Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 249. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Vor Eintritt 'in die Tagesordnung
({0})
möchte ich der Tatsache gedenken, daß durch die Sturmkatastrophe am vergangenen Sonnabend und Sonntag in England, in Belgien und insbesondere in Holland Verwüstungen in einem seit langer Zeit nicht gekannten Ausmaße, Verluste an Menschenleben in einer außerordentlich großen Zahl und ebenso Verluste an wertvollem Gut der uns befreundeten Völker eingetreten sind. Ohne daß ich dem wohl noch zu stellenden Antrage der Fraktionen dieses Hauses zu diesem Thema vorgreife, möchte ich die Völker Hollands, Belgiens und Englands des tiefen Mitgefühls des Deutschen Bundestags und des deutschen Volkes versichern und zum Ausdruck bringen, daß wir derartige Katastrophen, die nur durch ein gütiges Geschick an unserer Küste vorübergegangen sind, als einen Anlaß empfinden, der Gemeinschaft der Völker und der gegenseitigen Verpflichtung zur Hilfe und zum Mittragen in besonderer Weise zu gedenken. - Sie haben sich zum Gedenken an die fast 2000 Opfer dieser Katastrophe von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich habe dem Herrn Bundespräsidenten zum 69. Geburtstag am 31. Januar die herzlichen Wünsche des Deutschen Bundestags ausgesprochen und darf mich heute auch zum Dolmetsch des Parlaments machen, indem ich diese Glückwünsche hier ausdrücklich wiederhole und ausspreche.
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({2})
Ich beglückwünsche den Herrn Abgeordneten Gaul zu seinem 64. Geburtstag, den er am 1. Februar gefeiert hat,
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und den Herrn Abgeordneten Kuhlemann zu seinem 62. Geburtstag, den er heute feiert, ohne uns die Freude seiner Anwesenheit zu machen.
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An Stelle des Herrn Abgeordneten Etzel ist in den Bundestag, wie ich bereits angekündigt hatte, Herr Abgeordneter Dr. Handschumacher eingetreten. Er ist heute zum erstenmal im Plenum anwesend. Ich heiße ihn herzlich willkommen und wünsche ihm eine befriedigende Arbeit in unserem
Kreise.
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Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Dr. von Brentano für fünf Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeordneter Even für vier Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Fürst Fugger von Glött und Abgeordneter Bromme, beide für vier Wochen wegen Krankheit, Abgeordnete Frau Lockmann für drei Wochen wegen Krankheit und Abgeordneter Dr. Laforet für zwei Wochen wegen Krankheit.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Wönner, Dr. Pferdmenges, Dirscherl, Rath, de Vries, Dr. Will, Wallner, Sander, Freitag, Dr. Henle, Frau Thiele, Frau Strohbach, Reimann, Onnen, Dr. Mießner, Freudenberg, Bazille, Dr. Kopf, Kalbfell, Mertins, Hilbert, Schmücker, Volkholz, Dr. Hoffmann ({0}), Dr. Becker ({1}), Temmen, Henßler, Kuhlemann, Wagner, Cramer und Dr. Veit.
Ich danke schön. Ich unterstelle, daß der Urlaub, soweit er über eine Woche hinausgeht, von Ihnen genehmigt ist. - Das ist der Fall.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes hat unter dem 17. November 1952 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 186. Sitzung eine Denkschrift zur Frage des deutschen diplomatischkonsularischen Eigentums im Ausland überreicht, die als Drucksache Nr. 3969 verteilt worden ist.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat am 31. Januar 1953 den Entwurf einer Verordnung Z Nr. 1/52 über Preise für Zuckerrüben der Ernte 1952 übersandt zur Bekanntgabe im Bundestag gemäß § 6 Abs. 5 des Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Zucker vom 3. Oktober 1951. Der Verordnungsentwurf liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Zur heutigen Tagesordnung liegt ein Antrag der Fraktionen des Hauses vor,
({0})
der als Umdruck verteilt worden ist. Herr Abgeordneter Dr. Gerstenmaier wünscht, zur Tagesordnung das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Anschluß an die Eingangsworte des Herrn Präsidenten haben die Fraktionen der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der DP und der FU dem Hause den Vorschlag zu machen, daß in Abänderung der Tagesordnung der Antrag, der als Drucksache Nr. 4055 verteilt ist, als Punkt 1 der Tagesordnung nunmehr zur Verhandlung gestellt wird.
Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Gerstenmaier gehört. Ich darf unterstellen, daß das Haus mit dieser Abänderung der Tagesordnung einverstanden ist.
Weitere Änderungen der Tagesordnung bitte ich freundlichst zur Kenntnis zu nehmen. Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat soll der Punkt 9:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Notaufnahme ({1}),
mit Rücksicht auf die Besprechungen, die zu dem
in diesen Anträgen angeschnittenen Thema gestern
in Berlin mit allen in Frage kommenden Stellen
und Verbänden abgehalten worden sind, und mit
Rücksicht auf die für Freitag vereinbarten Besprechungen mit den Ministerpräsidenten der Länder
und dem Regierenden Bürgermeister von Berlin
hier in Bonn an den Ausschuß zurückverwiesen
werden. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist. - Das ist der Fall.
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- Ich hatte mir gestattet, darauf hinzuweisen, daß eine Vereinbarung im Ältestenrat über diese Frage herbeigeführt worden ist.
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Weiterhin habe ich Ihnen nach einer Vereinbarung im Altestenrat vorzuschlagen, daß die
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten ({4}) über den Antrag der Fraktion der FU ({5}) betreffend Regelung zur Rückgabe der Gebäude und Grundstücke des deutschen Auswärtigen Dienstes im Ausland ({6})
noch einmal an den Ausschuß zurückverwiesen wird, da es der Ausschuß für erforderlich hält, zu dieser Frage noch eine Beratung abzuhalten. - Auch mit dieser Veränderung der Tagesordnung sind Sie einverstanden; ich stelle das ausdrücklich fest.
Damit sind die vorgesehenen Änderungen der Tagesordnung bekanntgegeben.
Wir kommen also zunächst - ({7})
- Noch ein Änderungsantrag zur Tagesordnung; Herr Abgeordneter Kunze, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Vereinbarung aller Fraktionen, die leider erst nach der Sitzung des Ältestenrates getroffen werden konnte, wird zu Punkt 4 a der Tagesordnung, betreffend Gesetzentwurf über Abänderung des Lastenausgleichsgesetzes, beantragt,
({0})
die zweite und dritte Lesung unmittelbar anzuschließen, damit wir dieses Gesetz heute noch verabschieden können. Es handelt sich lediglich darum, eine Fristverlängerung für die Antragstellung zur Kriegsschadenrente vorzunehmen.
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Meine Damen und Herren, darf ich unterstellen, daß Sie mit dieser Regelung einverstanden sind? - Das ist der Fall.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, habe ich noch bekanntzugeben, daß der Ausschuß für Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz um 16 Uhr in Zimmer 206 Süd zu einer Sitzung zusammentritt.
Damit kommen wir zu der Tagesordnung, und zwar zunächst zu dem eingefügten Punkt:
Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU ({0}) betreffend Hilfe für die Opfer der westeuropäischen Naturkatastrophe ({1}).
Den Antrag wünscht Herr Abgeordneter Dr. Schmid zu begründen.
Dr. Schmid ({2}) ({3}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Unwetter, wie man es seit Menschengedenken nicht erlebt hat, hat ganze Küstenstriche in Großbritannien, in Belgien, in den Niederlanden verheert. Hunderte von Menschen sind umgekommen, unermeßlicher Schaden ist angerichtet worden. Besonders schwer sind die Niederlande betroffen. Die Bundesregierung, Landesregierungen, Städte, das Deutsche Rote Kreuz, Wohlfahrtsverbände und die Gewerkschaften haben sofort Hilfe geleistet.
Mit dieser Hilfe kann es aber nicht sein Bewenden haben. Es ist mehr nötig. Wir wissen, daß auch in unserem Lande Tausende von Menschen neu in Not gekommen sind: die Ostzonenflüchtlinge, denen vordringlich geholfen werden muß und denen nicht immer ausreichend geholfen werden konnte. Ihnen muß weiter und mehr geholfen werden.
Aber das entbindet uns nicht der Menschenpflicht, auch denen unsere Hilfe anzubieten, die außerhalb unserer Grenzen vom Unglück geschlagen worden sind. Wir sollten dabei bis an die Grenze des Möglichen gehen. Es handelt sich hierbei nicht um einen Akt internationaler Höflichkeit, es muß wirklich geholfen werden. Vergessen wir dabei nicht, daß auch uns geholfen worden ist - und aus Ländern, die unter uns zu leiden hatten.
Die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und FU bitten Sie, folgenden Antrag anzunehmen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag spricht der Bevölkerung der von der Naturkatastrophe der letzten Tage betroffenen Nachbarländer seine aufrichtige Anteilnahme aus.
Der Deutsche Bundestag hat mit Befriedigung von den -Hilfsmaßnahmen Kenntnis genommen, die durch die Bundesregierung, deutsche Länder und Städte sowie Wohlfahrtsorganisationen und Gewerkschaften eingeleitet worden sind.
Die Bundesregierung wird ersucht, den Regierungen der betroffenen Staaten - vor allem der Regierung der von der Wasserkatastrophe besonders schwer heimgesuchten Niederlande - im weitesten Umfang materielle und personelle Hilfe auch weiterhin anzubieten.
({4})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundespräsident hat den Staatsoberhäuptern der betroffenen Länder das Beileid des deutschen Volkes ausgesprochen. Namens der Bundesregierung habe ich den Regierungen der betroffenen Länder gegenüber das gleiche getan, und ich habe die Bereitschaft zu helfen in weitestem Umfange angeboten. Von dieser Bereitschaft hat zunächst die niederländische Regierung Gebrauch gemacht. Ich glaube, ich kann mich darauf beschränken, auf das zu verweisen, was darüber in der Presse schon veröffentlicht worden ist. Wahrscheinlich werden noch weitere Motorboote gebraucht. Es wird dafür gesorgt werden, daß diese Motorboote entsandt werden. Ich glaube, es handelt sich hier um eine europäische Angelegenheit. Daher waren namentlich wir, die wir doch vom Ausland auch sehr viele Wohltaten erfahren haben, in besonderer Weise verpflichtet, zu helfen und uns zu erbieten, weitere Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen. Die beteiligten Regierungen haben für das Angebot der deutschen Bundesregierung und der Bundesrepublik herzlichst gedankt.
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Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß sich angesichts der Tatsache, um die es sich handelt, und angesichts der einmütigen Haltung der Fraktionen des Hauses eine Aussprache über diesen Punkt erübrigt. Ich darf Sie darum bitten, wenn Sie dem Antrag der Drucksache Nr. 4055 zuzustimmen wünschen, sich von Ihren Plätzen zu erheben. - Ich stelle fest, daß dieser Antrag vom Deutschen Bundestag einstimmig angenommen worden ist.
Ich rufe den Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Fortsetzung der Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Entwurf eines Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes ({1}).
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- Zu einer Erklärung wünscht das Wort Herr Abgeordneter Lücke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für einen Teil meiner Freunde aus der Fraktion der CDU/CSU darf ich zu dem Bericht des Vermittlungsausschusses folgende Erklärung abgeben.
Die Beratungen zu dem Wohnraumbewirtschaftungsgesetz wurden sehr gründlich geführt. Das Hohe Haus hat das Beratungsergebnis durch einstimmige Annahme des Gesetzes in zweiter und in dritter Lesung bestätigt. Das Beratungsergebnis des Vermittlungsausschusses stellt eine Einengung der von uns gewünschten und möglichen Freiheit der
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Wohnraumbewirtschaftung dar, der wir nur unter schweren Bedenken zustimmen können. Wenn ein Teil meiner Freunde dem Bericht des Vermittlungsausschusses trotzdem zustimmt, dann deshalb, um die Verabschiedung dieses so wichtigen Gesetzes nicht zu gefährden. Der Gesetzentwurf wird draußen im Lande dringend benötigt. Städte und Gemeinden warten darauf, daß endlich das Militärregierungsgesetz Nr. 18 durch deutsches Recht abgelöst wird. Wir erwarten vom deutschen Bundesrat, daß er dem Bericht des Vermittlungsausschusses ebenso zustimmt, damit der Gesetzentwurf über die Wohnraumbewirtschaftung Rechtskraft erhalten kann.
({1})
Zu einer Erklärung hat das Wort Herr Abgeordneter Huth.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf habe ich für einen Teil meiner Freunde noch eine Erklärung abzugeben. Der Ausschuß und der Bundestag haben das Gesetz einstimmig verabschiedet. Die Praxis ist weit über den Rahmen des Gesetzes heute schon hinausgeschritten. Wenn der Bundesrat der Gesetzesvorlage nicht zugestimmt hat, so bedeutet das nach unserer Ansicht einen Rückschritt. Wir bedauern daher, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses nicht zustimmen zu können.
Herr Abgeordneter Jacobi ebenfalls zu einer Erklärung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die beiden Erklärungen, die soeben abgegeben worden sind, zwingen mich, für die sozialdemokratische Fraktion darauf hinzuweisen, daß die Abänderungswünsche des Bundesrates sachlich bedingt waren. Der Bundesrat hat sich gegenüber dem einstimmigen Beschluß des Deutschen Bundestages, nach sorgfältiger Prüfung des Sachverhaltes, außerstande gesehen, das Gesetz vollinhaltlich zu akzeptieren. Er hat auf die besonderen Schwierigkeiten hingewiesen, die sich in den Ländern ergeben, in denen durch die Vertriebenensituationen, vor allem durch die Ostzonenflüchtlinge, über die bestehenden Zustände hinaus eine besonders drohende Gefährdung der Wohnraumlage entstanden ist.
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Wir halten den Vorschlag des Vermittlungsausschusses für einen tragbaren Kompromiß, dem das ganze Haus zustimmen kann.
Herr Abgeordneter Jaffé wünscht auch, eine Erklärung abzugeben, wobei ich allgemein bitte, den Unterschied zwischen einer Diskussionsrede und einer Erklärung so weit wie möglich aufrechtzuerhalten.
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Nur eine Erklärung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich folgende Erklärung abzugeben. Die Einschränkungen, die der Bundesrat in § 12 des Gesetzes vorsieht, sind für uns bedenklich. Wir wären aber bereit, sie in Kauf zu nehmen. Wir sind jedoch nicht bereit, uns mit den uns sehr schwerwiegend erscheinenden Beschränkungen des § 15 abzufinden. Wir bedauern infolgedessen, dem Gesetz nicht zustimmen zu können.
Meine Damen und Herren! Weitere Erklärungen werden offenbar nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 4025. Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, daß über die Änderungen, d. h. über die Ziffern 1 bis 6, die auf der Rückseite der Drucksache vermerkt sind, gemeinsam abzustimmen ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war ohne Zweifel die Mehrheit. Damit ist der Antrag des Vermittlungsausschusses angenommen, da wegen der gemeinsamen Abstimmung eine Schlußabstimmung entfällt.
Ich rufe dann Punkt 2 auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Deutsche Bundesbank ({0});
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Währungs- und Notenbank des Bundes ({1}) ({2}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen zu 2 a eine Begründungszeit von 20 Minuten und eine Aussprachezeit von insgesamt 90 Minuten vor. Ich darf annehmen, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Wer wünscht den von der FDP eingebrachten Gesetzentwurf zu begründen?
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- Abgeordneter Preusker ist im Kommen.
Wer wünscht, das Bundesbankgesetz zu begründen? - Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums. Darf ich bitten. - Sie sind damit einverstanden, daß ich den Regierungsentwurf zuerst begründen lasse.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Schäffer bedauert sehr, infolge der Notwendigkeit, an der heutigen Sitzung des Zentralbankrats in Frankfurt teilzunehmen, den Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht selbst begründen zu können.
Ich werde in der Begründung nicht auf technische Einzelheiten eingehen, sondern versuchen, nur die großen, grundlegenden Gesichtspunkte herauszuarbeiten, und zwar zunächst die hauptsächlichsten Unterscheidungsmerkmale zwischen dem Initiativantrag der FDP und dem Entwurf der Bundesregierung. Die Bundesregierung ist sich der besonderen Bedeutung dieses Gesetzentwurfs bewußt. Unser Volk hat in einer Generation zweimal den Zusammenbruch einer Währung erlebt, und die Gesetzgebung auf diesem Gebiet muß daher besonders gründlich und gewissenhaft durchgeführt werden. Leider haben aber in der Diskussion um dieses Gesetz nicht die währungspolitischen Fragen,
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zu denen vor allem die Frage nach der Unabhängigkeit der Zentralbank gehört, die entscheidende Rolle gespielt, sondern mehr die Frage nach dem organisatorischen Aufbau. Über diesem, ich möchte sagen, beinahe dogmatischen Gegensatz in der Organisationsfrage sind die gemeinsamen praktischen Gesichtspunkte, die von beiden Richtungen bejaht werden, leider zu stark in den Hintergrund getreten. Ich möchte zunächst einmal die Gemeinsamkeiten der beiden Gesetzentwürfe herausarbeiten.
Ich glaube, beide Entwürfe sind sich in den folgenden Punkten einig:
1. Die Währungs- und Notenbank des Bundes soll möglichst weitgehend unabhängig sein, damit sie in der Lage ist, frei von Einflüssen irgendwelcher Art die Sicherheit der Währung im wirtschaftlichen Leben zu gewährleisten. Natürlich kann die Währungs- und Notenbank nicht völlig nach ihrem eigenen Gutdünken sozusagen im luftleeren Raum operieren. Sie muß irgendwie mit der allgemeinen Wirtschaftspolitik des Staates und der in diesem Staat wirkenden Regierung in Zusammenhang gebracht werden. Ohne eine Abstimmung zwischen der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Regierung und der Notenbankpolitik bestünde die Gefahr, daß durch ein Gegeneinanderarbeiten beider Organe eine wirtschaftliche Verwirrung, ein schwerer Schaden für Staat und Volk entsteht. Aber die Koordinierung darf nicht zu einer Abhängigkeit der Notenbank führen. Die Bank muß jederzeit die Freiheit haben, Entwicklungen entgegenzutreten, die nach ihrer Ansicht währungspolitische Gefahren, insbesondere die Gefahr einer Inflation oder einer Deflation, in sich bergen. Diese Befugnis muß die Währungs- und Notenbank notfalls auch gegen den Willen einer Bundesregierung ausüben können. In dieser Grundansicht dürften sich beide Richtungen einig sein. Auf die Frage der Sicherung dieser Unabhängigkeit werde ich später noch zurückkommen.
2. Auch über den Wirkungskreis der künftigen Notenbank dürfte grundsätzlich Einigkeit bestehen. Soweit im Regierungsentwurf einzelne Vorschriften nicht enthalten sind, die sich im Initiativentwurf der FDP finden, liegt das daran, daß einige im FDP-Entwurf der Bundesbank übertragene Geschäfte im Regierungsentwurf dem Gesetzentwurf über die Landeszentralbanken vorbehalten sind, der von der Bundesregierung bereits dem Bundesrat übersandt worden ist.
3. Die wirtschaftliche und technische Ausgestaltung der Bundesbank - Aufgabenstellung, Beteiligungsbefugnis usw. - unterscheidet sich in beiden Entwürfen nicht wesentlich. Das bedeutet, daß die wichtigsten Grundfragen und der eigentliche bank-und währungspolitische Fragenbereich im wesentlichen unstreitig ist.
Als Hauptstreitpunkt bleibt der Gegensatz der Auffassungen in der Frage der organisatorischen Ausgestaltung der Bundesbank. Diese spitzt sich auf das Problem zu, ob die bestehenden Landeszentralbanken beibehalten oder in Filialen der Bundesbank umgewandelt werden sollen. Dazu ist folgendes zu sagen: Verfassungsrechtlich hat man aus dem Wortlaut des Art. 88 des Grundgesetzes die Notwendigkeit eines zentralen Aufbaus der Bundesbank unter Auflösung der Landeszentralbanken herauszulesen versucht. Dem widersprachen bereits die Gutachten namhafter Rechtswissenschaftler, die feststellten, daß Art. 88 des Grundgesetzes eine Lösung auch im dezentralen Sinne unseres föderativen Staatsaufbaues durchaus offenläßt. Der Bundesrat hat sich in seinem Rechtsausschuß besonders eingehend mit diesem Problem befaßt und ist zu dem gleichen Ergebnis gekommen, nämlich daß die Beibehaltung der Landeszentralbanken verfassungsmäßig zulässig ist, insbesondere daß Anordnungen und Weisungen der Bundesbank an die Landeszentralbanken verfassungsmäßig zulässig sind. Zu der Zeit, als das Grundgesetz geschaffen wurde, war das Zentralbanksystem so fest gegründet, daß es einer ausdrücklichen Festlegung im Grundgesetz bedurft hätte, wenn man sich von diesem System wieder abwenden und zur alten Reichsbanklösung hätte zurückkehren wollen.
In organisatorischer Hinsicht wird geltend gemacht, das Reichsbanksystem mit seinen von einer Zentrale gesteuerten Filialen sei schlagkräftiger. Die Lehren der bisherigen Entwicklung unterstützen diese Behauptung nicht. Das Reichsbanksystem hat einen zweimaligen Währungsverfall nicht verhindern können, während das Zentralbanksystem unbestreitbar zur anerkannten Stabilität unserer Währung maßgebend beigetragen hat.
In wirtschaftlicher Beziehung wird dargelegt, die Bundesbank werde bei einem dezentralen System automatisch zur Deckung des Refinanzierungsbedarfs der Landeszentralbanken verpflichtet. Das würde nur bei einem extrem-dezentralen System zutreffen. Bei einem gemischten System, wie es der Regierungsentwurf aufweist, besteht diese Gefahr nicht. Der Regierungsentwurf enthält im § 9 die vom Bundesrat verfassungsmäßig bejahte Befugnis der Bundesbank, Richtlinien zur Durchführung der Währungs- und Kreditpolitik, einschließlich der Offenmarktpolitik aufzustellen, die die Landeszentralbanken binden. Ferner kann die Bundesbank auch in Einzelfällen Anordnungen treffen. Damit kann die Bundesbank notfalls Refinanzierungskontingente festlegen und somit einer Gefahr begegnen, die übrigens in der bisherigen Tätigkeit des Zentralbanksystems noch nicht praktisch geworden ist.
Wenn man schließlich erklärt, die „Wirtschaft" wünsche die zentrale Organisierung der Bundesnotenbank, so darf dem entgegengehalten werden, daß von Länderseite dargelegt worden ist, die Notenbank werde bei einem dezentralen System viel stärker der Wirtschaftslage der einzelnen Wirtschaftsgebiete der Bundesrepublik gerecht, als wenn nur eine einheitliche Leitung von einer Zentrale aus nach der Planung des „Grünen Tisches" die Währungs- und Kreditpolitik bestimme. Tatsächlich ist es auch so, daß diese Wünsche nach zentraler Ausgestaltung der Notenbank wohl von einer Anzahl überregionaler Unternehmen geäußert werden mögen, daß aber die Masse der Wirtschaftsunternehmen, auf die es ankommt, der Beibehaltung des derzeitigen Systems zuneigt. Die Zentralinstitute erhalten übrigens nach dem Regierungsentwurf das Recht zum unmittelbaren Geschäftsverkehr mit der Bundesnotenbank.
Die Bundesregierung hat sich nach eingehenden Beratungen für eine Lösung entschieden, die grundsätzlich von der Beibehaltung der Landeszentralbanken ausgeht, aber diese dezentrale Lösung durch Beifügung einer Anzahl zentraler Klammern in ein gemischtes System abwandelt. Die Bundesregierung glaubt, daß auf Grund der Erfahrungen
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der Vergangenheit und bei der heutigen staatsrechtlichen und währungspolitischen Situation diese Lösung die beste ist. Hierfür waren reine Zweckmäßigkeitserwägungen maßgebend. Wie der Berichterstatter im Bundesrat, Herr Senator NoltingHauff, hervorgehoben hat, hat diese Entscheidung nichts mit einem Rückfall in ein Denken der Vergangenheit oder gar mit den Interessen eines kleinstaatlichen Egoismus zu tun. Es erscheint mir nicht hinreichend realistisch, wenn man sich daran stößt, daß das Zentralbanksystem auf Grund alliierter Gesetzgebung eingeführt worden ist. Entscheidend ist nicht der Ursprung einer Institution, sondern ihre Arbeitsweise. In dieser Hinsicht besteht kein Grund zur Unzufriedenheit. Das Zentralbanksystem mit der Bank deutscher Länder an der Spitze hat sich in allen schwierigen währungspolitischen Lagen, insbesondere in den beiden Zahlungsbilanzkrisen im Herbst 1950 und im Februar 1951, bestens bewährt.
Im einzelnen ist in diesem Zusammenhang noch zu sagen:
Der föderative Aufbau der Bundesrepublik selbst. Es ist kein Grund ersichtlich, warum in einem Bundesstaat von einem föderativen System abgewichen werden sollte, das sich, wie ich schon sagte, in der Praxis bewährt hat. Im übrigen kann es die allseitig gewünschte Unabhängigkeit der Bundesnotenbank nur stärken, wenn man die Länder über die Beteiligung der Landeszentralbankpräsidenten im Bundesbankrat an der Verantwortung teilnehmen läßt.
Im Rahmen der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Lösung läßt sich die Einbeziehung Berlins in das Notenbanksystem ohne Schwierigkeiten erreichen. Die Organisation der Berliner Zentralbank sowie eine Anzahl der darauf bezüglichen Befugnisse des Landes Berlin bleiben bei dieser Lösung gewahrt. Wenn hingegen das zentrale Filialsystem gewählt würde, so müßten angesichts der besonderen internationalen Stellung des Landes Berlin erhebliche, gegebenenfalls unüberbrückbare staatsrechtliche Schwierigkeiten auftreten. Es ist nicht einzusehen, warum man sich in eine solche schwierige Lage begeben soll, wenn eine einfachere Lösung zur Verfügung steht.
Von außerordentlicher praktischer Bedeutung ist es weiterhin, daß die Landeszentralbanken vom Bund gar nicht gegen den Willen der Länder aufgelöst werden können. Gutachten des Bundesjustizministeriums und des Rechtsausschusses des Bundesrates sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, daß der Bund den Landeszentralbanken äußerstenfalls ihre währungspolitischen Befugnisse entziehen kann. Zweifelhaft erscheint, ob er ihnen den Namen „Landeszentralbank" nehmen darf. Ohne ein verfassungsänderndes Bundesgesetz kann jedoch die Organisation der Landeszentralbanken als landesrechtliche Einrichtung nicht aufgehoben werden. Was für ein Schauspiel würden wir der Öffentlichkeit ,geben, wenn in der Bundesrepublik neben den Filialen einer zentralisierten Bundesbank auch noch neun Landeszentralbanken weiter existieren würden! Das Gutachten des Bundesjustizministeriums geht von der Erwartung aus, daß die Landeszentralbanken durch die eintretende Geschäftsschrumpfung und durch Personalmangel gewissermaßen allmählich eintrocknen würden. Wie denkt man sich das bezüglich der Bürogebäude, der Wohnungen, des übrigbleibenden Personals? Statt einer solch umständlichen und in ihrem Ergebnis zweifelhaften Lösung erscheint es richtiger, die eingearbeiteten und leistungsfähigen Landeszentralbanken beizubehalten.
Der FDP-Entwurf sucht diese Schwierigkeiten dadurch zu vermeiden, daß er die Landeszentralbanken den Ländern gewissermaßen abkaufen will. Zu diesem Zweck soll die Schuld der Länder aus den den Landeszentralbanken zustehenden Ausgleichsforderungen auf den Bund übergehen. Der hierzu vom Bund zu übernehmende Betrag beläuft sich auf nicht weniger als etwa 2 1/2 Milliarden DM! Eine solche Bestimmung wäre ein Vorgriff auf die künftige allgemeine Regelung der Ausgleichsforderungen und sonstigen Umstellungslasten. Ich glaube, keine Bundesregierung kann bei der Lage des Bundeshaushalts die Übernahme eines solchen Blocks von Schulden im gegenwärtigen Augenblick vorsehen und verantworten. Das Problem der Ausgleichsforderungen muß später einmal im großen Rahmen gelöst werden. Wir dürfen aber nicht in den Fehler verfallen, die Dinge überstürzt und kurzfristig regeln zu wollen. Ein zwingender Anlaß für eine solche Lösung in diesem Augenblick liegt auch nicht vor. Demgegenüber ermöglicht der Regierungsentwurf einen organischen Übergang von dem derzeit bestehenden Zentralbanksystem auf das künftige Bundesbanksystem, das stark zentralistische Züge trägt. In der Frage des Aufbaus des Banksystems, der personalmäßigen Besetzung, der Behandlung der Länderinteressen und der wirtschaftlichen Fragen schließt sich der Regierungsentwurf dem bestehenden Zustand derart an, daß eine reibungslose Überleitung ermöglicht, dabei aber doch eine neue, unter Bundesgesichtspunkten arbeitende Institution geschaffen wird.
Schließlich erscheint auch die tatsächliche Sicherung der von beiden Richtungen gewünschten Unabhängigkeit der Bundesbank bei dieser Lösung am besten gewährleistet. Bei einer streng zentralisierten Notenbank genügt es trotz der gesetzlichen Garantie der Unabhängigkeit, die Leitung eines solchen zentral gesteuerten Instituts für die jeweilige Regierungspolitik zu gewinnen, um damit die Zentralnotenbank in einer bestimmten Richtung zu lenken. Die Organisierung des Bundesbankrats nach dem Regierungsentwurf schließt eine solche Möglichkeit aus. Der Bundesbankrat setzt sich im wesentlichen aus den Präsidenten der Landeszentralbanken zusammen, die von den Ländern nach Anhörung der Bundesregierung ernannt werden. Dieses Gremium, das durch die Mitglieder des Direktoriums verstärkt werden soll, kann wohl kaum dem Willen der jeweiligen Bundesregierung unterworfen werden; denn eine entscheidende Einflußnahme der Bundesregierung ist dann gar nicht möglich. Nach dem Regierungsentwurf soll die Bundesregierung lediglich ein Einspruchsrecht gegen die Beschlüsse des Bundesbankrates haben, das zu erneuter Beratung führt und bei dieser überstimmt werden kann. Daß ein Organ ähnlich wie der Bundesbankrat schwer entbehrlich ist, erhellt daraus, daß auch der Entwurf der FDP-Fraktion für bestimmte Fälle ein besonderes Kuratorium vorsieht, das aus drei Mitgliedern der Bundesregierung und zwei Bundesratsmitgliedern bestehen soll.
Der Bundesbankrat in unserem Entwurf bedeutet nichts anderes als die Ausweitung des Direktoriums durch ein Gremium von Fachleuten, die selbst eine Verantwortung an der Spitze selbständiger Anstalten zu tragen gewöhnt sind und deren
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Urteil deshalb in allen grundsätzlichen Fragen der Geld- und Kreditpolitik von besonderer Bedeutung ist. Es wird dadurch der oft gerügte Fehler des Reichsbanksystems vermieden, daß die Abhängigkeit von einer zentralen Leitung eine selbständige Meinungsbildung der regionalen Leitung stark behindert oder sogar unmöglich macht.
Meine Damen und Herren! Der Regierungsentwurf des Bundesbankgesetzes stellt sich somit im Ergebnis als ein wohlabgewogenes Kompromiß zwischen zentralen und dezentralen Anforderungen dar. Unter Beibehaltung der vom Bundesgesetzgeber nicht zu beseitigenden Landeszentralbanken soll ein Gebäude errichtet werden, das in der Anordnungsbefugnis der Bundesbank gegenüber den Landeszentralbanken auf währungspolitischem Gebiet, in der Personalunion des Präsidenten des Direktoriums und des Präsidenten des Bundesbankrates sowie in dem Agrément der Bundesregierung für die in den Bundesbankrat aufzunehmenden Präsidenten der Landeszentralbanken hinreichend zentrale Bestimmungen besitzt, um zu verhindern, daß, einzelne Landeszentralbanken aus der währungspolitischen Linie ausbrechen. Diese zentralen Bindungen sind so stark, daß die Bundesbank das gesamte System beherrscht und eine echte Bank des Bundes ist.
Die Bundesregierung mußte daher auch eine Anzahl von Einwendungen des Bundesrates, die meist diese Grundsätze des Systems betrafen, zurückweisen. Die Bundesregierung darf der Erwartung Ausdruck geben, daß diese vermittelnde Lösung, die allen Interessen gerecht zu werden versucht, die Zustimmung des Hohen Hauses finden wird.
Ich habe mir erlaubt, Ihnen die nüchternen, jedem dogmatischen Denken abholden Erwägungen vor Augen zu führen, die die Bundesregierung zu der von ihr gewählten Lösung bestimmt haben. Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat das Vertrauen, daß das Hohe Haus ebenso undogmatisch und frei von Gefühlsbindungen an vergangene Institutionen den vorgelegten Entwurf unter dem Gesichtspunkt des praktisch und politisch Möglichen und des Zweckmäßigen würdigt. Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß das Hohe Haus es als seine Aufgabe ansehen wird, neben so vielen anderen wichtigen Gesetzgebungswerken auch die in Art. 88 des Grundgesetzes gestellte Aufgabe noch in dieser Legislaturperiode zu einem guten Ende zu bringen. Angesichts der Stellungnahme des Bundesrates besteht eine Aussicht dafür nach unserer Überzeugung nur, wenn das Hohe Haus sich entschließt, den von der Bundesregierung empfohlenen Weg eines echten Kompromisses einzuschlagen, der vor allem auch die beste Garantie der Unabhängigkeit der Notenbank darstellt.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Dr. Preusker ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über die Währungs- und Notenbank ist zweifellos nicht eine Angelegenheit für Spezialisten, sondern es entscheidet in seiner Konstruktion unter Umständen über das Schicksal eines ganzen Volkes und greift gegenwärtig auch schon daruber hinaus unter umständen in das Geschehen und Schicksal anderer Völker ein. Deshalb muß ein solches Gesetz nach unserer Auffassung drei Hauptforderungen erfüllen. Es muß einmal die Stabilität und Sicherheit der Währung garantieren. Dazu gehört in erster Linie die Ausschaltung jeder Art von Sonderinteressen, Sonderrisiken und Sondereinflüssen. Zum zweiten muß es eine einfache, schnell und für jedermann jederzeit übersehbare Konstruktion aufweisen und eine sparsame Verwaltung besitzen, insbesondere muß nach unserer Auffassung eine völlige Übereinstimmung zwischen dem währungs- und kreditpolitischen und dem wirtschaitspolitischen Entscheidungsraum gegeben sein. Dazu kommt im Falle Deutschlands eine Reihe besonderer Forderungen, nämlich einmal die Rücksichtnahme auf eine Erleichterung der Wiedervereinigung und zum zweiten eine Rücksichtnahme auf die besonderen Aufgaben und Notwendigkeiten einer europäischen Integration.
Deshalb, weil diese Fragen so entscheidend sind, weil sie insbesondere nach zwei Inflationen und einem uns nach diesem Krieg von den Besatzungsmächten diktierten Währungs- und Geldsystem zum Problem geworden sind, wird es notwendig sein, sie nach allen Richtungen hin gründlich und nachhaltig zu überlegen. Das Ergebnis uns e r e r Überlegungen haben wir in unserem Gesetzentwurf vorgelegt. Sie sehen daraus, daß, wie es auch Staatssekretär Hartmann schon betont hat, in vielen Punkten durchaus eine Übereinstimmung zwischen dem Regierungsentwurf und dem Entwurf der FDP-Fraktion besteht, insbesondere in einem ganz kardinalen Punkt, nämlich dem der Sicherung der Unabhängigkeit der letzten Entscheidung der Notenbank durch entsprechende Gestaltung des Verhältnisses zwischen Bundesregierung und Bundesnotenbank.
In anderen Punkten sind aber doch so wesentliche Unterschiede zwischen unserer Auffassung und der der Regierung festzustellen, daß ich jetzt einmal die wesentlichsten Differenzpunkte herausstellen möchte. Ich darf mir im übrigen erlauben, auf die an die Mitglieder des Hohen Hauses bereits verteilte schriftliche Einzelbegründung zu verweisen, die ich dem Herrn Präsidenten zur Beifügung zum Protokoll*) übergeben darf.
Nur eine oberflächliche Betrachtungsweise könnte die kardinale Differenz zwischen dem Regierungsentwurf und dem Entwurf der FDP etwa in der Frage „föderalistischer oder unitarischer Aufbau?" sehen. Das ist nicht im geringsten das Problem gewesen, das für uns im Vordergrund gestanden hat, im Gegenteil sieht der Entwurf der FDP in der Gestaltung der Organe der Bundesnotenbank eine völlig paritätische Berücksichtigung der lebendigen Gestaltungskräfte der Länder vor, genau so wie der Regierungsentwurf es tut. Ich darf das an anderer Stelle noch begründen.
Der entscheidende Unterschied ist vielmehr folgender. Im Gegensatz zum Regierungsentwurf gewährleistet der Entwurf der FDP die absolute Übereinstimmung und Einheitlichkeit von wirtschafts-, kredit- und währungspolitischem Entscheidungsraum, zum zweiten die Sicherung der automatischen Einheit der Währungs- und Notenbankpolitik im Bundesgebiet durch einheitliche Maßstäbe und Spielregeln, durch Ausschaltung jeder Art von Sonderinteressen, -risiken oder -einflüssen, insbesondere von Sondereinflüssen wirtschaftlicher, kreditmäßiger oder finanzpolitischer Art, die von irgendwelchen Teilbereichen, Ländern aus diesem Bundesgebiet herrühren können. Schließlich ge-
*) Vergl. Anlage Seite 11 921
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währleistet unser Entwurf dadurch, daß er die Möglichkeit wöchentlicher Gesamtausweise vorsieht, während das der Regierungsentwurf zwangsläufig nur jeden Monat einmal zustande bringen kann, eine jederzeitige Gesamtübersicht über die wirtschafts- und kreditpolitische Lage der Volkswirtschaft.
Diese Gewährleistungen werden dadurch erreicht - das ist nun die Frage, die die Hauptdifferenz zwischen Regierungsentwurf und FDP-Entwurf bildet und über die sich der Bundestag schlüssig werden muß -, daß der FDP-Entwurf die Rückkehr zu einem einstufigen Notenbanksystem vorschlägt, während der Regierungsentwurf an einem zweistufigen, also auf Landeszentralbanken und Bundesbank als Nachfolgerin der Bank deutscher Länder aufgebauten Notenbanksystem festhalten will, wie wir es seit den Maßnahmen der Besatzungsmächte haben. Wenn man es genau nimmt, ist sogar der Entwurf, der hier soeben von der Regierung begründet worden ist, überhaupt noch nicht d e r Notenbankgesetzentwurf, weil dazu notwendigerweise auch der Gesetzentwurf über die zweite Stufe, nämlich über die Landeszentralbanken, gehören müßte, der uns zwar angekündigt, aber noch nicht vorgelegt und noch nicht begründet worden ist. Denn in diesem zweistufigen System besteht die Bundesnotenbank nicht nur aus dem Institut, das so genannt wird, sondern Bundesnotenbank und Landeszentralbanken bilden erst gemeinsam d i e Währungs- und Notenbank.
Die FDP ist durchaus der Meinung, daß ein solches zweistufiges Bundesbank- oder Notenbanksystem eine gute Lösung sein könnte für eine europäische Integration; denn dort handelt es sich wirklich um eine Verklammerung in sich abgeschlossener, eigenständig entwickelter Volkswirtschaften mit eigenen, in sich abgeschlossenen Kreditsystemen und Wirtschaftsapparaten. Für die Bundesrepublik aber sind völlig andere Voraussetzungen gegeben. Hier handelt es sich trotz eines bundesstaatlichen politischen Aufbaus um einen einheitlichen Wirtschaftskörper,
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um einheitliche Beziehungen dieses Wirtschaftskörpers zur übrigen Welt, zu Europa oder zu den überseeischen Außenhandelspartnern, kurz um einen einheitlichen währungs- und vor allen Dingen kreditpolitischen Raum, um eine einheitliche Wirtschaftspolitik.
Die Fiktion, daß etwa Hamburg oder Bremen oder Bayern nun solche in sich abgeschlossene Wirtschafts- und Kreditkörper sein könnten wie etwa Deutschland oder Frankreich oder Italien, ist eben einfach auf ein Bundesnotenbanksystem in einem einheitlichen Wirtschaftskörper mit einheitlicher Wirtschaftspolitik nicht übertragbar. Sie ist nach unserer Auffassung sogar außerordentlich gefährlich. Denn ein zweistufiges Notenbanksystem aus Landeszentralbanken und Bank deutscher Länder oder Bundesbank kann gar nicht anders, als die Autonomie der Kreditschöpfung, auf die es für ein Notenbanksystem entscheidend ankommt, nicht der bundeszentralen Notenbank, sondern den Landeszentralbanken zu geben, jenen neun oder zehn Instituten, die nur allein und nicht die zentrale Notenbank den direkten Verkehr mit den Kreditinstituten haben und die nur - und wiederum nicht die bundeszentrale Notenbank - über diese unmittelbare Verbindung mit den Kreditinstituten die Verbindung mit der Wirtschaft haben. Allein diese Landeszentralbanken und nicht die
Bundesnotenbank entscheiden auch über die Kreditgewährung. Allein auf dieser Ebene spielt sich also alles ab, was an Sonderinteressen, Sondereinflüssen und Sonderrisiken nachher auf die Bundesinstitutionen zukommen kann.
Hierbei ist bisher schon eine besondere Situation entstanden, die auch weiterhin entstehen wird, daß nämlich die ganz unterschiedlichen Strukturen der einzelnen Gebiete unserer einheitlichen Volkswirtschaft - Hamburg oder Bremen als außenhandelsintensive Landeszentralbankbereiche, Nordrhein-Westfalen als industrie-intensives Gebiet und auf der anderen Seite Schleswig-Holstein als Flüchtlings- und Agrargebiet - nach oben weiter wirken in einer Potenzierung dieser Differenzen, anstatt, wie es bei einer zentralen und einheitlichen Kreditpoltik der Notenbank der Fall wäre, daß von oben her diese Differenzen nivelliert, ausgeglichen und die schwachen und, sagen wir einmal, stärkungsbedürftigen Gebiete nun zusätzlich gefördert und nachgezogen werden können.
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Hier ist ständig gewissermaßen eine Kreditautarkie, von unten her gesteuert und begrenzt, gegeben. Auch hinsichtlich der finanziellen Verklammerung mit der öffentlichen Hand, mit den Guthaben oder Krediten der öffentlichen Hand ist ebenfalls diese Beschränkung auf den einzelnen Landeszentralbankbereich gegeben, so daß wir im ganzen nicht zu einem Ausgleich und einer generellen, gleichmäßigen Kreditversorgung und wirtschaftlichen Gesundung und Stärkung unserer Länder kommen können, auch nicht unserer finanziellen Bereiche, sondern wir dieses Sonderleben entgegen den Interessen der Gesamtwirtschaft fortführen durch eine Konstruktion, die die Autonomie der Kreditschöpfung in die Landeszentralbankbereiche und nicht in die Bundesnotenbank legt.
Die Autonomie dieser Kreditschöpfung bei den Landeszentralbanken kann gar nicht bestritten werden, so wie der Regierungsentwurf konstruiert ist. Es sind sogar nur sehr geringe Sanktionsmöglichkeiten vorhanden. Einmal die Mindestreserven. Diese Mindestreserven sind natürlich ein sehr grobes und generell gleichmäßiges Steuerungsmittel; ob es sich um die intensiven Industrie- oder um die Agrarländer handelt, sie müssen in gleicher Weise festgesetzt werden. Sie sind im übrigen auch noch in gewisser Weise überspielbar. Denn je nachdem, ob es sich etwa um ein Land wie Nordrhein-Westfalen handelt, das, wenn es will, durchaus einen sehr erheblichen Betrag an öffentlichen Guthaben zur Vergrößerung der autonomen Kreditschöpfungskapazität seiner Landeszentralbank unterhalten kann, oder um Schleswig-Holstein, das diese Möglichkeiten nicht hat, ist das materiell von entscheidender Bedeutung. Der Regierungsentwurf hat auch wohl die Unzulänglichkeit und den schwachen Punkt dieser seiner Konstruktion deutlich erkannt, als er die Bestimmung der Möglichkeit individueller Maßnahmen, wie sie vorhin von Herrn Staatssekretär Hartmann hier angedeutet wurden, also der Festsetzung bestimmter absoluter Kontingente für Kredite, vorgesehen hat. Ja, meine Damen und Herren, wenn man das schon erkennt, daß es so gefährlich ist und so entscheidende Schwächen aufweist, dann soll man auch gleich ganz konsequent sein und soll den Aufbau eben gleich als wirkliche einstufige Bundesnotenbank vornehmen. Dann wird die Sache automatisch funktionieren, ohne Kontingente und ähnliche Hilfskonstruktionen. Im anderen Falle kommt man entweder nur zu einer
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dauernden schwerfälligen Anwendung solcher Einzelanordnungen; oder aber man läßt es, und dann bleibt es vollkommen bei der Umkehrung der währungspolitischen Kompetenzen.
Der Versuch der Übertragung einer so gekünstelten zweistufigen Konstruktion auf ein einheitliches Wirtschafts-, Währungs- und Kreditgebiet muß auch weiterhin zu einer Reihe sehr gekünstelter Fiktionen führen, die die Schwächen dieses Prinzips weiterhin unterstreichen. Ich möchte nur den Umstand anführen, daß wir nun glücklich wieder so weit gekommen sind, daß die ehemaligen Großbanken bereits zu drei Gebieten zusammengefaßt sind, von denen nur Nordrhein-Westfalen zufällig mit einem Landeszentralbankbereich übereinstimmt, während in allen übrigen Teilen mehrere Landeszentralbanken in einen Großbankenbereich hineinfallen. Außerdem haben wir Privatbanken, Hypothekenbanken, Versicherungen, die ebenfalls über das ganze Bundesgebiet arbeiten, und eine Reihe von Spezialkreditinstituten, wie die Deutsche Genossenschaftskasse oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder die Lastenausgleichsbank, die Industriekreditbank, die alle ebenso das ganze Bundesgebiet als ihr Tätigkeitsfeld ansehen. In allen diesen Fällen müssen nun wegen der nicht möglichen Direktbeziehung zwischen Bundesbank und Kreditinstituten eine Reihe von künstlichen Zurechenoperationen vorgenommen werden, die nun auch nicht gerade dafür sprechen, daß das das sinnvollste System ist. Außerdem können die einzelnen großräumig arbeitenden Institute das notwendigerweise schwerfällige und wirtschaftshemmende zweistufige Überweisungssystem Notenbank bzw. Landeszentralbanken - Kreditinstitute jederzeit überspielen, so daß ein Teil der Kontrolle der gesamten Kreditoperationen in diesem Raum einfach an der Bundesnotenbank, wenn sie zweistufig ist, vorbeigeht.
Dazu kommt, daß kein Notenbanksystem der Welt heute mehr auf eine Kapitalmarktförderungspolitik, auf eine offene Marktpolitik Verzicht leisten kann. Eine solche Politik kann man nicht im Wege von Richtlinien handhaben,
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sondern sie kann nur wirklich zentral gesteuert und angewandt und nicht von neun oder zehn Landeszentralbanken nach Richtlinien betrieben werden.
Auch die Emissionspolitik für Bund und Länder und die Abstimmung der Emissionsbedürfnisse des Bundes und der Länder mit den Bedürfnissen der Wirtschaft lassen sich nun einmal viel schlechter in einem zweistufigen als in einem einstufigen System durchführen.
Das gleiche gilt für die Außenhandels- und insbesondere die Devisenoperationen. Wir werden in Kürze - das ist meine feste Überzeugung - wieder zu freien Devisenmärkten und freien Währungstransaktionen, konvertiblen Währungen, zurückkehren können oder uns ihnen stärker annähern. So etwas ist nur über eine zentrale Politik zu betreiben und nicht dezentral über neun Landeszentralbanken.
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Deshalb ist die FDP zu der Überzeugung gekommen, daß sich aus der Funktion, die die Bundesnotenbank zu erfüllen hat, zwingend die Einstufigkeit der Notenbank ergibt. Die Frage der Regelung des Einflusses der Länder ist nicht eine Frage der
Funktion, sondern eine Frage der Organisation der Organe. Hier haben wir ja sehr deutlich die Parität von fünf Vertretern des Bundesrats, also der föderalistischen Seite, und fünf Vertretern der Bundesregierung - außer dem Präsidenten und Vizepräsidenten der Bundesbank - vorgeschlagen, so daß auf diese Weise auch ein wirklich arbeitsfähiges kleines Gremium zustande kommt.
Wir haben gleichfalls vorgesehen, daß die Länderregierungen noch in gewisser Weise bei der Ernennung der Vorstandsmitglieder der einzelnen Bundesbankhauptstellen mitwirken und daß je ein Vertreter dieser vom Bundesrat ernannten Direktoriumsmitglieder gleichzeitig Vorstandsmitglied in Berlin, in Frankfurt am Main, in München oder Stuttgart, in Köln oder Düsseldorf, Hamburg oder Hannover sein muß.
Art. 88 des Grundgesetzes besagt:
Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank.
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-Ich glaube, daß das „eine" dabei vielleicht nicht einmal so entscheidend betont zu werden braucht, daß es aber entscheidend darauf ankommt, daß hier nur eine vom Bund gesteuerte einstufige Bundesnotenbank und nichts anderes gemeint sein konnte.
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Deshalb ist dieser unvollständige Regierungsentwurf, der uns ja den - ({9})
- Herr Präsident, ich bitte noch um zwei bis drei Minuten.
Ich darf diese dann von der Redezeit Ihrer Fraktion abziehen.
Dr. Preusker ({0}), Antragsteller: Danke. Deshalb ist dieser unvollständige Regierungsentwurf, der uns noch dazu bisher den Landeszentralbankenteil vorenthalten hat, nicht in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz.
Von Herrn Staatssekretär Hartmann ist vorhin vom Gutachten des Herrn Bundesjustizministers gesprochen worden. Wir haben auch gehört, daß Gutachten des Bundesinnenministers vorliegen. Wir werden beantragen, daß diese Gutachten zu dieser Frage auch im Ausschuß vorgelegt werden.
Unsere Fraktion hat außerdem - um die fälschlicherweise so sehr politisierte Frage Föderalismus oder Unitarismus, die gar keine solche, sondern eine Frage der Einstufigkeit oder Zweistufigkeit ist, nun wieder auf den Rechtsboden zurückzuführen - beschlossen, beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen den Bundesrat einzureichen und darin gleichzeitig die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit oder Nichtzustimmungsbedürftigkeit anzuschneiden. Nur auf diese Weise, glauben wir, kann der Wunsch, den wir allerdings auch in vollem Umfang teilen, in Erfüllung gehen: daß wirklich noch in dieser Legislaturperiode, und zwar dann frei von irgendwelchen Leidenschaften und nicht auf einer falschen Ebene, dieses Gesetz zustande kommt.
Ich darf schließlich kurz darauf hinweisen, daß es noch eine Reihe weiterer bedeutsamer Unterschiede gibt, ohne daß ich das im einzelnen weiter ausführen will. Die Frage des öffentlichen Kredits für
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Bund und Länder ist großzügiger geregelt. Wir haben die Frage des Sitzes gleich im Gesetz, in Übereinstimmung sogar mit dem Bundesrat, geregelt; die Bundesbank soll dort bleiben, wo sie bisher schon ist. Das Problem der Tilgung der Ausgleichsforderungen, das gerade für die Sparkassen und die gesamte mittelgewerbliche Kreditgewährung von großer Bedeutung ist, wollen wir gleich mit lösen, bei den Mindestreserven Spareinlagen ausklammern, die Reichsbankabwicklung mit erledigen und im übrigen die Schaffung einer möglichst reservenstarken Bundesnotenbank, die nach internationalen Grundsätzen für die Bundesrepublik auch kreditwerbend wirken kann, auf diese Weise fördern.
Herr Staatssekretär Hartmann hat vorhin gesagt, die Reichsbank habe zwei Inflationen mitgemacht. Ja, Herr Staatssekretär Hartmann, das ist, glaube ich, kein Grund, gegen die Reichsbank zu argumentieren. Denn diese Inflationen fanden statt in Zeiten, in denen eine politische Abhängigkeit von der Regierung gegeben war.
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In den Zeiten der politischen Unabhängigkeit hat die Reichsbank jedenfalls dem deutschen Volk und der deutschen Volkswirtschaft ausgezeichnete Dienste geleistet.
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Wenn alle sachlichen und volkswirtschaftlichen Gründe dafür sprechen, eine so bewährte Institution mit den notwendigen bundesstaatlichen Vertretungen in den Organen wieder aufzunehmen, so ist wirklich nicht einzusehen, warum das dann nicht zur Ablösung einer uns von den Besatzungsmächten auferlegten Regelung geschehen soll.
Ich glaube, der Bundestag muß an die Prüfung dieser Frage mit der gleichen Verantwortung herangehen, wie das in Herrenchiemsee oder im Parlamentarischen Rat der Fall war. Für unsere Fraktion konnte kein Zweifel sein, daß alle vorgetragenen Gründe für die Formulierung „als Bundesbank" und die Stellung des Art. 88 im Zusammenhang mit der bundesunmittelbaren Verwaltung bestimmend waren, um eine einstufige und nicht eine zweistufige Notenbank zu schaffen. Wenn der Bundestag mit der gleichen Verantwortung an die Prüfung der beiden Entwürfe herangeht, zweifeln wir nicht, daß noch in dieser Legislaturperiode Deutschland wieder eine einstufige Bundesbank als Garant seiner Währung erhalten wird.
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Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache im Rahmen der Redezeit von 90 Minuten.
Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das erste Bemerkenswerte an diesem Regierungsentwurf, Drucksache Nr. 4020, ist, daß sie vom Herrn Bundesfinanzminister eingebracht worden ist und daß in der Drucksache der Herr Bundesfinanzminister als federführend bezeichnet ist, obwohl nach mehrfachen und fast einstimmigen Beschlüssen dieses Parlaments der Herr Bundeswirtschaftsminister dafür zuständig und federführend ist. Die Ursache ist allgemein bekannt. Es ist bekannt, daß auch der Herr Bundeswirtschaftsminister einen Entwurf angefertigt hat. Auch dieser
Entwurf ist nicht ganz unbekannt; denn er hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Entwurf, den der Herr Kollege Dr. Preusker soeben hier eingebracht hat.
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Der Herr Bundeswirtschaftsminister ist mit seinem Entwurf im Kabinett aber nicht durchgekommen. Er hat sich infolgedessen nicht in der Lage gesehen, diesen Entwurf innerhalb seiner Verantwortlichkeit zu vertreten.
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Nun, wir glauben, daß Beschlüsse dieses Parlaments über die Zuständigkeit innerhalb der Ministerien so verpflichtend sind, daß sie weder durch die Weigerung eines Ministers, seine Verantwortung zu übernehmen, noch durch Kabinettsbeschlüsse einfach umgestoßen werden können.
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Wir glauben, daß wir durchaus das Recht hätten, den nach Entscheidung dieses Parlaments zuständigen und verantwortlichen Minister zu diesem Gesetzentwurf seines Sachgebiets hier im Parlament zu hören. Ich beabsichtige nicht, den Herrn Bundeswirtschaftsminister in die Verlegenheit zu bringen, ihn durch einen Antrag heute hierzu aufzufordern. Aber wir werden sicher im Ausschuß auch seine Meinung als die des wirklich verantwortlichen Ministers hören müssen.
Zur Sache haben wir nun zwei Entwürfe vorliegen und in den sehr weitgehenden Änderungsvorschlägen des Bundesrats praktisch einen dritten Entwurf. Ich möchte kurz und deutlich sagen, daß der Entwurf der Freien Demokratischen Partei nichts enthält, was wir grundsätzlich ablehnen müßten,
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daß dagegen der Regierungsentwurf und erst recht die Tendenzen, die den Änderungsvorschlägen des Bundesrats zugrunde liegen, für uns aus rechtlichen und sachlichen Gründen unannehmbar sind.
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Die erste Frage, die zur Debatte steht, ist die Frage einer dezentralen oder zentralen Lösung, einer einstufigen oder zweistufigen Lösung. Sehr zu Unrecht ist dieser Gegensatz gelegentlich als der einer zentralistischen oder föderalistischen Lösung bezeichnet worden. Dabei steht primär nicht die etwaige Mitwirkung der Länder oder des Bundesrats bei der Organisation der Bundesbank in Frage, auch nicht die regionale Aufgliederung der Bundesbank in sich oder die Aufgabenverteilung zwischen einer Bundesbank und eventuellen regionalen Staatsbanken irgendwelcher Art, sondern zuerst ist doch zu fragen, wie eine Notenbank überhaupt rechtlich und sachlich möglich ist. Der Regierungsentwurf will praktisch nichts anderes als das bestehende System aufrechterhalten. Ich glaube, daß dieses System in der Begründung der Freien Demokratischen Partei oder des Wirtschaftsministeriums - wie Sie wollen - vollkommen richtig dahin analysiert worden ist, daß die Notenbank aus der Gemeinschaft der Landeszentralbanken besteht, wobei die Bank deutscher Länder nur eine Art Verwaltungsspitze darstellt. Das ist eine Konstruktion des Besatzungsrechts gewesen, woran wir uns doch erinnern sollten, und zwar eine Konstruktion aus einer Zeit, in der es für das Gebiet, auf dem diese Konstruktion funktionieren sollte, eine staatliche und politische Einheit noch nicht gab.
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Jetzt, in dieser Bundesrepublik, gilt das Grundgesetz, und das Grundgesetz sagt, daß es eine Notenbank als Bundesbank zu geben hat.
Wenn bezüglich des Regierungsentwurfs gewisse Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, glaube ich, noch nicht ganz ausgeräumt sind, so ist doch klar und deutlich, daß die Vorschläge des Bundesrats - auch nach Ansicht des Bundesjustizministeriums und übrigens aller Gremien, die sich bisher damit befaßt haben - verfassungswidrig sind. Zudem ist - das ist bereits mit Recht betont worden - der Regierungsentwurf ohne das Teilstück der Regelung für Landeszentralbanken überhaupt nicht vollständig. Ohne das Vorliegen dieses Teilstückes kann deswegen die Frage seiner Verfassungsmäßigkeit auch nicht abschließend beurteilt werden.
Der Bundesrat hat, allerdings unter Widerspruch der Bundesregierung, das Gesetz als ein Zustimmungsgesetz in Anspruch genommen. Er hat eine nicht ganz klare Begründung gegeben, die ungefähr dahin verstanden werden könnte, daß das bisherige Zentralbanksystem - vielleicht gemeint einschließlich der Bank deutscher Länder - eine Länderanstalt sei und deswegen nicht ohne Zustimmung der Länder geändert werden könne. Ich glaube, das ist keine richtige Konstruktion. Wie ich schon sagte, beruht das Landeszentralbanksystem auf Besatzungsrecht; es ist eine Institution des Besatzungsrechts, wie es der Frankfurter Wirtschaftsrat war. Es gehört infolgedessen einer Sphäre an, auf die der Gegensatz Bund und Länder überhaupt nicht anwendbar ist. Jetzt gilt, wie gesagt, das Grundgesetz. Dort heißt es: eine Bundesnotenbank und nichts anderes, keine andere Notenbank. Deshalb kann zur Durchführung des Grundgesetzes auch keine spezielle Zustimmung der Länder oder des Bundesrates in Frage kommen.
Das ist, glaube ich, die rechtliche Seite der Angelegenheit. Sachlich können Sie vieles und fast alles machen. Sie können für die Leitung einer Bundesnotenbank eine regionale Aufgliederung der Funktionen vornehmen, wie es in § 10 des Entwurfs der Freien Demokratischen Partei vorgesehen ist. Sie können vielleicht auch gar keine Notenbank einführen, wie etwa in dem Federal-ReserveSystem der Vereinigten Staaten, wo das Geld vom Finanzminister ausgegeben wird, wo die oberste Leitung von einem Board, einer Behörde mit einer gewissen Unabhängigkeit - nicht von einer Bank - und die bankmäßigen Funktionen von gecharterten Banken ausgeübt werden, auf deren personelle Leitung aber das Board Einfluß hat, nicht umgekehrt diese auf die personelle Zusammensetzung des Boards. Das könnte man sachlich machen. Aber unser Grundgesetz schreibt - um das zu wiederholen - eine Bundesnotenbank vor, so daß gewisse dieser Möglichkeiten ausgeschlossen sind. Nur eines können Sie ganz bestimmt nicht machen, Sie können eine Notenbank nicht in getrennte Gewinn- und Verlustrechnungen aufteilen, deren Sachwalter nach getrennten Interessen in der Leitung abstimmen. Es ist gewissermaßen naturnotwendig, daß eine Notenbank einen Gewinn macht. Aber ebenso ist es ein oberster und selbstverständlicher Grundsatz jeder Notenbankpolitik, daß die Rücksicht auf diesen Gewinn und seine Höhe die Entschließungen der Notenbank in keiner Weise beeinträchtigen darf. Ich muß Ihnen ganz offen sagen, daß ich nicht sicher bin, ob dieser oberste Grundsatz bei dem bisherigen System in den Entschlüssen des Zentralbankrates immer gewahrt worden ist. Das wollen wir nicht: wir wollen keine Interessengegensätze innerhalb der Notenbank. Wir wollen keinen Zustand, wo eine Neutralität der Geschäftsführung der Notenbank notwendig ist - wie es sich der Bundesrat in seiner Begründung verräterischerweise hat entschlüpfen lassen -, keinen Zustand, wo diese Neutralität zwischen einem Teil der Leitung, der Länderinteressen vertritt, und einem Teil der Leitung, der Bundesinteressen vertritt, notwendig wäre. Wir wollen insbesondere nicht Andeutungen ernst nehmen, die aus den Ausführungen des Bundesrates herausgelesen werden könnten, daß es gar eine Art von Geschäftsgeheimnis der Landeszentralbanken gegenüber der Notenbank oder der Bundesregierung gebe. Das bisherige System, das hier konserviert werden soll, mag manchmal für die Haushaltsführung der Länderfinanzminister sehr bequem sein. Aber ein wesentlicher Mangel ist außerdem, daß dieses System gegenüber den Privatbanken und dem Geschäftsleben dieser Banken sehr schwach sein muß, gegenüber Banken, die schon heute wesentlich mehr zentralisiert sind, als es im Regierungsentwurf für das Zentralbanksystem vorgesehen ist, und die, wie wir alle wissen, eine weitere Tendenz zur Zusammenfassung haben. Dieses System wäre gerade da funktionsunfähig, wo es als Notenbanksystem ordnen soll. Wir freuen uns, feststellen zu müssen, daß gerade auch in diesem Punkte die Freie Demokratische Partei und der Herr Bundeswirtschaftsminister, wie ich annehme, mit uns einig sind; denn auch dieser Punkt ist in ihrer Begründung sehr gut hervorgehoben.
Meine Damen und Herren! Wir müssen uns nach den sachlichen Aufgaben einer Notenbank ausrichten und dürfen nicht einfach auf das zufällige System blicken, das notgedrungen, auf Grund einer Notkonstruktion vor Errichtung dieser Bundesrepublik eingeführt wurde. Es scheint mir in der Tat eine unzulässige, ja, wenn Sie mir den Ausdruck verzeihen, fast komische Einengung des Gesichtswinkels zu sein, wenn man auf der Suche nach dem, wie man gesagt hat, „bereits erfolgreich Gewordenen und praktisch Bewährten" nur auf dieses abnorme, in einen staatenlosen Raum hinein konstruierte Instrument des bisherigen Zentralbanksystems blickt und nun feststellt, daß „dieses deutsche Notenbankwesen das beste der Welt sei". Sie wissen schon, wen ich zitiert habe: den Herrn Berichterstatter des Bundesrates. Ich darf dagegen auf die meines Erachtens ausgezeichneten Ausführungen verweisen, die von seiten Berlins in dieser Bundesratssitzung, in der eine, wie Sie wissen, recht knappe Entscheidung zustande kam, für die Gegenmeinung gemacht worden sind. Ich möchte allerdings keine dieser Ausführungen so verstanden haben, als ob wir der Meinung seien, daß das bisherige Zentralbanksystem unter den gegebenen Verhältnissen absolut schlecht funktioniert habe. Wir sind nicht dieser Ansicht. Das Zentralbanksystem hatte zwei Aufgaben. Es hatte eine Währung, die von fremder Hand eingeführt worden war und die ihm unter Aufsicht übergeben worden war, zu schützen, zu entwickeln und zu stärken. Diese Aufgabe hat es gelöst, nicht gerade mit Unterstützung aller Ressorts der Bundesregierung, aber doch immerhin mit Unterstützung einiger derselben, und ich freue mich, bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen zu dürfen, für wie unabdingbar wichtig auch wir diese Aufgabe halten. Die zweite Aufgabe, die dem Zentralbanksystem gestellt war,
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war der Aufbau des Kapitalmarktes, d. h. praktisch die Regelung des Verhältnisses zwischen Geldmarkt und Kapitalmarkt. Diese Aufgabe ist im großen und ganzen bisher nicht gelöst worden, wobei ich jetzt durchaus nicht die Schuldfrage erörtern will. Die Folge dieses Mißlingens war eine außerordentlich stürmische Entwicklung der Geschäftsbanken, ein entsprechendes Zurückbleiben der Anlagebanken und Sparkassen und eine sich daraus ergebende ständige weitere Gefährdung des Kapitalmarktes, die schließlich zu den einigermaßen seltsamen Versuchen der Kapitalmarktförderung geführt hat, die wir erlebt haben. Die Schuld mag oder mag nicht beim Landeszentralbanksystem gelegen haben; aber, meine Damen und Herren, wenn die Weisheit der kollegialen und anonymen Entscheidungen des Zentralbankrats so sehr gerühmt wird, so möchte ich zwar nicht versuchen, hinter dessen Beratungsgeheimnis zu dringen; ich frage mich jedoch bei Betrachtung der Dinge, ob nicht etwa bei der Behandlung beider Probleme, sowohl des Währungsproblems wie des Problems des Kapitalmarktes, in sehr vielen Fällen die bessere Einsicht bei der verantwortlichen geschäftsführenden Spitze und nicht bei den durch andere Motive nicht ganz unbeeinflußten Mitgliedern des Kollegiums gelegen hat.
Die andere Frage ist die der Abhängigkeit der Notenbank von der Regierung. Ich habe das Gefühl, daß ohne jeden Grund eigentlich und rein gefühlsmäßig der Sozialdemokratie hier Ansichten von einer Art von politisiertem Staatsbankmoloch unterstellt werden, die sie durchaus nicht teilt. Ich freue mich auch, nach Kenntnisnahme der Begründung der Freien Demokratischen Partei feststellen zu können, daß wir vollständig einig sind, wenn es in dieser Begründung heißt, daß im Verhältnis der Notenbank zum Staat „einerseits der Vorrang und andererseits die Grenzen der staatlichen Wirtschaftspolitik zur Geltung zu bringen" sind. Ich finde, das ist eine ausgezeichnete Formulierung, sowohl was den Vorrang wie was die Grenzen anlangt. Wir sind der Ansicht, daß diese Frage durchaus realistisch zu betrachten ist. Ich gebe Ihnen ohne weiteres zu, daß auch wir Sozialdemokraten uns nicht in der Lage fühlen, beim Ablauf der Dinge in dieser Bundesrepublik soviel Weisheit zu unterstellen, daß man ein englisches System, eine Notenbank als Staatsbehörde, einführen könnte, ohne die Gefahr einer Politisierung dieses Bereichs zu laufen. Auf der anderen Seite, wenn ein Staat oder eine Regierung wirtschaftspolitisch schwach ist, wenn die Regierung nicht die Möglichkeiten oder nicht den Willen hat, ordnend in die Wirtschaft einzugreifen, so hat es auch keinen Sinn, an einen derartig schwachen Staat eine Notenbank durch Weisungen zu binden. Ist aber der Staat oder die Regierung ihrem Willen und ihren Möglichkeiten nach wirtschaftspolitisch stark, so mag es durchaus heilsam sein, die Selbständigkeit der Verantwortung und der Meinungsbildung auf beiden Seiten klarzustellen. Ist der Staat jedoch schwach, so wird uns eine starke Notenbank immer noch lieber sein als eine schwache Notenbank zu einem schwachen Staat. Wir haben nicht ganz vergessen, wie die Inflation nach dem ersten Weltkrieg entstanden ist und wie sie sich in dieser Weise austoben konnte. Ich glaube, daß in der Behandlung dieses Problems sowohl der Regierungsentwurf wie der Entwurf der Freien Demokratischen Partei diskutabel sind. Sie nähern sich ja auch sehr stark einander an.
Über Einzelheiten wird zu sprechen sein. Wir werden immerhin die Frage aufwerfen müssen, ob nicht wenigstens bei einigen Mitgliedern des leitenden Direktoriums auch ein Abberufungsrecht der Bundesregierung einzuführen ist, ob man ganz darauf verzichten könnte, der Bundesregierung wenigstens einige voll instruierte Stimmen in diesem Gremium zu geben.
Die beiden Entwürfe enthalten keine summenmäßige Fixierung des Notenumlaufs. Das wäre vor nicht vielen Jahren noch als eine außerordentlich revolutionäre Neuerung erschienen, ist heute kaum mehr diskutiert und ist auch richtig so. Wir finden es richtig, daß der Entwurf der Freien Demokratischen Partei auch den Kreditplafond der Länder beim Zentralbanksystem regeln will, eine Frage, die beim Regierungsentwurf noch im Dunkel der Landeszentralbankregelung versteckt ist. Wir finden die in beiden Entwürfen vertretene Tendenz richtig, bei der Regelung der Mindestreserven, insbesondere was Sparkassen, Genossenschaftsbanken und ähnliche Fälle anlangt, nicht nach starren Prinzipien zu verfahren, sondern den Notwendigkeiten Rechnung zu tragen. Wir stimmen der Freien Demokratischen Partei und dem Bundesrat zu, wenn sie Frankfurt als Sitz dieser Bundesnotenbank beibehalten wollen, solange - wie der Bundesrat sagt - es nicht möglich ist, diesen Sitz nach Berlin zu verlegen.
Wir begrüßen es ganz besonders, daß das Problem der Ordnung der Ausgleichsforderungen im Entwurf der Freien Demokratischen Partei wenigstens angeschnitten ist. Wir stehen durchaus im Gegensatz zu der vom Bundesfinanzministerium vertretenen Auffassung, daß hier etwa ein voreiliger Vorgriff vorliegen könnte. In Wirklichkeit ist nichts eiliger als dieses Problem. Es ist ja auch ganz untrennbar mit der Regelung sowohl des Notenbanksystems wie der des Staatskredits überhaupt verbunden. Schließlich gibt es keinen Kapitalmarkt ohne die Regelung der öffentlichen Schulden, und es kann nicht dabei bleiben, daß ein erheblicher Teil des Bankkapitals in nicht verwertbarer, ja, nach strengen Grundsätzen nicht einmal bewertbarer Form weiterexistiert. Wir wissen auch hier wieder ganz genau, daß sich die daraus ergebenden Unzuträglichkeiten insbesondere bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken auswirken. Wir sind sogar der Ansicht, daß die Frage der Ausgleichsforderungen noch tiefer angeschnitten und noch gründlicher erörtert werden muß, als das bisher im Entwurf der Freien Demokratischen Partei geschehen ist.
Noch ein Wort zum Verfahren des Ausschusses. Der Ausschuß wird sich zunächst darüber klarwerden müssen, ob der Entwurf der Freien Demokratischen Partei oder der Regierungsentwurf den Beratungen zugrunde zu legen ist; denn es liegt auf der Hand, daß sie als gemeinsame Beratungsgrundlage wegen ihrer Gegensätzlichkeit einfach nicht zu verwerten sind. Wenn der Entwurf der Bundesregierung zugrunde gelegt werden sollte, so werden wir die Beratungen wohl einstweilen unterbrechen müssen, bis wir das Landeszentralbankgesetz haben. Wenn der Entwurf der Freien Demokratischen Partei - wofür wir uns einsetzen - zur Beratungsgrundlage gemacht wird, dann wird es wohl notwendig sein, in eine intensive Fühlungnahme mit dem Bundesrat einzutreten; denn wir werden es sicherlich, gerade bei einem
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solchen Gesetz, nicht etwa einem Guillotineverfahren des Vermittlungsausschusses überlassen können, hier eine Einigung herbeizuführen. Dasselbe würde übrigens gelten, wenn wir den Regierungsentwurf zur Beratungsgrundlage machen; denn auch gegenüber dem Regierungsentwurf ist ja die Stellungnahme des Bundesrats so, daß ohne Einigungsverhandlungen eine Lösung nicht ersichtlich ist.
Der Ausschuß beabsichtigt, recht bald mit diesem Verfahren zu beginnen. Wir glauben, Ihnen eine klare Stellungnahme zu diesem Problem gegeben zu haben. Wir werden uns an den Ausschußarbeiten so intensiv beteiligen, wie wir das auch sonst gewohnt sind.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Semler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der engere Kreis meiner Freunde von der Christlich-Sozialen Union hat mich gebeten, zu den beiden vorliegenden Entwürfen folgende Bemerkungen zu machen.
Unser Kollege Preusker hat vollkommen recht, wenn er eingangs sagte, daß diesem Gesetz eine ganz ungewöhnliche politische Bedeutung zukommt. Er hatte es insofern leicht, den Entwurf seiner Partei zu vertreten, als diesem Entwurf eine Begründung beiliegt, die eine seltene Überzeugungskraft besitzt. Immerhin lassen sich gegen recht wesentliche Punkte dieser Begründung Bedenken erheben, die ich kurz anmerken möchte.
Daß das System der Landeszentralbanken uns durch Besatzungsrecht aufgezwungen ist, ist richtig. Aber es kann ja auch mal aus einer Maßnahme der Besatzung gelegentlich zufällig etwas Gutes erwachsen. So sehen wir denn, daß wir in diesem Augenblick, bei Beratung dieses Gesetzes, die ungewöhnliche Chance haben, das Für und Wider eines einstufigen und eines zweistufigen Systems der Bundesnotenbank abzuwägen.
Wenn die Verfechter des einstufigen Systems auf die Vergangenheit des Deutschen Reichs und auf die sicherlich ruhmreiche und erfolgreiche Geschichte der Deutschen Reichsbank zurückverweisen, so soll man doch aber nicht die Augen vor einer Reihe von Bedenken und auch schweren Mängeln verschließen, die in der kürzeren und auch etwas weiteren Vergangenheit das System der Reichsbank aufgewiesen hat. Wenn wir die beiden Hauptgebiete, die normalerweise einer Notenbank zufallen, ins Auge fassen, so glaube ich, daß man sich zur Frage der Währungspolitik nicht sehr zu verbreiten braucht; denn in der Tat, die Sicherung der Währung ist, ja wohl nicht von der inneren Organisation eines Notenbanksystems abhängig, sondern die Sicherung kann nur in Verbindung mit dem äußeren Tatbestand erfolgen. So ist denn auch vom Kollegen Preusker gar nicht ernstlich behauptet worden, daß ein etwa zweistufiger Aufbau des Notenbanksystems die Sicherung der Währung als die Hauptaufgabe der Bundesnotenbank gefährdet. Davon kann also ernstlich gar nicht die Rede sein. Aber ich frage jetzt umgekehrt: Ist denn durch die Tatsache der Einstufigkeit die Währung gegenüber einem zweistufigen System besonders gesichert? Da müssen Sie mir schon erlauben, den Blick etwas in die Vergangenheit zu werfen. Ich rede nicht von den Krisenzeiten, denen Deutschland nach den beiden Weltkriegen ausgesetzt war, auch nicht einmal - was ja billig wäre - von der Inflationszeit von 1919 bis 1923. Aber immerhin war es eine Reichsbankleitung unter Herrn Havenstein, die dieses fürchterliche 1 zu 1 - 1 Mark gleich 1 Mark - Jahr für Jahr durchgehalten und damit unzählige Millionen von Deutschen an den Bettelstab gebracht hat.
Und was war vor 1914, meine Damen und Herren? Waren die Krisen von 1907 und von 1912 durch die damalige Politik der Reichsbank so leicht überwunden? Kehren wir einmal zurück und lesen wir doch einmal nach, was wirklich sachkundige Bankkenner der damaligen Zeit - Namen, die uns gegenwärtig sind, und Namen, die wir alle miteinander hochhalten - über die Politik der Reichsbank in den damaligen Krisenjahren geschrieben haben. Sie sind nicht unbedingt Beweis dafür, daß die zentrale und, sagen wir einmal, die sehr autoritäre Führung der Währungspolitik in der Hand der obersten Reichsbankleitung das richtige gewesen ist. Ich spreche nicht von den Jahren zwischen den Weltkriegen; denn das sind Episoden, bezüglich deren es bitter unrecht wäre, der Reichsbank Vorwürfe zu machen. Aber ich wehre mich dagegen, daß gesagt wird, das einstufige System allein wäre in der Lage, die Währung eines Landes zu schützen.
Das zweite Arbeitsgebiet: Geld und Kredit. Nun wohl, wir hatten das einstufige System, und es hat in vielem Großes geleistet. Aber darf ich auf folgendes hinweisen: Der große Aufschwung, den die deutsche Wirtschaft und ihre Industrie in den Jahren vor und nach der Jahrhundertwende genommen haben, ist zu einem großen und erheblichen Teil der Initiative, dem Mut und der Kraft der deutschen Geschäftsbanken zu verdanken. Darüber kann, glaube ich, kein Zweifel bestehen. Sie sind die Träger großer Unternehmen in Deutschland gewesen.
Was ist die Aufgabe der Geschäftsbanken gewesen, und was ist auch heute noch ihre Aufgabe? Sind sie gemeinnützige Institute? Nein, sie sind kaufmännische Unternehmen. Ihre Aufgabe liegt darin, die geschäftlichen Vorhaben so zu steuern, ihre eigene Geschäftspolitik so zu führen, wie sie geschäftsmäßig vertretbar und richtig ist. Sie können gar nicht anders handeln; sie würden sonst ihren Verpflichtungen gegenüber ihren eigenen Aktionären und Teilhabern widersprechen. Damit sei nicht gesagt, daß nicht gerade die Großbanken in der Vergangenheit in hervorragendem Maße volkswirtschaftlich bedeutsame Entschließungen gefaßt haben, volkswirtschaftlich im höchsten Maße fruchtbar auf die Gesamtwirtschaft eingewirkt haben. Aber es war nicht ihre zentrale Aufgabe.
Ganz anders liegt es bei der Notenbank. Die Notenbank ist nicht dazu da, Geld zu verdienen. Wenn sie Geld verdient, gut und recht; ihre Aufgabe ist aber allein und ausschließlich, volkswirtschaftlich Notwendiges zu leisten. Sie hat die Aufgaben zu erfüllen, die nicht in den Bereich der Geschäftsbanken fallen. Und wiederum stelle ich die Frage: Hat das einstufige System in dieser Beziehung in Deutschland in der Vergangenheit alles das erfüllt, was man von ihm erwarten konnte? Die Antwort kann nur ein bedingtes Ja sein. Es kann nicht ein unbedingtes Ja sein; denn die große Entwicklung, die ich vorhin kurz andeutete - die große Entwicklung, die die deutsche Wirtschaft und die Industrie vor den Jahren 1914 genommen haben -, ist nicht ohne sehr aktive Mitwirkung der deutschen Reichsbank erfolgt.
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Aber sind wir heute - rückschauend, da wir die Dinge ruhiger, da wir die Dinge abgewogener betrachten können - denn in der Tat der Meinung, daß vor 1914 die Geld- und Kreditpolitik, die Investitionspolitik ganz kritiklos gut waren? Ich nehme jedenfalls für mich und für einen Teil meiner Freunde das Recht in Anspruch, zu behaupten, daß zwar ein riesenhafter wirtschaftlicher Aufschwung vorgelegen hat, daß aber die Entwicklung unter der Führung der Deutschen Reichsbank fallweise höchst einseitig war.
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- Verzeihen Sie, lieber Herr Schäfer, vielleicht, 'aber nicht nur das.
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- Das ist keine Nebensache, das ist sogar ein entscheidender Gesichtspunkt; denn jetzt komme ich darauf, warum meine Freunde und warum ich aus voller Überzeugung für das zweistufige System eintreten. Es ist notwendigerweise in der Organisation des einstufigen Systems so, daß nicht nur die letzte Entscheidung, sondern auch die Anweisung bis ins Detail bei der Zentrale liegt. So ist es in der Reichsbank seit je und je gewesen. Ich erinnere mich vieler Freunde, die als Reichsbankdirektoren Leiter von Reichsbankhauptstellen gewesen sind; diejenigen von ihnen, die noch leben, werden Ihnen unumwunden bestätigen, daß das Maß eigenen Ermessens, eigener Entscheidung innerhalb einer Reichsbankhauptstelle - und das waren sehr beachtliche Banken - immer höchst begrenzt gewesen ist.
Das gerade ist es, was uns nicht richtig erscheint. Deshalb begrüßen wir es in diesem Augenblick, in dem wir die Wahl, die Entscheidung zwischen zwei Systemen treffen können, daß es möglich ist, die unmittelbare einseitige und zentrale Entscheidung einer einzigen Stelle im gesamten Bundesgebiet durch eine aufgelockerte und aufgegliederte Entscheidungsmöglichkeit zu ersetzen. Es ist hier von keiner Seite gesagt worden, daß in den wenigen Jahren, die hinter uns liegen, die Landeszentralbanken nicht etwa gut gearbeitet hätten. Ich vermesse mich nicht, zu sagen, daß, weil ein aufgegliedertes System von Landeszentralbanken da war, das deutsche Zentralbankwesen gut gearbeitet habe. Aber eines weiß ich bestimmt: daß es gelungen ist, in dem Kreise der leitenden Personen unseres Zentralbankwesens in überraschendem Maße Männer von Fachkenntnis, Erfahrung und - was mir unendlich viel wichtiger ist - von Entscheidungsfreudigkeit zu finden. Diese Männer gehören den verschiedensten Gruppen an. Die Präsidenten der Landeszentralbanken sind nicht einseitig ausgewählt.
Gerade das ist es, was uns nottut. Es kommt darauf an, daß in der Zweistufigkeit ein Organismus geschaffen wird, der innerhalb des gesamten Bundesnotenbankwesens ausgleichend wirkt. Die entscheidenden Vorteile gegenüber einem einseitig gesteuerten Notenbankwesen sehen wir darin, daß gerade auch solche Teile Deutschlands ihre ständige Anwaltschaft in Gestalt ihrer Landeszentralbankpräsidenten haben, die sie früher in den Reichsbankdirektoren der Hauptstellen niemals finden konnten. Ich stimme Ihnen zu, meine Herren, daß diese Frage keine Frage von Zentralismus oder Föderalismus ist. Aber es liegt in der Natur der Dinge, daß die Landeszentralbank der berufene
Anwalt der Interessen des Landes im gesamten Notenbanksystem ist.
Wir können mit bestem Willen trotz aller Ausführungen, die bisher gemacht sind, nicht erkennen, daß dieses zweistufige System dem einstufigen unterlegen sei.
Noch ein Wort zur Frage der inneren Organisation. In der Begründung des FDP-Vorschlags - und ich glaube, auch in der heutigen mündlichen Begründung - hat es geheißen, daß das zentralisierte System dem dezentralisierten kostenmäßig selbstverständlich überlegen sei. Nun, meine Damen und Herren, ich habe mir die Mühe gemacht, das zu untersuchen. Jedenfalls, bisher habe ich an keiner einzigen Stelle finden können, daß die Landeszentralbanken nach ihrer bisherigen Praxis und ihrem bisherigen Aufbau teurer waren als früher eine Reichsbankhauptstelle mit ihren Nebenstellen. Es ist einfach nicht richtig, was Sie da sagen. Meine Herren, beweisen Sie es! Ich habe die Sache geprüft. Nach meinen Zahlen stimmt es nicht. Von dieser Seite her kann man die Frage also nicht behandeln; dieses Argument zieht nicht.
Eindeutig sage ich aber: ich bin mit meinen Herren Vorrednern selbstverständlich darin einig, daß, wie auch immer die Organisation aufzubauen ist, im zweistufigen System die Gefahr politischer Einflüsse besteht; solche Einflüsse sind möglich und denkbar. Ich glaube mich mit sehr vielen meiner Kollegen in diesem Hause darin einig, daß, wenn im Regierungsentwurf solche Gefahren vorliegen sollten, man sie durch zusätzliche Bestimmungen in diesem Entwurf beseitigen sollte, denn das kann selbstverständlich nicht der Sinn eines Notenbanksystems sein, daß sich im Rahmen der Notenbank etwa parteipolitische Gegensätze austoben oder daß man von der einen oder anderen Seite versucht, parteipolitische Einflüsse geltend zu machen. Gerade dann, Herr Kollege Preusker, wenn es sich darum handelt, Sonderinteressen und Sondereinflüsse auszuschalten, muß man sagen, daß das zentrale System gegen diese Gefahr keineswegs immun ist. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß diese Einflüsse auf die Reichsbank in reichem Maße bestanden haben. Täuschen wir uns doch nicht! Nicht nur in der großen Zeit unserer bedeutsamen Männer der Großbanken ist das so gewesen! Auch von seiten der Industrie sind diese Einflüsse ständig auf die Reichsbank ausgeübt worden. Ich kann Ihnen also darin nicht beipflichten, daß es des zentralen Systems bedürfte, um solche Sondereinflüsse, die auch Sie nicht wünschen, auszuschalten. Ich glaube im Gegenteil, daß der unabhängige Landeszentralbankpräsident ungleich mehr als ein zentral gesteuertes und doch gewissen Einflüssen ausgesetztes zentrales Institut in der Lage ist, solchen Einflüssen zu widerstehen.
So sehen wir diese Dinge. Wir bedauern infolgedessen, dem sonst so vorzüglichen und hervorragend begründeten Entwurf der FDP nicht beistimmen zu können. Wir bitten darum, daß der Entwurf der Bundesregierung zur Beratungsgrundlage im Ausschuß gemacht wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Niebes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Diskussion über die Frage der
({0})
Ein- oder Zweistufigkeit des Banksystems scheinen hier einige Gesichtspunkte untergegangen zu sein, die so wesentlich sind, daß sie noch angesprochen werden müssen.
Es ist schon gesagt geworden, daß im Gesetzentwurf für die Höhe der auszugebenden Noten keine Begrenzung festgelegt ist. Meine Freunde und ich halten diesen Zustand für außerordentlich gefährlich. Wir sind durchaus der Meinung, daß es unbedingt erforderlich Ist, eine Höchstgrenze für die auszugebenden Noten festzusetzen.
In dem Gesetzentwurf fehlt weiter folgendes. Es ist kein Wort darüber gesagt, wie die Währung gedeckt und gesichert sein soll. Ich glaube, die Industrie, insbesondere die Schwerindustrie, die Banken und die Wirtschaft haben in diesem Hause genügend Verteidiger für ihre Systeme. Ich möchte hier ein Wort für die kleinen Sparer einlegen, die auch ein Interesse 'daran haben, daß die Währung stabil ist und ihre Sparguthaben, die sie jetzt wieder anzulegen anfangen, gesichert sind. Mit Rücksicht auf dieses Interesse dürfte es nicht zu umgehen sein, daß die Höhe der Notenausgabe im Gesetz festgelegt wird. Wiederholt ist hier von zwei Inflationen gesprochen worden. Wir sind keineswegs sicher, daß wir durch das uns jetzt vorgelegte Gesetz an einer dritten Inflation vorbeikommen.
Der Herr Staatssekretär ides Bundesfinanzministeriums hat erklärt, daß die Bank unabhängig vom Staat sei. Ich möchte demgegenüber auf folgendes hinweisen. Die Vorlage der Bundesregierung enthält die ausdrückliche Bestimmung, daß die Bundesbank verpflichtet ist, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu beachten und im Rahmen ihrer Aufgaben zu unterstützen. Welchem anderen Zweck als der Wirtschaft soll die Bundesbank dienen? Es scheint mir also, daß die Bundesbank sehr stark an den Staat gekettet wird. Weiter ist darin noch eine Vorschrift enthalten, daß die Bundesbank der Bundesregierung die von dieser verlangten Berichte und Auskünfte erteilt. Auch in diesem Punkt scheint mir eine starke Abhängigkeit der Bank vom Staat begründet zu sein. Also so unabhängig ist die Bundesbank keineswegs.
Was die vorhin von mir angeschnittene Frage der Sicherung der Noten betrifft, so nützt es nicht allein, daß hier Ausgleichsforderungen gegen den 'Bund oder die Länder bestehen, sondern hier müssen weitergehende Vorkehrungen getroffen werden, um die Währung zu sichern. Denn bei den Ausgleichsforderungen wäscht eine Hand die andere, und zum Schluß, wenn es hart auf hart geht, bleibt doch nichts übrig.
Von einem Sprecher der Koalitionsparteien ist hier gelegentlich die Behauptung aufgestellt worden - und vielleicht tut man das in diesem Zusammenhang wieder -, daß der Staat im Begriff sei, neue Goldreserven anzulegen. Aber der Sprecher der Koalition hat dabei übersehen zu bemerken, daß die vorhandenen kleinen Goldreserven gar nicht dem Bund gehören und auch nicht der immerhin augenblicklich noch amtierenden Bank deutscher Länder, sondern daß diese Goldbestände unter der Kontrolle der Alliierten Kommission bzw. der Hohen Kommissare stehen und infolgedessen überhaupt nicht im Besitz der Bundesregierung oder der Bank deutscher Länder sind. Also von diesem Gesichtspunkt aus kann man auch nicht damit rechnen, daß die Währung im Begriff sei, durch eine Golddeckung gesichert zu sein.
Die Bundesbank, die jetzt gebildet werden soll, wird bei manch einem vielleicht wieder Illusionen erwecken - wie es auch sonst geschieht, wenn Banken nach der Währungsreform in großer Zahl gegründet warden sind -, Illusionen insofern, als ob schon eine Rankengründung eine Garantie dafür sei, daß jetzt wieder Kredite für die kleinen Gewerbetreibenden geschaffen werden könnten. Ich habe vorhin gesagt, daß die große Wirtschaft und die Schwerindustrie ausreichend gesichert sind. Aber die kleinen Gewerbetreibenden, die so dringend auf Kredite warten, sollten sich die Illusion aus dem Kopf schlagen, als ob eine neue Bundesbank nunmehr in der Lage wäre, ihren Wünschen hinsichtlich der Krediterlangung zu entsprechen.
Man könnte vielleicht etwas beruhigter in die Zukunft sehen, wenn man wüßte, daß die Bundesregierung es ausschließlich darauf 'abgesehen hätte, die Wirtschaft im Bundesgebiet zu stärken und dafür 'zu sorgen, daß Konsum- und Investitionsgüter für die Erzeugung dieser Artikel hergestellt werden, um auf diese Weise den Lebensstandard der Bevölkerung zu heben. Aber wir wissen, daß die Regierung auf einem gefährlichen Wege ist; sie will nämlich aufrüsten.
({1})
Da zum Aufrüsten Geld gebraucht wird, scheint es so, als ob jetzt wirklich versucht würde, auf dem Wege über diese neue Bundesbank ein Ventil zu öffnen, um Kredite zu bekommen, die die Regierung für ihre inflationistische Aufrüstung braucht; denn darauf führt letzten Endes dieser Zustand der Aufrüstung hin. Aus diesem Grunde sind wir dagegen,
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daß das Gesetz in der Form, wie es hier vorliegt, zur Annahme gelangt.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich zunächst ein Wort zu dem Redner der Kommunisten sagen darf: Die Fähigkeit, die Sie in der Deutschen Demokratischen Republik bewiesen haben, die Interessen des kleinen Sparers zu schützen, kommt wohl am besten darin zum Ausdruck, daß im Augenblick eine Westmark gleich sechs Ostmark ist.
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Lassen Sie mich noch einpaar Worte zu der Frage der Einstufigkeit oder Zweistufigkeit sagen und zu der Frage, die Herr Kollege Seniler hier gestellt hat, ob durch die Einstufigkeit die Sicherheit besser gewährleistet werden könne als durch die Zweistufigkeit. Zum mindesten ist schon eines nicht abzustreiten: daß Sie bei dem einstufigen System wöchentlich einen Ausweis übersichtlich für die ganze Notenbank zur Verfügung haben, während Sie bei dem anderen System nur monatlich einmal sehen, wie sich die Dinge inzwischen entwickelt haben. Sie sind also viel schneller reaktionsfähig mit dem einstufigen System. Das wird sich insbesondere in . Krisenzeiten in Zahlungsbilanzfragen und Kreditfragen sehr entscheidend auswirken müssen.
Damit komme ich zu der zweiten Frage. Die Landeszentralbanken und die Bank deutscher Länder als System haben ja das große Glück gehabt,
({1})
daß sie bisher noch gar nicht in eine ernste Krise hineingekommen sind, weil wir bisher erfreulicherweise dank der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung eine im allgemeinen aufwärts gerichtete Entwicklung hatten. Allerdings, als die Korea-Auswirkungen uns vor große Schwierigkeiten stellten, sah sich die Bank deutscher Länder genötigt, im Interesse der Stabilhaltung des Preisniveaus eine allgemeine Kreditrückführung um eine Milliarde D-Mark anzuordnen. Sie konnte sie in diesem zweistufigen System nicht selber durchführen, sie konnte sie nur als Auflage an die Landeszentralbanken geben. Ich glaube, es ist kein Geheimnis, daß diese Rückführung nicht so funktioniert hat, wie sie hätte funktionieren sollen und müssen.
Wenn Sie die Verhältnisse vor 1914 und die alte Reichsbank hier heranziehen, Herr Kollege Semler, so kann man das, glaube ich, doch nur mit ganz großen Vorbehalten tun. Wir sind mit den wirtschaftspolitischen Steuerungsmitteln auf einem ganz anderen Niveau, wir sind in unseren währungspolitischen Erkenntnissen auf einem ganz andern Niveau angelangt. Es denkt auch niemand daran - das möchte ich noch einmal hier zum Ausdruck bringen -, etwa die berechtigten Einflüsse - Einflüsse, nicht Einflüsterungen! - der Länder ausschalten zu wollen; wir wollen sie vielmehr durch ihren Einbau in das Bundesbankdirektorium zum Zuge kommen lassen und wollen diese Vertreter gleichzeitig an den entscheidenden Plätzen auch wiederum zu den ersten Vorstandsmitgliedern machen; eine völlig andere Konstruktion als damals bei der Reichsbank, so daß also ein öder Zentralismus gar nicht möglich ist.
Wenn ich von Sondereinflüssen und Sonderrisiken gesprochen habe, dann habe ich - wenn wir einmal die Risiken herausgreifen - an Fälle gedacht wie den Zusammenbruch der Hamburger Bank, wie an den Fall Bürkle oder ähnliche Dinge, die sich zunächst einmal sehr lange im Bereich von Fehlinvestitionen, die gefördert werden, in einem Lande abspielen können, ohne daß die Bundesnotenbank als solche rechtzeitig die Möglichkeit hat, hierauf Einfluß zu nehmen. Und wenn ich von Sondereinflüssen gesprochen habe, so waren es auch die Sondereinflüsse, die. aus der Systematik heraus kommen, nämlich daß nun einmal in Hamburg oder Schleswig-Holstein die Landeszentralbank auf die Besonderheiten ihres Gebietes kreditmäßig, volumenmäßig beschränkt bleibt, während der große Ausgleich, den das einstufige System aufweist, nicht gegeben ist.
Aber lassen Sie mich zum Personellen noch eine entscheidende Feststellung machen. Sie haben im Regierungsentwurf - das ergibt sich einfach aus der Konstruktion der Zweistufigkeit - keine einwandfreie Trennung von Aufsicht und Leitung. Sie haben dort sogar folgenden Kunstgriff anwenden müssen: daß Sie die Mitglieder des Bundesbankdirektoriums entlasten lassen durch die Mitglieder des Bundesbankrates, die von den Länderregierungen ernannt sind. Das heißt, die Mitglieder des Bundesbankdirektoriums werden untergeordnet, denn sie sind ja abhängig von denen, die sie entlasten, so daß wir im Grunde genommen überhaupt keine Bundesbankeinrichtung mehr haben, sondern nach dem Regierungsentwurf sogar auch personell eine Institution, die absolut von den Ländern abhängig ist. Ich glaube, das kann nun in keiner Weise mit dem Art. 88 des Grundgesetzes übereinstimmen. Ich möchte immer wieder hervorheben: wir müssen unterscheiden zwischen der
Funktion der Notenbank und der Organisation ihrer Organe. In der Organisation der Organe, möchte ich einmal sagen, so viel Einbau lebendiger Gestaltungskräfte der Länder wie nur möglich! Aber in der Funktion für den einheitlichen Wirtschaftsraum Deutschland, die einheitliche Wirtschaftspolitik Deutschlands, auch die einheitliche Währungsorganisation und Währungspolitik!
({2})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
({0})
- Beabsichtigen Sie, wegen der Ausschußüberweisung einen Antrag zu stellen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorschlagen, die Entwürfe an den Ausschuß für Geld und Kredit als federführenden Ausschuß unter Mitberatung des Wirtschaftspolitischen Ausschusses zu überweisen.
Darf ich fragen, meine Damen und Herren, sind Sie damit einverstanden? - Das ist offenbar der Fall. Damit ist die Überweisung erfolgt. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf den Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von höchstens 40 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Seuffert.
Seuffert ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berufsverbände, insbesondere die Gewerkschaften, haben es bekanntlich von alters her aus verschiedenen Gründen vorgezogen, sich im wesentlichen in der Form von nichtrechtsfähigen Vereinen zu organisieren. Daraus hat sich die Notwendigkeit ergeben, daß sie ihr Vermögen in vielen Fällen in der Hand von rechtsfähigen Kapitalgesellschaften und anderen Treuhändern haben. Dem haben sowohl das Vermögensteuergesetz wie das Körperschaftsteuergesetz dadurch Rechnung getragen, daß sie bezüglich der Steuerbefreiungen diese Verwaltungsgesellschaften von Berufsverbänden den Berufsverbänden selbst gleichstellen. Diese steuerlichen Konsequenzen waren vor 1933 dadurch ergänzt, daß im Verkehr zwischen einem Berufsverband, insbesondere natürlich einer Gewerkschaft, und seiner Treuhandgesellschaft dadurch, daß er seiner Verwaltungsgesellschaft Vermögen übergab, keine Kapitalverkehrsteuer ausgelöst wurde.
Die steuerliche Bedeutung, rein fiskalisch gesehen, ist nicht groß, da ja auf keinen Fall eine Steuer eintritt, wenn Treuhandvermögen als solches, also nicht als Gesellschaftsvermögen, übergeben wird. Die Abgrenzung zwischen Gesellschaftsvermögen und Treuhandvermögen und die steuerlichen Schwierigkeiten, wenn das Finanzamt
({2})
auf der heutigen Grundlage pflichtmäßig Untersuchungen anstellt, bedingen jedoch eine Verwaltungsarbeit, deren Ersparung mit ein Grund für' unseren Antrag ist.
Wir bitten Sie deswegen, den Zustand von vor 1933 wiederherzustellen und auch für diese Vorgänge keine Kapitalverkehrsteuer vorzusehen.
Sie haben die Begründung gehört, meine Damen und Herren. Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Sie sind damit einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf den Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abänderung des Lastenausgleichsgesetzes ({0});
b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Vorfinanzierung des Lastenausgleichs ({1}).
Es war beabsichtigt, da es sich bei 4 a nur um eine Terminänderung handelt, hier von einer Begründung und einer Aussprache abzusehen.
Zu 4 b darf ich annehmen, daß die Regierung auf die schriftliche Begründung verweist. - Das ist der Fall.
Wünscht jemand, das Wort zu nehmen? - Herr Abgeordneter Bertram, im Rahmen einer Aussprachezeit von 40 Minuten, wie der Ältestenrat Ihnen vorschlägt. - Das Haus ist damit einverstanden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über diesen Punkt haben wir bereits damals, als die Entschließung der Regierungsparteien vorgelegt wurde, einige Aussprachen gehabt. Ich bin erstaunt, daß die Regierung uns trotz ihrer im allgemeinen geänderten Auffassung zur Frage der Begünstigungen ein Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung der Vorfinanzierung des Lastenausgleichs vorlegt. Sein § 7 f hat alle die Nachteile, die die §§ 7 c und d uns in so reichem Maße beschert haben. Bei einem gesamten Darlehenszuwachs für den Lastenausgleich von 150 Millionen DM muß der Bund - und damit letzten Endes der Steuerzahler - aufwenden einmal an steuerlichen Vorteilen 105 Millionen DM und weiter den Ausfall für das sogenannte Aufgeld, d. h. für die steuerfreie Verzinsung, in Höhe von 10,5 Millionen DM, insgesamt also für 150 Millionen DM Darlehenshingabe seitens der Darlehensgeber einen Vorteil von 115,5 Millionen DM. Wenn man diesen Betrag, statt ihn über die Selbstbegünstigung nach diesem Gesetzentwurf auszuschütten, unmittelbar dem Lastenausgleichsfonds zur Verbilligung zur Verfügung stellte, würde ein wesentlich größerer Effekt erzielt werden können als auf diesem Wege, bei dem auf der einen Seite dem Darlehensgeber ein Vorteil von über 115 Millionen DM erwächst, der zu Lasten der Steuerzahler, zu Lasten des Bundes und zu Lasten der Gemeindekassen verbucht werden muß und bei dem auf der andern Seite dem Lastenausgleichsfonds Darlehensmittel in Höhe von insgesamt nur 150 Millionen DM zufließen.
Es ist auch nicht richtig, wenn gesagt wird, diese Leistung sei unverzinslich. Tatsächlich werden 2,5% steuerfreies Aufgeld jährlich gewährt. Das entspricht bei einem Steuersatz von 70 % - 60 % Körperschaftsteuer plus Notopfer Berlin plus Gewerbesteuer durschnittlich 70 % - einer Bruttoverzinsung von 8,10 %. Eine solch hohe Verzinsung neben der Möglichkeit, die gesamte Anlage abzuschreiben!
Ich bin nach den Ausführungen in der Begründung der Bundesregierung zu ihrer kleinen Steuerreform einigermaßen überrascht, daß wir nun trotzdem ein solches Gesetz bekommen, das den Darlehensgebern unheimliche zusätzliche steuerliche Vergünstigungen ermöglicht, und zwar dadurch, daß die Finanzierung dieser Beträge noch durch Aufnahme von Darlehen erfolgen kann. Zwar führt die Bundesregierung in der Begründung aus, man könne diese Mißstände beseitigen. Das ist aber gar nicht möglich, denn niemand kann in einer Bilanz kontrollieren, ob die für Zwecke dieses § 7 f hingegebenen Gelder auf dem Kreditwege beschafft worden sind. In einer Bilanz weiß man ja gar nicht, wie der Kapitalzufluß sich ergibt. Man braucht beispielsweise nur die Lieferantenkredite etwas anzuspannen. Damit ist die Bilanzsumme auszudehnen, und damit wären die erforderlichen Mittel da, ohne daß das Finanzamt auch nur die geringste Möglichkeit hätte, eine solche Transaktion zu kontrollieren. Mit dieser Maßnahme kommen wir also dahin, daß einem kleinen Teil der Steuerpflichtigen, und zwar demjenigen Teil der Steuerpflichtigen, der über großes Finanzkapital verfügt, unerhört große steuerliche Vorteile zugebilligt werden, die das Vielfache dessen ausmachen, was er hergegeben hat. Bei einer Rückfinanzierung über Kredite bedeutet das einen steuerlichen Vorteil, der das Doppelte dessen ausmacht, was der Betreffende herzugeben hat, und auf der andern Seite einen Zufluß an Vermögenswerten zum Lastenausgleichsfonds, der einen kleinen Bruchteil von dem bedeutet, was wir mit einer geänderten Einsatzmöglichkeit dieser Mittel erreichen könnten. Wir können diesem System der Steuerbegünstigung, die nichts anderes als eine Begünstigung eines kleinen, besonders finanzstarken Teiles der Steuerpflichtigen bedeutet, unsere Zustimmung nicht geben und werden, wie wir damals auch schon erklärt haben, diesem Gesetzentwurf unsere Zustimmung unter allen Umständen versagen.
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht auf die sachlichen Ausführungen des Herrn Vorredners eingehen, da ich annehme, daß die Ausschußberatungen Gelegenheit genug geben werden, über die sachlichen Punkte zu sprechen. Aber er hat seine Überraschung darüber ausgesprochen, daß die Bundesregierung jetzt, in den Tagen, in denen sie das Programm - Einschränkung der Steuervergünstigungen - bekanntgegeben hat, diesen Gesetzentwurf vorlegt.
Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß das Hohe Haus nicht überrascht ist, wenn die Bundesregierung einen Beschluß, den dieses Hohe Haus
({0})
vor langen Monaten fast einstimmig gefaßt hat, vollzieht. Der Gesetzentwurf geht auf einen Plenarbeschluß dieses Hohen Hauses zurück, und der Gesetzentwurf ist bereits im November in dieser Form dem Bundesrat vorgelegt worden. Es sind die verfassungsmäßigen Fristen, die bewirken, daß der Gesetzentwurf ausgerechnet in diesen Tagen dem Bundestag zugeht. Aber die Bundesregierung ist verpflichtet, die Beschlüsse des Bundestags möglichst zu vollziehen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es immerhin, daß man hier einen ersten Versuch sieht, aus der berühmten Vorfinanzierungs-Entschließung bei der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes eine Konsequenz zu ziehen.
Über die Einzelheiten der Ausstattung dieser Darlehen wird im Ausschuß zu reden sein. Wir werden insbesondere zu prüfen haben, ob in Anbetracht der langfristigen Zwecke des Lastenausgleichs eine Unkündbarkeit von nur vier Jahren wirklich ausreicht und ob man nicht eine bedeutend langfristigere Tilgung vorsehen muß.
Wir bezweifeln auch mit dem Bundesrat, ob die Beschränkung dieser Darlehensausgaben auf 150 Millionen rechtlich und tatsächlich durchführbar ist. Ich möchte fast annehmen, daß unter den heutigen Verhältnissen diese Summe in einem Zeichnungsgang erreicht werden könnte. Ich muß annehmen, daß die Beschränkung wegen der Konkurrenz anderer Finanzierungsbedürfnisse eingeführt worden ist. Wir werden diese Konkurrenzgründe scharf zu prüfen haben, um festzustellen, ob sie gerechtfertigt sind und ob, wie gesagt, die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit einer solchen Beschränkung in dieser Form überhaupt besteht.
Die Vorlage unterscheidet sich nun noch in einem Punkt von dem seinerzeitigen Beschluß des Bundestags, den wir für sehr wesentlich halten. Damals war die Rede von Darlehen an den Ausgleichsfonds; jetzt spricht man in einer etwas zweideutigen Weise von Darlehen „an die Bank für Vertriebene und Geschädigte ({0}) zugunsten des Ausgleichsfonds". Die Lastenausgleichsbank ist zwar eine Bank im Besitze des Bundes, aber die Grundlagen für ihre Geschäftsführung und für ihre Kontrolle sind nicht in die Form gebracht, die man sonst bei öffentlichen Bankinstituten voraussetzen muß. In der Tat lassen verschiedene Meldungen, die in der letzten Zeit an die Öffentlichkeit gedrungen sind und denen teils widersprochen wurde und die sich teils widersprachen, die teils nicht erklärt wurden und teils etwas unerklärlich waren, erkennen, daß in der Leitung der Lastenausgleichsbank klare Verhältnisse bis heute nicht geschaffen sind. Wenn die Lastenausgleichsbank als eine öffentliche Institution in die Abwicklung des Lastenausgleichs eintreten will - eine Tendenz, die man grundsätzlich durchaus bejahen könnte -, ist es höchste Zeit, daß hier Ordnung geschaffen wird. Es muß unter allen Umständen dabei bleiben, daß in die Ausführung des Lastenausgleichs nur eine solche Institution eingreifen kann, die unter aller wünschenswerten
Kontrolle gerade vom Lastenausgleichsfonds, von seinen Organen und von seinen Kontrollorganen aus steht. Wenn das mit der gebotenen Eile möglich ist, dann ist es gut. Ich bezweifle, daß es möglich ist, und zwar nicht nur aus Zeitgründen, sondern einfach deswegen, weil bekanntlich da noch einige Hühnchen zu rupfen sind. Wenn das nicht möglich ist, muß die Lastenausgleichsbank aus diesem Gesetz verschwinden, und es muß dabei bleiben, daß die Darlehen dem Lastenausgleichsfonds gegeben werden und daß dieser unter voller Kontrolle seiner Organe, der politischen Organe und der Öffentlichkeit darüber befindet und entscheidet, in welcher Weise und unter welchen Bedingungen er sich der Lastenausgleichsbank oder anderer Banken bedient.
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur wenige Sätze! Es ist dem Hohen Hause bekannt, daß die Bundesregierung die Absicht hat, uns binnen kurzem eine Vorlage über die Umwandlung der Lastenausgleichsbank in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts zu machen. Wir werden also Gelegenheit haben, während der Ausschußberatungen diese Frage sorgfältig zu prüfen. Von mangelnder oder unzureichender Ordnung in dieser Bank kann beim besten Willen heute in keiner Weise gesprochen werden.
Weiter ein Wort an den Kollegen Bertram.
Herr Kollege Bertram, so billig dürfen wir es uns
nicht machen. Wir haben gefordert, daß die Regierung Maßnahmen zur Vorfinanzierung trifft. Die
Regierung erfüllt diese Forderung, die die überwältigende Mehrheit des Parlaments ausgesprochen hat. Nun legt die Regierung uns eine Formulierung vor, über die wir jetzt beraten wollen.
Dann greifen Sie die Dinge so an, daß in der
Öffentlichkeit der Eindruck entstehen kann, daß
das, was wir für die Vorfinanzierung des Lastenausgleichs machen wollen, in Wirklichkeit eine Begünstigung der Reichen und eine Zuschanzung von
Vorteilen an die Reichen auf Kosten der Armen sei.
({0})
- So ist es nicht! Wir werden in den Ausschußberatungen - an denen Sie hoffentlich teilnehmen werden, in der Regel sind Sie ja leider nicht da - Gelegenheit haben, diese Dinge im einzelnen sorgfältig zu prüfen.
Ich beantrage, diese Vorlage dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für den Lastenausgleich als beteiligtem Ausschuß zu überweisen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Kunze gehört. Ich darf unterstellen, daß Sie mit der Überweisung des Gesetzentwurfs unter Punkt 4 b) der Tagesordnung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für den Lastenausgleich einverstanden sind. - Die Überweisung ist erfolgt.
Die erste Beratung des von der SPD vorgelegten Gesetzentwurfs, Punkt 4 a) der Tagesordnung, ist damit erledigt. Ich komme zur
zweiten Beratung.
({0})
Ich rufe auf § 1, - § 2, Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist einstimmig angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Keine Änderungsanträge.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Abänderung des Lastenausgleichsgesetzes, Drucksache Nr. 4017. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich zu erheben. - Ich stelle fest, daß das Gesetz einstimmig angenommen worden ist.
Ich rufe auf Punkt 5:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über einen Währungsausgleich für Sparguthaben Vertriebener ({1}).
Eine mündliche Begründung seitens der Regierung ist nicht vorgesehen. Wünscht jemand das Wort? - Herr Abgeordneter Matzner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich für meine Fraktion zur Vorlage Drucksache Nr. 4023 Stellung nehme, dann nicht deshalb, weil dazu allzu viel zu sagen wäre. Sie stellt eine Novelle zum Gesetz über einen Währungsausgleich für Vertriebene dar, einem Gesetz, das vor einem Jahre in diesem Hohen Hause verabschiedet wurde. Da es ein Vorläufer des Gesetzes zum allgemeinen Lastenausgleich ist oder war, mußte es in diesem hinsichtlich seiner materiellen Bestimmungen verankert, ja in einigen seiner Paragraphen sogar verändert werden. Die in der vorgelegten Drucksache vorgeschlagenen Änderungen, die nach so kurzer Zeit notwendig wurden, ergeben sich daraus, daß dieses Teilgesetz wie auch das Hauptgesetz zum allgemeinen Lastenausgleich vor eine vollständig neue und einmalige Situation gestellt waren, für die es Vorbilder nicht gab und die - so wollen wir hoffen - unserem Volke in Zukunft erspart bleiben mögen. Diese notwendigen Änderungen, die uns heute beschäftigen, sind alle nichts anderes als ein Ausgleich von Lücken und eine Abschleifung von Härten, die sich schon in der Anlaufzeit gezeigt haben.
Ich möchte nicht daran vorbeigehen, daß der Bundesrat im ersten Durchgang im Interesse der Betroffenen wertvolle Zusatz- und Änderungsvorschläge machte, gegen die von der Regierung keine Einwendungen erhoben wurden. Sie sind deshalb im Zusammenhang mit der Regierungsvorlage Gegenstand der ersten Lesung und Grundlage für die Ausschußarbeit.
Von all diesen Härten und Lücken, deren Beseitigung meine Fraktion zustimmt, sei hier nur eine erwähnt. Die Anwendung der bisherigen Gesetzesvorschriften ergab Fälle wie diese: Verwandte auf- und absteigender Linie können Sparbücher auf die Namen der vor der Austreibung oder bei der Flucht verstorbenen oder. gemordeten Familienmitglieder nicht anmelden, weil als Voraussetzung die Vorlage der Todeserklärung und des Erbscheins gefordert wird. Die Erfüllung dieser Forderung bedeutet aber für die Betroffenen Aufwendungen, die in einem mir bekanntgewordenen Fall mehrere hundert D-Mark betragen. Das ist doch für die meist auf Hilfsarbeiterlöhne oder sogar auf Fürsorgebezüge angewiesenen Personen eine unzumutbare soziale Härte, und dadurch ergibt sich als Folge die Unmöglichkeit der Anmeldung überhaupt.
Soviel zur Vorlage selbst, für die ich die Überweisung an den Ausschuß für den Lastenausgleich beantrage. Bei den Ausschußarbeiten werden wir die Vorlage genau überprüfen und darüber hinaus das ganze Gesetz den Gegebenheiten nach den bisherigen Erfahrungen gegenüberstellen müssen. Es ist zu hoffen, daß das Ergebnis dieser Beratungen dem Hohen Hause in verhältnismäßig kurzer Zeit vorgelegt und damit wesentlich zur Beruhigung weiter Kreise beigetragen werden kann.
Nun möchte ich aber daran erinnern, daß meine Fraktion seinerzeit trotz großer Bedenken dem heute abzuändernden Gesetz über den Währungsausgleich für Heimatvertriebene zugestimmt hat. Diese Bedenken richteten sich nicht gegen die aus der Sache sich ergebende Forderung nach vollständiger oder möglichster Gleichziehung; sie entsprangen und entspringen auch heute noch dem Umstand, daß, wie schon damals feststand, ein großer Teil des betroffenen Personenkreises die im Gesetz vorgesehenen Beweisstücke deswegen nicht beibringen kann, weil Flucht oder Austreibung in vielen Fällen deren Verlust mit sich brachte. Das trifft für breite Kreise aller Heimatvertriebenen zu; in besonderem Maße gilt diese bedauerliche Feststellung aber für die sudetendeutschen Heimatvertriebenen, da hier in keinem einzigen Fall eine Verlagerung der Geldinstitute oder auch nur des geringsten Kontenmaterials möglich war. Während bei der Beratung des Gesetzes angenommen wurde, daß der Verlust dieser Urkunden bei diesem Personenkreis mindestens 50 vom Hundert betrifft. ergeben die in der Anlaufzeit getroffenen vorläufigen Feststellungen einen wesentlich höheren Hundertsatz. Sie können daraus ersehen, wie groß die Unruhe und die Unzufriedenheit in weiten Kreisen ist und weiter wachsen muß, wenn hier nicht Abhilfe geschaffen wird.
Wie können die Härten dieser politisch nicht unbedenklichen Lage vermieden oder wenigstens gemildert werden? Das ist nur möglich, wenn sehr bald die in § 8 vorgesehene Regierungsverordnung erlassen wird, die die Beweismöglichkeiten erweitert. Wenn trotz unserer Bedenken hinsichtlich der neu entstandenen Ungerechtigkeiten der Weg dieses Währungsausgleichs gewählt wurde, muß er auch - wie damals zugesagt und anerkannt wurde - bis zu einem noch tragbaren Ende weitergegangen werden. In Sachverständigenbesprechungen wurden durchaus gangbare und zu verwirklichende Vorschläge gemacht. Deshalb ist es eine selbstverständliche Forderung, die Regierungsverordnung so schnell wie nur irgend möglich, spätestens aber bis zur Gesetzwerdung dieser Novelle, zu erlassen. Das ist der Wunsch und die Forderung meiner Fraktion, weil wir überzeugt sind, daß sich nur auf diesem Wege die schlimmsten Auswirkungen vermeiden lassen und bedenkliche politische Folgen abgewendet werden können.
({0})
Meine Damen und Herren, im Interesse einer gewissen Auflockerung darf ich, bevor ich das Wort weitergebe, meiner Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß der Herr Abgeordnete Seuffert sich durch seinen 46. Geburtstag
({0})
heute nicht hat abhalten lassen, so intensiv an der Debatte vorhin teilzunehmen.
({1})
Wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister hier
wäre, würde ich ihm zu seinem 56. Geburtstag
gratulieren. Er ist leider im Augenblick nicht hier.
Das Wort hat der Abgeordnete Wackerzapp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich auf einige kurze Ausführungen beschränken. Das Währungsausgleichsgesetz für Heimatvertriebene, das im vergangenen Jahr erlassen worden ist, hat sowohl der Materie nach als auch in der Gestaltung des Verfahrens Neuland beschritten. Bei der Durchführung haben sich Mängel und Härten ergeben, Zweifel hinsichtlich des Kreises der Begünstigten und der Anforderungen an die Beweislast, aber auch Unstimmigkeiten aus der Festsetzung von Stichtagen. Außerdem war bei der Neuheit der Materie und bei der starken Einschaltung der Bankinstitute in das Verfahren klar, daß in dem Gesetz mit Begriffen und mit Voraussetzungen gearbeitet werden mußte, die faßlich und leicht verständlich waren. Deshalb mußten verhältnismäßig grobe Mittel zur Anwendung gelangen. Die Ihnen nunmehr vorgelegte Novelle ist ein Instrument, das Verfeinerungen bringen, Härten beseitigen und Verfahrensmängel ausgleichen soll.
Ich möchte mich auf diese Ausführungen beschränken und nur darauf hinweisen, daß das Gesetz einen großen Menschenkreis erfaßt. Es sind bisher über 1,6 Millionen Entschädigungsberechtigte angemeldet worden. Man sieht also, daß dieses Gesetz eine große Breitenwirkung hat und daß es sehr darauf ankommt, ihm eine Form zu geben, die allen berechtigten Anforderungen genügt.
Ich schließe mich dem Antrag an, diesen Gesetzentwurf dem Lastenausgleichsausschuß zur Beratung zu überweisen, wo bereits seit einiger Zeit ein Entwurf in derselben Materie vorliegt, der auf einen Initiativantrag aus diesem Hause zurückgeht.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Es ist beantragt worden, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für den Lastenausgleich zu überweisen. Ausschuß für Heimatvertriebene ebenfalls? - Offenbar nicht. Also dem Ausschuß für den Lastenausgleich. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 6:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die am 26. August 1952 in Bonn unterzeichneten drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die deutschen Vermögenswerte in der Schweiz, über die Regelung der Forderungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich und zum deutschen Lastenausgleich ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({1}) ({2}).
({3})
Dazu liegen die Umdrucke Nrn. 751 und 753 vor. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen. Der Ältestenrat schlägt, falls sie gewünscht wird, eine Besprechungszeit von 40 Minuten für die allgemeine Aussprache in dritter Beratung vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Bitte, Herr Abgeordneter!
Dr. Wellhausen ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wird Zeit, daß wir uns, nachdem das Abkommen bereits am 26. August 1952 abgeschlossen worden ist, nunmehr über die Ratifizierung schlüssig werden. Die Bundesregierung hat in einer sehr guten und ausführlichen Denkschrift, die neun Seiten umfaßt, alles Wissenswerte mitgeteilt, und ich gehe davon aus, daß sich die Mitglieder des Hohen Hauses damit beschäftigt haben. Die Ausschüsse, und zwar der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten, der Ausschuß für Geld und Kredit, der Ausschuß für den Lastenausgleich und der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen, haben sich, unter Federführung des letzteren, ausführlich mit der Angelegenheit beschäftigt.
Zuerst hat hinsichtlich des Lastenausgleichs ein besonderes Interesse für die Behandlung der deutschen und der Schweizer Vermögen bei diesem Ausgleich geherrscht. Die Ausschüsse haben sich der Ansicht der Bundesregierung angeschlossen, daß die in der Schweiz freizugebenden Vermögen durch die freiwillige Abgabe von einem Drittel vom Lastenausgleich freigestellt werden sollten. Sie haben sich auch damit einverstanden erklärt, daß auf Grund des dritten Abkommens das Schweizer Vermögen in Deutschland nicht nur durch Verwaltungspraxis, wie bisher schon, sondern geradezu de lege vom Lastenausgleich ausgenommen und dem Vermögen von Angehörigen der Vereinten Nationen gleichgestellt werden sollte. Ich mache ausdrücklich darauf aufmerksam, daß insbesondere der Ausschuß für den Lastenausgleich nur nach Überwindung sehr erheblicher Bedenken zustimmen konnte, was Sie sicherlich verstehen werden, und nur der Grundcharakter des ganzen Abkommens und das offenbare Entgegenkommen der Schweizer Eidgenossenschaft hat den Ausschuß für den Lastenausgleich diese Bedenken überwinden lassen. Ich darf in diesem Zusammenhang weiter sagen: wir verlassen uns darauf, daß die Bundesregierung, falls erforderlich, Bitten um Stundungen oder Ratenzahlungen für die Leistung dieser freiwilligen Abgabe ihr Ohr leihen wird. Ich sage: falls erforderlich.
Mit großer Befriedigung haben die Ausschüsse davon Kenntnis genommen, daß von den 650 Millionen Schweizer Franken, die von der einen Milliarde übriggeblieben' sind und die an die Schweiz zu zahlen sich die Bundesregierung im zweiten Abkommen verpflichtet, 200 Millionen nicht zu transferieren sind, sondern in Deutschland verbleiben können. Es ist zu unserer großen Befriedigung und, wenn ich das sagen darf, nicht zuletzt zu meiner eigenen, in Aussicht genommen, davon in erster Linie die Kosten für die Elektrifizierung der Bundesbahnstrecke Basel-Karlsruhe zu bestreiten. Ich darf erwähnen, daß durch den erheblichen Anteil, der von den 200 Millionen auf die Bundesbahn entfällt, die Elektrifizierung nicht in vollem Umfang sichergestellt sein wird.
Die Verhandlungen in den Ausschüssen haben nun ergeben, daß die Ihnen in dem Mündlichen Bericht - Drucksache Nr. 4048 - unter Ziffer 1 vorliegenden Änderungen zum Zustimmungsgesetz
({5})
für zweckmäßig erachtet werden. Ich betone: zum Zustimmungsgesetz, nicht zum Schweizer Abkommen.
Zunächst zu § 3 Abs. 2 dieses Zustimmungsgesetzes. Da sich das deutsch-schweizerische Doppelbesteuerungsabkommen nicht auf Einkünfte aus Kapitalvermögen erstreckt, war verschiedentlich der Vorschlag gemacht worden, auch für diese Einkünfte in § 3 Absatz 2 Einkommensteuerfreiheit vorzusehen. Die Vertreter des Bundesfinanzministeriums haben aber die Ausschüsse darauf aufmerksam gemacht, daß § 35 der EinkommensteuerDurchführungsverordnung von 1950 vorsieht, daß in diesen Fällen in der Schweiz gezahlte Ertragsteuern bei der Berechnung der Einkommensteuer von den Einkünften abgesetzt werden können oder abgesetzt werden. In Kenntnis dieser Tatsache hielten es die Ausschüsse in ihrer Mehrheit jedenfalls nicht für notwendig, Einkommensteuerfreiheit zu beschließen, zumal in den weiteren Bestimmungen des Absatzes 2 vorgesehen ist, daß die Kapitalerträge pauschaliert besteuert werden. Jedoch haben sich die Ausschüsse dem Vorschlag des Bundesfinanzministeriums, der erst während der Verhandlungen im Ausschuß gemacht wurde, angeschlossen, eine gewisse Begünstigung bei der Besteuerung der Kapitalerträge auch für Körperschaftsteuerpflichtige vorzusehen, indem sie den Absatz 2 um folgenden Nachsatz erweiterten:
. . . und bei Körperschaftsteuerpflichtigen die auf die Einkünfte entfallende Körperschaftsteuer auf ein Viertel zu ermäßigen.
Die zweite Ihnen vorgeschlagene Änderung in § 3 Abs. 4 ist redaktioneller Natur. Durch sie soll klargestellt werden, daß die Art. II der Devisenbewirtschaftungsgesetze in Art. I des AHK-Gesetzes Nr. 33 zusammengefaßt sind. Die Ihnen vorgeschlagenen Änderungen des Absatzes 4 sollten jedoch - anders als im Mündlichen Bericht, der sich in Ihren Händen befindet - zweckmäßigerweise lauten:
Artikel I des Gesetzes Nr. 33 der Alliierten Hohen Kommission
- ausgeschrieben! vom 2. August 1950 ({6}).
Nach dieser mehr redaktionellen Bemerkung komme ich wieder zu einem sachlichen Punkt, der sich auch auf § 3 Abs. 4 des Gesetzes, das wir beschließen sollen und wollen, bezieht. Es ist noch mitzuteilen, daß das Bundeswirtschaftsministerium und die Bank deutscher Länder an den Verhandlungen mit der Schweiz teilgenommen haben und daß immer davon ausgegangen worden ist, daß der formelle Anbietungszwang nicht ausgenützt werden soll, da er dem Sinne des Abkommens widerspricht. Außerdem ist inzwischen ein Schreiben der Bank deutscher Länder beim Bundesfinanzminister eingegangen, in dem eine generelle Devisengenehmigung für die Vermögen in der Schweiz in Aussicht gestellt wird. Der Ausschuß ist bei seinen Beschlüssen davon ausgegangen, daß nunmehr so verfahren wird, und er hat ausdrücklich gewünscht, daß der Berichterstatter dieser Erwartung im Plenum Ausdruck gibt.
Der Entschließung, die Ihnen unter Ziffer 2 des Mündlichen Berichts zur Annahme vorgelegt wird, ist eine besonders eingehende Diskussion vorangegangen. Es war nämlich zu prüfen, ob die nach dem 31. Dezember 1947 anfallenden Erträge aus Altvermögen ebenfalls der Ablösung - das ist der abgekürzte Ausdruck für freiwillige Abgabe gemäß Art. 4 des sogenannten Ersten Abkommens, Seite 15 der Drucksache Nr. 3940 - unterliegen sollen. In diesem Zusammenhang kann gesagt werden, daß die Schweiz Vermögen, die nach diesem Stichtag entstanden sind, nicht beschlagnahmt und daß dieses Vermögen daher nicht der Ablösung unterliegt.
In der Diskussion hat der Regierungsvertreter, der Ministerialdirektor Wolf f - dem wir im übrigen ein besonderes Lob für seine hervorragende Vertretung der deutschen Interessen bei diesen Verhandlungen aussprechen zu sollen geglaubt haben -, Bedenken gegen die Entschließung geäußert, und zwar meinte er, es wäre die Beschlagnahme nicht auf einen Stichtag hinsichtlich der Erträge bezogen worden. Er fürchtete auch, die Durchführung des in der Entschließung enthaltenen Vorschlages würde bei der schweizerischen Verrechnungsstelle technische Schwierigkeiten machen. Er meinte weiter, der Ablösungsbetrag - und wir hatten ihn ein wenig im Verdacht, daß das sein Hauptgesichtspunkt war - würde sich etwas stark verringern, wenn auf die Abgabe für alle nach dem 1. Januar 1948 anfallenden Beträge verzichtet wird. Und schließlich könnte der Vorschlag - so meinte die Regierung - nicht im Wege der Auslegung des Abkommens, sondern nur durch eine Änderung des Art. 20 des Abkommens durchgeführt werden.
Die Ausschüsse haben demgegenüber geltend gemacht, daß das Abkommen keinen bestimmten Stichtag für die Bewertung des deutschen Vermögens in der Schweiz enthalte. Daher könne die Bundesregierung mindestens bei der schweizerischen Regierung darauf hinwirken, daß ein solcher Stichtag in Durchführungsbestimmungen festgelegt wird, und sie könne auch einen Einfluß auf die Festsetzung des Datums selbst ausüben. Die Ausschüsse waren der Auffassung, daß nur diejenigen Vermögen nebst Erträgen erfaßt werden sollten, die vor dem 1. Januar 1948 erworben waren. Die Ausschüsse bezogen sich dabei auf Art. 20 Abs. 1 des Abkommens, mit dem die Entschließung nicht in Widerspruch steht. Mit den seit dem 1. Januar 1948 entstandenen Vermögenserträgen habe die schweizerische Verrechnungsstelle nicht nach Gutdünken, sondern nach Anweisungen der Bundesregierung zu verfahren.
Wenn auch der Vertreter des Bundesfinanzministeriums noch einmal, als die Entschließung formuliert war, Bedenken gegen sie vortrug, so haben die Ausschüsse sich doch einstimmig im Interesse der deutschen Vermögensbesitzer und der deutschen Volkswirtschaft und insbesondere, um dem Zweck des Abkommens so sehr wie möglich auch in Einzelheiten nahezukommen, für diese Entschließung entschieden.
Meine verehrten Damen und Herren, bei der Wichtigkeit der Angelegenheit und auch bei der Einmütigkeit, mit der alle Ausschüsse dieses Vertragswerk behandelt haben, halte ich mich nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, als Berichterstatter auch noch folgendes auszuführen, denn das wurde auch in den Ausschüssen betont. Das deutsch-schweizerische Ablösungsabkommen ist, wie man wohl sagen kann - und wenn ich hinzufügen darf: bescheiden, wie wir geworden sind -, der erste wirkliche Lichtblick auf dem Gebiete der deutschen Bemühungen um die Rück({7})
gewinnung des privaten Auslandsvermögens. Abgesehen davon, daß durch das Abkommen ein sehr erheblicher Gesamtbetrag von privatem Auslandsvermögen wieder ihren Eigentümern und der deutschen Volkswirtschaft zugeführt wird, hat das Abkommen auch eine große und erfreulich prinzipielle Bedeutung. Die Alliierten haben von Anfang an zwei Gründe für die Fortnahme der deutschen privaten Auslandsvermögen genannt. Neben der Absicht, aus den privaten Auslandsvermögen die Reparationsforderungen gegen das Reich zu befriedigen, wurde als Begründung für die Fortnahme dieses Vermögens darauf hingewiesen, daß es notwendig sei, das Auslandsvermögen als Kriegspotential zu beseitigen. Durch die erfolgte Zustimmung der Drei Mächte zum deutsch-schweizerischen Ablösungsabkommen, das die Vermögen in natura unter Vermeidung der ursprünglich im Washingtoner Abkommen vorgesehenen Liquidation den Eigentümern wieder zur Verfügung stellt, haben die Drei Mächte erfreulicherweise eindeutig zu erkennen gegeben, daß sie mindestens den zweiten Grund-Kriegspotential-nicht mehr als zeitgemäß ansehen.
Durch das deutsch-schweizerische Ablösungsabkommen ist für alle Staaten, die guten Willens sind und Wert auf die Wiederherstellung der freundschaftlichen wirtschaftlichen Beziehungen zur Bundesrepublik legen, der Weg offen für Lösungen, die der Schweizer Lösung entsprechen oder ihr wenigstens nahekommen. In vielen, wenn auch nicht in allen Staaten sind trotz der zum Teil schon weit vorgeschrittenen Liquidation die deutschen Auslandsvermögen noch nicht so weit verloren, daß nicht noch zahlreiche Möglichkeiten beständen, wesentliche Erleichterungen für die deutschen Eigentümer und damit für die deutsche Volkswirtschaft zu schaffen. Sollten die anderen Staaten, insbesondere die neutralen Länder, diesen ihnen nunmehr durch den Entschluß der Drei Mächte geordneten und erleichterten Weg beschreiten, so würde damit der viel berufene und Ihnen allen sicherlich in schlechter Erinnerung gebliebene, demnächst wieder zu behandelnde Sechste Teil des Überleitungsvertrages zum Generalvertrag zwar nicht ganz seine nachteiligen Wirkungen verlieren, aber ihrer weitgehend entkleidet werden; er würde vielleicht in manchen kritischen Augen ein anderes Aussehen bekommen. Nachdem ich die nicht gerade angenehme Pflicht hatte, in der zweiten Lesung über diesen Sechsten Teil zu referieren, glaube ich sagen zu dürfen, daß man doch an der Lösung, die jetzt mit der Schweiz gefunden ist, den Fortschritt erkennt. Deswegen war mir die Berichterstattung heute ein besonderes Vergnügen.
({8})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe § 1 auf. - Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ich komme zur Abstimmung über § 1 des Gesetzentwurfs. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, ist das einstimmig angenommen.
({0})
- Enthalten oder dagegen?
({1})
- Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 2 auf. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Dagegen? - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Zu § 3 liegt der Änderungsantrag Umdruck Nr. 751 vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Seuffert!
Seuffert ({2}),: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Änderungsantrag betrifft einen Punkt, der vielleicht nicht von großer materieller, aber immerhin von einer grundsätzlichen und symptomatischen Bedeutung ist. Man hat nämlich die Körperschaftsteuer für nunmehr freigegebene Zinseinkünfte und andere Einkünfte, soweit sie nicht überhaupt steuerfrei gestellt worden sind, auf ein Viertel ermäßigt. Hier soll bezüglich der Einkommensteuer der § 34 des Einkommensteuergesetzes zur Anwendung kommen, der einen ermäßigten Steuersatz vorsieht. Der § 34 ist aber gar keine Ermäßigungsvorschrift, sondern soll dahin wirken, daß der Steuerpflichtige nicht dadurch, daß die Zinsen nun auf einmal nachgezahlt werden, mehr Steuer zahlt, als wenn sie ihm regelmäßig zugeflossen wären. Etwas Entsprechendes hat bei der Körperschaftsteuer nicht stattzufinden; denn eine Progression, die durch eine solche Bestimmung auszuschalten wäre, gibt es bei der Körperschaftsteuer nicht. Die Körperschaft zahlt in keinem Falle mehr Steuer, als sie bei regelmäßigem Zufluß der Einkünfte gezahlt hätte. Ich bin übrigens der Überzeugung, daß in diesen Fällen, auch wenn das hier gar nicht stände, der § 34 des Einkommensteuergesetzes ohnehin zur Anwendung kommen müßte. Jedenfalls liegt irgendein Grund für eine Ermäßigung der Körperschaftsteuer schlechterdings nicht vor. In dem Bestreben, Eigentümern gewisse Anreize zur freiwilligen Abwicklung dieser Angelegenheiten zu bieten, scheint man doch in diesem Fall etwas weit gegangen zu sein. Es geht wirklich nicht an, daß, wenn auf irgendeinem Gebiet nur etwas zum Vorschein kommt, was wie eine Steuerbegünstigung aussieht - hier ist es wirklich gar keine -, wieder jemand anders sagt „Ich auch!" und aus Gründen der „Gerechtigkeit" irgend etwas Ähnliches verlangt, was eben einfach nicht begründet ist. Wir bitten deshalb, die Ausschußfassung zu streichen und die Regierungsvorlage wiederherzustellen, zumal wir der Überzeugung sind, daß der Bundesrat bei seinem hohen Sachverstand dieser Fassung wirklich nicht zustimmen kann; und Sie wollen doch sicherlich nicht, daß dieses Abkommen auch noch in den Vermittlungsausschuß kommt.
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich mich gewissermaßen im Nachgang zu meiner Berichterstattung darauf beschränken, zu sagen, daß dieser Antrag nicht etwa ein Antrag der Parteien, also der Regierungskoalition war, sondern daß diese Ergänzung des Gesetzes von der Regierung selbst im Ausschuß vorgeschlagen wurde. Das ist zwar nicht ein Zeichen absoluter, aber vielleicht doch angenäherter Weisheit!
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Ich schließe die Besprechung.
({0})
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 751. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 3 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich rufe auf § 4, - § 5. - § 6, - § 7, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. - Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses bei einigen Enthaltungen.
Damit ist die zweite Beratung beendet. Wir kommen zur
dritten Beratung.
Wünscht jemand zur allgemeinen Aussprache das Wort? Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat die Bedenken, die nicht nur im Lastenausgleichsausschuß gegen diese Regelung geltend gemacht worden sind, bereits hervorgehoben. Wir teilen diese Bedenken. Wir haben uns aber ebenso wie die Ausschüsse entschlossen, trotz dieser Bedenken der Vorlage zuzustimmen. Für uns war ein sehr wesentlicher Gesichtspunkt die Frage, ob hier nicht Steuerhinterziehungen und Kapitalfluchtmaßnahmen, vielleicht sogar auf politischer Grundlage aus der nationalsozialistischen Zeit, nachträglich sanktioniert und mit Früchten versehen würden. Die Vorlage enthält allerdings eine Amnestiebestimmung, die aber zur Voraussetzung hat, daß eine rechtzeitige Anmeldung erfolgt. Diese Anmeldung bedingt dann wenigstens die steuerliche Glattstellung und läßt natürlich auch die Möglichkeit sonstiger Untersuchungen mit Ausnahme der Steuervergehen offen. Wir haben uns einigermaßen überzeugt, daß wir in anderen Fällen außerhalb dieser Amnestiebestimmung von Straf- und Steuerverfahren, die Aussicht haben, durchgeführt werden zu können, nicht abgehalten werden. Wir möchten die Erwartung aussprechen, daß von diesen Möglichkeiten auch Gebrauch gemacht wird.
({0})
Ich darf kurz die Entschließung begründen, die wir eingebracht haben. Es handelt sich darum, daß die Abgrenzung derjenigen Personen unter den Begriff „Deutsche in Deutschland", für die dieses Abkommen eine Regelung vorsieht, nicht übereinstimmt mit den Abgrenzungen, die wir im Verhältnis zur Sowjetzone, zu Spätheimkehrern, Vertriebenen usw. anzuwenden pflegen. Insbesondere entsprechen die Stichtage vom Jahre 1948 nicht unseren Vorstellungen. Wir müssen aus der Begründung des Abkommens ersehen, daß eine Ergänzung dieses Abkommens weitere diplomatische Verhandlungen auch mit den Alliierten voraussetzt, damit die Möglichkeit eines weiteren Zusatzabkommens geschaffen werden kann. Wir möchten mit der Entschließung die Regierung auffordern, in diesem Sinne unverzüglich tätig zu werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Einzelberatung. Änderungsanträge liegen nicht vor. Ich rufe auf § 1, - § 2, -§ 3, - §§ 4 bis 7, - Einleitung und Überschrift und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Dann bitte ich diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem in der Schlußabstimmung zustimmen, sich vom Platz zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit. Damit ist das Gesetz verabschiedet.
Wir haben nun noch über zwei Entschließungen abzustimmen, zunächst die des Ausschusses auf Drucksache Nr. 4048 Ich bitte, diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 753. Ich bitte diejenigen, die diesem Entschließungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Damit ist Punkt 6 der Tagesordnung erledigt. Ich rufe Punkt 7 auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zum Ausgleich der von den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherungen für das Haushaltsjahr 1952 zu tragenden Mehraufwendungen für Rentenzulagen ({0}).
Der Ältestenrat schlägt für die Beratung 60 Minuten Redezeit vor. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Rentenzulagengesetz von 1951 trägt der Bund die durch die Zulagen entstehenden Aufwendungen. Wegen der Finanzlage des Bundes wurde jedoch eine Regelung aufgenommen, wonach der Bund für die Zeit bis zum 31. März 1952 80 % der Aufwendungen trägt, während die restlichen 20 % von den Versicherungsträgern aufzubringen sind. Diese Regelung gilt nach einem Gesetz vom 13. August 1952 auch für das Haushaltsjahr 1952, jedoch mit einem Zusatz, wonach der Bund die Verpflichtungen durch Übertragung von Vermögenswerten auszugleichen hat, die laufende Einnahmen erbringen. Es wird sich dabei für das Haushaltsjahr 1952 um etwa 170 Millionen DM handeln. Die Bundesregierung hat geprüft, welche Vermögenswerte sie übertragen kann, die, wie es im Gesetz heißt, laufende Einnahmen erbringen. Man hat insbesondere geprüft, ob man vielleicht die Darlehensforderungen übertragen solle, die dem Bunde aus der Hingabe von Haushaltsmitteln gegen die Länder zustehen. Es haben sich da Bedenken erhoben, weil erstens diese Rückflüsse wieder dem Wohnungsbau zufließen sollen und zweitens die Darlehensforderungen nur mit 1 % zu verzinsen sind, so daß sie also wirtschaftlich keineswegs einen vollen Gegenwert in Höhe von 100 % darstellen. Da der Bund andere geeignete Vermögensobjekte zur Übertragung nicht hat ({0})
das muß einmal gegenüber den Anschauungen in der Öffentlichkeit betont werden, daß der Bund Träger ungeheuerlicher und rentierender Vermögensmassen sei -, hat die Bundesregierung keine andere Möglichkeit gesehen, als den Weg zu gehen, der in diesem Gesetzentwurf vorgesehen ist, nämlich den Versicherungsträgern in Höhe der Beträge für das Jahr 1952 Schuldbuchforderungen zu überlassen, die zum jeweiligen Wechseldiskontsatz der Bank deutscher Länder, maximal mit 5 %, zu verzinsen sind, die also durchaus vollwertige Gegenleistungen darstellen.
({1})
Wir treten in die Aussprache ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung schlägt durch den heute vorgelegten Gesetzentwurf vor, auch für das Jahr 1952 die Mehraufwendungen der Träger der Rentenversicherung durch Schuldbuchforderungen auszugleichen. Damit will die Bundesregierung das gleiche Verfahren durchführen wie in dem Gesetzentwurf über die Deckung der Rentenzulagen für die Rechnungsjahre 1953 bis 1955, der in der letzten Sitzung in erster Lesung beraten wurde. Insgesamt soll die Rentenversicherung für die Rechnungsjahre 1952 bis 1955 an Stelle von Barmitteln für 1 Milliarde 835 Millionen DM Schuldbuchforderungen erhalten.
Die von der Bundesregierung beabsichtigte Methode, die Rentenversichung weitgehend von Barmitteln zu entblößen und ihr statt dessen Schuldbuchforderungen zu übergeben, erfüllt uns mit ernsthafter Sorge. Dabei möchte ich darauf verzichten, die in der letzten Sitzung von meinem Kollegen Richter vorgetragenen Bedenken bezüglich der weiteren Finanzierung des Wohnungsbaus oder auch die Bedenken bezüglich einer Einschränkung der Selbstverwaltung hier zu wiederholen. Vielmehr möchte ich mich ausschließlich auf die Frage beschränken, inwieweit nach Ansicht meiner Fraktion durch die von der Bundesregierung geplanten Maßnahmen die Finanzkraft der deutschen Rentenversicherung eingeschränkt wird.
Die Ausgaben für Rentenzahlungen müssen, selbst wenn sie leistungsmäßig so unvollkommen bleiben, wie es gegenwärtig der Fall ist, zwangsläufig Jahr für Jahr erheblich steigen. Das ist einmal im Altersaufbau unseres Volkes begründet und ergibt sich zum anderen aus der Erhöhung der Durchschnittsrente, was versicherungstechnisch und lohnpolitisch bedingt ist. Da das Bundesarbeitsministerium keine versicherungstechnische Bilanz, die dem gegenwärtigen Leistungsstand entspricht, vorlegt, läßt sich die Erhöhung des Rentenaufwandes für die Zukunft nur schätzen. Man kann - ich bitte mich zu berichtigen, falls ich falsch schätze - annehmen, daß der Rentenaufwand Jahr für Jahr um etwa 150 Millionen DM für die nächsten 20 bis 25 Jahre steigen wird, so daß sich der Rentenaufwand bis zum Jahre 1970 um etwa 3 Milliarden DM jährlich erhöhen wird.
Bei einer so heiklen Finanzlage der Rentenversicherung sollte erwartet werden, daß die Bundesregierung alle Anstrengungen unternimmt, die Finanzkraft der Rentenversicherung laufend zu stärken; dies um so mehr, als die Sozialversicherung bei der Währungsreform im Gegensatz zu den Banken, Sparkassen und Privatversicherungen für ihre Vermögensverluste in Höhe von rund 15 Milliarden Mark keine Ausgleichsforderungen erhalten hat. Statt einer bestmöglichen Sanierung der deutschen Rentenversicherung hält die Regierung jetzt, nachdem die Rentenversicherung in über vier Jahren mühselig Betriebsmittel für zwei Monate angesammelt hat, den Zeitpunkt für gekommen, die weiteren Betriebsmittel auf indirektem Wege, über die Finanzierung der Rentenzulagen, abzuschöpfen.
Nach Ansicht des Bundesfinanzministers, die in der letzten Sitzung vorgetragen wurde, scheint die Beanspruchung der Betriebsmittel ein relativ einfaches Verfahren zum Ausgleichen des Haushalts zu sein. Deshalb muß mit aller Deutlichkeit gesagt werden, daß die Methode, an Stelle von Barleistungen Schuldbuchforderungen zu gewähren, wegen der steigenden Rentenlast vielleicht nicht heute, aber bestimmt morgen zu verhängnisvollen Konsequenzen führen muß.
({0})
Man kann nicht einfach die zweckgebundenen Mittel der Altersversorgung für die laufenden Haushaltsausgaben ohne Schaden verwenden. Gerade die schlimmen Erfahrungen, die zweimal mit dem Vermögen, das zur Sicherung der Alten und Erwerbsunfähigen bestimmt war, gemacht wurden, sollten zu besonderer Vorsicht bei Inanspruchnahme von Mitteln der Rentenversicherung für Zwecke des Haushalts mahnen.
Die Bundesregierung ist nun der Ansicht, daß die Rentenversicherung zur Aufrechterhaltung ihrer Leistungsfähigkeit keiner Vermehrung ihres veräußerlichen Vermögens bedürfe, entscheidend sei vielmehr die Zinskraft dieses Vermögens. Darüber wird noch zu sprechen sein. Die Auffassung der Bundesregierung wäre richtig, wenn die Rentenversicherung über ausreichende Betriebsmittel verfügte und wenn die sonstigen Mittel, also die Schuldbuchforderungen, in einer angemessenen Zeit flüssig gemacht werden könnten. Diese Voraussetzungen sind aber nicht gegeben. Betriebsmittel von zwei Monaten, die zudem noch in Hypotheken, kommunalen Darlehen usw. angelegt sind, sind völlig unzureichend, um die Schwankungen des Wirtschaftslebens auszugleichen.
Auch hierüber liegen Erfahrungen vor. In den Jahren 1930 und 1931 reichte sogar eine Betriebsmittelreserve von über sechs Monaten nicht aus, um den Leistungsstand der deutschen Invalidenversicherung zu sichern;
({1})
dies 'deshalb, weil damals infolge der wirtschaftlichen Lage die Beitragseinnahmen von 1,090 Milliarden jährlich auf 640 Millionen Mark jährlich sanken, sich also um über 40 % verminderten. Da in der damaligen Krise - und das wird auch in Zukunft immer so sein - auch die Mittel des Reiches und der Lander aufs äußerste beansprucht waren, blieb 1931 bekanntlich nichts anderes übrig, als einschneidende Leistungssenkungen in der Rentenversicherung vorzunehmen, was sicher nicht unwesentlich zur Schwächung des Staatsbewußtsein beigetragen hat.
({2})
Wenden Sie nun nicht ein, eine Krise wie die der 30er Jahre sei nicht zu erwarten. Da die Betriebsmittel der Rentenversicherung heute viel niedriger sind als damals, andererseits die Rentenlast
({3})
viel höher ist, würde bereits eine weitaus geringere Konjunkturschwankung verhängnisvolle Folgen für die Rentenversicherung nach sich ziehen müssen.
({4})
Nun zur Flüssigkeit der Schuldbuchforderungen. Nach dem Gesetzentwurf ist eine Veräußerung und Belastung dieser Schuldbuchforderungen unzulässig.
({5})
Bei Liquiditätsschwierigkeiten der Rentenversicherung können also die Schuldbuchforderungen nicht verflüssigt werden. Die Bundesregierung hat ausdrücklich den Änderungsvorschlag des Bundesrats, wonach Schuldbuchforderungen mit einer Frist von drei Monaten zurückgefordert werden können, falls dies zur Deckung der gesetzlichen Pflichtleistungen erforderlich sein sollte, abgelehnt. Damit hat die Regierung bekundet, daß im Notfall Schuldbuchforderungen nicht verflüssigt werden können.
In diesem Zusammenhang weist die Bundesregierung auf Art. 120 des Grundgesetzes hin, nach dem der Bund ohnehin verpflichtet sei, notwendige Zuschüsse zur Aufrechterhaltung der Liquidität der Rentenversicherung zu gewähren. Leider ist diese Argumentation nicht ganz überzeugend. Ich stütze mich dabei auf die Auffassung maßgebender Vertreter des Bundesarbeitsministeriums. In dem Kommentar des Herrn Staatssekretärs Sauerborn und des Herrn Ministerialdirektors Eckert heißt es wörtlich:
Der Begriff „Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung" ist ungenau.
Es heißt weiter:
Man wird nicht umhin können, die Verpflichtungen des Bundes im einzelnen gesetzlich klarzustellen.
Die Bundesregierung hat aber bisher kein entsprechendes Gesetz vorgelegt, um die Staatsgarantie für die Rentenversicherung zweifelsfrei klarzustellen. Gerade die Einbringung des vorliegenden Gesetzentwurfs wäre ein geeigneter Zeitpunkt gewesen, um die Garantieverpflichtung des Bundes für sämtliche Leistungen der Rentenversicherung einschließlich Rentnerkrankenversicherung und Heilverfahren gesetzlich einwandfrei zu regeln.
({6})
Das ist nicht geschehen, und so steht die Begründung der Bundesregierung auf schwachen Füßen.
({7})
Die Schuldbuchforderungen sind ferner deshalb auch nicht als geeignete Anlage für Mittel der Sozialversicherung anzusehen, weil im Gesetzentwurf keine normale Tilgung vorgesehen ist. In dem ursprünglichen Entwurf ist über die Tilgung überhaupt nichts gesagt. Dann hat der Bundesrat vorgeschlagen, eine Tilgung von jährlich 3 % zuzüglich der Zinsen vorzunehmen. Die Bundesregierung hat demgegenüber im Gesetzentwurf zugestanden, eine Tilgung von 1 % einschließlich der ersparten Zinsen vorzunehmen. Das bedeutet nach meiner Berechnung - ich bitte, mich gegebenenfalls zu berichtigen -, daß die Schuldbuchforderungen erst im Jahre 1997 getilgt sein werden.
({8})
Wir wissen aber mit den Finanztechnikern der
Bundesregierung, daß vom Jahre 1975 an die Rentenleistung wahrscheinlich wieder sinken wird, so
daß dann die Tilgung der Schuldbuchforderungen
für eine reduzierte Rentenleistung in Frage kommt.
Auch das zeigt, daß die Methode, an Stelle von Barmitteln unkündbare Schuldbuchforderungen zu gewähren, nicht den Interessen der Rentenversicherung, sondern lediglich den Haushaltsinteressen, und zwar den gegenwärtigen Haushaltsinteressen, entspricht.
({9})
Ich sage bewußt „gegenwärtigen Haushaltsinteressen", weil nicht einmal den zukünftigen Bedürfnissen eines späteren Finanzministers Rechnung getragen wurde. Es ist nämlich - ich kann es nicht anders sagen - ein nicht sehr weitblickendes Verfahren, heute zum Ausgleich des Haushalts langfristige Schuldbuchforderungen auszugeben, die in einer Zeit getilgt werden müssen, in der infolge des Altersaufbaus das Sozialprodukt und damit das Steueraufkommen zwangsläufig für Rentenleistungen in einem stärkeren Maße als gegenwärtig in Anspruch genommen werden.
({10})
Zuletzt noch ein Wort zur Zinsfrage. Die Bundesregierung vertritt auf der einen Seite die Auffassung, daß gerade die Zinserträgnisse wirtschaftlich entscheidend seien. Auf der anderen Seite begrenzt sie aber den Zinssatz für Schuldbuchforderungen auf 5 %, was nichts anderes als eine Einschränkung der Erträgnisse, die der Rentenversicherung zur Verfügung stehen, bedeutet.
Im Entwurf ist ferner nicht gesagt, daß von der Rentenversicherung bereitgestellte Mittel gemeinsam von allen Rentenversicherungsträgern zu tragen sind. Das bedeutet praktisch, daß die Rentenversicherungsträger, die leistungsschwach sind, also Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern, durch dieses Gesetz in besonderer Weise belastet werden.
Aus diesen Gründen bedeutet nach Ansicht meiner Fraktion der vorliegende Gesetzentwurf keinen vollgültigen und finanzwirtschaftlich wirksamen Ausgleich, wie der Herr Staatssekretär soeben behauptet hat, für die Mehraufwendungen, die der Rentenversicherung entstanden sind. Durch den Gesetzentwurf wird gerade im Hinblick auf die steigenden Rentenausgaben die Finanzlage der Rentenversicherung nicht in bestmöglicher Weise gesichert. In dieser Hinsicht befindet sich meine Fraktion in voller Übereinstimmung nicht nur mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Deutschen Angestelltengewerkschaft, sondern auch mit Arbeitgebervertretern in den Organen der Rentenversicherung. Meine Fraktion wird deshalb bei den Ausschußberatungen wesentliche Änderungsanträge stellen, um die Leistungskraft der deutschen Rentenversicherung für die Zukunft zweckmäßiger zu sichern.
({11})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Willenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es kann nicht die Aufgabe der Rentenversicherungsträger sein, die finanziellen Verpflichtungen, die der Bund auf Grund des Rentenzulagengesetzes vom 10. August 1951 übernommen hat, zu erfüllen. Die Verwirklichung des vorliegen({0})
den Gesetzentwurfs würde bedeuten, daß in den nächsten Jahren die Versicherungsträger für die Finanzierung des Rentenzulagengesetzes ihr Vermögen zu ganz erheblichen Teilen hergeben müßten. Die angebotenen Bundesschuldverschreibungen lähmen die finanzielle Bewegungsfreiheit der Versicherungsträger in stärkstem Maße.
Vor einem Zugriff auf die Versicherungsträger warnen wir daher aus den verschiedensten Gründen. Den in den letzten Jahren vorgenommenen Erhöhungen der Löhne und Gehälter werden in Kürze erhöhte Renten folgen. Den Rentenversicherungsträgern muß daher eine gesunde Kassenlage erhalten bleiben, damit sie im Notfall auf die Reserven zurückgreifen können. Diese Voraussetzungen bringt der Gesetzentwurf in Gefahr. Eine Leistungsverbesserung für die Rentenempfänger ist nach Inkrafttreten des Gesetzes fast unmöglich. Die beiden Versicherungsanstalten NordrheinWestfalens, die etwa ein Drittel der gesamten Ausgaben der Rentenversicherungsträger im Bundesgebiet bestreiten müssen, würden unter dem geplanten Zugriff des Bundesfinanzministers besonders zu leiden haben. Nach Pressemeldungen würden sie voraussichtlich mit ungefähr 250 Millionen DM belastet werden. Seit der Währungsreform haben beide Anstalten mehr als 250 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Diese Mittel würden dem Wohnungsbau zukünftig wahrscheinlich fehlen, und die Zahl derer, die auf eine gesunde Wohnung oder gar auf ein Eigenheim warten, würde wieder steigen.
Auf der gleichen Linie liegt der Versuch des Bundes, die Mittel der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung anzugreifen. Hier sollen pro Jahr 185 Millionen DM abgezogen werden. Das Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen hat bis Mitte vergangenen Jahres etwa 230 Millionen DM für den Bau von Wohnungen und Wohnheimen zur Verfügung gestellt. Auch hier besteht stärkste Gefahr, daß diese Mittel dem Wohnungsbau nicht mehr zur Verfügung gestellt werden können.
({1})
Meine Damen und Herren, es ist noch nicht lange her, daß wir in diesem Hohen Haus ein Gesetz über die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung verabschiedet haben. Darf ich fragen, ob sich die zukünftigen Organmitglieder damit begnügen sollen, Berichte über den Vermögensbestand in Bundesschuldtiteln anzuhören, oder sollen sie in echter Selbstverwaltung die Geschicke ihres Versicherungsträgers gestalten? Wir wenden uns dagegen, daß die Folgen der Wirtschafts- und Steuerpolitik der Bundesregierung mit einem Teil der finanziellen Verpflichtungen des Bundes auf die Versicherungsträger und damit auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden.
Namens meiner politischen Freunde lehne ich den Gesetzentwurf ab.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grundidee, die hinter diesem Gesetzentwurf steckt - wenn man das eine Idee nennen darf -, haben wir schon am vergangenen Mittwoch und Donnerstag hier erörtert.
({0})
Der Herr Bundesarbeitsminister hat damals aber kein Wort darüber verlauten lassen, daß er uns heute mit diesem Entwurf beglücken werde. Aber rufen wir uns ins Gedächtnis, was er heute vor acht Tagen gesagt hat:
Wenn ich dabei ein Jahr lang Leistungen, die der Bund zu den Beiträgen an die Rentenversicherung gibt, in Form von Anteilen bekomme, dann ist mir das lieber, als wenn ich wegen des Geldmangels in der jetzigen Zeit für die Sozialversicherungsträger keine festen Grundlagen schaffen kann.
Ich meine, das ist eine beklagenswerte Haltung für einen Mann, der sich gelegentlich gern seiner Zugehörigkeit zu den Gewerkschaften und seiner Verbundenheit mit der Arbeiterschaft rühmt.
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Worum ging es in der vergangenen Woche in Wirklichkeit? Es ging darum, nicht für ein Jahr, sondern für drei Jahre die Verpflichtungen des Bundes gegenüber den Sozialversicherungsträgern in der Höhe von 555 Millionen pro Jahr nicht in barem Geld, sondern in Schuldverschreibungen abzugelten, die, wie heute schon gesagt worden ist, nicht beliehen und veräußert werden können. Darum ging es. An Stelle der pflichtmäßigen Barzuwendungen des Bundes an die Versicherungsträger hat man also den Versicherungsträgern durch diese Schuldverschreibungen nichts anderes als eine Zwangsanleihe auferlegt. Heute, bei Abschluß des Etatjahres 1952, kommt der Herr Minister und präsentiert rückwirkend für das beinahe abgelaufene Rechnungsjahr diesen Gesetzentwurf, von dem hier mit Recht festgestellt worden ist, daß er eine schwere Gefährdung der finanziellen Grundlagen und der Leistungsfähigkeit der Versicherungsträger darstellt. Ich bin darüber hinaus der Meinung, daß, wenn man an die Amortisationsverpflichtungen in diesen beiden Gesetzen denkt, wenn man also wahrheitsgemäß herausstellt, daß es sich hier um eine „ewige Schuld" handelt,
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die die Bundesregierung den Versicherungsträgern auferlegt, einem unwillkürlich die Erkenntnis aufgehen muß, daß das, was der Bund jetzt einspart, in absehbarer Zeit in Form neuer Beitragserhöhungen und in Form eines weiteren Abbaus der Sozialversicherungsleistungen hereingeholt werden wird.
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Das wird kommen, so sicher, wie das Amen in der Kirche zu kommen pflegt.
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- An eure Politik und ihre Auswirkung brauche ich nicht zu glauben, die kenne ich.
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- An eure Politik und ihre Auswirkung glaube ich nicht, die kenne ich nämlich.
Und wieso Geldmangel? Wir haben in der vorigen Woche mit dem Etat rund 10,4 Milliarden Mark für Besatzungskosten und für die Vorfinanzierung des deutschen Söldnerkontingents in der EuropaArmee verplempert. Dafür hat der Finanzminister immer Geld. Wenn es um die Sozialversicherungsträger geht, hat er nie Geld. Ich bin nicht der Mei({6})
nung, daß diese Haltung aus der „gegenwärtigen Finanzschwierigkeit" des Bundes geboren ist. Ich bin vielmehr der Meinung, daß diese Politik, dieser Raubzug - anders kann man es doch nicht nennen - gegen die Versicherungsträger auf die Vorbereitung des kommenden Krieges hinausläuft. Hitler ist heute und in der vergangenen Woche zitiert worden. Erinnern wir uns daran, daß Hitler den Versicherungsträgern mit derselben Methode 18 Milliarden Mark gestohlen hat,
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18 Milliarden allein neben den 40 Milliarden, die sie insgesamt durch die zwei verbrecherischen Kriege verloren haben!
Wir Kommunisten lehnen es ab, die deutschen Versicherungsträger, die mit den Beiträgen der Versicherten aufgebaut worden sind, deren Vermögen schon zweimal durch den Krieg verludert worden ist, neuerlich wieder einer dritten, sicherlich eintretenden Vernichtung auszusetzen. Diese Gefahr ist unabwendbar, wenn es den Kriegstreibern gelingen sollte, den von Eisenhower jetzt so klar angekündigten Raubkrieg gegen die Länder des Friedens auszulösen.
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Wir sagen den deutschen Arbeitern und den deutschen Sozialversicherten: Keinen Pfennig für Kriegsvorbereitung! Schluß mit der imperialistischen Kriegspolitik! Fort mit der Regierung Adenauer! Damit wird auch dieses Schandgesetz zu Fall gebracht.
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion, die ich hier gehört habe, bringt mich zu der Überzeugung, daß man anscheinend den Inhalt des Gesetzes nicht richtig übersehen hat.
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Der Beschluß, daß für das Etatsjahr 1952 die Versicherungsträger 20 % zu leisten haben, ist bereits in dem Gesetz vom 13. August 1952
({1})
von diesem Hause gefaßt worden.
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- Daß das gegen Ihre Stimmen geschehen ist, gebe ich gern zu; es geschieht ja in diesem Hause oft etwas gegen Ihre Stimmen.
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Es handelt sich in dem vorliegenden Gesetz doch nur darum, daß der Abs. 2 des § 1 des Gesetzes vom 13. August 1952 einen Inhalt bekommt, nämlich den Inhalt, in welcher Form der Bund den Versicherungsträgern Eigentum übergeben muß. Das ist in dem Gesetz vom August nicht geklärt und nicht festgelegt worden. Dafür liegt heute das Gesetz vor, und das, was hier in die Diskussion hineingebracht worden ist, wird wahrscheinlich dann vorgebracht werden können, wenn die Regelung für das Jahr 1953 vor Ihnen liegt.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die erste Beratung. Ich schlage Ihnen vor, die Vorlage dem Haushaltsausschuß und dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen. - Dem wird nicht widersprochen.
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- Also gegen die Stimmen der Kommunisten wird die Vorlage dem Haushaltsausschuß und dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen. Das ist zweifellos die Auffassung der Mehrheit des Hauses.
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- Federführend der Haushaltsausschuß.
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- Also, meine Damen und Herren, dann muß ich abstimmen lassen. Primär handelt es sich ja um eine Finanzvorlage. Also ich bitte diejenigen, die der Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen. Ich bitte diejenigen, die der Mitbeteiligung des Ausschusses für Sozialpolitik zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die überwiegende Mehrheit. Auch das ist angenommen.
Dann kann ich aufrufen Punkt 8:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erstreckung des Tarifvertragsgesetzes ({3}).
Dazu verweist die Regierung auf die gedruckte Begründung. Der Ältestenrat ist von der Annahme ausgegangen, daß unter diesen Umständen eine Aussprache in der ersten Beratung nicht stattfindet. Ich darf dem Hause vorschlagen, die Vorlage dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen. - Es wird nicht widersprochen. Dann kann ich also die Zustimmung des Hauses feststellen.
Punkt 9 ist an den Ausschuß zurückverwiesen. Ich rufe auf Punkt 10:
Beratung des Antrags der Fraktionen der FDP, DP betreffend Stärke des Personals der Bundesgrenzschutzbehörden ({4}).
Dazu schlägt der Ältestenrat eine Begründungszeit von 20 Minuten und eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
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- 90 Minuten! - Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Dr. Mende ({6}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 118. Sitzung vom 15. Februar 1951 in zweiter und dritter Beratung das Gesetz über den Bundesgrenzschutz und über die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden beschlossen. Dieses Gesetz ist im Bundesgesetzblatt am 16. März 1951 verkündet worden. Nach diesem Gesetz ist der Personalbestand des Bundesgrenzschutzes auf 10 000 Mann festgesetzt worden.
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Nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahre müssen wir feststellen, daß der Bundesgrenzschutz trotz vorbildlichen Einsatzes und trotz Anspannung aller Kräfte den ihm gestellten vielfältigen Aufgaben nicht gerecht werden konnte. Wir - die Fraktion der Freien Demokraten und die Fraktion der Deutschen Partei - haben uns daher veranlaßt gesehen, Ihnen in der Drucksache Nr. 4046 eine Vermehrung des Personalbestands auf 20 000 Mann vorzuschlagen. Ich habe den Auftrag, Ihnen im Namen der Fraktionen der Freien Demokraten und der Deutschen Partei die Gründe für diesen Antrag darzulegen.
Lassen Sie mich zunächst eine Vorbemerkung machen. Wir bedauern, daß das Washingtoner Abkommen, das uns seit über zwei Jahren eine Bundesgrenzschutzkapazität von 30 000 Mann zusichert, infolge parteipolitischer Streitigkeiten und zum Teil auch infolge von Kompetenzschwierigkeiten zwischen Bund und Ländern leider nicht ausgenutzt worden ist. Eine so entscheidende nationale Sicherheitsfrage - wie noch im folgenden darzulegen sein wird - ist anscheinend bisher an engstirnigen innerpolitischen Streitigkeiten gescheitert.
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Wir von der Freien Demokratischen Partei haben vor über zweieinhalb Jahren ferner einen Antrag auf Änderung des Grundgesetzes eingereicht mit dem Ziel, eine schlagkräftige, dem Bund unterstellte Bundesbereitschaftspolizei zu schaffen. Auch dieser Antrag liegt seit über zwei Jahren in den Ausschüssen. Ja, nicht einmal ein Abkommen zwischen den Ländern zur Zusammenarbeit der Länderpolizeien ist einhellig zustande gekommen. Ein Land, nämlich Niedersachsen, das allen Grund hätte, sich der Unterstützung des Bundes in den Fragen der inneren Sicherheit zu versichern, hat sich diesem Polizeiabkommen leider bisher nicht angeschlossen.
Zu der verfassungsrechtlichen Frage ist kaum etwas zu sagen. Bereits damals in der 118. Sitzung am 15. Februar 1951 ist eindeutig festgestellt worden, daß die Zuständigkeit des Bundes zur Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden nach Art. 73 und 87 des Grundgesetzes gegeben ist. Das ist auch in den zuständigen Ausschüssen geprüft worden, und es ist dort nicht zu erwähnenswerten Auseinandersetzungen gekommen.
Die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes umreißt im wesentlichen der § 2 des Gesetzes. Da heißt es, daß der Bundesgrenzschutz die Sicherheit des Bundesgebiets gegen verbotene Grenzübertritte gewährleisten soll. insbesondere auch die sonstigen die Sicherheit der Grenzen gefährdenden Störungen der öffentlichen Ordnung im Grenzgebiet in einer Tiefe bis zu 30 km zu verhindern hat, wobei das Recht der Nacheile unberührt bleibt. Wenn man weiß, daß es zu einer Taktik der sowjetischen Machthaber gehört, zu infiltrieren, die demokratischen Staatswesen auszuhöhlen, ja, daß die Infiltration im zweiten Weltkrieg von der Roten Armee geradezu zu einem strategischen Mittel gemacht wurde, dann muß man feststellen, daß die innere Sicherheit und die öffentliche Ordnung in unserem Grenzgebiet keineswegs von den bisherigen 10 000 Mann gewährleistet werden konnte. Denn wir haben - meine Damen und Herren, ich bitte Sie, hier einmal genau hinzuhören und die Zeitungen wegzulegen - eine Zonengrenze, addiert um die Grenze zwischen Bundesrepublik und Tschechoslowakei, von 2137 km, dabei 1381 km Sowjetzone, 356 km Bundesgrenze gegenüber der Tschechoslowakei und 400 km Seegrenze. Wenn ich die 10 000 Mann des Bundesgrenzschutzes auf jene 2137 km aufteile, so habe ich nicht einmal je 10 km einen Unteroffizier und 8 Mann, wenn man innerhalb 24 Stunden eine dreifache Ablösung sicherstellen will.
Darüber hinaus wäre ja eine solche lineare Aufstellung unsinnig. Wir wissen vielmehr, daß Schwerpunkte gebildet werden müssen und daß die Aufgaben eines modernen Grenzschutzes nicht mehr mit den etwa noch vor Jahrzehnten geübten Diensten eines Landgendarmen zu vergleichen sind, der heute vielleicht ein Fahrrad mit Sachsmotor sein eigen nennt. Auch nicht ein pickelhaubenbewehrter bärtiger Polizist kann heute auf einem Marktplatz wie noch vor 30, 40 Jahren die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleisten. Nein, im modernen Massenstaat und insbesondere gegenüber jener Gefahr der Infiltration durch einen mit allen Mitteln der Technik arbeitenden Sowjetgegner sind die Grenzschutzaufgaben Kompanie-, Bataillons-, Regiments-, ja sogar Divisionsaufgaben geworden, zu deren Erfüllung sogar Hubschrauber notwendig sind, und wir sollten uns an den modernen Polizeien z. B. Italiens ein Beispiel nehmen, wie solche moderne Polizei- und Grenzschutzaufgaben gelöst werden.
Die Gliederung und Bewaffnung des Bundesgrenzschutzes entspricht in keiner Weise den Anforderungen moderner Art. Wir haben im Augenblick drei Grenzschutzkommandos in München, Kassel und Hannover mit je vier Grenzschutzabteilungen. Die Stärke jeder Grenzschutzabteilung umfaßt rund 600 Mann. Alles in allem verfügen wir mit der Grenzschutzabteilung Bau, mit dem Seegrenzschutzverband und den Grenzschutz-schulen über eine Gesamtstärke von 9043 Mann. Die Bewaffnung dieser, nun, sagen wir, rund 10 000 Mann - ich will sogar großzügig nach oben abrunden - besteht aus 10 000 Karabinern 98 k, die wir für teures Geld aus französischen Beutebeständen zurückkaufen mußten, wobei allein die Entrostung eine ganze Zeit in Anspruch nahm. Munition wurde zunächst überhaupt nicht mitgeliefert. Es dauerte sehr lange, bis die erste Ausstattung von 300 000 scharfen Schuß zur Verfügung stand. Dazu kommen 1000 Maschinengewehre 42. Für sie gilt das gleiche in bezug auf Ankauf und Entrostung. Wir haben 49 leichte Straßenpanzerwagen, die sich dadurch auszeichnen, daß die Werkmeister jeden Sonntag sich zu technischen Genies entwikkeln, indem sie diese Wagen zum Fahren bringen. Ich habe gestern in der Zollgrenzschutzschule einen erbeuteten Schmuggelpanzerwagen gesehen. Mir schien er wesentlich moderner zu sein als jene dem Bundesgrenzschutz zur Verfügung stehenden 49 Straßenpanzerwagen.
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Wenn ich noch die 2-cm-Maschinengewehre für den Seegrenzschutzverband hinzuzähle, so haben Sie das Gesamtbild der Ausrüstung unseres Bundesgrenzschutzes.
Wie lächerlich klingen jetzt zwei Jahre später jene Vorwürfe, die auch in diesem Hause damals gegenüber dem Bundesgrenzschutz erhoben wurden nach dem Motto: Bundesgrenzschutz bedeutet Remilitarisierung durch die Hintertür! Meine Damen und Herren, wer auch nur acht Tage Soldat war, weiß, daß zur Remilitarisierung mehr gehört als
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verrostete Karabiner 98 k mit verbogener Seelenachse und zurückgekaufte schlecht fahrende Straßenpanzerwagen.
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- Ich werde Ihnen gleich sagen, Herr Kollege Rische, wie Sie das Problem gelöst haben. Wenn wir diese Ausrüstung des Bundesgrenzschutzes ansehen und sie mit der Ausrüstung vergleichen, die die Volkspolizei für sich in den letzten Jahren erwerben konnte, so zeigt sich hier ein krasses Mißverhältnis, das nicht nur uns, sondern auch unsere europäischen Nachbarn aufhorchen lassen sollte. Denn auch jetzt liest und hört man, daß ein Nachbar durch jene Forderungen der Freien Demokraten und der Deutschen Partei sich beunruhigt fühlt, die Zahl auf 20 000 Mann zu erhöhen. Es muß schlecht um das Selbstvertrauen und die Sicherheit der anderen bestellt sein, wenn man sich durch diese 20 000 Mann irgendwie bedroht fühlt oder wenn man darin etwa die Vorwegnahme der Maßnahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft sehen sollte. Das zeugt zumindest von einer geringen Kenntnis des Inhalts des Vertrags über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft.
Nun zurück zur Volkspolizei! Die Volkspolizei hat eine Gesamtstärke von 120 000 Mann, zunächst gegliedert in mechanisierte, motorisierte Schützenregimenter mit Artillerie und Panzern, seit etwa einem Jahr unter Mitwirkung der sowjetischen Militärmission unter Führung des Generalobersten Winogradow aus Moskau, zusammengefaßt in Divisionen und sogar in Korps. An der Spitze dieser 120 000 Mann Volkspolizei stehen die ehemaligen Wehrmachtgenerale Vinzenz Müller, von Len zki, Lattmann, Dr. Korfes, der Oberst der Luftwaffe von Lehwitz-Litzmann, der Oberstleutnant im Generalstab von Frankenberg und Proschlitz, die Majore Markgraf und Bechler, um nur einige zu nennen, die ich persönlich sogar noch aus dem Kriege kenne.
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- Herr Kollege Rische, vielleicht besser als Sie.
Diese 120 000 Mann gliedern sich zunächst in die Armeegruppe Nord mit Sitz in Pasewalk mit 55 000 Mann. Die Armeegruppe Nord hat drei Divisionen zu je 15- bis 18 000 Mann. Jede dieser Divisionen umfaßt drei Infanterieregimenter, ein ArtillerieRegiment, ein Panzerregiment, eine Aufklärungsabteilung, ein Pionier-Bataillon, eine Panzerabwehrabteilung mit 3 Batterien zu je 4 Geschützen zu 7,62 cm, eine Flak-Abteilung, eine NachrichtenAbteilung, eine Kfz-Abteilung, eine Sanitätsabteilung, eine Bäckereikompagnie, eine Schlächtereikompanie; dazu gehören ein Munitions-Park und Propaganda-Kompanie, und selbstverständlich fehlen auch nicht die Politruks! Wir sehen also die typische Gliederung einer früheren Wehrmachtsdivision.
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- Die Putzfrau ist wahrscheinlich mit Ihnen besser befreundet als mit ihrer Division.
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Ich meine die Putzfrauen, die Ihnen die Nachrichten aus den Papierkörben anderer Fraktionen zuleiteten.
Jedes Infanterie-Regiment verfügt über drei Bataillone, eine mittlere Granatwerfer-Kompanie, eine Aufklärungs-Kompanie, Pionierkompanie,
Pak-Kompanie, Nachrichtenkompanie, Kfz.-Kompanie und Sanitäts-Kompanie.
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- Ich weiß, daß Sie unruhig werden. Sie haben allen Grund! Jedes Infanterie-Bataillon hat drei Infanterie-Kompanien, eine schwere Maschinengewehr-Kompanie, einen Panzerbüchsen-Zug. Ein Artillerie-Regiment verfügt über drei Abteilungen zu je drei Batterien von je vier Geschützen mit 7,6cm-Kaliber und drei Batterien von je vier Geschützen mit 12,2-cm-Kaliber-Feldhaubitzen. Dazu kommt noch ein Panzerregiment mit zwei Abteilungen zu je 32 Panzern T 34, T 43, Stalin II, und einer Abteilung Selbstfahrlafetten.
Ich könnte in der Aufzählung über die Ausrüstung fortfahren, beschränke mich aber darauf, noch folgendes anzuführen: Pakabteilungen, Flakabteilungen, und bei den Heerestruppen ein schweres Artillerieregiment, ein Pakregiment und ein Flakregiment, dazu ein Pionierbataillon und Nachrichtenabteilung. Ich verweise ferner auf die Schulen und auf die Divisionsstämme, die bereits bis zur Stärke von 21 Divisionen vorhanden sind. Es sind 15 Offizier-Waffenschulen und 4 Schulen für Spezialisten da. Ferner weise ich auf die Planung einer Armeegruppe Süd in Dresden und einer Armeegruppe West in Erfurt hin. Bis zum Sommer 1953 sind 6 bis 9 weitere volle Divisionen geplant. Es wäre also die Zahl von 200 000 erreicht.
Die 120 000 Mann Volkspolizei verfügen schon jetzt insgesamt über 800 Panzer und Sturmgeschütze und über 1300 Geschütze aller Kaliber.
Die Marine umfaßt 4000 Mann mit Minenräumbooten, Küstensicherungsbooten, Schnellbooten, Schulschiffen, Tankern, Versorgungsschiffen usw.
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Die Luftwaffe verfügt über 6000 Mann. Sie ist dem Ministerium des Innern, Abteilung Hauptverwaltung Luft, unterstellt. Die fliegenden Verbände umfassen im Augenblick 3 Regimenter in Bautzen, Kottbus und Kamenz. Dort sind zugleich die Flugplätze. Die Ausrüstung besteht für jedes Regiment als 23 russischen Übungsflugzeugen Jak 18. Ferner liegt eine Lehrabteilung auf dem Flugplatz BerlinJohannisthal. Bei den Bodeneinheiten ist eine LehrFlakabteilung vorhanden, die von Pinnow nach unbekanntem Standort verlegt worden ist; weiter gehört dazu eine Technische Inspektion für die Luftwaffe, vor allem für die Luftzeugentwicklung, in Dresden. Die Planungen sehen bis zum Herbst 1953 die Umrüstung dieser drei Luftregimenter auf den russischen Jäger MIG 15 und den Ausbau von Flugplätzen mit Schwerpunkt im Südostraum der sowjetischen Besatzungszone vor.
Meine Damen und Herren, dieses auf amtlichen Unterlagen und den Aussagen einiger tausend geflüchteter Volkspolizisten
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beruhende Material läßt sich vervollständigen. Ich muß mich aus Zeitmangel darauf beschränken, nur dieses Gerüst darzustellen. Im übrigen steht den Damen und Herren des Hauses die Einsicht in die Kriegsstärke- und Kriegsausrüstungsnachweisung der Volkspolizei jederzeit zur Verfügung.
Ich sprach vorhin von der Infiltration, von der sowjetischen Taktik, demokratische Staatswesen von innen auszuhöhlen, um sie so von innen heraus
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zusammenbrechen zu lassen. Wir wissen, es beginnt mit Agenten. Diese schmuggeln nicht nur Flugschriften herein, sondern es kommt auch zum Schmuggel von Sende- und Empfangsgeräten, von Waffen und Sprengstoff. Das summiert sich bis zu dem Zeitpunkt, in dem eine „Neue Rote Kapelle" die Sowjetunion wieder mit den Funksprüchen versorgt, die sie braucht.
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Die Erfahrung der letzten zwei Jahre hat bewiesen, daß es bisher keinen wirksamen Schutz gegen Grenzübergriffe gab. Ich bitte, sich auch einmal hier eine Zusammenstellung der Grenzübergriffe in der letzten Zeit vor Augen zu halten. Vom 26. Mai bis zum 31. Dezember 1952 sind an der Zonengrenze 134 Grenzzwischenfälle und 35 Fälle des Überfliegens der Zonengrenze festgestellt worden. Diese 134 Grenzzwischenfälle verteilen sich auf Bayern mit 23, Hessen mit 38, Niedersachsen mit 55, Schleswig-Holstein mit 14 und den Ostseeraum mit 4 Fällen. Bei diesen Grenzverletzungen sind im einzelnen folgende strafbare Handlungen begangen worden: Verschleppungen von Personen in 48 Fällen, wobei 121 Personen betroffen worden sind, Grenzüberschreitungen durch Volkspolizei in 57 Fällen, durch Sowjetsoldaten in 26 Fällen, Schußabgabe über die Grenze in 34 Fällen, Gebietsverletzungen in 12 Fällen, Eigentumsvergehen in 11 Fällen, sonstige Zwischenfälle wie Vergewaltigung, Bedrohung, Ausfragen, Anhalten von Personen, Verfolgung von Flüchtlingen in 28 Fällen, Überfliegen der Zonengrenze in 35 Fällen; insgesamt also 251 Fälle.
Verschleppt wurden über die Zonengrenze im gleichen Zeitraum aus Bayern 13 Personen, aus Hessen 19, aus Niedersachsen 65, aus SchleswigHolstein 13, aus dem Ostseeraum 11, insgesamt 121 Personen, von denen ein Teil allerdings nach einiger Zeit wieder zurückkehrte, unter ihnen auch 43 Arbeiter der Braunschweigischen Kohlenbergwerke.
Als Flüchtlinge sind im Jahre 1952 aus der sowjetischen Besatzungszone und dem Ostsektor Berlins hineingeströmt und wurden überprüft insgesamt 165 738, von denen 113 363 Personen gleich 75 0/0 hier aufgenommen wurden.
Von der Volkspolizei flohen in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1952 1995. Die Fluchtziffer verteilt sich auf die vergangenen drei Jahre wie folgt: 1950 flohen 2034 Volkspolizisten, 1951 2143 und 1952 2900 Angehörige der Volkspolizei.
Man soll allerdings aus diesen Zahlen nicht etwa entnehmen, daß die Struktur der Volkspolizei morsch ist. Es handelt sich bei den Geflüchteten meistens um Altere. Dagegen die fanatisierten FDJ-Funktionäre, die seit langem mit dem Fanatismus zur „Befreiung Westdeutschlands vom kapitalistischen Kolonialjoch des Petersbergs" aufgestachelt werden, befinden sich unter diesen Flüchtlingen leider nicht, so daß wir das Gefühl haben müssen, daß der Fanatismus und die Sucht, uns von allem zu befreien, was wir haben, bei der Volkspolizei größer ist, als es die Fluchtziffern vielleicht manchem sagen können.
Lassen Sie mich zum Schluß noch
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einige Beispiele erwähnen, weil auch hier die
Glaubwürdigkeit der Angaben für die Kommunisten immer sehr unterbaut werden muß. Bevor
nicht einer ihrer Leute am Strang hängt oder wie Herr Clementis oder Slansky oder wie jetzt bald Kurt Müller im Nacken jenen Strick fühlt, glauben sie ja gar nicht, von welch einer bestialischen Macht die Kommunisten in der ganzen Welt abhängig sind.
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Aber da wir uns der Humanität verschrieben haben, machen wir Iden Versuch, ihnen noch vor dem Gang zu dem sowjetischen Galgen die Möglichkeit einer Umkehr zu geben.
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Ich bitte Sie, mir zuzuhören, wenn ich Ihnen jetzt einige Beispiele von Übergriffen gegen westdeutsche Personen sage.
Am 28. Mai, 12 Uhr, wurde am Übergang Eußenhausen-Meiningen ein Zollgrenzassistent von zwei Vopos auf Bundesgebiet festgenommen und verschleppt. Er wurde am 6. Juni 1952 wieder freigelassen.
Bei Nienbergen ({23}), überfallen zwei Vopos am 5. Juni 200 m westlich der Zonengrenze die 15jährige Tochter eines Bauern aus Nienhagen beim Kühehüten, fragen sie unter Bedrohung mit der Waffe aus, knebeln und vergewaltigen sie. Die Vopos entfernen sich bei Annäherung eines Zivilisten.
Bei Bornhagen, Bezirk Hersfeld, überschreiten zwei Vopos am 7. Juni 1952 die Grenze um 150 m und nehmen eine männliche Person fest. Es ist unklar, ob der Mann aus der Sowjetzone oder aus der amerikanischen Zone stammt.
Ein Bauer aus Gerblingerode, Kreis Duderstadt, mit seinen zwei Söhnen wird am 9. Juni bei Landarbeiten an der Grenze mit sechs bis sieben Schuß beschossen. Keine Verletzung; Schütze unbekannt.
Am 12. Juni überschreiten bei Rodach, Kreis Kronach, drei Vopos die Grenze und fragen einen Bauern nach Zoll und Polizei.
Am 22. Juni werden 43 Arbeiter bei Reinsdorf bei Aufräumungsarbeiten an der Zonengrenze von Vopos auf ostzOnales Gebiet verschleppt. Dabei wird eine Betriebslok der Grube Viktoria mitgenommen. Die Arbeiter kehren am 23. Juni, morgens 2 Uhr, zurück.
Der Bürgermeister von Sülzfeld, westlich Coburg, wird am 27. Juni von Vopos verschleppt; am 28. Juni zurück. - Ich könnte die Reihe dieser Beispiele noch fortsetzen und Ihnen hier alle 250 Fälle nennen.
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Der Bevölkerung an der Zonengrenze hat sich begreiflicherweise angesichts dieser Entwicklung eine große Unruhe bemächtigt. Davon zeugen zahlreiche Bitten um Schutz an den Bundesgrenzschutz; zum Beispiel die Bitte um Schutz der Grubenanlagen der Braunschweigischen Kohlenbergwerke am 27. Mai 1952. Am 26. Juni bittet das Waldgut Huflar bei Ostheim an der bayerischen Grenze das Bundesinnenministerium um Schutz durch den Bundesgrenzschutz, da Gerüchte wegen 'Besetzung der Enklave Ostheim umlaufen.
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Am 1. Juli bittet der Senat von Lübeck, daß das Grenzschutzkommando West dort verbleibt, nachdem er erfahren hat, daß es verlegt werden soll.
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Einstimmiger Beschluß des Senats Lübeck! Am 6. Juli will der Besitzer von Paterhof, Kreis Duderstadt, ausziehen, wenn er keinen Schutz durch den Bundesgrenzschutz bekomme. Am 11. Juli will die Bevölkerung des Ratzeburger Zipfels die Feldarbeit einstellen und das Gebiet räumen, falls der Bundesgrenzschutz abziehen sollte. Am 14. Juli fordert das Zollkommissariat Lübbow Sicherung für die Brücken südlich von Lübbow an, da ihr Abbau durch Volkspolizei befürchtet wird. Und so weiter, und so weiter!
Also auch hier eine große Anzahl von Wünschen und Bitten, auch sogar von Abgeordneten dieses Hauses und des Bayerischen Landtags. Der Abgeordnete im Bayerischen Landtag Dr. Eberhardt erbittet am 7. August Einsatz des Bundesgrenzschutzes an der Bergmühle bei Neustadt-Coburg, da das Anwesen des Besitzers durch den Grenzzaun geteilt und vom Verkehr abgeschnitten ist. Am 8. August erbittet der Landesverband der CDU in Hessen Einsatz des Bundesgrenzschutzes zum Schutz der Erntearbeiten. Am 19. August erbittet Frau Abgeordnete Dr. Probst aus diesem Hause den Einsatz des Bundesgrenzschutzes im Kreise Mellrichstadt, Bayern, wegen Ermordung eines Zollbeamten am 29. Juli. Die Industrie- und Handelskammer Oberfranken-Coburg erbittet am 15. Oktober Einsatz des Bundesgrenzschutzes an der grenznahen Straße Neustadt-Coburg wegen Gefährdung durch Volkspolizei und Russen. Am 22. Oktober teilt der Bayerische Staatsminister des Innern dem Bundesministerium des Innern drei besonders schwerwiegende Vorkommnisse an der Zonengrenze mit, eine Verschleppung, eine Aufforderung zum Grenzübertritt unter Waffenandrohung, ein Überschießen der Grenze, und bittet um weitere Veranlassung und Hilfe. Im Menschenraub-Prozeß betreffend Entführung von Ursula Dreyling in Lüneburg verweigert eine Zeugin aus dem iGrenzgebiet die Aussage, aus Furcht vor Rache aus der Ostzone. Die Kriminalpolizei gibt an, daß sie sich bei Vernehmungen im Grenzbereich „oft vor einer Mauer des Schweigens in entscheidenden Punkten" sieht. Am 31. Oktober wird auf Bitten des Landrats von Hünfeld eine Gruppe des Bundesgrenzschutzes bei Mansbach, 16 km nordöstlich von Hünfeld, zum Schutze von Erntearbeiten eingesetzt. Und so weiter, und so weiter!
Meine Damen und Herren! Sie sehen, daß hier wirklich eine nationale Sicherheitsfrage heute entschieden werden soll. Der Einwand: „Nun, mit den 20 000 Mann könnt ihr immer noch nicht der Volkspolizei in dieser Stärke ein Paroli bieten!" stimmt zwar, aber er ist unlogisch. Mit demselben Recht hätte ich 1947 in der Hungerzeit sagen müssen: „Ich esse diese kleine Ration nicht, weil ich nicht satt werde, und verhungere lieber." Nein, wir müssen auch diese Verstärkung vornehmen in dem Wunsch, daß weitere Maßnahmen, die noch später im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft folgen, dann das echte Äquivalent und den echten Schutz gegenüber der Bedrohung durch die Volkspolizeidivisionen und Volkspolizeikorps herstellen.
Ich weiß, daß manches .am Bundesgrenzschutz kritisiert wird. Der eine stößt sich an den Schulterstücken und liebt mehr die Ärmelstreifen englischen und amerikanischen Vorbilds. Der andere möchte gegen die Kasernierung Sturm laufen und sieht als Idealbild einer Bereitschaftspolizei vielleicht die Verteilung der Herren Bundesgrenzschutzpolizisten als möblierte Herren bei einer wohlwollenden Wirtin. Meine Damen und Herren, was auch sonst immer an Kritik geübt werden sollte, - wir sollten diese kleinen Dinge zurückstellen zugunsten der gemeinsamen Fragen der inneren Sicherheit, insbesondere für die Menschen, die an der Zonengrenze mehr davon betroffen werden als mancher, der weit weg vom Schuß wohnt.
Wir bitten Sie daher, fiskalische Bedenken oder Kompetenzschwierigkeiten zurückzustellen und den Antrag heute nicht etwa erst an den Ausschuß zu überweisen. Wir haben bereits so viel Zeit verloren, daß wir uns das einfach nicht mehr leisten können. Ich bitte Sie daher dringend, in einer namentlichen Abstimmung diesen Antrag bereits heute anzunehmen, in einer namentlichen Abstimmung deswegen, damit wir den Grenzgebieten, vor allem den gefährdeten 'Gebieten in Niedersachsen, im Bayrischen Wald und in 'Schleswig-Holstein, beweisen können, daß fast alle Abgeordneten in diesem Hause - von den Kommunisten abgesehen - mit der Bevölkerung dort mitfühlen und bereit sind, ihren Schutz durch diese Maßnahme zu fördern.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Dresbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Leutnant der Reserve ruht bereits seit November 1918 bei den Akten des preußischen Heerbannes.
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Deshalb bin ich nicht so sachkundig und militärisch-technisch auf der Höhe wie mein Kollege Mende. Ich bitte aber diese Bemerkung keineswegs so aufzufassen, als ob ich die außerordentlich eindringlichen Darlegungen meines Kollegen Mende bagatellisieren wollte. Ich glaube, ein derartiger Versuch, von wem er auch hier unternommen würde, würde den berechtigten Zorn der schwer leidenden Bevölkerung an der Zonengrenze hervorrufen.
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Nun, Herr Kollege Mende, etwas zum Verfassungsrechtlichen, und zwar eindringlich. Ich darf mir erlauben, dies zu sagen, da ich seinerzeit an den Arbeiten des Ausschusses für innere Verwaltung teilgenommen babe. Sie sprachen vom Washingtoner Abkommen, das 30 000 Mann Bereitschaftspolizei zugebilligt habe. Aber es hieß damals nicht „dem Bunde", sondern auch „den Ländern". Es lag wohl nahe, daß man die verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten zu umschiffen suchte, indem man vornehmlich die Länder anging. Ich gebe aber zu: dieses Ansinnen ist nicht überall mit dem guten Willen aufgenommen worden, den man gerade bei den Ländern an der Zonengrenze voraussetzen konnte. Ich darf jedoch wiederholt darauf hinweisen, daß die Schwierigkeiten der Verfassung beträchtlich sind. Man kann sie auch nicht ohne weiteres mit den Worten innerpolitischer Klüngel, Streitigkeiten oder sonstwie abtun. Das haben Sie ja auch nicht getan. Ich darf feststellen, daß im Grundgesetz im Bereich der Bundesfunktionen das Wort Polizei einfach nicht vorkommt. Nur einmal im Notstandsartikel 91 ist vorgesehen, daß die Bundesregierung Landespolizei ihrer Befehlsgewalt unterstellen kann. Aber nach Beseitigung der Gefahr muß das wieder abgepfiffen werden, und außerdem kann der Bundesrat jederzeit eingreifen.
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Nun hat der Art. 87 des Grundgesetzes den Begriff „Bundesgrenzschutzbehörden" gebildet. Sie „können" eingerichtet werden, sie sind eingerichtet worden, und ich darf hier ausdrücklich feststellen: mit Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion. Ich möchte hier also betonen - aber ich will meinem Kollegen Menzel nicht das Wort vorwegnehmen -, daß man der Opposition nicht den Vorwurf machen kann, sie hätte dem Bund die Exekutivkräfte verweigert. Ich glaube, die Bundesgrenzschutzbehörden sind seinerzeit nicht ohne Kritik aufgestellt worden. Ich darf darauf verweisen, daß damals Abgeordnete des Bundestags in Gemeinschaft mit Beamten des Innenministeriums Inspektionsreisen nach Italien unternommen haben, wo sie auf das Beispiel der kasernierten Polizei, der celere, stießen. Ich glaube, so heißen sie in italienischer Sprache; ich bin der Sprache nicht mächtig. Wir waren sogar jenseits des „Großen Teiches" in den Vereinigten Staaten und haben dart die Polizei studiert, haben dort allerdings keine Beispiele für das gefunden, was man sonst wohl hier im alten Erdteil Bereitschaftspolizei nennt. Dafür hat aber Amerika ein Instrument, das in drei Buchstaben ausgedrückt FBI heißt - Federal Bureau of Investigation -, ein Werkzeug, wie man es sonst wohl nur noch in totalitären Staaten findet.
({3})
- Herr Renner, ich glaube, Sie entdecken eine gewisse Wahlverwandtschaft damit.
Meine Damen und Herren, nun zu dem Thema Grenzschutzbehörden. Um auch dem vorzubeugen, daß an dem Begriff „Behörden" eingehakt wird: wir haben diesen Begriff „Behörden" bestimmt in den drei Grenzschutzkommandos verwirklicht. Aber, daß diese drei Kommandos, diese Behörden, nicht ohne Exekutivkräfte auskommen können, müßte doch jedem einleuchten, der sich einigermaßen mit Polizeidingen befaßt hat. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf verweisen, daß auch das Polizeipräsidium in Berlin eine beträchtliche Anzahl von Exekutivkräften unterhält. Also eine Polizeibehörde ohne solche Kräfte ist wohl nicht angängig.
Ich gebe allerdings zu, daß mir persönlich auch eine klare, eindeutige Änderung des Grundgesetzes, und zwar der Artikel 87 und 91, lieber gewesen wäre, durch die dem Bund ausdrücklich eine Bereitschaftspolizei zugestanden worden wäre. Ich darf feststellen, daß weite Teile dieses Hauses mit Einschluß der sozialdemokratischen Fraktion dafür waren. Aber ich muß auch für meine Freunde von der CSU absolut Verständnis aufbringen, die sich aus sehr guten Erwägungen heraus gegen eine Verfassungsänderung gestemmt haben. Meine lieben Freunde von der CSU, ich könnte mir vorstellen, daß Sie, wenn demnächst die Versuchung an Sie herantritt, die Verfassung aus gewerberechtlichen Motiven zu ändern, eine ähnliche Standhaftigkeit besitzen werden.
({4})
- Kollege Strauß, Sie werden es mir nicht übelnehmen, daß ich mir diese kleine Anpflaumerei nicht verkneifen konnte.
({5})
Und nun zu dem Thema Finanzierung. Der Herr Finanzminister erklärt mit Recht, er könne keine zusätzlichen Ausgaben bewilligen. Nun steht aber fest, daß die gegenwärtigen Ausgaben für den Grenzschutz, für die Grenzschutzbehörden und für die Exekutivkräfte ausdrücklich als auf den Verteidigungsbeitrag anrechenbar anerkannt worden sind.
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- Ich muß den Herrn Innenminister mir gegenüber als besseren Sachkenner ansprechen, und ich hoffe, daß er mir die Antwort auf den Zwischenruf des Herrn Kollegen Menzel abnimmt. Aber wenn der Herr Finanzminister mir eben ausdrücklich erklärt hat, daß diese Anrechenbarkeit anerkannt worden sei, Herr Menzel, so können doch meine Freunde und ich dem nicht das von der Opposition gewünschte Mißtrauen entgegenbringen. Dann ist es jedoch auch logisch, daß die Kosten für zusätzliche Kräfte auf den Verteidigungsbeitrag angerechnet werden. Das bedeutet nicht, daß darin nun das Anerkenntnis eingeschlossen liege, das seien schon Soldaten der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft; es handelt sich vielmehr um Faktoren, die der Verteidigung Europas gleichwertig dienen.
Meine Damen und Herren, es ist über die Frage orakelt worden, weshalb die CDU/CSU bei dem Antrag der beiden anderen Koalitionsparteien nicht mitmache. Ich darf hier wohl für den größten Teil meiner politischen Freunde erklären: ob nun Ausschuß oder nicht, wir stimmen mit Ja!
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Leuchtgens.
({0})
Meine Damen und Herren! Wenn man die Debatte über den Grenzschutz verfolgt und sich die Tatsachen vor Augen hält, die der Herr Kollege Dr. Mende hier vorgetragen hat, und dazu dann noch hört, daß hier über Verfassungsfragen oder über Finanzfragen oder über derartige Kleinigkeiten gesprochen wird, - ({0})
- Jawohl, angesichts der Tatsachen ist die Verfassungsfrage eine Kleinigkeit! Wenn heute die Russen herüberkommen und uns hier eindecken, dann sind Sie mit Ihrer Verfassung vollständig lahmgelegt.
({1})
Wenn wir unsere Freiheit nicht gegen einen russischen Überfall garantieren können, was wollen Sie dann mit Ihrer Verfassung und mit Ihrer Freiheit?!
({2})
Also übertreiben wir angesichts der gewaltigen Gefahr, in der wir heute stehen, die Verfassungs- und Finanzfragen nicht!
Ich möchte die Dinge einmal ganz kurz und knapp auf den richtigen Stand zurückführen. Sie haben gehört, daß drüben in der Sowjetzone nahezu 150 000 Mann stehen,
({3})
({4})
die jederzeit bereit sind, Übergriffe gegenüber unserer Heimat durchzuführen. Diese Tatsache müßte Ihnen doch genügen und Sie veranlassen, die Augen zuzudrücken und alles zu genehmigen, was gefordert wird.
({5})
Sie brauchen sich nur noch weiter zu überlegen, daß die Überfälle, die vorhin geschildert worden sind -134 in dreiviertel Jahren und 251 Straffälle in dieser Zeit -, vom Osten her vorgenommen worden sind. Nun kommen Sie und sagen: „Wir sind ein Staat, der uns, seine Angehörigen, schützen kann!" Wenn das vorkommt, dann sind wir kein Staat mehr, sondern dann sind wir einfach eine Gemeinschaft, die sich mit Knüppeln ausrüsten und gelegentlich etwas unternehmen kann. Wir müssen uns wirklich auch einmal besinnen, was „Staat" heißt. „Staat" heißt: die Angehörigen vor feindlichen Überfällen und vor Angriffen schützen! Wenn wir das nicht mehr können, dann wollen wir einpacken, dann brauchen wir auch keinen Bundestag mehr, der hier Gesetze macht. Wenn wir die elementarsten Pflichten eines Staates nicht mehr erfüllen können, indem wir' unsere Untertanen, unsere Bürger - ({6})
- Meine Damen und Herren, wenn ich das Wort - ({7})
- Ich freue mich, daß ich Ihnen auch einmal einen Spaß machen kann.
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- Wenn ich das Wort „Untertanen" gebraucht habe, so habe ich es nur in dem Sinne gebraucht, wie man das heute tut.
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- Warum denn nicht? Wir sind heute alle freie Bürger und wollen das auch selbstverständlich bleiben. Wir können es aber nur bleiben, wenn wir wirklich unseren Verpflichtungen nachkommen.
Ich bin deshalb der Meinung, daß die Verstärkung der Polizeikräfte von 10 000 Mann auf 20 000 Mann unbedingt vorgenommen werden muß, wenn wir nicht das Prädikat verlieren wollen, daß wir überhaupt ein Staat sind. Hier hilft keine Regierungskoalition und keine Opposition, hier dreht es sich einfach um eine ganz elementare Verpflichtung des Staates, seine Angehörigen zu schützen. Das müssen wir machen, und das können wir nicht mit 10 000 Mann, wenn die anderen mit 150 000 Mann antreten, sondern das können wir nur, wenn wir eine erhöhte Zahl von Grenzschutzkräften haben. Wenn wir unsere Selbständigkeit als Bundesrepublik, unsere Freiheiten und unsere Unabhängigkeit, für die wir ja alle, die wir hier sind, in gleicher Weise eintreten - abgesehen von den Kommunisten -, erhalten wollen, dann dürfen wir in diesem Falle nicht zurückschrecken, sondern dann müssen wir wirklich versuchen, das zu tun, was die Stunde von uns fordert: wir müssen eine Verstärkung der Polizeimannschaft von 10 000 auf 20 000 Mann vornehmen.
Ich möchte schließen mit dem Dichterwort: „Nur der verdient sich Freiheit und das Leben, der täglich sie erobern muß."
({10})
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage, die Ihnen heute unterbreitet worden ist, wird nicht nur für unsere seit der Trennung Deutschlands in zwei Teile schwer leidende Ostzonenbevölkerung von schicksalhafter Bedeutung sein,
({0})
sondern sie wird überhaupt für unseren inneren Frieden und seine Stärke
({1}) maßgebend werden.
({2})
Die antragstellenden Fraktionen haben Ihnen viel Material für die Notwendigkeit der Vermehrung unterbreitet,
({3})
und auch seitens der Bundesregierung ist immer wieder auf die Dringlichkeit dieser Frage hingewiesen worden. Ich selber habe zu wiederholten Malen Kabinettsbeschlüsse herbeigeführt, die die ganze Bedeutung und Schwere dieser Frage umrissen haben und die vom Kabinett einstimmig gefaßt worden sind.
Lassen Sie mich noch einmal an folgendes erinnern. Am 29. September 1950. also vor zweieinhalb Jahren, erkannten bereits die alliierten Westmächte durch einen Beschluß ihrer Außenminister in Washington an, daß hier etwas Durchgreifendes für den Schutz und den inneren Frieden geschehen müsse. Sie billigten uns damals zu, 30 000 Mann kasernierter, uniformierter und einheitlich ausgebildeter und bewaffneter Mannschaften aufzustellen. Zweieinhalb Jahre sind vergangen, ohne daß diese uns bewilligte Zahl voll erfüllt worden ist, trotz allen Bemühens der Regierung. Deshalb appelliere ich heute eindringlich an Sie: versauen Sie uns und unserer notleidenden Bevölkerung diesen notwendigen Schutz nicht.
Wir haben diese 30 000 Mann damals in folgender Weise aufzuteilen versucht. Die Länder waren bereit, 10 000 Mann zu übernehmen. Aber nicht alle Länder haben diese 10 000 Mann übernommen. Niedersachsen hat sich bis heute ausgeschlossen. Die übrigen haben ihre Auflagen ungefähr erfüllt. Wir werden bei Ausgang dieses Etatsjahres die 10 000 Mann, die auf die Länder entfallen, aufgestellt sehen. Die zweiten 10 000 Mann entfielen entsprechend dem Beschluß dieses Hohen Hauses auf den Bundesgrenzschutz. 10 000 Mann blieben übrig, weil die Anträge der FDP und SPD auf eine Bundesbereitschaftspolizei damals nicht durchführbar waren.
({4})
Wir kommen heute mit dem Antrag, uns die noch übrig gebliebenen 10 000 Mann zu bewilligen. Ich glaube, wir sind uns alle darin einig - vielleicht mit Ausnahme der Kommunisten -,
({5})
daß die ständigen Übergriffe sowjetischer Stellen sowie die Besorgnis und die Niedergeschlagenheit unserer Grenzbevölkerung eine ernste Frage für uns alle sind, die wir unter keinen Umständen auf die leichte Schulter nehmen oder hier gar mit Heiterkeit behandeln dürfen. Man würde der wirklichen Situation nicht gerecht, wenn man etwa sagte: Ganz große Zusammenstöße haben sich nicht ereignet. Wenn man die jahrelangen Drangsalierungen unserer Bevölkerung zusammenrechnet, ist das eine ganz große Krise.
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Drüben, wenige hundert Kilometer von uns, lebt die Bevölkerung Tag und Nacht in Angst und Schrecken. Sie weiß nicht, ob sie nicht jede Nacht aus den Betten herausgeholt wird. Sie erlebt die schwersten Übergriffe in täglichen Grenzüberfällen und -Zusammenstößen. Leute werden verschleppt, sie verschwinden und sind nicht wieder aufzufinden. Eigentum wird mißachtet. Es wird ständig drangsaliert und Furcht und Schrecken verbreitet, immer in dem Bestreben, die Bevölkerung mürbe zu machen und für spätere Dinge vorzubereiten. Wie die Dinge aussehen, zeigt ein in meine Hände gefallener Betriebsparteischullehrgang einer sowjetzonalen Partei. Da heißt es:
Sollte die unterdrückte Bevölkerung Westdeutschlands sich erheben und in Form eines Aufstandes einen Befreiungsversuch unternehmen, so ist die Regierung der Sowjetzone verpflichtet, nationale Streitkräfte zur Sicherung des inneren Friedens nach Westdeutschland zu entsenden.
({7})
Das sind die vorbereitenden Maßnahmen, und das ist das Ziel, das dahinter steckt.
({8})
Vom Bayerischen Wald bis hinauf zur Ostsee
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wird die Bevölkerung mit den Schatten des kalten Krieges überzogen, und die Grenzbevölkerung steht vor der bangen Frage: Was tut die Bundesregierung, und was tut das Parlament, um uns in unserer Not zu schützen; lassen sie uns im Stich oder helfen sie uns?
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Meine Damen und Herren! Eine ständige Flüsterpropaganda geht drüben um. Sie sagt: 2 1/2 Jahre ist nichts Entscheidendes geschehen. 2 1/2 Jahre sind die Möglichkeiten, die die Regierung und das Parlament haben, nicht ausgeschöpft worden. Ihr seht: die Leute denken nicht ernsthaft an euch; sie sind bereit, irgendwelche Kompromisse auf dem Rücken der Grenzbewohner zu schließen.
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Meine Damen und Herren, diese Lügen können Sie wirksam nur durch die Tat entkräften.
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- Sie könnten am ersten dazu beitragen, wenn Sie drüben
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jenseits des Eisernen Vorhangs endlich einmal für Recht und Ordnung und Menschenwürde sorgten!
({14})
Herr Abgeordneter Renner, ich möchte Sie dringend ersuchen, Ihre Zwischenrufe nun zu beschränken. Das Haus ist nicht dazu versammelt, nur um von Ihrer Seite Geschrei zu vernehmen.
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Herr Bundesminister, ich bitte Sie, fortzufahren.
Meine Damen und Herren! Wir arbeiten selbstverständlich auf das engste mit den Ländern zusammen. Ich habe Ihnen gesagt, daß die Länder mit Ausnahme von Niedersachsen mit uns Verträge geschlossen haben. Ich hoffe immer noch, daß unter der steigenden Not gerade jenes Landstrichs auch Niedersachsen sich anschließen wird. Wir liefern den Bereitschaftspolizeien der Länder die nötige Ausrüstung an modernen Waffen, soweit wir sie selbst haben. Wir liefern ihnen die notwendigen Fahrzeuge. Wir liefern ihnen alles technische Gerät und die Munition, und wir sind ständig bemüht, diese Lieferungen zu verstärken und zu verbessern, einschließlich Berlin.
Die Länder übernehmen die Unterbringung, die Bereitstellung von Kasernen und die Ernährung. Wir haben gemeinsame Ausbildungsvorschriften. Wir haben einen Inspekteur hier in Bonn, der das Ganze überprüft und Bericht erstattet, wie der Ausbildungsgang und die gesamten Verhältnisse dort beschaffen sind. Ich erwähne, daß einzelne Polizeien bereits geradezu vorbildlich dastehen. Ich bin in der angenehmen Lage, den Herren von der CSU und der Bayernpartei zu versichern, daß die letzten Berichte, die ich von Bayern bekommen habe, einen ausgezeichneten Ausbildungsstand der bayerischen Bereitschaftspolizei dartun und daß wir uns auch überzeugt haben, daß die bayerische Grenzpolizei in vorzüglicher Verfassung ist. Damit möchte ich alle die Legenden widerlegen, die behaupten, daß der Bund in irgendeiner Weise bestrebt sei, diese Mannschaftsbestände in ihrer Zahl zurückzudrängen oder aufzuheben. Im Gegenteil, ihre Verstärkung ist uns äußerst erwünscht.
Hinzu kommt, daß die Unruhe der Bevölkerung nicht zuletzt durch die Aufrüstung der sowjetzonalen Volkspolizei vermehrt wird. Ich verweise auf die 'Rede des englischen Außenministers Eden vor dem Unterhaus, in der er alle Zahlen genau so und in noch stärkerem Maße in den Einzelheiten dargestellt hat, als es Herr Abgeordneter Mende hier getan hat. Die Volkspolizei der Ostzone, die noch 1952 50 000 Mann stark war, umfaßt heute
({0})
130 000 Mann, gegliedert in Armeegruppen und mechanisierte Divisionen, bewaffnet mit Panzern und Geschützen aller Kaliber und versehen mit Begleitflugzeugen und anderen Flugzeugen. Neben diesen 130 000 Mann gibt es noch einmal 22 000 Mann Volkspolizei, die als besondere Grenzpolizeitruppe eingesetzt ist, von denen 12 000 Mann unmittelbar an der Grenze stehen und deren Zahl noch im Laufe dieses Jahres auf 18- bzw. 20 000 Mann erhöht werden soll. Wir stehen in einem krassen Mißverhältnis dazu. Aber es ist etwas anderes, ob das Mißverhältnis 1 zu 10 oder ob es 1 zu 5 beträgt. Jede Verstärkung ist doch dringend erwünscht. Wir können es nicht verantworten, daß unsere braven Leute, die dort eingesetzt werden, nicht den uns möglichen Rückhalt bekommen.
Bitte, denken Sie bei der Volkspolizei drüben nicht an eine rein militärische Organisation! Diese Volksarmee drüben hat ein doppeltes Gesicht, einen Januskopf: einmal wird sie nach militärischen Gesichtspunkten behandelt und vorbereitet, zum anderen wird sie als polizeitechnische Truppe behandelt und vorbereitet. Nun, es ist für uns ja auch ziemlich gleichgültig, ob man den Schwerpunkt einer Abwehrmaßnahme in dieses oder jenes Ressort verlegt. Für die Leute draußen an der Grenze, für den Bauern und seine Familie ist die Hauptsache, daß überhaupt ein Schutz geschaffen wird. Er verlangt nach Schutz und er hat Anspruch auf unseren Schutz. Wir, Regierung und Parlament, haben die Pflicht, ihm das zu geben, was in unserem Vermögen steht. Es trifft nicht zu, daß die Volkspolizei, nachdem sie in Form einer Armee aufgegliedert ist, aufgehört hat, polizeiliche Funktionen zu erfüllen. Sie soll jetzt polizeiliche Funktionen im Kalten Krieg erfüllen, sie soll einschüchtern, sie soll diese Grenzzwischenfälle immer von neuem vortragen und vertiefen. Aber sie steht für den Fall bereit, daß andere vorangehen, die noch besser bewaffnet, noch zuverlässiger für die Sowjetzone sind als ihre gepreßten und aus der deutschen Bevölkerung herausgezogenen Volkspolizisten, die dann in der zweiten Linie hinterher marschieren, wenn der Zeitpunkt des Einmarsches in Westdeutschland - nach dem dortigen Ermessen - gekommen sein wird.
({1})
Es handelt sich bei der zahlenmäßigen Bewertung auch nicht nur um die Truppen, die dort stehen: Armee und Polizeitruppen, es handelt sich auch um die ganzen Organisationen halbmilitärischer Art, die noch dahinter stehen. Da ist die von Karlshorst gesteuerte SED, da ist die FDJ, da ist der FDGB, alles fanatisierte Anhänger, die auch vor größeren Grenzkonflikten nicht zurückscheuen.
({2})
Sie sind sich auch immer des Rückhalts der Volksarmee bewußt, und ihre Aufgabe ist, Furcht und Schrecken und Unruhe zu verbreiten. Deshalb handelt es sich hier auch um eine echte polizeiliche Gefahr, eine Gefahr, die sich seit der Verabschiedung des Bundesgrenzschutzgesetzes um ein Vielfaches gesteigert hat und die wir in diesem Ausmaße damals noch gar nicht erkennen konnten, die damals so, wie sie heute vorhanden ist, auch noch gar nicht vorhanden war.
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Sie müssen auch eines bedenken: Wir können uns da nicht auf die Besatzungsmacht in der Weise verlassen, daß sie bei allen und jeden Vorkommnissen eingreift, sondern in erster Linie verlangen sie von uns - und das haben sie durch den Beschluß der Außenminister dokumentiert -, daß wir das, was in unseren Kräften steht, auch wirklich selbst tun.
Ich möchte noch auf einen weiteren Punkt hin-_ weisen. Längs der ganzen Zone befinden sich Anlagen des Bundes und der Länder von höchster wirtschaftlicher, polizeilicher und militärischer Bedeutung. Vielfach sind die Länder wegen der ungenügenden Stärke ihrer Grenzpolizeien nicht in der Lage, diese militärisch und wirtschaftlich wichtigen Objekte zu schützen. Teils übernehmen wir den Schutz durch den Bundesgrenzschutz, aber teils sind die Anforderungen der hilfesuchenden Bevölkerung so groß, daß wir solch wichtige Objekte nicht einmal selbst schützen können. Auch das ist eine Gefahr. die wir unbedingt beseitigen müßten und nur durch zahlenmäßige Stärke unseres Grenzschutzes auch beseitigen können.
Endlich gestatten -Sie mir, auf eine letzte Frage einzugehen: sie ist in der Öffentlichkeit immer wieder erhoben worden. Es heißt seit Jahr und Tag, daß der Bundesgrenzschutz ein getarntes Militär sei, ein Instrument einer geheimen Aufrüstung der Bundesrepublik. So ist auch hinsichtlich der zweiten Welle des Bundesgrenzschutzes wieder eine Flüsterpropaganda durchs Land gegangen und der Verdacht ausgesprochen worden, diese zweite Welle werde noch weniger Polizei sein als die erste Welle.
Meine Damen und Herren, gegenüber einer solchen Flüsterpropaganda möchte ich mit allem Nachdruck vor dem Hohen Hause feststellen, daß die zweite Welle genau so polizeilichen Charakter haben wird wie die erste Welle, und daß wir uns getreu, wie bisher, an das Bundesgrenzschutzgesetz halten. Es wäre auch vom außenpolitischen Standpunkt so ungeheuer naiv,
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bei dem jetzigen Stand der Technisierung eines modernen Militärs glauben zu machen, daß eine mit Pistölchen und Karabinern 98 k ausgerüstete Truppe irgendwie vergleichbar sei mit einer modernen Armee und vor allen Dingen mit der Sowjetarmee, die mit ihren 175 Landdivisionen die bestausgerüstete, die stärkste Militärmacht der Welt ist.
Meine Damen und Herren! Ich bin auch oft darauf aufmerksam gemacht worden, daß diese von uns bis jetzt aufgestellten Polizeitruppen, diese polizeitechnischen Kräfte doch in einer gewissen Beziehung zu dem europäischen Verteidigungsvertrag stehen. Ja, selbstverständlich stehen sie in einer gewissen Beziehung; denn es ist in staatsrechtlicher und staatspolitischer Beziehung ganz klar, daß ein Land um so weniger Polizei braucht, je stärker seine Autorität in seinem Militär verankert ist. Je stärker das Militär, um so weniger Polizei ist nötig. Je weniger Militär, um so stärker müssen wir uns mit dem helfen, was wir für den inneren Frieden durch Polizei schaffen können. Es ist auch ganz klar, daß dann eine gewisse Wechselbeziehung vorhanden sein wird, wenn wir einmal wirklich nationale und europäische Streitkräfte haben. Dann wird sicher ein Anreiz für die jungen Leute im Grenzschutz sein, wegen der besseren Beförderungs- und Aufstiegsmöglichkeiten überzutreten. Das verwehren wir keinem. Wir halten
({5})
keinen gegen seinen Willen; denn alle, die zu uns kommen, sind Freiwillige, und wir haben ein Mehrfaches von Angeboten gegenüber dem, was wir wirklich brauchen. Wir würden also da gar keine Schwierigkeiten machen. Aber es gibt auch noch einen Artikel 16, der für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft vorgesehen ist, in dem vom Heimatdienst und Heimatschutz, der Heimatverteidigung durch die nationalen Kräfte die Rede ist, wenn nämlich von außen her militärische Angriffe erfolgen und in der inneren Front ein Heimatdienst notwendig ist. Alles das sind neue Aufgaben, die wir vor 2 1/2 Jahren nicht gekannt haben, die wir aber erfüllen müssen; das sind Probleme, die rechtzeitig überlegt und deren Lösungen rechtzeitig vorbereitet werden müssen.
Aus dem, was ich Ihnen vorgetragen habe, meine Damen und Herren, sehen Sie, wie sehr die Aufgaben des Bundesgrenzschutzes gewachsen sind. Sie sehen die verschärfte Grenzlage, Sie sehen die Bedrohung und Drangsalierung der Grenzbevölkerung, Sie sehen die herannahenden Aufgaben im Zusammenhang mit der neuen Europäischen Verteidigungsgemeinschaft.
({6})
Sie wissen also, was Bundesregierung und Parlament gemeinsam für eine Verantwortung tragen, und Sie werden es verstehen, wenn ich deshalb für die Bundesregierung mit diesem Nachdruck vor Ihnen plädiere, daß Sie mir die Möglichkeit geben, entschlossene organisatorische Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit unseres Grenzgebiets wieder in die Hand zu bekommen; denn wir haben sie zur Zeit nicht in der Hand. Es genügt auch wirklich nicht, daß wir Beschlüsse fassen über den Wohlstand unserer Grenzbevölkerung, daß wir ihr wirtschaftliche Vorzüge zukommen lassen,
({7}) daß wir sie gegenüber den Lockrufen, die von der Sowjetzone kommen, mit den Vorzügen und Idealen unserer Demokratie abfinden. Wir müssen etwas Positives tun, und wir müssen auch die äußeren exekutiven Mittel einsetzen, um auf diesen Bestrebungen einen soliden Untergrund zu schaffen. Angesichts der wachsenden Bedrohung aus der Sowjetzone müssen wir der Bevölkerung sowohl diesseits als auch jenseits des Eisernen Vorhangs das Gefühl geben, daß wir hier für sie einstehen, soweit es irgendwie in unseren Kräften steht.
({8})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Antrag auf Verdoppelung des Grenzschutzes sind die Rollen merkwürdig vertauscht.
({0})
Es wäre doch Aufgabe der Regierung gewesen, die Initiative bei einer solchen Frage zu ergreifen, wenn sie wirklich politisch so wichtig wäre, wie es der Herr Bundesinnenminister hier eben vorgetragen hat.
({1})
Weder im Haushaltsnachtrag von 1952 noch im Haushaltsvoranschlag für 1953, den der Herr Bundesfinanzminister vor einer Woche hier eingebracht hat, ist irgendein Betrag noch eine Verstärkung des Grenzschutzes von 10 000 auf 20 000 vorgesehen.
({2})
Das läßt zweierlei Schlußfolgerungen zu: einmal die Schlußfolgerung, daß der Herr Bundesinnenminister - so, wie es auch bis in die letzten Tage hinein in der Presse zu lesen war - mit seinem Antrag auf Verdoppelung des Bundesgrenzschutzes im Bundeskabinett nicht durchgekommen ist und nun versucht, auf dem Wege über den Initiativantrag einiger Fraktionen sich Hilfstruppen heranzuholen; und es läßt weiter die Schlußfolgerung zu, daß man, wenn man sich in der Regierung über einen solchen Schritt nicht einig war, selbst überzeugt ist, die Vermehrung ist gar nicht so brennend und eilig, wie man es hier darzulegen versucht.
Es wäre für uns sehr interessant zu erfahren, ob hinter diesem Antrag auf Verdoppelung des Grenzschutzes auch die CSU dieses Hauses steht. Wenn sie nämlich diesen Antrag nicht unterstützt, ist er von vornherein zum Scheitern verurteilt. Sollte sie ihn aber unterstützen, dann wird sie sich nicht gegen den Vorwurf eines Doppelspiels wehren dürfen; denn seit Jahr und Tag versucht sie über ihre bayerische Regierung die Vermehrung des Bundesgrenzschutzes zu verhindern, und zwar mit unter Hinweis auf den Art. 87 des Grundgesetzes, der dem Bund überhaupt gar keine Möglichkeit gäbe, eine Grenzpolizei zu errichten. Sie wehrt sich dabei gleichzeitig dagegen, daß der bayrische Grenzschutz in dem Bundesgrenzschutz aufgehen solle, wie es der Herr Bundesinnenminister schon seit Jahren versucht. Denn darüber, meine Damen und Herren von der CSU, müssen Sie sich klar sein: wenn Sie dem Antrag auf Verdoppelung des Bundesgrenzschutzes zustimmen, ist es mit dem bayrischen Grenzschutz, zum mindesten mit seiner Eigenständigkeit vorbei. Das würden wir gerade deshalb bedauern, weil der bayrische Grenzschutz ausgezeichnet funktioniert. Ich werde darauf nachher noch zurückkommen.
Eine solche Klärung ist um so mehr erforderlich, als mit dem Antrage im Gegensatz zu der Annahme des Herrn Kollegen Dresbach erhebliche Mehrausgaben verbunden sind. Zwar schreiben Verfassung und Geschäftsordnung nicht vor, daß für Anträge, die Mehrausgaben verursachen, ein Deckungsvorschlag zu machen sei.
({3})
Aber bei einem Betrag - ich werde Ihnen das gleich an Hand der amtlichen Unterlagen vorrechnen - von 200 Millionen DM,
({4})
die zusätzlich zu zahlen sind, hätte es doch nahegelegen, daß sich auch die antragstellende Fraktion darüber Gedanken gemacht hätte, woher dieses Geld genommen wird, um so mehr, als der Herr Finanzminister in der letzten Woche bei seiner Etatrede dem Parlament erklärt hat, der Haushalt sei und bleibe ausgeglichen. Im gleichen Zuge versprach er Steuersenkungen. Im gleichen Monat sollen dann auch noch Mehrausgaben beschlossen werden.
Die Annahme des Herrn Kollegen Dresbach, daß die Ausgaben für den Bundesgrenzschutz auf den deutschen europäischen Verteidigungsbeitrag anzurechnen seien, ist falsch. Der Herr Bundesinnenminister hat bis in die letzte Zeit auf ausdrückliche
({5})
Fragen im Ausschuß des Bundestages für innere Angelegenheiten wiederholt erklärt, daß die Anrechnung der Kosten für den Bundesgrenzschutz auf den deutschen Verteidigungsbeitrag in Paris abgelehnt worden sei und daß man sich seitens der Alliierten nur dann zur Anrechnung der Beträge einverstanden erklären würde, wenn Deutschland garantiere, daß der Grenzschutz eine militärische Formation sei.
({6})
Da der Herr Bundesinnenminister seit Jahr und Tag - und hier in voller Übereinstimmung mit unserer Auffassung - immer wieder erklärt hat, es handele sich um eine Polizei, und er, wie er behauptet, diesen Standpunkt auch in Paris vertreten habe, ist die Anrechnung auf den Verteidigungsbeitrag abgelehnt worden.
({7})
Es ist auffallend, daß der Herr Innenminister nichts über die Kosten gesagt hat. Im Ausschuß für innere Angelegenheiten wurde vor einiger Zeit - ich weiß nicht, ob von ihm persönlich oder von einem seiner Herren - die Summe von 145 Millionen DM genannt, die notwendig wären, um die zweite Welle von 10 000 Mann aufzustellen. Hierin liegt bereits der Versuch einer Bagatellisierung. Hierin liegt der Versuch, zunächst einmal die Bewilligung der 10 000 Mann durchzubekommen, um dann, sobald diese 10 000 Mann mit den vom Innenminister im Ausschuß für innere Angelegenheiten angegebenen 145 Millionen DM bewilligt sind, alsbald die weiteren Kosten nachzuziehen. Da verlassen wir uns lieber auf die Angaben, die der Leiter der zuständigen Polizeiabteilung des Bundesinnenministeriums seinerzeit in der „Parole", dem Fachblatt der Grenzschutzbeamten, veröffentlicht hat. Ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einen Satz daraus vorlesen. Der Herr Ministerialdirektor der Polizeiabteilung schreibt:
Bevor ein solcher Beschluß auf Vermehrung um 10 000 gefaßt wird, muß das nötige Geld vorhanden sein. Eine zweite Welle von 10 000 Mann Bundesgrenzschutz würde mehr kosten als die erste, weil erhebliche Beträge für Kasernenausbauten und -neubauten aufzuwenden sind.
({8})
Es ist eine alte Erfahrung, daß eine Kaserne je Mann ungefähr 8000 bis 9000 DM kostet. Wenn man für 10 000 Mann neue Kasernen bauen will, erfordert das allein einen Betrag von rund 80 bis 90 Millionen DM.
Bei dieser Sachlage hätten wir erwartet, daß man die Notwendigkeit der Vermehrung des Grenzschutzes sorgfältiger aus den Aufgaben, d. h. aus der Sache heraus begründet hätte. Entscheidend ist nämlich - und das ist sowohl von dem antragstellenden Kollegen Herrn Dr. Mende als auch vom Herrn Bundesinnenminister, obwohl wir es ihm in den Ausschußsitzungen wiederholt vorgehalten haben, verschwiegen worden -, daß der Herr Bundesinnenminister seine Grenzschutzbeamten nur von Fall zu Fall und nur an denjenigen Grenzstellen einsetzt, von denen ein Hilferuf kommt. Der Bevölkerung an der Grenze aber gibt er nicht das Gefühl einer dauernden Sicherung, da er die ihm bereits bewilligten 10 000 Beamten gar nicht an der Grenze selbst einsetzt,
({9})
sondern zum Teil 30 bis 60 km hinter den Grenzen kaserniert.
({10})
Selbstverständlich kann dann der Einsatz aus einer solchen Entfernung nicht so schnell erfolgen, wie es nötig ist. Hin und wieder wird eine Feldübung linksrheinisch oder am Main gemacht oder die Grenzschutzbeamten werden zur Bekämpfung des Kaffeeschmuggels an der Westgrenze in geschlossenen Formationen eingesetzt. Gegen solche Vorübungen haben wir gar nichts einzuwenden. Aber das, was wir vor allem am Eisernen Vorhang brauchen, ist doch, daß der Grenzschutz an der Grenze selbst sitzt, und zwar in Einzelpostierungen und kleineren Zügen! Hier könnte der Herr Bundesinnenminister sehr viel vom bayerischen Grenzschutz lernen.
Der Herr Bundesinnenminister - vielleicht war es auch Herr Dr. Mende - hat gesagt, daß wir die Vermehrung wegen der kommunistisch-politischen Infiltration aus dem Osten brauchen. Über die Notwendigkeit einer wirksamen Bekämpfung solcher kommunistischer politischer Infiltrationen sind wir uns doch im Bundestag völlig einig; darüber kann es in diesem Hause gar keinen Streit geben. Aber Infiltrationen durch Einzelgänger - und Agenten sind doch ihrer Natur nach Einzelgänger - bekämpft man nicht damit, daß man viele zehn Kilometer hinter der Grenze drei oder vier Kasernen baut. Glauben Sie denn, daß die Agenten, wenn sie über die Grüne Grenze gekommen sind, erst einmal zu der Kaserne gehen und sich dort melden? Sie bekämpfen sie doch nur durch einen wirksamen Einzeldienst.
({11})
Ich will Ihnen noch eines sagen. Politische Infiltration, vor allem vom Osten her, hat doch nur Erfolg, wenn sie auch einen geeigneten sozialen und wirtschaftlichen Nährboden findet.
({12})
Darauf sollten Sie Ihr Augenmerk mit der gleichen Sorgfalt richten.
({13})
All diese Hilferufe, so bedauerlich sie sind - und wir fordern dringend, daß hier geholfen wird -, wären nicht nötig, wenn der Bundesinnenminister die Beamten dort einsetzen würde, wo sie hingehören. Übrigens war an den Zahlen, die Herr Kollege Mende vorbrachte, eines sehr interessant - ich kann im Augenblick die Richtigkeit der einzelnen Zahlen nicht prüfen, unterstelle aber selbstverständlich, daß sie in vollem Umfang stimmen -, und zwar daß die Grenzverletzungen schwerer Art, vor allem die plötzlichen Überrumpelungen und Verschleppungen, an den Grenzen zahlenmäßig am geringsten sind, an denen der bayerische Grenzschutz eingesetzt ist, nämlich an der bayerischtschechischen Grenze und an der bayerischen Zonengrenze. Woher kommt das? Nun, die Antwort ist. sehr einfach, meine Damen und Herren: Der bayerische Grenzschutz ist in 258 Einzelposten linear an der ganzen Grenze entlang aufgebaut, und die Überwachung dieser Grünen Grenze geschieht in enger Zusammenarbeit und unter Anpassung an die jeweiligen, auch politischen Notwendigkeiten mit dem eingesetzten Zollgrenzdienst und mit der Grenzpolizei Bayerns. Dieser gemeinsame Grenz- und Streifendienst - das beweist
({14})
gerade die Methode des bayerischen Grenzschutzes - ist die einzig mögliche und wirksame Überwachung der Grenze, nicht aber die durch kasernierte Bereitschaften.
Dieser bayerische Grenzschutz wird außerdem noch, weil er mit den Grenzverhältnissen so eng vertraut ist, auch zur ersten Hilfe für Verunglückte oder in Fällen von Bergnot eingesetzt. Ich führe das an, um Ihnen zu sagen, wie wirksam ein wirklich geschickt eingesetzter Grenzschutz arbeiten kann.
Außerdem hat sich herausgestellt, daß dieser Aufbau in Einzelpostendienst an der Grenze einen viel engeren Kontakt mit der Bevölkerung garantiert. Dieser engere Kontakt, vor allem an der Grenze, hat den bayerischen Verfassungsschutz und die bayerischen Verfassungsschutzämter viel schneller in die Lage versetzt, zu erfahren, wo weiche Stellen und Infiltrierungspunkte sind, als das System, das hier in der britischen Zone durch den Bundesinnenminister aufgebaut worden ist.
({15})
Der Herr Bundesinnenminister hat einen bewegten Appell an das Hohe Haus gerichtet, sich den Hilferufen der Grenzbevölkerung, nicht zu verschließen. Herr Bundesinnenminister, ich habe schon einmal gesagt, auch wir sind dafür, der Grenzbevölkerung - aber wirksam - zu helfen. Aber wenn das wirklich Ihre innerste Überzeugung ist, wie können Sie es dann vertreten, daß von den 10 000 Grenzschutzbeamten, wenn ich einmal von dem eigentlichen Paßdienst absehe, ungefähr 15 bis 20 % im Verwaltungsdienst verwendet werden!
({16})
Das ist eine ungewöhnlich hohe Zahl. Wenn Sie die
Männer draußen an der Grenze nötig haben, dann
stellen Sie sie bitte dorthin und nicht in ein Büro!
({17})
Noch ein Weiteres, meine Damen und Herren! Wir haben durchaus Verständnis, wenn der Herr Bundesinnenminister sich hier in Bonn eine Art Befehlsstab für den Bundesgrenzschutz hält und auch eine Nachrichtenzentrale aufbaut. Aber ich frage Sie: Wenn die Grenze so entblößt ist, daß Sie als der verantwortliche Ressortminister vor aller Öffentlichkeit heute erklärt haben, Sie hätten die Sicherheit an der Grenze nicht mehr in der Hand - ich weiß' nicht, ob Sie sich der Tragweite und der Tragödie dieses Wortes bewußt waren -,
({18})
wenn das so ist, Herr Bundesinnenminister, warum müssen Sie dann hier in Bonn zwei Bereitschaften - das sind 300 Mann - haben, und warum müssen in Mannheim, wo bestimmt keine Grenze ist, noch einmal zwei Bereitschaften zu 300 Mann liegen?
({19})
Das heißt, Sie entziehen dem effektiven Exekutivdienst aus irgendwelchen Prestigegründen, die ich Ihnen gleich nennen werde, glatt 600 bis 700 junge kräftige Männer!
({20})
Das Land Nordrhein-Westfalen hat in Anerkennung der besonderen Lage für die Sicherheit der Bundesregierung hier in Bonn einen besonderen Zuschuß von jährlich 800 000 DM zur Verstärkung der hiesigen Polizei bewilligt. Aber trotz aller Proteste, trotz aller Verwahrung des ja auch zur CDU
gehörenden Innenministers dieses Landes Nordrhein-Westfalen besteht die Bundesregierung darauf, daß die blaue Polizei Bonns von der Bewachung wichtiger Gebäude ausgeschlossen wird.
({21})
Ich möchte Sie bei dieser Gelegenheit einmal fragen, Herr Bundesinnenminister: Worauf beruht eigentlich das Mißtrauen der Bundesregierung gegenüber dem Bonner Polizeichef und seinen braven blauen Polizeibeamten?
({22})
Denn nur auf einem solchen Mißtrauen kann es doch beruhen, daß Sie die Polizei von der Bewachung einiger 'Gebäude ausschließen und den Grenzschutz heranholen, obwohl - das muß besonders vermerkt werden, meine Damen und Herren - der Grenzschutz hier, weit weg von der Grenze, nach idem Gesetz überhaupt keine Exekutivmöglichkeiten hat, d. h. wenn ein praktischer Fall vorkommen sollte, gar nicht eingreifen darf.
({23})
Der Herr Innenminister hat darauf hingewiesen, daß sich einige Länder den Polizeiverträgen versagt haben. Er hat auf Nidersachsen hingewiesen. Herr Bundesinnenminister, wenn die Presse nicht falsch berichtet hat, hat sich Niedersachsen vor einiger Zeit dem Polizeiabkommen angeschlossen unter der Bedingung, daß auch Niedersachsen endlich für seine Bereitschaftspolizei den gleichen finanziellen Beitrag erhält wie die übrigen Länder; denn bisher hat an der niedersächsischen Grenze die Lasten des Grenzschutzes praktisch Niedersachsen allein tragen müssen.
({24})
Durch dieses Abkommen-ob nun mit oder ohne Niedersachsen; aber ich wiederhole: Niedersachsen hat sich in den letzten Tagen dem Abkommen angeschlossen - haben Sie die Möglichkeit, auf weitere 4- bis 5000 gut geschulte Polizeibeamte zurückzugreifen, und außerdem haben Sie zum Schutz der Grenze weitere 2500 Beamte des bayerischen Grenzschutzes zur Verfügung, die Ihnen - und darum sind Ihre Angaben über die Länge der von den jetzigen 10 000 Grenzschutzbeamten zu schützenden Grenze nicht ganz korrekt, Herr Bundesinnenminister - den Schutz von nicht weniger als 750 km an der Ostgrenze abnehmen.
In Fachkreisen - man braucht nur einmal mit Leuten vom Bau zu sprechen - ist man sich auch darüber im klaren, daß die ganze Organisation völlig falsch aufgezogen worden ist. Nach Pressemeldungen des letzten Sommers war bereits damals beabsichtigt, die Beamten näher an die Grenze heran zu legen. Das ist dann aber, wie die Presse meldete, gescheitert - und nun hören Sie bitte her! -, weil man in Bonn nicht auf die Grenzschutzbereitschaften verzichten wolle, denn mit ihnen könne man die Macht der Bundesregierung demonstrieren.
({25})
Das ist die Reaktion der Bundesregierung auf die Hilferufe der Grenzbevölkerung.
({26})
Damit nicht wieder die Mär in die Welt gesetzt wird, wir hätten uns gegen eine Exekutive der
({27})
Bundesregierung gewandt, muß hier leider zum wiederholten Male folgendes vorgetragen werden: Als die Sozialdemokratie im Parlamentarischen Rat bei der Abfassung des Grundgesetzes den Antrag stellte, dem künftigen Bunde eine eigene Polizei zuzugestehen, da war es der jetzige Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer, da war es der jetzige Herr Bundesinnenminister Dr. Lehr, die mit ihrer CDU/CSU-Fraktion diesen Antrag der SPD niederstimmten.
({28})
Als wir damals bei der Frage des Grenzschutzes den Antrag stellten - ich weiß es, weil dieser Antrag von mir stammte -, nicht zu sagen, wie es jetzt in der Verfassung steht, „Grenzschutzbehörde", sondern „Grenzschutzpolizei", da hat es um das Wort Polizei einen langen Kampf gegeben, und ein Teil Ihrer Fraktion erklärte: „Wenn das Wort ,Polizei' beim Grenzschutz drinbleibt, lehnen wir die ganze Verfassung ab."
({29})
An uns ist es doch schließlich nicht gescheitert, daß der FDP-Antrag vom Herbst 1950 im Ausschuß nicht weiter 'behandelt werden konnte, dem Bunde eine Polizei zu geben, und an uns liegt es doch nicht, daß unser, d. h. der sozialdemokratische Antrag in dem gleichen Ausschuß nicht weiter bearbeitet wurde, der schon im Herbst 1950 dahin ging, dem Herrn Bundesinnenminister die Möglichkeit einer Kommandogewalt über die Länderbereitschaftspolizeien zu geben.
({30})
- Ich wollte, Herr Kollege Dresbach, nur dem vorbeugen, daß wieder die gleiche Behauptung verbreitet wird, wie es schon vor zwei Jahren einmal versucht worden ist, die SPD sei daran schuld, daß der Bund keine Exekutive besitze.
({31})
Zum Schluß noch auf eines hinzuweisen, scheint mir nach den Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers notwendig. Meine Damen und Herren, wir halten es für sehr leichtfertig, wenn man die Bevölkerung an der Grenze glauben machen will, sie könne durch eine Erhöhung der Zahl der Grenzschutzbeamten von 10 000 auf 20 000 gegen geschlossene militärische Aktionen der östlichen Divisionen geschützt sein.
({32})
Aber das ist unmöglich; denn nicht einmal diese 20 000 Beamten bekommen doch die für diese Zwecke erforderlichen schweren Waffen. Verlassen Sie sich 'bitte dabei nicht, wie es heute wieder geschehen ist, auf die Alliierten. Darf ich hier in diesem Hohen 'Hause daran erinnern, daß einen Tag, nachdem die Berliner Bevälkerung den von den Russen erschossenen Polizeiwachtmeister Bauer zu Grabe getragen und die Berliner Polizei einige zusätzliche Fernrohre bekommen hatte, um die Entfernungen nach der russisch besetzten Zone besser abschätzen zu können, daß also 24 Stunden später diesen Berliner Polizeibeamten die Fernrohre mit der Erklärung weggenommen wurden, es handele sich dabei um militärisches Gerät!?
({33})
Was nützen denn alle Sympathieerklärungen für
die Polizei und den Grenzschutz, wenn man nachher in der Praxis die Dinge völlig anders macht? Es wäre uns schon lieb, wenn auch die Bundesregierung in solchen Fällen mehr die Wirklichkeit sähe.
({34})
Gerade weil wir uns -das gilt auch besonders für diesen Berliner Fall - schützend vor den einzelnen Polizeibeamten stellen, möge er nun der blauen Polizei oder dem Grenzschutz angehören, damit er seine so schwere Aufgabe erfüllen kann, wünschen wir, daß jeder Mißbrauch dabei vermieden und er auch nicht in aussichtslose Abenteuer gestürzt wird. .Gerade weil wir einen wirklichen Schutz der Grenzen wollen, haben wir immer wieder von dem Bundesinnenminister einen genauen Rechenschaftsbericht darüber verlangt, was er mit den bisher bewilligten Bundesgrenzschutzbeamten getan hat. Allen unseren Fragen in dieser Richtung ist er wohlweislich ausgewichen.
Es geht also, um das eindeutig klarzustellen, bei dieser Auseinandersetzung gar nicht darum, o b die Grenze zu schützen ist, sondern nur darum, welche wirksamen Mittel da sind und nicht ausgenutzt werden für einen wirklichen Schutz der Grenze. Einer notwendigen Sache und einem effektiven Schutz der deutschen Grenze, vor allem für die Bevölkerung am Eisernen Vorhang werden wir immer zustimmen; dafür werden wir auch immer die notwendigen Mittel bewilligen. Aber wir werden uns mit der gleichen Entschiedenheit gegen sinnlose Vergeudung von Steuergeldern wehren.
Herr Bundesinnenminister, Ihrem Anliegen kann durchaus Rechnung getragen werden. Schützen Sie die Grenze endlich dadurch, daß Sie die Polizeibeamten dahin bringen, wo sie hingehören, nämlich an die Grenze!
({35})
Das Wort hat der Bundesinnenminister.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst kann ich mich bei dem Kollegen Menzel dafür bedanken, daß er mir die Beantwortung seiner Fragen so leicht gemacht hat.
({0})
- Ja, abwarten!
({1})
Ich gehe systematisch die einzelnen Fragen durch. Zunächst hat der Herr Kollege Menzel beanstandet, daß im Haushaltsplan, im Nachtrag für 1952 und im neuen Haushaltsplan, kein Wort über die Kostendeckung des Bundesgrenzschutzes steht.
({2})
Ich darf dazu sagen: aus Geschäftsordnungsgründen haben wir diesmal einen anderen Weg gewählt.
({3})
- Hören Sie nur zu! - Damit beantworte ich
gleichzeitig die Frage, ob die Polizeikosten, soweit
({4})
es sich um diese Vorlage handelt, anrechnungsfähig sind oder nicht. Ich kann Ihnen im Einvernehmen mit dem Herrn Finanzminister, der hier sitzt und es bestätigen kann, sagen, - ({5})
- Ja, ich habe es mir schriftlich geben lassen. ({6})
- Ja, ich bin ein vorsichtiger Mann, wenn ich mit Ihnen spreche; da bin ich sehr vorsichtig!
({7})
Es hat bei den Verhandlungen mit den sogenannten Drei Weisen und mit den Hohen Kommissaren nie einen Zweifel darüber gegeben,
({8})
daß die Aufwendungen für den Bundesgrenzschutz zu den anrechnungsfähigen Verteidigungskosten gehören.
({9})
- Ja, bitte sehr, bestritten waren andere Posten, insbesondere die Posten für Berlin-Hilfe. Die waren bestritten, aber nicht die, um die es hier geht. Eine Ablehnung ist überhaupt nicht erfolgt, weder in der Vergangenheit noch gegenwärtig.
({10})
Es kann damit gerechnet werden, daß bei gleichbleibender Haltung in Paris auch die Verstärkung des Grenzschutzes als anrechnungsfähig anerkannt wird. Entsprechend lauten auch die Niederschriften des Herrn Kollegen von den Finanzen.
({11})
- Die Hauptsache ist, daß angerechnet wird; wo es steht, ist egal.
({12})
Sie bezweifeln, daß das Kabinett einen Beschluß gefaßt habe. Ich kann Ihnen sagen: nicht einmal, sondern mehrfach hat das Kabinett einstimmig beschlossen; ich stehe auch hier vor Ihnen und trage Ihnen auf Grund eines einstimmigen Kabinettsbeschlusses vor.
({13})
Das war der zweite Punkt.
Jetzt kommt der dritte Punkt. Ich glaube, Herr Menzel hat sich den Kopf der CSU zerbrochen, indem er nämlich Anfragen an die CSU gestellt und ihr Angst gemacht hat hinsichtlich der Eigenständigkeit sowohl der bayerischen Grenzpolizei wie der bayerischen Bereitschaftspolizei. Meine Herren, ich habe das vorausgesehen und habe deshalb - vielleicht hat der Kollege Menzel das nicht gehört - bereits gesagt, daß die volle Anerkennung der Tätigkeit dieser beiden Formationen von mir ausgesprochen worden ist. Ich kann das nur noch einmal bestätigen und kann Ihnen darüber hinaus sagen: ich habe sogar zwei Verträge mit dem bayerischen Staat, einen über die bayerische Bereitschaftspolizei und einen anderen über den
Paßkontrolldienst; der letztere Vertragsentwurf hat ebenfalls die einstimmige Zustimmung des Kabinetts gefunden. Es wird also nicht ohne weiteres möglich sein, Herr Kollege Menzel, die CSU mit der Regierung zu entzweien.
({14})
- Sie werden ja gleich bei der Abstimmung sehen, wie die Sache ausgeht.
({15})
Dann kommt ein weiterer Punkt. Herr Menzel behauptet, die Polizeitruppen würden nicht an der Grenze eingesetzt. Meine Damen und Herren; ich habe Ihnen das wiederholt, immer wieder, auseinandergesetzt, und ich habe im Sitzungszimmer des Ausschusses für die innere Verwaltung sogar eine Karte aufgehängt, aus der Sie die Standorte der einzelnen Kontingente ersehen konnten. Ich lese sie Ihnen aber noch einmal vor: München, Regensburg, Deggendorf, Amberg, Coburg, Kassel, Fulda, Hannoversch-Münden, Goslar, Holzminden, Mannheim, Hannover, Braunschweig, Hamburg, Lübeck, Glückstadt.
({16})
- Bonn ist keine Garnisonstadt! ({17})
- Meine Damen und Herren, ob Sie eine Haustruppe von einigen Mann zur Bewachung des Kanzlers lassen, spielt gar keine Rolle gegenüber der Frage, wie man die Standorte im übrigen belegt.
({18})
Ich darf Ihnen auch das sagen: Die Mehrzahl aller Kasernen liegt in der 30-km-Zone. Aber wir haben auch auf ein paar weiter zurückliegende Orte zurückgegriffen, und zwar einfach aus Ersparnisgründen, weil dort die entsprechenden Kasernen bereitgestellt worden sind. Außerdem sind die Verbände auch vollmotorisiert, so daß eine Entfernung von einigen Kilometern keine Rolle spielt. Wir wollen die Leute auch in Ruhe an den einzelnen Standorten ausbilden können, haben aber trotzdem immer noch die nötige Verbindung und Fühlung nach vorn und haben auch ständig unsere Streifenpatrouillen.
({19})
Also hier gibt es in der Praxis nichts zu beanstanden.
({20})
Dann hat Herr Menzel den Vorwurf erhoben; 25 % bis 30 % der Mannschaften würden für den Verwaltungsdienst eingesetzt.
({21})
- Meine Damen und Herren, es werden 1 1/2% von 9000 für den Verwaltungsdienst eingesetzt.
({22})
Der gesamte Verwaltungsdienst einschließlich der Sanitätspolizei ist unter 100 Mann stark.
({23})
({24})
Ich glaube, was Sie soeben gesagt haben, ist leicht übertrieben.
({25})
- Ja, auch das können Sie von mir schriftlich haben, Herr Greve!
({26})
Der nächste Punkt betraf das Mißtrauen gegen die Bonner Polizei. Ich kann Ihnen sagen, daß das Einvernehmen mit der Bonner Polizei so gut ist, wie es nur sein kann.
({27})
Sehen Sie, auch hier im Hause ist eine gewisse Hausmacht, die nicht aus blauer Polizei besteht.
({28})
Genau so hat sich der Herr Bundeskanzler eine Hausmacht geschaffen, die für Ruhe und Ordnung in seinem Hause sorgt, während draußen schön die blaue Polizei herumgeht und dafür sorgt, daß auch außerhalb nichts passiert. Bei mir steht ein Mann vor der Haustür und sieht sich die Besucher an, und die anderen Blauen sitzen schön artig am Eingang in einer großen und schönen Stube und machen ihre Protokolle oder was sie sonst tun. Jedenfalls ist irgendein Mißton überhaupt noch nicht vorgekommen.
({29})
Der nächste Punkt betraf Niedersachsen. Ich hatte gesagt: Wir sind mit allen Ländern übereingekommen, bloß nicht mit Niedersachsen. Das stimmt, Herr Kollege Menzel. Niedersachsen hat derartige Forderungen an uns gestellt, daß wir sie ablehnen mußten, weil sie weit über das hinausgehen, was andere Länder von uns verlangt haben, insbesondere Anforderungen hinsichtlich der Besetzung oberster Stellen, die wir im Interesse der Einheitlichkeit einfach nicht erfüllen konnten.
({30})
Herr Menzel hat weit ausgeholt und auf den Parlamentarischen Rat hingewiesen. Ich habe im Augenblick die Protokolle nicht hier, möchte aber die Sache auch praktisch behandeln. Herr Kollege Menzel, wenn Sie glauben, der Herr Bundeskanzler und ich hätten damals etwas versäumt, dann holen Sie es nach und stimmen Sie für unsere Vorlage!
({31})
In einem Punkt bin ich trotzdem mit Ihnen einer Meinung: hinsichtlich der Beurteilung der Schwierigkeiten, die uns in der Bewaffnung gemacht werden. Es wäre wirklich wünschenswert, daß das militärische Sicherheitsamt in Koblenz eine etwas zeitgemäßere Auffassung vertritt und uns etwas mehr Entgegenkommen zeigt; denn es wird ja doch einmal ein EVG-Vertrag, ein Deutschland-Vertrag geschlossen werden.
({32})
Sie, Herr Menzel, haben gesagt, daß ich Fragen ausgewichen sei. Bitte, erinnern Sie sich, wie oft ich in dem Ausschuß für innere Verwaltung vor Ihnen gesprochen habe. Ich erinnere Sie auch an die letzten Beratungen des Haushaltsausschusses, in denen der Stellenplan meines Ministeriums und des Bundesgrenzschutzes bis zur letzten Putzfrau durchgesprochen und ausgehandelt und beschlossen worden ist.
Ich glaube, es ist nichts von Ihren Beanstandungen übriggeblieben.
({33})
Das Wort hat der Abgeordnete von Aretin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine angenehme Aufgabe für mich, heute für einen ganzen Kranz von Komplimenten für die bayerische Bereitschaftspolizei und die bayerische Grenzpolizei zu danken. Es ist für mich eine dankbare Aufgabe, denn als seinerzeit, vor zwei Jahren, der Bundesgrenzschutz zum erstenmal zur Debatte stand, haben wir deshalb nein zum Bundesgrenzschutz gesagt, weil wir der bayerischen Grenzpolizei die Existenz erhalten wollten. Heute haben sowohl der Herr Bundesinnenminister als auch der Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion dermaßen lobende Worte über unsere bayerische Grenzpolizei gefunden, daß ich nachträglich unserer Fraktion zu ihrer damaligen Stellungnahme nur gratulieren kann.
({0})
- Die Frage ist im Bayerischen Landtag in den letzten Tagen angeschnitten worden.
Wir zweifeln nicht an der Berechtigung der Forderung der Grenzbevölkerung nach Schutz. Aber es ist die Frage, ob der heute eingebrachte Antrag der Freien Demokraten und der Deutschen Partei nicht doch ein wesentlich gründlicheres Überlegen verdient, als es heute geschieht. Ich unterstreiche - und gerade wir legen größten Wert auf diese Feststellung -, daß der Schutz der Grenzbevölkerung für uns ein unabdingbares Gesetz ist. Dieser Antrag wirft jedoch noch mehr Probleme auf, u. a. die Frage der Zusammenarbeit zwischen der Grenzpolizei und dem Bundesgrenzschutz. Wir wollen mit aller Schärfe festgestellt haben, daß die im Grundgesetz garantierte Polizeihoheit der Länder nicht angetastet wird. Eine Ersatz-Bundesbereitschaftspolizei müssen wir mit aller Schärfe ablehnen. Darüber hinaus wird in den Beratungen auch das engere Verhältnis zwischen den einzelnen Ländergrenzpolizeien zu würdigen sein.
Abschließend darf ich folgendes sagen. Man hat heute hier gegen diejenigen, die nicht bereit sind, dem Antrag der FDP und der DP a limine zuzustim({1})
men, so ziemlich alle Geschütze ins Feuer gebracht, die nur möglich sind, von den Tränen der Bevölkerung der Ostzone bis zu den Maschinengewehren, die jenseits des Eisernen Vorhanges stehen. Leider hat man eine wesentliche Frage zu wenig beachtet, nämlich die interne verfassungsrechtliche Frage des Nebeneinanderstehens der Polizeihoheit und des Bundesgrenzschutzes, die Frage des Nebeneinanders der bayerischen Grenzpolizei und des Bundesgrenzschutzes. Ich bedaure sehr, hierzu folgendes sagen zu müssen. Es ist eine Überrollungstaktik, die der besten Vergangenheit würdig ist, wenn heute hier im Wege der namentlichen Abstimmung die Verstärkung um 10 000 Mann durchgepeitscht wird. Entweder ist die Debatte im Ausschuß nicht zu fürchten. Dann muß sie auch von den Antragstellern begrüßt werden. Oder man will mit diesen Dingen auch Nebenerfolge erzielen. Diese lehnen wir ab.
Ich stelle daher den Antrag, die Drucksache Nr. 4046 dem Ausschuß für innere Verwaltung zu überweisen. Sollten die Antragsteller auf einer sofortigen Abstimmung über den Antrag bestehen, müßten wir zu unserem Bedauern aus grundsätzlichen Erwägungen nein sagen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Herrn Bundesinnenminister war bei seiner Rede zur Begründung der Erhöhung des Grenzschutzes sehr deutlich anzumerken, wie er innerlich schon strammsteht in Gedanken an den Besuch, der morgen hier in Bonn zu erwarten ist. Die Bundesregierung ist ganz darauf eingestellt, diesen Herrn Dulles, der morgen hier anmarschieren wird, besser zu empfangen, als es diesem Scharfmacher in den anderen westeuropäischen Hauptstädten ergangen ist, wo er überall mit eisiger Kälte aufgenommen wurde.
Die Bundesregierung möchte - ({0})
Die Bundesregierung möchte ihre Bereitwilligkeit
({1})
diesem amerikanischen Sendboten gegenüber demonstrieren,
({2})
daß sie bereit ist, seine Wünsche hundertprozentig zu erfüllen.
({3})
Herr Abgeordneter Fisch, - Fisch ({0}) : Sie möchte ihre Bereitschaft erklären, - ({1})
Herr Abgeordneter Fisch, Sie haben einen Gast der Bundesregierung beleidigt. Ich rufe Sie zur Ordnung.
Die Bundesregierung möchte ihre Bereitschaft erklären, hinsichtlich der Aufstellung westdeutscher Truppen, der Aufstellung einer Fremdenlegion hundert Prozent und noch mehr von dem zu erfüllen, was von jenseits des Ozeans gefordert wird. Darum haben wir auch heute diese nachträgliche Korrektur der Tagesordnung, darum erleben wir heute diese Debatte über die Erhöhung des Bestandes des Bundesgrenzschutzes.
Herr Kollege Mende hat hier einige Begründungen angeführt, auf die ich mit ein paar Worten antworten möchte. Herr Dr. Mende hat von den militärischen Beständen jenseits der Zonengrenze gesprochen. Herr Dr. Mende, ich erinnere mich, daß der Bundeskanzler schon vor zweieinhalb Jahren in seinem Memorandum an die New Yorker Außenministerkonferenz ähnliche Behauptungen und ähnliche Zahlen aufgestellt hat, damals allerdings zur Begründung nicht für die Aufstellung eines Bundesgrenzschutzes, sondern für die Aufstellung einer westdeutschen Truppenmacht. Wir wissen, daß diese Zahlen neuerdings von der englischen Regierung wiederholt worden sind, und wenn Sie, Herr Mende, schon von einem Papierkorb sprechen, so wäre es mehr angebracht gewesen, zuzugestehen, daß Ihre Mitteilung aus dem Papierkorb des britischen Informationszentrums stammt.
({0})
Übrigens, Sie waren doch Offizier. Sie sollten doch wissen, daß man mit einer „Macht" von 20 000 Mann nicht eine so gewaltige Bedrohung militärischer Art aufhalten kann, wie Sie sie hier in den düstersten Farben darstellen. Außerdem wissen Sie selbst ganz genau, Herr Kollege Mende, daß wir hier keine militärische Bedrohung vom Osten zu erwarten haben.
({1})
Ihr Bundeskanzler selbst hat es von dieser Stelle aus wiederholt erklärt, daß er nicht an eine „sowjetische Aggression" denke. Warum also diese militärischen Argumente? Nur um Ihre wirklichen Absichten zu tarnen!
({2})
Sie haben hier eine große Statistik sogenannter Grenzzwischenfälle angeführt. Warum führen Sie nicht eine Statistik der Grenzzwischenfälle an, die vom Westen nach Osten hin mit provokatorischer Absicht organisiert worden sind, und warum führen Sie nicht die Statistik jener Zwischenfälle an, die amerikanische Okkupationssoldaten verursacht haben,
({3})
von Überfällen, von Mord und Totschlag, von Beraubungen und Sittlichkeitsverbrechen?
({4})
Hier hätten Sie, Herr Dr. Mende, Material genug, um einen Selbstschutz der deutschen Bevölkerung zu rechtfertigen.
({5})
Noch ein Wort zum Kapitel der „inneren Sicherheit", meine Damen und Herren! Ich denke, der Herr Dr. Lehr
({6})
({7})
braucht für seine „Sicherheit" diese 20 000 Mann nicht. Er braucht Stimmungsmache, ebenso wie man durch eine neuerliche Aktion gestern nachmittag darauf abzielte, Stimmung zu machen. Gestern nachmittag wurde im bayerischen Penzberg eine Parteischule der KPD umstellt und besetzt, und die 18 Teilnehmer wurden verhaftet.
({8})
- Ja, klatschen Sie nur! Sie werden noch einmal aufhören zu klatschen, Herr Strauß!
({9})
Man kam mit der Begründung, man müsse dort
nach versteckten schweren Waffen suchen; und um
den Schein zu wahren, brachte man ein Minensuchinstrument mit. Sehen Sie, solch eine Stimmungsmache brauchen Sie. Daß hinterher nichts herausgekommen ist und daß man den Leuten nur ihre
Notizen abgenommen hat, darüber schreiben Sie
nichts. Aber Sie wollen hier ja Panik organisieren,
um Ihre militärischen Hinterabsichten zu tarnen.
In der „Polizeipraxis", einer Zeitschrift, in der die Spezialisten des Herrn Dr. Lehr zu Worte kommen, wurde über die militärische Bedeutung des Bundesgrenzschutzes sehr deutlich gesprochen. Da hieß es bereits im Oktober 1951 in der Nr. 19:
Der heutige Bundesgrenzschutz ist über die Formen des Polizeieinsatzes bereits in das militärische Gebiet vorgeprellt. Er besitzt in Kürze mittelschwere Panzer, Geländewagen, Granatwerfer, Panzerfäuste sowie Feld- und Steilfeuergeschütze, um „hinter die Barrikaden zu fassen", also die Ausrüstung einer motorisierten Armee, der lediglich noch die schweren Waffen und Flugzeuge fehlen.
Warum, Herr Dr. Lehr, haben Sie nicht diesen famosen Zeugen Ihrer „inneren Organisation" zitiert? Das wäre besser gewesen, und die Welt wüßte besser, was Sie mit Ihrem Bundesgrenzschutz vorhaben.
Hier liegt mir noch ein sehr genauer Bericht über die Manöver des Bundesgrenzschutzes im September vergangenen Jahres im Spessart vor, kommandiert von dem ehemaligen Chef der deutschen Dienstgruppen bei der amerikanischen Armee, also dem Mann, der nicht lange zuvor noch amerikanischen Sold bezogen hat, Ihrem jetzigen Kommandanten des Grenzschutzes General Matzky. In diesem Bericht wird dargestellt, was Ihr Grenzschutz im Spessart geübt hat, nämlich im Beisein hoher amerikanischer und britischer Offiziere haben sie die „Bekämpfung von Terroristen" geübt, wobei, wie es heißt, die „Osterfahrungen der Wehrmacht" eine Rolle spielten.
({10})
Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß!
Sehen Sie, Herr Lehr, die Sache mit dem „Technischen Dienst" des BdJ ist nicht ganz programmäßig abgelaufen, da kam man dahinter, das mußte vor die Öffentlichkeit. Was Sie mit Ihrem Bundesgrenzschutz wollen, ist genau dasselbe wie das, wozu Sie gemeinsam mit amerikanischen Offizieren diesen „Technischen Dienst" des BdJ dressiert haben:
({0})
zu Meuchelmord, zu Bürgerkrieg - ({1})
Sie wollen eine Bürgerkriegsarmee.
Herr Abgeordneter Fisch, kommen Sie zum Schluß! Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Sie wollen mit diesem Einsatzkommando eine Bereitschaftstruppe haben für den Tag, wo Sie den „Anschluß" der Deutschen Demokratischen Republik mit der „Politik der Stärke", wie Ihr Chef sagt, vollziehen wollen. Das wollen Sie, und dafür - ({0})
Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich entziehe Ihnen das Wort.
({0})
- Ich habe Ihnen das Wort entzogen! Das Wort hat der Abgeordnete Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe die Erregung des Hauses, wenn der Abgeordnete Fisch hier spricht. Aber Sie sollten ihm mildernde Umstände zubilligen; der Abgeordnete Fisch handelt nämlich in Notwehr, weil er durch eine gewisse Verfolgungswelle, die gegen seine kommunistischen Freunde stattfindet, in besonderem Maße betroffen werden könnte.
({0})
Sie sagten, Herr Fisch, daß im Osten von den Zahlen, die ich genannt habe, nichts zu sehen sei. Nun, ich will Sie erinnern, vielleicht waren Sie damals auch dabei: Beim Berliner Pfingsttreffen im Jahre 1950 marschierte die FDJ noch mit dem Ruf „Friede und Freundschaft" an Ihnen vorbei - ich habe es auch gesehen -, und sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Im Jahre 1952 hatten die 10 000 FDJ-Leute, die in Leipzig vorbeimarschierten, nicht mehr die Hände frei; sie trugen den geschulterten Karabiner,
({1})
und selbst 3000 Mädchen haben ihn getragen, nicht geschultert - das läßt die Biologie nicht zu, die Gewehrlage wäre nämlich nicht einheitlich -,
({2})
aber umgehängt, Daumen gegen den Riemen und Ellenbogen gegen den Schaft. So haben Sie 3000 deutsche Mädchen zu Flintenweibern entwürdigt! Im übrigen möchte ich Sie nur an den Vorbeimarsch erinnern, der unlängst vor dem Präsidenten des Obersten Sowjets und vor Vinzenz Müller in Berlin stattgefunden hat, wo an der Spitze der 20 000 Volkspolizisten jene 5000 vorbeimarschierten mit den olivgrünen Uniformen, die mehr der asiatischen Roten Armee als den Preußen ähnelten.
({3})
Nun darf ich Herrn von Aretin bezüglich der „ Überrollungstaktik" noch kurz attackieren. Herr von Aretin, die Überrollungstaktik, die Sie per({4})
sönlich gegenüber dem Immunitätsausschuß üben, haben wir heute mit diesem Antrag nicht geübt.
({5})
Damit brauche ich mich nicht mehr weiter bei diesem Vorwurf aufzuhalten.
Herr Kollege Menzel hatte von den Hilfstruppen gesprochen. Ich habe die Meinung, daß die Fraktionen dieses Hauses nicht Hilfstruppen sind. Wir werden die Opposition ebensowenig als Hilfstruppen ansprechen, wie wir selbst nicht als solche angesprochen werden möchten. Das Initiativrecht unseres Grundgesetzes steht im gleichen Maße Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung zu. Sie sollten glücklich sein, daß das Haus mehr als bisher aus sich heraus Anträge und Gesetzentwürfe einbringt.
Nun zu dem Problem der Deckungsklausel! Herr Kollege Menzel, Sie haben uns von dieser Last befreit. Wir haben vor 31/2 Jahren in einem Antrag zu § 48 a der Geschäftsordnung die Deckungsklausel für alle Anträge, die Mehrausgaben oder Minderung der Einnahmen vorsehen, einführen wollen. Sie haben beim Verfassungsgerichtshof geklagt mit dem Bemerken,
({6})
daß dadurch das Initiativrecht der Abgeordneten eingeschränkt wird. Wenn wir daher heute einen so weitgehenden Antrag einbringen, ohne die Deckungsklausel mit hineinzuarbeiten, dann danken wir das Ihrer Initiative in Karlsruhe.
({7})
Zum dritten. Sie sagen, man sollte an der Grenze alles möglichst linear aufstellen. Man sollte dafür sorgen, daß der Grenzschutz an der Grenze selbst sitzt - so sprachen Sie -, und Sie wollten eine lineare Einzelpostenaufstellung. Mir scheint, das ist eine Verkennung des Wesens einer schlagkräftigen motorisierten und mit Funk ausgestatteten Grenzschutztruppe. Das Wesen einer solchen Truppe ist, wie Sie selbst, Herr Kollege Menzel, als Polizeiminister in Nordrhein-Westfalen jahrelang praktiziert haben, Fahndungsaktionen durchzuführen usw. Daher die Vollmotorisierung, daher der Funk! Die lineare Aufstellung der Einzelposten wäre gar nicht möglich; denn, ich sagte Ihnen schon, auf 10 km kämen ein Unteroffizier und acht Mann, und das im unübersichtlichen Gelände des Bayerischen Waldes, Niedersachsens und des SchleswigHolsteinischen Raumes. Wenn Sie trotzdem bei der Einzelpostenaufstellung bleiben, müßten Sie logischerweise die Verdoppelung befürworten, um das durchführen zu können.
Nun zum Kasernenbauen. Dazu hat der Herr Bundesinnenminister schon Stellung genommen. Natürlich melden sich die Infiltranten nicht in den Kasernen. Aber ich weiß nicht, wo wir den Bundesgrenzschutz sonst am besten unterbringen könnten.
({8})
- Ja, an der Grenze! Das lehnen wir ja ab, weil der Grenzschutz dann nicht schwerpunktmäßig eingesetzt werden könnte. Er hat eben Funk und Vollmotorisierung, um das zu können. Im übrigen, irgendwo müssen die Leute ja wohnen. Auch an der Grenze müßten wir Unterkünfte bauen, wenn wir die Männer nicht in Privatquartieren bei unseren Landsleuten unterbringen wollen.
Zur Frage der Bewachung der Gebäude durch die Bonner Polizei! Darauf hat der Herr Bundesinnenminister schon geantwortet. Ich kann es mir jedoch nicht verkneifen, Herr Kollege Menzel, vielleicht eine Erklärung dafür zu geben, warum in Bonn manche Gebäude vom Bundesgrenzschutz bewacht werden. Hochachtung vor vielen und guten Polizisten, die Ordnungshüter im wahrsten Sinne des Wortes sind. Wir wissen aber auch, daß damals, als Sie Polizeiminister in Nordrhein-Westfalen waren - und Sie wissen es selbst -, ohne' Ihre Schuld viele in den Polizeikörper hereingekommen sind, die nicht Ordnungshüter im wahrsten Sinne des Wortes sind.
({9})
Man hat viele Böcke zu Ziergärtnern gemacht. Ich erinnere nur daran, daß vor zwei Jahren bei einer Veranstaltung in Düsseldorf, als ein General Manteuffel sprach, FDJ, Gewerkschaftsjugend, Jungsozialisten und Kommunisten unter Duldung der Polizei - die Untersuchung schwebt heute noch - Manteuffel das Reden nicht gestatteten.
({10})
So sah die Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte für jedermann aus. So wurde das Sprichwort: „Die Polizei, Dein Freund und Helfer" damals in Düsseldorf praktiziert. Auch mein Mißtrauen ist sehr groß - ich wiederhole es - gegen jene Böcke, die man zu Ziergärtnern gemacht hat und die die Staatsanwälte erst allmählich herausfinden müssen.
({11})
- Das wird in der Fremdenlegion gesungen; das haben wir unlängst festgestellt. Auch da haben wir alle keine Schuld, daß es gesungen wird. Sie sagten, daß der Bundesgrenzschutz hier in Bonn Macht demonstrieren solle. Dieser Vorwurf fällt ebenso in sich zusammen wie jener vor zwei Jahren von Ihnen erhobene, der da lautete: Bundesgrenzschutz ist Remilitarisierung durch die Hintertür. Wenn Sie aber sagen, daß beim Bundesinnenminister ein Posten steht und daß der Eingang zu seinem Ministerium unter einer gewissen Kontrolle steht, wie auch das Bundeskanzleramt, ({12})
nun, ich glaube, die Kontrolle ist bei weitem nicht so streng wie bei Ihrem Bundesparteihaus zwischen Bonn und Godesberg!
({13})
Sie sehen, auf Argumente lassen sich auch Gegenargumente finden. Mich haben die Einlassungen des Herrn Kollegen Menzel keineswegs überzeugt, und ich hätte geglaubt, ein Kollege, der vier Jahre Landespolizeiminister war, hätte mit vollen Segeln unserm Antrag zustimmen müssen.
({14})
Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie sehr, den Antrag auf Verweisung in den Ausschuß doch abzulehnen. Ich darf Herrn Kollegen von Aretin noch einmal versichern, daß verfassungsrechtlich völlige Klarheit zwischen Bund und Ländern besteht. Ich darf noch einmal darauf
({0})
verweisen, daß insbesondere mit Bayern zwei Verträge geschlossen worden sind - mit völliger Zustimmung der beiden Kabinette -, so daß wir Ihnen in dieser Hinsicht auch im Ausschuß wirklich nichts Neues sagen können.
Endlich habe ich dasselbe Thema von heute schon so oft bei Ihnen behandelt. Es hat sich lediglich gegenüber dem ersten eingebrachten Antrag die Situation so verschärft, wie ich es Ihnen dargestellt habe. Nachdem wir nun zweieinhalb Jahre versäumt haben, das letzte herauszuholen, was in unseren Kräften steht, bitte ich Sie im Interesse der Bevölkerung in der Ostzone, jetzt nicht mehr zu warten, sondern Ihre Zustimmung zu geben, weil jeder Tag für uns wertvoll ist, der drüben die Not lindert.
({1})
Das Schlußwort für die Antragsteller hat der Abgeordnete von Merkatz.
Dr. von Merkatz ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schlußwort ist dazu da, die Argumente, die für den Antrag sprechen, noch einmal zusammenzufassen. Ich glaube, die beste Zusammenfassung hat die Opposition durch ihren Sprecher, Herrn Menzel, selber gegeben.
({1})
Denn er hat ganz deutlich den Nachweis geführt - wie Herr Kollege Mende bereits im einzelnen dargelegt hat -, daß aus polizeilichen Gründen die Zahl des Grenzschutzes verstärkt werden muß. Wenn man die Männer nicht um ihre Gesundheit bringen
({2})
und eine vernünftige Einteilung des Dienstes an der Grenze vornehmen will, dann ist es klar, daß man bei der Länge der Grenze für die Begehung - und ich glaube, sie wird notwendig sein - eine größere Zahl von Grenzschutzleuten braucht. Daneben -- ich bin nicht Polizeifachmann - muß auch der geschlossene Einsatz bei der Natur der Aufgabe, die dem Grenzschutz gestellt ist, gewährleistet werden, wenn man nicht durch eine Verzettelung der Kräfte die Exekutivbeamten auf das schwerste gefährden will.
An und für sich hat die Debatte eine Darstellung der überaus kläglichen Machtmittel gegeben, die uns noch geblieben sind. Doch diesen Tatbestand zu beklagen, hat keinen Sinn. Man soll es besser machen und die Tatsachen schaffen, die notwendig sind.
({3})
Hierbei möchte ich darauf hinweisen, daß die Verstärkung des Grenzschutzes an unserer blutenden innerdeutschen Grenze ein wesentlicher Beitrag für die Befriedung der Verhältnisse ist. Ich möchte das nicht näher ausmalen. Aber die Gefahr, die in Grenzzwischenfällen immer liegt, ist beträchtlich. Dadurch, daß wir einen wirksamen polizeilichen Schutz an den Grenzen schaffen, wird ein wesentlicher Beitrag zur Befriedung unserer gesamten Situation geleistet.
({4})
Ich habe nicht die Absicht, mich in militärischen Phantasien zu ergehen; denn die Aufgabe dieses Grenzschutzes ist polizeilicher Art.
Ein Punkt ist noch vergessen worden. Ich halte mich für verpflichtet, ihn nachzutragen. Es ist eine Frage, die für Form und Wirkung unseres Beschlusses von Bedeutung ist. Ich trete dafür ein, daß keine Ausschußüberweisung mehr stattfindet, sondern daß der Beschluß zur Vermehrung des Grenzschutzes sofort gefaßt wird, da es nicht verantwortbar ist, diese selbst von der Opposition der Sache nach anerkannte Notwendigkeit nicht sofort zu regeln.
In der 118. Sitzung am 15. Februar 1951 hat das Haus folgenden Beschluß gefaßt:
Die Stärke des Personals der Bundesgrenzschutzbehörden ist durch Beschluß, der der Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages bedarf, festzusetzen. Dieser Beschluß kann nur mit der gleichen Mehrheit geändert werden.
Die Stärke des Personals der Bundesgrenzschutzbehörden wird auf 10 000 Mann festgesetzt.
Meine Damen und Herren, dieser damalige Beschluß, der eine qualifizierte Mehrheit des Hauses erfordert, ist ein Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 Satz 1 der Verfassung, die eine qualifizierte Mehrheit des Hauses nur für die Fälle vorsieht, für die sie in der Verfassung bestimmt ist, oder für einen Fall der Geschäftsordnung, nämlich bei Wahlen durch den Bundestag. Der damalige Beschluß kann in bezug auf die Forderung einer qualifizierten Mehrheit nicht aufrechterhalten werden,
({5})
weil es zu seiner Anwendung einer Änderung der Verfassung bedürfte. Die Verfassung ist seinerzeit aber nicht geändert worden. Infolgedessen hat der Beschluß von damals heute die Wirksamkeit, daß mit einfacher Mehrheit dieses Hauses beschlossen werden kann.
({6})
- Nun, meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sind sonst in Verfassungsdingen sehr heikel und in der Schaffung verfassungsrechtlicher Schwierigkeiten, ich möchte beinahe sagen: sehr erfinderisch. Aber hier haben Sie einen überaus klaren und einfachen Fall, in dem ein Beschluß dieses Hauses gefaßt worden ist, der die Kompetenzen weit überschreitet, es sei denn, man habe den Wortlaut der Verfassung geändert. Das hat man nicht getan; infolgedessen steht der Beschluß heute so da, daß mit einfacher Mehrheit entsprechend unserem Antrag beschlossen werden kann.
Die Debatte hat nicht an allen Stellen erkennen lassen, daß die Notwendigkeit für unseren Antrag auf einer tiefen Tragik unseres Volkes beruht.
({7})
Es geht um die Bereinigung der Verhältnisse an unserer blutenden innerdeutschen Grenze.
({8})
Verkennen wir doch nicht, daß fortgesetzt auf deutschem Boden gegen deutsche Menschen Verbrechen begangen werden.
({9})
({10})
Deshalb ist es notwendig, unseren Antrag anzunehmen.
({11})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor? - Das Wort hat der Abgeordnete Menzel!
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst eine Richtigstellung. Es ist nicht wahr, daß die Verteilung der jetzt kasernierten Grenzschutzbeamten auf den Einzeldienst, so wie es bei der 1500 km langen bayerischen Grenze geschieht, eine Vermehrung der Bundesgrenzschutzbeamten bedeuten würde. Der Ausschuß für innere Angelegenheiten hat sich mit diesen Dingen bereits einmal befaßt. Wir haben festgestellt, daß wir mit den jetzigen 10 000 Mann auskommen würden.
Ich habe vorhin damit geschlossen, daß ich gesagt habe: Wenn Sie den Grenzschutz wirksam einsetzen, werden wir auch die notwendigen Mittel bewilligen. Bisher haben Sie uns aber trotz aller Wünsche noch nicht Rechnung gelegt, was Sie mit den jetzigen Grenzschutzbeamten getan haben. Die Erklärung des Herrn Ministerialdirektors beweist, daß man für die neuen 10 000 Beamten auch wieder nur Kasernen vorsieht.
Das war aber nicht der eigentliche Sinn meiner Wortmeldung. Ich habe mich deshalb zum Wort gemeldet, weil ich zu dem Versuch des Herrn Kollegen von Merkatz, von einem Abkommen, das damals interfraktionell beschlossen worden ist, jetzt herunterzukommen, etwas sagen wollte. Der Bundestag hat bei der Verabschiedung des Gesetzes über den Grenzschutz beschlossen, daß die Stärke des Bundesgrenzschutzes mit der absoluten Mehrheit des Bundestags festgelegt wird. Die verfassungsmäßigen Zweifel, die Herr von Merkatz angemeldet hat, kann ich nicht teilen. Der Bundestag ist souverän. Die Verfassung schränkt das Recht des Bundestags, festzulegen, in welcher Form er im einzelnen seine Beschlüsse fassen will, nicht ein. Wenn der Bundestag damals mit einer erdrückenden Mehrheit beschlossen hat, daß die Soll- und Istziffern des Bundesgrenzschutzes mit absoluter Mehrheit festgelegt werden sollen, so ist er an diesen Beschluß solange gebunden, bis er ihn mit absoluter Mehrheit aufhebt.
({0})
Aber, meine Damen und Herren, ich muß sagen, ich fühle es eigentlich recht beschämend, daß wir darüber, ob eine Vereinbarung eingehalten werden soll, überhaupt debattieren müssen. Sie wissen genau, daß damals die Bedenken der Opposition gegen das Gesetz über den Grenzschutz dadurch ausgeräumt worden sind, daß Sie uns zugestanden, künftighin die Soll- und Iststärke des Bundesgrenzschutzes mit absoluter Mehrheit des Bundestags festzusetzen. Den Kaufpreis haben Sie damals kassiert. Heute, nach zwei Jahren, wollen Sie von diesem Versprechen herunter, weil es Ihnen unbequem ist. Meine Damen und Herren, es gibt auch Grenzen des Anstandes!
({1})
Wenn Sie ein ausdrücklich festgelegtes Abkommen, wenn Sie eine Zusage brechen wollten, wäre das nicht nur unfair, sondern erinnerte an üble Roßtäuschermanieren.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, auf die Ausführungen des Kollegen Menzel kurz erwidern zu dürfen. Ich glaube, wenn wir die Frage der Fairneß in der Angelegenheit der Verstärkung des Bundesgrenzschutzes untereinander abhandeln wollten, gäbe es nur eine faire Entscheidung, nämlich die, den Entschluß zugunsten unserer Grenzbevölkerung zu fassen.
({0})
Zweitens möchte ich folgendes sagen. Das Problem selbst ist ein verfassungsrechtliches, dem wir Rechnung zu tragen haben.
({1})
Wir haben die große Hoffnung, daß die Mehrheit heute zustande kommt, die wir damals als eine moralische .Notwendigkeit dargestellt haben. Es ist mir nicht erinnerlich, daß damals von einem „Kaufpreis" gesprochen worden ist; auch scheint es mir eine falsche Betrachtung des parlamentarischen Verfahrens zu sein, wenn man von einer Art Kaufpreis für einen Beschluß spricht, der doch aus der Sache heraus notwendig ist.
({2})
Auf die Argumentation in der Richtung, wie sie Herr Kollege Menzel eingeleitet hat, kann ich mich nicht einlassen. Die verfassungsrechtliche Seite ist uns beiden als Juristen doch absolut klar. Ich glaube, ich kann es mir ersparen, den Wortlaut des Art. 42 vorzulesen.
({3})
- Mein Wort habe ich als Abgeordneter vor unserer Grenzbevölkerung zu halten! Das ist meine Pflicht!
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir stimmen zunächst über den Antrag auf Überweisung an den zuständigen Ausschuß ab. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag auf Überweisung ist abgelehnt.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich nehme an, daß dieser Antrag von mehr als 50 Abgeordneten des Hauses unterstützt wird. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln. ({0})
({1})
Hat ein Mitglied des Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, seine Stimme noch nicht abgegeben? - Dann bitte ich, mit der Auszählung zu beginnen. Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß wir bis zur Beendigung der Auszählung in der Tagesordnung fortfahren.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Fürsorge für Hilfsbedürftige nebst Schlußprotokoll ({2}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsorge ({3}) ({4}).
({5})
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Striebeck.
Striebeck ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der zur Beratung stehende Gesetzentwurf behandelt eine Vereinbarung, die am 14. Juli 1952 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft abgeschlossen wurde und die die Fürsorge für die beiderseitigen hilfsbedürftigen Staatsangehörigen regeln soll. Die Vereinbarung baut auf einem Niederlassungsvertrag auf, der seit dem Jahre 1909 zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz besteht und der ebenfalls die Fürsorge für hilfsbedürftige Angehörige des anderen Teils vorsieht. Allerdings wurde damals ein Staatsvertrag über das Verfahren der Kostenerstattung nicht abgeschlossen.
({7})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe!
Striebeck ({0}), Berichterstatter: Diese kam dann auch mit dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches im Jahre 1945 zum Erliegen, so daß die hilfsbedürftigen Deutschen in der Schweiz aus den beschlagnahmten Vermögenswerten unterstützt wurden, die die deutsche Interessenvertretung in der Schweiz verwaltet. Da diese Mittel ihrem Ende entgegengehen, schlug die Regierung der Schweizerischen Eidgenossenschaft der Regierung der Bundesrepublik Deutschland Verhandlungen über den Abschluß eines neuen Abkommens vor.
Im Hinblick auf die große Anzahl der hilfsbedürftigen Deutschen in der Schweiz - es handelt sich um etwa 3500 Personen gegenüber nur etwa 300 hilfsbedürftigen Schweizern in der Bundesrepublik - mußte die deutsche Regierung an einem solchen Abkommen aufs höchste interessiert sein. Es wurde dann auch nach längeren Verhandlungen, wie ich schon sagte, am 14. Juli 1952 in Form einer Vereinbarung abgeschlossen und liegt dem Hause zur Beschlußfassung vor.
Im Art.1 der Vereinbarung wird zunächst grundsätzlich festgelegt, daß jeder vertragschließende Teil den in seinem Gebiet sich aufhaltenden Hilfsbedürftigen des anderen Teiles die gleiche Fürsorge gewährt wie dem eigenen Staatsangehörigen. Dabei soll sich die Fürsorge in der Schweiz nach der Armengesetzgebung der Kantone und in der Bundesrepublik nach der Fürsorgegesetzgebung des
Bundes richten. Der Umfang der Fürsorgeleistungen wird im Abs. 3 des Art. 1 näher umschrieben. Danach umfassen die Leistungen die üblichen Aufwendungen für den Lebensunterhalt, die ärztliche Behandlung sowie die Krankenhaus- und Anstaltspflege. Beim Todesfalle sind auch die Kosten einer angemessenen Bestattung eingeschlossen.
Die Kosten der Fürsorge werden für die ersten 30 Tage vom Aufenthaltsstaat getragen, während alle weiteren Aufwendungen bis zu einer etwaigen Heimschaffung vom Heimatstaat zu erstatten sind. Hierzu wird in dem der Vereinbarung zugehörigen Schlußprotokoll von deutscher Seite betont, daß die Fürsorgeverbände grundsätzlich nur die Kosten und in der Höhe erstatten, die sie aufzuwenden hätten, wenn die in der Schweiz lebenden hilfsbedürftigen Deutschen in Deutschland selbst zu unterstützen wären. Die Differenz zwischen den danach von den Fürsorgeverbänden zu erstattenden Beträgen und der Höhe der tatsächlichen Kosten in der Schweiz, die infolge der höheren Lebenshaltungskosten gegenüber den Kosten in Deutschland zum Teil das Zwei- und Dreifache ausmachen, soll getragen werden aus dem Fonds der deutschen Interessenvertretung in der Schweiz mit einem am 1. Juli 1952 vorhandenen Bestand in Höhe von 1,3 Millionen Schweizer Franken und einem Zuschuß, der bis zum Ablauf des Vertrages von der Bundesrepublik zur Verfügung gestellt werden soll. Hierbei ist zu sagen, daß sich die deutsche Regierung in dem Schlußprotokoll bereit erklärt hat, diesen Zuschuß bis zu der Höhe von 1,7 Millionen DM vorzusehen. Bei der Bemessung dieses Zuschusses ist die Bundesregierung davon ausgegangen, daß nach den Berechnungen der Schweiz jährlich etwa 2,5 bis 2,7 Millionen Schweizer Franken für deutsche Hilfsbedürftige in der Schweiz aufgewendet werden.
Neben der Verpflichtung zur Betreuung sieht die Vereinbarung aber auch die Möglichkeit einer Heimschaffung der Hilfsbedürftigen vor. Von ihr darf aber kein Gebrauch gemacht werden bei Transportunfähigkeit und bei nur vorübergehender Hilfsbedürftigkeit bis zu 90 Tagen. Vor allen Dingen aber soll auf die Heimschaffung verzichtet werden, wenn Menschlichkeitsgründe dagegen sprechen, so namentlich, wenn die Familienbande zerrissen oder aus früherer Heimatzugehörigkeit oder einem Aufenthalt von sehr langer Dauer sich ergebende enge Beziehungen zum Lande zerstört würden.
Die Kosten der Heimschaffung sowie des Transports des Hausrats bis an die Grenze hat nach Art. 6 der Vereinbarung der Aufenthaltsstaat zu tragen.
Zu erwähnen ist, daß die Vereinbarung keine Anwendung findet auf Personen, die sich in das andere Land begeben haben, um sich dort wegen einer im Augenblick der Einreise bereits bestehenden Krankheit pflegen zu lassen.
Bei Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung einzelner Bestimmungen der Vereinbarung soll zunächst der Weg der Verständigung beschritten und erst, wenn eine solche nicht erzielt werden kann, ein Schiedsgericht eingesetzt werden.
Die Vereinbarung soll sich auch auf das Land Berlin erstrecken, sobald die Voraussetzungen dafür geschaffen sind.
Schließlich ist noch festgelegt, daß der Art. 1 des am 19. März 1943 zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz abgeschlossenen Vertrages über
({1})
die Regelung der Fürsorge für alleinstehende Frauen durch diese Vereinbarung nicht berührt wird.
Im letzten Artikel, in Art. 11, wird gesagt, daß die Vereinbarung am Tage des Austauschs der Ratifikationsurkunden in Kraft tritt, und zwar rückwirkend auf den 1. Juli 1952. Sie gilt zunächst bis zum 31. März 1954, wobei sich die Parteien darüber einig sind, daß man dann rechtzeitig die Verlängerung der Vereinbarung besprechen will.
Der Ausschuß für Fragen der öffentlichen Fürsorge hat das Gesetz über die Vereinbarung einstimmig verabschiedet, und auch der Bundesrat hat beschlossen, Einwendungen nicht zu erheben. Ich habe den Auftrag, die Damen und Herren im Namen des Ausschusses zu bitten, das Gesetz ebenso einmütig anzunehmen, da es für die hilfsbedürftigen Deutschen in der Schweiz von größter Bedeutung ist.
({2})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten ein in die 'zweite Beratung. Ich rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir treten ein in die Einzelberatung. Ich rufe auf die Artikel 1 bis 3, - Einleitung und Überschrift. Wer für Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Eine Schlußabstimmung unterbleibt.
Die namentliche Abstimmung zum vorigen Punkt der Tagesordnung ist geschlossen.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 188, mit Nein 144 Mitglieder des Hauses, enthalten haben sich 4. Von den Berliner Abgeordneten haben 7 mit Ja und 9 mit Nein gestimmt.
Ich rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Zweiten Strafrechtsänderungsgesetzes Nr. 1307 der Drucksachen);
Zweiter Mündlicher Bericht ides Ausschusses
für Rechtswesen und Verfassungsrecht
({0}) '({1}).
({2})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Greve als Berichterstatter.
Dr. Greve ({3}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 4049 legt Ihnen der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht einen Zweiten Mündlichen Bericht über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 11939. Strafgesetzbuches vor. Über den Gesetzentwurf hatte der Ausschuß bereits einen ersten Bericht erstattet, in dem er Ihnen vorschlug, die Staatsschutzbestimmungen aus dem Entwurf herauszunehmen, um diese wegen ihrer Vordringlichkeit in einem besonderen Gesetz, dem nachherigen Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951, vorweg zu verabschieden.
Auch heute kann noch kein abschließender Bericht über die Drucksache Nr. 1307 erstattet werden. Wenn sich der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht nunmehr wiederum entschlossen hat, einen Gegenstand aus dieser Vorlage vorwegzunehmen und Ihnen vorzuschlagen, in einem besonderen Gesetz, dem Zweiten Strafrechtsänderungsgesetz, die Anwerbung für den Wehrdienst einer ausländischen Macht unter Strafe zu stellen, so sind dafür Gründe maßgebend, die Ihnen allen bekannt sind und die leider schon des öfteren Gegenstand der Erörterung in diesem Hause sein mußten. Noch in der vergangenen Woche haben wir uns anläßlich der Großen Anfrage der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wegen des Grenzzwischenfalles „Schweigen" eingehend darüber unterhalten. Ich kann es mir daher heute versagen, die Notwendigkeit der Verabschiedung dieses Gesetzes noch einmal zu begründen.
Die Ihnen jetzt vorliegende Fassung der Strafvorschrift, die als § 141 in das Strafgesetzbuch eingefügt werden soll, lehnt sich im wesentlichen an die 'alte Vorschrift des § 83 des Strafgesetzbuches von 1871 an, die 1935 durch den § -141 a abgelöst wurde, der bis zu seiner Aufhebung durch Art. 1 des Kontrollratsgesetzes Nr. 11 in Kraft geblieben ist. § 141 a lautete:
Wer einen Deutschen zum Heeresdienst einer ausländischen Macht anwirbt oder ihren Werbern oder dem ausländischen Heeresdienst zuführt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft.
Der Versuch ist strafbar.
In besonders schweren Fällen ist die Strafe Zuchthaus bis zu 10 Jahren.
§ 141 a beruhte auf Entwürfen, die bereits vor 1933 geschaffen waren. Er entsprach ihnen inhaltlich, allerdings mit der Abweichung, daß die Strafandrohung für besonders schwere Fälle auf Zuchthaus bis zu 10 Jahren erhöht wurde, während die Entwürfe Zuchthaus bis zu fünf Jahren vorgesehen hatten.
In der Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz wurde der in den früheren §§ 141 und 141 a StGB enthaltene Rechtsgedanke als § 83 wieder aufgenommen. Er lautete:
Wer einen Deutschen zum Wehrdienst oder Rüstungsdienst einer 'ausländischen Macht anwirbt oder ihren Werbern oder dem ausländischen Wehr- oder Rüstungsdienst zuführt, wird mit Gefängnis nicht unter drei 'Monaten bestraft.
Der Versuch ist strafbar.
Als Wehr- oder Rüstungsdienst einer ausländischen Macht ist nicht der Dienst bei zwischenstaatlichen Einrichtungen anzusehen, an denen die Bundesrepublik beteiligt ist oder auf die sie Hoheitsrechte übertragen oder zu deren Gunsten sie Hoheitsrechte eingeschränkt hat.
Inzwischen hat der Deutsche Bundesrat in seiner 99. Sitzung am 23. Januar 1953 auf Vorschlag des
({4})
Landes Rheinland-Pfalz einen Initiativgesetzentwurf beschlossen und der Bundesregierung am 23. Januar 1953 zugeleitet, der sich ebenfalls mit der Anwerbung für fremden Wehrdienst befaßt und der sich im wesentlichen mit der Fassung dieser Regierungsvorlage, Drucksache Nr. 1307, deckt. Nur war der Begriff „Bundesgebiet" eingeführt worden. Um diesen Begriff zu vermeiden und die Werbung möglichst weitgehend erfassen zu können, hatte die Bundesregierung dem Rechtsausschuß zu seiner Beratung des Gegenstandes neue Formulierungsvorschläge unterbreitet, die folgenden Wortlaut hatten:
§ 141
Wer im Inland oder als Deutscher im Ausland zugunsten einer ausländischen Macht einen Deutschen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung oder zum Rüstungsdienst für eine solche Einrichtung anwirbt oder ihren Werbern oder dem Wehr- oder Rüstungsdienst einer solchen Einrichtung zuführt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Ebenso wird bestraft, wer die Tat im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder im Ausland zugunsten einer inländischen Macht außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes begeht.
Der Versuch ist strafbar.
Als Wehr- oder Rüstungsdienst im Sinne des Absatzes 1 ist nicht der Dienst bei einer zwischenstaatlichen Einrichtung anzusehen, an der die Bundesrepublik beteiligt ist oder auf die sie Hoheitsrechte übertragen oder zu deren Gunsten sie Hoheitsrechte eingeschränkt hat.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht stellte sich auf den Standpunkt, daß diese Fassung, besonders die des zweiten Satzes des Abs. 1, keine Möglichkeit biete, die vielen Tatbestände zu übersehen, die den Richter vor sehr schwierige Aufgaben tatbestandsmäßiger und rechtlicher Art stellen würden, und entschloß sich, Satz 2 zu streichen. Damit ist der Zweck des Gesetzes klar herausgestellt, nämlich zuvörderst die Anwerbung für die sogenannten Fremdenlegionen unter Strafe zu stellen. Ebenso beschloß der Ausschuß, den Begriff „Rüstungsdienst" zu streichen, da er nicht klar genug umrissen schien und Schwierigkeiten für die Rechtsprechung befürchten ließ.
Nach der jetzt vorliegenden Fassung wird jeder Anwerber bestraft, der im Inland anwirbt - gleichgültig ob Deutscher oder Ausländer -, sowie der Anwerber im Ausland, sofern er Deutscher ist. Ferner soll bestraft werden, wer zugunsten einer ausländischen Macht anwirbt, wobei ausländische Macht ein als solcher anerkannter ausländischer Staat sein muß. Saarregierung und die Regierung der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik fallen nicht darunter. Saargebiet und Sowjetzone gehören zum Bundesgebiet.
Die Mitglieder des Ausschusses erörterten eingehend die Frage, ab auch solche Werber unter Strafe gestellt werden sollten, die z. B. in Form von Aufrufen oder Publikationen aus ideologischen Gründen zum Eintritt in eine Streitmacht aufrufen, die gegen eine freiheitliche Staaten bedrohende Macht kämpft. Der Ausschuß stellte sich auf den Standpunkt, daß ein Unterschied zwischen den Begriffen „werben" und „anwerben" besteht. Der Begriff „anwerben" setzt eine individuelle Einflußnahme durch Agenten voraus, die im Dienste einer ausländischen Macht stehen. Zum Begriff des „Anwerbens" gehört, daß jemand in einer Art Geschäftsführung - sei es mit, sei es ohne Auftrag - für eine Wehrorganisation tätig ist und gewissermaßen die Abschlüsse mit Formularen tätigt.
Der Begriff des „Zuführens" ist auf Grund der praktischen Erfahrungen nach 1945 in den Tatbestand einbezogen worden, da nicht nur Anwerbungen im Inland erfolgen, sondern auch mit Hilfe von Untergrundorganisationen, die sich wie eine Kette durch mehrere Länder ziehen, junge Menschen der Fremdenlegion unter dem Deckmantel der Arbeitsvermittlung meist über andere Länder zugeführt werden.
Der Ausschuß prüfte weiterhin die Frage, ob eine Ausnahmeregelung für offizielle Militärmissionen erforderlich sei. Er kam aber zu dem Ergebnis, daß eine solche Regelung nicht notwendig sei, da die Genehmigung der Regierung die Rechtswidrigkeit ausschließe.
In Abs. 2 des § 141 wird der Versuch für strafbar erklärt.
Der von der Regierung vorgeschlagene Abs. 3, der eine Privilegierung der supranationalen Einrichtungen vorsah, wurde vom Ausschuß als überflüssig gestrichen.
Der Art. 2 bringt die Berlin-Klausel. Bei der Drucklegung ist eine andere Fassung als die vom Ausschuß beschlossene ausgedruckt worden. Es muß richtig heißen:
Artikel 2
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 des Dritten Überleitungsgesetzes vom 4. Januar 1952 ({5}) auch im Lande Berlin.
Im Art. 3 ist der Tag des Inkrafttretens des Gesetzes schon auf den Tag nach der Verkündung festgesetzt worden, um die Bedeutung des Gesetzes auch auf diese Weise zu unterstreichen.
Namens des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht bitte ich Sie um die Zustimmung zu dem auf Drucksache Nr. 4049 vorliegenden Antrag des Aussschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht mit der oben von mir erwähnten Änderung des Art. 2.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1,- Art. 2 - wobei ich davon ausgehe, daß Art. 2 den von dem Herrn Berichterstatter verlesenen Text bekommt -, Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. - Wir treten ein in die Einzelaussprache: Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen!
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, dies durch Erheben von den Sitzen zu bezeugen. - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
({0})
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Gesetzeseinheit auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({2}) ({3}).
({4})
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Wahl.
Dr. Wahl ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich bemühen, mich mit Rücksicht auf die vorgerückte Zeit besonders kurz zu fassen. Ich kann es um so eher, als die Beschlüsse im Rechtsausschuß einstimmig gefaßt worden sind. Der Rechtsausschuß hat die Vorlage begrüßt, weil sie bemüht ist, das Bürgerliche Gesetzbuch in seinem Charakter als Kodifikation wiederherzustellen, damit auch äußerlich dem Hauptstück unserer nationalen Gesetzgebung erneute Bedeutung sichernd. Freilich ist der Gedanke, das, was bürgerliches Recht ist, in das Bürgerliche Gesetzbuch einzureihen, nicht übertrieben worden. Es gibt Gesetze, die Sondergebiete betreffen und die bei Aufnahme in das Gesetzbuch das abgewogene Verhältnis seiner einzelnen Teile stören würden, zumal wenn sie mit besonderen Verfahrensvorschriften gekoppelt sind oder wenn sie ihrer Natur nach nur temporären Charakter haben. Deshalb bleiben das Verschollenheitsrecht, das gesamte Mieterschutzrecht, das Wildschadenrecht, das Wohnungseigentumsrecht, das Erbbaurecht und die Vorschriften über Rechte an eingetragenen Schiffen und Schiffsbauwerken außerhalb des BGB.
Bei denjenigen Reformen, die das bürgerliche Recht aber inzwischen erfahren hat und die nun in das Gesetzbuch zurückgeführt werden, hat der Ausschuß es mit einigen Ausnahmen, auf die ich kommen werde, stets vermieden, eine wirkliche Änderung des zur Zeit geltenden Rechts vorzunehmen. Es handelt sich nur darum, daß aus der gegenwärtigen Gesetzeslage die Konsequenzen in der Weise gezogen werden, daß die Neuerungen, die sich außerhalb des BGB vollzogen haben, nun in das BGB eingearbeitet worden sind. Ich erinnere an die Regelung des Vereinsrechts, die deswegen eine Änderung erfahren mußte, weil seit dem Inkrafttreten des BGB bekanntlich das öffentliche Vereinsrecht im Sinne größerer Freiheit geändert worden ist. Im Miet- und Hypothekenrecht handelt es sich insbesondere um gewisse Sätze des Zwangsvollstreckungsrechts über die Pfändbarkeit der Miete, die Vorausverfügung über die Miete usw.
Ich will jetzt nur auf diejenigen Punkte näher eingehen, in denen der Rechtsausschuß von der Vorlage abgewichen ist. Ich werde mich also an die Drucksache Nr. 4054 halten und nicht die Einzelheiten der Vorlage selbst behandeln. Insoweit kann ich ja auf den Bericht der Bundesregierung Bezug nehmen. In Art. 3 hat der Rechtsausschuß lediglich eine terminologische Verbesserung vorgenommen, indem er in S 925 a an Stelle der Worte „das Veräußerungsgeschäft" die Worte „den Vertrap" eingesetzt hat. In der Tat ist das oblicratorische Geschäft gemeint, und das Wort ,,Veräußerungsgeschäft" stellt. obwohl es mittlerweile in der Gesetzessprache beim Recht der Auflassung schon verwendet worden ist, eben nicht klar, daß hier wirklich nur das Grundgeschäft gemeint ist. Wir haben deshalb geglaubt, daß wir uns, wenn wir schon die Novellen in das BGB aufnehmen, auch an den Sprachgebrauch dieses Gesetzes anschließen sollten.
Der wichtigste Teil bezieht sich auf das Testamentsrecht, das bekanntlich unter dem Nationalsozialismus in ein Sondergesetz verwiesen worden war. Diese sondergesetzliche Regelung wird nun wieder ins BGB zurückgeführt. Dabei haben wir eine sachliche Änderung in Art. 5 vorgenommen. Wir haben die durch die nationalsozialistische Gesetzgebung aufgenommenen Worte „oder durch Ausnutzung seiner Todesnot" gestrichen, weil wir darin eine ungerechtfertigte Verdächtigung der Religionsdiener - daß sie sich der Erbschleicherei schuldig machen würden - erblickt haben.
Unter Art. 5 Ziffer 10 handelt es sich lediglich um die Berichtigung eines Druckfehlers, wenn wir an Stelle des Wortes „Ehevertrag" das Wort „Erbvertrag" gesetzt haben.
Besonders wichtig erscheint es schließlich, daß Art. 86 und 87 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch eine Reform erfahren. Es handelt sich einmal um das Genehmigungserfordernis für den Erwerb von Grundstücken durch juristische Personen. Wir haben geglaubt, daß ein Bedürfnis, diese Genehmigungspflicht aufrechtzuerhalten, nur bei solchen juristischen Personen besteht, die im Ausland ihren Sitz haben, daß dagegen das Genehmigungserfordernis für die inländischen juristischen Personen generell gestrichen werden kann, zumal sowohl durch die landwirtschaftlichen Genehmigungsvorschriften wie durch die Wohnsiedlungsgenehmigungsvorschriften die Möglichkeit besteht, allen Bedürfnissen Rechnung zu tragen. Auch das preußische Gesetz über den Bergwerksbetrieb ausländischer juristischer Personen und nichtpreußischer Gesellschaften tritt außer Anwendung für alle Bergwerksgesellschaften, die im Inland, im Geltungsgebiet des Grundgesetzes ihren Sitz haben. Endlich ist Art. 87 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch aufgehoben worden, der die Zuwendungen an Orden und Ordensgeistliche von einem gewissen Betrage an der Genehmigungspflicht unterworfen hat, genauer gesagt: der die Einzelstaaten ermächtigt hat, diese Geschäfte einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen. Weil im gesamten Bundesgebiet solche Landesgesetze nicht bestehen, glaubte man auf die Vorschrift verzichten zu können.
In dem Katalog derjenigen Bestimmungen, die aufgehoben bzw. nicht aufgehoben werden, haben wir im Zweiten Teil Art. 3 bestimmt, daß das Gesetz über die Auflockerung der Kündigungstermine bei Mietverhältnissen über Wohnräume aufrechterhalten bleiben soll. An sich enthält dieses Gesetz auch eine Änderung der Kündigungsvorschriften des BGB. Wir glaubten aber wegen des Zusammenhangs dieser Frage mit dem gesamten Wohnungsrecht hier nicht vorgreifen zu sollen, da das Bundesministerium sowieso eine Flurbereinigung auf dem gesamten Gebiet des Miet- und Wohnungsrechts beabsichtigt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf: Erster Teil Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5. Zweiter Teil Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Art. 5, - Art, 6, Einleitung
({0})
und Überschrift. - Das Wort ist nicht verlangt worden. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen eine Stimme angenommen. Ende der zweiten Beratung.
Ich eröffne die
dritte Beratung.
Keine Wortmeldung zur allgemeinen Aussprache. Wir treten ein in die Einzelaussprache: Erster Teil Artikel 1 bis 5; Zweiter Teil Artikel 1 bis 6. - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen eine Stimme - ({1})
- Entschuldigen Sie, der Lautsprecherkasten hat mir die Sicht verwehrt. Gegen zwei Stimmen angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, das durch Erheben zu bezeugen.
- Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen:
Ich rufe auf Punkt 14:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Fischen und Fischwaren ({2}) ({3}).
Hier hat Ihnen der Altestenrat den Vorschlag zu machen, diesen Gesetzentwurf unter Verzicht auf Begründung und ohne Aussprache an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen, wobei der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend sein soll. - Das Haus ist einverstanden.
Ich rufe auf die Punkte 15 und 16 der Tagesordnung:
15. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend Rechtzeitige Festsetzung des Zuckerrübenpreises für 1953 ({4}) und
16. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend Haferaufkauf ({5}).
Auch hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, auf Begründung und Aussprache zu verzichten und diese beiden Anträge dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Antrag zu Punkt 16 außerdem an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Kein Widerspruch. - Es ist so beschlossen.
Punkt 17 ist an den Ausschuß zurückverwiesen. Ich rufe auf Punkt 18:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({6}) über den Antrag der Fraktionen der DP/DPB, FU ({7}) betreffend Planung einer Schienenomnibuslinie im bayerischen Grenzgebiet ({8}).
Auch hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, auf die Entgegennahme des Mündlichen Berichts sowie auf eine Aussprache zu verzichten und unmittelbar Beschluß zu fassen. Ist das Haus einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Wer für die Annahme des Ausschußantrages Drucksache Nr. 4027 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe auf Punkt 19:
Beratung der Übersicht Nr. 62 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({9}).
Das Wort wird nicht verlangt. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme!
Ich rufe auf Punkt 20:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({10}).
Kein Widerspruch, daß nach dem Antrag verfahren wird? - Es ist so beschlossen.
Ich erteile das Wort zu einer persönlichen Erklärung dem Abgeordneten Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Teil von Ihnen wird wahrscheinlich auch durch die Post jenen Brief der „Kommission zur Bekämpfung der Rechtsunsicherheit in der Bundesrepublik" bekommen, der bei einzelnen Kollegen heute eingetroffen ist, gerichtet an alle Abgeordneten des Bundestages, an alle Abgeordneten des Landtages, an die Chefredaktionen der westdeutschen Zeitungen. In diesem Brief ist auf ein Merkblatt hingewiesen, das die Überschrift trägt: „Was ist im Post- und Fernmeldeverkehr in der Bundesrepublik zu beachten?" In dem Anschreiben steht, daß nach Rücksprache mit einer großen Anzahl von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Westdeutschland, die sich von diesen Maßnahmen - gemeint ist die Post- und Telefonüberwachung - besonders betroffen und in ihrer demokratischen Freiheit widerrechtlich beschränkt fühlen, konkretes und vielseitiges Beweismaterial zusammengetragen worden sei.
Es heißt dann weiter:
Im Einvernehmen mit dem Bundestagsabgeordneten Dr. Erich Mende ({0}), der noch in letzter Zeit öffentlich den begründeten Verdacht aussprach, daß sein Telefonverkehr von alliierter Seite kontrolliert wird, sehen wir uns genötigt, diese Information der öffentlichkeit zu übergeben.
In dieser Information heißt es dann am Schluß:
Nach Abschluß dieses Friedensvertrages werden alle Besatzungstruppen abziehen und mit ihnen jene Agenten, die heute unsere Post durchschnüffeln und unsere Telefongespräche überwachen. Wir werden Herr im eigenen Hause sein, und kein Deutscher kann mehr unter dem Schutz der fremden Mächte unser Postgeheimnis brechen.
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Dann wird auch die Regierung Adenauer der Vergangenheit angehören, die heute noch zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft von Amerikas Gnaden solche verfassungswidrigen Methoden braucht. Ihr wird eine verantwortungsbewußte Regierung folgen müssen, die in ehrlich demokratischer Anwendung der Verfassungsgrundsätze auch das Postgeheimnis zu wahren gewillt ist.
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Das Impressum dieses Merkblattes lautet:
Zusammengestellt für den Untersuchungsausschuß Freiheitlicher Juristen Berlin-Zehlendorf-West, Limastraße 29, der auch in besonders gelagerten Einzelfällen Auskunft erteilt. Herausgegeben für das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, Bonn, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Post- und Fernmeldewesen, Bonn.
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Meine Damen und Herren! Ich habe hier zu erklären, daß nicht nur ein eklatanter Mißbrauch des Impressums vorliegt - und der Herr Bundesminister Kaiser, der nicht mehr anwesend sein kann, bittet mich, das auch für ihn festzustellen und hier zu erklären, daß Nachforschungen nach dem Drucker bereits im Gange sind -, sondern ich möchte auch erklären, daß von einem Einvernehmen zwischen diesen neuen kommunistischen Tarnkommissionen und mir nie die Rede sein konnte und nie die Rede sein kann. Vielleicht allerdings, da neben meinem Zimmer das Zimmer des Kommunisten Paul liegt und die Wände sehr dünn sind, werde ich von den Kommunisten abgehört. In diesem Fall haben sie sich aber verhört. - An den Zwischenrufen und dem Lachen von Herrn Renner können Sie ersehen, wo die Autoren der Vergiftung der öffentlichen Meinung stecken.
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Herr Kollege Renner, was Sie haben wollen, ist nicht das Wort zu einer persönlichen Erklärung, sondern zur Aussprache, und diese ist geschlossen.
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Ich berufe die nächste, die 250. Sitzung des Deutschen Bundestags ein auf Mittwoch, den 25. Februar 1953, 13 Uhr 30, und schließe die 249. Sitzung des Deutschen Bundestags.