Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 1/28/1953

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 247. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.

Josef Spies (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002198

Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Imig für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Abgeordneter Arnholz für zwei Wochen wegen Krankheit. Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Stegner, Dr. Horlacher, Bazille, Dr. Frey, Kalbfell, Schröter ({0}), Dr. Pfleiderer, Kiesinger, Dr. Dr. Müller ({1}), Dr. Semler, Frau Döhring, Scharnberg, Henßler, Brommer, Kunze, Schill und Dr. von Merkatz. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Even, Lenz, Dr. Orth, Brese, Glüsing, Dr. Keller, Dr. Becker ({2}), Margulies, Dr. Nölting, Feldmann, Lampl, Dr. Preiß, Dr. ,Bärsch, Dr. Meitinger, Gockeln, Dr. Veit und Frau Dr. Ilk.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß der Urlaub, der über eine Woche hinausgeht, von Ihnen genehmigt ist. - Das ist der Fall. Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen: Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat mit Schreiben vom 22. Januar 1953 den unter Drucksache Nr. 3893 vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft zurückgezogen. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 4021 vervielfältigt. Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 23. Januar 1953 den Entwurf einer Verordnung über die Beimischung inländischen Rüböls und Feintalges und den Entwurf einer Verordnung Nr. 2/52 über Preise für inländischen Raps und Rübsen unter Bezugnahme auf § 20 ({0}) Abs. 5 des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten in der Fassung vom 10. Dezember 1952 dem Bundestag zur Kenntnis gegeben. Die beiden Verordnungsentwürfe liegen im Archiv zur Einsichtnahme auf. Zur Tagesordnung wünscht das Wort Herr Abgeordneter Müller.

Oskar Müller (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001562, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Ich beantrage nach § 26 der Geschäftsordnung, nachstehenden Antrag auf die Tagesordnung der heutigen oder morgigen Plenarsitzung zu setzen: In den Opelwerken in Rüsselsheim ist für die in der Produktion beschäftigten rund 10 000 Mann Kurzarbeit von 24 Stunden pro Woche eingeführt worden. Diese Maßnahme ist zurückzuführen auf die Umstellung auf Kriegsproduktion, ({0}) auf Verlagerungspläne für bestimmte Abteilungen hinter die sogenannte Pulverlinie und in westeuropäische Länder sowie auf Absatzstockungen, die als Folge von Protestmaßnahmen gewisser arabischer Länder und vor allem Ägyptens gegen das deutsch-israelische Abkommen eingetreten sind. ({1}) Die Bundesregierung wird beauftragt, beschleunigt Hilfsmaßnahmen für die schwer betroffene Belegschaft und ihre Familien durchzuführen und die Beschäftigung der Belegschaft im alten Ausmaß sicherzustellen. Meine Damen und Herren, ich darf wohl darum bitten, daß insbesondere die hessischen Abgeordneten diesen Antrag unterstützen. Wir wären damit einverstanden, daß dieser Antrag, um eine beschleunigte Erledigung zu erreichen, sofort in den zuständigen Ausschuß überwiesen wird. ({2})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Müller gehört. Der Punkt steht nicht auf der Tagesordnung; er kann nur auf die Tagesordnung gesetzt werden, wenn nicht fünf Mitglieder des Hauses widersprechen. Darf ich fragen, ob widersprochen wird. ({0}) - Es ist widersprochen; ich kann den Punkt nicht auf die Tagesordnung setzen. Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde ({1}). Wir beginnen damit um 9 Uhr 8 Minuten. Ich weise darauf hin, daß der Herr Bundesminister für Wirtschaft wegen dringender Verhandlungen außerhalb Bonns nicht anwesend ist. Da der Herr Minister bei den zu einem bestimmten Komplex gestellten Fragen 13 usw. Wert darauf legt, sie persönlich zu beantworten, kann die Beantwortung heute nicht stattfinden. ({2}) Ich rufe Frage 1 auf. Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg. - Da er offenbar nicht da ist, stelle ich die Frage einen Augenblick zurück. Ich darf zwischendurch mitteilen, daß der Herr Bundesminister für Verkehr durch Verhandlungen mit dem holländischen Verkehrsminister ebenfalls verhindert ist und gebeten hat, die ihn betreffenden Fragen bis zur nächsten Fragestunde zurückzustellen. ({3}) Das gilt für die Fragen 1, 4, 6 und 10. ({4}) Herr Abgeordneter Miessner zur Frage 2. Dr. Miessner ({5}), Anfragender: Beabsichtigt die Bundesregierung, dem Bundestag eine Novelle zum Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes vorzulegen? Wenn ja, zu welchem Zeitpunkt?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Bundesminister des Innern zur Beantwortung.

Dr. Dr. Robert Lehr (Minister:in)

Politiker ID: 11001304

Die Bundesregierung beabsichtigt, dem Bundestag eine Novelle zum Gesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes in einem möglichst nahen Zeitpunkt vorzulegen, damit die Novelle noch von diesem Bundestag verabschiedet werden kann. Als federführendes Ministerium hat das Bundesministerium des Innern alle Vorbereitungen getroffen. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Frage 3 Herr Abgeordneter Dr. Mommer. - Ich sehe auch Herrn Abgeordneten Dr. Mommer nicht. Meine Damen und Herren, darf ich annehmen, daß eine Beantwortung der Frage stattfinden kann, ohne daß diese verlesen wird? ({0}) Es handelt sich um die Frage, warum die Bundesregierung ihr „Bulletin" nicht „Mitteilungsblatt" nennt. Der ständige Vertreter des Bundeskanzlers, Herr Bundesminister Blücher. Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Das „Bulletin" des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung ist nicht nur ein Mitteilungsblatt. Es hat zunächst die Aufgabe, Äußerungen, Erklärungen und Mitteilungen der Bundesregierung aus Gründen sowohl der Dokumentation wie auch der Unterrichtung der Öffentlichkeit zu publizieren. Es soll darüber hinaus die Politik der Bundesregierung durch eigene Kommentare und Beiträge aus den Ministerien erläutern. Deshalb kommen auch Fragen zur Behandlung, die indirekt für die Politik der Bundesregierung von Bedeutung sind bzw. sie mit zu begründen und zu ergänzen vermögen. Dabei werden über den Bereich der eigentlichen Regierungspolitik hinaus jeweils auch Themen berücksichtigt, die im Interesse der demokratischen Gesamtentwicklung der Bundesrepublik bzw. der sie tragenden Körperschaften und Organisationen liegen und die ihr gestellten innen- und außenpolitischen Aufgaben für die Öffentlichkeit verständlich machen. Das „Bulletin" ist weder eine Zeitung noch eine Zeitschrift noch ein Korrespondenz- oder Informationsdienst. Es hat seinen eigenständigen Charakter. ({1}) Es ist international üblich, derartige Organe als „Bulletin" zu bezeichnen. Schon mit Rücksicht auf das Ansehen und den Einfluß eines solchen Organs im Ausland war die Bezeichnung „Bulletin" gegeben. ({2}) - Das war keine Frage. ({3})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, Zwischenrufe sind nach unserer Gewohnheit ja zulässig, wenn sie nicht störenden Charakter annehmen. ({0}) Frage 4 entfällt wegen der Abwesenheit des Herrn Bundesministers für Verkehr. Zur Frage 5 Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling. Dr. Wuermeling ({1}), Anfragender: Trifft die Stellungnahme des Außenhandelskontors Niedersachsen vom 5. Dezember 1952 zu, derzufolge der Tausch von Briefmarken mit dem Ausland zur Zeit nicht zulässig ist? Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, um im Interesse der 2 Millionen deutscher Briefmarkensammler den legalen Briefmarkentausch mit dem Ausland wieder zu ermöglichen?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es trifft zu, daß eine Regelung für den Briefmarkentausch mit dem Ausland bisher nicht erfolgt ist. Die Ursachen hierfür liegen u. a. in der Tatsache, daß während der Zuständigkeit der JEIA die Genehmigung von Tauschgeschäften jeder Art einschließlich des Briefmarkentauschs grundsätzlich versagt wurde. Nach Übergang der Zuständigkeit auf die Bundesregierung sind die Vorarbeiten für eine Regelung des Briefmarkentauschverkehrs in Angriff genommen worden. Diese Vorarbeiten haben sich jedoch in die Länge ziehen müssen, da einerseits zu berücksichtigen war, daß gerade die Briefmarkenausfuhr von jeher ein beliebtes Feld für illegale Kapitaltransferierungen war - bekanntlich lassen sich derartige Transaktionen mit Hilfe von Briefmarken besonders leicht durchführen - und zum andern es darauf ankam, eine Möglichkeit zum Briefmarkentausch nicht nur für die Briefmarkensammler zu schaffen, sondern auch für den Briefmarkenhandel, der ein berechtigtes Interesse daran hat, an den international von jeher üblichen Tauschverkehr wieder angeschlossen zu werden. Inzwischen sind jedoch die Vorarbeiten so weit abgeschlossen, daß der Entwurf eines diesbezüglichen Runderlasses vor etwa 14 Tagen den zuständigen Ressorts und der Bank deutscher Länder in letzter Fassung zur Zustimmung zugeleitet worden ist. Mit der Veröffentlichung des Verfahrens kann daher voraussichtlich noch im Laufe des Monats Februar gerechnet werden.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Damit ist die Frage 5 erledigt. Frage 6 wird durch die Abwesenheit des Herrn Bundesministers für Verkehr auf das nächste Mal verschoben. Die Frage 7 wünscht an Stelle des abwesenden Herrn Abgeordneten Niebergall Herr Abgeordneter Kohl zu stellen, ebenso die Frage 8. Kohl ({0}) ({1}), Anfragender: Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um aus Bundesmitteln den Hochwassergeschädigten an der Mosel, der Nahe, dem Main und dem Rhein eine ausreichende Hilfe zu gewährleisten?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.

Not found (Staatssekretär:in)

Die Durchführung etwaiger Hilfsmaßnahmen zur Beseitigung von Schäden bei einzelnen Wirtschaftszweigen ist nach Art. 30 des Grundgesetzes Länderaufgabe. Das gilt insbesondere bei Schäden durch örtlich begrenzte Naturereignisse wie z. B. Unwetter und Hochwasser.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zusatzfrage oder nicht? - Nicht. Zu Frage 8 Herr Abgeordneter Kohl. Kohl ({0}) ({1}), Anfragender: Entspricht es den Tatsachen, daß die Landesregierung Rheinland-Pfalz den Einwohnern der Gemeinden Erzweiler und Oberjeckenbach das Recht verweigert hat, bei den Gemeinderats- und Amtsvertretungswahlen ihr Wahlrecht auszuüben? Was hat die Bundesregierung getan, um sofort die beiden Gemeinden Erzweiler und Oberjeckenbach aus dem von Hitler geschaffenen sogenannte „Heeresgutsbezirk" auszuklammern, um dadurch den Wählern ihre vollen staatsbürgerlichen Rechte zu sichern?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Bundesminister des Innern!

Dr. Dr. Robert Lehr (Minister:in)

Politiker ID: 11001304

Meine Damen und Herren! Es entspricht nicht den Tatsachen, daß die Landesregierung von Rheinland-Pfalz den ehemaligen Ortschaften Erzweiler und Oberjeckenbach das Recht verweigert habe, bei den Gemeinderatswahlen und bei den Amtsvertretungswahlen ihr Wahlrecht auszuüben. Voraussetzung für die Ausübung eines Wahlrechts zu den Kommunalvertretungen ist das Vorhandensein einer Gemeinde. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz hat aber nicht die Möglichkeit, diesen beiden Ortschaften Erzweiler und Oberjeckenbach den Status von Gemeinden wiederzugeben. Solange sie zum Truppenübungsplatz Baumholder gehören - der ist nämlich von den Besatzungsmächten beschlagnahmt - und solange den Bewohnern dieser Ortschaften von der Kommandantur des Truppenübungsplatzes der Aufenthalt in den Ortschaften nur widerruflich gestattet ist, ist eine Gemeinde in dem Sinne nicht vorhanden. Wegen einer Herausnahme der beiden Ortschaften aus dem Truppenübungsplatz führt die Landesregierung von Rheinland-Pfalz seit längerer Zeit Verhandlungen mit den zuständigen Besatzungsdienststellen. Da es sich nun um eine Frage der kommunalen Organisation handelt, ist ausschließlich die Lan({0}) desregierung von Rheinland-Pfalz zuständig. Ich bin selbst nicht in der Lage, hier einzugreifen. Es bleibt im Augenblick die Tatsache bestehen, daß, solange den Ortschaften der Status einer Gemeinde nicht verliehen werden kann, auch eine Gewährleistungspflicht des Bundes aus Art. 28 unserer Verfassung vorläufig leider nicht gegeben ist. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Damit ist die Frage erledigt. Zu Frage 9 Herr Abgeordneter Müller. Müller ({0}) ({1}), Anfragender: Ist dem Herrn Bundeskanzler bekannt, daß bei der Dienststelle Blank der frühere Oberstleutnant im Generalstab Knapp beschäftigt ist, der zu den eifrigsten Anhängern der SRP gehört und der noch nach 1945 des öfteren in Eberbach am Neckar öffentlich bekundet hat, daß er sich mit allen Mitteln für die Restaurierung des nationalsozialistischen Regimes einzusetzen bereit ist?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers! Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: In der Dienststelle Blank ist ein früherer Oberstleutnant im Generalstab Knapp nicht beschäftigt. Ein früherer Generalstabsoffizier, auf den die Angaben der Anfrage irgendwie passen würden, wird nicht einmal in den Bewerbungsakten der Dienststelle geführt. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Damit ist die Frage 9 erledigt. Zur Frage 11 Herr Abgeordneter Gundelach! Gundelach ({0}), Anfragender: Was hat der Herr Bundesminister der Finanzen veranlaßt, um die vor Monaten bereits von der Besatzungsmacht geräumten, noch immer unverwerteten Anlagen des ehemaligen Kruppschen Kurbelwellenwerkes und des ehemaligen Heereszeugamtes in Glinde in Holstein für die Wirtschaft nutzbar zu machen? Ist der Herr Bundesminister bereit, diese Anlagen für Betriebe der Friedensindustrie freizugeben?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!

Not found (Staatssekretär:in)

Die beiden von dem Herrn Fragesteller genannten Anlagen sind überhaupt noch nicht geräumt, weder vor Monaten noch jetzt. Das ehemalige Kruppsche Kurbelwellenwerk in Glinde soll am 16. Februar 1953 geräumt werden. Die britische Besatzungsmacht hat allerdings zur Auflage gemacht, daß die Anlage nur zur Einlagerung von Getreide verwendet werden darf. Was das ehemalige Heereszeugamt in Glinde betrifft, so ist es von der Besatzungsmacht noch nicht freigegeben worden. Über die Freigabe und Festlegung eines Freigabezeitpunktes schweben gegenwärtig Verhandlungen zwischen der britischen Besatzungsmacht und der Dienststelle Blank. Der Ausgang dieser Verhandlungen ist abzuwarten. Das Bundesfinanzministerium wird den Herrn Fragesteller schriftlich unterrichten. Gundelach ({0}), Anfragender: Herr Vertreter des Ministeriums, eine Zusatzfrage bitte! Ist Ihnen bekannt, daß die in den dortigen Werksanlagen beschäftigten Arbeiter und Angestellten bis auf ganz kleine Reste in den letzten Wochen und Monaten entlassen worden sind und welche Ursachen hier vorliegen?

Not found (Staatssekretär:in)

Darüber ist mir im einzelnen nichts bekannt. Ich bitte, die Frage, wenn es gewünscht sein sollte, zusätzlich schriftlich zu stellen. Ich werde dann gern schriftlich darauf zurückkommen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Damit ist die Frage erledigt, Herr Abgeordneter Gundelach? Gundelach ({0}), Anfragender: Ja.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Frage 13 Herr Abgeordneter Renner! ({0}) - Ich bitte um Entschuldigung. Ich hatte gesagt, daß die Fragen 13, 14, 15, 16, 17 und 18 heute nicht beantwortet werden können. ({1}) - Ich bitte um Entschuldigung. Ich bin schon einen Schritt weiter gewesen. - Herr Abgeordneter Gundelach zur Frage 12. Sie war bei mir versehentlich schon gestrichen. Gundelach ({2}), Anfragender: Ist dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau bekannt, daß am 6. Juni 1951 in einer Sitzung des Ausschusses für Bau- und Bodenrecht ein Regierungsvertreter die Erklärung abgegeben hat, daß im zuständigen Ministerium bereits an einem neuen Gesetz für Kleingärtner gearbeitet wird? Wann gedenkt die Bundesregierung dem Bundestag den Entwurf dieses neuen Gesetzes für Kleingärtner und Behelfsheimbewohner vorzulegen?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau, bitte!

Dr. h. c. Fritz Neumayer (Minister:in)

Politiker ID: 11001599

Diese Erklärung ist mir natürlich bekannt. Sie ist seinerzeit in der Sitzung des Ausschusses für Bau-und Bodenrecht am 6. Juni 1951 abgegeben worden. Ein Referentenentwurf liegt in meinem Hause bereits vor. Er wurde schon mit den Bundesressorts erörtert, bedarf aber noch der Abstimmung mit den interessierten Verbänden. Die Besprechungen über diesen Referentenentwurf gehen weiter. Ich glaube nicht, daß er noch in dieser Legislaturperiode dem Bundestag vorgelegt werden wird, aber voraussichtlich zu Beginn der nächsten.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Damit ist die Frage beantwortet. Ich habe bereits darauf hingewiesen, daß die Fragen 13 bis 17 heute nicht beantwortet werden können, da der Herr Bundesminister für Wirtschaft sie persönlich beantworten möchte und heute nicht zur Verfügung stehen kann. Zur Frage 18 Herr Abgeordneter Niebes! Niebes ({0}), Anfragender: Da die nicht erörterten Fragen, die vorhergehen, sich mit dem gleichen Komplex beschäftigen, zu dem ich Fragen ({1}) stellen möchte, muß ich zunächst bemerken, daß meine Frage nur unter der Voraussetzung zu verstehen ist, daß der Herr Meincke bedroht worden ist, um die Herstellung der Diamanten zu verhindern. Ich frage also zunächst den Herrn Bundesinnenminister, ob er das Bundeskriminalamt beauftragt hat, Herrn Meincke unter besonderen persönlichen Schutz und unter Bewachung zu stellen. Ist es wahr, daß der Herr Bundesminister dem Bundeskriminalamt Anweisung gegeben hat, jeden bei der HAMAK Beschäftigten vor seiner Einstellung auf seine persönliche und politische Zuverlässigkeit hin zu überprüfen und die Überwachung des Betriebes in geeigneter Form vorzubereiten?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Bundesminister des Innern!

Dr. Dr. Robert Lehr (Minister:in)

Politiker ID: 11001304

Meine Damen und Herren! Seinerzeit habe ich auf Bitten des Herrn Wirtschaftsministers zu dem persönlichen Schutz jenes Herrn Meincke ({0}) einen Beamten der Sicherungsabteilung meines Hauses zur Verfügung gestellt, und zwar vom Juli 1951 bis zum Frühjahr 1952. Die Dringlichkeit hatte das Bundeswirtschaftsministerium damit bei mir begründet, daß Meincke selbst gefährdet sei und seine angeblichen Forschungsarbeiten von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung seien. Dagegen trifft es nicht zu, daß dem Bundeskriminalamt die Anweisung gegeben wurde, jeden bei der HAMAK Beschäftigten vor seiner Einstellung auf seine persönliche und politische Zuverlässigkeit zu überprüfen und die Bewachung des Betriebes in geeigneter Form vorzubereiten. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Frage 19 Herr Abgeordneter Niebes, bitte! Niebes ({0}), Anfragender: Meine nächste Frage möchte ich an den Herrn Bundesminister für Arbeit richten, ob nämlich im Zusammenhang mit den „Versuchen" des Meincke den Arbeitsämtern in der weiteren Umgebung von Bonn Anweisung erteilt worden ist, für den Augenblick des Anlaufens der Produktion echter Diamanten 4000 Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Bundesminister für Arbeit!

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Diese Frage kann ich mit dem einen Wort „Nein!" beantworten. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Keine zusätzliche Frage. Zur Frage 20 Herr Abgeordneter Fisch. - Also für Herrn Fisch Herr Renner! Renner ({0}), Anfragender: Ist dem Bundesminister der Justiz oder einem anderen Kabinettsmitglied vor der Verhaftung des Meincke bekannt gewesen, daß dieser gar kein diplomierter Chemiker ist und daß er den Doktortitel unberechtigterweise sich zugelegt hatte?

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Ich hoffe, Ihnen eine Freude zu bereiten, Herr Kollege Renner, wenn ich diese Frage mit Nein beantworte und auch die übrigen mit einem befreienden, Sie hoffentlich beglückenden Nein. ({0}) Renner ({1}), Anfragender: Trotzdem kann ich mir die zweite Frage nicht verkneifen, Herr Minister: Lag bei dem Herrn Bundesminister der Justiz bereits vor der Verhaftung des Meincke ein Aktenstück eines Gerichtes der Bundesrepublik vor, aus dem ersichtlich war, daß dieses Gericht die Verurteilung des Meincke wegen unberechtigter Titelführung in Gang gebracht hatte?

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Nein, Herr Renner. Renner ({0}), Anfragender: Und eine dritte Frage: Ist es wahr, daß auf Eingreifen des Herrn Bundesministers dieses Verfahren niedergeschlagen worden ist?

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

So viel Schlechtes wird über mich behauptet! Auch das ist unwahr! ({0}) Renner ({1}), Anfragender: Warten wir den Prozeß ab!

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Frage Nr. 21 Herr Abgeordneter Fisch. - In diesem Fall wird Herr Fisch durch Herrn Müller vertreten. Müller ({0}) ({1}), Anfragender: Ist dem Herrn Bundeskanzler bekannt, daß die Dienststelle Blank den ehemaligen Generalrichter bei der Hitler-Wehrmacht, Dr. Otto Grünewald, als Sachverständigen für Fragen der Militärgerichtsbarkeit bei den Pariser EVG-Verhandlungen eingesetzt hat, der als oberster Chefrichter der Hitler-Wehrmacht kurz vor dem Zusammenbruch die „fliegenden Standgerichte" eingerichtet hat und der als Zeuge in dem vor dem Schwurgericht in Würzburg gegen das „Standgericht Helm" durchgeführten Mordprozeß zugab, für deren „Verfahren" die „Weglassung der nicht unbedingt notwendigen Formalitäten angeordnet zu haben"? Ist der Herr Bundeskanzler nach dem Ausgang des Würzburger Prozesses bereit, auf die weitere Verwendung dieses „Sachverständigen" zu verzichten?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers! Blücher, Stellvertreter des Bundeskanzlers: Herr Präsident, ich bitte um Nachsicht, wenn die Antwort über den üblichen Umfang einer Antwort in der Fragestunde hinausgeht. ({0}) 1. Der ehemalige Generalrichter Dr. Grünewald, der übrigens nicht oberster Chefrichter der Wehrmacht war, hat weder an der gesetzlichen Grundlage für Standgerichte, der Verordnung Hitlers vom 17. August 1938, mitgearbeitet, noch hat er bei der Einrichtung der sogenannten fliegenden Standgerichte kurz vor dem Zusammenbruch mitgewirkt. Er hat auch keine Anordnungen über die im kriegsgerichtlichen Verfahren zu beobachtenden Förmlichkeiten erteilt. Dazu hatte er keine Befugnisse. Er kann daher dies auch nicht in dem Würzburger Verfahren zugegeben haben. 2. Vor dem Schwurgericht Würzburg ist Dr. Grünewald im November 1952 in dem Verfahren gegen das fliegende Standgericht Helm als Sachverständiger, nicht als Zeuge vernommen worden. Seiner Aufgabe als Gutachter entsprechend hat er hierbei die Vorschriften der Kriegsstrafverfahrensordnung vom 17. August 1938 erläutert und dabei eindeutig klargelegt, daß die Gerichte, auch die Standgerichte, nicht befugt waren, sich nach Willkür über Verfahrensvorschriften, auch über die nicht zwingenden, hinwegzusetzen. Er hat dabei ausgesagt - ich zitiere -: Wenn sich die Standgerichtsverhandlung, bei der übrigens keine Juristen mitgewirkt haben, so abgespielt hat, wie es in dem Prozeß festgestellt werden mußte, dann verdient ein solches Verfahren nicht das Wort Gerichtsverhandlung. Die Urteilsbegründung ist keinesfalls ausreichend gewesen. Nach meiner Auffassung hat der Leutnant, der vom Standgericht Helm zum Tode verurteilt worden war, überhaupt keine Dienstverletzung begangen. Soweit die Ausführungen des Herrn Grünewald. ({1}) Dr. Grünewald hat sich also in dem Würzburger Prozeß nicht etwa schützend vor die Angeklagten gestellt, sondern im Gegenteil als Sachverständiger die Unrechtmäßigkeit jenes Standgerichtsverfahrens angeprangert. Bei dieser Sachlage besteht kein Anlaß, auf die weitere Verwendung Dr. Grünewalds zu verzichten. 3. Im übrigen besteht auch sonst keinerlei Veranlassung, gegen die Beschäftigung Dr. Grünewalds Bedenken zu erheben. Grünewald war seit 1926 im hessischen Justizdienst planmäßig als Richter angestellt. Er wurde 1934 von seinem Vorgesetzten zum Oberlandesgerichtsrat vorgeschlagen. Dieser Ernennungsvorschlag mußte auf Veranlassung des Gauleiters und Reichsstatthalters von Hessen zurückgezogen werden. 1935 wurde Dr. Grünewald wegen politischer Unzuverlässigkeit aus dem hessischen Justizministerium entfernt. Auf Grund seiner Beschwerde gegen diese Maßnahme wurde er an das Landgericht Berlin versetzt. Als er 1937 wegen seiner guten Leistungen zum Kammergerichtsrat vorgeschlagen wurde, scheiterte auch diese Ernennung am Einspruch der NSDAP. Auf Grund dieser fortgesetzten Schwierigkeiten durch die Partei ist dann Dr. Grünewald, der niemals Mitglied der Nazipartei gewesen ist, zur Heeresjustiz übergetreten. Wegen des in der Wehrmacht geleisteten aktiven Widerstandes ist er von der hessischen Spruchkammer in die Gruppe der Entlasteten eingereiht worden. ({2}) Müller ({3}) ({4}), Anfragender: Obwohl die Bundesregierung also Dr. Grünewald schützt, werden wir auf diese Angelegenheit noch zurückkommen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Frage 22 Herr Abgeordneter Renner. Renner ({0}), Anfragender: Ich frage: Ist dem Herrn Bundesminister der Justiz bekannt, daß der auf Veranlassung des Oberbundesanwalts beim Bundesgerichtshof wegen angeblichen Versuchs der Vorbereitung zum Hochverrat in Untersuchungshaft genommene Erich Loch, Essen, nachdem er sich geweigert hatte, sich Fingerabdrücke nehmen zu lassen, im Essener Untersuchungsgefängnis gefesselt und zur Duldung des Fingerabdruckes gezwungen wurde? Billigt der Herr Bundesminister diese Behandlung eines Mannes, der wegen seines antifaschistischen Kampfes während der ganzen Dauer des Hitlerregimes in Konzentrationslagern festgehalten wurde und der jetzt erneut wegen „Verdachts" einer politischen Straftat inhaftiert worden ist?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Bundesminister der Justiz!

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Es ist' richtig, daß durch den Untersuchungsrichter beim Bundesgerichtshof am 9. Dezember gegen Herrn Erich Loch die Voruntersuchung wegen Hochverrats und Staatsgefährdung eröffnet worden ist und daß ein Haftbefehl erlassen worden ist. Damit ist an sich mein Wissen zu Ende, denn mir, Herr Renner, untersteht ja nur die Justiz des Bundes, also nur die des Bundesgerichtshofs. Sie als erfahrenes und bewährtes Mitglied des Parlamentarischen Rates wissen, daß die Polizei den Ländern zusteht, und zwar den Innenministern der Länder. Aber weil es auf alle Fälle für Sie und Ihre Freunde ganz lehrreich ist, gebe ich ganz gerne Bescheid. Es ist richtig, daß der Herr Loch dann zur Durchführung des sogenannten Erkennungsdienstes der Polizei zugeführt worden ist. Nun ist es so, Herr Renner: Wenn man wegen eines Verbrechens - Hochverrat und Staatsgefährdung sind Verbrechen - in Untersuchungshaft genommen wird, dann wird man, wenn man über die Straße geführt wird, gefesselt; das entspricht durchaus den Vorschriften. ({0}) - Hochverrat ist ein Verbrechen, meine Damen und Herren der KPD; daran müssen Sie sich gewöhnen. ({1}) - Ja, das droht Ihnen, wenn Sie Hochverrat begehen. ({2}) Jeder, der wegen eines Verbrechens verhaftet wird, wird erkennungsdienstlich behandelt. Das läßt sich nicht vermeiden. Also es ist richtig, daß der Herr Loch zur Polizei, wo diese Maßnahmen des Erkennungsdienstes durchgeführt worden sind, gefesselt geführt worden ist. Das läßt sich nicht vermeiden, sondern entspricht den Vorschriften. Es ist auch richtig, daß er sich zunächst geweigert hat, diese erkennungsdienstlichen Maßnah({3}) men, besonders die Abnahme des Fingerabdrucks, durchführen zu lassen. Man hat ihn dann darauf hingewiesen, daß entsprechend einem Gesetzesbeschluß dieses Hauses, nämlich dem ({4}) Vereinheitlichungsgesetz vom 12. September 1950, der § 81 b der Strafprozeßordnung eingeführt worden ist, durch den bestimmt worden ist, daß erkennungsdienstliche Maßnahmen - also z. B. Lichtbild oder Abnahme des Fingerabdrucks - notfalls auch erzwungen werden können. Er hat sich geweigert. Man hat zugelassen, daß sein Anwalt gehört wurde. Daraufhin hat sich der Herr Loch herbeigelassen, - freiwillig! - sich dieser Maßnahmen zu unterziehen. Also: der Polizei kann bei der Behandlung des Falles Loch keinerlei Vorwurf gemacht werden. Über die antifaschistische Tätigkeit des Herrn Loch ist mir persönlich nichts bekannt. ({5}) - Nein, nein! ({6}) - Schade, daß sich die Fronten so verschoben haben.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Renner? Renner ({0}), Anfragender: Herr Minister, was uns nach Ihrer Meinung „bedroht", ist uninteressant. Was uns „bedroht", ist ja letzten Endes Sache der Staatsanwaltschaft und der Gerichte, nicht Ihre Sache.

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Ich habe Ihnen meine Erklärung gegeben. Renner ({0}), Anfragender: Ihre frommen Wünsche schaffen ja noch gar keine Tatsachen. ({1}) Nun zur Sache! Der Inhalt dieser Frage beruht auf einer Erklärung, die der Herr Loch mir ({2}) in Gegenwart des Staatsanwalts Klaus in Essen gegeben hat.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Renner, Sie haben Fragen zu stellen und keine Erklärungen abzugeben! Renner ({0}), Anfragender: Ich muß die Frage ein bißchen erläutern dürfen. ({1}) Die Frage beruht auf einer Erklärung, die mir vor dem Staatsanwalt des Bundesgerichts, Herrn Klaus, gegeben worden ist. Herr Klaus hat erklärt, daß er bedauerlicherweise nicht in der Lage sei, auf die Methoden, die gegenüber dem Loch angewandt worden sind, irgendwelchen Einfluß zu nehmen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Renner, ich bitte Sie, im Rahmen der Geschäftsordnung nur Fragen zu stellen. Renner ({0}), Anfragender: Ich stelle eine weitere Frage: Woher weiß denn der Herr Minister, wenn er nicht zuständig ist, diese Einzelheiten, die er hier vorgetragen hat und die mit den Tatsachen in Widerspruch stehen?

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Um Ihnen einen Gefallen zu tun, habe ich mich beim Justizministerium in Düsseldorf und beim Innenministerium in Düsseldorf erkundigt. Gefälliger kann ich Ihnen ja nicht sein. Renner ({0}), Anfragender: Dann sind Sie falsch unterrichtet worden.

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Nein! Renner ({0}), Anfragender: Herr Loch ist innerhalb des Gefängnisses gefesselt worden. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Renner, wenn Sie keine weitere Frage stellen, dann ist dieser Punkt erledigt. ({0}) Herr Abgeordneter Niebergall zu Frage 23. - Der Herr Abgeordnete Kohl wünscht die Frage zu stellen. Kohl ({1}) ({2}), Anfragender: Was hat die Bundesregierung in Durchführung der Bundestagsbeschlüsse vom 21. Februar 1952 betreffend Verbot der Werbung für fremde Militärdienste auf dem Boden der Bundesrepublik getan, um dieser Werbung durch ausländische Agenturen ein Ende zu machen? Ist im Generalvertrag bzw. im EVGVertrag zwingend festgelegt, daß die Werbung von Deutschen auf dem Boden der Bundesrepublik für fremde Militärdienste durch ausländische Agenturen oder deutsche Dienststellen verboten ist und unter Strafe gestellt wird?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Not found (Staatssekretär:in)

Die Bundesregierung hat bereits im Jahre 1950 dem Bundestag den Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes vorgelegt. Dieser Entwurf enthält eine Bestimmung, die die Anwerbung Deutscher für fremde Militärdienste unter Strafe stellt. Die Beratungen des Rechtsausschusses darüber sind noch nicht abgeschlossen. Die frühere Strafrechtsbestimmung des § 141 a des Strafgesetzbuches ist durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 aufgehoben worden. Die Bundesregierung wird jedoch, sobald die gesetzgebenden Organe die Wiedereinführung beschlossen haben, gegenüber der Alliierten Hohen Kommission die Notwendigkeit einer derartigen Strafrechtsvorschrift vertreten. Die Bundesregierung hat mehrfach durch Noten an die Alliierte Hohe Kommission auf die Notwendigkeit einer Einstellung der Werbung durch ausländische Agenturen hingewiesen. Sie wird diese Bemühungen mit allem Nachdruck fortsetzen. ({0}) Der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft sieht ein Verbot der Werbung auf deutschem Boden schon um deswillen nicht vor, weil eine derartige Regelung in einem Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft keinen Platz finden kann. ({1}) In den Deutschland-Vertrag brauchte eine derartige Bestimmung nicht aufgenommen zu werden, weil dieser der Bundesrepublik Deutschland Handlungsfreiheit auf dem Gebiete der Gesetzgebung gibt und sie sogar instand setzt, Kontrollratsgesetze nach Konsultation der Drei Mächte außer Kraft zu setzen. ({2}) Das steht in Art. 1 Teil I des Vertrages zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen. Die Rechte und Pflichten der weiterhin in Deutschland stationierten Truppen regelt der Truppenvertrag abschließend; die Stationierungsmächte sind nicht berechtigt, Deutsche zum Militärdienst anzuwerben. Kohl ({3}) ({4}), Anfragender: Ich danke Ihnen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Damit ist die Frage 23 erledigt. Zur Frage 24 Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg. Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Ist dem Herrn Bundesminister für Arbeit bekannt, daß nach den von der Landesversicherungsanstalt Hannover durchgeführten Erhebungen in der Rentenversicherung der Arbeiter bei 55 % aller Versichertenrenten und bei 65 % aller Witwenrenten keine volle Rentenzulage gewährt wurde und daß die Rentenzulagen bei Waisenrenten durchschnittlich 0,64 DM monatlich betragen? Hält der Herr Bundesminister für Arbeit nach Kenntnis dieser Zahlen seine Behauptung aufrecht, daß im Bundesgebiet die Zahl der Renten in der Rentenversicherung der Arbeiter, welche keine volle Rentenzulage erhalten haben, bei weitem unter 50 % aller Renten liegt?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Bundesminister für Arbeit!

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Professor, ich bin erst durch Ihre Anfrage davon unterrichtet worden, daß eine derartige Erhebung bei der Landesversicherungsanstalt in Hannover stattgefunden hat. Ich habe gestern bei der Landesversicherungsanstalt anfragen lassen, und es ist mir von dort mitgeteilt worden, daß zwar eine Erhebung erfolgt sei, daß aber der zuständige Landesminister eine Veröffentlichung des Ergebnisses nicht wünsche. Wir haben auch von dem Landessozialminister das Ergebnis der Erhebungen nicht erhalten. Ich werde im Verlauf des heutigen Tages den Herrn Kollegen Albers bitten, mir die Unterlagen des Ergebnisses dieser Erhebung zu überlassen, und bin dann gern bereit, mich über diese Frage mit Ihnen noch einmal zu unterhalten. Es ist leider Gottes so, daß manchmal ein Minister in der Bundesregierung von einer Landesregierung oder von einem Ministerium weniger gut unterrichtet wird als der eine oder andere Abgeordnete. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter? Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Herr Bundesminister, ist Ihnen bekannt, daß auch andere Landesversicherungsanstalten ähnliche Erhebungen durchgeführt haben bzw. ohne Schwierigkeiten durchführen können? Sind Sie bereit, sich diese Unterlagen zu beschaffen, um dem Hause über die Auswirkungen des Rentenzulagengesetzes weitere Unterrichtung zu geben? ({1})

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Wir freuen uns direkt darüber und haben es selber angeregt, daß derartige statistische Erhebungen gemacht werden sollen. Es müßte aber selbstverständlich sein, daß eine Landesversicherungsanstalt, wenn sie derartige Erhebungen abschließt, diese zumindest über das zuständige Arbeits- oder Sozialministerium dem Bundesarbeitsministerium zuleitet, damit die Ergebnisse wirklich verarbeitet werden. ({0}) Ich wüßte sonst gar nicht, was derartige Erhebungen für einen Sinn und Zweck haben. ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Die Frage ist erledigt. Zur Frage 25 Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg! Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Wie erklärt sich der erhebliche Unterschied in den von der Bundesregierung angegebenen Beträgen für Rentenzulagen, die bei Vorlage des Rentenzulagengesetzes auf 1030 Millionen DM jährlich veranschlagt, bei Vorlage des Gesetzes zur Deckung der Rentenzulagen im Haushaltsjahr 1952 mit 910 Millionen DM jährlich angegeben wurden, während die tatsächlichen Ausgaben für Rentenzulagen, bezogen auf ein volles Kalenderjahr, unter 770 Millionen DM gelegen haben?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die Frage wird im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesarbeitsminister vom Bundesfinanzministerium beantwortet. Die erheblichen Unterschiede in den Ansätzen beruhen auf der außerordentlich großen Unsicherheit der Grundlagen, die für die Schätzung zur Verfügung standen. Nach § 2 Abs. 5 des Rentenzulagengesetzes wird der zur Erreichung der Mindestrente erforderliche Auffüllungsbetrag auf die Rentenzulage angerechnet. Eine zuverlässige Berechnung des voraussichtlichen Bedarfs hätte deshalb nur dann aufgestellt werden können, wenn die Schichtung der laufenden Renten nach aufgefüllten Mindestrenten und anderen Renten bekannt gewesen wäre. Diese Schichtung war aber weder damals noch ist sie jetzt bekannt. Aus diesem Grunde ist der ursprünglich genannte Betrag von 1030 Millionen DM vom Bundesarbeitsministerium tatsächlich zu hoch geschätzt worden. ({0}) Was nun die tatsächlichen Ausgaben im Kalenderjahr 1952 betrifft, so haben sie im Dezember 1952 betragen: im Bundesgebiet 68,9 Millionen DM, im Lande Berlin 5,1 Millionen DM, zusammen 74 Millionen DM monatlich. Das entspricht einer Jahresausgabe von 888 Millionen DM. Das zeigt also, daß der Haushaltsansatz von 840 Millionen DM nun umgekehrt infolge der Unzuverlässigkeit der Unterlagen zu gering ist, so daß im Jahre 1952 leider mit einer Überschreitung des Haushaltsansatzes gerechnet werden muß.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg zur Zusatzfrage! Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Ist aus dem Material des Bundesarbeitsministeriums, veröffentlicht in den „Arbeits- und Sozialstatistischen Mitteilungen" vom März 1952, klar ersichtlich, daß die tatsächlichen Ausgaben für die Rentenzulagen nur unter 800 Millionen DM liegen mußten, während die Bundesregierung im Juni 1952, d. h. mehrere Monate nach Veröffentlichung dieses Zahlenmaterials, noch mit einer Rentenzulage von 910 Millionen DM in der Vorlage des Gesetzes zur Deckung der Rentenzulagen operierte?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, diese Veröffentlichung des Bundesarbeitsministeriums von diesem Sommer liegt mir hier nicht vor. Ich könnte nur in einer späteren Fragestunde darauf zurückkommen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Frage 26 Herr Abgeordneter Bielig. Bielig ({0}), Anfragender: Ist die Bereinigung der Grundstücksbesitzverhältnisse in Salzgitter, wie sie mit Beschluß des Bundestages vom 28. Juli 1950 - Nr. 1220 der Drucksachen - gefordert wurde, erfolgt? Ist der Stadt Salzgitter das für Wohnungsbau und Industrieansiedlung erforderliche Land zur Verfügung gestellt worden?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, die auf Grund der Bundestagsdrucksache Nr. 1220 von der Bundesregierung eingesetzte interministerielle Kornmission zur Bereinigung der Grundstücksverhältnisse in Salzgitter hat auf Grund von Sachverständigengutachten zunächst den eigenen Landbedarf der Reichswerke-Gesellschaften geprüft und sodann die zu treffenden Maßnahmen festgelegt. Auf Grund dieser Beschlüsse haben die Reichswerke-Gesellschaften zwei außerhalb des Stadtgebietes Salzgitter liegende Güter mit zusammen 706 ha an das Land Niedersachsen für die Ansiedlung von Flüchtlingsbauern verkauft. Ein Gut mit 289 ha wurde im Jahre 1952 zugunsten verdrängter Bauern aufgesiedelt. Für drei weitere Güter mit zusammen rund 1040 ha wird die Aufsiedlung vorbereitet. In Hunderten von Verträgen wurden ferner Ersatzlandansprüche von Bauern, deren Ländereien teilweise in Anspruch genommen waren, befriedigt. Insgesamt beläuft sich die vorgesehene Landabgabe der Reichswerke auf rund 2700 ha, die zur Umsiedlung oder Landentschädigung von Bauern, für die sogenannte Erstausstattung der Stadt Salzgitter, für Straßen und Bahnbauten und für Entschädigung der Kirchen verwendet werden. Das für kommunale Zwecke, für Industrieansiedlung und Wohnungsbau bisher erforderliche Land wurde zur Verfügung gestellt. Der endgültige Geländebedarf der Stadt Salzgitter ist von der Stadtverwaltung in umfangreichen Aufstellungen ermittelt worden und befindet sich in der Prüfung durch den interministeriellen Ausschuß. Die von den Kirchen geltend gemachten Entschädigungen sind durch Vergleiche erledigt worden. Die Umsiedlungstätigkeit wird voraussichtlich Ende 1954 zum Abschluß kommen. Bielig ({0}), Anfragender: Danke!

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Keine weitere Frage? - Zur Frage 27 Herr Abgeordneter Bielig! Bielig ({0}), Anfragender: Wann gedenkt das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen den Beschluß des Bundestages vom 28. Juli 1950 - Nr. 1220 der Drucksachen, Ziffer 4 - durchzuführen, mit dem das genannte Ministerium beauftragt wurde, vordringlich in Salzgitter ein eigenes Postgebäude zu errichten?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen!

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Der postalische Verkehr im Stadtgebiet Salzgitter wird zur Zeit durch vier selbständige Postämter - Bad Salzgitter, Salzgitter-Lebenstedt, Salzgitter-Ringelheim und Salzgitter-Thiede - mit den jeweils zugehörigen Zweigpostämtern und sonstigen Amtssteilen befriedigt. Solange nicht das ungünstige und unzulängliche Verkehrsnetz in diesem Gebiet grundlegend umgestellt ist, wird es hierbei verbleiben müssen. Erst mit dem Zusammenwachsen der Stadtteile, die auf längere Zeit noch mehr oder weniger selbständige und verstreut liegende Gemeinwesen darstellen, und nach Schaffung eines ausreichenden Verkehrsnetzes wird die Errichtung eines zentralen Hauptpostamts für das gesamte Stadtgebiet, wie es der Beschluß des Bundestages vorsieht, möglich und zweckmäßig sein. Hierfür kommt nur der Stadtteil Salzgitter-Lebenstedt in Frage. Da das gegenwärtige Postgebäude in Salzgitter-Lebenstedt für den künftigen Postverkehr nicht ausreicht, ist die Oberpostdirektion Braunschweig beauftragt worden, zur Zeit in Salzgitter-Lebenstedt ein günstiges und geeignetes Grundstück für den Neubau eines Postamtes aufzukaufen. Im Fernsprechdienst, der mittelbar mit diesen Maßnahmen zusammenhängt, ist entgegen aller bisherigen Gepflogenheit zugestanden worden, daß für den Sprechverkehr innerhalb des Stadtgebietes Salzgitter für zwei Jahre zunächst einmal die Ortsgesprächsgebühr berechnet wird.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Eine Zusatzfrage? - Abgeordneter Bielig! Bielig ({0}), Anfragender: Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß im Stadtteil Lebenstedt, in dem der überwiegende Teil der Bevölkerung der Stadt Salzgitter wohnt, durch die jetzigen Diensträume der Post Wohnungen der Reichswerke-WohnungsA. G. blockiert werden und daß der Neubau eines ({1}) Postamtes bedeuten würde, daß Räume, die den Charakter von Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus haben, wieder Wohnzwecken zugeführt werden könnten?

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Ich sagte schon, daß wir gerade dabei sind, ein Grundstück zu ermitteln, und dann bauen werden. Bielig ({0}), Anfragender: Danke.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zur Frage 28 Abgeordneter Dr. Decker. Dr. Decker ({0}), Anfragender: Was gedenkt die Bundesregierung zu unternehmen, um die Errichtung eines Flughafens für Düsenflugzeuge auf dem Heimerzheimer Gelände, also in unmitelbarer Nähe von Bonn, zu verhindern?

Not found (Staatssekretär:in)

Herr Abgeordneter, der Zusammenhang ist folgender: Die britische Hohe Kommission hat auf die Errichtung eines Düsenjägerflugplatzes im Raum Straßfeld-Heimerzheim verzichtet, wenn der Flugplatz Wahn bei Köln weiterhin Militärflugplatz bleibt. Für den Fall, daß Wahn als militärischer Flugplatz aufgegeben und ausschließlich als ziviler Flugplatz benutzt werden sollte, müßte Ersatzgelände für einen neuen Militärflugplatz bereitgestellt werden. Zur Zeit schweben wegen der künftigen Verwendung des Flugplatzes Wahn Verhandlungen zwischen der deutschen Seite und der Besatzungsmacht, deren Ergebnis zunächst abgewartet werden muß. Wir werden uns erlauben, Ihnen schriftliche Mitteilung von dem Ergebnis zu machen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Zusatzfrage? - Nein. Zur Frage 29 Abgeordneter Dr. Decker. Dr. Decker ({0}), Anfragender: Ist dem Bundesinnenministerium bekannt, daß die Liberalisierung des Kunsthandels von Parasiten dahin ausgenutzt worden ist, daß aus den Niederlanden 426 Gemälde im Wert von 13 000 DM und aus Österreich 535 Gemälde im Gesamtwert von 12 000 DM, Einzelwert also 22 bis 30 DM, eingeführt worden sind? Was gedenkt der Herr Bundesinnenminister zu unternehmen, um die für die deutsche Devisenbilanz und den deutschen Kunsthandel günstig sich auswirkende Liberalisierung vor dem Mißbrauch durch die Einfuhr minderwertiger, mit Kunst nicht in Zusammenhang stehender Machwerke zu bewahren?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Bundesminister des Innern!

Dr. Dr. Robert Lehr (Minister:in)

Politiker ID: 11001304

Meine Damen und Herren! Ich erinnere Sie an Ihren Beschluß vom 4. April 1952. Damals hatte der Bundesminister für Wirtschaft unter Beteiligung des Bundesinnenministeriums zur Erleichterung des kulturellen Austausches mit Wirkung vom 1. August 1952 die Liberalisierung der Einfuhr von Kunstwerken, d. h. von Gemälden, Graphiken, Plastiken und Antiquitäten aller Art, verfügt. Aus Kreisen des seriösen Kunsthandels ist mir zu Anfang des Jahres 1952 mitgeteilt worden, daß die Liberalisierung des Kunsthandels tatsächlich mißbraucht wird. Der Herr Bundesminister für Wirtschaft, der die Auswirkungen dieser Liberalisierungsmaßnahmen in erster Linie beobachten kann, hat auf meine Veranlassung den Sachverhalt festgestellt und darüber im Unterausschuß „Kunst" des Bundestags am 23. Januar 1953 eingehend berichtet. Die von Ihnen, Herr Abgeordneter, genannten Zahlen sind nach unseren Beobachtungen im großen und ganzen durchaus zutreffend. Es handelt sich insbesondere um Masseneinfuhren von Kunstgut aller Art aus den Niederlanden und Österreich. Wir haben dabei die Zeit vom 1. August 1952 bis etwa zum Jahresende 1952 beobachten können. Unsere Beobachtungen stimmen ungefähr mit dem überein, was Sie hier ausgeführt haben. Das bedeutet, daß tatsächlich ein Mißbrauch vorliegt und daß sich der Import von Kunstwerken als Masseneinfuhr in einem Umfang entwickelt hat, wie es weder vorauszusehen noch mit der Liberalisierung etwa beabsichtigt war. An dieser Masseneinfuhr - auch das muß zugegeben werden - war stellenweise auch der seriöse Kunsthandel beteiligt. Man könnte deshalb auf Grund dieser Erfahrungen auf den Gedanken kommen, die Liberalisierung des Imports rückgängig zu machen. Ich möchte dazu heute nicht raten. Man würde dem wirklich zuverlässigen Kunsthandel und dem an sich so wünschenswerten kulturellen Austausch einen beträchtlichen Nachteil zufügen; und das möchte ich als der auf der Bundesebene für die kulturellen Dinge verantwortliche Minister nicht verantworten. Aber ich werde auf Grund des Ergebnisses der Beobachtungen doch dem Herrn Kollegen Wirtschaftsminister empfehlen, die Fortentwicklung des liberalisierten Kunsthandels aufmerksam zu verfolgen und bereits jetzt diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die ihm möglich sind, um die tatsächlichen Mißbräuche abzustellen. Bei der Gelegenheit möchte ich auch dem Fachhandel und den Fachorganisationen des Kunsthandels dringend anraten, sich bei seinen Mitgliedern gegen die eingerissenen Mißbräuche der Liberalisierung einzusetzen, damit wir nicht in die Zwangslage kommen, die gewährten Erleichterungen wieder rückgängig machen zu müssen.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Keine Zusatzfrage! - Zur letzten Frage Herr Abgeordneter Fisch. Fisch ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Justizminister: Ist dem Herrn Bundesminister der Justiz in Erinnerung, daß der Bundestag am 11. Juli 1951 anläßlich der dritten Beratung des Strafrechtsänderungsgesetzes 1951 eine Entschließung angenommen hat, in der die_ Bundesregierung darum ersucht wurde, spätestens bis 30. September 1951 ein Abänderungsgesetz zum Strafrechtsänderungsgesetz einzubringen, das gewährleisten toll: a) die Mitwirkung von Schöffen und Geschworenen an Entscheidungen im ersten Rechtszug, b) die Möglichkeit, gegen Entscheidungen der ersten Instanz Revision einzulegen. ({1}) Ist dem Herrn Bundesminister der Justiz in Erinnerung, daß der Bundesrat am 27. Juli 1951 ebenfalls eine Entschließung zum Strafrechtsänderungsgesetz 1951 angenommen hat, in der verlangt wird, daß in der bis 30. September 1951 vorzulegenden Gesetzesnovelle einige weitere Änderungen des ursprünglichen Strafrechtsänderungsgesetzes verlangt werden? Weshalb hat das Bundesjustizministerium bis jetzt die genannten Entschließungen des Bundestages und des Bundesrates ignoriert? Gedenkt die Bundesregierung in nächster Zeit die in den genannten Entschließungen geforderte Gesetzesnovelle zum Strafrechtsänderungsgesetz vorzulegen und welchen Termin hat sie dafür vorgesehen?

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Der Herr Bundesminister der Justiz!

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Die Frage ist ein weiterer Beweis dafür, daß mein Ruf viel schlechter ist, als ich es verdiene. ({0}) Ich habe dem Hohen Hause eine gedruckte Denkschrift zur Entschließung des Bundestags vom 11. Juli 1952 zugeleitet zur Frage der Zuziehung von Schöffen oder Geschworenen und der Schaffung eines zweiten Rechtszuges in Hoch- und Landesverratssachen - eine Musterarbeit, Gutachten der Theoretiker und der Wissenschaftler, Erfahrungsberichte der Praktiker. Ich habe mich soweit überwunden, gegen meine Überzeugung einen Gesetzgebungsvorschlag zu formulieren. Darf ich es Ihnen nochmals geben, Herr Fisch? ({1}) Sonst hätte ich es Ihnen vielleicht mit Dedikation gegeben. ({2}) In dieser Denkschrift sind alle Probleme erörtert. Die Aufgabe, die zu erfüllen ist, liegt jetzt beim Rechtsausschuß und dann beim Plenum. Mir ist natürlich auch der Beschluß des Bundesrates vom 27. Juli 1951 bekannt. Er ist zum Teil durch diese Denkschrift, zum Teil durch die Gesetzgebung erledigt. Die übrigen Anregungen des Bundesrates müssen bei der Beratung des Zweiten Strafrechtsänderungsgesetzes vom Rechtsausschuß und dann hier vom Plenum erwogen und entschieden werden. Fisch ({3}), Anfragender: Eine Zusatzfrage!

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Eine Zusatzfrage, Herr Fisch! Fisch ({0}), Anfragender: Ist der Herr Minister der Justiz der Auffassung, daß es durch die Vorlage dieser Denkschrift, die seine persönliche Meinung oder die Meinung seiner Ministerialbeamten zum Ausdruck bringt, überflüssig geworden ist, einem Beschluß des Bundestages nachzukommen? Ist der Herr Minister etwa der Meinung, daß auch ein Beschluß des Bundestages oder eine Entschließung des Bundesrates als ein „Nullum" anzusehen ist, das man einfach übergehen kann oder das man mit einer unmaßgeblichen Denkschrift beiseite schiebt?

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Die Denkschrift ist nicht unmaßgeblich, sondern erschöpft das gesamte Problem. Im übrigen kann kein Beschluß des Bundestages die Bundesregierung zwingen, eine Gesetzesvorlage einzubringen, ({0}) die sie nicht will. Dafür hat das Grundgesetz dem Bundestag die Möglichkeit gegeben, in eigener Initiative Gesetzentwürfe einzubringen. Aber ich glaube, daß ich in sehr fairer und loyaler Weise dieser Entschließung des Bundestages entsprochen habe. Der Rechtsausschuß hat davon Kenntnis genommen und mit keinem Worte mein Verhalten als nicht befriedigend bezeichnet. Fisch ({1}), Anfragender: Noch eine Zusatzfrage. Ich möchte den Herrn Minister fragen, ob er beabsichtigt, die in den beiden Entschließungen geforderte Novelle zum Strafrechtsänderungsgesetz nunmehr vorzulegen, oder ob er glaubt, daß diese beiden Beschlüsse durch die Denkschrift als unerheblich anzusehen sind.

Dr. Thomas Dehler (Minister:in)

Politiker ID: 11000364

Die Fragen sind bereits beantwortet. Das, was ich für richtig hielt, habe ich getan. ({0})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Also keine weitere zusätzliche Frage, Herr Abgeordneter Fisch? Fisch ({0}), Anfragender: Ich stelle fest, daß meine Frage nicht beantwortet worden ist.

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Die Feststellung, Herr Abgeordneter Fisch, gehört nicht hierher; die bitte ich an der Stelle zu treffen, wo sie Ihnen geeignet erscheint, aber nicht im Rahmen der Fragestunde. Der Herr Bundeskanzler wünscht das Wort zu nehmen.

Dr. Konrad Adenauer (Kanzler:in)

Politiker ID: 11000009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden etwas erstaunt sein über das, was ich sage. Aber mir macht der Unfug große Sorge, der mit der deutschen Sprache getrieben wird, und ebenfalls macht mir große Sorge, daß sich das jetzt auch schon auf das Lateinische erstreckt. Ich habe eben wieder das Wort „ein Nullum" gehört, das Herr Dehler geprägt hat. Ich erlaube mir zu sagen, daß das, soweit ich weiß, grammatikalisch völlig falsch ist. ({0}) Wenn man etwas Derartiges sagen will, muß man sagen: „ein nihil", nicht „ein Nullum". ({1})

Dr. Hermann Ehlers (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11000438

Meine Damen und Herren, damit ist die Fragestunde beendet. Ich habe es vorhin unterlassen, einige amtliche Mitteilungen zu machen; ich darf es nachholen. Das Bundestagsmandat des Herrn Dr. Fritz Dorls ist durch die Entscheidung des Deutschen Bundestages in seiner 240. Sitzung am 23. Oktober 1952 erloschen. Das erloschene Mandat wird nicht wieder besetzt. Diese Entscheidung ist am 4. Januar 1953 rechtskräftig geworden. ({0}) An Stelle des Herrn Abgeordneten Dr. Holzapfel ist Herr Abgeordneter Richard Oetzel in den Bundestag eingetreten. Ich heiße ihn willkommen und wünsche ihm eine ersprießliche Arbeit. ({1}) Ich darf nachträglich Glückwünsche zum Geburtstag aussprechen dem Herrn Abgeordneten Dr. Baade, der am 23. Januar 60 Jahre alt wurde, ({2}) dem Herrn Abgeordneten Moosdorf, der am 25. Januar 69 Jahre alt wurde, ({3}) und dem Herrn Abgeordneten Raestrup, der am 25. Januar 73 Jahre alt wurde. ({4}) Außerdem bitte ich, meine Damen und Herren, die Drucksachen, die zu Punkt 2 der Tagesordnung verteilt worden sind, morgen freundlichst wieder mitzubringen, da sie aus technischen Gründen nicht noch ein zweites Mal verteilt werden können; Sie wissen, daß die Debatte über den Punkt 2 der Tagesordnung morgen stattfinden soll. Im übrigen weise ich darauf hin, daß eine Vereinbarung des Ältestenrats herbeigeführt worden ist, die heutige Sitzung nur bis 14 Uhr auszudehnen, um Zeit zur Vorbereitung der morgigen Debatte zu lassen. Ich rufe dann auf den Punkt 2 der heutigen Tagesordnung: a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1953 ({5}) ({6}); b) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme "eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1953 ({7}); c) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer und zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" ({8}); d) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Deckung der Rentenzulagen nach dem Rentenzulagengesetz in den Rechnungsjahren 1953, 1954 und 1955 ({9}); e) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Ersten Überleitungsgesetzes ({10}); f) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Bertram, Hagge, Juncker und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionshilfegesetzes ({11}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({12}) ({13}) ({14}); g) Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({15}) betreffend Erhöhung der Dienstbezüge um 20 v. H. ({16}); h) Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({17}) betreffend Vorlage des Gesetzentwurfs über die Gewährung einer ruhegehaltfähigen Zulage an Richter ({18}). Meine Damen und Herren! Heute werden wir zunächst die Einbringung des Bundeshaushaltsplans und der von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe durch den Herrn Bundesfinanzminister hören, ich darf annehmen, auch die Berichterstattung und die Begründung der Anträge, falls die vorgesehene Zeit dazu ausreicht. Im übrigen wird die Debatte morgen stattfinden. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Fritz Schäffer (Minister:in)

Politiker ID: 11001935

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt 1953/54 ist der letzte Haushalt der ersten Legislaturperiode des Deutschen Bundestags. Er ist damit Abschluß und Ergebnis der Arbeit dieser ersten Legislaturperiode, der Jahre 1949 bis 1953. Er gibt daher Anlaß zu einem Überblick über die Finanzpolitik der ersten vier Jahre. Wenn ich die Haushaltspläne dieser vier Jahre mit kurzen Schlagworten bezeichnen darf, so möchte ich den Haushalt 1949 als Übergangshaushalt bezeichnen, Übergang vom Vereinigten Wirtschaftsgebiet und der französischen Zone zur jungen deutschen Bundesrepublik; den Haushalt 1950 als Überleitungshaushalt, Übergang der im Grundgesetz dem Bund zugewiesenen Steuereinnahmen auf den Bund, Übergang der Lasten des Art. 120 des Grundgesetzes auf den Bund; den Haushalt 1951 als den Haushalt der Korea-Krise, fortschreitender Aufbau der Bundesverwaltung, Ausbau der Sozialleistungen, Korea-Krise und Inflationsgespenst, Steuererhöhungen; den Haushalt 1952, der ein Wiederholungs- und Nachtragshaushalt war, als einen Haushalt der Erprobung, des weiteren Aufbaus der Verwaltung und des Versuchs, mit den nun einmal geschaffenen Steuereinnahmen den Finanzbedarf auch tatsächlich zu decken; und schließlich den Haushalt 1953 als Abschlußhaushalt, als einen Haushalt des Ringens um die Konsolidierung. Jeder einzelne dieser Jahreshaushalte kennzeichnet sich schon durch seinen Umfang und durch die in diesem Jahr geschaffenen großen Gesetzgebungswerke. Der ordentliche Haushalt im Jahr 1949 umfaßt 1475 Millionen DM. Es ist das Jahr, in dem die Finanzverwaltung des Bundes sich einspielen muß, die Finanzverwaltungsgesetze geschaffen oder vorbereitet werden, der horizontale Finanzausgleich unter den Ländern vereinbart wird. Im Jahre 1950 hat der ordentliche Haushalt bereits einen Umfang von 12 475 Millionen DM und der außerordentliche Haushalt einen solchen von 3813 Millionen DM. Es ist das Jahr, in dem die Gesetzentwürfe zur Senkung der von der Militärregierung gegebenen überhöhten Steuern vorgelegt werden, in dem Lastenausgleich usw. vorbereitet werden. Das Jahr 1951 hat einen ordentlichen Haushalt von 17 364 Millionen DM und einen außerordentlichen Haushalt von 3710 Millionen DM. Es ist das Jahr der Korea-Krise, die die Welt in Kriegsangst, in Rüstungsfieber versetzt und damit die Gefahr bringt, die jede Zeit der Kriegsrüstung bringt: inflationäre Entwicklung. Es ist das Jahr der Erhöhung der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer. Im Jahre 1952 hat der ordentliche Haushalt einen Umfang von 20 792 Millionen DM, der außerordentliche Haushalt einen solchen von 2436 Millionen ({0}) DM. Es ist das Jahr, in dem ein Ringen um die Ermäßigung der Besatzungskosten, um Festsetzung eines Verteidigungsbeitrags einsetzt, in dem der Versuch gemacht wird, ohne jede Steuererhöhung diese Ausgaben und die Steigerung der Soziallasten zu bewältigen, das Jahr des Wiederholungs- und Nachtragshaushalts, durch den diese Steigerungen tatsächlich ohne Steuererhöhungen bewältigt werden konnten. Der Haushalt 1953, über den ich später eingehend zu sprechen haben werde, ist das Jahr neuer Verpflichtungen des Bundes zur Abwicklung der Schuldverpflichtungen des alten Reiches gegenüber dem Ausland; das Jahr, in dem die Konsolidierung der gesamten finanzpolitischen Verhältnisse versucht und das Ringen der Bundesrepublik um ihre Souveränität, um die Sicherung des Weltfriedens, um Anpassung der Steuerbelastung an die Leistungsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft seinen Abschluß finden soll. Lassen Sie mich nun einen kurzen Überblick über die einzelnen Aufgaben geben, die in diesen Haushaltsplänen ihren Ausdruck finden. Die junge Bundesrepublik mußte erst aufgebaut, die Bundesverwaltung überhaupt erst geschaffen werden. Als große Aufgabe stand vor ihr, aus den Ruinen und dem Elend, das das Kriegsende gebracht hatte, die deutsche Wirtschaft wieder aufzubauen, die soziale Not zu beheben, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, die Wirtschaft stark zu machen, auch ihre sozialpolitischen Verpflichtungen zu erfüllen, durch gerechten Lohn die allgemeinen Lebensverhältnisse zu bessern, die Wohnungsnot zu beheben, nachdem der Krieg 40 % des deutschen Wohnraums zerstört hatte, eine deutsche Handelsflotte aufzubauen, die deutsche Ausfuhr zu ermöglichen und zu fördern, einen deutschen Kapitalmarkt zu schaffen, damit die deutsche Spartätigkeit wieder anzuregen, eine ruhige Entwicklung des Preisgefüges zu erreichen und daneben besondere Aufgaben zu erfüllen, wie z. B. die seelische und wirtschaftliche Widerstandskraft der Stadt Berlin zu erhalten und den finanziellen Zusammenbruch einzelner finanzschwacher Länder, wie Schleswig-Holstein, zu verhindern und die außenpolitischen Verpflichtungen des deutschen Volkes aus der Katastrophe des verlorenen Krieges zu erfüllen; und das alles unter der Voraussetzung, daß die sich notwendig ergebende Steuerbelastung nicht wirtschaftszerstörend und wirtschaftshemmend wirkt, dabei die junge deutsche Währung erhalten bleibt und gestärkt wird und so das Vertrauen des In- und Auslandes in die Lebenskraft der jungen Bundesrepublik gewonnen wird. Welche Leistungen mußten hierzu auf den einzelnen Gebieten von der jungen Bundesrepublik gemacht werden, und welches ist der Erfolg dieser Leistungen gewesen? 1. Aufbau der Bundesverwaltung. Der Aufbau der Bundesverwaltung wird im allgemeinen wenig beachtet und als selbstverständlich hingenommen. ({1}) Er ist aber eine organisatorische Leistung großen Ranges gewesen, die sich unter ungewöhnlichen Schwierigkeiten vollzogen hat. Der Bund mußte sich eine Verwaltungsorganisation sozusagen aus dem Nichts schaffen. Das notwendige qualifizierte Personal konnte mangels eines Unterbaus und nach der völligen Zerschlagung der alten Reichsverwaltung, bei den Schwierigkeiten, die die politischen Gesichtspunkte, wie z. B. Entnazifizierungsgesetz, Eingliederung des Personenkreises nach Art. 131 des Grundgesetzes, Rücksichtnahme auf Schwerbeschädigte usw., geschaffen haben und schaffen mußten, nur allmählich herangezogen werden. Auch heute bleibt auf diesem Gebiet noch manches zu tun. Eine Fülle von Aufgaben, die das alte Reich nicht gekannt hat, kamen auf den Bund, und zwar gleichzeitig zu. Der Ausbau mußte so sparsam wie möglich erfolgen; das ursprüngliche Geschrei von dem „Bonner Luxus" ist verstummt. Die Verwaltungskosten des Bundes betragen für die persönlichen Ausgaben, einschließlich der Länderbehörden für die Kriegsopferversorgung, knapp 3 % der Haushaltssumme und für die sächlichen Verwaltungsausgaben noch nicht 1 °/o der Haushaltssumme. Die Zentralstellen des Bundes in Bonn sind dabei an den persönlichen Ausgaben mit etwa 0,4 % der Haushaltssumme, an den Bürokosten mit etwa 0,01 % der Haushaltssumme beteiligt. Hand in Hand mit dem Aufbau der Bundesverwaltung gingen die Maßnahmen zur Besserung der Löhne und Gehälter der öffentlichen Bediensteten, insbesondere der Beamten und Angestellten. Das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vom 6. Dezember 1951 brachte die Aufhebung der 6%igen Gehaltskürzung nach den Brüningschen Notverordnungen, die Einführung einer Zulage zum Grundgehalt mit 15 % am 1. April 1951, erhöht auf 20 % am 1. Oktober 1951, besondere Zuschläge von 24 bis herunter zu 6 DM bei Grundgehältern unter 230 DM, die Ausdehnung dieser Maßnahme auf die Versorgungsempfänger, Einführung einer Sperrvorschrift, nach der die Besoldung der Bundesbeamten die obere Grenze ist für die Besoldung der entsprechenden und gleich zu bewertenden Beamten der Länder, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts. Das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vom 20. August 1952 brachte die Regelung der Besoldung für den Bundesgrenzschutz und für die Beamten bei neu geschaffenen Bundesbehörden, die Erhöhung der Diäten der außerplanmäßigen Beamten auf 90 und 95 % des Anfangsgrundgehalts der planmäßigen Beamten, Ausdehnung der 20%igen Zulagen auf den Personenkreis nach Art. 131 des Grundgesetzes und die Erhöhung der Freigrenze für eigenes Einkommen der Kinder von 40 auf 75 DM. Durch Sondermaßnahmen im Haushaltsjahr 1952/53 wurde den öffentlichen Bediensteten. Beamten und Angestellten geholfen durch Zahlung eines halben Monatsbezugs vom 1. Juli 1952 und durch Zahlung einer steuerfreien Unterstützung in Höhe von 30 % des erhöhten Grundgehalts im Dezember 1952, zuzüglich 30 DM für Ledige. 50 DM für Verheiratete und 15 DM für jedes Kind. Dem Hohen Haus liegt zur Zeit der Entwurf des Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vor. Dieses sieht eine allgemeine Erhöhung des Wohnungsgeldzuschusses und eine zusätzliche Erhöhung dieser Zuschüsse für Familien mit drei und mehr Kindern vor. Er verbessert den Wohnungsgeldzuschuß von jungen Beamten, erhöht die Kinderzuschläge auf 25, 30 und 35 DM unter Staffelung nach dem Lebensalter der Kinder, schafft die Ortsklasse D ab und sieht Maßnahmen zur Verbesserung ungünstiger Beförderungsbedingungen für bestimmte Gruppen der Landesbeamten vor. Bei diesem Gesetzentwurf ({2}) wird es sich, in der Auswirkung auf Bund, Länder und Gemeinden gerechnet, um Milliardenbeträge handeln. Es ist dem Hohen Hause bekannt, daß derzeit die Bundesregierung an einer grundsätzlichen Besoldungsreform arbeitet. Eine solche hat zur Voraussetzung, daß die öffentlichen Haushalte des Bundes, der Länder und Gemeinden und die Verkehrshaushalte die notwendige Bewegungsfreiheit haben und die Wirtschaft im allgemeinen so gefestigt ist, daß eine solche Besoldungsreform auch in dauernden Einklang mit den allgemein wirtschaftlichen Verhältnissen gebracht werden kann. Sie setzt eine Steuerreform und eine Finanzreform in dem Sinne voraus, daß sie dauernd wohl nur dann gedacht werden kann, wenn auch für die Dauer feststeht, wie Steuerquellen und Steueraufkommen auf die Arbeitgeber, d. h. auf Bund, Länder und Gemeinden, verteilt werden. Als Ziel einer solchen Besoldungsreform muß nicht nur die Beseitigung wirtschaftlicher Notstände vorschweben, sondern auch eine stärkere Berücksichtigung der Leistung und Verantwortung der Beamten in den einzelnen Laufbahnen, eine Beseitigung der in den letzten Jahren und Jahrzehnten allzu stark aufgetretenen Nivellierung innerhalb der öffentlichen Bediensteten; denn durch diese allzu starke Nivellierung sind fast unüberwindliche Schwierigkeiten entstanden, einen qualifizierten und notwendigerweise mit vielen Kosten des einzelnen vorgebildeten Nachwuchs zu gewinnen. Es sind auch Vorschriften notwendig, um die Einheit des Besoldungsrechts im gesamten öffentlichen Dienst von Bund,, Ländern und Gemeinden zu sichern und zu wahren. 2. Mehr im Lichte der Öffentlichkeit als der Aufbau der Bundesverwaltung und die Besserung des Besoldungsrechts der öffentlichen Bediensteten in Bund, Ländern und Gemeinden standen die sozialen Leistungen, die die junge Bundesrepublik übernommen hat. Diese treffen ganz überwiegend den Bund allein, da er gemäß Art. 120 des Grundgesetzes die Aufwendungen für die sozialen Kriegsfolgelasten, darunter insbesondere auch für die gesamte Kriegsopferversorgung trägt, daneben die Ausgaben für den Personenkreis nach Art. 131 des Grundgesetzes und die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung- und Arbeitslosenfürsorge. Ich darf nur flüchtig an die großen Gesetzgebungswerke erinnern: Bundesversorgungsgesetz, Gesetz über Regelung der Verhältnisse des Personenkreises nach Art. 131 des Grundgesetzes usw. Die Leistungen aus dem Bundeshaushalt haben sich auf Grund dieser Gesetzgebungswerke wie folgt entwickelt. Die Sozialausgaben, die die Länder im Jahre 1949 vor Auftreten des Bundes geleistet haben, betrugen nach den Voranschlägen von damals 4200 Millionen DM. Die Leistungen des Bundes - Einzelplan 40 und Einzelplan 11 zusammengerechnet - betrugen im im Rechnungsjahr 1950 bereits 5329.5 Mill. DM im Rechnungsjahr 1951 7401,6 Mill. DM im Rechnungsjahr 1952 - einschließlich der Hingabe von Schuldbuchforderungen an die Sozialversicherungsanstalten - 7784 Mill. DM und werden im Rechnungsjahr 1953 - wieder einschließlich der Schuldbuchforderungen, die den Sozialversicherungsanstalten gewährt werden - 8432,4 Mill. DM betragen. Die Sozialleistungen des Bundes sind hernach gestiegen: im Rechnungsjahr 1950 verglichen mit 1949 um 26,8 v. H. im Rechnungsjahr 1951 gegenüber 1949 um 76,2 v. H. im Rechnungsjahr 1952 gegenüber 1949 um 85,3 v. H. und im Rechnungsjahr 1953 gegenüber 1949 um 100,7 v. H. ({3}) Ich bemerke, in den vorgenannten Beträgen sind die für die Sozialleistungen im Lande Berlin vorgesehenen Mittel enthalten wie folgt: im Rechnungsjahr 1950 mit 211,0 Millionen DM im Rechnungsjahr 1951 mit 594,0 Millionen DM im Rechnungsjahr 1952 mit 595,8 Millionen DM im Rechnungsjahr 1953 mit 587,0 Millionen DM. Daneben läuft die Gesetzgebung des Lastenausgleichs. Sie ist aus haushaltstechnischen Gründen im Haushalt der sozialen Kriegsfolgeleistungen des Rechnungsjahres 1953 mit 1610 Millionen DM veranschlagt. Sie ist aber dort nur ein durchlaufender Posten, der bei den oben angebenen Zahlen außer Betracht geblieben ist. Jedoch handelt es sich auch hier um echte soziale Leistungen des deutschen Volkes, wenn sie auch aus Sonderausgaben gedeckt werden und nicht unter der Bezeichnung „Steuern" erscheinen. Weiter muß bemerkt werden, daß zu den haushaltsmäßigen Sozialausgaben des Jahres 1953 noch der Mehrbedarf hinzutritt, der sich aus dem Gesetz über die Erhöhung des Grundbetrags für Sozialversicherungen ergibt. Das ist ein Betrag von rund 316 Millionen DM. Das Gesetz hierüber kann nunmehr verkündet werden, da eine haushaltsmäßige Deckung durch Wegfall der Subventionen für Konsumbrotverbilligung geschaffen ist. Damit erhöhen sich die Sozialausgaben des Rechnungsjahres 1953 von 8432 auf 8748 Millionen DM. Die vorgenannten Zahlen geben nur die sozialen Leistungen des Bundes an. Ich darf noch einen Überblick über die sozialen Leistungen der gesamten Bundesrepublik, nämlich der sozialen Selbstverwaltungen, sämtlicher Gebietskörperschaften - Bund, Ländern und Gemeinden - und des Sondervermögens Lastenausgleich geben. Es betrugen im Jahre 1952 die Sozialleistungen der sozialen Selbstverwaltungen 8112 Millionen DM, der Gebietskörperschaften aller Art 8375 Millionen DM, des Sondervermögens Lastenausgleich 1010 Millionen DM, eine Gesamtsumme von 17 497 Millionen DM. Von dieser entfallen auf die Leistungen der sozialen Selbstverwaltungen also rund 46,4 %, auf Bund, Länder und Gemeinden 47,8 %, auf das Sondervermögen Lastenausgleich 5,8 %. Die Gesamtabgabenbelastung des deutschen Volkes hat im Jahre 1952 betragen an Beiträgen für soziale Selbstverwaltungen ({4}) 10 100 Millionen DM, ({5}) an Steuern insgesamt ({6}) 31 739 Millionen DM. Aus dem letzten Betrag werden die sozialen Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden für Kriegsfolgelasten, Arbeitslosenfürsorge, Zuschüsse zur Sozialversicherung, allgemeine Fürsorge, Sozialleistungen an Berlin getragen. Die Soforthilfeabgabe und Vermögensabgabe - ohne Umstellungsgrundschulden - haben betragen 1 170 Millionen DM. Von dieser Gesamtbelastung mit 43 090 Millionen DM treffen also auf Steuern aller Art 73,8 %, auf Sozialbeiträge 23,5 %, auf Soforthilfeabgabe und Vermögensabgabe 2,7 %. Verglichen mit dem Jahre 1938 ergibt sich folgende kurze Gegenüberstellung. Die Sozialleistungen betrugen 1938 in Hundertteilen der gesamten Abgabenbelastung 21,1 %, im Jahre 1952 dagegen 40,7 %. Verglichen mit dem Volkseinkommen - Bruttosozialprodukt - wurden 1938 aufgebracht 6 %, im Jahre 1952 dagegen 14 %. Die Bundesrepublik und die Bevölkerung der Bundesrepublik haben damit ihren Opferwillen für die insbesondere durch den Hitler-Krieg in soziale Not gebrachten Brüder des Volkes bewiesen. ({7}) 3. Wohnungsbau. Die weitere von mir in den Einleitungsworten genannte Aufgabe, die der deutschen Finanzpolitik in dieser Legislaturperiode gestellt war, war die Aufgabe, die Mittel zu beschaffen, die durch die Kriegszerstörung entstandene Wohnungsnot zu beheben. Nur ein Teil dieser Aufwendungen erscheint im Bundeshaushalt. Die große Leistung, die der Bund in seiner Steuergesetzgebung vollbracht hat durch Begünstigung der Bausparkassen, der Kapitalansammlungsverträge, des Wohnungsbausparens überhaupt, zuletzt auch durch das Kapitalmarktförderungsgesetz und durch die in den ersten Jahren durchgeführten Sonderprogramme, drücken sich ja nicht unmittelbar in Ausgabenzahlen des Bundeshaushalts aus. Im Bundeshaushalt unmittelbar enthalten sind Mittel für den sozialen Wohnungsbau auf Grund des Ersten Wohnungsbaugesetzes, die im Jahre 1950 365,8 Millionen DM, im Jahre 1951 375,6 Millionen DM, im Jahre 1952 440,8 Millionen DM betragen haben und 1953 mit 542 Mililonen DM vorgesehen sind. In diesen beiden letzten Haushaltsjahren sind in diesen Zahlen enthalten je 40 Millionen DM für Instandsetzungsarbeiten an Wohngebäuden und 12 Millionen DM ({8}) oder 2 Millionen DM ({9}) für Beteiligungen an wohnungswirtschaftlichen Unternehmen. Dazu kommen aus dem Bundeshaushalt Mittel für den Bau von Bergarbeiterwohnungen, die 1951 68,7 Millionen DM, 1952 204,0 Millionen DM, 1953 240,0 Millionen DM betragen. Sie sind in erster Linie bereitgestellt aus Mitteln, die aus der Kohlenabgabe auf Grund des Gesetzes vom 23. Oktober 1951 zur Verfügung stehen. Dieses Gesetz hat sich erst im Jahre 1952 ausgewirkt. Dazu kommen außerdem die Mittel des Bundeshaushalts für den Wohnungsbau für Bundesbedienstete ohne Bundesbahn und -post, wo diese Mittel über die Sonderhaushalte laufen. Sie betrugen 1949 24,5 Millionen DM, 1950 55,3 Millionen DM, 1951 55,5 Millionen DM, 1952 69,8 Millionen DM, 1953 63,5 Millionen DM. Dazu kommen weiter Aufwendungen für den Bau von Wohnungen für ausländische Missionen, Abgeordnete, Pressevertreter etc. mit insgesamt 7,5 Millionen DM in den Jahren 1950/51. Aber auch aus dem Titel „Nichtanerkannte Besatzungskosten" wurden Mittel zur Verfügung gestellt für Wohnungen für Kasernenverdrängte und für Ersatzwohnungen für Altbesatzungsverdrängte. Sie betrugen zusammen im Jahre 1950 61 Millionen DM, 1951 120 Millionen DM. In der Zeit vom 1. April bis 30. November 1952 sind ausgegeben für diesen Zweck zusammen 66 Millionen DM. 4. Neben der Aufgabe, die Wohnungsnot zu beheben, trat an die deutsche Finanzpolitik die Aufgabe heran, Mittel bereitzustellen, um den Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte zu gewährleisten. Das geschah a) durch Bereitstellung von Haushaltsmitteln zur Gewährung von Wiederaufbaudarlehen nach dem Gesetz vom September 1950, b) durch Bereitstellung von Krediten aus dem ERP-Sondervermögen, die über die Kreditanstalt für Wiederaufbau geflossen sind, c) durch die Steuervergünstigungen des § 7 d EStG, für die nach dem Gesetz vom 27. Juni 1951 seit dem 1. Juli 1951 eine bundesministerielle Genehmigung erforderlich ist. Aus dem Bundeshaushalt sind unter Einschluß der zur Zeit noch laufenden Zahlungen bisher 270 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Im Voranschlag des Rechnungsjahres 1953 sind weitere 70 Millionen DM vorgesehen. In den folgenden Rechnungsjahren werden voraussichtlich noch weitere 80 Millionen DM bereitzustellen sein, um die in der Abwicklung begriffenen Bauprogramme 1952/54 zu Ende zu führen. Es werden dann also aus den Bundesmitteln darlehensweise insgesamt 420 Millionen DM zur Verfügung gestellt sein. Damit wird auch das Tankerprogramm mit 14 Tankern gedeckt. ERP-Mittel konnten für den Aufbau der Seeschiffahrt nur mit Genehmigung der ECA und neuerlich MSA verwendet werden. Diese Stellen halten daran fest, daß solche Mittel nur verwendet werden dürfen für Schiffe, die nicht mehr als 2700 BRT Rauminhalt haben. Bereitgestellt wurden 172,2 Millionen DM, die wegen dieser Beschränkung vielfach für Neubauten geringerer wirtschaftlicher Bedeutung verwendet werden müssen. Immerhin konnte das sogenannte „kleine Programm 1952", das kleinere Linienschiffe umfaßt, durch ERP-Kredite wesentlich gefördert werden. Für die Überseelinienschiffe konnten erstmalig aus den Rückflüssen zum ERP-Vermögen Mittel vorgesehen werden. ({10}) Zur Durchführung des Linienschiffsprogramms hat der Herr Bundesminister für den Marshallplan für das laufende Rechnungsjahr erstmalig 30 Millionen DM bereitstellen können. Für die Durchführung dieses Programms sind zwei weitere Jahresraten von je rund 50 Millionen DM vorgesehen. Insgesamt sollen also aus ERP-Mitteln und Rückflüssen zum ERP-Vermögen 300 Millionen DM für den Wiederaufbau der Handelsflotte eingesetzt werden. Die Steuervergünstigung des § 7 d EStG scheint stark in Anspruch genommen worden zu sein. Nach mir bisher vorliegenden Unterlagen sind im Kalenderjahr 1951 der Seeschiffahrt auf diesem Wege etwa 300 Millionen DM zugeflossen. Im Kalenderjahr 1952 kann mit einem Aufkommen ähnlichen Umfangs gerechnet werden. Es errechnet sich selbstverständlich daraus ein spürbarer Steuerausfall, der für 1951 auf über 150 Millionen DM angesetzt werden muß, für das Rechnungsjahr 1952 sich noch nicht bestimmt sagen läßt. Insgesamt sind durch alle diese Bundesmaßnahmen über 1 Milliarde DM durch Zuschüsse, Kredite und in Gestalt von Steuerausfällen der Seeschiffahrt und deren Wiederaufbau zugeführt worden. 5. Zu den weiteren Aufgaben, die die vergangenen Jahre und das laufende Jahr der deutschen Finanzpolitik stellten, gehört auch die Förderung des deutschen Außenhandels und die Sicherung der Ernährung, soweit sie durch Einfuhr erfolgen muß. In den Anfangsjahren hat der Bedarf an Einfuhr von Lebensmitteln für die Ernährung des deutschen Volkes nach Zahlen, die der Herr Bundesernährungsminister kürzlich bekanntgab, etwa 50 % des notwendigen Verbrauchs betragen. Durch die Erzeugungssteigerung, die ein Verdienst der deutsehen Landwirtschaft, aber auch ein Erfolg der deutschen Agrarpolitik ist, ist der Bedarf an Einfuhr für die Ernährung auf etwa 39 % des Verbrauchs zurückgegangen. Um die Lebensmittel, die eingeführt werden, der deutschen Bevölkerung zur Verfügung stellen zu können, und zwar zu einem Preis, wie er sich aus den Selbstkosten der deutschen Inlandserzeugung errechnet, mußte die öffentliche Hand Subventionen geben. Diese Subventionszahlungen haben in der Koreakrise infolge des unerwarteten und unvorhersehbaren Ansteigens der Weltmarktpreise eine beträchtliche Erhöhung erfahren. Von 1949 bis Ende 1952 wurden für diese Zwecke insgesamt 2100 Millionen DM aus Bundesmitteln zur Verfügung gestellt. Zur Verbilligung des Brot- und Futtergetreides wurden in den Jahren 1949 bis 1952 gegeben 1026 Millionen DM, zur Verbilligung von Zucker in demselben Zeitraum 198 Millionen DM. zur Verbilligung von Margarine 153 Millionen DM, zur Verbilligung von Konsumbrot in den Jahren 1951/52 413 Millionen DM, zur Verbilligung von Produktionsmitteln der Landwirtschaft - Frühdruschprämien und Düngemittel - 210.8 Millionen DM, an Subventionen für den Anbau von Hanf und Flachs 11.4 Millionen DM und an sonstigen Subventionen. insbesondere für Dieselkraftstoffe, 111 Millionen DM. Der Bund hat außerdem zur Förderung der deutschen Ausfuhr steuerliche Begünstigungen in dem bekannten Exportförderungsgesetz geschaffen. Außerdem wurden zur Abdeckung der mit Ausfuhrgeschäften verbundenen Risiken vom Bund Bürgschaften gegeben und Garantien übernommen. Diese Garantien und Bürgschaften stellen eine wesentliche Grundlage der Finanzierung dieser Ausfuhrgeschäfte dar. Sie sind so zu einer wichtigen Voraussetzung für die Steigerung der deutschen Ausfuhr geworden. Verbürgt wurden bisher Geschäfte im Wert von über 3 Milliarden DM. Die Bundesregierung hat bereits dem Hohen Haus eine Vorlage unterbreitet, die eine weitere beträchtliche Erhöhung der gegebenen Garantien und Bürgschaften im Betrag von weiteren 1,1 Milliarden DM zum Ziele hat. Zur Förderung besonderer Vorhaben wurden für bestimmte Wirtschaftszweige, z. B. Flüchtlingsbetriebe, Grundstoffindustrien, Filmwirtschaft, demontagegeschädigte Industrie, Notstandsgebiete, karitative Einrichtungen, Bürgschaften im Rahmen von 500 Millionen DM bereitgestellt und nahezu ausgeschöpft. Um die Bevorratung der deutschen Bevölkerung und auch der Stadt Berlin mit Lebensmitteln sicherzustellen, hat der Bund beträchtliche Haushaltsmittel für die Lagerhaltung ausgegeben und außerdem Bürgschaften in Höhe von 900 Millionen DM für den Ankauf dieser Güter bereitgestellt. Auch diese Bürgschaften sind heute voll in Anspruch genommen. Der Stadt Berlin gegenüber hat der Bund zwei Bürgschaften in Höhe von je 100 Millionen DM bereitgestellt, die zu einem großen Teil bereits in Anspruch genommen sind. Sie sind bestimmt, den Warenverkehr von und nach Berlin von den Risiken zu entlasten, die auf Grund der politischen Verhältnisse auf ihm liegen, und außerdem bestimmt, der Berliner Wirtschaft zusätzliche Mittel zu verschaffen. Zum Schluß darf noch erwähnt werden, daß eine Bürgschaft in Höhe von 15 Millionen DM wichtige Betriebe der Saatgutwirtschaft gesundet und damit die Saatgutwirtschaft als solche gefördert wird. Mit der Beruhigung der Weltmarktpreise ist der Bedarf an Subventionsmitteln erfreulicherweise zurückgegangen. Subventionen für Zucker und Margarine fallen nicht mehr an. Die Subventionen für Brot und Futtergetreide erreichen die frühere Höhe nicht mehr. Im Haushalt 1953 war noch ein Ansatz für Subventionen von 419 Millionen DM enthalten, der aber auch die Subventionen für die Verbilligung von Konsumbrot in Höhe von rund 300 Millionen DM umfaßte, die künftig wegfallen werden. 6. Die vorgenannten Leistungen dienten dem Aufbau der deutschen Bundesverwaltung, dem Aufbau der deutschen Wirtschaft und dem inneren sozialen Frieden. All das wäre aber nicht möglich gewesen, wenn nicht dem deutschen Sparer das Vertrauen in den Staat und seine finanzielle Ordnung, das Vertrauen in die Währung nicht nur, sondern auch das Vertrauen in die Erhaltung des Friedens gegeben worden wäre. Auch zur Erfüllung dieser Aufgaben mußte die deutsche Finanzpolitik ihren Teil beitragen. Die unmittelbare Förderung der deutschen Spartätigkeit geschah durch Steuervergünstigungen. Ich erinnere an die bekannten Bestimmungen in den §§ 10 und 41 des Einkommensteuergesetzes über Steuervergünstigungen für Verträge bei Lebensversicherungen und Bausparkassen sowie für andere Kapitalansammlungsverträge und an das Wohnungsbauprämiengesetz. Das Jahr 1952 hat das Kapitalmarktförderungsgesetz gebracht, das ein neuer Schritt auf diesem Wege ist. Das Wichtigste, was der Staat aber tun konnte, war, die psychologische Voraussetzung für eine Spartätigkeit zu schaffen, d. h. das Vertrauen des Sparers wiederzu({11}) gewinnen, das in keinem anderen Volke so wie im deutschen Volk durch die Erfahrungen einer Inflation und einer Währungsumstellung zerstört worden ist. Inflation und Währungsumstellung waren aber die Folge der vorausgegangenen Jahre, einer Finanzpolitik, die mit Geldschöpfungen künstlicher Art einen Betrug an dem deutschen Sparer verübt hat. ({12}) Das Hitler-System hat nicht nur das deutsche Sparvermögen zerstört, es hat auch einen Krieg vom Zaun gebrochen, der bis zum Weißbluten geführt wurde, die Armeen der Siegerstaaten auf deutschen Boden gebracht hat und Deutschland die Zerreißung seines Gebiets in Ostzone und drei Westzonen als Erbe hinterließ. Die deutsche Finanzpolitik mußte ({13}) auch hier eine geschichtlich noch nicht dagewesene Leistung vollbringen; sie mußte die Besatzungskosten tragen und gleichzeitig den Weg vorbereiten, aus dem durch die Hitler-Verbrechen geschändeten deutschen Volk einen geachteten Verbündeten der freien demokratischen Welt zu machen. ({14}) Ich darf in diesem Zusammenhang einen kurzen Überblick über die Entwicklung der Besatzungskosten geben. Wir müssen für die Vergangenheit zwei Zeitabschnitte unterscheiden. Der erste Abschnitt umfaßt die Zeit von Mai 1945 bis etwa September 1950. Ich erinnere daran, daß die Außenminister der Vereinigten Staaten, Englands und Frankreichs auf der Außenministerkonferenz in New York vom 12. bis 19. September 1950 den Beschluß faßten, die Bundesrepublik in die Gemeinschaft der freien Völker einzugliedern, die notwendigen gesetzlichen Schritte zur Beendigung des Kriegszustandes in Deutschland zu tun, Deutschland an einer gemeinsamen Streitkraft zur Verteidigung der Freiheit Europas zu beteiligen und insbesondere eine weitere Ausdehnung der Autorität der Bundesregierung nach außen und innen durch Ausräumung der internen Kontrollen und durch Gestattung eigener Außenpolitik mit eigenem Außenministerium und eigenen diplomatischen Vertretungen zu erreichen. Damit war allerdings auch die Verpflichtung verbunden, für die finanziellen Schulden des alten Reiches gegenüber dem Ausland einzustehen. Auf dem Gebiete der Besatzungslasten ist aber dieser Beschluß - und dies ist ein Erfolg der deutschen Außenpolitik - auch ein Abschnitt geworden. Die Besatzungslasten waren in der Zeit vor dem 1. Oktober 1950 die Folge einer Sicherungsbesetzung Deutschlands, die sich gegen Deutschland im Sinne und Geiste eines Siegerstaates oder der Siegerstaaten wendete. Die Besatzungslasten wurden aus der Tatsache der Kapitulation Deutschlands heraus befohlen; eine Einflußnahme der deutschen Bundesrepublik auf Höhe und Verwendung der Besatzungslasten bestand tatsächlich nicht. Die Besatzungslasten, die später anfielen und gegenwärtig noch zu tragen sind, haben Schritt für Schritt einen anderen Charakter erhalten. Seit etwa Oktober 1950 sind die drei Besatzungsmächte dazu übergegangen, ihre in der Bundesrepublik stationierten Streitkräfte in erheblichem Umfange zu verstärken, nicht als Sicherungsmaßnahme gegenüber dem deutschen Volk, sondern als Maßnahme zum Schutz nicht nur der eigenen Freiheit, sondern auch der Freiheit der Bundesrepublik und der Sicherung des deutschen Bodens der Bundesrepublik. Diese Wandlung des Charakters der Besatzungslasten hatte zur Folge, daß die Ämter der Hohen Kommissare und der alliierten Hauptquartiere trotz Fehlens einer entsprechenden Vertragsgrundlage dazu übergingen, die Bundesregierung und die Landesregierungen über grundsätzliche Fragen der Besatzungslasten rechtzeitig zu hören, insbesondere soweit sie mit der Verstärkung der Besatzungstruppen im Zusammenhang standen, und den Regierungen mehr und mehr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben und ihre Mitwirkung mehr und mehr zuzulassen. Als letzter Stein dieser Entwicklung kann bezeichnet werden, daß es der Bundesrepublik gelungen ist, im Wege von Verhandlungen eine Höchstgrenze für die von ihr zu leistenden Besatzungskosten und Auftragsausgaben zu erreichen. Für die Zeit vom 1. April 1952 bis zum Inkrafttreten der EVG-Verträge sollen die Besatzungslasten im Monatsdurchschnitt 600 Millionen DM nicht übersteigen. Das war zu erreichen, weil die Bundesregierung immer wieder darauf hinwies, daß ein Vermeiden dessen, was man „Besatzungsluxus" nannte, notwendig ist und daß Einsparungen infolgedessen notwendig und möglich sind, um die Finanzkraft der deutschen Bundesrepublik dem gemeinsamen Zweck der Verteidigung der Freiheit der demokratischen Welt und der Verteidigung des deutschen Bodens voll dienstbar machen zu können. Ich glaube feststellen zu können, daß sich die Verhältnisse heute so weit gebessert haben, daß der Übergang von der Besatzungszeit in die Zeit des Bündnisverhältnisses, in die Zeit der EVG-Verträge, Schwierigkeiten nicht bereitet. Um auch einen Überblick über die Besatzungslasten in den beiden von mir erwähnten Zeitabschnitten zu geben, stelle ich fest: In der Zeit von Mai 1945 bis zum 30. September 1950 haben die Länder und ab 1. April 1950 der Bund in ihren Haushalten an echten Besatzungslasten insgesamt 24 819 Millionen Reichsmark oder D-Mark ausgegeben. In der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis zum Schluß des Rechnungsjahres 1952 betragen die Aufwendungen des Bundes an echten Verteidigungslasten und Besatzungslasten unter der Annahme, daß die im Bundeshaushalt 1952 veranschlagten Ausgaben voll gemacht werden müssen, insgesamt rund 19 274 Millionen DM. Insgesamt haben also die Besatzungskosten seit dem Jahre 1945 mehr als 44 Milliarden Mark - Reichsmark oder D-Mark - betragen. Bei der Einzelbetrachtung des Haushalts 1953 werde ich über die zu erwartende künftige Entwicklung noch sprechen. Der Probestand für die Erhaltung des Friedens Europas wird die Frage sein, ob es gelingt, die seelische und wirtschaftliche Widerstandskraft der Stadt Berlin aufrechtzuerhalten. Daher ein Wort über die Leistungen der Bundesrepublik für Berlin. Die Finanzhilfe an Berlin wurde erforderlich in der Zeit der Blockade, die im Sommer 1948 begann und bis Mai 1949 gedauert hat. Zunächst sprang die Zweizonenverwaltung ein; das Ende der Blockade hinterließ aber ein wirtschaftlich geschwächtes und zerrissenes Berlin. Ihm mußte geholfen werden. Bis einschließlich 1949 hat die Bundesrepublik Abmachungen über eine Finanzhilfe an Berlin getroffen. Im Rechnungsjahr 1950 wurde eine feste Verwaltungsvereinbarung mit Berlin getroffen. In ({15}) dieser übernahm der Bund einen bestimmten Anteil gewisser Kriegsfolge- und Soziallasten an Berlin und gewährte außerdem einen festen Zuschuß zum Haushalt des Landes Berlin. Ab 1. April 1951 wurden die finanziellen Beziehungen zwischen Bund und Berlin durch das Dritte Überleitungsgesetz geregelt. Berlin erhielt finanzpolitisch die gleiche Stellung wie die übrigen Länder. Der Bund übernahm die Lasten, die er auch in den übrigen Ländern trägt; in Berlin werden für den Bund dieselben Steuern erhoben wie in den übrigen Ländern. Die Finanzhilfe an Berlin aus Bundesmitteln - nicht eingerechnet die Mittel aus GARIOA und ERP - umfassen Kredite an Berlin, den festen Zuschuß, bis zum Jahre 1951 einen Verzicht auf gewisse Verbrauchsteuern, vom Jahre 1951 an die Übernahme der Besatzungskosten, der sonstigen Kriegsfolge- und sonstigen Soziallasten, die in Berlin anfallen, Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau, Umsatzsteuerrückvergütungen und sonstige Leistungen wie Lebensmittelsubventionen. In Summen ausgedrückt betragen die Ausgaben aus Bundesmitteln für Berlin im Jahre 1949 299 Millionen, im Jahre 1950 547 Millionen, im Jahre 1951 rund 1299 Millionen, im Jahre 1952 veranschlagt - 1534 Millionen und im Jahre 1953 - veranschlagt - 1431 Millionen DM. Dem stehen die Einnahmen des Bundes aus den Bundessteuern und dem Bundesanteil an der Einkommensteuer in Berlin gegenüber mit im Jahre 1951 558,2 Millionen, im Jahre 1952 - veranschlagt - 538,8 Millionen, im Jahre 1953 - geschätzt - 566 Millionen DM. Der Überschuß der Ausgaben über die Einnahmen beträgt also 1949 299 Millionen, 1950 547 Millionen, 1951 740,7 Millionen, 1952 995,2 Millionen und 1953 865 Millionen DM. Das Aufkommen aus dem Notopfer Berlin, dessen Erträgnis Berlin als Leistung des Steuerzahlers der deutschen Bundesrepublik zugute kommen soll, beträgt 1949 189,1 Millionen, 1950 389,2 Millionen, 1951 644,7 Millionen, 1952 730 Millionen, 1953 750 Millionen DM. Das ist nicht das einzige, was an Berlin-Hilfe geschieht. Es kommen aus ERP- und GARIOAMitteln für die Zeit bis zum 1. Juli 1952 1184 Millionen DM hinzu. Im Rechnungsjahr 1952 sind an ERP-Mitteln für Berlin 530 Millionen DM vorgesehen. Der Betrag, der 1953 daraus gegeben werden kann, steht noch nicht fest. An weiteren Förderungsmaßnahmen, die eine wesentliche Leistung der deutschen Volkswirtschaft für Berlin darstellen - insbesondere in ihrer Auswirkung -, seien beispielsweise nur erwähnt die Befreiung von Umsatzsteuer für alle gewerblichen Lieferungen, die aus Berlin in das Gebiet der Bundesrepublik gehen, die für die Berliner Wirtschaft noch gewährten Steuervergünstigungen bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Bundesgarantien für den Warenverkehr mit Berlin bis zu 100 Millionen DM und die Bürgschaften des Bundes für die Berliner Wirtschaft bis zu 31 Millionen DM. Nachdem ich hier Berlin erwähnt habe, darf ich noch kurz auf Schleswig-Holstein zu sprechen kommen, das der Kriegszufall als Land geschaffen hat, ein Land, das durch Flüchtlings- und Heimatvertriebenenlasten besonders überbürdet und wirtschaftlich zu schwach ist, um aus eigener Kraft seine Aufgaben zu erfüllen. Das Land Schleswig-Holstein erhielt im Rechnungsjahr 1950, da sich trotz aller Bemühungen der horizontale Finanzausgleich unter den Ländern als unzureichend erwies, auf Grund des Gesetzes über eine Finanzhilfe vom 29. März 1951 einen Kredit von 70 Millionen, im Rechnungsjahr 1951 von 49 Millionen DM. Im Rechnungsjahr 1952 erhielt es aus dem Fonds zur Sanierung von Notstandsgebieten als Bundesdarlehen und in Form von Darlehen und Zuschüssen für Arbeitsbeschaffung 95,5 Millionen DM. Im Rechnungsjahr 1953 sind insgesamt 45 Millionen DM vorgesehen. Welche Darlehen und Zuschüsse daneben für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Rechnungsjahr 1953 gegeben werden können, steht noch nicht fest. 7. Damit, meine Damen und Herren, habe ich ein Bild über die Aufgaben gegeben, die der deutschen Finanzpolitik für den Aufbau der Bundesverwaltung, für den Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft, für die Sicherung der Währung, für die Unterstützung des Ringens des deutschen Volkes um seine Souveränität, um die Sicherung der Freiheit und des Friedens in dieser Legislaturperiode gestellt gewesen sind und noch vor ihm stehen. Ich erinnere mich, als ich zum ersten Male in meiner Eigenschaft als Bundesfinanzminister zu dem Hohen Haus über die Aufgaben der deutschen Finanzpolitik gesprochen habe, daß ich damals das Bild der Gratwanderung gebraucht habe, die vor uns steht, ({16}) des schmalen Pfades zwischen den Abgründen links und den Abgründen rechts, dem Abgrund einer Zerrüttung durch Inflation und dem Abgrund einer Zerrüttung durch Deflation. Ich habe daran erinnert, daß diese Gratwanderung ruhige Nerven, Trittsicherheit und klares Auge verlangt und viel Schweiß und Mühe kosten wird. ({17}) Lassen Sie mich nun einen Überblick geben über die Steuerbelastung des deutschen Volkes, in der sich der Schweiß und die Mühe ausdrückt, die das deutsche Volk zur Erfüllung dieser Aufgaben auf sich genommen hat. Im Jahr 1951 haben die Steuern, die Bund und Länder erheben, einschließlich der Soforthilfeabgabe und Kohlenbergbauabgabe, 24 862,5 Millionen DM betragen. Dazu kommen die Steuern der Gemeinden und übrigen örtlichen Gebietskörperschaften mit 3560 Millionen DM. Die Steuerlast allein betrug also im Jahre 1951 28 422,5 Millionen DM. Dazu sind aber noch die Zwangsbeiträge für Sozialversicherung zu rechnen, die 1951 9078 Millionen DM betrugen. Die Gesamtbelastung an Steuern und Zwangsbeiträgen betrug also 37.5 Milliarden DM. Wenn man hier den Betrag absetzt, der wieder in Form von Subventionen an die Bevölkerung zurückfloß, so bleibt eine Steuer- und Sozialbelastung von 36 519,5 Millionen DM. Dem steht gegenüber das für das Jahr 1951 errechnete Bruttosozialprodukt des deutschen Volkes zu Faktorkosten in Höhe von 98,5 Milliarden DM, d. h. mit anderen Worten: Die Steuer- und Sozialbelastung des deutschen Volkes abzüglich Subventionen beträgt nicht weniger als 37,1 % des erwähnten Bruttosozialprodukts. ({18}) Sie ist damit die höchste Belastung, die überhaupt für ein Volk in der Welt zu finden ist. ({19}) ({20}) Allerdings auch die Steuerbelastung der anderen Länder, auch der Siegerstaaten, kommt heute dieser Belastung nahe. Die Steuer- und Sozialbelastung in Großbritannien z. B. wird nach derselben Berechnungsmethode auf etwas über 36 % des Bruttosozialprodukts, die Frankreichs auf etwas über 32 % des Bruttosozialprodukts zu Faktorpreisen geschätzt. Internationale Steuervergleiche sind schwierig und immer nur mit gewissen Vorbehalten aufzunehmen. Mit diesen Vorbehalten gebe ich Zahlen wieder über die Besteuerung des Einkommens im In- und Ausland, die nur dann, wenn die Steuergesetzgebung in allen Einzelheiten gewürdigt werden könnte, ein absolut sicheres Bild gäbe. Die Besteuerung des Einkommens für einen Verheirateten mit einem Kind beträgt unter diesem Vorbehalt bei einem Einkommen von 5000 DM in Deutschland 10,86 % seines Einkommens, in Belgien 10,08 %, in Dänemark 12,54 %, in Frankreich 12,48 %, in Großbritannien 1,26 %, in den Niederlanden 8,66 %, in Österreich 11,62 %, in Schweden 10,44 %, in den USA - Gründe brauchen nicht erörtert zu werden - 0 %. Bei einem Einkommen von 20 000 DM zahlt in Prozentsätzen seines Einkommens der Verheiratete mit einem Kind in Deutschland 35,31 %, in Belgien 25,26 %, in Dänemark 28,58 %, in Frankreich 23,8 %, in Großbritannien 24,15 %, in den Niederlanden 30,74 %o, in Österreich 34,05 %, in Schweden 25,87 %, in den USA 13,81 %. ({21}) Bei einem Einkommen von 100 000 DM zahlt derselbe Steuerzahler in Hundertteilen seines Einkommens in Deutschland 61,14 %, ({22}) in Belgien 47,29 %, in Dänemark 40,80 %, in Frankreich 41,47 %, in Großbritannien 61,55 %, in den Niederlanden 62,95 %, ({23}) in Österreich 44,0 %, in Schweden 49,2 % in den USA 28,38 %. Um einen Vergleich der Einkommensbesteuerung mit den Vorkriegsjahren zu geben: Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet betrug die Einkommen- und Lohnsteuer im Jahre 1913/14 23 Mark, im Jahre 1938/39 77 Mark, im Jahre 1952/53 - immer jeweilige Kaufkraft - 155 DM. Ich werde später auf die Frage der Einkommensteuer näher eingehen und dann den Vergleich durch Bezugnahme auf die Einkommen vergleichbarer Kaufkraft ergänzen. Aber schon diese Zahlen geben ein Bild über die ganz außergewöhnliche Belastung des deutschen Volkes mit Steuer- und Soziallasten. Es ist das höchstbesteuerte aller Völker, und verglichen mit dem Jahre 1913/14 ist diese Belastung von etwa 10 v. H. des Bruttosozialprodukts nun auf 37,1 v. H. gestiegen. Wahrlich: die Bewältigung der der Bundesrepublik gestellten Aufgabe, aus dem Schutt und aus den Ruinen der Hitlerregierung wieder eine blühende Volkswirtschaft zu machen, hat Schweiß und Mühe gekostet. Aber das Erreichte war dieses Schweißes und dieser Mühe auch wert! Ich darf nun einen Überblick über die Ergebnisse geben. Durch die guten Eigenschaften des deutschen Volkes, seinen Fleiß und seine Tüchtigkeit ist es gelungen, diesen Bemühungen Erfolg zu verleihen. Das Bruttosozialprodukt, das 1949 rund 80 Milliarden DM betrug, ist 1952 - mit derselben Berechnungsgrundlage - auf rund 125 Milliarden DM gestiegen. Das heißt: je Kopf der Bevölkerung belief sich das Bruttosozialprodukt 1949 auf 1705 DM und 1952 auf 2606 DM. ({24}) Die Zunahme des Bruttosozialprodukts je Kopf der Bevölkerung von der Währungsreform bis zum zweiten Kalenderhalbjahr 1952 betrug - in den jeweiligen Preisen gerechnet - 77 v. H. und in gleicher Kaufkraft gerechnet 62 v. H. Die Grundlage für die Entwicklung der Beschäftigung und die Voraussetzung für die Hebung des Lebensstandards im allgemeinen und die Aufbringung der sozialen Leistungen im besonderen ist der Zuwachs an Investitionen, insbesondere an Neuanlagen und Vorräten. Dieser Zuwachs seit der Währungsreform betrug einschließlich des ersten Halbjahres 1952 ungefähr 88 Milliarden DM. Davon entfallen auf Neuansagen 46,7 Milliarden DM und auf die Zunahme der Vorräte 15 Milliarden DM. Die Zahl der Arbeiter, Angestellten und Beamten in der Bundesrepublik war im September 1949 13,6 Millionen und ist bis zum September 1952 auf 15,5 Millionen, also um annähernd 2 Millionen Beschäftigte gestiegen. Das sind nahezu 15 % des Ausgangsstandes. Die Bruttowochenverdienste in der Industrie - Gesamtdurchschnitt - bei männlichen und weiblichen Arbeitskräften ohne Bergbau haben im August 1952 - Zeitpunkt der letzten Lohnstatistik -, wenn man das Jahr 1938 gleich 100 setzt, einen Stand von 191,9 erreicht. Die Preisindexziffer für die Lebenshaltung ist im gleichen Zeitraum von 100 auf 168 % gestiegen. Für den Industriearbeiter errechnet sich damit eine durchschnittliche Steigerung des Reallohns um 14 %. Auch die Ein- und Ausfuhr der Bundesrepublik hat dabei eine günstige Entwicklung genommen. Die Einfuhr des Jahres 1950 betrug noch 11 374 Millionen DM, die des Jahres 1952 darf mit 15 818 Millionen DM angenommen werden. Die Ausfuhr im Jahre 1950 betrug 8362 Millionen DM, für das Jahr 1952 darf sie mit 16 520 Millionen DM angenommen werden. Das Verhältnis der Einfuhr zur Ausfuhr hat sich gebessert. Der Gleichstand ist erreicht. Die Spareinlagen bei Kreditinstituten einschließlich Sparkassen und Postsparkassen sind von 1,6 Milliarden DM Ende 1948 auf 6,7 Milliarden DM Ende Oktober 1952, also reichlich um 5 Milliarden DM gestiegen. Allein im letzten Jahr betrug ihre Zunahme bis Ende Oktober 1,7 Milliarden DM. Das beweist: das Vertrauen des Sparers in die Währung, in die Kaufkraft der D-Mark konnte gewonnen werden. Auch in den Händen des sogenannten kleinen Mannes bilden sich wieder Neuersparnisse und Vermögen. Der Aufbau der Volkswirtschaft findet in dieser Spartätigkeit bei den breiten Bevölkerungsschichten heute Unterstützung. Der Geld- und Kapitalmarkt ist gewiß noch nicht ausreichend, er ist aber doch in Bildung begriffen. Die deutsche Währung gilt in der Welt allmählich als harte Währung. Während in der Geburtsstunde der Bundesrepublik nach den Züricher ({25}) Devisenkursen für 100 DM etwa 19 Schweizer Franken gegeben wurden, waren es im Januar 1951 bereits 78'12 und im Januar 1953 90 Schweizer Franken. Die Bundesrepublik ist inzwischen der Weltbank und dem Weltwährungsfonds beigetreten. Es darf angenommen werden, daß der Wechselkurs der deutschen Währung gegenüber dem Dollar mit pari, also mit 4,20, festgesetzt wird. Das Wohnungsbauprogramm konnte erfüllt werden. In den Kalenderjahren 1949 bis 1952 wurden an Wohnungseinheiten insgesamt erstellt: 1949 215 000 Wohnungen, 1950 360 000 Wohnungen, 1951 400 000 Wohnungen, 1952 nach vorläufiger Schätzung ebenfalls 400 000 Wohnungen. Meine Damen und Herren, für jede Wohnung 3 Menschen gerechnet, sind 400 000 Wohnungen eine Stadt von 1,2 Millionen Menschen. ({26}) Die deutsche Wohnungsbaupolitik hat erreicht, daß eine Stadt wie Hamburg in einem Jahr aus dem Nichts heraus neu gebaut werden konnte. ({27}) Von den 1952 gebauten Wohnungen entfallen auf den sozialen Wohnungsbau etwa 300 000 Wohnungen, auf den Bergarbeiterwohnungsbau etwa 38 000 Wohnungen, auf den Wohnungsbau für Bundesbedienstete etwa 7000 Wohnungen, auf den Wohnungsbau für Kasernenverdrängte und Altbesatzungsverdrängte in der Zeit von Oktober 1950 bis Oktober 1952 28 000 Wohnungen. Der Bestand der Handelsschiffahrt an Fahrzeugen über 300 Bruttoregistertonnen war bei Kriegsbeginn etwa 41/2 Millionen Bruttoregistertonnen. 1945 war noch ein Bestand von rund 80 000 Bruttoregistertonnen vorhanden. Mit dem planmäßigen Wiederaufbau konnte erst nach Aufhebung der Beschränkungen des deutschen Schiffbaues durch die Alliierten begonnen werden. Die deutsche Handelsschiffahrt wird nach Durchführung der Bauprogramme und nach Fertigstellung der nur mit Mitteln nach § 7 d des Einkommensteuergesetzes finanzierten Schiffbauten wieder über einen Bestand von rund 2140 Schiffen mit zirka 2 Millionen Bruttoregistertonnen verfügen können, wobei ich nicht zu vergessen bitte, daß das Gebiet der deutschen Bundesrepublik kleiner ist als das Gebiet des alten Reichs, dessen Vergleichsziffer, wie schon erwähnt, 41/2 Millionen Bruttoregistertonnen ist. Die Bedeutung dieser Tatsache beweist der Umstand, daß von der Handelsschiffahrt im Jahre 1951 bereits 238 Millionen DM in Devisenwerten und in der Zeit vom 1. Januar 1952 bis 31. Oktober 1952 bereits 411,4 Millionen DM Devisenwerte eingespart und die deutsche Zahlungsbilanz dadurch erleichtert werden konnte. Die Berlin-Hilfe hat das Wirtschaftsleben Berlins wieder gesunden lassen. Der Senat der Stadt Berlin hat dem Bundesfinanzminister bei dessen letzten Aufenthalt in Berlin eine Vase der Berliner Porzellanmanufaktur überreichen lassen mit der Inschrift „Das dankbare Berlin". ({28}) Ich glaube, diese Vase als Zeichen der Dankbarkeit Berlins gegenüber der Bundesrepublik mit Recht entgegengenommen zu haben. ({29}) Ich will nur zwei Zahlen nennen. Der Lieferwert der Waren, die aus Berlin nach dem Bundesgebiet geliefert worden sind, betrug am 1. Januar 1951, als die Bundeshilfe schon eingesetzt hatte, noch 97 Millionen DM, im Oktober 1952 219 Millionen DM. ({30}) Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet hat das Aufkommen an Umsatzsteuer in Berlin im Jahre 1949 54,12 DM, im Jahre 1952 131,72 DM, das Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer im Jahre 1949 89,80 DM, im Jahre 1952 157,15 DM, das Aufkommen an Landessteuern pro Kopf der Bevölkerung im Jahre 1949 108,47 DM, im Jahre 1952 173,32 DM betragen. Wenn ich diese Steuerkraftzahlen als Maßstab der gestärkten Wirtschaftskraft Berlins nehme, so darf ich doch sagen, daß auch in Berlin ein wesentlicher Fortschritt erreicht und die Wirtschaftskraft der Stadt gestärkt worden ist. Auch die Finanzverhältnisse des Landes Schleswig-Holstein sind gesund. Die Bundesregierung kann auf alle diese Tatsachen mit einem gewissen Stolz verweisen. Sie ist sich allerdings wohl bewußt, daß aus diesen Zahlen, insbesondere im Ausland, auch falsche Schlüsse gezogen werden können. Man darf nicht vergessen, von welchem Stand das deutsche Volk in den Tagen nach dem Zusammenbruch im Mai 1945 und auch noch in den Tagen der Währungsumstellung ausgegangen ist. ({31}) Ein Volk, das sich aus den Luftschutzkellern heraus seine Werkstätten, seine Wohnungen erst wieder neu schaffen mußte, das sich seine Wirtschaft erst wieder neu aufbauen mußte, das den Kampf gegen Not und Arbeitslosigkeit, den Kampf um die Versorgung der Kriegsopfer, Witwen und Waisen, der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge aller Art führen mußte, ein Volk, das in Hitler-Zeit und Krieg und Nachkriegszeit ganze Jahrgänge von arbeitsfähigen Menschen verloren hat, ein solches Volk kann wohl beweisen, daß seine Lebenskraft und sein Lebenswille noch bestehen. Es muß aber auch darauf verweisen, daß alle Leistungen die Verluste durch Hitler-Zeit und -Krieg noch kaum ausgeglichen haben und daß sich die Völker glücklich preisen dürfen, die diese Verluste, diese Schäden und Zerstörungen nicht in dem Maß erleben mußten, ({32}) wie es das deutsche Volk erlebt hat, das wohl ein genesendes, aber noch kein voll gesundes Volk geworden ist. Nach diesem Überblick über Leistungen und Ergebnisse der deutschen Finanzpolitik in dieser Legislaturperiode darf ich mich nunmehr besonders der Betrachtung des Ihnen vorliegenden Haushaltsplanes 1953/54 zuwenden. Ich werde über einzelne Punkte, die an sich sehr erwähnenswert wären, wie z. B. die voraussichtliche Belastung des Bundeshaushalts durch das Ergebnis der Beratungen auf der Londoner Konferenz, die inneren Zusammenhänge und Gründe, die zu dieser Belastung des Bundeshaushalts führten, sowie über die Grundsätze, nach denen die Bundesvermögensverwaltung errichtet ist und arbeitet, mich in diesem Zusammenhang noch nicht äußern, da ich entweder ({33}) bei der Aussprache oder bei der Vorlage der entsprechenden Gesetzentwürfe dazu noch Stellung nehmen kann. Erstens: Dieser Haushaltsplan wird rechtzeitig, d. h. so vorgelegt, daß er entsprechend der Vorschrift des Art. 110 des Grundgesetzes noch vor Beginn des Rechnungsjahres in diesem Hohen Hause beraten werden kann. ({34}) Er ist insofern, schon gemessen am Zeitpunkt seiner Vorlage, ein Haushalt, der die Konsolidierung der Verhältnisse anstrebt. In den vergangenen Jahren erfolgten Aufstellung und Verabschiedung des Haushalts in ständigem Kampf mit der Zeit. Der Haushalt 1949 wurde erst im Juni 1950, der Haushalt 1950 erst im Juni 1951, der Haushalt 1951 erst im Dezember 1951, der Nachtragshaushalt erst im August 1952 verkündet. Der Haushalt 1952 wurde infolgedessen notwendigerweise ein Wiederholungshaushalt, der im Juni 1952 veröffentlicht werden konnte. Wir hoffen ja, daß der Nachtragshaushalt 1952 auch demnächst veröffentlicht werden kann. Dadurch, daß im Jahre 1952 der Weg des Wiederholungs- und Nachtragshaushalts gewählt wurde, ist es nunmehr möglich gewesen, erstmals für dieses Jahr den Haushalt zum verfassungsmäßigen Termin vorzulegen. ({35}) Der Deutsche Bundestag kann daher seinem Nachfolger für die weitere Haushaltswirtschaft ein festes Fundament übergeben. ({36}) Ich brauche nicht zu betonen, daß es der Verwaltung des Bundesfinanzministeriums Mühe und Arbeit gekostet hat, diesen Termin einzuhalten. Ich will diese Gelegenheit benützen, um meinen sämtlichen Mitarbeitern auch öffentlich meinen Dank dafür auszusprechen, daß diese Arbeit rechtzeitig geleistet wurde. ({37}) Zweitens: Dieser Haushalt steht, was die Bundesverwaltung betrifft, im deutlichen Zeichen der Konsolidierung. Das kommt darin zum Ausdruck, daß sich die Verwaltungsausgaben gegenüber 1952 im Saldo kaum erhöht haben. Die bei einzelnen Verwaltungen, wie z. B. beim Auswärtigen Amt, das im Aufbau begriffen ist, eingetretenen Mehrausgaben waren unvermeidbar. Sie konnten aber im wesentlichen durch Einsparungen bei anderen Verwaltungen und durch höhere Verwaltungseinnahmen gedeckt werden. Die Zahl der Beamten hat sich im Endergebnis um 345 Köpfe verringert. Die Zahl der Angestellten hat sich allerdings noch um rund 1600 Köpfe vermehrt. Ich darf hierzu eine grundsätzliche Bemerkung bezüglich der Personalvermehrungen machen. Nichts ist so populär und nichts wird so leicht nachgesprochen - um nicht zu sagen nachgeplappert - wie die Klage über das wachsende Beamtenheer, über die ständige Personalvermehrung. Es ist richtig, wir stehen unter dem Gesetz des steigenden Staatsbedarfs, eine Erscheinung, die in allen zivilisierten Staaten festzustellen ist und die im Grunde die Folge der zunehmenden Verstädterung unserer Zivilisation ist. Je enger die Menschen beieinander wohnen, um so mehr vermehren sich die gemeinschaftlichen Institutionen. Um ein Beispiel zu nennen: je enger der Verkehr, um so notwendiger eine Verkehrspolizei. Was noch vor wenigen Jahrzehnten zur Privatsphäre des einzelnen Menschen gehört hat, ist jetzt eine Aufgabe der Gemeinschaft geworden und findet seinen Niederschlag in Organisationen dieser Gemeinschaft. Immer mehr wächst auch - und zwar auch durch die Erweiterung unserer Naturkenntnisse - das Spezialistentum in Technik, Medizin etc. etc. und damit auch in der Verwaltung. All das drängt zu einer Vermehrung von Personal. Für die Bundesrepublik kam aber der verlorene Krieg mit seinen unheilvollen Folgen dazu. Im Bundesgebiet ist die Bevölkerung förmlich zusammengeballt. Das Bundesgebiet ist - von Belgien vielleicht abgesehen, das besondere Verhältnisse hat - der dichtest besiedelte Teil in ganz Europa. Eine Fülle von verwaltungsmäßigen Maßnahmen war erforderlich, um das Zusammenleben dieser Menschenmassen auf engstem Raum möglich und erträglich zu machen. So wirkt sich in Deutschland das Gesetz des steigenden Staatsbedarfs besonders aus. Ich sage das aber nicht, damit man sich diesem Gesetz widerstandslos beuge. ({38}) Im Gegenteil, ich sage das, um den Willen zu stärken, diesem steigenden Staatsbedarf und diesem Gesetz des steigenden Staatsbedarfs möglichst enge Grenzen zu ziehen. ({39}) Ich glaube aber schon mit den Zahlen, die ich im ersten Teil gegeben habe, nachgewiesen zu haben, daß die Bundesrepublik sich bemüht, diese Grenzen zu ziehen. Ich darf in diesem Zusammenhang nur ganz kurz auf die Einrichtung des Kommissars für die Wirtschaftlichkeit der Verwaltung hinweisen. Drittens: Daß der Haushalt 1953 grundsätzlich sparsam aufgestellt ist, ist schon dadurch bewiesen, daß auch der Bundesrat Vorschläge für nennenswerte Einsparungen im Haushalt nicht aufzeigen konnte. Er hatte den besten Willen dazu; denn er kämpfte ja gegen die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die in diesem Haushaltsentwurf von 37 auf 44 % vorgesehen ist. Der Bundesrat war aber gezwungen, zuzugeben, daß sich sowohl auf der Einnahmen- wie auf der Ausgabenseite wirkliche Beanstandungen nicht ergeben können. Auf der Ausgabenseite hatte er Vorschläge für Einsparungen im Gesamtbetrag von 28 Millionen DM gemacht, denen aber wieder ein Vorschlag zur Vermehrung von Ausgaben im Betrag von 20 Millionen DM gegenübersteht. ({40}) Bei einem Gesamtvolumen des Haushalts von rund 25 Milliarden DM sind diese Einsparungsvorschläge nicht von Bedeutung. ({41}) Auch bei den Einnahmen hat der Bundesrat den Einwand, daß sie zu nieder und zu vorsichtig angesetzt seien, nicht erhoben. Die Zahlen für die Einnahmen beruhen auf einer optimistischen Schätzung, nämlich auf der Schätzung, daß das Bruttosozialprodukt auch im Jahre 1953/54 um etwa 5 % steigen wird. Da gewisse Einnahmen z. B. aus der Münzprägung, sich andererseits verringern, ist auch bei dieser optimistischen Schätzung nur mit einer Mehrung der Einnahmen im Betrag von insgesamt 550 Millionen DM zu rechnen. ({42}) 4. Bevor ich auf den materiellen Inhalt des Voranschlags eingehe, darf ich noch ein Wort sagen über das formelle Gewand des Haushalts. Der Haushalt erscheint in einem neuen Gewand. Er war bisher eingeteilt in Kapitel und Titel, die sich bei den Einnahmen sowie bei den fortdauernden, den einmaligen und außerordentlichen Ausgaben wiederholten. An dessen Stelle ist ein System durchlaufender Kennziffern getreten, indem z. B. die Einnahmen mit den Ziffern 1 bis 99, die fortdauernden Ausgaben mit den Ziffern 100 bis 699, die einmaligen Ausgaben mit den Ziffern 700 bis 999 bezeichnet sind. Das Wesentliche ist, daß nunmehr auch die Länderhaushalte nach dem gleichen System aufgestellt werden. ({43}) Es wird also damit erleichtert, die Haushalte untereinander zu vergleichen. Es ergibt sich dadurch eine wesentliche Erleichterung nicht nur für statistische Zwecke und wissenschaftliche Theorie, sondern auch für die Praxis. Außerdem ist die Gliederung so gehalten, daß sie den Übergang ermöglicht zu einer Vermögensrechnung, die neben dem Haushalt bestehen kann und die ab 1. April 1953 eingeführt werden soll. Das Bundesfinanzministerium hat auch versucht, Wege zu finden, um den Haushalt zu popularisieren. Die Ihnen allen bekannten Schaubilder über die Haushaltseinnahmen und Haushaltsausgaben haben sich als recht wirksam erwiesen. ({44}) Sie werden auch den Schulen des Bundesgebiets zur Verfügung gestellt. Ich hoffe, daß damit die Kenntnis der Bevölkerung darüber, welches der Finanzbedarf des Staates ist und wozu die Steuergelder verwendet werden, endlich wächst. Es ist das ein Stück staatsbürgerlicher Erziehung. Ein Steuerbrief, den der Bundesfinanzminister im Laufe des letzten Jahres an die Steuerzahler gesandt hat und der in großen Zügen Aufschluß über die Verwendung des Steueraufkommens gab, hat ebenfalls starken - und ich darf sagen: freundlichen - Widerhall gefunden. Hoffentlich kann dieser Weg auch in Zukunft wieder beschritten werden. Schließlich haben wir auch den Versuch gemacht, durch einen Kurzfilm das Verständnis für diese Fragen in weiteren Kreisen der Bevölkerung zu wecken. Dieser Film ist ein Versuch; er läuft in diesen Wochen in einer großen Zahl von Filmtheatern der Bundesrepublik an. Ich darf vielleicht die Mitglieder des Hohen Hauses bitten, sich diesen Film selbst anzusehen und sich persönlich zu überzeugen, ob er als eine gelungene Popularisierung betrachtet werden kann oder nicht. 5. Nun noch ein weiteres Wort über den voraussichtlichen Abschluß des Haushalts 1952 und im Zusammenhang damit über den Stand der schwebenden Verschuldung. Die Steuereinnahmen des Jahres 1952 haben sich in den letzten Wochen wieder etwas günstiger gestaltet. Die Umsatzsteuer wird zwar voraussichtlich mit einem Betrag von rund 250 Millionen DM hinter dem Ansatz zurückbleiben. Auch bei der Tabaksteuer sowie bei der Zuckersteuer ist mit Ausfällen von insgesamt fast 300 Millionen DM zu rechnen. Andererseits hat sich das Aufkommen an Zöllen und Kaffeesteuer um etwa 280 Millionen DM gebessert. Das Aufkommen aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer hat zwar ebenfalls eine Verbesserung erfahren; diese kommt infolge der Garantiezusagen des Bundes in dem Inanspruchnahmegesetz für 1952 aber dem Bund nur zum kleinsten Teil zugute. Alles in allem ist mit einem Minderaufkommen an Steuern und sonstigen Einnahmen in Höhe von rund 150 Millionen DM zu rechnen. Von der Ausgabenseite läßt sich eine einigermaßen bestimmte Voraussage noch nicht geben. Die Gestaltung der Ausgaben hängt entscheidend von den Abrufen der Besatzungsmächte ab, die in den ersten neun Monaten des Jahres 1952 für Besatzungskosten weniger als den monatlichen Durchschnitt von 600 Millionen DM abgerufen haben. Es muß aber damit gerechnet werden, daß in den kommenden Monaten die Abrufe sich steigern. Ich brauche nur an den März 1951 zu erinnern, in dem wir durch einen unerwarteten Abruf haushalts und kassenmäßig in Schwierigkeiten gekommen sind. Nach dem augenblicklichen Stand werden die Ausgaben des ordentlichen Haushalts ohne Besatzungskosten, also ohne die Einzelpläne XXIV, XXV und XXVII, den Voranschlag voraussichtlich um 150 bis 250 Millionen DM überschreiten. Rechnet man hierzu den Einnahmeausfall von rund 150 Millionen DM, so würde das eine Haushaltsverschlechterung gegenüber dem Voranschlag um rund 300 bis 400 Millionen DM bedeuten, die im wesentlichen auf den Einahmeausfall, ferner auf die Erhöhung der Grundrenten und den Zustrom der Sowjetzonenflüchtlinge nach Berlin zurückzuführen ist. Von der Höhe der Ausgaben für Besatzungskosten im laufenden Vierteljahr wird es abhängen, ob diese Haushaltsverschlechterung ganz oder teilweise wieder aufgeholt werden kann, so daß dann, wenn sie aufgeholt werden würde, der ordentliche Haushalt kassenmäßig nicht mit einem Defizit abschließen würde. Ich hoffe das beste. Jedenfalls zeigt die unabhängig von den Besatzungskosten eingetretene Verschlechterung des Haushalts um 300 bis 400 Millionen DM, daß auch der Haushalt 1952 weitere Verschlechterungen nicht mehr verträgt. Der derzeitige Stand der Bundesverschuldung wurde beeinflußt durch die Bundesanleihe 1952, die im Betrag von 500 Millionen DM nach Verabschiedung des Kapitalmarktförderungsgesetzes aufgelegt wurde und deren Zeichnungsfrist am 17. Januar 1953 ablief. Von dieser Anleihe hatte ein Bankenkonsortium einen Betrag von 400 Millionen DM garantiert. Die Anleihe ist aber voll gezeichnet worden. Die Höhe der Kundenzeichnungen steht noch nicht sicher fest. Sie ist jedenfalls höher, als die Banken bei der Gründung des Konsortiums in Aussicht stellen zu können glaubten. Ich bemerke hierzu ausdrücklich, daß nicht die Rede davon sein kann, daß durch diese Bundesanleihe der privaten Wirtschaft die Möglichkeit, ihrerseits an den Kapitalmarkt heranzutreten, genommen oder beschränkt worden sei. Die Bundesanleihe hat der Konsolidierung der schwebenden Schuld des Bundes gedient; sie sollte den Bedarf des außerordentlichen Haushalts, der bisher nur durch kurzfristige schwebende Schulden gedeckt werden konnte, durch eine mittelfristige fünfjährige Anleihe decken. Die Kreditinstitute haben sicherlich einen großen Teil von Schatzwechseln und Schatzscheinen, die sie im Portefeuille hatten, zur Zeichnung der Bundesanleihe verwendet, was auch diesem Zweck der Bundesanleihe, der Konsolidierung entsprach. Damit ist aber auch dargetan, daß eine Einschränkung von Geld- und Kapital({45}) markt für die private Wirtschaft nicht eingetreten ist. Die geplante Anleihe für den Lastenausgleichsfonds wird dieser Tage aufgelegt. Sie ist kurzfristiger als die des Bundes und enthält auch sonst etwas günstigere Bedingungen für den Zeichner. Eine Anleihe mit günstigeren Bedingungen kann der Anleihe mit ungünstigeren Bedingungen nur nachfolgen. Es darf aber gehofft werden, daß auch diese Anleihe voll gezeichnet wird. Dem Bund war es bisher nicht gelungen, an den Kapitalmarkt heranzutreten. Die im Jahre 1951 aufgelegten Baby-Bonds haben trotz ihrer günstigen Bedingungen und des Spielanreizes nur ein Zeichnungsergebnis von etwa 36 Millionen DM gebracht. Daß die Bundesanleihe voll gezeichnet wurde, darf wohl als Beweis dafür angesehen werden, daß der Kredit des Bundes sich gestärkt hat und daß sich allmählich die Möglichkeit abzeichnet, den Kapitalmarkt auch für die öffentliche Hand nutzbar zu machen und damit die deutsche Finanzpolitik beweglicher zu gestalten. Die langfristige Verschuldung des Bundes besteht bis jetzt hauptsächlich in den verschiedenen Arten von Ausgleichsforderungen. Neu treten in diesem Jahr hinzu die Verpflichtungen, die der Bund auf Grund des Abkommens der Londoner Schuldenkonferenz und der Abkommen mit der Schweiz übernimmt. Darüber kann ich mich später äußern. Die schwebende Schuld des Bundes, die sich daraus ergab, daß die Ausgaben der außerordentlichen Haushalte der vergangenen Jahre durch Einnahmen aus der Begebung von langfristigen Anleihen nicht gedeckt werden konnten und infolgedessen zum größten Teil durch langfristige Verschuldung gedeckt werden mußten, hat am 31. März 1950 636,1 Millionen DM betragen. Sie betrug am 31. März 1951 1156 Millionen DM, am 31. März 1952 1252 Millionen DM. Sie hat am 31. Dezember 1952 861 Millionen DM betragen. Die Entwicklung bis zum Abschluß des Haushaltsjahres läßt sich nicht mit Bestimmtheit voraussagen, denn zu dieser am Ende des Kalenderjahres 1952 bestehenden schwebenden Schuld treten noch die von mir vorhin erwähnten Besatzungskostenrückstände, von denen heute nicht gesagt werden kann, wieviel davon bis zum Ende des Haushaltsjahres abgerufen und aufgebracht werden müssen. Durch den Erfolg der Bundesanleihe hat sich die Kassenlage augenblicklich natürlich gebessert. 6. Der Abgleich des Haushalts 1953 hat große Schwierigkeiten gebracht. Er ist überhaupt nur dadurch möglich gewesen, daß die übrigen Ressorts der Bundesverwaltung auf den größten Teil ihrer ursprünglichen Anforderungen verzichtet haben. Im ordentlichen Haushalt 1953 ergeben sich - nach Abzug der nur durchlaufenden Mittel für den Lastenausgleich - Mehrausgaben im Betrage von 2078 Mill. DM. Diese Mehrausgaben gliedern sich in Mehrausgaben für die Verteidigungskosten im Betrage von 1110 Mill. DM, für soziale Kriegsfolgeleistungen einschließlich der Leistungen des Bundes nach dem Lastenausgleichsgesetz 301 Mill. DM. Dazu kommen die im Haushalt noch nicht aufgenommenen Aufwendungen für Erhöhung des Grundbetrags der Sozialrenten mit rund 300 Mill. DM, die Aufwendungen für Schuldendienst auf Grund der Londoner Konferenz und des Vertrags mit der Schweiz in Höhe von 540 Mill. DM, Aufwendungen aus dem Vertrag über Wiedergutmachung an den Staat Israel mit 200 Mill. DM, Mehrausgaben der übrigen Verwaltungen und Verwaltungskostenentschädigung an die Länder mit 152 Mill. DM. Hiervon sind abzusetzen Minderausgaben bei anderen Verwaltungen und Minderausgaben infolge Aufhebung der Konsumbrotverbilligung, insgesamt 525 Mill. DM, ergibt die vorgenannte Zahl: 2 078 Mill. DM. Ich darf hierzu beiläufig bemerken, daß in dem Betrag von 152 Millionen DM Mehrausgaben für die übrigen Verwaltungen ein Betrag von 72 Millionen DM für die Erhöhung der Beamten- und Angestelltenbezüge sowie der Versorgungsgebührnisse enthalten ist. Dieser Erhöhung der Mehrausgaben steht, wie erwähnt, eine Erhöhung der Einnahmen um 550 Millionen DM gegenüber. Es blieb also eine Lücke von 1750 Millionen DM zu decken. Die Dekkungsvorschläge, die der Haushaltsvoranschlag macht, bestehen erstens in der Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 37 auf 44 %, zweitens in der Ausgabe von Schuldverschreibungen an die Sozialversicherungsträger an Stelle von Barzahlungen - die gesetzliche Grundlage hierfür wird durch die Ihnen gleichzeitig vorgelegten beiden Deckungsgesetze geschaffen -, drittens in der Aufrechterhaltung des Notopfers Berlin. Der Gesetzentwurf zur Verlängerung der Geltungsdauer dieser Abgabe liegt Ihnen ebenfalls vor. Die Bundesregierung hat schon bei den Beratungen über das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" vom Jahre 1952 zum Ausdruck gebracht, daß auch nach dem 31. März 1953 der Finanzbedarf, der die Erhebung dieser Abgabe seinerzeit ausgelöst hat, haushaltsmäßig gedeckt und daher mit Wirkung vom 1. April 1953 die Abgabe „Notopfer" im Rahmen der im Art. 107 des Grundgesetzes vorbehaltenen Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs durch eine andere Regelung abgelöst werden müsse. Bei der Abgabe dieser Erklärung hat sich die Bundesregierung von der Erwartung leiten lassen, daß es möglich sein würde, das in Art. 107 des Grundgesetzes vorbehaltene Gesetz termingerecht bis zum 31. Dezember 1952 zu verabschieden und die neue Verteilung der der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegenden Steuern auf Bund und Länder ab 1. April 1953 wirksam werden zu lassen. Diese Erwartung hat sich nicht bestätigt. Die Bundesregierung hat sich vielmehr im Einvernehmen mit den Finanzministerien der Länder veranlaßt gesehen, den gesetzgebenden Körperschaften den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes vorzulegen, durch das die Frist des Art. 107 des Grundgesetzes bis zum Jahre 1955 verlängert werden sollte. Der vom Bundesrat angerufene Vermittlungsausschuß hat inzwischen den Vorschlag gemacht, die Frist bis zum 31. Dezember ({46}) 1954 zu verlängern. Mindestens bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Frist des Art. 107 des Grundgesetzes ablaufen wird, muß auch das Gesetz über die Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" verlängert werden, da der Anlaß, der zur Erhebung der Abgabe geführt hat, bis dahin unverändert fortbesteht. Ein weiterer Deckungsvorschlag betraf die Gewährung eines Zuschusses aus dem außerordentlichen Haushalt an den ordentlichen Haushalt, wobei dieser Zuschuß durch Gewährung einer Anleihe aus dem ERP-Sondervermögen an die Bundeskasse in Höhe von 250 Millionen DM aufgebracht werden sollte. Ich darf zu diesen Maßnahmen im einzelnen bemerken: Die Erhöhung des Bundesanteils von 37 auf 44 % war vorgeschlagen unter der Annahme, daß die Einkommensteuergesetzgebung unverändert bleibt. Da diese Voraussetzung nicht eintreten wird, wird eine Erhöhung des Bundesanteils nicht auf 44 %, sondern in Zusammenhang mit der geplanten Steuerreform nur auf 40 % in Betracht kommen. Ich werde mich später dazu äußern. Die Ausgabe von Schuldverschreibungen an die Sozialversicherungsträger einschließlich der Arbeitslosenversicherung in Höhe von 740 Millionen DM bedeutet keinerlei Beeinträchtigung der Sozialleistungen der Versicherungsträger. Ich möchte das ausdrücklich betonen. Diese Sozialleistungen bleiben völlig unberührt. Es werden nur die Kassenüberschüsse, mit denen bestimmt gerechnet werden kann, in der Form teilweise wieder in Anspruch genommen, daß der Bund seine Leistungen an die Sozialversicherungsträger nicht in bar, sondern in Schuldverschreibungen entrichtet. Da der Bund ohnehin die Garantie für die Liquidität der Sozialversicherungsträger übernommen hat, birgt dieses Verfahren keine Gefahr für die finanzielle Leistungskraft der Sozialversicherungsträger. Lediglich die freie Verfügbarkeit der Sozialversicherungsträger in der Wahl der Anlage ihrer Vermögen ist dadurch beschränkt. Die Anlage erfolgt auf diese Weise zum Teil eben in den Schuldverschreibungen des Bundes. Ähnlich verhält es sich bei dem Zuschuß des außerordentlichen Haushalts an den ordentlichen Haushalt, der ebenfalls durch eine Anleihe des Bundes, und zwar bei dem ERP-Sondervermögen, gewonnen wird. Auch diesem Vermögen wird dadurch die freie Wahl in der Ausnützung der Möglichkeiten der Investitionen beschränkt. Ich darf aber auf den inneren Zusammenhang verweisen, der besteht. Das ERP-Sondervermögen ist aus den Mitteln gebildet, die die USA gegeben haben und die unter der Bezeichnung „Nachkriegsschulden" nach Beschluß der Londoner Konferenz aus dem Bundeshaushalt getilgt und verzinst werden müssen. Diese Verzinsung und Tilgung der Nachkriegsschulden steht in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Zinsen und Rückflüssen, die dem ERP-Vermögen jetzt und künftig zufließen. Ganz abgesehen davon, daß der Bund diese Mittel nur als Anleihe beansprucht, sie also später dem ERP-Vermögen wieder zufließen sollen, bleibt auch für das ERP-Vermögen im Rechnungsjahr 1953 noch ein Betrag aus ERP-Rückflüssen etwa in Höhe von 100 Millionen DM übrig, der für Investitionen frei verfügbar bleibt. Bei den Sozialversicherungsträgern liegen die Dinge ähnlich; der innere Zusammenhang besteht darin, daß der Bund ja der Garant für die Liquidität der Sozialversicherungsträger ist und daher selbst leistungsfähig gehalten werden muß und die zu erwartenden Kassenüberschüsse diesen Anleihebetrag aller Wahrscheinlichkeit nach ziemlich weit übersteigen werden. Kennzeichen des Haushaltsvoranschlages 1953 ist aber daneben insbesondere noch, daß es nicht möglich gewesen ist, in den ordentlichen Haushalt einen Betrag einzusetzen, um den Fehlbetrag des Jahres 1951 in Höhe von 1309 Millionen DM abzudecken. Diese Tatsache allein beweist, daß alle Anstrengungen gemacht werden müssen, um weitere Verschlechterungen des Haushalts zu vermeiden. Der Bundesrat hat, um die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 37 auf 44 °/o zu vermeiden, vorgeschlagen, laufende Ausgaben des ordentlichen Haushalts, wie insbesondere Verzinsung und Tilgung der Auslandsschulden, in den außerordentlichen Haushalt zu übernehmen. Die Bundesregierung muß einen solchen Vorschlag als unmöglich bezeichnen. ({47}) Es ist finanzpolitisch zu verantworten, wenn eine einmalige Ausgabe durch Anleihe gedeckt wird unter der Voraussetzung, daß sich aus der Natur und dem Wesen dieser Ausgabe ergibt, daß in späteren Jahren Mehreinnahmen kommen, die die Rückzahlung der Anleihe ermöglichen. ({48}) Es ist aber finanzpolitisch nicht zu verantworten, Ausgaben, die sich Jahr für Jahr ständig wiederholen - und die Ausgaben der Verzinsung und Tilgung der Auslandsschulden laufen für 30 Jahre und erhöhen sich sogar in den Jahresbeträgen -, also laufende Ausgaben für alle Dauer und Zukunft in den außerordentlichen Haushalt zu übernehmen, d. h. für alle Dauer und alle Zukunft Fehlbeträge und Verschuldungen des Bundes zu verursachen. Das widerspricht nicht nur dem Sinn und Geist der finanzpolitischen Grundsätze des Grundgesetzes; das widerspricht auch allen Grundsätzen einer gesunden Finanzpolitik. ({49}) 7. Ich darf Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Ausgabeposten des ordentlichen Haushalts und deren inneren Zusammenhang geben. Ich scheide dabei von vornherein den Posten unter dem Titel Lastenausgleich in Höhe von 1610 Millionen DM aus, da er nur ein durchlaufender Posten ist. Der größte Ausgabenposten ist der Posten Verteidigungsbeitrag, der von 8800 Millionen DM im Haushalt 1952 auf 9910,1 Millionen DM gestiegen ist. Er erscheint auch in einer äußerlich anderen Form. Er ist in einem besonderen Einzelplan XXXV zusammengefaßt. Er läßt durch diese Handhabung die bisherigen Einzelpläne für die anerkannten und nichtanerkannten Besatzungslasten weg. Von der Summe von 9900 Millionen DM stellt der Betrag von 9000 Millionen DM den eigentlichen und unmittelbaren Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik dar. Wie Sie wissen, hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, nach dem Inkrafttreten der Verträge bis zum 30. Juni 1953 einen Beitrag von monatlich 850 Millionen DM zu leisten. Dieser Beitrag sollte in gleicher Weise den eigentlichen Beitrag an die EVG wie den als Teil dieses Beitrags ({50}) erscheinenden Betrag für die Stationierungskosten der fremden Truppen umfassen. Die Bundesrepublik hat sich nur bis zum 30. Juni 1953 zur Leistung dieses Beitrages und insbesondere zur Leistung eines Beitrags für die Stationierung der fremden Truppen verpflichtet. Die Bundesregierung hat bereits früher erklärt - und diese Erklärung ist auch in fremden Staaten ohne Widerspruch hingenommen worden -, daß für die Zeit nach dem 1. Juli 1953 mit einem Beitrag zu den Kosten der stationierten Truppen nicht mehr gerechnet werden kann. ({51}) Irgendeine Änderung dieses Standpunktes ist bisher nicht erfolgt. Die Übernahme der Verpflichtung zur Leistung des monatlichen Beitrags von 850 Millionen DM geschah seinerzeit gleichzeitig verbunden mit der Erklärung, daß nach Überzeugung der Bundesregierung die Leistungskraft der Bundesrepublik kaum ausreichen wird, diese Summen aufzubringen; sie wurde deswegen verbunden mit einer Erklärung, daß die Bundesrepublik in diesem Fall mit einem Hilfeersuchen an eine der Besatzungsmächte herantreten wird. Die neuen Berechnungen für den voraussichtlichen Verteidigungsbeitrag beruhen darauf, daß ein Vorschlag gemacht werden soll, der voraussichtlich innerhalb der Leistungskraft der Bundesrepublik liegt und von ihr aus eigener Kraft erfüllt werden kann. Die neuen Berechnungen gingen aus von den Grundsätzen, die in den Verträgen niedergelegt sind. Diese lauten dahin, daß die Leistungskraft der verschiedenen Nationen nach denselben Grundsätzen berechnet werden soll und daß die Beitragsleistungen der verschiedenen Nationen gleichwertig sein sollen. Unter dieser Annahme ist die deutsche Bundesregierung zu der Überzeugung gekommen, daß ein Beitrag in Höhe von monatlich 716 Millionen DM ab 1. Juli 1953 der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit der Deutschen Bundesrepublik im Vergleich mit den Leistungen der übrigen Länder entspricht. Der Haushaltsansatz von 9000 Millionen DM berechnet sich also aus einem Verteidigungsbeitrag in Höhe von '716 Millionen DM für neun Monate und in Höhe von 850 Millionen DM für die ersten drei Monate - 1. April bis 30. Juni 1953. Selbstverständlich muß die endgültige Festsetzung des Verteidigungsbeitrags den weiteren Verhandlungen auf internationalem Boden überlassen bleiben. Ich darf aber bemerken: zu diesem Nettoverteidigungsbeitrag an die EVG in Höhe von 9000 Millionen DM in diesem Rechnungsjahr sind noch die Aufgaben zu rechnen, die im Zusammenhang mit dem Verteidigungsbeitrag in Höhe von 910 Millionen DM in den Einzelplan XXXV verplant sind. Es sind darin enthalten 170 Millionen DM Besatzungskosten und Aufwandsausgaben, die in Berlin auf Grund des dort zunächst weitergeltenden Besatzungsstatuts voraussichtlich anfallen, und rund 700 Millionen DM, aus denen folgende Aufwendungen bestritten werden: Abwicklung der Besatzungsschäden aller Art aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Verträge, Entschädigung für Belegungsschäden an Grundstücken, die für die Besatzungsmächte derzeit requiriert sind und nach dem 30. Juni 1953 freigegeben werden, Aufwendungen für Unterbringung und Wiederansiedlung von Räumungsbetroffenen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Grundstücken durch die Streitkräfte, für Beschaffung von Bauten an die Streitkräfte, um altrequirierte Wohnungen und gewerbliche Räume freizuhalten, und sonstige Maßnahmen zur Behebung oder Erleichterung von Altquartierlasten. Das sind also lauter Ausgaben, die in allen Ländern, die überhaupt einen Wehrhaushalt haben, als unmittelbare Ausgaben im Wehrhaushalt des einzelnen Landes erscheinen und bei uns unmittelbar mit den Verteidigungsausgaben, dem Verteidigungsbeitrag und dem Verteidigungszweck in Zusammenhang stehen. Bei der Beantwortung des sogenannten NATO-Fragebogens hat die Bundesregierung schon darauf hingewiesen, daß die sogenannten anrechnungsfähigen Verteidigungsausgaben, d. h. die Ausgaben, die im deutschen Haushalt schon enthalten sind, die aber dem Verteidigungszweck dienen, für die Zeit vom 1. April 1953 bis 31. März 1954 einen Betrag von rund 3700 Millionen DM erreichen. Es sind das die Ausgaben, die sich auf einsatzfähige Polizei, Bundesgrenzschutz, Ruhegehälter der früheren Wehrmachtsangehörigen, gewisse andere Ausgaben und insbesondere auf die Hilfe für Berlin beziehen; denn was an Hilfe für Berlin gegeben wird, wird nach Überzeugung der Bundesregierung gegeben, um die Widerstandskraft Berlins gegen den Osten aufrechtzuerhalten. Berlin ist der Probestein dafür, ob der Weltfriede gewahrt wird. Jede Ausgabe für Berlin ist eine Ausgabe für die Erhaltung des Friedens und mindestens so hoch zu bewerten wie alle anderen Ausgaben, die im kalten oder - wie in Indochina - auch im heißen Krieg gemacht werden. ({52}) Rechnet man aber diese Ausgaben zusammen, so betragen die Leistungen des deutschen Volkes am Verteidigungsbeitrag, an den damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden vorgenannten Ausgaben an anrechnungsfähigen Verteidigungsausgaben weit mehr als 10% des deutschen Bruttosozialprodukts zu Faktorkosten. ({53}) Der zweite große Ausgabeposten des ordentlichen Haushalts sind die Sozialetats, die im ordentlichen Haushalt mit 7677 Millionen DM erscheinen. Dazu treten rund 300 Millionen DM für die Erhöhung der Grundbeträge der Sozialrenten und 740 Millionen DM, die in Form von Schuldverschreibungen an die Sozialversicherungsträger gegeben werden. Ich habe darüber schon im allgemeinen Teil gesprochen. Die nächsten großen Posten sind der Zuschuß an Berlin mit 600 Millionen DM, die Aufwendundungen für Subventionen und Vorratshaltung mit 600 Millionen DM, wovon die Konsumbrotverbilligungskosten mit 300 Millionen DM wegfallen werden, die Aufwendungen für Wohnungsbau und Siedlung einschließlich Bergarbeiterwohnungsbau mit insgesamt 854,8 Millionen DM, also mit einer nicht unbeträchtlichen Steigerung gegenüber dem Vorjahr. Endlich kommen dazu die Aufwendungen für den Schuldendienst einschließlich des Schuldendienstes auf Grund der Londoner Konferenz und des Vertrags mit der Schweiz; sie betragen 954,9 Millionen DM, also 540 Millionen DM mehr als im Vorjahr. Für Wiedergutmachung an den Staat Israel ist ein Betrag von 200 Millionen DM vorgesehen. Für die Verwaltung der übrigen Kapitel, insbesondere Zoll, Grenzschutz, Verkehr, Förderungsmaßnahmen, Verwaltungsentschädigung an die ({54}) Länder, errechnet sich eine Gesamtsumme von 2072,2 Millionen DM, die nur unwesentlich höher ist als die Ausgaben des Jahres 1952 für dieselben Kapitel. Der Außerordentliche Haushalt beläuft sich auf 1975 Millionen DM. Nach Ausscheidung der durchlaufenden Posten verbleiben für Investitionen, die aber keine Investitionen in privatwirtschaftlichem Sinne sind, 960 Millionen DM. Diese Investitionen sind Aufwendungen hauptsächlich für Wohnungsbau, Straßen, Autobahnen, Binnen- und Seewasserstraßen, Kredite zum Zwecke des Aufbaues der Handelsflotte und des Aufbaues der Häfen Hamburg und Bremen, Remontagekredite, Kredite an die Bundesbahn, Aufwendungen für Deichbauten, Küstenschutz, Kultivierung des Emslandes und Betriebsmittelzuweisungen für Einfuhr- und Vorratsstellen. Ich darf die Erwartung aussprechen, daß es gelingt, diesen relativ hohen Betrag von 960 Millionen DM auf dem Geld- und Kapitalmarkt im nächsten Jahr unterzubringen. Der Kredit des Bundes ist gestärkt. Es wird dem Bund möglich sein, Schatzwechsel und Schatzscheine, allenfalls auch mittelfristige Anleihen, unterzubringen. Immerhin muß bedacht werden, daß diese Inanspruchnahme des Geld- und Kapitalmarktes eine große ist und daß deshalb weitere Haushaltsverschlechterungen dauernder Art vermieden werden müssen. Infolgedessen ist es auch nicht möglich, an Steuersenkungen zu denken, die dauernd sind und dauernde Ausfälle bringen. Das gilt insbesondere auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern. Meine Damen und Herren! Es steht - ich habe damit die Betrachtung des Haushaltsplanes 1953 abgeschlossen - damit nicht in Widerspruch, wenn die Bundesregierung Ihnen in der nächsten Zeit einen Vorschlag unterbreitet, eine Reform der Einkommensteuer durchzuführen, die mit einer Senkung der Tarifsätze verbunden ist - ein Gesetz zur Senkung und Vereinfachung der Einkommensteuer. Denn ich darf von vornherein als besonderes Kennzeichen dieser Reform hervorheben, daß sie nicht eine dauernde Senkung des Aufkommens der Einkommensteuer beabsichtigt. Die Vorschläge der Bundesregierung sind so gedacht, daß sie zwar für eine Übergangszeit, von der wir hoffen, daß sie nicht länger als ein Jahr sein wird, einen Ausfall in Kauf nimmt, dies aber nur deshalb tut, weil sie die Reform für zwingend notwendig hält, um eine Gesundung des ganzen Systems der Einkommensteuer herbeizuführen und damit das Aufkommen an Einkommensteuer nicht nur zu sichern, sondern für die nächsten Jahre wieder zu steigern. ({55}) Das Wesen dieser Reform soll nämlich darin bestehen, daß auf der einen Seite die Tarifsätze, und zwar möglichst gleichmäßig in allen Gruppen, gesenkt werden, daß aber auf der anderen Seite der Abbau der allzu zahlreichen und zum großen Teil nur zeitbedingten Steuervergünstigungen eingeleitet wird. Werden diese Steuervergünstigungen von einem bestimmten Stichtag an beseitigt sein, so wird dadurch schon eine Garantie gegeben sein, daß das alte Aufkommen zum größten Teil wieder erreicht wird. Die Bundesregierung ist aber auch der Überzeugung, daß nur auf diesem Weg die so notwendige Vereinfachung der Gesetzgebung und damit eine erhöhte Wirksamkeit der Steuerverwaltung erreicht werden kann. Sie ist weiter der Überzeugung, daß die hemmenden Einflüsse, die eine steuerliche Überlastung für unser Wirtschaftsleben im allgemeinen und für die Lösung der sozialpolitischen Aufgaben im besonderen bringt, nur auf diese Weise beseitigt werden können, daß also die Senkung der Tarife eine Stärkung unserer Wirtschaftskraft zur Folge haben wird, die genau so wie die bessere Steuerverwaltung und Steuererhebung zu einer Steigerung des Aufkommens in den nächsten Jahren beitragen wird. ({56}) Die Bundesregierung wird bereits in den nächsten Tagen den Gesetzentwurf, den sie dem Bundesrat und dem Bundestag mit größter Beschleunigung zuleiten wird, in seinen Einzelheiten beraten. Sie rechnet damit, daß der Ausfall an Einkommensteuer im Rechnungsjahr 1953/54 insgesamt für Bund und Länder auf etwa 950 Millionen DM zu veranschlagen sein wird. Wenn die Bundesregierung auch hofft, den Gesetzentwurf dem Bundesrat bereits in den ersten Tagen des Februar zuleiten zu können, nachdem die Ressortbesprechungen innerhalb des Kabinetts zu einer Einigung in allen wesentlichen Punkten bereits geführt haben, so muß sie sich doch dessen bewußt sein, daß die parlamentarische Beratung des Gesetzentwurfs die Monate Februar und März voll in Anspruch nehmen wird. Da zwischen der Verkündung des Gesetzes und seinem Vollzug für die Verwaltung ein bestimmter Zeitraum treten muß, um der Verwaltung die notwendige Zeit für die Einarbeitung zu geben, so kann leider als Tag des Inkrafttretens wahrscheinlich nicht, wie zunächst geplant, der 1. April 1953, sondern wohl nur der 1. Mai 1953 in Frage kommen. Technisch wird es möglich sein, zu diesem Termin, also in der Mitte des Steuerjahres, die Reform der Steuer durchzuführen und in Kraft zu setzen, da sich auf dem Gebiet der Lohnsteuer kaum Schwierigkeiten ergeben und auch auf dem Gebiet der veranlagten Einkommensteuer die Schwierigkeiten sich durch die Ausarbeitung bestimmter Übergangstabellen für das Steuerjahr überwinden lassen. Die Bundesregierung war sich der Bedenken bewußt, die sich gegen eine Steuerreform vorbringen lassen. Sie war sich bewußt, daß es wenige Monate vor der Wahl schwer ist, eine solche Steuerreform einer rein sachlichen Debatte zu unterstellen. ({57}) Sie hat sich zu der Steuerreform entschlossen, nicht weil Wahlen kommen, ({58}) sondern obwohl Wahlen kommen. Es könnte ein Halbgott wenige Monate vor Wahlen eine Steuerreform vorschlagen; sie wird im Wahleifer doch bekämpft und zerrissen werden. ({59}) Es wird der eine immer behaupten, daß der andere zu sehr und daß er zuwenig begünstigt wird; und es wird immer die Gefahr bestehen, daß man behauptet, die Bundesregierung gebe hier zuwenig und dort zuviel. Die Bundesregierung ist sich auch bewußt, daß Bedenken vorgetragen werden können mit Rücksicht auf die gesamte außenpolitische Situation. Man könnte sagen, daß die Verhandlungen um die Gestaltung des Verteidigungsbeitrags erschwert werden, wenn der ausländische Vertragspartner aus einer Senkung der Steuertarife eine falsche ({60}) Schlußfolgerung zieht. Die Bundesregierung verweist heute schon darauf, daß auch in den anderen Ländern die Sorgen um die steuerliche Belastung so groß und dringend geworden sind, daß der Wunsch nach einer steuerlichen Reform auch in der Öffentlichkeit aller anderen Länder immer wieder zum Ausdruck kommt, ({61}) und die Frage einer Einschränkung des öffentlichen Haushalts in Einnahmen und Ausgaben ist derzeit die Frage, die die Öffentlichkeit nicht nur in unseren europäischen Nachbarländern, sondern sogar in den reichen Vereinigten Staaten beschäftigt. Die Bundesregierung kann aber darauf verweisen, daß ihre Berechnungen über die Höhe der finanziellen Leistungskraft der Bundesrepublik, die der Beantwortung des NATO-Fragebogens sowohl wie der Festsetzung der Höhe des Verteidigungsbeitrags in dem Ihnen vorliegenden Bundeshaushalt 1953/54 zugrunde liegen, aufgestellt sind auf Grund der derzeit noch geltenden Steuergesetzgebung und daß in jenem Zeitpunkt der Aufstellung dieser Voranschläge die Einkommensteuerreform noch nicht zur Debatte stand. Diese Berechnungen und diese Vorschläge, die die Bundesregierung gemacht hat, bleiben aufrechterhalten. Das Ausland kann infolgedessen aus der geplanten Steuerreform nur d e n Schluß ziehen, daß sich die Bundesregierung bemüht, die deutsche Wirtschaft leistungsfähig zu machen für die Erfüllung der neuen Aufgaben, die im Zusammenhang mit den neuen Verträgen an sie herantreten werden und die eine Ausdehnung der deutschen Wirtschaftskapazität, eine Ausschöpfung der letzten deutschen Arbeitskraft und eine Rationalisierung der gesamten deutschen Wirtschaft zur Voraussetzung haben. Man könnte weiter die Bedenken erheben, daß es ja schon schwer gewesen ist, den Haushalt 1953/54 abzugleichen, und daß sich die Bundesregierung dagegen gewandt hat, daß der Bundesrat zur Vermeidung der Erhöhung des Bundesanteils an Einkommen- und Körperschaftsteuer von 37 auf 44 0/o vorgeschlagen hat, große Ausgabenposten des ordentlichen Haushalts in den außerordentlichen Haushalt zu übernehmen und damit auf Schulden zu verweisen. Ich habe den Vorschlag des Bundesrates in meinen vorausgegangenen Ausführungen auch ablehnen müssen; aber, meine Damen und Herren, ich habe ihn ausdrücklich deshalb abgelehnt, weil es sich bei ihm um dauernde, jährlich immer wiederkehrende und sogar von Jahr zu Jahr steigende Ausgaben handelt, weil der Bundesrat mit diesem Vorschlag für die Dauer die Deckung dieser Ausgaben durch Schulden wollte und damit eine dauernde, lawinenartig anschwellende öffentliche Verschuldung eintreten würde. Das ist staatswirtschaftlich nicht zu verantworten. Bei dem Vorschlag der Bundesregierung bezüglich der Steuerreform handelt es sich um eine einmalige Inanspruchnahme von Kredit zur Deckung des Ausfalls. Dieser Ausfall wird mit Bestimmtheit durch bessere Steuererhebung und Wegfall von Steuervergünstigungen und mit größter Wahrscheinlichkeit durch die erhoffte Steigerung der deutschen Wirtschaftskraft und damit die Steigerung der Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers nicht nur ausgeglichen werden, sondern es wird sich auch ein Mehraufkommen in den nächsten Jahren ergeben, das die Abdeckung der vorübergehend aufgenommenen Schulden gewährleistet. Wenn ich über die Grundzüge der Reform und des Plans zur Deckung des Ausfalls zu Ihnen spreche, werden Siel sehen, daß ich den Vorschlag mache, daß zwar der Bund den Ausfall im ersten Jahr größtenteils auf sein Risiko übernimmt, aber gegen die Sicherung, daß das spätere Mehraufkommen in erster Linie auch dem Bund wieder zufließt, damit er die in dieser Übergangszeit von ihm aufgenommene Verschuldung auch wieder abtragen kann. Ich gebe zu, daß der Vorschlag der Bundesregierung Wagemut voraussetzt, aber ich bin der festen Überzeugung, daß ohne diesen Wagemut, wenn die Bundesregierung nichts unternähme, unser Steuersystem auf die Dauer krank und immer weniger erfolgreich wäre ({62}) und sich dann für die Wirtschaft dauernd steigend schädlich auswirkte. Ich habe das Beispiel der Gratwanderung schon gebracht. Ich habe betont, daß eine solche Gratwanderung ruhige Nerven, klares Auge und Trittsicherheit erfordert. Ich darf hinzusetzen, daß jede Gratwanderung auch Mut erfordert. ({63}) Die Bundesregierung hat die Gründe, die für eine Einkommensteuerreform sprechen, für zwingend erachtet. Ich darf die Gründe jetzt ganz kurz darlegen. Wie von mir bereits erwähnt, werden zur Zeit von Steuern und Sozialabgaben im Gebiet der deutschen Bundesrepublik rund 37 % des Bruttosozialprodukts in Anspruch genommen. 1913 waren das, wie erwähnt, nur 10 % und 1938 etwa 28,6 %. Diese Entwicklung hat internationale Ursachen - Ansteigen der öffentlichen Ausgaben und des öffentlichen Verwaltungsaufwandes überhaupt -, zur Zeit die allgemeine Ursache: Kampf um die Erhaltung des Friedens; sie hat in Deutschland auch noch besondere Ursachen, die Kriegsfolgen und die sich daraus ergebenden sozialen Lasten, das Schicksal der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, Wiederaufbau des zerstörten Gebiets. Diese Steuerlast macht es aber notwendig, daß der Staat in seiner Steuerpolitik die wirtschafts- und sozialpolitischen Auswirkungen besonders sorgfältig beachtet und den jeweiligen Verhältnissen anzupassen versucht. Eine Steuerpolitik um der Steuerpolitik willen, nach dem Grundsatz l'art pour l'art, ist unter diesen Verhältnissen unmöglich geworden. Diese wirtschaftlichen Verhältnisse können sich ändern, und sie werden sich gerade in solchen Zeiten rascher ändern. Die Steuerpolitik muß diesen Änderungen Rechnung tragen und kann deshalb nicht, wie es in den Zeiten gewesen ist, als die Steuerbelastung nur 10 % des Bruttosozialprodukts betrug und als die Wirtschaft in festen und ruhigen Bahnen verlief, die an sich wünschenswerte Stetigkeit behalten. Gerade die Einkommensteuer ist zwar ein besonders ergiebiges, aber auch besonders empfindliches Instrument der Steuerpolitik. Über das Anwachsen der Steuerlast durch die Einkommensteuer will ich Ihnen ganz kurz noch einige Zahlen geben, die nicht nach dem Nennwert, sondern nach der jeweiligen Kaufkraft des Einkommens berechnet sind. Im Jahre 1913 war, wie gesagt, die Belastung aus der Einkommen- und Körperschaftsteuer 23 Mark, im Jahre 1938 76 RM, 1952/53 aber 155 DM pro Kopf der Bevölkerung. ({64}) Ausgehend von den Einkommen, die der Kaufkraft entsprechend vergleichbar sind, möchte ich einen kurzen Überblick über die Entwicklung bei verschiedenen Einkommenschichten geben. In Kaufkraft gerechnet, war die tarifliche Belastung in Hundertsätzen des Einkommens für einen Verheirateten mit einem Kind bei einem Einkommen von 3000 Mark im Jahre 1926: 5,4 %, 1946: 5,4 %, 1952: 4,2 %; bei einem Einkommen von 9000 Mark 1926: 7,4 %, 1946: 13,6 %, 1952: 19,6 %; bei einem Einkommen von 24 000 Mark 1926: 10,7 %, 1946: 50,1 %, 1952: 35,7 %; bei einem Einkommen von '75 000 Mark 1926: 22,2 %, 1946: 76,3 %, 1952: 52,4 %; bei einem Einkommen von 200 000 Mark 1926: 32,1 %, 1946: 87,8 %, 1952: 70,1 %. Es darf gar keines Wortes, daß, wenn die Sätze des Jahres 1946, die in der Reichsmarkzeit unter ganz anderen Verhältnissen geschaffen worden sind, beibehalten worden wären, wenn die Einkommensteuerreform damals nicht zum Durchbruch gekommen wäre, unsere Wirtschaft überlastet und für die Erfüllung der Aufgaben, die ihr gestellt worden sind, unfähig gewesen wäre. Die Bundesregierung hat deshalb schon im Jahre 1950 die Verantwortung für die Senkung der Steuersätze übernommen. Aber auch in der Zwischenzeit ist eine weitere Veränderung der Kaufkraft erfolgt. Deshalb wirken sich die progressiven Sätze der Einkommensteuer heute anders und ungünstiger aus, als sie bei der damaligen Einkommensteuerreform vom Gesetzgeber gedacht gewesen sind. Es ist doch klar, daß dann, wenn ein Einkommen ziffernmäßig steigen muß, um angesichts einer gesunkenen Kaufkraft die gleiche Lebenshaltung wie früher zu gewähren, die Steuer infolge des Einrückens in die höheren Progressionsstufen sich viel härter auswirkt, als der Gesetzgeber beabsichtigt hatte. Es steht nun außer Zweifel, daß eine übermäßige Steuerbelastung die Steuermoral schwächt und daß der Steuerzahler alle Möglichkeiten ergreift, sich die Steuerlast zu erleichtern. Das Ausweichen in Betriebsunkosten ohne Rücksicht darauf, ob sie um des Betriebes willen wirklich notwendig sind, und insbesondere in solche, die in innerem Zusammenhang mit der Lebenshaltung des einzelnen stehen, wird immer stärker, ist volkswirtschaftlich gefährlich und schädigt naturgemäß das Steueraufkommen. Alle Versuche, die vom Gesetzgeber gemacht worden sind, diesem Übel entgegenzutreten, haben sich letzten Endes als unwirksam erwiesen. Es ist auch nicht zu bezweifeln, daß die erhöhten Steuerlasten eine Lähmung des Unternehmungsgeistes und des Unternehmerwillens zur Folge haben und daß sie in vielen Fällen eine ernste Gefahr für die notwendige Rationalisierung und den Ausbau der Betriebe bringen können. Wir haben auch alle erlebt, welch wichtige Rolle die Steuerlast auf dem Gebiet des Lohn- und Preismarktes spielt; ich brauche nur an den Sommer 1952 zu erinnern. Sie vermehrt die Unruhe auf dem Markt der Preise und Löhne. Steuerpolitisch muß ich auf einen Gesichtspunkt besonders hinweisen: Wenn die Steuerlast an der Grenze des Erträglichen ist, steht der Steuergesetzgeber unter dem politischen Druck und auch unter der wirtschaftlichen Notwendigkeit, immer mehr versteckte Subventionen auf dem Weg der Steuervergünstigung zu geben. Am Ende der Entwicklung steht nicht ein Volk, das die Steuerlast nach gleichen Grundsätzen trägt, wo also nur die Tatsache des Einkommens und des Gewinns der Maßstab für die Besteuerung ist, sondern es wird durch das Gestrüpp der Steuervergünstigungen eine Unzahl von Kategorien von Steuerzahlern geschaffen, die bei gleichem Einkommen verschieden zur Besteuerung herangezogen werden. Und es wird ein Gestrüpp von versteckten Subventionen durch Steuervergünstigungen geschaffen, die die Steuergesetzgebung in ihrer Auswirkung ungleichmäßig und ungerecht gestalten müssen. Wir sind durch die Zunahme der Steuervergünstigungen auf diesem Wege. Unsere Steuergesetzgebung wird zu kompliziert, zu unübersichtlich und auch zu ungerecht, wenn wir diesen Weg weitergehen. Die Bundesregierung hat sich gerade aus diesen Gründen entschlossen, einen anderen, neuen Weg vorzuschlagen, der gewiß das Endziel nicht auf einmal erreicht, der aber die Bahn zu diesem Endziel festlegt und Schritte vorwärts auf dieser Bahn bedeuten soll. Die Bundesregierung wird in dem Gesetzentwurf folgende grundsätzliche Regelungen - über die Einzelheiten werde ich bei Vorlage des Gesetzentwurfs zu berichten haben - vorschlagen. Erstens: Das System der Steuervergünstigungen und damit die verschiedenen Kategorien von Steuerzahlern soll grundsätzlich abgebaut werden. Zweitens: Die Anpassung des progressiven Systems unserer Einkommensteuer an die gesunkene Kaufkraft soll dadurch erreicht werden, daß eine allgemeine Senkung der Tarife vorgenommen wird. Im einzelnen wird demgemäß die Freigrenze erhöht. Die Erhöhung der Freigrenze erfolgt unter dem Familiengedanken. Die Freigrenze wird erhöht für den Ledigen von 750 auf 800 DM, ({65}) für die Ehefrau von 600 auf 800 DM ({66}) und für die Kinder, vom dritten Kind ab, auf 720 DM. Diese Erhöhung des Freibetrages für die Ehefrau und die Erhöhung der Freibeträge für die Kinder vom dritten Kind ab muß ein Äquivalent finden in dem Abbau der in sich unlogischen und ungerechten Vorschrift des § 43 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung. Diese Vorschrift entstand in der Zeit der Hitler-Regierung, als man ohne Rücksicht auf die Familie und das Familienleben die Frauen in die Munitionsfabriken führte. Die Bundesregierung gibt die Erhöhung des Freibetrages für a 11e Ehefrauen und will alle Ehefrauen grundsätzlich gleichstellen. Sie will die Benachteiligung der Mutter einer kinderreichen Familie, die ihre ganze Arbeitskraft der Familie und der Kindererziehung widmen muß, aufheben. Aus technischen Gründen läßt sich die künftig vorgesehene gemeinsame Veranlagung der Ehegatten auch bei Lohnsteuerpflichtigen nur im Wege der Veranlagung, also frühestens im Kalenderjahr 1954 für das Kalenderjahr 1953, durchführen. Sie läßt sich auch technisch .nur durchführen für Ehegatten, deren Einkommen zusammen 7200 DM übersteigt. Die Ehepaare mit einem kleineren, mit einem normalen Arbeitseinkommen werden infolgedessen überhaupt nicht betroffen. Wenn die Offentlichkeit das früher gewußt und gewürdigt hätte, wäre uns manche unnütze Aufregung, die in die Öffentlichkeit getragen worden ist, erspart geblieben. ({67}) ({68}) Gleichzeitig sollen die Tabelle B der veranlagten Einkommensteuer und die Tabelle C der Lohnsteuer, die für diese Einkommensschichten die Wirkung der Freigrenzen und Familienermäßigungen bisher eingeschränkt haben, künftig überhaupt wegfallen. Gerade durch diese drei Maßnahmen wird bei den kleinen Einkommensteuerzahlern eine neue beträchtliche Erleichterung der Steuerlast eintreten. Darüber hinaus sollen die Tarife durchschnittlich in allen Stufen um 15 0/o der bisherigen Steuerlast gesenkt werden. Da der jetzige Tarif sich treppenförmig aufbaut und der neue Tarif eine möglichst gleiche Steigerung bringen soll, kann diese Entlastung zwischen 13 und 17 % schwanken. Der höchste Steuersatz soll künftig 70 % sein. Demgegenüber sollen bestimmte Steuervergünstigungen sofort wegfallen oder sofort eingeschränkt werden. Sofort wegfallen sollen die Vergünstigungen nach § 32 b des Einkommensteuergesetzes, Wahl des Körperschaftsteuersatzes durch Personenunternehmen. Sie verlieren mit der Einführung des neuen Einkommensteuergesetzes ihre Bedeutung, weil der höchste Steuersatz, der sogenannte Plafond, in Zukunft 70 % beträgt. Ihr Fortfall ist besonders begrüßenswert, weil die Handhabung des § 32 b für die Verwaltung mit großen Schwierigkeiten verbunden war. Wegfallen sollen ferner die Bestimmungen der Zweiten Lohnabzugsverordnung vom 24. April 1952, die nur mehr in einem Teil der deutschen Bundesrepublik besteht und aus Gründen der Steuergleichstellung wegfallen muß und die völlig gegenstandslos wird, weil durch die Erhöhung der Freigrenzen ihre Wirksamkeit ohnehin verschwindet. Eingeschränkt werden mit sofortiger Wirkung außerdem die Bestimmungen des § 7 c, steuerfreie Darlehen und Zuschüsse für den Wohnungsbau, und des § 7 d, steuerfreie Darlehen und Zuschüsse für den Schiffsbau. Ich darf daran erinnern, daß der Bundesrat den dringenden Wunsch nach sofortiger Einschränkung dieser Bestimmungen in seiner Stellungnahme zum Haushaltsgesetz und zum Gesetz über § 7 f bereits zum Ausdruck gebracht hat. Auf diesen Gebieten sind zweifellos schon starke Mißbräuche vorgekommen. Solche Darlehen und Zuschüsse wurden häufig durch Inserate geworben. Sie wurden dann aber dem Wohnungsbau vielfach erst auf Umwegen zugeführt und zunächst zu anderen Finanzierungszwecken verwendet; dabei machten die zwischengeschalteten Stellen ihre Zinsgewinne. Andererseits gibt es sogar nicht wenige Fälle, in denen der steuerbegünstigte Geldgeber sich den Gegenwert des hingegebenen Darlehens im Kreditwege wieder beschafft hat und die Steuervergünstigung genossen hat. Durch die neue Fassung der Bestimmungen sollen derartige Mißbräuche unmöglich gemacht werden. Es ist überdies beabsichtigt, Höchstgrenzen einzuführen, die eine übermäßige Begünstigung einzelner durch die Inanspruchnahme der §§ 7 c und 7 d unmöglich machen. Neu gefaßt werden sollen auch die Bestimmungen über den Begriff der Betriebsausgaben. Die Spesenverordnung, die sich nur auf einen sehr engen Ausschnitt der Betriebsausgaben - nämlich die Bewirtung von Geschäftsfreunden - bezog, soll wieder aufgehoben werden. An ihre Stelle soll eine Neufassung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes treten, die es ganz allgemein verhindert, daß der Begriff Betriebsausgaben zum Schaden der deutschen Volkswirtschaft falsch angewandt wird. Es ist nicht beabsichtigt, etwa die bereits bestehenden Veranlagungsrichtlinien nach dieser Richtung zu ändern. Sie genügen vollkommen, wenn sie von der Verwaltung wirklich auch in allen Fällen angewandt werden. Diese Neufassung des § 4 Abs. 4 soll der Rechtsprechung die Unterlage geben, um auf diesem Gebiet klarere Richtlinien - auch in Zweifelsfällen - künftig an die Verwaltung geben zu können. Im übrigen hofft die Bundesregierung, daß schon die Senkung der Tarife allein und die als ihre Folge sich ergebende Tatsache, daß der Steuerzahler künftig einen größeren Teil unnötiger Aufwendungen aus eigener Kasse bezahlen muß, als das bisher der Fall war, dazu führt, daß das Spesenunwesen an Bedeutung verliert. Mit Wirkung vom 1. Januar 1955 sollen sodann alle Steuervergünstigungen wegfallen, für die nur eine zeitbedingte Berechtigung besteht. Das gilt für die nur durch zeitbedingte soziale Gründe verursachten Bestimmungen des § 33 a des Einkommensteuergesetzes, Freibeträge für Flüchtlinge, Vertriebene und Verfolgte„ und des damit zusammenhängenden § 33 Abs. 2, Freibeträge für Beschaffung von Hausrat. Wir müssen hoffen, daß das große ethische Ziel, das sich die Gesetzgebung über den Lastenausgleich gestellt hat, im Jahre 1955, zehn Jahre nach dem Kriegsende, im wesentlichen erreicht ist und daß die Eingliederung dieses Bevölkerungsteils in die deutsche Wirtschaft im großen und ganzen vollzogen ist, so daß wir dann wieder ein Volk geworden sind und unter gleichen Wettbewerbsbedingungen im Wirtschaftsleben einander gegenüberstehen. Zeitbedingt sind auch die Förderungsmaßnahmen zugunsten von Investitionen, die ihrer Natur nach von der Privatwirtschaft erfüllt werden sollten, unter den gegebenen Zeitumständen aber nicht von ihr erfüllt werden konnten und die deshalb der Staat treffen mußte, sei es in Form unmittelbarer Hilfeleistungen, sei es in Form mittelbarer Hilfeleistungen im Wege von Steuervergünstigungen. Das letztere gilt für die Bestimmungen der §§ 7 c, 7 d Abs. 2 und 10 Abs. 1 Ziffer 2 Buchstaben c und d des Einkommensteuergesetzes, also für die Steuervergünstigungen für Aufwendungen zur Förderung des Wohnungsbaus und des Schiffsbaus sowie für Aufwendungen zum Ersterwerb von Genossenschaftsanteilen und für Beiträge auf Grund anderer Kapitalansammlungsverträge. Diese Steuervergünstigungen waren berechtigt, solange es einen Kapitalmarkt nicht gab. Wir haben das Kapitalmarktförderungsgesetz geschaffen, und es soll gelegentlich dieser Einkommensteuerreform insoweit noch ausgebaut werden, als der alte Gedanke wieder aufgegriffen wird, den Körperschaftsteuersatz für ausgeschüttete Gewinne von 60 auf 40 % zu senken. Durch diese Maßnahme soll ein Anreiz geschaffen werden, auch an die Inhaber von Dividendenpapieren Erträge auszuschütten. Wenn der Aktienmarkt bisher nicht die Entwicklung nehmen konnte, die volkswirtschaftlich wünschenswert gewesen wäre, so hatte dies seinen Grund vor allem darin, daß die Aktionäre in den letzten Jahren Erträge aus ihrem Aktienbesitz kaum erhalten haben. Wenn sie künftig mit Erträgen rechnen können, wird der Aktienmarkt gesunden. Eine Beschränkung dieser Ermäßigung des Steuersatzes auf Aktiengesellschaften, die Dividenden von weniger als 6 % ausschütten, ist nicht beabsichtigt. Ob eine solche Beschränkung für GmbH({69}) Anteile eingeführt werden muß, da hier sonst unerwünschte Folgen - Familien-GmbH - eintreten können, ist noch offen. Die Senkung der Körperschaftsteuer für den ausgeschütteten Gewinn bedeutet zugleich auch eine fühlbare Steuerentlastung für die Körperschaften selbst; sie sichert ihnen eine erhöhte Freizügigkeit in ihrer Finanzgebarung. Alle diese Maßnahmen zusammengenommen verfolgen, wie ich schon betont habe, das Ziel, unsere Einkommensteuergesetzgebung zu gesunden und nach einer Zeit des Risikos wieder ertragreich und hoffentlich in höherem Maße ertragreich als bisher zu gestalten. Die Bundesregierung will den Ruf, daß sie keine Maßnahme unternimmt, die die Währung oder die finanzielle Stabilität gefährdet, nicht verlieren. Sie hat unter diesem Gesichtspunkt den gesamten Plan genau überlegt. Sie wird gleichzeitig mit dem Gesetzentwurf entsprechende Maßnahmen vorschlagen. Die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer fließen heute zu 37 % dem Bund, zu 63 % den Ländern zu. Es war beabsichtigt und ist im Haushaltsgesetz vorgeschlagen, den Bundesanteil von 37 auf 44 % zu erhöhen. Nach Überzeugung der Bundesregierung könnte jedoch diese Erhöhung des Bundesanteils gleichzeitig mit der Senkung des Aufkommens an Einkommen- und Körperschaftsteuer im Rechnungsjahr 1953/54 von den Ländern nicht getragen werden. Die Bundesregierung wird daher vorschlagen, die Erhöhung des Bundesanteils statt auf 44 % auf nur 40 % vorzunehmen. Der Bundeshaushalt übernimmt also für dieses Jahr den Ausfall, der durch diese Minderung des vorgeschlagenen Beteiligungssatzes für ihn eintritt. Die Bundesregierung ist sich bewußt, daß die Anspannung der Länderfinanzen in einzelnen Ländern leichter, in anderen Ländern aber vielleicht nur schwer tragbar sein wird. Sie ist deshalb bereit, den 40%igen Bundeszugriff durch Rücküberweisungen an die Länder den finanzschwachen Ländern tragbar zu machen. Diese Zuschüsse sollen den Ländern, die mit Vertriebenenlasten und infolgedessen wegen der größeren Zahl der Schulkinder auch mit Schullasten überbürdet sind, helfen. Dadurch wird der zu vermutende Ausfall an Einkommensteuer in Höhe von rund 950 Millionen DM voll auf den Bundeshaushalt zugunsten der Länder im großen und ganzen übernommen. Das Inanspruchnahmegesetz soll infolgedessen nach dieser Richtung geändert und für die Jahre 1953 und 1954 festgelegt werden. Wenn der Bundeshaushalt aber dieses Risiko des Jahres 1953/54 übernimmt, muß er auch die Möglichkeit haben, aus dem von uns erhofften Mehraufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer im nächsten Jahr und in den folgenden Jahren bereits die aufgenommene Schuld abzutragen. Es wird deshalb in das Inanspruchnahmegesetz eine Bestimmung eingefügt werden, wonach dem Bund bis zur Höhe des von ihm in diesem Jahr übernommenen Risikos ein höherer Anteil am Mehraufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer über die auf Grund der Einkommensteuerreform und der jetzigen Verhältnisse angenommene Schätzungssumme hinaus und damit die Mittel zur Abtragung der übernommenen Schuld zufließen sollen. Bei dieser Gelegenheit halte ich mich für verpflichtet, zu dem Thema Bundesanteil eine grundsätzliche Bemerkung zu machen. Es wird vielfach ein Gegensatz zwischen Bund und Ländern konstruiert. Es wird vielfach so betrachtet, als ob der Bund, wenn er einen Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Anspruch nimmt, den Ländern etwas wegnehme. Diese Betrachtungsweise ist grundsätzlich falsch. Der Bundeshaushalt ist ganz überwiegend ein Gemeinschaftshaushalt der deutschen Länder. ({70}) Lassen Sie mich das begründen! Versetzen Sie sich in das Jahr 1949 zurück, als der Bund noch nicht bestand! Damals mußten die Länder all die großen Ausgaben, die heute fast 90 % des Bundeshaushalts ausmachen, nämlich Besatzungskosten und Sozialausgaben aller Art, aus ihren eigenen Einkommen bezahlen. Dieses Einkommen fiel dabei sehr häufig nicht da an, wo der Verbraucher die Steuern bezahlte, sondern da, wo aus steuertechnischen Gründen die Steuer erhoben wurde. Beispiel: Zölle und Tabaksteuer, die natürlich in den Städten der Einfuhrhäfen anfielen, dann Eisen, Stahl und Kohle, die die Steuereinnahmen im Erzeugungsgebiet bringen, aber vom Verbraucher des ganzen jetzigen deutschen Bundesgebiets letzten Endes getragen werden. Unter diesen Umständen wäre es gerade für diejenigen Länder, die agrarischen Charakter tragen und deshalb finanzschwächer sind und die sehr häufig gleichzeitig die Kriegslasten in besonderem Maße trugen, weil sich bei ihnen Besatzungstruppen häuften oder die Zahl der Heimatvertriebenen außerordentlich hoch war, ganz unmöglich gewesen, diese Lasten zu tragen. Es wäre unter den deutschen Ländern ein ganz verschiedenes Lebensniveau eingetreten. Wir hätten arme Gebiete neben reichen Gebieten gehabt. Der Bund hat nun eine Ausgleichsfunktion übernommen, indem er diese Einnahmen, die letzten Endes doch von der Bevölkerung der gesamten Bundesrepublik getragen werden, ebenso gleichmäßig verteilt, wie er die Ausgabenlasten den Ländern gleichmäßig erleichtert. Ich möchte ganz kurz ein paar Zahlen geben. Dabei beschränke ich mich ausdrücklich auf den Bundeshaushalt, bemerke aber, daß sich dasselbe Bild ergibt, wenn ich auf der einen Seite Soforthilfeabgabe und Leistungen aus dem Lastenausgleichsfonds, auf der anderen Seite Sozialversicherungsbeiträge und Leistungen der Sozialversicherungsanstalten nehme. Die Aufstellung für den Bundeshaushalt ergibt, daß z. B. die Länder Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Bayern aus der Bundeskasse bedeutend höhere Beträge erhalten, als in diesen Ländern an Bundessteuern aller Art einschließlich Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer anfällt. ({71}) Was diesen Ländern insgesamt mehr zufließt, als in den Ländern an Bundessteuern und Bundesanteil aufkommt, beträgt insgesamt über 3550 Millionen DM. Es erhalten - ich nenne runde Zahlen - Schleswig-Holstein mehr 230 Millionen DM, Niedersachsen mehr 550 Millionen DM, Hessen mehr 820 Millionen DM, ({72}) Rheinland-Pfalz mehr 940 Mililonen DM, Baden-Württemberg mehr 370 Millionen DM, Bayern mehr 640 Millionen DM. ({73}) Die Zahlen für 1953 werden zugunsten dieser Länder vorausichtlich noch höher sein. Es bedarf keines Wortes, daß ohne diese Ausgleichsfunktion des Bundes ein sozialer Frieden im Bundesgebiet gar nicht bestehen und daß das Wirtschaftsleben im Bundesgebiet gar nicht aufrechterhalten werden könnte. Es würden sich aus den verschiedenen Lebensniveaus der einzelnen Länder Gegensätze entwickeln, die die Einheit und den inneren Zusammenhalt des gesamten deutschen Volkes innerhalb der Bundesrepublik gefährden müßten. ({74}) Ich möchte deshab an alle Kreise in der Bundesrepublik den Appell richten, bei der Beurteilung der Maßnahmen, die der Bund treffen muß, auch diesen Gesichtspunkt ja nicht zu vergessen. ({75}) Ich darf nun wieder auf meine Ausführungen zurückkommen. Ich habe darüber gesprochen, wie im Wege des Inanspruchnahmegesetzes die Folgerungen aus der Senkung und Reform der Einkommensteuer gezogen werden sollen und wie das Risiko, das der Bund auf sich nimmt, auch durch das Inanspruchnahmegesetz wieder abgegolten werden soll. Außerdem muß natürlich vermieden werden, daß infolge des übernommenen Risikos sich auch ein Risiko für die Kassenlage des Bundes ergibt. Es war schon seit längerer Zeit daran gedacht, den Kreditplafond, der dem Bundesfinanzminister bei der Bank deutscher Länder durch Gesetz eingeräumt ist, zu erhöhen. Es gibt sehr wenige Länder, in denen überhaupt ein gesetzlicher Kreditplafond besteht. Die Bundesregierung hat diesem Kreditplafond aus innerer Überzeugung zugestimmt, weil der Sparer wissen soll, daß der öffentlichen Hand für die Inanspruchnahme von Kassenkrediten Grenzen gesetzt sind, Grenzen, die jede Gefährdung der Währung ausschließen, Grenzen, die aber auch vernünftig sein müssen. An diesem Grundsatz hält die Bundesregierung auch heute fest. Bei einem Gesamtvolumen des Haushalts von 25 Milliarden DM ist aber ein Kreditplafond von 1,5 Milliarden DM zu gering. Er deckt nur den durchschnittlichen Ausgabenbedarf von zwei bis drei Wochen. Jeder Privatbetrieb, der gesund und sicher arbeiten will, muß über einen Betriebsmittelkredit für einen längeren Zeitraum verfügen. Die Bundesregierung schlägt daher die Erhöhung des Kreditplafonds auf 2500 Millionen DM, also auf etwa 10 % der Etatsumme vor. Sie bleibt damit bestimmt in den Grenzen, die vom Standpunkt einer gesunden Währungspolitik und einer gesunden, sparsamen Haushaltspolitik aus gezogen werden müssen. Meine Damen und Herren! Damit habe ich Ihnen die Grundzüge der geplanten Einkommensteuerreform bekanntgegeben. Ich darf abschließend sagen: Aus rein sachlichen Gründen, aus Gründen, die sie für zwingend hält, macht die Bundesregierung diesen Vorschlag und wird dem Bundestag bei der Haushaltsberatung vorschlagen, die entsprechenden Änderungen des Haushaltsvoranschlags vorzunehmen. Aber gerade weil sie hofft, durch diesen Vorschlag zur Gesundung und Stärkung der deutschen Wirtschaft beizutragen und ihr in Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere ihrer sozialpolitischen Aufgaben, Hilfe zu geben, muß die Bundesregierung darauf verweisen, daß in diesem großen Entschluß auch ein Wagnis enthalten ist, ein Wagnis, das nur dann getragen werden kann, wenn es nicht unvermutet und unnötig dadurch erhöht wird, daß über die Grenzen, die sich die Bundesregierung bei diesem Projekt gesetzt hat und setzen mußte, hinausgegangen wird, und wenn nicht Haushaltsverschlechterungen eintreten, die untragbar sind. Der Bundesfinanzminister übernimmt eine persönliche Verantwortung. ({76}) Ich bitte daher, Verständnis dafür zu haben, wenn er erklärt, die Mahnung zur Sparsamkeit und die Mahnung, weitere Haushaltsverschlechterungen zu vermeiden, gelte doppelt von der Stunde an, in der das Hohe Haus dem Vorschlag der Bundesregierung beigetreten ist. Meine Damen und Herren, ich darf schließen mit meinem Beispiel von der Gratwanderung. Sie erfordert, wie gesagt, ruhige Nerven, klares Auge und Wagemut. Ihr Ziel aber ist, den leuchtenden Gipfel zu erreichen. Dieser Gipfel heißt für uns: Salus rei publicae, d. h. das Wohl des deutschen Volkes. Der alte Bergsteigerspruch heißt: Excelsior - Empor zum Gipfel! Die Bundesregierung glaubt, daß sie einen Schritt vorwärts tut, empor zum Wohle des deutschen Volkes. ({77})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Zu dem Punkte 2 f) hat das Wort als Berichterstatter Herr Abgeordneter Naegel. Naegel ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Anbetracht der wichtigen Vorschläge, die der Herr Finanzminister uns eben unterbreitet hat, ist das, was ich zu berichten habe, nicht von so großer Bedeutung. Wären aber die Wirkungen am Kapitalmarkt, die er in Aussicht gestellt hat, bereits früher eingetreten, dann hätten wir uns mit dem Thema Investitionshilfe der deutschen Wirtschaft überhaupt nicht zu beschäftigen brauchen. Es handelt sich sachlich um die Beratung der Anträge Drucksachen Nr. 3863 und Nr. 3805. die hier in der 237. Sitzung des Deutschen Bundestages dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen worden waren. Bei Behandlung des Problems, ob man die dritte und vierte Rate der Investitionshilfe aufheben sollte, kamen wir zunächst dahin überein, daß man versuchen sollte, die Stundungsmöglichkeiten bzw. die Verlängerung der Zahlungstermine für die dritte Rate bis zum 22. Januar 1953 anzustreben und die materielle Behandlung des Antrages Drucksache Nr. 3805 zurückzustellen. Nach eingehender Behandlung des Problems in Gegenwart des Bundeswirtschaftsministers und der Vertreter der Ministerien für Wirtschaft und Finanzen sind wir dahin übereingekommen - auch mit Zustimmung der anwesenden Antragsteller -, den Antrag Drucksache Nr. 3863 als erledigt anzusehen, weil das Finanzministerium die Zusage gegeben hat, Anweisung zu erteilen, daß die Stundungsmöglichkeiten für die dritte Rate bis zum 22. Januar 1953 in großzügiger Weise ohne Anhören der bisher üblichen Stundungsausschüsse gewährt werden sollten. Der Ausschuß hat dieser Regelung zugestimmt. Ich bitte das Hohe Haus, in gleicher Weise zu verfahren.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen nun zu Punkt 2 g) der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({0}) betreffend Erhöhung der Dienstbezüge um 20 v. H. ({1}). Herr Abgeordneter Pannenbecker! Pannenbecker ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat bei Einbringung des Haushaltsplans für 1953/54 soeben eine Anzahl von Maßnahmen aufgezählt, die zugunsten der Beamtenbesoldung durchgeführt worden sind. Leider haben alle diese Maßnahmen - Notmaßnahmen kann man sie nur nennen - nicht hingereicht, um die schlechte materielle Lage der Beamten zu beseitigen. Wir betrachten die getroffenen Maßnahmen insofern als beendet, als sie mit Schluß des Kalenderjahres 1952 abschließen. Wir bezwecken mit unserem Antrag, daß neue Maßnahmen ab 1. Januar 1953, nicht später, getroffen werden. Meine Damen und Herren, unser Antrag fordert die Erhöhung der Gesamtbezüge der Beamten, übrigens auch der Angestellten des öffentlichen Dienstes, um 20 %. Ich sage: der Gesamtbezüge um 20 %, also nicht nur des Grundgehalts. Insbesondere wünschen wir auch die Einbeziehung der Kinderzuschläge in diese Teuerungszulage von 20 %, damit die kinderreichen Familien nicht wieder leer ausgehen. Werden nur die Grundgehälter berücksichtigt, dann handelt es sich nicht um 20 % vom Gesamteinkommen, sondern nur um rund 16 %; und wird die erste Teuerungszulage von 20 %, die wir hinter uns haben, nicht mit einbezogen, so bleibt nur eine neue Teuerungszulage von 13 %. Es wird zugegeben werden müssen, daß eine solche Teuerungszulage in keiner Weise den berechtigten Forderungen der Beamtenschaft entspricht. Ich beantrage die Überweisung unseres Antrages an den Beamtenrechtsausschuß. ({3})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Zur Begründung des Punktes 2 h): Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({0}) betreffend Vorlage des Gesetzentwurfs über die Gewährung einer ruhegehaltfähigen Zulage an Richter ({1}), hat das Wort Herr Abgeordneter Pannenbecker. Pannenbecker ({2}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Nach Art. 98 des Grundgesetzes bedarf die Rechtsstellung der Richter einer besonderen gesetzlichen Regelung. Die generelle Regelung kann aber nicht abgewartet werden. Mit der generellen Regelung steht die besoldungsmäßige Heraushebung des Richterstandes im Zusammenhang. Der vom Bundesrat verabschiedete Gesetzentwurf, auf den sich der Antrag meiner Fraktion stützt, zielt auf eine Teilaufbesserung der Richtergehälter - die Staatsanwälte selbstverständlich eingeschlossen - ab. Dazu bedarf es der bundesgesetzlichen Ermächtigung. Ich beantrage, den Antrag ebenfalls dem Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen. ({3})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Damit, meine Damen und Herren, sind die Begründung des Haushaltsgesetzes, die zusätzlichen Gesetzentwürfe, der Bericht über den Gesetzentwurf zur Änderung des Investitionshilfegesetzes und die beiden Anträge zu Punkt 2 g) und 2 h) erledigt. Nach den Vorschlägen des Ältestenrates soll die Aussprache zu Punkt 2 der Tagesordnung erst in der Sitzung von morgen stattfinden. Damit ist also Punkt 2 der Tagesordnung für heute erledigt. Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung der Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Parteipolitische Propaganda auf Kosten der Bundespost ({0}). Für die Begründung sind 15 Minuten, für die Aussprache 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme an, daß wir mit der uns gesetzten Zeitgrenze trotzdem auskommen werden. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Cramer. Cramer ({1}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Präsidentenkonferenzen der Deutschen Bundespost sind zweifellos eine nützliche Sache, nützlich einmal für die Verwaltung selbst, um diese einheitlich zu gestalten, nützlich für die Herren Präsidenten, die auf solchen Konferenzen Anregungen bekommen, Erfahrungen austauschen und evtl. auch persönliche Beziehungen zu ihren Kollegen pflegen können. Nützlich und notwendig sind solche Konferenzen auch, um Probleme des Post- und Telegraphenwesens im Kreise derjenigen zu besprechen, die aus der Praxis kommen und alle diese Dinge in die Praxis umzusetzen haben. Auf solchen Konferenzen können selbstverständlich auch verwaltungsfremde Kapazitäten, seien es Theoretiker oder Praktiker des Post- und Fernmeldewesens oder ähnliche Persönlichkeiten, zu Wort kommen. Niemand hat auch etwas dagegen einzuwenden, daß diese Konferenzen nicht immer an ein und demselben Ort stattfinden, sondern hübsch der Reihe nach in allen Teilen der Bundesrepublik, mal im Norden, mal im Süden. Es ist ebenfalls eine zu begrüßende Übung der Deutschen Bundespost, daß an diesen Präsidentenkonferenzen die Vertreter der übrigen europäischen Länder, soweit sie die Post- und Telegraphenverwaltung vertreten, teilnehmen. Sicherlich gewinnen diese Konferenzen dadurch an Wert. Aber all das, was ich bisher an Positivem gesagt habe, gilt nur, wenn auf diesen Konferenzen auch wirkliche Probleme des Post- und Telegraphenwesens behandelt werden. Vielleicht ist es in der Vergangenheit immer der Fall gewesen; nicht aber war dies auf der September-Konferenz der Präsidenten in Flensburg der Fall. Was lag im September des vergangenen Jahres nach den ständigen Äußerungen des Herrn Bundespostministers über die immer bedrohlichere Finanzlage der Deutschen Bundespost näher, als gerade über dieses Thema und über die damals in der Offentlichkeit sosehr diskutierte und stark propagierte Erhöhung der Gebührensätze zu sprechen? Die Öffentlichkeit war über die drohende Erhöhung der Gebührensätze sehr stark beunruhigt. Ich weiß, daß die Herren Präsidenten der Oberpostdirektionen sehr oft in die Diskussion eingreifen mußten, um die Offentlichkeit zu beruhigen. Sie hätten es also sicherlich begrüßt, wenn ihnen das Ministerium auf dieser Konferenz freimütig erklärt hätte, was in der Frage der Gebührenerhöhung geschehen solle. Statt ({2}) dessen zählte man damals im Bundespostministerium an den Knöpfen ab, ob eine Gebührenerhöhung kommen solle oder nicht. Inzwischen scheinen die Knöpfe alle geworden zu sein; denn zur Zeit ist von einer Gebührenerhöhung nicht mehr die Rede. Nun, auf der Konferenz in Flensburg erschienen auch Herren der Post- und Telegraphenverwaltungen der skandinavischen Länder. ({3}) - Sicher war das wunderbar. Ich habe ja vorhin gesagt, es sei zu begrüßen, daß Vertreter anderer europäischer Länder an diesen Konferenzen teilnehmen. ({4}) - Aber sicher, Herr Winkelheide, sind diese Herren deswegen erschienen, weil sie auf dem Gebiet des Post- und Telegraphenwesens etwas erfahren wollten. Sicherlich sind sie nicht wegen der Hauptthemen, die auf dieser Tagung nachher wirklich zur Debatte gestanden haben, erschienen. Wir freuen uns über die Initiative, die der Bundespostminister in der Frage der Anbahnung einer europäischen Postunion entwickelt; aber über diese Dinge wurde in Flensburg ja nur am Rande gesprochen. Kein Hauptthema beschäftigte sich mit der Frage der Schaffung einer europäischen Postunion. Postalische und fernmeldetechnische Fragen wurden in Flensburg, wie gesagt, nur am Rande behandelt. Die wichtigsten Themen gruppierten sich um den Generalvertrag und den EVG-Vertrag. Auf der Konferenz sprachen Herr Professor Grewe vom Auswärtigen Amt und Herr Freiherr von dem Bussehe von der Dienststelle Blank. Dazwischen lag ein Referat des Herrn Professor Dr. Franzel von der Staatsbibliothek in München. Dieser sprach über die Problematik der jüngsten deutschen Geschichte von 1848 bis 1950. Die beiden Regierungsbeamten erblickten entsprechend ihrer Sendung ihre Aufgabe selbstverständlich darin, die noch nicht ratifizierten Verträge, den sogenannten Generalvertrag und den EVG-Vertrag, als die einzige Möglichkeit zur Einigung Europas darzustellen und damit die Europapolitik der Regierung Adenauer den in- und ausländischen Gästen - und darüber werden die Herren aus den skandinavischen Ländern bestimmt nicht erfreut gewesen sein - ({5}) - Was die nordischen Vertreter dazu zu sagen hatten, steht leider nicht in dem schönen Heft, in dem über diese ganze Frage so eingehend berichtet worden ist; aber wir wissen ja, daß die nordischen Länder eine andere Europapolitik betreiben und ihre eigenen Auffassungen darüber haben. Ich bin also der Meinung, daß diese Herren von dem, was ihnen dort geboten wurde, nicht so sehr befriedigt waren. Nun aber etwas anderes. Was mögen die Vertreter der übrigen europäischen Länder über das Deutschland der Vergangenheit gedacht haben, als sie die Ausführungen des Herrn Professor Dr. Franzel mit anhören mußten? Ich will nur eine Stelle aus seinem Referat herausgreifen, weil diese für die Geschichtsauffassung des Herrn Professor Dr. Franzel so typisch ist: Die Schlacken, die übrigbleiben. - damit meint er - und das sagt er auch wörtlich - die Heimkehrer von 1918 verstehen nicht, was geschehen ist. Gewiß, sie haben nicht für das Deutschland Wilhelms II. gekämpft, sie wollten etwas Neues, ein anderes Reich, eine andere Gesellschaft. Sie hatten für einen Traum gestritten und geblutet. Die bürgerliche Republik der Gewerkschaftssekretäre -- Herr Winkelheide, ich glaube, Sie sind auch einer! das war aber das letzte, was ihnen vorschwebte. Sie waren empört, daß die Daheimgebliebenen; während draußen der Krieg zu Ende ging, eine „Revolution" gemacht und das Ihre in die Scheuern gebracht hatten und den Männern aus den Schützengräben nun den Bettelsack umhingen. Das ist der Kern der Dolchstoßlegende, die als kriegsgeschichtliche und politische These ein Unsinn ist, die aber einen moralischen Tatbestand umschreibt, wenn sie der Heimat vorwarf, ohne die kämpfende Front, ja gegen deren Willen, die Karikatur eines freien Staates und einer demokratischen Gesellschaft errichtet zu haben. ({6}) Für eine Konterrevolution war aber die ausgeblutete Generation der Frontkämpfer zu schwach. Es fehlte ihr auch ein Bild dessen, was sie eigentlich verwirklichen wollte. So entstand die konservative Revolution als ein geistiges Ereignis, ein Versuch zur Klärung. Meine Damen und Herren, geht eine solche Schilderung nicht wirklich an der Zeit und an dem tatsächlichen Zustand der Zeit nach 1918 vorbei, und streift eine solche Darstellung nicht haarscharf die Dolchstoßlegende selbst? Es ist hier nicht der Ort und auch nicht die Zeit dazu, mit Herrn Professor Dr. Franzel zu diskutieren. Aber ich meine, auch die Präsidentenkonferenz in Flensburg war nicht der richtige Ort, solche Themen zu behandeln, wenn nicht den Teilnehmern die Gelegenheit geboten wird, ihre ablehnende Meinung dazu zum Ausdruck zu bringen. ({7}) Die Herren Präsidenten müssen, ob sie damit einverstanden sind oder nicht, sich solche Vorträge anhören, ohne dazu etwas sagen zu können. ({8}) Wir meinen, die Zeiten sind längst vorbei, wo die Beamten staatspolitisch ausgerichtet werden müßten. ({9}) Ihre fachliche Weiterbildung mag die Behörde durchführen, in diesem Fall das Bundespostministerium. Die Ausrichtung in Fragen, in denen jeder einzelne sich mit seinem Ja oder Nein politisch selbst entscheiden muß, ist nicht die Aufgabe eines Ministeriums. ({10}) Die Beamten sollten sich auch selbst gegen eine solche geistige Bevormundung zur Wehr setzen. ({11}) Staat und Partei sind heute nicht mehr ein und dasselbe, aber Staat und Regierungskoalition auch nicht. ({12}) Herr Bundespostminister, bringen Sie doch Ihre Beamten nicht in solche Gewissenskonflikte! Weil wir der Meinung sind, daß mindestens diese Präsidentenkonferenz in Flensburg nicht den postalischen Notwendigkeiten gedient hat, fragen wir die Bundesregierung: 1. Billigt sie die auf dieser Veranstaltung zum Ausdruck gebrachte Einheit von Staat und Regierungsparteien? 2. Hält auch die Bundesregierung die Dolchstoßlegende für die Umschreibung eines moralischen Tatbestandes und die Weimarer Republik für die Karikatur eines freien Staates? 3. Welche Kosten hat die Tagung verursacht, insbesondere welche Beträge sind an die Redner ausgezahlt worden? 4. Welche Aufwendungen sind durch das Sonderheft Nr. 21 vom 30. Oktober 1952 der Zeitschrift für das Post- und Fernmeldewesen entstanden? ({13})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.

Dr. - Ing. e. h. Hans Schuberth (Minister:in)

Politiker ID: 11002089

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich nach Möglichkeit auf die Beantwortung der vorgelegten Fragen beschränken. Die erste Frage kann ich nicht schlechthin so beantworten, wie sie gestellt ist. Denn ich muß gestehen, daß der Bundespostminister in seiner bekannten politischen Unbefangenheit ({0}) angenommen hat, daß es in seiner Exekutivgewalt stehe, ob er Präsidentenkonferenzen einberufen darf, ob er dazu Ausländer einladen darf, ob er dabei Vorträge halten lassen darf, die vornehmlich dazu ausgerichtet sind, bei einer solchen repräsentativen Veranstaltung, die einmal im Jahr stattfindet, den Gedanken einer europäischen Föderation, eines europäischen Postdienstes und einer europäischen Postadministration klarzulegen. Das ist, glaube ich, legal. Ich glaube, daß ein Minister des Kabinetts Adenauer berechtigt sein muß, dort die Richtlinien der europäischen Politik, die gesamte europäische Gesinnung und Haltung klarlegen zu lassen. Weiter war es nichts. Es liegt mir völlig fern, etwa irgendwie einen Gesinnungszwang auf meine Präsidenten auszuüben. Dafür sind sie alle mindestens schon zu alt geworden. ({1}) - Ich bin noch nicht ganz fertig. Sie wissen vielleicht auch, daß ich eine Akademie gegründet habe und überbezirkliche Lehrgänge, wo auch keine gesinnungsmäßige Ausrichtung stattfindet, sondern wo eben prominente Geistesmänner Deutschlands, auch Politiker, z. B. Herr Professor Carlo Schmid und Herr Schoettle, sprechen, daß dort nichts von gesinnungsmäßiger Ausrichtung geboten wird, sondern die Möglichkeit, sich an dem Gebotenen zu unterrichten, damit man als Staatsbürger zu irgendeiner Haltung kommt. Meine Damen und Herren, vielleicht ist es Ihnen nicht so geläufig wie mir, einem alten Beamten, was die Weimarer Republik da versäumt hat. ({2}) Sie hat versäumt, ihre Beamten in ein rechtes Verhältnis zu ihrem Staat zu bringen, ({3}) und ich fühle mich verpflichtet, für meinen Teil das nachzuholen. Ich fühle mich verpflichtet, für den europäischen Gedanken, soweit es möglich ist, nicht nur in meinem Ressort zu wirken ({4}) und alle Gelegenheiten, diesen europäischen Gedanken zu fördern, zu ergreifen. Das ist der Sinn dieser Konferenzen, und ich kann Sie versichern: die nordischen Herren waren sehr angetan von diesen Vorträgen, die nicht etwa Werbevorträge, sondern sachliche Darstellungen waren - wenn Sie sich vielleicht einmal in dieses Heft vertiefen möchten. ({5}) Nichts anderes ist geschehen. Niemand kann einem Politiker verwehren, daß er solche Konferenzen mit einem allgemeinen Thema macht. Selbstverständlich finden darüber hinaus Gespräche und Fühlungnahmen über postalische und fernmeldetechnische Themata statt. Ich kann Sie versichern, daß ich mit dem norwegischen Telegraphenchef sehr ernste Gespräche geführt habe, z. B. über die Verlegung eines transatlantischen Telephonkabels. Also wissen Sie, das wird dort auch gemacht. ({6}) - Die Frage 1 kann ich deshalb schon gar nicht beantworten, ({7}) weil ich die Bundesregierung gar nicht gefragt habe, sondern gemeint habe, ({8}) daß das in meine Zuständigkeit fällt. ({9}) Ich beantworte die Frage 2 bezüglich der Dolchstoßlegende. Ich muß sagen, ich habe diese Bemerkung nicht gehört. Der Vortrag ist nachher dem Vortragenden zur Redigierung zugeleitet worden, und er hat es vielleicht nachträglich hineingebracht. ({10}) Im übrigen übe ich bei den Rednern, die von mir ausgewählt werden, keine Vorzensur aus. Franz e 1 hat wahrscheinlich das einzige und das beste Buch geschrieben, das es bisher über die Geschichte Deutschlands von 1870 bis 1950 gibt. ({11}) Es ist ganz selbstverständlich, daß, wenn man über europäische Post- und Telegraphenverwaltung spricht, man ein Klima für europäische Gedanken schafft. Es ist Ihnen, meine Herren von der SPD, nicht eingefallen, etwa die Aachener Konferenz, auf der Franzosen, Belgier, Niederländer und Lu({12}) xemburger diskutiert haben und auch nicht immer über postalische Fragen gesprochen worden ist, sondern z. B. von Herrn Hallstein über die Montan-Union, irgendwie zu kritisieren. Da hat kein Mensch irgendeinen Anstand genommen. Die gesamte Presse Norwegens, Schwedens, Finnlands und Dänemarks hat diese Konferenz in Flensburg ausgezeichnet beurteilt, ebenso die deutsche Presse, mit einer einzigen Ausnahme allerdings. Natürlich wird sich die Bundesregierung mit einer solchen Erklärung eines Wissenschaftlers nicht identifizieren. Die Frage 2 ist deshalb zu verneinen. Bezüglich der Kosten kann ich Ihnen genau sagen: die Konferenz hat einschließlich der Honorare für die drei Redner 7851,59 DM gekostet. Dabei sind rund 60 Gäste, die Gäste aus dem Lande dort, 31 inländische, 11 ausländische Gäste und 14 Gäste von Presse und Rundfunk drei Tage lang untergebracht und verpflegt worden. Außerdem sind dabei Führungen, Werbefilmvorführungen usw. Honorare, wenn Sie das noch wissen wollen, betragen 750 DM für die drei Herren. 20 000 Exemplare der „Zeitschrift für das Post- und Fernmeldewesen" kosten 15 360 DM; genau so viel kostet die normale Nummer. Ich glaube, damit sind die Fragen beantwortet. ({13})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Die Interpellation ist beantwortet. Ich frage das Haus, ob eine Aussprache gewünscht wird. ({0}) Ich bitte diejenigen, die für eine Aussprache sind, die Hand zu heben. - Das ist die erforderliche Zahl; dann findet eine Aussprache statt. Der Ältestenrat hat 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an. Wer wünscht das Wort? - Das Wort hat der Abgeordnete Cramer.

Johann Cramer (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000340, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dieser Form der Beantwortung können wir uns natürlich nicht zufriedengeben, ({0}) obwohl wir wissen, daß man vielleicht vom Bundespostminister keine andere Auskunft bekommen kann, wenigstens nicht über die Fragen 1 und 2; denn er hat ja erklärt, er habe diese Konferenz in völliger politischer Unbefangenheit veranstaltet. Folglich können wir von ihm nicht die Antwort verlangen, die wir gerne gehabt hätten. Auf der anderen Seite stellen wir fest, daß der Herr Postminister gar nicht so unpolitisch ist; denn in einer Versammlung in Duisburg am 3. November 1952 hat er erklärt: Die Opposition hat ihr eigenes Verhältnis; wir werden in Zukunft gegen alle Vorlagen der SPD, gleich welchen Inhalts, vorgehen. Das sollte dann ein unpolitischer Minister auch nicht sagen. Wenn wir nun rachsüchtig wären, Herr Bundespostminister, ({1}) würden wir Ihnen wahrscheinlich in diesem Augenblick, wo es darauf ankommt, Ihrer Bundespostverwaltung ein Fundament in Form des Bundesverwaltungsgesetzes zu geben, nicht so an die Hand gehen, wie wir das tun. Wir tun es aber, weil es in unserem eigenen Interesse liegt, eine Bundespostverwaltung zu schaffen, die wirklich eine zentrale Verwaltung darstellt, ungehindert durch Hemmnisse und Schwierigkeiten, die die Föderalisten hier hineinbauen möchten. Nun noch eins. Der Herr Bundespostminister hat darauf hingewiesen, daß in der Akademie auch, sagen wir einmal, Vertreter anderer Auffassungen sprechen. Schön, aber dort ist ja auch die Möglichkeit, mit diesen Referenten über ihr Thema zu reden. Da können ja auch die Ändersgesinnten ihre Meinung zum Ausdruck bringen, was auf den Präsidentenkonferenzen nicht der Fall ist. Die Erklärung, Herr Minister, daß Sie in dem Vortrag des Herrn Professor Dr. Franzel den Hinweis auf die Dolchstoßlegende nicht gehört haben, entschuldigt Sie zwar persönlich, ({2}) sie ist aber kein Grund dafür, daß wir uns nun damit zufriedengeben. ({3}) Sie haben weiter gesagt, außer den Kosten, die wir, wie schon erwähnt, von unserem Standpunkt aus nicht für gerechtfertigt halten, seien 750 DM Honorare gezahlt worden. Es wäre interessant, wenigstens bei Gelegenheit einmal zu erfahren, ob auch die Beamten der anderen Ministerien, also des Auswärtigen Amts und der Dienststelle Blank, wenn sie auf einer solchen Konferenz sprechen, Honorar bekommen. Wir sind der Auffassung, wenn sie sich schon Bereitfinden, die „Stimme ihres Herrn" dort ertönen zu lassen, dann sollten sie es auch ohne Honorar tun. Wir sprechen noch einmal unser Bedauern aus, daß die anderen Fraktionen des Hauses glauben, ihre Meinung hier nicht vortragen zu müssen. Wir werden in Zukunft über diese Dinge sehr genau wachen und werden bei jeder Gelegenheit wiederum dazu Stellung nehmen. ({4})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Walter.

Albert Walter (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002420, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin geneigt, auszurufen: Lieber Kollege Cramer, you have done it! Sie haben es getan! Da haben Sie nun das, was der Bundespostminister dort oben in Flensburg organisierte, zum Gegenstand einer Großen Anfrage gemacht und haben sich in einige Widersprüche verwickelt. So recht haben Sie uns nicht klarmachen können, warum Sie denn nun eigentlich gegen die Tagung in Flensburg sind. ({0}) - Nein, das ist aus den Ausführungen des Kollegen Cramer zumindest nicht zu entnehmen gewesen. Er hat die hohen Unkosten dieser Tagung bemängelt, die das Bundespostministerium da veranstaltet hat. ({1}) - Ich werde sogleich darauf zu sprechen kommen. Jedenfalls hat sich Kollege Cramer zunächst auf ({2}) die hohen Unkosten gestürzt. Da möchte ich doch warnend sagen: wir wollen lieber die Finger davon lassen, College Cramer, sonst könnten wir, was die Berechnung der Unkosten der Konferenzen anlangt, zu sehr unliebsamen Erörterungen gezwungen sein. ({3}) Nun aber zu der Dolchstoßlegende. Das, was der Redner, Herr Dr. Franzel, sich zu sagen erlaubt hat, soll eine Wiederholung der Dolchstoßlegende sein. Der diskriminierende Satz aus der Rede lautet: Die bürgerliche Republik der Gewerkschaftssekretäre wollte die Heimkehrer von 1918 nicht. Na, wenn das so diskriminierend ist, Herr Kollege Cramer, dann, muß ich sagen, gibt es wirklich andere Auslassungen und Ausführungen, die mit einer Dolchstoßlegende mehr Ähnlichkeit haben als dieser lapidare Satz des Redners, der doch sicher noch etwas anderes gesagt hat, als was Sie in dem einen Satz hier wiedergegeben haben. ({4}) - Sie haben vor allen Dingen den einen Satz hier zitiert; das übrige, was Sie aus dem Absatz hier zum besten gaben, war inhaltlich nicht wertvoller als das, was in diesem von Ihnen wiedergegebenen Satz steht. Und dann, lieber Kollege Cramer, haben Sie gesagt: Die Zeiten sind vorbei, in denen man die Beamten staatspolitisch ausrichten kann und ausrichten soll. Nun, ich weiß nicht, ob Sie überall der gleichen Meinung sind. Wollen wir uns einmal darüber unterhalten, was man in dem Musterländle Hessen für notwendig hält: den Beamten zu sagen, wie sie sich staatspolitisch auszurichten haben? Wollen wir uns mal darüber unterhalten, was in dem von Ihren Parteifreunden regierten Land Niedersachsen Usus ist, um die Staatsbeamten an den Staatsgedanken heranzubringen? ({5}) Wir könnten da mit viel Material aufwarten, was Ihnen nicht angenehm in den Ohren klingen würde; darauf können Sie sich verlassen. ({6}) Wollen wir uns auf diese Ebene begeben angesichts einer so selbstverständlichen und so einfachen Sache, wie es die Konferenz ist, die das Postministerium in Flensburg veranstaltet hat? Sie haben weiter gesagt, Kollege Cramer, die nordischen Besucher hätten erwartet, auf dieser Konferenz etwas über den europäischen Einheitsgedanken zu hören. Nun, die Konferenz hat auch den europäischen Einheitsgedanken erörtert. Aber da ist es wiederum der Kollege Cramer, der dagegen wettert und behauptet, man habe den europäischen Einheitsgedanken dort falsch interpretiert, nämlich im Zusammenhang mit den Verträgen. Ja, im Zusammenhang mit den Verträgen läßt sich über die europäische Einheit und den Einheitsgedanken wirklich etwas sagen. Kollege Cramer, ich möchte Ihnen in aller Freundschaft raten, sich erst einmal bei Ihren eigenen Freunden zu erkundigen, ob der Gedanke der Einheit Europas so beiseite gestellt werden darf, daß sich das Postministerium nicht auch auf den Konferenzen damit befassen könnte. Ich glaube, wir haben dem Postminister dafür zu danken, daß diese Fragen in aller Öffentlichkeit auf der Konferenz in Flensburg behandelt wurden. ({7}) Wir sollten nicht jeden Anlaß suchen, um eine Kritik am Postminister zu üben. Das ist meine Meinung zu den Dingen. ({8})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hübner.

Karl Hübner (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000973, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß es doch als sehr verfehlt ansehen, wenn man in einer Präsidentenkonferenz etwa ein politisches Aktionsfeld erkennen möchte. Jeder in diesem Hohen Hause kennt wohl die sehr dankenswerten Bemühungen des Herrn Bundespostministers, das europäische Postwesen aus seiner nationalstaatlichen Enge herauszuheben. Auf dem Wege der Verwirklichung dieser europäischen Zielsetzung bilden die Begegnungen zwischen den Vertretern westeuropäischer Postverwaltungen eine Gelegenheit, sich über die bevorstehenden europäischen Zusammenschlüsse auf anderen Gebieten zu unterhalten, sich mit ihnen vertraut zu machen und die Punkte besonders zu besprechen, die ihr eigenes Fachgebiet in diesem Rahmen berühren. Was erscheint also verständlicher, als daß in diese Aussprachen Referate über allgemeine Fragen der europäischen Politik eingeflochten werden? ({0}) - Ja, das haben Sie letzten Endes doch getan! ({1}) - Entschuldigen Sie, ich gehe im übrigen mit Ihnen durchaus darin einig, daß die Auffassungen, die Herr Professor Franzel in einzelnen Darlegungen und Wendungen gebracht hat, nicht widerspruchslos hinzunehmen sind. ({2}) Ich denke dabei z. B. an die mir erkünstelt erscheinende Deutung oder historische Bewertung des liberalen Faktors in der geschichtlichen Entwicklung Europas. Aber überschätzen Sie doch bitte nicht die Reichweite dieses Referats und unterschätzen Sie auch vor allen Dingen nicht die eigene Urteilskraft der Hörer und der Leser. Im übrigen wurden doch auf dieser Konferenz auch andere Referate gehalten, die sehr verständige Sätze und Ausführungen brachten, die man nur anerkennen kann. Aber lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch auf etwas anderes eingehen. Die Besorgnis der SPD, daß etwa einseitige politische Gesichtspunkte in die Verwaltung hineingetragen werden könnten, erfüllt mich an sich mit Befriedigung. Denn es zeigt sich schon dann und wann die Gefahr einer unerwünschten Einschwemmung in den Betrieb und auch einer Konservierung derartiger Einschwemmungen. Aber das geschieht dann doch auf andere Weise und auch von anderer Seite. Ich denke dabei z. B. an die Hartnäckigkeit, mit der die SPD in der Berliner Post eine kommunistische ({3}) Betriebsvereinbarung, die erstmalig 1946 zwischen kommunistischen Organen abgeschlossen worden ist, bis auf den heutigen Tag Buchstabe für Buchstabe aufrechterhalten möchte. ({4}) Ich erinnere Sie daran, daß die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus noch vor wenigen Wochen durch eine Kampfabstimmung die Rücknahme der inzwischen erfolgten Kündigung dieser Betriebsvereinbarung erzwingen wollte. Wenn hier in einem kommunistischen Instrument eine politische Lösung der SPD anerkannt werden soll, dann möchte ich doch feststellen, daß jene Aussprachen zwischen den Leitern europäischer Postverwaltungen einen dankenswerten Beitrag zur europäischen Entwicklung darstellen, daß aber eine kommunistische Betriebsvereinbarung keine europäische Leistung ist. ({5})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000047, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nehmen Sie einmal an, daß eine Landesregierung auf den Gedanken käme, gelegentlich einer der Konferenzen, die sie z. B. für ihre Gerichtspräsidenten regelmäßig zu veranstalten pflegt, drei Redner auftreten zu lassen: zunächst einen Professor, der dartut - und zwar ohne Diskussion -, daß die streitigen Westverträge verfassungswidrig sind; zweitens einen Historiker, der dartut, daß durch diese Verträge die deutsche Einheit restlos zerstört werde; und drittens noch einen Redner, der dartut, daß dadurch die Sicherheit nicht erhöht, sondern verringert werde. Ich möchte nicht hören, was von Ihren Fraktionen aus im Landtag dieses Landes gesagt würde, ({0}) wenn eine Landesregierung Steuergeld vergeudete, um den Gerichtspräsidenten ohne Diskussion solche Vorträge halten zu lassen. Sie tun ja nur so, als oh Sie nie t begriffen, worum es hier geht! ({1}) Um irgendeine Diskussion des Europagedankens, um irgendein Heranbringen der Beamten an den demokratischen Staat hat es sich doch dabei gar nicht gehandelt. Es hat sich doch vielmehr darum gedreht, hier für eine bestimmte, sehr streitige Regierungspolitik auf Kosten der Steuerzahler eine einseitige Propaganda zu machen. ({2}) Das ist die Vereinigung von Regierungskoalition und Staat, wie Sie es ja dauernd zu tun belieben. Das ist doch das, was hier mit Recht angegriffen wird. So ist z. B. das Gesetz über den Schumanplan nach erheblichem Streit inzwischen verabschiedet worden. Es ist heute Gesetz, auch für die Opposition. Es ist daher auch die Pflicht einer Regierung, ihre Beamten etwa über das, was „Schumanplan" bedeutet und was in dem Gesetz steht, zu unterrichten, auch auf Tagungen. Darüber könnte gar kein Streit sein. Aber diese Westverträge sind nicht Gesetz; sie sind vielmehr nur Gesetzentwürfe und Vertragsentwürfe und Gegenstand eines heftigen politischen Meinungsstreits. Es ist nicht die Aufgabe einer Bundesverwaltung, ihre Beamten in diesen Meinungsstreit hineinzuziehen und ihnen einseitige Belehrungen zugunsten der Regierungspolitik erteilen zu lassen. Das aber ist das, was hier geschehen ist und was durchaus demokratiezerstörend und staatszerstörend wirkt, da Sie Ihre Koalition immer mit dem Staate gleichsetzen. Wenn der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen kein Gefühl dafür hat, dann sollte er nicht Bundesminister sein. Das ist das, was wir dazu zu sagen haben. Noch ein letztes Wort. Ein Mitglied dieses Hauses pflegt draußen darüber Reden zu halten, daß es einen bedauerlichen Mangel an Staatsgefühl in Deutschland gebe. In dieser Erkenntnis stimmen wir leider mit ihm überein. Aber solange sich die Regierungskoalition und ihre Minister mit dem Staat identifizieren und glauben, sie könnten ihre parteipolitische Auffassung über solche Konferenzen auf Kosten der Steuerzahler durchsetzen, wird es auch in Deutschland kein neues Staatsgefühl geben! ({3})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Stücklen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was hat denn der Herr Postminister bei der Präsidentenkonferenz in Flensburg getan? Er hat das getan, was der Herr Kollege Erler bei der Debatte über den Wehrbeitrag - d. h. über den Deutschland-Vertrag und den EVG-Vertrag - der Bundesregierung vorgeworfen .hat. Er hat gesagt, die Bundesregierung habe es versäumt, diese Verträge dem Volk näherzubringen. ({0}) - Lesen Sie das bitte nach! ({1}) - Sie können das nachlesen, auch Sie, Herr Renner! ({2}) Genau das hat der Postminister getan. Er hat diese Verträge, die wir nicht als parteipolitische Angelegenheit betrachten, sondern als eine staatspolitische Angelegenheit, in dieser Konferenz in Flensburg behandelt. ({3}) - Das ist kein Witz, und Ihr Zwischenruf ist kein Witz! ({4}) Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie daran zweifeln, dann lesen Sie Herrn Erlers Rede nach, und Sie werden dann selbst zu der Erkenntnis kommen, wie sie Herr Erler hier ausgesprochen hat. Ich möchte hier nur feststellen, daß der Vorwurf, die Bundesregierung, d. h. das Bundespostministerium, habe auf Kosten der Steuerzahler parteipolitische Propaganda getrieben, falsch ist; denn was die Vertreter der Bundesregierung, wie die Vertreter des Amtes Blank und ({5}) andere Regierungsvertreter, in dieser Konferenz getan haben, hat mit Parteipolitik nichts zu tun. ({6}) Wenn Sie einzelne Ausführungen des Herrn Dr. Franzel von München beanstanden, so ist das Ihr gutes Recht. Aber wie Herr Bundespostminister hier erklärt hat, hat er diese Rede ja nicht einer Vorzensur unterzogen. ({7}) Wenn Sie weiter fragen, was an Steuergeldern dafür aufgewendet worden ist, so können Sie sich einstweilen darauf vorbereiten, daß vielleicht auch an dieser Stelle einmal die Frage aufgeworfen wird, was Herr Ministerpräsident Kopf für seine diplomatische Veranstaltung der Saujagd im Gehege Springe aufwendet. ({8})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Meine Damen und Herren, trotz der zahlreichen Zwischenrufe muß ich feststellen, daß keine Wortmeldungen mehr vorliegen. Infolgedessen ist die Aussprache geschlossen. Eine Abstimmung kommt nicht in Frage. Wegen der vorgesehenen Fraktionssitzungen, die sich mit der Vorbereitung der morgigen Finanzdebatte beschäftigen, sollen wir bis 14 Uhr Schluß machen. Unter diesen Umständen hat es keinen Zweck mehr, den Punkt 4, für den allein 120 Minuten im Ältestenrat vorgesehen sind, ohne daß dabei die Begründung der Regierung eingerechnet ist, aufzurufen. Ich darf Sie benachrichtigen, daß der Ausschuß für Wirtschaftspolitik und der Ausschuß für Verkehrswesen heute nachmittag die vorgesehenen Sitzungen nicht abhalten werden. Die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung können wir wohl noch kurz erledigen, weil da keinerlei Debatte notwendig ist. Ich rufe zunächst Punkt 5 auf: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({0}). ({1}) - Es wird gewünscht, den Antrag Drucksache Nr. 4002 auch an den Postausschuß zu überweisen. Ich glaube, das Haus ist auch damit einverstanden. Ich darf also die Zustimmung des Hauses zu der Überweisung von Anträgen auf Umdruck Nr. 747 feststellen. Punkt 6: Beratung der Übersicht Nr. 4 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({2}). Auch da darf ich die Zustimmung des Hauses feststellen. Es bleibt also von der heutigen Tagesordnung zurückgestellt der Punkt 4 a und b. Damit sind wir am Schluß der heutigen Tagesordnung. Die nächste, die 248. Sitzung des Deutschen Bundestages findet am Donnerstag, dem 29. Januar 1953, 13.30 Uhr, statt. Die 247. Sitzung ist geschlossen.