Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 255. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Dritte Beratung der Entwürfe
eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen;
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eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder;
eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom
26. Juli 1952 über die Erstreckung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Streitigkeiten aus dem am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichneten Abkommen über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder;
eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom
27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft;
eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft ({1}).
Die erste Beratung dieser Verträge und Gesetzentwürfe fand in der 221., 222. und 233. Sitzung statt, die zweite Beratung in der 240., 241. und 242. Sitzung.
Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Generalvertrag und Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ({2}).
Zur Tagesordnung wünscht das Wort Herr Abgeordneter Erler.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion beantrage ich, den Punkt 1 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen.
({0})
- Sie lachen! Offenbar ist Ihnen nicht ganz bekannt, daß Sie heute aufgerufen worden sind, Ihr letztes Wort zu einem Vertragswerk zu sagen, dessen wirklichen Inhalt niemand zur Stunde überhaupt kennen kann.
({1})
Eine ganze Reihe von internationalen Verhandlungen sind im Gange. Ich möchte Ihnen nur einige wenige nennen, damit Sie wissen, was hier unter anderem zu entscheiden ist.
Zunächst handelt es sich um das Schicksal der von der französischen Regierung vorgelegten sogenannten Zusatzprotokolle. Ob diese französischen Zusatzwünsche nun die Form von unterzeichneten und eventuell den Parlamenten vorzulegenden echten Zusatzprotokollen annehmen, oder ob, wie es den Anschein hat, die Regierungen sich darauf beschränken, miteinander verbindliche Auslegungen der Vertragstexte zu verabreden, oder ob es schließlich sogar noch zu einer dritten Lösung kommt, die etwa dahin geht, daß die sechs Minister des künftigen Ministerrats miteinander verabreden, dem künftigen Kommissariat verbindliche Anweisungen zu geben, wie gewisse Bestimmungen der Verträge auszulegen sind wozu sie ja nach dem Vertragstext befugt wären -, das alles will ich dahingestellt sein lassen.
Die Gefahr ist ganz offenkundig. Der französische Außenminister Bidault hat es doch jedem von uns klar vor Augen geführt,
({2})
daß die französische Regierung darauf beharren
wird, den wesentlichen Inhalt ihrer Zusatzwünsche
praktisch auch zum Inhalt des Vertrags zu machen.
({3})
Es nützt doch gar nichts, wenn der eine Partner dann sagt: ich lese das nicht hinein, und der andere Partner liest in diesen Vertrag etwas ganz anderes hinein; oder aber wenn - auch diese Gefahr wollen wir ins Auge fassen - vielleicht sogar die eine Regierung, nachdem sie den Vertrag in der vorliegenden Form durch ihr Parlament hat ratifizieren lassen, um nun das Werk endlich doch noch abzuschließen, dann in der Zeit zwischen der deutschen und der französischen Ratifizierung sehr gewichtige Konzessionen dem französischen Verhandlungspartner gegenüber macht. Das sind doch Dinge, die wir ins Auge fassen müssen.
Damit Sie auch wissen, wovon die Rede ist, will ich Ihnen nur ein paar dieser Wünsche, die Sie ja alle in den Zeitungen haben lesen können, hier aufzählen, damit Sie begreifen, daß damit der Vertrag ganz wesentlich anders zu interpretieren ist, als mancher von Ihnen vielleicht bisher geglaubt hat.
Da ist der eine Punkt, wonach die französische Regierung sich vorbehalten will, jederzeit ohne Zustimmung der anderen Vertragspartner und ohne Zustimmung des Oberbefehlshabers der Atlantikpakt-Organisation ihre Kontingente nach eigenem Ermessen aus dem europäischen Raum zu entfernen und nach den Bedürfnissen der französischen
({4})
überseeischen Interessen einzusetzen. Wie soll dann überhaupt noch eine Sicherheitsplanung für Europa möglich sein, die doch angeblich der Kernpunkt des Vertrags über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft sein soll,
({5})
wenn das stärkste Kontingent im Zweifel nicht zur Verfügung der Gemeinschaft, sondern zur Verfügung einer Regierung für ihre überseeischen Bedürfnisse steht?! Das ist der eine Punkt.
Nun der zweite Punkt - sie ergeben sich alle logisch auseinander -: Die französische Regierung hat gefordert, daß sie die Hoheit über das Personal in der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, soweit es die französischen Kontingente angeht, in ihrer Hand behält. Ich habe in der Nacht zu heute eine sehr interessante Drucksache durchgearbeitet, nämlich den dritten Band der Begründung, die die französische Regierung dem Vertragswerk in ihrem Parlament gegeben hat. Darin steht glasklar, daß die französische Regierung darauf besteht und den Vertrag heute schon so auslegt, daß die gesamten Laufbahnbestimmungen, die Schulen, die Ausbildung für das französische Kontingent in der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft identisch sein müssen mit dem, was für die national verbleibenden französischen Streitkräfte gilt. Das bedeutet also, daß Sie, wenn Sie den Vertrag jetzt in Kenntnis all dieser Dinge ratifizieren, eines Tages erleben werden, daß es zwar ein deutsches Kontingent in der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, aber kein französisches Kontingent, sondern eine französische Nationalarmee nebenher geben wird, aus der eventuell gelegentlich, wenn sie nicht woanders gebraucht werden, auch der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft Truppen zur Verfügung gestellt werden. Der Charakter der Gemeinschaft ist damit gesprengt.
Und zum dritten: Trotz des Abzugs französischer Streitkräfte, die nach dem Vertrage in die Gemeinschaft eingebaut werden sollten, will die französische Regierung das volle Stimmgewicht im Ministerrat der Verteidigungsgemeinschaft bewahren. Das bedeutet also, daß ein Partner, wenn seine effektiven militärischen Leistungen erheblich gemindert werden, trotzdem sein volles Mitbestimmungsrecht über die voll zur Verfügung stehenden Kontingente der anderen Partner bewahren will.
Meine Damen und Herren, ersparen Sie mir eine weitere Aufzählung. Allein aus diesem Fragenkomplex - ich glaube, das ist deutlich genug - -({6})
- Gut, Herr Euler, greifen wir Ihren Einwand auf! Nach der französischen Version ist es so, daß man den Vertrag heut e schon so interpretieren könne. Nun, ich will gar nicht untersuchen, welche der beiden Versionen gerechtfertigt ist, die der Bundesregierung oder die der französischen Regierung. Das Entscheidende ist, daß Sie jetzt in die Ratifizierung hineingehen, ohne zu wissen, welche Version letzten Endes die geltende sein wird. Darauf kommt es doch an.
({7})
Nur in aller Kürze, damit Sie wissen, ob es gut ist, diesen Punkt heute auszudiskutieren, oder ob es nicht doch besser ist, ihn zunächst einmal von der Tagesordnung abzusetzen, zwei weitere Probleme. Das eine ist die Stellung der Saar. Die französische Regierung hat unmißverständlich als Voraussetzung für die Ratifizierung des Vertragswerks
in ihrem Parlament gefordert, daß vorher eine
Definition des künftigen Status der Saar gegeben
wird, und zwar des europäischen Status der Saar.
({8})
Es hat nie einen Zweifel daran gegeben, daß die französische Politik unter dem europäischen Status der Saar auf alle Fälle zwei Dinge begreift: die politische Trennung der Saar von Deutschland und die wirtschaftliche Vereinigung der Saar mit Frankreich.
({9})
Jetzt handelt es sich nur noch um die europäische Visitenkarte, die diesem Tatbestand gegeben werden soll. Wir sind gar nicht mehr in einem Stadium, in dem noch über einen möglichen deutschen und über einen möglichen französischen Standpunkt gesprochen wird, sondern in dem es sich lediglich noch um die Formel für die sogenannte Europäisierung der Saar dreht. Das ist auch etwas, was ich zu bedenken bitte: ob Sie in dieser Stunde ratifizieren wollen, obwohl Sie nicht wissen, was an politischen Gefahren auch aus diesem Winkel her für einen Teil des deutschen Volkes, nämlich für die Deutschen an der Saar quillt.
({10})
Als letztes schließlich noch zwei kleine Kontroversen. Sie mögen sie nicht für sehr wichtig halten, aber sie sind entscheidend für das Funktionieren des ganzen Vertragssystems überhaupt. Einmal die Kontroverse, die der Herr Bundesfinanzminister mit dem Vorsitzenden der alliierten Hohen Kommission in der Frage der Stationierungskosten gehabt hat. Sie müssen doch schließlich wissen, ob es nach einem bestimmten Stichtag nach diesen Verträgen außer dem Beitrag der Deutschen an die Europäische Verteidigungsgemeinschaft noch Leistungen geben wird, die dem Unterhalt der Besatzungstruppen oder der künftigen Stationierungstruppe, wie Sie sie nennen wollen, in Deutschland zu dienen bestimmt sind. Der Herr Finanzminister - hat versichert, und sein Haushaltsplan weist das aus: er rechne nicht mit derartigen Stationierungskosten. Die Hohe Kommission hat im Auftrag aller drei Regierungen - das sind doch Ihre Partner, die wissen doch auch, was in den Verträgen steht - geschrieben, diese Ansicht sei völlig irrig.
({11})
Der Herr Bundesfinanzminister solle nicht das Ergebnis künftiger Verhandlungen vorwegzunehmen versuchen. Zunächst stehe fest, daß über dieses Thema verhandelt werden müsse, also auch die Bundesregierung verpflichtet sei - und so steht es auch in der Begründung für die französische Kammer -, über den 30. Juni 1953 hinaus einen Barbeitrag zum Unterhalt der Stationierungstruppen der nicht der EVG angehörenden angelsächsischen Mächte in Deutschland zu leisten.
({12})
Das ist doch einigermaßen wichtig. Ich will mich hier nicht zum Fürsprech der alliierten Auffassung machen.
({13})
Ich will auch nicht den Herrn Bundesfinanzminister irgendwie angreifen,
({14})
weil er vielleicht glaubt, in dieser Frage im Recht
zu sein, obwohl der Vertragstext gewisse Zweifel
({15})
andeutet. Das Entscheidende ist, daß in dieser Frage bis zum heutigen Tage unter denen, die die Verträge abgeschlossen haben, selbst keine einheitliche Meinung über das, was sie unterschrieben haben, besteht. Das ist doch wohl das mindeste, was wir wissen müssen.
Ein letztes, das den Herrn Bundeskanzler selber angeht. Der Herr Bundeskanzler hat an dieser Stelle einmal versichert, daß ihm die amerikanische Regierung die Zusicherung gegeben habe, das schwere Material, die schweren Waffen für das deutsche Kontingent in der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in diesem Wert - und vorher war von einem Wert von 40 Milliarden die Rede - zu liefern. Er hat sich dann nach der Bundestagssitzung selber dementiert, diese Meldung im Bulletin der Bundesregierung wieder geradegebogen und gemeint, man müsse seine Rede etwas anders lesen.
Aber das Entscheidende zu diesem Punkt ist doch folgendes. Erst vor kurzer Zeit hat Herr Draper eine interessante Erklärung abgegeben: daß nämlich über die Ausstattung eines künftigen deutschen Kontingents noch nicht entschieden sei und daß die Amerikaner bereit seien, darüber zu verhandeln. Da sehen Sie, wie verschiedenartig die Auslegungen der Hauptbeteiligten zu einem wesentlichen Punkt sind, von dem letzten Endes doch auch das Funktionieren der Organisation, wie Sie sie sich vorgestellt haben, abhängt.
Ich meine, wir würden fahrlässig handeln, meine Damen und Herren, wenn wir in dieser Situation ein Vertragswerk ratifizierten, das mit Fragezeichen von einem Ende bis zum andern versehen ist Vielleicht ist es gar kein Fehler, wenn wir daran denken, daß in einer ähnlichen Situation sogar der französische Außenminister die Meinung soeben erst vertreten hat - Sie haben es heute sicher gelesen -, daß es zweckmäßig sei, in einer Frage, in der das Volk in seinen Auffassungen so zerrissen sei, zunächst durch Wahlen den Willen des Volkes zu ergründen, bevor man sich endgültig entscheide.
({16})
Das Wort hat der Abgeordgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte geglaubt, Herr Kollege Erler wollte zur Geschäftsordnung sprechen. Er hat uns aber schon sehr weit in die Sachdebatte - hineingeführt. Ich will ihm darin nicht folgen.
Wir wenden uns gegen jede weitere Verzögerung;
({0})
denn wir sind der Auffassung, daß es höchste Zeit ist, aus dem Niemandsland herauszukommen. Es wird höchste Zeit, daß das Besatzungsstatut verschwindet,
({1})
und es wird höchste Zeit, daß wir das Maß unserer Sicherheit vergrößern. Die Opposition hat seit dem Mai des vergangenen Jahres jeden nur denkbaren Verzögerungsgrund ausgespielt.
({2})
Sie hat die verfassungsrechtliche Seite der Abkommen überstrapaziert, und sie hat einen beklagenswerten Mangel an realistischer außenpolitischer Betrachtung offenbart.
({3})
Sie hat uns heute, im übrigen nicht zum erstenmal, mit ihrem letzten Verzögerungsgrund bekanntgemacht, nämlich mit der angeblichen Unklarheit über französische Wünsche nach zusätzlichen, interpretierenden Protokollen.
Unser Standpunkt dazu ist völlig eindeutig: Wir haben es mit diesem Vertrag zu tun, ebenso wie die Regierungen der USA und Großbritanniens sich bereits Anfang Juli des vergangenen Jahres mit diesem Vertrag beschäftigt haben.
({4})
Dasselbe gilt für die anderen europäischen Parlamente, sobald die Reihe an sie kommt.
Ich habe gerade den Zuruf „EVG" gehört. Die Aufgeklärteren unter Ihnen, meine Damen und Herren, sollten wissen, daß in der Tat auch der EVG-Vertrag, und zwar dieser EVG-Vertrag, Gegenstand der parlamentarischen Verhandlungen in den USA und in Großbritannien gewesen ist.
({5})
Wir können alles, was später folgen mag, nur im Rahmen und im Sinne dieses Vertrags geschehen lassen.
({6})
Sie haben außerdem ein Wort zur Saar gesagt. Auch in dieser Frage ist unser Standpunkt völlig eindeutig, und zwar nicht erst seit heute. Wir haben jedes Junktim zwischen einer Saarregelung und den Vertragswerken abgelehnt.
({7})
Aber das, worum es heute geht, ist etwas anderes. Unser Volk braucht nach den Monaten der Verzögerung einen klaren Weg, unser Volk hier in der Bundesrepublik ebenso wie unsere Landsleute in der Sowjetzone.
({8})
Wir brauchen nach innen Festigkeit, und wir brauchen nach außen Verläßlichkeit. Nur dieses Haus kann der Nation und kann der Welt zeigen, wo Deutschland steht und wofür es steht. Dieser Pflicht dürfen wir uns nicht länger entziehen.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
({0})
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Erler leiden unter einem grundsätzlichen Fehler: die von Frankreich gewünschten Zusatzprotokolle sind nicht Inhalt des Vertrages, der heute zur Verhandlung steht.
({0})
Heute ist allein über den Vertrag, der die Unterschrift der Regierung trägt, zu entscheiden. Die Zusatzprotokolle, wie sie uns bisher bekanntgeworden sind, stellen keine Interpretation des Vertrags dar, sondern stellen einen, wie eigentlich schon ihr Name sagt, Zusatz zu dem Vertrag dar, der dadurch
({1})
etwas ganz anderes würde, weil der Inhalt der Zusatzprotokolle mit den Prinzipien des Vertrags, insbesondere dem Grundsatz der Gleichberechtigung, nicht vereinbar ist.
Um jede Gefahr auszuschließen, daß irgendwelche zusätzlichen Vereinbarungen geschlossen werden, deren Inhalt überraschend sein würde, wird unsere Fraktion in einem Entschließungsantrag das Haus bitten, den Beschluß zu fassen, daß alle zusätzlichen Vereinbarungen nur dann bindende Wirkung für die deutsche Regierung haben werden, wenn dieses Haus etwaigen Zusätzen so zustimmt, wie es dem Vertrag zustimmt. Nur dadurch kann verhindert werden, daß ein neuer Vertragsinhalt an Stelle des jetzt zur Verhandlung stehenden geschaffen wird.
Wir haben in dieser Situation alles Interesse daran, vor der Weltöffentlichkeit klarzustellen, daß wenn die französische Regierung und das französische Parlament den Vertrag ablehnen, weil Wünsche auf Zusatzprotokolle nicht erfüllt werden es sich dann allein um eine französische Ablehnung des Vertrags handelt. Das französische Verhalten ist als Ablehnung des gegenwärtigen Vertrags, verbunden mit einem neuen Angebot, zu werten. Darüber sollte es keinerlei Mißverständnis geben.
({2})
Im übrigen sind wir der Auffassung, daß wir es unseren Deutschen hier und in Mitteldeutschland schuldig sind, gemeinsam mit den anderen westlichen Völkern einen Grad von Friedenssicherheit zu schaffen, der bis heute nicht besteht.
({3})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin verpflichtet, auch namens meiner Fraktion auf das Begehren der Opposition eine Antwort zu geben. Wenn die Darlegungen des Herrn Kollegen Erler auf einen kurzen Nenner gebracht werden sollen, dann kann man sagen, daß er dem Hause mitgeteilt hat, wir schlössen Verträge, deren Tragweite wir nicht überschauten.
({0})
Wenn Sie einen politischen Vertrag schließen, dann schließen Sie ihn nach dem Inhalt und nach der Position zum Zeitpunkt seiner Ratifikation. Die Auslegung und die Tragweite eines außenpolitischen Vertrags sind immer
({1})
ein Vorgang, der außerhalb der juristischen Formulierung liegt, der im politischen Funktionieren liegt, d. h. von all den Faktoren des Vertrauens, der Verläßlichkeit, des guten oder des bösen Willens ode r auch des Mißtrauens abhängig ist.
({2})
Jeder politische Schritt, der vertraglich vereinbart wird, trägt dieses Maß an Ungewißheit in sich.
({3})
Ich muß leider sagen: ohne die Verzögerungstaktik der Opposition hätten wir heute keine Zusatzprotokolle.
({4})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Rische.
Meine Damen und Herren! Namens der kommunistischen Fraktion
({0})
beantrage ich die Absetzung der dritten Beratung
des Generalvertrages, des EVG-Vertrages und der
Zusatzabkommen von der heutigen Tagesordnung.
Dazu folgende Begründung: Die Behandlung und Verabschiedung der Verträge von Bonn und Paris würde dem für alle erkennbaren Willen des Volkes widersprechen. Das Volk hat ein richtiges Empfinden für die Katastrophe, in die uns die Durchführung dieser Verträge führen würde.
({1})
In Tausenden von Beschlüssen von Betrieben und Organisationen, von Zuschriften und Delegationen an die Abgeordneten des Bundestags
({2})
ist dieser klare Wille des Volkes zum Ausdruck gebracht worden.
({3})
Wer sich dem widersetzt, Herr Mende, der treibt keine deutsche Politik, sondern eine Politik für fremde Interessen.
Überall wird gefragt, was Herrn Adenauer denn veranlaßt haben mag, mit allen Mitteln und unter allen Umständen auf die Verabschiedung der Verträge heute zu drängen.
({4})
Die Antwort ist klar. Am 5. März hatte Bonn einen wichtigen Besuch. Der neue amerikanische Außenminister überbrachte an diesem Tag den direkten Auftrag der amerikanischen Regierung an Dr. Adenauer, die parlamentarische Verabschiedung der Verträge zu beschleunigen, so daß er Anfang April die Vollzugsmeldung nach Washington überbringen kann. Der Bundeskanzler hat so gehandelt. Er hat den Termin für die dritte Lesung auf den 19. März angesetzt und er hat den Termin für seine Berichterstattungsreise nach Washington auf den 2. April angesetzt. Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren, ist der Bundestag gewillt, amerikanische Aufträge durchzuführen,
({5})
oder ist er gewillt, Politik für Deutschland zu machen? Wenn es heute nach dem Willen des Herrn Mr. Dulles und des Herrn Dr. Adenauer geht, ist das .ein offener Bruch des Grundgesetzes. Sie wollen über Gesetz und Recht hinweg mit den Mitteln des Staatsstreiches und den Mitteln faschistischer Gewaltanwendung fertige Tatsachen schaffen. Wenn heute oder morgen die Abstimmung durchgeführt sein sollte, würde sofort der ganze Apparat des Kriegsministeriums Blank spielen, damit in kürzester Frist die Aufstellung der ersten Kaderformationen einer westdeutschen Söldnerarmee vollzogen wird. Wenn es heute oder morgen nach der vorgesehenen Tagesordnung ginge, wäre Westdeutschland das erste Staatsgebilde, das den EVG-Vertrag parlamentarisch billigt.
({6})
Sie alle wissen, daß der Widerstand gegen beide Verträge, insbesondere gegen den Militärvertrag, in allen anderen westeuropäischen Ländern täglich im Wachsen begriffen ist. Sie wissen ganz genau. daß insbesondere das französische und italienische Volk niemals seine Zustimmung zu diesem Militärvertrag geben wird, der den deutschen Militarismus erneut zur europäischen Vormacht erheben soll. Sie wissen genau, daß dieser Widerstand in Westeuropa jetzt dazu geführt hat, daß in Frankreich eine Volksabstimmung über den EVG-Vertrag stattfinden soll, über deren Ergebnis es wohl auch hier keinen Zweifel gibt.
Herr Adenauer aber will, weil er den allgemeinen Widerstand gegen seine Politik kennt; auch noch den Abgeordneten die Wahrheit vorenthalten. Noch vor kurzem wurde im Ältestenrat förmlich mitgeteilt, daß den Fraktionen und Gruppen dieses Hauses unverzüglich der Text der französischen Zusatzprotokolle ausgehändigt wird. In der heutigen Sitzung des Ältestenrats wurde mitgeteilt, daß der Herr Bundeskanzler eine solche Unterrichtung des Parlaments nicht für zweckmäßig halte.
({7})
Ich frage Sie: Wozu tagt denn dieses Parlament überhaupt noch, wenn ihm die entscheidenden Dokumente vorenthalten werden, wenn der Bundeskanzler seine Geheimpolitik auch gegenüber den Beauftragten des Volkes betreibt?
Ich möchte noch eines erklären. Wir halten die Begründung der sozialdemokratischen Fraktion für ihren Absetzungsantrag für abwegig und politisch gefährlich. Es geht hier nicht darum, gegen Frankreich Front zu machen, sondern darum, gegen Adenauer und seine amerikanischen Hintermänner Front zu machen.
({8})
Herr Erler vertrat in seiner Rede ausschließlich die Wünsche und Forderungen der deutschen Imperialisten, und Herr Dulles wird sich bei ihm sehr bedanken.
({9})
Ich erkläre darum, daß wir- den sozialdemokratischen Absetzungsantrag unterstützen werden,
({10})
ohne uns jedoch seine Begründung zu eigen zu machen.
Wenn Herr Schröder hier erklärte, man müsse nun endlich aus dem Vorfeld des kalten Krieges heraus, so meinte er offensichtlich damit, man müsse in die Schützengrabenlinien des heißen Krieges marschieren.
Wenn der Bundestag entsprechend unserem Änderungsantrag beschließt, so werden damit neue Möglichkeiten und neue Chancen eröffnet
({11})
für eine Verständigung der Deutschen untereinander, für das baldige Zustandekommen einer Viermächtekonferenz und den Abschluß eines gerechten Friedensvertrags mit Deutschland.
({12})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, nach dieser Rede ist das Für und Gegen hinreichend begründet worden.
({0})
Ich beantrage deshalb Schluß der Geschäftsordnungsdebatte.
Meine Damen und Herren! Es ist Schluß der Geschäftsordnungsdebatte beantragt. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Schluß der Geschäftsordnungsdebatte sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Schluß der Geschäftsordnungsdebatte ist beschlossen.
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei und im Inhalt ihres Antrags übereinstimmend die Gruppe der Kommunistischen Partei haben die Absetzung des Punktes 1 der heutigen Tagesordnung beantragt. Der Antrag ist zulässig. Ich komme zur Abstimmung über diesen Antrag. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Absetzungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Absetzungsantrag ist abgelehnt.
({0}) - Das Wort zur Geschäftsordnung wird von mir nach freiem Ermessen erteilt. Ich glaube, daß nach dieser Debatte der Eintritt in die Beratungen erforderlich ist.
Ich schlage Ihnen namens des Ältestenrates vor, die Debatte über die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung zusammenzufassen, und zwar mit einer Redezeit von sechs Stunden. - Das Haus ist mit dieser Regelung einverstanden. Ich stelle das fest.
({1})
Der Herr Bundeskanzler wünscht zunächst das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der zweiten Lesung dieser Verträge hat der Bundestag verschiedene Beschlüsse gefaßt, zu denen ich zunächst Stellung nehmen möchte. Es ist beschlossen worden:
Die Bundesregierung wird verpflichtet, die
Aufstellung des deutschen Kontingents zur
Europäischen Verteidigungsgemeinschaft so
weit und so lange als möglich auf der Grundlage der freiwilligen Meldung durchzuführen. Hierzu erkläre ich folgendes. In der Bundesrepublik wird nach Erfüllung aller Voraussetzungen die Aufstellung des deutschen Kontingents für die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte nach dem Inkrafttreten des EVG-Vertrags so weit als möglich auf der Grundlage freiwilliger Meldungen durchgeführt.
({0})
und damit dem Beschluß des Bundestags vom 5. Dezember 1952 Rechnung getragen.
({1})
Der Europäische-Verteidigungsgemeinschafts-Vertrag mußte i edoch die endgültige Stärke des deutschen Kontingents so vorsehen, daß es für den Ver({2})
teidigungszweck ausreichend erscheint und in einem bestimmten Verhältnis zu den übrigen europäischen Kontingenten steht. Da diese Stärke aller Wahrscheinlichkeit nach durch freiwillige Meldungen nicht erreicht werden kann,
({3})
hat die Bundesregierung der für alle Teilnehmerstaaten gültigen Regelung des Vertragswerks zugestimmt.
({4})
Der Bundestag hat weiter folgenden Beschluß gefaßt:
Die Bundesregierung wird ersucht, mit den Vertragspartnern des EVG-Vertrages zu vereinbaren, daß sofort eine ständige Konferenz der Regierungen der Vertragspartner eingesetzt wird mit der Aufgabe, gemeinsam unter Wahrung .der Verfassungen der Teilnehmerstaaten eine Politik zu entwerfen und durchzuführen, um bis zum Zustandekommen einer europäischen Gemeinschaft durch eine einheitliche europäische Willensbildung die gemeinsame Sicherung der Vertragsstaaten nach außen zu ermöglichen.
Dazu erkläre ich folgendes. Eine einheitliche europäische Willensbildung, durch die die gemeinsame Sicherung nach außen ermöglicht werden soll, ist auch jetzt schon als Ziel in der gegenwärtig ,auf europäische Integration gerichteten Politik inbegriffen. Die Konferenzen, die diese europäische Integration vorbereiten, haben zu einem ständigen Meinungsaustausch zwischen den Ministern und leitenden Beamten der Teilnehmerstaaten geführt. Die Bundesregierung wird im Sinne des Beschlusses des Bundestags vom 5. Dezember 1952 anstreben, den ständigen Kontakt mit den Regierungen der Teilnehmerstaaten zu verstärken, damit unter Wahrung der Verfassungen der Teilnehmerstaaten die Politik gemeinsam auf die Nowendigkeit eines Schutzes gegen Angriffe von außen ausgerichtet
wird.
({5})
Der Bundestag hat weiter folgendes beschlossen.
Die Bundesregierung möge zu den Vertragswerken folgende verbindliche Erklärung abgeben:
Der deutsche Vertreter im Ministerrat wird vor der endgültigen Beschlußfassung über das Haushaltsvolumen der EVG und die Aufteilung der Beiträge auf die Mitgliedstaaten das zugrunde liegende Zahlenmaterial mit dem zuständigen Ausschuß des Deutschen Bundestages erörtern.
Dieser Antrag des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten entsprach einer Anregung des Haushaltsausschusses, der für diese Fragen zuständig ist. Herr Bundesminister Se h ä f f er hat dem Haushaltsausschuß bereits eine Erklärung im Sinne des Antrags abgegeben und mir hiervon Mitteilung gemacht. Diese Erklärung kann ebenfalls schriftlich abgegeben werden, falls das gewünscht wird.
Meine verehrten Damen und Herren! Seit der zweiten Beratung der Ratifikationsgesetze, seit Anfang Dezember, sind eine ganze Reihe außenpolitische Ereignisse eingetreten. Diese neuen Ereignisse gestatten uns eine Nachprüfung der Frage, ob diejenigen Abgeordneten, die bei der zweiten Beratung für die Annahme gestimmt haben, und ob
die Bundesregierung beim Abschluß der Verträge richtig gehandelt haben oder nicht.
({6})
Die wesentlichen Ereignisse, die seit der zweiten Beratung eingetreten sind, sind die folgenden.
Zunächst das Ausscheiden des Außenministers Schuman aus seinem Amt als Außenminister am 7. Januar 1953. Es drängt mich, seiner heute besonders zu gedenken,
({7})
weil er derjenige war, der allen europäischen Verträgen einen starken Antrieb gegeben hat.
({8})
Die jetzige französische Regierung hat sich, wie ich zu meiner Genugtuung feststellen kann, sehr klar und entschieden für die bis dahin von Frankreich verfolgte europäische Politik ausgesprochen.
Ich fahre in der Darstellung der Ereignisse fort. Am 20. Januar 1953 hat Präsident Eisenhower sein neues Amt angetreten. Ich komme darauf noch besonders zurück. Am 11. Februar wurden die französischen Vorschläge für Zusatzprotokolle zu den Verträgen überreicht. Am 24. und 25. Februar war die Konferenz der sechs Außenminister in Rom. Am 5. März starb Stalin. Am 9. März übergab die Ad-hoc-Versammlung den Entwurf eines Statuts der europäischen Gemeinschaft den sechs Außenministern. Am 11. März ließ die britische Regierung in den sechs EVG-Ländern gleichlautende Noten über die Stellung Großbritanniens zum Vertrag der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft überreichen.
Schon diese Aufstellung wichtiger außenpolitischer Ereignisse seit Anfang Dezember 1952 zeigt, in wie starkem Fluß die politische Entwicklung ist. Diese Fülle von politischen Ereignissen gibt uns, wie ich eingangs sagte, nochmals die Möglichkeit, nachzuprüfen, ob wir auf dem richtigen Weg sind oder nicht.
({9})
Zwei Ereignisse möchte ich besonders hervorheben. Das eine ist der Tod Stalins. Welche Folgen der Tod Stalins auf den Gang der Weltpolitik und auf das Geschick Deutschlands und Europas haben wird, läßt sich bei der Gestaltung der Verhältnisse in Sowjetrußland naturgemäß noch nicht mit voller Klarheit erkennen. Eines aber, glaube ich, kann man mit Bestimmtheit sagen: der Tod Stalins hat die Gefahren, die in der heutigen Weltlage enthalten sind und die insbesondere uns Deutsche bedrohen, sicherlich nicht gemindert.
({10})
Der Tod Stalins hat die Nachrichten, daß er seit längerer Zeit krank sei, in vollem Umfang bestätigt. Stalin war wohl schon geraume Zeit den physischen und psychischen Anstrengungen, die ein heißer Krieg an ihn gestellt hätte, nicht mehr gewachsen.
({11})
Er hatte auch, an seinen Ideen gemessen, in seinem Leben große Erfolge gehabt,
({12})
({13})
so daß man verstehen kann, daß er diese Erfolge nicht durch einen heißen Krieg gefährdet wissen wollte und daß er sich scheute, sich Aufregungen und Anstrengungen, denen er nicht mehr gewachsen war, auszusetzen.
({14})
Der Tod Stalins hat die Labilität der Weltlage noch gesteigert, die Gefahr, in der wir alle schweben, noch vermehrt.
({15})
Vielleicht haben wir, bis sich die Machtverhältnisse in Sowjetrußland konsolidiert haben, eine Atempause, eine Atempause, die hoffentlich die europäischen Völker zum Aufbau ihrer Verteidigung zu nutzen wissen.
({16})
Der Amtsantritt des Präsidenten Eisenhower ist ein Ereignis von größter Bedeutung nicht nur für die Vereinigten Staaten,
({17})
sondern für die ganze Welt, insbesondere auch für uns Europäer. Ein Wechsel in der Administration der Vereinigten Staaten hätte für die von ihnen hinsichtlich Europas einzuschlagende Politik unter Umständen eine Änderung der bisherigen Linie bringen können, die für uns Europäer sehr vieles hätte bedeuten können. Präsident Eisenhower kennt von seiner Zeit als Oberbefehlshaber der NATO-Streitkräfte her die Lage in Europa und den sowjetrussischen Druck. Er ist, wie wir alle wissen, bereit, die schon unter seinem Vorgänger hinsichtlich der Verteidigung Europas geführte Politik gegenüber dem Druck von Osten fortzusetzen,
({18})
wenn nötig verstärkt fortzusetzen. Die neue Aktivität, die in den Vereinigten Staaten die mit dem Präsidentschaftswahlkampf verbundene Stille in der außenpolitischen Betätigung ablöste, wird sich in Bälde zeigen.
({19})
Mit aufrichtiger Freude haben wir alle das Bekenntnis Eisenhowers zum Schutze der Freiheit und zum Frieden gehört.
({20})
Es waren schon geraume Zeit vor dem Tod Stalins Stimmen lautgeworden, die glaubten, sein Tod werde eine allgemeine Entspannung bringen. Es hat sich gezeigt, daß diese Entspannung nicht eingetreten ist, daß im Gegenteil die sowjetrussischen Machthaber unruhiger sind, als es Stalin war. Es hat weiter Stimmen gegeben, die vor der Inauguration des Präsidenten Eisenhower glaubten,
({21})
die neue amerikanische Administration werde eine andere Haltung gegenüber Sowjetrußland und Europa einnehmen, als das die Vereinigten Staaten unter Truman getan haben; Stimmen, die glaubten, daß die amerikanische Administration alsbald in aussichtsreiche Verhandlungen über die Beseitigung der Spannungen zwischen Sowjetrußland
und den Vereinigten Staaten eintreten und ihr Interesse an Europa und der Bundesrepublik verlieren würde.
({22})
Auch diese Propheten haben sich getäuscht. Das amerikanische Interesse
({23})
an der Integration Europas, an dem Zustandekommen des Vertrags über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ist noch stärker zum Ausdruck gekommen als im letzten Halbjahr 1952.
({24})
Ich darf daran erinnern, daß Staatssekretär Foster Dulles bei seinem Besuch in Bonn erklärt hat, die Politik der Vereinigten Staaten gehe dahin, mitzuhelfen, daß sich Westeuropa zu einem festen Bollwerk der atlantischen Verteidigung von Frieden und Freiheit zusammenschließe.
({25})
Wenn schon im Jahre 1952 der Abschluß der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und die Fortsetzung der Europapolitik der Bundesrepublik notwendig war, so sind sie seit der Übernahme der Präsidentschaft durch Eisenhower
({26})
und seit dem Tod Stalins noch notwendiger geworden. Sie sind auch deshalb noch notwendiger geworden,
({27})
damit die Bundesrepublik endlich aus dieser unmöglichen Lage herauskommt, in der sie sich zur Zeit befindet.
({28})
Wir stehen noch immer unter Besatzungsrecht
({29})
mit all den Konsequenzen, die ein Besatzungsrecht mit sich bringt. Auch wenn die Westalliierten von den ihnen zustehenden Rechten zur Zeit einen zurückhaltenden Gebrauch machen, immerhin,
({30})
sie machen doch Gebrauch davon. Wir haben noch immer Industriebeschränkungen; wir haben noch immer die Tatsache, daß die oberste Gewalt in der Bundesrepublik in den Händen der Besatzungsmächte liegt,
({31})
und noch immer sind wir Objekt in der auswärtigen Politik.
({32})
Auch wenn man im Hinblick darauf, daß von den Regierungen der Deutschlandvertrag und der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft unterschrieben sind, uns dies nicht immer fühlen läßt und uns in den Fragen, die das Verhältnis Deutschlands zu Sowjetrußland betreffen, konsultiert - letzten Endes haben wir noch kein Recht auf solche Konsultationen. Wir können keine selbständige Außenpolitik treiben. Wir sind, wie ich eben sagte, noch immer ein Objekt der Außenpolitik der anderen. Noch immer, meine Damen und Herren, sind wir auch ohne ausreichenden Schutz gegenüber den Bedrohungen aus dem Osten. Ich glaube, der größte Teil der Deutschen gibt sich
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nicht Rechenschaft darüber, wie groß diese Bedrohung ist;
({34})
sie wissen nicht, wie dünn die Decke ist, auf der das deutsche Volk lebt und arbeitet. Die Zwischenfälle in der Luft, die in den letzten Wochen stattfanden
({35})
und die fast den Charakter von Luftgefechten zwischen sowjetischen und tschechoslowakischen Flugzeugen auf der einen, amerikanischen und britischen auf der anderen Seite annahmen - und zwar über deutschem Boden und in deutschem Luftraum -, mußten jedem nachdenkenden Deutschen klarmachen, wie machtlos wir sind
({36})
und wie groß die Gefahren sind, in denen wir schweben.
({37})
Aus solchen Zwischenfällen können sich ja nur zu leicht schwerwiegende Folgen für unser Land ergeben. Ich weise in diesem Zusammenhang auch hin auf den Strom der Flüchtlinge aus der Sowjetzone,
({38}) auf die Verschleppungen aus Westberlin.
({39})
Heute früh bringen wieder die Morgenblätter eine Nachricht über einen Mord an einem Polizeiwachtmeister von Westberlin
({40})
und von einem Luftgefecht zwischen einem sowjetrussischen und einem amerikanischen Flugzeug vor der Ostküste von Kamtschatka.
({41}) Von der Größe der Gefahr,
({42})
in der wir schweben, geben folgende Ziffern eine sehr nüchterne und klare Vorstellung. -({43})
Rund 140 sowjetrussische Divisionen, 70 Divisionen in den Satellitenstaaten und in der Sowjetzone stehen an unserer Grenze oder in zweiter Linie hinter diesen Grenzdivisionen.
({44})
Alle diese Divisionen sind nunmehr mit den besten und modernsten Waffen ausgerüstet. Wir Deutschen, meine Damen und Herren, haben selbst nichts, aber auch gar nichts, was unser Land schützen könnte.
({45})
Wir sind auf den guten Willen der Westalliierten angewiesen; wir haben keine vertraglichen Rechte diesen gegenüber. Wenn man sich dann noch vor Augen hält, wie ungeheuer stark die Labilität der gesamten politischen Lage auf der Erde infolge der zwischen Ost und West eingetretenen Spannungen ist, dann kann, glaube ich, nur jeder Deutsche den einen Gedanken haben: da solange, bis Sowjetrußland einsieht, daß es trotz all seiner militärischen Macht nichts ausrichten kann, wir nicht in Ruhe und Sicherheit leben können, wir vielmehr für unsere Freiheit und für alles, was uns teuer
ist, fürchten müssen, müssen wir alles tun, den nötigen Schutz und die nötige Sicherheit zu erhalten.
({46})
Der Abschluß und die Durchführung der Verträge geben uns diese größtmögliche Sicherheit.
({47})
Die Bundesrepublik wird dadurch einbezogen in ein Sicherheitssystem, das als gemeinsame Aufgabe und als gemeinsames Interesse von der gesamten westlichen Welt getragen wird. Zunächst bekommen wir ein Recht auf den Beistand der EVG-Staaten. Jeder bewaffnete Angriff gegen irgendeinen der Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in Europa oder gegen die Europäischen Verteidigungsstreitkräfte wird als ein Angriff gegen alle Mitgliedstaaten angesehen. Die Mitgliedstaaten der EVG und ihre Verteidigungsstreitkräfte leisten der Bundesrepublik im Falle eines Angriffs mit allen ihnen zu Gebote stehenden militärischen und sonstigen Mitteln Hilfe und Beistand.
({48})
Ich habe schon darauf hingewiesen, daß wir zur Zeit nur Objekt der Außenpolitik anderer Mächte sind, daß wir von anderen zwar geschützt werden, aber nur so lange und so weit, als unser Schutz in deren Interesse liegt.
({49})
Am deutlichsten wurde der bisherige Charakter der Bundesrepublik als reines Objekt durch Art. 6 des Nordatlantikpakts gekennzeichnet. In ihm war bestimmt, daß zwar der Angriff auf in der Bundesrepublik stationierte Streitkräfte der Nordatlantikpaktstaaten die Verpflichtungen aus diesem Pakt auslöst; aber ein Angriff auf die Bundesrepublik selbst löste die Beistandsverpflichtung der Nordatlantikpaktstaaten nicht aus. Nach Abschluß des EVG-Vertrages wird das Gebiet der Bundesrepublik ebenso zum Gegenstand der Verteidigung durch die Nordatlantikpaktstaaten wie das Gebiet der anderen Mitgliedstaaten dieses Paktes.
Der EVG .Vertrag wird ergänzt durch einen besonderen Vertrag zwischen den Mitgliedstaaten der EVG und Großbritannien, der seinerzeit in Paris unterzeichnet und vom britischen Parlament genehmigt worden ist. In diesem Vertrag verpflichtet sich Großbritannien zur automatischen Beistandsleistung bei der Abwehr jeden Angriffs auf Mitgliedstaaten der EVG. Großbritannien ist damit verpflichtet, der Bundesrepublik im Angriffsfall automatisch militärische Hilfe zu gewähren.
Ich erwähnte schon, daß das Gebiet der Bundesrepublik nach Ratifizierung der Verträge durch den EVG-Vertrag, den Vertrag zwischen EVG und Großbritannien und auch durch die anderen Mitglieder des Nordatlantikpakts gesichert wird. Durch drei Protokolle ist im Zusammenhang mit der Unterzeichnung des Vertrags über die Gründung der EVG eine enge Verbindung zwischen diesem Vertrag und dem Nordatlantikpakt geschlossen worden. Ich betone nochmals, weil das von so außerordentlich großer Bedeutung für uns ist, was ich eben schon gesagt habe: ein Angriff auf die Mitglieder der EVG in Europa, damit auch ein Angriff auf die Bundesrepublik, löst die Beratungs- und Hilfsverpflichtungen aus dem Nordatlantikpakt ebenso aus, wie ein Angriff auf ein
({50})
Mitglied des Nordatlantikpakts die Beistandsverpflichtungen der Mitglieder der EVG wirksam werden läßt.
Neben der Verpflichtung, die die Vereinigten Staaten als Mitglied des Nordatlantikpakts mit der EVG verbindet, hat der Außenminister der Vereinigten Staaten zusammen mit den Außenministern von Großbritannien und Frankreich gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Vertrages über die Gründung der EVG eine feierliche Garantieerklärung für diese Gemeinschaft und mit ihr für die Bundesrepublik und für Berlin abgegeben. In dieser Erklärung haben die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich ausdrucklich festgelegt, daß durch einen Angriff auf die Integritat der EVG und damit auf die Bundesrepublik die Unterstutzungsverpflichtungen nach Art. 4 des Atlantikpakts ausgelost werue. Durch Noten der britischen Regierung vom 3. Februar und vom 11. Marz dieses Jahres sind Verhandlungen eingeleitet worden, um die britiscHen Verpflichtungen gegenüber der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft noch zu verstarken. Die britische Regierung hat in der ersten Note, in der Note vom 3. Februar, eine enge militartechnische Zusammenarbeit zwischen den Streitkraften der EVG und den britischen Truppen vorgeschlagen. Großbritannien ist bereit, Ausbildungsmoglichkeiten bereitzustellen und in gemeinsame Beratungen über Fragen der Ausbildung einzutreten. Ein Austausch von Offizieren für Kommando- und Stabsdienst und gemeinsame Ausbildung von Formationen unter dem Oberbefehl des Atlantischen Oberbefehlshabers sollen durchgeführt werden. Besonders eng soll die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Luftwaffe sein, wo an einen Austausch von Staffein der Luftstreitkräfte und an eine Koordinierung des gesamten Luftverteidigungssystems gedacht ist.
In der Note vom 11. März hat sich die britische Regierung bereit erklärt, in einer formellen Erklärung die Verpflichtungen zusammenzufassen und feierlich zu wiederholen, die ihr aus dem Vertrag zwischen Großbritannien und der EVG, sowie aus den Protokollen über die Beistandsverpflichtungen der Nordatlantikpaktstaaten gegenüber der EVG und schließlich aus der Garantieerklärung vom 27. Mai 1952 erwachsen.
Ferner - das ist sehr bedeutungsvoll, meine Damen und Herren - hat sich die britische Regierung in der Note vom 11. März bereit erklärt, auf eine Verlängerung der Laufzeit des Nordatlantikpakts auf 50 Jahre hinzuwirken,
({51})
um ihn damit der Laufzeit des EVG-Vertrages anzugleichen.
({52})
Schließlich ist Großbritannien, wie aus der Note vom 11. März hervorgeht, auch bereit, bei den Arbeiten der EVG dadurch unmittelbar mitzuwirken, daß die britische Regierung eine Sondermission zu dem Kommissariat der EVG entsendet und einen Vertreter an den Sondersitzungen des Ministerrats teilnehmen läßt. In den Sondersitzungen des Ministerrats der EVG sollen die Richtlinien der Zusammenarbeit zwischen der EVG und Großbritannien erörtert und eine Konsultation in allen Fragen gemeinschaftlichen Interesses herbeigeführt werden.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß es wichtig und wertvoll für uns Deutsche ist, diese ganzen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen einmal insgesamt, abgesehen von den Einzelheiten der Verträge, darzustellen.
({53})
Natürlich bringt ein Vertrag, der unter Sechsen geschlossen wird, keinem der vertragschließenden Teile eine volle Erfüllung seiner Wünsche und seiner Interessen.
({54})
Nur durch Kompromisse und Ausgleiche kommen schließlich solche Verträge zustande. Aber es ist nach meiner Meinung nicht richtig, sich in einer Kritik von Einzelbestimmungen zu erschöpfen. Das Wesentliche ist eine politische Entscheidung. Das Wesentliche ist, die großen und entscheidenden Gesichtspunkte zu sehen.
Wenn wir die Verträge und die Weltlage betrachten, so ist folgendes absolut sicher: Wir sind bedroht. Wir sind Objekt der Außenpolitik anderer. Wir können uns nicht wehren. Wir haben keinen Anspruch auf Schutz. Das wird sich nach der Ratifizierung der Verträge grundlegend und schnell ändern.
({55})
Wir werden uns dann zusammen mit den übrigen Teilen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und den NATO-Streitkräften selbst verteidigen können. Wir werden gesichert und einbezogen in die größte Verteidigungsorganisation, die die Menschheit bisher geschaffen hat.
({56})
Wir legen durch die Ratifizierung dieser Verträge als freies Volk die Grundlage für eine politische und wirtschaftliche Einigung Europas und retten damit Europa vor dem drohenden Zerfall und Untergang.
Das, meine Damen und Herren, sind die großen, in Wahrheit entscheidenden Gesichtspunkte für unsere Entschlüsse und für unser Handeln.
({57})
Von ihnen müssen wir uns leiten lassen und nicht von dem, was uns an diesem oder jenem Artikel nicht gefällt. Die Zeitverhältnisse verlangen gebieterisch Entscheidungen nach großen Gesichtspunkten. Bei vielen Gesetzen mag man die einzelnen Bestimmungen kritisieren und zerpflücken; hier geht das nicht an. Wenn man sich über das Ziel klar ist, muß man entschlossen den Weg gehen, der zu diesem Ziele führt.
({58})
Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, zu einigen der bisher von Angehörigen der Opposition - dazu rechne ich nicht mehr die Kommunisten ({59})
({60})
und zu den in Oppositionszeitungen gemachten Einwendungen gegen den Abschluß der Verträge Stellung nehmen.
Man sagt uns: Ihr gründet ein Klein-Europa! Alle freien europäischen Länder müssen zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft hinzugenommen werden! Das gilt vor allem von Großbritannien. - Gegenüber dieser Einwendung weise ich sehr nachdrücklich auf die letzten Noten Großbritanniens vom März dieses Jahres über seine Stellung zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft hin. Diesen Erklärungen Großbritanniens gegenüber kann man wahrhaftig nicht mehr davon sprechen, daß Großbritannien nicht absolut zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft politisch und militärisch steht. Daß die nordischen Staaten den Abschluß der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und die damit in Zusammenhang stehende europäische politische Gemeinschaft von Herzen begrüßen, wissen wir alle durch ihre eigenen Erklärungen.
Man sagt weiter - und damit komme ich auf die Geschäftsordnungsdebatte zurück -: Aber Frankreich verlangt Zusatzprotokolle. Ehe diese Frage der Zusatzprotokolle nicht entschieden ist, können wir nicht Stellung nehmen. - Nun, meine Damen und Herren, man hat hier zu den Verträgen schon Stellung genommen, noch ehe überhaupt von Zusatzprotokollen die Rede gewesen ist.
({61})
Aber ich halte eine solche Einwendung für völkerrechtlich falsch, und ich halte sie für politisch
falsch. Die französische Regierung, der damalige
Ministerpräsident Pinay und Außenminister Schuman, haben die Verträge unterschrieben und sind
damit die Verpflichtung eingegangen, alles zu tun,
was in ihren Kräften steht, um eine Genehmigung
der Verträge durch ihr Parlament herbeizuführen.
({62})
Die Regierung Mayer und Außenminister Bidault haben sich ausdrücklich zu der gleichen Verpflichtung bekannt.
({63})
Wenn jetzt von französischer Seite die Frage von
Zusatzprotokollen oder, wie ein andermal gesagt
worden ist, von Erläuterungen zu dem EVG-Vertrag aufgeworfen wird, so wird man bei der Erörterung dieser gewünschten Erläuterungen davon
auszugehen haben, daß sie weder dem Sinne noch
dem Wortlaut des Vertrags widersprechen dürfen.
({64})
Die Konferenz von Rom am 25. und 26. Februar hat sich mit dieser Frage beschäftigt.
({65})
Herr Abgeordneter Niebergall, Sie haben in einem Zwischenruf den Herrn Bundeskanzler als Lügner bezeichnet. Ich rufe Sie zur Ordnung.
({0})
In dem gemeinsam sehr sorgfältig abgewogenen Schlußkommuniqué hat sie übereinstimmend, auch mit Zustimmung
des französischen Außenministers, ihre Meinung wie folgt festgelegt:
Die Minister haben anschließend den Stand der Ratifikation des EVG-Vertrages geprüft und haben einstimmig ihre Überzeugung verkündet, daß, um ihren Willen zur Verwirklichung der europäischen Idee .konkret zu beweisen und um den Gefahren zu begegnen, die noch immer auf dem freien Europa lasten, es notwendig ist, ohne weiteren Verzug zur Verwirklichung der europäischen Idee zu kommen.
Die Minister haben festgestellt, daß den Parlamenten aller Mitgliedstaaten der Entwurf des Vertrages über die Verteidigungsgemeinschaft vorgelegt worden ist, und haben bekräftigt, daß ihre Regierungen fest entschlossen sind, den Entwurf unter besonderem Hinweis auf seine äußerste Dringlichkeit vor den Parlamenten zu vertreten.
Die Minister haben von den Erörterungen Kenntnis genommen, die auf Grund der französischen Zusatzanträge in dem Ständigen Interimsausschuß im Rahmen der diesem bei Unterzeichnung des Vertrages übertragenen Aufgaben stattgefunden haben. Die Minister haben den Interimsausschuß ersucht, seine Arbeiten unter Berücksichtigung der für bestimmte Vertragschließende bestehenden überseeischen Aufgaben fortzusetzen und sobald wie möglich über Formulierungen zu entscheiden, die sich im Rahmen der Auslegung des Vertrags halten und das in verschiedenen Parlamenten bereits eingeleitete Verfahren nicht behindern.
Daraus ergibt sich völlig klar, daß die Ratifizierung der Verträge ohne Rücksichtnahme auf die von der französischen Regierung gewünschten Erläuterungen von allen Außenministern gewünscht und als notwendig anerkannt wird.
Ein weiterer Einwand gegen den Abschluß der Verträge: Es wird behauptet, daß dadurch die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit verhindert würde. Nichts, meine Damen und Herren, ist falscher als diese Ansicht.
({0})
Ich glaube, niemand auf der Welt wird etwa behaupten wollen, daß Sowjetrußland bereit ist, spontan und völlig uneigennützig die Sowjetzone freizugeben, auf daß sie frei zu uns zurückkehren kann.
({1})
Ich darf in Ihr Gedächtnis zurückrufen, daß die Forderung auf freie Wahlen in ganz Deutschland zwecks Bildung einer freien Regierung niemals von Sowjetrußland anerkannt worden ist,
({2})
und daß die letzte Note der Westalliierten in dieser Frage überhaupt unbeantwortet geblieben ist.
({3})
Ich darf Sie weiter darauf hinweisen, daß in der ersten sowjetrussischen Note vom Herbst 1952
({4})
ein Diktatfrieden für Deutschland auf Grund des Potsdamer Abkommens verlangt worden war,
({5})
daß uns dadurch ein niedriger Lebensstandard auferlegt werden sollte
({6})
und eine ständige bis in die kleinsten Einzelheiten gehende Kontrolle.
({7})
Ich habe schon so oft darüber gesprochen, daß es zu den obersten Zielen der Politik der Bundesregierung gehört, diese Wiedervereinigung in Freiheit im Wege von Verhandlungen mit Sowjetrußland herbeizuführen.
({8})
Wir würden es jederzeit begrüßen, wenn die drei Westalliierten zu aussichtsreichen und guten Verhandlungen mit Sowjetrußland kämen,
({9})
Verhandlungen, an denen wir als freies Land teilzunehmen berechtigt sein müßten.
({10})
Aber, meine Damen und Herren, es gibt keinen anderen Weg, zu Verhandlungen mit Sowjetrußland zu kommen, es gibt keinen anderen Weg, zur Wiedervereinigung in Freiheit zu kommen,
({11})
als den, den Westen so stark wie möglich zu machen.
({12})
Die Bewohner der Sowjetzone, die Flüchtlinge, die tagtäglich herüberkommen,
({13}) stehen alle auf demselben Standpunkt.
({14})
Als ich zuletzt in Berlin war, haben mir immer wieder Männer und Frauen aus der Sowjetzone, die zur Grünen Woche nach Berlin gekommen waren, zugerufen: „Kanzler, bleibe hart!"
({15})
Zur Rechtfertigung dieser meiner Ausführungen kann ich mich auf den SPD-Pressedienst vom 13. Januar 1950 berufen, in dem es wörtlich heißt:
({16})
Die Lehre von Berlin ist nicht verstanden worden, die Lehre, daß die Russen nur härteste Entschlossenheit respektieren.
Derselbe Sozialdemokratische Pressedienst sagt in seiner Nummer vom 27. Dezember 1950:
Der Westen kann nun einmal, so wie die Dinge
liegen, auf eine maximale Kraftentfaltung als
Gegengewicht zu .der östlichen Ballung von Macht und Gewalt trotz atmosphärischer Störungen, die damit verbunden sein mögen, nicht verzichten,
({17})
weil er sich sonst selbst in eine unmögliche Ausgangsposition für jede Verhandlung mit dem Gegenspieler bringen würde.
({18})
Was im Dezember 1950 gegolten hat, meine Damen und Herren, gilt sicher und erst recht jetzt, im Jahre 1953, da die sowjetrussische Militärmacht seit 1950 noch außerordentlich gesteigert worden ist.
({19})
Sobald diese Ausgangsposition für aussichtsreiche Verhandlungen geschaffen ist, d. h. sobald, um mit dem Sozialdemokratischen Pressedienst vom 27. Dezember 1950 zu sprechen, der Westen eine maximale Kraftentfaltung gezeigt hat, werden solche Verhandlungen in Gang gesetzt werden müssen.
({20})
Wiederholt habe ich darauf hingewiesen, daß auch Sowjetrußland eines Tages zu Verhandlungen bereit sein wird, dann nämlich, wenn es die Aussichtslosigkeit des von ihm geführten kalten Krieges einsieht, wenn es zu der Erkenntnis gekommen ist, daß sich seine Rüstungskosten nicht mehr lohnen.
({21})
Aus Anlaß der Neuaufteilung der Herrschaft unter die verschiedenen neuen Machthaber im Kreml ist bekanntgeworden, daß in immer stärkerem Maße in Sowjetrußland die Schicht der leitenden Wirtschaftsleute an Bedeutung zunimmt, weil auf die Dauer die Niederhaltung der Konsumgüterproduktion zugunsten der Kriegsproduktion auch für die unter Diktatur stehende sowjetrussische Bevölkerung nicht tragbar ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun übergehen zu einem Artikel in der „Zeit",
({22})
der Nummer von heute, die gestern ausgegeben worden ist.
({23})
Darin steht, und zwar auf der ersten Seite, ein Artikel von Herrn Bourdin.
({24})
- Habe ich gekannt! ({25})
Dieser Artikel trägt die faszinierende Überschrift: „Auf krummen Wegen",
({26})
„Geheimabmachung über die endgültige Spaltung
Deutschlands". Lassen Sie mich einige Stücke aus
({27})
diesem Artikel mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vorlesen.
({28})
Der Artikel beginnt wie folgt:
Gerade noch rechtzeitig vor der letzten Lesung der deutsch-alliierten Verträge im Bundestag sind die Hintergedanken zweier Vertragspartner enthüllt worden. Der international angesehene Journalist Kingsbury Smith . . . berichtet: „Zwei französische Kabinettsmitglieder und einer der führenden alliierten Botschafter in Paris vertraten unabhängig voneinander in einem Gespräch mit mir die Ansicht, daß die französische, die britische und die sowietische Regierung gegen die Wiedervereinigung Deutschlands seien . . .
({29})
Auf indirektem Wege oder über Dritte haben sie einander zu verstehen gegeben, daß sie die Ansicht vertreten, man solle sich nicht über die Wiedervereinigung Deutschlands einigen . . . Nach der Darstellung eines Mitgliedes des jetzigen französischen Kabinetts hat der britische Außenminister Anthony Eden seinem französischen Kollegen kürzlich mitgeteilt, er glaube, daß Rußland und die europäischen Westmächte nur dann friedlich nebeneinander leben könnten, wenn Deutschland nicht wieder vereinigt werde."
({30})
Mit anderen Worten,
- fährt der Artikel fort René Mayer und Bidault haben sich bei ihrem kürzlichen Besuch in London mit Eden darüber verständigt, die Wiedervereinigung Deutschlands zu verhindern, und zwar im Einverständnis mit der sowjetischen Regierung,
({31})
nachdem sie sich mit ihr „auf indirektem Wege oder über Dritte" darüber geeinigt hatten, ({32})
„sich nicht über die Wiedervereinigung Deutschlands zu einigen". Wir haben es also mit einem Agreement . . ., einer geheimen Abmachung über die Verewigung der Spaltung Deutschlands zu tun, die von England und Frankreich hinter dem Rücken Deutschlands und Amerikas mit der Sowjetunion geschlossen worden ist.
({33})
An einer weiteren Stelle heißt es:
Die Politik von London und Paris richtet sich vor allem gegen den Deutschlandvertrag, der von der britischen und der französischen Regierung ebenso unterzeichnet worden ist wie von der amerikanischen.
({34})
Zum Schluß, meine Damen und Herren, sagt der Artikel:
Angesichts dieser neuen Situation, die seit der Unterzeichnung der deutsch-alliierten Verträge im Mai vorigen Jahres eingetreten ist, wäre es aber nun völlig falsch, etwa die fällige Ratifizierung zu verweigern.
({35})
Ich habe selten einen so perfiden Artikel wie diesen gelesen.
({36})
Auch wenn zum Schluß des Artikels steht, man solle trotzdem die Ratifizierung beschließen, so ist doch völlig klar, was dieser Artikel bezweckt.
({37})
Denn wenn das wahr wäre, was in dem Artikel steht, wenn wirklich eine solche Verständigung zwischen Frankreich und England stattgefunden hätte, würde ich Ihnen diesen Vertrag heute in dritter Lesung nicht vorlegen.
({38})
- Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist wohl kaum in einem Parlament der Welt üblich, daß der Chef der Regierung so andauernd unterbrochen wird.
({39})
Herr Abgeordneter Renner, wenn Sie dauernd die Sitzung unterbrechen, werde ich andere Maßnahmen gegen Sie ergreifen.
({0})
Ich habe mich gestern, sobald ich von diesem Artikel Kenntnis erhielt, an Herrn Eden, der hier mit Namen genannt ist, und an den französischen Ministerpräsidenten Mayer gewendet. Ich bin in der Lage, Ihnen heute die Antworten der beiden Herren mitzuteilen. Das Foreign Office gab gestern abend folgende Erklärung ab:
Die Aufmerksamkeit des Foreign Office ist auf Berichte gelenkt worden, über die in der deutschen Presse ein Kommentar veröffentlicht worden ist, in dem der Regierung Ihrer Majestät und Mr. Eden persönlich gewisse Ansichten über die Frage der Vereinigung Deutschlands unterstellt werden. Diese Berichte, in denen behauptet wird, die Regierung Ihrer Majestät und der britische Außenminister seien gegen diese Vereinigung, entbehren jeder Grundlage. Die Politik der Regierung Ihrer Majestät ist unverändert, wie sie klar in Art. 7 der Konvention über das Verhältnis zwischen den Drei Mächten und der Bundesrepublik Deutschland festgelegt, am 26. Mai unterzeichnet und später vom britischen Parlament ratifiziert wurde.
({0})
Ergänzend zu dieser Erklärung des Außenamts in London weisen amtliche Londoner Stellen darauf hin, daß insbesondere die in den erwähnten Meldungen enthaltenen Behauptungen über eine angebliche Verständigung Großbritanniens und Frankreichs mit der Sowjetunion über die Aufrechterhaltung der Teilung Deutschlands ein völlig absurdes und lächerliches Phantasiegebilde sind. In diesem Zusammenhang ruft man in Erinnerung, daß Premierminister Churchill dem deutschen Bundeskanzler während dessen Londoner Besuch die feierliche Versicherung gegeben hatte, daß Großbritannien niemals über die Köpfe der Deutschen hinweg Abmachungen über Fragen, die wichtige deutsche Interessen berühren, treffen werde.
({1})
Von dem französischen Ministerpräsidenten
Mayer habe ich folgende Antwort bekommen:
Ich glaube nicht, daß es in der deutschen Regierung, im deutschen Parlament oder im deutschen Volke eine einzige Person gibt, die an eine Erfindung von so phantastischem Charakter mit Bezug auf ein angebliches geheimes Übereinkommen glaubt, das von England und Frankreich mit der Sowjetunion hinter dem Rücken Deutschlands und Amerikas abgeschlossen worden sei. Wenn die Verträge ratifiziert und in Kraft sind, wird die französische Regierung ihre Bestimmungen respektieren, und sie rechnet, daß jeder Unterzeichner sich danach richtet.
Es heißt weiter in dem Schreiben:
Ich bestätige Ihnen das Nichtbestehen der behaupteten Erklärungen, die mir zugeschrieben worden sind, und verweise Sie auf diejenigen Erklärungen, die ich zweimal über die uns gemeinsam angehenden Fragen abgegeben habe.
({2})
Meine Damen und Herren! In der Begründung,
mit der die jetzige französische Regierung die Verträge ihrem Parlament zugeleitet hat, heißt es: Zu diesem grundlegenden Punkt darf kein Mißverständnis bestehen. Die friedliche Wiederherstellung der deutschen Einheit ist ein wesentlicher Bestandteil einer europäischen allgemeinen Regelung, die ihrerseits eines der Ziele der französischen Politik und der Politik der freien Welt ist.
({3})
Und an einer anderen Stelle dieser Begründung ist gesagt:
Wenn die Wiederherstellung dieser Einheit einen wesentlichen Faktor der Befriedung Europas bildet, so läßt sie sich doch nicht unter Voraussetzungen in Aussicht nehmen, die ganz Deutschland unter den sowjetischen Einfluß bringen würden.
({4})
Meine Damen und Herren! Dieser Artikel in der „Welt" ({5})
- in der „Zeit" - verzeihen Sie! - ist eine Brunnenvergiftung übelster Art.
({6})
- Meine Damen und Herren, ich sehe ihn nicht, sonst würde ich's ihm schon sagen!
({7})
Meine Damen und Herren, ich stehe nicht an, zu erklären, daß es mir völlig unverständlich ist, daß ein Blatt wie „Die Zeit" einen solchen Artikel am Tage vor der dritten Lesung, ohne sich mit irgendeiner Regierungsstelle wenigstens durch eine Anfrage in Verbindung zu setzen, veröffentlichen kann.
({8})
Meine Damen und Herren, ich komme auf weitere Einwendungen gegen den Abschluß der Verträge und auf die Vorschläge, die gemacht worden sind. Sie wissen, daß Herr Kollege Ollenhauer eine neue UNO vorgeschlagen hat, nur bestehend aus freien Völkern. Ich glaube nicht, daß die freien
Völker uns zuliebe eine neue UNO ohne Sowjetrußland und seine Satellitenstaaten gründen würden.
({9})
Auch eine solche Gemeinschaft freier Völker, wie sie Herrn Ollenhauer vorschwebt, kann nichts machen, wenn sie nicht, um noch einmal die Worte des Sozialdemokratischen Pressedienstes zu gebrauchen, eine maximale Kraftentfaltung als Gegengewicht zu der östlichen Ballung von Macht und Gewalt zeigt.
- ({10})
Herr Kollege Mellies hat vor kurzem in Kiel eine Rede gehalten. Im Verlauf dieser Rede in Kiel hat er den Vorschlag gemacht, daß jedes Land, also auch Deutschland, selbst militärische Einheiten aufstellen solle, die dann durch vernünftige Verträge koordiniert werden sollten. Ich weiß nicht,
({11})
ob Herr Mellies damit die Schaffung einer großen Koalitionsarmee, bestehend aus einzelnen nationalen Armeen, befürwortet hat. Er gebraucht zwar nicht das Wort „nationale Armee";
({12})
aber wenn ich von militärischen Einheiten eines jeden Landes und von einer Koordinationsarmee spreche, dann sind das eben nationale Armeen, denn das ist doch in Wirklichkeit ein und dasselbe. Ich muß allerdings sagen, daß Herr Mellies im Laufe seiner Ausführungen erklärte, nationale Armeen seien unangebracht für die heutige Zeit, und darin stimme ich Herrn Kollegen Mellies zu.
({13})
Meine Damen und Herren, Sie kennen doch die Schwierigkeiten, auf die das Projekt der europäischen Armee bei einem Teil der französischen Politiker stößt, weil dabei eine Wiederbewaffnung Deutschlands - wenn auch im Rahmen einer europäischen Armee - vorgenommen werden würde. Glauben denn die Herren, daß Frankreich mit der Aufstellung militärischer Einheiten durch Deutschland, die „durch vernünftige Verträge" mit militärischen Einheiten ariderer Länder koordiniert würden, einverstanden wäre?
({14})
Der Herr Kollege Luetkens hat in einem Artikel, der im Märzheft der „Außenpolitik" erschienen ist, eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Ich hebe das Wesentlichste aus diesem Artikel hervor. Er will die Aufstellung eigener deutscher militärischer Streitkräfte und eine Anlehnung der Bundesrepublik an den Atlantikpakt. Er sagt wörtlich:
Die Bundesrepublik soll und muß nach Ansicht aller großen Parteien einen militärischen Beitrag zu ihrer Sicherheit leisten.
({15})
Die aus politischen Erwägungen sowie aus solchen militärischer Zweckmäßigkeit angebrachte Form dafür wären eigene Streitkräfte.
Für solche Streitkräfte der Bundesrepublik müsse eine Form der Anlehnung an den Westen gefunden werden, die zum Ausdruck brächte, daß die Bevölkerung der Bundesrepublik auf keinen Fall dem totalitären Bereich des Ostens anheimzufallen wünsche. Eine Anlehnung der Bundesrepublik an den Atlantikpakt sei in Erwägung zu ziehen. In dem gleichen Artikel erklärt Herr Kollege Luetkens auch, daß den Westmächten gewisse Vorbehaltsrechte zugestanden werden müßten, um einen Ansatzpunkt für eine gemeinsame Regelung der deutschen Fragen zwischen den vier Besatzungsmächten und der Bundesrepublik Deutschland zu finden.
({16})
Meine Damen und Herren, ich möchte hier zunächst auf das verweisen, was ich gegenüber den Ausführungen des Herrn Kollegen Mellies gesagt habe. Aber davon ganz abgesehen: Sind denn die Vorschläge des Herrn Kollegen Luetkens weit entfernt von den EVG-Verträgen?
({17})
Ich kann das nicht finden.
({18})
Übrigens möchte ich zu der Frage nationale Armee oder, was an und für sich dasselbe ist, deutsche Streitkräfte ein Wort von Herrn Dr. Schumacher zitieren, der in Bonn am 23. August 1950 gesagt hat: „Jede nationale Armee ist die freiwillige Selbstisolierung der Deutschen."
Herr Professor Baade hat folgendes erklärt. - ({19})
Herr Professor Baade hat folgendes erklärt: Das politische Ziel der SPD - deswegen erwähne ich das, weil er das als ein Ziel der Sozialdemokratischen Partei darstellt, nach meiner Meinung nicht mit Recht ({20})
sei ein unbewaffnetes einiges und freies Deutschland, dessen Bestand durch die Vereinigten Staaten und Sowjetrußland garantiert werden müsse.
({21})
Ich möchte dem ein Wort gegenüberhalten, das Herr Dr. Schumacher am 4. Februar 1947 in Hamburg gesprochen hat. Er hat da gesagt:
Es kommt nicht darauf an, Deutschland zu neutralisieren, sondern es zu einer europäischen Funktion werden zu lassen.
({22})
Ein weißer Fleck
- so hat Herr Dr. Schumacher gesagt im Herzen Europas kann leicht ein Anreiz sein
- für Imperialisten aller Schattierungen.
({23})
- Man muß sich doch vorbereiten.
({24})
Aber, meine Damen und Herren, - ({25})
Herr Rische, Sie sind doch heute hier nur auf Bewährung. Also ich bitte - ({0})
Aber, meine Damen und Herren, es handelt sich wirklich um sehr ernste Dinge. Es handelt sich um Schicksalsfragen des deutschen Volkes und Europas.
({0})
Daher habe ich die wirklich von Herzen kommende Bitte an die sozialdemokratische Fraktion,
({1})
sie möchte doch einmal mit sich zu Rate gehen, ob sie sich nicht doch entschließen kann, zuzustimmen. Niemand
({2})
würde sich mehr darüber freuen als wir alle und als das deutsche Volk in seiner Gesamtheit.
({3})
Die Bedenken, die von Ihnen zu diesen oder jenen Punkten der Verträge gemacht werden, sind wirklich nicht entscheidend. Sie haben die Vorbehaltsrechte getadelt. Ihr Mitglied Herr Luetkens erkennt ja in diesem Artikel an, daß solche Vorbehaltsrechte geschaffen werden müssen. Er erkennt es nach meiner Meinung mit Recht an.
({4})
Sie können ja, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, Ihre Bedenken und Beanstandungen einzelner Artikel in ähnlicher Form, wie das andere Fraktionen dieses Hohen Hauses bei der zweiten Lesung getan haben, in Form von Entschließungen niederlegen,
({5})
damit die Bundesregierung im Laufe der naturnotwendig einsetzenden Weiterentwicklung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft versuchen kann, diesen Bedenken Rechnung zu tragen.
({6})
In den wahrhaft entscheidenden Fragen sind die
Voraussetzungen -für die Zustimmung der Sozial({7})
demokratischen Partei zu den Verträgen erfüllt. Das kann ich Ihnen beweisen, meine Damen und Herren, mit alledem, was Herr Dr. Schumacher schon früher erklärt hat. Er hat in Bonn am 23. August 1950 in einer Pressekonferenz folgendes erklärt:
Hier, wo wir untersuchen müssen, ob es eine Situation gibt, bei der eine deutsche militärische Leistung einen Sinn hat, sage ich: diese Situation tritt dann ein, wenn die Weltdemokratien, wenn vor allen Dingen die Vereinigten Staaten Deutschland offensiv nach dem Osten verteidigen,
({8})
d. h. das ganze Deutschland vor den schwersten Zerstörungen bewahren und ebenso Europa, und die Kriegsentscheidung mit allen Kräften östlich von Deutschland suchen.
({9})
Herr Dr. Schumacher hat damals erklärt:
Das ist die erste und die einzige Voraussetzung für unser Ja oder Nein zur deutschen Rüstung. ({10})
Nun, ich sage Ihnen nochmals: diese Voraussetzung ist erfüllt. Es liegt in den Plänen von NATO,
({11})
sobald die Europaarmee steht, die Verteidigung Europas einschließlich Deutschlands soweit wie irgend möglich im Osten aufzuziehen.
Herr Dr. Schumacher hat bei einer anderen Gelegenheit im September 1950 in Stuttgart gesagt:
Wir sind bereit, wieder Waffen zu tragen, wenn die westlichen Alliierten mit uns das gleiche Risiko und die gleiche Chance der Abwehr eines sowjetischen Angriffs übernehmen und sich mit größtmöglicher Macht an der Elbe etablieren.
({12})
Und er hat ebenfalls in Stuttgart am 27. September 1950 gesagt: Die Sozialdemokratie sei nur dann mit einem militärischen Beitrag Deutschlands für eine notwendig werdende europäische Verteidigung einverstanden, wenn das Schicksal der westlichen Demokratien mit dem deutschen Schicksal unlösbar verbunden sei.
({13})
Voraussetzung hierfür sei, daß die Verbundenheit durch die Entfaltung entsprechender Machtmittel der westlichen Demokratien in Deutschland überzeugend sichtbar gemacht werde.
({14})
- Das war im Jahre 1950! Da hat er recht gehabt, und heute schreiben wir 1953. Heute haben wir diese Verträge, heute haben wir diese Bindungen in den Atlantikpakt hinein, heute haben wir die Zusicherungen von Großbritannien, heute haben wir die Zusicherung von den Vereinigten Staaten,
({15})
und dasjenige, was damals Herr Dr. Schumacher als
Voraussetzung - und als einzige Voraussetzung,
wie er es mehrfach gesagt hat - erklärt hat, ist nunmehr eingetreten.
({16})
Ich will noch etwas anderes anführen, was er gesagt hat, und zwar in Dortmund am 8. Oktober 1950. Da hat er diese Erklärung wiederholt, und gerade aus der häufigen Wiederholung dieser Erklärungen können Sie erkennen, daß es ihm mit dem ernst war, was er da sagte, und daß es wohl überlegt war. Er hat in Dortmund erklärt:
Ein Ja zum Verteidigungsbeitrag könnten wir politisch unter einer ganz bestimmten Voraussetzung sagen, natürlich dann, wenn die Völker der Weltdemokratien sich hier so stark machen, daß diese Völker ihr Schicksal vom Schicksal des deutschen Volkes nicht mehr lösen können. Das ist die einzige Voraussetzung.
So hat er damals erklärt, und ich betone es nochmals, diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Ich betone auch nochmals folgendes: man muß auch in der Politik einmal den Mut haben,
({17})
über Dinge, die vorüber sind, hinwegzusehen. Wenn es sich um das Schicksal des ganzen deutschen Volkes handelt, um das Schicksal aller, dann darf man sich unter keinen Umständen in Einzelheiten und Kritiken verlieren, sondern man muß "einer solchen Parole folgen, wie Sie Herr Dr. Schumacher aufgestellt hat.
({18})
Aber ich glaube, wir handeln nicht richtig, wenn wir uns bei der Betrachtung der ganzen Situation und bei einer Würdigung der Vertragswerke allein und lediglich von den Spannungen leiten lassen, die jetzt in der Welt bestehen und die ja doch eines Tages auch einmal wieder abklingen werden. Wir müssen in Europa loskommen von dem Denken in nationalstaatlichen Begriffen!
({19})
Durch den letzten Krieg, durch die Entwicklung der Waffentechnik und der Technik überhaupt sind ganz andere und neue Verhältnisse in der Welt geschaffen worden. Es gibt zwei Weltstaaten, das sind die Vereinigten Staaten und Sowjetrußland, und es gibt das Britische Commonwealth; und dann kommen die westeuropäischen Länder, zu denen wir gehören, Länder, die durch die Kriege wirtschaftlich und machtmäßig verarmt sind, so daß sie jedes für sich allein nicht in der Lage sind, ihren Angehörigen die Freiheit und einen menschenwürdigen Lebensstandard zu gewährleisten.
({20})
Diese westeuropäischen Länder sind nicht mehr in der Lage, sich jedes für sich allein zu schützen; sie sind nicht mehr in der Lage, jedes für sich allein die europäische Kultur zu retten. Alle diese Ziele, die uns doch gemeinsam sind, meine Damen und Herren, können nur dann erreicht werden, wenn sich die westeuropäischen Länder zusammenschließen - politisch, wirtschaftlich und auch kulturell - und wenn sie vor allem auch weitere kriegerische Auseinandersetzungen unter sich selbst unmöglich machen.
({21})
({22})
Alles das bezwecken diese Verträge, die man über die gegenwärtige Zeitlage hinaus betrachten muß als ein sehr wesentliches Glied in der Weiterentwicklung zu Europa hin. Nur diese Politik wird es europäischen Völkern ermöglichen, den Frieden zu schützen, Europa wieder aufzubauen, die europäische Kultur zu retten und Europa wieder zu einem maßgebenden Faktor in der Weltpolitik und in der Weltwirtschaft zu machen.
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Ich bitte Sie alle, meine Damen und Herren, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen.
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Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache im Rahmen der vereinbarten Redezeit von sechs Stunden. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die politische Entscheidung meiner Freunde von der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union über die beiden uns vorliegenden Verträge ist in der zweiten Lesung begründet worden, und sie ist bereits in der zweiten Lesung gefallen. Ich möchte jedoch heute noch einmal die wesentlichen Gesichtspunkte zusammenfassen, die unter Ja zu diesen Verträgen stützen. Dabei spreche ich mit besonderem Nachdruck aus, daß unsere Überzeugung gerade in den vergangenen Monaten noch an Festigkeit gewonnen hat und daß die Gründe, die uns zur Zustimmung veranlassen, noch stärker geworden sind.
Die beiden Verträge nur aus der Perspektive des Heute zu betrachten, wäre nur dann erlaubt, wenn wir die vergangenen Jahre nicht miterlebt hätten. Wir müssen die Verträge sehen als eine Etappe auf dem Wege der gesamten deutschen Politik, wie sie in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers am 20. September 1949 angekündigt und seitdem mit zäher Beharrlichkeit - aber auch mit unbestreitbarem Erfolg - fortgeführt worden ist.
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Es wird wohl niemanden in diesem Hohen Hause geben, der vergessen haben könnte, daß wir bis heute - und der Herr Bundeskanzler hat an diese Tatsache mit Recht erinnert - noch unter der Herrschaft eines Besatzungsstatuts stehen,
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eines Statuts, das wohl durch die kluge und beharrliche Politik der Bundesregierung in vielen Einzelheiten modifiziert worden ist und im allgemeinen nicht mehr zur Anwendung kommt, dessen Existenz zu leugnen aber töricht wäre. Dabei war schon der Erlaß des Besatzungsstatuts, das der möglichen Willkür und dem freien diskretionären Ermessen der Besatzungsbehörden gewisse feste Grenzen zog, ein Fortschritt, der damals von allen Deutschen aufrichtig begrüßt werden mußte. Ziel und Aufgabe einer verantwortungsbewußten deutschen Politik mußte es sein, aus dieser Beschränkung und Unselbständigkeit wieder herauszukommen. Diesem Zweck dient der uns heute vorliegende Deutschland-Vertrag.
Niemand von uns wird diesen Vertrag in allen seinen Einzelheiten begrüßen, und niemand von
uns wird auf den Gedanken kommen, seine Ratifizierung etwa zu bejubeln; denn er erinnert uns natürlich noch an die Katastrophe, die hinter uns liegt und mit der ein unseliges Regime von der Bühne abtrat, um ein . geschlagenes, zerplittertes, aus der Unfreiheit kaum entronnenes Volk in eine neue Unselbständigkeit zu überführen. Aber nur ein politischer Narr könnte von einem solchen Vertrag erwarten, daß er rückwirkend alles Geschehene ungeschehen machen könnte.
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Solche Forderungen aufzustellen und solche Wünsche anzumelden ist ein Ausdruck der Vermessenheit oder der Demagogie, und beidem dürfen wir uns nicht hingeben.
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Der Vertrag ist aber, wenn wir ihn in seiner Gesamtheit sehen und auch den Geist der Versöhnung, der aus ihm spricht, in uns aufnehmen, nicht nur die bestmögliche, sondern ich glaube, sagen zu können: eine wirklich gute Lösung. Der Bundestag und das ganze deutsche Volk haben Anlaß, denen zu danken, die am Zustandekommen dieses Vertrags mitgewirkt haben. Ich halte es für eine Pflicht, diesen Dank hier in aller Öffentlichkeit und mit großem Nachdruck gerade dem deutschen Bundeskanzler abzustatten.
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Ich sagte, daß das Ziel der deutschen Politik sein mußte, Deutschland aus der Unselbständigkeit und aus der Unfreiheit herauszuheben und wieder zu einem mithandelnden und gleichberechtigten Subjekt in der Gemeinschaft der freien Völker zu machen. Ich meine, daß es ein steiler Weg ist, der uns diesem Ziel näher geführt hat.
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Erinnern wir uns der Debatte in diesem Hause, als das Petersberg-Abkommen abgeschlossen wurde, ein Abkommen, durch das eine Reihe besonders drückender Vorschriften aus der Zeit von Potsdam und den folgenden Jahren beseitigt wurde! Wir haben das Petersberg-Abkommen gutgeheißen - gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition.
Kurze Zeit darauf erging an uns die Frage, ob wir dem Europarat beitreten wollten, dieser ersten gemeinsamen Organisation der freien und demokratischen Völker Europas. Die Frage ging von denen aus, mit denen wir fünf Jahre vorher noch in blutigem Krieg gestanden hatten. Wir haben diese Frage bejaht - wieder gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition. Wenn der Europarat nur entstanden wäre als ein Forum der europäischen öffentlichen Meinung, das dazu dienen konnte, daß dort erstmals wieder Vertreter aller europäischen Länder zusammenkamen, um gemeinsame Fragen im Gefühl der gemeinsamen Verantwortung zu diskutieren und im Geiste einer echten Kameradschaft zu lösen, schon dann hätte sich dieses Ja gelohnt. Aber es bedurfte dieser ersten Begegnung im Europarat, um dann zur Diskussion des Planes zu kommen, den der damalige französische Außenminister Robert Schuman in einer wahrhaft europäischen Konzeption entfaltet hat. Der Plan wurde damals als Utopie, als Illusion belächelt und von denen, die ihn nicht verstehen konnten oder nicht verstehen wollten, bekämpft. Der
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Vertrag über die Montan-Union wurde dann hier im Deutschen Bundestag gebilligt - gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition.
Die Erkenntnis, daß wir auf diesem Wege der europäischen Zusammenarbeit fortfahren müssen, und die gemeinsame Überzeugung einer uns allen gemeinsam drohenden Gefahr hat zu dem Abschluß des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft geführt, über den wir heute in diesem Hohen Hause endgültig zu beschließen haben. Dieser Vertrag ist nicht nur von den sechs Ländern abgeschlossen worden, die der Montan-Union angehören; durch besondere Vereinbarungen haben sich ihm Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Nordamerika angeschlossen. Wir werden diesen Vertrag heute in dritter Lesung annehmen - wie ich fürchte, wieder gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition.
Die immer wachsende Erkenntnis von der Gemeinsamkeit des Schicksals der europäischen Länder hat dazu geführt, daß in Vorwegnahme des Art. 38 des Vertrages über die Verteidigungsgemeinschaft die sechs Außenminister am 10. September 1952 die Sonderversammlung in Straßburg beauftragt haben, den Entwurf für eine Europäische Gemeinschaft auszuarbeiten. Die Sonderversammlung in Straßburg hat diesen Auftrag angenommen - wieder gegen das Nein der sozialdemokratischen Opposition.
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Der Verfassungsausschuß dieser Versammlung hat in den ersten Märztagen seine Arbeit abgeschlossen. Er hat einen Vertragsentwurf vorgelegt, der von den politisch verantwortlichen Vertretern der sechs beteiligten Staaten ausgearbeitet worden war. Die Sonderversammlung in Straßburg hat diesen Entwurf mit 50 Stimmen bei fünf Enthaltungen gebilligt. Auch die Vertreter der Staaten, die sich an dieser Integration im Augenblick noch nicht beteiligen wollen, haben im Verfassungsausschuß und in der Sonderversammlung vom ersten bis zum letzten Augenblick aktiv mitgearbeitet und haben durch ihre Sprecher, und zwar durch die Sprecher aller politischen Parteien, ihre vorbehaltlose Zustimmung zu diesem Entwurf und zu dieser wahrhaft europäischen Lösung ausgedrückt. Auf den Bänken der Sonderversammlung fehlte allein - die sozialdemokratische Opposition.
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Erlauben Sie mir, mit einigen Worten das Entstehen dieses Vertragsentwurfs noch einmal in Erinnerung zu rufen. Am 15. September hat sich die Sonderversammlung konstituiert. Wenige Tage darauf hat der Verfassungsausschuß seine Arbeit aufgenommen. Bereits am 7. Januar hat die Sonderversammlung in Straßburg die Grundsätze, die wir ihr vorgelegt haben, gebilligt, und am 6. März hat die zweite Lesung dieses Vertrages in Straßburg begonnen, um am 10. März, also genau an dem Tage, der in der Entschließung vom 10. September genannt war, ihren Abschluß zu finden.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, aus dem Bericht, den der Verfassungsausschuß der Sonderversammlung vorgelegt hat, einige wenige Worte zu zitieren, um Ihnen auch den Geist zu zeigen, in dem gearbeitet wurde und von dem ich glaube, daß er sich in Zukunft bewähren wird. Es heißt in diesem Bericht:
Wie nach dem Jahre 1918, aber mit einer unvergleichlich stärkeren Kraft weckt die Idee
Europa die Hoffnung der Völker und bestimmt die Handlungen der europäischen Regierungen. Diese Idee entspricht nicht mehr lediglich einem politischen Ideal, sondern einer Lebensnotwendigkeit. Nur die auf europäischer Ebene zusammengefaßten Völker werden von nun an in einer Welt sich behaupten können, deren Struktur durch den letzten Weltkrieg erschrekkend vereinfacht wurde. Die politischen Katastrophen, die das Geschehen der letzten Jahrzehnte begleiteten, haben dazu geführt, in Europa wieder das Gefühl einer Solidarität, einer Gemeinschaft auf Leben und Tod zu wecken. Europa empfindet mehr und mehr die Notwendigkeit, sich zu organisieren, sich zu einigen und einen gemeinsamen Markt zu schaffen, ohne den die einzelnen Volkswirtschaften zum Stillstand und schließlich zum Untergang verurteilt wären.
({9}) Und es heißt weiter:
Diese europäische Gemeinschaft, deren Grundzüge sich aus diesen Statuten ergeben, wird weder ein Staatenbund noch ein Bundesstaat sein. Sie vereinigt die verschiedenartigsten Elemente der klassischen staatsrechtlichen Konstruktionen. Sie unterscheidet sich allerdings klar und eindeutig von einer lediglich auf internationalen Verträgen und Vereinbarungen beruhenden Koalition oder Allianz. Solche Konstruktionen lassen alle Gegensätze bestehen und werden beherrscht vom Prinzip der Hegemonie. In einer Gemeinschaft, wie sie der Entwurf vorschlägt, wird das Eigenleben der die Gemeinschaft bildenden Völker und Staaten garantiert. Die Hegemonie eines einzelnen Staates oder einer Gruppe innerhalb der Gemeinschaft ist jedoch ausgeschlossen.
Wenn man uns sagt, wir seien auf dem falschen Wege, weil dieses Europa ja ein Klein- oder Kleinst-Europa sei, dann möchte ich auch hier wieder sagen, daß dieses Argument nicht mehr gebraucht werden kann.
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Denn einmal kann ich eine Vereinbarung nur mit solchen schließen, die bereit sind, sich einem solchen Vertragswerk anzuschließen,
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und zum zweiten glaube ich, daß der Zusammenschluß von 155 Millionen Menschen im Herzen des europäischen Kontinents wahrhaft keine kleine Lösung bedeutet.
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Zum dritten aber möchte ich hier feststellen, daß diese Gemeinschaft, wenn sie wird - und ich bin überzeugt, daß sie Wirklichkeit wird -, nicht entstanden ist oder gebildet wurde in dem Gedanken, einen andern europäischen Staat, eine andere europäische Nation auszuschließen, sondern daß sie entstanden ist - und vom Tage der ersten Diskussion an haben wir das in der Mitarbeit mit den Beauftragten und mit den politischen Vertretern Englands und der skandinavischen Staaten unterstrichen -, daß sie begründet wird mit der vollen Zustimmung und mit der Unterstützung derer, die heute aus Gründen, die zu diskutieren uns nicht zusteht, die wir respektieren müssen, an einer solchen Intregration noch nicht teilnehmen wollen.
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Ich erlaube mir, an Stelle sehr vieler Äußerungen zwei zu zitieren, die mir bemerkenswert zu sein scheinen. Die eine hat der englische Vertreter, der konservative Abgeordnete Longdan abgegeben. Sie stimmt nahezu wörtlich mit der Erklärung des englischen Abgeordneten der Labour Party Robens überein, der sagte:
Wir alle erleben einen historischen Augenblick, vielleicht einen Wendepunkt der Geschichte. Wir haben den Schlüssel zu Sicherheit und Wohlstand in der Hand. Ich befürchte, daß, wenn Europa sich nicht bald regt und sich in Föderationen oder Konföderationen zusammensschließt, die Vereinigten Staaten und Großbritannien den Glauben an Europa verlieren und sich zurückziehen.
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Möge ein solches Unglück nie eintreten! Ich begrüße daher die Arbeit des Verfassungsausschusses und möchte meine aufrichtigsten Glückwünsche dazu aussprechen. Ich glaube, daß ein gutes Stück Arbeit geleistet wurde, und vertraue darauf, daß Sie und wir die Arbeit trotz bestehender politischer Ungewißheiten in bestimmten Ländern zu Ende führen werden und daß ein Plan darüber so bald wie möglich allen nationalen Parlamenten zugestellt werden kann.
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Die Tatsache besteht, daß es keine Wahl gibt. Europa muß aufwachen und sich zusammenschließen oder auseinanderfallen und zugrunde gehen.
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Kann man da noch sagen, daß diese Lösung sich gegen England richte?
Der dänische sozialdemokratische Abgeordnete Jacobsen hat zu demselben Vertragsentwurf gesagt:
Ich fühle als Europäer den Drang, meine große Bewunderung für den Mut und für die Vorurteilslosigkeit auszudrücken, mit denen die sechs Länder einer neuen Zeit entgegengehen. Gehen sie so weit, wie sie es nur wagen können! Zeigen sie uns ein Beispiel! Eines Tages werden wir hoffentlich folgen.
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Ich glaube, daß darauf der Einwand, daß eine solche europäische Gemeinschaft die skandinavischen Staaten von der Mitarbeit ausschließe und deswegen nicht abgeschlossen werden dürfe, wirklich an Glaubwürdigkeit verloren hat.
Allen diesen Verträgen, von denen ich sprach, ist ein gemeinsamer Inhalt eigen. Wir sind uns darüber im klaren, daß die Länder Europas vor der schicksalhaften Frage stehen, ob sie sich in gemeinsamem Bemühen erhalten und den Völkern und Menschen in ihren Ländern eine gemeinsame gesicherte Zukunft bereiten oder ob sie als Balkan der Welt in der selbstgewählten Isolierung in den Kranz der Satelliten einbezogen werden und untergehen wollen. Für meine politischen Freunde und .für mich selbst bekenne ich mich eindeutig zu dem ersten Weg. Nur dieser Weg kann aus den Gegnern von gestern Partner von heute und Freunde von morgen machen. Nur auf diesem Wege kann das verlorengegangene Vertrauen wiedererrungen werden, und nur auf diesem Wege können wir die europäischen Staaten in einer größeren gemeinsamen Ordnung zusammenführen. Nur auf diesem Wege
können wir die Voraussetzungen dafür schaffen, daß wir in Zukunft wirtschaftliche, politische und - wenn es einmal nötig sein sollte - auch militärische Fragen miteinander und füreinander, aber niemals mehr gegeneinander lösen.
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Man wendet nun ein, daß der Deutschland-Vertrag Deutschland nicht die Souveränität in vollem Maße zurückgebe, daß die Vorbehaltsklauseln Gefahren in sich bergen und daß die Wiedervereinigung Deutschlands durch den Abschluß dieser Verträge erschwert werde. Meine Damen und Herren, was ist Souveränität? Die geradezu abergläubische Vorstellung von Allmacht und Unabhängigkeit der nationalstaatlichen Gebilde, die oft als Ergebnis machtpolitischer Auseinandersetzungen auf dem europäischen Kontinent zu Staaten geworden sind, hat zu den verzerrten und den entarteten Vorstellungen eines engstirnigen Nationalismus gehört, die immer wieder den Mißbrauch echter und legitimer Macht rechtfertigen und bemänteln sollen. Ich glaube nicht an solche Souveränitätsbegriffe. In unserem Grundgesetz haben wir uns bereit erklärt, Teile der staatlichen Hoheitsgewalt in eine neue gemeinsame überstaatliche Ordnung einzubringen in dem gleichen Maß und zu dem gleichen Zeitpunkt, wie die anderen es tun werden. Zu diesem Grundsatz stehen wir unverändert. Was dann übrigbleiben wird, ist ein echtes und unverfälschtes Nationalbewußtsein.
Und ich will - das ist der Sinn des Deutschland-Vertrages -, daß uns Deutschen die Möglichkeit wiedergegeben wird, als Deutsche in deutschen Fragen für Deutschland entscheiden zu können. Dieses Recht wird uns wiedergegeben durch den Deutschland-Vertrag, der an die Stelle des Besatzungsstatuts tritt.
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Ich will aber nicht auf irgendwelchen Umwegen das Recht verlangen, unter mißbräuchlicher Berufung auf angebliche Interessen des deutschen Volkes gegen Deutschland zu entscheiden. Ich bin tief davon überzeugt, daß jede Entscheidung, die das Vertrauen oder gar den Frieden zwischen freien und demokratischen Völkern stören könnte, deren Zukunft untrennbar miteinander verbunden ist, gegen die echten Lebensinteressen des eigenen deutschen Volkes wäre.
Der zweite Einwand betrifft die sogenannten Vorbehalte. Nun, ich wäre auch sehr glücklich, wenn Vorbehalte in diesem Vertrag nicht mehr nötig wären." Aber ich glaube, sie ergeben sich aus der allgemeinen, aus der internationalen Lage, oder sagen wir nüchterner: sie ergeben sich aus der Tatsache des hinter uns liegenden Zusammenbruchs, der für Deutschland ungeheure Folgen in seinem inneren Gefüge nach sich zog und neue Gefahren nicht nur über uns, sondern über die Welt heraufbeschworen hat.
Der erste Vorbehalt betrifft die Stadt Berlin, und ich glaube, er ist eine notwendige Konsequenz aus der tragischen Situation, in die diese Stadt durch die unseligen Vereinbarungen von Potsdam hineingestellt worden ist. Aber wir sollten nicht vergessen, wenn wir von diesem Vorbehalt sprechen, daß in dem Anhang A zu dem Vertrag die besondere Rolle anerkannt wird, die Berlin für die Selbstbehauptung der freien Welt gespielt hat, und die Verbundenheit der Bundesrepublik mit Berlin unter({21})
strichen wird. Denn damit wird das Schicksal Berlins dem Schicksal der Bundesrepublik gleichgestellt, und damit wird die Sicherheit Berlins mit der Sicherheit der Bundesrepublik auf die gleiche Ebene gehoben. Die Frage der Sicherheit der Bundesrepublik ist identisch mit der Frage der Sicherheit derjenigen, die diesen Vertrag ratifizieren und die sich ihm assoziieren.
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Ich glaube, die Erwähnung der Stadt Berlin in diesem Zusammenhang ist ein guter Ausdruck des Dankes und der Anerkennung, die wir dieser tapferen Stadt schuldig sind.
Der Vorbehalt, der sich auf die Wiedervereinigung Deutschlands bezieht - auf diese Frage selbst werde ich noch zu sprechen kommen -, ist eine logische Folge der Erkenntnis, der sich wohl auch niemand von uns verschließt, daß die Wiedervereinigung von uns allein nicht bewirkt werden kann, sondern nur gemeinsam von denen, die die Verantwortung für die Trennung tragen.
Die sogenannte Notstandsklausel, die durch die eingebauten Garantien auf ein Mindestmaß zurückgeschraubt worden ist, scheint mir eine unausweichliche Folge der Tatsache zu sein, daß alliierte Truppen weiterhin auf deutschem Boden stehen und, wie ich meine, stehen müssen, um mit uns zusammen unser eigenes Land und unsere eigene Freiheit zu verteidigen, wenn es nötig wird. Es gab ja maßgebliche deutsche Politiker, die verlangten, daß mindestens 60 amerikanische Divisionen in Deutschland stationiert würden und die Verteidigung übernehmen sollten. Meine Damen und Herren, sollten wir denn ernstlich annehmen, daß 1 fremde Kontingente in Deutschland verbleiben, um gemeinsame, aber von uns aus gesehen doch vorwiegend deutsche Interessen zu schützen, wenn wir ihnen das Recht verweigern, in den Fällen, in denen wir selbst die Ordnung nicht mehr zu garantieren vermögen, sich selbst zu schützen? Dann müssen wir konsequent sein und sagen: Wir verzichten auf diese Truppen. Ich glaube, den Mut, das auszusprechen, hat in diesem Bundestag außer einer gottlob nicht anwesenden Minderheit niemand.
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Ich möchte mich sehr ernst mit dem einen Einwand auseinandersetzen, der von entscheidender politischer Bedeutung ist, dem Einwand nämlich, das Vertragswerk sei geeignet, die Wiedervereinigung des ganzen deutschen Volkes innerhalb einer freiheitlich-demokratischen Ordnung zu erschweren oder gar zu verhindern. Ich halte es dabei allerdings für unwürdig, in eine Diskussion darüber einzutreten, wer diese Lebensfrage unseres ganzen deutschen Vaterlandes ernster nimmt und wem sie näher am Herzen liegt. Es ist kein Ausdruck des Chauvinismus oder eines übersteigerten Nationalismus, wenn ich feststelle, daß es wohl keinen einzigen anständigen Deutschen gibt, der sich nicht unablässig mit dieser Frage beschäftigt und der nicht mit aller Leidenschaft von den großen Nationen immer wieder verlangt, daß diesem Zustand ein Ende bereitet wird.
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Meine Damen und Herren, wir können und dürfen das verlangen, gerade weil wir uns zur europäischen Gemeinschaft bekennen, weil wir uns zur Freiheit bekennen und weil wir den Frieden wünschen. Die unselige Trennungslinie der Zonengrenze zerschneidet nicht nur unser deutsches Vaterland, sie zerschneidet Europa.
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Es sind 18 Millionen Europäer, die dem deutschen Volk angehören, die jenseits dieser Trennungslinie in Unfreiheit, Angst und Not leben. Darum ist es auch eine Aufgabe aller freien Völker der Welt, dieses Problem zu lösen. Denn solange noch Menschen in der Unfreiheit leben, ist der Grundsatz der Freiheit nicht verwirklicht. Solange noch Millionen in der Friedlosigkeit leben, ist der Weltfrieden gefährdet;
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und solange noch Menschen, die sich mit uns zur europäischen Gemeinschaft bekennen wollen, daran durch brutalen Terror gehindert werden, leidet Europa an einer schmerzhaften offenen Wunde.
Das Wissen um dieses wahrhaft europäische Problem hat auch die Politik der Bundesregierung bestimmt. Gerade darum stehen wir zu den Verträgen, in deren Präambel es heißt, daß sie abgeschlossen wurden „in der Erwägung, daß die Wiederherstellung eines völlig freien und vereinigten Deutschlands auf friedlichem Wege und die Herbeiführung einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung ein grundlegendes und gemeinsames Ziel der Unterzeichnerstaaten bleibt".
Wir wissen auch, daß die Millionen Menschen in der Sowjetzone von uns erwarten; daß wir auf diesem Wege fortschreiten, denn die Sicherung unserer Freiheit ist die Voraussetzung ihrer Befreiung.
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Diejenigen, die sich mit der Bundesrepublik zu dem gemeinsamen Ziel der Wiedervereinigung bekennen, unsere Vertragspartner, übernehmen damit die Mitverantwortung für das Schicksal dieser Millionen in der Sowjetzone. Die Unterschrift unter dem Vertrag gilt ja nicht nur der Bundesrepublik; sie macht 66 Millionen Menschen diesseits und jenseits der Zonengrenze zu Schicksalsgenossen der freien Völker der Welt.
Allen denen, die im Auslande - und ich sage das mit Vorbedacht, weil darüber manches gesprochen wird - unsere Absichten aus Unvernunft oder aus bösem Willen in Zweifel ziehen, möchte ich eine klare Antwort geben. Wir wollen keinen Krieg, und wir wollen das letzte tun und auch das schwerste Opfer bringen, um einen Krieg zu verhindern.
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Nur ein gefährlicher Narr kann glauben, die Wiedervereinigung Deutschlands könne auf dem Wege einer blutigen Auseinandersetzung zwischen Ost und West erzwungen werden. Deutschland hat wie kein anderes Land der Welt die Schrecken des Krieges kennengelernt. Es will und es darf nicht noch einmal Schlachtfeld und Friedhof werden.
Darum werden wir unablässig und immer wieder verlangen und fordern, daß eine Viererkonferenz zusammentritt, um diese deutsche Lebensfrage zu lösen. Es kann und darf aber nur einen Programmpunkt auf der Tagesordnung einer solchen Konferenz geben: die Wiederherstellung eines geeinten Deutschlands, errichtet auf einer freiheitlich-demokratischen Ordnung und frei in seinen Entscheidungen, soweit sie dem deutschen Volk und der Gemeinschaft der freien Völker nützen und keinem anderen schaden.
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Es gibt wirklich nur noch einige armselige Handlanger oder einige beklagenswerte Toren, die nicht wissen wollen, wer bisher die Lösung dieser Frage verhindert hat, die nicht wissen wollen, wer die 18 Millionen Deutschen terrorisiert, wer 18 Millionen Menschen in der Sowjetzone entwürdigt und schändet und ihnen das Recht auf eine freie Entscheidung verweigert. Aber gerade die Ereignisse der letzten Wochen und Monate sollten doch dem letzten Deutschen die Augen öffnen. Ich glaube, wir sollten, wenn wir diese Verträge diskutieren, dieser Millionen von Menschen in der Sowjetzone gedenken,
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der Millionen, die dort trotz des Terrors als Deutsche auf deutschem Boden und in der Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft ausharren, aber auch der unglücklichen Tausenden und aber Tausenden, die nach dem Westen strömen, weil sie die Unfreiheit nicht mehr ertragen, weil sie aus Furcht, aus Angst um Leben und Existenz lieber alles aufgeben, was sie drüben besitzen, und hierherkommen in ein ungewisses und schweres Schicksal, als weiter drüben auszuharren.
Die Kategorie von Menschen, von denen ich sprach, Toren oder Narren, bestreiten noch die lebensgefährliche Bedrohung der menschlichen Freiheit, der demokratischen Ordnung und der unverzichtbaren Lebenswerte, zu denen ich mich als Deutscher und als christlicher Politiker bekenne. Erfreulicherweise gibt es aber heute - und ich unterstreiche das, was der Herr Bundeskanzler zu diesem Problem gesagt hat - keine Meinungsverschiedenheit mehr zwischen den großen demokratischen Parteien Deutschlands, was das Ziel betrifft. Der Herr Bundeskanzler hat schon festgestellt, daß die starken demokratischen Kräfte in Deutschland sich sicherlich der gemeinsamen Verantwortung bewußt und sich auch darüber klar sind, daß wir einer möglichen Bedrohung gemeinsam begegnen müssen. Auch ich möchte auf den, wie ich wohl annehmen darf, offiziösen Artikel unseres Kollegen Luetkens verweisen, der in der gestrigen Nummer der „Außenpolitik" erschienen ist und aus dem ich ebenfalls, weil mir das gegenüber gewissen Unklarheiten in der deutschen Öffentlichkeit notwendig zu sein scheint, einen Satz zitieren möchte. Der Herr Kollege Luetkens sagt als außenpolitischer Sprecher der SPD:
Die Bundesregierung soll und muß nach Ansicht aller großen Parteien einen militärischen Beitrag zu ihrer Sicherheit leisten.
Über diesen Ausgangspunkt besteht also Einigkeit. Es scheint mir auch keine Meinungsverschiedenheit mehr darüber zu geben, daß wir einer drohenden Gefahr nur gemeinsam begegnen können, weil wir sie allein nicht bannen können. Weiter scheint - auch da könnte ich den Artikel von Herrn Kollegen Luetkens zitieren - völlige Einmütigkeit darüber zu bestehen, daß der Platz Deutschlands unverrückbar an der Seite der freien Völker der Welt sein muß und und daß wir mit ihnen zusammenarbeiten wollen und müssen.
Wir sind uns also über das Ziel im Grundsätzlichen einig. Nur im Weg unterscheiden wir uns, oder sagen wir richtiger: die deutsche Bundesregierung hat einen klaren, übersichtlichen Weg aufgezeichnet, dessen Etappen durch die von mir genannten Verträge gekennzeichnet sind und der sich bisher als unbestreitbar richtig erwiesen hat. Die Opposition sagt bis zur Stunde nein. Aber
auch heute stelle ich wieder die Frage, die sich unablässig wiederholen wird: Der Bundestag und das gesamte deutsche Volk sowie die Welt haben einen Anspruch darauf, von der sozialdemokratischen Opposition nicht nur zu hören, was sie nicht will, sondern zu erfahren, was sie will.
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Solange die Opposition nichts anderes oder gar Besseres vorzuschlagen hat, ist es nicht unberechtigt, die Frage zu stellen: Wenn wir uns über das Ziel im Grundsätzlichen einig sind, würde es dann nicht einer guten demokratischen Übung entsprechen, der Mehrheit das Recht zuzugestehen, den Weg zu bestimmen, auf dem wir das gemeinsam als richtig erkannte Ziel erreichen wollen?
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Ich habe schon gesagt, daß wir entschlossen sind, auf diesem Weg weiterzuschreiten. Wir bitten auch die Bundesregierung, sich auf diesem Weg nicht beirren zu lassen. Selbstverständlich weiß ich und wissen wir alle, daß noch manche Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen sein wird. Überall bestehen noch Ressentiments aus der Vergangenheit. Das Mißtrauen, das die Beziehungen zwischen den Völkern so unerträglich vergiftet hat und das immer wieder ein friedliches Zusammenleben unmöglich gemacht hat, ist noch nicht geschwunden. Es gibt eine Reihe von Fragen, die noch einer Beantwortung harren. Wenn ich, ohne einen vollzähligen Katalog aufzustellen, hier einige nenne, die in ihrer Gewichtigkeit sehr verschieden sind, dann möchte ich sie nur als Beispiel nennen, um darzutun, was ich von der Verwirklichung dieser Verträge und von dem' Geist einer echten europäischen Zusammenarbeit erhoffe und erwarte.
Ich nenne zunächst die Saar. Die deutsch-französischen Beziehungen sind durch dieses Problem noch immer gestört. Aber ich habe doch die Hoffnung, daß es gelingen wird, diese Frage aus der, wie ich glaube, schlechten Atmosphäre einer Prestigepolitik herauszulösen. Im Saargebiet wohnen deutsche Menschen. Die wirtschaftlichen Interessen Frankreichs in diesem Gebiet zu sichern, ist eine Frage des beiderseitigen guten Willens, und sie ist lösbar. Aus dem Gebiet der Saar aber einen neuen Staat oder auch nur ein staatenähnliches Gebilde zu machen, scheint mir die schlechteste Vorstellung zu sein, die man vertreten kann.
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Wenn wir uns bemühen, eine europäische Gemeinschaft zu gründen, Zollgrenzen und politische Grenzen zu überwinden, die Politik der Länder in der europäischen Gemeinschaft auf allen Gebieten zu koordinieren und zu einer Föderation oder Konföderation zusammenzuwachsen, dann können wir nicht damit beginnen, im Herzen dieses neuen politischen Raumes neue Grenzen zu errichten und neue Vaterländer zu gründen,
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Vaterländer, die im übrigen jeder politischen und jeder geschichtlichen Rechtfertigung entbehren und der Vernunft widersprechen. Den Ansatz für eine gute Übergangslösung haben wir, wie ich glaube, im europäischen Verfassungsausschuß gefunden, und ich kann nur hoffen, daß man sich in den unmittelbaren Verhandlungen der beteiligten Regierungen von dem gleichen Gedanken leiten lassen wird.
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Aber ich möchte hier auch noch ein Wort an unsere Nachbarn im Westen richten. Ich möchte nach Frankreich sprechen und sagen: Diesseits und jenseits der Grenzen in unseren beiden Ländern und außerhalb unserer Länder weiß man, daß das deutsch-französische Verhältnis die Schlüsselfrage der europäischen Politik sein und bleiben wird.
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Wir alle sind mit schweren Hypotheken des Mißtrauens und der gegenseitigen Angst belastet, und ich weiß, daß diese Atmosphäre des Mißtrauens und dieses Mißverstehen nur in einem lange währenden Prozeß völlig bereinigt werden kann. Aber ich sage für meine politischen Freunde und, ich glaube, für eine überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes: Wir haben den guten Willen, alles zu tun, um im Verhältnis zwischen dem großen französischen und dem großen deutschen Volk eine echte und stabile Freundschaft zu errichten, und wir sind entschlossen, alles zu tun, um die Grundlage für eine solche unerschütterliche Freundschaft zu schaffen. Wir bitten allerdings dann auch unsere Nachbarn im Westen, wir bitten die Franzosen darum, daß sie uns glauben und vertrauen und daß auch sie in dem gleichen Geiste wie wir an die Lösung dieser europäischen Schicksalsfrage herangehen.
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Meine Damen und Herren, es sind noch einige andere Fragen offen, die wir teilweise in den Entschließungen behandelt haben, von denen der Herr Bundeskanzler gesprochen hat, Entschließungen, die wir anläßlich der zweiten Lesung hier verabschiedet haben, und auch noch andere, von denen ich einzelne - ich sagte es schon - nennen möchte.
Ich gebe der Bundesregierung die ausdrückliche Bitte mit auf den Weg, nichts unversucht zu lassen, um etwa die Frage des deutschen Auslandsvermögens dort, wo sie noch nicht endgültig entschieden ist, sowie des Schutzes der deutschen Warenzeichen und andere wirtschaftliche Probleme in neuen Verhandlungen zu lösen und in diesen Verhandlungen auch darauf hinzuweisen - ich glaube, das wird geschehen -, daß diese neuen Besprechungen dann nicht mehr zwischen dem Sieger und dem Besiegten, sondern zwischen den Partnern des Vertragswerks und im Geist der Partnerschaft stattfinden müssen.
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Ich weiß auch, daß es Tausende und aber Tausende gibt, die in Deutschland als Besatzungsverdrängte noch darauf warten, daß sie und ihr Eigentum nicht nur Objekt des willkürlichen Ermessens des Standortoffiziers sind, sondern daß auch die Entscheidungen, die über ihr Eigentum, über ihr Hab und Gut getroffen werden, demnächst aus dem Geist der Partnerschaft und der Freundschaft, in dem allein diese Verträge Bestand finden können, getroffen und revidiert werden.
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Das gleiche gilt auch für die Grenzprobleme. Ich erinnere nur an das Grenzproblem drüben an der holländischen Grenze; ich meine, auch das, was dort geschieht - es ist keine politische Frage von grundsätzlicher Bedeutung, aber eine Lebensfrage für den einzelnen Betroffenen -, sollte nicht mehr in dem Geist von 1945 entschieden werden, sondern heute in einem Sinn, der auch den einzelnen Betroffenen sichtbar macht, daß wir zwar noch nicht
in einer europäischen Gemeinschaft leben, aber doch schon in ihrem Geiste arbeiten wollen.
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In der letzten Debatte wurde in diesem Zusammenhang auch das Problem der von den alliierten Gerichten verurteilten Deutschen behandelt. Ich komme nicht in den Verdacht, mich zum Sprecher irgendwelcher krimineller Elemente zu machen; aber es gibt - ich habe es schon oft gesagt - zahlreiche Fälle, in denen Deutsche keinen Ausweg aus dem Konflikt zwischen Pflicht und Menschlichkeit fanden. Ich weiß, daß schon unendlich vieles geschehen ist und vielleicht mehr, als die deutsche Öffentlichkeit weiß, um Härten zu beseitigen. Aber ich begrüße es mit besonderer Dankbarkeit, daß ich nach neuesten Informationen, die ich unmittelbar erhielt, heute sagen darf, daß die Regierung der Vereinigten Staaten von Nordamerika nun- mehr grundsätzlich bereit ist, nicht etwa die Ratifizierung der Verträge und die Errichtung des dort vorgesehenen Board of Review abzuwarten, sondern alsbald in die individuelle Prüfung der Einzelfälle einzutreten und in allen Fällen, in denen es überhaupt möglich ist, mit einem Gnadenerweis einen Tatbestand abzuschließen, den wir dann nicht mehr diskutieren wollen. Ich meine, diese Bereitschaft zeigt schon, daß die Verträge auch vor ihrer Ratifikation schon ihre Bedeutung haben und daß der Geist, in dem die Verträge geschlossen worden sind, schon jetzt seinen Ausdruck findet.
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Ich habe eingangs gesagt, daß die Gründe, die uns in der zweiten Lesung zu einem Ja bestimmt haben, inzwischen noch stärker geworden sind. Mit dem Abschluß dieser Verträge wollen und werden wir als gleichberechtigtes Volk in die Gemeinschaft der anderen freien Völker der Welt eintreten. Wir werden mit diesen Verträgen Freunde erwerben, die bereit sind, ihr Schicksal mit dem unseren zu verbinden. Wir werden uns mit diesen Verträgen aus einer Isolierung befreien, die ein bitteres Erbe einer schlechten Vergangenheit war. Wir werden uns mit diesen Verträgen die Unterstützung nicht nur der fünf Staaten, die sich in der Montan-Union und der Verteidigungsgemeinschaft gefunden haben, sondern auch derer sichern, die durch Zusatzverträge ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht haben - Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika. Wir werden mit diesen Verträgen einen weiteren Schritt zu einem geeinten Europa tun, dessen Errichtung sechs Staaten im Herzen dieses Kontinents beschlossen haben und an dessen Gründung und Fortentwicklung sich zu beteiligen auch die anderen bereit sind. Schließlich fördern wir mit diesen Verträgen die Wohlfahrt und die soziale Sicherheit nicht nur unseres Volkes, sondern auch der anderen Völker und lösen uns und andere aus der Verkrampfung eines entarteten Autarkiedenkens und aus der Sterilität der Selbstgenügsamkeit.
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Gerade weil wir uns aus heißem Herzen zu einem selbständigen und freien Deutschland bekennen, das am friedlichen Aufbau der Welt mitwirken und nicht davon ausgeschlossen sein will; weil wir uns zum Frieden bekennen und wissen, daß wir ihn allein nicht zu sichern vermögen; weil wir uns zu einem ganzen, ungeteilten und wiedervereinigten Deutschland bekennen und wissen, daß wir zur Verwirklichung dieses Wunsches der Freunde be({44})
dürfen; weil wir uns zur Freiheit bekennen, die vernichtet werden wird, wenn nicht alle Freiheitsliebenden sich zusammenschließen; und weil wir uns zu Europa bekennen und wissen, daß diese Verträge tragfähige Stützen der Fundamente einer europäischen Gemeinschaft sein werden, darum sagen wir j a zu den Verträgen.
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Weil wir überzeugt sind, daß an dem Tage, an dem auch die anderen ihr Ja gesprochen haben, und erst recht an dem Tage, an dem uns nicht nur wirtschaftliche und militärische Interessen zusammenführen, sondern die Erkenntnis einer gemeinsamen Zukunft, eine neue Epoche für unser Vaterland und für Europa beginnen wird, sagen wir dieses Ja ohne Vorbehalt, ohne Einschränkung und ohne Mißtrauen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst eine kurze Vorbemerkung zu dem letzten Teil der Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers machen. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Auseinandersetzung mit sozialdemokratischen Äußerungen über die heute hier zur Debatte stehenden Fragen wiederholt unseren verstorbenen Vorsitzenden Dr. Kurt Schumacher zitiert, insbesondere .4 ußerungen von Dr. Kurt Schumacher aus dem Jahre 1950, die der Herr Bundeskanzler heute mit sehr starkem Nachdruck als absolut richtig unterstrichen hat. Ich möchte nur sagen: ich bedaure außerordentlich, daß der Herr Bundeskanzler die Übereinstimmung zwischen diesen von Herrn Dr. Kurt Schumacher geäußerten Auffassungen und seinen eigenen nicht vor zweieinhalb oder zwei Jahren hier in diesem Hause zum Ausdruck gebracht hat.
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Wenn nämlich damals klargeworden wäre, wie wir es heute nach den Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers annehmen müssen, daß der Herr Bundeskanzler im Grunde die Vorstellungen über die Voraussetzungen, die Dr. Kurt Schumacher für eine Beteiligung an der militärischen Verteidigung Europas für notwendig hielt, auch als richtig anerkannt hätte, dann hätten wir damals eine Basis für eine gemeinsame Außenpolitik finden können,
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von der hier im Hause so oft gesprochen worden ist.
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Heute allerdings hat der Herr Bundeskanzler diese Äußerungen meines Freundes Schumacher im wesentlichen wohl herangezogen, um - sozusagen um die Sozialdemokratie zu erfreuen oder zu überzeugen - den Verträgen nun gewissermaßen einige Schumachersche Präambeln vorauszuschicken.
({3})
Aber mit den Präambeln allein ist es nicht getan. Wir werden im Geiste von Kurt Schumacher handeln, wenn wir uns heute nicht nur die Etikette der Verträge, sondern noch einmal sehr gründlich den Inhalt der Verträge ansehen.
({4})
Denn wir sind eben der Meinung - und ich möchte Ihnen das hier gern in dieser letzten Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion zu den Verträgen entwickeln -, daß die Voraussetzungen, von denen die Sozialdemokratische Partei in dieser Diskussion seit Jahren, und vor allem auch Dr. Kurt Schumacher immer wieder gesprochen hat, in den vorliegenden Verträgen nicht erfüllt sind
({5})
und daß deshalb die Bundesrepublik dieses Vertragssystem nicht annehmen sollte.
Ich möchte das hier im einzelnen zu begründen versuchen. Allerdings werde ich dabei weitgehend darauf verzichten, dem Beispiel des Herrn Bundeskanzlers zu folgen und nun etwa sozialdemokratische Auffassungen mit Äußerungen aus den Reihen der Regierungskoalition zu belegen, die ja noch vor einiger Zeit sehr vernehmlich gegen die Verträge lautgeworden sind. Ich glaube, die in der Sache liegenden Argumente sind stark genug, daß wir weitgehend auf Zitate verzichten können.
Ich möchte noch ein Wort hinzufügen. Ich habe durchaus nichts dagegen, wenn in einer solchen Auseinandersetzung wie dieser, die ja auch eine gewisse grundsätzliche Bedeutung hat, Äußerungen sozialdemokratischer Repräsentanten oder Mitglieder unserer Fraktion zu diesen Fragen hier zitiert werden. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen: Sie müssen sich immer dessen bewußt sein, daß wir gerade in dieser Frage eine sehr freie Aussprache innerhalb und außerhalb der Partei gehabt haben. Heute aber tun Sie besser daran, sich nicht an die eine oder andere Äußerung dieser Art zu halten, sondern den Standpunkt, den ich heute für meine Fraktion zu entwickeln die Ehre habe, als den Standpunkt der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands anzusehen.
({6})
Wie ist nun die Lage? Wir stehen heute an dem gleichen Punkt, an dem wir uns vor einem Vierteljahr am 5. Dezember 1952 befanden, nämlich vor der dritten abschließenden Lesung der Verträge in diesem Haus. Als wir heute nachmittag diese Plenarsitzung mit einer Geschäftsordnungsdebatte begannen, hat der Herr Kollege Dr. Schröder bedauert, daß das Verhalten der sozialdemokratischen Opposition seit Mai vorigen Jahres die Ratifizierung der Verträge verhindert habe. Nun, wir sind durchaus bereit, den Teil an Verantwortung für die Hinausschiebung der Verabschiedung der Verträge auf uns zu nehmen, den wir tatsächlich haben, aber ich darf doch in aller Bescheidenheit darauf aufmerksam machen, daß für die Verzögerung von Dezember bis heute ausschließlich die Koalition und insbesondere die Entscheidung des Herrn Bundeskanzlers, die Koalition zu einem Antrag in Karlsruhe zu veranlassen, verantwortlich ist.
({7})
Wir wollen also hier bei der richtigen Verteilung der Gewichte bleiben. Wenn im Anschluß daran Herr Kollege Euler oder Herr von Merkatz - ich weiß nicht - gesagt hat, daß die Folge der Verzögerungstaktik der Sozialdemokratie auch das Zustandekommen der Zusatzprotokolle der französischen Regierung sei, so möchte ich in aller Bescheidenheit wiederum darauf aufmerksam machen, daß dieses Kind der Verteidigungsdebatte in Europa in der Zeit seit Dezember zur Welt gekommen
({8})
ist, und wenn dafür Alimente zu zahlen sind, hat sie der Herr Bundeskanzler zu zahlen, und nicht die Opposition.
({9})
Im Grunde, meine Damen und Herren, ist dieser Verlust von drei Monaten ein schwerer Mißerfolg der Regierung und ihrer Koalition in dem Kampf um die Ratifizierung der Verträge. Das Bedauerliche dabei ist, daß das ganze deutsche Volk die Folgen dieser Niederlage zu tragen hat. Der Versuch der Koalition, in Karlsruhe eine für sie günstige Entscheidung in der Verfassungsfrage herbeizuführen, ihre Einwirkung auf den Herrn Bundespräsidenten, seinen Antrag auf Erstattung eines Gutachtens zurückzuziehen, haben die beiden höchsten Institutionen der Bundesrepublik in einer nicht wieder gutzumachenden Weise in die politischen Auseinandersetzungen gezogen. Wie groß der Schaden ist, ist wohl jedem von uns noch einmal während der Rede des Herrn Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts am letzten Sonnabend klar geworden.
({10})
Ich will hier nicht noch einmal den ganzen Fragenkomplex aufrollen; ich habe nur eine einzige Frage: Wann zieht der Bundesminister der Justiz die in jedem Rechtsstaat selbstverständliche Konsequenz aus dieser Auseinandersetzung und tritt von seinem Amt zurück?!
({11})
Oder - wenn es dem Herrn Bundesjustizminister an der Einsicht in die Notwendigkeit dieses Schrittes fehlt - wann bittet dann der Herr Bundeskanzler den Herrn Bundespräsidenten um die Entlassung des Bundesjustizministers aus seinem Amt?!
({12})
Meine Damen und Herren! Sie wissen so gut wie wir, daß mit der Ablehnung unserer Mißbilligung vor zwei Wochen die Angelegenheit in keiner Weise erledigt ist.
Mit welcher Leichtfertigkeit Regierung und Koalition in den ersten Tagen des Dezember gehandelt haben, wird noch einmal unterstrichen durch die Mitteilung des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, daß das Karlsruher Gericht bereit war, das Gutachten schon am 22. Dezember 1952 zu veröffentlichen. Wir hätten seit einem Vierteljahr in dieser grundlegenden Frage Klarheit haben können; sie wäre aus der Diskussion über die politische Seite der Verträge ausgeschieden, nachdem wir Sozialdemokraten von vornherein erklärt hatten, daß wir das Gutachten als auch für uns verbindlich betrachten würden.
({13})
Trotz der bitteren Erfahrung, die wir in der zweiten Lesung gemacht haben, sind wir dann noch einen Schritt weiter gegangen: wir sind dem Wunsch des Herrn Bundeskanzlers nach einer Aussprache über eine mögliche Entspannung der politischen Situation gefolgt und haben dem Herrn Bundeskanzler vorgeschlagen, einen gemeinsamen Antrag auf Erstattung eines Gutachtens einzubringen. Aber wir haben nur ein Nein erhalten. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich feststellen.
Nun ist der Umgehungsversuch, der gemacht werden sollte, durch die Zurückweisung des Antrages der Koalitionsparteien gescheitert. Aber statt aus dieser Erfahrung zu lernen, wird die Niederlage jetzt zu einem Erfolg umgedichtet. Man sagt, mit dem Entscheid von Karlsruhe sei der Weg zur Ratifizierung der Verträge frei. Das ist unwahr; wir stehen nur wieder genau da, wo wir am 5. Dezember vorigen Jahres standen. Auch wenn die Mehrheit dieses Hauses die Verträge in dritter Lesung annehmen sollte, ist noch ein weiter Weg bis zur endgültigen Ratifizierung; sie braucht die Zustimmung des Bundesrates, und die Verträge werden nicht ratifiziert werden, ehe durch höchstrichterliche Entscheidung klargestellt ist, ob sie ohne Änderung des Grundgesetzes in Kraft treten können oder nicht. Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion wird jedenfalls alle ihr in dieser Beziehung notwendig erscheinenden Schritte unternehmen.
({14})
Wir warnen Sie außerdem ausdrücklich und in aller Form vor jedem Versuch der Überrumpelung der zur Mitwirkung an der Ratifizierung der Verträge berufenen Instanzen der Bundesrepublik. Es gibt in den Reihen der Koalition einige Männer, die infolge ihrer mangelnden inneren Verbundenheit mit dem Geist und dem Sinn einer demokratischen Verfassung mit solchen Gedanken spielen.
({15})
Wir werden sie daran zu hindern versuchen, weil wir es für unerträglich halten, daß die ohnehin schwere politische Entscheidung über das Schicksal der Verträge noch mit einer Verfassungskrise belastet wird. Wenn es sich um Verträge handelt, durch die die Sicherheit der Bundesrepublik und Europas gewährleistet werden soll, dann dürfen sie nicht durch die Zerstörung der Rechtsordnung belastet werden. Wenn es wirklich um Sicherheit geht, muß zuerst und vor allem in der Bundesrepublik die Rechtssicherheit gewahrt werden.
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Gibt es jemanden in diesem Hause, der im Ernst der Meinung sein könnte, es wäre möglich, militärische Streitkräfte aufzustellen, ohne dafür die breiteste Grundlage im Volk zu schaffen? Wenn es sich als unumgänglich herausstellen sollte, daß Deutschland Soldaten stellt, so wäre das nur auf der denkbar breitesten Grundlage möglich. Wenn Sie die verfassungsrechtlichen Bedingungen zu umgehen suchen sollten, würden Sie die Spannungen, unter denen Deutschland lebt, noch erheblich vermehren.
Meine Damen und Herren! Unsere ablehnende Stellung zu den Verträgen ist unverändert. Die innen- und außenpolitische Entwicklung im letzten Vierteljahr hat uns in der Überzeugung von der Richtigkeit unserer Haltung noch bestärkt. Ich will hier nicht die Einzelheiten unserer Argumentation aus der zweiten Lesung wiederholen und mich auf die Darstellung der wesentlichen politischen Gesichtspunkte beschränken, die unsere Ablehnung bestimmen.
Die erste und entscheidende Frage ist nach unserer Auffassung die nach der Vereinbarkeit der Verträge mit der Aufgabe der Bundesrepublik, die Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit als das vordringlichste Ziel ihrer Politik zu betrachten. Die Bundesrepublik hat nach unserer Meinung nicht das Recht, internationale vertragliche Verpflichtungen einzugehen, die die Wiederherstellung der deutschen Einheit erschweren oder verhindern.
({17})
({18})
Niemand kann alle Folgen voraussehen, die die Annahme der Verträge durch die Bundesrepublik auslösen wird. Eines ist aber sicher: die Eingliederung der Bundesrepublik in das militärische Verteidigungssystem des Westens, wie sie durch den EVG-Vertrag erfolgt, kann nur zu einer Vertiefung der Spaltung Deutschlands führen.
({19})
Demgegenüber ist die Annahme, daß die Aufrüstung der Bundesrepublik in der europäischen Gemeinschaft zu einer größeren Verhandlungsbereitschaft der Sowjetunion führen könnte, bestenfalls eine spekulative Hoffnung und nicht mehr. Die tatsächliche Wirkung kann auch genau umgekehrt sein; und wer die Verträge annimmt, muß auch bereit sein, diesem Risiko ins Auge zu sehen.
({20})
Darüber hinaus nimmt uns der Art. 7 des Generalvertrags die Möglichkeit selbständiger Initiative in der Frage der deutschen Einheit.
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- Das Gegenargument, Herr Kollege von Brentano, durch die Annahme des Generalsvertrages hätten sich die drei anderen Vertragspartner geradezu verpflichtet, eine Politik der Wiedervereinigung Deutschlands zu treiben, ist nicht ohne weiteres und in der Unbedingtheit stichhaltig. Das grundsätzliche Bekenntnis zur Wiederherstellung der deutschen Einheit sagt doch noch nichts über die Intensität einer solchen Politik und ihre Methoden und ihre Mittel aus.
({22})
Das deutsche Volk kann doch seine Politik nicht darauf aufbauen, daß gelegentlich ausländische Staatsmänner mehr oder weniger feierlich erklären, daß auch sie verstehen, wie wichtig die Wiederherstellung der deutschen Einheit sei. Der Herr Bundeskanzler greift sehr gern nach solchen Äußerungen. Aber ich glaube, damit ist für die deutsche Politik nichts gewonnen.
Hier sei nur am Rande daran erinnert, mit welcher Sicherheit der Herr Bundeskanzler Pressevertretern erklärte, was angeblich mit einer Entschließung des amerikanischen Kongresses, sogenannte frühere Geheimverträge betreffend, für Deutschland an Wichtigem verbunden sei. Nun, meine Damen und Herren, diese geheimnisvollen Andeutungen reichten genau bis zu dem Zeitpunkt, an dem der neue amerikanische Hohe Kommissar in Bonn ohne Umschweife erklärte, die Deutschlandfrage werde durch diese Entschließung überhaupt nicht berührt.
({23})
Auf so unsicheren Faktoren kann doch die deutsche Politik, die verpflichtet ist, der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu dienen, nicht aufbauen. Wir alle wissen, daß die Intensität des Willens, zur deutschen Einheit zu kommen, bei den anderen drei Vertragspartnern sehr unterschiedlich ist.
({24})
Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang nicht mehr auf die Veröffentlichung in der „Zeit" eingehen, die der Herr Bundeskanzler heute hier bereits behandelt hat. Ich möchte in diesem Augenblick nur sagen: Ich bin
dankbar dafür, daß der Herr Bundeskanzler so schnell versucht hat, eine Klärung dieser Angelegenheit durch Rückfragen in London und Paris herbeizuführen, Das war um so notwendiger, als ja die ersten Meldungen dieser Art nicht erst in der von heute datierten „Zeit" in Deutschland veröffentlicht worden sind, sondern schon seit zwei Wochen in der internationalen Presse kursieren, ohne daß eine der da genannten Regierungen es bis heute für nötig gehalten hatte, diese Meldungen zu dementieren.
({25})
Meine Damen und Herren! Selbstverständlich nehmen wir die Erklärung der französischen und der englischen Regierung zur Kenntnis. Aber ich mochte doch sagen, daß wir wohl alle gut daran tun, dieses Kapitel erst dann endgültig abzuschließen, wenn wir eine Äußerung des Verfassers dieser Information darüber haben, mit welchem der beiden französischen Kabinettsmitglieder er sich denn in dieser Weise unterhalten hat.
({26})
Ich glaube, es geht hier um eine Angelegenheit von so weittragender und im Zusammenhang gerade mit der Deutschlandklausel des Generalvertrags so sensationeller Bedeutung, daß wir wohl alle die Pflicht haben, hier ein sehr aufmerksames Auge auf den weiteren Verlauf dieser Angelegenheit zu lenken.
Die Bedeutung aller solcher Informationen oder die Unruhe, die solche Informationen immer wieder auslösen, haben doch letzten Endes ihren Grund auch darin, daß jedermann weiß, daß nach dem Generalvertrag die Frage der deutschen Einheit der deutschen Zuständigkeit entzogen ist und genau so entzogen bleibt, wie es heute unter dem Besatzungsstatut der Fall ist. Das ist der klare Tatbestand, und er ist von der französischen Regierung in ihrer Begründung, die sie dem französischen Parlament mit den Vertragstexten übermittelt hat, noch ausdrücklich unterstrichen worden.
({27})
Ich darf vielleicht diese kurze Stelle zitieren. Es heißt da:
Gemäß dem Abkommen über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Alliierten bleibt die Zuständigkeit für alle Fragen, die Gesamtdeutschland betreffen, vor allem die Wiedervereinigung Deutschlands und die Friedensregelung, Frankreich, Großbritannien und den Vereinigten Staaten vorbehalten.
({28})
Es wird dann zwar auf die Zusammenarbeit mit der Bundesrepublik verwiesen; aber die Zuständigkeit liegt nach der Auffassung der französischen Regierung eindeutig und uneingeschränkt bei den Alliierten, und das, meine Damen und Herren, ist für die Bundesrepublik nach unserer Meinung eine unannehmbare Position.
({29})
Die Bundesrepublik, die ja gerade in diesem Punkt nur stellvertretend für das ganze deutsche Volk handeln kann und darf, kann nur eine Lösung annehmen, die der Bundesregierung die Möglichkeit einer eigenen Initiative einräumt. Wir sind doch schließlich in unserem Verhältnis und in unseren Verpflichtungen gegenüber der Sowjetzone, die ein Stück Deutschlands ist, mindestens in derselben
({30})
Position wie Frankreich gegenüber den außereuropäischen Teilen der französischen Union, denen es sich so weitgehend verpflichtet fühlt, daß es selbst die Annahme des EVG-Vertrages von der Anerkennung dieser Verpflichtungen durch die anderen Vertragspartner abhängig macht.
Die Unklarheit der Haltung der Vertragspartner in der Frage der deutschen Einheit erschwert auch die Behandlung der Saarfrage, wie auch umgekehrt diese fatale Entwicklung der Saarfrage ungünstige Rückwirkungen auf die Wiederherstellung der deutschen Einheit haben muß.
Wir diskutieren hier nicht die Selbstverständlichkeit, daß jede internationale Vereinbarung naturnotwendig nationale Souveränitäten einschränkt. Hier handelt es sich aber darum, daß der Generalvertrag einen Ausnahmezustand der Bundesrepublik ausdrücklich festlegt. Ich denke hier nur an die sogenannte Notstandsklausel. Die Notstandsklausel bezieht sich bekanntlich nicht auf den Status der hier in Deutschland stationierten Truppen, wie es der Herr Kollege von Brentano gesagt hat. Der Status der in Deutschland stehenden Truppen ist durch den Truppenvertrag geregelt. Auch dieser Truppenvertrag ist in wesentlichen Punkten eine Ausnahmeregelung zuungunsten Deutschlands, die mit der notwendigen Sicherheit der fremden Truppen auf deutschem Boden nicht begründet werden kann.
({31})
Aber ich will hier nicht wiederholen, was wir bereits in der zweiten Lesung zu diesem Punkt vorgebracht haben.
Die Notstandsklausel des Generalvertrags ist die Vollmacht zum Eingriff in die innerdeutschen Verhältnisse nach dem Ermessen der Alliierten.
({32})
Alle anderen Abmachungen und Umschreibungen können nichts an der Tatsache ändern, daß es in dem Ermessen der Alliierten steht, wann sie den Notstand erklären und welche Mittel sie für richtig halten anzuwenden, um die normalen Verhältnisse wiederherzustellen.
({33})
Das ist auch wieder ausdrücklich - entschuldigen Sie, Herr Kollege von Brentano, wenn ich hier noch einmal, um Sie vielleicht doch in diesem Punkt zu überzeugen, eine Bemerkung aus der Begründung der französischen Regierung zitiere - gesagt:
Es ist klar, daß ein Umsturz der demokratischen Ordnung in Deutschland eine völlig neue Lage schaffen würde, die das normale Funktionieren der Gemeinschaft unmöglich macht. Dies ist im übrigen der Grund dafür, daß der Deutschland-Vertrag in einem solchen Fall den drei Westmächten die Möglichkeit gibt, den Notstand zu verkünden. Auf Grund dieser Notstandsverhängung können die drei Westmächte
- die drei Westmächte alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um wieder normale Verhältnisse herzustellen und um die Arbeit der Gemeinschaft zu sichern.
({34})
Das heißt, hier entscheiden die drei Westmächte, ob
und wann der Notstand verkündet werden soll, und
sie entscheiden auch über die Maßnahmen, die sie
für die Wiederherstellung normaler Zustände für erforderlich halten. Das ist ein Ausnahmerecht
({35})
der Alliierten, das im Vertrag festgelegt ist, ein Ausnahmerecht, das weit über den Artikel hinausgeht, den der Herr Bundeskanzler zu seinem Bedauern in unserem Grundgesetz vermißt hat, den Art. 48, der nun der Anwendungsfreiheit der westlichen Alliierten unterliegt.
({36})
- Ich habe ihn gelesen. Sie können doch nicht die Tatsache bestreiten, daß letzten Endes nach Anhörung der Bundesregierung - nach Anhörung - die letzte Entscheidung auch nach dem Wortlaut des Vertrags eindeutig bei den drei anderen Vertragspartnern und nicht bei der deutschen Bundesregierung liegt.
({37})
Zu der Deutschlandklausel, die das Vorbehaltsrecht der Alliierten in der Frage der deutschen Einheit festlegt, das ja leider nicht nur ein Vorbehaltsrecht für die Offenhaltung der Verhandlungsposition mit der vierten Besatzungsmacht ist, kommt also das Interventionsrecht der Notstandsklausel, und beide sind sozusagen nur die Eckpfeiler der Einschränkungen deutscher Souveränität, die der Generalvertrag auch sonst noch enthält. Die Behauptung, daß die Bundesrepublik durch den Generalvertrag die Souveränität zurückerhalte, ist eine Täuschung.
Ich darf ein Wort in diesem Zusammenhang sagen. Es ist im Sprachgebrauch der Bundesregierung üblich geworden, den Generalvertrag als Deutschland-Vertrag zu bezeichnen. Ich bedaure das außerordentlich.
({38})
Es sollte in Deutschland, in der Geschichte des deutschen Volkes nur einen einzigen Vertrag geben, der diesen Namen verdiente, nämlich der Vertrag, der die Einheit Deutschlands wiederherstellt.
({39})
Der Generalvertrag ist im Grunde ein modifiziertes Besatzungsrecht, und Besatzungsrecht und Partnerschaft sind unvereinbar.
({40})
Nun, meine Damen und Herren, kommen wir zu der Behauptung, daß der Generalvertrag und vor allem der EVG-Vertrag die deutsche Gleichberechtigung gewährleiste. Die Hauptthese der Anhänger der Verträge ist die Behauptung, daß es im EVG-Vertrag keine Diskriminierung Deutschlands gebe. Ich meine, das Wesentliche ist, daß die Frage der Gleichberechtigung nicht allein aus der militärtechnischen Organisation der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft zu beantworten ist; sie wird im Grunde erst beantwortet aus den allgemeinpolitischen und militärpolitischen Zusammenhängen, in die die EVG hineingestellt wird. Und die Eingliederung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft in die Atlantikpaktorganisation schaltet die deutsche Gleichberechtigung aus. Ich will in diesem Augenblick nicht untersuchen, ob eine Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO vom deutschen Standpunkt aus nötig oder nützlich ist. Das ist eine politische Frage, die wir in einem an({41})
deren Zusammenhang untersuchen sollten und die uns in der Zukunft sicher noch beschäftigen wird. Hier geht es nur um den durch die Verträge gegebenen Tatbestand.
Die Bundesrepublik bringt deutsche Einheiten in eine Gemeinschaft ein, die einem weitergespannten Verteidigungssystem untergeordnet ist, dem die Bundesrepublik nicht angehört. Wir unterstellen also deutsche Truppen einer fremden Verfügungsgewalt. Man komme uns nicht mit dem Augenzwinkern, meine Damen und Herren, es sei nur eine Frage der Zeit, daß auch die Bundesrepublik Mitglied von NATO sein werde. Heute und hier wird uns zugemutet, Verträge anzunehmen! Wir können unser Ja oder Nein nur von dem bestimmen lassen, was ist oder was in den Verträgen steht.
({42})
Wir sind die Schwächeren unter den Verhandlungspartnern und müssen daher sehr sorgsam prüfen, welche Rechte und Pflichten wir durch die Verträge übernehmen.
Das kardinale Problem in diesem Zusammenhang ist nicht die innere demokratische und gleichberechtigte Ordnung der kommenden Verteidigungsorganisation, sondern die gleichberechtigte Mitwirkung der Bundesrepublik bei der Verfügungsgewalt über die EVG. Diese aber ist durch die Unterordnung der EVG unter die NATO nicht gegeben. Welche Bedeutung z. B. .die französische Regierung gerade der Unterordnung der EVG unter die NATO beimißt, geht wiederum aus ihrer Begründung zu den Verträgen hervor. Dabei geht man sehr weit, und ich bitte Sie, meine Damen und Herren, gerade auch diese Ausweitung der Bedeutung der Kontrolle durch die NATO ernsthaft in Betracht zu ziehen. Es wird gesagt:
Man verkennt die Tatsache, daß die Verteidigungsgemeinschaft integrierender Bestandteil des atlantischen Systems ist und daß sich die Tätigkeit ihrer Einrichtung auf atlantischer Ebene vollzieht, wenn man dem Vertrag vorwirft, er schaffe eine gemeinsame Armee ohne gemeinsame Politik. In Wirklichkeit ist diese gemeinsame Politik keine andere als die atlantische Politik, wie sie innerhalb des Atlantischen Rates von den Mitgliedern dieser Organisation definiert worden ist.
({43})
Oder an anderer Stelle:
Darüber hinaus ist die Europa-Armee der Autorität des atlantischen Oberkommandos unterstellt, das gemäß den vom Nordatlantikrat ausgegebenen Weisungen handelt, indem keine Entscheidung ohne unsere Zustimmung
- d. h. ohne die Zustimmung Frankreichs -gefaßt werden wird.
Und schließlich:
Die genannten Vorschriften berücksichtigen das berechtigte Interesse der Bundesregierung, an der Ausarbeitung der Entscheidungen über den Einsatz der europäischen Streitkräfte beteiligt zu werden, wobei jedoch vermieden wird, daß die Bundesrepublik dem Atlantikpakt beitritt. Diesen möglichen Fall hat die Nationalversammlung in ihrer Tagesordnung vom 19. Februar 1952 ausgeschaltet.
Nun, meine Damen und Herren, was bedeutet das? Hier wird völlig klar gesagt, daß der Atlantikrat die allein entscheidende Körperschaft für die Politik und für die Strategie des atlantischen Verteidigungssystems ist, daß die EVG eindeutig den Entscheidungen und der Verfügungsgewalt des Atlantikrats untergeordnet ist und die Bundesrepublik nach dem Willen Frankreichs nicht Mitglied der NATO werden soll.
({44})
Wer will angesichts dieses Tatbestandes behaupten, daß es in dieser Europäischen Verteidigungsgemeinschaft eine Gleichberechtigung des deutschen Partners gebe oder geben könne!
({45})
Vor allem aus diesem Grunde sind wir nicht bereit, den Verträgen zuzustimmen. Eine effektive Verteidigung der Freiheit ist nur durch eine Gemeinschaft von Freien und Gleichen möglich.
Meine Damen und Herren! Das sind einige der wesentlichen Argumente, deren Sachlichkeit und deren Berechtigung wohl kaum bestritten werden kann. Man kann sich nur darüber streiten, ob sie schwerwiegend genug sind, angesichts der gegebenen politischen Situation eine Ablehnung der Verträge zu rechtfertigen. Aber das will ich später untersuchen.
Ich möchte hier zunächst nur feststellen, daß die Entwicklung der Vertragssituation seit Dezember unsere Bedenken weiter erheblich verstärkt hat. Wir haben in der zweiten Lesung ausführlich über die finanziellen und wirtschaftlichen Belastungen gesprochen, die sich aus den Verträgen ergeben. Auf diesen Gebieten sind inzwischen neue und sehr ernste Unklarheiten entstanden. Aus der Erklärung der Alliierten Hohen Kommission zu den Angaben des Herrn Finanzministers S c h ä f f er über den finanziellen Verteidigungsbeitrag und die Besatzungskosten muß zumindest der Schluß gezogen werden, daß auch auf diesem so entscheidenden Gebiet noch immer die fundamentale Meinungsverschiedenheit über die Auslegung der Vertragsfolgen und Absprachen herrscht. Finanzminister Schäffer hat lediglich erklärt, die Bundesrepublik werde auch nach dem 30. Juni 1953 einen in gleicher Höhe, nicht höher bemessenen finanziellen Verteidigungsbeitrag leisten, wie er für die Zeit bis zum 30. Juni veranschlagt war. Herr Schäffer ist darauf hingewiesen worden, daß über die Höhe des Beitrags für die Zeit nach dem 30. Juni keinerlei Abmachungen vorliegen. Man hat von alliierter Seite schließlich sogar seinen Brutto-Voranschlag von 13 Milliarden DM als zu niedrig bezeichnet.
Ohne hier wiederholen zu wollen, was ich in der zweiten Lesung über die realen Kosten, die aus den Verträgen erwachsen werden, gesagt habe, muß Ich doch unterstreichen, daß in dieser Hinsicht von seiten der Bundesregierung bemerkenswert unklar operiert worden ist, so daß heute, am Tage der von Ihnen gewünschten Abstimmung, niemand weiß, wie hoch die tatsächlichen finanziellen Verpflichtungen der Bundesrepublik aus den Verträgen sein werden.
({46})
Welche Konsequenzen eine derart dilatorische Behandlung so wesentlicher Fragen hat, beweist ja auch die Entwicklung in der sogenannten Schuldenfrage. Die Bundesregierung hat auch hier mit bemerkenswert leichter Hand das sogenannte Schuldenanerkenntnis geleistet, obwohl es nicht an Warnungen und konkreten Vorschlägen gefehlt hat. Jetzt stehen wir vor der Tatsache, daß dem Schul({47})
denanerkenntnis ein Abkommen über die Schuldentilgung gefolgt ist und daß im Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen der ausdrückliche und totale Verzicht auf die deutschen Auslandsvermögen und -werte besiegelt werden soll.
({48})
Nun kommt eine Tatsache von weittragender Bedeutung hinzu, die mein Freund Erler bereits heute mittag in unserer Begründung für die Vertagung der dritten Lesung erwähnt hat: die Vorlage von Zusatzprotokollen durch die französische Regierung. Meine Damen und Herren, Sie können diesen Tatbestand nicht einfach dadurch aus der Welt schaffen, daß Sie erklären: „Er ist für unsere heutige Beratung über die Verträge nicht gegeben!"
({49})
Das ist doch eine Politik außerhalb jeder Realität.
({50})
Ich gebe Ihnen eines zu, meine Damen und Herren: das Parlament befindet sich in dieser Beziehung tatsächlich in einer unmöglichen Lage. Wir kennen den Inhalt dieser Protokolle nur aus der Presse. Die Regierung hat sich nicht in der Lage gesehen, sie auch nur dem vertraulichen EVG-Ausschuß vorzulegen.
({51})
Aber es ist doch unmöglich, die Verträge zu diskutieren und gar über sie zu beschließen mindestens ohne die Kenntnis dieser Dokumente.
({52})
Es hilft uns auch nichts, Herr Bundeskanzler, ({53})
wenn Sie sich auf das Kommuniqué der Ministerpräsidentenkonferenz in Rom beziehen. Es ist doch aus all dem, was sich an Kontroversen über das Resultat dieser Konferenz in der Presse ergeben hat, bekannt, daß es in der Sache überhaupt keine Spur einer Verständigung gegeben hat und daß hier die Gegensätze offensichtlich sind.
Wie soll denn eine Europapolitik funktionieren, wenn Sie die Tatsache ignorieren, daß einer der entscheidenden Partner, Frankreich, noch dazu der eigentliche Initiator dieser Europapolitik, sich seit dem Regierungswechsel in Frankreich entschlossen hat, eine andere Politik zu treiben? Das ist doch eine Tatsache, die von Ihnen unmöglich geleugnet werden kann.
({54})
Ich will hier nur sagen: es ist eine neue Lage in dem Augenblick, in dem ein Partner, noch dazu ein so wichtiger Partner wie Frankreich, neue Vorschläge, noch dazu von so weittragender Bedeutung, macht. Wir haben ja in den Auseinandersetzungen über die Verträge schon viele merkwürdige Situationen erlebt. Aber das, was jetzt hier geschieht, ist tatsächlich ohne Beispiel. Sie wollen eine Entscheidung über die Verträge, von denen Sie wissen, daß einer der Vertragspartner sie nicht ohne wesentliche Änderungen annehmen wird.
({55})
Die Veränderungen sind derart, daß die den Verträgen innewohnende Diskriminierung Deutschlands durch sie noch weiter verstärkt wird. Die Bundesregierung wird also über diesen Tatbestand verhandeln müssen. Das heißt doch praktisch: niemand kennt heute im Augenblick der Abstimmung den endgültigen Text. Denn auch Protokolle und Briefwechsel, die vielleicht noch vereinbart werden, um eine direkte Vertragsänderung zu verhindern, sind Bestandteile des Vertragswerkes.
({56})
Wir beneiden Sie nicht um die Verantwortung, die Sie heute zusätzlich mit dieser Taktik auf sich nehmen. Bei den Zusatzprotokollen handelt es sich nicht nur um eine Interpretation des Vertrages. Die Zusatzprotokolle bedeuten im Effekt die Umkehrung des Prinzips der Integrierung, das ursprünglich dem EVG-Plan zugrunde liegen sollte. Die französische Regierung will, wie mein Freund Erler schon gesagt hat, nicht mehr und nicht weniger als die freie Entscheidung darüber, in welchem Ausmaß sie ihre Streitmacht und ihre Rüstungsindustrie in die EVG einbringt, die freie Entscheidung darüber, jederzeit nach ihrem Ermessen und ohne Mitwirkung des Oberbefehlshabers von NATO Truppen aus der EVG abzuziehen. Diese wesentlichen Punkte der französischen Forderungen sind der Todesstoß gegen die Idee der Integration, soweit überhaupt versucht wurde, sie im EVG-Vertrag zu realisieren. Damit entsteht doch, glaube ich, auch für Sie, die Sie die Verträge wollen, eine neue Situation. Denn dann bleibt ganz real .und nüchtern übrig, daß die EVG ein reines Sicherungsinstrument gegen die Bundesrepublik wird.
({57})
Das wird auch in der Begründung der französischen Regierung ausdrücklich als eine wesentliche Aufgabe der EVG erklärt.
({58})
Ich bedaure, daß ich Ihnen, obwohl Sie die Bedeutung dieser Protokolle für Ihre Entscheidung heute so mutig bestritten haben, diesen Tatbestand hier vorlegen mußte. Aber ich bin der Meinung, daß es angesichts der brutalen Offenheit, mit der hier durch die neuen französischen Forderungen das wirkliche politische Ziel, das die französische Regierung mit der Organisation der Verteidigungsgemeinschaft gegenüber der Bundesrepublik verfolgt, deutlich geworden ist, einfach eine nationale Pflicht ist, diesen Tatbestand und seine Konsequenzen mit derselben Offenheit darzustellen.
({59})
Denn wir sind noch nicht am Ende dieses unglücklichen Versuchs, die europäische Verteidigung unter Einschluß der Bundesrepublik bei gleichzeitiger Diskriminierung der Deutschen zu organisieren, und niemand soll sagen können, er habe es nicht gewußt oder er habe es nicht gewollt.
({60})
Es gibt noch einen zweiten Punkt, den ich mit derselben Offenheit hier anspreche. Das ist die Saarfrage. Tatbestand ist, daß die jetzige französische Regierung ein neues Junktim hergestellt hat. Sie hat sich gegenüber dem Parlament verpflichtet, die Saarfrage endgültig im Sinne der französischen Vorstellungen einer definitiven Loslösung des Saargebiets aus dem deutschen Staatsverband vor der Ratifizierung zu regeln.
({61})
({62})
- Lesen Sie bitte die verschiedenen Erklärungen des Herrn Außenministers Bidault! - Der Herr Bundeskanzler hat sich z. B. schon befriedigt darüber geäußert, daß Herr Bidault in einer seiner letzten Erklärungen nicht mehr von einer Lösung, sondern nur von einer Klärung der Saarfrage gesprochen hat. Ich muß sagen, der Herr Bundeskanzler ist nach seinen dauernden Mißerfolgen in der Saarfrage bescheiden geworden.
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Aber für das deutsche Volk ist eine Klärung der Saarfrage im französischen Sinne ebensowenig akzeptabel wie eine Lösung.
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Mit Silbenstecherei ist ein so elementares Problem der deutschen Einheit, wie das Saarproblem es darstellt, nicht zu meistern. Es gibt nur eine mögliche deutsche Position: Ehe wir in den EVG-Vertrag gehen, muß die Saarfrage im Sinne der Anerkennung der deutschen These, daß das Saargebiet ein Teil Deutschlands ist, beantwortet werden. Die Erfahrungen mit der Regelung der Saarfrage im Schumanplan sind für uns eine so ernste Warnung, daß wir den Herrn Bundeskanzler in aller Form und hier in aller Öffentlichkeit fragen müssen, ob er bereit ist, in diesem Sinne die Saarfrage jetzt vor der Ratifizierung der Verträge zum Gegenstand von Verhandlungen zu machen und die Ratifizierung der Verträge von einer das deutsche Volk befriedigenden Lösung abhängig zu machen.
({65})
Meine Damen und Herren, Sie können heute nicht mehr mit dem Argument auftreten, es bleibe keine Zeit für die Bundesrepublik, die Entscheidungen über die französischen Zusatzprotokolle und über die Saarfrage abzuwarten. Selbst Sie, die Sie die Annahme der Verträge wollen, haben mindestens bis zum Herbst dieses Jahres Zeit. Denn wie ist die Lage? Frankreich wird nicht vor dem Herbst dieses Jahres zur parlamentarischen Entscheidung kommen. Es wird keinesfalls vor den deutschen Bundestagswahlen ratifizieren, und es ist sehr unwahrscheinlich, ob sich unter dieser Regierung und in diesem französischen Parlament überhaupt eine Mehrheit findet. Nach meinen Informationen ist diese Mehrheit nicht vorhanden. Aber ich will darüber nicht spekulieren. In jedem Falle beginnt die entscheidende Beratung im französischen Parlament nicht vor dem Ende der Sommerferien, d. h. frühestens im Oktober. Jetzt spricht Herr Bidault sogar von vorherigen Neuwahlen. In Italien, wo man in den Tagen der Rom-Konferenz noch europafreudig im Sinne der Verträge war, ist jetzt entschieden worden, die Verträge erst im neuen Parlament zu behandeln. Auch das heißt frühestens Herbst 1953. Belgien wird sich auf keinen Fall vor der Entscheidung in Bonn und Paris schlüssig werden. Das sind Tatsachen, die Sie alle kennen. Sie bedeuten, daß im günstigsten Falle, d. h. wenn überhaupt alle sechs Unterzeichner ratifizieren, im Frühjahr 1954 die ersten konkreten Maßnahmen zur Realisierung des Projektes eingeleitet werden können. Alle anderen Überlegungen sind Träumereien an europäischen Kaminen.
({66})
Ich sehe überhaupt nur einen Grund für diese jetzt so dringlich gemachte dritte Lesung, nämlich den, daß vielleicht der Herr Bundeskanzler auf
seiner Reise nach den Vereinigten Staaten die positive Entscheidung des Bundestags als einen Beweis des guten Willens mitnehmen möchte. Aber ist das noch nötig? Nicht einmal wir als Opposition bestreiten, daß der Herr Bundeskanzler diesen Beweis des guten Willens gegenüber der amerikanischen Politik längst erbracht hat.
({67})
Was für uns unendlich viel wichtiger ist, das ist die Behauptung der möglichst günstigen deutschen Position in den schweren Verhandlungen,. die vor uns liegen und die auf Sie zukommen, ganz gleich, was Sie heute entscheiden. Was heißt das praktisch? Eine vorzeitige Entscheidung - und eine Abstimmung über die Verträge in diesem Augenblick ist eine vorzeitige Entscheidung - kann die zukünftige deutsche Verhandlungsposition nur schwächen.
({68})
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie haben uns immer wieder unterstellt, daß wir den Kampf gegen die Verträge nur aus parteitaktischen und opportunistischen Gründen führen.
({69})
Ich will heute mit Ihnen darüber nicht rechten. Aber wenn Ihre Annahme richtig wäre, dann könnten wir uns heute nichts Besseres wünschen, als Sie kauften die Katze im Sack, wie Sie es heute tun wollen.
({70})
Wir wünschen es nicht, weil es um unendlich viel mehr geht. Es geht um die zukünftige Position der Bundesrepublik und des ganzen deutschen Volkes in der Gemeinschaft der Völker, und diese Position, so meinen wir jedenfalls, können und sollten wir nicht aushandeln im Halbdunkel unfertiger Verträge,
({71})
Das ist das Anliegen, das uns heute veranlaßt hat, Sie mit unserem Geschäftordnungsantrag noch einmal vor die Frage zu stellen, die Entscheidung nicht jetzt zu fällen. Das ist eine Frage, die jenseits des Verhältnisses von Koalition und Opposition gesehen und entschieden werden sollte.
({72})
Es gibt noch ein anderes, ein neues Moment. Der Herr Bundeskanzler hat es erwähnt, und ich möchte mit einigen Bemerkungen darauf zurückkommen, weil es wirklich auch für unsere heutige Debatte so große Bedeutung hat: das ist die internationale Lage nach dem Tode von Stalin. Ich muß sagen, ich beneide den Herrn Bundeskanzler um seine Sicherheit, mit der er sich mit diesem Problem heute hier auseinandergesetzt hat.
({73})
Seine einfache Antwort: „es ist keine neue Situation"
({74})
umschließt doch ein außerordentlich großes Maß von Verantwortung. Sicher: bis heute sehen wir noch nicht, wie sich die Dinge in der Sowjetunion entwickeln,
({75})
und man kann sagen: bis heute gibt es keine neue
Situation. Aber, meine Damen und Herren, wir
entscheiden ja heute mit der Annahme oder Ab({76})
lehnung der Verträge nicht über heute und morgen, sondern über die Richtung der deutschen Außenpolitik für eine lange Zeit, für eine große Periode.
({77})
Und in einer solchen Lage soll man nicht nur an die Stunde denken. Wir gehören nicht zu den Spekulanten in der Politik, und unser Panzer des Mißtrauens gegenüber der Politik der Sowjetunion ist sehr dick. Mit dem Tode eines Mannes, und sei er so mächtig wie Stalin, fällt kein System, das Jahrzehnte auch der schwersten Krisen überstanden hat. Aber die Frage der Stabilität und der Kontinuität eines Systems ist eine Sache, und die Frage seiner Varianten in der Außenpolitik ist eine ganz andere Sache.
({78})
Hier liegt das Problem. Wir wissen noch nicht, welche Variante die neuen Machthaber der Sowjetunion spielen werden.
Wir kennen bis jetzt zwei Äußerungen des neuen Staatschefs Malenkow, in denen er sehr pointiert die Stalinsche These von der Vermeidbarkeit des Krieges zwischen den beiden großen Mächtegruppen wiederholt hat. Auf der andern Seite steht die Erklärung des amerikanischen Präsidenten Eisenhower, daß er auch zu einer Unterhaltung mit dem neuen Führer der Sowjetunion bereit sei. Das bedeutet: die Frage der Möglichkeit einer neuen Begegnung zwischen West und Ost steht auf der Tagesordnung der internationalen Politik.
({79})
Es ist unwahrscheinlich, daß diese Begegnung nicht zustande kommt, wenn Malenkow sich zu ihr bereit erklärt.
({80})
- Ich nehme nicht an, daß Herr Malenkow die deutschen Kommunisten fragen wird.
({81})
Das ist die Situation. Wir können nur feststellen, daß eine solche Möglichkeit besteht und daß niemand weiß, wo eine solche Unterhaltung endet, wenn sie zustande kommt. Aber die Hoffnung der Völker und vor allem des deutschen Volkes kann doch nur sein, daß sie mit einer Entspannung der Weltlage enden möge.
({82})
In dieser Lage kann Deutschland, für das die Sowjetunion die vierte Besatzungsmacht ist, die das Schicksal von 18 Millionen Deutschen in ihren Händen hält, die Möglichkeit einer solchen Entwicklung nicht übersehen. Dabei steht aber die Bundesrepublik im Begriff, einen Teil des deutschen Volkes in ein Verteidigungssystem einzugliedern, das den Westen gegen eine mögliche Bedrohung aus dem Osten schützen soll. Wir Sozialdemokraten können die Notwendigkeit nicht einsehen - angesichts der Verhandlungslage für die Ratifizierung der Verträge in den sechs Ländern und angesichts der gegenwärtigen internationalen Situation -, die Entscheidung in Deutschland ausgerechnet in diesem Moment der internationalen Entwicklung zu fällen.
({83})
Eine andere Haltung ist ja eigentlich nur zu erklären, wenn man davon ausgeht, daß man die
Eingliederung des Teils des deutschen Volkes, der durch die Bundesrepublik repräsentiert wird, in die kontinentale Europa-Organisation unter allen Umständen und um jeden Preis will.
Nun, es bleibt in dieser Auseinandersetzung ein Argument, das vielleicht alle von uns vorgebrachten Bedenken beiseite schieben könnte, nämlich der
Hinweis auf die Notwendigkeit einer schnellen
Verstärkung der Sicherheit der Bundesrepublik or einer möglichen drohenden Aggression aus em Osten. Der Bundeskanzler hat ziemlich dramatisch darüber gesprochen; aber ich weiß nicht, ob es die Aufgabe des deutschen Bundeskanzlers ist, die Zwischenfälle, die sich mit Flugzeugen alliierter Völker ereignen
({84})
und die offensichtlich von den unmittelbar beteiligten Regierungen mit solcher Delikatesse behandelt werden, in dieser Weise hier als Argument für seine eigene Politik zu gebrauchen.
({85})
Ich will mich im einzelnen mit der Frage der wachsenden militärischen Stärke im Osten nicht auseinandersetzen. Die Lage ist zweifellos ernst, und wir leben zu nahe an der Gefahrenzone, um nicht besorgt zu sein. Wir sollten alles tun, um die naturliche und verständliche Angst der Menschen vor einem neuen Krieg und der Menschen in Deutschland vor einer Situation der Wehrlosigkeit und der Hilflosigkeit zu mindern.
({86})
Unsere erste und vordringlichste Aufgabe dabei ist, daß wir alles tun, was in unseren Kräften steht, um die Spannungen in der Welt zu vermindern
({87}) und den Frieden zu erhalten.
({88})
- Herr Abgeordneter Euler, ich habe Ihnen das auch nicht unterstellt; aber wenn wir jetzt hier über unsere Politik sprechen, liegt mir daran, daß ich einer solchen grundsätzlichen Auseinandersetzung über die deutsche Beteiligung an der Verteidigung, an einem militärischen Beitrag, auch als Repräsentant der Sozialdemokratie noch einmal mit aller Klarheit zum Ausdruck bringe: Für uns ist das oberste Ziel der deutschen Politik, den Frieden zu erhalten!
({89})
- Ich habe Ihnen erklärt, meine Damen und Herren, aus welchem Grunde ich diese Bemerkung gemacht habe, und ich weiß nicht, warum Sie sich betroffen fühlen, wenn eine solche Bemerkung bar jedes polemischen Charakters ist.
Ich möchte noch ein zweites hinzufügen. Ein weiteres Mittel, den Menschen hier dieses Gefühl ,zu geben, kann ein deutscher Beitrag zur europäischen und internationalen Verteidigung der Freiheit sein; aber es muß ein effektiver Beitrag sein. Unsere Auffassung ist die: durch die Annahme
({90})
des EVG-Vertrags wird die Sicherheit der Bundesrepublik nicht erhöht. Selbst wenn man unterstellt, daß die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ein geeignetes Mittel für den Aufbau der europäischen Verteidigung sein könnte, so ist angesichts der gegenwärtigen Ratifizierungssituation für absehbare Zeit mit dieser Politik keine größere Sicherheit für die Bundesrepublik zu erwarten.
({91})
Nun wird schließlich die Notwendigkeit der Verträge auch immer wieder begründet mit dem Argument, im Interesse der Erhaltung des Friedens sei eine Politik der Stärke notwendig. Lassen Sig, mich auch dazu ein Wort sagen. Wir halten dieses Argument für das törichteste, das vom deutschen Standpunkt aus in diese Debatte geworfen werden konnte.
({92})
Es hat in der Bundesrepublik den Sinn für die Realitäten getrübt; es hat in der Sowjetzone falsche Hoffnungen erweckt, und es unterschlägt die Tatsache, daß die Eingliederung der Bundesrepublik in die Verteidigungsgemeinschaft mindestens für absehbare Zeit die deutschen Menschen in der Sowjetzone noch weiter isolieren und in Bedrängnis bringen wird. Was von der sogenannten Politik der Stärke zu halten ist, hat einer der hervorragendsten Mitarbeiter des Herrn Bundeskanzlers während der Vertragsverhandlungen in einem nach der zweiten Lesung veröffentlichten Artikel ausgesprochen. Dort ist von einer primitiven und unklaren Vorstellung einer Politik der Stärke die Rede, und es wird hinzugefügt, es sei kein Wort darüber zu verlieren, daß militärische Stärke keine Politik ist. Immer wieder aber wird dieses Argument in der Diskussion - auch in der Auseinandersetzung darüber mit uns - gebraucht.
({93})
Was wir wünschen, ist, daß uns alle diejenigen, die diese sogenannte Stärke zur Sicherung des Friedens als eine Richtlinie ihrer Politik ansehen, endlich einmal erklären, wohin nach ihrer Meinung die sogenannte Politik der Stärke denn konkret führen soll.
({94})
Was soll das Resultat sein, was soll der Nutzen sein,
und zu welchen Zielen wollen wir damit gelangen?
({95})
- Das habe ich nicht gesagt! - Jedenfalls legen Sie immer Wert darauf, alle Fragen - das gilt jedenfalls in Ihrer Diskussion mit uns -, die offen sind, zu klären; bitte, meine Herren, vielleicht helfen Sie uns da auf die Sprünge! Sagen Sie uns, was Sie konkret mit Politik der Stärke meinen!
Überprüft man den wesentlichen Inhalt der Verträge noch einmal und zieht man die gegenwärtigen Umstände in Betracht, dann kann man nur zu dem Schluß kommen, daß dieses Vertragssystem in der jetzt gegebenen Situation unter keinem Gesichtspunkt eine Lösung der dringenden Probleme unserer Sicherheit und unserer Eingliederung in die Gemeinschaft der freien Völker darstellt. Dieses Experiment - es ist ein Experiment - ist offensichtlich zum Scheitern verurteilt, auch wenn Sie heute durch die Verabschiedung in dritter Lesung
noch den letzten Versuch zu seiner Rettung unternehmen.
Was bleibt in dieser Lage zu tun? Zweifellos sind wir durch die geschichtliche Entwicklung vor die Frage gestellt, welchen Standort wir für die Bundesrepublik Deutschland beziehen wollen. Wir müssen die Frage ernsthaft untersuchen. Wir Sozialdemokraten sind bereit, es in aller Offenheit und mit dem Willen zu einer Lösung auf einer breiten Basis gemeinsam mit allen denen zu tun, denen das Beste für das deutsche Volk und für die Freiheit und den Frieden der Völker am Herzen liegt. Nach unserer Meinung ist für eine solche Untersuchung die einzig vertretbare und tragbare Annahme, daß der Friede erhalten und der dritte Weltkrieg vermieden wird.
({96})
Wir leben in einer Übergangszeit. Wir sind belastet mit dem Erbe der Sünden und Verbrechen des nationalsozialistischen Regimes. Wir können nicht erwarten, daß die Völker, die die Opfer dieses Regimes waren, leicht und schnell vergessen. Wir wissen, daß wir in diesen Prozeß der Wiedergewinnung unserer internationalen Geltung nicht allein durch überzeugende Beweise unseres guten Willens gelangt sind, sondern auch durch den Notstand der freien Völker angesichts der Bedrohung ihrer Existenz durch die neue totalitäre Macht.
In diesem Versuch, unsere Position zu beziehen, streiten wir mit Ihnen nicht um zwei elementare Grundtatsachen. Das deutsche Volk in seiner Gesamtheit bekennt sich zur westlichen Freiheit und zur westlichen Kultur.
({97})
Ihre Erhaltung ist die Voraussetzung für unser sinnvolles Dasein in dieser Welt.
({98})
Wenn diese Freiheiten in Gefahr sind, müssen wir versuchen, sie zu schützen und zu verteidigen. Wir wollen es.
({99})
Schweren Herzens, weil es gerade in unserem Volk so große aufbauende menschliche Aufgaben der Sicherung der Existenz für alle gibt, auf die wir uns ganz konzentrieren müssen.
Aber nun im konkreten Politischen: was wir der Bundesregierung in ihrer bisherigen Außenpolitik vorwerfen, ist, daß sie diese eingeleitet und durchgeführt hat, ohne den deutschen Ausgangspunkt vorher klar und eindeutig zu fixieren, ohne am Beginn die Grundsatzfragen der deutschen Position zu klären.
({100})
Der Bundeskanzler hat sich in seiner Außenpolitik einseitig auf die französische These der Integration eines Teileuropas durch die Schaffung supranationaler Autoritäten festgelegt.
({101})
Jetzt ist er der Gefangene dieser Konzeption.
({102})
({103})
Das Scheitern dieser Politik zwingt uns zur Untersuchung anderer Möglichkeiten.
({104})
Die Frage der möglichen Alternative - das wissen Sie genau so gut wie ich - ist ja Gegenstand der ernsthaftesten internationalen Diskussion.
({105})
- Ich weiß nicht, Herr von Brentano, ob Sie all diese sehr ernsthaften Untersuchungen in der großen Presse leugnen wollen. Außerdem ist das nicht nur die Meinung von Journalisten, sondern sicher Gegenstand von Überlegungen ganz anderer Leute.
({106})
Man kann der Notwendigkeit solcher Diskussionen
über eine andere Lösung nicht dadurch ausweichen
- auch hier nicht -, daß man der Sozialdemokratie unterstellt, sie sei an der Sicherheit des deutschen Volkes überhaupt nicht interessiert. Eine solche Unterstellung ist angesichts des praktischen Verhaltens unserer Partei nicht haltbar.
({107})
Man soll in dieser Diskussion - das gilt für alle, die es angeht - auch nicht mit dem Druckmittel arbeiten, daß von der Annahme oder Ablehnung der Verträge das Interesse Amerikas an einer weiteren Teilnahme an der Verteidigung Europas abhänge.
({108})
In bezug auf die Verteidigung Europas gibt es glücklicherweise auch gemeinsame Interessen Amerikas und Europas.
({109})
Die Organisation der Verteidigung Europas mit den Mitteln des EVG-Vertrags ist nicht die einzig mögliche Form; sie ist nicht die einzige Möglichkeit, die Verteidigung Europas effektiv zu gestalten.
({110})
Ich bin überzeugt, der Herr Bundeskanzler rechnet selber damit, daß er sich während seines Aufenthalts in Washington mehr über die Frage einer möglichen anderen Lösung als über das Schicksal des EVG-Vertrags unterhalten muß.
({111})
Wir Sozialdemokraten sind für neue Verhandlungen auf einer neuen und breiteren Grundlage.
({112})
- Meine Damen und Herren, es ist kein Beitrag zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit unserer Idee, wenn Sie auf unser Argument, daß wir eine Arbeitsgemeinschaft auf breiterer Grundlage - ({113})
- Wollen Sie nicht so freundlich sein, mir endlich
einmal die Möglichkeit zu geben, meinen Gedankengang zu entwickeln! Sonst sagen Sie nachher wieder, Sie hätten mich nicht verstanden!
({114})
Das möchte ich vermeiden. Außerdem möchte ich sagen: Schließlich haben wir jetzt mit der Rede des Herrn Bundeskanzlers und der des Herrn von Brentano zweieinhalb Stunden Auffassung der Regierung und Koalition gehört, und wir haben wohl das Recht, wenigstens anderthalb Stunden einmal in Ruhe unseren Standpunkt entwickeln zu können.
({115})
Wenn Sie anderer Meinung sind, haben Sie im Rahmen dieser Redezeit jede Möglichkeit, sich mit uns auseinanderzusetzen.
Da Sie aber schon bei meiner Bemerkung von der breiteren Grundlage hier glaubten, einwenden zu können, das sei ja gar nicht möglich, und da der Herr Bundeskanzler, und ich glaube, auch Herr Kollege von Brentano sehr nachdrücklich hier die These entwickelt haben, praktisch schließe die EVG die Mitarbeit von Großbritannien und anderen Ländern gar nicht aus, ja man habe ein so enges Vertragsverhältnis, daß es praktisch nicht mehr enger gestaltet werden könne, - lieber Herr von Brentano,
({116})
Sie wissen aus den Verhandlungen gerade in Ihrer Position am allerbesten, daß es bei allen Verträgen über das sogenannte Assoziierungsverhältnis von Großbritannien zu den supra-nationalen Behörden einen prinzipiellen und nicht überbrückbaren Unterschied gibt zwischen der Mitgliedschaft in der Hohen Behörde der Montan-Union und der vorgesehenen Hohen Behörde der europäischen Gemeinschaft. Sie wissen so gut wie ich, daß Großbritannien eben nicht Mitglied dieser Hohen Behörde werden wird. Bitte! Und das ist der Punkt, bei dem Sie doch endlich einmal akzeptieren könnten, daß sich fünf Minuten Gedanken darüber lohnen, daß man eine Mitarbeit Englands vielleicht in einer anderen Form in stärkerer Weise haben kann als durch die supra-nationale Behörde!
({117})
Entschuldigen Sie - Herr von Brentano, Sie schütteln mit dem Kopf -, warum wollen Sie denn nicht akzeptieren, daß intergouvernemental die englische und andere europäische Regierungen unter Verzicht auf supra-nationale Autoritäten ein sehr effektives Maß von Kooperation durchgeführt haben?
({118})
Meine Damen und Herren, da steht die Frage. Sie wissen es, und Sie werden es ja auch ernsthaft nicht bestreiten: Bleiben Sie bei dem Prinzip der supra-nationalen Autoritäten des EVG-Vertrages, dann ist das eine unvermeidliche Beschränkung auf die sechs kontinentalen Länder.
({119})
- Das wissen Sie genau so gut wie ich und jeder andere!
Darüber ist nun die Meinungsverschiedenheit zwischen Ihnen und uns. Wir sind der Meinung: die
({120})
notwendige, auch von uns gewünschte Zusammenarbeit, auch auf militärischem Gebiet, ist auf der Basis der Zusammenarbeit von Regierungen auf einem breiteren Feld unter Einschluß von Großbritannien und vielleicht den skandinavischen Ländern eher möglich als in der EVG-Gemeinschaft. Da liegt für uns ein entscheidender Punkt, wenn wir jetzt vor der Frage stehen: was können wir tun, wenn sich diese EVG-Gemeinschaft nicht realisieren läßt? Deshalb sind wir für neue Verhandlungen auf dieser breiten Grundlage, von vornherein eingeschlossen Großbritannien, Dänemark und Norwegen.
({121})
Ich glaube, der Verzicht auf das Modell der supranationalen Behörden ist unausweichlich geworden, weil sie sich jetzt als der tote Punkt in den Bemühungen um eine gemeinsame europäische Sicherheit erwiesen haben.
Ich glaube - das möchte ich hier weiter an Konkretem sagen -, für die Erreichung des gewollten Zieles ist auch der Weg über einen Ministerrat als entscheidende Instanz eines neuen Sicherheitssystems möglich. Auch unter einem Ministerrat kann man in technischer und militärischer und rüstungswirtschaftlicher Beziehung weitgehende Integration erreichen, an dem alle Beteiligten mitwirken können.
({122}) _
Es ist vorstellbar, daß unter der politischen Führung des Ministerrats ein Verteidigungs- und Sicherheitsamt geschaffen wird, dem die Integration
der militärischen und wirtschaftlichen Verteidigungskräfte im Rahmen der durch die Entscheidungen des Ministerrats gezogenen Grenzen obliegt.
Die Mitarbeit der Bundesrepublik in einer solchen europäischen Sicherheitsorganisation, deren Verhältnis zur Atlantischen Verteidigungsgemeinschaft noch bestimmt werden kann, erscheint uns Sozialdemokraten unter folgenden Voraussetzungen möglich:
1. Unsere Situation als Bundesrepublik ist gegenüber allen freien europäischen Völkern einmalig. Unser Land ist gespalten. Die Wiedervereinigung Deutschlands ist die vornehmste nationalpolitische Aufgabe, und wir müssen immer wieder maximale Anstrengungen machen und von den Besatzungsmächten verlangen, die Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands durch ein Übereinkommen zu schaffen. Die vierte Besatzungsmacht Deutschlands ist die Sowjetunion. Wir können darum vertragliche Bindungen mit dem freien Westen nur bis zu der Grenze eingehen, die uns die Freiheit läßt, in der Frage der deutschen Einheit immer wieder und immer dann, wenn wir selbst es für notwendig halten, aktiv zu werden. In der Frage der deutschen Einheit können wir nicht Objekt der Politik der Vertragspartner sein.
2. Wir sind bereit zur Teilnahme an einem europäischen Sicherheitssystem auf der gleichen Basis der Souveränität und der Gleichberechtigung, die allen anderen Partnern zugebilligt wird. Das neue Europa wird entweder ein Europa der Freien und Gleichen sein, oder es wird nicht sein.
3. Die Einbeziehung der Bundesrepublik in ein europäisches Sicherheitssystem bedingt eine Strategie, die der Bundesrepublik Deutschland dasselbe Maß von Sicherheit gibt, das irgend ein anderer Partner der Gemeinschaft für sich beansprucht. Das bedeutet, daß die Sicherung der Grenzen der Bundesrepublik und die Sicherung von Berlin die gemeinsame anerkannte Aufgabe aller Vertragspartner sein muß.
({123})
4. Das europäische Sicherheitssystem muß auf der. breitesten Basis zustande kommen, das heißt, es muß Großbritannien und Dänemark und Norwegen einschließen. Es muß eine Form der Zusammenarbeit gefunden werden, die auch Großbritannien akzeptieren kann. Der Effekt der gemeinsamen europäischen Verteidigung ist entscheidend, nicht die Form. Wie ziehen die Zusammenarbeit der europäischen Regierungen dem supranationalen Prinzip der EVG vor, weil diese Zusammenarbeit größere reale Möglichkeiten schafft.
({124})
5. Schließlich, meine Damen und Herren, muß eine solche Verteidigungsgemeinschaft das besondere Problem der sozialen Sicherung der Bundesrepublik in Betracht ziehen. In der Bundesrepublik ist angesichts der Kriegsfolgen die soziale Sicherung der Demokratie gleichwertig im Verhältnis zu der militärischen Seite der Verteidigung.
({125})
Nur ein sozial gesichertes Volk in der Bundesrepublik garantiert die notwendige moralische Verteidigungskraft, ohne die militärische Kraft nicht wirksam werden kann.
({126})
Meine Damen und Herren, das ist ein konkreter Vorschlag.
({127})
Wir leugnen nicht die Schwierigkeiten, die auch seiner Verwirklichung entgegenstehen. Aber gegenüber dem drohenden Vakuum, vor dem wir jetzt stehen, ist hier die Möglichkeit geboten, umfassender und effektiver die europäische Zusammenarbeit einzuleiten.
({128})
Sie können die sozialdemokratischen Vorschläge ablehnen oder als utopisch beiseite schieben.
({129})
Meine Damen und Herren, Sie werden in Monaten oder vielleicht schon in Wochen vor der Situation stehen, sich ernstlich mit ihnen zu beschäftigen.
({130})
Alle Gründe der Vernunft und die Logik sprechen dagegen, daß Sie heute die Verträge in der dritten Lesung annehmen. Dagegen sprechen auch die realen Umstände, unter denen wir heute diese Beratung durchführen. Sie kämpfen für eine Außenpolitik, die vor einer entscheidenden Niederlage steht.
({131})
Und wenn Sie trotzdem für die Verträge stimmen. deren endgültigen Text Sie nicht kennen
({132})
({133})
- dessen endgültigen Text Sie nicht kennen! -, ({134})
dann ist das eine Politik nach dem Grundsatz: es ist mehr wegen der Schönheit als wegen der Richtigkeit.
({135})
Die Annahme der Verträge in diesem Hause bedeutet noch nicht die Ratifizierung.
({136})
Der Kampf geht weiter. Wir Sozialdemokraten werden ihn führen mit dem Ziel, an die Stelle der nach unserer Auffassung verfehlten Außenpolitik der Bundesregierung eine Politik der effektiven Sicherheit zu setzen, eine Politik der Rechtssicherheit, der sozialen Sicherheit im Innern und eine Außenpolitik, die unserem Volke 'in Gemeinschaft mit den anderen europäischen Völkern eine effektive Sicherheit gibt, ohne die Chancen für eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands zu zerstören. In diesem Geiste lehnt die sozialdemokratische Bundestagsfraktion die vorliegenden Verträge ab.
({137})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Gegenstand, den wir heute hier erörtern, haben wir uns schon sehr oft in diesem Hause unterhalten, und wir haben sicherlich alle dabei immer mit Spannung erwartet, daß diejenigen, die das Vertragswerk oder die Politik, die zu ihni hingeführt hat, kritisieren oder sie sogar in Grund und Boden verdammen, doch immerhin Wege weisen würden, wie man denn in ihrem Sinne die Dinge besser und anders machen könnte. Wir haben eben ein fulminantes Schlußwort von der „effektiven Form der sozialen, der nationalen, der politischen Sicherheit" gehört, die man verkündet habe. Selten in diesem Hause hat es ein solches Mißverhältnis gegeben
({0})
zwischen der ausladenden Behauptung eines
Schlußwortes und dem Mangel an konkreten Vorschlägen in einer langen Rede.
({1})
Ja, meine Damen und Herren, es ist nun mal nicht zu vermeiden, daß man diese Vorgänge und diese Zusammenhänge aufzeigt. Es geht doch nicht an, immer wieder zu behaupten, man habe das Ei des Columbus oder den Stein der Weisen. Und wenn man fragt: Ja, was wollt ihr denn? und schließlich einen gemeinschaftlichen Weg finden möchte, dann ergibt sich wieder, daß das wegen einer Unbestimmbarkeit der Ziele nicht möglich ist.
Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben dem Herrn Bundeskanzler einige Zitate übelgenommen, die er aus Ausführungen des Kollegen Dr. Schumacher gebracht hat. Der Bundeskanzler sprach dazu von Übereinstimmung. Sie haben eingewandt, warum er denn früher nicht diese Übereinstimmung gesucht habe. Ich erinnere
Sie an unsere Verhandlungen - es war im Herbst 1950 -, als wir anfingen, uns mit dieser Problematik der westlichen Zusammenfassung zu beschäftigen. Ich habe damals die Reden des Herrn Bundeskanzlers und Ihres Vorsitzenden angehört; dann bin ich selbst zum Reden gekommen und habe gesagt: Also in diesem und diesem oder jenem Punkt besteht doch Übereinstimmung. Gibt es nicht eine Möglichkeit des Ausgleichens und der Angleichung? Und dann kam als Antwort eine scharfe und schroffe Absage auf den Versuch eines gemeinsamen Weges in der Außenpolitik.
({2})
Ich kann diese Dinge nicht leicht vergessen. Denn damals war ich es, der das Verbindende hervorgehoben und der darauf diese glatte Negation erfahren hat. So sehen wir immer wieder diese unfruchtbaren Verneinungen.
({3})
Meine Damen und Herren, es handelt sich hier um ein Vertragswerk und damit um eine Auseinandersetzung von ungeheurer Verwickeltheit. Bei so verwickelten Zusammenhängen verschiedener Meinung zu sein und Kritik zu üben ist an sich leicht. Es ist schwerer, bei einer derartigen Materie zu Lösungen zu kommen, bei denen man sich zusammenfinden kann. Das ist schwierig. Nun, Sie haben den leichteren Weg gewählt, als Sie unsere Versuche, aus der Bedrücktheit der Nachkriegszeit Stufe um Stufe herauszukommen, immer wieder ablehnten.
({4})
Dieses Vertragswerk ist deswegen schwierig, weil es drei Elemente, drei Grundmotive enthält. Einmal ist es der Ansatz zu einem Vorfriedensvertrag. Zum zweiten ist es der Ansatz zu - einer Ablösung des Besatzungsstatuts und zu einer Normalisierung unserer staatsrechtlichen und völkerrechtlichen Situation. Drittens schließlich enthält das Vertragswerk Maßnahmen zur Festigung unserer jungen Bundesrepublik durch die Eingliederung in ein System übernationaler und zwischenstaatlicher Sicherheit. Sicherheit ist es, die wir doch alle wünschen. Welchen Zweck hätte es denn, daß wir uns nun seit dreieinhalb Jahren hier abmühen an einem unvorstellbar überstürzten Gesetzgebungswerk, wenn wir uns nicht gleichzeitig darum bemühten, diesen Staat, den wir aufbauen, auch nach außen hin zu festigen?
Herr Kollege Ollenhauer, Sie haben von sozialer Sicherheit als einer Voraussetzung staatlicher Ordnung und kultureller Entwicklung gesprochen. Ich stimme völlig mit Ihnen überein. Aber wie kann ich denn soziale Sicherheit verwirklichen, wie kann ich all die Institutionen schaffen, die gegen die Wechselfälle des Lebens schützen, wie kann ich dahin wirken, daß entwurzelte Menschen wieder Boden unter den Füßen, wieder eine neue Existenz finden, wenn nicht das Gebiet des Staates, in dem ich eine solche Politik führe, eingefriedet ist, ja eingefriedigt ist gegen die Gefahr, durch Stürme von außen umgeworfen, vernichtet, überflutet oder überrannt zu werden!
({5}) Schutz ist da doch das dringendste Erfordernis!
Deswegen ist es richtig und verständlich, ja verantwortungsbewußt gewesen, wenn die Bundesregierung, wenn der Herr Bundeskanzler sehr bald
({6})
nach Errichtung der Bundesrepublik in Verhandlungen mit den Besatzungsmächten die Frage nach der Sicherheit dieses Staatsexperimentes, das wir begannen, aufgeworfen hat. Das w a r notwendig, denn sonst hätten ja alle unsere Mühen, alle unsere Versuche immer unter unbegrenzten Wagnissen und unter Hemmungen gestanden, die sich aus der Vorstellung solcher Wagnisse in breiten Schichten der Bevölkerung hätten ergeben müssen.
Was wir zunächst brauchen, um die Sicherheit zu realisieren, ist hier im einzelnen schon so oft gesagt worden, daß ich mir die Wiederholung dieser Dinge ersparen und nur auf eins hinweisen möchte. Es kann bei einem System kollektiver Sicherheit nur eine Gegenseitigkeit geben. Wenn man von den anderen erwartet und verlangt, daß sie für die Sicherheit unserer Existenz eintreten, ergibt sich nichts anderes als die Selbstverständlichkeit, daß auch unsererseits Sicherheitsbeiträge gegeben werden. Ohne diese Wechselseitigkeit ist eine Sicherheit nicht zu realisieren.
({7})
Es mag sein, daß das unschön ist, daß uns damit Verpflichtungen erwachsen, die wir gern, sehr gern weit hinausgeschoben hätten. Ach, wir hätten so vieles andere lieber getan! Aber ist nicht primär die Sicherheit notwendig, die Herstellung eines höheren Maßes von Sicherheit? Wenn wir eine Gewährleistung von Sicherheit wünschen - eine absolute Sicherheit hat es in der Geschichte noch nie gegeben, aber ein relativ hohes Maß von Sicherheit -, kommen wir von dem Prinzip der Gegenseitigkeit nicht los und müssen aus ihm Folgerungen ziehen. Tut man das aber nicht, meine Damen und Herren, dann verneint man die Sicherheit aus Mangel an Gegenseitigkeitsbereitschaft.
({8})
Weiter ist gesagt worden, die deutsche Wiedervereinigung werde erschwert, gehemmt oder sogar versperrt durch eine deutsche Anlehnung an die Sicherheitsformationen und Sicherheitsvorkehrungen der westlichen freien Welt. Wir müssen zuerst untersuchen, wie denn diese deutsche Aufspaltung zustande gekommen ist. Es ist ja allgemein üblich, daß man, wenn man eine Krankheitsfolge überwinden, eine Krankheit ausheilen will, die Krankheitsursache bekämpft. In den dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts war bereits erkennbar, daß sich als Folge des ersten Weltkrieges auf dem Globus eine Schwerpunktverschiebung vollzogen hatte. Das alte Abendland hatte seine Vorrangstellung durch die schwächenden Wirkungen des ersten Weltkrieges eingebüßt. Es entstanden zwei neue Schwerpunkte, zwei Gravitationszentren: das eine um Moskau und seine staatskapitalistische Gesellschaftsidee totalitärer Prägung; auf der andern Seite fanden sich die alten westlichen Demokratien zur Verteidigung der Werte ihrer rechtsstaatlichen Demokratien und der Prinzipien der christlichen Humanität mehr und mehr um den Atlantischen Ozean zusammen. Da waren es zwei neue Gruppenbildungen. Deutschland hätte in dieser Situation als mitteleuropäischer Staat vielleicht die Funktion eines Isolierfeldes oder einer Schleuse oder einer Brücke, oder was weiß ich, übernehmen können. Jedenfalls ist diese Lage nicht erkannt worden. Die nazistische Außenpolitik brachte vielmehr das Wahnwitzige fertig, das widernatürlichste Bündnis der Welt herbeizuführen, nämlich die westliche Welt mit der östlichen gegen uns, gegen Deutschland zu verbinden.
({9})
Das Ergebnis war, daß am Ende das Reich in Trümmer ging und dann der große Trennungsstrich zwischen zwei Welten durch unser Volksgebiet gezogen wurde.
Das bedeutet, daß die Spaltung Deutschlands nicht einen Akt deutscher innergebietlicher Neuordnung, sondern eine furchtbare Katastrophe darstellt, bewirkt durch weltpolitische Machtverhältnisse. Man kann die deutsche Wiedervereinigung logischerweise nur dadurch herbeiführen, daß man dazu beiträgt, daß die weltpolitischen Machtverhältnisse in solcher Weise verlagert werden, daß sich daraus Entwicklungselemente zu einer deutschen Wiedervereinigung ergeben.
({10})
Das ist nichts weiter als eine folgerichtige Betrachtung des Verhältnisses von Ursache und Wirkung auf dem Gebiet der außenpolitischen Entwicklung.
Und was tun wir nun? Wir bemühen uns, zu verhindern - das ist nämlich die nächstliegende Gefahr, meine Damen und Herren! -, daß dieser Eiserne Vorhang, daß diese Grenze, die da durch Deutschland gezogen ist, versteinert und verhärtet. Man muß die Erörterung um diese Grenze immer in Bewegung halten. Da nutzt es gar nichts, daß wir innerdeutsche Deklamationen um diese Spaltung machen,
({11})
sondern da kommt es darauf an, den Teil der Welt für die deutsche Wiedervereinigung zu erwärmen und heranzuziehen, der in der Lage ist, die entsprechend wirkende Gestaltung neuer weltpolitischer Kräfteverhältnisse und eine neue Abgrenzung der Interessenssphären herbeizuführen. Das ist doch die einfache Betrachtung, die man in diesem Zusammenhang allein anstellen kann. Dies Motiv steckt in den Verträgen drin. Ich bin bei solcher Einsicht beim besten Willen nicht in der Lage, einzusehen, daß der Versuch, eine Anlehnung an den Westen zu vollziehen, den freien Westen an der gesamtdeutschen Frage mit zu beteiligen, ihn für diese Frage zu gewinnen, ein Beitrag dazu sein soll, die gesamtdeutsche Lösung aufzuhalten und zu erschweren.
Ich muß dabei auch einmal die Gegenfrage stellen: Wie stellen Sie sich denn anders überhaupt die Möglichkeit vor, die deutsche Grenzfrage, die aus weltpolitischer Kräftegruppierung entstanden ist, weltpolitisch in Bewegung zu halten, wenn nicht mit dem Teil der Welt, der uns in seiner ganzen geistigen, moralischen und politischen Auffassung verwandt ist, bei dem Teil der Welt, von dem wir überhaupt erwarten können, daß andere Vorstellungen als die von Gewalt und Macht bei ihm in der Lage sind, weltpolitisch wirkende Kräfte auszulösen? Man sollte sich doch einmal überlegen, was geschieht, wenn wir die vorliegenden Verträge nicht ratifizieren, wenn wir keine europäische Montan-Union machen, wenn wir keine EVG-Gemeinschaft machen, wenn nicht die Verbindung dieser EVG-Gemeinschaft mit anderen Völkern hergestellt wird, die zwar nicht in den supranationalen Bereich hineingehen, sich dem aber in der Form von Allianzen anschließen. Glaubt denn jemand wirklich im Ernst, daß, wenn wir das alles
({12})
nicht machen, dadurch der gesamtdeutschen Einigung irgendein Anstoß gegeben wird? Man kann hier zwar schön deklamieren, aber am Ende wird dann der Graben so hart und die Mauer so steif und unerschütterlich, daß es beinahe aussichtslos erscheint, über dies Unheil der Spaltung hinwegzukommen.
({13})
Dabei sind diejenigen, die in Osteuropa in Knechtschaft leben, immer in der Gefahr, vergessen zu werden. Wir sind das Volk, das durch seine Halbierung immer halb an dem beteiligt ist, was da geschieht. Wir sind das einzige Volk im Bereich der osteuropäischen Völker, das unmittelbar verwundet ist und den Schmerz dieser Wunden spürt. Wir sind das Volk, das davor bewahren muß, daß die Völker Osteuropas, die jetzt in Knechtschaft dahinvegetieren, vergessen werden.
({14})
Ich glaube, die Möglichkeit zu solcher Funktion kräftigen wir doch dadurch, daß wir dazu gewissermaßen die Resonanz in dem Bereich einer weiter gefaßten politischen Gemeinschaft vergrößern.
Das gleiche gilt für Berlin. Glauben Sie, Sie unterstützen Berlin und Sie tun etwas für den Zusammenhang und für die Erhaltung Berlins, wenn Sie den EVG-Vertrag ablehnen, wenn Sie eine europäische Gemeinschaftswirklichkeit verneinen, verhindern, abbremsen? Ich kann mir das alles nicht richtig vorstellen.
Alles, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Ollenhauer, oder was in den Ausführungen des Herrn Kollegen Luetkens steht, ist am Ende ein Versuch - ja, das haben Sie auch deutlich gesagt -, das supranationale Prinzip zurückzudrängen, zu beseitigen, zu verneinen und an seiner Stelle irgend so etwas wie ein Allianzsystem alten . Stiles zu errichten. Das ist gerade das, was wir für bedenklich und verhängnisvoll halten. Wir möchten hinaus über diese alten Formen der Allianzen.
({15})
Allianzen sind nämlich nichts weiter als Vereinigungen von Regierungen. Wenn man eine gemeinsame Zweckorganisation wie eine gemeinsame Verteidigung, oder was weiß ich, eine gemeinsame Marktorganisation oder eine gemeinsame Devisenbank oder auch eine Zollunion schafft, beherrschen im Grunde genommen die gemeinsamen Regierungen über die Allianz die einzelnen Völker. Die nationalen Parlamente können nicht unmittelbar auf sie einwirken, sondern immer nur mittelbar dadurch, daß sie jeweils auf ihre einzelnen Regierungen einwirken. In einer Allianz haben einzelne Parlamente keine Verbindung miteinander. Sehen Sie: das bedeutet das Überlegene der supranationalen Autorität.
({16})
- Das ist doch eine andere Frage, nämlich die Zuständigkeitsabgrenzung. Das kann ich jetzt nicht erörtern; ich bin aber gern bereit, auch das einmal mit Ihnen zu erörtern. Jedenfalls ist auch im Schumanplan immerhin eine gemeinsame Vertretung der beteiligten Völker durch gemeinsame parlamentarische Körper. Wieweit man die Kompetenzen da ausgedehnt oder abgegrenzt hat, ist eine andere Frage. In den Anfangsstadien einer solchen Entwicklung muß man ja auch Übergangslösungen
ertragen und Kompromisse machen. Jedenfalls besteht der Vorteil der supranationalen Institution darin, daß Volksvertreter aus den einzelnen Ländern zusammenkommen und die gemeinsamen Einrichtungen einer unmittelbaren Kontrolle unterwerfen, während man bei Allianzen und auch bei Koalitionsarmeen nie die unmittelbare demokratische Kontrolle hat. Sehen Sie, das ist der große Vorteil und das große Übergewicht der supranationalen Institutionen gegenüber den reinen Koalitionen von Regierungen und von Staaten nach dem alten Allianzsystem.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich nun bei dem Vertragswerk selbst. Es ist natürlich nicht so, als hielten wir dieses Vertragswerk für den Gipfel der Vollkommenheit. Ich glaube, das fällt keinem von uns ein; denn es gibt wenig darin, was wir nicht einer ernsthaften Kritik unterziehen könnten oder unterzogen haben. Aber wir wissen, daß, wenn ich einen internationalen Vertrag machen muß, der sechs Regierungen, sechs Auswärtige Dienste, sechs öffentliche Meinungen, sechs Parlamente, meistens noch mit Zweikammersystem, mehr oder weniger für sich gewinnen soll, dann ein Kompromiß herauskommt, bei dem im Grunde genommen keiner mit den Details zufrieden sein kann.
({17})
Wenn man noch dazu die übliche Methode des Abschlusses internationaler Verträge nimmt und einmal den traditonellen Ehrgeiz berücksichtigt, der den Unterhändlern von Auswärtigen Ämtern und Staaten anzuhaften pflegt
({18})
- die sind alle irgendwie, auch wo es sich um Republiken handelt, mit dynastischen Wunschbildern gefüttert -, ja, meine Damen und Herren, daß da natürlich nun die Erschwerung auch durch die Akribie der Wortklauberei, und was alles dazu gehört, kommt, ist begreiflich und verständlich. Deswegen ist es an sich ein sehr billiges Vergnügen, hier einzelne Artikel und Paragraphen herauszunehmen und an denen seine Kritik aufzuhängen. Ich glaube, dieses Vergnügen ist leichter als die Mühe, die große formgebende Kraft eines solchen Werkes zu verstehen und den formenden und gestaltenden Inhalt zu erkennen und dann von ihm ausgehend die eigentliche politische Entscheidung zu treffen.
Eins darf ich, glaube ich, in diesem Zusammenhang nicht übersehen. Dieser Kompromiß, der Charakter, der allen internationalen Verträgen anhaftet, namentlich wenn sie sich auf so komplizierte Dinge erstrecken, ist noch besonders dadurch hervorgerufen, ich möchte sagen, übersteigert worden, weil Schuttmassen der Vergangenheit abzuräumen waren, als man dieses Vertragswerk machte. Ich sagte schon: es enthält eine Art Vorfriedensvertrag, eine Ablösung des Besatzungsstatuts; es geht bis zu einer Integrationsform in überstaatliche Einrichtungen, und es geht über zu wechselseitigen Sicherheitsversprechungen. Ja, kann man das alles übersehen? Ich sprach von Schuttmassen. Ich meine jetzt nicht die Schuttmassen der Vergangenheit in bezug auf die materiellen Dinge, sondern die seelischen Widerstände, die doch eine Rolle spielen, wo die allgemeinen Vorurteile unmittelbar wirken, wo schlechte Erfahrungen Mißtrauen wecken und schließlich anreizen zu übermäßig verwickelter Ausgestaltung der einzelnen Texte.
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Manches davon ist nur zu verstehen, wenn man die Tiefenpsychologie des Siegers anzuwenden versucht, so etwa, wenn man sieht, was in den Einzelbestimmungen noch an geistigen Überresten aus einer nicht ganz partnermäßigen Denkweise darinsteckt. Derartiges ist sicherlich vorhanden. Aber kann man von den anderen verlangen, daß sie eine Wandlung so schnell vollziehen, wenn man selber in der Kritik an den Verträgen so mit Wogen des Mißtrauens zu wirken bemüht ist, wie dies die Opposition tut? Sie mißtrauen den andern immer nur. Sie haben eine Furcht. Sie mißdeuten ihre Motive und messen dabei immer nur mit den einstigen nationalstaatlichen Maßstäben. Ich weiß nicht, ob man damit weiterkommt. Das gilt gerade für die Außenpolitik: am besten gewinnt der Vertrauen, der Vertrauen entgegenbringt. Das ist eine Erfahrung, die im Leben immer gilt.
Man meint bei der Opposition, Überlegenheit an kritischer Weisheit könnte es beweisen, wenn man an den Details herumflickt. Ob es zur konstruktiven Wandlung und Gestaltung Weisheit ist, so im Grunde genommen doch destruktiv zu denken, das überlasse ich Ihrem Urteil, meine Damen und Herren.
In diesem Zusammenhang eine Bemerkung zu den Zusatzprotokollen. Sie sind bei der Geschäftsordnungsdebatte so behandelt worden, als ob sie tatsächlich vorhanden seien, während sie in Wirklichkeit nichts anderes sind oder sein mögen als Vorschläge. In keiner Weise binden sie irgend jemanden. Für uns sind sie bestimmt nicht verbindlich. Bei ihnen sind wir uns ohne weiteres darüber klar - Herr Kollege von Brentano hat es ja schon ausgesprochen -, daß sie für uns niemals annehmbar sein werden, wenn sie dem Geist und dem Inhalt der Verträge widersprechen und so mit ihnen unvereinbar sind. Unsere Haltung dazu ist also ganz klar. In dem Entschließungsantrag meiner politischen Freunde ist das ausdrücklich ausgesprochen worden.
Diese Zusatzprotokolle sollen nun nach Ihrer Meinung veranlassen, daß wir unsere Entscheidung zurückstellen. Was würde das bedeuten? Es würde praktisch Verhandlungen um eine Änderung der Verträge bedeuten; dann ginge der ganze Zauber noch einmal los, und es würde wieder so umständlich verhandelt. Gerade deswegen habe ich Bedenken, das zu tun.
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-Weil ich an die Überlegenheit der supranationalen Institution glaube, Herr Kollege Wehner. Das ist nämlich das Entscheidende bei der Frage. Wollen Sie wieder zwischen sechs Regierungen usw. verhandeln mit dem ganzen Kram bis zur Ratifikation rauf und runter, runter und rauf, mit all dem Zubehör, der dabei eine Rolle spielt? Wenn Sie sich dagegen auf den Standpunkt stellen: Ja, dies Vertragswerk ist reformbedürftig, da sind viele Mängel enthalten, die alle beseitigt werden müssen, so müssen wir Ihnen entgegenhalten: das Vertragswerk ist eben ein erster Versuch, ein Anfang einer völlig neuartigen Gestaltung von internationalen Beziehungen.
Die Institutionen, die dieses Vertragswerk schafft, scheinen mir besser geeignet, die erstrebte Annäherung und Reformen durchzuführen mit der Anpassung an veränderte Umstände, auch an vielleicht übersehene Bedürfnisse einzelner Völker und Staaten. Es ist besser, daß das eine gemeinsame Institution macht, als daß wir wieder das ganze verwinkelte und zeitraubende Geschäft, ja Ränkespiel erleben, das sich immer abspielt, wenn sechs Regierungen und sechs Auswärtige Dienste mit dem ganzen Troß von Sachverständigen und Gutachtern sich in solche Beratungen stürzen.
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Bei der Weiterbildung des Vertragswerks ist gerade die Möglichkeit, die Überlegenheit der supranationalen Institution nutzbar zu machen. Gerade deswegen sollte man nicht vertagen, sondern schnellstens die Institutionen errichten, damit die notwendigen Wandlungen, die dynamische Entwicklung, wie der Herr Bundeskanzler bei der zweiten Beratung gesagt hat, nicht mehr allein in der üblichen Auseinandersetzung zwischen Regierungen geschehen, sondern sich auch weitgehend in der Unmittelbarkeit der Begegnung der Volksvertreter aller beteiligten Nationen abspielen!
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Ich verspreche mir immerhin davon eine Nützlichkeit. Ich kann es nicht mathematisch beweisen. Es scheint mir mindestens demokratischer zu sein, so zu denken. Das supranationale Parlament ist nämlich noch demokratischer als der Verkehr der Völker über Regierungen.
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- Natürlich bin ich mir auch klar darüber, daß nun mancherlei Schwierigkeiten entstehen. Es ist eben auch die Neigung gewachsen, heute wieder überall Verhandlungen zu komplizieren, schreckliche Textvorlagen zu machen, Konferenzen zu machen, bei denen man sehr verwickelt miteinander diskutiert, bei denen sich dann so im Hintergrunde all diese Kulissengespräche abspielen
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und bei denen die Querschüsse, die durch die verschiedensten Einrichtungen der öffentlichen Meinungsbildung erfunden sind, dazwischenfunken.
Ja, meine Damen und Herren, der heutige Konferenzstil ist nicht immer fruchtbar. Das einzige, was man ihm eigentlich zugute halten kann, ist, daß bei ihm wenigstens doch das heute vorliegende Vertragswerk herausgekommen ist. Aber ich möchte ihn weitgehend überwunden sehen, vor allen Dingen aber eins: den neuerlichen Geist dieser Konferenzen.
Meine Damen und Herren, der Umsturz in Prag, der damals so wie ein Schock auf die westlichen Völker wirkte, liegt schon so weit zurück; und die Geschichte mit Korea ist schon so lange her, und man hat sich so an die täglichen Bulletins gewöhnt, und man ist wieder gleichgültig geworden. Man macht wieder in dem alten zeitraubenden Stile umständliche Konferenzen mit all ihrem Drum und Dran.
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Da kommt es dann zu all diesen Quertreibereien und zu mancherlei Störungsfeuer. Von einem Beispiel dieses Störungsfeuers in der deutschen Presse ist heute gesprochen worden. Ach, es ist in anderen Zeitungen, auch außerhalb unseres Bundesgebiets, auch sehr viel Störungsfeuer. Dies Störungsfeuer besteht vor allen Dingen in einer verzerrenden Form der Berichterstattung über die innere
12332 Deutscher Bundestag - Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1953
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deutsche Situation, vor allen Dingen über die politischen Kräfteverhältnisse. Sie ist immer wieder darauf abgestellt, Mißtrauen in die Bundesrepublik und in die Festigkeit ihrer demokratischen Ordnung zu wecken.
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- Ich rede jetzt in diesem Fall von der ausländischen Presse! - Da wird vor allen Dingen mit Vorliebe geschrieben von einem massenhaft fortwirkenden „deutschen Chauvinismus". Ja, sicherlich, es gibt aus der Vergangenheit, aus den „tausend Jahren" noch so einige Leute, es mögen einige Tausend sein, deren Geltungsbedürfnis noch immer nicht zur Ruhe gekommen ist.
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- Sie brauchen mich gar nicht anzulachen. Ich gehöre nicht dazu.
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Also die Dinge sind so: es gibt sie. Aber ihre Zahl ist doch im Verhältnis zur übrigen Bevölkerung, zur Zahl der Wähler, zu den faktisch gestaltenden und bestimmenden Elementen der Bundesrepublik völlig unbedeutend. Selbst wenn man sagt: Ja, aber das sind Bazillen, die virulent werden können, - meine Damen und Herren, das sind ebenso willkürliche wie kühne Prophezeiungen, und ich glaube nicht, daß man, wenn man gerecht sein und die Wirklichkeit so darstellen will, wie sie ist, in dieser Form mißdeuten darf. Über diese paar Leute, über diesen Typus des strammen, arroganten Menschen, den wir aus der Vergangenheit kennen, wird so furchtbar viel geschrieben, und dieser Typ wird so zahlreich dargestellt. Aber über die Hunderte von Divisionen, die da im Osten aufmarschieren, darüber wird bald überhaupt nichts mehr gesagt!
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So entsteht dann ein Weltbild, das die wirklichen Gefahrenherde völlig ins Dunkel versinken läßt. Aber kleine Symptome noch nachwirkender Verrücktheiten werden angestrahlt, als ob sie die zentralen Ereignisse unserer Gegenwart wären.
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Es ist dann weiter - sogar in ziemlicher Zuspitzung der Forderungen an den Herrn Bundeskanzler hinsichtlich der Haltung und Amtsführung des Herrn Bundesjustizministers - von den verfassungsrechtlichen Streitigkeiten gesprochen worden, die sich um die Ratifizierung dieses Vertragswerks entwickelt haben. Ich will nicht auf alle Einzelheiten eingehen; ich will nur einmal folgende Überlegung doch empfehlen: Einverstanden mit dem Grundsatz der Verfassungstreue, einverstanden damit, daß wir ängstlich darüber wachen, daß kein demokratisches Recht gefährdet oder angetastet wird. Aber, meine Damen und Herren, bedeutet das, daß wir die Frage der politischen Sicherheit nun langsam immer weiter zum Gegenstand rabulistischer Deutungen der verschiedensten Verfassungs- und Vertragsartikel machen? Ist das wirklich noch Politik? Ist das der Zweck und Sinn eines höchsten Gerichts, gleichsam an der Verhinderung, mindestens aber an der Verlangsamung politischer Entscheidungen beteiligt zu werden?
Und die zweite Frage: Es geht doch bei diesen Verträgen - wenigstens für mich und meine
Freunde - darum, den Lebensraum unserer Verfassung, die Landschaft, in der das Grundgesetz Geltung hat und die die Ordnung des staatlichen Lebens normiert, zu schützen. Ist es wirklich nicht dringlicher, daran zu denken, die Verfassungswirklichkeit des Grundgesetzes dadurch zu wahren, daß man sie gegen Überflutung eindeicht, statt am Ende vor lauter juristischen Quisquilien in eine Gefahr zu geraten, bei der diese Verfassung dann von denen, die überfluten, sicherlich nicht respektiert wird?
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Weiter ist die Frage der finanziellen Lasten gestreift worden, die sich aus diesem Vertrag ergeben. Auch da will ich nicht lange auf Details eingehen, sondern nur eine kurze Gegenfrage zu den gemachten Ausführungen stellen. Meinen Sie, wenn wir diese Verträge nicht machen, wenn also das Besatzungsstatut in seiner ganzen Wirklichkeit bleibt, daß die Auseinandersetzungen um unsere finanziellen Lasten dadurch einfacher und leichter werden? Ja, einfacher werden sie insofern, als wir dann nicht als Verhandlungspartner mitwirken, sondern einfach Verpflichtungen auferlegt bekommen, während im andern Fall auf Grund der neuen vertraglichen Regeln immerhin eine beiderseitige Verhandlungsmöglichkeit gesucht und ausgenutzt werden muß.
Ich möchte dann noch auf die Entschließung hinweisen, die meine Freunde vorgelegt haben. Darin wird vor allen Dingen eins gewünscht: daß der Ausbau der europäischen Gemeinschaft auf Grund des jetzt jüngst angenommenen Verfassungsentwurfs innerhalb der Ad-hoc-Kommission zur Koordinierung der Außenpolitik möglichst bald von der deutschen Bundesregierung angestrebt wird. Zum zweiten wünschen wir, daß eine solche Rechtskonstruktion der beabsichtigten gemeinsamen Einrichtungen angestrebt wird, damit zugleich die Möglichkeit einer demokratischen Kontrolle der europäischen Verteidigungseinrichtungen beschleunigt gesichert wird. Dazu halten wir es ebenfalls für notwendig, auf dem Gebiet der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft die Ordnungsgrundlagen des militärischen Daseins überhaupt, insbesondere der Soldaten, zu vereinheitlichen, und dies ganz besonders auch im Hinblick auf das Militärstrafrecht. Andernfalls könnten sich ganz unhaltbare Verhältnisse ergeben, wenn eine solche Vereinheitlichung nicht gleich am Anfang wirksam würde. Außerdem wünschen wir dringend, daß man - vielleicht über den Wortlaut des EVG-Vertrags hinausgehend, aber in seiner tiefsten Sinnerfüllung doch wohl richtig handelnd - zu gemeinsamen Verwaltungen für die gemeinsamen Verteidigungskräfte und zu einem gemeinsamen Oberbefehl kommen möge. Am Ende dieser Entwicklung soll dann die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO-Organisation stehen: das wäre ja als letzte Vollendung der deutschen Gleichberechtigung - besser gesagt: Gleichrangigkeit - anzustreben.
Meine Freunde und ich sind einmütig der Überzeugung, daß wir diesen Verträgen wie in der zweiten Beratung so auch in der dritten Beratung unsere Zustimmung geben müssen. Wir sind der Überzeugung, daß wir diesen Schritt tun müssen trotz aller Fragen und Zweifel und Vorbehalte im einzelnen.
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Es ist hier - von dem Sprecher der Opposition ausgehend - davon gesprochen worden, daß dies Vertragswerk wegen der Haltung der anderen Völker, die daran beteiligt sind, nicht zustande kommen könnte. Dazu, meine Damen und Herren, glaube ich sagen zu müssen: Selbst wenn der Fall eintreten sollte, daß sich eines der vertragschließenden Völker nachträglich nicht beteiligt, weil Quertreiberei und der alte Chauvinismus zu stark sind, würden wir die größte Torheit unserer politischen Entwicklung begehen, wollten wir daraus die Folgerung ziehen, dieses Vertragswerk nicht anzunehmen. Wenn andere das Vertragswerk nicht wollen sollten, dann wollen nicht wir schuld gewesen sein an seinem Scheitern!
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In diesem Zusammenhang möchte ich noch ein Wort über die Grenze hinaus nach Westen hin richten. Da wirkt immer noch ungeheuer viel Mißtrauen gegen unser Volk; man begeistert sich an der Vorstellung, chauvinistisch-machtpolitische Begehrlichkeit wäre geradezu ein erbbiologischer Zwangszustand des deutschen Volkes. Meine Damen und Herren, dies deutsche Volk besteht hinsichtlich seiner Erbsubstanz aus keiner anderen Masse als alle anderen europäischen Völker! Wenn in der Entwicklung des deutschen Volkes chauvinistische Strömungen, Neigungen und Kräfte - keineswegs in ihm allein - so oft in den letzten hundert Jahren eine verletzende Wirkung gehabt haben, dann sollte man sich einmal fragen, ob solche Erscheinungen nicht milieubedingt sind! Auch ein Volk hat ein Milieu, indem die Anlieger bestimmte Eigenschaften hervorrufen, anreizen! Man sollte nicht immer die Schuld in einer angeblichen deutschen Veranlagung sehen, sondern etwa einmal einen Blick auf die Karte tun: ob es im Laufe einer vielhundertjährigen Entwicklung denn gerade das deutsche Volk gewesen ist, das in anderen Volksgebieten dauernde Eroberungen gemacht hat! Wenn man in eine Karte Europas zum Beispiel die sprachliche Herkunft der Ortsnamen eintragen würde, dann würde sich ergeben, daß das deutsche Volk in seiner zentralen Lage immer einem sehr wirksamen Druck der peripheren Völker ausgesetzt gewesen ist.
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Ich glaube, es ist notwendig, auch einmal auszusprechen, daß das deutsche Volk in dieser Hinsicht keineswegs immer gut behandelt wurde, wenn man es oft zum Objekt der anderen werden ließ, leider Gottes durch viele Jahrhunderte hindurch. So etwas dringt in die Tiefen der Erinnerung und der Gefühlswelt eines Volkes ein und schafft Vorstellungen ganz merkwürdiger Art. Ich möchte das doch einmal denen gegenüber sagen, die so leichthin von der Unabänderlichkeit unseres „bösartigen" Charakters zu sprechen belieben.
Ich will schließen. Meine Damen und Herren, wir sind der Meinung, mit der Annahme dieses Vertragswerks einen Beitrag zur Sicherung und Weiterbildung unserer Freiheit zu liefern. Wir sind uns klar darüber, daß wir es nur mit einem bescheidenen Anfang zu tun haben. Aber wer ein großes Haus bauen will, muß damit anfangen, die Fundamente für die Bauhütte zu legen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Hütter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Lassen Sie mich im Anschluß an das, was mein Fraktionskollege, Herr Dr. Schäfer, eben so umfassend und ins einzelne gehend gesagt hat, in aller Kürze eine Stellungnahme der Fraktion der Freien Demokraten zur Frage der Kriegsverurteilten abgeben. Dies ist ein Problem, das meine Fraktion in ganz besonderem Maße beschäftigt hat und noch beschäftigt. Sie wissen, daß sich mehrere Mitglieder der FDP-Fraktion insbesondere wegen dieser Frage bei der zweiten Lesung noch nicht zur Annahme der Verträge entschließen konnten. Wie Sie inzwischen gelesen haben werden, ist gestern offiziell die Zusicherung gegeben worden, daß das State Department und die Hohe Kommission „have under active consideration", wie der englische Text sagt, d. h., daß sie dieses Problem in diesem Augenblick überprüfen, um festzustellen, ob eine befriedigende Lösung noch vor Inkrafttreten der Verträge erreicht werden kann.
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Herr von Brentano hat ja bereits darauf hingegewiesen.
Wir sind weit davon entfernt anzunehmen, daß eine solche Erklärung etwa nur gegeben worden sein könnte, um uns persönlich die Entscheidung zu erleichtern. Dazu haben wir eine zu hohe Meinung von den Gewahrsamsmächten, die diesen Beschluß mit ihrer öffentlichen Meinung in Übereinstimmung bringen mußten. Ich möchte dennoch sagen, daß es für eine fruchtbare und die Kraft Europas gewährleistende Politik völlig unverzichtbar ist, daß dieses nicht etwa nur ein Versprechen bleiben, sondern daß es Tatsache wird. Denn das ist die Voraussetzung für eine künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit. Diese scheint mir aber eine Sache zu sein, die weit über das Kriegsverurteiltenproblem hinaus von gravierender Bedeutung für Europa und den Frieden der Welt ist. Nichts ist so gefährlich wie das Fortbestehen des Kreuzzugsgedankens.
Wir haben diese Verträge verhandelt und sind auch - trotz Bedenken im einzelnen - bereit, zuzustimmen, weil wir im ganzen genommen in ihnen ein Mittel des Friedens sehen, des Friedens, der nie von sich aus ein Friede ist, sondern der immer eine geistige Aufgabe bleibt. Deshalb stimmen wir diesen Verträgen zu, in der Hoffnung, daß sie nicht das Ende, sondern der Anfang einer Entwicklung sind und daß alle Möglichkeiten genutzt werden, die einem Ausgleich in dem großen Konflikt dienlich sein können, einem Ausgleich, den jeder Mann und jede Frau auf der ganzen Welt so sehr ersehnt.
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Meine Damen und Herren! Ich sehe Herrn Abgeordneten Ribbeheger nicht im Saal. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute morgen einen Text aus der Heiligen Schrift gelesen, der mich zum Nachdenken gezwungen hat, im Evangelium Johannes Kap. 21 Vers 18:
Wahrlich, wahrlich, ich sage Dir: da Du jünger
warest, gürtetest Du Dich selbst und wandeltest, wohin Du wolltest; wenn Du aber alt
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wirst, wirst Du Deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird Dich gürten und führen, wohin Du nicht willst.
Meine Damen und Herren! Diese Lektüre hat mich berührt und hat mich besonders mahnend auf den Ernst dieser Stunde und dieser Entscheidung hingewiesen. Es ist immer ein heikles Unterfangen, einen solchen Text gewissermaßen zu profanieren, indem man ihn auf ein weltliches Verhältnis anwendet. Aber ich glaube, daß in diesen Worten für den, der zu hören vermag, mehr liegt als nur eine Mahnung. Ich glaube, daß unsere Entscheidung, die Verantwortung, die wir übernehmen, uns auf den richtigen Weg bringt - dann, wenn sie wirklich von der vollen Überzeugung getragen wird. Wenn wir dagegen nicht von einer eindeutigen und klaren Überzeugung ausgehen, wenn unsere politischen Entschlüsse weiter im Zwielicht des Wortspiels bleiben, dann kann es geschehen - das ist zwar nicht der theologische Sinn dieses Spruchs -, daß wir dahin geführt
werden, wohin wir nicht wollen.
Der Zweck der dritten Lesung ist, die Gründe der Entscheidung, die eine Partei bestimmen, klar zutage zu legen. Hierbei haben wir uns als Abgeordnete nach unseren Grundsätzen zu fragen, die -uns bisher geleitet haben, und nach dem, was unsere Wähler wollen. Unsere Wähler wollen eine Antwort auf die Frage haben, wie der Friede erhalten wird. Sie wollen eine Antwort darauf haben, wie es wirtschaftlich und sozial weitergeht, und sie wollen schließlich eine Antwort auf die Frage, die uns als Nation im tiefsten berührt: wie wir wieder zusammenkommen. Darauf haben wir klare Antworten zu geben und unsere Entscheidung klar zu begründen.
Wenn wir unseren Standpunkt in der dritten Lesung richtig erkennen, wenn wir die Entwicklung der außenpolitischen Verhältnisse, seitdem diese Verträge von uns in diesem Hause und in der Öffentlichkeit diskutiert werden, überschauen, dann stellen wir fest, daß durch die Verzögerungen, aus welchen Gründen sie auch immer entstanden sein mögen, wertvollste Zeit verlorengegangen ist.
Ich möchte nicht zu dem Komplex Karlsruhe, wo uns von der Opposition eine juristische Denksportaufgabe aufgegeben worden war, nochmals näher Stellung nehmen. Aber ich glaube, das Bild, daß wir für die letzte Entwicklung gewissermaßen die Alimente zu bezahlen hätten, stellt doch die Dinge auf den Kopf. Denn der Anlaß, daß die Koalition gezwungen war, vor dieses Gericht zu gehen, um die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit feststellen zu lassen, ist doch- nun nicht von uns gegeben worden.
Und was bedeutet denn diese ganze juristische Erörterung der Vertragswerke? Es kam der Opposition darauf an, mit der Behauptung, daß zur Durchführung dieser Verträge eine Verfassungsänderung notwendig sei, die Mehrheitsverhältnisse in diesem Hause zu einer Art Blockade auszubauen. Ich habe für dieses Verfahren kein Verständnis; denn wenn man politisch zugeben muß, daß dieses Land einer Sicherung bedarf, dann würden sich auch Mittel und Wege finden lassen, den verfassungsrechtlichen Weg freizumachen. Aber die Entscheidung dieser Frage auf das juristische Feld zu verlagern, bedeutet angesichts der Schwere der Verantwortung und der Bedeutung der Frage eine Verkennung, wenn nicht eine Verneinung der Aufgabe überhaupt.
Wir sind auf dieses Feld gefolgt, weil wir nach der von der Opposition aufgebauten Polemik auf dieses Feld folgen mußten, um endgültig festzustellen, wo die Grenzen der politischen Entscheidung und wo die Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit liegen. Ich habe die Hoffnung, daß die Prinzipien, die das Gericht bei seinen beiden Entscheidungen geleitet haben, auch maßgeblich sein werden, wenn dieser Fall, wie die Opposition angekündigt hat, später zu einer abschließenden Beurteilung gestellt wird, und daß die einschränkende Auslegung der Verfassungsgerichtskompetenz dann auch auf die abschließende Entscheidung angewendet wird.
Es ist wertvolle Zeit verlorengegangen. Meine Fraktion hat von Anfang an, bereits im Sommer 1952, die Abhaltung der dritten Lesung gefordert. Man ist meiner Fraktion leider nicht gefolgt. Wir haben befürchtet, daß das Näherrücken der amerikanischen Wahlen und überhaupt die stetig ansteigende Spannung zwischen Ost und West und damit die Verwirrung, die in Europa und der Welt angerichtet wird, die konstruktiven Gedanken zur Überwindung dieser Nachkriegssituation mehr und mehr an Kraft verlieren lassen würden. Ich bin kein Pessimist; ich glaube, daß es sogar eine politische Verpflichtung ist, in grundsätzlichen Fragen der Politik Optimist zu sein. Aber man müßte blind sein, um nicht zu erkennen, daß der europäische Gedanke in einem gewissen Niedergang begriffen ist; und zu diesem Niedergang hat die Polemik und die Kritik der Opposition nicht wenig beigetragen. Ich glaube, es ist ein Wort von Albert Schweitzer, daß man auf den Sand des Skeptizismus kein Werk gründen könne.
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Nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa hat man sich einen Überfluß an Skeptizismus geleistet. Man hat sich an immer wieder neuen, immer schillernderen skeptischen Argumenten geweidet. An dieser Geisteshaltung droht Europa zugrunde zu gehen.
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Wir sind durch die Entwicklung der vergangenen zwölf Jahre und der drei Jahre Besatzungsregime in der Zeit der Strafbesetzung zu einem äußerst mißtrauischen Volk geworden, und wenn man die Argumente der Opposition, die in diesen Monaten vorgebracht worden sind, überprüft, dann ist es eine Argumentation, die geradezu von Mißtrauen und Unterstellungen durchtränkt ist: Wir mißtrauen, und man mißtraut uns. Auf diese Geisteshaltung läßt sich eine Politik der Zukunft, die die Rettung Europas bringen soll, auf keinen Fall gründen. Unsere Aufgabe sollte es sein, Vertrauen gegen Mißtrauen zu setzen, denn eines der wichtigsten Fundamente unserer deutschen Außenpolitik ist, daß wir überhaupt das Normalmaß des Vertrauens, das im internationalen Verkehr erforderlich ist, zurückgewinnen.
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Und wer Vertrauen im Ausland und im internationalen Verkehr fordert, der sollte zunächst einmal das notwendige Selbstvertrauen aufbringen.
Ich habe in der Argumentation der Opposition kein aufbauendes Element entdecken können, das
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zur Stärkung des deutschen Selbstvertrauens beitragen könnte,
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indem alle praktischen Vorschläge, um das mögliche Maß an Sicherheit zu gründen, immer wieder in eine fernere Zukunft verschoben werden. Wenn sich das deutsche Volk ausschließlich in dieser Haltung des Provisoriums bewegt, als könnte man die Geschichte der Zukunft drei- oder viermal ins Unreine schreiben, als könnte man verhandeln und wieder verhandeln und immer wieder neue Ideen gebären - ich fürchte, dann wird das Verhandeln zu einem Gesellschaftsspiel der europäischen Regierungen im Exil.
Provisorium - gewiß! Unsere Zeit befindet sich sozial und politisch in einem Übergang; ganz neue Ordnungen steigen herauf, und das bedeutet ein gewisses Provisorium. Wir sollten aus dieser Tendenz unserer Zeit, aus dem provisorischen Charakter der allgemeinen Verhältnisse in der Welt für uns nur die Folgerung der Bescheidung ziehen, d. h. die kleinen möglichen Bausteine, die uns das Schicksal dargeboten hat, benutzen, um an den Fundamenten einer Zukunft zu bauen, nicht aber jeden Stein, den uns das Schicksal in die Hand gibt, verwerfen, weil man glaubt, daß sich ein neuer Plan ergeben könnte, daß sich allein aus dem Kopf erklügelte neue Möglichkeiten abzeichneten. Ich glaube, es ist eine geschichtliche Erfahrung, daß die dargebotenen Möglichkeiten von einem Volk ergriffen werden müssen, die Gunst der Stunde wahrgenommen werden muß, denn die Gunst dieser Lage kehrt nicht mehr zurück.
Was ist denn eigentlich unsere Zielsetzung mit diesen Verträgen? Wir wollen zurück zu den Möglichkeiten, als ein Staat wieder Verantwortung tragen zu können, um die Nation als Glied der europäischen Gemeinschaft wiederherzustellen, und zwar streben wir das an in einem Prozeß friedlicher Methoden und um den Frieden zu erhalten. Wenn der Führer der Opposition, Herr Ollenhauer, vorhin formuliert hat: Oberstes Ziel der sozialdemokratischen Politik ist es, den Frieden zu erhalten, so hat er damit eine Selbstverständlichkeit jeder deutschen politischen Partei ausgesprochen,
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etwas, was überhaupt der Sinn jeder politischen Betätigung, insbesondere der Sinn jeder Außenpolitik ist.
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Das ist kein Privileg der Sozialdemokratie, ebensowenig wie es Privileg der Sozialdemokratie ist, gute Demokraten zu sein, sondern das ist das Fundament und die Voraussetzung jeder diskutablen politischen Haltung überhaupt.
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Eine der häufigsten Einwendungen der Opposition, die unserer politischen Auffassung entgegengehalten werden, ist die, die Regierung betreibe eine Politik der Vorleistungen. Meine Damen und Herren, ich möchte mich unterfangen, zu erklären, daß schon der Begriff „Vorleistung" angesichts der Lage unseres Landes eine vollkommene Verkennung unserer politischen Situation ist.
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Aus dem Begriff „Vorleistung" kann man bereits erkennen, wie wenig man - und das scheint sozialdemokratische Tradition zu sein - die innenpolitischen Begriffe den außenpolitischen Erfordernissen anzupassen geneigt ist.
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Wir sind nicht nur im Kriege geschlagen worden. Es ist auch nicht das Unglück des Zusammenbruchs unseres Reiches das alleinige Kriegsergebnis, sondern mit der Vernichtung unserer gesamtstaatlichen Existenz als Deutsches Reich ist eine vollkommene Wandlung der Weltlage eingetreten. Das müssen wir erst einmal einsehen. Und wenn man schon in aller Regel den Besiegten zu einer Leistung, und zwar zu einer bitteren Leistung, auffordert, so sollte man die konstruktiven Versuche einer Außenpolitik, neue Fundamente, die sich aus der gewandelten Weltlage ergeben, auch für unser Staatswesen zu ermöglichen, so sollte man, meine ich, diese Leistungen nicht als ein Geschäft betrachten. Eine gewisse Großzügigkeit im politischen Planen ist erforderlich. Das sollte man nicht mit dem Begriff „Vorleistung" diffamieren. Dieser Begriff besagt doch, daß die Leistung gewissermaßen für die Katz gemacht wird. In diesem Begriff bzw. in dieser Kritik an der Regierungspolitik liegt jene illusionäre Verkennung unserer Situation, die, glaube ich, auf tiefere geistige Mängel der sozialdemokratischen Auffassung zurückgeht. Jeder sozialistische Staat ist seiner Doktrin und seinem Wesen nach an die Existenz der Nationalstaaten gebunden und vermag sich aus dieser seiner Doktrin so gut wie nicht zu lösen.
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Wenn nicht alle Dokumente über die Konferenzen von Jalta und Potsdam lügen, kann kein Zweifel daran sein, daß man Deutschland auf die Dauer vernichten wollte. Wenn man das geschehen ließ, was in Anwesenheit amerikanischer Truppen in Prag an den Sudetendeutschen geschah, was in unserem eigenen Gebiet geschah - jener Befehl, der die deutschen Frauen der Soldateska auslieferte, jener Befehl, der das innere Würdegefühl eines Volkes zerbrechen sollte -, wenn das alles möglich war, dann ist es nicht zuviel gesagt, wenn ich feststelle, daß der Ausgangspunkt unserer außenpolitischen Situation der Wille der Sieger war, uns zu vernichten, buchstäblich zu vernichten. Wenn man sich diese drohende Gefahr, diese völlige Entartung staatlicher Macht und völkerrechtlicher Grundlagen vor Augen hält, dann sollte man es, glaube ich, doch nicht gering einschätzen, sondern als selbstverständlich in der Verantwortung einer Regierung liegend ansehen, daß sie die Möglichkeiten, die sich aus der veränderten Weltlage boten, ergriff und nicht in einer passiven Resistenz verharrte.
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Einige der wichtigen Steine, ja, ich glaube, das Fundament für die Schaffung der Voraussetzungen einer deutschen Außenpolitik werden mit diesen Verträgen, so bitter gewisse Einzelheiten auch sein mögen, geschaffen. Alle Sicherungssysteme sind Systeme des Mißtrauens, und je mehr wir versuchen, auf dem so hilflosen Wege juristischer Formeln uns gegen gewisse Übergriffe zu sichern, um so mehr locken wir damit Garantien gegen uns hervor. Ich glaube, darin war uns die alte sogenannte Geheimdiplomatie über. Damals konnten heikle Probleme der Öffentlichkeit in einem gereiften Zustand übergeben werden. Ich erinnere
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nur an die Entwicklung des Art. 7, der nach meiner Auffassung um ein Vielfaches schlechter ist, als er ursprünglich geplant war. Es gibt eine ganze Reihe von Bestimmungen, die aufzuzählen mir hier nicht möglich ist, die nur durch die am ungereiften Objekt gemachte Kritik in die Vertragstexte hineingekommen sind. Daraus folgt auch jener unleidliche Zug zum Perfektionismus. In unserer Situation können wir die Dinge durch weitere Verhandlungen nur in einem uns nachteiligen Sinne perfekter gestalten.
Darum muß auch - und das ist unsere Ausgangslage - von uns die Eignung als Bündnispartner überhaupt erst nachgewiesen werden, wenn dieses Bündnis effektiven Wert bekommen soll. Es wird sehr viel an uns selber liegen, diesen Wert durch unser Verhalten, durch die Stabilität unserer Politik nachzuweisen.
Ich stehe nicht an, an dieser Stelle ein heikles Problem einmal anzusprechen. Sie wissen, daß mein Standort in diesem Hause auf dem konservativen Flügel der deutschen Politik ist. Wenn der Vergleich - und dieser Vergleich ist gezogen worden - mit der Erfüllungspolitik nach dem ersten Weltkrieg auch erheblich hinkt - denn wir erfüllen nicht fremde und vielleicht unzumutbare Forderungen, sondern wir bemühen ans um den Aufbau neuer politischer Grundlagen und um die Anpassung an eine zutiefst gewandelte Weltsituation -,
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so ist doch festzustellen, daß in der Nachkriegszeit in der Periode nach dem ersten Weltkrieg von den Kreisen meines politischen Standorts aus die Politik der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung mit nationalen Argumenten bekämpft worden ist, die sich im Kampf nur allzu leicht zu einer nationalistischen Übersteigerung wandelten.
Heute scheinen die Verhältnisse vollkommen auf den Kopf gestellt zu sein. Die Linke gebärdet sich nationalistisch, und die sogenannte Rechte sucht auf Grund der gewandelten Bedingungen in der Welt eine neue Möglichkeit für die Sicherung des Lebens der Nation zu finden. Weil das der Fall ist, unterstellt man einer deutschen Rechten, die diesen neuen politischen Standort verteidigt, irgendwelche Hintergedanken. Man erwartet von ihr einen Rückfall in den Nationalismus, und wenn man noch weiter geht, sagt man, diese Leute verfolgten in Wirklichkeit irgendwelche Revanchegelüste.
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Ich fühle mich verpflichtet, diese Dinge einmal offen anzusprechen. Die deutsche Opposition hat - ich denke hier an einen in der belgischen Presse erschienenen Artikel - nicht wenig dazu getan, solche Verdächtigungen zu unterstreichen.
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Eine Politik, in der sich die Parteien in dieser Form gegenseitig diffamieren und die Ernsthaftigkeit ihrer Anliegen und Absichten in Frage stellen, schädigt nicht nur denjenigen, den man der Diffamierung aussetzt, sondern schädigt unser Land.
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Ich möchte auch einmal eine andere Frage erwähnen. Heute hält sich die Linke für die eigentliche Garantin der Demokratie. Sie hat es mehrfach öffentlich ausgesprochen, daß in diesem Lande die einzig zuverlässigen Demokraten die Sozialdemokraten seien. Wir bestreiten nicht und wir haben die Hoffnung - und das ist ein Stück innenpolitischen Vertrauens, das ich hiermit ausspreche -, daß diese Sozialdemokratie wirklich gute Demokraten in sich birgt und ihre Auffassung von demokratischen Grundsätzen leiten läßt. Aber sie begeht mit der Behauptung, allein die guten Demokraten zu haben, etwas, was wir in der Geschichte schon einmal erlebt haben. Früher waren es die deutschen Konservativen, die behaupteten, daß sie die einzigen und eigentlichen Träger des Staates seien. Nun ist die Sozialdemokratie in die Macht hineingewachsen, eine Macht, die plus Gewerkschaften oft eine Vormacht zu sein scheint,
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Sie ist so in die Macht hineingewachsen, daß sie plötzlich die Selbstüberheblichkeit -in sich kultiviert, die alleinige Repräsentantin des Staates zu sein. Alles das sind Gefahren für unsere außenpolitische Stellung. Wenn die Sozialdemokratie diese ihre Auffassung vertritt und damit nach außen den Eindruck erweckt, daß nur sie diesen Staat repräsentiere, dann bedeuten ihre eigenen Einwendungen und Kritiken an den Verträgen, daß man die Zuverlässigkeit Deutschlands in Frage stellen wird.
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Noch ein Weiteres kommt hinzu. Wenn ich mir die stets wechselnden Argumente der Opposition ansehe - der Herr Bundeskanzler hat sie heute dargelegt, Herr von Brentano hat einige Beispiele davon gegeben; ich brauche sie nicht zu wiederholen - wächst in mir der Verdacht, daß die Verlagerung des innerpolitischen Machtkampfes auf die Argumentation in der Außenpolitik nur ein Scheinmanöver ist, um den eigentlichen Zweck zu verschleiern, der das legitime Anliegen jeder Opposition ist, an die Macht zu kommen.
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Aber ich bin der Auffassung, daß in der Demokratie nichts weniger als die Außenpolitik geeignet ist, innenpolitische Machtkämpfe auszutragen. Außenpolitik ist immer Staatspolitik und darf niemals in die Form der volksgefälligen Parteipolitik abgleiten. Denn in der Außenpolitik sind Verantwortungen für die Zukunft zu übernehmen, die im Augenblick unpopulär sein können. Ich glaube, daß eine Demokratie zugrunde geht, wenn außenpolitische und oft unpopuläre Fragen, Fragen reiner Staatspolitik, rein objektiver Verantwortung in den Parteienkampf hineingezogen werden. Ich befürchte, daß die Verzögerungstaktik der Opposition das Ziel verfolgt, die noch nicht ratifizierten Verträge zu einem der Hauptgegenstände des kommenden Wahlkampfes zu machen. Es ist bestimmt ein Fehler, die in unserem Volke unleugbar vorhandenen Ängste, die in unserem Volke - das die Folgen eines verlorenen Krieges zu tragen hat - vorhandenen Gefühle des Unbehagens so anzusprechen, wie es auch heute Herr Ollenhauer getan hat. Als Beispiel möchte ich nur erwähnen, daß er es für die Sozialdemokratie als einziges und als oberstes Ziel in Anspruch genommen hat, den Frieden zu erhalten. Darin liegt - er hat das nicht gesagt, aber zu solchen Schlußfolgerungen kommt der primitive Hörer, weil er ja die Politik, die die Bundesregierung zu führen beabsichtigt, als eine Politik des Risikos bezeichnet hat - die Gefahr, daß die Haltung der Sozialdemokratie in die Nähe der kommunistischen Propaganda gerät. Die Kom({21})
munisten haben bekanntlich davon gesprochen, daß die Politik der Bundesregierung eine zum Krieg treibende Politik sei.
({22})
Diese Gefahr, daß sich in dem Kampf um die außenpolitische Linie irgendwie die Infektion aus der Ostzone geltend macht, muß auch im Interesse der Opposition selbst vermieden werden.
Es wäre noch manches hier vorzutragen. Die Zeit drängt, und auch durch viele Reden wird nur Zeit vertan. Ich glaube, .daß ein Fortfahren mit der zwielichtigen Behandlung auch der gesamtdeutschen Frage ein Ende finden muß. Denn ich behaupte hier: wer die gesamtdeutsche Politik, die unser innerstes nationales Anliegen ist, in einen Gegensatz zu der europäischen Politik bringt, wer hier Rangfolgen aufstellt, der gerät in Gefahr, mit einem Fuß bereits jenseits des Eisernen Vorhangs zu stehen.
({23})
Ich kann es mir in der heutigen Stunde nicht versagen, noch an einigen Dingen Kritik zu üben. Es ist ein Fehler, wenn in der öffentlichen Erörterung jedes Argument, das im Kampf um die Verträge aufgebracht wird, durch eine ganze Meute zerfasert wird. Damit kommen wir nicht weiter. Wir haben in diesem Hause, wir haben in Karlsruhe, wir 'haben in der Öffentlichkeit, in der Presse diesen Fehler fortgesetzt begangen. Ich möchte behaupten, daß der propagandistische Mißbrauch mit der Sehnsucht unseres Volkes, unsere Nation wiedervereinigt zu sehen, dazu geführt hat, daß die gesamtdeutsche Politik in einer unerträglichen Weise im Deklaratorischen und in den Illusionen steckenbleibt. Ich glaube, ein Schweizer Schriftsteller hat einmal gesagt: Der Ausdruck „Wiedervereinigung Deutschlands" trägt irgendwie die Behauptung in sich, als ob es mehrere Deutschlands gebe. Es gibt nur e i n Deutschland und nur einen deutschen Staat, und das ist die Bundesrepublik,
({24})
und die Aufgabe ist nicht ein im Wege des Verhandelns und des Brückenbaus zu schaffender Ausgleich. Die Aufgabe ist vielmehr ,die Befreiung der besetzten deutschen Gebiete, die man de facto von uns abgetrennt hat.
({25})
Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich bitte, mir noch einige Minuten zuzugestehen.
Ich habe es schon getan. Ich muß jetzt bitten, zum Schluß zu kommen.
Dann muß ich leider den Rest härter sagen, als ich das vielleicht bei längerer Ausführung getan hätte. Die gesamtdeutsche Politik fängt für mich und meine Freunde mit der europäischen Politik überhaupt erst an und mit der festen Entschlossenheit, mit keinen Kräften ostzonaler Prägung, seien es nun Menschewiken oder Bolschewiken, zu paktieren. Diese sogenannten Brückenbauer, die nicht erkennen wollen, daß die gesamtdeutsche Frage letzthin eine Frage der Befreiung ist, einer Befreiung, die nur auf dem Boden eines unangreifbar gewordenen großen westlichen Systems erfolgen kann, und die sich über diese Tragik unserer Lage, unseres Landes hinwegzutäuschen
bemühen, tun unserm Lande bitteren Schaden an.
Ich muß es mir wegen der abgelaufenen Redezeit versagen, auf das Problem der Saar und die schweren Fehler einer nur deklamatorischen Politik auf diesem Gebiet einzugehen. Das ist ein Knüppel aus dem Sack der Opposition, der bei jeder Gelegenheit auf den Rücken der Regierung losgelassen wird.
({0})
Damit retten wir das Saargebiet nicht, und auf die Rettung der besetzten Gebiete kommt es an.
Meine Fraktion wird den beiden Vertragswerken als Voraussetzung einer überhaupt erst dann möglichen konstruktiven deutschen Außenpolitik zustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Ribbeheger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung der uns vorliegenden Verträge bewegt über dieses Parlament hinaus unser Volk, die Vertragspartner, und nicht zuletzt ist die Weltöffentlichkeit an dieser parlamentarisch-politischen Abstimmung interessiert. Meine Freunde vom Zentrum wissen um die Bedeutung dieser Verträge. Allein, die politische Seite dieses Vertragswerks ist weniger Angelegenheit einer Partei als vielmehr die Frage der persönlichen Gewissensentscheidung eines jeden Abgeordneten dieses Hohen Hauses, der nach Überprüfung des umfangreichen Werkes entscheiden soll, ob es dem Wohle, dem Frieden, der Einheit und der Freiheit unseres Volkes im Verband mit den freien Völkern Europas und der freien Welt dient oder nicht. Um keinem Zweifel und keiner Mißdeutung Platz zu geben, möchte ich deutlich und nachdrücklichst erklären, daß es in der politischen Grundhaltung meiner Freunde als selbstverständlich gilt, unter Anerkenntnis und Anwendung des Naturrechts, das jedem Menschen Leben und Eigentum sichert, wie des Sittengesetzes, das jedem Menschen Freiheit und Gerechtigkeit verbürgt, auf unsere konkrete Situation hin immer und immer wieder die Verpflichtung zu erkennen und zu realisieren, bereit zu sein, das Leben und die Freiheit des Menschen zu schützen und wenn nötig zu verteidigen.
Aber darum, zu entscheiden, ob wir bereit sind, zu verteidigen, wo es etwas zu verteidigen gibt, geht es nach meiner Meinung nicht; das ist Allgemeingut dieses Hohen Hauses. Es geht darum, ob das Wie in diesem Vertragswerk der beste und einzige Weg für unser Volk ist. Ich möchte in diesem Zusammenhang sagen, daß es völlig abwegig erscheint, diesem Vertragswerk einen Beigeschmack von Klein-Europa beizumengen. Wir wollen Europa, wir wollen anfangen und aufbauen. Es ist beklagenswert genug, daß in diesen Lebens- und Existenzfragen unseres Volkes die Parteigegensätze tiefer und unüberbrückbar geworden sind, daß so viel persönliches und parteipolitisches Geplänkel den wahren Standort nicht mehr klar erkennen läßt.
Noch eine Bemerkung möchte ich mir in diesem Zusammenhang erlauben. Mit aller Entschiedenheit wehren wir uns dagegen, daß Meinungsverschiedenheiten über Weg und Methode zur Realisierung des politischen Zieles eines freien deutschen
({0})
Volkes in einem freien Europa unerlaubter- und unzulässigerweise gleichgesetzt werden mit Ablehnung europäischer Verpflichtung und Zielsetzung. Es muß Schluß damit sein, öffentlich behaupten zu können, wer nicht für diesen Weg sei, sei gegen Europa, ebenso wie wir weder behaupten können noch behaupten wollen noch behauptet haben, daß der, der für diese Verträge stimmt, den Krieg begünstige oder die Wiedervereinigung Deutschlands nicht wolle. Solche Deutungen sind Versuche der politischen Diffamierung und Brunnenvergiftung und nur geeignet, augenblickliche parteipolitische Effekte auf Kosten einer klaren, nüchternen Willensbildung unseres Volkes zu erhaschen, und haben nur zur Folge, daß die Teilnahmslosigkeit gegenüber unserem Staate wächst, den wir aus und auf den Trümmern errichtet haben in unserer Verpflichtung dem Leben und der Freiheit unseres Volkes gegenüber.
Es verdunkelt auch den Blick für die Aufgabe, die unser Parlament und unsere Regierung zu leisten haben, die sie in hartem und mühsamem Ringen zum Wohle unseres Volkes immer zu erfüllen bereit gewesen sind.
Nach Prüfung der uns hier und heute vorliegenden Vertragswerke ist die Mehrzahl meiner Freunde im Zentrum nicht in der Lage, für die Verträge zu stimmen.
({1})
Es ist nicht möglich, den Generalvertrag in dieser Form anzunehmen, weil er uns ungleich behandelt - ich darf auf die Notstandsklausel hinweisen -, weil er darüber hinaus unabänderlich ist. Denn nur ein völlig neuer Vertrag kann diese Bestimmungen abändern. Dieser Vertrag atmet noch den Geist des Siegers, er dient der vertraglichen Verewigung der Kapitulation und der Vorrechte der Siegerstaaten und ihrer Angehörigen.
({2})
Auch wer heute diesem Vertrage zustimmt, kann dies nach meiner Überzeugung nur tun in dem Bewußtsein der Notwendigkeit einer baldigen Änderung des Vertrags.
({3})
Was insbesondere den EVG-Vertrag angeht, so sind wir zu der Überzeugung gekommen, daß durch diese schicksalsschwere Entscheidung der Eingriff in Leben und Freiheit deutscher Menschen, als künftiger deutscher Soldaten, ohne eine echte politische Verantwortungs-, Entscheidungs- und Mitwirkungsmöglichkeit der Bundesrepublik in der NATO nicht zu rechtfertigen ist. Wir haben uns in der Fraktion sehr eingehend mit dem Problem des Rechtsschutzes unseres deutschen Soldaten befaßt, und wir haben nicht die Überzeugung, daß z. B. die französische Regierung bereit ist, sich für die Rechtsgleichheit unserer Soldaten zu verwenden. Das wird auch durch die Tagung der politischen Jugend in den Haag erhärtet, auf der dieser Standpunkt sehr deutlich und nachdrücklichst von einem Vertreter des französischen Außenministeriums vertreten wurde. Das Problem ist von uns ebenfalls sehr ernstgenommen worden.
Die jüngste Entwicklung sowie das Verhalten und Verlangen des französischen Partners scheinen
uns nicht -die Basis des notwendigen Vertrauens zur EVG zu geben. Wir sollten hierbei berücksichtigen, daß wir doch alle einer uns gemeinsam drohenden Gefahr gegenüberstehen.
({4})
Noch ein weiterer Punkt hat uns in der Fraktion sehr beschäftigt. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, daß die notwendige Kenntnis und die Möglichkeit der Einflußnahme bezüglich der Verteidigungsabsichten und des militärischen Einsatzes nicht genügend gegeben und gesichert sind.
({5})
- Verzeihen Sie, es muß die Zusicherung gegeben sein, daß die Bundesrepublik Deutschland in die Lage versetzt wird, um diese Dinge zu wissen, damit sie eine echte Entscheidung treffen kann. Denn wir stehen hier doch in Verantwortung vor dem Leben unserer künftigen deutschen Soldaten.
Letzten Endes ist für die Mehrheit meiner Freunde im Zentrum die Verankerung der allgemeinen Wehrpflicht in der EVG nicht annehmbar. Wir richten in dieser Stunde an die Bundesregierung die herzliche und dringende Bitte, daß sie nichts unversucht lassen möge, den nach Europa führenden Weg, den wir von Anfang an wollten und mitgegangen sind,
({6})
von Hindernissen zu befreien und alles daran zu setzen, daß unser Volk in völliger Gleichberechtigung und Freiheit in die Gemeinschaft der freien Völker der Welt aufgenommen wird, und zwar mit allen Rechten und Pflichten, die unserem Volke daraus erwachsen.
Meine Damen und meine Herren, ich habe die Gründe dargetan, die meine Freunde aus einer Gewissensentscheidung nicht zum Ja kommen lassen können. Ich bitte Sie sehr, diese Entscheidung in derselben Weise zu respektieren, wie wir immer Ihre Entscheidungen achten. Sie können auch nach draußen gehen: wir haben uns immer und zu jeder Stunde auf den Standpunkt gestellt, daß Ihre Entscheidung, die Sie für unser Volk zu treffen sich anschicken, ebenso zu respektieren ist. Ich möchte schließen mit dem Satz: Was dir heilig, will ich achten, was mir heilig, laß es gelten!
({7})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Arnold.
Frau Arnold ({0}): Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Warum, fragt mit mir eine große Menge des deutschen Volkes, wollen wir, das winzige halbe Deutschland, uns durch den Druck Amerikas in die Kriegsabsichten der beiden Großmächte der Welt hineinmanövrieren lassen und uns in ihrem Machtkampf wie zwischen zwei Steinen zerdrücken lassen? Conant gab die Antwort auf diese Frage. Er sagte, daß Amerika dringend der deutschen Soldaten bedürfe. Wir müssen also zum Festlanddegen Amerikas werden.
Seit 1914 ist unser Volk nicht mehr zur Ruhe gekommen, und eine Angst nach der anderen wurde unserem Volk und wird ihm noch heute in unverantwortlicher, propagandistischer Weise suggeriert, um es für eine Wiederaufrüstung gefügig zu machen. Erst war die Angst um Korea.
({1})
Es hieß: Wir werden ein zweites Korea. Dann: Der Russe rüstet auf; er überfällt uns. Und als niemand mehr ernstlich daran glaubte, da kam die dritte Angst: Amerika wird uns im Stich lassen, und seine Dollars werden bei uns nicht mehr fließen. Wir werden in Bedrängnis kommen, wenn die Pläne nicht schnell ratifiziert werden. Dazu benutzte unser Herr Bundeskanzler Stalins Tod als Anlaß, um in den Zeitungen zu veröffentlichen: „Nun aber erst recht die Augen auf und schnell ratifizieren!"
({2})
Dabei ist es dem Herrn Bundeskanzler bekannt, daß Stalin keinen heißen Krieg wollte; er hat es selbst einmal hier in diesem Hause gesagt.
({3})
Stalin glaubte keinen Krieg führen zu sollen, weil er meinte, daß das, was in 35 Jahren in Rußland aufgebaut worden sei, wieder durch einen Krieg zerstört würde. Und die neuen Machthaber drüben
({4})
- lassen Sie mich doch bitte ausreden; ich habe vorhin auch bei Ihnen zugehört! ({5})
haben ebenfalls bei ihrem Amtsantritt verkündet, daß sie in Frieden mit allen Völkern auskommen wollen, und sie haben sogar gesagt, daß Kommunismus neben dem Antikommunismus möglich sei. Meine Herren und Damen, wir tragen noch schwer an den Folgen der beiden letzten verlorenen Kriege. Kriegsopfer, Hinterbliebene, Sozialrentner, Flüchtlinge und Ausgebombte führen noch immer
ein Elendsdasein. Ich glaube, wenn die Abgeordneten einmal persönlich in diese Elendslager hineingeschaut hätten, hätten sie es nicht fertiggebracht, 13 Milliarden für die Aufrüstung zu bewilligen.
({6})
Glauben Sie wirklich, daß, wie Finanzminister Schäffer gesagt hat, der Lebensstandard des deutschen Volkes trotz dieses Beitrags nicht geschmälert werden würde? Die Ratifizierungsfreudigen unter uns sagen immer: Wir wollen ja gar keinen Krieg. Schlagen Sie das Buch der Geschichte auf; kam nicht jedesmal bei einem Wettrüsten, wie wir es heute wieder haben, mit absoluter Folge der Krieg?
({7})
Ich möchte Sie in der letzten Minute warnen. Entscheiden Sie sich für den Frieden und ratifizieren Sie nicht! Suchen Sie zuerst
({8})
sich mit Rußland zu verständigen. Rußland hat es uns in Noten, besonders in der letzten Note, angeboten;
({9})
es wurde aber von uns wegen der Rangordnung der Tagesordnungspunkte abgelehnt. Es ist keine Diplomatie, von vornherein zu sagen: Rußland will j a keinen Frieden; es meint es nicht ernst mit seinen Noten und Verträgen. Meine Herren und Damen, Sie haben es ja auch nicht versucht, festzustellen, ob dem so ist! Es wäre diplomatischer gewesen, es zu versuchen. Sehr viele Zweifel im deutschen Volk wären dann, wie ich glaube, behoben gewesen. Auch wäre eine Ratifizierung, wie heute mehrfach gesagt wurde, im Augenblick unvernünftig und auch, - bei den unklaren politischen Verhältnissen durch den Regierungswechsel sowohl in Amerika wie in Rußland und infolge der französischen Zusatzprotokolle - überstürzt. Foster Dulles hat am 9. März 1953 auf einer Pressekonferenz in New York gesagt, die Aussichten für einen Frieden in der Welt seien nach Stalins Tod gestiegen. Warum also, fragt das Volk draußen, die anomale Eile des Herrn Bundeskanzlers mit der Ratifizierung?
Ich bitte daher, auf keinen Fall die dritte Lesung abzuschließen, sondern statt dessen Verhandlungen mit der Deutschen Demokratischen Republik ({10})
Deutsche unter Deutschen - und den drei Westmächten aufzunehmen, um schnellstens zu einer Viererkonferenz zu gelangen, die uns endlich den längst fälligen Friedensvertrag gibt, der die Einheit Deutschlands wiederherstellt, die Unantastbarkeit seines Territoriums garantiert, eine sichere politische und wirtschaftliche Stellung zwischen Ost und West und Deutschlands Teilnahme als gleichberechtigte Nation in der Gemeinschaft aller Völker Europas sichert. Wir dürfen nicht in diesem Zustand der Mutlosigkeit verharren und unser Schicksal für 50 Jahre an eine fremde Macht binden. Deutschland muß wieder frei und unabhängig werden,
({11})
wie es unsere Väter einst waren, und in Frieden mit allen Völkern leben können. Dies alles wäre aber verbaut, würde man heute diese Verträge ratifizieren. Das Volk käme nie zur Ruhe. Das Ende wäre Deutschlands und Europas Untergang. Das deutsche Volk will endlich den Frieden.
Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen, ist schon überschritten. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Frau Arnold ({0}): Sie, meine Abgeordneten, haben es in der Hand, sich heute für den Krieg oder für den Frieden zu entscheiden, wenn Sie über die Ratifizierung der Verträge beschließen. Wählen Sie den Frieden!
Das Wort hat der Abgeordnete Reimann.
Meine Damen und Herren! Die Adenauer-Regierung will im Auftrage der amerikanischen Regierung den Bundestag heute zu einer Entscheidung zwingen, die eine lebensgefährliche Bedrohung der deutschen Nation und des Friedens in Europa bedeutet. Es steht außer Zweifel, daß mit der Ratifizierung der Kriegsverträge von Bonn und Paris der Weg zu einer Viermächte-Konferenz über den Abschluß eines Friedensvertrages und die Wiedervereinigung Deutschlands blockiert werden soll, daß mit der Einbeziehung Westdeutschlands in das amerikanische Kriegspaktsystem unsere Heimat zur Hauptbasis der amerikanischen Aggressionspolitik in Europa und zum Vorfeld des amerikanischen Krieges gemacht werden soll. Die Ratifizierung der Verträge von Bonn und Paris bedeutet die Unterwerfung und Knebelung der westdeut({0})
schen Bevölkerung, die Ausschaltung der deutschen Konkurrenz und führt zur Aufrichtung einer faschistischen Militärdiktatur.
Die Kommunistische Partei Deutschlands ist in diesem Parlament der Sprecher der Millionen Arbeiter, Bauern und Bürger,
({1})
der Sprecher der übergroßen Mehrheit unseres Volkes,
({2})
das den Frieden, die Einheit
({3})
und Unabhängigkeit unseres Vaterlandes, den Abschluß eines gerechten Friedensvertrages, den Abzug aller Besatzungstruppen fordert und mit allen Völkern in Frieden und Freundschaft leben will.
({4})
Für unser Vaterland, für Deutschland gibt es die Entscheidung zwischen zwei Wegen. Der eine Weg ist der Weg der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands, der Weg des Abschlusses eines gerechten Friedensvertrages mit Deutschland, eines Friedensvertrages, der die Einheit, Unabhängigkeit und Gleichberechtigung unserer Heimat gegenüber den anderen Staaten sicherstellt, den Abzug der Besatzungstruppen einschließt und Deutschland aus der Asche und den Ruinen des letzten Krieges als freien, einheitlichen, friedliebenden, demokratischen und unabhängigen Staat wiedererstehen läßt.
Und welchen Weg wollen Dr. Adenauer, die deutschen Monopol- und Bankherren gehen? Sie wollen die -Aufrechterhaltung der Spaltung unseres Vaterlandes, die Knechtung der Bevölkerung durch die ausländischen Imperialisten und westdeutschen Monopolherren zur Erzielung von Maximalprofiten. Ihre Politik ist die Politik der Kriegsvorbereitung und damit der Zerstörung Deutschlands. Das ist der Weg der nationalen Schande, der nationalen Erniedrigung. Das ist der Weg in die schlimmste Katastrophe.
Auf Grund welcher Entscheidung des deutschen Volkes, auf Grund welchen Mandats können die Abgeordneten des Bundestags es wagen, die Bevölkerung Westdeutschlands der Versklavung und Vernichtung auszuliefern, die Spaltung Deutschlands weiter vertiefen, die Material- und Menschenreserven Westdeutschlands für die Vorbereitung eines neuen Krieges liefern, die Männer, Frauen und Kinder Westdeutschlands an die unersättlichen amerikanischen, englischen und französischen Imperialisten verschachern? Die Wähler haben keinem Abgeordneten eine solche Vollmacht erteilt. Deshalb hat der Bundestag weder ein moralisches noch ein politisches Recht, für die Ratifizierung der Verträge von Bonn und Paris zu stimmen.
({5})
Bei den Bundestagswahlen am 14. August 1949 wurden für die Parteien der Regierungskoalition 11 125 000 Stimmen abgegeben. Das waren nur 45,43 % der insgesamt abgegebenen Stimmen. Die Parteien, die jetzt gegen die Verträge von Bonn und Paris auftreten und nicht der Regierungskoalition angehören, konnten 12 572 000 Stimmen - das waren 51,33 % der insgesamt abgegebenen Wählerstimmen - auf sich vereinigen. Es steht
auch außer Zweifel, daß die erdrückende Mehrheit selbst der Wähler der Koalitionsparteien gegen die Verträge sind.
({6})
Wenn also heute diese Parteien dem Bundestag ihre Anträge aufzwingen, so bedeutet das, daß die Abgeordneten, die eine Minderheit der Bevölkerung vertreten, den Vertretern der Mehrheit ihren Willen aufoktroyieren.
({7})
Darüber hinaus ist der Bundestag überhaupt nicht ermächtigt, eine Entscheidung über diese Separatverträge von Bonn und Paris zu fällen, da der Bundestag nicht ganz Deutschland vertritt, diese Verträge aber das Schicksal Deutschlands als Ganzes treffen, wie es in der Präambel des Generalvertrages ausdrücklich festgelegt ist. Das deutsche Volk ist in seiner überwältigenden Mehrheit gegen diese Verträge. Mehr als 15 Millionen Deutsche haben sich trotz Terror in einer Volksentscheidung gegen die Verträge von Bonn und Paris und für den Abschluß eines Friedensvertrages entschieden. Aus allen diesen Gründen ist die Ratifizierung der Verträge von Paris und Bonn null und nichtig. Sie hat für das deutsche Volk weder politische noch moralische noch juristische Kraft.
({8})
Diese Verträge sind aber auch unmittelbar gegen das Grundgesetz der Bundesrepublik gerichtet und heben es auf. In der Präambel des Grundgesetzes heißt es:
Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.
Im schroffsten Widerspruch dazu ist in den Verträgen von Bonn und Paris die Wiedervereinigung Deutschlands und Berlins ausschließlich in die Hände der drei Westmächte gelegt. Mehr noch: eine kommende gesamtdeutsche Regierung soll zur Anerkennung der Verträge von Bonn und Paris verpflichtet sein.
In Art. 4 des Grundgesetzes heißt es unter Abs. 3:
Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.
In den Verträgen von Bonn und Paris aber verlangen die drei Westmächte die Aufstellung von Söldnertruppen und die Einführung der Militärdienstpflicht.
Die USA, England und Frankreich haben nicht auf ihre alten Pläne der Vernichtung Deutschlands als selbständigen Staates verzichtet.
({9})
Die Verträge von Bonn und Paris sind die Fortsetzung 'dieser auf die Zerstörung Deutschlands gerichteten Politik. Diese Pläne sind die Erklärung dafür, daß die drei Westmächte bisher allen Verhandlungen mit der Sowjetunion über einen Friedensvertrag mit Deutschland ausgewichen sind und gleichzeitig ihre separaten Geheimverhandlungen mit der Regierung Adenauer beschleunigt haben.
Es ist bekannt, daß die Regierung der Sowjetunion in ihrer Note vom 10. März 1952 ihre Vorschläge für einen Friedensvertrag mit Deutschland als Grundlage für die Beratungen einer Viermächte-Konferenz unterbreitet hat. Die Westmächte und auch der Bundestag haben bis heute zu diesen Vorschlägen noch nicht Stellung genommen, ob({10})
wohl bekannt ist, daß die Vorschläge der Sowjetunion vollinhaltlich aufrechterhalten sind.
({11})
Die Vorschläge der Sowjetunion für den Abschluß eines Friedensvertrages sind von nationalem Interesse für unser deutsches Volk und können von allen Menschen begrüßt werden. In der Regierungserklärung von Malenkow ist ausdrücklich erklärt worden, daß die Sowjetunion an dem von ihr beschrittenen Weg festhält.
({12})
Die Politik der drei Westmächte wird von der amerikanisch gelenkten Adenauer-Regierung, der Regierung der westdeutschen Monopolherren und Großgrundbesitzer, der Revanchepolitiker und Militaristen aktiv unterstützt. Die Amerikaner führen ihre Politik sowohl mit den deutschen Monopolherren und den faschistischen Horden als auch mit der Stillhalte- und Tolerierungspolitik der SPD- und Gewerkschaftsführer durch. Die reaktionären und militaristischen Kräfte sind an der Teilnahme Westdeutschlands an einem neuen, von den Amerikanern vorbereiteten Krieg interessiert, weil sie hoffen, sich mit Hilfe eines Kriegsabenteuers die Positionen zurückerobern zu können, die den deutschen Imperialisten verlorengegangen sind.
Allein der Art. 4 des Bonner Vertrages ist eine wahre Würgeschlinge für Westdeutschland. Auf Grund dieses Artikels wird den USA, England und Frankreich unter dem Vorwand der Verteidigung der „freien Welt" das Recht eingeräumt, ihre bewaffneten Streitkräfte auf unbegrenzte Zeit in Westdeutschland zu stationieren. Die zeitweilige Besetzung Westdeutschlands soll damit zu einer ständigen Okkupation werden. Daß es eine deutsche parlamentarische Versammlung wie den Deutschen Bundestag gibt, in dem sich Abgeordnete befinden, die sich allen Ernstes mit der Frage beschäftigen, einem großen Teil Deutschlands für unbegrenzte Zeit die Schlinge der ausländischen Okkupanten um den Hals zu legen - fürwahr, davon träumten nicht einmal die Fürsten der Zeit des 30jährigen Krieges, der Periode der feudalen Zersplitterung und Erniedrigung Deutschlands.
({13})
Die Bildung westdeutscher Söldnertruppen unter amerikanischer Führung im Rahmen der Europa-Armee verschärft außerordentlich die Kriegsgefahr in Europa, da sie das rasche Anwachsen des Militarismus und des Revanchegeistes in Westdeutschland fördert. Die Erfahrungen von zwei Weltkriegen lehren, daß die deutschen Militaristen die aggressivsten und abenteuerlichsten Kreise in Europa sind. Schon heute faseln die deutschen Militaristen Hallstein und Dr. Adenauer
({14})
bereits von einem „Feldzug bis zum Ural". Jetzt schon richten einige geschlagene Hitler-Generale in Westdeutschland ihre Drohungen an Frankreich und sagen: „Wenn Westdeutschland 20 Divisionen haben wird, dann werden wir mit Frankreich anders reden!"
({15})
Es erfüllt jeden Deutschen mit tiefer Empörung,
daß die drei Westmächte gegenüber Deutschland
sich das Recht anmaßen, wie Kolonialherren in Westdeutschland aufzutreten,
({16})
nach eigenem Ermessen in der Bundesrepublik oder in einem Teil derselben den Notstand zu erklären. Der Notstand bedeutet nichts anderes als die Errichtung der Militärdiktatur ,der drei Westmächte, die Auseinanderjagung von Parlamenten und Behörden, die Durchführung eines blutigen faschistischen Terrors gegen alle deutschen Bürger, die aus irgendwelchen Gründen das Mißfallen der drei Okkupationsmächte erregt haben. Der Art. 5 des Bonner Vertrages ist eine direkte Bedrohung und Herausforderung gegenüber der Bevölkerung Westdeutschlands und zugleich ein Ausdruck der Angst des amerikanischen Imperialismus vor der heranwachsenden Kraft der patriotischen Bewegung unseres Volkes.
In den Volksmassen Westdeutschlands wächst und reift die Empörung gegen das Adenauer-Regime. Das Streben des deutschen Volkes nach Frieden, nach der Einheit und Unabhängigkeit Deutschlands ist unüberwindlich. Es ist unmöglich, die Entwicklung der Volksbewegung für die Durchsetzung dieser Forderung aufzuhalten; denn sie wird siegen.
Die KPD erhebt das Banner der nationalen Einheit und Unabhängigkeit, tut alles, um die patriotischen Kräfte zu sammeln,
({17})
und kämpft mit ihnen gemeinsam für Frieden, Einheit, Unabhängigkeit und Demokratie.
({18})
Darum wird die Kommunistische Partei von der Adenauer-Regierung verfolgt, darum will man sie verbieten.
({19})
Jedoch immer fester schart sich die werktätige Bevölkerung um die Kommunistische Partei und verteidigt sie vor den Angriffen der Reaktion.
Der Art. 18 des Pariser Abkommens besagt, daß Westdeutschland direkt in das System der militärischen Verpflichtungen des aggressiven Nordatlantikblocks einbezogen wird. Einem amerikanischen Oberbefehlshaber der Nordatlantikpakt-Organisation steht die „Europa-Armee" zur Verfügung. Ferner ist in diesem Vertrag festgelegt, daß die deutschen Arbeiter, Angestellten und Beamten unter die Militärgerichtsbarkeit dieses amerikanischen Generals gestellt werden und daß deutsche Arbeitskräfte zwangsweise aus Deutschland nach anderen Ländern verschickt werden können.
Durch die Ratifizierung des EVG-Vertrages wird ein unverhülltes Kriegsbündnis der USA, Englands und Frankreichs mit den aggressivsten militaristischen und revanchelüsternen Kreisen Westdeutschlands gebildet. Das verschärft die Gefahr eines Krieges in Europa und bedroht die Sicherheit aller Völker. Das deutsche Volk aber ist fest entschlossen, keinen neuen Weltkrieg und keinen Bruderkrieg zwischen den Deutschen zuzulassen. Westdeutschland muß mit der amerikanischen Aggressionspolitik brechen. Es darf sich an keinerlei Militärbündnis beteiligen, welches sich gegen ein anderes Volk richtet. Es muß den Weg beschreiten, den das Potsdamer Abkommen gewiesen hat,
({20})
({21})
den Weg der Einheit, der Demokratie und des Friedens. Westdeutschland muß den Weg der friedlichen Zusammenarbeit mit allen Staaten, die die nationalen Interessen des deutschen Volkes anerkennen, beschreiten. Nur auf diesem Wege kann Deutschland die Einheit, wirtschaftliche Blüte und kulturelles Gedeihen erreichen.
Es versteht sich, daß ein friedliebendes demokratisches Deutschland seine eigenen nationalen Streitkräfte haben muß;
({22})
aber diese Streitkräfte dürfen nur dem Schutz der Friedensgrenzen des geeinten Deutschlands dienen. Sie können daher auch keine Bedrohung für die Nachbarn Deutschlands, für Frankreich, Belgien, Polen und die Tschechoslowakei sein. Die nationalen Streitkräfte des demokratischen friedliebenden Deutschlands werden eine Garantie des Friedens in Europa und der Unabhängigkeit Deutschlands sein. In bezug aber auf die neue faschistische Wehrmacht unter dem Kommando ehemaliger Hitlergenerale hat für das deutsche Volk der Ausspruch August Bebels Gültigkeit: Dieser Armee keinen Mann und keinen Groschen!
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In diesem Zusammenhang sei mir gestattet, ein besonderes Wort an die Sozialdemokratische Partei und ihre Abgeordneten hier im Hause zu richten. Der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Ollenhauer, erklärte sich wiederholt gegen die Verträge von Bonn und Paris. In dieser Stellungnahme kommt zweifellos der Wille der sozialdemokratischen Mitglieder und Anhänger zum Ausdruck, die Ratifizierung der Verträge zu verhindern, die Adenauer-Regierung, die unserem Volke solche Verträge aufzwingen will, zu beseitigen und einen Weg zu gehen, der der Erhaltung des Friedens und der Schaffung der Einheit Deutschlands dient. Ollenhauer aber spricht genau so wie die USA-Herren, wie die deutschen Militaristen und Revanchepolitiker von der angeblichen Gefahr aus dem Osten. Er und seine Freunde des Parteivorstandes der SPD betreiben eine skrupellose Hetze gegen die Sowjetunion, die Volksdemokratien und die Deutsche Demokratische Republik. Der sicherste Beweis dafür, daß ihre Opposition gegen die Verträge nur eine Scheinopposition ist, ist ihr grundsätzliches Verhalten zu diesen Schandverträgen.
Ollenhauer erklärt, er sei prinzipiell für die Schaffung einer Europa-Armee unter Einbeziehung westdeutscher Kontingente. Ollenhauer erklärte seine Bereitschaft, die Kriegsverträge von Bonn und Paris durchzuführen. In vollkommener Übereinstimmung mit Dr. Adenauer und den übrigen deutschen Imperialisten erhebt er solche ungeheuerliche Forderung wie größeren Einfluß der deutschen Imperialisten bei der Ausarbeitung der strategischen Kriegspläne, um zu garantieren, wie er sagt, daß die Europa-Armee den Krieg offensiv gegen den Osten führen kann. Schließlich hat Ollenhauer den Westmächten das Recht zugesprochen, in den entscheidenden nationalen Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands, über Berlin und über den Status der Besatzungstruppen allein zu entscheiden.
Und heute stellt er sich her und polemisiert in dieser Frage gegen den Bundeskanzler. Was ist das anders als die prinzipielle Übereinstimmung zwischen der Politik der Führer der SPD und der Adenauer-Regierung? Der verstorbene Vorsitzende der Sozialdemokratischen Partei, Dr. Schumacher, bezeichnete Dr. Adenauer als den Kanzler der Alliierten und erklärte, daß jeder, der den Verträgen seine Zustimmung gibt, nicht mehr das Recht habe, sich Deutscher zu nennen. Inzwischen ist es aber deutlich geworden, daß Dr. Adenauer, der von Dr. Schumacher als Kanzler der Alliierten bezeichnet wurde, jetzt Ollenhauer und Mellies als Bundesgenossen einer neuen Regierungskoalition betrachtet.
({24})
Herrn Ollenhauer und seinen Freunden geht es nicht um die Verhinderung der Ratifizierung der Kriegsverträge, sondern um die Täuschung der Massen, um auf diese Weise einen Wahlerfolg zu erzielen, mittels dessen sie in die Regierungskoalition eintreten und diese Schandverträge dann selber mit durchführen wollen. Das ist von ihrer Fraktion vor einigen Tagen selbst beraten worden.
({25})
Das ist auch der Grund, warum die Sozialdemokratische Partei und die DGB-Führung alle außerparlamentarischen Aktionen der Arbeiter und der Bevölkerung zu verhindern suchen. Das ist der Grund, warum sie die Herstellung der Aktionseinheit der Arbeiterklasse verhindern. Die Aktionseinheit aber ist die wirksamste Waffe gegen die Faschisierung Westdeutschlands
({26})
und gegen den Abbau der demokratischen Rechte unseres Volkes, für die Erhöhung der Löhne und Gehälter, gegen die Ratifizierung und Durchführung dieser Verträge von Bonn und Paris.
({27})
Wenn die schwache Mehrheit des Bundestages diese Verträge ratifizieren sollte, wird sie die erdrückende Mehrheit des Volkes gegen sich haben.
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Der Bundestag entlarvt sich dann als ein Diener von Interessen, die der deutschen Nation fremd und feindlich sind. Unter dem Banner der nationalen Front des demokratischen Deutschlands fordert die westdeutsche Bevölkerung immer stärker, daß das deutsche Volk wie jedes andere das Recht habe, sein Schicksal selbst zu bestimmen und einen einheitlichen demokratischen und souveränen Staat zu bilden.
Einheit, Frieden und Unabhängigkeit, das ist die Parole, die das Volk sich auf das Banner geschrieben hat. Das Haupthindernis sind die Verträge und das volksfeindliche Adenauer-Regime, das das deutsche Volk auf den Weg der Spaltung und des Krieges zerrt. Diese Hindernisse müssen und werden beseitigt werden. Die nächsten Ziele, auf deren Verwirklichung das deutsche Volk seine ganze Energie konzentrieren wird, sind der Abschluß eines Friedensvertrages, die Verständigung der Deutschen aus Ost und West, die Durchführung gesamtdeutscher freier Wahlen und der Abzug der Besatzungstruppen. Das Volk hat genügend Kraft zur Verwirklichung dieser großen nationalen Ziele. Da ist die deutsche Arbeiterklasse, die mehr als die Hälfte der Bevölkerung Westdeutschlands ausmacht, die die mächtigste Kraft der deutschen Nation ist. Da ist die Bauernschaft als nächster Bundesgenosse der Arbeiterklasse und ihre Zusammenarbeit mit allen Patrioten des Bürgertums.
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Das ist die. unüberwindliche Kraft, die die Sache der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands sicher zum Siege führen wird.
Gestützt auf die große Kraft des deutschen Volkes, auf die brüderliche moralische Unterstützung der Deutschen Demokratischen Republik und die Unterstützung der Freunde eines demokratischen Deutschlands außerhalb der Grenzen unseres Landes wird die Bevölkerung Westdeutschlands das ihr verhaßte Adenauer-Regime stürzen. Auf diese Weise wird mit der Herrschaft der amerikanischen Okkupanten und ihrer westdeutschen Helfer Schluß gemacht.
Meine Damen und Herren! Ich habe die Auffassung der Kommunistischen Partei über die Verträge von Bonn und Paris dargelegt und erkläre, ausgehend davon, daß der „Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten" und der „Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" und gleichermaßen auch die Zusatzabkommen zu ihnen die Spaltung Deutschlands vertiefen und verankern, die Verlängerung der Besetzung der Bundesrepublik durch die Streitkräfte der USA, Englands und Frankreichs sowie nach deren Ermessen auch durch die Streitkräfte beliebiger anderer Staaten auf weitere 50 Jahre zum Gesetz erheben, die Bundesrepublik der Unabhängigkeit und Souveränität berauben, der Bevölkerung der Bundesrepublik eine schwere Last der Besatzungs- und Kriegskosten aufbürden, die Bundesrepublik in den aggressiven Nordatlantikblock einbeziehen, die Drohung der Entfesselung eines Bruderkriegs von Deutschen gegen Deutsche und eine neue schreckliche nationale Katastrophe mit sich bringen, dem deutschen Volk das Recht auf Selbstbestimmung nehmen, den Abschluß eines Friedensvertrags und die Wiedervereinigung Deutschlands zu einem einheitlichen, unabhängigen, demokratischen und friedliebenden Staat verhindern, der Verfassung der Bundesrepublik widersprechen:
Erstens: die Ratifizierung des „Vertrags über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten", des „Vertrags über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft" und aller dazu gehörenden Zusatzabkommen ist abzulehnen, da diese Verträge ein Regime der militaristisch-kolonialen Knechtschaft in Westdeutschland errichten und den Grundinteressen der deutschen Nation widersprechen.
Zweitens: An Stelle des Abschlusses der oben genannten Verträge ist die nationale Wiedervereinigung Deutschlands, der Abschluß eines Friedensvertrages und der Abzug der Besatzungstruppen der ausländischen Mächte aus Deutschland zu beschleunigen.
Drittens: Der Bundestag wendet sich an die Regierungen der USA, Englands, Frankreichs und der UdSSR mit der Bitte, eine Konferenz der vier Mächte einzuberufen zur Behandlung der Fragen des Abschlusses eines Friedensvertrages mit Deutschland, der Bildung einer gesamtdeutschen Regierung, der Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen und der Festsetzung eines Termins für den Abzug der Besatzungstruppen aus Deutschland. Vertreter Ost- und Westdeutschlands nehmen an der Arbeit dieser Konferenz teil.
Viertens: Der Friedensvertrag mit Deutschland ist von der Nationalversammlung zu beraten und
zu ratifizieren. Er soll von der gesamtdeutschen Regierung unterzeichnet werden.
Fünftens: Zur beschleunigten Wiedervereinigung Deutschlands und der Durchführung freier Wahlen zur Nationalversammlung werden bevollmächtigte Vertreter von Ost- und Westdeutschland zu einer gesamtdeutschen Beratung einberufen. Es wird eine Kommission aus bevollmächtigten Vertretern West- und Ostdeutschlands zur Überprüfung der Voraussetzungen für die Durchführung gesamtdeutscher freier Wahlen in ganz Deutschland, zur Ausarbeitung eines Wahlgesetzes und zur Sicherung der Durchführung dieser Wahlen gebildet.
Ich erhebe dies zum Antrag. Das ist der Wille der Mehrheit des deutschen Volkes.
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Dafür kämpfen alle deutschen Patrioten in der festen Gewißheit, daß sie in diesem Kampf siegen werden. Die Einheit und Demokratie, die Freiheit unseres Vaterlandes werden- in diesem gerechten Kampf hergestellt; Frieden, Glück und Wohlstand werden unserem Volke gegeben und die deutsche Jugend vor dem Untergang in den Massengräbern eines neuen imperialistischen Krieges bewahrt. Es lebe der Friede, der Kampf um die Einheit unseres Vaterlandes! Hinweg mit dem Kanzler des Staatsstreiches; es lebe eine Regierung der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands!
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Frau Wessel ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist natürlich unmöglich, in einigen Minuten darüber zu sprechen,
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was die Annahme des Generalvertrags und des EVG-Vertrags für das Schicksal des deutschen Volkes bedeuten wird. Jeder in diesem Hohen Hause wird sich der Verantwortung seiner Entscheidung nicht entziehen können.
Zunächst möchte ich aber einige Ausführungen zu der Rede des Herrn Abgeordneten Reimann machen. Wir sind nicht in der Lage, die Maßnahmen anzuerkennen, die die Sowjetunion jetzt in der Ostzone anwendet. Die Vorgänge in der Ostzone stehen der gesamtdeutschen Lösung, wie sie in der russischen Note vom 10. März 1952 und in den folgenden Noten dargestellt worden sind, entgegen. Wir haben alle soeben mit Interesse vom Herrn Abgeordneten Reimann gehört, daß die russischen Noten in ihrer Stellungnahme zur deutschen Frage noch gültig sind. Wir sprechen aber demgegenüber offen aus, daß wir keineswegs akzeptieren können, was in der Ostzone vor sich geht, und daß es uns angesichts dieser Vorgänge nicht leicht fällt, wenn nicht andere gewichtige Gründe dafür sprechen, gegen die Westverträge zu kämpfen. Die Politik, die in der Ostzone angewendet wird, trägt wirklich nicht dazu bei, die Hoffnung auf eine gesamtdeutsche Lösung zu stärken.
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({3})
Das möchte ich dem, was ich jetzt sage, zunächst vorausgeschickt haben.
Bei der gestrigen Debatte über das Wahlgesetz ist das Ermächtigungsgesetz von 1933 zitiert worden. Was uns jetzt hier vorliegt, scheint mir ein neues Ermächtigungsgesetz zu sein. Es wird nämlich der Regierung eine Vollmacht gegeben, die nicht dem Willen der Mehrheit des deutschen Volkes entspricht. Wäre man sich nämlich dieser Zustimmung des Volkes so sicher gewesen, hätte eine demokratische Regierung es nicht nötig gehabt, die Durchführung eines Volksentscheides zu verhindern.
Es ist Hegel, der gesagt hat, die Geschichte beweist, daß die Völker aus der Geschichte nichts lernen. Als vor 20 Jahren die nicht nichtnationalsozialistischen Abgeordneten des Reichstages Hitlers Ermächtigungsgesetz zustimmten, gingen sie von der trügerischen Annahme aus, sich damit in die dynamische Entwicklung des Nationalsozialismus einschalten zu können. Heute plädiert man für die Verträge in der ebenso trügerischen Hoffnung, sich in die dynamische Außenpolitik Amerikas gegenüber Rußland einschalten zu können, um mit der Politik der starken Faust, die am Ende eine Politik der starken Fäuste werden wird, Rußland auf die Knie zwingen zu können und auf diesem Wege die Ostgebiete zurückzubekommen. Glaubt man denn wirklich, die umfassende Neuordnung Ostasiens und Osteuropas, d. h. die Befreiung dieser Länder vom Kommunismus, auf friedlichem Wege durchführen zu können? Es war der amerikanische Präsidentschaftskandidat Stevenson, der am 14. Februar 1953 gegenüber dieser Politik erklärt hat: „Die USA können die Sowjets mit Drohungen an Westeuropa nicht erschrecken." Kann es die Aufgabe des zweigeteilten Deutschlands sein, in diesem Kampf zwischen Amerika und Rußland in West- wie in Ostdeutschland den Festlandsdegen für einen dritten Weltkrieg abzugeben? Wir haben wahrhaftig aus der Geschichte nichts gelernt.
Für den Herrn Bundeskanzler ist das von der neuen amerikanischen Regierung verkündete Programm zweifellos keine Überraschung; denn es liegt in der folgerichtigen Entwicklung der von ihm laut Heidelberger Rede vom 1. März 1952 angestrebten Neuordnung Osteuropas.
Auch in seiner heutigen Rede hat der Herr Bundeskanzler wieder gesagt, daß der Abmarsch der Bundesrepublik in die westliche Aufrüstung der einzige Weg zur Herstellung der Einheit Deutschlands ist. Der Herr Bundeskanzler weiß doch genau, daß zu einer friedlichen Wiedervereinigung die Zustimmung aller Besatzungsmächte, also auch Rußlands, erforderlich ist. Begreift man denn nicht, je ausschließlicher .wir uns in der gegenwärtigen Weltsituation auf die westliche Seite, und zwar nun auch militärisch, festlegen, um so mehr verhindern wir, daß die östliche Seite ihre Zustimmung zu einer Wiedervereinigung Deutschlands gibt? Sei man doch wenigstens so ehrlich, bei den 20 Millionen Menschen der Ostzone nicht eine Hoffnung zu wecken, die sich nicht erfüllen wird. In dieser Erkenntnis scheint mir das Ausland viel ehrlicher zu sein. Aus den zahlreichen Ausführungen hierüber möchte ich die Feststellung der „Times" vom 24. Februar 1953 erwähnen, daß durch die Verträge die Wiedervereinigung Deutschlands für eine Generation oder für noch längere Zeit verschoben wird. Und die „Tat" schrieb im Januar 1952, daß diese Politik den Verzicht bedeute, den geteilten deutschen Staatskörper je wieder zusammenzuführen. Mit der Annahme dieser Verträge wird die Spaltung Deutschlands weiter vertieft, und damit rücken wir der Gefahr eines dritten Weltkrieges um einen verhängnisvollen Schritt näher; denn das geteilte Deutschland wird immer eine Gefahr für den Weltfrieden sein.
Noch ein letztes. Dieser Bundestag ist nicht mit dem Auftrag gewählt worden, eine Wiederaufrüstung Deutschlands durchzuführen.
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Man hat das deutsche Volk zu dieser gefährlichen Politik, zu der wir jetzt ja sagen sollen, in keiner Weise gefragt. Aber das Volk wird dazu noch sprechen, und wenn es nicht früher gehört wird, dann bei den Bundestagswahlen. Geben Sie sich doch in diesem Hause keineswegs der Hoffnung hin, es könnte in einer Schicksalsfrage, die über Leben und Tod des deutschen Volkes in West- wie in Ostdeutschland entscheiden wird, gegen den Willen des Volkes regiert werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Wir gehen an den endgültig verpflichtenden Abschluß eines Vertragswerkes heran, dessen Umfang, dessen Inhalt und dessen Praktizierung vor allem Sein oder Nichtsein des deutschen Volkes, aber auch der ganzen Welt bedeutet. Nicht die Buchstaben und nicht die Einzelbestimmungen
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werden die Zukunft und unser aller Schicksal bestimmen, sondern allein der Geist, den die beteiligten Völker und vor allem ihre politischen Lenker diesem Vertrag geben werden. Eines ist, glaube ich, allen offenkundig geworden: daß nicht Zwang und Diktat den heutigen Beschluß des Bundestages begleiten. Das Ergebnis dieser Abstimmung ist in die hohe und freie Verantwortung jedes einzelnen Abgeordneten gelegt.
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Von allen Rechten wurde Gebrauch gemacht, von der Ausschußberatung über die Einschaltung des Bundesverfassungsgerichts bis zur Auswertung der Rechte sogar des Bundespräsidenten. Geblieben ist als letzte politische Instanz die verantwortliche Entscheidung der Abgeordneten dieses Hauses, die uns niemand abnehmen kann und soll, weil sie das ganze Volk angeht, als dessen gewählte Vertreter wir zu entscheiden haben.
Wir wissen, daß in diesem Augenblick die Vertragspartner und alle Beteiligten noch nicht im Gleichklang der Meinungen sind. Während Englands weltpolitische Erwägungen bei allem Bekennen zur europäischen Sicherheit und zur europäischen Staatengemeinschaft im Spiel der Kräfte erkennen lassen, daß Englands Existenz das Bestehen Sowjetrußlands mit in Rechnung stellt, weil es für seine eigene Machtstellung des Gleichgewichts zwischen den USA und der Sowjetunion bedarf, machen die Franzosen verzweifelte Anstrengungen, durch Zusatzprotokolle eine Auslegung der Verträge herbeizuführen, die Frankreich seine Nationalarmee erhalten soll, die aber gleichzeitig auf eine Vertragsfassung abzielen, welche die Fiktion der Europa-Armee vom 27. Mai 1952 aufrechterhalten soll.
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Diese Unterschiede in den Meinungen und Auffassungen der Vertragspartner auf dem Weg zu Europa sind Stärke und Schwäche. Schwäche insofern, als durch das freie Spiel der Meinungen im demokratischen Werden des Vertragswerkes und durch den breiten Weg der Möglichkeiten, die Machtpositionen im Vertrag zu sichern, viel Zeit verlorengeht, während der Weg des totalitären Befehls- und Gewaltstaates kurz und dadurch gefährlich ist;
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Stärke aber insofern, als der längere Weg der freien demokratischen Willensbildung das neue Europa organisch sich abschleifen und entstehen läßt. Eines muß aber klargestellt werden: daß nur der Inhalt dieses Vertrags Gegenstand der Ratifizierung und der Zustimmung des deutschen Parlaments ist.
Die Bayernpartei hat in der zweiten Lesung ihre Bedenken zu den Verträgen schon dargelegt. Ich fasse sie nochmals kurz zusammen. Die Bedenken richten sich gegen die allgemeine Wehrpflicht, weil die jüngste Vergangenheit noch zu sehr auf uns lastet, und die fehlende unmittelbare Mitgliedschaft im Nordatlantikpakt. Wir haben Bedenken, weil die Wehrhaftmachung politischen Zentralismus nach sich ziehen kann, und wir haben vor allem die große Sorge, daß mit wachsendem militärischem Potential eines Tages nicht eine Politik des Gleichgewichts und der Friedenssicherung, sondern eine Politik gefährlichen Spiels mit dem Kräftepotential gemacht wird. Viele weitere Sorgen sind noch nicht geklärt, so die Sorgen in bezug auf die Kriegsverurteilten und die Besatzungsgeschädigten. Gerade die Sorgen der Besatzungsgeschädigten
bitten wir die Regierung in Zukunft und insbesondere nach Ratifizierung der Verträge speziell ins Auge zu fassen.
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Trotzdem hat die Bayernpartei, weil sie sich der klaren Erkenntnis der Notwendigkeit einer europäischen Staaten- und Verteidigungsgemeinschaft einfach nicht verschließen kann, ein Ja zu den Verträgen gesagt.
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Der totalitäre Machtkoloß des Ostens mit seiner bolschewistischen, antichristlichen und imperialistischen Zielsetzung ist für Deutschland und die gesamte freie Welt eine echte Gefahr.
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Daran hat sich durch kein dazwischenliegendes Ereignis irgend etwas geändert.
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Aufgabe und Verpflichtung unserer Politik müssen daher sein, die Sicherheit des deutschen Volkes wirksam, dauerhaft und in Frieden zu gewährleisten. Ein Abgleiten des deutschen Volkes in den kommunistischen Machtbereich muß unter allen Umständen verhindert werden.
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Die Einzelgänger der freien westlichen Welt müssen im Interesse der allgemeinen Sicherheit und zur Rettung vor dem Bolschewismus zu einer Staaten- und Schutzgemeinschaft zusammenfinden, um ein friedensicherndes Gleichgewicht herzustellen.
Für die Erreichung dieses Ziels, das aus der weltpolitischen Lage zwangsweise angesteuert werden muß, ist bis heute kein anderer Weg erkennbar geworden als der, der durch die Verträge aufgezeigt wird. Daher sagt die Bayernpartei nach verantwortungsvollem Abwägen und Prüfen ja zu den Verträgen.
Ich glaube, es geht in diesem Augenblick nicht um Vertragsklauseln, nicht um Zusatzprotokolle, nicht um Einzelinteressen; es geht allein um den Frieden. Ihm allein gelten unser Wunsch und die bange Sorge zugleich, wenn wir unser endgültiges Ja zu den Verträgen sagen; „bange Sorge" deshalb, weil in unserer Generation und in Hunderten von Jahren immer und immer wieder alle politischen Handlungen durch die Beteuerung des Friedens vorwärts getragen und die Völker letzten Endes durch die Ereignisse enttäuscht wurden. Der Glaube an den Frieden ist leider in der gegenwärtigen Zeit des Vertragsabschlusses noch nicht in unser Volk zurückgekehrt.
Schauen wir einen Augenblick zurück in die Vergangenheit der letzten 25 Jahre! Am 10. September 1927 hat Stresemann im Völkerbund in Genf gesagt: „Die Entwicklung zum Frieden hat bisweilen darunter gelitten, daß die beiden Fragen ,Sicherheit' und ‚Abrüstung' gegeneinander ausgespielt werden." Und von der gleichen Stelle, von der Briand ein Jahr zuvor seinen Appell an die Welt richtete „Hinweg mit den Kanonen!", hat Stresemann unter Beifall erklärt: „Man kann nicht den Krieg verfemen, gleichzeitig aber die Sicherheit auf dem Fortbestand der Rüstungen aufbauen." Fünf Jahre später, im September 1932, waren Stresemann und Briand, Träger des Friedensnobelpreises, tot, und was dann folgte, haben wir nur noch zu gut in Erinnerung. Nach dem Zusammenbruch im Jahre 1945, als das deutsche Volk und die ganze Welt aus herben Wunden bluteten, schien sich zunächst der Geist Stresemanns und Briands durchzusetzen, und die Parole lautete: „Abrüstung bedeutet Frieden." Die Entwicklung und das Ausscheren der Sowjetunion aus der Weltfriedensorganisation, die Dynamik des kalten Krieges steuern die Ereignisse und die Maßnahmen zur Erhaltung des Friedens in eine Richtung, die uns heute die Parole gibt: „Nur durch Stärke sichert man den Frieden." Diese Zeitläufe und diese Ereignisse sind noch zu nah in der Erinnerung unseres Volkes, und der Glaube an den Frieden und der Glaube, daß allein durch diese Verträge Westeuropa gerettet werden kann, ist noch zu klein und zu kleingläubig. Darum aber, weil wir aus der Zwangslage der weltpolitischen Verhältnisse gar keinen anderen Weg gehen können, müssen wir, glaube ich, nicht als Drohung, sondern als Warnung, denjenigen, die heute und in Zukunft über die Verträge und ihren Inhalt zu entscheiden haben, sagen: Wehe denjenigen, die je dieses letzte Vertrauen unseres Volkes und Europas mißbrauchen! Denn das wäre der endgültige Untergang Europas.
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Wenn das deutsche Parlament den ersten Schritt zur Ratifikation tut, so verlangt das unter den gegebenen Umständen viel Mut. Unser Ziel und das Ziel der ganzen freien Welt muß daher sein und werden, nicht Europäer aus Angst oder Europäer aus Spekulation oder Europäer, um die Macht zu mißbrauchen, zu werden, sondern, Europäer aus Überzeugung zu werden. Dann können diese Verträge Werke des Friedens werden, weil nur durch
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den Frieden europäischer Geist und europäisches Leben erhalten werden können.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Loritz ({0}): Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich vor aller Öffentlichkeit den schärfsten Protest dagegen richten, wie hier die dritte Lesung dieser Unheilverträge von seiten der Regierung und ihrer Parteien inszeniert worden ist: Stacheldrahtabsperrung in den Straßen rundherum um d'en Bundestag, ein Aufgebot an Polizei und grünen, na, sagen wir gleich: Truppenverbänden, wie wenn wir schon mitten in einem Krieg stünden, Wasserwerferwagen aufgefahren, und dreifache Absperrungskordone! Heißen Sie das noch Demokratie, meine Herren von den Regierungsparteien? Das sollten Sie ganz anders nennen! Das sind Dinge, wie wir sie alle schon erlebt haben. Und die Folgen davon sehen wir noch in den Trümmern der deutschen Städte!
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In den wenigen Stunden so zwischen Nachmittagskaffee und Abendessenszeit wird hier im Bundestag die dritte Lesung über ein Vertragswerk durchgepeitscht, das allein schon dem Texte nach ein paar dicke Bücher umfaßt. Wenige Stunden Redezeit nur noch für das gesamte Parlament!
({2})
Meine Damen und Herren, es ist unerhört, wenn
sich ein deutsches Parlament so etwas gefallen läßt,
wenn es dermaßen die Hand zur Ausschaltung der
vom Volk gewählten Vertreter bietet zugunsten
eines Herrn Dr. Adenauer und seiner kleinen
Clique, deren.. Politik zu überwachen Sie, meine
Herren von den Regierungsparteien, allen Grund
hätten, wenn Sie nicht eine neue Katastrophe über
unser Volk und Vaterland bringen lassen wollen!
({3})
Was war denn die Quintessenz der ganzen Ausführungen des Dr. Adenauer und seines Anhangs?
({4})
Er sagte, in einem Satz zusammengefaßt: Wir müssen rüsten, um möglichst stark zu sein, dann wird sich unsere politische Position in der Welt bessern, dann werden wir die Gebiete zurückbekommen, auf die wir Anspruch haben. - Ich habe beinahe gedacht, ins Jahr 1936/37 zurückversetzt worden zu sein, als ich diese Rede Adenauers hörte! Oder vielleicht noch früher, in die Zeit Wilhelms des Zweiten. Auch damals hat man schon solche Sprüche gehört: Je stärker wir sind, je stärker die „schimmernde Wehr" Deutschlands ist, um so leichter werden wir das bekommen, worauf wir Anspruch haben. - Das ist diese falsche Mentalität, diese falsche Rechnung, gegen die anzukämpfen die Aufgabe aller Gutgesinnten bei Ihnen sein müßte. Das ist diese Denkart, die uns in zwei verlorene Weltkriege hineingestürzt hat, und jetzt wird der dritte kommen, wenn diese Politik Adenauers sich weiterhin auswirken kann. Nicht stärker werden wir durch 12 oder 20 deutsche Divisionen, sondern gefährdeter werden wir!
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Das ist das, was ich Ihnen, Herr Dr. Adenauer, auf Ihre Ausführungen zu sagen habe. Glauben Sie denn im Ernst, mit 12 oder mit 20 deutschen Divisionen könnten Sie etwas fertigbringen, wenn heute irgendeine kriegerische Verwicklung über Westdeutschland hereinbrechen würde? Nichts werden Sie damit erreichen, sondern nur eines, nämlich den amerikanischen Truppen genügend Zeit zu lassen - durch das Verbluten der deutschen Truppen -, um sich auf ihre Schiffe zurückziehen zu können. Das werden Sie erreichen und sonst gar nichts! Ich warne Sie davor, den Blitz, der fern, fern von uns in Ostasien eingeschlagen hat, wo sich die zwei großen Gegner, die Kommunisten und die Amerikaner, auf Leben und Tod gegenüberstehen, weit hinten in Korea und in Indochina, auf uns Deutsche zu ziehen! Ich warne Sie, dadurch, daß Sie hier mit dem Bajonett in der Luft herumfuchteln - mit dem Sie nichts ausrichten können, weil es zu schwach ist -, den Kriegsschauplatz von Ostasien nach Westeuropa verpflanzen zu helfen!
Wer glaubt denn im Ernst - wenn er die Lage irgendwie durchdenkt -, daß man mit 12 oder 20 Divisionen den Russen noch aufhalten kann, wenn er wirklich nach Westen marschieren würde? Dafür aber, daß der Russe das tun will, sind Sie den Beweis schuldig geblieben, Herr Dr. Adenauer. Seit drei Jahren machen Sie uns vor, Stalin wird nach Westen marschieren. Nein, er hat es nicht getan; sondern in Ostasien sind die Amerikaner engagiert worden. Unterdessen ist Stalin tot. Man sieht also, ob Herr Adenauer bisher mit seiner „Prophezeiung" recht hatte!
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Man sieht genau, daß die Äußerung des Herrn Dr. Adenauer falsch war. Stalin ist nicht nach dem Westen marschiert!
Jetzt behauptet man, sein Nachfolger wird das tun, obwohl sich die gut informierten Kreise in der ganzen Welt darüber einig sind, daß gerade ein Nachfolger Stalins wie Malenkow auf absehbare Zeit alle Hände voll in seinem eigenen Land zu tun haben wird. Nein, zu ganz anderen Zwecken werden diese Gerüchte von Herrn Adenauer und seinem Anhang in die Luft gesetzt, um nämlich das deutsche Volk möglichst zu beunruhigen und um es reif zu machen für Pläne. die nicht den deutschen Interessen entsprechen. Denn den deutschen Interessen entspricht nur eines: sich so lange als möglich aus den Händeln der zwei ganz Großen herauszuhalten. Den deutschen Interessen entspricht es, die Karten nicht eher auf der Tisch zu legen, als bis die anderen ihre Karten ganz ausgespielt haben. Den deutschen Interessen entspricht die möglichste Zurückhaltung in dem Streit zwischen den Amerikanern und Kommunisten, zu warten, was sich in Ostasien abspielt, und sich nicht etwa als kleiner, schwacher Mann in Deutschland in die Rauferei der zwei starken, bärenstarken Großen einzumischen. Bei solchem Einmischen können wir nur Prügel bekommen, aber sonst nichts!
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- Ja, wenn wir uns einmischen, bekommen wir die Prügel, sonst nicht!
Meine Damen und Herren, es ist unglaublich, daß Herr Dr. Adenauer die Stirne hat, sich vor uns hinzustellen und zu sagen, wir würden durch
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diese Verträge gleichberechtigt werden. Das ist eine unerhörte Unwahrheit seitens des Dr. Adenauer! Jeder, der die Verträge liest, muß mir da recht geben: Wir sind nicht gleichberechtigt, sondern wir werden eine Protektoratskolonie gewisser Mächte - scheinbar als Ersatz für die den Westmächten in Afrika und- Asien verlorengegangenen Protektorate, in denen es sich sogar die Eingeborenen nicht mehr haben gefallen lassen, auf die Dauer von irgendeinem Militärgouverneur regiert zu werden. Und der alliierte Militärbefehlshaber kann - trotz der Verträge - weiter in Deutschland regieren; er bekommt bedeutend mehr Vollmacht, als sie der berüchtigte Artikel 48 der Weimarer Verfassung seinerzeit dem Reichspräsidenten gegeben hat - und wir wissen ja, was aus dieser Vollmacht geworden ist. - Der fremde Militärbefehlshaber bekommt bedeutend mehr, und er bekommt es - das ist das Entscheidende - durch freiwillige Zustimmung der deutschen Regierung und von Ihnen, meine Regierungsparteien.
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Auf 50 Jahre hinaus entscheiden Sie über das Schicksal Ihrer Kinder und Kindeskinder,
({10})
und Sie nehmen diese Entscheidung scheinbar so wenig ernst, daß der größere Teil von Ihnen, meine Herren Abgeordneten der Regierungsparteien, schon seit Stunden draußen im Restaurant sitzt, statt hier den Besprechungen zu folgen.
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Es sind nur wenige Stunden Zeit, die Sie zur Verfügung haben; nicht einmal diese paar Stunden nützen Sie aus, um zu horchen, was Ihnen die Regierung vorzutragen hat.
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Wir Deutsche stellen auf Grund dieser Verträge Soldaten, und wir müssen dafür noch 10 Milliarden DM pro Jahr zahlen. Das ist der Unterschied zwischen heute und der Söldnerpolitik gewisser Diktatoren und Fürsten im ausgehenden Mittelalter. Damals mußten gewisse deutsche Länder Soldaten stellen; aber dafür wurde Geld ins Land hereingezahlt.
({13})
Heute müssen wir Soldaten stellen und dazu noch 10 Milliarden DM pro Jahr zahlen! Ja, gibt es denn wirklich so dumme Leute, die solch einen Vertrag unterschreiben?
Bidault, der französische Außenminister, hat gestern gesagt, und Sie alle haben es in der Zeitung gelesen: in so entscheidend wichtigen Fragen, wie es der EVG-Vertrag ist, müsse in Frankreich nicht ein Häuflein von Parlamentariern die letzte Entscheidung fällen, sondern das Volk selbst, sei es, daß man es selbst fragt, sei es, indem man sofort Neuwahlen veranstaltet. Bei uns aber kümmert sich die Regierung einen Pfifferling um die Meinung des Volkes. Die Bevölkerung hat ja jetzt nicht einmal die Möglichkeit, mit den Abgeordneten sich in Verbindung zu setzen, denn dreifache Polizeikordone lassen niemanden zu den Abgeordneten hierher - außer mit Ausweisen, gesiegelt und gestempelt von den Behörden des Herrn Dr. Adenauer.
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Das ist die Wahrheit, und das soll die gesamte Weltöffentlichkeit erfahren, unter welchen Umständen hier die dritte Lesung dieses für unser Vaterland so entscheidend wichtigen Vertrags durchgepeitscht werden soll.
({15})
Herr Abgeordneter, ich bitte zum Schluß zu kommen, Ihre Redezeit ist überschritten!
Loritz ({0}): Das ist auch noch so etwas von' sogenannter „Demokratie"!
({1})
Das ist auch so ein Trick von Ihnen, meine Herren von den Regierungsparteien, und wenn Sie lachen, dann zeigt das nur, wie wenig Sie von Demokratie verstehen!
({2})
Wenn Sie nur 10 Minuten Redezeit denen zubilligen,
({3})
von denen Sie wissen, daß sie gegen die Adenauer-Politik sprechen, so zeigt das klar, daß Sie die Wahrheit fürchten und sie daher möglichst unterdrücken wollen!
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Ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen. Sie haben Ihre Redezeit schon erheblich überschritten.
Loritz ({0}): Meine Damen und Herren! Ich habe schon als junger Mann in der Öffentlichkeit gewarnt,
({1})
damals, als es sich darum drehte, die Vorbereitungen zum Ermächtigungsgesetz zu bekämpfen!
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Ich habe gewarnt. Sie aber haben ja gesagt und damit eine Diktatur legalisiert und den Krieg damit herbeiführen helfen. Ich warne Sie heute noch einmal, meine Damen und Herren! Wenn Sie gegen die Kommunisten kämpfen wollen, melden Sie sich doch freiwillig nach Korea, aber lassen Sie unsere deutsche Jugend in Ruhe!
({3})
Ich muß Sie bitten, jetzt zu schließen, sonst muß ich Ihnen das Wort entziehen. Also bitte, sagen Sie den Schlußsatz!
Loritz ({0}): Lassen Sie diejenigen in unserem deutschen Volk in Ruhe, die nichts mehr wissen wollen von einer neuen Kriegspolitik. Und mit einem Satz, mit dem ich schließen will, rufe ich Ihnen nochmals zu:
({1}) Das deutsche Volk erwartet von Ihnen,
({2})
daß Sie diese Schandverträge,
({3}) diese Knechtungsverträge ablehnen.
({4})
Das deutsche Volk - -
Herr Abgeordneter, ich entziehe Ihnen das Wort.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich bin überzeugt, Sie erwarten nicht, daß ich auf die Rede des Herrn Loritz oder auch auf die der Frau Wessel antworte. Ich möchte mich mit den Argumenten der Opposition beschäftigen. Herr Ollenhauer hat vorgetragen, daß die Sowjetunion jetzt vermutlich eine andere Politik einschlage, und daß man warten solle, bis man Klarheit über diese neue Politik habe. Verehrter Herr Kollege Ollenhauer, wenn Sie die Verträge in wochenlangen Diskussionen schon mit der Lupe oder mit dem Mikroskop betrachten, müssen Sie doch bedenken, daß man nicht die ganze auswärtige Politik nur unter dem Gesichtspunkt des Tages ansehen kann. Sie müssen sich, wenn Sie die Politik der Sowjetunion richtig betrachten wollen, folgendes vor Augen führen. Die Sowjetunion hat nach 1945 in den klassischen Wehrmachtteilen - Landmacht, Luftmacht, Seemacht - weiter gerüstet, während der Westen abgerüstet hat. Der Westen hatte einen Vorsprung nur in der Atomwaffe; darin waren die Ostvölker, war die Sowjetunion zurückgeblieben, und sie hat jetzt ein Interesse daran, Zeit zu gewinnen, damit sie in der Atomwaffe mit dem Westen gleichkommt.
({0})
Sie hat aus den . gleichen Gründen ein Interesse daran, daß in dieser Zeit der Westen mit der Aufrüstung in den klassischen Waffen, in der Landmacht, in der Luftmacht und in der Seemacht, nicht nachkommt. Deshalb ist sie sehr daran interessiert, daß der Westen zu keinem Entschluß kommt. Wer glaubt, daß wir dadurch, daß wir zu keinem Entschluß kommen, der Sache dienen, und wer sich durch diese oder jene vorübergehenden Äußerungen zu der Meinung verleiten läßt, wir sollten das nicht tun, was die Stunde von uns fordert, der hilft - natürlich unbewußt - praktisch der Sowjetunion in ihrem Kalkül.
({1})
Nun zu der Frage des Friedensfühlers, der vom Osten gekommen sei. Mir fällt da immer ein Spruch ein, den der französische Staatsmann Paul Reynaud schon mehrfach zitiert hat, ein Spruch, der Lenin in den Mund gelegt wird und der heißt: Der Weg von Moskau nach Paris geht über Peking und Kalkutta. Und was finden wir, wenn wir uns die Geschichte der letzten Jahre ansehen? Da finden wir, daß die Sowjetunion, in der die Männer, die heute an der Regierung sind, auch schon damals leitende Stellungen hatten, von den baltischen Staaten über Polen und Ungarn, über Bulgarien und Rumänien die Satellitenvölker unterworfen und in China geholfen hat, das prophetische Wort, daß der Weg von Moskau nach Paris über Peking und Kalkutta geht, in seinem ersten Teile in einem für den Westen geradezu gefährlichen und lebensbedrohenden Maße schon wahrzumachen.
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Wir sehen also diese Taten und wollen uns in unserer Politik nach Taten und nicht nach Worten, die in irgendeinem Interview gesagt werden, richten. Aber wenn der Wille zu einer Friedensgarantie besteht, können wir verhandeln; warum nicht? Dann können sich die vier Großmächte zusammensetzen; aber unsere Bewaffnung, unsere Mitwirkung an der Verteidigungsbereitschaft darf darunter nicht leiden; denn ich habe lieber zwei Friedensgarantien als keine.
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Der Herr Kollege Ollenhauer hat zum Schluß seiner Ausführungen ein neues Projekt, das Projekt einer Art Allianz vorgetragen zwischen - ja, zwischen wem? - nationalen Staaten doch wohl. Alle diese nationalen Staaten sollen sich selbst bewaffnen und sich dann in einer Allianz zusammenfinden; d. h. auf deutsch: jeder dieser Nationalstaaten, auch die Bundesrepublik, muß eine Nationalarmee haben. Ich weiß nicht, wie Herr Kollege Ollenhauer sich mit dem Herrn Kollegen Carlo Schmid darüber verständigt hat; denn ich habe noch gut den Klang seiner Worte in den Ohren, als er in Straßburg- im August 1950 erklärte: Deutschland will und wird nie wieder eine nationale Armee haben! - Wie stimmt das zusammen?
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Und weiter: wenn Herr Ollenhauer sich jetzt mit den Mächten Europas in einer Allianz zum Zwecke einer gemeinsamen Verteidigung zusammenfinden will, warum hat der gleiche Herr Ollenhauer im November 1950 anläßlich der großen Verteidigungsdebatte im Europarat in Straßburg für sich und seine Freunde mehrfach ein wiederholtes Nein ausgesprochen? Sogar mit der für einen international eingestellten Menschen merkwürdigen Begründung, daß der Europarat für solche Dinge nicht zuständig sei!
Und nun noch ein drittes Wort darüber, was Sie an den Verträgen vermissen, wenn Sie sie mit der Lupe und dem Mikroskop beobachtet haben! Vielleicht die Durchführung der demokratischen Kontrolle bis zum letzten? Die Koordinierung der europäischen Außenpolitik, die es uns Deutschen gewährleistet, bei der gemeinsamen Außenpolitik auch ein Wort mitzureden? Das finden Sie jetzt alles in dem am 10. März dieses Jahres fertiggestellten Entwurf einer europäischen Verfassung.
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Ich sage es ganz offen: Ich habe es außerordentlich bedauert, meine Herren von der SPD - ich habe dieses Bedauern schon mehrfach Ihnen gegenüber zum Ausdruck gebracht -, daß Sie sich dieser Aufgabe, zu der Sie schließlich auch vom deutschen Volk gewählt waren, entzogen haben. Sie haben nicht mitgewirkt und Sie hätten gut mitwirken können; denn Sie hätten das, was Sie vielleicht noch vermissen, in einer anderen Form, als wir es geschaffen haben, bringen können. Dieses Bedauern wird nicht nur von uns empfunden, es wird geteilt von den Sozialisten aller europäischen Länder, die einfach nicht verstehen können, warum sich die deutsche Sozialdemokratie an diesem europäischen Werk nicht beteiligt. Wie haben sich die Zeiten verändert: Idealisten von vorgestern - Revolutionäre von gestern - und heute?!
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Meine Damen und Herren! Am Schluß der Verhandlungen in der verfassunggebenden europäischen Versammlung hat sich eine sehr bezeichnende Szene abgespielt, die ich Ihnen am Schluß meiner Ausführungen vortragen möchte.
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- Warten Sie doch erst einmal ab, bis ich sie erzählt habe! Dann können Sie immer noch sagen, ob sie amüsant ist! - Ein französischer Abgeordneter, übrigens ein sehr charmanter Kollege, hat sein Votum - es lautete auf Stimmenthaltung - begründet mit einer explication de vote, mit einer Erläuterung seiner Abstimmung, die 20 Minuten dauerte.
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In dieser Erläuterung hat er so in dem Moder der Vergangenheit herumgestochert und hat Erinnerungen an Friedrich den Großen und Gott was weiß ich alles vorgebracht. Es war eine Erklärung, die so ewig gestrig, so verstaubt und so verwelkt klang.
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Und sie wissen ja: Wir haben in Straßburg einen anderen Stil als hier. Wir sind etwas zurückhaltender; wir sind vielleicht noch etwas - wenn mir das Wort gestattet ist - taktvoller. Man hat bei diesen Worten des französischen Kollegen, der so seine Ewig-Gestrigkeit an den Tag legte, erst verstohlen gelächelt, dann hat man offen gelächelt, und schließlich ging die Rede in einem allgemeinen Lachen unter.
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Dieses Lachen, diese Lächerlichkeit, war ein Beweis dafür, daß die Gedankenwelt des Ewiggestrigen, des übersteigerten Nationalismus zugrunde gegangen ist und daß der Weg zu einem einigen Europa, der Ihnen auch die demokratische Kontrolle der Verteidigungsbereitschaft bringt, von niemand mehr versperrt werden kann.
Meine Damen und Herren von der SPD! Ich wiederhole noch einmal: Ich bedaure aufrichtig, daß Sie nicht dabei waren. Sie befinden sich heute in einem Zustand der Zurückgezogenheit und der Unentschlossenheit. Sorgen Sie dafür, daß man nicht auch einmal über Sie lächelt!
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Das Wort hat Herr Abgeordneter von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zu Eingang dagegen verwahren, daß hier ständig mit kollektiven Diffamierungen gearbeitet wird. Genau so wie Sie von der Mitte sich dagegen verwahren, als Jasager zu diesen Verträgen als Volksverräter bezeichnet zu werden, genau so verwahren wir, die wir diese Verträge mit guten Gründen ablehnen, uns dagegen, hier ständig als Hilfstruppen Stalins bzw. Malenkows diffamiert zu werden.
Der Bundeskanzler schloß seine große Rede zu Beginn der zweiten Lesung dieser Verträge, indem er die Frage stellte: „Kann in dieser Lage ein Deutscher es verantworten, die hilfreiche und rettende Hand, die der Westen uns entgegenstreckt, zurückzustoßen?" Die gleiche Tendenz beherrschte seine heutige Rede. Bei diesen Verträgen handelt es sich unseres Erachtens aber nicht um „rettende Hände", die uns entgegengestreckt werden, sondern um die öffentliche Bankerotterklärung der Politik von Teheran, Jalta und Potsdam, die Bankerotterklärung einer Politik, die der Welt nicht den auch uns verheißenen Frieden, sondern durch die Versklavung Deutschlands - entgegen allen Warnungen im westlichen Lager - neue und anhaltende Unruhe brachte.
Hier steht nicht zur Debatte, ob wir ein Heer haben wollen oder nicht. Hier steht nicht zur Debatte, ob wir eine eigene deutsche Außenpolitik führen wollen oder nicht. Wir wollen ein Heer, und wir sehen in einer selbständigen deutschen Außenpolitik sogar einen notwendigen Bestandteil zur Erhaltung der freien Welt. Hier steht aber zur Debatte, ob durch diese Verträge die militärische Kapitulation des Dritten Reiches nunmehr von dem ersten Organ deutscher Willensäußerung, nämlich diesem Bundestag, durch eine politische Nachkapitulation ergänzt wird, in die wir ohne jeden militärischen Zwang hineinkommen. Unsere Lage erfordert keineswegs einen solchen Schritt; im Gegenteil, die Regierung, unterstützt von der Opposition, wäre durchaus in der Lage gewesen, den ständigen alliierten Pressionen einen ebenso entschlossenen wie geschlossenen Widerstand entgegenzusetzen.
Ja, nicht einmal in der „Kriegsverbrecherfrage" ist das Leiseste erreicht worden, und diejenigen, die noch vor Monatsfrist erklärten, sie würden die Verträge ablehnen, wenn hier nichts passierte, erklären jetzt, daß sie zustimmen würden.
Meine Damen und Herren, es ist doch nicht so, daß nur wir von den anderen etwas wollen, nämlich unsere uneingeschränkte nationale Freiheit. Die anderen wollen doch auch etwas von uns, nämlich den deutschen Soldaten. Und nicht weil sie diesen deutschen Soldaten nun so lieb gewonnen haben, sondern weil sie mit vollem Recht annehmen, daß ohne diesen Soldaten deutscher Nation ein möglicher Angriff des Ostens nicht aufgehalten werden kann. Aber nur ein freier Mann trägt Waffen, und daher wenden wir uns gegen diese Koppelung des EVG-Vertrages mit dem Generalvertrag, die bei gleichzeitiger Stellung deutscher Soldaten die liebgewordenen Annehmlichkeiten, der Besatzungszeit in die Zukunft hinüberretten soll.
Es erübrigen sich jetzt Erörterungen über einzelne Bestimmungen der Verträge. Auch die Vertragstexte im ganzen können keine alleinige Grundlage für ein Ja oder ein Nein zu den Verträgen abgeben. Maßgeblich für eine abschließende politische Entscheidung kann nur eine gesamte Beurteilung der politischen Zusammenhänge und der Konsequenzen sein, die wir uns von den Verträgen erhoffen bzw. befürchten. Die deutsche Öffentlichkeit wird immer wieder durch Zweckdarstellungen an einer realen Beurteilung der Dinge gehindert. Es ist eine voreilige und durch den Text der Verträge konkret widerlegte Illusion, auf Grund der Absätze 2 und 3 der Präambel der Verträge die Verheißung der „Gleichberechtigung" und der „Wiederherstellung eines freien und vereinigten Deutschlands" als eine wirkliche Absicht der Westmächte anzusehen. Es herrscht ja nicht einmal Klarheit darüber, w a s für ein Deutschland denn wiederhergestellt werden soll. Sollen Königsberg
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und Kattowitz dabei sein? Soll es ein Deutschland mit oder ohne das Saargebiet sein?
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Auf der andern Seite wäre es noch einfältiger, geschweige denn vertretbar, den Einwurfball des Kreml aufzunehmen und zur diabolischen Freude Malenkows auf dem innerpolitischen Felde Deutschlands weiterzuspielen, den Einwurfball, der in der These besteht, daß die Vereinigung Deutschlands sozusagen greifbar nahe läge und nur durch die geplante Aufstellung bewaffneter deutscher Streitkräfte verhindert werde. Daß mit dieser These und dem Anspruch auf ihre Glaubwürdigkeit überhaupt eine gewisse politische Propaganda gemacht wird, das sollte nach den einschlägigen Erfahrungen der letzten Jahre nicht mehr gut möglich sein. Die letzten und fortdauernden Gewaltaktionen gegen die Deutschen in der sowjetischen Besatzungszone geben über die realen und unumstößlichen Absichten Moskaus ein leider nur zu klares Bild. Aber das gerade ist ja das Verheerende an unserer Situation, daß die Politik des Kreml in ihrer durch gelegentliche Winkelzüge kaum verschleierten Geradlinigkeit zum einzigen verläßlichen Moment in unserer Außenpolitik geworden ist. Dagegen ist bei den Westmächten, die nun noch unsere Bundesgenossen werden sollen, von einer gemeinsamen Zielsetzung überhaupt nichts zu erkennen, wobei wir von einigen völlig belanglosen Phrasen absehen können. Und gerade weil uns die Ziele Moskaus immer bekannt waren, wenden wir uns auch gar nicht gegen die Absicht, daß die Völker Westeuropas den Versuch unternehmen wollen, in einer gemeinsamen Kraftanstrengung mit den entsprechenden Verträgen eine wirklich schlagkräftige Verteidigung aufzubauen. Wir sehen auch in der allgemeinen Wehrpflicht bei einem unverzichtbaren Wehrrecht einen Grundsatz, dessen Notwendigkeit für die Erhaltung der nationalen Existenz von keinem innerpolitischen Kräftewechsel berührt werden darf.
Der Kanzler hat heute wieder Dr. Schumacher zitiert und dessen These, daß die Verteidigung offensiv an der Weichsel geführt werden müsse. Ich erinnere mich daran, daß diese These vor 2 1/2 Jahren in diesem Hause mit den schärfsten Worten als Illusionismus abgelehnt wurde. Diese These war immer richtig. Wir sind aber gespannt, wie diese heutigen Äußerungen in der französischen Kammer aufgefaßt werden, wo man immer wieder darauf hinweist, daß eine Offensive, .die dann natürlich auch um die Wiedergewinnung der deutschen Ostgebiete gehen würde, niemals geführt werden dürfe. Diese deutsche Auffassung, die hier heute wieder vertreten wurde, steht in diametralem Gegensatz zu den Äußerungen verschiedener französischer Politiker. Äußerungen der französischen Prominenz stehen in totalem Widerspruch zu dieser heute nur mit Worten geführten Politik der Stärke. Der französische Staatspräsident sagte sogar kürzlich einmal, daß deutsche Divisionen abgerüstet werden müßten, wenn französische Divisionen in die Kolonien abgezogen werden sollten und damit das französische Kontingent schwächer als das deutsche werden sollte.
Diese EVG wird eine merkwürdige Sache. Man wußte früher schon, was ein mutmaßlicher Gegner im Frieden an Truppen hat. Man wußte auch in etwa, was er im Kriege haben würde. Heute ist das völlig anders. Da sagt man gleich die Zahl der Divisionen, die man im Kriege haben will, mit dem gleichzeitigen Hinzufügen, daß es nicht mehr werden dürften, da sonst Deutschland zu stark würde. Unseres Erachtens gibt es hier nur ein Entweder-Oder. Entweder Europa berücksichtigt die tatsächlich seit 1945 unveränderte russische Stärke und rüstet selbst bis zum Äußersten auf, und dann muß man gleich und von vornherein diese Absicht haben, oder aber man läßt es. Der Aufbau eines gegenüber der effektiven Stärke der Russen bewußt unzulänglichen Heereskörpers wäre eine Spielerei zu Lasten des Steuerzahlers.
Alles, was hier geschieht, erscheint uns als der Versuch, die Quadratur des Zirkels zu lösen, nämlich deutsche Divisionen aufzustellen, aber schwächer als die französischen und stärker als die 175 mobilen russischen Divisionen. Dies kann niemals geeignet sein, dem deutschen Volk ein Gefühl der Sicherheit zu geben, einem Volk, von dem Millionen Männer die Feststellung machen mußten, wie verhängnisvoll es ist, einen Gegner zu unterschätzen.
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Wozu diese vielen Paragraphen? Sie sind alle nur ein Ausdruck des Mißtrauens und der Angst vor einem wiedererstarkenden Deutschland. Auf dieser Basis kann auch nicht den Deutschen in der sowjetischen Zone das Gefühl vermittelt werden, daß der Westen durch eine dem Russen ebenbürtige Stärke den Versuch machen will, sie aus ihrem grauenhaften terrorisierten Dasein zu befreien. Wir wissen, daß wir allein - ob mit oder ohne 12 Divisionen - dem Russen keinen derartigen Schrekken einjagen werden, daß er die Ostzone räumt. Diese Räumung der Ostzone wäre aber die Voraussetzung für eine Einheit Deutschlands in Freiheit und für Freiheit der vier Besatzungszonen als Vorstufe für eine Wiedervereinigung ganz Deutschlands. Dieses Ziel ist nur von den Europäern in einer gemeinsamen wirklichen Kraftanstrengung zu erreichen, nicht aber mit einer Politik der vorgetäuschten Kraft gegenüber einer gewaltigen realen Kraft des Bolschewismus.
Die Einleitungssätze des Vertrages sprechen zwar von der deutschen Einheit. Aber der einfache Hinweis auf die deutsche Stadt Saarbrücken erweist diesen Passus der Präambel als eine den Tatsachen scharf widersprechende Phrase. Wir sehen nicht den Willen der Westmächte, ein gegenüber dem Osten starkes Europa zu schaffen, ein Europa, das nur mit einem starken Deutschland, nicht aber mit einem niedergehaltenen Deutschland lebensfähig ist. Diese Verträge werden Mißtrauen säen, statt Vertrauen zu schaffen, und daher Europa schwächen, anstatt es zu kräftigen.
Anläßlich der zweiten Lesung dieser Verträge wurde von verschiedenen Rednern der große deutsche Staatsmann Bismarck zitiert. Ich möchte meine Ausführungen auch mit einem Wort des Fürsten Bismarck beschließen, der einmal sagte:
Jedesmal, wenn einer etwas Unrechtes von Deutschland will, dann tut er es im Namen Europas.
Und gerade deshalb lehnen wir Abgeordneten der Deutschen Reichspartei diese Verträge ab.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Goetzendorff.
Goetzendorff ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemals ist die weltpolitische Situation so ignoriert worden wie in diesen Tagen. Selbst der Sicherheitsbeauftragte der Bundesregierung, Herr Blank, mußte zugeben, daß keine akute Kriegsgefahr drohe. Durch den Tod Stalins sieht sich das russische Volk vor neue Aufgaben gestellt. Es liegen keinerlei Beweise dafür vor, daß Malenkow den Krieg will. Er kann keinen Krieg wollen, benötigen doch Diktaturen alle Energie zur Festigung ihrer innenpolitischen Macht, sobald ihre Idole wechseln.
In diesem Augenblick weiß die einfallslose Bundesregierung nichts anderes zu tun, als sich in verhängnisvoller Weise einer Westallianz in die Arme zu werfen, die Sowjetrußland eines Tages zu Präventivmaßnahmen zwingen wird. Am Ende dieser Entwicklung wird die größte Heimsuchung stehen, die je über das deutsche Volk gekommen ist. Aber selbst wenn es zutreffen würde, daß ein Krieg vermeidbar ist, wird die Einfrierung des gegenwärtigen Zustandes die Folge der Vertragsunterzeichnung sein. Kein Geringerer als Dr. Adenauer früherer Pressechef hat gestern enthüllt, daß sich hinter dem Rücken Amerikas Frankreich, England und Rußland geeinigt haben, den status quo bestehen zu lassen. Sie wollen kein wiedervereintes Deutschland und sind gewillt, die Trennung zu verewigen. Der Russe wird behalten, was er hat, und der Westen wird es zufrieden sein. Statt des Eisernen Vorhangs wird eine chinesische Mauer errichtet werden, die unübersteigbar ist. Hinter ihr werden hüben und drüben deutsche Menschen als knechtische Waffenträger fremder Mächte aufmarschieren, bis ein Funke das Pulverfaß entzündet.
Die phantasielose Bundesregierung sollte ihr Augenmerk auf Frankreich richten. Diesem Land reichen die diskriminierenden Bestimmungen der Verträge gegenüber Deutschland nicht aus. Unersättlich verlangt es Garantien über Garantien auf dem Umweg über Zusatzprotokolle. Die einzige Garantie, deren Deutschland gewiß sein kann, ist jene, daß seinem Volk der höchste Blutzoll abverlangt werden wird. Europa ist auf den Lippen vieler nicht mehr als ein falscher Zungenschlag. Lösen Sie, Herr Bundeskanzler, Ihren faszinierten Blick von Straßburg und vergessen Sie über Europa nicht Deutschland!
Nun gestatten Sie mir ein Wort zu der Rolle, die den Heimatvertriebenen nach dem Willen des BHE zugedacht ist. Bei der ersten Lesung habe ich meine Landsleute davor gewarnt, sich zu einem Kreuzzug gegen den Bolschewismus mißbrauchen zu lassen. Ein Marsch in die Ostgebiete, so sagte ich damals, werde mit Sicherheit an der Heimat vorbei in die sibirischen Gefangenenlager führen. Es nützt uns nichts, wenn am Ende eines Krieges auf Grund der Überlegenheit des amerikanischen Materials die Alliierten hinter den Pyrenäen siegen; Deutschland und seine Menschen wären dann längst vernichtet. Der Nachruhm aber, für ein angeblich freies Europa verdorben zu sein, dünkt uns allzu gering für den Preis unseres Lebens. Solche Überlegungen frei von Ressentiments anzustellen, ziemt niemandem mehr als einer Partei der Vertriebenen. Diese werden nämlich eines Tages wieder Nachbarn der slawischen Völker sein und die Fehler der Politiker heutigen Formats wiedergutmachen müssen.
Was sich in den letzten Tagen ereignet hat, ist in seiner Schamlosigkeit so bedeutungsvoll, daß es an dieser Stelle angeprangert zu werden verdient.
Seit Jahr und Tag ziehen die Redner des BHE durch die Lande, um den Vertriebenen die tödlichen Folgen des Generalvertrags vorzustellen, und sie meinen es damit zweifellos ehrlich. Einer der getreuen Ekkeharde der Vertriebenenbewegung in Bayern, Dr. Wilfried Keller, hat diese Haltung bereits vor geraumer Zeit und von dieser Stelle aus eindrucksvoll unterstrichen. Wer allerdings die geschmeidigen Ausführungen des gleichfalls dem BHE angehörenden Kollegen Fröhlich in der zweiten Lesung hörte, war bereits darauf vorbereitet, daß sich die Hauspolitik des BHE-Chefs Waldemar Kraft durchzusetzen begann. In den letzten Tagen hat es Minister Kraft für opportun gehalten, seine Maske fallen zu lassen. Ohne sich an die Beschlüsse seines Bundesvorstandes zu halten, erklärte er mit zynischer Offenheit, daß die politischen Vorbehalte seiner Partei gegen die Verträge nicht mehr bestünden und daß ein Nein sinnlos sei. Zweifellos hat die fügsame Duldsamkeit der so oft getäuschten Vertriebenen Herrn Kraft ermuntert, in dieser nicht zu überbietenden selbstherrlichen Art und Weise die Willensbildung der Flüchtlinge nicht nur zu ignorieren, sondern in ihr Gegenteil umzufälschen. Es ist kein Geheimnis mehr, daß Kraft dem Rat seiner Vertrauten, der 'Gräfin Finkenstein, größere Bedeutung beimißt als den Wünschen seiner Wähler. Noch vor einem halben Jahr hat der gleiche Minister zum EVG-Vertrag geäußert, ein Chaos könne man nicht bewaffnen; und zum Generalvertrag: Der Generalvertrag kann auf die Dauer nicht gehalten werden; deshalb sei es besser, die Forderung seiner Revision schon jetzt anzumelden.
Das Maß der Kraftschen Überheblichkeit wird erst dann voll sichtbar, wenn man erfährt, daß er den Bundesvorstand zwei Tage nach dieser Debatte nach München berufen hat, um eine Entscheidung zu fällen, für die ein Fait accompli bereits geschaffen ist. Wir sind über die Gründe, die Herrn Kraft zu diesem Taschenspielertrick veranlaßten, wohl unterrichtet und werden sie zu gegebener Zeit der Öffentlichkeit unterbreiten. Er selbst gibt zu, seine Haltung revidiert zu haben, nachdem er eine Unterredung mit Bonner Regierungsvertretern und dem amerikanischen Hohen Kommissar gehabt hat. Die Heimatvertriebenen aber sind aufgerufen, sich dieser Haltung Krafts zu widersetzen, wenn sie sich nicht mitschuldig machen wollen. Es mutet wie Hohn an, daß sich der BHE in opportunistischer Behendigkeit den klangvollen Namen „Gesamtdeutscher Block" zugelegt hat. Gesamtdeutschland, Herr Minister Kraft, kann man nicht nur deklarieren. Man muß es mit heißem Herzen und kühlem Verstand inbrünstig wollen.
({1})
Gesamtdeutschland reicht nicht nur von Bonn bis zur Elbe. Es ist Saarbrücken und Königsberg, Bonn und Leipzig.
({2})
- Herr Kollege, wenn ich Sie in Ihrer stattlichen Figur betrachte, bin ich überzeugt, daß Sie der deutschen Infanterie nicht zur Ehre gereichen werden.
Wenn der Herr Bundeskanzler sich heute darüber beklagte, daß er durch so viele Zwischenrufe gestört worden sei, und erwähnte, daß kein Regierungschef in irgendeinem Parlament der Welt so behindert werde,
Ihre Redezeit ist abgelaufen; kommen Sie zu Ende.
Goetzendorff ({0}): dann möchte ich sagen, daß auch kein Regierungschef in irgendeinem Parlament der Welt eine so schlechte Sache vertreten hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Bodensteiner.
Bodensteiner ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat uns aufgefordert, die große Linie in diesen Verträgen zu sehen. Ich will in den wenigen Minuten versuchen, das zu tun.
Er hat diese Verträge in der Hauptsache mit dem Argument begründet, daß sie zu unserer Sicherheit notwendig seien. Er hat wiederum das Schreckgespenst einer drohenden russischen' Invasion hier erscheinen lassen. Wie steht es damit? Am 16. November 1952 schrieb die „New York Times", daß den 22 russischen Divisionen in der russisch besetzten Zone 19 Divisionen der Westmächte in der Bundesrepublik gegenüberständen, daß der Westen dem Osten in Westdeutschland an Panzern um das Doppelte überlegen sei, daß er an Artillerie gleich stark sei, daß die Russen ohne Heranschaffung größerer Kräfte keinen Angriff wagen könnten und daß dafür im gegenwärtigen Augenblick keinerlei Anhaltspunkte vorlägen und in einem halben Jahr die völlige Kräftegleichheit hergestellt sei.
({1})
Das schrieb immerhin eine amerikanische republikanische Zeitung.
({2})
Er hat weiterhin betont, daß dazu noch 70 Divisionen der Satellitenstaaten kommen. Auch dazu mit Genehmigung des Herrn Präsidenten ein Zitat aus der gleichen Zeitung.
Es lautet:
Die militärischen Abmachungen zwischen Griechenland, der Türkei und Jugoslawien machen Belgrad de facto, wenn nicht de jure, zu einem Mitgliedstaat der NATO. Damit wird die defensive Schlagkraft der drei ausgezeichneten kleinen Armeen zusammengefaßt. Mehr als 70 schlagkräftige Divisionen
- und zwar ist das die Friedensstärke - werden somit auf der Flanke eines jeden geplanten sowjetischen Angriffs bereitstehen.
Herr Kollege Bausch, Sie haben gefragt, ob das wahr ist. Für Sie bringe ich noch ein Zitat. Der Generalsekretär der NATO, Lord Ismay, hat vor wenigen Tagen, am 12. März 1953, in Washington erklärt, daß in Westeuropa 3,3 Millionen Menschen unter Waffen stehen, daß die Produktion Westeuropas und Amerikas zusammen viermal so groß ist wie die der Ostblockstaaten und daß diese dem Westen zur Verfügung stehenden Kräfte dazu ausreichen; jeden Aggressor abzuschrecken. - Das alles soll nach Ihrer Meinung nicht wahr sein. Wahr soll nur das sein, was hier von unserer Propaganda behauptet wird, um in unserem Volk eine Angstpsychose zu erzeugen, womit man es für diese Verträge mürbe machen will. So sind doch die Dinge.
Wenn es um die Sicherheit ginge, wären wir alle
einig. Wir von der Gesamtdeutschen Volkspartei
({3})
sind nicht bereit, auch nur einen Zentimeter von der Sicherheit preiszugeben. Es geht aber um etwas ganz anderes. Um was geht es denn? Die USA haben sich für eine dynamische Politik entschlossen, von Eisenhower am 25. August 1952 erstmals verkündet. Dulles hat am 15. Januar 1953 wiederum verkündet: Neuordnung Osteuropas, dazu Befreiung 24 unterdrückter Völker, wie er es nennt. Wie soll denn diese Befreiung geschehen? Er sagt: durch Propaganda. Nun, das glaubt er selbst nicht. Jedenfalls glaubt das keiner, der von einem totalitären System auch nur eine blasse Ahnung hat. Was ist in Wirklichkeit beabsichtigt? Die wahre Absicht ist die, daß man versuchen will, die Russen mit militärischer Übermacht zur kampflosen Räumung Europas zu bewegen. Das ist der Plan. Es mag sein, daß es einige gibt, die wirklich glauben, daß die Russen Europa kampflos räumen werden. Aber man weiß sehr wohl, daß man für den äußersten Fall auch zu anderen Mitteln entschlossen sein muß. Das ist das Entscheidende. Dulles hat ja in Paris erklärt, daß die geheim geführten Gespräche gescheitert seien; wenn die weiteren auch scheiterten, sei die Auseinandersetzung unvermeidlich, und dann sei sie um so leichter zu führen, je früher sie erfolge. Für diese letzte, äußerste Konsequenz braucht man deutsche Divisionen, genau genommen deutsche Infanterie. Darum geht es, nicht um Sicherheit, nicht um Freiheit oder um sonstige Dinge.
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Bodensteiner ({0}): Ich bin sofort fertig. - Art. 18 des EVGVertrages gibt dem amerikanischen NATO-Kommandeur die Verfügungsgewalt über die deutschen Truppen. Das ist entscheidend. Das wissen Sie alle genau so. Ich könnte die Namen einer großen Zahl von Mitgliedern aufzählen, die bestätigt haben, daß Sie es wissen, und die das Risiko des Krieges, das in dieser Politik steckt, durchaus sehen. Die Schuld, die Sie auf sich laden, besteht darin, daß Sie, indem Sie den Amerikanern die deutsche Infanterie so zur Verfügung stellen, daß Sie nicht einmal Einfluß darauf haben, was die Amerikaner damit tun, die Gefahr aus einer dynamischen, d. h. aggressiven Politik wesentlich verstärken.
({1})
- Das ist die Wahrheit. Sie in Deutschland wollen uns etwas anderes einreden. Die Amerikaner sind viel ehrlicher als Sie, Herr Kollege.
Herr Kollege Schröder hat heute hier großsprecherisch gesagt, nur dieses Haus sei befugt und in der Lage, der Welt zu sagen, wo das deutsche Volk steht. Meine Damen und Herren, dazu ist nur einer befugt, das deutsche Volk selbst. Sie haben kein Recht, eine solche Entscheidung zu fällen.
({2})
Herr Abgeordneter Bodensteiner, Sie wissen, daß Ihre Redezeit überschritten ist.
Bodensteiner ({0}): Meine Damen und Herren! Diese Verträge, selbst wenn Sie sie durchbringen, sind erst ein Stück Papier. Eine Armee können Sie nicht schaffen ohne die Mitwirkung des Volkes bzw. seiner Vertretung, und das Volk wird Ihnen in diesem Jahr ein Nein sagen.
Das Wort hat der Abgeordnete Fröhlich.
Fröhlich ({0}): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube beinahe, daß es nicht notwendig ist, sich hier mit den unsachlichen Ausführungen des Herrn Goetzendorff zu befassen.
({1})
Denn ich möchte eines feststellen: daß es der Bundesvorsitzende meiner Partei, des Gesamtdeutschen Blocks, in den wenigen Jahren seines Wirkens immerhin dahin gebracht hat, daß diese Partei heute etwa 2,5 Millionen Wähler hinter sich hat. Herr Goetzendorff war einmal in Bayern der Vorsitzende eines großen Flüchtlingsverbandes, und er hat sich inzwischen zu einem Abgeordneten ohne Namen heruntergewirtschaftet.
({2})
Mehr ist hierzu nicht zu sagen.
Meine Damen und Herren, ich habe heute nicht die Möglichkeit, im Namen des Gesamtdeutschen Blocks zu sprechen, sondern ich kann nur für mich persönlich sprechen. Ich darf dazu darauf hinweisen, daß der Gesamtdeutsche Block die Tendenz der Verträge von Anbeginn bejaht hat. Er hat die Eingliederung der Bundesrepublik in den Kreis der freien Nationen des Westens bejaht, und er war auch davon überzeugt, daß wir die Hilfe des Westens bei einer Verteidigung der Bundesrepublik nur dann in Anspruch nehmen können, wenn wir selbst bereit sind, einen Beitrag für diese Verteidigung zu leisten. Wir haben den Verträgen bisher unsere Zustimmung deshalb nicht geben können, weil wir in gewissen Punkten erhebliche Gefahren sahen. Wir haben aber Gelegenheit genommen, in Gesprächen mit Vertretern der Bundesregierung
({3})
und auch mit dem amerikanischen Hohen Kommissar diese strittigen Punkte zu klären.
({4})
Unsere Bedenken sind zwar nicht ganz behoben. Aber diese Besprechungen allein sind auch nicht der Grund, der uns dazu bringen könnte,
({5}) die Verträge zu bejahen.
({6})
Meine Damen und Herren! In der heutigen Diskussion haben die französischen Zusatzprotokolle eine wesentliche Rolle gespielt. Wir haben den Eindruck, daß die französische Regierung versucht, mit Hilfe dieser Zusatzprotokolle die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die Gemeinschaft der freien Staaten des Westens möglicherweise zunichte zu machen. Angesichts dieser Gefahr, glaube ich, kommt es darauf an, daß möglichst breite Kreise des deutschen Volkes sich nunmehr hinter die Verträge stellen.
({7})
Würde es dazu kommen, daß irgendein Mitglied der kommenden Europäischen Verteidigungsgemeinschaft diese Verträge zum Scheitern bringt, dann bestünde die Gefahr, daß Amerika eines Tages
seine schützende Hand nicht nur von der Bundesrepublik,
({8}) sondern auch von Europa zurückziehen würde.
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Das bedeutet eine Gefahr nicht nur für Deutschland, sondern für das gesamte freie Europa, und es besteht außerdem die Gefahr, daß sich Amerika eines Tages entschließen könnte, nicht Europa zu verteidigen, sondern zu einer peripheren Verteidigung überzugehen. Das aber würde bedeuten, daß Deutschland und auch Frankreich dem Zugriff des Bolschewismus ausgeliefert wären. Das gilt es zu verhindern.
({10})
Aber noch etwas anderes hat mich dazu bewogen, zu den Verträgen ja zu sagen, und zwar ist es die Entwicklung in der Sowjetzone. Meine Heimat liegt an der Oder, und ich habe vor wenigen Tagen Gelegenheit gehabt, mit dem Pächter meines Hofes zu sprechen, der heute in Altstadt in Bayern in einem Flüchtlingslager lebt. Nach diesen Gesprächen fühle ich mich persönlich verpflichtet, diesen Verträgen meine Zustimmung zu geben.
({11})
Ich bin auch davon überzeugt, daß ohne die Hilfe Amerikas und aller freien Staaten des Westens kein Sowjetzonenflüchtling und kein Ostflüchtling seine Heimat wiedersehen wird.
({12})
Wenn wir die Tendenz der Verträge bejaht haben, dann resultiert daraus, daß wir uns auch in dem Moment zu den Verträgen bekennen müssen, in dem ihre Tendenz gefährdet ist, und die Tendenz der Verträge ist gefährdet.
Aus Sorge um Deutschland und aus Sorge um Europa stimme ich deshalb für die Verträge.
({13})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Etzel.
({0})
- Meine Damen und Herren, es ist der drittletzte der gemeldeten Redner.
Dr. Etzel ({1}) ({2}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Angesichts der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit beschränke ich mich auf eine allgemeine Stellungnahme. Ich nehme dabei an, daß es in diesem abendländisch-demokratischen Parlament möglich und erlaubt ist, Auffassungen zu äußern, die nicht diejenigen der Mehrheit dieses Hauses sind.
Die politischen, psychologischen und militärpolitischen Voraussetzungen des noch aus dem Jahre 1950 stammenden EVG-Vertrags scheinen weitgehend verändert oder fortgefallen. Das Feuer der Begeisterung für EVG-Europa ist herabgebrannt, der Nationalismus in allen Ländern wieder im Kommen. Verlauf und Nachhall der Konferenz der sechs Montanminister in Rom, die bisherige Entwicklung in den Fragen der Saar und der Zusatzprotokolle sowie das offenkundige Schicksal des
({3})
Straßburger Verfassungsentwurfs zeigen, wie fragwürdig der Optimismus der westdeutschen Politik ist.
Niemand kann Frankreich, dessen Furcht- und Mißtrauenskomplex offenbar durch nichts zu verdrängen ist, hindern wollen, französische statt europäische Politik zu treiben. Aber dann muß man auf bundesrepublikanischer Seite die Tatsache der Zweideutigkeit dieser Politik in Rechnung stellen. Der Plan einer politischen europäischen Gemeinschaft steckt schon in der Stunde der Geburt in den gleichen Schwierigkeiten wie die EVG. Auch hier bildet, wie die Verhandlungen über den Art. 101 des Verfassungsentwurfs offenbarten, allein schon. der ungeklärte Saarstatus, von allem anderen abgesehen, ein unüberwindbares Hindernis, und auch hier wurde der offizielle westdeutsche Optimismus desillusioniert. Herr Dr. Adenauer glaubte, der Entwurf würde zur Verfügung und Entscheidung des Ministerrats der Montan-Union stehen, er dürfe nicht in die Hände der Ministerialbürokratie geraten, die ihn zerfetzen würde. Gerade das aber geschah prompt gemäß der kategorischen Forderung Bidaults und van Zeelands, daß der Entwurf, der übrigens vom Ministerrat des Europarats als noch nicht diskussionsreif bezeichnet wurde, den Regierungen selbst zur Prüfung und Entscheidung überlassen werden müsse. Auch die Saarverhandlungen sind wieder auf den normalen diplomatischen Weg, also in die Hände dieser Ministerialbürokratie verwiesen worden.
Überdies lehnt Bidault die vorzeitige Einbringung des europäischen Verfassungsentwurfs in der Nationalversammlung ab; er ist auch gegen eine mit dem EVG-Vertrag gleichzeitige Einbringung. Er ist überhaupt gegen den Entwurf, er hält das ganze Projekt für zu kühn und zu plötzlich, für eine Utopie, er will Frankreich - so lautet seine These - nicht in Europa ertränken lassen, nicht Europa auf- und Frankreich abbauen. Natürlich, wer die politische europäische Oberbehörde will, der müßte auch die EVG wollen. Ohne politische Oberbehörde aber bliebe die EVG nur ein militärpolitisches Kartell der Generäle innerhalb der Atlantikpaktorganisation, und es würde sich sehr rasch die Entwicklung vom großen Kanzler und kleinen General zum großen General und kleinen Kanzler vollziehen.
Frankreich, durch seinen Kolonialkrieg in Indochina strapaziert, Nordafrikas wegen mit den Vereinigten Staaten und der UNO in Streit, hält, wahrscheinlich seit dem letzten Sommer heimlich verhandelnd, seinen Pakt mit der Sowjetunion aufrecht, den de Gaulle und sein Außenminister Bidault im September 1944 abgeschlossen haben. Hat nicht Frau Tabouis schon im vergangenen Mai im Radio Luxemburg von einer West-Ost-Entente über die Aufrechterhaltung der Teilung Deutschlands gesprochen? Haben nicht im Zusammenhang mit dem im vergangenen Jahre zwischen dem Westen und dem Osten erfolgten Notenwechsel sozusagen offiziöse Publizisten des Westens, haben nicht namhafte Publizisten wie Walter Lippmann, Middleton und Frau Ward, haben nicht alle diese in ihren Aufsätzen die Aufrechterhaltung der deutschen Teilung in einer bestürzenden Weise geradezu als selbstverständlich vorausgesetzt? Gewinnt es nicht neuerdings den Anschein, als ob der alte Gedanke einer Entente cordiale zwischen Frankreich, England und Italien von der französischen Politik wieder hervorgeholt werden wollte? Durch
seine Regierungskrise und deren Lösung, die Schuman durch Bidault ersetzte und die Gaullisten beteiligte, hat Frankreich deutlich gemacht, daß es die Westverträge zumindest in der gegenwärtigen Form als überholt ansieht. Es will eine EVG, die dazu bestimmt und geeignet ist, die Bundesrepublik an die Kette zu legen, die ihm, Frankreich selbst aber erlaubt, im wesentlichen außerhalb zu bleiben.
Herr Dr. Adenauer setzt nun, da die Gesamtheit der Gaullisten kontra ist, seine Hoffnungen auf die französischen Sozialisten und neue englische Garantiezusagen an Frankreich. Auch dieser Traum dürfte nicht reifen.. Die französische Absicht, die Entscheidung über die Ratifizierung in der Schwebe zu lassen, sie zumindest bis nach den Bundestagswahlen zu verzögern, tritt immer unverkennbarer hervor.
Frankreich hat vor die Verträge die Barriere einer zweifachen Koppelung gewälzt: das Junktim mit dem Status der Saar und mit den Zusatzprotokollen. Schon Schuman hat die Koppelung mit der Saarfrage in einer Äußerung vor der Presse Ende Mai 1952 und in einer Stellungnahme vor dem außenpolitischen Ausschuß des Rates der Republik am 11. September des gleichen Jahres verkündet.
Ministerpräsident René Mayer hat am 6. Januar zu Beginn der Investiturdebatte in der Nationalversammlung die Erklärung Schumans wiederholt, daß die Verträge solange nicht ratifiziert werden könnten, als nicht der europäische Status der Saar „definiert" - so drückte er sich aus - worden sei, und am 9. Februar beharrte Bidault bei der Eröffnung der Konferenz mit den Delegierten des Saargebiets wiederum auf dem Junktim. So wurde der Optimismus des Herrn Bundeskanzlers grausam widerlegt, der am 6. Juli 1951 vor dem Hohen Hause prognostiziert hatte: „Ich bin der Auffassung, daß wir die ganze Saarfrage in gar nicht so langer Zeit so gelöst sehen werden, wie wir es wünschen."
Der Bundeskanzler klammert sich jetzt daran, daß René Mayer und Bidault von einer Definierung des Saarstatus gesprochen hätten. Das bedeute nur eine Klärung, nicht schon eine Lösung. Dieser begriffliche Euphemismus gibt jedoch seiner Hoffnung keinerlei Stütze. Er muß doch wissen, daß Frankreich den verbindlichen Charakter einer solchen Festlegung mindestens auf Regierungsebene unterstellt und daß es sich um einen bindenden Vorvertrag handeln würde, der integral in das spätere förmliche Abkommen überginge. Entweder nimmt der Kanzler das Junktim an, dann muß der Abschluß der dritten Beratung nach § 30 Abs. 2 der Geschäftsordnung ausgesetzt werden, bis das Ergebnis der Verhandlungen vorliegt, oder er lehnt es tatsächlich ab, dann ist die EVG überhaupt gegenstandslos, da Frankreich von dem Junktim nicht abgehen wird.
Kommen Sie bitte zum Schluß, Herr Abgeordneter!
Dr. Etzel ({0}) ({1}): Herr Dr. Adenauer sagt, - -({2})
- Ich weiß nicht, was in einer so ernsten Sache Ihre Heiterkeit erregen kann.
({3})
- Nein, das ist der Ausdruck und die Äußerung
({4})
Ihrer Voreingenommenheit und Ihrer Intoleranz, die es nicht erträgt, daß eine abweichende Ansicht hier vorgetragen wird.
({5})
Sie selbst zerstören die Fundamente einer Demokratie, die gegenüber der östlichen Weltmacht zu verteidigen und zu retten Sie vorgeben.
({6})
Herr Dr. Adenauer sagt, man müsse sein Herz in die Hände nehmen und springen. Also bitte, springen Sie, meine Damen und Herren von der Koalition,
({7})
springen Sie über Ihren eigenen Schatten. Erinnern Sie sich, meine Herren von der Demokratischen und der Deutschen Partei, an Ihre temperamentvollen Ablehnungen noch vor elf Monaten, als Ihre Sprecher ein „Unannehmbar" donnerten und von „Unterwerfungsvertrag" und „zweitem Versailles" sprachen.
({8})
Es fehlt mir leider die Zeit, weitere Kostproben Ihrer damaligen Expektorationen hier vor aller Welt bekanntzugeben.
Sie haben sich, obwohl- das fortschreitende Studium der Verträge und die seitherige politische Entwicklung die Bedenken noch verstärken mußten, sehr rasch beruhigt. Ihr Herr und Meister, der seine Paladine kennt, antwortete im Juni des vergangenen Jahres auf eine besorgte Frage, wie er denn über die Aussichten der Ratifizierung denke: „Glauben Sie denn, daß ich die Verträge 1 unterzeichnet hätte, wenn ich einer Mehrheit im Bundestag nicht sicher gewesen wäre?"
Ich bin der Meinung, daß die dritte Beratung bis auf weiteres ausgesetzt werden sollte. Wir können uns nicht sozusagen mit geschlossenen Augen der amerikanischen Politik verschreiben, die so zahlreiche penetrante Proben fundamentaler, verhängnisvoller Irrtümer geliefert hat. Sollte es zur Abstimmung kommen, so werde ich, weil die Verträge nach meiner Auffassung gegen das ge-. samtdeutsche Interesse und die Sache des Friedens sind, mit Nein stimmen.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren, ich habe den Auftrag, den Entschließungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union - Bayernpartei-Zentrum - Umdruck Nr. 826 mit einigen Worten zu begründen. Die Ziffern 1 und 2 des Antrags behandeln den gleichen Gegenstand, der in dem Umdruck Nr. 828 - Entschließungsantrag der Fraktionen der FDP, DP, CDU/CSU - unter III behandelt worden ist. Es bestehen nur ein oder zwei Unterschiede zwischen unserem Antrag und dem der Regierungsfraktionen.
Zunächst einmal wünschen wir, daß auch die Verhandlungen über die Interpretation, die Ausführung oder die Durchführung der deutsch-alliierten Verträge uns als Verhandlungsergebnisse vorgelegt werden, auch wenn sie nicht ratifikationsbedürftig sind, soweit es sich also um Regierungsakte handelt. Gerade über diesen Punkt kann es leicht zu Mißverständnissen kommen, wie die Verhandlungen über das Petersberg-Abkommen ergeben haben. Ich glaube außerdem, daß die Frage der Überprüfung der Gleichberechtigung eine so schwierige und von verschiedenen Seiten verschieden zu beurteilende Frage ist, daß dieser Punkt im Bundestag als solchem auch bei derartigen Verhandlungsergebnissen geklärt werden müßte, die nicht unmittelbar ein Ratifikationserfordernis haben.
Zweitens wünschen wir zum Unterschied von der Vorlage der Regierungsparteien, daß auch einseitige Verzichte, die nicht in Vertragsform erklärt zu sein brauchen, von diesem Ratifikationserfordernis umfaßt werden. Ich bitte Sie deshalb, unseren etwas weitergehenden Antrag unter den Ziffern 1 und 2 anzunehmen.
Unter Ziffer 3 haben wir einen Antrag vorgelegt, der von der Voraussetzung ausgeht, daß es durchaus zweifelhaft sein kann, ob der EVG-Vertrag von allen Parlamenten angenommen und wirksam werden wird. Aber ganz unabhängig von dem Schicksal dieses Verteidigungsvertrages ist in jedem Falle eine politische Organisation der Völker Europas erforderlich. Deshalb ist, unabhängig vom Schicksal des EVG-Vertrages, eine Förderung des im EPG-Vertrag niedergelegten Gedankens durch die Bundesregierung erforderlich.
Die Bundesregierung selbst hat sich bisher für das im EPG-Vertrag Niedergelegte eingesetzt. Die Bundesregierung hat aber bisher für diesen Vertrag nicht die Vollmacht des Bundestages. Es ist etwas anderes, ob die Bundesregierung hier qua eigener Autorität oder qua Autorität des Deutschen Bundestages in den internationalen Verhandlungen, die demnächst beginnen, zu sprechen berechtigt ist. Es ist deshalb von Bedeutung, daß hier eine entsprechende Entscheidung getroffen wird.
Die Frage, ob der EVG-Vertrag kommen wird oder nicht, kann vor allem deshalb zweifelhaft sein, weil Frankreich sich möglicherweise selbst überfordert hat, als es, um eine deutsche Nationalarmee zu verhindern, seine eigene Armee in die Waagschale warf. Die nationalstaatliche Idee ist in Frankreich doch stärker, als wahrscheinlich die Franzosen selbst gedacht haben. Die Aushöhlung der nationalstaatlichen Idee, die jetzt in Frankreich befürchtet wird, ist vielleicht auch durchaus zu vermeiden. Nicht eine Aushöhlung der nationalstaatlichen Idee, sondern eine Überhöhung der nationalstaatlichen Idee wäre die Aufgabe! Vielleicht wäre es deshalb durchaus möglich - und man könnte dafür Verständnis haben -, wenn einige der Forderungen der französischen Seite angenommen, also zu einer Abänderung des EVG-Vertrages dahin führen würden, daß auch wir Deutschen, von einer gleichen Basis ausgehend, gleiche Rechte erhielten und beispielsweise nur bestimmte Truppengattungen integriert, im übrigen aber die Heeresteile nicht integriert, sondern weiter unter der nationalen Fahne aufgestellt würden.
Die Frage des Beginns einer neuen politischen Idee ist also deshalb so außerordentlich wichtig, weil damit die Verzögerung des ganzen Werks, die jetzt darin liegt, daß das französische nationalstaatliche Gefühl offenbar überfordert worden ist, aufgefangen und dieses Gefühl dadurch wieder besänftigt werden könnte, daß eine Abänderung des Vertrages im Sinne dieser französischen Wünsche
({0})
durchgeführt und damit eine Beschleunigung, wenn auch anderer Verträge, möglich wäre. ({1})
Das Entscheidende, meine Damen und Herren, ist aber gar nicht die Frage dieses EVG-Vertrages, sondern tatsächlich die des EPG-Vertrages. Sicherheit wird nicht durch Machtpolitik allein gewonnen, sondern durch die Politik des Gleichgewichts und des Ausgleichs der Spannungen zwischen den Staaten im Rahmen einer Organisation der Zusammenarbeit der Staaten, wie es im EPGVertrag gelungen ist. Daß England als Teil des Commonwealth zu diesem organisierten Nachbarschaftsverb and, Regionalverband nicht zugezogen werden kann, liegt in der gesamten politischen Struktur des englischen Commonwealth begründet und ist ganz unabhängig von der Frage einer etwaigen Nationalarmee oder sonstigen Verteidigungsfragen. Wer aber seine Politik nur auf Macht, nur auf Sicherheit gründet, der sät nichts anderes als Furcht - . und wer Furcht sät, wird Unglück ernten. Wir bitten Sie deshalb, diesem Antrag, die EPG mit allen Kräften in die vorderste Linie der Regierungspolitik zu rücken, zuzustimmen.
Wenn wir endlich gefordert haben, die Beziehungen zum Atlantikpakt im Sinne der Ziffer 1 unseres Antrages zu regeln, so soll dieser Antrag im Unterschied zu dem Antrag der Regierungsparteien nicht nur die eine Alternative vorsehen, nämlich den Eintritt in den Atlantikpakt, sondern auch die andere, nach meiner Ansicht bessere Alternative: den Austritt sämtlicher jetzt im Atlantikpakt noch vorhandenen fünf EVG-Mächte und den geschlossenen Eintritt der EPG-Einheit als solcher in den Rahmen des Atlantikpakts. Diese zweite Lösung trüge der Forderung nach echter Gleichberechtigung Rechnung. Damit würde die EPG
({2})
- die Europäische Politische Gemeinschaft ({3})
zu einem Stück aufbauender europäischer Politik.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tillmanns.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Diskussion über die Verträge haben innerhalb und außerhalb dieses Hauses zwei Einwände eine besondere Rolle gespielt, der Einwand, daß der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft den Frieden gefährde, und der weitere Einwand, daß dieser Vertrag und der Deutschland-Vertrag die Wiedervereinigung Deutschlands unmöglich machten. Wir haben für diese Einwände in der letzten Stunde der Debatte einige merkwürdige Beispiele erlebt. Es ist nicht meine Sache, mich am Schluß der Diskussion nochmals mit diesen Einwänden auseinanderzusetzen; aber es ist unerläßlich, daß vor der Schlußabstimmung für alle, die diese Verträge angesichts der Weltsituation für notwendig halten, mit allem Nachdruck eins festgestellt wird: es geht uns in vollem Ernst und in vollem Bewußtsein unserer Verantwortlichkeit um den Frieden, um nichts anderes als um den Frieden, und es geht uns mit demselben Ernst um die Wiedervereinigung unseres Landes. Wir sehen eben in einer entschlossenen Politik europäischer Einigung keinen Widerspruch und keinen Gegensatz zu einer Politik der
Wiedervereinigung Deutschlands, sondern nach unserem Erkenntnisvermögen sind diese beiden Pole unserer Politik zwei Seiten einer und derselben Sache.
Das noch einmal festzustellen, gebietet uns vor allem unsere Verpflichtung gegenüber den 18 Millionen Deutsche in der Sowjetzone. Nicht weil sie unsere Entscheidung nicht verständen; im Gegenteil, von ihnen hören wir am allerstärksten das Ja zu unserer Politik europäischer Verteidigung.
({0})
Wenn es eins gibt, was uns in der Überzeugung von der Richtigkeit unseres Weges bestärkt, dann ist es dieses Ja der Menschen in Berlin, der Flüchtlinge aus der Sowjetzone und der deutschen Menschen, die heute in der Sowjetzone leben.
({1})
Daher geben wir ihnen in dieser Stunde die Versicherung,
({2})
daß unsere Entscheidung wesentlich bestimmt ist von der Verantwortung, die wir für ihr Schicksal und für ihre Freiheit tragen.
({3})
Namens der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP habe ich dem Hohen Hause folgende Entschließung vorzulegen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es ist der im Grundgesetz niedergelegte Wille des deutschen Volkes, seine nationale und staatliche Einheit zu wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.
Der Deutsche Bundestag erklärt anläßlich der Verabschiedung des Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und des Deutschland-Vertrages, daß dieser Wille für seine politischen Entscheidungen maßgebend war und weiterhin bleiben wird.
Wir wissen uns verantwortlich für das Schicksal des ganzen deutschen Volkes, also auch des Teils, der heute noch daran gehindert ist, seinen Willen frei zu bekunden.
({4})
In dieser Verantwortung erstreben wir die Einigung Europas und seine gemeinsame Verteidigung, die niemanden bedroht. Dadurch überwinden wir jahrhundertealte Rivalitäten, die Europa an den Rand des Abgrunds gebracht haben, und schaffen ein sicheres Bollwerk des Friedens.
Das ist die Grundlage für die Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit. Wir wollen diese Wiedervereinigung ausschließlich mit friedlichen Mitteln. Wir erwarten daher, daß die Bundesregierung sich mit Nachdruck für das Zustandekommen von Verhandlungen zwischen den vier Mächten einsetzt, sobald die Voraussetzungen für einen Erfolg gegeben sind.
({5})
Ich darf bemerken, daß sich auf dem Ihnen vorliegenden Umdruck Nr. 827 ein kleiner Druckfehler befindet. Es muß in der vorletzten Zeile statt „Großmächten" heißen „vier Mächten".
({6})
Ich bitte das Hohe Haus, dieser Entschließung zuzustimmen.
({7})
Die allgemeine Aussprache der dritten Beratung ist damit geschlossen. Wenn beabsichtigt wird, zu den Entschließungen im Rahmen der noch verbliebenen Redezeit Erklärungen abzugeben, gebe ich anheim, das vor der Abstimmung über die Entschließungen zu tun. - Herr Abgeordneter Erler!
Es kommt doch erst zur Abstimmung? Die Entschließungen kommen doch nach der Abstimmung über die Verträge?
Jawohl! Die Entschließungen kommen erst nach der Abstimmung über die Verträge.
Ich darf, damit Klarheit besteht, worüber abgestimmt wird, darauf hinweisen, daß zunächst die Anträge des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zur Abstimmung stehen, die Sie in der Drucksache Nr. 3900 wiedergegeben finden hinsichtlich
der Entwürfe
eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen,
eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom
26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder und betreffend das Protokoll vom 26. Juli 1952, durch das die Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Streitigkeiten aus dem vorbezeichneten Abkommen erstreckt wird,
eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom
27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft,
eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft ({0}).
Ich weise weiterhin darauf hin, daß zu dem Gesetzentwurf betreffend den Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Drei Mächten der Änderungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Umdruck Nr. 823 Ziffern 1, 2 und 3 betreffend Einfügung von Artikeln IIa, IIb und IIc vorliegt.
({1})
- Ich spreche noch!
({2})
Zu Anlage 1 zur Drucksache Nr. 3501 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 824, Ziffern 1 und 2 betreffend Einfügung der Artikel IIIa und IIIb und zur Anlage 3 zu Drucksache Nr. 3501 der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 825 vor.
Die Fraktionen der CDU/CSU und der SPD haben für den Gesetzentwurf betreffend den Vertrag über
die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen und den Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft usw. namentliche Abstimmung beantragt. Ich darf unterstellen, daß dieser Antrag auf namentliche Abstimmung sich auf die Abstimmung über den Gesetzentwurf als solchen, aber nicht auf die Änderungsanträge bezieht.
- Das ist der Fall.
Ich komme also zunächst, meine Damen und Herren, zur Abstimmung über die Änderungsanträge der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 823.
({3})
Sind die Antragsteller damit einverstanden, daß über diese Anträge jeweils zu den einzelnen Gesetzen insgesamt abgestimmt wird? - Das ist der Fall.
({4})
- Ich bin in der Abstimmung, Herr von Thadden. - Die Gruppe der Kommunistischen Partei wünscht ziffernweise Abstimmung. Worüber ziffernweise? Über die Änderungsanträge?
({5})
- Über Umdruck Nr. 823 ziffernweise. Die Antragsteller sind damit einverstanden.
({6})
- Meine Damen und Herren, ich bin in der Abstimmung; ich habe keine Möglichkeit mehr, weitere Anträge zur Abstimmung entgegenzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 823, Ziffer 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; diese Ziffer ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag unter Ziffer 2 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 3. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 3 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; Ziffer 3 ist abgelehnt.
Wir kommen damit zur Abstimmung über das Gesetz betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen in der Gesamtheit, Art. I, Art. II, Art. III, Einleitung und Überschrift. Ich bitte, da namentliche Abstimmung beantragt ist, die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln. Meine Damen und Herren, ich bitte freundlichst, auf Ihren Plätzen zu bleiben, um die Einsammlung der Stimmzettel zu erleichtern. Ich schlage Ihnen vor, daß wir während der Auszählung mit den Abstimmungen über die anderen Anträge fortfahren.
({7})
,Meine Damen und Herren! Darf ich fragen, sind die Stimmzettel überall eingesammelt? - Das ist der Fall. Ich bitte die Abgeordneten, sich freundlichst auf ihre Plätze zu begeben.
({8})
Während der Auszählung der Stimmzettel darf ich fortfahren mit der Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder und betreffend das Protokoll vom 26. Juli 1952, durch das die Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Streitigkeiten aus dem vorbezeichneten Abkommen erstreckt wird. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz zuzustimmen wünschen - ({9})
- Dazu liegt kein Änderungsantrag vor, Herr Abgeordneter Mellies. Die Änderungsanträge sind beide zu den Gesetzen betreffend die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft gestellt.
Also, nach dieser Aufklärung des Mißverständnisses bitte ich die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Gesetzes betreffend das Abkommen vom 26. Mai 1952 über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder und betreffend das Protokoll vom 26. Juli 1952, durch das die Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Streitigkeiten aus dem vorbezeichneten Abkommen erstreckt wird, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Dieses Gesetz ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Dafür ist namentliche Abstimmung beantragt. Zunächst die Abstimmung über die Änderungsanträge der Fraktion der SPD, in erster Linie Umdruck Nr. 824.
({10})
- Es wird abschnittweise Abstimmung beantragt. Die Antragsteller sind einverstanden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Umdruck Nr. 824 Ziffer 1 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Minderheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 824. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; Ziffer 2 ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck 825. Sind Sie einverstanden, daß ich die Abstimmung über diesen Gesetzentwurf vorziehe, oder wollen wir abwarten, bis die namentliche Abstimmung stattgefunden hat? -
Ich komme also zur Abstimmung über das Gesetz betreffend das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, Anlage 3 zu Drucksache Nr. 3501. Dazu Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 825 auf Einführung eines Art. II a.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; dieser Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über das Gesetz betreffend das Abkommen vom 27. Mai 1952 über die Rechtsstellung der Europäischen Verteidigungsstreitkräfte und über das Zoll- und Steuerwesen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, Art. I, - II, - III, - Einleitung und Überschrift. - Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; dieses Gesetz ist angenommen.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen bekannt. An der Abstimmung haben sich insgesamt 392 stimmberechtigte Abgeordnete beteiligt. Von diesen haben 226 mit Ja, 164 mit Nein gestimmt bei 2 Enthaltungen. Von den 19 Berliner Abgeordneten haben 10 mit Ja, 9 mit Nein gestimmt. Damit ist das Gesetz betreffend den Vertrag vom 26. Mai 1952 über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten mit Zusatzverträgen angenommen.
Ich komme zur namentlichen Abstimmung über das Gesetz betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und betreffend den Vertrag vom 27. Mai 1952 zwischen dem Vereinigten Königreich und den Mitgliedstaaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft - Anlage 1 zur Drucksache Nr. 3501 - nach Ablehnung der Änderungsanträge zu Art. I, II, III, IV, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln.
({11})
Meine Damen und Herren, sind noch Abgeordnete vorhanden, die ihre Stimme abzugeben wünschen? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, auf ihren Plätzen zu bleiben.
Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Abstimmung über die Entschließungen durch Entgegennahme der dazu noch abzugebenden Erklärungen vorbereiten. Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion erklärt zu den Entschließungen Umdrucke Nrn. 826 bis 829 das Folgende. Sicher enthalten diese Entschließungen eine ganze Reihe von Anregungen und Wünschen, die eine kräftige Berücksichtigung verdienen. Die geeignete Form für diese Vorhaben wäre gewesen - soweit sie sich inhaltlich auch bereits in den sozialdemokratischen Anträgen finden -, diesen Anträgen Ihre Zustimmung zu geben. Damit hätten Sie den Entschließungen jene rechtsverbindliche Kraft gegeben, die ihnen in der Form, in der sie jetzt vorliegen, nicht innewohnt. Dann hätten Ihre Wünsche die Form einer Auflage für die Ratifizierung der Verträge erhalten, und die Wünsche hätten berücksichtigt werden müssen, bevor. die Verträge hätten in Wirksamkeit treten können. Das ist leider nicht geschehen.
({0})
Ein gewisses Maß an Skepsis ist derartigen Entschließungen gegenüber erlaubt. Ich darf darauf
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 12366.
({1})
hinweisen, was z. B. das Schicksal eine einstimmigen Entschließung des Bundestags in bezug auf die Forderung an die Bundesregierung über die Einberufung einer Viermächtekonferenz etwa vor einem Jahr gewesen ist.
({2})
Wir möchten zu den vier Entschließungen, wie sie jetzt vorliegen, noch ein Weiteres bemerken. Leider ist wieder ein großer Teil an sich wertvoller Gedanken in eine Reihe von politischen Vorstellungen eingekleidet worden, die so mit dem Gesamtsystem der heute hier beschlossenen Verträge verschmolzen sind, daß Sie uns damit eine Zustimmung zu jenem Teil dieser Entschließungen unmöglich machen.
Wir stimmen der Entschließung Umdruck Nr. 829 zu, die sich mit der Freigabe von beschlagnahmtem deutschen Wohnraum, insbesondere unter Berücksichtigung des Zustroms von Flüchtlingen aus der sowjetischen Besatzungszone befaßt.
Wir bitten um getrennte Abstimmung über die einzelnen Abschnitte der Entschließung Umdruck Nr. 828 und werden dem Absatz III dann zustimmen, wenn Sie sich entschließen können - ich glaube, die Zustimmung der Regierungsfraktionen liegt dazu vor -, in der zweiten Zeile die Worte „die deutsche Gesetzgebung" durch die Worte „die Bundesrepublik" zu ersetzen.
({3})
Dann ist die Fassung, glaube ich, in eine Form gebracht, die auch unserer eigenen Regierung gegenüber den Nachdruck hinter diesen Wunsch des Bundestages setzt.
Die Entschließungen Umdrucke Nrn. 826 und 827 sowie die Teile I und II der Entschließung Umdruck Nr. 828 können aus den von mir vorgetragenen Gründen unsere Zustimmung nicht finden; wir lehnen sie ab.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich der ersten Beratung der heute zur Abstimmung stehenden Verträge hat der Bundestag am 10. Juli 1952 einstimmig, also mit den Stimmen der kommunistischen Fraktion, folgende Entschließung angenommen:
Die Bundesregierung wird ersucht, den Besatzungsmächten förmlich mitzuteilen, Bundestag und Bundesregierung erwarten, daß die Regierungen der vier Besatzungsmächte so bald wie möglich in Verhandlungen über die Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen eintreten.
Unser Mißtrauen, das wir damals gegenüber der Zustimmung der Koalitionsparteien geäußert haben, hat sich als berechtigt erwiesen. In der seitdem vergangenen Zeit hat die Bundesregierung nichts getan, um diesem Auftrag des Bundestages nachzukommen. Sie hat vielmehr alles getan, um ihn zu sabotieren, um das Zustandekommen von Viermächteverhandlungen zu stören.
Die heute vorliegende Entschließung auf Umdruck Nr. 827 ist ein gewaltiger Rückschritt gegenüber der damaligen Entschließung. Sie zeigt an, daß die Bundesregierung es heute nicht mehr für nötig hält, auch nur dem Scheine nach für Viermächteberatungen einzutreten. Im ersten Absatz
verlangen die Koalitionsparteien, daß Westdeutschland zu einem Glied eines „vereinten Europa" wird. Das sagen Sie, Sie meinen aber damit ein Europa auf der Grundlage der „Neuordnung", wie sie Bundeskanzler Adenauer verkündet hat, auf der Grundlage eines gleichgeschalteten Europas nach den Prinzipien des amerikanischen Imperialismus.
Im zweiten Absatz sprechen die Koalitionsparteien von der Notwendigkeit der gemeinsamen Verteidigung Europas. Sie meinen damit das, was der Herr Bundeskanzler heute deutlich zum Ausdruck gebracht hat, nämlich den offensiven Stoß nach dem Osten und die Austragung eines Angriffskrieges jenseits der Weichsel.
Im vierten Absatz verlangen die Koalitionsparteien zwar den Worten nach Verhandlungen zwischen den Großmächten, aber sie schränken diese Forderung sofort durch die Bedingung ein: „sobald die Voraussetzungen für einen Erfolg gegeben sind". Damit macht sich die Regierungskoalition die These des Präsidenten Eisenhower zu eigen, der zwar auch von Verhandlungen spricht, aber auf der Grundlage von Erpressungen, auf der Grundlage von Bedingungen, die er stellen möchte und deren Annahme er von dem künftigen Verhandlungspartner verlangt, noch ehe das erste Wort einer Verhandlung gesprochen ist. Er möchte ein Diktat, und die Bundesregierung möchte sich der Politik des Diktates anschließen als der gefällige Juniorpartner des amerikanischen Imperialismus. Sie handelt damit im Sinne der Erklärung des Bundeskanzlers Adenauer vom 12. Dezember 1952, als er verlangte, daß so schnell wie möglich ratifiziert werde, weil sonst die Möglichkeit einer Einigung zwischen den vier Mächten bestehe.
Weil die vorliegende Entschließung nichts anderes ist als der Versuch einer Irreführung der Öffentlichkeit und der Versuch der Tarnung der wirklichen Absichten der Bundesregierung, können wir dieser Entschließung nur ein Nein entgegensetzen.
Zur Entschließung auf Umdruck Nr. 829 habe ich zu erklären, daß wir auch sie ablehnen, und zwar darum, weil in ihrem letzten Satz die Forderung aufgestellt wird, daß Neubauten für zusätzlichen militärischen Bedarf errichtet werden, also für den Bedarf der unerwünschten Okkupationsmächte.
Meine Damen und Herren! Ich gebe zunächst das vorläufige Ergebnis*) der Abstimmung über den Gesetzentwurf betreffend den Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft bekannt. Es haben sich an stimmberechtigten Abgeordneten beteiligt 391. Mit Ja haben gestimmt 224, mit Nein 165, bei 2 Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten sind 19 Stimmen abgegeben worden, davon 10 mit Ja und 9 mit Nein. Damit ist auch der Gesetzentwurf über die Gründung der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft angenommen.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Ich weise darauf hin, daß die Gruppe der kommunistischen Partei mit vierzehn Unterschriften Anträge zur dritten Beratung gestellt hat, die ich nicht zur Abstimmung stellen kann, da sie nicht die hinreichende Zahl von Unterschriften tragen.
({0})
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 12366.
({1})
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 826. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Das erste war die Mehrheit; dieser Entschließungsantrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Umdruck Nr. 827, den Herr Abgeordneter Tillmanns begründet hat. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; dieser Entschließungsantrag ist angenommen.
Ich unterstelle, daß die Antragsteller mit der abschnittweisen Abstimmung über den Entschließungsantrag Umdruck Nr. 828 einverstanden sind.
- Das ist der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer I des Antrags Umdruck Nr. 828 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Ziffer I ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer II zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Ziffer II ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer III unter Berücksichtigung der von Herrn Abgeordneten Erler vorgeschlagenen, von den Antragstellern aufgenommenen Änderung in der zweiten Zeile zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Diese Ziffer ist bei, wenn ich recht sehe, einer Enthaltung gegen wenige Stimmen angenommen. Damit ist die Entschließung Umdruck Nr. 828 insgesamt angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag Umdruck Nr. 829. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Entschließung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Diese Entschließung ist bei wenigen Enthaltungen
({2})
- meine Damen und Herren, ich rate doch, sich rechtzeitig zu melden! ({3})
gegen wenige Stimmen angenommen. Damit sind die vorliegenden Anträge und Gesetzentwürfe erledigt.
Zu einer persönlichen Erklärung gemäß § 35 der Geschäftsordnung wünscht Herr Abgeordneter Hasemann das Wort.
Ich darf einen Augenblick unterbrechen. Meine
Damen und Herren, ich habe übersehen, daß wir ja
noch einen Punkt 2 der Tagesordnung haben: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Generalvertrag und Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft ({4}).
Herr Kollege Hasemann, Sie sind wohl so liebenswürdig, einen Augenblick zu warten. Ich darf über diesen Antrag auch noch abstimmen lassen, wenn er auch wahrscheinlich nur noch formale Bedeutung hat. Nach dem Antrag wird der Bundeskanzler ersucht, in einem Weißbuch sämtliche Texte des Generalvertrags und des Vertrags über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft
vorzulegen, um dem Bundestag vor der Unterzeichnung Gelegenheit zur Unterrichtung und Stellungnahme zu geben. Der Antrag dürfte sachlich überholt sein.
({5})
- Es wird auf Abstimmung verzichtet.
Herr Abgeordneter Hasemann bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete D r. Arndt hat in der gestrigen Sitzung dieses Hohen Hauses bei der Abstimmung über einen Entschließungsantrag meiner Fraktion als Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion erklärt, daß sich seine Fraktion an der Abstimmung nicht beteiligen werde - ich zitiere jetzt wörtlich -,
sowohl weil diese Entschließung eine unter- geordnete Einzelfrage überbetont, als auch weil wir bedauern müssen, daß die Begründung für die Entschließung in dieser Stunde von dem Herrn Abgeordneten Hasemann gegeben wurde.
({0})
Herr Abgeordneter Arndt hat für diese Haltung seiner Fraktion keine nähere Erklärung abgegeben. Ich gehe aber wohl nicht fehl in der Annahme, daß diese Haltung in Zusammenhang steht mit dem Zuruf des Abgeordneten D r. Greve, den er schon öfter in diesem Hause - übrigens nicht nur hinsichtlich meiner Person - gemacht hat, daß ich alter Pg. sei.
({1})
Ich bedauere es, daß ich nicht schon gestern abend Gelegenheit zu dieser persönlichen Erklärung fand; aber ich war gerade außerhalb des Plenarsaals, als Herr Arndt die Erklärung abgab. Ich habe davon erst heute morgen erfahren.
Ich sehe mich veranlaßt, folgendes festzustellen: Ich war tatsächlich Pg ohne jedes Amt und ohne jeden Rang.
({2})
- Und nun hören Sie bitte sehr gut zu, meine Damen und Herren, was Sie wahrscheinlich alle nicht wissen:
({3})
- Warten Sie ab, Herr Renner! Bereits im Jahre 1934 - ich wiederhole: im Jahre 1934 - habe ich mich, veranlaßt durch die Vorfälle im Zusammenhang mit dem sogenannten Röhm-Putsch, vom Nazismus losgesagt und Zugang zu einer Widerstandsgruppe gefunden, der ich bis zum Zusammenbruch angehört habe.
({4})
Dieser Gruppe - nun hören Sie genau zu! - gehörten auch zahlreiche prominente Sozialdemokraten meiner Vaterstadt Hannover an. Ich nenne nur zwei davon, die sofort nach dem Zusammenbruch hohe Ämter in meiner Vaterstadt übernahmen: Gustav Bratke, der Oberbürgermeister wurde, und Erwin Barth, der Polizeipräsident wurde. Diese beiden und andere Sozialdemokraten sind' in den langen Jahren gemeinsamen Widerstandes enge Freunde von mir geworden und sind es heute noch. Ich galt und gelte heute noch in jenen Kreisen als kompromißloser Gegner des Nazismus.
Ich weiß nicht, wieviele Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion sich schon so früh und so exponiert, wie ich es tat,
({5})
({6})
- Lachen Sie ruhig! - gegen den Nationalsozialismus gewandt haben. Herrn Dr. Greve, der übrigens für den politischen Irrtum besonderes Verständnis haben sollte,
({7})
denn er verließ nach einer gescheiterten Karriere die FDP und ging zur SPD, Herrn Dr. Greve sind diese Tatsachen, die ich eben aufgezeigt habe, bekannt, da die diesbezüglichen Beweise und Zeugnisse seinerzeit dem englischen Secret Service vorlagen, zu dem Herr Greve allerbeste Beziehungen hatte.
({8})
Angesichts dieser Tatsachen ist es unerhört, daß die Fraktion der SPD durch Herrn Arndt ohne genaue Kenntnis der Dinge, offenbar lediglich veranlaßt durch persönlich motivierte Informationen des Herrn Greve, diese Erklärung abgegeben hat. Auf Grund meines Verhaltens seit dem Jahre 1934 hielt ich mich gestern und halte ich mich auch heute noch durchaus für legitimiert, den ehrenvollen Auftrag meiner Fraktion, zum Israel-Vertrag zu sprechen, anzunehmen. Herr Arndt aber sollte wissen, daß zum Rüstzeug eines sogenannten Kronjuristen, der er ja für seine Partei ist, nicht nur theoretisches Wissen, sondern auch ein ausgesprochenes Rechts- und Gerechtigkeitsgefühl gehört.
({9})
Hätte er das, würde er die Erklärung nicht abgegeben haben.
({10})
Herr Abgeordneter Greve wünscht eine persönliche Erklärung abzugeben.
({0})
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Hasemann hat behauptet, ich hätte persönlich besonders gute Beziehungen zum britischen Secret Service gehabt. Das ist eine bewußt ausgesprochene Lüge. Herrn Dr. Hasemann ist aus der gemeinsamen Zugehörigkeit zur FDP bekannt, daß sowohl er wie ich - ({0})
- Herr Kollege Hasemann, das, von dem Sie meinen, daß ich es vom Secret Service weiß, weiß ich von demjenigen, der ebenso wie Sie und ich damals der FDP angehört hat, nämlich von Herrn Heile.
({1})
Außerdem: Was Sie hier nicht gesagt haben, ist, daß sie vom August 1932 bis zum letzten Tag des nationalsozialistischen Regimes der NSDAP angehört haben.
({2})
Meine Damen und Herren, zu einer weiteren persönlichen Erklärung und in einer anderen Angelegenheit hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Bucerius.
({0})
Meine Damen und Herren! Mit einiger Überraschung habe ich gehört, daß in der heutigen Debatte, an der ich wegen einer Grippe zu meinem Bedauern nicht teilnehmen konnte, auch mein Name erwähnt worden ist. Das geschah im Zusammenhang mit einem Artikel in der „Zeit", geschrieben von Paul Bourdin, Ihnen allen als der frühere Pressechef des Herrn Bundeskanzlers wohlbekannt.
Wenn ich des Zusammenhangs wegen über den Artikel von Bourdin noch etwas sage, so meine ich, es war schon richtig, daß die im Ausland umlaufenden törichten Gerüchte, auf welche sich z. B. sozialdemokratische Zeitungen mit parteiamtlich gefördertem Fleiß bereits gestürzt hatten, einmal erwähnt wurden. Allerdings hat Bourdin eine Darstellung von Kingsbury Smith, an die wirklich niemand - außer ihm - so recht geglaubt hat, für bare Münze genommen, pointiert aufgemacht und in einem äußerst kritischen Augenblick dem verblüfften Publikum vorgesetzt - und er ist damit hereingefallen.
({0})
Er ist damit hereingefallen; denn das Dementi, an das er nicht geglaubt hat, hat der Bundeskanzler j a nun prompt und überzeugend geben können. Angesichts des Inhalts der Meldung und der Bedeutung der amerikanischen Nachrichtenagentur, die sie bereits vor Wochen verbreitet hat, hätte dieses Dementi allerdings nach meiner Meinung schon früher geschehen sollen.
({1})
Mit Erstaunen habe ich nun vom Tonband gehört, daß ich persönlich für den Artikel verantwortlich gehalten werde. Herr Bundeskanzler, Sie sind zwar für jedes Wort Ihres Pressechefs verantwortlich,
(
Das lehne ich ab! - Große Heiterkeit)
weil Ihr Pressechef Ihnen Gehorsam schuldet. Ich bin Verleger der ;Zeit". Redakteure nämlich, Herr Bundeskanzler, sind nach der guten Sitte freier Länder vom Verleger unabhängig,
({0})
was nicht ausschließt, daß Zeitungen wie manche Fraktionen von ihren Parteileitungen gesteuert werden, - aber nicht die „Zeit"! Als Verleger bin ich für die Grundrichtung des Blattes verantwortlich. So bestimmt es der Entwurf des Pressegesetzes, den der Herr Innenminister - Ihr Innenminister, Herr Bundeskanzler! - der Öffentlichkeit vorgelegt hat. Die Grundrichtung des Blattes allerdings vertrete ich. Daß sich freilich Herr Bourdin nicht leicht steuern läßt, das wird Ihnen bekannt sein!
({1})
Wir haben es eben beide nicht ganz leicht mit der Presse, Herr Bundeskanzler!
({2})
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die 256. Sitzung auf morgen, Freitag, den 20. März 1953, 9 Uhr, und schließe die 255. Sitzung.