministerien und nicht dem Bundesarbeitsminister zu geben. Das sind die großen Schwierigkeiten, die wir glauben überwinden zu können, wenn wir ein entsprechendes Bundesversicherungsamt wieder haben.
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Ich habe noch ein Zusatzfrage: Herr Bundesminister, führen Sie nicht auf Grund von § 6 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes das Gemeinlastverfah({1})
ren der Rentenversicherung durch, und haben Sie nicht auf Grund dieses Gemeinlastverfahrens die notwendigen Zahlenunterlagen?
({2})
Praktisch ist es so, daß die Gemeinlast bisher fast ausnahmslos von den Versicherungsträgern - von dem Verband der Versicherungsträger - durchgeführt worden ist. Weil die Leute es dort in Wirklichkeit gut gemacht haben, hatten wir keine Veranlassung, vom Ministerium aus in diese gut funktionierende Tätigkeit einzugreifen.
({0})
Zu Frage 15 Herr Abgeordneter Dr. SchelLenberg.
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender:
Wieviel Ruhegehälter, Übergangsgehälter, Witwengelder und Waisengelder werden in der Versorgung der verdrängten Angehörigen des öffentlichen Dienstes und in der Versorgung der Berufssoldaten bzw. berufsmäßigen Angehörigen des früheren Reichsarbeitsdienstes bezahlt, und wie hoch sind die durchschnittlichen Versorgungsbezüge dieser Gruppen?
({1})
Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.
Herr Abgeordneter! Von den bei den Ausführungsbehörden - ich nehme dabei immer Bundesbahn und Bundespost aus - gestellten Anträgen auf Versorgung nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes entfielen am 31. Dezember 1952 auf
1. Beamte: a) Ruhegehalt 59 248 Anträge, b) Übergangsgehalt 39 904 Anträge, c) Witwen- und Waisengeld 84 623 Anträge, d) laufende Unterstützungen 1217 Anträge, insgesamt 184 992 Anträge;
2. Berufssoldaten und berufsmäßige Angehörige des früheren Reichsarbeitsdienstes: a) Ruhegehalt 29 868 Anträge, b) Übergangsgehalt 21 857 Anträge, c) Witwen- und Waisengeld 49 092 Anträge, d) Beihilfen für Berufsunteroffiziere nach § 54 Abs. 3 des Gesetzes sowie laufende Unterstützungen 3706 Anträge, insgesamt für Berufssoldaten und früheren Reichsarbeitsdienst 104 523 Anträge;
zusammen mit denen der Beamten usw. 289 515 Anträge.
Davon ruhten die Versorgungsbezüge oder waren die Anträge noch nicht abschließend bearbeitet in 62 784 Fällen.
Wegen des Fehlens einer Versorgungsstatistik und wegen der durch das Dritte Besoldungsrechtsänderungsgesetz jetzt eingetretenen Erhöhung der Versorgungsbezüge können genaue Angaben über die durchschnittliche Höhe der Versorgungsbezüge nach dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes nicht gemacht werden, zumal ein Teil der bisher geleisteten Ausgaben auf Abschlagszahlungen und Nachzahlungen entfällt. Nach den bisherigen Erfahrungen dürfte jedoch vom 1. April 1953 an der durchschnittliche Versorgungsbezug einschließlich Kinderzuschlag je Empfänger betragen: bei Beamten Ruhegehalt 380 DM monatlich, das sind 4 560 DM jährlich, Übergangsgehalt 290 DM monatlich, jährlich 3 480 DM, Witwen- und Waisengeld monatlich 250 DM, also jährlich 3000 DM; bei Berufssoldaten und berufsmäßigen Angehörigen des früheren Reichsarbeitsdienstes Ruhegehalt im Durchschnitt 400 DM monatlich, jährlich 4 800 DM, Übergangsgehalt 300 DM monatlich, jährlich 3 600 DM, Witwen- und Waisengeld 280 DM monatlich, jährlich 3360 DM.
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Eine Zusatzfrage.
Eine Zusatzfrage!
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Herr Staatssekretär, besteht eine Möglichkeit, bei den Witwen- und Waisengeldern eine Trennung vorzunehmen, so daß in dieser Hinsicht ein Vergleich mit anderen Sozialleistungen möglich ist?
Das kann ich im Augenblick nicht sagen. Ich werde mich aber gern bemühen, das festzustellen, und dann die Anfrage schriftlich ergänzen.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Hammer zu Frage 16.
Dr. Hammer ({0}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Frage lautet:
Ist die Bundesregierung in der Lage, eine bindende Erklärung dahingehend abzugeben, daß der schwergeprüften und ihrer Landesbehörden beraubten Stadt Darmstadt die nach Pressemeldungen geplante Verlegung des Posttechnischen Zentralamtes von Darmstadt nach Frankfurt am Main erspart bleiben wird?
Der Herr Bundesminister -für das Post- und Fernmeldewesen!
Im Bereich des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen ist die Verlegung des Posttechnischen Zentralamtes von Darmstadt nach Frankfurt bisher noch nicht erörtert worden. Das Ministerium hat hierüber erstmalig aus Pressenotizen etwas erfahren. Es ist nicht beabsichtigt, das Posttechnische Zentralamt zu verlegen.
Keine weitere Frage? Dr. Hammer ({0}), Anfragender: Ich danke.
Zur Frage 17 Herr Abgeordneter Meyer ({0})!
Meyer ({1}) ({2}), Anfragender: Meine Frage lautet:
Welche Stellung nimmt der Herr Bundesminister für Arbeit zu der Tatsache ein, daß in der britischen Besatzungszone die grundsätzliche Entscheidung des Reichsversicherungsamtes vom 20. Februar 1941 ({3}) betreffend Auslegung des § 35 Reichsknappschaftsgesetz, der die Berufsunfähigkeit der Bergleute anspricht, seit dem 8. Mai 1945 von den Knappschaften nicht mehr zur An({4})
Wendung gebracht wird, dagegen in der amerikanischen Besatzungszone und im Saargebiet ({5}) weiter ihre Gültigkeit hat?
Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß durch diese Nichtbeachtung der grundsätzlichen Entscheidung Nr. 5421 RVA den Bergarbeitern in der britischen Besatzungszone bisher erhebliche Nachteile erwachsen ,sind?
Ich bitte um Mitteilung, was der Herr Minister unternommen hat, um die Rechtseinheit im Bundesgebiet in dieser speziellen Frage wiederherzustellen.
Der Herr Bundesminister für Arbeit bitte!
Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, aufgeworfene Frage berührt ein verwickeltes Rechtsgebiet. Nach dem Wortlaut des § 35 des Reichsknappschaftsgesetzes gilt als berufsunfähig, wer als Arbeiter weder die von ihm bisher verrichtete knappschaftliche Tätigkeit noch eine andere, im wesentlichen gleichartige und wirtschaftlich gleichwertige Tätigkeit in knappschaftlich versicherten Betrieben ausüben kann. Um dem kriegswirtschaftlichen Kräftebedarf nachzukommen, sollten während des letzten Krieges auch die pensionierten Bergarbeiter dem Bergbau als Arbeitskräfte erhalten bleiben. Unter Einwirkung dieser kriegsbedingten Verhältnisse ist die grundsätzliche Entscheidung Nr. 5421 des Reichsversicherungsamts vom 20. Februar 1941 ergangen, die die Berufsunfähigkeit allein schon dann als gegeben ansieht, wenn nur die bisher verrichtete knappschaftliche Tätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann. Die Auswirkung dieser Entscheidung war, daß Knappschaftsrentner nicht nur die volle Pension, sondern gleichzeitig auch den vollen Arbeitsverdienst aus der neuen Arbeit beziehen konnten.
In der britischen Besatzungszone wurde diese Auslegung des § 35 des Reichsknappschaftsgesetzes als zu weitgehend und deshalb nicht mehr haltbar angesehen. Durch die Sozialversicherungs-Direktive Nr. 13 vom 26. Januar 1946 wurde die vor 1941 geübte Auslegung des § 35 des Reichsknappschaftsversicherungsgesetzes wieder vorgeschrieben. Diese Verordnung ist zwar formell wieder aufgehoben worden, aber mit Zustimmung der Landesveicherungsbehörde wird § 35 des Gesetzes in dieser Form zur Zielt wieder angewandt.
Es ist selbstverständlich erwünscht, daß diese Rechtsungleichheit zwischen der englischen und der amerikanischen Zone beizeiten ausgeglichen wird. Aber seither war diese Frage gar nicht so dringend, weil sie in der amerikanischen Zone fast kaum in Erscheinung tritt. Wir werden jedoch entweder durch eine gesetzliche Regelung oder durch eine Gerichtsentscheidung des neuen Bundessozialgerichts einheitliches Recht wiederherstellen.
Meyer ({0}) ({1}), Anfragender: Ich hätte noch mehrere Zusatzfragen, möchte aber nur eine stellen: Haben Sie ein solches Gesetz in Vorbereitung genommen?
Dieses Gesetz ist selbstverständlich in Vorbereitung. Es kommt nur darauf an, ob man für eine Frage," die durch eine einfache höchstrichterliche Entscheidung erledigt werden kann, ein Gesetz machen soll. Allerdings wird zur Zeit bei uns auch geprüft, ob man es nicht auch auf dem Verordnungswege machen kann.
Damit ist die Fragestunde beendet.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Konzentration der französischen Marinestationen am Rhein im Hafen Kehl ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und, falls eine Aussprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Herr Abgeordneter Professor Schmid zur Begründung der Großen Anfrage!
Dr. Schmid ({1}) ({2}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der sozialdemokratischen Fraktion die Große Anfrage Drucksache Nr. 4205 zu begründen, in der von der Regierung die Antwort auf einige Fragen gewünscht wird, zu denen uns die Absicht der französischen Regierung Anlaß gibt, die französischen Marinestationen am Rhein im Hafen Kehl zu konzentrieren.
Zunächst der Tatbestand: Die französische Besatzungsmacht unterhält auf dem Rhein zu Besatzungszwecken eine Flotte. Die Vereinigten Staaten von Amerika tun das auch, und Großbritannien bleibt offenbar nicht zurück. Die Frage ist, warum denn die Besatzungsmächte auf dem Rhein Flotten unterhalten. Etwa um einem Aufstand künftiger rheinischer Wassergeusen mit Kanonenbooten begegnen zu können?
({3})
Oder zu polizeilichen Zwecken? Vielleicht auch zu dem Zwecke, Europa besser verteidigen zu können. Ich weiß das nicht, und man hat es uns nicht gesagt. Vielleicht tun sie es auch nur, um bei Staatsbesuchen am Rhein würdig eskortieren zu können. Das ist ja auch ein möglicher Besatzungszweck.
Nun, es ist nicht unsere Sache, nach diesen Dingen zu forschen. Überall auf der Welt beanspruchen Besatzungsmächte das Recht und das Privileg, die Art und Weise, wie sie die Besetzung durchführen, selbst und allein zu bestimmen. Wenn „unsere" Besatzungsmächte glauben, für die Durchführung der Besatzungszwecke sei eine Rheinflotte nötig, dann müssen wir das hinnehmen, und wenn wir dagegen etwas sagten, würde man uns entgegnen, das gehe uns nichts an. Ich glaube aber, daß es uns etwas angeht, ob die Stationierung solcher Seestreitkräfte auf dem Rhein und die Art und Weise dieser Stationierung für Handel und Wandel der deutschen Bevölkerung am Rhein Nachteile bringt oder nicht; ich meine damit Nachteile, die vermeidbar sind. Darüber nachzudenken ist aber durchaus unsere Sache, und ich bin der Meinung, daß darüber in diesem Parlament gesprochen werden mußte.
Wie stark diese französische Rheinflotte ist, wissen wir nicht; wahrscheinlich ist das ein militärisches Geheimnis. Aber aus einer Reihe von Dokumenten kann man entnehmen, daß es sich um etwa 20 Kriegsfahrzeuge handeln muß. Ich weiß nicht, welche Tonnage und welche Bestückung diese Orlogschiffe haben. Es werden sicher keine Schlachtschiffe sein, aber immerhin haben diese
({4})
20 Fahrzeuge einen Mannschaftsbestand von offenbar einigen hundert Matrosen. Diese Streitkräfte waren bisher in Koblenz, St. Goar und Kehl stationiert, und mir scheint, daß es vernünftig war, sie über die lange Rheinstrecke hin zu verteilen, denn auf diese Weise sind wenigstens einige dieser Schiffe den möglichen Einsatzpunkten einigermaßen nahe gewesen.
({5})
Ende letzten Jahres hat man nun jenseits des Rheins beschlossen, die französische Rheinflotte zu konzentrieren, und zwar in Kehl - also beinahe am einen Ende der Rheinfront recht weit weg etwa von Koblenz -, und die Stationen Koblenz, St. Goar und vielleicht auch andere aufzugeben. Man hat 6,3 ha Hafengelände in Kehl angefordert, und zwar gerade in dem Teil des Hafens, der für den Schiffsverkehr am wichtigsten ist.
({6})
Weiter hat man die Forderung gestellt, im Hafen von Kehl eine Marine-Kaserne sowie Verwaltungsgebäude zu errichten. Außerdem hat man die Zurverfügungstellung der - entsprechenden Wasserflächen im Hafen von Kehl verlangt.
Es haben Verhandlungen stattgefunden. Die Landesbehörden haben sich sehr wacker geschlagen, und ich habe aus den Verhandlungsprotokollen entnehmen können, daß ein früher badischer Beamter, jetzt Beamter des Südweststaates, Herr Schindele, bei diesen Verhandlungen, einige besondere Sorgen geäußert hat.
({7})
Man hat bei diesen Verhandlungen französischerseits den Landesbehörden mitgeteilt: wenn sie nicht bereit seien, diese Forderungen zu erfüllen, dann müsse man eben leider einige industrielle Anlagen weiter beschlagnahmt halten und ebenso eine Reihe von Wohnungen; all das könne wegfallen, wenn man den Forderungen nachkomme.
Diese Verhandlungen hatten ein Resultat: die französische Seite hat zum Teil nachgegeben. Ich habe einen Brief vor mir liegen, der im Auftrage des Generals Ganval geschrieben und vom 19. Februar datiert ist. Darin wird gesagt, daß man die Forderung auf Beschlagnahme weiteren Geländes fallenlasse und daß man das Programm innerhalb der von den Franzosen bisher inngehabten Flächen des Hafens - es handelt sich um eine Mole zwischen zwei Hafenbecken - durchführen werde. Außerdem werde man Anordnungen geben, die gewährleisteten, daß der deutsche Schiffsverkehr im Hafen nicht behindert werde. Die Forderung nach zusätzlichem Gelände ist also aufgegeben, und man hat versprochen, pfleglich zu verfahren. Aber es bleibt die Konzentration der französischen Rheinflotte in Kehl, und es bleibt der Bau einer Marinekaserne und der dazugehörigen Verwaltungsgebäude im Kehler Hafen.
Wir möchten wissen, ob die Entscheidung des französischen Oberbefehlshaber mit vorherigem Einverständnis der Bundesregierung oder ohne ein solches Einverständnis erfolgt ist. Wir möchten gerne wissen, ob sich die Bundesregierung eingeschaltet hat; denn in einer solchen Frage kann man -die Verhandlungen wohl nicht gut den Landesbehörden überlassen. Bei solchen Dingen hat sich die Bundesregierung zu melden, denn es handelt sich doch dabei nicht um Bagatellen, sondern um eine Sache mit einem recht profilierten politischen Hintergrund! Oder hat man auf Grund des Kehler
Hafenabkommens, das den Hafen von Kehl in einen autonomen Hafen unter französischer Kontrolle verwandelt hat, geglaubt, sich um diese Dinge nicht weiter zu kümmern zu brauchen?
Was sind die Folgen einer etwaigen Verwirklichung des Vorhabens, von dem ich gesprochen habe? Zunächst würden sich wirtschaftliche Folgen einstellen. Es ist klar, daß eine mitten im Kehler Hafen errichtete Marinestation, die etwa 20 Kriegsfahrzeuge umfassen wird, den Hafenbetrieb stören muß; denn eine Station dort mitten im Hafen muß den Hafenbetrieb beeinträchtigen. Die Schiffe müssen ja exerzieren, sie werden manövrieren, und es wird sich gar nicht vermeiden lassen, daß sich der französische Hafenkommandant - der militärische Hafenkommandant - auf militärische Erfordernisse berufen wird, wenn er glaubt, etwas durchsetzen zu müssen, was er für opportun hält. In diesem Fall wird das militärische Interesse, insbesondere wenn es das einer Besatzungsmacht ist, den zivilen Interessen vorgehen.
Alles das wird auf dem Hintergrund der durch das Kehler Hafenabkommen geschaffenen Verhältnisse geschehen. Damit wird die Konkurrenzfähigkeit des Kehler Hafens Straßburg gegenüber doppelt belastet.
Dazu besteht die Gefahr und auch ganz offensichtlich die Tendenz, daß, was im Hafen militärisch geschaffen werden soll, ausgeweitet werden wird. Das wird aber die Firmen abschrecken, die bisher bereit gewesen wären, sich in dem Hafen niederzulassen. Ganz offensichtlich will man französischerseits solche Nachteile dem Hafen von Straßburg, dem Konkurrenten von Kehl, ersparen. Man betreibt da etwas, was man in früheren Zeiten „Einlagern" genannt hat. Wenn man irgendwo I Handel und Wandel mit politischen Hypotheken belasten wollte, legte man Dragoner dorthin. Jetzt schickt man fortschrittlicherweise Matrosen hin.
({8})
Nun ist die Frage, ob sich diese Dinge nicht auch politisch auswirken müssen. Wir glauben, daß die politischen Auswirkungen noch schwerer als die wirtschaftlichen sein werden. Was bedeutet denn diese Konzentration eigentlich, was ist denn ihr Zweck? Offensichtlich hat man für die Rhein-Matrosen auf ihren bisherigen Gefechtsstationen keine Verwendung mehr; denn wenn man sie noch hätte, würde man sie doch in der bisherigen Verteilung lassen, nämlich in Koblenz, in St. Goar und in Kehl, wo sie den möglichen Einsatzpunkten besonders nahe wären. Hoffentlich haben diese Schiffe eine größere Geschwindigkeit als die, die man unseren Grenzschutzpolizeibooten konzediert hat.....
({9})
Wenn diese Schiffe nun je Veranlassung finden sollten, Polizeieinsatz zu fahren, werden sie von Kehl nach Koblenz eine Reihe von Stunden brauchen, und sie kommen sicher, in diesem Fall ganz besonders sicher, zu spät.
Was den möglichen Einsatz für die Verteidigung des Rheins anbetrifft, so wäre es auch besser, wenn man die Schiffe auseinandergezogen ließe; denn man stelle sich vor, welcher Schlag der Verteidigungsfähigkeit Europas versetzt würde, wenn diese ganze Rheinflotte durch eine Bombe im Hafen Kehls vernichtet würde!
({10})
({11})
Wenn sie auseinandergezogen bleiben, haben wir doch wenigstens die Chance, daß einige dieser Schiffe für die Verteidigung Europas übrigbleiben werden.
({12})
Offenbar also will man mit der Konzentration etwas anderes.
({13})
- Nur noch wenige Sätze! - Ganz offensichtlich will man damit eine Ausbildungsmöglichkeit für die französischen Flußmarinestreitkräfte schaffen, eine Ausbildungsmöglichkeit auf deutschem Boden, die es dem französischen Steuerzahler ersparen wird, zu den Kosten des Baus einer Station auf französischem Boden herangezogen zu werden. Denn wenn diese Dinge in Kehl gebaut werden, werden w i r sie bezahlen müssen, doch die französischen Matrosen werden auf unsere Kosten für allgemein französische Zwecke ausgebildet. Das ist keine gute Sache. Wenn man in Frankreich glaubt, eine Ausbildungsstation am Rhein bauen zu müssen, warum errichtet man sie dann nicht in Straßburg?
({14})
Offenbar nur deswegen, weil dann der französische Steuerzahler die Kasernen und die Wohnungen bezahlen müßte.
Nun scheint es mir ein Mißbrauch des Besatzungsrechts zu sein, wenn man die dadurch erworbene Gewalt dazu benutzt, Bedürfnisse der eigenen allgemeinen Staatsverwaltung auf Kosten des besetzten Landes zu befriedigen. So etwas verbietet schon die Haager Landkriegsordnung. Und was sollen denn diese permanenten Anlagen auf deutsche Kosten im Zeichen des EVG-Vertrages? Glaubt man, so die Ära der Partnerschaft besonders wirksam einzuleiten, oder will man vollendete Tatsachen schaffen, die hinüber wirken sollen? Wenn die Europäische Verteidigungsgemeinschaft Marinestationen auf dem Rhein erfordert, dann. sollte man das doch so machen, daß bei Grenzflüssen jedes Kontingent auf dem Ufer seines Heimatstaates stationiert wird.
({15})
Man kann von Straßburg aus so schnell in See stechen wie von Kehl aus
({16})
und hat dabei noch den Vorteil, auf dem linken Rheinufer zu sitzen.
({17})
Es ist doch etwas Merkwürdiges, daß man sich französischerseits 'bemüht, den Güterbahnhof von Kehl nach Straßburg zu verlegen. Das ist genau die umgekehrte Wanderungsbewegung als die, die man militärisch vorhat.
Wir kennen die Aspirationen bestimmter französischer Kreise auf Kehl. Man hatte einst geglaubt, man könne Kehl annektieren. Schließlich hat man sich beschieden und sich damit begnügt, den Hafen von Kehl - seine Konkurrenzfähigkeit Straßburg gegenüber - zu lähmen. Diese Flottenstation mit permanenten Anlagen gibt den Franzosen praktisch die Herrschaft über den Hafen von Kehl. Der Marinekommandant im Hafen wird durch die Anordnungen, die er seinen Männern und seinen Schiffen gibt, praktisch bestimmen können, was im Hafen von Kehl geschehen kann. So würde auch beim Wechsel zum EVG-Regime ein Pfahl im Fleische Kehls bleiben. Wenn man eine
Rheinflotte braucht, dann sollte sie auch im Rahmen des EVG-Vertrages deutsch sein, jedenfalls dort, wo die Ufer, die es zu verteidigen gilt, deutsche Ufer sind.
Wir möchten gern wissen, was die Bundesregierung darüber denkt. Wir haben ,deshalb Fragen an sie gerichtet. Wir sind der Meinung, daß Schritte unternommen werden müßten, daß es energische Schritte sein sollten, daß sie bald unternommen werden sollten, und wir bitten die Bundesregierung, uns zu sagen, ob sie Schritte zu unternehmen gedenkt und, wenn ja, Schritte welcher Art.
({18})
Zur Beantwortung der Großen Anfrage der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.
Dr. Hallstein Staatssekretär des Auswärtigen Amts: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesregierung ist bekannt, daß die französischen Streitkräfte in der Bundesrepublik beabsichtigen, die gesamten bisher an anderen Orten am Rhein liegenden Marinestationen - in Bingen, in St. Goar und in Bad Salzig - im Hafen von Kehl zu konzentrieren. Im Dezember 1952 haben sie dort eine Geländefläche von etwa 6 ha an der Spitze der äußeren, nach dem Rhein zu gelegenen Hafenmole gefordert, um Unterkünfte für zweibis dreihundert Mann
({0})
und Liegeplätze für etwa zwanzig Marineboote zu errichten.
Gegen dieses Vorhaben sind seitens der Landesregierung von Baden-Württemberg und der Dienststelle Blank - einer Dienststelle der Bundesregierung also ({1})
wiederholt mündlich und schriftlich Vorstellungen erhoben worden mit dem Hinweis, daß die Stationierung zahlreicher Kriegsfahrzeuge an der Hafeneinfahrt erhebliche Störungen des zivilen Schiffsverkehrs zur Folge haben würde. Außerdem würden die Pläne einer Industrialisierung des Hafens Kehl, die mit erheblichen Mitteln der Bundes- und der Landesregierung unterstützt werden, beeinträchtigt werden. Die französische Hohe Kornmission hat darauf mit einem Schreiben vorn 19. Februar 1953 geantwortet, daß der Befehlshaber der französischen Streitkräfte mit Rücksicht auf die deutschen Einwendungen den Antrag auf Beschlagnahme des bezeichneten Geländes fallengelassen habe. Das Vorhaben solle nunmehr auf bereits früher beschlagnahmtem Gelände - auf der Mole, die die Hafenbecken I und II voneinander trennt - durchgeführt werden, wobei alle Vorkehrungen getroffen werden würden, um den deutschen Schiffsverkehr im Hafen nicht zu beeinträchtigen.
Da jedoch die grundsätzlichen deutschen Bedenken gegen die Stationierung militärischer Einheiten im Hafengebiet von Kehl dadurch nicht ausgeräumt sind, ist die Dienststelle Blank erneut mit einem Schreiben vorn 7. April 1953 dagegen vorstellig geworden. Das Land Baden-Württemberg ist bemüht, die wirtschaftliche Entwicklung des Kehler Hafens in jeder Weise zu fördern. Leider ist zu befürchten, daß die Errichtung eines französischen Marine({2})
stützpunkts diese Entwicklung hemmen würde. Die Bundesregierung wird daher die Bemühungen fortsetzen, um die infolge der Errichtung eines französischen Marinestützpunkts drohenden Nachteile vom Hafen Kehl abzuwenden.
Ich habe vor einigen Minuten hier in diesem Saal die Antwort der französischen Hohen Kornmission auf den letzten Schritt der Dienststelle Blank zugestellt bekommen. Diese Antwort datiert vom letzten Samstag. Ich habe sie bisher nur überfliegen können. Wir werden diese Antwort, die ausführlich begründet ist, prüfen müssen. Sie läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß die im Zuge befindlichen Arbeiten nicht eingestellt werden könnten. Das wird mit einer großen Anzahl von technischen und militärischen Erwägungen begründet. Sollte sich diese Begründung als nicht befriedigend herausstellen, so wird die Bundesregierung - auch in Benutzung von Verhandlungsmöglichkeiten, die bisher noch nicht erschöpft worden sind - ihre Bemühungen um die Unterlassung der französischen Maßnahmen weiter fortsetzen.
({3})
Meine Damen und Herren, die Große Anfrage ist beantwortet. Wird eine Besprechung der Beantwortung gewünscht? - Der Wunsch wird nicht hinreichend unterstützt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
({0})
- Ich habe pflichtgemäß nach der Geschäftsordnung zu fragen, ob eine Besprechung der Großen Anfrage gewünscht wird. Zu Punkt 2 ist, wie ich ausdrücklich mitgeteilt habe, eine Besprechungszeit von 60 Minuten vorgesehen für den Fall, daß eine Aussprache gewünscht wird. Für den Punkt 3, Rückgabe der Stadt Kehl in deutsche Verwaltung, ist eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorgesehen.
({1})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Erler!
Da ein Mißverständnis aufgetreten ist, erkläre ich, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion zwar eine Aussprache über die Große Anfrage wünscht, aber den Vorschlag macht, sie mit Punkt 3 der Tagesordnung zu verbinden.
Meine Damen und Herren, dann mache ich Ihnen den Vorschlag, auch die Redezeiten in der Weise zu kombinieren, daß wir für Punkt 2 und 3 zusammen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vorsehen. Sind Sie mit dieser Regelung einverstanden?
({0})
- Dann darf ich vorschlagen, daß zunächst Herr Abgeordneter Maier den Antrag zu Punkt 3 der Tagesordnung begründet.
Ich rufe Punkt 3 auf:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Rümmele, Maier ({1}), Dr. Hoffmann ({2}) und Genossen betreffend Rückgabe der Stadt Kehl in deutsche Verwaltung ({3}).
Maier ({4}) ({5}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat sich verschiedene Male mit dem Problem der Stadt Kehl zu beschäftigen gehabt. Diese einzige Stadt Deutschlands, die nicht nur besetzt war, sondern auch unter fremdem Recht gestanden hat, verdiente, wollte ,sie nicht Gefahr laufen, ganz aus diem deutschen Hoheitsgebiet ausgegliedert zu werden,, wegen ihrer Sonderstellung die besondere Aufmerksamkeit der Gesetzgebungsorgane. So stand das Schicksal Kehls bald von der politischen Seite, wie etwa in der Frage des Kehler Hafenvertrages, bald von der wirtschaftlich-finanziellen Seite, wie bei der Beratung der Kehl-Hilfe im vergangenen Dezember zur Diskussion. Noch ist, wie die soeben behandelte Große Anfrage über die Marinestation zeigt, die politische Diskussion nicht abgeschlossen, wenngleich wir zu unserer Freude feststellen dürfen, daß seit dem 8. April gemäß dem Beschluß der Washingtoner Außenministerkonferenz für Stadt und Hafen Kehl wieder deutsches Recht gilt und die seit Kriegsbeginn von den nationalsozialistischen Machthabern zwangsevakuierte Bevölkerung nun wieder in ihre vom Schicksal schwer getroffene Stadt zurückkehren kann.
Es ist nicht meine Absicht, bei diesen Betrachtungen über das Schicksal Kehls nationalistische Instinkte wachzurufen. Es kommt mir vielmehr darauf an, dem Hohen Hause die Dringlichkeit von Hilfsmaßnahmen durch den Bund darzulegen. Daß es sich dabei um eine Angelegenheit handelt, die den Rahmen von Parteiforderungen sprengt, erhellt schon aus der Tatsache, daß der Ihnen vorliegende Antrag auf Drucksache Nr. 4212 von Abgeordneten aller politischen Parteien aus dem ehemaligen Land Baden und dem heutigen Bundesland Baden-Württemberg unterschrieben ist. Noch im Jahre 1950 hatten wir mit einem ähnlich lautenden Antrag kein Glück, und die geforderte Unterstützung wurde durch den Herrn Bundesfinanzminister unter Hinweis auf die damals noch in der Geschäftsordnung vorhandene Bestimmung über das Erfordernis eines Deckungsvorschlages versagt. Schon diese Stellungnahme der Bundesregierung zeigte, daß man die Sonderstellung Kehls in ihrer ganzen Tragweite nicht gesehen hatte.
Zum besseren Verständnis der Notwendigkeiten, die sich für diese Stadt am Oberrhein ergeben, darf ich die einer deutschen Bundesregierung etwa gestellte Aufgabe bei Rückgabe von Gemeinden jenseits der Oder-Neiße-Linie als Modell heranziehen. Auch dort ist eine Zwangsausweisung der Bewohner erfolgt. Auch dort galt für Jahre fremdes Recht, wohnten Menschen fremder Nationen in den Behausungen, die früher den Vertriebenen gehörten. Auch dort ist in etwa gleichgearteten städtischen Gemeinwesen eine früher gute Verwaltung der Auflösung verfallen und eine gesunde Gewerbewirtschaft zugrunde gegangen. Wenn nunmehr die Möglichkeit bestünde, die Bevölkerung zurückzuführen, dann müßte es unsere Aufgabe sein, alle Voraussetzungen wirtschaftlicher und sozialer Art zu schaffen, um den zurückkehrenden Bürgern dieser Städte die Möglichkeit zur Wiederbegründung einer Existenz und diem Gemeinwesen die Hilfe zu geben, die es 'ihm ermöglicht, eine gesunde Verwaltung aufzubauen und alle dringlichen Aufgaben, wie etwa die Wiederherstellung der Versorgungseinrichtungen für Wasser, Gas und Elektrizität und des städtischen Straßennetzes, die Wiederaufnahme des Schulunterrichts, der Krankenversorgung, der gemeindlichen Wohlfahrtspflege usw., zu erfüllen.
({6})
Insbesondere müßte es die Sorge des Bundeswirtschaftsministeriums mit sein, solche Gemeinwesen bei der Ansiedlung von Industrie bevorzugt zu behandeln, notfalls, wie es England in seinen walisischen Kohlengebieten getan hat, dort, wo die Privatinitiative zunächst fehlt, aber Arbeit suchende Menschen wohnen, selbst beispielgebend mit der Errichtung von Fabriken voranzugehen. Ziel einer solchen Hilfsaktion müßte es also sein, diesen Gemeinden dazu zu verhelfen, daß sie nach einer gewissen Anlaufzeit wieder so viel Steuerkraft entwickeln können, daß sie die ihnen gestellten dringendsten Aufgaben aus eigener Kraft zu lösen imstande sind.
Alles dies gilt auch für Kehl, das am 1. Januar 1952 den Stadtkern wieder besiedeln konnte und seinen Bahnhof zurückerhielt und das erst am 8. April dieses Jahres wieder in den Besitz seiner allerdings noch beschränkten gemeindlichen Souveränität gelangt ist.
Wenn Sie, meine Damen und Herren, das Problem Kehl so sehen, dann werden Sie rasch davon überzeugt sein, 'daß der für die Kehl-Hilfe verlangte Betrag nicht nur notwendig, sondern angesichts der Größe der der Stadtverwaltung gestellten Aufgaben auch recht bescheiden ist. Idh möchte bei dieser Feststellung aber jetzt schon sagen, daß an jeden Bundestag der kommenden Jahre die Bitte um Hilfe wird so lange gerichtet werden müssen, bis Kehl wieder als lebensfähiges Gemeinwesen seinen Pflichten gerecht werden kann. Erfreulicherweise hat - wie mein Vorredner schon ausführte und wie es auch aus dem Munde des Herrn Staatssekretärs 'bestätigt wurde - das Land Baden-Württemberg für die Stadt Kehl große finanzielle Anstrengungen gemacht und wird sie, wie die Regierung im Landtag verkündete, weiter machen. Bei Kehl aber handelt es sich nicht in erster Linie um eine Angelegenheit eines Landes, sondern wie bei dem ähnlich gelagerten Helgoland-Problem um eine echte Bundesaufgabe. Es ist ein Stück Außenpolitik, das die Verhältnisse Kehls besonders ungünstig beeinflußt.
Sie erinnern sich sicher noch der Kehl-Debatte, die in diesem Hohen Hause gelegentlich des Abschlusses eines Hafenvertrags zwischen dem ehemaligen Land Baden und der französischen Seite geführt wurde und in der immer wieder die Sorge zum Ausdruck kam, 'daß gewisse Vertragsklauseln Wirtschaftsinteressenten daran hindern könnten, sich im Kehler Hafengebiet anzusiedeln, und daß auch gewisse Gefahren für die Konkurrenzfähigkeit des Hafens selbst bestünden. Aus der Begründung zu der Großen Anfrage meiner Fraktion bezüglich der Errichtung einer französischen Marinestation auf Kehler Gemarkung haben Sie gleichfalls herausgehört, wie einschneidend eine solche Maßnahme sich für das Kehler Wirtschaftsgebiet und eine in ihrer Existenz bedrohte Stadt auswirken kann.
Dazu kommt die ebenfalls von Herrn Kollegen Schmid erwähnte Absicht französischer Stellen, einen ursprünglich rechtsrheinisch geplanten deutsch-französischen Güterbahnhof auf dem linken Rheinufer zu erbauen, was dem Kehler Speditionsgewerbe einen tödlichen Schlag versetzen könnte. Interessant ist bei 'dieser Frage, daß das ursprünglich deutsch-französische Projekt, den Gemeinschaftsbahnhof für Güterverkehr auf Kehler Gemarkung zu errichten, erst zu einer Zeit fallengelassen wurde, als sich die Debatte über die Marinestation zugespitzt hatte.
Bei einem Besuch Kehls am vergangenen Samstag wurde mir von Mitgliedern der Kommunalverwaltung mitgeteilt, daß man französischerseits weitere Bauten in Angriff genommen habe - es handelt sich in einem Falle um ein französisches Soldatenheim -, ohne dabei kommunale Stellen oder gar den Besitzer des Grundstücks davon unterrichtet zu haben. Solche Eingriffe in die Zuständigkeit einer Stadt sind nicht geeignet, dazu beizutragen, daß Wirtschaftsinteressenten, die entweder Kapital investieren oder sich im Industriegelände Kehls ansiedeln wollen, ihre Absichten in die Tat umsetzen.
Wenn zur Lage der Stadt Kehl festgestellt werden muß, daß sie während der Besatzungszeit fast zu 40% zerstört wurde, alle Gebäude, Betriebe und Haushaltungen geplündert und zu einem großen Teil ausgeraubt worden sind, so daß sie erst nach kostspieligen Reparaturen wieder wohn- und benutzbar gemacht werden können, dann wird daraus klar, welcher dringenden Finanzhilfe diese aus tausend Wunden blutende Stadt bedarf. Hier kann nicht nur mit dem Mittel der Kredithergabe geholfen werden. In einem solchen Falle müssen insbesondere diejenigen Geschädigten, die vollkommen mittellos in ihre Stadt zurückkehren und nur als Fürsorgeempfänger in ihr leben können, Unterstützung in Form verlorener Zuschüsse erhalten.
Im besonderen müssen auch Mittel und Wege gefunden werden, damit nicht der einzelne mit alliierten Stellen wegen Erstattung seiner Besatzungsschäden verhandeln muß, wie es augenblicklich geschieht, und dabei im Wege des Vergleichs häufig aus Unkenntnis der Rechtslage Bedingungen annimmt, die für ihn unbillige Härten enthalten. In solchen Fällen müßten 'deutsche Behörden als Wahrer und Sachwalter der Interessen der Kehler Bevölkerung eingeschaltet werden.
Wir hören, daß es in Kehl allein 200 Familien gibt, deren Gebäude erst während der Besatzungszeit abgebrannt sind, die nach deutschem Recht weder durch die Gebäudeversicherungen noch durch andere deutsche Organe entschädigt werden können. Aus dieser Tatsache erhellt, daß hier wie auch dem durch die Aufnahme teuerer Kredite verschuldeten Gewerbe schleunigst Hilfe werden muß. Nicht zuletzt haben die Rückkehrer, die kein selbständiges Gewerbe ausüben, Anrecht auf einen Arbeitsplatz. Es müssen also auch von Land und Bund Mittel bereitgestellt werden, die Schaffung von Arbeitsplätzen zu ermöglichen, um die arbeitswilligen Menschen aus ihrem Fürsorgedasein herauszuführen.
Ich glaube, mit guten Gründen dargetan zu halben, daß die 'in dem interfraktionellen Antrag an die Bundesregierung gestellte Forderung, einen weiteren Betrag von 5 Millionen DM für die Kehl-Hilfe im Haushalt 1953 bereitzustellen, ein dringliches Gebot der Stunde ist. Ich bitte deshalb das Hohe Haus, den Antrag Drucksache Nr. 4212 dem Haushaltsausschuß zur Behandlung zu Überweisen.
({7})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Antrags Drucksache Nr. 4212 gehört. Ich eröffne die Aussprache über diesen Antrag und die Große Anfrage im Rahmen der vereinbarten Redezeit von 60 Minuten.
Das Wort hat zunächst der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist mit den Antragstellern einig in dem Gefühl der Notwendigkeit der Hilfe für die Stadt Kehl und in dem Ziel des Antrags. Aus diesem Grunde hat der Bund im Haushalt für das Rechnungsjahr 1952 dem Lande Baden-Württemberg aus Mitteln des ordentlichen Haushalts, nämlich aus dem Fonds zur Sanierung von Notstandsgebieten, einen Betrag von 5 Millionen DM für die Wiederbesiedlung der Stadt Kehl bereits zur Verfügung gestellt, davon 1,99 Millionen DM als Zuschüsse und 3,01 Millionen DM als Darlehn. Entsprechend der föderalistischen Finanzstruktur des Bundes haben es aber auch die Länder für notwendig gehalten, ihrerseits im horizontalen Finanzausgleich - dem Finanzausgleich zwischen den Ländern - dem. Land Baden-Württemberg beträchtliche Summen für die Notlage der Stadt Kehl zur Verfügung zu stellen. Im Finanzausgleich für die Rechnungsjahre 1950, 1951 und 1952 sind von den anderen Ländern bereits Sonderzuweisungsanteile von je 2 Millionen DM für das Land Baden-Württemberg zugunsten der Stadt vorgesehen gewesen. Diese Sonderzuweisungsanteile in gleicher Höhe sind auch im Gesetzentwurf über den Finanzausgleich unter den Ländern für die Rechnungsjahre 1953 und 1954 vorgesehen, der übermorgen im Finanzausschuß des Hohen Hauses behandelt werden wird. Entsprechend dem Antrag Drucksache Nr. 4212 ist vorgesehen, im Rechnungsjahr 1953 als Bundesfinanzhilfe für die Wiederbesiedlung der Stadt Kehl wiederum einen Betrag von 5 Millionen DM aus dem Sanierungsfonds zur Verfügung zu stellen. Der interministerielle Ausschuß für Notstandsgebietsfragen ist im Grundsatz hiermit einverstanden. Es bedarf also nur noch der Abschließung eines Vertrags über die Bundesfinanzhilfe zwischen dem Lande Baden-Württemberg und dem Bund, damit diese Mittel abgerufen werden können. Ich nehme an, daß das in kurzer Zeit der Fall sein wird.
Meine Damen und Herren, bevor ich das Wort weitergebe, darf ich namens des Bundestags meiner besonderen Freude Ausdruck geben, daß im Augenblick eine Abordnung von 36 Mitgliedern des Parlaments von Thailand den Beratungen des .Bundestags beiwohnt. Ich heiße die Herren herzlich willkommen und hoffe, daß sie von Deutschland gute Eindrücke mit in ihr Heimatland nehmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Rümmele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den Ausführungen, die der Herr Kollege Dr. Schmid gemacht hat und die wie immer recht geistreich waren, nichts hinzufügen. Er hat in wirklich hervorragender Weise gezeigt, wie überflüssig diese Marine- und Lotsenstation auf unserem Rheinufer ist. Wir sind ja Anhänger der deutsch-französischen Verständigung, Freundschaft und Zusammenarbeit. Das darf ich wohl allen unterstellen. Ich glaube, die Franzosen würden politisch klüger handeln, wenn sie auf ihrer Seite des Rheins - sie haben j a eine eigene Rheinseite, die lang genug ist - ihre Marinestation aufbauen und davon absehen würden, mit derartigen, im Grunde doch kleinlichen Mitteln große Politik machen zu wollen. Da sind 250 oder 300 französische Marinesoldaten und 20 Schnellboote; aber Schnellboote ist schon zuviel gesagt, denn der
Rhein läßt ja gar nichts Derartiges zu, gerade in jener Gegend nicht. Glaubt man denn, damit Eindruck machen zu können? Ich möchte beinahe sagen: damit kann man nur einen schlechten Eindruck machen, und das sollte man vor allem nicht, wenn es darum geht, schließlich auf Jahrzehnte oder Jahrhunderte hinaus eine Vertrauensbasis zwischen den beiden großen Völkern zu schaffen, die der Rhein ja nicht trennen, sondern, möchte ich sagen, verbinden sollte.
Wir sind also auch der Meinung, daß die Regierung gut daran tut, wenn sie alle Kräfte einsetzt, daß diese Dinge, wie sie mit der Marine- und Lotsenstation im Hafen von Kehl beabsichtigt sind, unterbleiben. Wenn aber die Franzosen der Meinung sind, es bestehe eine Notwendigkeit für sie, auf dem Rhein solche Einrichtungen zu unterhalten, dann mögen sie es auf eigenem Grund und Boden tun. Dadurch geht weder der Verteidigungskraft Frankreichs noch der zukünftigen europäischen Welt das Geringste verloren; dagegen ginge, wenn das durchgeführt würde, was jetzt geplant ist, dem Hafen von Kehl, der sowieso erst wiederaufgebaut werden muß, recht viel verloren, nämlich die wirtschaftliche Zukunft. Es ist doch ganz klar und selbstverständlich, daß, wenn derartige französische Kasernenbauten und diese schnellen, flinken, wenn auch kleinen Boote da sind, wenn 200 oder 300 Leute sich am Ufer breitmachen, exerzieren und manövrieren, in diesem Teil des Hafens die Schiffahrt gestört wird. Wir sehen doch die Schleppkähnewirtschaft auf dem Rhein. Man stelle sich vor, daß diese Schleppkähne, oftmals mit drei oder vier Kähnen im Schlepp, nun in dem Hafenbecken manövrieren sollen; die brauchen doch ihre Ruhe und brauchen das bißchen Platz. Der Hafen von Kehl ist nicht so groß; der Hafen von Straßburg ist ja weit größer demgegenüber. Es gibt also überall eine Behinderung. Eine der größten Behinderungen aber wird sich dadurch ergeben, daß die Bemühungen der Leitung der Stadt Kehl und auch des Landes Baden-Württemberg um die Heranziehung von Industrien im Hafengelände - das ist eine Lebensfrage, eine Arbeitsbeschaffungsfrage - wesentlich gestört werden. Also alles spricht dafür, die Schlußfolgerung so zu ziehen, wie Herr Kollege Schmid hier so treffend erläutert hat. Ich kann mich dem nur anschließen.
Nun zur zweiten Frage. Herr Kollege Maier hat den interfraktionellen Antrag bezüglich der Bereitstellung von fünf Millionen DM begründet. Ich darf daran erinnern, daß wir hier schon, ich glaube, zum dritten Male über diese Dinge im Bundestag debattieren; nicht über diesen Antrag selbstverständlich, aber über seine Vorläufer. Das erste Mal war es Ende 1949, als wir damals den Antrag von der CDU aus eingebracht und 10 Millionen DM zum Wiederaufbau von Kehl gefordert haben. Herr Kollege Maier hat darauf hingewiesen. Damals gab es geschäftsordnungsmäßige Debatten über diesen Antrag, weil die Deckungsfrage und andere Dinge mit hineinspielten. Ich darf aber erfreulicherweise feststellen: Nach langen Verhandlungen hin und her hat doch im Haushaltsausschuß der Antrag insofern einen Erfolg gebracht - und es haben alle mitgewirkt; das ist das Schöne dabei gewesen -, daß auf diesen Antrag hin im Jahre 1950/51 und 1952 meines Wissens einmal fünf Millionen und dann je zwei Millionen auf dem Verrechnungswege über das damalige Land Baden - es hat ja in jenen Jahren noch bestanden - gegeben wurden, so daß also praktisch diesem Antrag ein ge({0})
wisser Erfolg von etwa neun Millionen DM beschieden war. Mit Genugtuung haben wir vorhin zur Kenntnis genommen, daß die Regierung weitere fünf Millionen DM im neuen Etat bereitstellen will. Damit wäre dem Antrag schon eine gewisse Erfolgschance gegeben.
Ich unterstreiche das, was Herr Kollege Maier mit Recht gesagt hat: Solange Kehl nicht wieder aufgebaut ist, solange diese Schäden, die eben einmalig und besonders sind, nicht behoben sind, solange müssen wir im Bundestag bzw. diejenigen, die nachher den Bundestag repräsentieren, immer wieder Jahr für Jahr helfen; denn besondere Schäden erfordern besondere Möglichkeiten und besondere Hilfe. Die Stadt Kehl hat ein Wiederaufbauprogramm etwa für die nächsten 10 Jahre aufgestellt, in dem alle Positionen enthalten sind: von der Kläranlage bis zu den Schulhäusern, von Straßenbauten bis zu Krankenanstalten. Das Programm erfordert immerhin 70 Millionen DM und ist auf soundso viel Jahre verteilt. Aber im nächsten Jahr braucht man schon wieder 15 Millionen DM bzw. in diesem laufenden Jahr bis zum nächsten Rechnungsjahr. Es sind die drei großen Aufgabengebiete: Aufbau des Hafens, Aufbau der Stadt in bezug auf die sanitären und gemeindlichen Einrichtungen, die Wege und den Verkehr und schließlich Aufbau der wirtschaftlichen Anlagen, also die gesamte Wirtschaft mit Fabriken usw.; denn das ganze Gewerbe liegt buchstäblich im Sinne des Wortes in den Trümmern.
Wir bitten die Regierung und hoffen gern, daß sie auch ihrerseits Jahr für Jahr an Kehl denkt. Das soll keine Benachteiligung der vielen anderen, sicher auch notleidenden Gebiete in Deutschland sein. Aber Kehl ist neben Helgoland ein Sonderfall. Ich will es natürlich nicht mit Berlin vergleichen; denn in der Größe ist es naturgemäß kein Vergleich. Aber es ist immerhin eigenartig, vielleicht einmalig, wenn man denkt, daß die letzte Freigabe der Kehler Häuser und Wohnungen erst Ende März dieses Jahres auf Grund des Washingtoner Abkommens erfolgt ist, das eingehalten wurde.
Ich konnte zusammen mit noch einem Abgeordneten des Bundestags, Herrn Kollegen Faller, an jenem Tage in Kehl anwesend sein. Es waren noch andere Abgeordnete und auch Landtagsabgeordnete dort. Wir haben uns selbst überzeugen können, wie es dort drüben aussah. Wir sind ja hier alle höfliche Menschen und müssen etwas Galanterie pflegen, auch wenn es uns schwerfällt. Ich kann Ihnen aber sagen: wenn man einzelne dieser Häuser besichtigt hat - wir haben es getan! -, so hat man doch gestaunt über den verwahrlosten. verlotterten Zustand von Haus und Hof, von Zimmer und Keller und Speicher und allem, was drum und dran ist.
Wir wollen aber nun auch nicht verallgemeinern. Es gab tatsächlich auch französische Familien, die Jahr und Tag dort in Kehl gewohnt haben, die sich eine Ehre damit gegeben haben, daß sie beim Auszug ihre Wohnung und ihren Garten sauber übergeben haben, und ich darf erfreulicherweise feststellen: es gibt auch Freundschaften, die in dieser Zeit gewachsen sind zwischen dem guten, anständigen Teil derjenigen, die aus Frankreich gekommen sind, und dem guten, vernünftigen Teil von uns, die über das Kleine hinaus das Große der Verständigung der Zukunft gesehen haben.
Aber, meine Damen und Herren, was soll man zu folgendem sagen: In einem Haus hat ein Marokkaner gehaust. Der Mann hat zwei Frauen gehabt. Es geschieht ihm recht, nebenbei gesagt.
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Herr Abgeordneter Rümmele, ich bitte doch, das Thema der Gleichberechtigung nicht auch noch hereinzubringen!
({0})
Er hat, das darf ich noch. anführen, auch zwölf Kinder in der Wohnung gehabt. Als diese Wohnung dann geräumt wurde - ein Teil der Wohnungen mußte mit französischer Polizeigewalt geräumt werden, alle gingen gar nicht freiwillig, die Franzosen haben sich da noch anstrengen müssen-, wurden, ich glaube, drei oder fünf Wagen voll Schutt, voll Mist und voll Dreck aus dieser einen Wohnung abgefahren. Es sind einige Wohnungen da, wo nicht nur das Wasser zwischen allen Stockwerken hindurchgelaufen ist, sondern wo die Einwohner - es sind sicher nicht die Besten ihrer Nation gewesen - die Bedürfnisfrage auf ihre Art gelöst haben, indem sie einfach vom ersten Stock aus ein Loch in den Boden gebohrt und Jahr und Tag den Keller als Abortgrube benutzt haben. Solche Dinge, die selbst in den Zeitungen gestanden haben, hat es da gegeben. Es ist ganz klar, daß sich da ganz ungewöhnlich hohe Kosten der Wiederherstellung der Wohnungen, der Läden, der Straßen usw. ergeben.
Kehl verdient die Hilfe. Ich will es kurz machen; ich will nichts wiederholen. Es ist manches ausgeführt worden, was die zahlenmäßige Untermauerung zu diesen Anträgen bildet. Ich glaube, wir können froh sein, daß wir diesem Anliegen in allen Fraktionen positiv gegenüberstehen, und wir wünschen, daß die Regierung ebenso positiv das ihre tut. Wir wissen, die Regierung hat Sorgen über Sorgen, und es kommen noch viel mehr, die auch Nöte bringen. Aber es gibt bestimmte Nöte, die muß man zuerst sehen, da muß man etwas mehr helfen als woanders, ohne daß damit gesagt sein soll, man solle dem anderen nicht helfen. Also, Regierung, tu was du kannst; wir unsererseits haben ja auch das getan, was wir tun konnten.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Stahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, wieder einmal feststellen zu dürfen - es kommt ja nicht ganz häufig vor -, daß wir alle miteinander einig sind. Ich kann nicht viel Neues sagen; denn es ist der Vorzug der größeren beiden - ich meine es nicht körperlich, Herr Carlo Schmid und Herr Rümmele, entschuldigen Sie, ich meine die größeren Fraktionen -, die Dinge zuerst zu sagen. Aber ich möchte doch für meine Fraktion aussprechen, daß die Sorgen, die uns jetzt eindringlichst berichtet worden sind, auch die Sorgen meiner Fraktion sind. Wir stimmen deswegen - um das ganz kurz zu machen - Ihren Ausführungen, Kollege Maier und Kollege Rümmele, zu und wünschen auch die Bereitstellung der weiteren 5 Millionen DM für Kehl. Wie danken Ihnen, Herr Staatssekretär, daß Sie eigentlich dieses Geld schon versprochen haben.
Nun aber zu der Anfrage bezüglich der Marinestationen. 'Ich habe die gesamten Akten, und zwar die des Regierungspräsidiums und die von Kehl, eingesehen. Ich habe in diesen Akten ein einziges
({0})
Mal einen Grund für die Marinestationen angegeben gefunden. Am 12. Januar wird im Protokoll berichtet, der Herr Fregattenkapitän Bougon habe als Grund für dieses Vorhaben gesagt, daß die Zurverfügungstellung des Geländes im Hafen von Kehl aus Sicherheitsgründen und um die verschiedentlich in der Stadt in Villen untergebrachten Dienststellen zusammenzufassen, nötig sei. Das Wörtlein „Sicherheitsbedürfnis" tut es mir an. Ich möchte hier für die Kehler Bevölkerung am Rhein, für die badische Bevölkerung, wie überhaupt für die gesamte deutsche Bevölkerung deutlich aussprechen: das französische Volk am Rhein ist von der badischen oder der deutschen Bevölkerung fürwahr nicht bedroht, die Sicherheit des französischen Volkes ist überhaupt von keinem Deutschen bedroht. Die Kehler wünschen nach diesen harten Jahren der Besetzung und der Austreibung nichts anderes als die Möglichkeit zur Arbeit, zur Ruhe und zum Frieden. Das sind die Wünsche der Kehler Bevölkerung.
Wir haben vorhin von den 5 Millionen DM gesprochen. Alle finanzielle Unterstützung wäre vergebens, wenn, wie Herr Kollege Carlo Schmid es uns gesagt hat, durch die Marinestationen der zivile Handel gestört würde. Die Franzosen sagen wohl in den Protokollen, es handle sich nur um 6,28 ha Gelände. Das stimmt. 5 ha soll die Firma Haniel bringen, 0,88 ha die Firma Rhein-Kontor, 2 ha gehören dem Land Baden-Württemberg. Aber damit ist die Sache ja nicht erledigt. Wir haben gehört, was c furch diese Marinestationen in dem Hafen geschehen wird. Die Industrieansiedlung wird boykottiert. Eine Furnierfabrik in Freiburg war schon nahe daran, Gelände zu erwerben, um hier einen neuen Betriebszweig zu eröffnen. Die Verhandlungen bezüglich des Kaufs dieses Geländes für die Furnierfabrik Staufer - so heißt sie - sind inzwischen verzögert, sie werden durch die Bedrohung, die hier durch die Bildung der Marinestationen entsteht, nicht mehr fortgeführt.
Es ist von den Beobachtungsschiffen gesprochen worden. Die Größe der Beobachtungsschiffe ist nicht ganz unbedeutend. Sie werden, wie den Protokollen zu entnehmen ist, eine Länge von immerhin 25 m haben und 4 m breit sein. 20 Schiffe aneinandergereiht sperren den Hafen völlig. Ein zügiger Handel wird nicht mehr möglich sein. Das sind die Sorgen, die die Stadt, der Stadtrat und das Land bezüglich Kehl haben.
Vor wenigen Wochen hat sich ein Parallelfall ergeben; ich benutze die Gelegenheit, dies hier zu bemerken. Ich habe an diesem Platz schon einmal darüber gesprochen. Der Feldberg, der dem internationalen Fremdenverkehr dient, konnte endlich dieser Aufgabe wieder zugeführt werden, weil es auch dank der Bemühungen des Bundeskanzleramtes und des Bundestages erreicht worden ist, das große Hotel „Feldberg" wieder von der Beschlagnahme freizubekommen. Jetzt ergibt sich für diesen Hotelbetrieb und den Fremdenverkehr im Hochschwarzwald eine neue Drohung. Es kommt eine militärische Einheit mit ihren Plänen und verlangt, daß in der nächsten Nähe des Fremdenverkehrsbetriebes Kasernen gebaut werden. 'Sie wünscht Luftanlagen, Radarstationen usw. Gut, Radarstationen mögen notwendig sein, dann aber hinauf auf den Gipfel. Ich möchte daher den Herrn Staatssekretär bitten, diese Dinge zur Kenntnis zu nehmen und mit Nachdruck zu untersuchen, was sich hier eigentlich tut, ohne daß man bisher die deutschen Dienststellen gefragt hat.
Zum Fall der Marinestationen in Kehl schließlich noch ein Politikum. In einem Protokoll habe ich dem Sinne nach gelesen: Wenn ihr Deutschen nicht den Wünschen von uns Franzosen zustimmt, geben wir in Kehl keine weiteren Wohnungen frei! Es sind genannt zehn Häuser auf der sogenannten Kommissionsinsel und weitere Wohnungen im Stadtkern. So kann man keine europäische Verständigung betreiben! Ich betrachte diese Aktion in Kehl wie die auf dem Feldberg als einen Nadelstich oder, wenn Sie so wollen, Keulenschlag gegen eine europäische Gesinnung, die wir alle miteinander tragen.
Ich bitte also, daß Sie, Herr Staatssekretär, und das Bundeskanzleramt, mit Nachdruck weiter den Weg beschreiten, den der Bundestag Ihnen vorgezeigt hat, und den wir zu gehen wünschen. Helfen Sie uns, zu verhindern, daß sich die Marinestationen in Kehl niederlassen können.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Antwort der Bundesregierung hat mich nicht befriedigt. Man hat darauf hingewiesen, daß nicht nur Landesbehörden verhandelt hätten, sondern auch eine Bundesbehörde, die Dienststelle Blank. Das ist richtig; aber die Dienststelle Blank hat sich erst am 12. Januar eingeschaltet, während die Angelegenheit schon aus dem Herbst des letzten Jahres datiert. Es geht nicht an, daß man es bei solchen, doch höchst politischen Dingen Landesregierungen und gar örtlichen Verwaltungsstellen überläßt, mit einer Besatzungsmacht zu verhandeln. Hier muß sich der Bund einschalten. und zwar vom ersten Moment an. Ich halte es auch nicht für richtig, daß man die Verhandlungen durch die Dienststelle Blank führen läßt. Es handelt sich doch nicht um militärtechnische Abmachungen,
({0})
es handelt sich doch bei dieser Angelegenheit um eine außenpolitische Frage! Hier muß das Auswärtige Amt verhandeln und nicht die Dienststelle Blank!
({1})
Das hat man versäumt. Vielleicht ist das ein Fehler
gewesen. Vielleicht hat das verhindert, daß die
Frage Kehl im Gesamtrahmen der deutsch-französischen außenpolitischen Probleme verhandelt
wurde. Hätte man diese Frage in diese Verhandlungen hineingenommen, wäre vielleicht etwas Besseres herausgekommen, als wir heute haben, wo man
sich damit begnügt hat, offenbar unter militärtechnischen Gesichtspunkten hier und dort etwas abzuknabbern. Ich meine, daß dieses Verfahren geändert werden sollte und daß bei den künftigen
Verhandlungen nicht die Dienststelle Blank, sondern das Auswärtige Amt federführend sein sollte.
Was die sachlichen Antworten betrifft, so muß ich sagen, daß ich sie ein wenig flau gefunden habe. Ich hätte es gerne gehabt, wenn die Regierung uns gesagt hätte, was sie von den möglichen Störungen des Hafenverkehrs in Kehl konkret hält und ob sie der Meinung ist, daß solche Störungen vom deutschen Standpunkt aus eine wichtige Sache sind oder nicht. Wenn sie, woran ich nicht zweifle, uns sagen sollte, daß sie diese Dinge für wichtig hält, dann erwarten wir von ihr, daß sie uns weiter sagt, in welchem. Maße sie bereit ist, sich bei diesen Verhandlungen zu engagieren.
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Schließlich hätten wir gerne gehört, wenn uns die Bundesregierung gesagt hätte, ob sie es für richtig hält oder nicht, daß man französischerseits Ausbildungsstationen auf deutschem Boden ganz offenbar nur deswegen errichtet, weil sie dann vom deutschen Steuerzahler bezahlt werden und nicht vom französischen. Hält sie dieses Verfahren ganz allgemein für richtig oder nicht? Hält sie es für richtig, daß die Besatzungsmächte allgemeine, nur sie angehende Staatsaufgaben auf deutschem Boden und auf deutsche Kosten erledigen?
Wenn sie der Meinung ist, daß das nicht richtig ist - und ich zweifle nicht daran, daß sie dieser Meinung ist -, dann möge sie uns doch auch sagen, bis zu welchem Grade der Intensität sie bereit ist, diesen Standpunkt der französischen Regierung gegenüber geltend zu machen. Diese Antwort ist man uns bisher schuldig geblieben.
Weiter hätte ich noch ganz gern etwas darüber gehört, ob die Bundesregierung bereit ist, der französischen Regierung zur Kenntnis zu bringen, daß sie nicht gewillt ist, an Vorhaben mitzuarbeiten, deren einziger Zweck doch offenbar ist, Kehl zugunsten von Straßburg zu blockieren oder mit anderen Worten Straßburg auf Kosten von Kehl zu begünstigen.
({3})
Soviel Nächstenliebe sollte eine Regierung nicht ohne weiteres und nicht ohne Gegenleistungen anzubieten bereit sein.
Vielleicht kann man sagen: Das sind Bagatellen, wenn die Leute schon Port Tarascon nach Kehl verlegen wollen - warum sollen sie das nicht tun? Aber, meine Damen und Herren, solche sogenannten Bagatellen schaffen Präzedenzfälle, und Präzedenzfälle sind eine böse Sache. In einigen Jahren könnte man sich in Dingen von größerem Volumen auf diesen Präzedenzfall berufen, und dann wird es schwer sein, etwas dagegen zu sagen. Manche Präzedenzfälle wecken Appetite, und es ist auf beiden Seiten nicht gut, gewisse Appetite zu nähren. Eine Summe von Bagatellen kann überdies eines Tages zu einer Haupt- und Staatsaktion führen.
Außerdem sollte man nicht übersehen, daß in einigen Jahren die Bevölkerung von Kehl die Stationierung solcher Streitkräfte in ihrem Hafen als einen Pfahl im Fleisch empfinden könnte; und das würde der Entwicklung des deutsch-französischen Nachbarschaftsverhältnisses, das ich mir so brüderlich wie nur möglich wünsche, nicht förderlich sein.
Ich glaube, die Bundesregierung sollte uns auf diese Fragen Antwort geben und vielleicht auch auf die weitere, ob nicht auch sie der Meinung ist, daß die beste Politik in solchen Fällen ist: Principiis obsta! Wehre den Anfängen!
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Meine Damen und Herren! Ich wende mich der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion zu. Der Herr Kollege Dr. Schmid gab der Begründung dieser Großen Anfrage eine etwas ironisierend-witzelnde Note und Tönung. Das kann aber nicht über die grundsätzliche Haltung der sozialdemokratischen Führung in dieser Frage hinwegtäuschen, darüber, daß Herr
Kollege Dr. S ch m i d und seine Freunde grundsätzlich mit der Stationierung, dem Einsatz und der Verwendung ausländischer militärischer Formationen am Rhein einverstanden sind. Er sprach das mit den Worten aus, er wäre damit einverstanden, wenn diese französischen Marineeinheiten an ihren bisherigen Stationierungsorten verblieben wären. Er wandte sich nur dagegen, daß sie jetzt konzentriert im Hafen von Kehl zusammengezogen würden. Er brachte dann noch eine andere, von der sozialdemokratischen Führung schon wiederholt, auch bei ihrer Stellungnahme zum EVG-Vertrag zum Ausdruck gekommene Begründung vor, die darauf hinausläuft: wir sind im Prinzip nicht dagegen, wir fordern nur gleiche Rechte. Das ist das Wesentliche, was aus der Stellungnahme des Herrn Kollegen Dr. Schmid zu dieser Frage hervorzuheben ist und was noch einmal aufgezeigt werden mußte.
Aber die Frage der Konzentration dieser Marinestreitkräfte im Hafen von Kehl hat eine sehr weitgehende politische Bedeutung. Wir haben schon früher auf diese Möglichkeit der Verwendung des Hafens Kehl für solche Zwecke hingewiesen. Mein Fraktionskollege Otto Niebergall hat bereits am 24. Oktober 1951 bei der Behandlung des Kehler Abkommens wörtlich formuliert:
Die badische Bevölkerung ist daran interessiert, daß dieser Hafen nicht Kriegsgebiet wird, sondern daran, daß dieser Hafen ein Hafen des Friedens bleibt.
Er hat damit also das ausgesprochen, was die Bevölkerung wünscht, und vor einer Gefahr gewarnt, die eintreten könnte. Diese Warnung haben Sie, Herr Kollege Rümmele, in derselben Sitzung damit beantwortet, daß Sie sagten:
Ich glaube, mein Herr Vorredner hegt eine grundlose Befürchtung, wenn er glaubt, der Hafen von Kehl würde je ein Kriegshafen werden. Das glaubt in Kehl und sonstwo schließlich doch kein Mensch.
({0})
Ich glaube, die Tatsachen, Herr Kollege Rümmele, sprechen ihre eigene Sprache. Wir verstehen auch, warum Sie damals diese Haltung eingenommen haben, obwohl mein Kollege Niebergall bereits auf diese Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit hingewiesen hatte. Ich denke, daß sich daraus eine Schlußfolgerung ergibt. Aber eine andere Schlußfolgerung als die in der Antwort des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen zu dieser Angelegenheit gezeigte, die nicht im Interesse der Bevölkerung von Kehl und überhaupt der deutschen Bevölkerung liegt.
Denn die Konzentration dieser Marinestationen im Hafen von Kehl ist ja nur ein Teil des Gesamtkomplexes der Politik der Aufrüstung, der Politik des EVG- und Generalvertrags und der damit verfolgten Kriegspolitik. Die Frage Kehl wird ebenso wie alle anderen Fragen nur dadurch gelöst werden, daß mit der Beseitigung der Verträge von Bonn und Paris, mit der Beseitigung der Politik dieser Regierung zugleich die Wiedervereinigung Deutschlands und damit der Friedensvertrag und der Abzug aller Besatzungstruppen für das deutsche Volk die Souveränität und den Frieden sichern wird.
({1})
Herr Abgeordneter Maier.
Meine Damen und Herren! Ich habe bei der Begründung des Antrags Nr. 4212 das Hohe Haus ersucht, die Vorlage zur Erledigung an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Nach der erfreulichen Mitteilung des Herrn Staatssekretärs Hartmann, nach der die Bundesregierung bereit ist, den geforderten Betrag in den Haushalt 1953 einzustellen, erübrigt sich die Überweisung. Ich bitte das Haus, nunmehr über den Antrag Drucksache Nr. 4212 selbst abzustimmen.
Ich möchte darüber hinaus dem Herrn Kollegen Müller von der KP noch in einigen Sätzen eine Antwort geben. Wenn die Interessen der Kommunistischen Partei am Schicksal Kehls so groß sind, dann dürften auch seine Freunde jenseits des Rheins eine andere Stellung einnehmen, als sie beispielsweise in ihrem Organ, der „Humanité", dieser Tage zum Ausdruck kam. Ich darf vielleicht mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige der wichtigsten Sätze aus dieser Verlautbarung, was die Räumung Kehls anlangt, vorlesen:
Eine internationale Schiebung auf Kosten der Straßburger. Seit 1945 bis 1953 wurden durch den MRU mit Hilfe der Stadtverwaltung Straßburg ständig die Wohnungen und die Straßen der deutschen Stadt Kehl ausgebessert. Während all dieser Jahre wohnten Tausende von Straßburgern in Kehl, und sie ließen nun nach ihrer Vertreibung aus Kehl dem deutschen Staat und den deutschen Bewohnern eine wiederhergestellte Stadt zurück. Diese Instandsetzung kostete rund 800 Millionen Francs. Noch nie hat Maire Frey oder Minister Pflimlin bei ihrem Gast Adenauer bei dessen Besuch in Straßburg diese Rechnung hingehalten. Wahrlich ein fürstliches Geschenk auf Kosten der Straßburger Steuerzahler. Anstatt Reparationen zu erhalten, bezahlen wir die Zerstörungen der Stadt Kehl.
({0})
Nach den Ausführungen meines Kollegen Rümmele, der die Wohnungen zum Teil selbst in Augenschein genommen hat, erübrigt sich ein Kommentar zu diesen Ausführungen der „Humanité".
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Besprechung. Es ist beantragt worden, über den Antrag der Abgeordneten Rümmele, Maier, Dr. Hoffmann und Genossen ohne Ausschußüberweisung unmittelbar abzustimmen. Ich hätte Ihnen das gleiche vorgeschlagen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 4212 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Dieser Antrag ist einstimmig angenommen worden.
Ich rufe auf Punkt 4:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Eberhard, Euler und Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung vordringlicher Angelegenheiten auf dem Gebiete der Steuerberatung ({0}) ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Soll eine Begründung erfolgen? - Offenbar nicht. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Ich unterstelle, daß das Haus damit einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 5:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Landeszentralbanken ({2}) ({3}).
Der Ältestenrat schägt Ihnen angesichts der Tatsache, daß die Regierung auf ihre schriftliche Begründung verweist, vor, die erste Beratung ohne Aussprache stattfinden zu lassen. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen. - Sie sind mit der Überweisung einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 6:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Ausfuhr ({4}).
Die Regierung verweist auch hier auf die schriftliche Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführendem Ausschuß, dem Ausschuß für Außenhandelsfragen als mitberatendem Ausschuß - ({5})
- Also, meine Damen und Herren, Kommunalpolitik? Förderung der Ausfuhr!
({6})
- Also Kommunalpolitik.
({7})
- Ausschuß für Verkehrswesen. Meine Damen und Herren, wollen Sie diese Massenüberweisung vornehmen? - Offenbar ist das die Meinung des Hauses. Also, meine Damen und Herren, soll ich darüber abstimmen lassen, oder wollen wir es vereinfachen? Wieweit die einzelnen Ausschüsse beteiligt werden, ergibt sich ja aus dem Gesetzentwurf. Darf ich unterstellen, daß diese Überweisung erfolgt. Federführend ist jedenfalls der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen.
Dann Punkt 7:
Beratung der Anträge des Bundesministers der Finanzen auf nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben in den Bundeshaushaltsrechnungen für das Rechnungsjahr 1949 ({8}) und für das Rechnungsjahr 1950 ({9}).
Die Regierung verweist auch hier auf die schriftliche Begründung. Ich schlage entsprechend dem Vorschlag des Ältestenrats vor, diese Anträge ohne Aussprache dem Haushaltsausschuß zu überweisen. - Das Haus ist einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 8:
Beratung des Entwurfs einer Vierten Verordnung über Zollsatzänderungen ({10}).
({11})
Auch hier schlägt der Ältestenrat vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, den Entwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. - Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 9:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verteilung des erzielten Reingewinns der Bank deutscher Länder in den Geschäftsjahren 1950 und 1951 ({12}).
Ebenfalls Hinweis auf die schriftliche Begründung der Regierung. Der Ältestenrat macht den Vorschlag, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen.
({13})
- Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer zur Geschäftsordnung.
Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat gestern einstimmig beschlossen, Ihnen vorzuschlagen, daß dieses finanziell sehr weittragende Gesetz dem Haushaltsausschuß als federführendem Ausschuß und zur Mitberichterstattung dem Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen wird. Es geht hier um einen Streit über 40 Millionen DM Bundeseinnahmen, Das sind Dinge, die primär, und zwar erheblich, den Haushaltsausschuß berühren. Der Fachausschuß ist hier nur als Mitberichterstatter zu beteiligen, weil es sich nicht in erster Linie um eine Frage des Notenbankwesens handelt. Deshalb sollte federführend der Haushaltsausschuß und zur Mitberichterstattung der Ausschuß für Geld und Kredit eingesetzt werden.
Meine Damen und Herren, der Haushaltsausschuß wird diese Anregung dankbar aufgreifen. Kein Widerspruch dagegen? - Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir sehr leid
({0})
- nein, da war ich nicht dabei! -, im Namen des Ausschusses für Geld und Kredit darauf aufmerksam machen zu müssen, daß dieser Gesetzentwurf eine sehr grundsätzliche Bedeutung auch im Hinblick auf die ganze weitere Entwicklung des Notenbankwesens hat; denn hier geht es wieder einmal um die Frage, ob die Zustimmung des Bundesrats erforderlich ist oder nicht. Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung den Standpunkt eingenommen - von dem ich glaube, daß er von dem größten Teil des Hauses geteilt wird -, daß dies eine nichtzustimmungsbedürftige Angelegenheit ist. Der Bundesrat ist anderer Meinung. Sie werden verstehen können, daß ich nicht in der Lage bin, gegen einen einstimmigen Beschluß meiner Fraktion, an dem ich, wie ich eben schon sagte, nicht mitgewirkt habe, aufzutreten. Aber es tut mir leid, daß ich aus diesem sehr schwerwiegenden Gesichtspunkt für die Beibehaltung der Federführung des Ausschusses für Geld und Kredit plädieren muß.
Herr Abgeordneter Schoettle, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Sätze. Ich glaube nicht, daß die Kollegen vom Ausschuß für Geld und Kredit die Sorge zu haben brauchen, bei der Federführung des Haushaltsausschusses mit ihren Gesichtspunkten zu kurz zu kommen. Wir haben im Haushaltsausschuß immer die Praxis eingehalten, nicht eher im Ausschuß zu beraten, als bis der Fachausschuß, der für die Mitberatung zuständig ist, seinen Standpunkt klargestellt und dem Ausschuß mitgeteilt hat. Wir werden da also keinesfalls einen Konflikt haben. Aber da es sich doch um die Ablieferung von recht beträchtlichen Summen an den Bundeshaushalt handelt, glaube ich, daß letzten Endes der Sache nach wir zuständig sind.
Meine Damen und Herren, es bleibt nichts übrig, als abzustimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, daß dieser Gesetzentwurf dem Haushaltsausschuß als dem federführenden überwiesen wird, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit des Hauses; die Überweisung ist erfolgt. Mitberatend der Ausschuß Geld und Kredit.
Ich rufe auf den Punkt 10:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Zweite Protokoll vom 22. November 1952 über zusätzliche Zugeständnisse zum Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen ({0}) ({1}).
Die Regierung verweist auch hier auf die schriftliche Begründung. Hier dürfe eine Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen außer Zweifel sein. - Sie ist erfolgt.
Punkt 11:
Dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU ({2}) eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft ({3});
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung
({4}).
({5})
Sie haben die Beschlüsse der zweiten Beratung vor sich. Der Ältestenrat hat Ihnen vorsorglich eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorgeschlagen. - Es wünscht niemand das Wort dazu zu nehmen.
Dann können wir, da eine Einzelberatung mangels des Vorliegens von Änderungsanträgen entfällt, zur Schluflabstimmung kommen. Ichbitte die Damen und Herren, die dem 'Entwurf eines Zweiten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft in der Gesamtheit unter Berücksichtigung der in der zweiten Beratung beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünschen, sich zu erheben.
({6})
- Bei wenigen Enthaltungen ist das Gesetz im übrigen einstimmig angenommen.
Punkt 12 entfällt.
Punkt 13:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über die Verwaltung der
({7})
Deutschen Bundespost ({8}) ({9}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen ({10})
({11}). ({12})
Es liegen Ihnen der schriftliche Bericht*) und der Nachtragsbericht**) des Abgeordneten Kern vor. Ich darf unterstellen, daß eine mündliche Berichterstattung dadurch entfällt. - Das ist der Fall.
Zur Einzelbesprechung der zweiten Beratung rufe ich zunächst den § 1 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor, Umdruck Nr. 880 Ziffer 1. Soll er begründet werden? - Bitte, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, ich kann mich zur Begründung ganz kurz fassen. Wenn Sie die beiden Fassungen des § 1 miteinander vergleichen, werden Sie feststellen, daß unser Vorschlag nichts anderes als eine stilistische Änderung erreichen will. Dadurch wird die Fassung klarer und übersichtlicher und umfaßt die Belange der deutschen Post im Bundesgebiet einschließlich Berlin voll. Ich bitte Sie aus diesem Grunde, unserem Antrag zuzustimmen.
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das ist offenbar nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung zu § 1. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag betreffend § 1 Abs. 3, den Herr Abgeordneter Ekstrand eben begründet hat, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; dieser Änderungsantrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 unter Berücksichtigung der eben beschlossenen Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 1 ist angenommen.
Ich rufe nun auf § 2. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der KPD auf Umdruck Nr. 882 Ziffer 1 vor. Herr Abgeordneter Renner zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu § 2 Abs. 1 folgenden Änderungsantrag gestellt:
§ '2 Abs. 1 erhält folgende Fassung:
Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen ist dafür verantwortlich, daß die Deutsche Bundespost dem Grundgesetz und den Gesetzen gemäß verwaltet wird und daß die im Grundgesetz festgelegten Grundrechte, insbesondere die Artikel 5 Abs. 1, Artikel 9 und Artikel 10, gewahrt werden.
Hier in diesem Hause und auch in der Offentlichkeit ist oft genug darüber gesprochen worden, daß gewisse Praktiken bei unserer Postverwaltung, die ihren Grund in verfassungswidrigen Verfügungen des zuständigen Ministers haben, eine völlige Untergrabung wichtigster Bestandteile des Grundgesetzes, vor allem praktisch eine Aufhebung des Briefgeheimnisses darstellen. Ich habe heute nur die Absicht, von dieser Stelle aus die letzten eklatantesten Beweise für diese unsere Behauptung vorzutragen.
*) Anlage 1: Seite 12 738 **) Anlage 2: Seite 12 744
An allen Schaltern der westdeutschen Postämter wird augenblicklich ein Flugblatt ausgegeben, das laut Impressum vom sogenannten „Untersuchungsausschuß freiheitlicher Juristen" in Berlin-Zehlendorf zusammengestellt wurde und das im Einvernehmen mit dem Postminister Schuberth herausgegeben wird. Der Inhalt dieses Blattes läßt erkennen, daß die Post bei der Hetze gegen die DDR nicht abseits stehen will und sich auch voll und ganz in den Dienst der von Adenauer angeführten Ural-Stürmer zu stellen gewillt ist. In der Einleitung dieser Schandschrift wird frech behauptet, daß die Regierung der DDR ihren Bürgern die im Art. 8 der Verfassung der DDR gewährleisteten Grundrechte des Postgeheimnisses, der persönlichen Freiheit und der Unverletzbarkeit der Wohnung vorenthalte. Wo dies in der Tat geschieht, möchte ich einmal feststellen. Wie ist es mit der Innehaltung des Art. 10 des Bonner Grundgesetzes, der Wahrung des Postgeheimnisses? Es würde zu weit führen, die von dieser Stelle aus in der Vergangenheit bereits des öfteren zitierten Verfassungsbrüche noch einmal aufzuzählen. Aber ich halte mich an einen der letzten Vorgänge.
In krassem Widerspruch zum Grundgesetz versucht das Schuberthsche Ministerium durch die Verfügung ZO 102 % - DO aus dem Jahre 1951, sich über das Grundgesetz hinwegzusetzen und Sendungen sogar nur wegen ihres geistigen Inhalts den Empfängern vorzuenthalten. Damit macht sich die Bundespost der Postunterdrückung und des Postdiebstahls im Sinne des Strafgesetzbuches schuldig.
Diese Ungeheuerlichkeiten wurden in verschiedenen Oberpostdirektionen, u. a. in Kiel und in Düsseldorf, durchgeführt. Die Verantwortlichen sind sich über die Gesetzwidrigkeit derartiger Verfügungen klar und fürchten deshalb, daß in der Öffentlichkeit darüber etwas bekannt wird. Teilweise haben sie deshalb diese Verfügungen unter der Bezeichnung „Vertraulich" veröffentlicht. Diese letzteren Dinge haben wir hier schon einmal aufgeführt.
Andere Stellen, und zwar die sogenannten Zensurdienststellen der Postämter, verdienen hier auch einmal eine besondere Erwähnung. Auf jedem Postamt arbeiten diese sogenannten „Überwachungsbeamten". Es handelt sich bei diesen meist um ehemalige faschistische Offiziere oder um Mitglieder der neofaschistischen heutigen Terrororganisationen. Zu Anfang ihrer Tätigkeit kontrollierten diese Zensuroffiziere täglich nur ein bestimmtes, nach Gewicht festgesetztes Quantum eingehender Post. Das hatte so große Verzögerungen zur Folge, daß sich das Publikum beschwerte; wegen dieser Beschwerden des Publikums hat man eine andere Methode angewandt. Man hat Listen von Personen aufgestellt, deren Überwachung im Sinne einer Verhütung einer „gegen die Adenauer-Regierung", wie man sagt, „gerichteten Tätigkeit" für nötig gehalten wird, um diese Personen kontrollieren zu können. Auch darüber sind in der Öffentlichkeit genaueste Tatsachen bekanntgegeben worden, so daß also auch nur ein Versuch, diese Dinge hier abzustreiten, zwecklos ist.
Über die Tatsache der laufenden Überwachung der Telefongespräche - sogar hier im Bundeshaus! -, und zwar mit vollem Wissen und mit voller Duldung, allerdings mit der Begründung, das würde nur „von den Besatzungsbehörden durchgeführt", ist in der letzten Zeit auch genug
({0})
bekanntgegeben worden. Aber einen Fall möchte ich nun erwähnen, der nur zwei oder drei Tage - nach Pressemeldungen wenigstens - zurückliegt. Es handelt sich um folgendes: Beim Telegrafenamt in Frankfurt war ein Mann als Beamter eingestellt worden, der systematisch monatelang Kopien von Telegrammen angefertigt und diese Kopien dann dem sogenannten „Volksbund für Frieden und Freiheit" übergeben hat. Das ist bekanntlich eine Institution, die in einem ständigen Konkurrenzkampf mit dem Bundesverfassungsschutzamt liegt. Sie wird von dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, dem Herrn Minister Jakob Kaiser, finanziert. Das heißt: die Herren des Volksbundes für Frieden und Freiheit und ihre Agenten werden von unseren Steuergroschen unterhalten. Ihr Volksbund ist „weniger durch seinen nimmermüden Kampf für Frieden und Freiheit" - so schreibt dazu die „Frankfurter Rundschau" in echter Charakterisierung der Tätigkeit dieser Organisation - „als vielmehr durch verschiedene einer Demokratie unwürdige spontane Aktionen bekanntgeworden". Und nun, was geschieht? Dieser Beamte liefert am laufenden Band - natürlich gegen Bezahlung - dieser Organisation Abschriften von Telegrammen, die sich vor allen Dingen auf das Ost-West-Geschäft beziehen. Wiewohl darin nicht nur eine Verletzung des Grundrechtes zu sehen ist, sondern auch ein Verstoß gegen bestimmte Paragraphen des Strafgesetzbuches, hat man nun diesen Beamten nicht etwa der Staatsanwaltschaft ausgeliefert, sondern man hat die Angelegenheit „im inneren Dienst bereinigt", und zwar mit dem Ergebnis, daß diesem Beamten, der sich offenkundig gegen das Grundgesetz und gegen das Strafgesetzbuch vergangen hat, eine Ordnungsstrafe von 30 - in Worten: dreißig - DM aufgehalst wurde. Der Mann ist nach wie vor Beamter; er ist also in den Augen seiner vorgesetzten Behörde absolut sauber. Aber ich behaupte, diese Haltung von Postbeamten ist nur deshalb möglich, weil der Herr zuständige Bundespostminister öffentlich - auch von diesem Platze aus - Bemerkungen gemacht hat, aus denen solche Elemente nur die eine Schlußfolgerung ziehen konnten, daß sie sich bei der Verwaltung Liebkind machen, wenn sie solche verfassungswidrige Maßnahmen gegen bestimmte Kreise unseres Volkes durchführen. Das gilt es zu verhüten und zu verhindern.
Sie rühmen sich doch, ein Rechtsstaat' zu sein.
({1})
Das, was hier praktiziert wird, ist ein Hohn auf den Begriff „Rechtsstaat". Daß es mit vollem Wissen, ja gemäß der Anweisung des zuständigen Bundesministers praktiziert wird, setzt der Sache die Krone auf.
Aus diesen Gründen und um zu verhindern, daß diese Zustände weiter bestehenbleiben, haben wir über den Vorschlag der zuständigen Gewerkschaft hinaus, die nur die Bestimmung eingeführt wissen wollte, daß der Bundespostminister verpflichtet ist, die Geschäftsführung gemäß den Gesetzen zu handhaben, verlangt, daß er auch gehalten sein soll, die Grundrechte, die im Bonner Grundgesetz verankert sind, einzuhalten und ihre Einhaltung laufend zu kontrollieren. Aus diesen Gründen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Cramer bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen des Vorziehens dieses Punktes der Tagesordnung haben wir leider die Tatsache zu verzeichnen, daß der Herr Bundespostminister nicht anwesend ist. Ich möchte den Herrn Präsidenten bitten, zu veranlassen, daß der Herr Bundespostminister, der im Hause ist, gerufen wird.
Herr Abgeordneter, das ist bereits vor zehn Minuten geschehen. Ich habe ihn sogar schon ausrufen lassen.
Danke schön!
Auf die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Renner will ich nicht eingehen. Ich möchte nur sagen, daß es sich hier um die Beratung des Postverwaltungsgesetzes und nicht um die Beratung des Grundgesetzes handelt. All das, was Sie, Herr Renner, hier vorgetragen und verlangt haben, ist letzten Endes im Grundgesetz sichergestellt. Es ist überflüssig, daß wir in das Postverwaltungsgesetz eine solche Bestimmung aufnehmen. Ich bitte um Ablehnung des Antrags.
Herr Abgeordneter Renner!
Ich finde die Begründung, die der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion gegeben hat, um eine Ablehnung unseres Antrags zu erzielen, sehr eigenartig. Im Grundgesetz gibt es eine Reihe von Bestimmungen. Ich glaube, nicht fehlzugehen mit der Feststellung, daß auch die sozialdemokratische Bundestagsfraktion mehrfach in diesem Hause dem oder jenem Bundesminister
- sogar dem Herrn Bundeskanzler - den berechtigten Vorwurf gemacht hat, daß sie das Grundgesetz brechen. So einfach sollte man sich die Sache nicht machen.
Aber es gibt ja auch die Gewerkschaft. Unsereiner ist gewohnt, sich an der Haltung und Einstellung der Gewerkschaft zu informieren. Das liegt bei uns im Blut.
({0})
- Ja, ja, das liegt bei uns im Blut.
({1})
Obwohl wir absolut keine Veranlassung haben, der derzeitigen Gewerkschaftsführung Huldigungserklärungen abzugeben,
({2})
möchte ich doch feststellen, daß in dem Antrag der Gewerkschaft selbst ein Satz steht - ich habe ihn schon genannt -, der bezeichnend ist. Die Gewerkschaften halten es für notwendig, daß in § 2 Abs. 1 folgende Formulierung eingeschaltet wird: „Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen ist dafür verantwortlich, daß die Deutsche Bundespost den Gesetzen gemäß und entsprechend den Anforderungen usw. geführt wird". Unser Antrag läuft also zum Teil auf ,das hinaus, was sogar die zuständige Gewerkschaft fordert.
({3})
- Ja, nur zum Teil. Daß Ihnen idas in Ihrer Auffassung von den Dingen im Augenblick nicht paßt, verstehe ich.
({4})
Ihnen traue ich ja auch nicht zu, daß Sie unsere
Partei, unsere Organisation, überhaupt die deutschen Organisationen, die für den Frieden kämpfen,
({5})
gegen verfassungswidrige Maßnahmen schützen wollen. In dieser Beziehung sind Sie ja einig mit den Verfassungsbrechern, die hier sitzen.
Herr Abgeordneter Renner, „Verfassungsbrecher" ist ein Vorwurf, der nicht der Ordnung des Hauses entspricht. Ich rufe Sie zur Ordnung.
({0})
Was soll ich dazu sagen?!
({0})
Herr Abgeordneter, zweckmäßigerweise gar nichts. Ich könnte weitere Ordnungsmaßnahmen ergreifen.
Wir kennen uns ja, Herr Präsident.
({0})
Ich komme zum Schluß. Also, meine Herren von der Sozialdemokratie, wenn Sie sich nicht dem Vorwurf aussetzen wollen, daß Sie sich in der Abstimmung einmal mehr gegen die zuständige Gewerkschaft entschieden haben,
({1})
müssen Sie Ihre Stellungnahme, die Sie hier zum Ausdruck gebracht halben, revidieren.
({2})
Meine Damen und Herren, ich stelle nur fest: ich lasse den Herrn Postminister erneut ausrufen, hoffentlich mit Erfolg.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der KPD auf Umdruck Nr. 882 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Der Herr Bundespostminister betritt in diesem Augenblick den Saal.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 2 insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
- Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf: § 3, - § 4 -. Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren,, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe § 5 auf. Dazu Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 880 Ziffer 2. Herr Abgeordneter Cramer zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben im Ausschuß die Auffassung vertreten, daß in den Verwaltungsrat nicht nur Vertreter des Postpersonals, sondern auch Vertreter der Gewerkschaften gehören. Wir meinen, daß es auch Fragen zu entscheiden gibt, an denen die gesamte Arbeitnehmerschaft, soweit sie einen Teil der Wirtschaft darstellt, interessiert ist. Aus diesem Grunde müßten neben Personalvertretern auch Vertreter der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften im Verwaltungsrat sein. Wir stellen deshalb den Antrag, die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrats auf 25 zu 'erhöhen; im Bericht des Ausschusses sind nur 24 Mitglieder vorgesehen. Von den 25 Mitgliedern sollen 8 Vertreter der Gewerkschaften sein, davon 5 Vertreter der für das Personal der Bundespost zuständigen Gewerkschaften und 3 Vertreter der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften. Falls dieser Antrag angenommen wird, sind § 6 Abs. 3 und § 7 Sätze 2 und 3 zu ändern, und zwar müßten an Stelle des Wortes „Personalvertretung" die Worte kommen: „und der Gewerkschaften".
({0})
In Anbetracht der Stellung, die die deutschen Gewerkschaften heute im öffentlichen und im wirtschaftlichen Leben einnehmen, ist dieser Antrag durchaus gerechtfertigt. Wir bitten um Ihre Zustimmung.
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrages auf Umdruck Nr. 882 Ziffer 2 hat der Abgeordnete Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Regierungsentwurf zu dem vorliegenden Gesetz war eine Beteiligung der Gewerkschaften am Verwaltungsrat überhaupt nicht vorgesehen. Der ursprüngliche Vorschlag lautete bekanntlich, neben den fünf Vertretern des Bundestags und den fünf Vertretern des Bundesrats fünf Vertreter der Gesamtwirtschaft einzuschalten. Daneben sollten sieben Vertreter des Personals der Deutschen Bundespost diesem Verwaltungsrat angehören.
Wir Kommunisten sind der Auffassung, daß mit den Personen, die als Vertreter des Deutschen Bundestags und des Deutschen Bundesrats in diesen Verwaltungsrat entsandt werden, die Interessenvertreter des Unternehmertums zahlreich genug sind. Wir sind also der Meinung, daß der Einfluß dieser Teile der Wirtschaft wirklich genügend gewahrt ist. Wir sind aber der Meinung, daß entgegen der vorgeschlagenen Aufteilung nach dem Vorschlag des zuständigen Ausschusses und des Bundesrats den zuständigen Gewerkschaften sechs Vertreter eingeräumt und diesen weitere sechs Vertreter des Personals der Deutschen Bundespost beigegeben werden sollten, die in Urwahl zu wählen sind. Wir glauben, daß eine derartige Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Bundespost in der Lage ist, zu verhüten, daß die offensichtlich beabsichtigte Privatisierung der Bundesanstalt allzu katastrophale Formen annimmt. Wir sind weiter der Ansicht, daß mit einer derartigen Zusammensetzung des Verwaltungsrats auch der in der Begründung der Regierung ausdrücklich als „eingeschränkt" gekennzeichnete Einfluß des Parlaments in der notwendigen Form gesichert ist.
Wir bitten Sie, aus diesen Gründen unserem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort zur Begründung eines weiteren Änderungsantrages hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der von uns gestellte Antrag, der leider im Umdruck noch nicht verteilt ist, lautet, bei § 5 die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Wir sind der Auffassung, daß bei der Vertretung des Personals der Deutschen Bundespost weder den Spitzenverbänden noch einer Gewerkschaft, auch
({0})
wenn es die Postgewerkschaft ist, noch etwa Vertretern der Gewerkschaft das Recht zur Mitsprache gegeben werden soll, sondern wir meinen, daß hier, wie in allen Dingen der echten Mitwirkung, eben das Personal selbst ohne Rücksicht darauf, ob es organisiert ist, ob es nicht organisiert und wo es organisiert ist, das Recht der Vertretung hat.
({1})
Wir verwahren uns, wo es auch immer sei, gegen jeden monopolartigen Anspruch: In diesem Falle muß es Ihnen doch sehr einleuchten - da Sie sich doch so gern selbst als die Garanten der Demokratie bezeichnen -, daß nicht irgend jemand sich als Garant des Grundgesetzes bezeichnen kann, wenn er nicht auch bereit ist, die im Grundgesetz verankerte Vereinigungsfreiheit vom echten demokratischen Grundsatz her zur Wirklichkeit werden zu lassen. Von dieser Verfassungswirklichkeit sind wir noch weit entfernt!
({2})
- Die schreien ({3}) am meisten, die das schlechteste Gewissen haben! Sie, Herr Renner, sollten sich in der Ostzone um den FDGB und um die Gewerkschaftsbewegung kümmern, da hätten Sie genug zu tun!
({4})
Wir sind der Auffassung, daß es dem Geist des Grundgesetzes widerspricht, Vertreter von Gewerkschaften zu benennen, wenn die Vertretung des Personals nicht in der Lage ist, entweder diese Vertreter der Gewerkschaften selbst zu wählen oder selbst diese Aufgaben zu erfüllen. Wir meinen auch, daß nicht nur die Vertreter des Personals - wie es der Ausschuß als Lösung vorzuschlagen beliebte -, die den zur Zeit dort vertretenen Gewerkschaften angehören, die Möglichkeit der Mitsprache haben sollen; denn Verfassungswirklichkeit und Anwendung der Koalitionsfreiheit darf nicht dazu führen, daß die zur Zeit vertretenen Gewerkschaften - und ich wiederhole: ganz gleich, wo sie verankert sind und wie ihr Programm aussehen mag - ein Monopol bekommen, sondern wir möchten, daß zu jeder Zeit sich die Arbeitnehmer wie die Arbeitgeber in ihren Organisationen vereinigen können und daß auch, ob es die Minderheit oder die Mehrheit ist, der Nichtorganisierte ein echtes Mitspracherecht hat.
Wir bitten Sie daher, die Regierungsvorlage wiederherzustellen. Den Antrag der Sozialdemokratischen Partei lehnen wir ab.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hübner.
Herr Präsident! Meine Herren! Die Vertreter der FDP haben sich im Ausschuß lebhaft gegen die veränderte prozentuale Aufschlüsselung zur Wehr gesetzt, die eine Abwandlung gegenüber der Lösung darstellt, die im Reichspostfinanzgesetz seinerzeit getroffen worden war, mit dem ausgezeichneten Erfolge erzielt worden sind. Wir haben es für nötig gehalten, daß im Rahmen der Aufgabenstellung, die dem Verwaltungsrat zukommen wird - es handelt sich hier um eine wirtschaftliche Aufgabenstellung -, die prozentuale Beteiligung der Wirtschaft um keinen Preis gegenüber der damaligen Lösung herabgesetzt wird. Wir hätten es für vernünftiger gehalten, wenn man diesen Prozentsatz heraufgesetzt haben würde. Deshalb konnten wir uns auch nicht damit einverstanden erklären, daß man nun ein Ubergewicht der Vertreter des Personals schafft. Wenn jetzt der Antrag der SPD die Ausschußvorlage in der Richtung noch weiter verarbeitet, daß statt sieben Vertretern des Personals nunmehr acht dem Verwaltungsrat angehören sollen, so erscheint uns dieser Vorschlag noch weniger annehmbar. Meine Damen und Herren, ich möchte doch hervorheben, daß der Anteil der Sachkenner der Wirtschaft - ich wehre mich nämlich dagegen, hier von Vertretern zu sprechen; ich glaube, wir kommen zu einer ganz falschen Bewertung der Arbeit der Mitglieder des Verwaltungsrats, wenn wir hier den Vertreterstandpunkt hervorkehren; es wird nötig sein, den Sachkennerstandpunkt in den Vordergrund zu rücken ({0})
- Ja, das sind allerdings die Leute der Praxis, meine verehrten Herren!
({1})
Ich möchte darauf hinweisen, daß nach dem alten Reichspostfinanzgesetz der Anteil der Vertreter der Wirtschaft 30 % betrug. Nach der Ausschußvorlage beträgt er nur noch 20 %. Wir konnten uns schon diesem Vorschlag nicht anschließen und können uns nun dem noch erweiterten Vorschlag der SPD noch viel weniger anschließen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Leonhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist der neuralgische Punkt dieses ganzen Gesetzes, an dem wir jetzt stehen. Die Frage, wieviele Vertreter in den Verwaltungsrat hineinkommen sollen, hat den Postausschuß sehr stark beschäftigt. Wir haben die Beratungen sehr gründlich durchgeführt. Es war schon der Vorschlag gemacht worden: fünf Vertreter des Postpersonals und zwei Vertreter der Gewerkschaften. Zuletzt kam aber der Ausschuß zu der Ihnen nun vorliegenden Fassung, die der Regierungsvorlage entspricht: sieben Vertreter des Personals der Deutschen Bundespost.
Ich bitte Sie, den Antrag der SPD abzulehnen und die Ausschußfassung, was den § 5 anbelangt, unverändert anzunehmen.
Wir kommen zur Abstimmung. Am weitesten geht von den hier gestellten Anträgen der Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage, den Frau Abgeordnete Kalinke begründet hat.
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu heben. - Gegenprobe! Letzteres ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann ist über den Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 882 Ziffer 2 abzustimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({0})
Wir stimmen nunmehr über den Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 880 Ziffer 2 ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu heben.
- Gegenprobe! - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. - Gegenprobe!
- Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr über § 5 in der Ausschußfassung ab. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 6 auf. Hier sind zwei Änderungsanträge angemeldet, einer von der SPD auf Umdruck Nr. 880 Ziffern 3 und 4 und einer von der KPD auf Umdruck Nr. 882 Ziffer 3.
({1})
- Der erste Änderungsantrag ist überholt. Das Wort hat der Abgeordnete Neubauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion verlangt die Streichung von § 6 Abs. 5, worin vorgesehen ist, daß für die ordentlichen Mitglieder des Verwaltungsrats in der gleichen Form Stellvertreter gewählt werden. Nach den Erfahrungen mit ähnlichen Institutionen bedeutet das praktisch, daß die Zahl der Mitarbeiter dieses Gremiums doppelt so hoch ist wie eigentlich vorgesehen. Wir wollten im Ausschuß die Zahl der Mitglieder des Verwaltungsrats möglichst klein halten. Wir waren uns darüber einig, daß Stellvertreter eigentlich nur dann wirksam mitarbeiten können, wenn sie ständig mitarbeiten. Da wir aber im Verwaltungsrat eine kleine Zahl von Mitgliedern haben wollen, glauben wird, daß Stellvertreter nicht gewählt Werden sollten. Wir vertreten vielmehr die Auffassung, daß ,wenn ein Mitglied des Verwaltungsrates aus irgendwelchen Gründen ausscheidet, die Nachwahl eines ordentlichen Mitgliedes erfolgen sollte. Es gibt ein Beispiel, das auf der gleichen Ebene liegt. Beim Bundesbahngesetz hat man davon Abstand genommen, Stellvertreter zu wählen. Ich möchte daher das Hohe Haus bitten, sich dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion anzuschließen und die Wahl von Stellvertretern in dieser Form abzulehnen.
Das Wort hat der Abgeordnete Leonhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erfahrungen der früheren Jahre haben gezeigt, daß es dringend erwünscht ist, Stellvertreter zu wählen. Ich bitte Sie, den Antrag der SPD abzulehnen.
Erfolgen weitere Wortmeldungen?
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- Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Ich stelle den Antrag, in § 6 Abs. 1 den letzten Halbsatz „die Vertreter des Bundesrates müssen der Regierung ihres Landes angehören" zu streichen. Das wäre dann eine ähnliche Fassung wie im Bundesbahngesetz. Bei diesem Gesetz haben wir uns darüber auch sehr lange unterhalten. Einer meiner Vorredner hat das sehr gut zum Ausdruck gebracht, indem er gesagt hat: Die Vertreter sollen als Sachkenner hinein. Wenn ein Land also in der Lage ist, außerhalb der Regierung einen Sachkenner für diese wichtige Aufgabe zu delegieren, dann sollte diesem Land die Möglichkeit dazu bleiben. Das schließt nicht aus, daß ebenso befähigte Vertreter innerhalb der Regierung eines Landes delegiert werden können.
Ich darf Sie bitten, diesem Antrag aus den rein sachlichen Gründen Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Cramer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag des Herrn Abgeordneten Rademacher abzulehnen. Wir haben bewußt in das Gesetz hineingeschrieben, daß die Vertreter des Bundesrats der Regierung ihres Landes, angehören müssen. Damit wollen wir erreichen, daß nicht irgendwelche untergeordnete Beamte im Verwaltungsrat erscheinen, sondern die verantwortlichen Minister oder ihre Staatssekretäre.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist schwer, die Reihenfolge zu bestimmen. - Zunächst der Antrag Rademacher zu Abs. 1. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Stimmt Ihr Antrag, Herr Abgeordneter Renner, mit dem Antrag der SPD überein?
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- Dann lasse ich abstimmen über den Änderungsantrag der SPD. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
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- Wird die Abstimmung bezweifelt?
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- Dann lasse ich die Abstimmung wiederholen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Das ist zweifelsfrei die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
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Ich lasse nunmehr über § 6 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 7. Hierzu sind zwei Änderungsanträge angekündigt: Umdruck Nr. 880 Ziffer 5 und Umdruck Nr. 882 Ziffer 4. Wer begründet den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion?
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- Der Antrag wird zurückgenommen. Der Antrag der kommunistischen Gruppe ebenfalls? - Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwar ist unser Antrag durch die vorhergehende Abstimmung über § 6 bereits erledigt,
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aber ich möchte trotzdem hier noch öffentlich auf die Tatsache hinweisen, daß man zwar im Prinzip den Gewerkschaften eine Vertretung zugestanden hat, im Endeffekt aber die Benennung der von den Gewerkschaften vorgeschlagenen Vertreter dem zuständigen Ministerium überläßt. Um das zu verhüten, hatten wir den Antrag gestellt, daß die . Vorschläge über den Bundesminister für das Post-und Fernmeldewesen der Bundesregierung einzureichen, für die Vertreter der Gewerkschaften und des Personals die doppelte Anzahl der derzeitig vorgesehenen Vertreter zu benennen und die Vorschläge der Gewerkschaften für die Bundesregierung bindend sein sollten. Sie haben, wie gesagt, diesen Antrag bereits abgelehnt. Ich wollte nur auf diese Mißachtung der Gewerkschaften hinweisen, die darin besteht, daß Sie bezüglich dieser Vertreter der Regierung ausdrücklich das Recht einer Auslese der vorgeschlagenen Personen vorbehalten.
Über Änderungsanträge ist nicht abzustimmen.
Wer für die Annahme des § 7 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; § 7 ist angenommen.
Zu § 8 liegt der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 880 Ziffern 6, 7 und 8 vor.
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- Entfällt ebenfalls. Dann lasse ich abstimmen über § 8 und § 9. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
§ 10. Dazu liegt der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 880 Ziffer 9 vor.
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- Ist ebenfalls erledigt. Dann lasse ich abstimmen über § 10 und § 11 in der Ausschußfassung. Wer für Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; diese Bestimmungen sind angenommen.
§ 12. Hierzu ist ein Änderungsantrag Leonhard und Genossen auf Umdruck Nr. 873 gestellt, aber offenbar erst zur dritten Beratung. Außerdem liegt ein Antrag Funcke und Genossen auf Umdruck Nr. 879 vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verwaltung der alten Reichspost hatte sich schon in der kaiserlichen Zeit, aber auch in der Weimarer Zeit den Ruf erworben, eine Behörde zu sein, die sich ganz besonders nach außen hin abzusperren verstehe. Darüber haben sich einige Menschen geärgert, andere haben nur lächelnd die Achseln gezuckt. Nur wer in jener Zeit zu den aus dem Postdienst hervorgegangenen Menschen gehörte, hatte das Recht, mitzureden; die anderen hatten in der Gemeinde zu schweigen.
Wir danken es dem Herrn Bundespostminister, daß er es nun unternommen hat, die Bundespost aus dieser Vereinsamung herauszuführen und in die frische Luft der Demokratie hineinzustellen. Aber der Gesetzentwurf zeigt, daß doch noch etwas von dem alten Geist der Amtsstuben übriggeblieben ist. Im Bundesbahngesetz heißt es in § 12 Abs. 1 Ziff. 9 - ich darf das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten zitieren -, daß der Verwaltungsrat beschließt über den Bau neuer Bahnen und die Durchführung grundlegender Neuerungen oder die Änderung technischer Anlagen; in Ziffer 10: über die dauernde Einstellung des Betriebes einer Bundesbahnstrecke, eines wichtigen Bahnhofes, den dauernden Übergang vom zweigleisigen zum eingleisigen Betrieb oder umgekehrt, die Stillegung oder Verlegung eines Ausbesserungswerkes oder einer sonstigen großen Dienststelle; in § 11: über die Errichtung, Verlegung, Aufhebung oder wesentliche organisatorische Änderungen einer Eisenbahndirektion oder eines zentralen Amtes der Deutschen Bundesbahn und eine wesentliche Veränderung ihres Bezirkes. Derartige Bestimmungen fehlen im Entwurf des Bundespostgesetzes fast völlig.
Wir sind nun der Meinung, daß ein Verwaltungsrat nur dann Freude an seiner Tätigkeit haben kann, wenn er nicht auf das Anhören und das Diskutieren der Regularien, des Haushaltsvoranschlags, der Abrechnung und dergleichen und auf ganz wenige andere Punkte beschränkt ist, sondern wenn er an dem Leben dieser Behörde als solchem teilnimmt. Dieses Leben aber stellt sich dar in dem Auf und Ab der Tätigkeit dieser Behörde bis in die kleinsten und entferntesten Einzelheiten des Betriebes hinein und vor allen Dingen in dem Planen und Hoffen bezüglich alles desjenigen, was sich an Neuanlagen, an technischer Ausführung und dergleichen mehr ergibt. Nur dann, wenn der Verwaltungsrat der Bundespost genau so wie der Verwaltungsrat der Bundesbahn auch an diesen Dingen teilnehmen und über sie beschließen kann, wird er in der Lage sein, sich wirklich in das innere Leben der Post einzufühlen und eine erfolgreiche Tätigkeit auszuüben.
Wir haben daher beantragt, in das Beschlußrecht nach § 12 Abs. 1 Nr. 6 aufzunehmen: „die Durchführung grundlegender Neuerungen oder Änderung technischer Anlagen".
Wir bitten das Hohe Haus, diesem unserem Antrag Umdruck Nr. 879 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Leonhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 12 enthält alles, was über die Aufgaben des Verwaltungsrats zu sagen ist. Ich bitte Sie, den Antrag Funcke und Genossen abzulehnen.
Herr Abgeordneter Ekstrand!
Herr Kollege Leonhard, ich muß ehrlich sagen, ich weiß nicht, warum Sie diesen Vorschlag ablehnen wollen. Ich hätte gerne Ihre Begründung dafür gehört. Wir selbst haben uns auch überlegt, ob man diesem Antrag zustimmen soll oder nicht. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, daß der Abs. 5 eigentlich alles beinhaltet.
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Man kann aber auch sagen, daß das, was man vielleicht unter Dienstzweig und Anlagen verstehen könnte, durch diesen Absatz besonders geklärt wird und demzufolge weder etwas wesentlich verbessert noch verschlechtert werden kann.
Ich bin der Auffassung, daß wir diesem Antrag zustimmen sollten.
Das Wort hat der Herr Postminister.
Dr.-Ing. e. h., Dipl.-Ing. Schuberth: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich eine kleine Bemerkung anfüge. Der Haushaltsvoranschlag der Deutschen Bundespost enthält praktisch den Schlüssel zu allen Dingen, die dort passieren, sowohl für die technischen Angelegenheiten als auch für den Betrieb, als auch für die Finanzen, als auch für das Personal. Beim Haushaltsvoranschlag kann jeder der Angehörigen des Verwaltungsrats von vornherein alles genehmigen oder ablehnen. Außerdem steht in § 2:
Die Anlagen der Deutschen Bundespost sind in gutem Zustand zu halten und technisch und betrieblich den Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiter zu entwickeln und zu vervollkommnen.
Ich möchte darauf hinweisen, daß damit die Möglichkeiten gegeben sind, alles, was gewünscht wird,
im Verwaltungsrat zu beschließen oder abzulehnen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Umdruck Nr. 879 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ersteres war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wer für § 12 in der nunmehrigen Fassung und für § 13 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
§ 14. Hier liegen ein Antrag Rümmele und Genossen und ein Antrag Leonhard und Genossen auf Umdruck Nr. 873 bzw. 858 vor, sie sind jedoch erst zur dritten Beratung angekündigt.
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- Wollen Sie ihn jetzt gleich stellen? Gut! Herr Abgeordneter Leonhard!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umdruck Nr. 873 enthält einen Antrag, der lediglich eine redaktionelle Änderung bedeutet, die wir im Interesse Berlins vornehmen müssen. In § 12 Abs. 1 Nr. 4 und in § 14 sind die Worte „der Deutschen Bundespost" durch die Worte „des Post- und Fernmeldewesens" zu ersetzen. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Herr Kollege Rümmele, wollen Sie Ihren Antrag auch schon begründen?
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- Erst in dritter Lesung.
Dann lasse ich über den Antrag Leonhard abstimmen. Wer dafür- ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; er ist angenommen.
Ich lasse abstimmen über den § 14 unter Berücksichtigung der soeben angenommenen Änderungen und die §§ 15 und 16 in der Ausschußfassung. Wer diese Bestimmungen annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 17 liegt ein Antrag Bausch und Genossen auf Umdruck Nr. 881 Ziffer 1 vor. Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß war zur Mitberatung des Postverwaltungsgesetzes berufen. Er hat sich in einer sehr eingehenden Beratung mit den Paragraphen des Gesetzes befaßt, die das Haushalts- und Finanzwesen betreffen, und ist dabei zu Ergebnissen gekommen, die im Nachtrag zum Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Post-und Fernmeldewesen auf Seite 1 wiedergegeben sind. Der Antrag Umdruck Nr. 881 enthält ebenfalls den Niederschlag der Beratungen des Haushaltsausschusses. Er ist eingebracht worden, weil sich die Kollegen des Postausschusses nicht in der Lage gesehen haben, den Wünschen des Haushaltsausschusses in vollem Umfange beizutreten. Der Postausschuß hat zwar die Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 881 akzeptiert; aber die Mitglieder des Haushaltsausschusses stehen auf dem Standpunkt, daß die von ihnen erarbeiteten Vorschläge so wesentlich sind, daß sie den Versuch machen, diesen Antrag im Hause durchzusetzen. Ich habe zur Begründung folgendes zu sagen.
Die Bundespost ist, welches immer ihre haushaltsrechtliche Behandlung im einzelnen sein mag, ein Teil der öffentlichen Verwaltung. Die Mittel, die sie bewegt, sind ein Teil der öffentlichen Finanzwirtschaft, und ich' glaube, das Parlament muß Wert darauf legen, daß sich dieser Teil der öffentlichen Finanzwirtschaft im Rahmen der gesamten Finanzpolitik bewegt. Wir sind deshalb zu der Überzeugung gekommen, daß die Vorschläge, die der Postausschuß in diesem Punkte gemacht hat und die in den Abänderungen der Vorlage Nr. 4204 enthalten sind, den tatsächlichen Bedürfnissen der öffentlichen Finanzverwaltung nicht Rechnung tragen. Insbesondere glauben wir, daß es notwendig ist, daß bei der Aufstellung des Haushalts der Bundespost, die ein Sondervermögen darstellt, ein Einvernehmen zwischen dem Herrn Minister für das Post- und Fernmeldewesen und dem Herrn Bundesfinanzminister hergestellt wird. Deshalb schlagen wir in Ziffer 1 unseres Antrags vor, in § 17 Abs. 4, § 20 Abs. 5 und § 34 Abs. 5 das Wort „Benehmen" durch das Wort „Einvernehmen" zu ersetzen.
Warum kommen wir zu diesem Vorschlag? Gegen die Auffassung, die von den Mitgliedern des Haushaltsausschusses vertreten worden ist, ist eingewandt worden, daß dadurch das Haushaltsrecht des neuen Verwaltungsrats eingeschränkt werde.
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Ich muß dieser Auffassung entschieden widersprechen. Was hier beabsichtigt wird, berührt die Aufgabe des Verwaltungsrats überhaupt nicht; es verpflichtet ,lediglich die Minister der beteiligten Ressorts, auf ihrer Ebene zu einem Einvernehmen über den Voranschlag zu kommen, der dem Verwaltungsrat vorgelegt werden soll.
Der Verwaltungsrat seinerseits ist durch diese Vorschläge überhaupt nicht berührt. Es ist nach unserer Auffassung selbstverständlich, daß der Herr Bundesfinanzminister als derjenige, der für die gesamte Finanzmasse, die in der öffentlichen Hand bewegt wird, verantwortlich ist, eine Möglichkeit haben muß, in einer nachdrücklichen Form an der Gestaltung des Haushalts der Bundespost beteiligt zu sein. Die Notwendigkeit, zu einem Einvernehmen zu gelangen, ehe der Voranschlag des Postministers an den Verwaltungsrat gelangt, zwingt die beiden Herren, sich zu verständigen, damit sie nicht bei jeder Gelegenheit ihre Konflikte vor das
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Kabinett tragen müssen und damit sie als Repräsentanten der Bundesregierung dem Verwaltungsrat gegenüber eine einheitliche politische und finanzpolitische Linie vertreten. Ich glaube, wir sollten als Parlament Wert darauf legen, daß, wie immer wir die wirtschaftlichen und technischen Aufgaben der ,Bundespost beurteilen, in den finanzpolitischen Fragen das Einvernehmen der Ressorts mit dem Bundesfinanzminister sichergestellt ist.
Nun zu dem Vorschlag in Ziffer 3 bezüglich der außerplanmäßigen und überplanmäßigen Ausgaben. Hier sind wir im Haushaltsausschuß bewußt davon ausgegangen, daß kleine über- und außerplanmäßige Ausgaben keiner besonderen Behandlung bedürfen, sondern daß dort, wo es sich um wesentliche über- und außerplanmäßige Ausgaben handelt -„wesentliche" sind nach der Definition des Haushaltsausschusses solche, die das Gefüge des Gesamthaushalts unmittelbar berühren -, der Bundesfinanzminister ein Genehmigungsrecht haben soll.
Wir bitten das Hohe Haus, diesen Vorschlägen zuzustimmen, weil wir von der Auffassung ausgehen, daß die Bundespost ein integrierender Bestandteil der gesamten öffentlichen Finanzwirtschaft ist und bleiben soll.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Einvernehmen mit meinem Herrn Kollegen, dem Herrn Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, darf ich bitten, den Antrag, der sich um das Wort „im Einvernehmen" oder „im Benehmen" dreht - Umdruck Nr. 881 Ziffer 1 -, anzunehmen. Jeder Verdacht, daß der Finanzminister etwa zu den Aufgaben, die er hat, sich noch unnötige Aufgaben anmaßen will, dürfte dann beseitigt sein,
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wenn Sie hören, was die Verwaltungsvereinbarung vorsieht, die zwischen dem Herrn Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen und dem Bundesminister der Finanzen abgeschlossen worden ist. Sie wurde ja dem Haushaltsausschuß bereits bekanntgegeben. Die entscheidende Bestimmung lautet:
Die Mitwirkung des Bundesministers der Finanzen bei der Haushaltsführung, der Finanzwirtschaft der Deutschen Bundespost beschränkt sich danach auf die Sicherstellung
a) der Beachtung der allgemeinen, auch für den übrigen Bundeshaushalt geltenden Verwaltungsgrundsätze, insbesondere auf dem Gebiet der Beamtenbesoldung und des Aufbaues des Stellenplans, soweit es die Eigenart der Deutschen Bundespost als Betriebsverwaltung zuläßt,
b) der Ablieferung der Deutschen Bundespost an den Bund,
c) der Beachtung der Grundsätze, die für die Finanzpolitik des Bundes gelten, soweit sie sich bei der Deutschen Bundespost als Betriebsverwaltung des Bundes durchführen lassen.
Niemand wird bestreiten wollen, daß die Mitwirkung des Bundesfinanzministers bei der Beachtung der allgemeinen, auch für den übrigen Bundeshaushalt geltenden Verwaltungsgrundsätze eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, ebenso seine Mitwirkung bei der Erfüllung der Verpflichtung, die gesetzlich dem Bundeshaushalt gegenüber besteht, also der Ablieferungsverpflichtung, und bei der Beachtung der Grundsätze, die für die Finanzpolitik des Bundes schlechthin gelten. Selbst unabhängige Körperschaften wie etwa die Bundesnotenbank und dergleichen sind gesetzlich gehalten, sich in die allgemeine Wirtschaftspolitik einzufügen. Es ist wie bei jedem Sondervermögen an sich eine Selbstverständlichkeit, daß die allgemeinen finanzpolitischen Grundsätze des Bundes für sie als Bundesverwaltung mit gelten. Nachdem hierüber ein volles Einvernehmen zwischen den beteiligten Ressorts erzielt ist, würde ich sehr wünschen, daß sich dieses Einvernehmen durch eine einvernehmliche Abstimmung des Bundestags zugunsten dieses Antrags nach außen dokumentierte.
Das Wort hat der Abgeordnete Cramer.
Cramer ({0}),: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich eben recht gehört habe, hat der Herr Finanzminister hier im Einvernehmen mit dem Herrn Bundespostminister gesprochen. Ich kann natürlich nicht beurteilen, inwieweit dieses Einvernehmen heute schon vorhanden ist. Aber ich kann mich erinnern, daß wir uns im Ausschuß eigentlich, wie soll ich sagen, auf Wunsch der beteiligten Kreise, mindestens des Ministeriums, zu diesem Entschluß durchgerungen haben, es nicht bei dem Einvernehmen zu lassen, wie es im Regierungsentwurf steht, sondern zunächst einmal überhaupt Einvernehmen und Benehmen zu streichen. Wir sind zu dieser Auffassung gekommen, weil die Praxis, zumindest in der Vergangenheit, gezeigt hat, daß das Herbeiführen des Einvernehmens doch recht schwierig war und zu sehr starken Verzögerungen innerhalb der Verwaltung geführt hat.
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Der Voranschlag der Deutschen Bundespost für das Jahr 1952 ist vom Herrn Bundesfinanzminister erst Anfang März dieses Jahres genehmigt worden. Nun, die Deutsche Bundespost ist ein wirtschaftliches Unternehmen, das nach kaufmännischen Grundsätzen geleitet werden soll, und da kann die Verwaltung nicht ein ganzes Jahr lang in Unsicherheit darüber bleiben, welche Ausgaben geleistet werden dürfen oder nicht.
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Die für Bauten vorgesehenen Beträge müssen doch möglichst im Frühjahr bzw. Frühsommer zur Verfügung gestellt werden, damit mit der Ausführung derartiger Vorhaben überhaupt noch in diesem Rechnungsjahr angefangen werden kann.
Man hat diese Einwendungen auch vorn Haushaltsausschuß aus nicht entkräften können, sondern man hat lediglich gesagt, es müsse eine einheitliche Finanzverwaltung aufrechterhalten bleiben. Das wird auch von niemandem bestritten. Es bleibt ja nach wie vor dem Finanzminister unbenommen, sich zu jeder Zeit mit seinen Wünschen und Forderungen an den Bundespostminister zu wenden oder, wenn sie zu keiner Einigung kommen, das Kabinett zur Entscheidung anzurufen.
Die beiden Minister haben jetzt ein Verwaltungsabkommen getroffen. Nun, ein solches Verwaltungsabkommen hat keine Rechts- und keine Gesetzeskraft und gilt auch nur so lange, wie diese
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beiden Herren im Amt sind. Was geschieht, wenn nun an die Stelle des Herrn Schuberth ein anderer Postminister und an die Stelle von Herrn Schäffer ein anderer Finanzminister kommt? Dann gilt dieses Verwaltungsabkommen nicht. Dann kann der Krieg wieder auf der Ministerialratsebene vor sich gehen.
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Wir sind davon überzeugt, daß Herr Dr. Schuberth und Herr Schäffer sich auch in der großen Linie einig sind. Wir wissen aber, daß es auf der unteren Ebene nicht der Fall ist. Da sagt man - das ist in der Vergangenheit geschehen - der Bundespost etwa: Ihr habt jetzt Geld genug ausgegeben für den Ausbau des Fernsprechwesens,
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jetzt macht einmal etwas für Kraftfahrzeuge
- nicht wahr, Herr Dr. Wellhausen! ({6})
oder baut Postämter oder ähnliche Dinge. Das sind doch Dinge, die die Post von sich aus entscheiden soll und über die in Zukunft der Verwaltungsrat entscheiden soll und nicht etwa ein Ministerialrat oder ein Regierungsdirektor im Bundesfinanzministerium. In der Vergangenheit war das so, für die Zukunft möchten wir es aber verhindern. Wir wünschen, daß bei der Aufstellung des Voranschlages
- darum handelt es sich hier - nicht das Einvernehmen des Bundesfinanzministers eingeholt werden muß. Vielmehr soll es genügen, daß sich der Bundespostminister mit dem Bundesfinanzminister ins Benehmen setzt. Entweder einigen sich dann diese beiden auf der Ebene des Benehmens oder sie müssen schon in diesem ersten Stadium an das Kabinett gehen.
Aber ich möchte Sie auf etwas anderes aufmerksam machen, meine Damen und Herren. In § 12 des neuen Verwaltungsgesetzes haben wir das Budgetrecht der Deutschen Bundespost dem Verwaltungsrat übertragen. Es heißt dort:
Der Verwaltungsrat beschließt . . . über
1. die Feststellung des Voranschlags einschließlich etwaiger Nachträge und die zugehörige Entlastung,
2. die nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben, . . .
Wenn die Mitglieder dies Haushaltsausschusses befürchten, daß ihre Rechte angetastet werden, dann möchte ich dem entgegenhalten, daß der Voranschlag der Deutschen Bundespost bisher nicht im Haushaltsausschuß und auch hier im Bundestag nicht behandelt worden ist, sondern daß er uns nur zur Kenntnis gegeben wurde. Das ist durchaus richtig; denn der Voranschlag der Deutschen Bundespost ist genau so wie der Wirtschaftsplan oder der Voranschlag der Deutschen Bundesbahn nicht ein Teil unseres Gesamthaushalts, sondern diese beiden Vermögen sind bekanntlich als Sondervermögen ausgegliedert. Sie werden gesondert verwaltet, und zwar nach kaufmännischen Grundsätzen. Sie müssen sich auch selbst tragen. Sie sollen sogar noch einen Teil ihres Umsatzes abliefern, und die Deutsche Bundespost 'hat das bisher treu und brav getan. Sie hat ihre 150 Millionen DM, manchmal sogar mehr als 150 Millionen DM, im Jahr abgeliefert.
Meine Damen und Herren, wir sind der Auffassung, daß dem Verwaltungsrat das Recht zugestanden werden sollte, was ihm nach diesem neuen Gesetz zugestanden worden ist, nämlich ,das Recht der endgültigen Beschlußfassung über den Voranschlag, und das kann nur Sinn haben, wenn ihm der Voranschlag rechtzeitig zu Beginn des Rechnungsjahres vorgelegt wird und nicht erst, nachdem sich die beiden Herren Minister neun Monate lang gestritten haben, ob sie diesen Voranschlag genehmigen wollen oder nicht. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, den von Mitgliedern des Haushaltsausschusses gestellten Antrag nicht anzunehmen, sondern es bei der Ausschußfassung zu belassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal klarstellen, in welcher Eigenschaft wir hier eigentlich miteinander debattieren. Der Herr Kollege Cramer spricht offenbar in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Fachausschusses. Ich rede als Sprecher meiner Fraktion, die gestern mit großer Mehrheit beschlossen hat, sich die Argumente des Haushaltsausschusses zu eigen zu machen. Ich glaube, es ist gut, daß man in solchen Sachfragen verschiedener Meinung sein kann, nicht wahr,
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und ich möchte deshalb nachdrücklich noch einmal den Standpunkt vertreten - im Namen meiner Fraktion! -, den ich vorhin vertreten habe.
Der Herr Kollege Cramer wehrt sich vergeblich dagegen, daß etwa der Haushaltsausschuß seine Rechte verteidige. Es ist in der Tat so, daß der Haushaltsausschuß gar kein Recht zu verteidigen hat; denn es wird genau so bleiben wie bisher, daß der Haushalt der Bundespost dem Parlament nicht zur Beratung im einzelnen vorgelegt wird, sondern daß er tatsächlich vom Verwaltungsrat der Bundespost verabschiedet wird. Es kommt uns darauf an, daß sich der Bundespostminister und der Bundesfinanzminister im Stadium der Ausarbeitung des Haushaltsplans der Bundespost verständigen müssen. Ich glaube, die Sorge, die die Kollegen vom Postausschuß haben, daß dieser Zwang zum Einvernehmen eine ungebührliche Verzögerung bei der Aufstellung oder Verabschiedung des Haushaltsplans mit sich bringt, ist unbegründet.
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- Das ist einfach nicht richtig, Herr Kollege Leonhard. Wir alle waren in den letzten Jahren mit unserem Haushalt in Verzug; das wissen Sie genau so gut wie wir, und dafür, daß diese Übergangsperiode möglichst schnell abgeschlossen werden konnte, haben wir alle hier im Hause irgendwie mitgearbeitet. Ich glaube, das ist auch beim Haushalt der Bundespost der Fall. Also ist hier gar
keine Sorge deswegen notwendig, daß die Schwierigkeiten der Bundespost etwa durch den Zwang zum Einvernehmen vergrößert werden könnten.
Im übrigen will ich Ihnen eines konzedieren - aber das ist eine Frage, die man intern bei der Post einmal klären müßte -: Die Post ist in der Tat ein Wirtschaftsbetrieb, und manche Dinge in der Verwaltung der Post - aber das hängt nicht mit dem Haushalt zusammen - sind noch etwas zu stark
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fiskalisch gefärbt. Ich glaube, man könnte innerhalb des Postbetriebs einige kleine klimatische Verbesserungen anbringen, so daß die Post etwas beweglicher wäre, wenn es sich darum handelt, bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Vielleicht müssen wir dafür einmal gesetzliche Regelungen treffen. Wir sollten aber jetzt nicht den Grundsatz durchbrechen, daß die öffentliche Finanzmasse eine Einheit darstellt und daß dabei der Bundesfinanzminister auch ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Darum geht es uns bei unserem Antrag.
Das Wort hat der Abgeordnete Kern.
Kern ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir als Berichterstatter, kurz noch ein Wort zu dieser Angelegenheit zu sagen. Ich bedauere, daß ich beim Aufruf dieses Punktes nicht da war, weil wir noch eine Besprechung hatten. Ich möchte mich deshalb entschuldigen.
Die Ausführungen, die der Vorsitzende des Postausschusses gemacht hat, möchte ich in allen Punkten unterstreichen.
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Ich möchte besonders darauf hinweisen, daß wir diese Frage im Ausschuß eingehend und ausgiebig beraten haben. Wir sind nicht auf unserem Standpunkt stehengeblieben, um dem Haushaltsausschuß querzuliegen oder einen Possen zu spielen, sondern deshalb, weil wir der Auffassung sind, daß die Post nicht mit der Bundesbahn zu vergleichen ist und daß wir ihr unter allen Umständen die Möglichkeit geben und die Freiheit lassen müssen, ihre Tätigkeit so auf unsere Wirtschaft abzustellen, daß sie sich .den Veränderungen der Wirtschaft schnell anpassen kann. Ich verweise auch auf die Beratungen des Nachtrags, wo ich zu diesem Punkt ausdrücklich Stellung genommen habe.
Man kann der Meinung sein, daß das „Benehmen" ausreicht; man kann der Meinung sein, daß „Einvernehmen" notwendig ist. Ich möchte aber sagen, daß der Bundespostminister und der Bundesfinanzminister sich gegenseitig ausgesprochen und für beide Fälle ein Verwaltungsabkommen vorbereitet haben. Wenn dieses Hohe Haus das „Einvernehmen" beschließt, dann werden sie dementsprechend ein Verwaltungsabkommen schließen; wenn es zu einem „Benehmen" kommt, werden sie auch dementsprechend ein Verwaltungsabkommen schließen.
Wenn wir im Auschuß aber der Meinung waren, daß das nicht ausreicht, dann hat das ganz triftige Gründe. Ich möchte noch auf folgendes hinweisen. Wenn wir jetzt zum „Einvernehmen" kommen - das muß einmal gesagt werden -, dann stellen wir den Zustand wieder her, der während der Nazizeit durch das Vereinfachungsgesetz geschaffen worden ist.
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Der frühere Staatssekretär Sauer vom Postministerium hat uns in den Beratungen ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das frühere Reichspostverwaltungsgesetz ausgezeichnet funktioniert hat. Wir wünschen deshalb, daß dem Bundespostministerium diese Freiheit wiedergegeben wird. Wir wollen nicht den Zustand der Nazizeit verewigen.
Wir sind auch der Meinung, daß das Budgetrecht beim Verwaltungsrat liegen muß. Wir können nicht zwei Budgetträger haben, den Finanzminister und den Verwaltungsrat.
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Es steht in der Vorlage nicht drin, was geschieht, wenn diese beiden nicht übereinstimmen. Hier ist noch eine Frage offen.
Ich bitte deshalb die Damen und Herren des Hohen Hauses, sich dafür einzusetzen, daß wir - wie der Ausschuß einstimmig empfohlen hat - das „Benehmen" und nicht das „Einvernehmen" beschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Leonhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade die Beratung des Postverwaltungsgesetzes hat uns gezeigt, daß es außerordentlich schwer ist, das „Einvernehmen" herzustellen selbst unter so guten Freunden, wie es doch zweifellos die beiden Herren Minister sind. Wenn im Gesetz steht: „im Einvernehmen" und die beiden Herren Minister können dieses Einvernehmen nicht erzielen, was geschieht dann?
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- Das können sie auch tun, wenn es „im Benehmen" heißt; das haben Sie ja vorhin schon gesagt, Herr Kollege Schoettle.
Es ist keineswegs so, daß der Postausschuß aus Sturheit diese Meinung vertritt oder daß sich hinter seiner Auffassung irgendwelche besonderen Gründe verbergen, wie Sie es vielleicht vermuten möchten, vielmehr haben die Beratungen gezeigt, daß es notwendig ist, bei (der Formulierung „im Benehmen" zu bleiben.
Ich glaube, wir vergessen in diesem Hause teilweise, was in § 2 des Gesetzes eindeutig festgelegt ist: Der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen ist dafür verantwortlich, daß die Deutsche Bundespost nach den Grundsätzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere der Verkehrs-, Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik verwaltet wird. Es besteht ein Unterschied zwischen Bundesbahn und Bundespost. Die Bundesbahn hat keinen Minister; dagegen hat die Bundespost einen Minister, der uns hier verantwortlich ist.
Ich bitte Sie deshalb dringend, bei der Ausschußfassung, also der Formulierung „im Benehmen" zu bleiben. Denn wir wissen alle, ein gutes Benehmen ist besser als ein schlechtes Einvernehmen.
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur eine sachliche Feststellung treffen. Es ist davon gesprochen worden, der Voranschlag 1952 habe sich dadurch verzögert, daß das Bundesfinanzministerium sein Einvernehmen nicht rechtzeitig mitgeteilt hatte. Ich stelle folgendes fest: der Voranschlag ist dem Bundesfinanzministerium am 31. Juli 1952 vorgelegt worden. Unter den beiden Häusern haben dann fünf Sitzungen stattgefunden, die letzte am 21. August 1952. Bereits unterm
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15. September 1952 ist dem Bundespostministerium die grundsätzliche Bereitschaft zur Genehmigung des Haushaltsplans mitgeteilt worden.
Ich hätte mich mit diesen Bemerkungen begnügt, wenn ich nicht hätte feststellen müssen, daß in der Debatte die Begriffe „im Einvernehmen" und, „im Benehmen" vollkommen verkannt worden sind. Mit dem Verwaltungsrat hat es gar nichts zu tun. Der Haushaltsvoranschlag wird so, wie er durch das Kabinett und die Ressorts gegangen ist, dem Verwaltungsrat vorgelegt, und der entscheidet darüber, gleichgültig ob das „im Benehmen" oder „im Einvernehmen" gewesen ist. Wenn Sie aber wünschen, meine Damen und Herren, daß die Minister und nicht die Referenten die Entscheidung treffen, müssen Sie sich für die Formulierung „im Einvernehmen" einsetzen. Denn wenn es „im Einvernehmen" geschehen ist, haben sich die beiden Minister geeinigt, und die Referenten haben kein Katz-und-Maus-Spiel vor den Ausschüssen mehr aufzuführen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Bausch und Genossen auf Umdruck Nr. 881 Ziffer 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Wer für § 17 in der geänderten Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. § 17 ist in der geänderten Fassung angenommen.
§ 18, - § 19. - Wer für die Annahme dieser beiden Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; diese Bestimmungen sind angenommen.
§ 20. Dazu liegt der Antrag Bausch und Genossen auf Umdruck Nr. 881 Ziffer 1 vor.
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- Das ist dieselbe Sache wie bei § 17. Sie brauchen wohl keine Redeschlacht darüber zu veranstalten. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
§§ 21, - 22, - 23, - 24, - 25, - 25 a. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. Das ist die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 26 Antrag Hübner und Genossen auf Umdruck Nr. 876. Herr Abgeordneter Hübner, wollen Sie den Antrag begründen? - Frau Kalinke hat das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 876.
Der Antrag, der identisch ist mit dem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei, den ich heraufgereicht habe, bei § 26 den Abs. 2 zu streichen, bezieht sich auf die Wiederherstellung einheitlichen Rechts im Bundesgebiet und in Berlin. Wenn wir diesen Antrag wiederholen, nachdem schon in der ersten Lesung darüber eine Debatte stattgefunden hat, dann deshalb, weil wir nicht davon ablassen können, immer wieder zu betonen, daß die wirkliche Einbeziehung Berlins de jure und in der Praxis in die Einheit der Bundesregierung und des Bundesgebietes notwendigerweise nur dadurch gelöst werden kann, daß Berlin auf allen Gebieten gleiches deutsches Recht übernimmt. Ich
habe gerade heute in der Zeitung von der übergroßen Haushaltssorge der Stadt Berlin gelesen. Ich glaube, daß gerade die vielen Sorgen, die sich aus dem Experiment der Versicherungsanstalt Berlin und dem ewigen Loch im Haushalt Berlins auf Grund ihrer Krankenversicherungsanstalt ergeben, - ({0})
- Ich weiß nicht, ob die Sorgen Sie zum Lachen bringen, Herr Schellenberg! Sie immerhin sind mit verantwortlich für mancherlei Schwierigkeiten, die dann so bald mit dem Namen Koalitionskrise Berlin an die Wand gemalt werden. Ich glaube, hier könnten Sie, wenn Sie gemeinsames deutsches Recht verwirklichen wollen, dafür sorgen, daß zunächst bei der Einrichtung der Betriebskrankenkasse der Bundespost alle Arbeiter und Angestellten der Bundespost gemeinsam das Risiko tragen und es von der Krankenversicherungsanstalt Berlin nehmen; das ist die Solidarhaftung der gesamten Arbeitnehmer, von der Sie doch soviel halten.
Die Frage geht aber um mehr als nur um das Problem der Betriebskrankenkasse der Bundespost. Es geht um die Grundsatzfrage, ob einem Arbeitnehmer in Deutschland ein Recht oder ein Vorzug, den der andere hat, vorenthalten werden darf. Wenn Sie ehrlich gleiches Recht für alle Deutschen wollen, wenn Sie nicht aus anderen oder hintergründigen Ursachen diesen Antrag ablehnen, dann müssen Sie den Antrag zu § 26 Abs. 2 annehmen und den Abs. 2 streichen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Neubauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den Antrag, den die Abgeordnete Fr au Kalinke soeben begründet hat, hat sie heute nicht das erste Mal gestellt. Vor ziemlich genau einem Monat im Zusammenhang mit den Beratungen über die Handwerksordnung ist dieser Antrag schon einmal von der Abgeordneten Frau Kalinke und einer großen Zahl ihrer Freunde gestellt worden. Die Mehrheit dieses Hauses hat sich genau vor einem Monat aus begreiflichen Gründen gegen diesen Antrag entschieden.
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Die sozialdemokratische Fraktion kann es nicht verhindern, daß die Kollegin Frau Kalinke bis zum heutigen Tage noch nicht begriffen hat, worum es dabei geht. Aber wir hoffen und glauben, daß die Mehrheit dieses Hauses ihre Entscheidung, die vor vier Wochen getroffen worden ist, heute wiederholen wird, und zwar - das möge die Kollegin Frau Kalinke zur Kenntnis nehmen - im Interesse Berlins.
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Wir glauben, als Berliner Abgeordnete dass besser beurteilen zu können als die Kollegin Frau Kalinke, und wir hoffen, daß die Mehrheit dieses Hauses die politischen Hintergründe dieses Antrags erkennt und ihn ablehnt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch namens meiner
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politischen Freunde bitte ich, den Antrag Umdruck Nr. 876 abzulehnen.
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- Der größte Teil der CDU, Frau Kalinke! - Wenn wir bei Schaffung des Selbstverwaltungsgesetzes bei der Aufgliederung der VAB die Krankenversicherung in der dortigen Form beibehalten haben, dann war es die besondere politische und wirtschaftliche Situation, die wir damals in Berlin vorfanden. Diese politische und wirtschaftliche Situation, die damals unseren Beschluß beeinflußt hat, ist nach meinem Dafürhalten in der Zwischenzeit noch verschärft worden. Infolge des Zustroms der Ostzonenflüchtlinge ist die Situation in Berlin derart schwierig, daß man es, auch soweit die Krankenversicherung in Frage kommt, Frau Kalinke, bei dem jetzigen Zustand belassen sollte.
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Ich bitte daher, den Antrag Umdruck Nr. 876 abzulehnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Neubauer hat hier als Berliner Abgeordneter gesprochen. Gestatten Sie mir, daß ich ebenfalls als Berliner Abgeordneter zu dieser Frage Stellung nehme.
Ich bitte doch, die Frage nun einmal wirklich ganz nüchtern zu behandeln. Überlegen Sie bitte: wenn der Abs. 2 bestehen bleibt, muß damit gerechnet werden, daß Sie Postangehörige in Berlin haben, die unter verschiedenen Versicherungsbedingungen versichert sind. Das ist, glaube ich, kein erfreulicher Zustand. Denn Sie müssen ja damit rechnen, daß Angehörige der Bundespost nach Berlin überwechseln und umgekehrt, und zwar nur als Abgeordnete, nicht als Versetzte; im letzteren Fall wäre die Sachlage wohl anders. Sie schaffen also hiermit tatsächlich das Bild von zweierlei Versicherungsrecht auf dem gleichen Berufsboden. Das bitte ich doch einmal zu beachten.
Dann sagte der Kollege Arndgen, daß die Situation sich noch versteift habe. Nun, ganz so scheint es mir auf dem Gebiet der Krankenversicherung doch nicht zu sein. Denn als in Berlin der Beschluß gefaßt wurde, die Regulierung dieser Frage noch etwas anstehen zu lassen, da war die Zahl der Arbeitslosen immerhin wesentlich höher als jetzt. Sie ist erfreulicherweise in diesem Zeitraum um ungefähr 50 000 heruntergegangen. Das macht sich natürlich auch in der Belastung für die Krankenversicherungsanstalt doch sehr günstig bemerkbar. Wir wollen auch diese Tatsache nicht außer acht lassen. Ich glaube, auch nicht, daß die Situation schwieriger geworden ist, schon deshalb nicht, weil doch - ich glaube, hier richtig unterrichtet zu sein - die KVA Berlin eine freiwillige Weiterversicherung derjenigen, die mehr als 750 DM Einkommen haben, zu Sätzen ermöglicht hat, die wesentlich unter den Sätzen liegen, die bis dahin gefordert wurden.
Meine Damen und Herren, die Berliner Postangehörigen erwarten dringend eine vorbehaltlose Eingliederung in 'die Bundespost.
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Wir haben hier die Möglichkeit, diesen immer wieder geäußerten Wunsch, der übrigens auch von der ganzen Berliner Bevölkerung immer wieder vorgetragen wird,
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nämlich, daß wir eine Eingliederung in den Bund vorbehaltlos vornehmen, auf einem Teilgebiet zu erfüllen. Wir sehen keine Gründe, diese Möglichkeit nicht auszunutzen.
Ich bitte Sie daher, dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. - Ach, Verzeihung, Frau Kalinke. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich frage hier diejenigen, die diesen Antrag ablehnen, ob sie in. der Lage sind, zu erklären, welche Mehrkosten der Krankenversicherungsanstalt Berlin, dem Haushalt Berlin, dem Vertriebenen-Etat oder den Flüchtlingen, die hier unnötigerweise strapaziert worden sind, erwachsen oder welche Mittel ihnen entzogen werden, wenn hier für die Postbetriebskrankenkasse in Berlin dasselbe Recht all den Postangehörigen gegeben wird, von denen mein Kollege eben gesprochen hat.
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Ich frage Sie, besonders auch den Herrn Kollegen Arndgen, ob nicht seinerzeit bei den Beratungen zum Selbstverwaltungsgesetz und bei den Vereinbarungen, die der Herr Arbeitsminister mit dem Senator für Arbeit in Berlin _getroffen hat, „zur Zeit" hinzugefügt war. Das ist schon eine ganze Weile her. Ich bitte Sie jetzt, festzustellen, welche Probleme in Berlin „zur Zeit" so schwierig geworden sind, daß durch das Herausnehmen der Arbeiter der Bundespost in Berlin oder der Landespost Berlin finanzielle Schwierigkeiten entstehen. Wenn Herr Schellenberg in der Lage ist, das zu erklären -- er kann ja sonst sehr schön über den Daumen peilen -, werde ich mich von ihm sehr gern überzeugen lassen.
Keine Wortmeldungen? - Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer für den Antrag ist, den Frau Abgeordnete Kalinke gestellt hat, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für §§ 26 und 27 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 28 ist ein Antrag der FDP auf Umdruck Nr. 883 angekündigt. Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im § 28 Abs. 1 ist vorgesehen, daß die Stellen der Präsidenten der Oberpostdirektionen im Benehmen mit den Regierungen der Länder, deren Bereich wesentlich berührt wird, besetzt werden sollen. Meine Fraktion vermag nicht einzusehen,
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daß man hier die Bestimmung der Präsidenten durch Einflußnahme der Länder vornehmen will. Ich glaube, daß man einer Verwaltung, deren Funktionsfähigkeit weitgehend durch technische
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Rücksichten bestimmt ist, nicht die Einschränkung auferlegen kann, nun auch noch besondere Wünsche der Länder zu berücksichtigen. Das wird schon technisch unmöglich sein. Bei der heutigen Personallage ist es schwerlich möglich, geeignete Kräfte gerade für diese oberen Stellen zu finden.
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- Aber Herr Neubauer, bitte, seien Sie doch sachlich! Sie sagen, ich werde nicht vorgeschlagen. Ich meine, das ist doch eine Unterstellung, die den Ansprüchen dieses Hohen Hauses wirklich nicht gerecht wird. Ich möchte Ihre Unterstellung mit allem Nachdruck zurückweisen. Ich glaube, dieses Hohe Haus verdient ein anderes Niveau als derartige Unterstellungen.
Ich möchte Sie bitten, dem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen und den Abs. 1 des § 28 zu streichen.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für §§ 28, 28 a, 29, 30, 31 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Bestimmungen sind an-angenommen.
§ 32 entfällt.
Ich lasse über § 33 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 34 liegt der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 881 Ziffern 2 und 3 vor. Der Antrag ist schon begründet. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Änderungsantrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Ersteres war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
§ 34 in der geänderten Fassung, - § 35, - § 35 a,
- § 36, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; diese Bestimmungen sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
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- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Rademacher!
Meine Damen und Herren! Unter Hinweis auf die Geschäftsordnung beantrage ich Aussetzung der dritten Lesung.
Habe ich Sie recht verstanden, Herr Kollege Rademacher: Sie beantragen nicht Aussetzung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt, Sie widersprechen der dritten Lesung heute, und zwar im Hinblick auf die Frist von 48 Stunden, die die Geschäftsordnung für den Fall vorsieht, daß in zweiter Lesung Abänderungen beschlossen worden sind?
({0}) Dieser Antrag muß von 10 Mitgliedern des Hauses unterstützt werden. Wird dieser Antrag unterstützt? Die erhobenen Hände reichen nicht aus.
Wir können die dritte Beratung unmittelbar vornehmen. Ich eröffne die allgmeine Aussprache zur dritten Beratung. Wortmeldungen liegen zur allgemeinen Aussprache nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
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- Zur allgemeinen Aussprache?
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- Meine Damen und Herren, warum denn diese Aufregung! Herr Abgeordneter Renner, wozu erbitten Sie das Wort? Zur allgemeinen Aussprache?
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-- Ich hatte die Wortmeldung nicht wahrgenommen. Ich glaube nicht, daß das Haus mich darauf festnageln will, daß ich die allgemeine Aussprache schon geschlossen hatte; denn die Wortmeldung war offenbar vorher erfolgt.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die allgemeine Aussprache eine Redezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus hat so beschlossen.
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir lehnen die Gesetzesvorlage ab. Zur Begründung unserer Stellungnahme gestattten Sie mir einige kurze Ausführungen.
Ich beginne mit dem Herrn Kollegen Schoettle, der hier die Formulierung geprägt hat, daß „die öffentliche Finanzmasse eine Einheit darstellen" solle. Er hat dafür plädiert, dem Herrn Bundesfinanzminister bei der Aufstellung des Haushaltsplans, des Voranschlags für die Bundespost größere Rechte einzuräumen. Wenn man diesen Gedanken bejaht, Herr Schoettle, dann gibt es eigentlich nur einen einzigen richtigen Lösungsgedanken, nämlich den, die im Jahre 1924 unter den damaligen Ausnahmebedingungen geschaffene Regelung abzulehnen, das Vermögen der Reichspost aus dem allgemeinen Reichsvermögen herauszunehmen und daraus ein Sondervermögen zu machen. Diese Maßnahme wurde damals - nach der Inflation - in der Absicht getroffen, das Reich von einer finanziellen Unterstützung der Bundespost zu befreien. Sie hatte aber auch noch den anderen Zweck, die Bundespost in die Lage zu bringen, Anleihen aufzunehmen. Die Schaffung des „Sondervermögens" war also nichts anderes als eine Garantie für die damals aufgenommenen Darlehen. Das muß man beachten, wenn man die Dinge richtig beurteilen will.
Dann einige andere Gedanken! In § 25 dieses Gesetzes ist festgelegt, daß die Vergütungen, die Löhne und die Arbeitsbedingungen der Angestellten und Arbeiter der Deutschen Bundespost auf Grund tariflicher Vereinbarungen geregelt werden sollen, die mit den zuständigen Gewerkschaften zu treffen sind. Ich wundere mich nun über die in dem Paragraphen enthaltene Einschränkung der Möglichkeiten für einen erfolgreichen Kampf der zuständigen Gewerkschaften um ausreichende Löhne
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und Gehälter bei der Bundespost. Wenn man nämlich hier konzediert, daß die Vereinbarungen zwischen Bundespost und 'Gewerkschaft im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister und dem Bundesinnenminister getroffen werden müssen, soweit es sich um Regelungen handelt, die über den allgemeinen Rahmen der Besoldung der Beamten und Angestellten der anderen Bundesorgane hinausgehen, dann kann ich darin nur eine bewußte Einschränkung der Kampfmöglichkeiten und auch der Erfolgsmöglichkeiten sehen, die den Angestellten, Arbeitern und Beamten in dieser Einrichtung gegeben sind.
Lassen Sie mich noch ein letztes Wort sagen. Das Gesetz läuft darauf hinaus - wie es an einer Stelle der Begründung der Regierung heißt -, die Bundespost aus dem Dunkel herauszunehmen. In demselben Augenblick aber, in dem man angeblich diesen Zweck erfüllen will, reduziert man die parlamentarische Vertretung, also die parlamentarische Kontrolle, auf ein Minimum. An einer anderen Stelle ist man so ehrlich, zu sagen: „Es ist daher unerläßlich, daß sie wie früher von der Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften soweit wie möglich befreit wird", nämlich 'die Verwaltung der Bundespost. An wiederum einer anderen Stelle heißt es aber, daß Bundespost und Verwaltungsrat gehalten sind, die Arbeit der Bundespost nach den großen politischen Richtlinien der Bundesregierung auszurichten. Was heißt denn das? Das ist also ein Organ, das im großen die Intentionen der Bundesregierung realisieren soll, das im kleinen aber unter eine Leitung gestellt wird, in der nicht die parlamentarischen Vertretungen, sondern die Vertretungen einer speziellen Gruppe unseres Volkes, nämlich der Unternehmer, maßgebend sind. Was damit bezweckt wird, ist nicht mehr und nicht weniger als eine möglichst weitgehende Privatisierung dieses Bundesorgans. Dagegen müssen wir uns wehren. Aus diesen und keinen anderen Gründen lehnen wir das Gesetz ab. Wenn Sie berücksichtigen, warum seinerzeit, im Jahre 1924, das Vermögen zu einem Sondervermögen erklärt worden ist, werden Sie bei einigem Nachdenken auch die Berechtigung unserer Haltung in dieser Frage verstehen.
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Zur allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Es ist nur erforderlich, die §§ 12 und 14 aufzurufen. Zu § 12 liegt der Antrag auf Umdruck Nr. 873 vor, der aber wohl nicht besonders begründet werden wird; es ist derselbe Antrag, der schon zu § 14 angenommen worden ist. - Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Wer für § 12 in der so geänderten Fassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; § 12 ist angenommen.
Zu § 14 liegt ein weiterer Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 858 vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Kern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem Änderungsantrag der Abgeordneten Rümmele, Jahn, Rademacher, Ahrens, Volkholz und Genossen, Umdruck Nr. 858, handelt es sich um einen interfraktionellen Antrag und einen einstimmigen Beschluß des Verkehrsausschusses, der im wesentlichen darauf abzielt, bei der Festsetzung der Gebühren im Postreiseverkehr den Bundesminister für Verkehr einzuschalten. Eine ähnliche Regelung sieht § 16 des Bundesbahngesetzes vor. Auch hier bedürfen Änderungen der Regeltarife einschließlich der allgemeinen Tarifvorschriften sowie aller sonstigen Tarifvergünstigungen unbeschadet der Vorschriften des allgemeinen Preisrechts der Genehmigung des Bundesministers für Verkehr.
Ich bitte das Hohe Haus, diesem Antrag mit folgender kleiner redaktioneller Änderung zuzustimmen: den Punkt am Ende des ersten Satzes durch einen Beistrich zu ersetzen und dann wie folgt fortzufahren: „die Rechtsverordnungen über Gebühren für den Postreisedienst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr". Zu der Änderung hat der Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen in seiner letzten Sitzung positiv Stellung genommen. Ich bitte daher das Hohe Haus nochmals, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Rademacher.
Meine Damen und Herren! Ich darf in diesem Zusammenhang noch einmal auf den § 1 des Gesetzes hinweisen, in dem gesagt wird, daß der Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen die öffentlichen Rechte und Pflichten des Bundes auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens wahrnimmt. Das ist nur bedingt richtig; denn die gleichzeitige Betätigung der Bundespost im Kraftfahrwesen ist zweifelsohne keine Aufgabe, die man als Erfüllung öffentlichen Rechtes und öffentlicher Pflichten bezeichnen kann. Nun ist es aber Tatsache, daß Bundesbahn und Bundespost gerade im Personenverkehr, aber nicht nur in diesem, sondern leider auch im Expreß- und Paketverkehr scharf konkurrieren. Wir meinen, daß doch in erster Linie die beiden staatlichen Verkehrsträger, soweit sie sich auf diesem Gebiet betätigen, zu einem Einvernehmen über Tarife, befahrene Linien, Anwendungsbestimmungen usw. kommen sollten. Nicht nur wir sind dieser Meinung, sondern es ist auch der Wunsch der verantwortlichen Männer der Deutschen Bundesbahn, die darüber seit langem mit der Bundespost in Verhandlungen stehen, bei dieser Gelegenheit im Gesetz endlich mit zu verankern, daß auf diesem Gebiet, und zwar nur auf diesem Gebiet, wo sich die Arbeiten und Tätigkeiten beider überschneiden, ein Einvernehmen zwischen dem Herrn Bundespostminister und dem Herrn Bundesverkehrsminister herzustellen ist.
Meine Damen und Herren, ich bitte, das nicht als das Korrigieren irgendeines Schönheitsfehlers aufzufassen. Wer mit den Dingen vertraut ist, weiß, welch außerordentlich schwierige Aufgabe vor uns steht: die Frage Schiene - Straße zu lösen. Dazu gehört aber auch, daß zwischen den beiden staatlichen Verkehrsträgern Bahn und Post in diesen Dingen ein Einvernehmen hergestellt wird.
Das allein war der Grund, der den Ausschuß für Verkehrswesen veranlaßt hat, Sie in einem interfraktionellen Antrag zu bitten, dieser Bestimmung zuzustimmen.
Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wer für die Annahme des § 14 in der geänderten Fassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; die Bestimmung ist angenommen. Damit ist die Einzelberatung erledigt.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe angenommen.
Wir haben noch über den Ausschußantrag Drucksache Nr. 4204 Teil II b abzustimmen - das ist Seite 6 der Drucksache -, die Petitionen für erledigt zu erklären. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; der Antrag istangenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 14 als letzten Punkt der Tagesordnung auf:
Beratung der Ubersicht Nr. 65 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages betreffend Petitionen ({0}).
Wortmeldungen? - Keine Aussprache.
Wer für die Annahme der Ausschußvorschläge ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erledigt.
Ich berufe die nächste Sitzung, die 262., des Deutschen Bundestags auf morgen, Mittwoch, den 29. April, 9 Uhr, und schließe die 261. Sitzung des Deutschen Bundestags.