Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 248. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Fricke, Schuler, Dr. Glasmeyer, Segitz, Bauknecht, Struve, Runge, Behrisch, Dr. Bleiß, Dr. Nölting, Hilbert, Dr. Henle, Kriedemann, Frühwald, Freitag, Marx und Pannenbecker.
Meine Damen und Herren, der Herr Landeswahlleiter des Landes Nordrhein-Westfalen hat mir mitgeteilt, daß an Stelle des verstorbenen Herrn Abgeordneten Dr. Freiherrn von Rechenberg Herr Paul Hans Jaeger als Abgeordneter in den Bundestag eintritt. Ich heiße ihn willkommen und wünsche ihm eine ersprießliche Arbeit in unserem Kreise.
Ich gratuliere dem Herrn Abgeordneten Neber zu seinem 62. Geburtstag am heutigen Tage.
({0})
Ich weise darauf hin. daß die nächste Fragestunde am Mittwoch, dem 25. Februar 1953, stattfindet. Sperrfrist für eingehende Anfragen ist Freitag, der 20. Februar, 12 Uhr.
Weiterhin ist folgendes vorzubringen. In der 205. Sitzung sind die Vertreter und Stellvertreter der Bundesrepublik zur Beratenden Versammlung des Europarates gewählt worden. Durch das Ableben des Herrn Abgeordneten Freiherrn von Rechenberg ist ein von der FDP-Fraktion zu besetzender Sitz frei geworden. Die FDP-Fraktion schlägt zur Nachwahl Herrn Vizepräsidenten Abgeordneten Dr. Hermann Schäfer vor. Ich darf annehmen, meine Damen und Herren, daß das Haus mit dieser Wahl einverstanden und sie hiermit erfolgt ist. - Das ist der Fall.
Ich rufe nun zu den beiden ersten Punkten, die ergänzend auf die gedruckte Tagesordnung gesetzt worden sind, auf:
1. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({1}) zu dem Entwurf eines Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes ({2});
2. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({3}) zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Artikels 107 des Grundgesetzes ({4}).
Berichterstatter zu Punkt 1 ist Herr Abgeordneter Hoogen. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Hoogen ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesrat hat gegen das vom Bundestag verabschiedete Gesetz über die Wohnraumbewirtschaftung den Vermittlungsausschuß angerufen. Seine Einwendungen gegen den in diesem Hause einstimmig verabschiedeten Gesetzentwurf betreffen vier Punkte.
Der Bundesrat wünscht zunächst, daß die Genehmigungspflicht für den Wohnungstausch aufrechterhalten bleibt. Wie Ihnen bekannt ist, hat der Bundestag den Wohnungstausch keiner Genehmigungs-, sondern nur einer Anzeigepflicht unterworfen.
Der Bundesrat ist ferner der Auffassung, daß die Wohnungsämter nicht grundsätzlich verpflichtet werden können, dem Vermieter in jedem Falle mehrere Mieter anzubieten. Er ist der Meinung, die Praxis habe gezeigt, daß bei einem obligatorischen Auswahlrecht bestimmte sozial besonders anspruchsberechtigte Familien, wie z. B. solche mit großer Kinderzahl, nur schwer unterzubringen seien. Infolgedessen hat der Bundesrat verlangt,
({6})
daß die Wohnungsbehörde einem Vermieter auch einen b es t i m m t en Anspruchsberechtigten zuweisen könne.
Darüber hinaus hat der Bundesrat verlangt, daß hei land- und forstwirtschaftlichen Betriebsgrundstücken bestimmte Wohnräume für land- und forstwirtschaftliche Betriebsangehörige privilegiert sein müßten. - Und endlich verlangt der Bundesrat, daß Rechtsverordnungen im Sinne des § 4 Abs. 1 des Gesetzentwurfs nur mit Zustimmung des Bundesrats ergehen dürfen.
Der Vermittlungsausschuß hat sich mit den einzelnen Forderungen des Bundesrats beschäftigt und hierbei die der Formulierung des Bundestags zugrunde liegenden Erwägungen sowie die Überlegungen, die den Bundesrat zu seinem Abänderungsverlangen veranlaßt haben, berücksichtigt.
Hinsichtlich der Frage, ob der Wohnungstausch genehmigungs- oder nur anzeigepflichtig sein soll, hat der Vermittlungsausschuß nicht verkannt, daß die Überlegungen, die den Bundestag veranlaßt haben, es bei einer Anzeigepflicht sein Bewenden haben zu lassen, weil man allmählich zu einer Auflockerung der Wohnraumbewirtschaftung kommen müsse, durchaus beachtlich sind. Andererseits war der Vermittlungsausschuß aber einstimmig der Auffassung, daß Mißbräuche mit Hilfe von Wohnungstauschmaßnahmen zur Zeit nur durch behördliche Genehmigung des Wohnungstausches verhindert werden können. Der Hinweis, daß im Falle von Mißbräuchen zum Nachteil begünstigter Personenkreise die Finanzierungsmittel sofort gekündigt werden könnten, mag in einzelnen Ländern zutreffen, gilt aber keineswegs ganz allgemein in allen deutschen Ländern, so daß er nicht die gegen die bloße Anzeigepflicht erhobenen Bedenken ausräumen konnte. Bei der Beibehaltung der Genehmigungspflicht ist in § 12 jedoch ausdrücklich hervorgehoben worden, daß die Genehmigung nur aus besonders dringenden Gründen der Wohnraumbewirtschaftung versagt werden darf und als erteilt gilt, wenn dem Verfügungsberechtigten nicht binnen zwei Wochen nach Eingang seines Antrags ein ablehnender Bescheid zugegangen ist. Im Interesse einer einheitlichen Gesetzessprache hat der Vermittlungsausschuß hierbei die gleiche Formulierung gewählt, wie sie in § 10 Abs. 4 des Gesetzentwurfes steht.
Zu der Frage, ob die Wohnungsbehörde einem Verfügungsberechtigten mehrere Anspruchsberechtigte zur Auswahl anzubieten hat oder ihm auch grundsätzlich nur einen Anspruchsberechtigten anbieten darf, hat der Vermittlungsausschuß sich auf den Standpunkt gestellt, daß grundsätzlich mehrere Anspruchsberechtigte anzubieten seien. Er hat allerdings von einer unterschiedlichen Behandlung zwischen Gemeinden verschiedener Größe abgesehen. Von diesem Grundsatz ist jedoch in der neuen Fassung des § 15 des Gesetzentwurfs dann eine Ausnahme zulässig, wenn besonders dringende Gründe der Wohnraumbewirtschaftung die Zuteilung an einen bestimmten Anspruchsberechtigten erforderlich machen. Auch hier hat der Vermittlungsausschuß im Interesse einer einheitlichen Gesetzessprache den Gesetzentwurf des Bundestags mit dem Wortlaut des § 10 Abs. 4 aus den vorhin erwähnten Gründen in Übereinstimmung gebracht.
Zu dem Verlangen des Bundesrats, daß in § 18 Abs. 2 zum Ausdruck gebracht werden möge, daß auch der Wohnraum für land- und forstwirtschaftliche Betriebsangehörige privilegiert sein müsse,
hat der Vermittlungsausschuß einmütig diesen Standpunkt anerkannt, jedoch die Auffassung vertreten, daß das im Gesetzentwurf bereits zum Ausdruck gebracht sei und deshalb nicht mehr besonders hervorgehoben zu werden brauche; denn unselbständiger Gesindewohnraum bildet bereits einen Teil der ohnehin schon als zweckbestimmt anzusehenden Wohnung des Betriebsinhabers oder des Betriebsleiters. Selbständiger Gesindewohnraum ist als landwirtschaftliche Betriebswohnung dagegen ohnehin bereits zweckbestimmt. Unselbständige Wohnungsteile können rechtlich nicht Träger selbständiger Rechte sein, sondern teilen das Rechtsschicksal aller Räume einer einheitlichen Wohnung. Das hat der Bundesrat vermutlich übersehen. Deshalb hat auch der Vermittlungsausschuß insoweit dem Verlangen des Bundesrats nicht entsprochen.
Das Verlangen des Bundesrats endlich, daß Rechtsverordnungen im Sinne des § 4 des Gesetzentwurfs nur mit Zustimmung des Bundesrats ergehen dürfen, ist begründet, weil es sich beim Gesetzentwurf selbst ebenfalls um ein Zustimmungsgesetz handelt. Das ergibt sich aus Art. 80 Abs. 2
des Grundgesetzes. Hiernach bedürfen Rechtsverordnungen, deren Grundlage in einer Ermächtigung eines Zustimmungsgesetzes zu suchen ist, ebenfalls der Zustimmung. Das hat vermutlich der Bundestag bei seinen Beratungen übersehen. Dementsprechend sind im Gesetzentwurf in § 4 Abs. 1 die Worte „mit Zustimmung des Bundesrats" einzufügen.
Meine Damen und Herren, namens des Vermittlungsausschusses, der seinen Beschluß einstimmig gefaßt hat, habe ich die Ehre, Sie zu bitten, dem Antrage in Drucksache Nr. 3984 Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung
wünscht Herr Abgeordneter Dr. Schäfer das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Punkt ist erst heute auf die Tagesordnung gesetzt worden. Es ist nicht möglich gewesen, über die Folgen, die sich durch die Veränderungen, die der Vermittlungsausschuß beantragt, ergeben, in den Fraktionen ausreichend zu beraten. Ich beantrage daher die Aussetzung der Abstimmung bis zur nächsten Sitzung des Deutschen Bundestages.
({0})
Meine Damen und Herren, darf ich unterstellen, daß Sie damit einverstanden sind? - Das ist der Fall. Dann erfolgt die Abstimmung über diesen Antrag des Vermittlungsausschusses in der nächsten Sitzung des Bundestages am nächsten Mittwoch.
Darf ich vorsorglich fragen, ob ähnliche Beratungsschwierigkeiten auch bei dem zweiten Bericht des Vermittlungsausschusses aufgetreten sind?
({0})
- Offenbar nicht. Dann darf ich an Stelle des verhinderten Herrn Staatssekretärs Dr. Ringelmann Herrn Minister Dr. Spiecker bitten, die Berichterstattung zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes
({1})
({2}) zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes ({3}),
zu übernehmen.
Dr. Spiecker, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen, Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Art. 107 des Grundgesetzes soll die endgültige Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern auf Bund und Länder spätestens bis zum 31. Dezember 1952 durch ein der Zustimmung des Bundesrats bedürfendes Bundesgesetz erfolgen. Wegen der Unübersehbarkeit des durch die Höhe des Verteidigungsbeitrages, des Auslandsschuldendienstes und der Wiedergutmachungsleistungen entscheidend beeinflußten Finanzbedarfs des Bundes sowie wegen der gleichfalls noch nicht übersehbaren Auswirkungen der geplanten Steuerreform hat die Bundesregierung in der Bundestagsdrucksache Nr. 3769 vorgeschlagen, in Art. 107 die Jahreszahl 1952 durch 1955 zu ersetzen. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 10. Oktober 1952 gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung keine Einwendungen erhoben, nachdem ein Antrag Bayerns auf Ablehnung mit 21 gegen 10 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen abgelehnt worden war. In der Sitzung des Deutschen Bundestages vom 11. Dezember 1952 wurde der Gesetzentwurf unverändert nach der Bundestagsdrucksache Nr. 3769 mit verfassungändernder Mehrheit angenommen. Bei der Beratung des Gesetzentwurfs im zweiten Durchgang in der Sitzung des Bundesrats vom 19. Dezember 1952 wurde ein hessischer Antrag, den Vermittlungsausschuß anzurufen, mit 28 Stimmen bei Stimmenthaltung der Länder Nordrhein-Westfalen und Bayern angenommen. Der Vermittlungsausschuß sollte mit dem Ziele angerufen werden, die Jahreszahl 1952 durch 1953 zu ersetzen und zu prüfen, ob im Gesetz nicht die Beteiligung der Länder an der Umsatzsteuer vorgesehen werden könne.
Zur Begründung des hessischen Antrags war ausgeführt worden, daß die Nichtverlängerung der Frist eine Erschütterung der finanziellen Grundlage der Bundesrepublik hervorrufen könne; das derzeitige Provisorium, mit dem die Höhe des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes Jahr um Jahr den Gegenstand des Rechtens und Feilschens bilde, könne nicht weiterbestehen. Auf eine aus dem Haus gestellte Frage an den Herrn Bundesminister der Finanzen, ob und inwieweit konkrete Fälle für die Auswirkung des Art. 107 vorlägen, erklärte dieser, daß eine Beteiligung der Länder an der Umsatzsteuer des Bundes sowie die Übernahme der Ausgleichsforderungen auf den Bund in Aussicht genommen seien und daß hinsichtlich des horizontalen Finanzausgleichs eine endgültige Lösung gesucht werden müsse.
Der mit Schreiben des Präsidenten des Bundesrats vorn 19. Dezember 1952 - zu vergleichen Bundestagsdrucksache Nr. 3985 - angegangene Vermittlungsausschuß hat nunmehr in seiner Sitzung vom 23. Januar 1953 vorgeschlagen, die Jahreszahl 1955 durch die Jahreszahl 1954 zu ersetzen, wobei er davon ausging, daß bis zum 31. Dezember 1954 wohl alle Voraussetzungen für die Schaffung eines Gesetzes über die Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern erfüllt sein dürften. Der Bundesfinanzminister hatte den
Mitgliedern des Vermittlungsausschusses seiner in der Bundesratssitzung vom 19. Dezember 1952 gegebenen Zusage entsprechend am 21. Januar 1953, also unmittelbar vor der Sitzung des Vermittlungsausschusses, als Beratungsmaterial Referentenentwürfe eines Finanzverfassungs- und eines Bundesfinanzierungsausgleichsgesetzes zugehen lassen. Ein Antrag, die Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zur Ermöglichung eines genauen Studiums dieser Entwürfe zu vertagen, fand keine Annahme, nachdem der Vertreter des Bundesfinanzministers nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, daß den Entwürfen nur die Bedeutung einer Diskussionsgrundlage beigemessen werden könne.
Ich bitte daher das Hohe Haus, über den Vorschlag des Vermittlungsausschusses, die Jahreszahl 1955 durch 1954 zu ersetzen, Beschluß zu fassen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird gewünscht, daß Erklärungen abgegeben werden? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 4026. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses. Dieser Antrag des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
({0})
- Ich stelle ausdrücklich fest, daß bei der Besetzung des Hauses die verfassungändernde Mehrheit erreicht ist.
Ich rufe auf den Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Fortsetzung der Ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1953 ({1}) ({2});
b) Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1953 ({3});
c) Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer und zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" ({4});
d) Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz in den Rechnungsjahren 1953, 1954 und 1955 ({5});
e) Fortsetzung der ersten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Überleitungsgesetzes ({6});
f) Fortsetzung der zweiten Beratung des von den Abgeordneten Dr. Bertram, Hagge, Juncker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionshilfegesetzes ({7});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({8}) ({9})
({10});
({11})
g) Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({12}) betreffend Erhöhung der Dienstbezüge um 20 v. H. ({13});
h) Fortsetzung der Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({14}) betreffend Vorlage des Gesetzentwurfs über die Gewährung einer ruhegehaltfähigen Zulage an Richter) ({15}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von insgesamt fünf Stunden vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte zu Beginn meiner Ausführungen ein Wort des Dankes an den Herrn Bundesfinanzminister richten.
({0})
- Er ist leider noch nicht da. Ich werde mir erlauben, es nachzuholen.
({1})
Wenden wir uns dem Haushalt zu, den der Herr Bundesfinanzminister gestern hier vorgetragen und begründet hat! Hierbei ergeben sich Zahlen, die bereits ins Astronomische gehen und die uns buchstäblich die Augen übergehen lassen.
({2})
Waren es von der Ausgabenseite her gesehen im Haushaltsjahr 1950 noch 16,2 Milliarden DM, so waren es im Haushaltsjahr 1951 schon 21, im Haushaltsjahr 1952 23 und jetzt, im Haushaltsjahr 1953, sind es bereits 24,8 Milliarden DM, die Posten des Lastenausgleichs nicht mit inbegriffen. Wenn das so weitergeht, meine sehr verehrten Damen und Herren
({3})
- ich habe von der Ausgabenseite gesprochen! -,
({4})
wenn das so weitergeht, dann müssen wir uns doch allen Ernstes und voll tiefer Sorge fragen: wohin soll das noch führen?
({5})
- Darüber werde ich mich auch noch aussprechen.
Zwar haben Bundesregierung und Bundesrat bei der Einbringung dieser 25-Milliarden-Vorlage überübereinstimmend zum Ausdruck gebracht, daß damit die Grenze der Tragbarkeit all dieser Lasten nicht nur erreicht, sondern bereits überschritten sei. Mit einer solchen Feststellung läßt sich aber meines Erachtens in der Praxis nicht viel anfangen. Insbesondere kann ich damit den Betroffenen selbst, den Steuerzahler, weder beruhigen noch ihn aus seiner Steuernot befreien. Andererseits können wir uns angesichts der zu über 80 % starren Ausgabeblocks ohne weiteres ausrechnen, daß wir auf der Ausgabenseite Senkungen größeren Umfangs - augenblicklich jedenfalls - durch einfache Streichungsoperationen nicht vornehmen können. Wir stehen also vor einem echten Dilemma. Zwar erkennen wir, daß die Ausgabenseite vorerst nicht - zumindest nicht wesentlich - zu senken ist; wir sehen aber andererseits, daß Steuerdruck und Steuerlast auf die Dauer einfach zu hoch und untragbar sind und zu schweren wirtschaftlichen Auswirkungen führen müssen.
Gerade diese Erkenntnis, meine sehr verehrten Damen und Herren, muß aber zwangsläufig in uns die Frage aufwerfen, ob unsere althergebrachten Auffassungen und Grundsätze der Besteuerung noch in diese Zeit hineinpassen, ob wir dieses Dilemma überhaupt damit lösen können oder ob es nicht vielmehr so ist, daß wir durch die ständig steigende Anwendung dieser Steuergrundsätze das Dilemma nur noch vergrößern. So denken und operieren wir z. B. heute noch in den bereits vor Jahrzehnten gebildeten Begriffsinhalten von direkter und indirekter Steuer, obwohl sich doch in der Zwischenzeit die wirtschaftlichen, die sozialen und die steuerlichen Verhältnisse grundlegend geändert haben. Ähnliches gilt für den Grundsatz des jährlichen Haushaltsausgleichs. Zu einer Zeit, zu der der Steueranteil 5, 10 oder sogar 15 % des Sozialprodukts ausmachte, mögen diese steuerlichen Grundsätze noch gerechtfertigt gewesen sein. Heute aber stehen wir vor der unumstößlichen Tatsache, daß die steuerliche Belastung unseres Sozialprodukts bereits die 30-Prozent-Grenze, einschließlich der Sozialbelastungen sogar die 37-ProzentGrenze überschritten hat. Die steuerlichen Belastungen sind damit so stark immanente Bestandteile unserer Wirtschaft geworden, daß Steuern und Finanzpolitik sich von unserer Wirtschafts- und Sozialpolitik einfach nicht mehr trennen lassen. Die Steuer- und Finanzpolitik kann daher nur noch im Blickpunkt wirtschaftlicher Dynamik erörtert werden und bestehen. Deshalb wäre es mehr als verhängnisvoll - ich spreche das von diesem Platze nicht zum erstenmal aus -, wenn wir nun umgekehrt mit Steuern und Steuerparagraphen unsere Wirtschaft steuern wollten bzw. gar müßten.
Beide Bereiche, Steuerpolitik und Wirtschaftspolitik, gehören - eben bedingt durch das hohe Steuersoll - zusammen. Primär aber muß die Wirtschaftspolitik sein, und demgemäß müssen wir prüfen, ob unsere Grundsätze und Auffassungen über unsere Steuern und über unseren Haushaltsausgleich diesen wirtschaftspolitischen Gesetzen und Erfordernissen noch Rechnung tragen. Rein fiskalische Überlegungen haben keinen Platz mehr; denn es bedarf keines Propheten, um vorauszusehen und vorauszusagen, daß die beste fiskalische Steuer- und Haushaltspolitik scheitert und scheitern muß, wenn die Wirtschaft infolge des Steuerdrucks und infolge der Steuerschraube ihre Dynamik verliert und damit langsam aber sicher den Weg nach abwärts antritt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Erkenntnisse sind für viele von Ihnen nicht neu. Sie haben ihren Niederschlag in der immer wieder erhobenen Forderung nach der großen Steuerreform bzw. der organischen Steuerreform gefunden, wobei doch mit dem Wort „organisch" sinngemäß nur verstanden werden kann, daß die jeweilige steuerliche Belastung die gesunden dynamischen Tendenzen in der Wirtschaft nicht in schädlicher Weise behindert, vor allen Dingen aber nicht unterbindet.
({6})
Der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung konnten sich zu einer solchen Steuerreform bisher angeblich deshalb nicht entschließen, weil ihre Einführung am Anfang mit einem zu großen Steuerausfall verbunden wäre und der Staat und seine Kassen nicht über die Reserven verfügten, um diese Lücke auszufüllen. Die nunmehr vom Herrn
({7})
Bundesfinanzminister selbst gemachten steuerlichen Reformvorschläge präsentieren sich als sogenannte kleine Steuerreform. Im Ausgangspunkt gehen wir damit einig. Die Steuern sind zu hoch und erfordern daher einen entsprechenden Abbau. Nicht erfreulich ist nur, daß dieser Abbau sich wiederum in alten Gleisen bewegen soll, viele Wünsche offen läßt und insbesondere eine so berechtigte Forderung nicht berücksichtigt wie die nach einer wirklich echten steuerlichen Entlastung der kinderreichen Familien auch in den mittleren und höheren Einkommen, eine Forderung, auf deren Verwirklichung meine Parteifreunde in keiner Weise verzichten können.
({8})
Vor lauter Steuern stehen wir - insbesondere auch die Finanzverwaltung - in der Gefahr, die Steuern und das Steuerzahlen zum Selbstzweck zu erheben, als ob wir überhaupt nur noch für das Steuerzahlen zu arbeiten hätten und als ob wir nur noch in dem Aufbringen des Steuersolls unsere Existenzberechtigung hätten. Ich weiß, daß ich damit etwas überspitzt formuliere, aber ich tue es bewußt; denn es erscheint mir notwendig, doch mit aller Deutlichkeit wieder einmal herauszustellen, daß primär die Erträgnisse unserer Arbeit und unseres täglichen Schaffens der Erhaltung und Hebung unseres Lebensstandards dienen und dienen müssen und sekundär erst dem Steuerzahlen. Wer umgekehrt denkt und handeln will, der sägt nicht nur den Ast, der sägt den Baum ab, der diese steuerlichen Früchte tragen soll.
Eines der Hauptprobleme, das im Zusammenhang damit, ob unsere bisherige steuerliche Betrachtungsweise noch richtig ist, angesprochen werden muß, ist vor allem das Problem der direkten und indirekten Steuern, insbesondere ihrer jeweiligen tariflichen Ausgestaltung, ihres gegenseitigen Verhältnisses und ihrer gegenseitigen Gewichtsverlagerung im Rahmen der Gesamtbesteuerung.
Wenden wir uns zunächst der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu als der sogenannten klassischen direkten Steuer, so müssen wir die betrübliche Feststellung machen, daß sie allein in ihrer heutigen tariflichen Ausgestaltung nach drei Richtungen hin schwere wirtschaftsschädliche Auswirkungen zwangsläufig im Gefolge hat. Diese wirtschaftsschädlichen Faktoren sind die unverantwortlich hohe Steuerprogression, der hohe Körperschaftsteuersatz und die Doppelbesteuerung der Aktie. Der Grundsatz, der schon früh bei der Einkommensteuer galt: „Wer mehr verdient, der soll und kann auch mehr Steuern zahlen", ist so lange nicht zu beanstanden, solange die Steuerbelastung und die Steuermehrbelastung das normale Maß des Tragbaren nicht übersteigen, d. h. solange diese Mehrsteuer nicht Progressionssätze erklimmt, die - ob wir es wahrhaben wollen oder nicht - sich leistungshemmend auf der einen Seite und kostensteigernd in der gewerblichen Wirtschaft auf der andern Seite auswirken. Wir alle kennen Beispiele dieser schädlichen Erscheinungen.
Halten wir in diesem Zusammenhang einmal Umschau nach den eigentlichen wirtschaftlichen Kraftquellen unseres Volkes und unserer Volkswirtschaft, so muß sich doch unschwer die Erkenntnis aufdrängen, daß Arbeitskraft und Leistungswille unser größtes nationales Gut darstellen.
({9})
Wenn wir uns vom völligen Niederbruch innerhalb dieser kurzen Zeitspanne und in diesem Ausmaß wieder erholen konnten, so doch nur deshalb, weil wir uns im wahrsten Sinne des Wortes heraufgearbeitet und heraufgeschuftet haben.
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Unter wirtschaftlichem Aspekt ,gesehen stellen also die Arbeitskraft und der Leistungswille unsere wertvollste und größte Rohstoffreserve dar, über die wir als Volk verfügen. Nach allgemein anerkannten und auch bei uns sonst geltenden steuerlichen Gesichtspunkten wird nun kein Rohstoff materieller Art steuerlich vorbelastet, und zwar deshalb nicht, weil jedermann weiß, daß man sich damit wirtschaftlich ins eigene Fleisch schneidet.
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Bei unserm größten nationalen Gute, unserer Arbeitskraft und unserm Leistungswillen, dagegen glaubt man, nicht nur besteuern, sondern selbstverständlich progressiv besteuern zu müssen, möglichst bis hinauf zur letzten Spitze. Wir fühlen dabei noch nicht einmal, daß wir uns damit zu unserer wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Konzeption in Gegensatz setzen, nämlich den bereits im Grundgesetz in Art. 2 und Art. 6 verankerten Forderungen: Entfaltung der Persönlichkeit, Schutz und Sicherung der Familie.
Auch ich bin für eine Progression in der Steuer, aber primär für eine Progression beim Verbrauch, also auf der Konsumseite; denn es ist selbstverständlich wirtschaftlich und sozial durchaus in Ordnung, steuerlich den Grundsatz aufzustellen: je höher die Ansprüche an das Leben und seine Konsumgüter, desto höher kann und soll, wenn notwendig, auch die Besteuerung sein. Wirtschaftlich rückschrittlich und arbeitspsychologisch falsch aber ist es, die Steuerprogression, wie wir es tun, an die Arbeitskraft und den Leistungswillen anzusetzen statt, wie gesagt, an den Konsum. Dies ist um so unverständlicher und auch um so unvernünftiger, als wir alle wissen, daß wir unsern Lebensstandard nur durch zusätzliche Exporte halten und verbessern können, und diese wiederum sind nur auf der Grundlage der Arbeit und der Mehrleistung möglich.
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Darum kann es in diesem Zusammenhang nur eine Forderung geben: weg mit dieser wirtschaftsschädlichen und leistungshemmenden überhöhten Progression!
Der zweite wirtschaftsschädliche Faktor liegt in der Tatsache, daß diese überhöhten direkten Steuersätze dazu führen, in der gewerblichen Wirtschaft zu einem echten Kostenfaktor zu werden. Wer das übersehen oder gar bestreiten will, schließt die Augen vor der Wirklichkeit. In jedem Verkaufspreis haben sich daher im Hinblick auf diese überhöhten Steuersätze Teile der direkten Steuern niedergeschlagen; sie müssen sich daher im Endpreis auswirken. Auch für die direkten Steuern gilt deshalb der Satz: je höher diese steuerliche Belastung, desto höher der Preis des Sozialprodukts. Denn so, wie es eine Lohn-Preis-Spirale gibt, deren schädliche Auswirkungen wir ja alle am eigenen Leibe erfahren haben, so gibt es, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht, auch eine Steuer-PreisSpirale, und auf der Strecke dieser Steuer-Preis({13})
Spirale bleiben gerade diejenigen, derentwegen wir diese hohen Steuern angeblich erheben müssen.
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So bedingt z. B. die Körperschaftsteuer mit ihrem heutigen Satz von 60 % zwangsläufig eine steuerliche Gewinnkalkulation von durchschnittlich über 25 %, wenn man auch nur eine bescheidene Verzinsung von 3 bis 4 % des haftenden Kapitals im Durchschnitt erwirtschaften will. Deshalb kann es nicht eindringlich genug ausgesprochen werden: Die überhohen direkten Steuersätze von heute sind zu einem Kostenfaktor geworden, führen daher zwangsläufig zu einer Erhöhung des Preisniveaus und haben damit unmittelbar schädliche sozialpolitische Auswirkungen.
Der dritte wirtschaftsschädliche und damit in seinem Ende auch steuerschädliche Faktor liegt in dem System der Doppelbesteuerung. Wir leisten uns damit einen wirtschaftlichen und einen steuerpolitischen Unsinn, der bei realer Betrachtungsweise einfach nicht mehr übertroffen werden kann.
Alles zu seiner Zeit! Als man die Doppelbesteuerung in unser Steuersystem einführte, hatte man auf der einen Seite einen voll funktionierenden und so gut wie stets aus dem Überangebot lebenden Kapitalmarkt; man begnügte sich andererseits mit einem Körperschaftsteuersatz von 10 bis 20 %. Heute haben wir, wenn überhaupt, so nur einen sehr, sehr beschränkten Kapitalmarkt und einen Körperschaftsteuersatz von 60 %. Die wirtschaftlichen und steuerlichen Voraussetzungen für die Doppelbesteuerung haben sich daher heute offensichtlich in ihr vollstes Gegenteil verkehrt. Trotzdem glauben wir in geradezu sturer Weise daran festhalten zu müssen. Wir tun dies, obwohl wir wissen, daß die Wirtschaft unseres eigenen Landes so gut wie die Wirtschaft jedes anderen Landes im internationalen Wirtschaftsgeschehen und in der internationalen Konkurrenz nur bestehen kann durch ständigen Ausbau der Investierungen, mit anderen Worten: durch ständige Verbreiterung der Kapitalgrundlage. Dieser Grundsatz gilt völlig unabhängig von der Art des Wirtschaftssystems. Er gilt, ob man sein Wirtschaftsleben nach den Grundsätzen der freien Wirtschaft, nach den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft, nach den Grundsätzen der sozialistischen Wirtschaft oder nach denen der Wirtschaftsdiktatur gestaltet.
Wir brauchen, um die Richtigkeit dieser Anschauung zu erkennen, unsern Blick nur nach dem Osten, nach Rußland und seinen Satellitenstaaten zu wenden. Dort sehen wir, welche übermenschliche Anstrengungen gemacht werden, um auf Kosten selbst des notwendigen Lebenskonsums die Kapitalgrundlage zu verbreitern, zu forcieren und zu stärken. Wir aber leisten uns nach wie vor die bedauerliche Unverantwortlichkeit, alle diejenigen doppelt zu besteuern, die ihr Geld als haftendes Kapital für dieses wesentliche Lebenselement unserer Wirtschaft, nämlich für die Stärkung und den Ausbau des Produktionsapparates und damit zur Erhaltung und zur Schaffung neuer Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Wir bilden uns darüber hinaus sogar noch ein, daß sich trotz dieses Steuersystems noch Ausländer finden, die ihr Geld bei uns anlegen. Man weiß wirklich nicht: soll man mehr die Kurzsichtigkeit oder mehr den Illusionismus bewundern, der sich in dieser Einstellung und Denkweise äußert? Wenn wir die Aktie als Mittel zur Beschaffung haftenden Kapitals und damit als
Mittel individueller Eigentumsbeteiligung an unserer Wirtschaft noch nicht hätten, so müßte die Schaffung der Aktie die sozialpolitische Forderung von heute erster Ordnung sein. Denn außer durch die Schaffung von Wohnungseigentum kann der Forderung: „Schafft individuelles Eigentum!" durch nichts besser gedient werden als durch die Förderung des Aktiengedankens. In einem Zeitalter, in dem wir, und zwar wir alle, zum Kampf gegen den Kollektivismus aufgerufen sind, geht es nicht an, mittels Steuergeldern über staatliche Investierungen kollektives Eigentum zu schaffen. Das hieße den Teufel mit dem Beelzebub austreiben!
Es gilt vielmehr, durch das Instrument der Aktie, insbesondere der Kleinaktie, über Privatinvestierungen die individuelle Möglichkeit zu schaffen, jedem einzelnen, der sparen will, zum Erwerb industriellen Eigentums zu verhelfen.
Niemand in diesem Hause, der auf dem Boden des Grundgesetzes steht und dem damit der Mensch und die Familie höher stehen als der Staat, kann sich dieser sozialpolitischen Forderung nach Schaffung von individuellem Eigentum an unserem industriellen Produktionsapparat widersetzen. Solange wir aber die Doppelbesteuerung aufrechterhalten, schlagen wir dieser sozialpolitischen Forderung ins Gesicht. Die Doppelbesteuerung muß fallen, damit der Weg auch für den kleinsten Sparer frei wird, sich über die Kleinaktie an dem industriellen Produktionsapparat individuell zu beteiligen. Ich hoffe, im Namen meiner Parteifreunde in allernächster Zeit dem Hohen Haus einen Gesetzentwurf vorlegen zu können, der diesem Gedanken über das Instrument der Investment-Gesellschaften zur Verwirklichung verhilft.
Schließlich noch ein Wort zu dem im Grundgesetz verankerten Grundsatz des jährlichen Haushaltsausgleichs. Auch dieser Grundsatz entspricht reinstem fiskalischem Denken und muß im Hinblick auf die starke innere Verflechtung und die zur Zeit gegebene gegenseitige Abhängigkeit von wirtschaftlichem und steuerlichem Geschehen als überholt und damit zumindest bedingt als wirtschaftsschädlich und steuerschädlich bezeichnet werden.
Ich will einige im Zusammenhang damit stehende Symptome aufgreifen und ansprechen, und zwar handelt es sich um das Problem der Kassenfülle der aus öffentlichen, d. h. aus Steuermitteln unmittelbar oder mittelbar gespeisten Kassen. Niemand kann die Tatsache dieser übermäßigen und unnatürlichen Kassenfülle bestreiten,
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Beträge, die zusammengenommen die Milliardengrenze überschreiten. Allein bei der Lastenausgleichskasse liegen zur Zeit - wie gestern oder vorgestern in der Presse zu lesen war - über 500 Millionen DM, die auf Auszahlung oder auf Abruf warten.
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Meine Damen und Herren, Überfluß ist der Feind der Sparsamkeit und trägt die Gefahr mißbräuchlicher Verwendung in sich!
({17})
({18})
So ist der mit Recht gegeißelte Mißbrauch der 7c-Gelder ja nicht ein Mißbrauch des Steuerzahlers, sondern ist ein Mißbrauch derjenigen, deren Kassen von öffentlichen Mitteln überquellen und die darauf spekulieren, daß dieser Zufluß an öffentlichen Mitteln auch weiterhin in gleichem Maße anhält.
({19})
Denn nur die ungewöhnliche Kassenfülle konnte gewisse Institute überhaupt erst in die Lage versetzen, der Wirtschaft, wie geschehen, solche Angebote zu machen.
({20})
Wenn schon Kassenkredite, dann ist es meines Erachtens volkswirtschaftlich besser, daß die Kassen der öffentlichen Hand auf Kredit angewiesen sind und nicht, wie vielfach umgekehrt, die der Wirtschaft.
({21})
Eine im richtigen Ausmaß festgelegte öffentliche Kassenkreditpolitik birgt keinerlei Währungsgefährdung in sich. Sie zwingt nur den Staat und seine Organe zur Sparsamkeit und verhindert zugleich, daß mit Steuergeldern mißbräuchliche Finanz- und Kreditgeschäfte gemacht werden,
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während andererseits die Liquidität unserer Wirtschaft vor lauter Steuerzahlen in echte Not kommt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, verstehen Sie mich bitte nicht falsch, wenn ich im Zuge meiner Ausführungen den Akzent so stark immer wieder auf das Wirtschaftspolitische abgestellt habe; aber nur eine gesunde Wirtschaft kann die Steuer tragen, und nur eine gesunde Wirtschaft erlaubt uns, die sozialen Aufgaben, denen wir uns gegenübergestellt sehen, erfolgreich und auf die Dauer zu lösen.
Die vom Bundesfinanzminister gemachten Reformvorschläge sind zweifellos geeignet, in gewissem Maße Abhilfe zu schaffen. Wir begrüßen sie daher als Ganzes, wenn auch im einzelnen, und zwar insbesondere, wie bereits erwähnt, in bezug auf die Besteuerung der Familie, das letzte Wort noch nicht gesprochen sein darf.
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Wir sehen in diesen Reformvorschlägen allerdings noch nicht die Beschreitung eines neuen Weges, sondern nur die Umkehr von dem falschen Wege der überhöhten Steuerprogression, der überhöhten Steuersätze mit dem zwangsläufigen Gestrüpp der Steuervergünstigungen. Der neue Weg kann nur in Richtung der organischen Steuerreform gehen. Die Wegsteine hierbei müssen sein: radikaler Abbau der bisherigen Steuerprogression, Senkung der Sätze der übrigen direkten Steuern auf ein Maß, das ausschließt, daß sie zu Kostenfaktoren werden und damit zu Preiserhöhungen führen, Beseitigung der Doppelbesteuerung und damit Begünstigung der Kleinaktie, um jedem Schaffenden die Möglichkeit zum Erwerb industriellen Eigentums zu geben, stärkere Gewichtsverlagerung von der direkten zur indirekten Steuer, um dadurch die Einkommensbezieher bis hinauf zu 5000 und 6000 DM von der Einkommensteuer freizustellen, dadurch Steuervereinfachung und wesentliche Entlastung der Finanzverwaltung.
Lassen Sie mich diesen Teil meiner Ausführungen damit schließen: Die unabwendbare soziale
Verpflichtung, auch in den nächsten Jahren weiterhin hohe Ausgaben über die Steuer zu decken, verlangt von allen, die diesem Hohen Hause angehören, für den Bereich der Steuern Einsicht, Mut und Verantwortung zu neuen Wegen und zum Verlassen alter und heute falschgewordener Geleise im Interesse des Zieles, dem unsere gesamte politische Arbeit geweiht ist, nämlich des sozialen Erfolges.
({24})
Herr Bundesfinanzminister, ich habe zu Beginn meiner Ausführungen bereits den Wunsch ausgesprochen, Ihnen ein Wort des Dankes sagen zu dürfen.
({25})
- Sie hätten mich ja darauf aufmerksam machen können, daß der Herr Minister kommt. Dann hätte ich es früher gemacht. - Herr Minister Schäffer, Sie kennen ja Schillers Wort aus Wallensteins Lager: „Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze!"
({26})
Was Anerkennung und Ruhm betrifft, so sind die Finanzminister noch schlechter gestellt; denn im allgemeinen flicht ihnen nicht nur die Nachwelt, sondern bereits die Mitwelt keine Kränze. Aber keine Regel ohne Ausnahme. So darf ich mich denn zum Sprecher dieser Ausnahme machen und darf Ihnen im Namen meiner Parteifreunde und zweifellos auch im Namen vieler meiner Kollegen hier in diesem Hohen Hause und vielleicht auch im Namen weiter Kreise unseres Volkes aufrichtigen und herzlichen Dank für die geradezu übermenschliche Arbeit sagen, die Sie seit Beginn unserer verantwortungsvollen Tätigkeit im Jahre 1949 hier im Rahmen der jeweiligen Sicherstellung des Haushalts so vorbildlich und unverdrossen geleistet haben.
({27})
Es hat sich hierbei für Sie im wahrsten Sinne des Wortes um eine Steinbrucharbeit gehandelt. Sie selbst haben diese Aufgabe schon frühzeitig - um ein Bild aus der Alpenwelt zu gebrauchen- als Gratwanderung bezeichnet. Auch gestern benutzten Sie bei der Schilderung Ihrer Aufgabe wieder diesen Ausdruck. Um bei diesem Bild zu bleiben: wir haben feststellen können, Sie sind ein wirklich tüchtiger, schwindelfreier
({28})
und vor allem ausdauernder Gratwanderer.
({29})
Unabhängig daher, Herr Minister, von all der kritischen Stellungnahme und der Kritik, die Sie im Verlaufe der weiteren Haushaltsdebatte hier hören, nehmen Sie dieses Wort des Dankes entgegen. Es ist im Namen all derer, für die ich sprechen darf, ein Wort des Dankes, das aus dem Herzen kommt.
({30})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Opposition hatte darum gebeten, zwischen der großen Haushaltsrede des Herrn Bundesfinanzministers und der Haushaltsdebatte
({0})
eine Pause von einigen Tagen einzulegen, ein wohl sehr verständliches Anliegen. Bedenken Sie, der Herr Bundesfinanzminister redete gestern drei Stunden
({1})
nach einem 80 Seiten langen, mit Hilfe eines ganzen Ministeriums langfristig ausgearbeiteten Manuskripts, das die Finanzexperten der Koalitionsparteien zudem schon am Vorabend bekommen hatten - die Opposition nicht -,
({2})
und nun soll unmittelbar daran die Generaldebatte
der ersten Lesung stattfinden. Die Rede des Herrn
Kollegen Neuburger, die sich im wesentlichen
mit einer Reform der Steuern befaßt hat, hat schon
gezeigt, was wir von den Angehörigen der Koalitionsparteien zu erwarten haben, nämlich Lob und
Dank an den Herrn Bundesfinanzminister, der ihm
auch bereits gestern reichlich gezollt worden ist. Es
erscheint mir deshalb fraglich, ob die Überprüfung
seiner Rede und des vorgelegten Etats von den Regierungsparteien so vorgenommen werden wird,
wie ein Haushaltsplan das verdient. Um so wichtiger ist es für den Aufbau unseres staatlichen Lebens, daß die Opposition die Aufgabe der Oberprüfung wahrnimmt. Die wichtigste Aufgabe des Parlaments, das Recht auf Festsetzung des Haushalts und auf die Finanzkontrolle, muß also in der Hauptsache von der Opposition erfüllt werden.
({3})
- Diese Frage wird erst in der dritten Lesung entschieden.
({4})
- Ja, von der Festsetzungsbefugnis des Parlaments sprach ich; die haben wir. Daß wir für diesen Etat nicht stimmen, kann ich Ihnen schon jetzt verraten, die Zustimmung zum Haushalt ist eine Zustimmung zur Regierung.
({5})
Es würde den Gepflogenheiten des parlamentarischen Lebens jedenfalls besser entsprochen haben, wenn Sie uns diese paar Tage Frist zu einer gründlichen Überprüfung des Haushaltsplans gegeben hätten.
({6})
In dem gegenwärtigen Falle ist die Aufgabe der Opposition noch durch einen unglücklichen Zufall erschwert. Mein Freund Schoettle sollte die Hauptrede in der ersten Lesung halten. Nun ist ihm in dieser Nacht plötzlich der Vater gestorben, so daß mir heute morgen um 9 Uhr die Aufgabe zuteil geworden ist - eine nicht ganz leichte Aufgabe! -, in der ersten Lesung zum Haushaltsplan zu sprechen.
Es ist der letzte Haushaltsplan der Regierung Adenauer
({7})
und der letzte Haushaltsplan dieses Bundestags.
({8})
- Das wollen wir mal fein abwarten!
({9})
Ich bin bereit zu sagen: es ist der letzte Haushaltsplan dieser Regierung Adenauer;
({10})
und die andere wollen wir abwarten!
In diesem Haushaltsplan sind zwei leitende Gesichtspunkte nicht zu verkennen: erstens der innerpolitische, die Vorbereitung der kommenden Wahlen. Auf diese Vorbereitung war die gestrige Haushaltsrede weitgehend abgestimmt.
({11})
Zweitens der außenpolitische: die Vorbereitung des Abschlusses des Generalvertrags und des EVG-Vertrags, die finanzielle Belastungen mit sich bringen werden, die ungeheuerlich sind.
Es ist das Recht dieser Bundesregierung, am Schluß der Regierungszeit einen Überblick über die Haushaltsentwicklung zu geben.
({12})
Mit den Bezeichnungen des Haushalts für 104Q als Übergangshaushalt, für 1950 als Überleitungshaushalt kann man einverstanden sein. Fragwürdig erscheint die Bezeichnung des Haushalts für 1951 als Korea-Haushalt und des Wiederholungs- und Nachtragshaushalts für 1952 als Haushalt der Erprobung. Unrichtig und wirklichkeitsfremd will es mir erscheinen, den Haushalt 1953 als einen Abschlußhaushalt mit dem Ringen um die Konsolidierung zu bezeichnen, da weder innen- noch außenpolitisch eine Konsolidierung sichtbar ist. Wie kann man von Konsolidierung sprechen, wenn politische, wirtschaftliche und finanzielle Entwicklungen sichtbar werden, die eher auf Krise denn auf Konsolidierung hindeuten!
Welche Rolle die deutsche Finanzpolitik nach der Auffassung des Herrn Bundesfinanzministers für die deutsche Außenpolitik spielen soll, geht aus seiner gestrigen Rede hervor. Nach dem Stenographischen Bericht heißt es an dieser Stelle wörtlich:
Die deutsche Finanzpolitik mußte auch hier
eine geschichtlich noch nicht dagewesene Leistung vollbringen. Sie mußte die Besatzungskosten tragen und gleichzeitig den Weg vorbereiten, aus dem durch die Hitler-Verbrechen
geschändeten deutschen Volk einen geachteten
Verbündeten der freien demokratischen Welt
zu machen.
Soll die Achtung der Verbündeten durch Finanzpolitik, durch finanzielle Leistungen erkauft werden? Und was mich doch so sehr erschüttert hat: er spricht hier von dem deutschen Volk, ohne zu bedenken, daß es nur ein Teil des deutschen Volkes ist und daß der andere Teil des Volkes woanders steht.
Schließlich sollten wir die geschichtliche Würdigung auch der Geschichte überlassen. Es ist seit einigen Jahrzehnten üblich geworden, irgendwelche Ereignisse der Gegenwart schon als historische Ereignisse zu bezeichnen. Von wie vielen Ereignissen haben wir aber inzwischen bereits bemerkt, daß sie vor der Geschichte nicht standhalten.
Die Perspektive, die der Bundesfinanzminister für das Haushaltsjahr 1953 als das der Abwicklung der finanziellen Auslandsverpflichtungen gab, trägt schon den Charakter der Vorwegbewilligung der finanziellen Bestimmungen des Generalvertrags in
({13})
sich. Wenn dieser Haushaltsplan angenommen wird, ist eine wichtige Entscheidung für Generalvertrag, Truppenvertrag, Finanzvertrag, die Überleitungsverträge und EVG-Vertrag bereits von Ihnen vorweg getroffen.
({14})
- Natürlich!
({15})
Diese Konsolidierung ist unecht. Sie sichert keineswegs den Frieden, und sie verbürgt keineswegs unsere Sicherheit. Sie ist fragwürdig. Hingegen sehen wir Ansätze einer echten Konsolidierung, die sich in den Verträgen mit den Niederlanden und der Schweiz angebahnt haben, und diese Entwicklung ist zu begrüßen.
Wir verstehen die Rolle der Opposition so,
({16})
daß wir, wie ich schon einleitend sagte, kritisch zu diesen Dingen Stellung nehmen müssen. Wir können uns auch nicht, wie es Kollege Neuburger getan hat, in der ersten Lesung nur auf eine steuerpolitische Erörterung einlassen, in der ersten Lesung, die ja die Aufgabe hat, doch die politischen Gesichtspunkte herauszubringen.
Ich möchte nun, bevor ich das tue, in Erinnerung rufen, wie wir die Rolle der Opposition verstehen. Wir halten dafür, daß die Aufgabe der Opposition darin besteht, erstens zu helfen - wir haben das in intensiver Mitarbeit bei Hunderten von Gesetzen bewiesen -; daß zweitens eine ihrer wichtigsten Funktionen darin besteht, die Regierung zu kontrollieren; daß drittens eine ihrer wichtigsten Funktionen darin besteht, die Regierung in ihren Maßnahmen zu kritisieren; und viertens hat sie notfalls sie zu bekämpfen.
Diese Opposition steht nun einer Regierung gegenüber, deren Kanzler ein Mann der einsamen und der starren Entschlüsse ist,
({17})
der sich der wichtigen Mitarbeit der Opposition in außenpolitischen Fragen verschlossen hat.
({18})
- Das Umgekehrte, Herr Schröder, ist deshalb nicht richtig, weil zu Beginn der Außenpolitik der Bundesrepublik der Bundeskanzler es nachdrücklich versäumt hat, sich mit der Opposition in Verbindung zu setzen.
({19})
- Kommen Sie darauf zurück! Studieren Sie aber vorher, Herr Kollege Schröder, die Bundestagsprotokolle, damit Sie keinen Fehler begehen.
({20})
Ein Kanzler, der aus jedem außenpolitischen Gespräch, das er geführt hat, sofort einen Erfolg macht und diesen Erfolg feiert, der Verträge mit den Westmächten abgeschlossen hat, die, wie wir
überzeugt sind, dem gesamtdeutschen Volke keine glückliche Zukunft verbürgen, und dessen Politik die Wiedervereinigung Deutschlands erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht, - ({21})
- Das kann ich auch gern präzisieren;
({22})
das ist aber doch bei der zweiten Lesung der Verträge sehr eingehend von uns präzisiert worden.
({23})
Aber bei der ersten Lesung des Haushalts würde
mich die Präzisierung von meinem Wege abbringen.
Wir stehen also einer Regierung gegenüber, für deren Wirtschaftspolitik Professor Erhard verantwortlich zeichnet,
({24})
deren Innenminister und deren Außenminister sich mit einer Reihe von fragwürdigen Mitarbeitern umgeben haben,
({25})
deren Verkehrsminister durch seine politischen Entgleisungen ebenso unangenehm auffällt wie sein Kollege von der Justiz.
({26})
Es ist doch gar kein Zweifel, daß einige Minister der Regierung Adenauer - zu der wir auch deshalb in Opposition stehen - das Ansehen der Bundesrepublik im Ausland nicht erhöht haben.
({27})
- Ich drücke mich ja oft milde aus, Kollege Greve; man kann es aber richtig verstehen.
Aber das Interessanteste an dieser Regierung ist vielleicht, daß der Wirtschaftsminister und der Finanzminister in fast allen entscheidenden Fragen kraß entgegengesetzter Meinung sind. Bei all den Publikationen, die die Regierung zu ihrem Lobe uns beschert hat, würde ich anregen die Veröffentlichung des Briefwechsels der letzten vier Jahre zwischen Bundesfinanzministerium und Bundeswirtschaftsministerium unter Einschluß des persönlichen Briefwechsels der beiden Minister, damit diese Frage, die ich eben angedeutet habe, etwas klarer wird.
({28})
Ich möchte schon jetzt auf eine solche Publikation meine Subskription anmelden.
({29})
- Ja, den können wir sehr gut dazunehmen! ({30})
Wenn aber der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister in allen entscheidenden Fragen - das ging ja auch vorhin aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Neuburger hervor, der es bloß mit ein bißchen anderen Worten als ich gesagt hat - entgegengesetzter Meinung sind, dann zeigt das, daß hier etwas nicht in Ordnung sein kann; daß es in der Praxis nicht in Ordnung ist,
({31})
das wird auch niemand von den Regierungskoalitionskollegen bestreiten.
({32})
- Scheint es Ihnen unschädlich zu sein? - Wenn der Herr Finanzminister nur fiskalisch denkt und der Herr Wirtschaftsminister finanzpolitischen Problemen unzugänglich ist oder sie bagatellisiert, dann ist das eine sehr gefährliche Sache, die, Herr Kollege Schröder, auch bei zunehmendem Sozialprodukt nicht gestattet sein dürfte.
Wir stehen also dieser Regierung - das muß in der ersten Lesung zum Haushaltsplan gesagt werden - in sehr entscheidenden Fragen als Gegner gegenüber. Wir sehen mit Besorgnis die Unzuverlässigkeit der Regierung nach rechts hin und im Kampf um eine echte Demokratie. Ich brauche Sie nur an die Partisanenaffäre zu erinnern,
({33})
an Minister Seebohms unsachlich-demagogische Rede gegen Reuter in Berlin
({34})
oder an des Innenministers Lehr konstruktiven Verfassungsschutz.
({35})
Über diesen konstruktiven Verfassungsschutz muß ich ein paar Worte mehr verlieren.
({36})
- Über Hessen steht hier nichts zur Diskussion;
({37})
infolgedessen kann ich über Hessen nicht reden.
({38})
- Erzählen S i e doch mal über Hessen, wenn Sie das für richtig und angebracht halten.
({39})
Wir wollen uns einmal ein paar Minuten mit Herrn Lehrs konstruktivem Verfassungsschutz befassen; das ist viel interessanter, Herr Schröder.
({40})
Bei der Beratung des Haushalts des Bundesverfassungsschutzamts - Tit. 31 des Einzelplans des Innenministeriums - wurde im Haushaltsausschuß die Frage aufgeworfen, ob die Beschränkung der parlamentarischen Kontrolle dieses Titels nach § 89 der Reichshaushaltsordnung in der bisherigen Weise aufrechterhalten werden könne. Neuerdings hat man die Beschränkung insofern modifiziert, als nunmehr die Erklärung des Präsidenten des Bundesrechnungshofs, dem die alleinige Prüfung obliegt, die Grundlage für die Entlastung sein soll. Früher hieß es sogar, daß der Präsident des Bundesrechnungshofs die Entlastung selbst erteilen solle. Das ging aber dem Präsidenten des Bundesrechnungshofs, der ja ein erfahrener und korrekter Beamter ist, doch selber über die Hutschnur, und er vertrat den Standpunkt, daß das Parlament seine Pflicht, Entlastung zu erteilen, weder an eine Einzelperson noch eine andere Institution delegieren könne.
Die Opposition hat deswegen im Haushaltsausschuß nicht etwa die völlige Aufhebung des § 89, sondern lediglich die Information des Parlaments
über die Verwendung solcher geschützter Titel in der Weise gefordert, daß einige dafür besonders geeignete Personen laufend über die Vergabe von Mitteln informiert werden.
({41})
- Ganz genau so! ({42})
- Diese selbe Regelung hat in der Weimarer Zeit bis zum Jahre 1933 bestanden.
({43})
- Wenn Sie jetzt behaupten, das sei ganz falsch, dann wollen wir die Diskussion darüber in diesem Augenblick nicht fortsetzen; dann ist es ja ein kleines, das hinterher nachzuprüfen, und Sie werden dann sehen, daß ich recht habe.
({44})
- Lebende Zeugen haben nicht immer ein so gutes Gedächtnis, wie man es in den Dokumenten der Reichstagsdrucksachen findet.
({45})
Aber daran müssen Sie sich, Herr Pünder, doch mindestens erinnern, daß eine Vereinbarung zwischen Regierung und Reichstag vor 1933 bestanden hat, und mutmaßlich wird ja unser verehrter Alterspräsident diese Vereinbarungen bei seinem guten Gedächtnis im Kopf haben.
({46})
Der Präsident des Bundesrechnungshofs schlug vor, den Bundesschuldenausschuß als Informationsorgan zu wählen, was den Vorteil hätte, daß sowohl das Parlament wie der Bundesrat beteiligt wären. Die Vertreter des Innenministeriums lehnten jede derartige Regelung entschieden ab.
({47})
Die erstaunlichste Begründung gab dabei der Herr Staatssekretär. Das Innenministerium hatte die drei Millionen, um die es sich unter Tit. 31 handelt, zwischen sich und dem Bundesverfassungsschutzamt aufgeteilt und bewirtschaftete zwei Millionen selbst.
({48})
Auf die Frage, ob das Ministerium dafür auch den Schutz des § 89 brauche, erklärte Herr von Lex, das sei so; denn diese zwei Millionen brauche man für den konstruktiven Verfassungsschutz.
({49})
Auf die Frage, was darunter zu verstehen sei, erklärte er, das Ministerium müsse doch z. B. in der Lage sein, den leitenden Körperschaften von Organisationen, deren Mitglieder noch nicht ganz auf dem Boden der Demokratie stünden, Mittel zur Verfügung zu stellen, damit sie ihre Anhänger im Sinne der Demokratie beeinflussen könnten.
({50})
Ich vermute, daß damit die Kommunisten gemeint sind, ohne daß ich direkt den Verdacht äußern möchte, daß gerade sie von der Bundesregierung bezahlt seien.
({51})
Als naheliegendes Beispiel drängte sich im Haushaltsausschuß der BDJ auf, so daß mein Kollege Schoettle schließlich Herrn von Lex sagte, offenbar sei der frühere Kommunist und spätere BDJFührer Lüth vertrauenswürdiger als der sozialdemokratische Vorsitzende des Haushaltsausschusses.
({52})
Das ist aus den Fragen, die in der ersten Lesung angeschnitten werden sollten, keine Frage von finanziell großer Bedeutung. Aber sie ist von eminent politischer Bedeutung, was die Entwicklung unserer Bundesrepublik im Sinne einer echten parlamentarischen Demokratie angeht.
({53})
Ich komme nun zum Haushalt. Selbstverständlich kann ich Einzelprobleme des Haushalts nicht erörtern. Das paßt auch nicht in die erste Lesung, das behalten wir uns für die Ausschußberatungen und für unsere Darlegungen in der zweiten Lesung vor. Aber es gibt da einige Behauptungen, die man nicht unwidersprochen über sich ergehen lassen kann. Die erstaunlichste Mitteilung des Herrn Bundesfinanzministers war gestern die, er lege uns einen ausgeglichenen Haushalt vor. Aber im selben Augenblick kündigt er eine Steuergesetzgebung an, die zu erheblichen Mindereinnahmen führt. Der Finanzminister teilt also in derselben Rede mit, der Haushalt sei ausgeglichen und der Haushalt sei nicht ausgeglichen. Er sagte, der sogenannte Abgleich - das „sogenannte" habe ich hinzugefügt - habe bereits im vorliegenden Etat Schwierigkeiten gemacht, da einer Erhöhung der Einnahmen um 550 Millionen DM eine Erhöhung der Ausgaben um 2078 Millionen DM gegenüberstehe.
Für die Lücke von 1750 Millionen DM hat der Herr Bundesfinanzminister nun drei Deckungsvorschläge gemacht. Der erste Deckungsvorschlag besteht in der Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 37 auf 44 %. Das, muß man ja sagen, ist ein wirklich echter Deckungsvorschlag, nachdem der Herr Bundesfinanzminister auf der andern Seite behauptet hat, Bundesaushalt und Länderhaushalte seien eine Einheit, und wir ja tatsächlich eine einheitliche Gesamtfinanzmasse haben. Wenn man also den Ländern etwas wegnimmt, um es dem Bund zu geben, so ist das nur sehr formal betrachtet ein Deckungsvorschlag, aber kein echter. Außerdem ist ja gestern bereits angekündigt worden - die Länder wehren sich ja schließlich auch -, man wolle sich nun statt mit 44 mit 40 % zufrieden geben. Trotzdem ist der Haushalt ausgeglichen!
({54})
Der zweite Deckungsvorschlag ist die Ausgabe von Schuldverschreibungen an Stelle von Barzahlungen an die Sozialversicherungsträger. Auch ein vorzüglicher Deckungsvorschlag, der aber nichts anderes bedeutet, als im Augenblick Schulden zu machen und einen Vorgriff in die Zukunft, den eine spätere Regierung zu regulieren haben wird.
({55})
Der dritte Deckungsvorschlag ist die Aufrechterhaltung des Notopfers Berlin, obgleich uns der Herr Bundesfinanzminister nachdrücklich versichert hat, daß das Notopfer Berlin vom 1. April 1953 an in den Etat eingebaut werde. - Das sind also die drei Deckungsvorschläge, um den Fehlbetrag von 1750 Millionen DM zu decken.
Selbstverständlich sind wir uns darüber klar, daß ein Haushaltsplan nicht zu jeder Zeit ausgeglichen sein kann. Aber man kann einen unausgeglichenen Haushaltsplan nur in einer Zeit wirtschaftlichen Niedergangs einbringen. Da Sie aber von der wirtschaftlichen Blüte überzeugt sind und der Herr Bundesfinanzminister auch bei jeder Gelegenheit sagt, daß die wirtschaftliche Blüte anhält - auch Herr Kollege Schröder hat mich vorhin auf die Steigerung des Sozialprodukts aufmerksam gemacht -,
({56})
ist die Einbringung eines unausgeglichenen Haushalts nicht zu verantworten.
({57})
Geht die Konjunktur nieder, dann muß unter Umständen mit den Mitteln der Finanzpolitik, eines unausgeglichenen Haushalts, aktiv in die Bekämpfung der Wirtschaftsschwäche eingegriffen werden.
({58})
Vielleicht hat die Bundesregierung auch, nachdem sie uns einen unausgeglichenen Haushalt vorgelegt hat, die Befürchtung, sie befinde sich in Wirklichkeit bereits in einer niedergehenden Konjunktur.
({59})
Wenn ich also zugebe, daß es ein konstruktives Defizit geben kann, so möchte ich doch gleichzeitig sagen, daß das Defizit des Bundeshaushalts 1953/54 destruktiver Natur ist.
Dann möchte ich ein Wort sagen über den Hymnus des Herrn Bundesfinanzministers auf die Leistungen der Bundesregierung. Da, wo tatsächliche Leistungen vorliegen, wollen wir sie wahrhaftig nicht herabsetzen, aber wir wollen doch nicht übersehen, daß die Bundesregierung in diesen vier Jahren mächtige Helfer gehabt hat. Da ist die amerikanische Finanz- und Wirtschaftshilfe, da ist der Rüstungsboom seit Korea, die beide ungeheueren Einfluß auf die Entwicklung gehabt haben. Die Masse aber der arbeitenden Menschen und ihre Bereitschaft, sich unverzagt unter schwersten Entbehrungen am Wiederaufbau zu beteiligen, ist eine Leistung, zu der gestern auch hätte ein Wort gesagt werden müssen.
({60})
Der Herr Bundesfinanzminister tat gestern in seiner Rede so - Sie können es an mehreren Stellen nachlesen -, als ob sich die Bundesrepublik unmittelbar an den Zusammenbruch des Reichs angeschlossen hätte. Er hat dabei vollkommen übersehen, daß zwischen der Gründung der Bundesrepublik und dem Zusammenbruch fast viereinhalb Jahre vergangen sind. Und was ist in diesen viereinhalb Jahren geleistet worden!
({61})
Was ist in den Gemeinden in dieser Zeit geleistet worden und in den Kreisen!
({62})
Wer von Ihnen in diesen Jahren 1945, 1946, 1947 als Bürgermeister oder Landrat in die Bresche gesprungen ist, der weiß, was damals geleistet worden ist, als wir noch keinen Staat wieder hatten.
({63}) Das darf man hier nicht vergessen.
({64})
({65})
Die Leistungen der Bundesverwaltung mit ihren doch überwiegend tüchtigen Beamten, Angestellten und Arbeitern will ich auch nicht herabsetzen, aber man darf nicht so tun, als ob der Aufbau der obersten Bundesbehörden nun aus dem Nichts gemacht worden wäre. Das hat aber der Herr Bundesfinanzminister gestern gesagt. Was ist allein - der Länder gar nicht zu gedenken, die ja auch Großes im Wiederaufbau geleistet haben - vom Zweizonenwirtschaftsrat geleistet worden!
({66})
- Die Zwangswirtschaft war ja eine Folge des Hitlerkriegs und von Hitler eingeführt. Aber nun sagen Sie doch nichts, was historisch nicht wahr ist. Aber wenn Sie schon Zwangswirtschaft sagen, dann möchte ich im Zusammenhang mit der Etatrede etwas sagen, was ich sonst nicht gesagt hätte. Ich habe es gestern als eine Undankbarkeit empfunden, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht der Beamten und Angestellten gedachte, die im Zweizonenwirtschaftsrat gearbeitet haben. Gerade er hat j a unter seinen engsten Mitarbeitern und der großen Zahl seiner Mitarbeiter viele, die den Haushalt der Bundesrepublik im Wirtschaftsrat vorbereitet haben.
({67})
- Nein, nicht bei Adam und Eva, lieber Herr Bausch.
({68})
Ich hätte schon aus Schicklichkeits- und ästhetischen Gründen bei Adam und Eva nicht angefangen - und Ihnen gegenüber schon gar nicht.
({69})
Sehen Sie, der Herr Bundesfinanzminister hat an mehreren Stellen - ich bitte es nachzulesen - so getan, als ob diese Bundesregierung unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Reichs ihre schwere Arbeit hätte beginnen müssen. Dazu habe ich gesagt, - ({70})
- Herr Wellhausen, lesen Sie es doch bitte nach; da steht es doch gestern geschrieben.
({71})
Ich habe lediglich daran erinnern wollen, daß dem nicht ganz so ist. Wenn Sie einmal genau überlegen, dann werden Sie alle - auch der Herr Bundesfinanzminister - mir zugeben, daß ich in dieser Sache recht habe.
({72})
Es sind, wie gesagt, 80 Seiten, die der Herr Bundesfinanzminister gestern geredet hat und wohlvorbereitet geredet hat.
Es wäre noch manches dazu zu sagen. Denken Sie an seine Steuerbeispiele. Bei den Steuerbeispielen kennt er die Einkommen von unter 5000 DM gar nicht. Man braucht sich nur die Steuerstatistik anzusehen, um zu sehen, welche Bedeutung zahlenmäßig die kleinen Einkommenträger haben; und wenn man schon Steuerbeispiele bringt, dann sollte man einen großen und besonders schwergeprüften Teil des Volkes nicht vergessen.
({73})
Beim Wohnungsbau muß wohl darauf hingewiesen werden, daß die Länder und Gemeinden
einen weit größeren Anteil als der Bund haben. Ich
erinnere daran, daß es die SPD-Fraktion gewesen
ist, die mit ihrem ersten Wohnungsbaugesetzentwurf vom März 1950 dieses Wohnungsbauprogramm eingeleitet hat, wodurch die Arbeiten
der Regierung wesentlich beflügelt worden sind.
({74})
- Es geht um die Beschlüsse? Sie bringen mich immer wieder in peinliche Situationen, Herr Wuermeling!
({75})
- Na, wenn. ich jetzt den Herrn Wohnungsbauminister oder den Herrn Vorsitzenden des Wohnungsbauausschusses bitten würde, doch einmal hierherzukommen und zu sagen, wie schwer es ist, wie mit dem Herrn Bundesfinanzminister um jede Million hat gekämpft werden müssen, - ich würde die Herren in eine schreckliche Verlegenheit bringen! Ich bin deshalb so nett und tue es nicht.
({76})
- Der Finanzminister von Schleswig-Holstein stellte sich voll und ganz der Kritik im schleswigholsteinischen Landtag.
({77})
- Ja, das wollen wir sehen! - Und der Finanzminister von Schleswig-Holstein hat, wenn er Zahlen vorgelegt hat, niemals Zahlen vorgelegt, die unvollständig sind. Dafür hat er nämlich als Nationalökonom und Statistiker ein viel zu sauberes wissenschaftliches Gewissen,
({78})
um unvollständige und nicht immer brauchbare Zahlen vorzulegen.
({79})
Ich habe noch ein Wort zum Steuerzahler zu sagen. Der Wirtschaftsminister hat sich in zahl- reichen Reden an die Steuerzahler gewandt. Der Finanzminister hat ebenfalls an ihre Einsicht appelliert und ihre fehlende Steuermoral beklagt. Es wäre also, nachdem Herr Neuburger vorhin sein Steuerreformprogramm bekanntgegeben hat, auch zu sagen, daß man von den Kreisen der Unternehmer in dieser Beziehung eine größere Einsicht erwarten müßte. Es ist doch bisher leider Gottes so, daß der einzig zuverlässige und korrekte Steuerzahler der Lohnsteuerzahler ist.
({80})
Die Darstellung des Herrn Bundesfinanzministers über die Sozialleistungen des Bundes kann nicht
({81})
unwidersprochen hingenommen werden. Es ist notwendig, die echten Sozialleistungen von den Kriegsfolgelasten zu trennen, und die Leistungen aus den Versicherungsanstalten dürfen schon auf keinen Fall in die Erfolgsrechnung der Bundesregierung einbezogen werden.
({82})
Sie stammen nämlich aus den Beiträgen der Versicherten.
({83})
Ein besonderes Problem möchte ich hier anschneiden, und das werden Sie dem Professor auch besonders verzeihen. Ich meine das Problem der Aufsplitterung der Mittel für die wissenschaftliche Forschung. Nach Art. 74 Ziffer 13 des Grundgesetzes hat sich der Bund die Förderung der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten. Da die Kulturhoheit aber bei den Länder liegt, die insbesondere für die wissenschaftlichen Hochschulen zuständig sind, aber mehr ihre Landesaufgaben im Auge haben, ist eine sinnvolle Einsetzung und Lenkung der Mittel für Forschung und Wissenschaft doppelt notwendig, und hier, meine Damen und Herren, wird das Fehlen einer Bundesinstanz besonders fühlbar.
({84})
Bei allen Haushaltsberatungen und bei einem Querschnitt durch die einzelnen Haushalte nach der wissenschaftlichen Forschung werden Sie bemerken, wie sehr diese Dinge im argen liegen.
({85})
Ich könnte dazu zahlreiche Beispiele anführen, will das aber nicht tun.
({86})
- Instanz ist der Innenminister. Ich sage Ihnen aber, Herr Dresbach, daß die Mittel so aufgesplittert sind, daß sie nicht zu einem sinnvollen Einsatz kommen können, und ich sage Ihnen, daß die Mittel unzureichend sind und daß eine wirkliche Bundesinstanz geschaffen werden muß, die sich der zentralen Betreuung der wissenschaftlichen Forschung widmet.
({87})
- Ob ich ein Reichskulturministerium will, ist damit ja nicht gesagt, wenn ich sage, daß ich eine zentrale Stelle wünsche, und wenn ich Ihnen, Herr Dresbach, aus guten Gründen sage, daß das gegenwärtige System der Aufsplitterung der Mittel für die wissenschaftliche Forschung wahrhaft unzureichend ist.
({88})
Wir wollen uns gern zusammensetzen; ich gebe Ihnen ein Privatissimum, und dann werden Sie das auch einsehen.
({89})
- Ich habe auch betont, daß es ein Privatissimum sein sollte!
({90})
- Und gratis!
({91})
Hier ist noch zu sagen, daß die Länder gar nicht in der Lage sind, Gesamtprobleme und Gesamtaufgaben der deutschen Wissenschaft und der deutschen Forschung aufzugreifen und wahrzunehmen. Die Ausstattung der Forschungsinstitute ist wirklich unzulänglich. Ebensosehr muß jetzt einmal die Sorge um den wissenschaftlichen Nachwuchs geäußert werden. Ist es nicht eine Schande, daß an fast allen deutschen Universitätskliniken und zahlreichen anderen Krankenhäusern approbierte Ärzte noch jahrelang ohne einen Pfennig arbeiten müssen, um überhaupt später in ihrem Beruf tätig sein zu können?
({92})
- Nein, das ist eben keine Landesangelegenheit, Herr Vogel! Sehen Sie Art. 74 des Grundgesetzes nach! Das ist eine Bundesaufgabe.
({93})
Das Land kann diese Angelegenheiten gar nicht wahrnehmen, wie ich eben gesagt habe, weil es sich um Gesamtprobleme handelt.
({94})
In diesem Zusammenhang möchte ich auch das Problem der amtsverdrängten Hochschullehrer anschneiden, die sich seit Jahren um Wiederverwendung bemühen. Soweit sie in den Naturwissenschaften, in der Technik tätig sind, sind sie ja oft bei großen Industriefirmen untergekommen. Aber die wissenschaftlichen Forscher, die Professoren, die Dozenten und der wissenschaftliche Nachwuchs auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften, der Sozialwissenschaften, liegen heute absolut brach, und es muß etwas für sie getan werden.
({95})
Ich habe auch nichts davon gehört, daß eine sinnvolle Einsetzung der aus dem Etatposten für die Versorgung der 131er ersparten Millionen für diese Zwecke in Aussicht genommen wäre. Die naturwissenschaftliche Zweckforschung wird in Deutschland nach wie vor verhältnismäßig bevorzugt entwickelt, und die Grundlagenforschung und die gesamten Geisteswissenschaften, insbesondere auch die Sozialwissenschaften und die Wissenschaften von der Politik, werden in einem gröblichen Ausmaße, welches dem deutschen Volke Schaden zufügen wird, vernachlässigt. Es ist ja nicht einmal möglich - Herr Dresbach, drohen Sie schon wieder mit dem Finger? -, der Kommission für die Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien so ausreichende bescheidene Mittel zu geben, daß sie ihre Aufgaben erfüllen kann. Wir sollten uns zusammentun und sollten bei diesem Haushalt an dieser Stelle für diese Kommission etwas tun.
({96})
- Im Haushaltsaussschuß, Herr Bausch, - - ({97})
- Sehr schön, Herr Bausch!
({98})
- Wir nehmen das zur Kenntnis.
Ich komme noch auf ein anderes fragwürdiges Kapitel, das ist die Inanspruchnahme von 250 Millionen DM als Anleihe aus dem ERP-Sondervermögen zur Deckung von Fehlbeträgen im Haushalt. Die Zulässigkeit dieses Verfahrens erscheint mir höchst zweifelhaft. Die Mittel sind für Investitionen bestimmt und nicht dafür, Fehlbeträge im Haushalt zu decken. Wenn man jetzt zu
({99})
solchen Mitteln greift, wie will man sich dann in Notzeiten helfen? Wäre es nicht besser gewesen, wenn man diese 250 Millionen etwa für die Wasserwirtschaft, eines der wichtigsten gesamtdeutschen Anliegen, eingesetzt hätte? Hier hätte es sich um Investitionen gehandelt, die nach Generationen noch ihre Früchte tragen würden.
Ich wende mich jetzt noch kurz der Einnahmeseite zu. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns gestern erklärt, daß er die Einnahmen optimistisch geschätzt habe, und zwar unter der Voraussetzung, daß das Sozialprodukt auch in dem kommenden Etatsjahr wieder um 5 % anwachsen würde. Ich hatte leider von gestern bis heute nicht die Möglichkeit, die Zahlen im einzelnen zu überprüfen. Ich hätte es gern getan, und ich werde es tun. Wir wissen j a, daß Finanzminister - und das ist ihr gutes Recht - Einnahmen im allgemeinen optimistisch nach unten, Ausgaben pessimistisch noch oben schätzen
({100})
- habe ich auch so gemacht, Herr Bausch -, um sich auf diese Weise eine gewisse Spanne zu halten. Das wissen wir; wir wollen nur gerne erfahren, wie die Dinge in Wirklichkeit sind.
({101})
Es würden mich einige von Ihnen gar nicht verstehen, auch der Herr Bundesfinanzminister wäre nicht zufrieden, wenn ich in diesem Zusammenhang, da ich schon einmal bei Einzelplan 60 bin, kein Wort über das Branntweinmonopol sagte.
({102})
- Ja, das ist sehr interessant. Im vorigen Haushalt stand unter dem Tit. 7: „Aus dem Branntweinmonopol a) Branntweinsteuer, b) Monopolgewinn". Nun habe ich mich an dieser Stelle wiederholt gegen die Auffassung des Bundesfinanzministers ausgesprochen, daß das Banntweinmonopol ein Finanzmonopol sei und die Aufgabe habe, über die Steuer hinaus Gewinne zu erzielen. Er hat seine Auffassung nicht geändert, nur das Gesicht ein bißchen, indem jetzt nur ganz verschämt dasteht: „Aus dem Branntweinmonopol", ohne a) und b), wobei aber unterstellt werden darf - ich habe es noch nicht nachrechnen können -, daß der Monopolgewinn in den 550 Millionen DM Branntweinsteuervoranschlag aufgenommen ist.
Wir haben uns hier auch einmal über die Kosten der Monopolverwaltung unterhalten, und es wurde mir bestritten, daß es 34,5 Millionen DM seien. In diesem Jahre sind sie schon amtlich mit 40 Millionen DM angegeben, ohne daß der Bundestag etwas über die wirkliche Verwendung dieser Mittel erfährt; denn das steht in den Geschäftsberichten nicht drin. Aber ich bin ziemlich sicher: noch bevor dieser Bundestag auseinandergeht, werden wir diesen Einblick bekommen haben. Das werden wir noch schaffen!
Interessanterweise hat nun gestern der Herr Bundesfinanzminister einen Plan dargelegt, der eine Senkung der Einkommensteuer vorsieht. Wenn er diesen Plan wenigstens gleichzeitig mit dem Etat eingebracht hätte! Nein, er hat den Plan nur angekündigt! Über Verbrauchsteuern steht in seiner ganzen Rede nichts. Die Verbrauchsteuern sind aber wirtschaftspolitisch gesehen das Interessante. Es gibt so viele Untersuchungen über die Elastizität der Nachfrage bei den verbrauchbesteuerten Waren, daß man sich der Aufgabe unterziehen
muß, die verbrauchbesteuerten Waren daraufhin zu untersuchen, ob sie nicht zu hoch, nicht zu niedrig und ob sie nicht überhaupt falsch besteuert sind. Hier hat es sich gezeigt, daß der Herr Bundesfinanzminister und seine Mitarbeiter aus der Abteilung Zoll und Verbrauchsteuern die Verbrauchsteuern rein fiskalisch ansehen und nicht in der Lage sind, hierüber wirtschaftspolitische Erwägungen anzustellen. Wir haben das in der vorigen Woche bei der Beratung des Mineralölabgabegesetzes wieder deutlich bemerken können.
({103})
- Die Ausfälle will ich dadurch decken, Herr Wuermeling - wir werden es bei der Schaumweinsteuer sehen -, daß wir beispielsweise bei Kaffee und Tee durch eine Festsetzung einer Verbrauchsteuer, die richtig ist und der Nachfrage entspricht, den Schmuggel an der Grenze und den Besatzungsschmuggel, der j a noch durch den Truppenvertrag legalisiert wird, uninteressant machen.
({104})
Das ist die ganze Geschichte! Aber wir müssen unter allen Umständen an die Senkung der Kaffee- und der Teesteuer herangehen.
({105})
- Das wollen wir erst einmal abwarten! Es ist doch ein gutes Beispiel, Herr Dresbach: es war ein kleiner, übersehbarer Bereich; und an diesem übersehbaren Bereich, in dem nicht viel passieren konnte, konnten wir dieses Experiment wagen.
Es kommt bei den Verbrauchsteuern gerade entscheidend darauf an, daß mit finanzpolitischen Mitteln Wirtschaftspolitik betrieben wird. Der Herr Bundesfinanzminister hat uns gestern ausdrücklich an zwei Steilen versichert, daß die von ihm geplante Senkung der Einkommensteuer mit den Wahlen und den Vorbereitungen zu den Wahlen aber auch gar nichts zu tun habe. Wir haben ihm das aufs Wort geglaubt.
({106})
Noch ein kurzes Wort zu unserer Finanzverfassung. Es ist bedauerlich, daß die Bundesregierung nicht in der Lage gewesen ist, während dieser vier Jahre das Gesetz nach Art. 107, dessen Vorlage bis zum 31. Dezember 1952 befristet war, vorzulegen. Wir wären wesentlich weiter gekommen, wenn wir die Neuverteilung des Steueraufkommens in diesem Bundestag beschlossen hätten. Wir begrüßen es, daß der Bundeshaushalt jetzt formal anders aufgezogen ist und mit den Länderhaushalten übereinstimmt. Ich wiederhole meine alte Forderung, die ich schon einmal an dieser Stelle gestellt habe: daß wir nun, nachdem die formalen Hemmnisse beseitigt sind, darangehen, Haushaltsanalysen des Bundeshaushalts und vor allen Dingen der Länderhaushalte untereinander vorzunehmen, weil sie wichtige Mittel zu einer künftigen Finanzpolitik sein werden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat auch kein Wort von dem von der FDP eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes nach Art. 108 gesagt; kein Wort, weil ihm als Föderalisten das, wie wir ja wissen, nicht angenehm ist. Wir haben im Finanzausschuß Sachverständige gehört, die alle
- mit einer bayerischen Ausnahme - zu dem
({107})
gleichen Ergebnis gekommen sind, daß die Einrichtung einer zentralen Bundesfinanzverwaltung durch Einsparung, durch gleichmäßige Veranlagung etwa eine Milliarde an öffentlichen Mitteln ersparen bzw. mehr aufkommen würde.
({108})
Eine Milliarde - gleich 1000 Millionen - ist ja eine schöne, runde Summe, und wir gestatten uns den Luxus dieser Bundesfinanzverwaltung mit den zahlreichen Länderfinanzverwaltungen weiter, ohne auf diesem Gebiete etwas Entscheidendes zu tun! Auch die Herren Bayern sollten begreifen, daß ihnen gar nichts genommen wird, wenn wir eine einheitliche Bundesfinanzverwaltung bekommen.
({109})
- Vorsicht, Vorsicht, ja!
Ich komme zum Schluß. Nachdem der Herr Bundesfinanzminister gestern zum Schluß sich auf einem hohen Gipfel bewegt hat, ja sogar eine „Gratwanderung" vorgenommen hat
({110})
und Herr Neuburger ihm gefolgt ist,
({111}) will ich ihn zum Schluß auch noch auf die Gratwanderung ansprechen.
({112})
In Tirol gibt es ja einen schönen Gruß. Derjenige, der von dem Berg herunterkommt, grüßt den Hinaufsteigenden mit den Worten: „Zeit lassen!" Nun, der Herr Bundesfinanzminister hat sich in diesen Jahren in wichtigen Dingen Zeit gelassen. Er ist es ja schließlich auch gewesen, der die zahlreichen Sondergesetze mit Steuerbegünstigungen eingebracht hat, deren Existenz vorhin auch Herr Neuburger beklagt hat.
Nun befindet sich der Herr Bundesfinanzminister auf dem Grat, und Herr Neuburger hat ihm bescheinigt, daß er ganz frei von Schwindel sei. Wir wollen das mal unterstellen.
({113})
Vielleicht stimmt es aber auch nicht ganz.
({114})
Ich habe mehr den Eindruck, daß man ihm den guten Rat geben möge, sich bei seiner Gratwanderung doch anzuseilen.
({115})
- Das wäre gar nicht so schlecht.
({116})
Ich glaube, ich wäre ein ganz guter Bergführer.
({117})
Er sollte sich doch anseilen; aber die Bundesregierung sollte unter keinen Umständen als Seil, mit dem sie sich nun noch weiterhin in die Regierung bringen will, das Wahlgesetz benutzen, dessen Entwurf sie uns in diesen Tagen vorgelegt hat.
({118})
Mit diesem Wahlgesetz, meine Damen und Herren,
({119}) begehen Sie einen Schlag
({120}) gegen die werdende deutsche Demokratie.
({121})
- Herr Schröder, Sie wissen ganz genau, daß dieses Wahlgesetz eine eindeutige Tendenz gegen die Sozialdemokratie hat.
({122})
Wer von Ihnen ist in der Lage, aufzustehen und zu erklären, daß es diese Tendenz nicht hat!
({123})
Wer aber glaubt, mit Wahlgesetzen und Wahlkreisgeometrie Augenblickserfolge erringen zu können, der wird sehen, daß er vielleicht für den Augenblick einen Erfolg erringen kann,
({124})
daß dann aber der Rückschlag um so schwerer ist.
({125})
-- Ich habe gar nicht exerziert in Hannover; so militärisch bin ich gar nicht!
Machen Sie unter keinen Umständen diesen Entwurf zum Wahlgesetz. Sie würden damit den schwersten politischen Fehler dieser vier Jahre begehen.
({126})
Das Wort hat der Abgegeordnete Dr. Blank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, man kann feststellen, daß wir dabei sind, auch in der Abhaltung von Haushaltsdebatten gewisse Fortschritte zu machen. Ich finde, das Haus ist schon beträchtlich gefüllter als im Dezember, und auch auf der Regierungsbank, besonders in der zweiten und dritten Linie, sitzen die verschiedenen Ressorts, die ja immerhin, wie der Herr Vorredner bewiesen hat, darauf gefaßt sein müssen, in irgendeiner Weise bei der ersten Lesung eines Haushalts angepiekt zu werden. Nun kann das natürlich bei uns nicht so schnell oder nach den jetzigen verfassungsrechtlichen Bestimmungen überhaupt nicht so werden, wie das in England ist, wo bekanntlich am Tage vor der Bekanntgabe des neuen Hauhalts durch den Schatzkanzler eine unendliche Spannung herrscht. Das verbietet schon das Verfahren, das bei uns durch das Grundgesetz vorgeschrieben ist.
({0})
Immerhin habe ich doch vorgestern feststellen können, daß eine ganze Menge von Kollegen und sonstigen Leuten, die sich dafür interessieren, sich darüber unterhalten haben, was wir wohl gestern morgen hören würden. Dann haben einige Kollegen - wie wir inzwischen erfahren haben - die Rede schon am Abend vorher gehabt. Leider habe
({1})
ich keinen von denen getroffen. Ich habe sie erst am nächsten Morgen - allerdings auch persönlich - bekommen. Ich bedanke mich dafür.
Die Rede, die der Herr Bundesfinanzminister uns gehalten hat, war, wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, die mit Abstand längste, die in diesem Hohen Hause seit 1949 gehalten worden ist. Sie hat außerordentlich viel für uns Wesentliches und Interessantes enthalten. Im ersten Teil hat der Herr Bundesfinanzminister uns einen Überblick über die Zeit seit dem Entstehen des Bundes gegeben, über die Bemühungen des Finanzministers, der Regierungskoalition und überhaupt der ganzen Bundesregierung, allmählich zum Normalen hinzukommen. Ich glaube, daß wir gemeinsam auf diese inzwischen verstrichene Zeit mit Genugtuung zurückblicken können. Ich muß gestehen, daß es mich geradezu mit Genugtuung erfüllt hat, eben von Herrn Professor Gülich zu hören, wie offensichtlich schwierig es ist, uns in dieser Beziehung etwas am Zeug zu flicken.
({2})
Wir, meine Freunde und ich, begrüßen es lebhaft, daß es, allen unleugbaren Schwierigkeiten zum Trotz, gelungen ist, den Haushaltsvoranschlag 1953 rechtzeitig, so wie das Grundgesetz es vorschreibt, unserem Parlament vorzulegen. Natürlich fällt - und insofern bin ich mit Herrn Professor Gülich durchaus einig - in diese Freude und Genugtuung ein Wermutstropfen, weil in dem Augenblick, in dem uns der Haushalt unterbreitet wird, er durch das, was wir aus dem Munde des Herrn Bundesfinanzministers selbst gehört haben, in ganz wesentlichen Punkten zweifellos schon überholt ist und weil -- das hat der Herr Bundesfinanzminister selbst gesagt, und das sehen wir beim Studium des Haushaltes - der bei Gott nicht ohne Mühe erreichte Haushaltsausgleich durch die neuen nunmehr angekündigten Maßnahmen wieder in Frage gestellt ist und weil neue Bemühungen um diesen Ausgleich einsetzen müssen. Dabei ist es sehr schade, daß wir nun nicht gleichzeitig mit der in diesem Punkt zweifellos überholten Drucksache Nr. 4000, dem Haushaltsvoranschlag 1953, auch schon sehen können, welche Maßnahmen auf dem Gebiet der Steuersenkung einerseits und des Haushaltsausgleichs andererseits die Bundesregierung uns vorschlägt. Persönlich möchte ich an dem im Grundgesetz verankerten Gedanken, daß der Haushalt ausgeglichen sein muß, durchaus festhalten. Es scheint zwar heute modern zu werden - es gibt da allerhand Broschüren, auch aus der letzten Zeit -, zu sagen, daß man sich aus konjunkturpolitischen oder anderen volkswirtschaftlichen Gründen darüber hinwegsetzen müßte. Wir können das nach meiner Überzeugung so lange nicht tun, als uns unsere Verfassung vorschreibt, daß der Ausgleich vorgenommen und durchgeführt werden muß. Ich halte die Zweifel, die Herr Professor Gülich in die Tatsächlichkeit des Ausgleichs nach der Drucksache Nr. 4000 setzt, für nicht so durchschlagend, daß man einfach behaupten könnte, der Haushalt sei nicht ausgeglichen.
Jetzt scheint es mir sehr wichtig - ich sagte das schon -, daß wir sehr bald auch für die Beratungen im Haushaltsausschuß die Unterlagen erhalten, die uns für die nächste Zeit angekündigt sind. Dann wird sich der Haushaltsausschuß bemühen müssen - und ich kann für meine Freunde im Haushaltsausschuß, ich glaube aber, auch für einen sehr viel größeren Kreis sagen, daß wir auch unsererseits alles tun werden, wenn wir die Unterlagen erstmal vorliegen haben -, auch tatsächlich möglichst zu erreichen, daß wir noch vor Beginn des neuen Haushaltsjahres diesen Haushalt verabschieden. Ich habe gerade in diesem Punkt aus meinem Optimismus heraus schon öfter Wünsche geäußert und scheue mich nicht, es diesmal wieder zu tun. Die Mitarbeit, ich möchte beinahe sagen, die Vorarbeit, die die Opposition auf diesem Gebiet leisten will, wie Herr Professor Gülich gesagt hat, ist uns hoffentlich sicher. Dann sollte es uns eigentlich gelingen können, innerhalb der nächsten zwei Wochen die restlichen Beratungen über den Nachtragshaushalt 1952 durchzuführen. Bei gutem Willen müßte daß ohne weiteres möglich sein. Ich darf hinzufügen: daß dieser Nachtrag 1952 noch nicht verabschiedet ist, ist nicht die Schuld des Parlaments und seiner Ausschüsse. Darüber ist aber schon so oft gesprochen worden, daß das nicht weiter erörtert zu werden braucht.
Wir erkennen jedenfalls durchaus an - und unsere Anerkennung soll in keiner Weise dadurch abgeschwächt werden, daß sich die Abwicklung des Nachtragshaushalts 1952 so langweilig gestaltet hat -, daß es eine große Leistung ist, den Haushaltsplan 1953 zu diesem Zeitpunkt vorzulegen. Dafür gebührt dem Herrn Bundesfinanzminister, insbesondere aber auch seinen Mitarbeitern, unser Dank; von ihrer Belastung und häufig auch Überlastung haben sicherlich viele von uns eine Vorstellung. Also auch den Mitarbeitern des Herrn Bundesministers gebührt unser Dank dafür, daß beim letzten Haushalt dieser Legislaturperiode der Termin gewahrt, also zunächst einmal die erste Voraussetzung erfüllt worden ist.
Wir glauben, daß, obwohl nun diese Änderungen kommen werden, die Arbeit des Haushaltsausschusses, dem ja hoffentlich die Drucksache Nr. 4000 bei Abschluß dieser Debatte überwiesen wird, nicht stillzustehen braucht. Die Einzelpläne werden, besonders auf dem Gebiet der reinen Verwaltung, von diesen Änderungen, so groß sie auch sein mögen, nicht betroffen; sie können also auch beraten werden, sobald das Plenum die Einzelpläne dem Haushaltsausschuß überwiesen hat. Wir werden uns Mühe geben, keine Zeit zu versäumen.
Ich möchte zum Haushaltsgesetz selbst einige Bemerkungen machen; es ist weder in der Rede des Herrn Ministers noch sonst bisher erwähnt worden. Die Änderung des Betrags von 30 000 DM auf 50 000 DM gemäß § 30 a der Reichshaushaltsordnung entspricht der Kaufkraftentwertung unseres Geldes und muß vorgenommen werden.
Daß wieder so viele beamtenrechtliche Bestimmungen im Haushaltsgesetz stehen, finde ich grundsätzlich nicht sehr schön; aber es geht offenbar nicht anders. Meine Freunde, die von diesen Dingen besonders viel verstehen, sind mit dem, was da vorgeschlagen ist, einverstanden.
Etwas anders sieht es mit dem § 10 aus, der die Bundespost verpflichtet, monatlich 15,4 Millionen DM an den Bundesfiskus abzuliefern. Nach den mir zugegangenen Mitteilungen scheint es mir nicht ganz sicher, daß die Post, wenn sie einen ordentlichen und modernen, fortschrittlichen Betrieb aufrechterhalten will, tatsächlich in der Lage sein wird, monatlich diesen Betrag abzuliefern. Zu diesem Punkt würden wir von der Bundesregierung - wir haben ja im Haushaltsplan eine Kabinettsvorlage vor uns - gern eine beruhigende Erklärung hören. Das gleiche gilt hinsichtlich der Verpflichtung, die das Gesetz der Bundesbahn und der
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Bundespost mit Bezug auf die Ausgleichsforderungen auferlegt. Ich brauche hier nicht weiter darauf einzugehen.
Eine ganz kleine Bemerkung möchte ich dagegen über die Bundesbahn machen. In der Rede des Herrn Bundesfinanzministers ist sie nur sehr am Rande erwähnt worden. Wir wissen, daß der Bundesbahn aus dem Bundeshaushalt ein Darlehen von 60 Millionen DM gegeben werden soll. Wir begrüßen das, sind aber andererseits der Meinung, daß man der Bundesregierung ans Herz legen sollte, sich dieses größten, wertvollsten geschlossenen Vermögensstücks des Bundesvermögens möglichst intensiv anzunehmen. Die beiden bisher durchgeführten Tariferhöhungen haben das erwünschte Ergebnis weder in Richtung auf den Ertrag noch auf den Umsatz gebracht, und hier muß unter Umständen weiter geholfen werden. Dabei wird von uns in keiner Weise bestritten, daß es wahrscheinlich notwendig sein wird, daß auch die Bundesbahn selbst sich um eine Steigerung und Verbesserung ihrer Erträge, vielleicht auch auf ganz neuen, bisher nicht beschrittenen Wegen, bemüht. Aber die besondere Fürsorge der Bundesregierung für dieses große Vermögensobjekt möchten wir doch erbitten.
Zum Haushaltsgesetzentwurf möchte ich noch einen uns allerdings recht bedenklich erscheinenden Punkt erwähnen. Die Nichtanwendung des § 75 der Reichshaushaltsordnung für dieses Jahr ist ein Kniff, um den Haushaltsausgleich herbeizuführen. In schwierigen Zeiten wie den heutigen wird man vielleicht tatsächlich einmal diese aus sehr konservativen und gut überlegten Gründen in die Haushaltsordnung geschriebene Bestimmung, daß der Fehlbetrag eines Haushaltsjahres in das übernächste Jahr als Ausgabe eingesetzt werden muß, beiseite lassen können. Ich glaube aber, daß wir uns sehr vornehmen müssen - Bundesregierung und Parlament -, daß es nur einmal zu einer solchen Abweichung von der berechtigterweise vorhandenen Gesetzesbestimmung kommt; denn sollte sich das wiederholen oder gar zur Gewohnheit werden, würden daraus sehr schwere Gefahren abzuleiten sein.
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- Na, eben! Aber wir wollen es, wenn es nach mir geht, überhaupt nicht wiederholen.
Im § 14 erwartet die Bundesregierung, daß die Kreditermächtigung von drei Milliarden verlängert wird. Wenn man sich überlegt, in welchem Ausmaß bisher diese Ermächtigung in Anspruch genommen worden ist, kann man sich fragen, ob es notwendig ist, diese Ziffer so hoch zu belassen. Ich glaube, wir sollten darüber auch im Ausschuß noch einmal sprechen.
Die Frage, daß der Herr Bundesfinanzminister den Kreditplafond bei der Bank deutscher Länder weiter von eineinhalb auf zweieinhalb Milliarden erhöht haben möchte, ist wohl eine Angelegenheit, die im Wege der Gesetzgebung im Gesetz über die Bank deutscher Länder erledigt werden muß. Man wird sich dabei fragen, ob es notwendig ist, so weit zu gehen, und ob es nicht vielleicht möglich sein wird, diese Bestimmung gleich in das Gesetz über die Bundesbank zu bringen, das wir hoffentlich bald werden verabschieden können.
Es ist nicht meine Aufgabe, hier zu den Steuerfragen zu sprechen, die besonders vom Kollegen Neuburger so ausführlich behandelt worden sind; dazu wird sich ein anderer meiner Kollegen äußern. Generell möchten wir aber gern zum Ausdruck bringen, daß wir uns darüber freuen, daß die so dringlich notwendige Steuersenkung nun auch mit eigener Initiative vom Bundesfinanzministerium angepackt worden ist.
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Wir wünschen, daß wir bald die Unterlagen im Parlament haben, damit wir uns auch mit diesen sehr entscheidenden Dingen befassen können. Im übrigen bittet meine Fraktion, nach Abschluß der Beratung die Drucksache Nr. 4000 dem Haushaltsausschuß zu überweisen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Jaffe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn mit der in der jungen Geschichte dieses Hohen Hauses erstmaligen Tatsache, daß der Haushaltsplan des kommenden Etatjahres dem Plenum des Parlaments vor Beginn des betreffenden Jahres vorliegt, ein gesetzlich vorgesehener Zustand erreicht ist, so begrüßen wir das nicht nur aus diesem Grunde. Die Einlösung des bekanntlich wiederholt darüber gegebenen Versprechens des Bundesfinanzministers war schon fast zu einer Prestigefrage geworden; und der Zustand der durch Überrollung, Wiederholung und umfangreichste Nachträge gekennzeichneten Behelfsmethode mit allen ihren Schattenseiten, die uns genügsam bekannt sind, mußte beendet werden. Das ist erfreulicherweise entgegen der gerade bei Ihnen, meine Damen und Herren von der Linken, immer wieder betonten Skepsis nunmehr zur Tatsache geworden, und wir erkennen diese außerordentliche Leistung des Bundesfinanzministers freimütig und rückhaltlos an.
Der Ihnen vorliegende Bundeshaushalt für 1953 wird vor seiner Verabschiedung natürlich eingehender Beratung zu unterziehen sein. Heute in der ersten grundsätzlichen Aussprache sollte man mit der Kritik an Einzelheiten oder gar Einzelplänen etwas zurückhaltender sein, als es manchmal der Fall ist. Es stellt sich sonst nur allzuoft heraus, daß eine a priori vorgebrachte Kritik bei voller Kenntnis der Zusammenhänge, wie sie sich natürlich nur in den Ausschußberatungen ergeben kann, sachlich nicht mehr zu vertreten ist.
({0})
- Vielleicht einer einzigen; ich kann aber nachher darauf zurückkommen. - Das hat mit grundsätzlicher Kritik, zu der in jedem Lande und in jedem Jahre die Haushaltsdebatte bekanntlich Anlaß gibt, nichts zu tun. Im Gegenteil, es wäre nur allzu erwünscht, wenn die Haushaltsdebatten und damit die öffentliche Finanzpolitik weitesten Kreisen der Bevölkerung in Presse, Rundfunk und Reden im Lande draußen nähergebracht und das Interesse an diesem Gebiet der Innenpolitik weit mehr geweckt und gefördert würde, als das bisher leider gerade bei uns in der Bundesrepublik der Fall ist. Schon als Steuerzahler hat der Staatsbürger ein Anrecht darauf, informiert zu werden, und andererseits auch die Pflicht, von seinem Kontrollrecht Gebrauch zu machen. Ich glaube, gerade wir Abgeordneten sollten hier weit mehr als bisher dazu beitragen.
Zur Beurteilung des auf 261/2 Milliarden DM gestiegenen Gesamtvolumens unseres Bundeshaus({1})
halts sollte man sich meiner Ansicht nach immer vor Augen halten, daß naturgemäß eine von Jahr zu Jahr gestiegene Größenordnung des öffentlichen Finanzbedarfs nicht in ihrer absoluten Höhe, sondern nur in ihrer Relation mit der Größe und dem Ansteigen des Volkseinkommens bzw. des Sozialprodukts als Maßstab der volkswirtschaftlichen Leistung und Prosperität gesehen werden muß. Die Steigerung des Gesamtumfangs des Bundeshaushalts - der Herr Bundesfinanzminister hat ja gestern die Zahlen genannt - von 16,3 Milliarden im Jahre 1950 über 21 Milliarden und 23,2 Milliarden bis auf 261/2 Milliarden jetzt im Jahre 1953 ist überhaupt nur dann im richtigen Lichte zu sehen und kritisch zu würdigen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Sozialprodukt - auch diese Zahlen sind gestern genannt worden - sich von 90,2 Milliarden DM im Jahre 1950 über 1131/2 Milliarden im Jahre 1951 auf etwa 120 Milliarden im Jahre 1952 erhöht hat und im Jahre 1953 aller Voraussicht nach etwa um 4 bis 5 % auf 125 Milliarden DM zu steigen im Begriff ist.
Fürchten Sie bitte nicht, daß ich Sie weiter mit Zahlen langweilen werde. Sie werden von mir so gut wie keine Zahlen mehr zu hören bekommen.
Daß steigender Finanzbedarf des Bundes wie der Länder und Gemeinden - man muß natürlich immer an den Gesamtumfang der Haushalte denken, und zwar einen Umfang, der überwiegend bisher aus laufenden Abgaben, d. h. praktisch aus Steuern, gedeckt worden ist - nur aus einem steigenden Volumen der ,Gesamtwirtschaft des Bundesgebietes gedeckt werden kann, wenn nicht die Gesamtwirtschaft unerträglichen Belastungen ausgesetzt werden soll, ist selbstverständlich. Entscheidend dabei ist aber, bei welcher Abschöpfung des Volkseinkommens durch den Staat der kritische Punkt und damit die Grenze erreicht ist, die Grenze nämlich, die ungestraft auf die Dauer kein Staat überschreiten kann, ohne die Volkswirtschaft in ihrer Ertragsfähigkeit zu 'gefährden. Steuern, insbesondere direkte, können auf die Dauer nur aus Einkommen und Gewinnen fließen. Das ist natürlich eine Binsenwahrheit; aber man sollte diese Wahrheit gerade in diesem Zusammenhang noch einmal aussprechen.
Führt die übermäßige Besteuerung zur Wegnahme eines allzu großen Teils des Einkommens und zum Verschwinden der Gewinne, so bedeutet Idas natürlich einen Rückgang des Konsums einerseits und eine Schrumpfung des Gesamtvolumens der Wirtschaft auf der andern Seite, also auf die Dauer Rückgang der Steuereinnahmen und - damit ist der Kreislauf geschlossen - für Iden Staat die Unmöglichkeit, seinen Aufgaben welter voll gerecht zu werden. Dieser kritische Punkt - das ist meine feste Überzeugung - ist seit einiger Zeit nicht nur erreicht, sondern überschritten. Ich darf dabei auf meine Ausführungen anläßlich der ersten Beratung des Nachtragshaushalts 1952 verweisen, in der ich die Situation - also bereits vor einiger Zeit - so zu charakterisieren mir erlaubt habe, daß einmal die dem Steuerzahler auferlegte Gesamtbelastung nicht mehr tragbar sei und daß der geeignete Teil der Ausgaben des Bundeshaushalts in anderer Form, d. h. in der Form von fundierten Schulden abzufangen sei.
Beides finden Sie, glaube ich, heute bestätigt, wenn Sie den Haushalt im Zusammenhang mit der wohl in greifbare Nähe gerückten Steuerreform - leider nur der sogenannten kleinen - sehen. ,Gerade der Herr Kollege Schoettle, dessen Abwesenheit ich auch aus persönlichen Gründen heute ganz besonders bedauere, hat in seiner letzten Haushaltsrede zum Nachtrag 1952 darüber sehr interessante Bemerkungen gemacht. Er hat nämlich u. a. gesagt - an uns, die Regierungskoalition, gewandt -, wir sollten hierzu Farbe bekennen. Nun, ich glaube, wir bekennen Farbe! Wir haben einen Initiativgesetzentwurf vorgelegt, und wir begrüßen, ich glaube, mit Ihnen zusammen, daß wir damit den Anstoß gegeben haben zu dem Entschluß der Bundesregierung, die Dinge so anzupacken, daß nicht nur eine fühlbare Senkung der Steuern, sondern auch eine weitgehende Vereinfachung der Steuergesetze vorgesehen wird.
Angesichts der Schwierigkeiten, unseren Haushalt an sich schon auszugleichen, ist die Frage durchaus berechtigt, ob es zu verantworten ist, diesen Schritt jetzt zu tun. Daß er erforderlich ist, darüber kann wohl kein Zweifel herrschen. Ob er zu verantworten ist, hängt - jedenfalls von der Seite des Finanzministers gesehen - davon ab, ob die Steuersenkung auf die Dauer zu einem kleineren oder zu einem größeren Gesamtaufkommen führt. Wir von der Regierungskoalition sind mit dem Finanzminister der Ansicht, daß tragbare Steuersätze auf lange Sicht gesehen - und nur so darf man bekanntlich Finanzpolitik betreiben, man darf sie nicht auf den Augenblick abstellen - ein nachhaltig gesichertes ausreichendes Steueraufkommen gewährleisten.
({2})
Sie fördern das Gesamtvolumen der Wirtschaft, das bei einer die Substanz immer mehr angreifenden Gesamtbelastung zwangsläufig absinken müßte, und sie bringen den nicht selbständigen Einkommenbeziehern die dringend notwendige Entlastung. Wir halten es für höchste Zeit, hier einzugreifen, und sind gewillt, das Risiko, das in einer solchen Steuersenkung nun einmal liegen muß, auf uns zu nehmen. Daß wir dabei eine „Durststrecke" zu durchlaufen haben, läßt sich nicht vermeiden, und es müssen daher über die bereits vorgesehenen Maßnahmen zur Abgleichung des Haushalts hinaus vorübergehend Kassenkredite in Anspruch genommen und alle Anleihemöglichkeiten ausgeschöpft werden. Eine gesunde Volkswirtschaft wird - das ist jedenfalls unsere Auffassung - auch hiermit fertig werden. Wir glauben, die Bundesrepublik mit der bisher von der Regierung und den hinter ihr stehenden Parteien verfolgten Politik einer Gesundung der Wirtschafts- und Finanzsituation entgegengeführt zu haben und in der Lage zu sein, diese auch weiterhin gesund zu erhalten.
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Entweder, meine Damen und Herren, hat man Vertrauen zu dem System, das man als richtig erkannt hat und zur Anwendung zu bringen in 'der Lage ist, oder man hat es nicht, und wir - das betone ich an dieser Stelle - wir haben dieses Vertrauen.
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Eins ist dabei natürlich unvermeidbar. Wir sollten unter allen Umständen - auch darauf hat der Herr Finanzminister gestern schon hingewiesen - unterlassen, durch Beschlüsse des Bundestags - und seien die Anträge, die diesen Beschlüssen zugrunde liegen, noch so gut gemeint - zu den im Haushalt bereits vorgesehenen Ausgaben noch neue hinzuzufügen, ohne an anderer Stelle dafür die nötigen Beträge einzusparen. Wir bringen sonst
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das Gleichgewicht der ohnehin aufs äußerste angespannten Finanzlage des Bundes ins Wanken und gefährden letzten Endes die Stabilität der Währung, die als vordringlichste Voraussetzung einer gesicherten Wirtschafts- und Finanzpolitik schlechthin uns allen in diesem Hause oberstes Gebot ist.
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Eine grundsätzliche Betrachtung des Bundeshaushalts sollte sich, um zu einer Würdigung seiner Struktur und seines Umfangs zu kommen, naturgemäß in erster Linie auf die Ausgaben erstrecken. Hier möchte ich bitten, den gesamten Ausgabenkomplex einmal unter dem großen Gesichtspunkt zu betrachten, der überhaupt die Grundlage für die Finanzpolitik des Bundes ist. Dabei möchte ich das, was der Herr Bundesfinanzminister gestern hierüber gesagt hat, besonders unterstreichen und in einigem ergänzen.
Das Schwergewicht der Bundesausgaben gründet sich - das ist bei der Struktur unserer Bundesrepublik nur natürlich - auf die übergebietliche staatswirtschaftliche Funktion, die dem Haushalt des Oberverbandes in einem Bundesstaat eigentümlich ist. Dies trifft für etwa 90 % der Ausgaben zu, Ausgaben, die als große gesamtstaatliche Ausgaben sich nicht unmittelbar aus der Existenz und Organisation des Bundes als Gebietskörperschaft ergeben. Der Bund trägt hier die Aufgaben gewissermaßen an Stelle der Länder, weil ihre überregionale Bedeutung und unterschiedliche regionale Streuung ihre Zusammenfassung im Haushalt des Oberverbandes und damit ihre Finanzierung aus zentralen Mitteln erforderlich macht. Hätten wir nicht den staatsrechtlichen Zusammenschluß der Länder zu einem Bund - bitte, denken Sie daran, meine Damen und Herren -, so fielen diese Aufgaben den einzelnen Ländern zur Last, in deren Bereich sie zufällig anfallen, und sie wären aus den Einnahmen zu decken, die diesen Ländern zufällig zur Verfügung stehen. Der Bundeshaushalt ist mit der Übernahme dieser Lasten daher zum Gemeinschaftshaushalt aller Länder geworden.
Dies wird besonders deutlich, wenn Sie damit den Zustand von 1945 bis 1949 vergleichen, der noch allen in Erinnerung sein dürfte, und sich erinnern, zu welchen Spannungen unter den Ländern die regionale Streuung der Lasten und Deckungsmittel geführt hat. Einige Länder vermochten dabei hohe Haushaltsüberschüsse zu erzielen, andere konnten aus Mangel an Mitteln ihren Aufgaben kaum gerecht werden, und zwar gerade die Länder, die von den gesamtstaatlichen Lasten - denken Sie z. B. an das Flüchtlingsproblem als das hervorspringendste - am stärksten betroffen waren. Hier zeigt sich im staatswirtschaftlichen Zusammenleben der Länder die entscheidende Bedeutung der Existenz des Bundes, der mit der Übernahme der Lasten von überregionaler Bedeutung - ich erlaubte mir, es eben schon zu betonen - und ihrer Finanzierung aus den von der gesamten Volkswirtschaft aufgebrachten Steuermitteln eine unentbehrliche Ausgleichsfunktion übernommen hat. Diese Funktion also ist es, die für den weitaus überwiegenden Teil der Ausgaben im Bundeshaushalt bestimmend ist.
Der Mehrbedarf im Haushalt 1953/54 gründet sich im wesentlichen nicht auf Mehrbedürfnisse der eigentlichen Bundesverwaltung. Letztere beansprucht bekanntlich bisher nur einen geringen Bruchteil der Mittel. Der Mehrbedarf entsteht fast ausschließlich aus der stärkeren Beanspruchung im
Bereich der übergebietlichen Aufgaben. Daß der Bund zur Erfüllung dieser Ausgleichsaufgabe auf eine Beteiligung an dem Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer angewiesen ist, liegt auf der Hand, und damit bei steigender Beanspruchung dieser Funktion auch in erhöhtem Maße. Sonst würde die Intensität der eben skizzierten überregionalen Aufgaben geschwächt werden. Gerade die schwächeren Gebietsteile würden betroffen werden. In ihrem Interesse liegt es somit ganz besonders, meine Damen und Herren, dem Bund einen angemessenen Anteil an dem genannten Aufkommen nicht zu verweigern, denn gerade in die finanzschwächeren Länder fließt weit mehr durch die Ausgleichsfunktion des Bundes zurück, als sie dem Bund geben, und es liegt in ihrem wohlverstandenen eigenen Interesse, statt zu einer Schwächung zu einer Intensivierung dieser Funktion beizutragen.
Ich darf - der Herr Bundesfinanzminister hat, glaube ich, diese Zahlen gestern genannt - auf mein eigenes Heimatland Niedersachsen hinweisen. Durch die Ausgleichsfunktion erhält Niedersachsen allein aus den durch Steuern und Abgaben aufgebrachten Mitteln im ordentlichen Haushalt über 550 Millionen DM mehr zurück, als es praktisch durch Abgaben und Steuern, die im Lande aufgekommen sind, an den Bund abliefert. Nehmen Sie dazu noch die weiteren großen Vermögensstöcke, die auch aus den Ländern gespeist werden: den Lastenausgleich, die Sozialversicherung, so beläuft sich diese Summe auf über 830 Millionen DM. Das sind Zahlen, die uns gewiß zu dieser Betrachtung rechtfertigen.
Für die finanzstarken Länder erscheint die vorgesehene Erhöhung des Bundesanteils auf 40 % im Hinblick auf die Gesamtsituation unserer Auffassung nach zumutbar. Die gegenwärtige Unausgeglichenheit der Wirtschafts- und Sozialstruktur des Bundesgebiets, deren allmähliche Milderung bekanntlich eine vordringliche Aufgabe der Ausgleichsfunktionen des Bundes ist, erfordert von den Finanzstarken Opfer zugunsten der Schwachen. Mit dem horizontalen Finanzausgleich allein läßt sich dieser übergebietliche Ausgleich nicht durchführen. Wir sind dabei der Meinung, daß die Minderung oder vielmehr der Verzicht auf das weitere Ansteigen der Steuereinnahmen, den der Bund durch die geplante Steuersenkung vorübergehend auf sich zu nehmen bereit ist, auch von den Ländern anteilig in Kauf genommen werden sollte, um im Interesse der Gesamtheit des Bundesgebiets auf lange Sicht eine gesunde Finanzpolitik sicherzustellen. Wir bedauern - ich bedaure besonders, daß ich es hier zur Sprache bringen muß - hier die Stellungnahme des Bundesrats, der es sich mit der, ich muß schon sagen: äußerst dürftigen Begründung seiner Ablehnung der höheren Beteiligung der Länder an der Einkommen- und Körperschaftsteuer nur allzuleicht gemacht hat.
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- Jawohl, - trotzdem sind wir Föderalisten, Herr Wellhausen!
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Der größte Ausgabenposten des Haushalts sollte auch angesichts seiner politischen Bedeutung nicht unerwähnt bleiben, nämlich die Verteidigungslasten mit 9,9 Milliarden DM. Meine Damen und Herren, wie sehr gerade meine Freunde von der
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Deutschen Partei angestrebt haben, durch schnellstes Inkraftsetzen der außenpolitischen Verträge die bisherigen Besatzungskosten - denn um die handelt es sich ja überwiegend noch - in den Verteidigungsbeitrag zu überführen, dürfte bekannt sein. Es ist entscheidend wichtig, baldigst den Zustand der einseitigen Festsetzung eines so großen Milliardenbetrags im Haushalt auf Grund des Besatzungsstatuts zu beenden,
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um in Zukunft sowohl bei der Ermittlung und Festlegung der Höhe des Beitrags wie bei seiner Verausgabung maßgebend mitwirken zu können.
({11})
Meine Fraktion ist von Anfang an wie keine andere bestrebt gewesen, eine schnelle Ratifizierung auch aus diesem Grunde mit herbeizuführen. Sie bedauert, daß der Weg durch den Dschungel der Verfassungsfragen nur schrittweise gebahnt werden kann.
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Der hohe Kostenanteil für Berlin muß, so sehr er auch den Haushalt belastet, unter allen Umständen beibehalten werden. Gerade in der augenblicklich verschärften Situation, die uns täglich aufs neue vor Augen geführt wird, ist eine Einschränkung dieser Mittel indiskutabel. Dabei stellen wir erfreulicherweise fest, daß das uns wohlgesinnte Ausland immer klarer zu sehen beginnt, daß hier eine Aufgabe gestellt ist, die die ganze freie Welt angeht.
Das soziale Problem Nr. 1, der Wohnungsbau, erscheint in seiner gesamten Größenordnung nur zum Teil im Bundeshaushalt. Herr Professor Gülich hat vorhin sehr richtig darauf hingewiesen, daß seine Finanzierung aus einer ganzen Reihe verschiedener Quellen erfolgt. Mit besonderer Genugtuung stellen wir rückblickend fest, daß die Zahl der mit Unterstützung öffentlicher Mittel errichteten Wohnungen nicht nur von Jahr zu Jahr gestiegen ist, sondern daß die Bundesrepublik auf diesem Gebiet vor allen anderen europäischen Ländern weitaus an der Spitze marschiert, wahrlich eine einmalig dastehende Leistung. Es erscheint uns aber auf die Dauer nicht vertretbar, Steuermittel in dem bisherigen Umfang für den Wohnungsbau aufzuwenden.
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Die Finanzierung dieser echten Investitionen muß einmal auf die echte Form der langfristigen Kapitalanlage zurückgeführt weiden.
({14})
Hier muß im Gegensatz zum Kollektiv der Eigentumsgedanke in unverwässerter Form die Grundlage bleiben.
({15})
Dabei schweben uns nicht überwiegend Normwohnungen mit großenteils unzureichender Wohnfläche als Ideal vor, sondern familiengerechte, individuell ausgestaltete Wohnungen zu erschwinglichen Mieten.
({16})
Die Schaffung und Erhaltung von Eigentum überhaupt ist für meine Freunde und mich eine grundlegende Maxime jeder Wirtschafts- und Finanzpolitik.
({17})
An dieser Stelle möchte ich, wie schon oft - ich bin nun einmal der Apostel dieser Dinge -, betonen, daß hierzu die Kapitalbildung, insbesondere die private, in jeder Weise gefördert werden und die sich noch zeigenden kapitalfeindlichen Tendenzen - ich erinnere an die vorhin erwähnte Doppelbesteuerung - endgültig beseitigt werden müssen. Wir erkennen gerne an, daß von seiten der Bundesregierung gerade in letzter Zeit auf diesem Gebiet viel erreicht worden ist.
({18})
Nicht der Staatskapitalismus führt hier zum Ziel, sondern die Bildung von Privateigentum mit weitester Streuung.
({19})
Auf die für die Förderung und Stützung der Landwirtschaft aufgewendeten Mittel werden wir zunächst nicht verzichten können.
({20}) Subventionen scheinen uns dabei nicht das Ideal zu sein. Sie durch ein allmähliches Hineinwachsen in eine für die Rentabilität der Landwirtschaft ausreichende natürliche Preisrelation für landwirtschaftliche Erzeugnisse zu ersetzen, müßte unser Ziel sein. Wir stellen mit Befriedigung fest, daß im Sinne einer konstruktiven Mittelstandspolitik in diesem Haushalt eine wesentliche Verstärkung der hierfür bestimmten Mittel vorgesehen ist. Alle Wünsche der mittelständischen Wirtschaft, insbesondere des Handwerks, scheinen allerdings noch nicht erfüllt.
Das weite Gebiet der Sozialpolitik möchte leb in diesem Zusammenhang nur erwähnen. Es liegt uns ganz besonders am Herzen, und wir werden in der zweiten Beratung dieser Frage einen sehr breiten Raum widmen.
Die Inanspruchnahme des weitaus größten Teils der Haushaltsmittel für die vordringlichsten Aufgaben der Verteidigung, der Kriegsfolge- und Soziallasten und andere aus der Not der Zeit geborene Probleme hat es mit sich gebracht, daß das Gebiet der wissenschaftlichen und kulturellen Aufgaben, insbesondere auch das der Forschung - ich bedaure, daß Herr Professor Gülich gerade nicht anwesend ist; denn ich stimme da in vielem mit ihm überein - nur ganz unzureichend versorgt werden konnte. Es ist wahrlich ein trostloser Zustand, daß wir, deren wissenschaftliche und kulturelle Leistung einmal in der Welt an erster Stelle der Rangliste stand, über die täglichen Nöte hinaus einfach bisher nicht die Mittel haben aufbringen können, die hier im Interesse der Wiedererlangung der Weltgeltung deutschen Geistes- und Kulturgutes eingesetzt werden müßten. Geradezu beschämend - auch das möchte ich hier klar zum Ausdruck bringen - empfinden wir dabei, daß Gelehrte von internationalem Ruf als Vertriebene in kärglichsten Verhältnissen bei uns ihr Dasein fristen müssen.
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Ich möchte einen dringenden Appell an alle damit
befaßten Stellen richten, hier Abhilfe zu schaffen.
Ähnlicher verstärkter Hilfe bedürfen auch die Opfer des Nationalsozialismus, für die angemessen zu sorgen eine Ehrenpflicht jeder Regierung sein sollte.
({22})
Wenn Mittel bis zur grundsätzlichen Besoldungsneuordnung für die Beamten - leider kaum noch in dieser Legislaturperiode durchzuführen - einschließlich solcher für die Novelle zum Gesetz gemäß Art. 131, das Dritte Besoldungsänderungsgesetz und die Anforderungen, die das neue Bundesbeamtengesetz bekanntlich stellen wird, vom
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Finanzminister bereitgestellt werden, so begrüßen wir das ganz besonders.
Haushaltspolitik, meine Damen und Herren, ist ihrem Sinne nach überwiegend Innenpolitik. Angesichts der im Werden begriffenen europäischen politischen Gemeinschaft, an der ja sehr viele unserer Kollegen ständig intensiv mitarbeiten, gewinnt aber die Haushaltspolitik der Bundesregierung in starkem Maße auch einen außenpolitischen Aspekt; müssen doch im Rahmen dieser Gemeinschaft Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Beachtung gemeinsamer Grundsätze der Wirtschaftspolitik getroffen werden. Diese Grundsätze, die jede inflationistische Politik ausschließen und die Grundfragen der Kapitalbildung und Investitionspolitik mit dem Ziel der Erhöhung des Lebensstandards durch Produktionssteigerung regeln sollen, spiegeln sich im Wirtschafts-, Finanz- und Sozialprogramm der Bundesregierung bereits weitgehend wider. Sie dürften damit maßgeblich auch auf diesen Gebieten zur baldigen Verwirklichung dieser europäischen Gemeinschaft beitragen.
Abschließend möchte ich feststellen: Der vorliegende Haushalt erscheint uns als technisch wie strukturell, nach Inhalt wie Umfang abgerundetes Ergebnis einer, ich darf mir erlauben, zu sagen: vorbildlichen Arbeit der Ressorts, insbesondere des Bundesfinanzministers. Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, auch an dieser Stelle zu danken, erscheint mir als eine Pflicht, der ich mich gern unterziehe. Wir aber, meine Damen und Herren, die mit dem Sommer dieses Jahres unsere Arbeit an den zweiten Deutschen Bundestag übergeben, dürfen mit dem alten Bibelwort sagen: Wir haben unser Haus bestellt.
({24})
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Aretin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine mißliche Sache, als überzeugter Föderalist zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teiles der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer hier zu sprechen. Ich tue das nicht in der Überzeugung, daß es mir gelingen wird, die Meinung dieses Hohen Hauses umzustimmen, sondern ich tue es deshalb, weil ich glaube, daß ich vor den Wählern und vor den Föderalisten im Bund und auch vor den Föderalisten dieses Hauses verpflichtet bin, diese Auffassung einmal zu vertreten.
Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede den Gemeinschaftscharakter des Bundeshaushalts mit den Haushalten der Länder ausführlich unterstrichen. Er hat damit aber meiner Meinung nach ohne Zweifel den Grundgedanken von Art. 109 übersehen; denn die selbständige Haushaltsführung von Bund und Ländern ist durch den Willen des Parlamentarischen Rates und durch die Verabschiedung des Grundgesetzes maßgebendes Gesetz für uns hier geworden. Die Aushöhlung dieses Gesichtspunktes kann nur zu bedenklichen Erscheinungen führen. Die steigende Inanspruchnahme gefährdet die Kontinuität der Einnahmeseite der Länder. Bedenklich stimmt insbesondere die Tendenz, daß der Bund es sich erspart, selbst zu sparen, und die Länder zwingt, an seiner Stelle zu sparen.
({0})
Der Bund ist nicht nur deshalb mächtig, weil er groß ist, sondern die Macht des Bundes beruht im wesentlichen darauf, daß er auch in der Lage ist, die Klinke der Gesetzgebung zu drücken.
Wo können nun die Länder sparen? Sie haben genau wie der Bund ihre starren Ausgaben bei den Personalkosten. Diese bestimmen wir selbst durch unsere Bundesgesetzgebung, ebenso z. B. den Schuldendienst. Als disponible Ausgaben der Länder bleiben also ihre eigentlichen Hoheitsaufgaben, jene Aufgaben, die mit der Förderung der Universitäten und anderer kultureller Einrichtungen, mit dem Straßenbau und dergleichen zusammenhängen. Das Grundgesetz hat dies den Ländern überlassen, damit sich dort ein eigenes reges Leben entfalten kann. Die Tendenz des Bundes, an diesen Ausgaben in den Ländern zu sparen, widerspricht also dem klaren Grundgedanken des Gesetzgebers.
Hier vielleicht ein Wort zu der Rede des -jetzt abwesenden - Herrn Kollegen Gülich. Ich dachte, als ich ihn hörte, an das Wort von Goethe in seinem „Faust": „Es ist das ganze Weh und Ach aus einem Punkte nur zu heilen."
({1})
„zu kurieren".
Also sagen wir „kurieren"!
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Dieser eine Punkt ist nach Auffassung des Herrn Kollegen Gülich der Zentralismus. Die Geschichte lehrt jedoch gerade, daß der Zentralismus für das deutsche Volk eine Kur nach dem Stil des bekannten Dr. Eisenbart ist, eine Kur, an der wir alle schon beinahe unser nationales Leben verloren haben. Der sehnsüchtige Traum von einem Bundeskultusministerium - ({1})
- Wir sollen uns nicht sträuben? Herr Kollege, ich bin der Meinung, daß jeder seine Wähler vertritt. Meine Wähler sind nur anderer Meinung als die Ihren. Darum sind Sie da und bin ich hier. Der sehnsüchtige Traum von einem Bundeskultusministerium stimmt mich bedenklich. Die Forschung muß koordiniert werden, aber nicht dadurch, daß ihr ein Bundeskultusministerium aufgepfropft wird, sondern durch eine freiwillige und im einzelnen auf der persönlichen Ebene stattfindenden Zusammenarbeit. Das Reichskultusministerium - und das möchte ich unterstreichen - hat nie das Klima geschaffen, in dem Forschung und Wissenschaft gedeihen können. Das Bundeskultusministerium wird die gleiche Aufgabe auch nie erfüllen können.
Was nun die zentrale Bundesfinanzverwaltung anbetrifft, so überlasse ich die Antwort darauf berufenerem Munde, vielleicht dem Herrn Bundesfinanzminister.
Ich möchte auf eine Gefahr noch nachdrücklich hinweisen. Die heutige Entwicklung in der Richtung des Verhältnisses zwischen Bund und Ländern auf finanziellem Sektor droht die Länder zu Kostgängern des Bundes zu machen. Ich habe vor wenigen Tagen durch Zufall einen Artikel in die Hand bekommen, den der heutige Bundesfinanzminister als Staatsrat und verantwortlicher Leiter
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der bayrischen Finanzen im Jahre 1931 in dieser Richtung geschrieben hat.
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Ich darf mit Freude feststellen, daß das, was damals der heutige Bundesfinanzminister ausgeführt hat, wahrscheinlich auch noch heute ihm selbst gegenwärtig sein wird. Ich hoffe, daß Sie mich verstehen, wenn ich Ihnen sage: Der Bundesfinanzminister, der 1931 diese Auffassung vertreten hat, wird auch in der heutigen Zeit verständnisbereit dieser Warnung gegenüberstehen.
Der Bund rationiert derzeit den Brotkorb der Länder durch die Steuergesetzgebung. Er verteilt das Brot aus dem Brotkorb, indem er z. B. die Beamtenbezüge bestimmt, und er nimmt sich den Löwenanteil aus diesem Brotkorb heraus, und das, meine Damen und Herren, wird - wie Sie mir zugeben werden - wohl kaum die volle Zustimmung aller Föderalisten finden können.
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- Das macht der Bundesfinanzminister, das ist richtig Aber wir wollen eines festhalten, und das möchte ich hier heute unterstreichen: Es gäbe manch einen Herrn in diesem Hohen Hause, der als Bundesfinanzminister nicht nur den Löwenanteil der Ländereinnahmen einstecken möchte, sondern wahrscheinlich diese ganz.
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Die Regelung, die wir im Haushalt 1952 über die Inanspruchnahme des Bundesanteils von den Ländersteuern gefunden haben, war in ein Seidenpapier gehüllt, nämlich in die Zusage, daß, wenn die Ländereinkünfte aus gewissen Sparten die Summe von 15,6 Milliarden übersteigen, die 37 % jeweils um 1 % ermäßigt werden. 1953 ist dieses seidene Papier repräsentiert durch die unklare, vage Zusage des Bundesfinanzministers, daß Gelder für allgemeine Zwecke an die Länder zurückfließen. Ich fürchte, diese Erinnerungen an die Erzbergersche Finanzreform müssen mit aller Entschiedenheit Bedenken auslösen, insbesondere wenn es sich um Rückflüsse wegen des Schulhausbaues handelt. Ich rede hier altruistisch und nicht egoistisch; denn gerade das Land Bayern könnte etwas profitieren. Aber der Kostgänger des Bundes zu sein, ist durch den einmütigen Willen des Bayrischen Landtags einschließlich der sozialdemokratischen Minister und Abgeordneten abgelehnt worden.
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- Er war ein Badenser, wenn ich richtig unterrichtet bin.
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Nun noch ein kurzes Wort zu der Deckungsvorlage. Ich werde mich hüten, in den Fehler zu verfallen, den gestern der Herr Bundesfinanzminister dem Bundesrat zum Vorwurf gemacht hat. Ich möchte darauf hinweisen, daß der Bundesfinanzminister offenbar in dem Zeitpunkt; in dem er den Etat mit der Inanspruchnahme der 44 % hier eingebracht hat, selber bereits nur mehr an 40 % gedacht hat, da in dem Erläuterungsheft zum Bundeshaushalt Einzelplan VIII Kap. 4 Tit. 220 nur noch der Betrag eingesetzt ist, der mit 40 % vorgesehen ist. Es mag Ermessenssache sein, ob und wie es möglich gewesen wäre, den Rest in Höhe von
0,318 Milliarden DM den Ländern zu belassen. Das ist eine Frage des Grundsätzlichen. Die Länder wären auf diesen Betrag in hohem Maße angewiesen. Es hätte aber wahrscheinlich die Kraft des Bundesfinanzministers überstiegen, angesichts der Finanzlage des Bundes auf diese Beträge nicht zurückzugreifen. Dafür haben wir Verständnis.
Ich darf aber auch Sie, meine Damen und Herren, bitten, unserem Standpunkt ebenfalls Verständnis entgegenzubringen. Die steigenden Anforderungen des Bundes höhlen die Länder finanziell aus. Sie machen es ihnen unmöglich, weiterhin wichtige Hoheitsaufgaben auf der Länderebene zu erfüllen. Ohne gesunde Glieder wird es keinen gesunden Körper geben, und ohne gesunde Länder wird es auch keinen gesunden Bund geben. Deshalb haben wir die schweren Bedenken gegen diese Bundestagsdrucksache Nr. 4006, und deshalb lehnen wir diese Vorlage ab, auch, wenn wir die einzigen in diesem Hause sein sollten, die sie ablehnen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gestrige Rede des Herrn Bundesfinanzministers war unserer Überzeugung nach keine Etatrede, sondern eine schönfärberische Wahlpropagandarede, würdig für eine Adenauersche Wahlkundgebung.
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Er hat vor dem Bundestag geredet, als ob die ungeheueren Lasten der Kriegsvorbereitung vom deutschen Volk spielend aufgebracht werden könnten. Er hat sogar eine Steuersenkung angekündigt. Er hat von den angeblich so großartigen Leistungen der Bundesregierung auf sozialpolitischem Gebiet, auf dem Gebiet des Wohnungsbaues, ja sogar des Bergarbeiterwohnungsbaues, gesprochen. Er hat die ganze ungeheuere Last der Kriegsvorbereitungen dem Volke aber verschwiegen. Er hat verschwiegen, daß noch mehr als 41/2 Millionen Wohnungen fehlen. Er hat verschwiegen, daß die Kosten für den Bergarbeiterwohnungsbau durch zusätzliche schwere Belastungen von den Verbrauchern und von den Bergarbeitern selbst aufgebracht werden müssen. Er hat verschwiegen, daß die Länder und Gemeinden ihre aufgestellten Wohnungsbaupläne wegen Fehlens von Mitteln nicht mehr durchhalten können. Er hat verschwiegen, daß die fertiggestellten Wohnungen fast nur von vermögenden Leuten bezogen werden können. Er hat verschwiegen, daß wir heute 3 Millionen Erwerbslose und mindestens 800 000 Jugendliche ohne Arbeit und ohne Lehrstellen haben. Er hat verschwiegen, daß die Lebensmittelpreise in den letzten Monaten um durchschnittlich 40 % in die Höhe gegangen sind. Er hat nicht gesprochen von den durchgeführten Mietpreiserhöhungen,
({1})
von den ungenügenden Löhnen und Gehältern,
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von der Notlage des Mittelstandes, des Einzelhandels, der Bauernschaft. Er hat die ganze große Not unseres Volkes verschwiegen, die das Ergebnis der Kriegsfinanzierungspolitik der Adenauer-Regierung ist.
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Der Herr Bundesfinanzminister hat den Haushaltsplan 1953/54 als einen Haushalt des Ringens um die Konsolidierung bezeichnet. Er hat mehrfach seine Finanzpolitik mit einer Gratwanderung verglichen, deren angebliches Ziel das Wohl des deutschen Volkes sei. Ich kenne einen Gratwanderer, der sich auch gern bei Gelegenheit seiner nachtwandlerischen Sicherheit gerühmt hat.
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Er ist ganz in der Nähe der Heimat des Herrn Bundesfinanzministers zu Hause gewesen.
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Mit Vornamen hieß er allerdings Adolf,
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und tot erklärt ist er auch heute noch nicht.
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Wir Kommunisten sind der Auffassung, daß die Adenauer-Politik unser Volk in der Tat auf einen gefährlichen, außerordentlich schmalen Grat geführt hat, von dem ihm der tödliche Absturz in einen neuen Krieg droht, wenn nicht unser Volk dieser gefährlichen und volksverderblichen Politik Adenauers schleunigst ein Ende macht.
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Wir Kommunisten bezeichnen den von der Regierung des Adenauer-Regimes aufgestellten Haushaltsplan als den Plan der Kriegsverträge, der Wiederaufrüstung, der Kriegsvorbereitung. Er ist nicht aufgestellt gemäß den Interessen des deutschen Volkes, er ist gegen die Interessen unseres Volkes gerichtet. Er ist aufgestellt nach den Befehlen der Besatzungsmächte, nach den Bedürfnissen und Interessen der amerikanischen und der westdeutschen Imperialisten.
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Von den rund 24,5 Milliarden DM Gesamtausgaben des ordentlichen Haushalts werden volle 68 % eingesetzt für die Aufrüstung zum neuen Krieg und die sogenannten Kriegsfolgelasten aus dem HitlerKrieg; mehr als 44 Milliarden RM bzw. DM hat, selbst nach den Worten des Herrn Bundesfinanzministers, die Bevölkerung Westdeutschlands sei t 1945 an Besatzungslasten aufgebracht. Die Besatzungskosten für das Rechnungsjahr 1953, die der Herr Finanzminister schönfärberisch den „Verteidigungsbeitrag" genannt hat, sind von 8,8 Milliarden DM im Haushalt 1952 auf 9,91 Milliarden DM im Haushalt 1953 gestiegen. Sie wurden kurzerhand eingesetzt, ohne daß bisher der Bundestag und der Bundesrat die Kriegsverträge ratifiziert haben.
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Zu diesem Beitrag an die „Europäische Verteidigungsgemeinschaft" - das Wort „Angriffskriegsvertrag" wäre ehrlicher und richtiger - kommen weitere 910 Millionen DM, davon allein 170 Millionen DM für die alliierten Truppen im „Brückenkopf Berlin". Rechnet man dann noch hinzu die Kosten für die Lehrsche Polizei, den Bundesgrenzschutz, der schon in der nächsten Zeit von 10 000 Mann auf 20 000 Mann erhöht werden soll,
({12})
ohne daß dafür im Haushalt auch nur ein Pfennig Deckung vorgesehen ist, rechnet man dazu die Ruhegehälter der früheren Wehrmachtangehörigen sowie die Bundeszuwendungen und die rund 1,3 Milliarden DM Zuschuß an Berlin zur Finanzierung des vorläufig noch kalten Krieges, so kommt man auf 10 578 Millionen DM echter Kriegsvorbereitungskosten. Das sind die von Herrn Schäffer selber zugegebenen 40,2 % des gesamten Haushaltes, mehr als 10 % des Produktionswertes der westdeutschen Wirtschaft.
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Zu diesen Ausgaben für den neuen Krieg müssen naturnotwendig die sogenannten Kriegsfolgelasten des Hitlerkrieges hinzugezogen werden. Das sind die Aufwendungen für die Umsiedler, die Ausgewiesenen, die Ausgebombten, die Besatzungsgeschädigten, die Angehörigen der Kriegsgefangenen, das Millionenheer der Kriegsopfer, darunter allein an Schwerbeschädigten mehr als 675 000 Personen, für deren Versorgung der Bund nur ganze erbärmliche 3,3 Milliarden DM verausgabt, ferner der Bundeszuschuß für den Wiederaufbau, den Ersatz des durch den Krieg zerstörten Wohnraumes. Insgesamt sind also in diesem Haushaltsplan rund 18 Milliarden für die Vorbereitung des neuen Krieges und die so jämmerliche und ungenügende Linderung der Kriegsfolgelasten aus dem alten Krieg eingesetzt.
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Eine erschreckende Zahl, die jeden denkenden Menschen warnen sollte, auch nur den Schatten einer neuen Kriegsgefahr heraufzubeschwören.
Völlig verschwiegen - das sagte ich bereits hat uns der Herr Bundesfinanzminister die vor der Tür stehende Erhöhung des Grenzschutzes von 10 000 auf 20 000 Mann.
Die von Herrn Schäffer feierlich angekündigten, in den bürgerlichen Zeitungen nach entsprechender geistiger Vorbereitung über den Presseklub heute so bombastisch aufgemachten angeblichen Steuersenkungen sind in Wirklichkeit nichts anderes als faule Wahlschlager.
({15})
Diese großsprecherischen Ankündigungen sollen die westdeutschen Steuerzahler über die ungeheuren Summen hinwegtäuschen, die Adenauer und Schäffer für die Aufrüstung auszugeben bereit sind. Jeder denkende Mensch ist sich vollkommen darüber klar, daß die finanziellen Belastungen durch die Kriegsverträge keine echte Steuersenkung zulassen, sondern zu weiterer Senkung der Lebenshaltung und zu weiterer gesteigerter steuerlicher Ausbeutung des Volkes führen müssen. Die sogenannte Schäffersche Steuerreform soll im wesentlichen darin bestehen, die großkapitalistischen Unternehmen noch weiter zu begünstigen, indem ihnen beispielsweise für ausgeschüttete Gewinne eine Steuersenkung von 20 % in Aussicht gestellt wird. Welchen Grundgedanken bei den Absichten Schäffers maßgebend sind, zeigt die Aufhebung der Subventionen für Konsumbrot. Unter dem Motto der Aufhebung der Steuerbegünstigungen sollen in der Hauptsache jene Steuerbegünstigungen beseitigt werden, die die große Masse der Lohnsteuerpflichtigen betreffen. Man denke nur an die bisher oden Flüchtlingen, Umsiedlern und Verfolgten gewährten Freibeträge. Auch die Steuerbegünstigungen für den sozialen Wohnungsbau sollen demnächst gänzlich fortfallen. Soweit dagegen überhaupt Tarifsenkungen in Aussicht gestellt sind, werden sie wesentlich durch die Streichung der bisherigen Vergünstigungen kompensiert.
({16})
Durch neue Preiserhöhungen wird der Haushalt der arbeitenden Schichten noch mehr belastet.
({17})
Die Freigabe der Eisenpreise, d. h. deren Erhöhung und die Erhöhung der Kohlenpreise um 5 DM ie Tonne wird zwangsläufig die Preise für Strom, Gas und Wasser und damit die Preise für alle Verbrauchsgüter ansteigen lassen, weil jede Erhöhung der Rohstoffe von den Großunternehmen auf die breiten Schichten der Konsumenten abgewälzt wird.
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Für die Familie erfolgt eine weitere Steuererhöhung, indem die beschäftigten Ehegatten gemeinsam veranlagt werden, nach höheren Steuersätzen ihre Abgaben leisten müssen und dabei die Begünstigung der Freibeträge erheblich vermindert wird bzw. in Wegfall kommt. Dabei stellt sich die Regierung hier her und spricht von Fürsorge für die Familie. Ihre Taten sprechen aber dagegen und wirken sich volks- und familienfeindlich aus.
Während die Preise eine steigende Tendenz zeigen, geht man in den Betrieben zum Lohndruck, zum Abbau der Akkordlöhne über. Dadurch sinkt das Realeinkommen unter den Lebensstandard. Aber davon sagt Schäffer kein Sterbenswort. Er tut so, als ob seine Konkursbilanz Steuerbegünstigungen für die breiten Schichten der Bevölkerung erbrächte und möglich machte.
Zur Charakterisierung der Finanzlage des Bundes muß noch auf die Tatsache hingewiesen werden, daß die Aufwendungen für den Schuldendienst einschließlich der neuen Lasten auf Grund der Londoner Konferenz, des Vertrages mit der Schweiz und des Israelvertrages auf 955,9 Millionen DM, also 545 Millionen DM mehr als im Vorjahr angestiegen sind.
Außerordentlich interessant sind auch die Dekkungsvorschläge zum Ausgleich der „Lücke" von 1,75 Milliarden DM, von der der Herr Minister gesprochen hat. Diese Lücke soll dadurch ausgefüllt werden, daß den Sozialversicherungsträgern an Stelle von Barzahlungen Schuldverschreibungen gegeben werden. Die Stabilitiät der Versicherungsträger, sagte der Herr Minister, werde dadurch nicht erschüttert. Aber ich erinnere an die Tatsache, daß schon Hitler zur Finanzierung seines verbrecherischen Krieges die gleiche Methode gegenüber den Sozialversicherungsträgern angewendet hat.
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Außerdem soll das von weitesten Teilen des deutschen Volkes, insbesondere der Arbeiterschaft, so heftig abgelehnte Notopfer Berlin verlängert werden. Der dritte Vorschlag besteht darin, daß der Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 37 % auf vorläufig 40 % erhöht wird.
Über die 3 Milliarden Defizit aus den letzten Rechnungsjahren bzw. über deren Deckung hat sich der Herr Minister gestern vollkommen ausgeschwiegen.
Die im Rechnungsjahr 1953 als sogenannter Verteidigungsbeitrag aufzubringende Summe wird im Endeffekt wesentlich höher liegen, als es der Haushaltsplan heute zugibt. Das hat uns Herr Blank bereits im Sommer dieses Jahres gesagt, und das haben wir Kommunisten hier und draußen vor der Öffentlichkeit bereits vor Monaten ausgesprochen, daß zu den heutigen rund 10,2 Milliarden
DM die Ausstattungskosten für die geplanten 12 deutschen Divisionen kommen. Es müssen also bis 1954 zusätzlich 40 Milliarden DM aufgebracht werden. Diese Summe kommt innerhalb der nächsten zwei Jahre auf unseren Haushalt zu, und dafür gibt es keine Deckung und keine Deckungsmöglichkeit. Das hat sogar Herr Erler, dieser notorische Schrittmacher in der SPD-Führung für die Aufrüstung, in seiner letzten Broschüre angeführt.
({20})
Wir Kommunisten haben auch längst die Quelle aufgezeigt, aus der Adenauer diese Riesenmilliarden schöpfen will: sie werden aus dem werktätigen Volk in Form neuer direkter und vor allem indirekter Steuern und gesteigerter Ausbeutung in den Betrieben, in Form erhöhter Preise bei gleichzeitiger Senkung der Reallöhne, der Gehälter, der Sozialleistungen und der kulturellen Leistungen herausgepreßt. Über Marshallplan, Grünen Plan, Schumanplan und Montan-Union wird unser Volk noch stärker ausgebeutet, als es bisher schon geschieht. Mit einer heute noch unvorstellbar schweren Senkung des ganzen Lebensstandards unseres Volkes wird die Kriegsvorbereitung bezahlt werden müssen.
Was steckt denn z. B. hinter den ständig stärker werdenden Angriffen des Herrn Bundesfinanzministers auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer? Der Deutsche Städtetag - auch das haben wir Kommunisten hier bereits vor zwei Jahren ausgesprochen - hat diesen Angriff Schäffers auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer als einen Ausblutungsprozeß an den Gemeinden bezeichnet. Die Gemeinde- und Kreisvertretungen sind seit mehr als zwei Jahren dazu übergegangen, den Ausfall an Landeszuweisungen, der auf Grund dieser Erhöhung des Bundesanteils automatisch entstanden ist, durch eine mehrfache Erhöhung der Tarife für Gas, Wasser, Strom, Verkehrseinrichtungen wie Straßenbahn und Autobuslinien und durch eine Erhöhung der direkten Gemeindesteuern auszugleichen. Aber nun kommt etwas sehr Entscheidendes. In den Gemeinden der Bundesrepublik stimmen die sozialdemokratischen Vertreter diesen Erhöhungen genau so ständig zu wie die Vertreter der Adenauerschen Reaktion. Die sozialdemokratischen Oberbürgermeister betreiben dieselbe Politik der Abwälzung der Lasten auf die Bürgerschaft wie ihre CDU-Kollegen. Das tun aber nicht nur die Herren sozialdemokratischen Oberbürgermeister, sondern auch die Herren sozialdemokratischen Minister; sie sind doch heute die allergetreuesten Vollzieher aller verfassungswidrigen Maßnahmen der Bundesregierung, die dem Zweck dienen, den ständig wachsenden Abwehrwillen und die Kampfbereitschaft der Mehrheit des Volkes gegen die Adenauer-Politik der Aufrüstung und der Kriegsvorbereitung zu behindern und zu brechen. Es war doch ein Zinnkann, der in Hessen das Verbot der Gesellschaft für deutsch-sowietische Freundschaft ausgesprochen hat. Es war doch ein Hoegner, der den „Kulturbund" verboten hat! Wie weit wir heute in dieser angeblich demokratischen
({21})
Bundesrepublik sind - im Gegensatz zu der von Ihnen so verschrienen Deutschen Demokratischen Republik -, das beweist ein Vorfall, der gestern abend in Gelsenkirchen vorgekommen ist. Dort hat man eine Versammlung aufgelöst, und die Polizei
({22})
hat es gewagt, trotz Hinweis auf die Immunität
des Sprechers, dem Abgordneten Rische die Unterlagen zu seinem Referat aus den Händen zu reißen.
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So weit sind wir bereits heute! Das zeigt den wahren Geist dieser Bundesrepublik!
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Das ist aber auch die berühmte Arbeitsteilung zwischen Adenauerscher „positiver Politik" und sozialdemokratischer Opposition, von der der Herr Bundeskanzler im Jahre 1949 bereits einmal gesprochen hat.
Arbeitsteilung! Hat nicht bereits der Bundesrat in seiner Sitzung vom 18. und 19. Dezember 1952 dem Haushaltsplan der Bundesregierung praktisch zugestimmt? Alle Erhöhungsanträge zugunsten der Länder hat er mit den Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt. Er hat der Erhöhung des Bundesanteils auf 37 % mit den Sozialdemokraten zugestimmt.
In Kürze wird der Herr Minister 50 und mehr Prozent fordern. Was interessiert diesen Herrn Finanzminister des Krieges,
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ob die Gemeinden ihre sozialen und kulturellen Verpflichtungen erfüllen können, ob sie die kriegszerstörten Schulen, die Turn- und Schwimmhallen, die zerstörten Krankenhäuser wiederaufbauen können, ob sie die heute schon völlig unzureichenden Wohlfahrtsleistungen, die Jugendfürsorgeleistungen, die kommunalen Kultureinrichtungen aufrechterhalten können!
Dabei wußte der Bundesrat, wußten die sozialdemokratischen Minister im Bundesrat, daß Schäffer beabsichtigt, in Zukunft die gesetzlich festgelegten Zuschüsse für die Sozialversicherungsträger mit Schuldtiteln auszugleichen. Sie wußten, daß die so dringend notwendige Erhöhung der Bezüge der Arbeiter, Angestellten und Beamten des Bundesdienstes nicht in seinen Haushaltsplan eingeplant ist. Der Bundesrat wußte von der Einstellung der Subventionen für Konsumbrot. Er wußte von der gewaltigen Schuldenlast des Bundes. Er wußte, daß Schäffer die Senkung der Kaffee-, Tabak-, Tee- und Zuckersteuer ablehnt. Trotzdem nur unverbindliche Kritik statt der notwendigen grundsätzlichen Opposition und des grundsätzlichen Widerstands! In diesem Bundesrat aber könnte doch die SPD, wenn sie dazu entschlossen wäre, der volksfeindlichen Adenauer-Politik allergrößte Schwierigkeiten bereiten, hat doch die SPD im Bundesrat die Mehrheit; sie nutzt sie nur nicht aus! Sie trägt dazu bei, Adenauer die notwendige Mehrheit in diesem Bundesrat zu verschaffen.
Adenauer und die USA-Imperialisten versuchen, der Welt einzureden, ihre Aufrüstung diene nur der Verteidigung und sie sei nicht für einen Angriffskrieg bestimmt. Dieser Schwindel von der Bedrohung durch die Sowjetunion, für die es nicht die Spur eines Beweises gibt,
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dieser Schwindel von der Notwendigkeit und der Berechtigung der Verteidigung dient nur dem Zweck, unser Volk einzufangen und bereit zu machen für die USA und ihren Krieg, für den Adenauer-Krieg. Die Antisowjet-Hetze nützt der Adenauer-Clique und der psychologischen Kriegsvorbereitung. Sie nützt ihr besonders dann, wenn sie von gewissen sozialdemokratischen Führern mit dem bisher so deutlich gewordenen Eifer betrieben wird.
Zum Glück aber glauben die Arbeiter und die Massen unseres Volkes
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nicht mehr an diesen Schwindel vom „heiligen Kreuzzug", vom „heiligen und gerechten Krieg". Sie wissen, daß der Kurs der Adenauer-Regierung auf einen neuen Krieg hinausgeht.
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Ihnen kann keiner einreden, daß die Besatzungsmächte in Westdeutschland die wirtschaftlichen Kräfte entmachtet hätten, in deren Auftrag Hitler damals seinen verbrecherischen Krieg ausgelöst hat. Sie wissen, daß die Kräfte, denen das deutsche Volk Hitler, das Verbrechen des Krieges und all das Nachkriegselend verdankt, heute bereits wieder in den führenden Schlüsselstellungen der Wirtschaft und der Verwaltung sitzen. Sie sitzen dort mit Hilfe der Besatzungsmächte. Sie sitzen in den Spitzenstellungen der Ministerien. Das Adenauersche Außenamt ist geradezu zu einem Sammelbecken der alten Ribbentropler geworden. In der Dienststelle Blank geben die Hitlergenerale den Ton an.
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Das Innen- und Polizeiministerium des Herrn Lehr ist zu einem Instrument der verfassungswidrigen Unterdrückung der demokratischen Kräfte, der Friedenskräfte in Westdeutschland geworden. Die Wirtschaft wird gelenkt nach den Interessen der Monopolherren. Der Herr Justizminister darf sich ungestraft erlauben, die Gewerkschafter für zuchthausreif zu erklären. Er betreibt die Aufhebung der Immunität der kommunistischen Bundestagsabgeordneten. Er ist verantwortlich dafür, daß heute bereits wieder zahllose deutsche Friedenskämpfer von den Gerichten der Bundesrepublik verurteilt worden sind, daß gegen zahlreiche andere die Untersuchungshaft verhängt worden ist. Das sogenannte Ministerium für gesamtdeutsche Angelegenheiten des Herrn Kaiser betreibt fieberhaft die Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands. Kaiser finanziert und fördert aus den Taschen des Volkes, aus dem 20-Millionen-GeheimKorruptionsfonds die neofaschistischen Terrororganisationen wie den BDJ und seinen Technischen Dienst. Er fördert die Sabotage- und Agentenorganisationen, die den Aufbau in der Deutschen Demokratischen Republik stören sollen. Er organisiert durch Panikmache den sogenannten „Flüchtlingsstrom". Die sozialpolitischen Leistungen der Bundesregierung werden nicht ausgerichtet nach der Notlage der Sozialberechtigten, der Kriegsopfer und Erwerbslosen, sie werden vom Bundesfinanzminister festgelegt. Er zweigt dafür gerade nur die Mittel ab, die ihm frei bleiben, nachdem die Wiederaufrüstung finanziert ist.
Worum geht es eigentlich bei dieser sogenannten Verteidigung? Worum geht es? Es geht den Imperialisten Westeuropas und die Zurückgewinnung der Absatzmärkte und der Rohstoffgebiete, die ihrem Zugriff entzogen worden sind; es geht dem USA-Monopolkapital um die Eroberung der Weltmacht.
({30})
Gesundstoßen wollen sich die Monopolherren am
({31})
Kriege, am Blut der Jugend der Völker der Welt. Das ist der Hintergrund der Adenauerschen USA-Kriegspolitik.
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Nun gestatten Sie mir, langsam zum Schluß zu kommen.
({33})
Wohin geht eigentlich der Weg, den uns Adenauer führen will
({34})
und dessen Finanzierung sein Finanzminister gestern aufgezeigt hat?
({35})
Nicht nach Moskau, sicher nicht nach Moskau; aber in ein Massengrab, in das unsere westdeutsche Heimat verwandelt werden wird, wenn Sie zum Zuge kommen und wenn das deutsche Volk Ihre verbrecherische Politik nicht aufhält.
({36})
Nicht nach Moskau, bestimmt nicht nach Moskau! Hier, hier soll unser Volk sterben.
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Der vorliegende Etat zeigt den Weg genau auf, den wir treiben. Es ist der Weg in die Katastrophe. Es gibt aber einen anderen Weg: den Weg, den wir Kommunisten unserem deutschen Volke in unserem Programm der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands aufgezeigt haben. Das ist der Weg zur Bildung der Regierung der Wiederherstellung der nationalen Einheit Deutschlands, über die Verständigung der Deutschen aus Ost und West, über die Verständigung mit allen Völkern, über eine Viererkonferenz, über den Abschluß eines Friedensvertrages und den Abzug aller Besatzungstruppen.
({38})
Das sind die Fragen, die man lösen kann und die man Ibsen muß. Alle Angebote, die in dieser Richtung Volkskammer und Regierung der Deutschen Demokratischen Republik uns und dem Bundestag gemacht haben, all die Vorschläge der Sowjetunion um dieses Zieles willen haben heute nach wie vor volle Gültigkeit und höchste Aktualität.
({39})
Höchste Aktualität! Unterstrichen wird dieser Wille zur friedlichen Lösung des deutschen Problems durch den Appell, der vorgestern erschienen ist mit den Unterschriften der Kommunistischen Partei Frankreichs, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und der Kommunistischen Partei Deutschlands.
({40})
Das ist der Weg, den Ihnen die Völker dieser Länder zeigen, um auf dem Weg des Friedens zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, zur Wiedervereinigung unseres Vaterlandes und zur Schaffung eines freien, gleichberechtigten, demokratischen Deutschlands zu kommen.
Das sind aber die Vorschläge, über die bezeichnenderweise im heutigen Westdeutschland nicht mehr gesprochen werden soll,
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nach dem Willen des Herrn Polizeiministers Lehr. Er war es, der gegen dieses unser Programm einen breiten Terrorfeldzug eröffnet hat. Warum? Weil sein Herr und Gebieter Adenauer keinen Friedensvertrag und keine Verständigung will, da das Adenauer-Regime diesen Weg nicht will und ihn mit allen Mitteln verhindern muß. Es ist aber der einzige Weg. Es gibt darum nur eine Lösung des deutschen Problems,
({42})
das ist die Forderung: Fort mit der Regierung des Adenauer-Regimes und ihre Ersetzung durch eine Regierung der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands,
({43})
unverzügliche Durchführung freier gesamtdeutscher Wahlen zur Nationalversammlung! Sie wird dann die Durchführung gesamtdeutscher Schritte bei den vier Großmächten mit dem Ziele des Abzugs der Besatzungstruppen festlegen. Sie wird keinen Vertrag anerkennen, der der Bevölkerung Westdeutschlands aufgezwungen wurde. Sie wird alle demokratischen Rechte und Pflichten des Volkes, wie das Recht der freien Meinungsäußerung, in vollem Umfang wiederherstellen.
({44})
Sie wird die faschistischen Terrororganisationen auflösen, und die wegen ihres Kampre für den Frieden Eingekerkerten werden wieder frei werden. Wenn an der Spitze Westdeutschlands eine solche Regierung steht, eine demokratische Regierung, die nicht gewillt ist, den ausländischen Unterdrückern als Tarnung und Stütze zu dienen, dann müssen auch die westlichen Besatzungsbehörden ihre Politik ändern. Dann sind sie gezwungen, sich mit der Vereinigung Deutschlands, mit dem Abschluß eines Friedensvertrages und mit dem Abzug der Besatzungstruppen einverstanden zu erklären. Nichts wird uns Kommunisten davon abhalten können, unserem Volke diesen Weg immer wieder aufzuzeigen, ihn unserem Volke so lange aufzuzeigen, bis der letzte deutsche Mann, der sein Vaterland liebt, begreift, daß dieser Weg gegangen werden muß.
({45})
Wie ernst es dieser Regierungskoalition ist, wie
sehr sie das Volk fürchtet, dafür gibt es doch keinen besseren Beweis aus den letzten Tagen als
dieses Wahlgesetz, das sie jetzt herausgebracht hat.
({46})
dieses Wahlgesetz, das doch offensichtlich nur den einen Zweck verfolgt, mit allerhand Schiebungen dieser Adenauer-Koalition die Sitze zu sichern, die sie bei freier Entscheidungsmöglichkeit des Volkes nie wieder bekommen würde.
({47})
Gibt es einen eklatanteren Beweis dafür, wie sie das Volk feige scheuen? Es gibt keinen eklatanteren Beweis dafür! Wir sind sicher, daß der Weg, den wir unserem Volke zeigen, zum Siege führen wird. Notwendig ist, daß die Aktionseinheit der Arbeiterklasse endlich geschaffen wird. Notwendig ist, daß alle deutschen Menschen, die wie wir Frieden, Einheit, Demokratie wollen,
({48})
sich zusammenschließen zu einem breiten Strom,
der stark genug ist, dieses Regime Adenauer hin({49})
wegzufegen. Adenauer muß fallen, damit Deutschland leben kann! Alles für den Sieg unseres deutschen Volkes!
({50})
Alles für den Sturz dieser Regierung des Landesverrats, des Volksverrats!
({51})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffmann ({0}).
({1})
- Herr Abgeordneter Renner, Sie haben die Regierung als landesverräterisch bezeichnet. Ich erteile Ihnen dafür einen Ordnungsruf.
({2})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gestrige Etatrede des Herrn Bundesfinanzministers war im Gegensatz zu seinen früheren Ausführungen sehr optimistisch gehalten. Ich muß deshalb mit dem Ausdruck des Bedauerns das zurücknehmen, was ich bei der letzten Etatrede sagte, nämlich daß der Bundesfinanzminister grundsätzlich pessimistisch sei. Er hat aber bewiesen, daß es auch anders geht. Erfreulich bei der ganzen Debatte über die Steuerermäßigungen ist, daß endlich das in Aussicht gestellt wird, was wir schon lange, und zwar vor allen Dingen von meiner Fraktion aus, gewünscht haben. Hätte der Herr Bundesfinanzminister den Vorschlägen der Zentrumspartei früher stattgegeben, dann wären die Erleichterungen besonders für die kleinen und mittleren Einkommen schon früher in die Tat umgesetzt worden. Damals glaubte der Herr Bundesfinanzminister und glaubte auch die Mehrheit des Bundestags, diesem Vorschlag nicht entsprechen zu können. Wir begrüßen insbesondere die Senkung der Steuertarife bei den kleineren Einkommen, die wir wiederholt beantragt haben, sowie die Heraufsetzung der steuerfreien Beträge, die wir aber auch in der angekündigten Form nicht für ausreichend halten.
Der Herr Bundesfinanzminister hat den bisherigen Etats sehr schöne Namen gegeben - was auch Herr Dr. Gülich schon erwähnt hat -, und zwar hat er den Etat 1949 als Übergangsetat, 1950 als Überleitungsetat, 1951 als Haushalt der Korea-Krise, 1952 als Haushalt der Konsolidierung und 1953/54 als Haushalt zum Abschluß der Legislaturperiode bezeichnet. Bisher wurden diese Haushalte anders genannt: der erste, 1949: Übergangshaushalt, 1950: Überleitungshaushalt, 1951: Überrollungshaushalt und 1952: Wiederholungsoder Wiederüberrollungshaushalt. Den Haushalt 1953/54 könnte man trotz der entgegenstehenden Meinung des Herrn Bundesfinanzministers, wie auch Herr Kollege Gülich sagte, gewissermaßen als einen Wahlpropagandahaushalt bezeichnen. Man wird den Eindruck nicht los. daß es so ist. Oder es ist das schlechte Gewissen des Herrn Bundesfinanzministers, wegen der bisher starken steuerlichen Überbelastung besonders des Mittelstandes und der Lohnsteuerzahler. Ich habe Verständnis dafür, daß
man glaubt, mit Rücksicht auf die kommenden Wahlen etwas Besonderes tun zu müssen, um Enttäuschungen weitester Volkskreise zu beschwichtigen und um guten Wind bei den Wählern zu bitten.
Die Bundesregierung scheint doch gewisse Sorgen um die Bundestagswahl zu haben. Das kommt auch, wie Herr Renner schon sagte, in dem Entwurf des neuen Wahlgesetzes für den Bundestag zum Ausdruck. Ob mit diesem Wahlgesetz der jungen Demokratie und dem deutschen Volk ein Dienst erwiesen wird, möchte ich doch sehr bezweifeln.
({0})
- Selbstverständlich! Bei der Beratung des Bundesetats wird über sämtliche Fragen gesprochen!
({1})
Man kann Bundeswahlgesetze machen, durch die man stets an der Macht bleibt. Die SED hat in der Ostzone ja auch ein Gesetz gemacht, durch das sie mit hundertprozentiger Sicherheit stets an der Macht bleiben wird. Man soll deshalb kein Wahlgesetz ausklügeln, das der Demokratie nur Schaden bringen muß. Ich möchte doch der Bundesregierung einmal die Frage stellen: Quo vadis? Ob die Bundesregierung sich im letzten Augenblick noch besinnen wird, sei dahingestellt.
Wir geben gern zu, daß es in den jetzt hinter uns liegenden Jahren nach der Hitler-Katastrophe schwierig war und daß dank des Fleißes und der Tüchtigkeit der schaffenden Bevölkerung viel Aufbauarbeit geleistet worden ist. Leider hat die Bevölkerung nach der Stabilisierung allgemein nicht den Anteil am Sozialprodukt erhalten, der ihr gerechterweise zustand. Hierfür sind nicht zuletzt die von der Mehrheit dieses Hauses angenommenen Steuergesetze verantwortlich zu machen, die das Großkapital auf Kosten des Mittelstandes stark bevorzugt haben. Meine Fraktion hat bei der Verabschiedung der Gesetze immer wieder auf die für die breiten Schichten der Bevölkerung, namentlich des Mittelstands, durchaus schädlichen Auswirkungen aufmerksam gemacht. Die Entwicklung hat ihr recht gegeben. Trotz der von der Bundesregierung propagierten angeblich sozialen Marktwirtschaft hat sich z. B. die Kreditpolitik fast ausschließlich auf das Großkapital konzentriert und den Mittelstand völlig vernachlässigt. Das mag anfangs notwendig gewesen sein, um die Wirtschaft in Gang zu bringen; aber das nun noch weiterzuführen, ist unverständlich. Die Gewerbetreibenden sind nicht imstande, einige tausend Mark Kredit für ihren Betrieb zu erhalten, im Gegenteil: zu der Investitionshilfe verlangt man von ihnen trotz ihres Kapitalmangels zusätzliche Ausgaben. Auch in der Landwirtschaft ist es heute nicht möglich, zum Aufbau eines Stalles einige tausend Mark zu erhalten, die dringend im Interesse der Produktionssteigerung notwendig sind. Der Bundesfinanzminister hat auch bis heute noch keine Möglichkeit gehabt, für die Dürre- und Wildschäden die notwendigen Mittel bereitzustellen, oder sie wurden nur in unzureichendem Maße gegeben. Dasselbe gilt für die Besatzungsgeschädigten und auch für den Antrag sämtlicher Parteien, die Flachsröstereien in Süddeutschland wieder in Gang zu setzen.
Die angekündigte Steuerreform, wie sie der Bundesfinanzminister in großen Zügen vorgetragen hat, werden wir noch eingehend zu besprechen haben, wenn die entsprechenden Gesetzesvorlagen im Bundestag zur Beratung anstehen. Dann erst
({2})
wird sich ergeben, inwieweit sie vom Gesichtspunkt der sozialen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Notwendigkeit getragen ist. Wir vermissen noch ein Wort des Herrn Bundesfinanzministers über die indirekten Steuern, die namentlich die kinderreichen Familien besonders belasten. Meine Fraktion hat wiederholt eine Senkung der Kaffeesteuer gefordert, die bisher noch nicht genehmigt wurde. Wir behalten uns vor, in Kürze nochmals eine entsprechende Vorlage einzubringen. Wir wissen, daß die Lasten des verlorenen Krieges vom gesamten Volke getragen werden müssen, aber auf die stärkeren Schultern müssen naturgemäß die schwersten Lasten gelegt werden.
Selbstverständlich ist in solch einer Lage Sparsamkeit in der gesamten Verwaltung das dringendste Gebot. Leider haben wir von dem von uns geforderten Sparkommissar, was ich in dieser Stunde wieder sagen muß, sehr wenig bemerkt. Ich muß meine Forderung mit aller Entschiedenheit an dieser Stelle wieder erheben, uns einen Bericht über seine bisherige Tätigkeit vorzulegen.
Zum Haushaltsplan haben wir verschiedene Forderungen zu stellen. Sie betreffen zum Beispiel das Ministerium für Verkehr, bei dem die bisherigen Mittel, die für die Verbesserung des Straßenbaues ausgegeben wurden, nicht annähernd ausreichen. Besonders muß der Ausbau des Verkehrsnetzes in den Notstandsgebieten aus Gründen, die ich hier nicht näher darzulegen brauche, stärker als bisher unterstützt werden. Es gibt auch Möglichkeiten zu Einsparungen oder besserer Verwendung der im Etat vorgesehenen Mittel. ich denke dabei zum Beispiel an die Flut von Druckschriften und Broschüren, die vom Ministerium für gesamtdeutsche Fragen in die Bevölkerung gebracht wird und über deren Wert man sehr geteilter Meinung sein kann. Wir sind jedenfalls der Meinung, daß ein Teil der hierfür vorgesehenen Gelder für denselben Zweck besser und produktiver anders verwendet werden könnte.
Es ließen sich viele Verbesserungsvorschläge machen, auf die ich wegen der Kürze meiner Redezeit nicht eingehen kann. Lassen Sie mich noch kurz ein Wort über die Gestaltung des Haushaltsplans, dem wir, was den Aufbau angeht, im großen und ganzen unsere Zustimmung geben, sagen. Leider ist aber auch nach diesem Schema, soweit wir es überschauen, die schon früher von uns geforderte Aufteilung nach Sachgebieten nicht berücksichtigt worden. Wir hoffen, daß dies bei der Aufstellung im nächsten Etatsjahr möglich sein wird.
Was die Einzelpläne angeht, so sind wir der Meinung, daß für das Bundesverfassungsgericht, wie es auch der Bundesrat verlangt hat, ein eigener Einzelplan einzurichten ist.
Große Sorge bereitet uns die Entwicklung des sozialen Wohnungsbaues. Wir hätten gerne vom Bundesfinanzminister darüber nähere Auskunft gehabt, wie sich das Steuerprogramm hierauf auswirkt. Leider hat der Bundesfinanzminister dazu wenig gesagt. Der Wohnungsbau ist uns eine Herzenssache, die wir auf keinen Fall durch etwaig steuerliche Maßnahmen in seiner Entwicklung hemmen lassen wollen. Der Herr Bundesfinanzminister hat ja die kleine Steuerreform jetzt eingebracht. Wir warten noch immer auf die große Steuerreform. die er uns schon längst versprochen hat und die besonders von seinem Kollegen, dem Bundeswirtschaftsminister, sehr energisch gefordert wird. Anscheinend sind die beiden Herren Kollegen sich darin
nicht einig, und jeder hat in dieser Sache vielleicht andere Ansichten.
Auf einen Punkt möchte ich vor allen Dingen noch zu sprechen kommen. Die Vereinfachung des Steuersystems ist dringend notwendig. Kein einfacher Steuerzahler findet sich mehr zurecht. Der Stand der Steuerberater hat noch niemals eine solche Blüte erlebt, wie er sie unter dem jetzigen Steuersystem erleben konnte. Man rechnet bei kleineren Einkommen, daß 10 % der Steuersumme tatsächlich auch noch durch die Steuerberater verbraucht werden. Das Steuersystem muß vereinfacht werden, und das ist eine der dringendsten Forderungen, die die Wirtschaft stellen muß.
Bei der Steuergesetzgebung werden wir noch näher auf die soziale Frage eingehen müssen. Wir begrüßen vor allen Dingen die Ankündigung in der Presse, daß die Regierungskoalition eine wesentliche Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung fordert. Ich darf an den Herrn Bundesfinanzminister die Frage richten, ob die notwendigen Mittel dafür schon im Etat vorgesehen sind.
Zum Schluß möchte ich darauf hinweisen, daß meine Fraktion nach Prüfung der Einzelpläne in den Ausschüssen auf die Etatansätze eingehen wird. Wir unterstützen den Antrag auf Überweisung an die Ausschüsse.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Funcke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Gülich hat bei den Darlegungen des Herrn Bundesfinanzministers vermißt, daß er sich nicht dazu entschlossen hat, all denen einen Dank auszusprechen, die vor ihm in den Gemeinden, in den Ländern, in den Zonenräten und dergleichen an der Wiederaufrichtung Deutschlands mitgewirkt haben. Nun, ich glaube, diesen Dank wird jeder vernünftige Mensch aussprechen müssen; aber ich habe die Befürchtung, daß die Ausführungen des Herrn Kollegen Gülich darauf ab- zielten, damit den Dank zu verkleinern,
({0})
den wir der Bundesregierung für den Aufbau schuldig zu sein glauben, den sie in ihrer Verwaltung und ihren Ministerien seit dem Beginn ihrer Existenz durchgeführt hat.
({1})
Ich glaube auch, daß wir allen Grund haben, das zu unterstreichen, was der Herr Bundesfinanzminister über die außerordentlichen Schwierigkeiten, die diesem Aufbau entgegenstanden, ausgeführt hat, ohne daß wir nötig haben, diese Ausführungen nun unsererseits zu wiederholen.
Ich möchte nun auf ein Wort des Herrn Bundesfinanzministers zurückkommen. Als er von der Verstädterung sprach, sagte er:
Je enger die Menschen zusammenwohnen, desto mehr vermehren sich die gemeinschaftlichen Institutionen.
Ich glaube, das ist gerade ein Charakteristikum der Zeit, in der wir leben, in der sich ja dieses engere Zusammenleben nicht allein durch die natürliche Vermehrung ergeben hat, sondern insbesondere durch den Zustrom der Vertriebenen, der Flüchtlinge und dergleichen. Aber nicht nur des({2})
wegen ist diese Verengung eingetreten, weil es an sich mehr Menschen sind, sondern auch deshalb, weil sich die Beziehungen der Menschen untereinander in dem Problem der Arbeitsteilung und Arbeitsvereinigung immer weiter verdichten, so daß es eine naturgegebene Tatsache zu sein scheint, daß eine sich entwickelnde zivilisatorische Gesellschaft jetzt endlich zu einer größeren Regierung und Verwaltung kommen muß.
Wenn ich jetzt zu dem Haushalt als solchem kurz Stellung nehmen soll, so ist formal zu bemerken, daß eine neue Form gewählt worden ist, die als eine Verbesserung anzusehen ist. Allerdings möchte ich schon nach einer kurzen Durchsicht sagen, daß die Durchorganisation dieser neuen Form noch nicht in allen Verwaltungen zu einer Gleichheit der Haushaltspläne geführt hat, insbesondere auch bezüglich der Erläuterungen, und daß die Erläuterungen in vielen Fällen nicht ausreichend sind. Ich bedauere also, feststellen zu müssen, daß wir im Haushaltsausschuß dazu noch sehr viele Fragen werden stellen müssen.
Der Nachtrag 1952 ist als ein Verwaltungsnachtrag bezeichnet worden. Er 'hatte den Zweck, im wesentlichen den Ausbau der Verwaltung in ihrer Gliederung und in der richtigen Stellenbesetzung durchzuführen. Trotz des Willens zur Sparsamkeit haben wir uns im Haushaltsausschuß auch gegen manchen 'Kollegen aus der Koalition auf den Standpunkt gestellt, daß wir bereit sind, diese Komplettierung der Verwaltung durchzuführen und die Bewilligungen dazu auszusprechen. Der Haushalt 1953 zeigt infolgedessen auf den eigentlichen Verwaltungsgebieten keine so wesentliche Vermehrung mehr, wenn auch z. B. beim Statistischen Bundesamt und bei der Bundesschuldenverwaltung, auf die ich noch zurückkommen werde, und in einigen anderen Haushalten noch erhebliche Vermehrungen da sind, einige neue Verwaltungen geschaffen werden und Ausgliederungen stattfinden müssen. Wir hoffen, daß damit, immer abgesehen von neuen Aufgaben, der Aufbau der Verwaltung einen gewissen Abschluß gefunden hat. Wir hoffen, daß damit ein Vergleich der Haushaltsausgaben der einzelnen Jahre in Zukunft erleichtert wird, und wir hoffen, daß damit auch eine Verringerung der einmaligen Ausgaben insofern eintritt, als nunmehr gewisse Einrichtungen der Büros und der Verwaltungen geschaffen worden sind. Allerdings glauben wir, daß es auf der andern Seite voraussichtlich noch eine lange Zeit und die Aufwendung erheblicher Mittel bedingt, eine einwandfreie Unterbringung und damit einen reibungslosen Verlauf der Verwaltungen sicherzustellen, die Beamten umzusiedeln und dergleichen.
Die Höhe des Gesamthaushaltsplans ist des öfteren hier erwähnt worden. Diese Höhe ist an sich erschreckend, und doch glaube ich, feststellen zu sollen und zu können, daß wir auf der andern Seite bei allen Verhandlungen im Haushaltsausschuß und an anderen Stellen immer wieder die Empfindung haben, daß gerade der Bundesfinanzminister einer Erhöhung der Kosten mit der allergrößten Strenge entgegentritt und daß er nur das zuläßt, was zum Funktionieren der Verwaltung unbedingt notwendig ist. Wenn wir uns in diesem Hause oft entschließen müssen, gewisse neue Bewilligungen auszusprechen oder aber Bewilligungen aller möglichen Art, insbesondere auch sozialer Art, durch Aufstockung zu erweitern, so kommt das natürlich zwangsweise in den Haushalt hinein.
Nun hat Herr Kollege Gülich einige Positionen aus der Einnahmenseite herausgegriffen und hier angeführt. Er hat von den 740 Millionen gesprochen, die durch Abgabe von Schuldverschreibungen an die Rentenversicherungsanstalt und die Arbeitslosenversicherung aufgebracht werden, aber im ordentlichen Haushalt Verwendung finden sollen. 'Er hat weiter von 'den 250 Millionen gesprochen, die aus ¡den ERP-Mitteln ebenfalls in den ordentlichen Haushalt aufgenommen werden sollen. Dazu kommen dann noch 'die 950 Millionen aus der Ermäßigung der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die nur 'angekündigt worden sind, und, was Herr Kollege Gülich wohl nicht 'berücksichtigt hat, die 1309 Millionen, die infolge Nichteinsetzung des Defizits aus 1951 im Haushalt fehlen. Das sind ganz gewaltige Summen, und wir werden uns von unserer Fraktion 'aus im Haushaltsausschuß mit diesen Fragen sehr eingehend beschäftigen, ohne daß wir 'dazu heute schon abschließend Stellung nehmen können. Aber auf der andern Seite möchten wir doch unserer Ansicht dahingehend Ausdruck geben, daß es in einer Zeit wie der jetzigen, in der die Finanznot so ganz besonders groß ist, Möglichkeiten geben muß, einen Teil der Lasten der Jetztzeit abzunehmen und sie auf spätere Generationen zu verteilen, die dann vielleicht durch Verringerung der Kriegsfolgelasten und infolge anderer Ersparnisse nicht mehr so mit Lasten bedacht sind, wie das bei uns augenblicklich der Fall ist.
Ich darf aus dem Haushaltsplan noch ein paar Fragen anführen. So möchte ich zunächst auf die Bundesfinanzverwaltung - Zoll - zurückkommen, worin wir zur Zeit 39 332 Beamte, Hilfskräfte, Angestellte und solche im Vorbereitungsdienst vorfinden. Das entspricht mit ihren Angehörigen einer Stadt von 100 000 Einwohnern. Ich glaube, schon diese kurze Bemerkung bringt die ganz besondere Dringlichkeit des Problems zum Ausdruck, daß ein Land von der Größe der Bundesrepublik nicht mehr in der Lage ist, sich auf die Dauer dem Aufgehen in eine größere Gemeinschaft zu entziehen, wobei dann wenigstens ein Teil dieser immerhin beträchtlichen Mengen von Verwaltungsarbeit entfallen würde.
Die Bundesvermögensverwaltung hat insgesamt eine Einnahme von 75 499 300 DM und eine Ausgabe von 76 987 400 DM außer den einmaligen Ausgaben, in deren 32 018 400 DM sicherlich auch ein ganz Teil Kosten stecken, die nicht als Vermögensvermehrung anzunehmen sind. Wir stehen auf dem Standpunkt, 'daß versucht werden muß, dort, wo die Bundesverwaltung Vermögensteile hat, die sie infolge ihrer hohen Verwaltungskosten nicht rentabel ausnutzen kann, derartige Vermögensteile in größerem Umfange wieder in die Privatwirtschaft zu überführen, wo sie rentabel verwendet werden können und Steuermittel einbringen, anstatt jetzt durch ihre Verwaltungskosten die Einnahmen aufzuzehren.
Eine Sorge habe ich auch wegen des Verkehrsministeriums. Dort sind dankenswerterweise immerhin erhebliche Summen, für Binnenwasserstraßen von über 85 Millionen, Seewasserstraßen von 27 Millionen und Fernverkehrsstraßen von 155 Millionen DM, aufgewendet worden. Aber die Vorbehaltsbeträge sind da in einem enormen Maße angewachsen, bei den 'Binnenwasserstraßen auf 320 Millionen, also fast das Vierfache des normalen Haushalts, bei den Seewasserstraßen auf 114 Millionen, mehr als das Vierfache, und bei den Fern({3})
verkehrsstraßen auf etwa das Eineinhalbfache, wobei allerdings die großen Posten ausgelassen worden sind. Es wird sich vielleicht empfehlen, auch im Haushaltsausschuß und im Verkehrsausschuß darüber zu beraten, ob es richtig ist, so viele Projekte auf einmal anzufangen - obgleich natürlich Binnenwasserstraßen und Seewasserstraßen in ihrem Ausbau immer erhebliche Zeiträume in Anspruch nehmen -, oder nicht besser, weniger davon anzufangen und diese schneller zu vollenden.
Auf das Darlehen an die Bundesbahn ist mein Kollege Herr Dr. Blank schon zurückgekommen. Ich möchte da auf meine Ausführungen zu der ersten Lesung des Nachtragshaushalts 1952 verweisen.
Bei dem Verteidigungshaushalt ist der Ansatz von 9 Milliarden DM begründet worden als drei mal 850 Millionen und neun mal 716 Millionen, mit also insgesamt zunächst 9 Milliarden. Das sind 1200 Millionen Mark weniger als die uns früher mitgeteilten 850 Millionen, in 12 Monaten angegeben mit 10 200 Millionen, außerdem die 910 Millionen nicht anrechnungsfähige Lasten. Da hier anrechnungsfähige Kosten nicht berücksichtigt sind, sondern die Begründung für die Ermäßigung von 850 Millionen auf 716 Millionen mit einer geringeren Leistungsfähigkeit Deutschlands gegeben worden ist, wird noch zu prüfen sein, ob es möglich sein wird, noch weitere anrechnungsfähige Kosten zu berücksichtigen. Jedoch werden darüber die Verhandlungen wahrscheinlich in der nächsten Zeit noch nicht abgeschlossen werden, auch nicht in der Zeit, bis zu der wir hoffen, den Haushaltsplan in die zweite und dritte Lesung bringen zu können.
Die Völker seufzen unter den Steuerlasten, die, wie der Herr Bundesfinanzminister errechnet hat, in der Bundesrepublik 37 % des Sozialprodukts betragen. Daß sie aufgebracht werden können, wenn auch in vielen Wirtschaftszweigen im Augenblick noch auf Kosten der Substanz - worauf ich in der ersten Lesung des Nachtragshaushalts schon hingewiesen habe -, ist nur bei der weitgehenden Rationalisierung möglich, die es mit sich bringt, daß immer weniger Kräfte erforderlich sind, um den notwendigen Lebensbedarf - auch bei weiter Auslegung dieses Begriffes - herzustellen. An dem schnellen Fortschritt dieser Rationalisierung hängt die Erträglichkeit der Lasten. Der Bundesfinanzminister hat dem in seinem angekündigten Antrag auf Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer Rechnung getragen.
Wir werden in die Beratung des Haushaltsplans mit dem auf Erfahrung begründeten Vertrauen hineingehen, daß es gelingen wird. ihn zu erfüllen, um damit einen weiteren Schritt zum Aufbau der Bundesrepublik zu tun.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann es mir zunächst nicht versagen, doch wenigstens einen Satz an die Adresse des Kollegen Renner zu verschwenden. Es ist eine nachgerade fast unerträgliche Zumutung,
({0})
daß man sich in diesem Hause derartige mit viel Temperament und im Hennecke-Stil abgelesene Reden immer wieder anhören muß.
({1})
Es kann einen dabei nur die zuversichtliche Hoffnung trösten, daß die Zeit, in der es den KPD-Abgeordneten möglich war oder ist, sich vor diesem Hause in dieser Weise auszutoben, bald vorüber ist.
({2})
Da nach mir noch ein anderer Fraktionskollege sich mit den Ausführungen des Herrn Kollegen Gülich beschäftigen wird, möchte ich mich mit Bezug auf diese Ausführungen nur auf einige wenige Punkte beschränken. Wenn ich mir ein Gesamturteil über diese Rede erlauben darf, dann muß ich sagen: insoweit echte Kritik, die auch wirklich fundiert und begründet ist, darin enthalten war, war sie nach meiner persönlichen Meinung recht mager.
({3})
Ich möchte sogar glauben, daß man darin mittelbar auch so etwas wie eine Anerkennung der positiven Leistungen dieser Bundesregierung sehen kann.
({4})
Auch ich möchte mit dem beginnen, mit dem mein Kollege Funcke vor mir begonnen hat. Auf der Suche nach möglicher Kritik oder nach möglichen Ansatzpunkten hat Herr Kollege Gülich sich auch daran gerieben, daß der Herr Bundesfinanzminister kein anerkennendes Wort für die Leistungen des bizonalen Wirtschaftsrates und seiner Bediensteten in Frankfurt gefunden hat. Da wir uns hier schon manchmal über Zusammenhänge mit dem Wirtschaftsrat unterhalten haben und ich, wie Sie wissen, diesem Parlament anzugehören Gelegenheit hatte,
({5})
möchte ich auch meinerseits unterstreichen, daß die wirklich aktiven und positiven Leistungen dieses Vorparlaments immerhin von einer derartigen Bedeutung für die Fundamentierung der Arbeit hier in diesem Bundestag gewesen sind, daß sie auch in der geschichtlichen Betrachtung nicht vergessen werden sollen.
({6})
Aber daß nun der Kollege Gülich aus dem Umstand, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht eine besondere Dankadresse an den vergangenen Wirtschaftsrat gerichtet hat, einen Grund zur Kritik herleitet, das vermag ich nicht einzusehen.
({7})
- Der Herr Bundesfinanzminister hat sich und hatte sich gestern hier nur mit dem Zeitraum zu beschäftigen, für den die Bundesregierung als solche hier vor dem Hause Rechenschaft zu legen hat.
({8})
Er hatte infolgedessen nur davon zu reden, was
in diesen vier Jahren aktiver Arbeit der Bundes({9})
regierung und dieses Parlaments getan und geleistet worden ist.
({10})
- Er hat nicht so getan, als ob vor ihm nichts gewesen sei, sondern er hat an dem Ansatzpunkt. begonnen, der für ihn der einzig mögliche gewesen ist.
({11})
Aber damit genug, meine Damen und Herren.
Der Herr Kollege Gülich hat es auch für richtig befunden, im Namen seiner Fraktion hier eine Debatte gewissermaßen vorwegzunehmen, die im Haushaltsausschuß noch nicht zu Ende geführt worden ist. Er hat hier kritisch davon gesprochen, wie es um die Verfügungs- oder Dispositonsfonds steht, die in den einzelnen Haushalten, so in dem des Bundeskanzleramtes, des Bundesinnenministeriums, soweit es den Verfassungsschutz angeht, und schließlich des gesamtdeutschen Ministeriums, vorhanden sind.
({12}) Im Haushaltsausschuß sind wir bei der Beratung des Nachtragshaushalts 1952/53 so verblieben, daß wir die endgültige Debatte über diese Dinge zurückgestellt haben, sie also noch führen wollen.
({13})
Aber selbstverständlich sind diese Dinge ja auch im Haushalt 1953 enthalten. Es geht der sozialdemokratischen Fraktion auch im Haushaltsausschuß im besonderen darum - das ist ihr ganz besonderes Anliegen -, daß man die bisherige Bestimmung, wonach diese Fonds nur der Prüfung durch den Präsidenten des Bundesrechnungshofes unterliegen, beseitigt, sie zum mindesten wesentlich auflockert
({14})
und in irgendeiner noch zu bestimmenden Form auch das Parlament an der Kontrolle dieser Fonds unmittelbar beteiligt.
({15})
- Genau so?
({16})
- Jawohl, meine verehrten Damen und Herren, das ist ein außerordentlich wichtiger Punkt; und weil er so wichtig ist, haben wir uns zuallererst mit unserem Fraktionsfreund und Kollegen in Verbindung gesetzt, der aus seiner langjährigen Erfahrung als Staatssekretär in der Reichskanzlei in der Wilhelmstraße in Berlin über diese Dinge ja nun genauestens im Bilde sein muß. Das ist unser verehrter Kollege Herr Dr. Pünder. Er hat uns dazu eine Stellungnahme gegeben, wie es damals mit diesen Verfügungsfonds gehandhabt worden ist.
({17})
Im Haushaltsausschuß ist gesagt worden, der Reichsschuldenausschuß sei dafür eingeschaltet gewesen. Das stimmt aber nur im begrenzten Umfang, und zwar nur insofern, als es sich seinerzeit um einen ähnlichen Fonds handelte, der beim Reichsaußenminister zur „Förderung des deutschen Nachrichtenwesens im Ausland und Inland" bestanden hat. In die Kontrolle dieses Fonds war der Reichsschuldenausschuß neben dem Präsidenten des Rechnungshofes eingeschaltet. Aber soweit es sich um den Verfügungsfonds des Herrn Reichskanzlers gehandelt hat, wurde es genau so gehandhabt, wie es heute in unseren Haushaltsvorschriften Rechtens ist.
({18})
- Auch der Herr Reichskanzler Hermann Müller, verehrter Herr Kollege Gülich, hätte wahrscheinlich nicht zugelassen, daß an diesem seinem Verfügungsfonds in der Richtung Ihres Verlangens irgend etwas geändert worden wäre.
({19})
Wenn ich Ihnen heute hier namens meiner Freunde erkläre, daß wir nicht gesonnen sind, in eine Änderung dieser Bestimmungen im Haushaltsplan einzuwilligen, dann befinden wir uns dabei in guter sozialistischer Gesellschaft.
({20})
Ich habe mich im Verlaufe dieses Nachmittags durch Erkundigung bei der hessischen Vertretung aus dem hessischen Haushaltsplan darüber unterrichten lassen, daß dort im Haushaltsplan des hessischen Innenministeriums unter Kapitel 871 ein zum gleichen Zweck, also zu Zwecken des Verfassungsschutzes, dem Herrn Landesminister des Innern persönlich zustehender Fonds im Betrage von 300 000 DM mit genau der gleichen Kontrollvorschrift eingebaut ist wie hier in unserem Haushalt.
({21})
In diesem hessischen Haushaltsplan heißt es zu diesem Artikel: „Unterliegt nur der Prüfung durch den Präsidenten des Rechnungshofes des Landes Hessen; ihm persönlich ist darüber auch Rechnung zu legen."
({22})
Ich weiß also nicht, meine verehrten Damen und Herren, warum wir uns über diese Dinge noch lange auseinandersetzen und zanken sollen.
({23})
Nun muß ich mich noch in einem anderen Punkte an die Adresse des Herrn Kollegen Gülich wenden, der erklärt hat, daß die Angaben, die der Herr Bundesfinanzminister über die sozialen Leistungen des Bundes gemacht hat, nicht unwidersprochen bleiben dürften,
({24})
und zwar insofern nicht, als sie getrennt werden müßten nach Kriegsfolgelasten und nach Sozialversicherungsleistungen.
({25})
Wenn wir uns die Mühe machen, in die Haushaltspläne zu schauen - und das müssen wir ja wohl tun -, dann finden wir, daß genau so verfahren ist, wie das hier von Herrn Kollegen Gülich gefordert wurde.
({26})
- Aber, verehrter Herr Kollege, wenn man die Dinge in ihrer Gesamtheit als positive Leistung des Bundes herauszustellen hat, dann ist man sehr wohl berechtigt, als Gesamtsozialleistungen des Bundes sowohl die unmittelbaren Rentenleistun({27})
gen als auch die Leistungen der Kriegsfolgelasten in einer Summe dem Volk draußen deutlich zu machen, und es sollte nicht immer so dargestellt werden, daß die Sache dabei im Endeffekt auf eine Herabsetzung der positiven Leistungen des Bundes hinausläuft.
({28})
Bezüglich der Leistungen aus der Sozial- und Rentenversicherung ist es doch im übrigen auch nicht so, als ob an diesen Leistungen der kund nicht wesentlich und maßgeblich beteiligt sei. Das weiß auch Herr Kollege Gülich. Ich will, damit es die Öffentlichkeit noen einmal deutlich hort, wiederholen, was der Herr Bundesfinanzminister gestern zu dem Thema gesagt hat, ais er die Gesamtleistungen des Bundes von 1950 bis heute herausgesteilt hat. Er hat zunächst darauf hingewiesen, daß sich die Leistungen der Lancier im Jahre 1949 vor dem Auftreten des Bundes auf 4,2 Milliarden belaufen haben. Er hat dann erklart, daß sich die Gesamtsozialleistungen, also sowohl
Kriegsfolgelasten als auch Rentenleistungen, von
1950 ab in folgender Weise gestaltet hauen. Im Rechnungsjahr 1950 sind es 5,3 Milliarden DM, im Jahre 19,01 7,4 Milliarden DM, 1902 7,7 Milliarden DM gewesen; und für 1953 sind 8,4 Milliarden DM vorgesehen.
({29})
Meine Damen und Herren, es wird immer davon gesprochen, daß der Bund nicht das Notwendige oder nicht das Mögliche getan habe, um die Sozialrenten entsprechend zu steigern. Demgegenüber darf man immerhin doch darauf hinweisen, daß es möglich gewesen ist, die Renten in der Invalidenversicherung, die vor dem 1. Juni 1949 im Durchschnitt 43,55 DM betragen haben, bis heute auf einen Betrag von 78,30 DM im Durchschnitt zu steigern.
({30})
Die Steigerungen in diesem Maße, meine verehrten Damen und Herren, sind nur dadurch möglich gewesen, daß der Bund auch auf diesem Gebiet immer wieder mit zunehmenden Leistungen eingetreten ist. Ich darf Ihnen beispielsweise doch einmal sagen, daß der Bund heute bei der Invalidenversicherung hinsichtlich Zuschüssen und Erstattungen aus öffentlichen Mitteln immerhin mit 33,8 % an den Gesamtleistungen beteiligt ist
({31})
und daß diese Zuschüsse, Herr Dr. Schellenberg,
im Jahre 1952 bei einer Gesamtrentensumme von
rund 3 Milliarden DM 1,2 Milliarden DM betragen haben. In der Angestelltenversicherung liegen die Dinge so, daß sich die Zuschüsse und Erstattungen seit 1948, wo sie 9,9 % betragen hatten, bis zum Jahre 1952 auf 25,4 % gesteigert haben.
Nun, meine Damen und Herren, wenn man wirklich objektiv und sachlich zu den Dingen Stellung nehmen will, ist es nicht richtig, immer wieder mit Haarspaltereien und mit tausend Wenn und Aber zu kommen und einzuwenden: „Ja, wie ist denn das und wie ist denn jenes?" Die Tatsache steht fest, daß diese Leistungen des Bundes auf sozialem Gebiet in einer Zeit erbracht worden sind,
als er nach einem so furchtbaren, katastrophalen Zusammenbruch eine Liquidationsmasse in Ordnung bringen mußte, wie es vorher keinem aufgegeben gewesen ist.
({32})
Mit der Vorlage dieses Haushalts sind zwei Gesetzentwürfe seitens der Regierung eingebracht worden. Es handelt sich um die Drucksachen Nrn. 4005 und 4007. Diese Sache ist hier schon angesprochen worden. Ich will auch ein paar Sätze dazu sagen, weil sich sowohl draußen von den Gewerkschaften als auch, glaube ich, hier in diesem Hause von der Opposition her sehr nachdrückliche Widerstände gegen diese Gesetzentwürfe geltend machen.
({33})
Was nun den ersten Gesetzentwurf über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz angeht, so sind meine Freunde und ich sehr wohl der Meinung, daß wir in eine sehr gewissenhafte Prüfung darüber eintreten müssen; ob die Realisierung dieser Vorlage in dem verlangten Umfang wirklich angebracht ist oder nicht.
({34})
Daß wir aber bereit sind, in dieser Beziehung der Bundesregierung zumindest ein Stück Weges zu folgen, das möchte ich hier ausdrücklich und offiziell erklären.
({35})
Wir befinden uns mit dieser Erklärung auch durchaus in Übereinstimmung mit dem Standpunkt und der Stellungnahme des Verbandes der Rentenversicherungsträger,
({36}) der, glaube ich, in dieser Frage vernünftiger ist als manche Kritiker an diesem Entwurf.
({37})
- Das ist sehr wohl wahr! Ich widerspreche dem Einwand, daß es sich bei diesem Gesetzentwurf um einen unzulässigen Eingriff oder Vorgriff auf die Rechte der kommenden Selbstverwaltung handelt. Bei den Rentenversicherungsträgern werden Beiträge und Leistungen durch Gesetz bestimmt. Der Bund ist in diesen vier Jahren in einem umfassenden Maße der Sozialversicherung zu Hilfe gekommen.
({38})
Er hat seinerseits, durchaus begründet und berechtigt, sehr wesentliche Zuschüsse geleistet. Im ganzen gesehen, meine Damen und Herren, kann doch niemand bestreiten, daß der Bund sich in Finanznot befindet. Wenn nun bei dieser Tatsache sich auch der Verband der Rentenversicherungsträger bereit erklärt, hier in einem gewissen Umfang zu helfen, dann ist das, glaube ich, eine durchaus vernünftige Haltung.
({39})
- Sehen Sie, Herr Professor Schellenberg, das ist wiederum einer der üblichen unsachlichen Einwände bei diesen Dingen! Ich brauche den Inhalt des Gesetzes hier nicht im einzelnen vor Ihnen darzulegen. Aber das es
({40})
sich hier um eine Hilfe handelt, die ordnungsgemäß eingetragen und ordnungsmäßig verzinst wird, das geht aus dem Gesetzentwurf ganz eindeutig hervor.
({41})
Wenn wir uns darüber einigen könnten, daß wir diese Hilfe zunächst einmal vielleicht für ein Jahr gewähren, dann wäre das schon immerhin ein nicht unwesentliches Stück Hilfe.
Meine Damen und Herren! Ich muß noch einmal sagen: Bei der Gesamtsituation, in der sich der Bund befindet, dürfen wir auch vom Sektor der Sozialversicherung aus nicht nur dieses eine Stück sehen, sondern wir müssen bereit sein, an das Ganze zu denken. Wenn man die Verantwortung trägt, findet man zu dieser Bereitschaft vielleicht eher, als wenn man aus oppositioneller Haltung zu diesen Dingen grundsätzlich nein sagt.
({42})
Wir sind grundsätzlich durchaus bereit, uns in positivem Sinne mit diesem Gesetzentwurf auseinanderzusetzen. Ich folge auch nicht einer Kritik, die dahin geht, daß man hier deshalb widerstehen müsse, weil wir schon zweimal - einmal nach dem ersten Weltkrieg und dann wieder in und nach dem zweiten Weltkrieg - auch bei den Vermögen der Rentenversicherungsträger diese Katastrophe erlebt hätten.
({43})
Meine Damen und Herren! Die Dinge sind grundlegend anders.
({44})
Auch die Weimarer Republik hat damals bis zu dem Augenblick, in dem Hitler diese Dinge unmöglich gemacht hat, den Sozialversicherungsträgern und den Rentenversicherungsträgern jährlich Reichszuschüsse gewährt, um auf diese Weise peu à peu und nacheinander Wiedergutmachung zu leisten. Über diese Wiedergutmachung muß auch bei uns dann gesprochen werden, wenn es um die endgültige Debatte über die Regelung und die Korrekturen dieser Dinge geht. Aber zu dem Entwurf sage ich, daß wir ihm grundsätzlich positiv gegenüberstehen.
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Dasselbe gilt auch für die Drucksache Nr, 4007, den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Überleitungsgesetzes, der vorsieht, daß die Aufwendungen für die Arbeitslosenfürsorge der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom Bunde nicht voll erstattet werden, sondern daß ein Teilbetrag in Höhe von 12,5 % der Einnahmen aus der Arbeitslosenversicherung für die nächsten drei Jahre durch Schuldbuchforderungen abgedeckt wird. Es handelt sich hier schätzungsweise wohl um einen Jahresbetrag von 185 Millionen DM, so daß insgesamt eine Schätzung von 555 Millionen DM in Frage käme. In der Begründung wird darauf hingewiesen, daß die Bundesanstalt in den letzten Jahren beachtliche Einnahmeüberschüsse erzielt habe und daß ein Vermögen von 1,1 Milliarden DM vorhanden sei. Hierbei ist jedoch nicht berücksichtigt, daß dieses Vermögen nicht flüssig, sondern zum weit überwiegenden Teil lang- und mittelfristig angelegt ist. Unser Standpunkt: es wird deshalb notwendig sein, zunächst einmal eine eingehende Prüfung der Vermögenslage der Bundesanstalt vorzunehmen. Sobald das Ergebnis einer solchen Prüfung vorliegt, sind wir bereit, uns durchaus in positivem Sinne mit dieser Vorlage zu beschäftigen.
Damit, meine Damen und Herren, möchte ich meine Ausführungen zu diesen Punkten schließen und am Ende nur noch einmal dem ganz allgemeinen Wunsche Ausdruck geben, daß man bei der Darlegung dieser Dinge auch draußen in der Öffentlichkeit sich doch bemühen und befleißigen möchte, etwas mehr Objektivität und auch Gerechtigkeit walten zu lassen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen.
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- Ich habe die Reihenfolge so übernommen. Ich bin gern bereit, sie zu ändern. - Das Wort hat also Herr Abgeorneter Richter.
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- Es ist j a sehr höflich, daß der eine sagt: „Bitte, nach Ihnen!" Dann muß ich aber nun wirklich nach der Rednerliste gehen, und da steht Herr Arndgen. Ich muß also dem Herrn Arndgen das Wort erteilen.
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- Ja, meine Damen und Herren, dann liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.
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- Also bitte: soll ich das Fallbeil des Schlusses des Aussprache senken?
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- Das Wort hat Herr Abgeordneter Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Verständnis dafür, daß der verehrte Kollege Arndgen warten will, bis er meine Ausführungen gehört hat. Ich könnte mir denken, daß er vielleicht dann zu dem Ergebnis kommt, gar nichts zu diesem Hohen Hause zu sagen, und daß er mit meinen Ausführungen einverstanden ist. Nach seiner Haltung, die er bei der Beratung der verschiedensten Probleme im Sozialpolitischen Ausschuß zum Ausdruck gebracht hat, kann ich jedenfalls zu dieser Ansicht kommen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner gestrigen Rede auch Ausführungen über die Sozialleistungen gemacht. Es hatte den Anschein, als wenn all die sogenannten sozialen Leistungen von dieser Bundesregierung durchgeführt worden wären. In Wirklichkeit - das wissen wir doch alle - sind wesentliche Teile der von dem Herrn Bundesfinanzminister angeführten Beträge durch Beiträge der in Betracht kommenden Personenkreise aufgebracht worden. Außerdem hat der Herr Bundesfinanzminister uns umfangreiches Zahlenmaterial unterbreitet. Wir sind der Meinung, daß die angeführten Aufwendungen nicht alle als soziale Leistungen bezeichnet werden können. Wir werden auf diese Angelegenheit bei der zweiten Beratung des Etats des Bundesarbeitsministers noch eingehend zu sprechen kommen. Wir werden dabei sozialpolitische Fragen von grundsätzlicher Bedeutung anschneiden und insbesondere die wirklichen Leistungen der Bundesregierung und der Regierungsparteien auf dem sozialen Gebiet gebührend kennzeichnen. Dabei wird sich herausstellen, daß man weder von einem sozialen Fortschritt noch von
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sozialer Gerechtigkeit sprechen kann. Wir warten auch noch auf die Novelle zum Bundesversorgungsgesetz, die endlich die Renten an das gestiegene Preisgefüge anpassen soll. Sie ist nach unserer Auffassung überfällig, und ich hoffe, daß der Kollege Arndgen, der ja nach mir spricht, auch diese Frage anschneiden und als Meinung seiner Fraktion zum Ausdruck bringen wird, daß die Bundesregierung dringend ersucht und gehalten wird, endlich dem Bundestag einen diesbezüglichen Gesetzentwurf zu unterbreiten.
Das gleiche trifft für ein Heimkehrerentschädigungsgesetz zu, das für die heimgekehrten Kriegsgefangenen in irgendeiner Form umgehend geregelt werden muß.
Ich will heute in Anbetracht der relativ geringen Zeit, die meiner Fraktion zur Behandlung des Haushalts zur Verfügung steht, im wesentlichen nur auf die beiden Gesetzesvorlagen der Bundesregierung eingehen, da sie bedeutsame sozialpolitische Auswirkungen haben werden. Nach dem Grundgesetz Art. 120 trägt der Bund u. a. auch die Zuschüsse zu den Leistungen der Sozialversicherung und der Arbeitslosenfürsorge. Auf Grund der von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwürfe Drucksachen Nr. 4005 und 4007 soll eine Abwälzung dieser Verpflichtungen auf die Landesversicherungsanstalten, die Angestelltenversicherung und die Knappschaftsversicherung sowie die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung erfolgen. Nur darum dreht es sich bei diesen Gesetzentwürfen, um gar nichts anderes! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion kann sich damit keinesfalls einverstanden erklären. Die Anlage von Mitteln der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten ist schon seit Jahrzehnten in den §§ 26 ff. der Reichsversicherungsordnung geregelt. Dort heißt es:
Das Vermögen muß verzinslich und, soweit Anlagemöglichkeit vorhanden ist, auch wertbeständig angelegt werden.
Für die Anlegung dieses Vermögens sind im Gesetz über ein Dutzend Möglichkeiten der verschiedensten Art festgelegt, die ich im einzelnen nicht zu erwähnen brauche.
Es waren die Nazis, die 1938 zum Aufbau ihrer
Wehrmacht den § 27 f in der leider heute noch in
der Reichsversicherungsordnung enthaltenen Fassung festgelegt haben. Diese Fassung lautet:
Die Reichsregierung bestimmt den Betrag, bis zu welchem das Vermögen in den im § 26 Abs. 1 Nr. 1 genannten Forderungen anzulegen ist.
Damit sind insbesondere die Forderungen gemeint, die in das Schuldbuch des Reiches eingetragen sind. Es heißt jetzt allerdings in diesen beiden Gesetzesvorlagen - das will ich zugeben - nicht mehr „Schuldbuch des Reiches" sondern „Bundesschuldbuch". Im Ergebnis ist es dasselbe.
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Das gesamte Vermögen der Sozialversicherungsträger ist zweimal vernichtet worden. Es ist bekannt, daß zirka 13 Milliarden in Reichsschatzanweisungen auf Grund des eben angeführten § 27 f, von den Nazis geschaffen und durchgeführt, angelegt werden mußten.
Als wir im Bundestag im Frühjahr oder im Sommer 1951 auf Grund eines Antrags der sozialdemokratischen Fraktion über die Erhöhung der Renten der Rentner, Witwen und Waisen sowohl in der Rentenversicherung der Arbeiter als auch in der Angestelltenversicherung berieten, wurde auch von Ihren Rednern zum Ausdruck gebracht - und es war insbesondere der Kollege Arndgen, der jetzt nach mir Gelegenheit haben wird, es zu bestätigen - daß durch die Vernichtung des Vermögens der Rentenversicherungsträger zirka eine Milliarde an Zinsen und sonstigen Erträgen als laufende Einnahmen verlorengegangen sind. Auf Grund dieses unbestrittenen Sachverhalts wurde im Bundestag im Sommer 1951 eine Rentenerhöhung von durchschnittlich bis zu 25 % beschlossen. Allerdings hat - das will ich hier beiläufig erwähnen - die durchschnittliche Erhöhung für die Arbeiter nur 17 % betragen. Die für diese Erhöhung erforderlichen Mittel wurden damals auf zirka 900 Milionen DM veranschlagt. Sie sollten vom Bund als Ausgleich für den Zinsverlust der Sozialversicherungsträger aufgebracht werden.
Die Bundesregierung hat schon wiederholt versucht, diese ihre Verpflichtungen mehr oder weniger auf die Sozialversicherungsträger der Arbeiter und Angestellten abzuwälzen. Bereits damals hat man den Sozialversicherungsträgern 20 % aufgebürdet, aber nur für ein Jahr. Man hat dann für das Jahr 1952 diese 20 %, d. h. dieses Gesetz, verlängert. Dieser Versuch, der damals im kleinen, mit 20 % beginnend und auf ein Jahr beschränkt, von der Bundesregierung unternommen wurde, um sich von Verpflichtungen zu befreien, die durch das Grundgesetz zwingend vorgeschrieben sind, wird nun mit den beiden Gesetzentwürfen der Bundesregierung wiederholt.
Es wirkt auf alle Arbeiter und Angestellten sowie auf Rentner, Witwen und Waisen mehr als befremdend, daß auf sozialem Gebiet derart einschneidende Gesetzesvorlagen ausgerechnet vom Bundesfinanzminister und nicht vom Bundesarbeitsminister eingebracht werden. Der Herr Bundesarbeitsminister schweigt sich wohlweislich aus. Es ist aber noch nicht so lange her, daß der Herr Bundesarbeitsminister in seiner Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses zum Ausdruck brachte, bei den Rentenversicherungsträgern der Arbeiter und Angestellten sei die Bildung eines Kapitalstocks dringend notwendig. Diese Ansicht wurde auch von Rednern der Regierungsparteien in diesem Hause verschiedentlich geäußert. Damals hat der Herr Bundesarbeitsminister sowenig wie die Damen und Herren von den Regierungsparteien, die sich für die Kapitalstockbildung einsetzten, angedeutet, daß diese Kapitalstockbildung mehr oder weniger im Interesse des Etats der Bundesregierung liegen solle bzw. notwendig sei.
In dem Gesetzentwurf über die Deckung der Rentenzulagen, Drucksache Nr. 4005, heißt es, daß die Träger der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten 75 v. H. der Mehraufwendungen, die durch die Rentenzulagen entstanden sind, für die Zeit vom 1. April 1953 bis 31. März 1956 aufzubringen haben. Es heißt weiter, daß, wenn ein Versicherungsträger nicht in der Lage ist, den auf ihn entfallenden Betrag teilweise oder ganz aufzubringen, die ausfallenden Beträge von den anderen Versicherungsträgern nach Maßgabe ihrer Beitragseinnahmen zu tragen sind. Die von den einzelnen Versicherungsträgern aufzubringenden Mittel werden als Schuldbuchforderungen in das Bundesschuldbuch eingetragen. Es sollen Zinsen bis höchstens 5 % gewährt werden. Jedoch ist weder eine
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Löschung noch eine Veräußerung oder Belastung der Forderungen zulässig. Eine Tilgung ist in dem Entwurf ebenfalls nicht vorgesehen gewesen. Man ist jetzt lediglich bereit auf Grund der Forderung des Bundesrats -, alle 3 Jahre 1 % Tilgung zuzulassen. Das würde praktisch bedeuten, daß die Hunderte von Millionen der Rentenversicherungsträger und der Arbeitslosenversicherung in zirka 99 Jahren endlich getilgt wären. Die Sozialversicherungsträger werden dadurch verpflichtet, aus den eingehenden Beiträgen jährlich etwa 555 Millionen DM, also für 3 Jahre 1665 Millionen DM der Bundesregierung zur Verfügung zu stellen, wofür sie eine Schuldbuchforderung gegenüber dem Bund erhalten. Damit greift der Bundesfinanzminister die laufenden Betriebsmittel der Sozialversicherungsträger an und nicht, wie behauptet wird, die Kapitalien. Die Beiträge der Versicherten werden also insoweit nicht für die Zwecke der Sozialversicherungsträger verwandt.
Es wird zwar von der Bundesregierung behauptet, daß die derzeitigen Verpflichtungen der Rentenversicherungsträger gewährleistet seien. Dies trifft jedoch höchstens für die Zahlungen der Renten und der Beiträge für die Rentnerkrankenversicherung zu, denn nur für diese Verpflichtungen gilt der Ausgleich gemäß § 6 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes innerhalb der Rentenversicherungsträger der Arbeiter, also der Landesversicherungsanstalten. Es trifft nicht für die Verpflichtungen zu, die im Heilverfahren und in vorbeugenden Maßnahmen ebenfalls bestehen. Diese Verpflichtungen werden durch die beabsichtigten Maßnahmen der Bundesregierung weitestgehend gefährdet. Ein Teil unserer Landesversicherungsanstalten wird nicht in der Lage sein, wenn sie ihre gesetzlichen Verpflichtungen - Zahlungen der Renten und der Krankenkassenversicherung der Rentner - übernehmen wollen, den Betrag, den der Bundesfinanzminister fordert, zu leisten. Es werden nur wenige Landesversicherungsanstalten sein, die auf Grund des Ausgleichssystems die gesamten Mittel allein aufbringen müssen. Die Folge wird sein, daß die Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten die sozialpolitisch wesentlichsten und bedeutsamsten Leistungen - die Vorbeugung und das Heilverfahren - einschränken, unter Umständen mehr oder weniger beseitigen müssen. Die Erhöhung der Leistungen an die Rentner oder ihre Hinterbliebenen aus eigenen Mitteln der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten wird durch die Forderung der Bundesregierung auf absehbare Zeit unmöglich gemacht. Wesentliche Erhöhungen wären aber dringend erforderlich. Jedermann weiß doch, daß zum Beispiel der Steigerungsbetrag von nur 0.7 Prozent in der Angestelltenversicherung und der Grundbetrag von nur 156 DM im Jahr für die Arbeiterversicherung nicht mehr den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen.
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- Herr Kollege Wuermeling, Sie haben ja aus der Rede des Bundesfinanzministers entnehmen können, daß nach seiner Aufstellung bei den Rentenversicherungsträgern der Arbeiter und der Angestellten zirka eine Milliarde an Aufkommen vorhanden sein soll. Bitte, es wäre schon wert zu prüfen, wieweit die Rentenversicherungsträger in der
Lage sind, die erforderlichen Mittel zur Erhöhung der Leistungen aufzubringen.
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Jedenfalls würde es im Interesse der Rentner und der Aufgaben der Rentenversicherungsträger liegen, wenn die Beiträge für die Leistungen verwendet würden und nicht für zweckfremde Aufgaben aller Art, zum Ausgleich des Etats des Bundes.
Die Behauptung in der Vorlage, daß die Gesamtheit der Träger der Invalidenversicherung und der Angestelltenversicherung im Rechnungsjahr 1953 immer noch einen Kassenüberschuß von 414 Millionen habe, ist sehr fraglich. Wir sind der Auffassung, daß die in der Übersicht der Einnahmen und Ausgaben der Rentenversicherungsträger im Rechnungsjahr 1953 angeführten Zahlen korrekturbedürftig sind. Die Voranschläge für die Renten in der Invalidenversicherung erscheinen uns um mindestens 120 Millionen DM und für die Angestelltenversicherung um mindestens 50 Millionen DM zu gering. Ebenso wird die Summe, die für die Beiträge an die Rentnerkrankenversicherung festgesetzt ist, nicht ausreichen. Das gleiche trifft unseres Erachtens auch für das Heilverfahren zu.
Nun hat der Kollege Horn in seinen Ausführungen festgestellt, daß seit Mai 1949 die Durchschnittsrente in der Invalidenversicherung - wenn ich ihn richtig verstanden habe - von 43 DM im Monat auf zirka 79 DM im Monat gestiegen sei. Bitte, ich möchte Sie fragen: von 43 Mark im Monat soll der Rentner und seine Frau leben?
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Ich möchte Sie fragen, ob man das als eine besondere Leistung hervorheben kann.
Nun war es möglich, diese Renten durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz und durch das Zulagengesetz von 1951 auf durchschnittlich 79 DM im Monat zu erhöhen. Wir wissen, daß seit dem Sommer 1949 Preissteigerungen erfolgt sind; aber selbst wenn sie nicht erfolgt wären - und von Ihnen werden sie ja bestritten -, dann bitte, überlegen Sie sich, wie ein Rentner mit seiner Frau mit 79 DM im Monat zurechtkommen soll.
Bemerken darf ich hierzu aber auch, daß die Beiträge in dieser Zeit von 5,6 % des Lohns auf 10% des Lohns erhöht worden sind, daß es also die Arbeiter und Angestellten sind, die die Mittel aufbringen, damit die erhöhten Leistungen an ihre Arbeitskollegen überhaupt gezahlt werden können. Wir sollten, ja müssen ernstlich prüfen, ob es nicht möglich ist, schnellstens - nachdem wir gerade wieder die Durchschnittsleistung gehört haben - zu einer Erhöhung zu kommen.
Wenn nun hier behauptet wird, der Verband der Rentenversicherungsträger stimme der Vorlage der Bundesregierung zu, so möchte ich mit aller Deutlichkeit feststellen, daß der Verband der Rentenversicherungsträger nicht das Recht hat, zuzustimmen.
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Der Verband der Rentenversicherungsträger hat nach den gesetzlichen Bestimmungen in erster Linie koordinierende Aufgaben auf dem Gebiet der Verwaltung zwischen den einzelnen Landesversicherungsanstalten durchzuführen. Er soll seine Finger aus der Gesetzgebung und aus der Politik
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heraus lassen; denn dafür ist der Bundestag und
nicht irgendeine andere Institution verantwortlich.
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Mir ist aber auch bekannt, daß die Organe des Verbandes dieser Vorlage gar nicht zugestimmt haben sollen, sofern man den ständigen Ausschuß dieser Vereinigung als ein Organ - und ich glaube, das sollte man tun - ansprechen kann. Der ständige Ausschuß setzt sich aus den Vertretern der einzelnen Landesversicherungsanstalten, aus Vertretern der Arbeitgeber, der Versicherten und der Herren Präsidenten dieser Anstalten zusammen, und ich habe gehört - inzwischen ist mir das Gegenteil nicht gesagt worden -, daß dieser ständige Ausschuß vor einigen Wochen - das wissen Sie auch, Herr Kollege Arndgen - den Gesetzentwurf abgelehnt hat.
Wie bei den Rentenversicherungsträgern will die Bundesregierung auch bei der Bundesanstalt für Arbeitslosenvermittlung und Arbeitslosenversicherung nach dem gleichen Verfahren vorgehen. Die Bundesregierung will 12,5 v. H. des Beitragsaufkommens der Arbeitslosenversicherung an den Verpflichtungen zum Ausgleich für die Leistungen der Arbeitslosenfürsorge abziehen. Dies sind, wie berechnet wurde, 185 Millionen DM, also in drei Jahren 555 Millionen DM. Die Wegnahme von Vermögensteilen der Bundesanstalt widerspricht den gesetzlichen Bestimmungen; denn die Mittel, die durch Beiträge der Versicherten aufgebracht werden, sind zweckgebunden. Sie sind in erster Linie für die Vermittlung von Arbeitnehmern und für die Gewährung von Unterstützungen an Arbeitslose und zur Berufsberatung zu verwenden. Darüber hinaus können die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung, die für Unterstützungszwecke nicht benötigt werden, für Maßnahmen zur Verhütung oder zur Beendigung der Arbeitslosigkeit verwendet werden. Hierunter fällt auch die Zurverfügungstellung von Mitteln zur Beschaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen, Notstandsarbeiten usw. Ferner hat die Bundesanstalt kraft Gesetzes einen Notstock für die Gewährung der Arbeitslosenunterstützung für drei Monate sicherzustellen. Dies alles ist in der erforderlichen Höhe bei Durchführung des von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurfs nicht mehr möglich.
Ebenso ist eine Erhöhung der Arbeitslosenunterstützung für die Zukunft ausgeschlossen, obwohl jedermann weiß, daß gerade bei den mittleren und höheren Einkommen die Arbeitslosenunterstützung relativ gering ist. Sie beträgt bei den höheren Einkommen, die versicherungspflichtig sind, nur ca. 27 % des zuletzt verdienten Lohnes oder Gehalts und bei der Arbeitslosenfürsorge gar nur ca. 19%. Daß jeder Arbeitslose mit seiner Familie in größte Not geraten muß, wenn er an Stelle seines seitherigen Gehalts, auf Grund dessen er jahrein, jahraus 4 % Beitrag von seinem Lohn gezahlt hat, nur noch ca. ein Viertel bis ein Fünftel an Unterstützung erhält, ist unausbleiblich.
Wenn in der Begründung auf die Aufwendungen für das beabsichtigte Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz Bezug genommen wird, so ist dazu zu sagen, daß dies unbestreitbar Kriegsfolgelasten sind, die vom Bund und nicht von den Trägern der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung aufzubringen sind.
Bei der Beratung des Gesetzes über die Wiederherstellung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung sowie des Gesetzes zur Errichtung der Bundesanstalt haben Regierung und Regierungsparteien immer wieder die Eigenverantwortlichkeit der Selbstverwaltungsorgane betont. Heute müssen wir aber erleben, daß, nachdem kaum die Selbstverwaltungsorgane bei der Bundesanstalt ins Leben gerufen worden sind und bei den Sozialversicherungsträgern in den nächsten Wochen erst die Wahl zu diesen Selbstverwaltungsorganen erfolgen soll, dieselbe Regierung den Selbstverwaltungsorganen ihre vornehmste Aufgabe, nämlich die Beitragsverwaltung und Vermögensanlage, praktisch entzieht. Dagegen verwahren wir uns, die wir für die volle Selbstverwaltung sind, in aller Öffentlichkeit.
Wenn der Herr Finanzminister behauptet, die sozialen Leistungen hätten sich gegenüber 1949 im Jahre 1953 verdoppelt, und wenn dies wirklich den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen sollte, so ist doch zu beachten, daß die Mehreinnahmen sowohl bei der Sozialversicherung wie bei der Arbeitslosenversicherung durch die erhöhten Beiträge entstanden sind und daß dies nur durch die von den Gewerkschaften erkämpften Lohnerhöhungen möglich war und nicht durch Maßnahmen der Bundesregierung. Es waren die Arbeiter und Angestellten, die unser Sozialprodukt bei relativ geringem Realeinkommen und langer Arbeitszeit mitgeschaffen haben. Wie gering die Leistungen an die Sozialrentner und Arbeitslosen, nach ihrer Kaufkraft gemessen, in Wirklichkeit sind, können Ihnen diese am besten selbst sagen, denen nun noch auf Veranlassung der Bundesregierung das verbilligte Konsumbrot genommen wird.
Wir protestieren aber auch ganz entschieden gegen die Verkopplung der Aufhebung der Subvention des Konsumbrots mit den Verpflichtungen der Bundesregierung zur Gewährung von Sozialleistungen und insbesondere von Zuschüssen zu den Rentenversicherungen. Wir können die Verantwortung, daß die Arbeitslosen, die Rentner, Witwen und Waisen weiter hungern, nicht tragen. Wir Sozialdemokraten werden deshalb für eine ausreichende Erhöhung der Renten und Arbeitslosenunterstützung weiterkämpfen.
Die Sozialversicherung und die Arbeitslosenversicherung müssen ihre finanzielle Unabhängigkeit zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben behalten. Sie haben, soweit möglich, bereits Mittel für den sozialen Wohnungsbau und andere Maßnahmen zur Verfügung gestellt. Sie haben also ihre Mittel gemäß den gesetzlichen Vorschriften verwandt und nicht nutzlos vertan. Sie können und dürfen aber nicht zu einer Zwangsanleihe gezwungen werden. Wenn der Herr Kollege Horn hier davon spricht, daß der Bund in Finanznot sei, so weise ich demgegenüber darauf hin, daß wir, wenn wir auf dem einen oder anderen Gebiet Anträge sozialpolitischer Art gestellt haben, schon sehr oft von dieser Stelle aus gehört haben: Die Sozialversicherungsträger sind in Finanznot. Wir haben erlebt, daß daraufhin unsere Anträge abgelehnt wurden. Ich frage Sie: Sollen nun die nach Ihrer Ansicht in Finanznot befindlichen Sozialversicherungsträger dem in Finanznot befindlichen Bund helfen? Wenn der Etat der Bundesregierung nicht ausgeglichen ist, sind andere Maßnahmen als die Heranziehung von Beitragsmitteln der Arbeitslosen- und der Sozialversicherung zu ergreifen. Eine derartige Maßnahme würde eine zusätzliche Belastung der Versicherten als Beitragszahler, also eine indirekte Steuer, bedeuten.
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Die Nazis haben den Sozialversicherungen ihre finanzielle Vorsorge für Not und Alter genommen. Der Bundesregierung rufen wir zu: Hände weg von der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung!
Die SPD-Fraktion lehnt die beiden Gesetzentwürfe ab.
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Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Richter hat vorhin mit vollem Recht gesagt, daß bei den endgültigen Etatberatungen über den Haushalt des Bundesarbeitsministeriums eine grundsätzliche Aussprache über Sozialpolitik usw. erfolgen sollte. Wir werden diesem seinem Wunsche gerne entsprechen.
Ich möchte aber heute, nachdem mir aus dem Lande draußen die verschiedensten Zuschriften zugegangen sind, nicht verabsäumen, den Inhalt des Gesetzentwurfs, der Ihnen in der Drucksache Nr. 4005 vorliegt, einmal darzulegen. Dieser Gesetzentwurf geht nicht, wie vielfach behauptet wird, davon aus, daß die Deckungskapitalien der Sozialversicherungsträger zu 75 % für die Ausgleichung des Bundeshaushalts herangezogen werden sollen, sondern er sagt, daß 75 % der Zuschüsse, die der Bund auf Grund des Rentenzulagengesetzes zu leisten hat, in diesem Jahre nicht in Form von barem Geld, sondern in Form von Schuldverpflichtungen des Bundes abgedeckt werden sollen.
Hier müssen wir uns einmal klar vor Augen halten, was die Bundesregierung in Verbindung mit diesem Parlament in Form von Verpflichtungen des Bundes in den letzten zwei Jahren für diese Zwecke getan hat. Wir haben im Jahre 1951 das Rentenzulagengesetz verabschiedet, das den Bund verpflichtet, den Rentenversicherungsträgern eine jährliche Kapitalsumme von 850 Millionen DM zu geben. Das war die ehrliche Leistung des Bundes an die ganz bestimmt in schlechtesten Verhältnissen befindlichen Rentner. Damals hat das Hohe Haus beschlossen, daß von diesen 850 Millionen DM die Versicherungsträger selbst 20 % zu tragen haben, und zwar, glaube ich, für zehn Monate des vorletzten Etatjahres. Im letzten Etatjahr hat dieses Haus ein Gesetz verabschiedet, wonach die Rentenversicherungsträger auch im jetzigen Etatjahr diese 20 % zu zahlen haben. Der Bund hat dafür Schuldtitel als Deckung für die Verpflichtungen in der Zukunft gegeben.
Nun haben wir zudem im Dezember das Gesetz über die Erhöhung der Grundbeträge in der Sozialversicherung verabschiedet. Das bedeutet für das kommende Etatjahr eine Erhöhung der Bundeszuschüsse um 316 Millionen DM.
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- Wo es herkommt, Herr Professor, das spielt doch hier gar keine Rolle! Wenn Sie früher, als Sie die Verantwortung für diese Dinge in Berlin getragen haben, so gewissenhaft vorgegangen wären, wie Sie es hier zu tun belieben - oder wenigstens nach draußen anzudeuten belieben -, dann wäre die Berliner Sozialversicherung nicht so weit gekommen!
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Darüber hinaus wissen Sie, daß von der Bundesregierung das Fremdrentengesetz verabschiedet ist, das in der allernächsten Zeit in diesem Hohen Hause zu behandeln sein wird. Die Bundesregierung ist sich völlig klar darüber, daß dieses Fremdrentengesetz mit Wirkung vom 1. April, also mit Beginn des neuen Etatjahres, wirksam werden soll.
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Was bringt denn dieses Fremdrentengesetz? Es bringt die Entlastung der Versicherungsträger um 290 Millionen DM. Im laufenden Etatjahr tragen die Träger der Rentenversicherungen von den Verpflichtungen, die jetzt auf sie kommen, bereits 170 Millionen DM, dazu noch einmal 290 Millionen DM, also zusammen 460 Millionen DM.
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- Aber selbstverständlich, Herr Professor, das sind Verpflichtungen des Bundes. Wir haben uns doch die Frage vorzulegen: Was soll sozialpolitisch werden? Hier ist bei der Diskussion - ich habe mich sehr darüber gefreut - von den verschiedensten Seiten darüber gesprochen worden, daß man in der heutigen Zeit letzten Endes Schwierigkeiten finanzpolitischer Art zu überwinden hat, wie sie früher nie gegeben waren. Das wird auch ganz bestimmt von Ihnen anerkannt. Ich habe die letzten Jahre dazu benutzt, der Sozialversicherung mit Hilfe dieses Hohen Hauses trotz aller Finanzschwierigkeiten wieder einen Boden zu geben. Wenn ich dabei ein Jahr lang Leistungen, die der Bund zu den Beiträgen an die Rentenversicherungsträger gibt, in Form von Anleihen bekomme, dann ist mir das lieber, als wenn ich wegen des Geldmangels in der jetzigen Zeit für die Sozialversicherungsträger keine festen Grundlagen schaffen kann.
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Jeder weiß, daß wir zur Zeit soziale Verpflichtungen tragen müssen, die auf Grund ihrer Natur abklingen. Demgegenüber ist die Sozialversicherung eine Einrichtung für die arbeitenden Menschen, die, nachdem sie jetzt über 80 Jahre besteht, hoffentlich auch in den nächsten 100 Jahren unseren arbeitenden Menschen eine Sicherung für die Wechselfälle des Lebens bietet.
Deshalb sollte man diese Dinge so darstellen, wie sie in Wirklichkeit sind. Verpflichtungen des Bundes an die Versicherungsträger sollen nach diesem Gesetzentwurf in einer Größenordnung von 555 Millionen DM in Form von Schuldverpflichtungen des Bundes übernommen werden. In einer derartigen Größenordnung werden wir sowieso für eine ganz kleine Kapitaldeckung in der Sozialversicherung Rücklagen zu machen haben. So müssen Sie meines Erachtens die Dinge sehen.
Ich habe niemals gesagt, der Verband der Rentenversicherungsträger habe sich damit einverstanden erklärt.
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Ich habe es gehört, daß mein Kollege Horn das gesagt hat, und ich kann mir vorstellen, daß er mit dem einen oder anderen der führenden Herren gesprochen hat. Ich weiß nicht, wie die Erklärung ist. Ich habe vor einiger Zeit die führenden Leute von allen Landesversicherungsanstalten in meinem Ministerium gehabt und habe diese Probleme in aller Offenheit mit ihnen besprochen. Mit ihnen war auch noch ein Regierungsvertreter von jeder Landesregierung anwesend. Die Leute haben mir
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gesagt: Wenn wir das Fremdrentengesetz überhaupt nur mit der Verklausulierung bekommen können, daß wir für ein oder zwei Jahre Schuldverschreibungen dafür nehmen müssen, dann ist uns diese Regelung natürlich viel lieber, weil wir so zu einer besseren Fundamentierung unserer Arbeit kommen, als wenn das Fremdrentengesetz jetzt erneut nicht verabschiedet werden kann.
So sollten wir doch die Dinge sehen, und so sollten wir sie draußen den Leuten vortragen. Wir sollten nicht so tun, als ob wir aus den Beiträgen für die Sozialversicherung heute eine Deckung für den Bundeshaushalt herstellen wollten.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dr. Nöll von der Nahmer.
Meine Damen und Herren! Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat gestern das schöne Wort von den „Gemeinplatzpatronen" geprägt. Eine solche Gemeinplatzpatrone ist es, wenn immer wieder über die allzu hohen Steuern geklagt wird. Darüber sind wir uns ja alle klar: Das zulässige Maß ist überschritten. Wenn man über die zu hohen Steuern klagt, so hat das nur für denjenigen Zweck - und ich spreche nur demjenigen das Recht zu, diese Klagen zu erheben -, der in der Lage ist, auf der andern Seite auch positiv eine Ausgabensenkung vorzuschlagen
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oder wenigstens zu sagen, wie wir ohne Tariferhöhung durch gleichmäßige Veranlagungen Mehreinnahmen erzielen und damit den Weg für eine Tarifermäßigung frei machen können.
Es hat weiter keinen Zweck, daß wir hier groß über Sparsamkeit reden, wenn wir im Plenum eine Tagesordnung vorfinden mit dem von Kollegen aller Fraktionen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung, dessen Durchführung die Kleinigkeit von „nur" 50 Millionen DM im Laufe des Haushaltsjahres kosten würde. Und das, ohne daß die Fraktionen vorher Gelegenheit zu einer Stellungnahme hatten.
Wir müssen den Mut haben, uns zu entscheiden: Entweder wollen wir eine Steuersenkung, dann müssen wir auch die nötigen Ausgabensenkungen beschließen; oder wir verzichten auf die Steuersenkung, wollen immer mehr Ausgaben haben, immer mehr die Behörden in Anspruch nehmen, dann dürfen wir aber auch nicht über zu hohe Steuern klagen.. Eins von beiden geht nur.
Hier scheint mir auch einmal der Appell an die Öffentlichkeit und namentlich an alle die vielen Vereinigungen nötig, die Tagungen abhalten. Die Nationalökonomen und alle Männer der Wirtschaft sollten sich vor allen Dingen einmal auf positive Vorschläge zur Ausgabensenkung konzentrieren, anstatt uns immer wieder aufzufordern, die untragbaren Steuern zu senken. Über die Notwendigkeit sind wir uns alle klar.
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- Verbrauchsteuern! Ich weiß, Herr Kollege Gülich, Sie kommen darauf, weil unser Kollege Neuburger wohl gemeint hat, man könne die Verbrauchsteuern - er sprach ständig von „indirekten"
Steuern - erhöhen und dadurch die Progression bei den Einkommen- und Besitzsteuern etwas senken. Das geht natürlich nicht; denn die Verbrauchsteuern sind schon übermäßig angespannt. Hier gibt es ja leider seit des großen Jonathan Swift Zeiten das berühmte Swiftsche Steuereinmaleins, das eben leider nicht abzuändern ist: Wenn man die Verbrauchsteuern erhöht, ist keineswegs gesagt, daß sich die Einnahmen entsprechend steigern, weil sich der Verbraucher diesen Steuern sehr einfach entziehen kann. Also so geht es nicht.
Aber nun glaube ich, Herr Finanzminister, daß es im Haushalt noch eine ganze Reihe von Ausgaben gibt, die gesenkt werden können. Ich freue mich, daß jetzt endlich das Kabinett den Mut gehabt hat, die Konsumbrotpreissubventionen zu streichen.
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- Nein, das ist nicht reaktionär, Herr Renner! Wenn Sie im Haushaltsausschuß sachlich mitarbeiteten, dann hätten Sie dort gehört, was mit diesen 300 Millionen alles angefangen worden ist. Diejenigen, die es nötig hatten, haben von diesen 300 Millionen am wenigsten bekommen. Wir sehen jetzt an den Vorschlägen des Kabinetts, daß es mit einem sehr viel geringeren Aufwand von, wie wir schätzen, etwa 24 Millionen DM jährlich möglich ist, denen, die uns genau so am Herzen liegen wie Ihnen, Herr Renner, nämlich den notleidenden Sozialrentnern und Heimatvertriebenen, die Brotpreisverbilligung durchaus weiter zu gewähren.
Dann ein anderer Punkt! Ich habe schon vor einem Jahr in der Frage der Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder einen Vorstoß gemacht. Mit freundlicher Unterstützung des Herrn Ministers habe ich damals wenigstens erreicht, daß der Bund, insoweit er Zinsen an die Bank deutscher Länder zahlen mußte, aus dem Gewinn der Bundesbank entsprechende Buchvergütungen erhält. Zu mehr war damals leider unser Geld- und Kreditausschuß und das ihm folgende Plenum nicht zu bewegen.
Einer meiner Kollegen hat schon davon gesprochen, daß wir Ihnen, Herr Minister, auch unsere beiden großen Verkehrsbetriebe Post und Eisenbahn warm ans Herz legen. Ich stimme völlig mit Ihnen überein, wenn Sie gestern sagten, man dürfe nicht den Bundeshaushalt allein betrachten, sondern müsse ihn als einen „Gemeinschaftshaushalt" der Länder ansehen. Unbestreitbar richtig! Aber auch unsere beiden großen Verkehrsverwaltungen gehören in diesem Sinne dazu. Sie sind das größte Bundesvermögen. Hier haben wir nun doch große Sorgen! Der Herr Bundespostminister ist nicht anwesend. Sachverständige Kollegen behaupten, daß die Summe von 185 Millionen DM - ein stattlicher Betrag -, die die immer noch ausgezeichnet arbeitende Postverwaltung in diesem Jahr an die Bundeskasse abführen soll, nicht ohne Gefährdung der Betriebsaufgaben der Post aufzubringen wären. Nun sehen wir in § 11 des Haushaltsgesetzes wieder, daß Post und Eisenbahn nach wie vor - nun will ich es einmal so sagen, wie es wirtschaftlich ist: ein Unternehmen subventionieren müssen, das es nach seiner Bilanz wirklich nicht mehr nötig hat und jedes Jahr so große Reserven bildet: die Bank deutscher Länder. Im Sinne unseres seinerzeitigen Antrags müssen wir endlich ernsthaft prüfen, ob nicht hinsichtlich der Ausgleichsforderungen bzw.
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der Zinsen an die Bank deutscher Länder eine Entlastung von Post und Eisenbahn stattfinden kann.
Als Mitglied des Bundesschuldenausschusses bin ich doch etwas betroffen gewesen von der offiziellen Mitteilung, daß die Eisenbahn mit ihren Zinsverpflichtungen für die Ausgleichsforderungen mit nicht weniger als 97 720 000 DM im Rückstand ist und nunmehr die Bank deutscher Länder der Bundesbahn auch noch Verzugszinsen rechnet, die inzwischen auch schon auf 8,9 Millionen DM angewachsen sind. So etwas geht in der öffentlichen Verwaltung nicht! Wenn ich recht informiert bin, sind diese Beträge auch aus den Supergewinnen der Bank deutscher Länder schon zurückgestellt worden. Aber hier geht es um Grundfragen des öffentlichen Kredits! Also entweder, oder! Entweder muß die Bundesbahn die Zinsen an die Bank deutscher Länder zahlen; dann müssen wir sie auch in die Lage versetzen, das zu tun. Ergebnis: Tariferhöhung. Wenn wir das nicht wollen - und Sie wollen das alle nicht, meine Damen und Herren! -, dann müssen wir auch die Konsequenz ziehen, daß wir der Bundesbahn nicht Ausgaben zumuten, für die eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit nicht gegeben ist.
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- Das ist die Bundeseinigkeit? Wieso Bundeseinigkeit? Nein, es bestehen hier immer noch ungerechtfertigte Hemmungen! Sie sehen das auch wieder in der Begründung zu unserem eigenen Initiativgesetzentwurf über die Notenbank. Die Begründung ist aber - nebenbei gesagt - nicht von uns.
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- Weshalb mit dem Finger drohen? Es ist ja doch offenes Geheimnis, wer sie gemacht hat. Es bestehen immer noch Mißverständnisse über das Wesen der Ausgleichsforderungen. Bei der Größe des Objekts müssen wir uns im Haushaltsausschuß noch einmal ganz offen darüber unterhalten.
Noch eine Frage, Herr Minister! Warum lehnen Sie es ab, sich aus dem Schlagschatz noch etwas Geld zu verschaffen? Man braucht ja nur hier im Bundeshaus zu sein, um den ständigen Kleingeldmangel deutlich zu empfinden. Bei uns in Mainz macht es oft Schwierigkeiten, mal eine Rolle Markstücke zu bekommen. Bei der Münzprägung haben Sie zweifellos noch Möglichkeiten zu höherer Einnahmenerzielung, als jetzt im vorliegenden Haushaltsplan vorgesehen. Wir werden Ihnen gerne helfen, diese Möglichkeiten auszunützen!
Nun aber noch ein anderer Weg zur nachhaltigen Verbesserung der Haushaltslage. Wir haben es endlich erreicht, daß unser Antrag auf Änderung des Art. 108 des Grundgesetzes wegen Herstellung der Bundesfinanzverwaltung nun endlich in der nächsten Woche auch im Rechtsausschuß behandelt wird, nachdem der Steuer- und Finanzausschuß bereits vor mehreren Monaten unserem Antrag mit verfassungsändernder Mehrheit zugestimmt hat. Schätzungen darüber, wie hoch die zusätzlichen Einnahmen bei Schaffung einer Bundesfinanzverwaltung sein werden, dürften schwierig sein. Nach Ansicht aller Sachverständigen wird eine Bundesfinanzverwaltung nicht nur der gleichmäßigen Steuerveranlagung dienen, sondern auch dadurch erhebliche zusätzliche Einnahmen bringen. Mir liegt es völlig fern, diese Frage unter dem Gesichtspunkt „Föderalismus oder Zentralismus" zu behandeln. Wenn wir es als vordringliches Ziel unserer Politik ansehen, steuerliche Entlastungen zu ermöglichen, müssen wir diesem Ziel andere Gesichtspunkte, die uns weniger wichtig sind, unterordnen. Anders können wir nicht vorgehen.
Noch ein Wort zum Abschluß. Meine Redezeit ist abgelaufen. Die große Problematik des vorliegenden Haushalts liegt in der Frage des Extraordinariums und der Anleihe- und Kreditfinanzierung. Für mich persönlich wie auch für meine Freunde unterliegt es keinem Zweifel, daß in der Kontroverse zwischen Bundesregierung und Bundesrat die Bundesregierung im Recht ist. Unser Freund Neumayer könnte ja z. B. überhaupt nicht mit seinen Wohnungsbaumitteln planen, wenn wir die hierfür bestimmten 400 Millionen DM ins Extraordinarium verwiesen. Der Herr Bundesfinanzminister darf ja nur aus dem Extraordinarium zahlen, wenn er dafür eine Deckung hat. Werden aber die Anleihen, die für die Finanzierung des Extraordinariums vorgesehen sind, auch hereinkommen? Wir begrüßen es, daß Sie, Herr Minister, so vorsichtig gewesen sind, bei der Auseinandersetzung mit dem Bundesrat offen zuzugeben, daß sich auch die Bundesregierung noch nicht klar darüber ist, ob sie die vorgesehenen Anleihen wirklich in diesem Umfang hereinbekommt. Deswegen werden wir Ihnen jede Unterstützung gewähren und Sie auch gegen alle Angriffe verteidigen, wenn Sie Anforderungen Ihrer Kollegen, aus dem Extraordinarium zu zahlen, nicht entsprechen, bevor Sie die Gewähr dafür haben, daß die Anleihen wirklich hereinkommen.
Wir haben in der modernen Finanzwissenschaft nicht mehr, wie noch vor einigen Jahrzehnten, einen großen Schrecken - Herr Kollege Gülich hat ja vorhin schon davon gesprochen -, ein gewisses Defizit in Kauf zu nehmen. Die „Gratwanderung", von der der Herr Minister gestern sprach, ist gar nicht so unsicher! Die Wissenschaft hat die Voraussetzungen für nicht inflatorisch wirkende Defizithaushalte weitgehend geklärt. Gerade ein enger Parteifreund unseres Bundesfinanzministers, der ausgezeichnete Münchener Nationalökonom Gerhard Kroll, hat in seiner Lehre von der automatischen Deflation der modernen Finanzwissenschaft und -praxis hier wertvolle Hinweise gegeben. Aber das berühmte „Fingerspitzengefühl" gehört nun einmal zu allen Finanzdingen. Man kann die Grenzen derartiger „ungefährlicher" Haushaltsdefizite nicht immer genau ziffernmäßig umschreiben; aber man muß wissen, wo die Grenze liegt. Wir müssen vorsichtig vorgehen und dürfen nicht einfach glauben, auf Grund bloßer kurzfristiger Kassenkredite im Extraordinarium allzuviel machen zu können. Alles in allem: meine Freunde haben das Gefühl, daß wir mit unserer bisherigen Finanzpolitik wesentlich dazu beigetragen haben, die Erfolge zu erzielen, die auch die Männer der Opposition schließlich nicht bestreiten können. Es ist ein stolzes Werk, das der Herr Bundesfinanzminister uns gestern in Zahlen vorgeführt hat. Wir alle wollen hoffen, daß auch die weitere Entwicklung unserer Volkswirtschaft aufwärtsgeht und dieser Aufstieg mit gefördert wird durch eine modernen Anforderungen entsprechende Finanzpolitik.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Verlauf der Diskussion um den Haushalt, den uns der Herr Finanzminister gestern vorgelegt hat, ist es selbst der Opposition trotz aller Anstrengungen nur gelungen, einige Kanten ausfindig zu machen, von denen aus sie glaubte, den Haushalt ankratzen zu müssen.
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Aber wenn man sich diese Kanten einmal genauer ansieht, dann sind sie doch nicht so eckig, wie die Opposition glaubt, sie darstellen zu sollen.
Wenn Herr Professor Gülich die Besatzungskosten angesprochen hat, dann ist es doch eine Leistung unserer Finanzpolitik, wenn es trotz dieser Besatzungskosten, über deren Höhe wir nicht zu bestimmen haben, möglich gewesen ist, nicht nur sehr große Not in unserem Lande zu lindern, sondern auch eine Wirtschaftspolitik zu führen, die das Sozialprodukt mit Abschluß des vergangenen Jahres bis auf eine Höhe von 125 Milliarden DM gesteigert hat.
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Von dem Erfolg dieser Finanzpolitik und dem Erfolg der sozialen Marktwirtschaft ist nicht, wie Sie immer einseitig darzustellen belieben, nur ein Teil bedacht gewesen; denn wenn Sie sich einmal die nüchternen Ziffern ansehen, dann muß doch festgestellt werden, daß auch die Lebenshaltungskosten der Arbeitnehmer an diesen Zahlen partizipiert haben. Die Lohnentwicklung zeigt nach den letzten Ziffern des Lohnindex die Höhe von 191,9, während die Lebenshaltungsindexziffern bei 171 liegen.
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- Wenn Sie sagen, die Ziffern stimmen nicht, dann weiß ich nicht, in welcher Art und Weise das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften sich dieser Zahlen bedient und mit ihnen arbeitet.
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Dann hat Herr Professor Gülich davon gesprochen, daß wir schon vor dem Inslebentreten der Bundesregierung viereinhalb Jahre Gemeinde- und Länderpolitik gehabt haben. Das stimmt, Herr Professor Gülich. Aber es stimmt auch noch eins: es stimmt die Prognose, die von Ihrem Herrn am Tage X aufgestellt worden ist, daß wir in der deutschen Wirtschaft nach der Geldumstellung mit einer Arbeitslosenziffer von vier Millionen und mehr zu rechnen haben würden!
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Meine Damen und Herren, diese Prognose ist nicht wahr geworden!
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Dank unserer sozialen Marktwirtschaft ist es in dieser Zeit gelungen, in unserem westdeutschen Bundesgebiet rund 21/2 Millionen Arbeitsplätze mehr zu schaffen, - also auch ein Erfolg, den wir der Politik der Regierung Adenauer verdanken.
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Nun hat Herr Kollege Richter von einer Novelle zum Bundesversorgungsgesetz, die längst fällig sei, gesprochen. Ich glaube, daß auch die Abgeordneten der SPD-Fraktion mir bestätigen werden, daß über die Frage der Novelle zum Bundesversorgungsgesetz im Ausschuß für Kriegsopferfragen volle Einmütigkeit herrscht und daß in diesem Ausschuß ein Beschluß gefaßt worden ist, der der Regierung übermittelt werden wird, ein Beschluß, der nicht mit Mehrheit, sondern der einstimmig, also einschließlich der Abgeordneten der SPD-Fraktion, gefaßt wurde.
Herr Kollege Richter hat sich mit der Drucksache Nr. 4005 beschäftigt und darauf verwiesen, daß wir seit dem ersten Weltkrieg zweimal das Vermögen der Rentenversicherung verloren haben. Dazu muß ich - das hat der Kollege Richter vergessen - doch darauf hinweisen, daß es trotz dieses Vermögensverlustes möglich gewesen ist - und zwar dank der Hilfe des Staates -, die gesetzlichen Leistungen der Rentenversicherung an die Rentner auszuzahlen.
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- Herr Kollege Richter, Sie werden genau so wie ich wissen, wie es gleich nach dem Jahre 1945, als alles darniederlag, in Hessen dank dem damaligen Präsidenten der Landesversicherungsanstalt in Zusammenarbeit mit mir gelungen ist, die Renten sofort zu zahlen, und zwar nicht aus Mitteln der Landesversicherungsanstalt, sondern aus Mitteln, die der Staat damals zur Verfügung gestellt hat.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn in diesem Zusammenhang darauf verwiesen wird, daß der heutige Staat verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, daß diese Mittel, die Vermögen, die verlorengegangen sind, oder zum mindesten die Zinsen für die verlorengegangenen Vermögen, fließen, und wenn wir uns einmal vor Augen halten, was von seiten der Bundesregierung in die Rentenversicherung hineinfließt, und wenn wir wissen, daß diese Zahlen über einer Milliarde Mark liegen, und wenn wir dann auch die Grundbeträge abziehen, dann ist der Rest doch weit höher als der Zinsendienst. der aus den verlorenen Vermögen hergeleitet werden könnte. Die Vermögenswerte, die die Rentenversicherungsträger verloren haben, sind also wenigstens im Zinsendienst schon im Rückfluß.
Soweit Herr Kollege Richter darauf verwies, daß es einem Rentner mit seiner Frau nicht möglich sei, mit 43 DM im Monat auszukommen, so hat er hier Zahlen dargelegt, die nicht stimmen.
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Denn wenn Herr Kollege Horn darauf verwies, daß die Durchschnittsrente vor dem 1. Juni 1949 43 DM betrug, dann hat er „Durchschnittsrente" gesagt, und wenn von Durchschnittsrente in der Invalidenversicherung die Rede ist, dann denkt man an die Rente, die der höchstversicherte Facharbeiter bezieht, aber auch an die Renten der Witwen und die Renten der Waisen; und daß da sehr große Unterschiede sind, das, meine sehr verehrten Damen und Herren, weiß jeder, der sich mit Durchschnittsziffern beschäftigt. Es ist daher etwas übertrieben, wenn hier davon gesprochen wird, ein Rentner müsse mit 43 DM im Monat leben.
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({11})
Es ist interessant, in diesem Zusammenhang einmal darauf zu verweisen, wie sich in der folgenden Zeit, und zwar infolge der Gesetzgebung seit dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz, die Renten im Verhältnis zu dem Einkommen, aus dem die Beiträge gezahlt werden, künftig gestalten werden. Legen wir hier einmal die Invalidenversicherung als Beispiel zugrunde. In der Invalidenversicherung bezieht jemand schon nach einer 30jährigen Beitragsleistung auf Grund des SozialversicherungsAnpassungsgesetzes bei einem Monatseinkommen von 150 DM 68°/o seines vorhergehenden Einkommens als Rente. Nehme ich ein Einkommen von 450 DM monatlich und ebenfalls eine 30jährige Beitragszahlung, dann macht die Rente 52 % des Einkommens und bei 40jähriger Beitragsleistung 67 % des Einkommens aus. Also ist doch auf dem Gebiete der Sozialversicherungsgesetzgebung für die jetzt noch in Arbeit Stehenden, für die kommenden Renten, schon etwas getan worden. Es muß noch versucht werden, für diejenigen, die in früheren Jahren, vor dem Krieg usw. Beiträge geleistet haben, das Notwendige zu tun.
Nun hat der Kollege Richter noch auf das Konsumbrot und auf die angenommene Tatsache verwiesen, daß die Konsumbrotsubvention beseitigt werden solle. Es klingt eigenartig, wenn das von der Opposition bekrittelt wird. Ich erinnere mich noch der Zeit, zu der die Konsumbrotsubvention eingeführt worden ist, als diejenigen, die heute die Beseitigung der Konsumbrotsubvention bekritteln, landauf, landab gefahren sind und von dem „Armeleutebrot" und von dem „Adenauerbrot" geredet haben.
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In der Zwischenzeit hat sich die deutsche Bevölkerung - auch diejenigen, die nicht auf diese Subvention angewiesen sind - sehr gut an dieses Armeleutebrot gewöhnt.
({13})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist nicht so, daß die Konsumbrotsubvention beseitigt werden soll, sondern es soll eine Verfeinerung dieser Subvention durchgeführt werden, und zwar so, daß diejenigen, die auf Grund ihres geringen Einkommens Anspruch auf eine Subvention haben, diese auch weiter erhalten.
({14})
Ich bin der Meinung, daß Staatsmittel - und Subventionen sind Staatsmittel - nur denjenigen zur Verfügung gestellt werden sollen, die, sagen wir einmal, an der Peripherie der Lebenshaltung leben, damit auch ihr Leben existenzwürdig bleibt. Ich bin daher der Meinung, daß man die Frage der Subvention nicht so, wie sie hier behandelt worden ist, abtun sollte. Vielmehr sollten wir alle gemeinsam bemüht sein, eine Verfeinerung zu finden, um denjenigen zu helfen, die auf diese Hilfe angewiesen sind, nicht eine Subvention, die auch denjenigen zugute kommt, die sie nicht benötigen.
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- Meine Damen und Herren von der kommunistischen Gruppe, gehen Sie doch mit Ihren Ansichten nach drüben und tragen Sie das, was Sie hier vortragen - auch das, was der Kollege Renner hier vorgetragen hat -, drüben auf der andern Seite des Eisernen Vorhangs vor. Ich glaube, man würde Ihnen dort etwas ganz anderes sagen. Und wenn die Leute dort frei wären, würden Sie dort nicht so frei reden, wie wir es Ihnen hier noch gestatten.
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Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ich stelle den Antrag, daß von den beiden dem Hohen Hause vorgelegten Gesetzentwürfen - Drucksachen Nr. 4005 und Nr. 4007 - die Drucksache Nr. 4005 federführend dem Ausschuß für Sozialpolitik und die Drucksache Nr. 4007 federführend dem Ausschuß für Arbeit überwiesen wird.
({17})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Professor Gülich hat in seinen Ausführungen zum Haushaltsplan erklärt, es sei Aufgabe der Opposition, der Regierung zu helfen.
({0})
Ich habe in seinen Ausführungen leider vergeblich nach einem einzigen Punkt gesucht, den wir als Hilfeleistung für unsere Aufbauarbeit werten und auslegen könnten.
({1})
Ich hatte überhaupt gedacht, daß, nachdem der gestrige Tag nach der so eindrucksvollen Rede des Herrn Bundesfinanzministers doch eindeutig zum Tag der Regierung geworden war,
({2})
die Opposition den Versuch machen würde, den heutigen Tag zu einem Tag der Opposition zu machen. Aber jetzt gegen Abend, da wir am Schluß der Debatte stehen, habe ich das Gefühl, daß aus diesem Tag der Opposition allenfalls eine Nacht der Opposition geworden ist.
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Denn wir haben nichts entdecken können, was im Raum der Opposition irgendwie als Erleuchtung für die Arbeit der Regierung oder der Regierungsparteien hätte genutzt werden können.
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Meine Damen und Herren, der große Tatsachenbericht des Herrn Bundesfinanzministers schloß gestern nicht nur mit Ergebnissen finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Art, über die wir unserer Opposition immer wieder sagen müssen, daß das gesamte Ausland, die ganze Welt mit Staunen und Bewunderung davor steht, sondern dieser Bericht des Herrn Finanzministers schloß obendrein noch damit, daß trotz all der Schwierigkeiten, in denen wir uns befinden, diese Bundesregierung und diese Koalition dem deutschen Steuerzahler nun schon die zweite Steuersenkung nach der ersten von 1950 bringen konnten. Nach diesen drei schweren Aufbaujahren noch mehr zu verlangen, scheint mir wirklich nicht einmal das Recht der Opposition zu sein.
({5})
({6})
Wiederholen wir es ruhig noch einmal: Früher, vor ein oder zwei Jahren, hörten wir noch von der „Katastrophenpolitik" der Bundesregierung und von dem „sozialen Ärgernis", das wir geschaffen hätten. Nun, wenn diese Katastrophenpolitik der Bundesregierung dazu geführt hat - um einmal einen Sektor zu nennen -, daß unsere Gold- und Devisenguthaben allein von 1951 auf 1952 von 1,2 auf 4,2 Milliarden Goldmark angestiegen sind
({7})
und der Goldfonds der Bank deutscher Länder jetzt ungefähr 600 Millionen Goldmark beträgt, dann, meine Damen und Herren, wollen wir gern noch mehr solcher „Katastrophen" in Kauf nehmen.
({8})
- Sie bestreiten diese Zahlen immer, aber hier ist das amtliche Mitteilungsblatt des Statistischen Bundesamts, darin können Sie es nachlesen. - Wenn das „soziale Ärgernis" darin bestehen soll, daß weit über das Ausmaß der Preissteigerung hinaus. wie eben schon gesagt wurde, der Lohnindex der Industriearbeiterschaft beim Stundenlohn bei 195,8 liegt gegenüber einem Lebenshaltungsindex von 171, was Sie beides nicht bestreiten können, dann, meine Damen und Herren von der Opposition, wollen wir gern auch noch mehr solcher „sozialer Ärgernisse" in Kauf nehmen. Und wenn es ein „soziales Ärgernis" sein soll, daß die Sozialleistungen aus Bundesmitteln, die 1949 gut vier Milliarden betragen haben, auf über neun Milliarden DM schon im Jahre 1952 gesteigert worden sind, dann ist auch das ein „soziales Ärgernis", das wir gern vergrößern wollen.
({9})
Aber, meine Damen und Herren, auf diesem Gebiete bewegen sich ja jetzt die Argumente der Opposition nicht mehr, jetzt beginnt man schon, andere Wege zu gehen. Jetzt sagt man sich: man möchte auch dabei gewesen sein, als diese Erfolge erzielt wurden.
({10})
- Ja, das kommt von der Mitarbeit, die wir in den Ausschüssen leisten. - Jetzt hören wir von der Opposition: „Wir sind ja, bevor die Bundesregierung anfing, dabei gewesen". Die Aufbauarbeit in den Ländern und Gemeinden, auch wo sie von sozialistischen Regierungen geleistet worden ist, wird von uns in keiner Weise verkleinert. Sie war überall Voraussetzung für das, was wir haben aufbauen können. Aber es ist doch nicht so, als wenn beim Zusammentritt des Bundestags oder bei der Währungsreform die Katastrophenlage bereits überwunden oder beseitigt gewesen wäre.
({11})
Wenn die wirtschaftliche Industrieproduktion nach der Währungsreform bei 57 Prozent von 1936 gelegen hat und im vergangenen November auf 167 Prozent von 1936 gestiegen ist, dann kann die Opposition immerhin nicht sagen, das wäre unter ihrer Verantwortung geschehen, sondern dann ist das die Konsequenz von drei Faktoren: nämlich erstens der Initialzündung - das wurde bereits von Herrn Professor Gülich gesagt -, die die Auslandshilfe mit insgesamt sechs Milliarden DMark auslöste. Aber man soll die Bedeutung dieser sicher sehr wichtigen Initialzündung nun nicht übersteigern, um daneben die Auswirkungen der Sozialen Marktwirtschaft nun als ein Nichts hinstellen zu können; denn schließlich umfassen die ganzen Investitionen, die mit den Marshallplanmitteln geleistet worden sind, nicht mehr als sechs Prozent der gesamten deutschen Nachkriegsinvestitionen, Es war also erstens die „Initialzündung" der Auslandshilfe.
Das Zweite - es ist wichtig, daß das immer wieder betont wird -, was ursächlich für den Aufschwung der deutschen Wirtschaft ist, ist die Tatsache, daß unsere deutsche Arbeitnehmerschaft, vor allem unsere deutsche Industriearbeiterschaft, im Rahmen dieser Aufbauzeit gemeinsam mit allen, die im Wirtschaftsleben tätig sind, das Letzte eingesetzt und hergegeben hat, um unseren wirtschaftlichen Wiederaufbau in unserem Vaterlande zu ermöglichen, und dafür gebührt ihnen der Dank des ganzen Volkes.
({12})
Das Dritte - es gehort eins zum andern, und das eine hätte wenig Zweck ohne das andere - ist eben das System unserer Sozialen Marktwirtschaft gewesen, die mit diesen beiden anderen Faktoren zusammenwirkte, einerseits mit der Initialzündung und andererseits mit der Arbeitnehmerschaft und allen im Wirtschaftsleben Tätigen. Diese Marktwirtschaft hat uns unter Einsatz der Sachkunde, der Initiative und der Risikobereitschaft des deutschen Kaufmanns und Unternehmers wieder in die Höhe gebracht, und zwar viel besser und schneller, als uns irgendein planwirtschaftliches Bürokratenhirn in irgendeinem Ministerium hätte in die Höhe bringen können.
({13})
Nun hat Herr Professor Gülich einige wenige -({14})
- Herr Kollege, die Währungsreform! Da wurde mir in einem Rundfunkgespräch von einem Ihrer Parteifreunde einmal entgegengehalten, die Soziale Marktwirtschaft lebe ja doch von der Währungsreform. Meine Damen und Herren, die Soziale Marktwirtschaft hat meines Erachtens mit der Währungsreform gar nichts zu tun, denn sie hat nach der Währungsreform begonnen und hat genau so auf der Währungsreform, die uns auch nicht in allen Punkten paßt, aufgebaut, wie jede Planwirtschaft ihrerseits auch auf dieser Währungsreform hätte aufbauen müssen.
({15})
Nun hat Herr Professor Gülich auch einige wenige außenpolitische Ausführungen gemacht. Ich war eigentlich etwas überrascht darüber, als ich hörte, daß dieser Haushaltsplan eine vorweggenommene Bejahung des Deutschland-Vertrags und des EVG-Vertrags bedeute. Meine Damen und Herren, bisher hatten wir Besatzungskosten, und künftig haben wir Verteidigungskosten.
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Glaubt man denn wirklich, glaubt man denn im Ernst, daß uns, wenn wir die Verträge ablehnen würden, die Besatzungsmächte nicht mindestens die gleichen Besatzungskosten kraft Besatzungsstatuts auferlegen würden, die wir freiwillig als Verteidigungsbeitrag unsererseits bewilligen? Es
({17})
ist doch eine Irreführung der öffentlichen Meinung, wenn draußen im Land versucht wird, den Eindruck zu erwecken, als ob uns der Abschluß der Verträge von allen Kosten für unsere Sicherheit befreite.
({18})
- Bitte sehr, wenn Sie es hier nicht gesagt haben, so hören wir es im Land draußen überall und immer wieder, und das kommt ja nicht von ungefähr. Auch in Briefen bekommen wir es immer wieder geschrieben.
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Und noch eines, gerade in diesem Zusammenhang. Man sollte doch nicht vergessen, daß diese Bundesrepublik sicherlich viereinhalb Jahre nach 1945, aber doch auf einer Grundlage aufgebaut werden mußte, die mit der bedingungslosen Kapitulation von 1945 unentrinnbar belastet war. Und was wir von daher gesehen auch nach 1948/49 - denn Herr Professor Erhard hat schließlich die Wirtschaftspolitik im Wirtschaftsrat auch schon geführt - alles erreicht haben, das sollte uns die Opposition zunächst einmal nachmachen oder uns nur den Anflug eines Beweises dafür erbringen, daß mit ihren Methoden der Planwirtschaft so etwas überhaupt möglich gewesen wäre!
({20})
Dann fiel eine etwas überraschende Äußerung von Herrn Professor Gülich, die dahin ging, daß die Regierung das deutsche Ansehen im Ausland geschädigt habe.
({21})
Es wäre ja vielleicht ganz nützlich, wenn die sozialdemokratische Opposition etwas mehr in die ausländischen Zeitungen hineinschaute; denn das Ansehen im Ausland ergibt sich ja wohl aus der öffentlichen Meinung dort. Ich möchte hier einmal eine Gegenfrage stellen. Hat nicht die Opposition immer und immer wieder das deutsche Ansehen im Ausland aufs schwerste geschädigt, z. B. wenn aus der Opposition heraus „der Kanzler der Alliierten" dem Herrn Bundeskanzler zugerufen wurde, oder wenn gesagt wurde, daß der kein Deutscher mehr sei, der sich für die Verträge zur Sicherung unserer Freiheit und des Friedens erklärte? Oder hat nicht die Opposition das Ansehen Deutschlands geschädigt, wenn sie die deutsche Gleichberechtigung konterkarierte, indem sie die Wahl des Herrn Dr. von Brentano zum Präsidenten des Montanparlaments verhindert hat?
({22})
Hier war Gelegenheit, das deutsche Ansehen, das die Ausländer uns zuerkennen wollten, zur Geltung zu bringen; aber die Opposition hat aus parteipolitischen Gründen dem Deutschen die Anerkennung verweigert und einen ausländischen Sozialisten gewählt.
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Wenn wir nun einmal bei der Außenpolitik sind, möchte ich noch eines erwähnen. Die ganze Entwicklung um die Verträge in den letzten Wochen scheint mir doch reichlich eigenartig zu sein. Die Opposition freut sich darüber, daß aus Frankreich
Widerstände oder Schwierigkeiten gegen die abzuschließenden Verträge gemacht werden. Glaubt die Opposition denn wirklich oder will sie etwa behaupten, daß die Wünsche des Herrn de Gaulle gegenüber den Verträgen die gleichen Wünsche sind, die von ihr vertreten werden? Oder ist nicht gerade die Tatsache, daß jetzt die vereinbarten Texte in Frankreich auf Widerstand stoßen, der beste Beweis dafür, daß der Kanzler das äußerst Mögliche durchgedrückt hat?
({24})
Und weiter. Was das Ansehen im Ausland angeht, so können wir, glaube ich, beruhigt und befriedigt darauf hinweisen, daß, sagen wir es ganz bescheiden, unser Bundeskanzler Dr. Adenauer heute zu den angesehensten und am meisten bewunderten Staatsmännern Europas und der ganzen Welt gehört.
({25})
Meine Damen und Herren, dann kam die Frage der gemeinsamen Außenpolitik. Dazu haben wir ja schon durch einen Zwischenruf Stellung genommen. Man lese den Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Oppositionsführer, und man wird feststellen, daß der Oppositionsführer es trotz dringlicher Bitten des Kanzlers abgelehnt hat, über außenpolitische Fragen noch weiter mit ihm zu verhandeln.
({26})
Man wird dann erkennen, wer daran schuld ist, daß wir in der Außenpolitik nicht zu einer Linie kommen können. Schließlich kann die Opposition nicht verlangen, daß der Kanzler seine ganze gesunde Konzeption von heute auf morgen umwirft und einfach das tut, was die Opposition wünscht.
({27}).
Ich möchte nun wieder zu den innenpolitischen Dingen kommen. Herr Professor Gülich hat etwas Freude daran gehabt - oder Arger, wie man will -, daß der Herr Bundesfinanzminister und der Herr Bundeswirtschaftsminister gelegentlich Gegensätzlichkeiten auszutragen haben.
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Nun, meine Damen und Herren, diese Gegensätzlichkeiten und ihre Austragung haben immerhin zu sehr positiven Ergebnissen in beiden Richtungen geführt. Was den Herrn Finanzminister angeht, so haben seit 1949 die Steuereinnahmen allein des Bundes von 8,5 Milliarden auf 19, 6 Milliarden zugenommen, und was den Herrn Wirtschaftsminister angeht, so hat das Sozialprodukt, wie schon erwähnt wurde, von 80 Milliarden im Jahre 1949 auf 125 Milliarden im Jahre 1952, also um mehr als 50 %, zugenommen. Mir scheint also, daß aus diesen Gegensätzen für beide Teile ein ganz vernünftiger Mittelweg entwickelt worden ist, da beide Seiten unserer politischen Aufgabe hierbei sehr positiv und erfolgreich zum Zuge gekommen sind.
Über die Sozialleistungen hat Herr Professor Gülich wenig gesagt. Ich war darüber etwas überrascht; denn er begann mit der Erklärung, die Ausführungen des Herrn Finanzministers über die Sozialleistungen dürften nicht unwidersprochen bleiben. Ich war nun gespannt, was wohl für Beanstandungen erhoben würden, und das ganze, was
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kam, war, daß eine Scheidung der Kriegsfolgelasten und der sonstigen Sozialleistungen im Haushaltsplan erfolgen müsse. Dazu haben wir zu sagen, daß diese Scheidung aus dem Haushaltsplan eindeutig ersichtlich ist. Wenn wir im übrigen von Steigerung der Sozialleistungen sprechen, so geht es dabei auch um die Aufbringung der Mittel für diese Leistungen, für die wir ja wohl oder übel mit unserer Zustimmung zu den Steuergesetzen auch bei Erhöhungen verantwortlich zeichnen, und in diesem Zusammenhang scheint es mir nicht entscheidend zu sein, ob es sich um normale Sozialleistungen oder soziale Kriegsfolgeleistungen handelt. Oder will man etwa seitens der Opposition behaupten, daß die Kriegsopferversorgung nicht zu den Sozialleistungen gehörte, denen unser ganz besonderes Interesse gewidmet sein muß?
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Zum sozialen Sektor noch eine Tatsache, die immer und immer wieder vergessen oder von der Opposition vielleicht bewußt unterdrückt zu werden scheint. Viele haben leider völlig vergessen, daß wir heute in der Bundesrepublik ein Preisniveau haben, das nur ganz geringfügig höher liegt als das von Anfang 1949. Wenn Sie die Nominallöhne und die Nominalrenten von Anfang 1949 vergleichen und feststellen, daß die Preise im Durchschnitt der Lebenshaltungskosten fast gleichgeblieben sind - bis Mitte 1950 fielen sie erheblich, dann stiegen sie seit Korea wieder an, blieben aber im letzten Jahr - trotz Butter - ziemlich stabil - und bei den Löhnen und Renten erhebliche Erhöhungen erfolgt sind, so ergibt sich daraus eindeutig, daß eine erhebliche Steigerung der Kaufkraft in allen Schichten eingetreten ist.
Gewiß, auch wir wissen - und niemand bedauert das mehr als wir -, daß vor allem die Renten in der Invalidenversicherung und die Renten in der Kriegsopferversorgung in den Fällen, in denen die Empfänger ausschließlich davon leben müssen, einfach noch nicht ausreichend sind. Aber wir können demgegenüber doch wenigstens feststellen - und das sollte einmal auch von der Opposition anerkannt werden -, daß trotz ungefähr gleichgebliebenen Preisniveaus in den letzten Jahren ganz erhebliche Erhöhungen auch dieser Bezüge eingetreten sind. Ich erwähne nur die Erhöhung der Durchschnittsrente in der Invalidenversicherung von 36 Mark im Monat auf 73 Mark im Monat und die Tatsache, daß die Kriegsopferversorgungsleistungen, die 1949 noch 1,9 Milliarden DM betragen haben, jetzt bereits auf 3, 4 Milliarden DM angestiegen sind. Wir möchten genau so wie die Opposition die Sozialrenten weiter erhöhen und mühen uns jetzt und ringen mit dem Finanzminister, ob wir die zweiten fünf Mark noch ermöglichen können. Aber die Methoden, mit denen die Opposition die Dinge behandelt, können wir nicht anwenden, die Opposition, die beim Rentenzulagengesetz von 1951 sagte: „Jawohl, wir wollen nicht nur eine Milliarde mehr, sondern wir wollen zwei Milliarden mehr für die Rentner ausgeben." Aber die Deckung dafür lehnte man damals schon für die erste Milliarde ab, von der zweiten Milliarde überhaupt gar nicht zu reden. Als wir - das muß einmal wiederholt werden - damals hier erklärten: „Meine Herren von der Opposition, nun sagen Sie uns doch einmal, wo die Deckung für diese zwei Milliarden herkommen soll!", da wurde uns erwidert - Sie können es im Protokoll nachlesen -: Dafür ist j a der Herr Finanzminister da, sich um diese Deckung zu sorgen! Meine Damen und Herren, dieser Herr Finanzminister sind in diesem Zusammenhang wir, alle Abgeordneten des Bundestages, die alle gleichmäßig für den Ausgleich des Haushalts und für die Währung verantwortlich sind und nicht nur agitatorische Ausgabeanträge zu stellen haben. Alle Abgeordneten des Bundestages haben sich gleichzeitig die Sorge zu machen, wie die Deckung der Ausgaben erfolgen kann.
({31})
Nun hat mir Herr Professor Gülich noch den Gefallen getan, auf das Wahlgesetz anzuspielen. Ich möchte ihm darauf eine sehr klare Antwort geben: Man kann über den Inhalt des Wahlgesetzes der Bundesregierung sicher streiten.
({32})
Wir jedenfalls werden demnächst bei der Behandlung des Entwurfs im Plenum unsererseits belegen können, daß dieser Wahlgesetzentwurf besser ist als das bisherige Bundestagswahlrecht,
({33})
wenn auch nicht bestritten werden kann, daß der Entwurf ein wenig komplizierter ist. Aber wenn man ähnliche Dinge in Bayern schon durchgeführt hat, habe ich keinen Zweifel, daß auch das übrige deutsche Volk den bayrischen gesunden Menschenverstand aufbringen wird.
({34})
Aber darum geht es mir jetzt nicht. Wenn die SPD uns wegen dieses Regierungsentwurfs Vorwürfe macht, dann antworte ich von der CDU/CSU darauf zunächst einmal, daß dieser Regierungsentwurf eigentlich auch nicht das ist, was wir möchten.
({35})
Wir sind im Parlamentarischen Rat und von jeher immer Anhänger des Mehrheitswahlrechts gewesen.
({36})
Wenn der Bundestag den Mut hat, das Mehrheitswahlrecht auch seitens der Parteien zu beschließen, die Angst davor haben, dann werden wir in der Lage sein, das Mehrheitswahlrecht, das die breite Masse des Volkes wünscht,
({37})
dem deutschen Volke zu geben.
({38})
- Es genügt ja, Herr Kollege, wenn Sie dafür stimmen.
({39})
Im übrigen ist dazu noch ein Weiteres zu bemerken. Wenn die Opposition den Versuch macht, uns oder der Regierung zu unterstellen, für dieses Gesetz seien koalitionspolitische Gründe maßgebend, dann habe ich einmal eine Gegenfrage zu stellen: Weswegen lehnen denn die 23 SPD-Abgeordneten, die sich vor der Bundestagswahl gegenüber der Deutschen Wählergesellschaft verpflichtet haben,
({40})
im Bundestag für das Mehrheitswahlrecht zu kämpfen, heute das Mehrheitswahlrecht ab?
({41})
({42})
Welche staatspolitischen Gründe, Herr Professor Gülich, sind denn bei Ihnen maßgebend, daß Sie Ihre Unterschrift unter die Idee des Mehrheitswahlrechts heute zurückziehen?
({43})
Ich habe den Eindruck, daß hier parteipolitische Gesichtspunkte der SPD im Hintergrund stehen,
({44})
daß Sie vor der Bundestagswahl gehofft hatten, das Mehrheitswahlrecht würde Ihnen den Sieg bringen können und jetzt, nachdem Sie inzwischen vielleicht errechnet haben, daß Sie damit nicht hinkommen, das Mehrheitswahlrecht ablehnen. Wir stehen zu unserer staatspolitischen Auffassung, die wir unabhängig von aller Parteipolitik immer gehabt haben und weiter behalten.
({45})
Wenn Sie bereit sind, wieder zu Ihrer alten Konzeption zurückzufinden, dann werden wir dem deutschen Volk wieder das Wahlrecht geben können, das die breite Masse sich wünscht und das staatspolitisch das beste ist.
({46})
Ich darf hinzufügen, meine Damen und Herren: diese Erklärung gegenüber der Deutschen Wählergesellschaft haben damals abgegeben: 96 in den Bundestag gewählte Abgeordnete der CDU/CSU, 23 der SPD, 9 der FDP, 9 der DP und 9 der BP, also fast 150 Mitglieder dieses Hauses. Und wenn der nicht zur CDU/CSU gehörende Teil dieser 150 Mitglieder dieses Hauses seine staatspolitische Konzeption inzwischen nicht geändert hätte, dann brauchten wir um die Einführung des Mehrheitswahlrechts nicht so besorgt zu sein.
({47})
Nun ein letztes noch! Über die Bezüge der Beamten und Angestellten wurde auch einiges gesagt. Ja, meine Damen und Herren von der Opposition, wir gehören wohl zu denen, die sich seit langen Monaten mühen, die schwierige wirtschaftliche Lage der öffentlichen Bediensteten zu bessern. Aber nachdem wir jetzt als Koalitionsparteien im Beamtenrechtsausschuß des Bundestags einen Vorschlag entwickelt haben, wie die Dinge gebessert werden können, da stellen wir mit einem Male fest, daß ausgerechnet die sozialistischen Länderregierungen über den Bundesrat erklären: „Nein, das können wir nicht leisten!" und daß sie diesen Vorschlag ablehnen.
({48})
Es wäre gut, wenn in der Öffentlichkeit, in der Beamtenschaft und in der Angestelltenschaft des öffentlichen Dienstes einmal an Hand dieser Tatsache bekannt würde, wie es wirklich um die Fürsorge der SPD-Regierungen gegenüber den Beamten bestellt ist.
({49})
Als letztes noch eine Anregung und eine Bitte, die uns als CDU/CSU - Herr Kollege Neuburger hat heute nachmittag schon kurz darüber gesprochen - ganz besonders am Herzen liegt. Wir freuen uns über die Vorschläge zur Steuersenkung, die der Herr Finanzminister gemacht hat. Wir können aber die Bemerkung nicht unterdrücken, daß das Ausmaß dieser Steuersenkung bei den größeren Familien, die uns besonders am Herzen liegen, keinesfalls ausreichend ist.
({50})
Wenn für die Ehefrauen eine Erhöhung des steuerfreien Betrags um 33 % erfolgt, wenn sie für das erste Kind überhaupt nicht erfolgt, wenn sie für das zweite Kind auch nicht erfolgt, sondern erst vom dritten Kind an mit 20 % einsetzt, dann folgt daraus, daß bei dieser neuen Steuerregelung eine Verlagerung der Steuerlast zuungunsten der kinderreichen Familien eintritt. Das ist für uns vollkommen untragbar. Wir werden entsprechende Anträge im Ausschuß stellen, die dafür sorgen, daß diese Entwicklung, die nach 1945 schon Platz gegriffen hat, nun endlich wieder revidiert wird.
({51})
Darf ich dazu einmal einige Zahlen geben. Gemessen an der einkommensteuerlichen Belastung aus der Zeit von 1933 bis 1939 sind 1950 folgende Belastungserhöhungen zu verzeichnen: Bei den Ledigen um 23%, bei den kinderlos Verheirateten um 103 %, bei den Verheirateten mit zwei Kindern um 130 %,
({52})
bei den Verheirateten mit vier Kindern um 244 %, bei den Verheirateten mit sechs Kindern um 372 % und bei den Verheirateten mit acht Kindern um 660 %. Wir sind nicht der Meinung, daß die Kriegsfolgelasten nun ausgerechnet vorwiegend auf die kinderreichen Familien verlagert werden sollen, denen wir in erster Linie zu helfen und sie zu fördern berufen sind.
({53})
Ich darf damit zum Schluß kommen und mich den Dankesworten der Vorredner an den Herrn Bundesfinanzminister aus voller Überzeugung anschließen. Wir haben gestern eine Erfolgsbilanz vorgelegt bekommen, eine Erfolgsbilanz sondergleichen, nachdem aus dem Nichts heraus mehr oder weniger alles neu geschaffen werden mußte.
({54})
Meine Damen und Herren! Nachdem die Dinge sich so entwickelt haben, habe ich keinen Zweifel daran, daß die Wähler etwa Gefahr laufen, bei der nächsten Bundestagswahl auf Grund der Opposition der SPD alles das wieder zu zerstören, was wir in drei bis vier Jahren mühsam aufgebaut haben.
({55})
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
({0})
Loritz ({1}): Meine Damen und Herren! Ich möchte an die Worte des Vorredners Wuermeling anschließen, der sagte: eine Erfolgsbilanz sei Ihnen heute vorgelegt worden.
({2})
Sehr richtig, eine Erfolgsbilanz der Steuerbüttel der Finanzämter, die die Zahl derer, die durch diese verfehlte Finanzpolitik und Eintreibepolitik der Finanzämter ruiniert worden sind, Ihnen bis jetzt aber leider nicht mitgemeldet haben! Eine Erfolgsbilanz der Regierung Adenauer zugunsten derer, die sich fette Kredite durch die Regierung und durch gewisse Regierungsabgeordnete zu verschaffen gewußt haben! Eine Erfolgsbilanz derer, die durch die Regierung Adenauer zu Tausenden
({3})
in Posten hineingekommen sind, obgleich sie keine Ahnung vom Tuten und Blasen haben,
({4})
obwohl sie nicht für die Posten geeignet sind, die sie heute bekleiden, weil sie einmal etwas ganz anderes gelernt haben, als Oberregierungsrat oder Ministerialrat zu spielen!
({5})
Eine Erfolgsbilanz für alle diejenigen wie Sie, Herr Kollege Wuermeling; damit haben Sie allerdings Recht gehabt.
({6})
Auf der andern Seite Ihrer Bilanz aber stehen Millionen von Mittelstandsexistenzen, die kaum mehr wissen, wie sie mit ihren Betrieben durchkommen sollen.
({7})
Auf der andern Seite steht immer noch eine Riesenarbeitslosenzahl, die von Ihnen in der Statistik völlig falsch angegeben wird, meine Herren von den Regierungsparteien: Sie verschweigen nämlich die jugendlichen Arbeitslosen, die früher noch nicht in Arbeit standen, bei all diesen statistischen Mätzchen, die Sie da machen! Auf der andern Seite kleine Rentner und so fort, denen man jetzt sogar das verbilligte Brot noch nehmen will.
Auf der andern Seite Kriegsversehrte, für die der Herr Bundesfinanzminister kein Geld mehr hatte zur Aufbesserung ihrer Renten. Sie haben ihn doch die ganzen Jahre hindurch gehört! Er hatte niemals Geld; er erklärte, daß eine auch nur geringfügige Erhöhung der Versehrtenrenten bei ihm schon den finanziellen Dalles in seinen Kassen bedeuten würde. Das alles hat er Ihnen damals gesagt. Heute ist plötzlich genügend Geld da! ({8})
So sieht diese Bilanz aus, eine Erfolgsbilanz für ein
paar hunderttausend, vielleicht ein paar Millionen
Leute in diesem Lande, und eine Mißerfolgsbilanz
({9})
größten Umfanges für diejenigen, die sich nicht der Gunst der Adenauer-Clique erfreuen.
({10})
Meine Damen und Herren, es ist bedauerlich genug, daß heute in diesem Hause anläßlich der Debatte über den Haushaltsplan, der sich um volle 26 000 Millionen DM dreht - um 26 Milliarden DM geht es heute! -, es kaum 10 bis 20% der Abgeordneten für nötig gehalten haben, wenigstens teilweise bei diesen Debatten hier anwesend zu sein, und daß sie schon so lammfromm geworden sind - die Herren von den Regierungsparteien -, daß sie es kaum mehr wagen, auch nur noch ein bißchen Kritik an diesem unerhörten Ausgabenplan der Regierung Adenauer-Schäffer zu üben.
({11})
Meine Damen und Herren! Das soll vielleicht noch ein Erfolg sein,
({12})
daß sich der Haushaltsplan von 8 Milliarden DM
- oder waren es wohl 12 Milliarden DM im ersten
Haushaltsjahr - auf bereits jetzt 26 Milliarden DM
erhöht hat! Das soll vielleicht Euer Erfolg sein?! Das Sozialprodukt ist prozentual nur in viel geringerem Umfange in die Höhe gegangen als die Steuern des Herrn Bundesfinanzministers!
({13})
- Wem die Milliarden zugute kommen, Herr Zwischenrufer, das kann ich Ihnen gleich sagen. Sie kommen zugute einer völlig verfehlten Wirtschaftspolitik,
({14})
sie kommen zugute den Zehntausenden von Nichtskönnern, die in den Ämtern drinnen hocken und durch Sie und Ihre Leute dort hineingebracht worden sind;
({15})
sie kommen zugute gewissen Günstlingen der Regierung, die Kredite am laufenden Band bekommen haben
({16})
- unterbrechen Sie mich doch nicht immer, Sie Zwischenschreier da vorne -;
({17})
sie kommen zugute einigen Zehntausenden Kreditnehmern, die Kredite bekommen haben und sie dann verwirtschaftet haben. Im übrigen müßte man sich fragen, ob wir überhaupt von einem wirtschaftlichen Wiederaufstieg hier in diesem Lande reden sollen. Man müßte mit solchen Ausdrücken etwas sparsamer sein; sonst kann es einem nämlich passieren, daß sogar ausländische Zeitungen
- wie neulich Schweizer Zeitungen ({18})
schreiben, daß diese schönen Straßen hier in Bonn und Köln und München nur Fassaden sind, so wie der Kurfürstendamm in Berlin jetzt eine große Fassade ist, hinter der sich das Elend derer verbirgt, die heute noch in Holzbaracken und Bunkern wohnen müssen, hinter der sich das Elend von Hunderttausenden von mittelständischen Existenzen verbirgt,
({19})
die kaum mehr wissen, wie sie ihr Geschäft aufrechterhalten können, und das Elend der Kriegsopfer und Arbeitslosen!
Meine Damen und Herren: in der unerhörtesten Art und Weise ist Geld von der Regierung Adenauer für schlechte Zwecke hinausgeschmissen worden!
Soll ich Sie an einige Umfragen erinnern, die neulich stattfanden? In Kempten hat eine Umfrage ergeben, daß 80 % der Beamten und Angestellten des dortigen Landratsamts überhaupt keine Vorbildung für ihren Posten haben,
({20})
daß dort sogar Schreibfräuleins eingestellt waren, die überhaupt nicht maschineschreiben und stenographieren konnten, daß dort juristische Referenten eingestellt waren, die in ihrem Leben noch keine juristische Vorlesung besucht haben.
({21})
So, wie es hier auf der Basis Landratsamt ist, so ist es auf der Basis Bundesministerium des Innern oder der Finanzen usw.; genau so! Und so geht das hinauf bis in die obersten Stellen.
({22})
Und die Millionen, die vom Kaiser-Ministerium hinausgeschmissen werden, um die Annahme dieses Schand-EVG-Vertrages durchzupeitschen, diese Millionen sollte man uns einmal aufgeschlüsselt hier vorführen. Diese Propaganda der Regierung mit Steuerzahlergeldern, um ihre eigenen Zwecke, nicht die Zwecke der Steuerzahler, zu erreichen, - ein Skandal in der deutschen Verwaltungspraxis, wie er schlimmer selbst in den schlimmsten Zeiten des Verwaltungsmißbrauchs des „Dritten Reiches" noch nicht dagewesen ist -,
({23})
dieser Einsatz der Mittel der Steuerzahler für eine
Propaganda der Regierung und nur der Regierung!
({24})
Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, daß die wenigsten von Ihnen diesen Haushaltsplan bis zu Ende durchgelesen haben, diese dicken Bücher, ungefähr einen halben Meter dick, alles zusammengerechnet,
({25})
sonst wäre es kaum zu verstehen, daß hier nicht ein schärfster Kampf heute begonnen hat, um diese einzelnen Posten anzugreifen und zu zerpflücken, die von einer geradezu unerhörten Aufblähung des Verwaltungsapparates in all den betreffenden Ministerien zeugen. Mein Herr Vorredner von der CDU, Sie sagen, Sie hätten k e in e Planwirtschaft, Sie hätten so etwas wie freie Marktwirtschaft. Ich antworte Ihnen: Sie haben dafür einen Etatismus in größtem Umfange.
({26})
Das ist bekanntlich die schlimmste Planwirtschaft, der Etatismus! Sie haben einen Etatismus in Form eines künstlich auf 26 Milliarden DM aufgeblähten Haushaltsplanes. Da wagen Sie noch von freier Marktwirtschaft zu reden!
({27})
Geld haben Sie heute kurz vor der Wahl plötzlich in der Kasse. Jetzt versprechen Sie auf einmal Steuersenkungen.
({28})
Nach der Wahl werden Sie die Steuern - falls Sie wieder ans Ruder kämen - wieder hinaufsetzen!
Nachdem Sie heute so schöne Worte über das künftige Wahlsystem gefunden haben, muß ich Ihnen doch dazu noch ein bißchen sagen. Das liegt Ihnen ja anscheinend sehr am Herzen. Nach der heutigen Entscheidung des Bundesrates und des Rechtsausschusses des Bundesrats kann ich das ja sehr verstehen, daß Ihnen das auf dem Magen liegt. Meine Herren, ich möchte Ihnen dazu sagen: Ob Verhältniswahlrecht oder Persönlichkeitswahlrecht, Sie werden die Mißbräuche des Parlamentarismus, die vom Volk draußen mit Recht so gerügt werden, n i c h t beseitigen oder auch nur eindämmen können, weder durch das eine noch durch das andere System, wenn Sie nicht eines tun, was die WAV schon immer gefordert hat, was aber von Ihnen verlacht und verspottet worden ist:
({29})
Sie müssen die Allmacht der Abgeordneten, ganz egal, ob sie durch Verhältniswahlrecht oder Mehrheitswahlrecht gewählt sind, einschränken! Sie müssen wenigstens die wichtigsten Gesetze, von
denen Wohl und Wehe unseres Volkes auf Jahrzehnte hinaus abhängt, dem Volk zur geheimen Abstimmung vorlegen!
({30})
Das müssen Sie tun. Erst d an n werden Sie ein gutes Wahlrecht und eine Förderung der Demokratie in diesem Lande haben.
Kommen Sie bitte zum Schluß, Herr Abgeordneter. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Loritz ({0}): Das will ich zu Ihren heutigen Ausführungen über das Wahlgesetz sagen.
({1})
Aber davon, von einer Volksbefragung, wollen Sie nichts wissen. Weder wollen Sie es heute noch wollten Sie je davon etwas wissen, weil Sie sonst fürchten müssen, daß Ihnen das Volk hier beim Haushaltsplan und noch viel mehr bei den großen außen- und innenpolitischen Fragen, die uns heute bedrängen, etwas auf die Finger klopft. Manche in diesem Hause wären heute froh, wenn sie rechtzeitig unserem Rat gefolgt wären, eine direkte Abstimmung über die wichtigsten Gesetze einzuführen, heute, wo es dazu schon fast zu spät ist. Aber immerhin: eine solche Befragung könnte durchgeführt werden, - ({2})
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
Loritz ({0}): Eine solche Befragung könnte durchgeführt werden, auch wenn sie nicht gesetzlich in der Verfassung verankert ist.
Ich komme zum Schluß, muß aber feststellen, daß von meinen Vorrednern eine große Zahl ihre Redezeit auch etwas überschritten hat.
Herr Abgeordneter Loritz, das trifft nicht zu.
Loritz ({0}): Dann habe ich vielleicht eine andere Uhr als Sie, Herr Präsident!
Meine Damen und Herren, dieser Haushaltsplan ist nichts anderes als der Versuch der Regierung Adenauer, durch einen unerhört angeschwollenen und aufgeschwemmten Etat bis in den letzten Kanal unserer Volkswirtschaft und auf Gebiete Einfluß zu nehmen, wo die Regierung ihre Finger eigentlich draußenhalten müßte, und Beamtenstellen. für Zehntausende von ihren Nachläufern und Günstlingen zu schaffen und aufrechtzuerhalten und ein System zu verewigen, das außenpolitisch schon solche Schläge bekommen hat, daß, wenn wir eine Demokratie hätten, die Regierung ohne weiteres zurücktreten müßte. Siehe Niederlage in der Saar-Politik, siehe Ruhrstatut, - -
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie zum drittenmal, zum Schluß zu kommen. Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Abgeordneter Loritz. - Ich habe den Lautsprecher abgeschaltet.
Loritz ({0}): Siehe Ruhrstatut und Schumanplan, wo durch Ihre vollkommen falsche Politik eine Kohlenpreiserhöhung nach der anderen eingetreten ist, usw. usw.!
({1})
Und noch ein letzter Satz! Dieser Haushaltsplan ist nicht ein Erfolg der Regierung Adenauer, sondern das Zeichen ihrer absoluten Unfähigkeit!
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Wuermeling veranlassen mich, einige Anmerkungen zu machen. Über das Wahlgesetz werden wir bei der ersten Lesung sprechen. Herr Wuermeling hat mich aber unmittelbar angesprochen, und deswegen will ich ihm auch unmittelbar antworten. Ich war 1949 für das Mehrheitswahlrecht und würde auch heute noch dafür sein
({0})
- das hat mit der Partei gar nichts zu tun -,
wenn ich in diesen vier Jahren nicht die Erfahrungen mit den „Wuermelingen" gemacht hätte.
({1})
Wenn Sie der Bevölkerung nicht immer wieder mit dem „roten Gespenst" drohten, wenn Sie nicht jahrzehntealte Schlager hervorholten, wenn Sie sich nicht nur im Negativen gegen die SPD zusammenschlössen, um nach der Wahl wieder auseinanderzugehen, und wenn dann jede Partei von Ihnen nicht wieder ihre eigenen Interessen verträte, könnte man darüber reden. Aber so, wie die Dinge heute liegen, bleibt mir nichts anderes übrig, als ein Bundeswahlgesetz zu wünschen, das den neuen Bundestag unter genau den gleichen Bedingungen wie den alten
({2})
und - hören Sie zu - mit denselben Wahlkreisen wählt. Erst dann ist es eine echte Wahl; erst dann können wir wirklich den Willen der Wähler erkennen.
({3})
Zur Außenpolitik! Es ist noch klar in unser aller Erinnerung, daß wir von der Opposition aus es beklagt haben, daß der Herr Bundeskanzler mit der Opposition keine Fühlung genommen hat. Das haben Sie in Ihren eigenen Kreisen ja auch oft beklagt. Daß Herr Ollenhauer es jetzt für sinnlos hält, in dieser Situation einen Briefwechsel fortzuführen, der nichts anderes als Zeitverschwendung bedeutet, das wäre wohl einzusehen.
({4})
Kommen neue Tatsachen und neue Situationen, dann, davon bin ich überzeugt, kann auch neu geredet werden.
Zu den schönen Flugblättern von Herrn Wuermeling werde ich doch nun demnächst einmal
sehr genau Stellung nehmen. Im Ton, glaube ich, sind Sie mir über, aber in der Richtigkeit bin ich Ihnen über!
({5})
Zu den Preisen! Die Preise lagen 1949 80 % höher als die Preise am Währungsstichtag. Die Löhne und Gehälter aber waren auf Grund der Stopplöhne genau die gleichen. Es ist also ein unzulässiges Verfahren, so wie Sie es machen, die Preise und Löhne von 1949 mit denen von 1948 zu vergleichen.
({6})
- Das ist auch überzeugend!
({7})
- Ich kann Ihnen noch Material dazu bringen!
Die Lebenshaltung der Arbeitnehmer habe sich in der sogenannten sozialen Marktwirtschaft gebessert, sagt Herr Horn. Das wird gar nicht be stritten.
({8})
- Das ist auch nie bestritten worden. Aber bei Ihrer Art, Statistik zu interpretieren, übersehen Sie immer, daß die statistischen Zahlen für gewisse Schichten des Volkes und für gewisse Gebiete nicht repräsentativ sind. Kommen Sie mit mir nach Schleswig-Holstein, und ich werde Ihnen dort massiert Rentner und Arbeitslose, Dauerarbeitslose, zeigen, die ein Renteneinkommen haben, welches weit unter dem Existenzminimum liegt, und die von Ihren freundlichen Zahlen in keiner Weise erfaßt werden!
({9})
Dort, wo die Arbeitslosen massiert in bestimmten Notstandsgebieten zusammengedrängt sind, herrscht eine solche Not, daß es unrecht ist, diese Not mit solchen allgemeinen Redensarten wegdiskutieren zu wollen.
({10})
Auf alle anderen Dinge will ich jetzt nicht eingehen. Ich will nur die Frage beantworten, inwiefern die Opposition geholfen habe. Der Herr Bundesfinanzminister kann sich über Unsachlichkeit seitens der Opposition nicht beschweren. Ich will Ihnen genau sagen, wie die Opposition geholfen hat: Die Opposition hat geholfen, bei Hunderten von Gesetzen, sachkundig, tatkräftig und fleißig mitzuarbeiten. Sie hat zahlreiche Gesetzentwürfe initiativ eingebracht. Sie hat Kritik und Kontrolle ausgeübt.
({11}) Wo stünden wir bei dieser Bundesregierung, wenn die Opposition nicht Kritik geübt hätte?
({12}) Das ist die Aufgabe der Opposition, und im großen und ganzen wird niemand von Ihnen bestreiten können, daß die Opposition
({13})
({14})
stets eine konstruktive Mitarbeit in diesem Parlament bewiesen hat.
({15})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich habe eingeleitet mit der Feststellung: Wahlpropaganda! Herr Wuermeling hat geschlossen mit der Aufforderung: „Wählt CDU!" Wer hat denn nun recht gehabt?
({0})
Ich habe recht gehabt! Das ganze, was heute hier inszeniert worden ist, diese ganze Schönfärberei war der Auftakt für den Wahlkampf der Koalitionsparteien. Daher diese schönfärberische Darstellung der Lage bei uns in Westdeutschland, die mit der Wahrheit nichts gemein hat. Wie hoch ist die Rente, von der ein Invalide leben muß?
({1})
Im Durchschnitt 73 Mark pro Monat. 40 % aller Rentenempfänger beziehen weniger Rente, als der Wohlfahrtsrichtsatz ausmacht. Tatsache! Die Koalition freut sich über den Wegfall des Konsumbrotes.
({2})
- Ja, Sie haben das ja bewilligt, was im Haushaltsplan drinsteht, und es ausgesprochen. Sie haben es ja im Bundesrat bereits genehmigt, und der Herr von der Nahmer hat es ausdrücklich hier ausgesprochen. Man freut sich also. Die Invaliden freuen sich nicht, und es freuen sich auch die Wohlfahrtsunterstützungsempfänger draußen in den Gemeinden bestimmt nicht.
Nun ein Wort zu dem Wahlgesetz, und nun ein Wort an Herrn Gülich. Er ist vielleicht so alt wie ich. Aber als ich in der sozialistischen Bewegung angefangen habe, Herr Gülich, da habe ich eins gelernt: Das Wahlgesetz, das sozialistischen Bedingungen und Auffassungen entspricht, ist das gleiche, geheime und direkte Verhältniswahlrecht.
({3}) Vielleicht rufen Sie sich das noch einmal an Hand Ihrer alten Parteitagsbeschlüsse ins Gedächtnis zurück.
Aber nun zu dem Herrn H o r n. Wir sind ja keine Unbekannten. Heute hat er wieder einmal, statt Argumente zu bringen, mit der Methode gearbeitet, zu schimpfen. Er hat seine frommen Wünsche zum Ausdruck gebracht, die darauf hinausliefen, uns gern so schnell wie möglich loszuwerden. Ich kann ihm das nachfühlen.
({4})
- Wie lange er warten muß, das entscheidet nicht der Herr Horn. Ich habe vorhin schon gesagt: wir haben einen Adolf überstanden, wir werden auch einen Konrad noch überstehen.
({5})
Ich stelle noch einmal abschließend etwas fest. Was
reden Sie denn heute schon stundenlang? Sie haben
sich ja bereits mit dem Herrn Bundesfinanzminister einverstanden erklärt, daß Erhöhungen der Ausgaben, also Verbesserungen der Leistungen, nicht vorgenommen werden dürfen. Also kündigen Sie doch nicht Absichten an, irgend etwas zu verbessern, die Sie nicht zu realisieren in der Lage sind. Das ist doch Wahlbetrug, wenn Sie das Gegenteil tun.
Und nun noch ein abschließendes Wort.
({6})
Wir werden Ihnen, Herr Horn, bei der zweiten Beratung noch einige konkrete Anträge vorlegen, an denen Sie dann beweisen können, wie nahe Sie dem Volke stehen. Unsere Anträge werden darauf hinauslaufen, sämtliche im Plan enthaltenen direkten und versteckten Kriegsvorbereitungskosten zu streichen,
({7}) beginnend bei den Besatzungskosten bis zu den gesamten Zuschüssen für die Finanzierung des Kalten Krieges. Damit werden wir beginnen. Dann werden wir Ihnen Gelegenheit geben, zu einem breiten Sozialprogramm Stellung zu nehmen, das sich beschäftigen wird mit dem Problem des Mittelstandes, des Einzelhandels, der Landwirtschaft, der Jugend, der Sozialberechtigten, der Kriegsopfer.
({8})
Dabei können Sie dann Ihre christliche Grundsätzlichkeit und die Herren von der SPD die Grundsätzlichkeit ihrer Opposition gegenüber der Kriegsvorbereitung dokumentieren. Also bis zur nächsten, der zweiten Beratung des Etats! Dann sehen wir uns wieder mit außerordentlich konkreten Vorschlägen und Anträgen, und dann ist es aus mit dem Wahlschwindel. Dann muß nämlich gepfiffen werden, nicht nur gesungen!
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister und die Vertreter der Regierungsparteien haben die Auffassung vertreten, daß durch die Vorlage des Gesetzes über die Rentendeckung die Deckung der Rentenzahlungen nicht beeinträchtigt würde. Welche Auffassung haben die Regierungsparteien zu der Frage der Deckung der Rentenzahlungen vor zwei Jahren hier im Hause vertreten? Vor zwei Jahren hat die CDU hier einen Antrag zur Sanierung der Rentenversicherung eingebracht, in dem es heißt:
Der Rentenversicherung ist für die Vermögensverluste 1923 und 1948, für den seit 1945 entgangenen Vermögenszuwachs und für die Steigerungsbeträge für Kriegsdienstzeiten ein gleichwertiger Ausgleich unter Berücksichtigung der Zinsen zu gewähren.
({0})
Außerdem sind die versicherungstechnischen
Fehlbeträge in den gesetzlichen Rentenversicherungen in geeigneter Weise zu decken.
Von einer Sanierung der Rentenversicherung im
Sinne dieses Antrages der CDU ist heute keine
Rede mehr. Es ist auch keine Rede mehr von dem,
was der Herr Bundesarbeitsminister in bezug auf
({1})
die Deckung der Rentenzulagen im Jahre 1951 auf
dem Deutschen Krankenkassentag ausgeführt hat.
({2}) Damals hat der Herr Bundesarbeitsminister wörtlich erklärt: Das Gesetz über die Erhöhung der Rentenleistungen erfordert einen Mehrbedarf von einer Milliarde Mark jährlich. Bei diesem Rentenzulagengesetz ging es darum, aus Steuermitteln einen Betrag herauszuholen, der für das verlorengegangene Sozialversicherungsvermögen in etwa ein Äquivalent darstellte. Auch davon ist heute keine Rede mehr.
({3})
Heute soll die Deckung nicht aus Steuermitteln, sondern praktisch zum größten Teil aus den Beiträgen der Sozialversicherten erfolgen. Der Herr Bundesarbeitsminister steht offenbar wohl nicht mehr zu den Erklärungen, die er vor zwei Jahren in der Öffentlichkeit abgegeben hat.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat davon gesprochen, daß nach der Vorlage die Kapitalien der Rentenversicherung nicht beansprucht würden. Es trifft aber gar nicht zu, daß die deutsche Rentenversicherung heute über ein Deckungskapital verfügt. Sie verfügt heute lediglich über Betriebsmittel, die ausreichen, um die Rentenausgaben für zwei Monate zu decken. Das ist praktisch der Betrag von einer Milliarde, den die Rentenversicherung heute zur Verfügung hat. Es ist schon deshalb gar nicht möglich, daß Deckungskapital der Rentenversicherung in besonderer Weise für Haushaltszwecke in Anspruch genommen wird. Vielmehr werden Betriebsmittel der Sozialversicherung beansprucht.
Herr Kollege Horn hat die Auffassung vertreten, daß der Staatsanteil, nämlich die Staatszuschüsse zur Rentenversicherung, gegenwärtig 33 % betrage. Herr Kollege Horn, Sie haben sich nicht die Entwicklung der Staatszuschüsse der deutschen Sozialversicherung in den früheren Jahren und Jahrzehnten angesehen. Die Staatszuschüsse haben in der Zeit der Weimarer Republik mehr als 33 %, durchschnittlich 37 bis 40 %, betragen. Was wir gerade verurteilen, ist, daß die Bundesregierung im Hinblick auf die steigenden Rentenausgaben die öffentlichen Zuschüsse zur Sozialversicherung durch die Methode der Schuldverschreibungen praktisch reduziert.
In dem uns vorliegenden Haushalt werden zum erstenmal - und insofern dokumentiert dieser Haushalt keine Weiterentwicklung der sozialen Leistungen, sondern das Gegenteil davon - die Zuschüsse aus Bundesmitteln für die Sozialversicherung nach den eigenen Angaben des Ministeriums praktisch um 213 Millionen DM im Jahr gesenkt. Durch Schuldverschreibungen wird die Zukunft der deutschen Sozialversicherung belastet, und zwar in einer Situation, in der auch die Bunresregierung immer wieder den Standpunkt vertritt, daß die Alterslast des deutschen Volkes eine zusätzliche Sicherung benötigt. In dieser Lage wird die Zukunft durch Schuldverschreibungen belastet. Wir sehen deshalb in den Vorlagen keine Sicherung, sondern eine Beeinträchtigung der Rentenleistungen für das deutsche Volk.
({4})
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Rechnungsjahr 1953 ({0}), Drucksache Nr. 4000, dem Haushaltsausschuß zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zu 3 b, Gesetzentwurf über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1953, Drucksache Nr. 4006, schlage ich Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Auch damit ist das Haus einverstanden.
Zu 3 c, Gesetzentwurf zur Verlängerung der Geltungsdauer und zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin", Drucksache Nr. 4004, schlage ich Ihnen vor, den Gesetzentwurf ebenfalls an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen.
({1})
- Federführend der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Es ist gewünscht: auch Überweisung an den Ausschuß für Berlin. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zu 3 d, Gesetzentwurf über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz in den Rechnungsjahren 1953, 1954 und 1955, Drucksache Nr. 4005, schlage ich Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vor.
({2})
- Federführend der Ausschuß für Sozialpolitik und Haushaltsausschuß.
({3})
- Ich hatte mir bereits gestattet, das festzustellen, Herr Abgeordneter Richter. Wir sind uns einig.
Zu 3 e, Gesetzentwurf zur Ergänzung des Ersten Überleitungsgesetzes, Drucksache Nr. 4007, schlage ich vor Überweisung an den Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß. - Das Haus ist damit einverstanden.
Dann kommen wir zu 3 f: Fortsetzung der zweiten Beratung des von den Abgeordneten Dr. Bertram, Hagge, Juncker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionshilfegesetzes, Drucksache Nr. 3863. Dazu ist der Mündliche Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, Drucksache Nr. 3923, erstattet worden. Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
- Das ist die Mehrheit; damit ist dieser Antrag angenommen.
Meine Damen und Herren, sind Sie damit einverstanden, daß ich diese Abstimmung gleichzeitig verstehe als Abstimmung in zweiter Beratung über den Gesetzentwurf Drucksache Nr. 3863, oder wünschen Sie, daß ich darüber besonders abstimmen lasse?
({4})
- Das scheint nicht erforderlich zu sein. Ich stelle also fest, daß damit der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 3863 in zweiter Beratung mit dem einzigen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift abgelehnt ist und sich somit eine dritte Beratung erübrigt.
({5})
Zu 3 g betreffend Erhöhung der Dienstbezüge um 20 %, Drucksache Nr. 3941, schlage ich Über({6})
weisung an den Ausschuß für Beamtenrecht als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß vor.
({7})
- Das Haus ist mit der Überweisung einverstanden.
Zu 3 h betreffend Vorlage des Gesetzentwurfs über die Gewährung einer ruhegehaltfähigen Zulage an Richter schlage ich Ihnen ebenfalls Überweisung an den Ausschuß für Beamtenrecht als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß vor. Sind Sie mit diesen Überweisungen einverstanden?
({8})
- Ich stelle das fest. - Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Grenzzwischenfall Schweigen ({9}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und, falls eine Aussprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Jacobs!
Jacobs ({10}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion beschäftigt sich mit einem Zwischenfall, der im Hinblick auf die durch die Feiertage entstandene Pause nicht mehr in aller Gedächtnis sein dürfte. Es ist deshalb notwendig, noch einmal kurz zu rekapitulieren und darzustellen, was Ausgangspunkt dieser Anfrage meiner Fraktion ist.
In dem Grenzort Schweigen in der Pfalz ist am 13. November des vergangenen Jahres der Grenzübergang eines Transportes Deutscher, die für die Fremdenlegion angeworben worden waren, entgegen dem Verlangen der deutschen Zoll- und Paßbehörden und unter Umgehung der Bestimmungen, die für das Passieren einer Grenze für deutsche Staatsangehörige gesetzliche Vorschriften sind, gewaltsam erzwungen worden. Es mag dahingestellt bleiben, ob der Sachverhalt, wie ich ihn in der Wiederholung darzustellen in der Lage bin, in allen Einzelheiten wirklich so gewesen ist. Denn der Zugang zu dem benötigten Bericht war mir nicht möglich, obwohl es an Versuchen meinerseits, zu dem authentischen Bericht, den die Paßstelle Kehl an das Innenministerium gegeben hat, zu gelangen, nicht gefehlt hat; sie sind aber fehlgeschlagen. Ich gebe zu, daß sie nicht aus Böswilligkeit seitens der Ministerien fehlgeschlagen sind, sondern weil ich bis gestern noch fälschlicherweise der Meinung gewesen bin, 48 Stunden müßten genügen, solche Unterlagen aus einem Ministerium zu bekommen. Ich habe mich eines Besseren belehren lassen und will auch in dem Zusammenhang keine Vorwürfe erheben und darauf verzichten, diesen Bericht selbst zur Grundlage meiner Ausführungen zu machen.
Die Darstellung, die durch die Presse ging, weist eindeutig darauf hin, daß, nachdem der deutschen Zoll- und Paßkontrollstelle in Schweigen in der Pfalz bekanntgeworden war, daß ein Transport junger Deutscher den Weg in die Fremdenlegion in einem Omnibus über Schweigen nehmen sollte, seitens der deutschen Dienststelle der Versuch gemacht wurde, zunächst einmal dadurch in Funktion zu treten und unter Umständen den Abtransport dieser jungen Deutschen zu verhindern, daß sie eine Paßkontrolle vornehmen wollte. Dieser Versuch der deutschen Dienststelle endete nach langen Verhandlungen - wobei zum Ausdruck gebracht werden muß, daß die Vertreter der deutschen Dienststelle sich in diesem Fall außerordentlich korrekt benommen haben - damit, daß Vertreter des französischen Militärs oder der französischen Gendarmerie gewaltsam die Durchfahrt des Transports mit diesen Deutschen erzwungen haben.
Aus diesem Verhalten und aus dieser Sachlage ergibt sich für uns die Frage, ob nicht von uns aus der Versuch unternommen werden muß, etwas Entscheidendes nach dieser Richtung hin zu unternehmen, nachdem es sich bei dem Vorfall nicht nur um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat und die Gefahr besteht, daß der Vorfall nicht der letzte dieser Art gewesen ist. Wir fragen daher die Bundesregierung, ob sie in der Lage ist, dem Deutschen Bundestag einen genauen Bericht über die Vorgänge an der Grenzübergangsstelle Schweigen zu geben, welche Schritte die Bundesregierung in der Zwischenzeit aus Anlaß des Zwischenfalls unternommen hat und was sie zu tun gedenkt, damit sich ähnliche gewaltsame Grenzüberschreitungen mit jungen Deutschen, die für die Fremdenlegion geworben wurden, nicht wiederholen können.
Nun liegt inzwischen ein Bericht des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts vom 2. Dezember auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der CDU/CSU vom 17. November vor. Ich nehme keine Veranlassung, diesen Bericht zum Gegenstand einer besonderen Kritik zu machen, möchte nur erwähnen, daß die Antwort des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amts auf die Kleine Anfrage der CDU/CSU uns keinesfalls als ausreichend erscheint, die Frage, um die es hier geht, abschließend behandelt zu haben. Die Beantwortung der Kleinen Anfrage der CDU/CSU beinhaltet keinesfalls all das, was wir notwendigerweise für die Zukunft an entsprechenden Maßnahmen gegen solche Vorfälle verlangen müssen.
Ich weiß, daß diese Anfrage selbst geeignet ist, das Thema Fremdenlegion als solches zu stellen. Ich habe meinerseits nicht die Absicht, mich in dieses Thema zu vertiefen. Es wird sich wohl kaum vermeiden lassen, daß in der Diskussion dazu Stellung genommen wird. Wir können uns auch nicht damit begnügen, daß seitens der französischen Dienststellen immer wieder darauf hingewiesen wird, daß die Verpflichtungen Deutscher zur Fremdenlegion freiwillig seien und daß die tendenziös aufgebauschten Berichte über die Verhältnisse in der Fremdenlegion mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmten. Ich will das hier gar nicht untersuchen, obwohl es für uns nur ein sehr schwacher Trost ist, wenn wir so beiläufig erfahren, daß in Indochina wahrscheinlich die einzige Stelle ist, in der unbeanstandet in geschlossener Formation das Horst-Wessel-Lied gesungen werden kann. Es ist sicherlich richtig, wenn in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen wird, daß die Frage Fremdenlegion nicht nur eine Frage der französischen Fremdenlegion ist, sondern daß es darüber hinaus in Spanien Fremdenlegionen gibt. Wenn man schon in weitem Rahmen zu diesen Dingen Stellung nehmen soll, ist die Frage zu prüfen, wie wir uns zu den Versuchen ähnlicher Art zu verhalten haben, die sich auch darin zeigen, daß viele ehemalige deutsche Militärs heute als sogenannte technische Berater oder Instrukteure in den Armeen des Nahen Ostens beispielsweise tätig sind.
({11})
Wir wehren uns gegen den Versuch Frankreichs, gerade auf diesem Gebiet immer noch den Nachweis zu erbringen, daß wir unter Besatzungsrecht stehen. Wir wehren uns dagegen, wenn uns Tag für Tag an solchen Beispielen praktiziert wird, daß man immer noch eine Politik der Vorbelastungen uns gegenüber anwendet. Ich weiß nicht, ob es auch politisch gut ist, uns durch solche Maßnahmen immer wieder daran zu erinnern, daß wir uns als Nation noch eine zweitrangige Behandlung gefallen lassen müssen. Gerade dieses Beispiel zeigt auch, daß wir durchaus nicht in der „besten aller Welten" leben, wie Kollege Wuermeling geglaubt hat, aus Anlaß der Etatrede wieder dem Hohen Hause darlegen zu müssen.
({12})
- Doch, Herr Kollege Bausch, gerade bei Ihrer Meinung, wenn Sie schon sofort „Adam und Eva" sagen, hat es durchaus damit etwas zu tun.
Vor allem wehren wir uns mit Entschiedenheit dagegen, daß in diesem Hause durch solche Maßnahmen den Kommunisten immer wieder willkommene Gelegenheit gegeben wird, sich gewissermaßen als die Verteidiger der Menschenrechte und Menschenwürde aufzuspielen, obwohl sie am wenigsten Veranlassung dazu haben. Es sollte deshalb alles unterlassen werden, was geeignet ist, den Gegnern einer freiheitlichen Entwicklung zu dienen.
Gewiß, man darf nicht vergessen, daß Frankreich einen außerordentlich hohen Bedarf an Truppen, die es in Indochina verwenden muß, hat. Aber die Frage ist nur die, ob wir als Deutsche uns die bisher praktizierten Maßnahmen gefallen lassen sollen und ob es auch im Interesse der europäischen Entwicklung angebracht erscheint, daß diese Maßnahmen unbeanstandet weitergeführt werden. Man wird uns sagen, daß Frankreich bei der Anwerbung von Fremdenlegionären nicht an Europa denke.
Die andere Frage ist die, ob wir unsererseits nicht in all diesen Dingen - auch bei solchen nur am Rand sich zeigenden Erscheinungen - verpflichtet sind, uns gegen etwas zur Wehr zu setzen, was geeignet ist, die Atmosphäre, die zu Europa gehört, in einem entscheidenden Ausmaß zu vergif ten.
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- Ich glaube nicht, daß wir durch unsere Bemühungen, auch auf diesem Teilgebiet gleiches Recht für uns gelten zu lassen, Herr Kollege - ich weiß nicht, wer den Zwischenruf gemacht hat -, am meisten zur Vergiftung der Beziehungen untereinander beigetragen haben. Ich finde nicht, daß derjenige der geeignetste Partner für die Herstellung normaler Beziehungen ist, der seinerseits glaubt, alles vorbehaltlos dem Nachbarn zufügen zu sollen, selbst dann, wenn eigene Interessen dabei Gefahr laufen, noch unter das Maß dessen herabgedrückt zu werden, auf was jedes Volk, auch wenn es ein geschlagenes ist, billigerweise Anspruch hat.
Die Frage ist: Was ist zu tun? Was soll insbesondere auch seitens des Parlaments der Bundesregierung vorgeschlagen werden in bezug auf ihre Bemühungen, dieses Problem zu bereinigen? Ohne Zweifel hat die Landesregierung von RheinlandPfalz auf parlamentarische Initiative hin ihrerseits einiges getan, was geeignet ist, die Sache nicht nur in Gang zu bringen, sondern auch in Fluß zu halten. Der Initiativantrag der Landesregierung von Rheinland-Pfalz im Bundesrat scheint mir einen durchaus gangbaren Weg zu zeigen, wie dieser
Frage von der deutschen Zuständigkeit her begegnet werden kann. Aber es handelt sich eindeutig um eine Bundesangelegenheit, weil es sich um Paß- oder Kontrollmaßnahmen der betreffenden Personen handelt.
Darüber hinaus sollten wir aber auf dem Wege über die Gesetzgebung versuchen, das, was heute noch in Deutschland als legal gilt, nämlich die Anwerbung von Freiwilligen oder die Anwerbung von Legionären in Deutschland, mehr oder weniger auf der Basis des Freiwilligen oder nicht, einfach zu verbieten. Ich habe hier den „Allgemeinen Zeitungsdienst" vom heutigen Tage, in dem darauf hingewiesen wird, daß vor einem schweizerischen Divisionsgericht dieser Tage ein Verfahren gegen zwei aus der Fremdenlegion zurückgekehrte Schweizer stattgefunden hat. Also in der Schweiz, einem Lande, dem man nicht den Vorwurf machen kann, demokratische Gepflogenheiten nicht zu kennen und nicht zu üben, wird der Eintritt in die Fremdenlegion, auch wenn er freiwillig ist, unter Strafe gestellt und entsprechend mit Gefängnis bestraft. Ich glaube nicht, daß unsererseits nicht das Bedürfnis vorhanden ist, den Eintritt in die Fremdenlegion zu verbieten. Dann wird nämlich mit der Frage, ob die Methoden, die hier angewendet werden, legal sind oder nicht, von vornherein Schluß gemacht.
Der Fall Schweigen ist seit der parlamentarischen Anfrage der sozialdemokratischen Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz und der Großen Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion, die jetzt zur Debatte steht, gewissermaßen in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt worden. Seit Jahren berührt das Problem der Fremdenlegion die deutschfranzösischen Beziehungen aufs stärkste, und schon zum zweiten Male in kurzer Zeit ist damit dieser kleine pfälzische Grenzort in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Die arbeitsamen Menschen dieser Gegend haben sicherlich hüben wie drüben nur ein Interesse: friedlich miteinander auszukommen. Ihnen ist gewiß nicht daran gelegen, durch Vorfälle wie den hier zur Debatte stehenden eine gewisse traurige Berühmtheit zu erlangen. Wenn die Bemühungen um die Schaffung einer europäischen Gemeinschaft, die wir, glaube ich, alle oder fast alle in diesem Hause ehrlich wollen - einer europäischen Gemeinschaft, die diesen Namen auch verdient -, Erfolg haben sollen, dann müssen alle Interessierten daran denken, daß auch die Politik der Völker untereinander nicht nur von den Wunschträumen her gestaltet werden kann, sondern ihre Grundlage in den realen Fakten finden muß. Denn durch die einsamen Grenzorte führen die Trampelpfade nach Europa, und sie durch das Gestrüpp der falschen Politik unpassierbar zu machen, das bedeutet unter Umständen, den letzten Fluchtpfad in die freiheitliche Welt unpassierbar zu machen. Deshalb bitte ich Sie - und mag der Anlaß noch so klein sein -, diese Anfrage in einem Sinn und einem Geist zu behandeln, der wirklich geeignet ist, von den Fakten her einmal einen entscheidenden Schritt nach vorn zu tun.
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Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Grenz({0})
zwischenfall an der deutsch-französischen Grenze bei Schweigen am 13. November hat sich wie folgt zugetragen.
Die deutschen Grenzkontrollbeamten in Schweigen, die darauf aufmerksam gemacht worden waren, daß eine Anzahl von für die französische Fremdenlegion angeworbenen Deutschen in einem französischen Militärauto über die Grenze gebracht werden sollte, wiesen den Transportführer, einen französischen Unteroffizier, darauf hin, daß sich die in dem Omnibus befindlichen deutschen Staatsangehörigen der deutschen Paßkontrolle unterziehen müßten. Der französische Transportführer lehnte jedoch die an ihn gerichtete Aufforderung, die deutschen Insassen des Omnibusses zur Paßabfertigung zu veranlassen, ab. Er verweigerte auch die von den deutschen Grenzbeamten verlangte schriftliche Erklärung, daß sich in dem Omnibus keine deutschen Staatsangehörigen befänden. Nach etwa einer Stunde traf französische Gendarmerie ein. Der französische Gendarmerieführer in Schweigen überprüfte die Transportliste und gab Befehl, die Schranken zu öffnen. Die französischen Gendarmeriebeamten drängten daraufhin die deutschen Beamten von der Barriere ab, öffneten die Schranken und veranlaßten die Durchfahrt des Omnibusses.
Es ist der Bundesregierung wie Ihnen auch, meine Damen und Herren, bekannt, daß deutsche Staatsangehörige in der Bundesrepublik für ausländische Militärdienste angeworben werden. Um die Anwerbung von deutschen Staatsangehörigen zum Wehrdienst in einer militärischen oder militärähnlichen Einrichtung außerhalb des Bundesgebietes zu unterbinden, hat die Bundesregierung im Jahre 1950 einen entsprechenden Gesetzentwurf im Rahmen eines Strafrechtsänderungsgesetzes eingebracht, Drucksache Nr. 1307. Heute ist in einer Sitzung des Rechtsausschusses Beschluß hierüber gefaßt worden, und wir dürfen wohl annehmen, daß in den nächsten Wochen das Hohe Haus mit der Vorlage befaßt wird.
Wegen dieses Grenzzwischenfalls und vor allem wegen einer Unterbindung der Anwerbung von deutschen Staatsangehörigen im Bundesgebiet habe ich mich in einem Schreiben vom 21. November 1952 an den geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission gewendet und die Alliierte Hohe Kommission gebeten, erstens die Werbung von deutschen Staatsangehörigen im Bundesgebiet für Militärverbände einer ausländischen Macht zu verhindern und zweitens den deutschen Behörden die Grenzkontrolle auch über die Angehörigen der Besatzungsbehörden und Besatzungsstreitkräfte so bald als möglich zu übertragen. Nach Abgang dieses Schreibens wurden der Bundesregierung weitere Transporte von angeworbenen deutschen Staatsangehörigen für die Fremdenlegion bekannt, welche mit französischen Omnibussen am 15. November und am 18. November 1952 die Grenzübergangsstelle Schweigen passiert haben. Mit einem Schreiben vom 4. Dezember 1952 habe ich mich deshalb erneut an den geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission gewendet und nochmals um umgehende Erledigung meines Ersuchens vom 21. November gebeten. Da festgestellt wurde, daß auch weiterhin deutsche Staatsangehörige, die in der Bundesrepublik für die Fremdenlegion geworben waren, über die deutsch-französische Grenze transportiert wurden, habe ich mich erneut in einem Schreiben vom 10. Januar an den geschäftsführenden Vorsitzenden der Alliierten Hohen Kommission gewendet. Ich hoffe, daß die Alliierte Hohe Kommission der Bundesregierung in Kürze eine befriedigende Antwort erteilt. Keinesfalls werde ich mich mit einer ablehnenden oder ausweichenden Antwort zufrieden geben. Ich werde versuchen, zu erreichen, daß derartige Vorgänge von der Hohen Kommission unterbunden werden.
Ich begrüße es aber ebenfalls sehr, wenn dieser Strafrechtsänderungsantrag, der die Anwerbung für ausländischen militärischen Dienst unter Strafe stellt, so bald wie möglich Gesetzeskraft erhält. Ich glaube, wir müssen unter allen Umständen dafür sorgen, daß die Deutschen, die an diesem Handel beteiligt sind, von uns zur Rechenschaft gezogen werden können.
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Es ist wünschenswert, daß der Bundestag die Aufmerksamkeit auch der anderen Länder auf diese Vorgänge richtet. Es ist sehr bedauerlich, daß immer wieder durch solche Zwischenfälle die Versuche, ein gutes Einvernehmen unter den europäischen Völkern zu schaffen, gestört werden. In dem einen oder anderen Falle ist es mir persönlich gelungen, junge Deutsche wieder frei zu bekommen. Aber in der Regel ist es zu spät, wenn man davon hört. Ich glaube deswegen, auch von diesem Platze aus sagen zu müssen: die deutschen Angehörigen von jungen Leuten sollten die Bundesregierung schleunigst aufmerksam machen, sobald sie hören, daß einer ihrer Familienangehörigen sich zu diesem Schritt entschlossen hat.
Meine Damen und Herren, der Herr Vorredner hat in sehr maßvoller Weise die Dinge behandelt. Ich werde das auch tun, und ich glaube, das auch getan zu haben; aber es gibt nur ein Mittel dagegen, indem wir dafür sorgen, daß wir aus der völkerrechtlichen Lage,
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in der wir uns jetzt befinden, - ({3})
- Meine Damen und Herren, das hat mit „Aha!" ja nun wirklich nichts zu tun!
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Wenn Sie wüßten, welcher Jammer in einzelnen Fällen bei den Familienangehörigen ausgelöst wird, dann würden Sie verstehen, daß ich diese Worte hier ausspreche.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage, ob eine Besprechung der Großen Anfrage gewünscht wird. - Das ist der Fall. Wer wünscht das Wort zu nehmen? ({0})
Herr Abgeordneter Paul, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Fall Schweigen, der Gegenstand der Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion war, die der Herr Bundeskanzler in dankenswerter Weise beantwortet hat, ist nur eine Folge. Hinter diesem Fall verbirgt sich in seiner ganzen schrecklichen Größe das Problem der Fremdenlegion, ein Problem, mit dem sich die deutsche Öffentlichkeit in weitem Umfang beschäftigt. Es vergeht keine Tagung der Jugendverbände und der überparteilichen Jugendringe, ohne daß der laute Ruf ertönt, es möge endlich einmal Schluß gemacht werden mit diesem System der Werbung von Landsknechten nach Methoden des finstersten Mittelalters.
({0})
Es ist notwendig, daß sich auch der Deutsche Bundestag diese Forderung zu eigen macht. Die französische Fremdenlegion hat sich als bevorzugtes Rekrutierungsgebiet die Bundesrepublik auserwählt. Immer wieder müssen wir erfahren, daß junge Männer, oft nur Jugendliche im Alter von 17, 18 und 19 Jahren, plötzlich verschwunden sind. Die Angehörigen sind oft wochen- und monatelang ohne Nachricht und sind von bitterer Sorge erfüllt. Dann kommt plötzlich eine Postkarte aus Nordafrika, die Kunde bringt, wo sich diese Menschen befinden.
In meinem engeren Wirkungsgebiet sind allein in einer einzigen Gemeinde, in der Gemeinde Wernau im Kreise Eßlingen, binnen weniger Wochen im letzten Herbst fünf Jugendliche im Alter von 19 Jahren verschwunden und, wie sich später erwies, den schrecklichen Weg in die Fremdenlegion gegangen. Einer dieser jungen Menschen hinterließ eine Mutter, deren Gatte bei einem Arbeitsunfall im letzten Sommer das Leben verlor. Sie sitzt jetzt da mit zwei schulpflichtigen Kindern, und die Hoffnung, daß der Jugendliche, der in Arbeit stand, ihr eine Stütze sein würde, ist zerschellt. Ähnliche Dinge können wir Woche um Woche aus anderen Teilen der Bundesrepublik hören. In der Hauptsache sind es junge arbeitslose Menschen, Menschen, denen ein schützendes Heim fehlt oder deren Heim nicht zufriedenstellend ist, die der Werbung zum Opfer fallen.
Die Methoden der Werbung sind immer die gleichen. Auf den Bahnhöfen, in Gaststätten, auf Rummelplätzen, ja auf der Straße gesellen sich die Werber zu jungen Menschen. Sie spenden freigebig Alkohol, sie erzählen verlogen von einem Leben voller Romantik, von Binnenbetörenden Frauen, die da in der Ferne winken, und von feurigem Wein, der unter den Palmen des Südens genossen werden kann. Dann gibt es eine Autofahrt, deren Endziel eine französische Kaserne ist. Der Werber kassiert sein Kopfgeld. Der junge Mensch aber geht einen fürchterlichen Weg einer schrecklichen Zukunft entgegen.
Der Menschenschmuggel über die Grenze vollzieht sich dann nach dem Rezept von Schweigen. Es gibt nicht nur diese eine Grenzübertrittsstelle. Ich habe den dokumentarischen Nachweis - in einem Faksimile ist er festgehalten -, daß allein über die Grenzübergangsstelle Bergzabern in der Zeit vom 16. Juli bis zum 13. November des vergangenen Jahres 28 solche Transporte über die Grenze gegangen sind, und zwar mit Fahrzeugen der Besatzungsmacht - die Nummern und die Zeit sind registriert -, in denen die flüchtig eingekleideten, als fremde Staatsbürger camouflierten und zum Schweigen verpflichteten jungen Menschen über die Grenze gebracht wurden. Im Falle Bergzabern waren es in der Zeit von knapp vier Monaten nahezu 400 solche junge Menschen. In den Kasernen in Landau und Freiburg sind Werbestellen; eine große Werbezentrale, die in Offenburg war, wurde aufgelassen. Die deutschen Behörden dieses Kreises schätzen die Zahl der Jugendlichen, die seit dem Bestehen dieser Werbestellen dort angelaufen sind, einschließlich der Abgewiesenen auf 75 000. Jetzt ist die Hauptwerbestelle auf die andere Seite des Rheins verlegt worden. Straßburg ist nicht nur die Stadt des europäischen Geistes, sondern leider auch eine Stadt skandalösen Menschenhandels.
Es ist grotesk, daß der Transport, sofern er sich nicht in geschlossener Form vollzieht, mit Freifahrscheinen vorgenommen wird, die auf Besatzungskosten verrechnet werden.
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Es ist doppelt grotesk, daß die einzigen Jugendlichen, die sich eines Jugendpasses erfreuen bzw. ihn nicht benötigen, die jungen Menschen sind, die sich für die Fremdenlegion interessieren oder anwerben lassen. Die Zahl der Deutschen, die in der Fremdenlegion sind, ist hier schon schätzungsweise genannt worden. Die Schätzungen schwanken zwischen 80 000 und 100 000 Menschen. Jede Woche geht eine kriegsstarke Kompanie nach Nordafrika und von dort in den Dschungelkrieg, wo Tod und Seuchen harren. Ich möchte über das Leben in der Fremdenlegion keine Einzelheiten hier vortragen. Wir alle kennen sie.
Ich möchte auch zugeben, daß nicht alle diese Jugendlichen den Werbern verfallen. Es gibt auch solche, die freiwillig gehen, gedrängt durch widrige soziale Verhältnisse. Die Zahl der sogenannten Kriminellen, die sich darunter befinden, ist relativ bescheiden. Wenn man deren Kriminalität näher untersuchte, würde man sehr bald finden, welche Ursachen sie hat, respektive wie bagatellmäßig sie ist, wie sie im Grunde genommen für uns eine Fürsorgeaufgabe darstellt. Arbeitslosigkeit und Entwurzelung sind weitere Ursachen. Oft wird von ungünstigen Familienverhältnissen gesprochen. Mag sein, daß sie da sind. Aber wenn man diese untersucht, findet man, daß es vor allem das Wohnungselend ist, das junge Menschen aus der Familie treibt. Wie viele Jugendliche, so müssen wir uns doch fragen, wenn sie nicht den Schichten jener entstammen, die auf der Sonnenseite des Lebens geboren sind, haben ein eigenes Zimmer, in dem sie einmal in Ruhe ein Buch lesen können oder in Ruhe eine Stunde für sich sein können? Zugegeben, manche andere verfallen - und das ist nicht minder bedenklich - den Lockungen verlogener Filme oder schundiger Schriften.
Das alles in seiner Summe muß uns Aufgaben stellen. Wir haben eine doppelte Aufgabe. Die erste ist, durch einen entsprechenden Beschluß des Bundestages die Werbung zu unterbinden. Ich begrüße die Maßnahmen, die vom Rechtsausschuß des Bundestages heute ergriffen worden sind. Ich hoffe nur, daß bald der entsprechende Beschluß in diesem Hause gefaßt wird. Ich begrüße auch die Bemühungen, die von der Bundesregierung unternommen werden, über die uns der Herr Bundeskanzler hier berichtet hat. Ich hoffe, sie werden fortgesetzt, und ich hoffe, wir werden über die Ergebnisse auch unterrichtet werden.
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Ich appelliere auch an Frankreich, Frankreich möge verstehen, wie unmoralisch doch diese Handlung ist und wie sehr das Verhältnis zwischen beiden Völkern durch diese Akte vergiftet wird. Es möge von sich aus auf das Mittel einer nicht zu rechtfertigenden Werbung verzichten. Es genügt nicht, daß man in Straßburg mit tönenden Worten der Konvention über die Menschenrechte die Zustimmung gibt. Es ist notwendig, daß auch überall im Geiste der Menschenrechte gehandelt wird.
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Wir kämpfen gegen den Menschenraub im Osten. Wir haben auch die Verpflichtung, gegen den Menschenraub in der Form der Werbung für die Fremdenlegion zu kämpfen.
Daneben haben wir eine zweite Aufgabe zu erfüllen. Wir haben vermehrte Aufklärungsarbeit in der ganzen deutschen Öffentlichkeit und vor allem unter der Jugend zu leisten. Ich möchte daher von dieser Stelle aus alle Jugendverbände, die sich dieser Aufklärungsarbeit besonders zu widmen gedenken, zu dieser Tätigkeit nachdrücklichst ermuntern.
Wir haben aber auch noch mehr zu tun, um Arbeit und Wohnraum für die sogenannte entwurzelte Jugend zu schaffen. Es ist bedauerlich, daß ein erheblicher Teil der Jugend des deutschen Volkes noch nicht das richtige Verhältnis zur Bundesrepublik gefunden hat. Diese Tatsache weist uns auf Pflichten hin, die wir zu erfüllen haben. Wir haben uns zu kümmern um die Abgewiesenen, die nun auf den Landstraßen lungern, wir haben uns auch zu kümmern um jene leider sehr geringe Zahl der heimkehrenden Entlassenen, die oft für das ganze Leben gezeichnet sind. Es handelt sich dabei um wertvolles deutsches Volksgut. Das darf nicht verlorengehen. Wir können uns den Luxus nicht erlauben, daß junge Menschen, sei es infolge Anwerbung, sei es aus einem Akt der Verzweiflung, außer Landes gehen. Wir müssen alles tun, um sie unserem Staat, unserer Wirtschaft und unserem Volk zu erhalten.
Darum hoffe ich, daß die heutige Aussprache eine ernste Mahnung, zugleich aber auch den ersten Schritt auf dem Weg zum Handeln darstellt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Eberhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle zunächst mit Befriedigung fest, daß der Herr Bundeskanzler in eigener Person die Große Anfrage der SPD beantwortet hat. Ich bedauere auf der anderen Seite, daß man sie erst rund zweieinhalb Monate, nachdem dieser Grenzzwischenfall passiert war, in diesem Hohen Hause behandelt hat. Ich glaube, der Vorfall ist so bedeutend, daß er es verdient hätte, früher auf die Tagesordnung gesetzt zu werden. In diesem Zusammenhang darf ich darauf hinweisen, daß der Landtag von Rheinland-Pfalz die Angelegenheit bereits am 18. November, also fünf Tage, nachdem der Grenzzwischenfall passiert war, im Plenum behandelt hat. Ich komme auf das Ergebnis dieser Verhandlung am Schluß meiner Ausführungen zurück.
Wenn das Ansehen und die Autorität der Bundesregierung nicht notleidend werden sollen, ist es erforderlich und auch höchste Zeit dafür, daß
Maßnahmen getroffen werden, die geeignet sind, zu verhüten, daß sich der Schweigener Vorfall vom 13. November 1952 wiederholt. Sollten sich Vorfälle dieser oder ähnlicher Art weiterhin ergeben, müßte man sich auf seiten Frankreichs darüber klar sein, daß damit das echte, von bestem Willen getragene deutsche Bestreben, ein dauerhaftes deutsch-französisches Freundschaftsverhältnis zu schaffen, zu fördern und zu vertiefen, stärkstens angeschlagen, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird. Wir sollten erwarten dürfen, nein, wir müssen sogar verlangen, daß französische Dienststellen die Souveränität eines anderen Landes selbstverständlich ebenso respektieren, wie wir das Frankreich gegenüber bis jetzt geübt haben. Der Schweigener Vorfall hat mit aller Deutlichkeit, aber auch mit aller Unmißverständlichkeit bewiesen, daß Frankreich zwar von Deutschland erwartet, daß es seine Kraft zur Verteidigung der westlichen Welt zur Verfügung stellt, daß es aber nicht bereit ist, uns Deutschen das Recht auf den Schutz unserer eigenen Brüder zuzugestehen, wie es das allen anderen Ländern gegenüber als etwas Selbstverständliches tut.
Das Schicksal der Grenzlandbewohner deutscherseits scheint nur aus Kummer, Duldung, Leid und Verzicht zu bestehen. Zu der Pflicht der Duldsamkeit der deutschen Grenzbewohner gehört es anscheinend auch, zusehen zu müssen, wie deutsche Grenzschutzbeamte, machtlos gemacht, zusehen müssen, wie seit Jahr und Tag junge deutsche Männer, die für die französische Fremdenlegion unter Zuhilfenahme von Mitteln, die nicht Rechtens und sogar völkerrechtswidrig sind, geworben und über die deutsche Grenze geschafft werden. Wollen wir unseren deutschen Grenzbewohnern die Zuversicht auf eine deutsche Souveränität nicht restlos rauben, dann müssen wir alles tun, um diesen unwürdigsten aller Zustände und Mißstände schnellstens, aber auch wirksam zu beseitigen.
Darüber hinaus soll aber auch die Tatsache, daß jährlich Tausende deutscher junger Menschen für die französische Fremdenlegion mit Erfolg angeworben werden, Verpflichtung genug für uns sein, zu prüfen, welcher Art diejenigen Gründe sind, die diese jungen Menschen veranlassen, diesen Schritt zu tun. Vielleicht stoßen wir bei dieser Prüfung auf eine Art von Gründen, zu deren Beseitigung wir durchaus die entsprechenden Möglichkeiten schaffen könnten.
Zweifellos ist man sich der Gefahr, die nach dieser Richtung unserer Jugend in den außerhalb der Grenzlandgebiete gelegenen Landesteilen droht, nicht in dem Maße bewußt, wie dies notwendig ist. Soviel weiß aber jeder, daß die französische Fremdenlegion eine Einrichtung ist, die schon seit Jahrzehnten besteht. Deshalb ist es auch eine Aufgabe ersten Ranges, daß alle Erziehungsberechtigten für die Jugend, sowohl im Elternhaus als auch in der Schule, sich verpflichtet fühlen, der Jugend diese ungeheure Gefahr in Wort und Schrift nahezubringen.
Zum Schluß möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang die Entschließung, die der Landtag Rheinland-Pfalz am 18. November 1952 gefaßt hat, zur Kenntnis bringen. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten gestatte ich mir, Ihnen diese Entschließung wörtlich vorzutragen:
Der Landtag von Rheinland-Pfalz anerkennt die bisherigen Bemühungen der Landesregierung, den Werbemaßnahmen für die Fremdenlegion zu begegnen. Er ersucht die Landes({0})
regierung, ihre Bemühungen durch Einleitung von Sofortmaßnahmen zu verstärken; insbesondere sollen Eltern, Erzieher, Jugendorganisationen und sonstige Verbände aufklären und ständig der Jugend die Gefahr der Fremdenlegion vor Augen halten. Darüber hinaus sollen Beratungs- und Fürsorgestellen sowie Überleitungsheime in den Grenzgebieten aus dem Willen aktiver Abwehr heraus geschaffen werden. Seitens der Bundesregierung ist mit besonderer Kraft dahingehend zu wirken, daß Frankreich von jeder Werbung für die Fremdenlegion Abstand nimmt, zumal die dabei angewandten Methoden sich auf keinen Fall mit der Schaffung überstaatlicher Organisationen in Verbindung bringen lassen.
Diese Entschließung - das möchte ich besonders betonen - ist von sämtlichen Fraktionen des Landtags Rheinland-Pfalz einstimmig und einmütig gefaßt worden. Ich hoffe und wünsche, daß dieses Hohe Haus sich ebenfalls zu einer Einmütigkeit wenigstens über diese Frage zusammenfindet. Wenn Sie das tun, dann leisten Sie wirklich dem deutschen Volke und im besonderen der Jugend einen Dienst, wofür Sie stets mit Dankbarkeit rechnen können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Becker ({0}).
Meine Damen und Herren, ich würde Ihnen empfehlen, von der Einholung der Genehmigung zum Vorlesen besonderer Abschnitte der Rede Abstand zu nehmen, wenn sowieso schon immer vorgelesen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute das zweite Mal, daß ich hier über Verhältnisse und Probleme spreche, die mit dem Ort Schweigen an der pfälzischen Grenze zusammenhängen. Die Große Anfrage der SPD vom 18. November behandelt ein Problem, das alle Deutschen ohne Unterschied der politischen Richtung seit Jahren beunruhigt und mit ernster Sorge erfüllt. Ich darf auch meinerseits sagen, daß es uns mit besonderer Freude erfüllt, daß der Herr Bundeskanzler zu diesem für das ganze Volk so ernsten Problem hier Stellung genommen hat.
Ich darf auch daran erinnern, daß meine Fraktion durch die Anfrage Nr. 303 vom 17. November 1952 der Bundesregierung ihre ernste Sorge für die deutsche Jugend wegen des Grenzzwischenfalls in Schweigen am deutschen Weintor zum Ausdruck gebracht und Maßnahmen gegen die Wiederholung dieses bedauerlichen Zwischenfalls gefordert hat.
Was ist in Schweigen geschehen? Ich möchte nicht wiederholen, was bereits in der Antwort der Regierung auf Drucksache Nr. 3924 ausgeführt wurde, was der Herr Bundeskanzler heute noch einmal ausdrücklich unterstrichen hat und was auch von meinen Herren Vorrednern zum Teil noch ergänzt und wiederholt wurde. Lassen Sie mich aber das Wesentliche noch einmal feststellen. Junge deutsche Menschen, die aus den verschiedensten Gründen, oft freiwillig, oft aber auch unter Vorgaukelung von Illusionen und unter Anwendung von verabscheuungswürdigen Werbemethoden in die Fänge der Werber und Werbebüros der Fremdenlegion geraten, werden in einer Kaserne der französischen Besatzungsmacht auf deutschem Gebiet in französische Uniform gesteckt und zur
Grenze gebracht. Deutsche Grenz- und Zollbeamte, die in Erfüllung ihrer Pflicht unbewaffnet das Öffnen der Zollschranken verhindern wollen, werden durch bewaffnete französische Gendarmerie gewaltsam zur Seite gedrängt und an der Erfüllung ihrer Pflicht gehindert. Französische Besatzungsstreitkräfte leisten aktiven Beistand zum völkerrechtswidrigen Verbringen von Angehörigen eines besetzten Landes in die Streitkräfte einer Besatzungsmacht.
Die Angelegenheit ist uns zu ernst, um vielleicht in überschwenglichem Nationalismus zu machen; aber eines, glaube ich, müssen wir doch sagen: daß es mit der Ehre unseres Landes und Volkes einfach nicht zu vereinbaren ist, wenn deutsche Staatsangehörige freiwillig oder gewaltsam über die Grenze gebracht werden, um Militärdienst in einem anderen Land zu tun. Daß dieses Tun mit den anerkannten Grundsätzen des Völkerrechts nicht vereinbar ist, sagte ich schon.
Die Überschreitung der deutschen Grenze durch Deutsche ohne Vorlage eines Reisepasses verstößt gegen die deutschen Bestimmungen. Die Unrechtmäßigkeit des illegalen Grenzübertritts wird nicht dadurch behoben, daß die Deutschen in französische Uniformen gekleidet werden, da sie dadurch nicht zu Besatzungsstreitkräften im Sinne des Gesetzes Nr. 2 der Alliierten Hohen Kommission geworden sind.
Leider ist der Zwischenfall in Schweigen vom 13. November 1952 kein Einzelfall. Wenngleich bisher außer in Schweigen keine Gewaltanwendung in diesem Ausmaß an deutschen Grenzstellen vorkam, war es und ist es doch ein offenes Geheimnis, daß aus der Fortkaserne in Landau regelmäßig Transporte mit jungen Deutschen über die Grenze bei Schweigen gebracht werden, meist mit Militärlastwagen, die mit geschlossenen Planen überdeckt sind und deren Durchsuchung den deutschen Zollbeamten nicht gestattet ist. Wie j a der Vorfall von Schweigen beweist, hatten die jungen Menschen strenges Schweigegebot und konnten sich deshalb dem Posten nicht bemerkbar machen.
Wie schon der Herr Bundeskanzler eben ausgeführt hat, sind außer am 13. November auch noch an anderen Tagen Grenzübergänge erfolgt, neben dem 15. und 26. November noch am 5. Dezember und am 8. Dezember. Alle Omnibusse an diesen vier jetzt genannten Tagen kamen innerhalb 20 Minuten leer zurück, ein Beweis, daß sie ihre Menschenfracht nach dem etwa 2 Kilometer entfernten Weißenburg gefahren und dort ausgeladen hatten. Das ist die traurige Bilanz eines einzigen Monats an nur einer einzigen deutschen Übergangsstelle unter den Augen der deutschen Grenzorgane, die ohnmächtig zusehen mußten.
Neuerdings werden die Legionsanwärter, mit Dienstvorschriften und Kontrollschein versehen, angewiesen, bis in die nächste Nähe der Grenze mit einem Freifahrtschein der Bundesbahn zu fahren und dann einzeln an bestimmten Stellen die grüne Grenze zu passieren.
In einer Werbeschrift, die uns vorliegt, die von verabscheuungswürdigen Subjekten jungen Deutschen im Bundesgebiet in die Hand gedrückt wird, ist angegeben, daß sich Werbestellen für die Fremdenlegion in Koblenz, Horchheim, Landau/Pfalz, Rottenburg und Offenburg befinden. Französische Besatzungsstellen in Deutschland geben den Bewerbern zum Teil ohne jede Vorprüfung Freifahrtscheine zur nächsten Werbestelle und diese wie({0})
derum an die nicht angenommenen Bewerber freie Rückfahrscheine. Ich möchte auch das unterstreichen, was der Kollege Paul hier schon gesagt hat, daß das deutsche Volk mit seinen Besatzungskosten die Werbekosten für die Fremdenlegion bezahlt. Mir ist eine Nachricht zugegangen, nach der beispielsweise vom 1. April 1952 bis zum 25. September 1952 3060 Jugendliche mit Freifahrtschein in Landau angekommen sind. Zirka 40 % dieser jungen Leute erhielten Rückfahrscheine, weil sie auf den Werbestellen nicht angenommen wurden. Neuerdings, nachdem immerhin der Zwischenfall von Schweigen Aufsehen erregt hat, hat man andere Methoden gesucht. Man hat festgestellt, daß die jungen Legionsanwärter mit der Eisenbahn bis Edenkoben in der Pfalz fahren, dort mit Lastautos abgeholt und nach Ludwigshafen verbracht werden und schließlich per Schiff den Rhein aufwärts fahren.
Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat sich wiederholt an die Besatzungsmacht mit der Bitte um Abstellung dieses Zustandes wenden müssen. Wir haben es dankbar begrüßt, daß uns auch der Herr Bundeskanzler hier von den Bemühungen berichtet hat, die seitens der Bundesregierung in der letzten Zeit unternommen wurden. Wir haben es wohl alle begrüßt, daß der Landtag von Rheinland-Pfalz am 18. November 1952 einmütig mit der Landesregierung zusammengestanden und die Verhältnisse an der Landesgrenze gebrandmarkt hat.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit nur wenige Sätze zitieren, die der Herr Ministerpräsident aus diesem Anlaß vor dem Landtag in Mainz ausgesprochen hat:
Ich glaube feststellen zu dürfen, daß Landtag und Landesregierung einmütig übereinstimmen in der Verurteilung eines Systems, das Deutsche in unserem eigenen Lande als Söldner anwirbt, um sie fremden Interessen zu opfern. ... Unsere Verurteilung betrifft schon dieses System und diese Methoden als solche. Um so mehr aber müssen wir unserer Empörung darüber Ausdruck verleihen, daß irgendwelche Stellen glauben, dieses finstere Geschäft des Menschenhandels selbst mit Gewalt unter Außerachtlassung der deutschen Gesetze betreiben zu dürfen.
So weit der Herr Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Ich glaube, daß nicht nur die Bevölkerung von Rheinland-Pfalz, sondern das ganze deutsche Volk einmütig derselben Meinung ist.
Wenngleich die Bundesregierung in ihrem Handeln noch eingeengt ist, wird sie doch nichts unterlassen dürfen, um dieser Schmach Einhalt zu gebieten. Wir würden es wohl alle sehr begrüßen, wenn der auf Initiative von Rheinland-Pfalz durch den Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches von diesem Hohen Hause baldigst verabschiedet würde, damit wenigstens den Werbern für die Fremdenlegion das schmutzige Handwerk gelegt werden kann. Wir begrüßen es, daß der Rechtsausschuß diese Vorlagen heute bereits verabschiedet hat, so daß der Bundestag sich in der nächsten oder übernächsten Woche mit diesem Problem befassen kann. Wir begrüßen es auch, daß sich der Jugendfürsorgeausschuß heute mit diesem Problem beschäftigt und über Fürsorgemaßnahmen für unsere deutsche Jugend beraten hat.
Es wird notwendig sein, durch eine intensive Aufklärungsaktion unsere Jugend vor den Gefahren und Schrecken zu warnen, die die Söldnerschaft
in der Fremdenlegion mit sich bringt. Plakatanschläge, insbesondere in den Grenzgebieten, könnten hier wohl helfen. Aber nicht nur der Staat, sondern auch Elternschaft, Jugendorganisationen sowie Schulen müssen und können hier aufklärend wirken. Heime und Arbeitsstätten, wie wir sie zum Teil schon für die Jugend in der Pfalz haben, müssen ausgebaut und vermehrt werden, um die arbeitslose und vielfach streunende Jugend, die oft aus dem Osten unseres Vaterlandes kommt und noch keinen festen Fuß fassen konnte, vorübergehend aufzunehmen und sie in geordnete Verhältnisse zu bringen.
Es müßte weiterhin überlegt werden - und dieser Wunsch wird an der Grenze oft zum Ausdruck gebracht -, ob nicht bei den besonders exponierten Grenzübergangsstellen unser Bundesgrenzschutz zusätzlich den verstärkten Schutz deutscher Menschen übernehmen sollte. Vorfälle wie der am 13. November 1952 in Schweigen dürfen sich im Interesse des Rechts und der gegenseitigen Achtung einfach nicht wiederholen.
Unseren Männern vom Zolldienst in Schweigen sei an dieser Stelle ein besonderes Wort der Anerkennung gesagt. Sie haben durch ihr ruhiges und besonnenes Verhalten noch Schlimmeres verhütet, als sie eine Stunde lang etwa 20 bewaffneten französischen Zoll- und Gendarmeriebeamten gegenüberstanden. Es war bei der beleidigenden Behandlung, die sie erfahren mußten, sicher nicht leicht für diese unsere Männer.
({1})
Unserem Nachbarn Frankreich möchten wir aber hier und über die Grenze zurufen, er möge es doch verstehen, daß wir uns selbst aufgeben würden, wollten wir diesem Verbrechen des Menschenhandels noch länger zusehen. Wir reden so viel von der Integration Europas. Ja, wir wünschen und wollen diese Integration ehrlich im Interesse unserer Völker. Aber diese gemeinsame Arbeit und Zielsetzung ist doch nur möglich bei gegenseitiger Achtung. Diese notwendige Achtung und das ebenso notwendige Vertrauen bekommen aber durch diese auf deutschem Gebiet geübten Methoden immer wieder einen Knacks.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir als einem Abgeordneten aus dem Grenzland bei dieser Gelegenheit eine Zwischenbemerkung. Gerade die Grenzbevölkerung von Rheinland-Pfalz muß im Augenblick sehr große Opfer bringen für die Sicherheit Europas, Opfer, die bei etwas mehr Verständnis, insbesondere bei der Landbeschlagnahme, geringer gehalten werden könnten.
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Die Meinung, daß die Beschlagnahmen nicht immer unter dem Gesichtspunkt der unbedingten Notwendigkeit, sondern als einseitiges Diktat des Siegers von gestern vorgenommen werden, ist bei der Bevölkerung schwer auszuräumen, wenn immer nur Land erster Bonitätsklasse herangezogen wird, obschon einige Kilometer weiter geringeres Land zur Verfügung steht. Das gilt beispielsweise für den Fall Sembach bei Kaiserslautern, wo drei oder vier Kilometer nebenan der alte, brachliegende Exerzierplatz der früheren Reichswehr zur Verfügung stände, oder für den Fall Mühlhofen-Iggelheim im Kreis Bergzabern, wo erst am vergangenen Dienstag die Bauern gemeinsam mit der Regierung und Vertretern aller Parteien eine Protestkundgebung veranstaltet haben, weil bestes Ackerland und Weinberge als Panzerübungsgelände herangezogen wur({3})
den, obschon auch hier im sogenannten Bienwald geringeres Land im Austausch vorhanden wäre und obschon sich nur einige Kilometer weiter, am Ebenberg bei Landau in der Pfalz, Panzergelände befindet, das ebenfalls brachliegt. Einige Kilometer weiter nach der anderen Seite liegt auf französischem Boden der große Truppenübungsplatz Bitsch, für Panzer nach unserer Meinung doch sicher keine unüberwindliche Entfernung.
Jetzt lassen Sie mich zu unserem eigentlichen heutigen Thema abschließend noch zwei Sätze sagen. Stehen wir alle, Regierung und Parlament, in dieser Frage einmütig zusammen ohne Unterschied der sonstigen politischen Auffassungen! Helfen wir gemeinsam der deutschen Jugend, und mancher Vater wird sich um seinen Jungen nicht mehr grämen, und manche Mutter wird sich nicht mehr die Augen rot weinen müssen um den Sohn, der aus Leichtsinn oder Unerfahrenheit in einer dunklen Stunde einen Schritt tat, den er sein ganzes Leben bereuen wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns kann die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht befriedigen. Nach unserer Auffassung ist er wie die Katze um den Kern des heißen Breis herumgegangen.
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Was ist denn nun Tatsache? Zur Frage der Fremdenlegion wurde von dieser Stelle aus schon mehrmals Stellung genommen. Die kommunistische Fraktion war es, die im März 1950 hier im Bundestag einen Antrag einbrachte auf Verbot jeder Werbung für die Fremdenlegion und auf strengste Bestrafung für die Werber sowie zur Schließung dieser Büros und vor allem für eine ausreichende Hilfe für unsere bedrängte Jugend. Alle diese Anträge wurden damals von der Regierungskoalition abgelehnt. Sie wurden deshalb abgelehnt, weil das den Wünschen und den Befehlen der drei Eisheiligen auf dem Petersberg entsprach. Diese Herren und ihre Auftraggeber haben und hatten kein Interesse daran, unsere Jugend zu schonen; im Gegenteil: sie wollen billiges Kanonenfutter für ihre Ziele und Pläne haben. Für ihre Interessen soll unsere Jugend die Kastanien aus dem Feuer herausholen.
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Ihr Wahlspruch dabei ist - wie uns ja von einem amerikanischen Senator bekannt ist -: Laßt die deutsche Jugend für uns sterben, unsere Jugend wollen wir uns aufsparen! Hätten Sie damals unsere Anträge angenommen und wären Sie dafür eingetreten, daß diese Anträge realisiert wurden, dann wäre in Deutschland kein Boden mehr für die Fremdenlegion, aber auch für keine solchen Vorgänge, wie wir sie in Schweigen erlebt haben. Viel Leid, viel Kummer und viel Schmerz hätten Sie deutschen Familien und insbesondere unserer deutschen Jugend erspart.
Am 8. 3. - ich habe es bereits gesagt - haben wir den Antrag eingebracht. Seit dieser Zeit, seit 1950, sind mehr als 30 000 deutsche junge Menschen allein in Indochina gefallen, und mehr als 28 000 wurden gewaltsam oder mit List und Tücke
aus Westdeutschland in die Fremdenlegion verschleppt.
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Diese Zahlen sind sehr niedrig gehalten, weil man jene Menschen hinzurechnen muß, die in anderen Kolonien kämpfen, und jene, die an Verwundungen oder Krankheiten zugrunde gingen.
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Allein diese Zahlen sagen alles, und die Vorgänge in Schweigen sagen das übrige. Ich frage den Herrn Bundeskanzler: Wo ist denn die soviel von ihm gepriesene Souveränität? Schweigen hat Ihnen eine Antwort gegeben. Alles ist nur Gerede. Die Besatzer sind die wahren Herren, und Sie haben die Befehle der Besatzer auszuführen. Was sollen Ihre vagen Versprechungen und die Reden der Vertreter der Regierungskoalition? Nein, Herr Bundeskanzler, mit Ihrer Redewendung hinsichtlich des Generalvertrags liegen Sie nicht nur schief, sondern das Volk wird Ihnen die Antwort geben. Der Generalvertrag ist nämlich die restlose Legalisierung der Fremdenlegion auf deutschem Boden. Der Generalvertrag soil unser Volk zu einer einzigen Fremdenlegion
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und unsere Jugend insgesamt zu Fremdenlegionären machen. Wir fordern deshalb: Schluß mit der Werbung für die Fremdenlegion, strengste Bestrafung für die Werber und restlose Unterbindung jeder Möglichkeit, diese Werbung in irgendeiner Form durchzuführen. Aber vor allen Dingen fordern wir ausreichende Hilfe für die Jugend. Sich hierher zu stellen
({5})
und zu sagen: Aufklärung tut unserer Jugend not, ist mehr als billig. In erster Linie muß unserer Jugend Hilfe gegeben werden! Der Herr Bundesfinanzminister hat uns j a gestern gesagt, wie es damit steht. Deshalb rufen wir unserer Jugend und unserem Volke zu: Hört nicht auf die Sirenengesänge des Herrn Bundeskanzlers, sondern antwortet mit einem Kampf im Sinne unseres Programms der nationalen Wiedervereinigung unseres Vaterlandes. Nichts für die Fremdenlegion und auch nichts für den Generalvertrag!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abgeschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Frey, Merten, Frühwald und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der landwirtschaftlichen Siedlung ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf Begründung und Debatte zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf federführend dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und mitberatend dem Haushaltsausschuß zu überweisen. - Sie sind damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Bundesanstalt für
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Flugsicherung ({2}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen ({3}) ({4})
({5});
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Kreyssig, Marx, Seuffert, Wönner und Genossen betreffend Werftbetrieb der „Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf" ({6}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Cramer. Ich darf unterstellen, daß er den Bericht kurz erstatten kann.
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Cramer ({8}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Wenn Sie Wert darauf legen, einen kurzen Bericht zu bekommen, will ich mich darauf beschränken, Sie auf die gedruckte Vorlage zu verweisen. Ich muß nur einen Satz hinzufügen. Ich bitte, daß auf Seite 7 der Vorlage in § 9 Ziffer 1 im letzten Satz hinter dem Wort „Start" ein Bindestrich gesetzt wird, damit es „Start- und Landevorganges" heißt. Auf der letzten Seite der gedruckten Vorlage - in § 10 Abs. 4 - ist zweimal das Wort „die" zu streichen, nämlich bei „die Einrichtungen" und „die Geräte". Dann kann die Vorlage in dieser Form nach den Vorschlägen und nach den Empfehlungen des Verkehrsausschusses vom Bundestag angenommen werden. Im übrigen verweise ich nochmals auf die gedruckte Vorlage.
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Ich danke für die Berichterstattung.
Sie haben freundlichst von den Druckfehlern und Änderungen Kenntnis genommen.
Zu § 1 liegt ein Antrag des Herrn Abgeordneten Müller vor, den Gesetzentwurf zu streichen. Das ist kein Änderungsantrag, sondern ein Antrag, in dem die Ablehnung dieses Paragraphen angekündigt wird. - Sie wünschen das zu begründen? Herr Abgeordneter Müller!
Meine Damen und Herren! Es entspricht dem Wesen des Herrn Bundesverkehrsministers, seiner sprichwörtlichen Bescheidenheit und seiner zurückhaltenden Art - er ist leider nicht hier -,
({0})
wenn er in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung über die Bundesanstalt für Flugsicherung kein Wort über die Zusammenhänge dieses Gesetzes mit der allgemeinen Politik der Bundesregierung verliert. Nur an einer Stelle versucht er, einen gewissen Zusammenhang herzustellen, indem er erklärt, daß das vorliegende Gesetz die rechtliche und verwaltungsmäßige Grundlage für die Übernahme der alliierten Flugsicherungsdienste durch die Bundesrepublik schaffen solle. Sollte der Herr Bundesverkehrsminister damit vielleicht beweisen wollen, daß mit diesem Gesetz die Bundesregierung Hoheitsrechte wiedererlangen würde? Dann wäre ein solches Unterfangen zweifellos zwecklos. Er weiß genau so gut wie das deutsche Volk, daß, noch stärker als bisher durch das Besatzungsstatut die Bonner und Pariser Verträge der Bundesregierung genau vorschreiben, was sie zu tun und zu lassen hat.
Herr Abgeordneter Müller, ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß wir keine allgemeine Aussprache in der dritten Beratung haben, sondern daß ich zu § 1 in zweiter Beratung aufgerufen habe. Ich bitte Sie, zu § 1 zu sprechen.
Aber in § 1 ist die Grundlage für das ganze Gesetz enthalten, Herr Präsident. Es wäre viel ehrlicher gewesen, in der Begründung zu diesem Gesetz ganz offen zu sagen, daß mit der Schaffung der Bundesanstalt für Flugsicherung die Bundesregierung aktiv auf dem Gebiet des Flugwesens in die amerikanische Strategie und Praxis der Kriegsvorbereitung eingeschaltet wird. Daß die Regierung Adenauer sich dazu hergab, -
Herr Abgeordneter Müller, ich rufe Sie zum zweitenmal zur Sache und mache Sie auf die Folgen eines dritten Rufs zur Sache aufmerksam.
- freiwillig und als Kompagnon diese amerikanische Kriegspolitik durchzuführen bereit ist, kennzeichnet ja nur die Rolle des Adenauer-Regimes im Zuge der amerikanischen Kriegsvorbereitungen.
Herr Abgeordneter Müller, ich rufe Sie zum drittenmal zur Sache. Ihre Rede ist beendet. Ich bitte Sie, sich vom Rednerpult zu entfernen.
Herr Präsident! Ich mache darauf aufmerksam, daß das eine unmittelbar zusammenhängende Begründung für unseren Antrag ist.
Herr Abgeordneter Müller, ich habe Sie zum drittenmal zur Sache gerufen. Nach der Geschäftsordnung ist Ihnen damit das Wort entzogen.
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Weitere Wortmeldung liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über § 1 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 1 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit. § 1 ist angenommen.
Ich rufe auf §§ 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10, - 11, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. - Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zur
dritten Beratung
liegen Änderungsanträge nicht vor. Einzelberatung erübrigt sich.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über die Bundesanstalt für Flugsicherung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der Änderungen durch den Ausschuß und der Berichtigungen, die Herr Abgeordneter Cramer vorgetragen hat, zuzustimmen wün({1})
sehen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zu b der Drucksache Nr. 4012, die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen durch die Beschlußfassung für erledigt zu erklären, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist angenommen.
Ich komme zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Kreyssig, Marx, Seuffert, Wönner und Genossen betreffend Werftbetrieb der „Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf".
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Begründung und eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, den Antrag dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen. - Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden.
Zu Ziffer 7:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich ({2});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({3}) ({4})
({5}),
ist im Ältestenrat beschlossen worden, daß auf Wunsch der sozialdemokratischen Fraktion eine Zurückverweisung des Berichts an den Ausschuß stattfindet. Ich schlage Ihnen, meine Damen und Herren, vor, unter diesen Umständen heute auf eine Berichterstattung zu verzichten, um die Berichterstattung mit der Beschlußfassung verbinden zu können, wenn der Bericht vom Ausschuß vorgelegt wird. - Das Haus ist mit der Zurückverweisung einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 8:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen ({6}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes ({7}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Massoth. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Massoth ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anläßlich des Beschlusses des Hohen Hauses in bezug auf die Gewährung von Zulagen an Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen brachten die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU und DPB in einer Erklärung die Erwartung zum Ausdruck, daß die Bundesregierung eine Novelle zum Bundesversorgungsgesetz vorbereitet und dem Bundestag vorlegt, in welcher die Versorgungsbezüge entsprechend dem veränderten Lohn- und Preisgefüge neu festgesetzt werden. Bereits unter dem 8. Oktober 1952 hatte die Fraktion der CDU/CSU die Große Anfrage Drucksache Nr. 3738 betreffend Maßnahmen zur Angleichung der Renten der Kriegsopferversorgung und der Sozialversicherung
an die gestiegenen Lebenshaltungskosten an die Bundesregierung gerichtet. In diesem Sinne forderte der unter dem 22. Oktober 1952 von der Fraktion der SPD vorgelegte Antrag Drucksache Nr. 3790 die Vorlage eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes. Gleichzeitig mit dem Antrag der SPD wurde der Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Eckstein, Stücklen und Genossen, Drucksache Nr. 3785, vom 21. Oktober 1952 vorgelegt, der mit der Forderung nach einer Novelle zum BVG speziell eine Ausweitung der Einkommensfreigrenzen verlangte.
Der Ausschußberatung um die Schaffung einer Novelle zum Bundesversorgungsgesetz lagen die beiden genannten Anträge der Fraktion der SPD und der Abgeordneten Frau Dr. Probst und Genossen zugrunde. In der Begründung waren sich die Antragsteller darüber einig, daß vordringlich die Einkommensfreigrenze einer Ausweitung bedürfe und außerdem in der Novelle insbesondere auch die Anrechnung der erworbenen Leistungen - Angestellten-, Invalidenrente usw. - bei der Festsetzung der Versorgungsrenten eine Sonderregelung erfahren müßte. Darüber hinaus sei eine Anpassung der Versorgungsrenten an die gestiegenen Lebenshaltungskosten erforderlich. Ferner solle die Regierung bei der Ausarbeitung der Novelle beachten, daß alle Unzulänglichkeiten und Härten aus dem Bundesversorgungsgesetz ausgeräumt werden.
Der Ausschuß war sich darüber einig, daß mit den vorliegenden Anträgen ein offizieller Auftrag an die Bundesregierung gegeben werden solle, eine Novelle zum Bundesversorgungsgesetz auszuarbeiten im Sinne der Beschlußfassung der genannten Fraktionen in der 243. Bundestagssitzung.
Im Einverständnis mit dem Antragsteller wird der Antrag Drucksache Nr. 3785 bis zur Vorlage der Novelle zum BVG zurückgestellt, um dann bei den Beratungen Berücksichtigung zu finden. Der Antrag Drucksache Nr. 3790 wird dem Hohen Hause zur unveränderten Annahme gemäß Drucksache Nr. 4009 zur Beschlußfassung vorgelegt.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
({0})
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden, daß eine Aussprache nicht stattfindet.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 4009. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist einstimmig; der Antrag Drucksache Nr. 3790 ist damit einstimmig angenommen.
Ich rufe den letzten Punkt der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({1}) über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Steinbiß und Genossen betreffend Vorlage eines Gesetzes zur Ordnung des Hebammenwesens ({2}).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Heiler.
Frau Heiler ({3}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Drucksache Nr. 3777 hatte dem Hohen Hause ein interfraktioneller Antrag vorgelegen, der eine rechtliche Neuordnung des Hebammenwesens forderte. Dieser Antrag ist dem Ausschuß für Gesundheitswesen überwiesen und dort am 14. Januar behandelt worden. Nachdem der Vertreter des Bundesinnenministeriums die Rechtslage dargelegt und die berufliche Situation dieses Standes geschildert hatte, konnte er zugleich berichten, daß Vorarbeiten im Bundesinnenministerium geleistet sind, die eine baldige Regelung möglich machen, so daß also sowohl die Festsetzung des Mindesteinkommens als auch eine Bedürfnisprüfung bei der Niederlassung ihre gesetzliche Regelung finden dürften. Eine zweite Gesetzesvorlage müßte geschaffen werden, die eine Abgrenzung von der Krankenpflege beinhaltet.
Der Ausschuß hat daraufhin den Antrag abgeändert, indem er die Bundesregierung ersucht, die zur Ordnung des Hebammenwesens notwendigen Gesetze unverzüglich vorzulegen.
({4})
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auch hier auf eine Aussprache zu verzichten.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 4011 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist einstimmig angenommen.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste, die 249. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 4. Februar, 13 Uhr 30, und schließe die 248. Sitzung.