Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 244. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Müller ({0}), Schriftführer: Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Becker ({1}), Dr. Bartram ({2}), Dr. Ott, Rademacher, Frau Arnold, Dr. Semler, Dr. Bucerius und Reimann.
Meine Damen und Herren, ich darf mich zunächst der Aufgabe entledigen, der Frau Abgeordneten Arnold, die nicht anwesend ist, zu ihrem heutigen 70. Geburtstag und dem Herrn Abgeordneten Dr. Kneipp zu seinem heutigen 68. Geburtstag herzliche Glückwünsche auszusprechen.
({0})
Die Tatsache, daß wir erst vom 60. Geburtstag an Notiz nehmen, verhindert mich, weitere Glückwünsche, die am heutigen Tage fällig wären, auszusprechen und etwa den Geburtstag des Herrn Abgeordneten Schüttler besonders zu erwähnen. Ich werde das aber persönlich nachholen.
({1})
Ich darf aber vielleicht bereits im voraus, da wir zum letztenmal vor den Ferien versammelt sind, wie wir doch hoffen, der Tatsache gedenken, daß der Herr Abgeordnete Löbe, unser verehrter Alterspräsident, am 14. Dezember 77 Jahre alt wird.
({2})
Ich habe zunächst folgende Mitteilungen zu machen. In der 39. Sitzung des Deutschen Bundestages am 16. Februar 1950 ist gemäß Beschluß zu Drucksache Nr. 487 u. a. von der Bundesregierung die vierteljährliche Vorlage eines Berichts über den Anteil der Frauen im öffentlichen Dienst bei der Bundesverwaltung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung verlangt worden. Der Ausschuß hat sich auf Anregung des Herrn Bundesministers des Innern mit einer jährlichen Berichterstattung einverstanden erklärt, wenn dieser Bericht jeweils zum Zeitpunkt der Haushaltsberatungen vorgelegt wird. Ich darf mich nach der Besprechung im Ältestenrat vergewissern, daß das Haus mit dieser Regelung einverstanden ist. - Das ist offenbar der Fall.
Dann ist vorgeschlagen worden, heute auf die Tagesordnung zu setzen die Zweite und Dritte Beratung des von den Abgeordneten Arndgen, Richter, Dr. Hammer, Walter, Willenberg und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten sowie über die Erhöhung der Renten in der knappschaftlichen Rentenversicherung ({3}), Nr. 3927 der Drucksachen. Der Mündliche Bericht des Haushaltsausschusses wird von Herrn Abgeordneten Arndgen erstattet werden. Das entspricht der Vereinbarung, die wir getroffen haben. - Sie sind mit der Tatsache der Unterbringung auf der heutigen Tagesordnung einverstanden.
({4})
- Zu einem geeigneten Zeitpunkt, Herr Kollege Arndgen. Ich glaube, wir haben noch einige Veränderungen. Ich denke, ich würde es als Punkt 2 der Tagesordnung einfügen.
Dann hat die Fraktion der SPD gebeten, die Punkte 9 a und b heute von der Tagesordnung abzusetzen. Das ist das Gesetz über die Besteuerung des Branntweins und das Gesetz über die Monopolbewirtschaftung des Branntweins. Darf ich annehmen, daß das Haus mit dieser Absetzung einver- standen ist?
({5})
- Herr Abgeordneter Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Das Haus wartet seit Monaten auf diese Vorlage der Regierung, und die Ausschüsse, denen bereits eine entsprechende Vorlage der SPD zum gleichen Gegenstand vorliegt, sind in ihrer Arbeit gehindert. Wir rechneten damit, daß heute die erste Lesung, wenn auch vielleicht ohne Begründung und ohne Debatte, über die Bühne geht, damit der Finanzausschuß in der Lage ist, in den zwei ersten Wochen des Januar dieses Gesetz zuzüglich des von der SPD vor Monaten eingebrachten Gesetzes zu beraten.
({0})
Ich möchte deswegen bitten, daß das Gesetz auf der Tagesordnung, auf die es bereits gesetzt ist, verbleibt.
Meine Damen und Herren, das ist nicht möglich. Sie werden inzwischen bemerkt haben, daß Ihnen die Gesetzentwürfe noch nicht einmal vorliegen.
({0})
Die Ursache dafür liegt nicht beim Bundestag. Die Gesetzentwürfe sind uns zu einem Zeitpunkt zugegangen, in dem ich bestenfalls sicherstellen konnte, daß sie bei Beginn der Sitzung verteilt werden. Das ist noch nicht geschehen. Wenn widersprochen wird, vermag ich angesichts der Nichtwahrung der Frist die Beratung dieser Gesetze nicht zu erreichen.
({1})
- Ich glaube also, daß ohne weitere Debatte, Herr Professor Gülich,
({2})
({3})
zweckmäßigerweise von dieser Tatsache Kenntnis genommen wird, die sich zwingend aus der Geschäftsordnung ergibt.
Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat gebeten, den Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Festsetzung einer Betriebsgrenze für ostwärts der deutsch-niederländischen Landesgrenze liegende Steinkohlenfelder vom 18. Januar 1952 ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten ({5}) ({6})
abzusetzen, und zwar mit Rücksicht auf die Tatsache, daß der Herr Berichterstatter heute nicht anwesend sein kann.
Sodann, meine Damen und Herren - wir sind noch nicht am Ende; wir haben die letzte Sitzung vor den Ferien, und darum muß der Fahrplan auf Weihnachtsumstände eingerichtet werden -, ist im Ältestenrat der Vorschlag gemacht worden, die
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge ({7}) ({8}); Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene ({9}) ({10})
heute nicht vorzunehmen, sondern die Vorlage an einige Ausschüsse zu überweisen, an die sie zum Teil noch nicht verwiesen war, da sich bei der Beratung in den Fraktionen offenbar erhebliche Fragen aufgeworfen haben.
Herr Abgeordneter Dr. Kather wünscht, dazu das Wort zu nehmen. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktionen sind sich darüber einig geworden, und es hat wohl auch im Ältestenrat Einmütigkeit darüber bestanden, daß das Gesetz heute nicht verhandelt werden soll. Ich bedaure das; denn wir hatten gehofft, es noch vor Weihnachten verabschieden zu können. Ich muß zugeben, daß erhebliche sachliche Schwierigkeiten bestehen. Es kann auch nicht darüber hinweggesehen werden, daß die Vorlage den Abgeordneten des Hohen Hauses erst vorgestern zur Kenntnis gekommen ist. Es wird sich also, so schmerzlich das ist, nicht vermeiden lassen, daß wir heute nicht darüber verhandeln. Ich würde aber bitten, nur eine Vertagung und nicht eine Zurückverweisung an irgendwelche Ausschüsse zu beschließen. Das Gesetz war dem Ausschuß für Heimatvertriebene federführend und dem Ausschuß für innere Verwaltung zur Mitberatung überwiesen. Wir haben zur Beratung außerdem den Rechtsausschuß, den Finanzausschuß, den Landwirtschaftlichen Ausschuß, den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen und, ich glaube, noch irgendeinen Ausschuß
({0}) hinzugezogen.
Die Schwierigkeiten bestehen in der Hauptsache auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Bestimmungen dieses Gesetzes. Wir haben in dreitägigen Besprechungen die Schwierigkeiten bereits auszuräumen versucht. Das ist weitgehend, aber nicht
ganz gelungen. Es besteht durchaus die Möglichkeit, ja sogar die Aussicht, daß wir bis zum 21. Januar etwaige Schwierigkeiten durch interfraktionelle Aussprachen beseitigen können.
Ich bitte daher, nicht eine formelle Überweisung oder Rückverweisung an irgendwelche Ausschüsse vorzunehmen, sondern lediglich zu vertagen, damit inzwischen Gelegenheit ist, auf dem Wege, den ich angedeutet habe, zu einer Einigung zu kommen.
Meine Damen und Herren, ich darf - nur informatorisch - darauf hinweisen, daß mir nach der Vereinbarung im Ältestenrat die Fraktionen mitgeteilt haben, an welche Ausschüsse sie das Gesetz zurückverwiesen haben möchten. Das ist naturgemäß außer dem Vertriebenenausschuß als dem federführenden Ausschuß der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der gesamtdeutsche Ausschuß, der Ausschuß für Sozialpolitik und der Ausschuß für Wirtschaftspolitik.
({0})
- Frau Krahnstöver schlägt auch noch den Lastenausgleichsausschuß vor.
Herr Abgeordneter Arndgen zunächst!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus doch bitten, dem Antrag zuzustimmen, dieses Vertriebenengesetz den Ausschüssen zu überweisen, die der Herr Präsident genannt hat. Wenn ich die Dinge von der Sozialversicherung aus sehe, so muß ich sagen, es ist ganz unmöglich, dieses Gesetz zu verabschieden, ohne daß der Sozialpolitische Ausschuß sich damit beschäftigt hat, weil es sehr stark in die Sozialversicherungsbestimmungen eingreift.
Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Ich verzichte nach den Ausführungen des Herrn Kollegen Arndgen.
Herr Abgeordneter Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die sozialdemokratische Fraktion bedauert es lebhaft, daß es nicht möglich gewesen ist, das Gesetz noch vor Weihnachten zu verabschieden. Es sind eine Reihe von Überweisungsanträgen gestellt worden. Wir sind damit einverstanden, daß das Gesetz in der Zeit bis zur nächsten Plenarsitzung an einige Ausschüsse zurückgeht, damit wir bei der nächsten Plenarberatung wenigstens eine klare und sachliche Grundlage haben. Aber wir legen von unserer Fraktion unbedingten Wert darauf, daß das Flüchtlingsgesetz in der ersten Plenarsitzung des neuen Jahres beraten und möglichst verabschiedet wird. Aus diesem Grunde haben wir auch erhebliche Bedenken, daß der Entwurf - neben der Überweisung an den Gesamtdeutschen Ausschuß, den Sozialpolitischen Ausschuß, den Lastenausgleichsausschuß usw. - auch an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht geht. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht ist mit derartig vielen wichtigen Gesetzen nicht nur belastet, sondern überlastet, daß er einfach nicht in der Lage sein wird, bis Mitte Januar 1953 das Gesetz ordnungsmäßig zu beraten. Die
({0})
Überweisung würde bedeuten, daß wir diesen Gesetzentwurf wahrscheinlich nicht vor Februar oder März wiederbekommen.
Aus diesem Grunde bitten wir, von einer Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht abzusehen und gleichzeitig festzulegen, daß das Gesetz in den Sitzungen vom 21. oder 22. Januar 1953 wieder auf die Tagesordnung kommt.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag des Herrn Abgeordneten Dr. Menzel gehört. Ich würde Ihnen folgendes vorschlagen: federführend muß naturgemäß der Ausschuß für Vertriebene bleiben,
({0})
denn wir müssen ja eine ordnungsmäßige Zusammenfassung der Arbeit haben. Darf ich unterstellen, daß trotz der Bedenken, die Herr Abgeordneter Dr. Kather vorgetragen hat, eine Überweisung des Gesetzes - und zwar naturgemäß immer nur wegen der Teile, die sachlich die einzelnen Ausschüsse betreffen - an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gebilligt wird?
({1})
- Das ist offenbar der Fall.
Dann ist vorgeschlagen, den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen damit zu befassen.
({2})
- Also, meine Damen und Herren, da widersprochen wird, lasse ich abstimmen. Wer ist dafür, diesen Gesetzentwurf auch dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zu überweisen? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Ich darf nun nach der Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik fragen. Ist man damit einverstanden? Ich glaube, daß hier ein Hauptgewicht der Schwierigkeiten lag. Offenbar ist die Übereinstimmung darüber vorhanden.
({3})
- Also, stimmen wir ab; das erleichtert die Sache. Wer ist dafür, auch den Ausschuß für Sozialpolitik damit zu befassen? - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Dann Ausschuß für Wirtschaftspolitik!
({4})
- Das scheint mir nicht die überwiegende Meinung zu sein. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Das ist ,,ein"-stimmig abgelehnt.
({5})
- Gegen eine Stimme natürlich.
({6})
- Zwei; also ich bitte um Entschuldigung. Dann die Frage Rechtsausschuß!
({7})
- Also jedenfalls von mir aus nicht.
({8})
- Hat es gehabt!
({9})
- Also, daß der Rechtsausschuß das Gesetz beraten
hat, Herr Abgeordneter Dr. Müller, können Sie nicht bestreiten. Das ist nun ein Faktum, das aktenmäßig zu belegen ist; darüber brauchen wir uns nicht zu streiten.
Wer ist dafür, es nochmals dem Rechtsausschuß zu überweisen? - Das ist die Minderheit; die Überweisung ist nicht erfolgt.
({10}) - Herr Abgeordneter Struve!
Ich möchte das Hohe Haus darauf aufmerksam machen, daß die Unterrichtung falsch ist. Der landwirtschaftliche Teil ist dem Rechtsausschuß nicht überwiesen worden, und das ist der entscheidende Teil, bei dem die Schwierigkeiten entstehen. Ich bitte die Herren Mitglieder des Rechtsausschusses, auch den landwirtschaftlichen Teil zu überprüfen.
Erstens ist die Überweisung an den Rechtsausschuß abgelehnt worden. Wir können nicht zweimal über dasselbe abstimmen. Im übrigen ist nach meiner Erinnerung und, ich denke, auch nach der Erinnerung des Hauses nicht eine Teilüberweisung an den Rechtsausschuß, sonden eine Gesamtüberweisung an den Rechtsausschuß erfolgt.
({0})
- Herr Abgeordneter Kather hat vorgetragen, daß der Rechtsausschuß zumindest befaßt worden ist. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses bestätigt mir das. Nachdem die Abstimmung erfolgt ist, bedarf es wohl keiner weiteren Erörterung darüber.
Der Abgeordnete Dr. Menzel hat vorgeschlagen, die Beratung auf jeden Fall auf die Sitzung des 21. Januar zu legen. Ich würde Ihnen vorschlagen, darüber keinen Beschluß herbeizuführen. Wir haben die Möglichkeit, uns am 15. in der Sitzung des Ältestenrats darüber zu verständigen.
Frau Abgeordnete Krahnstöver hatte vorgeschlagen, das Gesetz auch dem Ausschuß für Lastenausgleich zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die für die Überweisung an den Lastenausgleichsausschuß sind, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; auch diese Überweisung ist erfolgt.
Zur Geschäftsordnung wollte Herr Abgeordneter Fisch das Wort nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der kommunistischen Fraktion
({0}) beantrage ich, gestützt auf § 26 Abs. 4 der Geschäftsordnung, die Absetzung der Punkte 12 bis 26 von der heutigen Tagesordnung.
({1})
Es handelt sich bei diesen Punkten um die Anträge auf Aufhebung der Immunität und Genehmigung zu Strafverfahren gegen neun kommunistische Abgeordnete. In den vorliegenden Anträgen stützt man sich auf die Behauptung, die kommunistischen Abgeordneten sollten vor Gericht gestellt werden, weil sie die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik gefährdeten.
({2})
Nach der politischen Entwicklung der letzten Zeit, insbesondere seit dem Eingriff der Bundesregierung in die Tätigkeit des Bundesverfassunggerichts, ist nachgewiesen, daß nicht die Kommunisten, sondern
({3})
die Bundesregierung die verfassungsmäßige Ordnung dieses Staates gefährdet.
({4})
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zur Sache zu sprechen, und nicht zu Dingen, die mit diesem Punkt nicht in Verbindung stehen!
Ich glaube, Herr Präsident, daß diese Dinge zur Sache gehören.
Ich rufe Sie das erste Mal zur Sache!
Seit gestern ist nachgewiesen, daß Recht und Gesetz beiseite geschoben werden,
({0})
wenn es darum geht, höhere, fremde Wünsche zu erfüllen.
({1})
In den vorliegenden Fällen liegen zwingende Gründe für die Annahme vor, daß die Methoden der Willkür und der Rechtsbeugung auch hier angewandt werden sollen,
({2})
um mit den kommunistischen Abgeordneten die gesamte Opposition gegen die Politik des Generalvertrags an der Ausübung ihrer Tätigkeit zu hindern. Der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Bundesanwalt G ü d e , hat vor kurzem verlauten lassen,
({3})
es sei beabsichtigt, die von den Verfahren betroffenen kommunistischen Abgeordneten unverzüglich nach Aufhebung ihrer Immunität zu verhaften.
({4})
Dieses Verfahren wäre eine grobe Verletzung des Grundgesetzes und der Geschäftsordnung dieses Hauses. Die kommunistischen Abgeordneten sollen daran gehindert werden, ihren Verpflichtungen gegenüber dem Volke
({5})
und gegenüber der Wählerschaft nachzukommen.
({6})
Uns scheint, daß dieses Verfahren insbesondere gewählt wird im Hinblick auf die noch ausstehende dritte Lesung des Generalvertrags und des EVG-Vertrags. Uns scheint, daß durch dieses Verfahren die dritte Lesung in unzulässiger Weise beeinflußt werden soll, daß eine für die Adenauer-Politik gefügige Mehrheit auf diese Weise zustande gebracht werden soll.
Aus diesen Gründen beantragen wir die Absetzung der genannten Punkte und ihre Vertagung bis nach der Abhaltung der dritten Lesung der Verträge.
({7})
Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zur Geschäftsordnung folgende Feststellung treffen. In den Fällen, in denen der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität mit Mehrheit die Aufhebung der Immunität der in Frage kommenden Abgeordneten der kommunistischen Gruppe beschlossen hat und dem Hohen Haus empfiehlt, handelt es sich ausnahmslos darum, daß die Immunität zum Zwecke der Strafverfolgung,
aber nicht zum Zwecke der Verhaftung oder eines Strafvollzugs aufgehoben werden soll. Es ist nicht möglich, daß - wenn das Haus nicht anders beschließt, als es der Ausschuß beschlossen hat - die Gefahr eintritt, von der der Herr Abgeordnete Fisch gesprochen hat, nämlich die Verhaftung wider den Willen des Parlaments.
({0})
Meine Damen und Herren, das Wort wird weiterhin nicht gewünscht. Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Fisch gehört. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Herrn Abgeordneten Fisch zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Da das Wort zur Tagesordnung nicht mehr gewünscht wird, kann ich den Punkt 1 der Tagesordnung aufrufen:
a) Mündliche Berichterstattung des Ausschusses für Petitionen ({0}) gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung;
b) Beratung der Ubersicht Nr. 60 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen
({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. von Golitschek. Bitte schön!
Dr. von Golitschek ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsprechend den Bestimmungen des § 113 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundestages habe ich heute den Auftrag, Ihnen einen mündlichen Vierteljahresbericht über die Tätigkeit des Petitionsausschusses zu geben. In den vorausgegangenen Berichten vom 20. März und vom 18. Juli 1952 haben bereits Frau Abgeordnete Albertz und Herr" Abgeordneter Kahn auf die Bedeutung des Petitionsrechtes hingewiesen als eines der wichtigsten Grundrechte des Staatsbürgers, des Rechtes, sich mit Bitten und Beschwerden an die Volksvertretung zu wenden.
In wie starkem Maße jeder Staatsbürger das Petitionsrecht als sein Recht empfindet, beweist besonders der Umstand, daß neben der Möglichkeit, sich mit Petitionen an die Länderparlamente zu wenden, bis zum Ende des Berichtsvierteljahres 20 000 Petitionen beim Bundestag eingegangen sind. Von diesen wurden bis zur Stunde über 80 % bearbeitet, eingehend beraten und dem Plenum zur Beschlußfassung vorgelegt. Nur die verschwindend kleine Anzahl von 1 % der Petitionen war wegen Form und Inhalt unbehandelbar.
Das Schwergewicht der Beratungen lag beim Petitionsausschuß selbst mit 51,7 % aller Petitionen, während auf die Fachausschüsse folgender Anteil entfällt: Ausschuß für Beamtenrecht 7%, Ausschuß für Sozialpolitik 3,38%, Ausschuß für Lastenausgleich 3,27 %, Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht 2,6 %, Ausschuß für Kriegsopfer 2,5 %, Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen 2,08 %, Ausschuß für Besatzungsstatut 1,5 %, Ausschuß für Wiederaufbau 1,3 % usw. Bereits diese Zahlen zeigen, auf welchen Gebieten das Petitionsrecht besonders in Anspruch genommen wurde. Noch deutlicher wird dies, wenn wir die beim Petitionsausschuß selbst beratenen Petitionen auf ihren Inhalt hin prüfen. Fast 10% betreffen die
({3})
Altersversorgung und das Rentenwesen, 8 % Fragen der Soforthilfe und des Lastenausgleichs, 8 % Beamtenansprüche, hauptsächlich gemäß Art. 131 des Grundgesetzes, und Pensionsansprüche, 7,5 % Unterstützungsfälle und Kreditfragen, 7 % Fragen der Arbeitsbeschaffung, 6,2 % sonstige soziale Notlagen.
Sie sehen, daß der Petitionsausschuß gerade mit der Frage der sozialen Not in allen ihren Erscheinungsformen am stärksten beschäftigt war. Wenn auch die Möglichkeit einer Abhilfe nicht in allen Fällen gegeben war, so hat es sich doch gezeigt, daß es durch Hinzuziehen von Sachverständigen aus den einzelnen Ministerien und Verwaltungen, aber auch aus Organisationen, in zahlreichen Fällen möglich wurde, mit nachhaltigem Erfolg zu helfen. Besonders möchte ich auch darauf hinweisen, daß die Zusammenarbeit mit den Parlamenten der Länder und den Länderministerien enger geworden ist.
Mit Besorgnis müssen wir jedoch feststellen, daß eine erschreckend hohe Zahl der Petitionen, nämlich fast 10 %, Beschwerde über Entscheidungen der Verwaltung führt bzw. um Verfahrensbeschleunigung bittet. In einer Anzahl von Fällen konnte dann im Rahmen der Beratungen festgestellt werden, daß solche Beschwerden voll berechtigt waren. So gaben die Petitionen den Ministerien direkten Anlaß, Mißstände in den einzelnen Dienststellen und nachgeordneten Behörden wirksam und nachhaltig abzustellen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Petition Nr. 16/160 aus Bergisch-Gladbäch hinweisen, die berechtigte Beschwerde führte, daß bei der Zollkontrolle von Reisegepäck von der Zollverwaltung eine Gebühr in Höhe von 2 DM erhoben wurde. Das Bundesfinanzministerium bestätigte uns, daß eine solche Gebührenerhebung dem Zollgesetz widerspricht, und konnte dieses bedauerliche Versehen des Abfertigungsbeamten sofort klarstellen.
Andererseits konnte der Petitionsausschuß zahlreiche wertvolle Anregungen aus Petitionen aufgreifen, um sie der Bundesregierung als Vorschläge bzw. als Material für die bevorstehende gesetzliche Regelung zu übergeben. Die Sorge eines Petenten jedoch hat sich der Petitionsausschuß nicht zu eigen gemacht, der vorschlug, das Leben der Bundestagsabgeordneten dadurch wirksam zu schützen, daß im Bundeshaus ein Durchleuchtungsapparat, ein Röntgengerät aufgestellt werde, mit dessen Hilfe Besucher und Zuschriften überprüft werden sollten, um Attentate auf Bundestagsabgeordnete auszuschließen. So wohlgemeint diese Petition auch war, die Mitglieder des Ausschusses glaubten, auf solche Vorsichtsmaßnahmen doch verzichten zu können.
Abschließend glaube ich feststellen zu können, daß in der Gesamtheit der Petitionen die wahre öffentliche Meinung und das echte politische Stimmungsbild am klarsten zum Ausdruck kommt und daß aus dem Recht zur Meinungsäußerung ein Mittel zur Einflußnahme auf Gesetzgebung und Verwaltung wurde, von dem, wie ich darlegte, mehr als bisher Gebrauch gemacht wurde.
({4})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wir werden, wie ich glaube, von Zeit zu Zeit die mündliche Berichterstattung zu diesen Fragen fortsetzen, um die Abstimmung über die uns vorgelegten Übersichten etwas lebendiger zu gestalten und die Beschlußfassung etwas stärker zu unterbauen.
Ich bitte Sie, die Sie den Anträgen der Übersicht Nr. 60, Umdruck Nr. 712 und Umdruck Nr. 734 - ein Nachtrag dazu betreffend eine einzelne Petition -, zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Anträge dieser Übersicht sind angenommen.
Ich rufe den Punkt auf, der eingeschoben werden sollte:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Arndgen, Richter, Dr. Hammer, Walter, Willenberg und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten sowie über die Erhöhung der Renten in der knappschaftlichen Rentenversicherung ({0}) ({1});
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses
({2}) ({3}).
Der Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3948 geht dahin, den Gesetzentwurf unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Wir kommen zunächst zur zweiten Beratung. Ich rufe auf den § 1. Dazu Änderungsanträge der Fraktion der Deutschen Partei. Wünscht jemand zur Begründung das Wort? - Das ist offenbar nicht der Fall. Ferner liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der Kommunistischen Partei vor, Umdruck Nr. 737. Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in unserem Änderungsantrag zu § 1 die Forderung erhoben, die in dem ursprünglichen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vom 22. Oktober enthalten ist. Wir haben es für richtig gehalten, diesen Antrag aufzugreifen, wiewohl er unserer Überzeugung nach nur das Minimum dessen darstellt, was in puncto Erhöhung der Grundbeträge erfolgen müßte. Wir haben das getan, weil die in dem ursprünglichen sozialdemokratischen Antrag geforderten Beträge dem entsprechen, was die Organisationen der Sozialberechtigten gefordert haben.
Demzufolge verlangen wir heute in unserem Änderungsantrag, daß statt der 5 bzw. 4 bzw. 2 DM, die der Ausschuß vorschlägt, bewilligt werden 15 DM bei den Invalidenrenten und Ruhegehältern, 12 DM bei den Witwen- und Witwerrenten, 6 DM bei den Waisenrenten. Wir weisen noch einmal darauf hin, daß das das Minimum ist, was auf dem Gebiet der Invalidenversicherung der Arbeiter- und Angestelltenversicherung getan werden müßte.
Als zweiten Punkt zu § 1 haben wir ebenfalls die ursprüngliche sozialdemokratische Forderung wieder aufgegriffen und verlangen demgemäß, daß in der knappschaftlichen Rentenversicherung 15 DM bewilligt werden bei den Knappschaftsrenten und Knappschaftsvollrenten, 12 DM bei den Witwenrenten und Witwenvollrenten und 6 DM bei den Waisenrenten. Ich weise noch einmal darauf hin, daß das das Minimum ist, welches sich mit dem deckt, was die Organisationen draußen als Mindestforderung aufgestellt haben.
({0})
Ausgehend von dieser Tatsache bitte ich Sie, die lächerlich geringen Beträge, die in dem Ausschußvorschlag enthalten sind und nur ein Drittel dessen darstellen, was in den ursprünglichen sozialdemokratischen und in unserem heutigen Antrag gefordert wird, in der vorgeschlagenen Weise zu erhöhen. Denn nur so wird es gelingen, die außerordentlich große Notlage gerade in den Kreisen der Bezieher von niedrigen Invalidenrenten, die schätzungsweise mehr als 40 % aller Bezieher ausmachen, in etwa zu lindern.
({1})
Zur Begründung des sozialdemokratischen Antrags Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des sozialdemokratischen Antrags, die Zuschüsse zu den Renten in Höhe von 15 DM für Versicherte, 12 DM für Witwen und 6 DM für Waisen zu gewähren, hatte der Herr Bundesfinanzminister in der Sitzung am 20. Oktober darauf hingewiesen, daß die Invalidenrenten seit 1938 stärker erhöht worden seien, als es der Steigerung des Lebenshaltungskostenindex entspricht. Abgesehen davon, daß dabei vom Herrn Bundesfinanzminister die Renten der Angestelltenversicherung und der Knappschaftsversicherung nicht berücksichtigt wurden - der Herr Bundesfinanzminister hat nur die Invalidenversicherung erwähnt, Herr Kollege And-gen -, hat es der Herr Bundesfinanzminister bei seinem Vergleich unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Erhöhung der Renten nicht auf einen gesteigerten Anteil an Staatszuschüssen, sondern im wesentlichen auf eine Erhöhung der Beiträge zurückzuführen ist. Die Staatszuschüsse zu den Renten sind mit gegenwärtig rund 30 % nicht höher, sondern ' niedriger als vor dem Kriege, während die Beiträge zur Rentenversicherung von 5,6% des Arbeitseinkommens auf 10 % erhöht, d. h. also praktisch fast verdoppelt wurden. Die Erhöhung der durchschnittlichen Renten ist also im wesentlichen nicht zu Lasten der öffentlichen Finanzen, sondern auf Kosten der Beitragszahler erfolgt.
({0})
Deshalb war es nach Ansicht meiner Fraktion unangebracht, daß der Herr Bundesfinanzminister bei dem Antrag auf Erhöhung der Renten eine Koppelung zum Etat herbeizuführen suchte und appellierte, an die Sicherung der Währung und der Finanzen des Staates zu denken.
Die Ausschußmitglieder der Regierungsparteien haben nun beschlossen, Erhöhungen der Grundbeträge von 5 DM für Versichertenrenten, 4 DM für Witwenrenten und 2 DM für Waisenrenten vorzunehmen, wobei die Unfallrenten überhaupt nicht erhöht werden sollen. Die Sozialdemokratische Partei ist der Auffassung, daß die von der Mehrheit vorgeschlagene Rentenerhöhung völlig unzureichend ist und in keiner Weise den Lebensbedürfnissen der Alten und Arbeitsunfähigen entspricht. Die Alten, die Witwen und die Waisen, die auf die Leistungen der Sozialversicherung angewiesen sind, haben keine Möglichkeit, ihre Lebensinteressen durch Maßnahmen des wirtschaftlichen Kampfes durchzusetzen oder durch große Protestaktionen das Ohr der Öffentlichkeit zu gewinnen. Das legt diesem Hause die besondere Verpflichtung auf, gerade die Lebensbedürfnisse der Rentner zu berücksichtigen.
({1})
Meine Fraktion ist der Ansicht, daß Erhöhungen von 5 DM, 4 DM und 2 DM monatlich dieser sozialen Verantwortung nicht entsprechen.
({2})
Bei den Ausschußberatungen hat die sozialdemokratische Fraktion keineswegs stur an dem ursprünglichen Antrag, die Renten um 15 DM, 12 DM und 6 DM zu erhöhen, festgehalten. Die sozialdemokratische Fraktion hatte bei den Ausschußberatungen vielmehr versucht, durch ein Zurückgehen auf Sätze von 10 DM für Versichertenrenten, 8 DM für Witwenrenten und 4 DM für Waisenrenten die Zustimmung auch der Regierungsparteien zu gewinnen. Die Regierungsparteien haben bei den Ausschußberatungen auch diese reduzierten Sätze abgelehnt, so daß es in dieser sozialpolitisch bedeutsamen Frage zu °keiner gemeinsamen Auffassung gekommen ist.
({3})
- Nun, Frau Kollegin Kalinke, Sie können nachher vortragen, wieweit nach Ihrer Meinung eine gemeinsame Auffassung erreicht ist. Wir werden darauf antworten.
Nun werden Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, mit dem Einwand kommen, den wir aus allen sozialpolitischen Diskussionen in diesem Hause bereits kennen, daß eine Erhöhung der Renten um 10, 8 und 4 DM finanzpolitisch untragbar sei. Das ist nach Auffassung meiner Fraktion eine etwas zu einfache Lösung angesichts der sozialpolitischen Verpflichtungen, die wir gegenüber den Rentnern zu erfüllen haben. Der Bundestag hat bei den Zuwendungen für Beamte und bei den Zuwendungen für Kriegsbeschädigte trotz aller Schwierigkeiten schließlich einen gemeinsamen Weg gefunden, der auch finanzwirtschaftlich tragbar ist. Auch für die Rentner, deren wirtschaftliche Lage am allerschwierigsten ist, sollte nach Ansicht meiner Fraktion jetzt noch alles versucht werden, um einen befriedigenden Weg zu finden.
({4})
Eine Erhöhung um 5, 4 und 2 DM stellt aber nach Auffassung meiner Fraktion keine befriedigende Lösung dar.
({5})
Der Antrag der Regierungsparteien bedeutet eine Erhöhung der Rentenausgaben um 280 Millionen DM jährlich, der Antrag meiner Fraktion bedeutet eine Erhöhung der, Rentenausgaben um 560 Millionen DM jährlich. Wir haben uns das sehr genau überlegt und durchkalkuliert. Es ergibt sich also zwischen dem Antrag der Regierungsparteien und dem der sozialdemokratischen Fraktion eine Differenz von 280 Millionen DM jährlich für weit über 5 Millionen Rentner. Die letzte angegebene Zahl der Rentner beziffert sich auf 5 800 000. Meine Fraktion ist ungeachtet aller Schwierigkeiten, die auch gestern in der Beratung des Haushaltsausschusses zum Ausdruck kamen, der Auffassung, daß es möglich ist, die benötigten Mittel ohne Gefährdung der öffentlichen Finanzen oder gar der Währung, wie es manchmal etwas dramatisch dargestellt wird, aufzubringen, wenn dies natürlich auch - darüber sind wir uns sehr wohl im klaren - finanzpolitisch sehr schwierige Fragen aufwirft.
Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, kommen Sie uns nicht damit, daß es
({6})
gestern bei den Beratungen, die während des Plenums im Haushaltsausschuß stattgefunden haben, nicht möglich war, eine Lösung zu finden. Eine solche Lösung läßt sich nicht innerhalb einer halben Stunde oder einer Stunde gewissermaßen aus dem Ärmel schütteln. Aber wir dürfen darauf verweisen, daß die Fragen der Rentenerhöhung, ausgehend von den Anträgen im Oktober, der Regierung bereits seit diesem Zeitpunkt bekannt sind und es eine Aufgabe der Regierung gewesen wäre, seit der ersten Beratung dieser Fragen hier im Plenum nach Möglichkeiten zur Deckung zu suchen und uns genauere Kalkulationen vorzulegen. Wir hatten gestern im Haushaltsausschuß die Situation, daß uns noch nicht einmal über die Auswirkungen der Erhöhungen entsprechend den Anträgen auf Erhöhung um 5, 4 und 2 DM eine schriftliche Kalkulationsunterlage vorgelegt wurde. Gestern wurde im Haushaltsausschuß dargelegt, daß sich das Bundeskabinett erst am Freitag mit der finanzwirtschaftlichen Fundierung dieser Anträge im einzelnen beschäftigen,
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erneut beschäftigen würde. Wir sind aber der Ansicht, daß es bei einer Frage, die auf der Tagesordnung dieses Hauses steht und die sozialpolitisch von höchster Bedeutung ist, unbedingt notwendig gewesen wäre, vorher die finanzwirtschaftlichen Zusammenhänge zu klären.
Für die Beratungen
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im Rahmen des Bundeskabinetts über die Bereitstellung der Mittel zur Erhöhung im Sinne des Antrags meiner Fraktion darf ich der Regierung einige bescheidene Hinweise geben.
Erstens. In der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Deckung der Rentenzulagen hat die Bundesregierung am 9. Juni dieses Jahres wörtlich erklärt:
Die Gesamtentlastung des Bundes gegenüber dem ursprünglichen Voranschlag beträgt demnach 300 Millionen jährlich.
Nach Ansicht meiner Fraktion war die tatsächliche Ersparung sogar noch höher.
Zweitens. Nach dem dem Bundesrat in diesen Tagen zugeleiteten Entwurf eines Gesetzes über die Deckung der Rentenzulagen in den Jahren 1953, 1954 und 1955, über den zu gegebener Zeit hier noch ausführlich zu sprechen sein wird, beabsichtigt die Bundesregierung, den Rentenversicherungsträgern jährlich 555 Millionen Barmittel durch Schuldbuchforderungen des Bundes zu entziehen.
Meine Damen und Herren, ich sage damit nicht, daß etwa nun die Deckung dieser erhöhten Aufwendungen ganz oder zum Teil zu Lasten der Rentenversicherungsträger gehen soll. Aber ich führe die Entwürfe der Bundesregierung, nur als Beispiel dafür an, daß die Bundesregierung in bezug auf die Beschaffung von Mitteln besondere Wege vorschlägt. Deshalb sind wir der Ansicht, daß bei einer sozialpolitisch so bedeutsamen Frage wie der Erhöhung der Renten um 10, 8 und 4 DM monatlich die Bundesregierung die gleiche Initiative entfalten sollte.
({9})
Und noch ein Drittes. Die Regierung hat in ihren Haushaltsvoranschlag für das laufende Jahr - und damit, Herr Kollege Arndgen, komme ich zu einer Frage, die wir bereits einmal diskutiert haben einen Betrag von 175 Millionen DM für Fremdrenten eingesetzt und nach unseren Informationen für das neue Haushaltsjahr einen Betrag von 397 Millionen DM. Niemand verkennt, daß es dringend notwendig ist, dieses Gesetz baldmöglichst zu verabschieden. Aber nach Auffassung meiner Fraktion ist es ein etwas merkwürdiges Verfahren, bereits im Haushaltsvoranschlag mit Gesetzentwürfen zu one-rieren die dem Hohen Hause überhaupt noch nicht vorgelegen haben. Der Herr Bundesfinanzminister wünscht immer - ob mit Recht oder mit Unrecht, sei dahingestellt -, es solle kein Gesetz eingebracht werden ohne entsprechenden Deckungsvorschlag. Nun, dann ist es noch merkwürdig, daß Deckungsbeträge in den Etat eingesetzt werden, ohne daß überhaupt ein Gesetzentwurf vorliegt.
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- Sehr genau angesehen, Herr Kollege Arndgen!
- Das ist um so wichtiger, meine Damen und Herren, als es gerade bei diesem Gesetz, das nun hoffentlich bald vorgelegt wird, von der Formulierung im einzelnen abhängen wird, welche Aufwendungen entstehen. Es ist aber völlig unmöglich, mit Beträgen von 175 Millionen oder 397 Millionen DM für ein ganzes Jahr zu operieren, ohne daß der Text dieses Gesetzes feststeht, denn, wie gesagt, von der Formulierung des einzelnen Paragraphen hängen die wirtschaftlichen Auswirkungen ab.
Im übrigen, Herr Kollege Arndgen, zu Ihrer Bemerkung, die Sie schon einmal gemacht haben und die Sie wahrscheinlich gleich wieder bringen werden, im Voranschlag seien 160 Millionen DM abgesetzt worden im Hinblick auf das Fremdrentengesetz. Das haben Sie bei der Haushaltsdebatte erwähnt.
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- Dazu darf ich Ihnen einmal das betreffende Kapitel des Haushaltsvoranschlages vorlesen. Da heißt es nämlich:
Es wird erwartet, daß die bei den Kap. I a, I b, I c veranschlagten allgemeinen Haushaltsausgaben voraussichtlich nicht voll in Anspruch genommen werden.
Da steht nichts davon drin, daß das Fremdrentengesetz nicht durchgeführt werden wird. Das Fremdrentengesetz steht in Kap. I c, während hier auf Ersparnisse in den Kap. I a, I b und I c Bezug genommen wird.
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- Jawohl, das ist gerade das, was weitergeschlagen ist, auf Seite 37! Schauen Sie sich den Haushaltsvorschlag unter XI an!
Die sozialdemokratische Fraktion verkennt in keiner Weise die finanzwirtschaftliche Schwierigkeit der Materie. Wir sind aber der Auffassung, daß mit allem Ernst wirtschaftliche Möglichkeiten gesucht werden sollten, die gewährleisten, daß den Rentnern eine Erhöhung gewährt wird, die der tatsächlichen Entwicklung der Lebenshaltungskosten entspricht.
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Meine Fraktion ist der Ansicht, daß hierzu alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müßten. Nach unserer Meinung entspricht die von der Mehrheit des Ausschusses vorgeschlagene Erhöhung der Renten um 5, 4 und 2 Mark weder den sozialen Bedürfnissen der Rentner noch den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Bundes.
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Wir stellen deshalb den Antrag, in Ziffer 1 fol- gende Erhöhungen vorzunehmen: Erhöhungen für Versichertenrenten 10 DM, Erhöhungen für Witwenrenten 8 DM, Erhöhungen für Waisenrenten 4 DM.
Meine Damen und Herren, Frau Abgeordnete Kalinke wünscht, ihren Antrag Umdruck Nr. 738 noch zu begründen. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag, der von einigen Abgeordneten aller Parteien in diesem Hause eingebracht wurde, wurde als Initiativantrag eingebracht, um den Rentnern die so erwarteten und notwendigen Rentenerhöhungen schnell zu geben. Über die Notwendigkeit der Rentenerhöhungen besteht kein Zweifel und, wie ich annehme, auch jetzt noch Einmütigkeit in diesem Hause, trotz der verschiedenen Anträge, auf die ich in der Debatte eingehen werde.
Der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei nimmt Stellung zu der Begründung und zu der Formulierung dieses Gesetzes und zu einer nicht gegebenen Klarheit in dem Tatbestand, der einerseits diktiert war von der anerkennenswerten Absicht des Herrn Bundesarbeitsministers, die Grundbeträge in der Konstruktion der deutschen Rentenversicherungen zu erhöhen und damit einen Rechtsanspruch auf einen erhöhten Grundbetrag zu schaffen, und zu dem Tatbestand, daß diese Absicht in der vorgelegten Form nicht zu verwirklichen ist, da es sich hier nicht um eine Erhöhung der Grundbeträge - die zwar deklariert ist - handelt, sondern um einen Zuschuß, also um ein zweites Rentenzulagen- oder besser gesagt Rentenzuschußgesetz. Wir haben uns leider, ohne zu einer Klärung zu kommen, im Sozialpolitischen Ausschuß, ich meine, darin durchaus in Übereinstimmung mit allen Sachkennern in allen Fraktionen, nicht darüber einigen können, daß wir ein klares Gesetz zur Erhöhung der Grundbeträge in der Invalidenversicherung schaffen oder ein eindeutiges Gesetz, das wir als Rentenzulagen.gesetz mit dem Staatszuschuß so deklarieren sollten, wie es gegeben und wahrscheinlich auch gemeint ist.
Wenn wir dieses Gesetz als Grundbetragserhöhungsgesetz verabschieden, dann hätte in seinem § 1 stehen müssen: Der Grundbetrag in der Invalidenversicherung war bisher soundso viel, beträgt, in. Zukunft soundso viel, das heißt: Der Grundbetrag in der Invalidenversicherung wird von 13 auf 18 DM erhöht. Das wäre eindeutig und klar. Dann wäre aber der Abs. 2 des § 3 unmöglich, mit dem diese Erhöhung dann wieder nur zum Teil gegeben werden soll, indem durch die Methode der Errechnung, nämlich des Anhängens dieses Zuschusses nach der Aufrechnung der Grundbeträge plus Zulagen aus den verschiedenen Erhöhungsgesetzen, die Errechnung nicht mehr die Zulage des Grundbetrages ergibt, sondern einen eindeutigen Zuschuß des Staates ohne Berücksichtigung des veränderten Grundbetrages.
Ohne hier eine große Grundsatzdebatte einzuleiten, möchte ich doch mit aller Verantwortung zum Ausdruck bringen, daß die Beteiligung des Staates aus Steuermitteln an den Leistungen der Sozialversicherung als Grundsatz von meiner Partei nicht anerkannt werden kann, wenn wir nicht an die Stelle
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der Sozialversicherung die Versorgung offiziell zu
setzen wünschen. Wir wissen, wie Sie, meine Herren und Damen - und die Zurufer der Kommunistischen Partei, auch Herr Renner, sollten es wenigstens als Sachkenner wissen -, daß in der Invalidenversicherung der Grundbetrag vom Staat getragen und dvr Versicherungsgedanke weitgehend mit dem Fürsorgegedanken verquickt ist. Wir haben aber einen Mehrheitsbeschluß dieses Hauses, daß fortan eine sozialpolitische Entwicklung, in der Fürsorge, Versicherung und Versorgung weiter miteinander verquickt werden, nicht mehr stattfinden soll.
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Wir haben beim Teuerungszulagengesetz begrüßt, daß wir uns wenigstens bemüht haben, dem Versicherungsgedanken wieder Rechnung zu tragen. Bei dieser Erhöhung handelt es sich um einen ganz klaren Staatszuschuß, um eine Fürsorgeleistung des Staates. Anders wäre es, wenn der Grundbetrag in der Invalidenversicherung - mit allen Konsequenzen der notwendigen Umrechnung der Renten - erhöht würde. Dann müßten wir aber gleichzeitig gegen die Einführung einer staatlichen Subventionierung des Grundbetrages in der Angestelltenversicherung protestieren, weil der Grundbetrag in der Angestelltenversicherung, in der Vergangenheit wie bei seiner Gründung, ein Grundbetrag nach dem Versicherungsprinzip war, gegeben aus den Einnahmen, die sich aus der Beitragszahlung ergeben. Wir wünschen nicht, daß auf Umwegen, weder so, wie Sie es beim Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz begonnen haben
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- Sie, Herr Schellenberg, sind mit Ihrem Musterbeispiel der VAB der schlechteste Interpret dieser Dinge und sollten sich in diese Debatte nicht mischen -, noch hier die Begriffe in den verschiedenen Rentenversicherungen verquickt werden.
Wir wünschen, daß in dieser Frage eine ganz klare Entscheidung fällt. Wir möchten daher, um das Gesetz verabschieden zu können und nicht zu Folgerungen und Konsequenzen zu kommen, die wir alle nicht wollen, hier eindeutig ein Gesetz über die Zuschüsse in den Rentenversicherungen beschließen. Um der Klarheit willen auch für die Zukunft haben wir beantragt, in der Überschrift des Gesetzes die Worte „Erhöhung der Grundbeträge" zu streichen und durch das Wort „Zuschüsse" zu ersetzen. Ich bitte außerdem - das ist vergessen worden -, auf dem Umdruck in der Klammer den Gesetzestitel „Grundbetragerhöhungsgesetz" zu streichen. Dieser Titel ist überhaupt nicht notwendig. In der Abkürzung kann man nachher folgerichtig sagen: Zweites Rentenzuschußgesetz oder: Zweites Rentenzulagengesetz. Wir werden später bei dem § 4, der noch nicht diskutiert ist, und bei den übrigen Anträgen auf die einzelnen, sich weiter ergebenden Fragen dieses Gesetzes noch zurückkommen. Konsequenterweise müssen dann in § 1 Abs. 2 und 3 und in § 3 die weiteren Änderungen erfolgen, die sinngemäß zum Ausdruck bringen sollen, daß der notwendige Zuschuß für die Aufstockung der Renten bei der deutschen Rentenversicherung jetzt vom Staat gegeben wird, weil weder die Kapitaldeckung den Versicherungsträgern bisher zurückgegeben wurde, noch eine Revision der Versicherungsleistungen nach dem Grundsatz der Beitragszahlung durch echte Reformen erfolgt ist.
Wir glauben, daß diese Aussprache und unser Antrag nicht notwendig gewesen wären, wenn das
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Bundesarbeitsministerium - ich kann mich im Namen meiner Fraktion dieses Vorwurfs nicht enthalten - in den letzten Jahren eine klare Konzeption entwickelt und uns endlich wenigstens die beginnenden Grundlagen für eine künftige Reform der Rentenversicherung nach dem Versicherungsprinzip vorgelegt hätte.
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Zunächst hat das Wort der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hat für das Bundesfinanzministerium gestern zweimal die Notwendigkeit bestanden, auf den Art. 110 des Grundgesetzes und auf die insoweit neue Rechtssituation hinzuweisen, die dadurch entstanden ist, daß seit zwei Wochen der Nachtrag zum Bundeshaushalt 1952 dem Hohen Hause und seit einer Woche der Entwurf des Bundeshaushalts 1953 dem Bundesrat vorliegt. Da mehrere Jahre lang die Haushaltspläne nur mit Verspätung vorgelegt werden konnten, ist diese Situation vielleicht zum Teil neuartig und in ihrer vollen Tragweite noch nicht überall realisiert worden. Ich habe den Eindruck, daß auch meine gestrigen Bemerkungen in ihrer Absicht und in ihrer Tragweite nicht überall voll gewürdigt worden sind. Was die Absicht betrifft, so habe ich mich gestern ausdrücklich eines Eingehens auf die Sache enthalten. Ich habe weder zu der jetzt vorliegenden Frage noch zur Zuckersteuer irgendein Wort in der Sache gesagt, habe keine Wünsche und keine Anregungen des Bundesfinanzministeriums vorgebracht, sondern nur die Rechtssituation dargelegt, wie sie sich aus dem Art. 110 des Grundgesetzes ergibt. Daraufhin ist ohne weiteres die Überweisung dieses Gesetzes an den Haushaltsausschuß beschlossen worden. Wie ich gehört habe, hat auch im Haushaltsausschuß Übereinstimmung über diese rechtliche Auffassung bestanden. Dort ist dann vorgebracht worden, daß die Bundesregierung bei der Erörterung über die finanzielle Deckung Hilfe leisten möge. Die Bundesregierung betrachtet es selbstverständlich als ihre Pflicht, den Beratungen des Hohen Hauses, seines Haushaltsausschusses usw. auch in diesem Punkte ihre nachdrückliche Hilfe zuteil werden zu lassen.
Nun haben die Beratungen im Haushaltsausschuß zu diesem Gesetz hinsichtlich der Deckungsfrage gestern noch nicht zu einer vollen Übereinstimmung geführt. Die Bundesregierung ist dabei, diese Fragen weiter zu prüfen, und wird es auch nicht unterlassen, im Rahmen des Möglichen zu einer Lösung der Deckungsfrage beizutragen.
Ich muß nun allerdings auch ein Wort in der Sache sagen, nachdem nunmehr der Antrag der Fraktion der SPD auf Erhöhung der Beträge von 5 DM, 4 DM und 2 DM auf 10 DM, 8 DM und 4 DM begründet worden ist. Die Haushaltsbelastung aus dem Gesetzentwurf, der 5 DM, 4 DM und 2 DM vorsieht, wird sich auf jährlich fast 300 Millionen DM und für den Rest des laufenden Haushaltsjahres auf fast 100 Millionen DM belaufen. Wenn nun die Beträge auf 10 DM, 8 DM und 4 DM verdoppelt werden sollten, würde sich die Belastung für den Rest des laufenden Haushaltsjahres auf fast 200 Millionen DM und die des nächsten Haushaltsjahres auf fast 600 Millionen DM belaufen. Sosehr die Bundesregierung bemüht ist, für den vorliegenden Gesetzentwurf mit den Beträgen von 5 DM, 4 DM und 2 DM auch ihrerseits zur Dekkung beizutragen - ich sagte schon, daß die Bemühungen noch nicht zu einem Erfolg gekommen sind -, so halte ich es doch für ausgeschlossen, daß für eine Verdoppelung der Beträge im laufenden wie im nächsten Haushaltsjahr Deckung gefunden werden kann.
Ich darf nochmals betonen, daß ich diese Hinweise, wenn ich so sagen darf, aus einem Gefühl der Loyalität gegenüber den Antragstellern gestern vorgebracht habe und es auch heute tue. Ich darf nochmals sagen: wenn Deckungsbeschlüsse nicht vorliegen, ist die Bundesregierung verfassungs- und haushaltsrechtlich außerstande, Beschlüsse zu vollziehen, zu denen das Haushaltsgesetz eine Ermächtigung nicht enthält. Um die sich daraus verfassungsmäßig ergebenden Schwierigkeiten zu vermeiden, habe ich es für meine Pflicht gehalten, gestern und heute auf diese Rechtslage hinzuweisen.
Das Wort hat der Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Professor Schellenberg zwingen mich doch, auf einige Dinge einzugehen. Er hat dargelegt, daß wir in den neuen Haushalt das Fremdrentengesetz hineingenommen haben, und er hat davon gesprochen, daß sich hier Zahlen zeigen, für die er - so habe ich ihn wenigstens verstanden - keine rechte Grundlage sieht. Ich möchte dazu folgendes sagen. Unsere Sozialversicherungsträger sind schon seither dazu übergegangen, den Menschen, welche aus den Gebieten östlich der Oder-Neiße-Linie, und denjenigen, welche als Flüchtlinge aus der Ostzone zu uns gekommen sind, die Renten genau so zu zahlen, als wenn sie die Beiträge an einen der Versicherungsträger im Bundesgebiet entrichtet hätten. Da es sich um eine Kriegsfolge handelt, ist es unmöglich gewesen, den Versicherungsträgern eine Verpflichtung aufzuerlegen, die einfach eine Aufgabe der Allgemeinheit ist.
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Aus diesen Gründen haben wir uns schon im Laufe dieses Etatsjahres sehr darum bemüht, daß vom Bundesfinanzministerium die Mittel zur Verfügung gestellt werden, um diese Kosten, die den Versicherungsträgern entstehen, auf Steuermittel zu übernehmen.
Dazu kommt etwas anderes. Bei uns besteht immer noch zweierlei Recht. Die Volksdeutschen, die beispielsweise aus der Tschechoslowakei oder aus Polen gekommen sind und die sich in den dortigen Versicherungseinrichtungen Anwartschaften erworben haben, bekommen bei uns in der britischen Zone heute noch keine Sozialrenten. Wir haben diesen Kreis von Menschen in dieses Fremdrentengesetz mit aufgenommen. Wir brauchen für die Durchführung dieses Fremdrentengesetzes für das gesamte Bundesgebiet nicht weniger als 305 Millionen DM.
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Nun wollen wir bei derartigen Erörterungen auch einmal einen kleinen Blick nach rückwärts werfen. Wir haben uns über die Frage der Neuordnung der Renten erstmalig im Wirtschaftsrat in Frankfurt unterhalten. Ich sehe hier noch eine ganze Reihe
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von Persönlichkeiten, die damals mitgewirkt haben. Wir haben damals den Invaliditätsbegriff von 662/3 % auf 50 % heruntergesetzt. Wir haben das damals damit begründet, daß Menschen, die vorzeitig, also ehe sie die Altersgrenze erreichen, invalide werden, auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht konkurrenzfähig sind, wenn wir ihnen nicht für den Verlust ihrer halben Arbeitsfähigkeit eine Vorleistung geben, und zwar die ihnen zustehenden Renten aus der Invalidenversicherung. In der Angestelltenversicherung war es ja vorher schon so. Das war damals der große Sinn. Niemand hat daran gedacht, daß diesem Personenkreis eine Rente gegeben werden soll, die die Menschen in die Lage versetzt, davon allein ihren Lebensunterhalt zu fristen. Sehen wir doch die Dinge, wie sie sind und wie sie sich entwickelt haben!
Dann wissen alle, die sozialpolitische Probleme in der jetzigen Zeit miterleben, folgendes. Ich habe mir die größte Mühe gegeben, als Ersatz für die verlorengegangenen Bilanzsubstanzen der Sozialversicherungsträger ein gerechtes Äquivalent aus Steuermitteln zu bekommen, weil wir die Leistungen aus der Sozialversicherung einfach nicht gesund gestalten können, wenn wir die Deckungskapitalien nicht mehr zur Verfügung haben.
Nun, seien wir doch mal offen und frei zu uns selber. Wir haben im vorletzten Jahre das Rentenzulagengesetz geschaffen, das uns einschließlich Berlins rund 910 Millionen DM kostet. Dieser Betrag wird aus den Steuermitteln des Staates gezahlt. Wenn Sie dazu das Fremdrentengesetz mit weiteren 300 Millionen DM nehmen, wenn Sie das heute Ihnen vorliegende Gesetz ebenfalls mit einem Jahresbedarf von rund 300 Millionen DM dazurechnen, dann finden Sie, daß wir aus Steuermitteln, also aus Haushaltsmitteln in den letzten zwei Jahren den Bund mit nicht weniger als 11/2 Milliarden DM Jahresverpflichtung belegt haben. Sehen wir doch die Dinge so, wie sie sind! Nun werden Anträge gestellt, weitere 300 Millionen DM zu bewilligen. Irgendwo hört doch letzten Endes die Leistungsfähigkeit eines Finanzministers auf.
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- Ich möchte mich mit Ihnen darüber in diesem Zusammenhang nicht unterhalten.
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Die Gesundung unserer Sozialversicherung und ihre Leistungsfähigkeit sind mir ein Herzensbedürfnis. Ich weiß aber ganz genau, daß man diese Dinge, die in Zeiten, als es unserem Volk besser ging als heute, schlechter als jetzt gelöst waren, nicht von heute auf morgen in eine vollständig ausreichende Ordnung bringen kann. Ich weiß sehr gut, daß man auch auf diesem Gebiet noch vieles tun kann, wenn das Wirtschaftsprodukt so groß ist, daß man daraus auch diese Mittel entnehmen kann. Ich bin mit Frau Kalinke vollständig darüber einig, daß wir, auf die Dauer gesehen, wieder zu einem gesunden Versicherungsprinzip zurückkehren müssen.
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Alles, was wir zur Zeit tun, ist doch letzten Endes Notmaßnahme. Glauben Sie mir sicher, ich sehe unsere Zeit noch nicht so an, daß man eine für Jahrzehnte geltende neue Ordnung hätte schaffen können. Sehen wir die Dinge also so und helfen wir dabei, daß heute ein Gesetz zustande kommt, das uns in die Lage versetzt, den Invalidenrentnern und den Rentnern der Sozialversicherung eine
Leistungsverbesserung zu geben, und stellen wir doch um Gottes willen keine Anträge, die nachher dazu führen, daß dieser wirklich bedürftige Personenkreis vorläufig überhaupt nichts bekommen kann!
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Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter gebe, darf ich zunächst darauf hinweisen, daß die deutsche Delegation beim Europarat im Zimmer 02 Südflügel sofort eine Sitzung abhält.
Außerdem darf ich jetzt bereits einmal darauf hinweisen, daß gebeten wird, die im Tagungsbüro bereitliegenden Fahrkarten für das neue Jahr in Empfang zu nehmen, damit sich keine Schwierigkeiten ergeben.
Das Wort in der fortgesetzten Beratung hat Herr Abgeordneter Arndgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag von Frau Kalinke auf Umdruck Nr. 738, der sich mit der Überschrift zu diesem Gesetz und mit den Worten „Grundbeträge der" in § 1 beschäftigt, möchte ich darauf verweisen, daß der Grundbetrag in der Sozialversicherung seit jeher eine Subsidie des Staates gewesen ist,
({0})
die der Staat den Rentnern in der Invalidenversicherung zur Verfügung gestellt hat. Dieses Gesetz will nun im Grundsatz diese Subsidie des Staates von bisher 13 auf 18 DM im Monat erhöhen. Diese Subsidie hat bis zum Jahre 1911 etwa 6 Mark im Monat betragen. Sie ist in den dreißiger Jahren auf 13 Mark im Monat erhöht worden, und dieses Gesetz will sie im Grundsatz auf 18 DM im Monat erhöhen.
Bei der Kompliziertheit der Rentenberechnung und weil wir dieses Gesetz recht schnell zum Tragen bringen wollten, war der § 3 Abs. 2 notwendig. Denn wenn dieser § 3 Abs. 2 nicht in dieses Gesetz hineingebaut worden wäre, dann hätten - der Herr Kollege Schellenberg hat von 5 800 000 Renten in der Rentenversicherung gesprochen - über 5 Millionen Rentenakten gewälzt und die Renten umgerechnet werden müssen. Wäre dieser Absatz nicht in das Gesetz hineingekommen, dann hätte es bestimmt bis zum Ende des kommenden Jahres gedauert, bis der letzte zu der vorgesehenen Rentenerhöhung gekommen wäre. Deshalb ist dieser § 3 Abs. 2 notwendig. Ich bitte daher, an dem Grundsatz: „Erhöhung des Grundbetrags" in diesem Gesetz festzuhalten und von der Änderung, wie sie von Frau Kalinke vorgeschlagen worden ist, abzusehen. Ich bitte weiter, es bei dem Wortlaut des Antrags zu belassen, wie er Ihnen in der Drucksache Nr. 3927 vorliegt.
Nun ein Wort zu dem Herrn Kollegen Sche1lenberg. Ich wiederhole, Herr Kollege Schellenberg, daß es nicht damit getan ist, hier Anträge zu stellen, sondern daß wir für die Verwirklichung der Anträge, die gestellt werden, auch die notwendigen Mittel. bereitstellen müssen. Ich glaube, wir hätten uns über manches unterhalten können, wenn man nicht stur daran festgehalten hätte, die Sätze ab 1. Dezember wie einmal vorgeschlagen zu erhöhen.
({1})
Der Herr Kollege Schellenberg war gestern Zeuge
bei den Beratungen des Haushaltsausschusses und
konnte feststellen, wie schwierig es ist, in einen
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Haushalt, der diesem Hause schon vorliegt, neue Deckungsvorlagen einzubauen, um in unserem Falle das durchzuführen, was der Antrag auf Drucksache Nr. 3927 will. Bis zur Stunde sind die Deckungsmöglichkeiten noch nicht gefunden. Noch schwieriger wäre es gewesen, wenn man diese Erhöhung verdoppelt hätte. Woher hätten die 250 Millionen DM, die eine Verdoppelung der Beträge für vier Monate gekostet hätte, geholt werden sollen? Man hätte darüber reden könen, ob es für dieses Jahr bei den 5 DM Erhöhung bleiben soll, und dabei überlegen können, ob die Verdoppelung im nächsten Haushaltsjahr in Angriff genommen werden kann.
Ich bitte daher, es - mindestens für dieses Haushaltsjahr - bei dem Antrag Drucksache Nr. 3927 zu belassen, weil es eben unmöglich ist, für dieses Haushaltsjahr weitere Deckungsmittel zur Verfügung zu stellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was die Frau Abgeordnete Kalinke mit ihrem Antrag bezweckt hat, das hat uns die Antwort des Herrn Staatssekretärs des Finanzministeriums enthüllt. Fangen wir einmal bei ihm an. Er hat heute hier gesagt, daß nicht einmal die Deckung für die Ausgaben gesichert sei, die bei der Durchführung der Erhöhung der Grundbeträge im Rahmen des Beschlusses des Ausschusses entstehen. Jeder, der hinter die Worte zu sehen gelernt hat, muß also damit rechnen, daß sogar bei Annahme dieses erbärmlich niedrigen Vorschlags der Herr Bundesfinanzminister noch Schwierigkeiten machen wird.
Nun, ich kann es nicht unterlassen, mich noch einmal mit einem Satz wenigstens mit diesem bei Gelegenheit so finanzschwachen Herrn Bundesfinanzminister zu unterhalten. Heute sind uns wieder einmal einige Zahlen genannt worden. Die klatschen uns ja nach Bedarf immer wieder um die Ohren, ohne daß wir die Möglichkeit haben, der Richtigkeit der Zahlen wirklich auf den Grund zu gehen, und ohne die Möglichkeit zu haben, zu beweisen, was noch an versteckten Reserven in den einzelnen Haushaltspositionen des laufenden Haushalts enthalten ist. Immerhin scheint mir doch die Frage gerechtfertigt: Warum ist denn der Herr Finanzminister so hartleibig, wenn es gilt, Rentenansprüche zu befriedigen, während er doch auf der anderen Seite für die Durchführung der Kriegspolitik in diesem Jahr ohne jedes Bedenken mehr als 10 Milliarden hinzulegen bereit ist?
({0})
Nun zur Frau Kalinke zurück. Sie hat die „Sachkenner" angesprochen. Aber, Frau Kalinke, wie kann man, wenn man Sachkenner ist, hier eine solche Theorie vertreten, daß der Grundbetrag in der Sozialversicherung ein Anspruch sei, der auf Grund von Beitragsleistungen entstanden sei?
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Wie kann man denn so einen Unsinn erzählen?! Solange es im Sozialversicherungsgesetz einen „Grundbetrag" gibt, resultiert dieser Begriff und der Geldbetrag, der dahintersteckt, aus der Leistungspflicht des Staates, des alten Reiches und der heutigen Bundesrepublik. Grundbetrag in der Sozialversicherungsgesetzgebung war von jeher ein
Staatszuschuß. Als wir nach dem ersten Weltkrieg zum erstenmak vor der Tatsache des finanziellen Zusammenbru s der Sozialversicherungsträger standen, da sah sich der Staat vor der Notwendigkeit, die Grundbeträge zu erhöhen, um die Sozialversicherungsträger überhaupt wieder in die Lage zu versetzen, Leistungen aufzubringen. Nachdem jetzt der zweite Weltkrieg noch einmal die schätzungsweise 45 Milliarden Grundvermögen der Sozialversicherungsträger vernichtet hat, bleibt der Bundesrepublik keine andere Möglichkeit, als die Frage der Erhöhung der Grundbeträge zu stellen und die Grundbeträge aus Bundessteuermitteln zu erhöhen. Das ist so einfach zu verstehen, wie man nur überhaupt etwas verstehen kann.
Aber ein anderes Wort noch an die Frau Kalinke. Sie hat heute selber von dem Verlust gesprochen, der den Sozialversicherungsträgern durch die Kriegsanleihe- und Finanzierungspolitik im Zuge der beiden letzten Kriege entstanden ist. Nun, wenn man diese Schäden noch nicht in der Form ausgeglichen hat, daß man den Sozialversicherungsträgern das verlorene Milliardenvermögen zurückerstattet hat, wie darf man sich dann hinstellen und beklagen, daß der Bund jetzt in die Zwangslage gebracht wird, zur Sozialversicherung Beiträge aus allgemeinen Steuermitteln zu zahlen? Frau Kollegin Kalinke, Ihr Kampf gegen die Sozialversicherungsgesetzgebung, Ihr Bestreben, dieser Gesetzgebung den Charakter einer privatkapitalistischen Versicherung zu geben, also die Sozialversicherung auf das Niveau etwa der freiwilligen Versicherung der privaten Versicherungsanstalten zu stellen, ist uns ja seit langen Jahren bekannt. Dieser Kampf und Ihre Einstellung sind einfach der Ausfluß Ihrer allgemeinen politischen Haltung zu den Dingen, die mit wahrer Sozialverantwortung auch nicht entfernt nur etwas zu tun hat. Sie vertreten den privatkapitalistischen Standpunkt mit einer Schärfe, die wir schon mehrfach hier erlebt haben.
Neu ist für uns Alte in der Sozialversicherung, daß heute auch der Herr Arbeitsminister selber eine Verbeugung an die Adresse dieser Auffassung hier gemacht hat. Er hat gesagt, er hoffe, daß wir recht bald zu einem „gesunden Versicherungsprinzip" auf der Basis der Leistung auf Grund von gezahlten Beiträgen zurückkehren könnten. Derselbe Herr Minister, der diesen Wunsch ausspricht, sollte dann ein glühender Vorkämpfer dagegen sein, daß durch die Adenauer-Politik eines neuen Krieges die Sozialversicherungsträger zum drittenmal finanziell ruiniert werden; denn das ist auch eine Folge dieser Politik.
Wir lehnen also den Antrag, den die Frau Kalinke uns hier mit so falschen und historisch unrichtigen Begründungen präsentiert hat, mit aller Entschiedenheit ab. Nein, Frau Kalinke, wir wollen aus der Sozialversicherung keine „Fürsorge" machen. Wir wollen, daß der Rechtsanspruch der Versicherten unter allen Umständen hochgehalten wird und daß der Schaden, der ihnen durch die Adenauer-Politik
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der Kriegsvorbereitung entstanden ist, restlos wiedergutgemacht wird. So geht man sozial an die Sache heran. Sie gehen kapitalistisch an die Dinge heran.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Winkelheide.
({0})
- Verzichtet. Herr Abgeordneter Willenberg; nicht Schellen-, sondern Willen-!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im Oktober dieses Jahres die Anträge auf Erhöhung der Leistungen in der Rentenversicherung gestellt wurden, da gab es ein Presseinterview, und in diesem Presseinterview, das von Abgeordneten der CDU gewährt wurde, hieß es: Wir müssen die Leistungen in der Rentenversicherung so gestalten, daß sie den Teuerungsverhältnissen angepaßt werden. Ich war damals gespannt, wie diese Regelung nun aussehen sollte, und nicht nur ich, sondern draußen im Lande das große Heer jener, die auf Renten angewiesen sind. Nun haben wir- das Ergebnis vor uns liegen, wonach die Waisen pro Tag rund 6 Pfennige, die Witwen 12 und die Invaliden 16 Pfennige an Erhöhung erhalten sollen. Ich weiß nicht, ob man glaubt, daß man mit diesen Zulagen den Teuerungsverhältnissen gerecht geworden ist.
Nun sind vorhin vom Herrn Minister Beträge genannt worden, die weit über die Milliarden gehen, welche in den letzten Jahren aufgewandt worden sind. Das kann in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, als wenn die Bezugsberechtigten in der Rentenversicherung jetzt Bezüge bekämen, die doch halbwegs der Teuerung angepaßt seien. Ich möchte hier etwas der Aufklärung dienen. Die Zeitschrift „Mitteilungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts der Gewerkschaften" hat eine Aufstellung gemacht und berichtet:
Nach einer repräsentativen Statistik, die zu Beginn des Jahres 1949 in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wurde, blieben in den ländlichen Bezirken des Landes 50 % aller Renten unter 35 Mark,
({0}) in den Industriezentren unter 55 Mark.
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Nach den Verbesserungen der Zulagegesetze werden im Durchschnitt in den ländlichen Bezirken von der Hälfte der Rentner 53 bis 59 Mark und in den Industriezentren 87 Mark und 70 Pfennige erreicht.
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- Ja!
Noch geringer sind im Durchschnitt die Renten der Witwen und Waisen. In den ländlichen Bezirken erhalten etwa 80 % der Witwen eine Rente von 52 Mark und etwa 70 bis 80 % der Waisen eine monatliche Rente von höchstens 46 Mark.
Meine Damen und Herren, das sind Renten, die weit unter dem Fürsorgerichtsatz liegen.
({3})
Sicherlich gibt es Renten, die diesen Fürsorgerichtsatz erreichen und darüber hinausgehen; aber wer sich die Unterlagen ansieht, der stellt mit Bedauern fest, daß der größte Teil der Invaliden, die nur die reichsgesetzliche Invalidenrente bekommen, jahrzehntelang gearbeitet hat und heute feststellen muß, daß die Renten noch nicht einmal die amtlichen Fürsorgerichtsätze erreichen und daß die öffentliche Wohlfahrt da eingreifen muß.
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Wenn schon etwas getan werden muß und wir etwas tun wollen, um diese Notlage der Bezugsberechtigten zu lindern, dann können wir das nicht mit Beträgen von monatlich 2 Mark, 4 Mark und 5 Mark; dann müssen wir schon etwas weiter gehen. Deswegen unterstütze ich in diesem Fall den Antrag, den die SPD eingereicht hat. Ich weiß aber nicht, ob wir selbst mit diesem Antrag für die Zukunft den Forderungen der Bezugsberechtigten gerecht werden, so daß nach meiner Auffassung der Bundesfinanzminister bei der Aufstellung des Etats schon heute mit einkalkulieren muß, daß dieser Erhöhung eine weitere Erhöhung folgen muß.
Unseren Invaliden, Witwen und Waisen wäre für die Zukunft noch mehr gedient, wenn wir eine Preispolitik bekämen, die endlich einmal für ein konstantes Preisniveau sorgte, und nicht, daß, sobald eine Rentenerhöhung erfolgt ist, die Preisspirale wieder nach oben zieht und die Bezugsberechtigten nochmals diejenigen sind, die das Nachsehen haben.
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-Ja, Herr Kollege Winkelheide, es gibt auch andere Ausgaben, da schreit man nicht so sehr nach der Deckungsvorlage und ist doch bereit, sie zu bewilligen.
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Wollen Sie jene, die 30, 40 und 50 Jahre im Dienste des Volkes gearbeitet haben
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und jetzt ein gesetzliches Recht auf eine anständige Rente bekommen, auf solche Art und Weise abtun? Wir wollen uns das merken.
Den Antrag, den Frau Kalinke eingereicht hat, lehne ich auch namens meiner politischen Freunde ab.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine fachliche Bemerkung zu dem, was Frau Kollegin K a linke ausgeführt hat. Frau Kollegin Kalinke, die Grundbeträge der Deutschen Sozialversicherung entsprechen nicht dem Versicherungsprinzip. Bekanntlich sind die Grundbeträge nämlich gleich hoch. Sie verwirklichen gewissermaßen das Sozialprinzip in der Sozialversicherung.
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Die Steigerungsbeträge verwirklichen das Versicherungsprinzip. Das zu Ihrer fachlichen Unterrichtung.
({1})
Nun einige Bemerkungen zu dem, was der Herr Bundesarbeitsminister ausgeführt hat. Selbstverständlich ist meine Fraktion mit dem Herrn Bundesarbeitsminister völlig darüber einig, daß schnellstens Rentenerhöhungen erfolgen sollen. Wir haben nur eine unterschiedliche Auffassung darüber, wie hoch diese Rentenerhöhungen sein sollen. Ich bitte, meiner Fraktion nicht zu unterstellen, wir wollten dadurch, daß wir eine wesentlichere Erhöhung fordern als die Regierungsparteien, eine Rentenerhöhung unmöglich machen.
({2})
Nun einige weitere Bemerkungen zu dem, was der Bundesarbeitsminister bezüglich des Fremdrentengesetzes ausgeführt hat. Gerade meine Fraktion hat mit besonderem Nachdruck darauf hingewiesen, daß baldigst ein Fremdrentengesetz erlassen werden soll. Wir wenden uns aber dagegen, Herr Bundesarbeitsminister, daß in den Haushaltsvoranschlag bestimmte Beträge eingesetzt werden, die keine genaue kalkulatorische Grundlage haben und die nach unserer Ansicht ebenso überhöht angesetzt sind, wie andere Beträge, beispielsweise die für das Rentenzulagengesetz, die ursprünglich erhöht angesetzt wurden, die Beträge des Teuerungszulagengesetzes, die, wie wir in der letzten Sitzung des Sozialpolitischen Ausschusses gehört haben, wesentlich überhöht angesetzt worden sind, und auch die Beträge des Unfallzulagengesetzes, die ebenfalls dem Hause bei Beratung des betreffenden Gesetzes wesentlich höher angegeben wurden, als die tatsächlichen Unfallzulagen waren.
({3})
- Das wissen wir genau nach den Ausführungen, die der Sachverständige, Herr Dr. Lauterbach, im Sozialpolitischen Ausschuß gemacht hat.
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Er hat nämlich ausgeführt - um es Ihnen nochmals ins Gedächtnis zurückzurufen -, daß für die
Renten unter 50 % nur 12 000 Anträge vorliegen.
Wir wenden uns gegen die Politik der Regierung, bei sozialpolitischen Gesetzen von vornherein zu sagen: Die Ausgaben werden ungeheuerlich sein. Bei der Durchführung dieser Gesetze stellt es sich dann heraus, daß die Ausgaben tatsächlich wesentlich niedriger sind.
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Deshalb führe ich hier das Fremdrentengesetz an. Man soll nicht mit dem Fremdrentengesetz gewissermaßen den Teufel an die Wand malen und erklären, das koste soundso viel Hunderte von Millionen, bevor der Gesetzentwurf vorliegt und es möglich ist, den Aufwand exakt zu kalkulieren.
Nun noch etwas anderes. Mit dem Antrag meiner Fraktion, Erhöhungen von 10, 8 und 4 DM vorzunehmen, wollen wir nur das verwirklichen, was den Rentnern bereits mit dem Rentenzulagengesetz versprochen worden ist. In diesem Gesetz steht: Die Renten werden durchschnittlich um 25 % erhöht. Die Renten sind nach dem Rentenzulagengesetz nicht durchschnittlich um 25 % erhöht worden.
({6})
Die durchschnittliche Erhöhung beträgt vielmehr nach den eigenen Angaben des Bundesarbeitsministeriums, die ich aus der Vorlage an den Bundesrat zu entnehmen bitte und die jeder nachrechnen kann, in der Invalidenversicherung nur 17 %, in den anderen Versicherungszweigen zwar über 20 %, im Gesamtdurchschnitt aber nur 20 und nicht 25 %.
({7})
Der Antrag meiner Fraktion bezweckt lediglich, das zu gewährleisten, was den Rentnern und der Öffentlichkeit durch das Rentenzulagengesetz in Aussicht gestellt worden ist: eine tatsächliche Erhöhung von durchschnittlich 25 - und nicht von 20 % - vorzunehmen.
({8})
Meine Damen und Herren, es geht doch nicht an
- und dagegen muß sich meine Fraktion wenden -, daß man bei der Beratung sozialpolitischer Gesetze erhebliche Erhöhungen in Aussicht stellt, und der wirtschaftliche Inhalt dann etwas anders aussieht!
({9})
Es ist nun von der Bedeutung der Staatszuschüsse für die Rentenversicherung gesprochen worden; auch der Herr Bundesarbeitsminister hat sie erwähnt. Wir verkennen keineswegs die Bedeutung und die finanziellen Auswirkungen auf den Etat, aber, Herr Bundesarbeitsminister, ich muß Sie bitten, einmal sorgfältig die Höhe der Staatszuschüsse zur Rentenversicherung vor dem Kriege, vor 1933 und heute zu prüfen. Damals betrugen sie 37 %, gegenwärtig betragen sie nach den eigenen Angaben des Ministeriums nur 30 %.
({10})
Das ist die Differenz, um die wir bei der Erhöhung der Renten kämpfen. Deshalb bitten wir, unserem Antrag auf Erhöhung der Renten um 10, 8 und 4 DM zuzustimmen.
({11})
Meine Damen und Herren, ich hoffe unterstellen zu dürfen, daß diese Aussprache die allgemeine Aussprache der dritten Beratung praktisch im wesentlichen vorweggenommen hat, sonst sind wir über den Bereich der Einzelbesprechung schon weit hinausgeraten.
Das Wort hat zunächst der Herr Bundesminister für Arbeit.
Storch,. Bundesminister für Arbeit: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen von Herrn Willenberg zwingen mich doch, ihn um etwas zu bitten. Er hat gesagt, daß jemand nach 30 bis 40 Jahren Beitragszeit
({0})
- wir wollen es sehr glimpflich machen und wollen sagen, nach einer Beitragszeit von 30 bis 40 Jahren
- eine Rente bekommt, die unter den Richtsätzen der Wohlfahrt liegt. Ich bitte den Herrn Kollegen Willenberg, mir einmal einen derartigen Rentenbescheid zuzuschicken.
({1})
Denn wir wollen doch hier die Dinge nicht anders darstellen, als sie sind.
({2})
Wir haben in einer Zeit, in der nicht die demokratischen Kräfte im deutschen Volke maßgebend waren, Bestimmungen in die Sozialversicherung bekommen, nach denen Leute mit einer sehr kurzen Beitragszeit sich Anwartschaften erwerben konnten. Denen geben wir heute die Mindestrente, obwohl ihr Leben niemals darauf eingestellt war, sich aus einem Arbeitsverhältnis heraus die Lebensversicherung für den Lebensabend zu schaffen.
({3})
Wir müssen doch die Dinge so sehen, wie sie in Wirklichkeit sind, und nicht, wie sie nach draußen sehr nett klingen.
({4})
Dann hat Herr Professor Schellenberg gesagt, wir hätten mit überhöhten Etatansätzen gerechnet.
({5})
({6})
Wenn Sie sich einmal die Etatansätze für die Sozialversicherung und für die anderen Sparten meines Ministeriums ansehen, dann finden Sie, daß die Voranschläge auf der einen Seite um ungefähr 10, ja bis zu 15 % überschritten worden sind. An anderen Stellen haben wir Minderausgaben gehabt. Wenn sich jemand einen Etatansatz von annähernd 2 Milliarden ansieht und wenn nachher an der einen Stelle 150 Millionen fehlen und an einer anderen Stelle 100 Millionen nicht ausgegeben worden sind, dann kann man die Dinge doch nicht so hinstellen, als wenn hier bewußt eine überhöhte Etatansetzung vorgenommen worden wäre in der Voraussicht, daß das gar nicht gebraucht werden solle.
Zum Fremdrentengesetz, Herr Professor Schellenberg, möchte ich Ihnen doch sagen: So, wie Sie die Dinge dargestellt haben, sind sie ja nicht. Die Fremdrenten werden mit Ausnahme der Auslandsrenten bezahlt, und die Rentenversicherungsträger geben für die Fremdrenten heute einen Betrag von 290 Millionen DM aus. Wir brauchen dazu 17 Millionen DM für die sogenannten Auslandsrenten, und daraus ergibt sich der Gesamtbetrag. Sie brauchen doch nur zu dem Verband der Rentenversicherungsträger zu gehen, und bekommen die tatsächlichen Ausgaben, die seither gemacht worden sind, auf den Tisch gelegt. Dann dürfen Sie doch nicht hergehen und im Hause sagen, daß es sich um fingierte Zahlen handelte. So dürfen wir doch hier in diesem Hohen Hause nicht miteinander verkehren!
({7})
Das Wort hat noch einmal Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, Herr Präsident, daß ich das Wort „noch einmal" nehmen muß;
({0})
ich muß es deshalb noch einmal nehmen. Es wundert mich nicht, wenn Herr Renner und Herr Schellenberg, die aus der gleichen Ideologie stammen, über die Angestelltenversicherung nicht so genau Bescheid wissen.
({1})
Dem Herrn Kollegen Arndgen möchte ich sagen, daß der Grundbetrag in der Invalidenversicherung von jeher Staatszuschuß war, daß man aber nicht sagen kann, daß die Grundbeträge der deutschen Sozialversicherung Staatszuschüsse waren.
({2})
Wer die deutsche Sozialversicherung kennt, weiß, daß sehr wohl ein Unterschied zwischen dem Aufbau der Invalidenversicherung, der Angestelltenversicherung und der Knappschaft besteht. Ich bitte daher die Herren, die über diese Dinge noch nicht Bescheid wissen, nicht denen Instruktionsstunden zu geben, die sie gründlich kennen, sondern festzustellen, - ({3})
- Ich will warten, bis Sie fertig sind. - Ihnen möchte ich dann weiter empfehlen, einmal in dem Buch, das über die Angestelltenversicherung von dem DGB im Bundes-Verlag herausgegeben wurde - und ich werde sicher nicht verdächtigt, mit dieser Ideologie übereinzustimmen -, nachzuschlagen und dort festzustellen, was Herr Killat über die Angestelltenversicherung geschrieben hat.
Da hat er nämlich berichtet über das, was 1928 und 1931 der Afa-Bund und die sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstag beantragt haben. Weiter hat er darin berichtet, was im Jahre 1948 von den Einheitsgewerkschaften an Herrn Kollegen Richter geschrieben wurde, nämlich, daß man es für dringend notwendig halte, in jedem neuen Gesetz Grundbetrag und Steigerungsbetrag der Invaliden- und Angestelltenversicherung einheitlich zu ordnen, weil man über einheitlichen Beitrag und einheitliche Leistung zur Einheitsrentenversicherung kommen wollte!
({4})
- Schreien Sie doch nicht so! Hören Sie doch zu! Sie können doch etwas lernen!
({5})
- Sie können bestimmt noch einiges lernen! ({6})
Man hielt das für notwendig, weil man über diesen einheitlichen Aufbau der Rentenversicherung d. h. auf Umwegen zu politischen Lösungen zu kommen versucht, die wir auf geradem Wege erreichen wollen.
({7})
Das bedeutet, daß nach unserer Auffassung die Mehrheit dieses Hauses zu beschließen hat, ob wir ein einheitliches System der Staatsbürgerversorgung schaffen oder ob wir zum Versicherungsprinzip in seiner organisch gewachsenen Vielfalt zurückzukehren gedenken.
({8})
- Ich habe nicht die Absicht, die Kommunistische Partei, und auch nicht die Absicht, Herrn Schellenberg zu belehren; er hat sich ja zu der Ideologie bekannt, die Marschall Sokolowski uns seinerzeit in Berlin aufgezwungen hat.
({9})
Ich möchte jetzt nur noch ein Wort sagen zu § 1. Wer unseren Antrag annimmt, hindert weder die Verabschiedung des Gesetzes noch die Leistung von Vorauszahlungen. sondern sorgt nur dafür, daß eindeutiges Recht geschaffen wird und daß nicht im Hintergrund Dinge damit verquickt werden, die ganz bestimmt weder der Arbeitsminister noch die Bundesregierung noch die Mehrheit dieses Hauses gewollt haben..
Nun zu der Höhe der SPD-Anträge. Ich habe gestern nach der Beratung im Haushaltsausschuß allerdings gehofft, daß Sie Ihren Antrag zurückziehen würden. Dazu möchte ich nur sagen: es ist kein Kunststück, 10 Mark zu beantragen. Die Kommunisten haben es verdoppelt, ich könnte es verdreifachen; Papier ist geduldig. Ich meine, es kommt nicht darauf an, 10 oder 20 oder 30 Mark aus Propagandagründen zu beantragen,
({10})
sondern darauf, nur etwas zu beantragen, was man auch wirklich zu geben in der Lage ist.
({11})
Wie wollen nicht sozial scheinen, sondern wir wollen wahrhaft sozial handeln!
({12})
Das Wort hat - Herr Abgeordneter Schellenberg, immer der Reihenfolge nach! - zuerst der Abgeordnete Horn. Es tut mir leid.
({0})
({1})
- Der Abgeordnete Horn verzichtet.
Das Wort hat „noch einmal" Herr Abgeordneter Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete K a link e hat eben von „Ideologie" gesprochen. Ich meine, es sollte die gemeinsame Ideologie dieses Hauses sein, den Ärmsten der Armen den größtmöglichen Schutz zu gewähren.
({0})
Nun zu den Bemerkungen des Herrn Bundesarbeitsministers.Ich habe mich nicht dagegen gewandt, daß einmal diese und einmal jene Etatposition überschritten bzw. eine andere unterschritten wird. Ich habe mich aber dagegen wenden müssen, daß sich bei Gesetzesvorlagen - und ich habe die Beispiele erwähnt: Rentenzulagengesetz, Teuerungszulagengesetz und Unfallzulagengesetz, d. h. praktisch alle Gesetze, die Erhöhungen der Rentenleistungen betreffen - nachher herausstellte - und das kann nicht bestritten werden -, daß die Voranschläge wesentlich überhöht waren. Deshalb habe ich darauf hinweisen müssen, daß wir auch den Voranschlägen bezüglich des Fremdrentengesetzes mit 397 Millionen DM mit einiger Kritik gegenüberstehen. Die Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers über die tatsächlichen Feststellungen der Rentenversicherungsträger scheinen mir das zu bestätigen. Ein Betrag von 397 Millionen DM, mit dem die Bundesregierung operiert, ist bisher finanztechnisch in keiner Weise nachgewiesen.
Damit komme ich zum Schluß. Wenn Frau Kollegin Kalinke gesagt hat, daß meine Fraktion Anträge gestellt habe, die wirtschaftlich nicht begründet seien,
({1})
- die agitatorisch seien, haben Sie sogar gesagt -, so haben wir uns gerade deshalb den finanzwirtschaftlichen Grundlagen bei der Erörterung des § 1 so eingehend widmen müssen, weil es das Bestreben auch meiner Fraktion ist, nachzuweisen, daß es finanzwirtschaftlich möglich ist, unseren Anträgen zuzustimmen.
({2})
Herr Abgeordneter Arndgen „nochmals", um die Parität zu wahren!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Professor Schellenberg hier schon mehrfach glaubte darauf hinweisen zu müssen, daß die Ansätze im Haushalt viel höher seien als die tatsächlichen IstAusgaben am Schlusse eines Haushaltsjahres, möchte ich doch auf einige Haushaltsansätze, die den sozialen Bereich berühren, eingehen. Es sind beispielsweise in der Kriegsfolgenhilfe im Haushalt rund 518 Millionen DM angesetzt gewesen, während 582 Millionen DM, also 64 Millionen DM mehr, ausgegeben worden sind.
({0})
Im Lastenausgleich sind, das gebe ich zu, 5 Millionen DM weniger ausgegeben worden. Für Umsiedlung und Auswanderungen sind 10 Millionen DM weniger ausgegeben worden, als im Haushalt angesetzt waren. Für die verdrängten Beamten sind dagegen 27 Millionen DM mehr ausgegeben worden. In der Kriegsopferversorgung sind 67 Millionen DM eingespart worden. Für die Berufssoldaten sind 6 Millionen DM mehr ausgegeben worden. Wenn ich diesen sozialen Bereich zusammenziehe, auf der einen Seite die Einsparungen, auf der anderen Seite die Mehrausgaben, so ergibt sich, daß im gesamten Haushalt für diese Zwecke 15 Millionen DM mehr ausgegeben worden sind, als angesetzt waren. - Nehmen wir einen anderen Bereich, Herr Professor Schellenberg. Für die Arbeitslosenhilfe waren im Haushalt etwas über eine Milliarde DM angesetzt; ausgegeben worden sind 1 Milliarde 147 Millionen DM, so daß der Ansatz weit überschritten worden ist. Für die betriebliche Altersversorgung waren 21 Millionen DM angesetzt; ich gebe zu, es sind hier 10 Millionen DM weniger ausgegeben worden. Für die Sozialversicherung waren 1 Milliarde 700 Millionen DM im Ansatz, während 52 Millionen weniger ausgegeben worden sind. Ziehe ich auch diese Positionen zusammen, so komme ich auch hier zu einer Mehrausgabe von 26 Millionen DM. Also es stimmt schon nicht, wenn Herr Professor Schellenberg immer sagt, die Ansätze seien höher als die tatsächlichen Ausgaben. Diese paar Beispiele zeigen uns, daß wir auf den Gebieten des sozialen Sektors 35 bis 36 Millionen DM mehr ausgegeben haben, als in den Ansätzen verzeichnet waren.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu § 1.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der KPD Umdruck Nr. 737 als den weitestgehenden Antrag. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage der Gruppe der KPD, Umdruck Nr. 737, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen die Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 735, Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen bitte? ({0})
- Meine Damen und Herren, ich bitte, entsprechend der Geschäftsordnung den Versuch machen zu dürfen, es durch Aufstehen zu klären; vielleicht ist das einfacher zu übersehen. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD sind, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, es bleibt nichts anderes übrig, als im Wege des Hammelsprungs auszuzählen. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Änderungsantrag sind, sich durch die Ja-Tür wieder in den Saal zu begeben.
({1}) Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({2})
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte, die Türen zu schließen und die Auszählung zu beendigen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben 160, mit Nein 167 Mitglieder des Hauses gestimmt; 3 haben sich der Stimme enthalten. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 738 Ziffer 2 abstimmen. Dieser Antrag der Deutschen Partei geht dahin, in § 1 Abs. 1 die Worte „Grundbeträge der" zu streichen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
({0})
- Zurückgezogen?
({1})
- Frau Abgeordnete Kalinke, würden Sie sich bitte zur Tribüne bemühen, damit das Haus Sie hören kann.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Damit, daß Sie die klare Entscheidung, die unser Antrag in der Überschrift bezweckt hat, abgelehnt haben, erübrigen sich die weiteren Abtimmungen über unseren Antrag. Wenn Sie die von uns beantragte Änderung im Grundsatz nicht anerkennen, bedarf es keiner weiteren Abstimmung; denn die weiter von uns beantragten Änderungen sind nur die Konsequenzen aus dem angedeuteten Grundsatz.
({0})
Man hat noch nicht zur Überschrift abgestimmt. Wir kommen leider um dieses Mühsal nicht herum und müssen über den Antrag Umdruck Nr. 738 Ziffer 2 abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um ei.n Handzeichen.
- Gegenprobe! - Letzteres ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr sind alle Änderungsanträge zu § 1 beschieden. Ich lasse über § 1 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 2 auf. Änderungsanträge sind nicht angekündigt. Wer für die Annahme dieses Paragraphen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Zu § 3 ist ein Änderungsantrag Umdruck Nr. 738 Ziffer 3 angekündigt. Wird er noch besonders begründet? - Das ist nicht der Fall. Dann lasse ich abstimmen. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Das zweite war die überwiegende Mehrheit.
Ich lasse abstimmen über die §§ 3, 4
({0})
und 5.
({1})
- Nein, zu § 4 ist mir kein Änderungsantrag übergeben worden.
({2})
- Ich bitte sehr um Entschuldigung.
Dann lasse ich über § 3 abstimmen. Wer für die Annahme von. § 3 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
- Enthaltungen? - Ist angenommen.
Zu § 4 ist ein interfraktioneller Änderungsantrag Umdruck Nr. 742 angekündigt. Soll er begründet werden?
({3})
Dann lasse ich abstimmen.
({4})
- Ich hatte gefragt, ob er begründet werden soll. Niemand hat sich - jedenfalls nach meiner Sicht
- gemeldet.
({5})
Wer meldet sich hierzu zum Wort? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist in diesem Hohen Hause schon des öfteren bedauert worden, daß sieh unsere Arbeit in allzu vielen Ausschüssen aufsplittert. Wir erleben es gerade auf dem sozialpolitischen Sektor, daß die Dinge in vier, fünf verschiedenen Gremien behandelt werden. Durch den außerordentlichen Zeitdruck, unter dem wir leiden, ist die Koordinierung nicht immer gesichert. Wir erleben hier, daß die Bestimmung des § 4 praktisch in die Arbeit von drei weiteren Ausschüssen eingreift, u. a. in die Arbeit des Kriegsopferausschusses. Der Sozialpolitische Ausschuß hat an den Kriegsopferausschuß die Anfrage gerichtet, wie sich der Kriegsopferausschuß zu § 4 der ursprünglichen Fassung verhalte. Der Kriegsopferausschuß hat einmütig über alle Parteien hinweg den Beschluß gefaßt, dem Sozialpolitischen Ausschuß mitzuteilen, daß unter allen Umständen die Nichtanrechnung dieser Bezüge auf die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz gewährleistet sein muß.
Nun bekommen wir heute den Umdruck Nr. 742. Dieser neue Änderungsantrag ist im Kriegsopfer-ausschuß nicht besprochen worden.
Ich muß mich in sachlicher Hinsicht auf meine kürzlichen Ausführungen zum Bundesversorgungsgesetz und zu seinem Verhältnis zu den übrigen Sozialgesetzen beziehen. Ich mußte feststellen, daß die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz heute unter den Leistungen der Unterhaltshilfe und zum Teil unter denen der Fürsorge liegen und daß die Einkommensfreigrenzen zu eng sind. Es kann daher nicht verantwortet werden, aus dem § 4 den Kreis der Kriegsopfer herauszunehmen.
Ich bitte, die ursprüngliche Fassung des Antrags wiederherzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die letzten Erklärungen der Frau Kollegin Probst laufen doch wohl klar darauf hinaus, daß das, was in dem Änderungsantrag bezüglich der Anrechnung der Zulagen bei der Kriegsopferrente gesagt ist, repariert werden soll. Nichtsdestoweniger muß man aber darauf aufmerksam machen, daß hier ein Änderungsantrag aller Koalitionsparteien vorliegt, nach dem die Leistungen nach diesem Gesetz den Kriegsopfern nicht
({0})
zugute kommen sollen. Sie sollen - so heißt es ausdrücklich - bei der Errechnung der Ausgleichsrente anrechenbar sein.
Aber die Sache hat noch eine andere Seite. In
dem Antrag steht ja noch mehr. In dem ursprünglichen Vorschlag heißt es im § 4 des Gesetzes:
. . . Die Erhöhungen nach § i bleiben ferner von der Anrechnung auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung ausgenommen.
Das steht hier in Ihrem Änderungsantrag nicht mehr drin. Also Ihr Änderungsantrag läuft darauf hinaus, die Empfänger von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung von den Leistungen nach diesem Gesetz auszuschließen.
({1})
Darum verlangen wir vollständige Wiederherstellung des § 4 in der ursprünglichen Formulierung.
Aber noch etwas anderes ist zu sagen. Wir haben uns gestern über den Tatbestand unterhalten, daß Bezirksfürsorgeverbände die Lehrlingszulage aus dem Soforthilfegesetz als Einkommen bei der Berechnung der Bedürftigkeit nach § 5 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen Fürsorge anrechnen. Der Vertreter der Regierung hat gestern erklärt, daß die öffentliche Fürsorge eine Angelegenheit der Selbstverwaltung sei. Wenn dem so ist und wenn die Praxis draußen dem entspricht, daß die Bezirksfürsorgeverbände bisher alle Anregungen auf Nichtanrechnung von Erhöhungen von Leistungen nach den Sozialversicherungsgesetzen abgewiesen haben, dann reicht, scheint mir, die Fassung des § 4 in der derzeitigen Form nicht aus. Wir sind der Meinung, daß der Satz: „Das gleiche gilt bei der Prüfung der fürsorgerechtlichen Hilfsbedürftigkeit" nicht das gewährleistet, was seit Jahr und Tag hier gelegentlich einmal bei aht worden ist. Es müßte also in dem Gesetz heißen, daß der § 5 der Reichsgrundsätze für den Personenkreis, der in diesem Gesetz angesprochen ist, aufgehoben wird. Solange wir das nicht hineinarbeiten, sind die Bezirksfürsorgeverbände nicht verpflichtet, auf eine Anrechnung dieser Erhöhungen bei der Prüfung der Bedürftigkeit überhaupt zu verzichten.
Lassen Sie mich einen letzten Satz sagen. Wir haben bei allen Rentenerhöhungen in den letzten 12 Monaten erlebt, daß sie in der Gemeinde, bei den Bezirksfürsorgeverbänden dazu ausgenutzt worden sind, die kommunalen Wohlfahrtsleistungen abzudrosseln. Primitiv gesagt: was Bonn in Gestalt von Rentenerhöhungen gegeben hat, das kam den Bedachten überhaupt nicht zugute, soweit sie zusätzlich Wohlfahrtsunterstützung bezogen: denn die kommunalen Wohlfahrtsämter haben das, was Bonn gegeben hat. ihrerseits wieder in Abzug gebracht. so daß der Sozialberechtigte von allen diesen Erhöhungsmanövern praktisch keine effektive Erhöhung seiner Bezüge, seines Einkommens gehabt hat: das ist die Lage. Wenn das nun ausgemerzt werden soll. dann müssen ,wir in dieses Gesetz klar und eindeutig hineinarbeiten, daß der § 5 der Reichsgrundsätze außer Kraft gesetzt ist. was die Auswirkungen dieses Gesetzes angeht. Solange Sie das nicht machen, ist Ihre Formulierung: ,,Die Erhöhungen nach § 1 bleiben unberücksichtigt bei der Prüfung der fürsorgerechtlichen Hilfsbedürftigkeit" nichts anders als eine leere, zu nichts verpflichtende Deklamation.
({2})
- Das stimmt wohl!
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke. - Sie haben auf das Wort verzichtet?
({0})
Sie wollten nur nach Herrn Pohle sprechen?
({1})
- Nach Herrn Arndgen wollen Sie sprechen? - Es war nicht ganz deutlich zu vernehmen, ich bitte um Entschuldigung.
Dann hat der Abgeordnete Pohle das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, mit diesem Antrag zerstören wir den ganzen vorweihnachtlichen Zauber.
({0})
Nach dem, was sich gestern in Einmütigkeit hier in diesem Hause ergeben hat, bedeutet dieser Antrag von heute einen Peitschenschlag, und ich hoffe, ich habe die feste Überzeugung, daß sich in diesem Hohen Hause eine Mehrheit findet, die diesen Antrag ablehnt.
Denn, meine Damen und Herren, worum geht es denn? Es ist schon der schlechte und böse Weg bei dem Rentenzulagengesetz eingeschlagen worden. Bei dem Rentenzulagengesetz hat die Regierung in ihrer Begründung damals gesagt:
Dieser Mehrbelastung der öffentlichen Hand stehen Ersparnisse gegenüber . . . . b) in der Kriegsopferversorgung durch verstärkte Anrechnung der Renten aus der Rentenversicherung auf die Ausgleichsrente.
Sie erleben also, daß, wenn dieser Antrag angenommen wird, wieder eine Verwaltungsmaschinerie in Bewegung gesetzt wird. Wenn zwei Renten zusammenstoßen, erhält man von der einen Seite die Benachrichtigung: „Die Rente erhöht sich", um einige Zeit später vom Versorgungsamt die Nachricht zu bekommen: „Da sich diese Rente erhöht hat, streichen wir diesen Betrag jetzt an der Ausgleichsrente." Das kann nicht der Sinn einer sozialen Gesetzgebung sein, und es muß meiner Ansicht nach alles darauf verwandt werden, daß wir auch den Kriegsopfern volle Gerechtigkeit widerfahren lassen.
Ich darf Sie deshalb bitten - und bitte Sie wirklich dringend -, diesen falschen Weg nicht weiter zu beschreiten, sondern auch den Kriegsopfern ihr wohlerworbenes Recht hier zuteil werden zu lassen. Ich bitte Sie, diesem Antrag zur Ablehnung zu verhelfen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Umdruck Nr. 742 haben die Koalitionsparteien, wie Ihnen durch die Verteilung des Umdrucks bekanntgeworden ist, eine Änderung des § 4 beantragt mit dem Ziel, diese 5 DM bei der Ausgleichsrente in der Kriegsopferversorgung in Anrechnung zu bringen. Dieser Antrag ist damit gut begründet, daß wir gestern in diesem Hause für sämtliche Rentner aus der Kriegsopferversorgung eine doppelte Rente beschlossen haben.
({0})
({1})
- Herr Kollege Renner, es ist nicht Aufgabe des Ausschusses für Sozialpolitik, die Einkommensfreigrenze in der Kriegsopferversorgung zu ändern. Das ist Aufgabe des Ausschusses für Kriegsopferfragen, und wenn man der Meinung ist, daß die Einkommensgrenze nicht mehr der notwendigen Höhe entspricht, ist es keinem in diesem Hause benommen, einen entsprechenden Antrag zu stellen, dann kann sich der Ausschuß für Kriegsopferfragen mit diesem Antrag beschäftigen.
Wenn wir aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, heute festlegen, daß die 5 Mark nicht angerechnet werden sollen, dann begehen wir denen gegenüber ein Unrecht, die ihr Einkommen durch ihrer Hände Arbeit erhöhen; denn bei der Einkommensfreigrenze in der Kriegsopferversorgung wird nicht von Renten gesprochen, die nicht angerechnet werden sollen, sondern das Kriegsopferversorgungsgesetz spricht davon, daß Einkommen, gleich woher es kommt, bis zu der und der Höhe nicht anzurechnen ist. Wenn nun einer, der Ausgleichsrente bezieht, irgendwo in Arbeit steht und durch seiner Hände Arbeit seinen Verdienst erhöht, dann bekommt er das angerechnet, und die Ausgleichsrente wird dementsprechend gesenkt. Wenn aber das Einkommen aus anderen Quellen, aus einer Rente, für die nicht gearbeitet wurde, erhöht wird, dann wird diese Erhöhung nicht angerechnet. Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehen Sie dieses zweierlei Recht nicht, das wir mit einer solchen Einbeziehung der Nichtanrechnung in diesem Gesetz für die Kriegsopfer schaffen? Ich habe nichts dagegen, sondern bin bereit mitzuarbeiten, wenn die Frage zur Debatte steht, die Einkommenfreigrenze in der Kriegsopferversorgung zu erhöhen. Aber daß wir bei der Ausgleichsrente mit zweierlei Maß messen, ist, glaube ich, ungerecht, und ich bitte daher, dem Antrag auf Umdruck Nr. '742 die Zustimmung zu geben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Pohle und auch des Herrn Renner hinsichtlich des Bundesversorgungsgesetzes hat Herr Arndgen schon so ausgezeichnet geantwortet, daß ich dem nur noch hinzuzufügen brauche: Auch die Änderung der Reichsgrundsätze ist nicht Aufgabe des Sozialpolitischen Ausschusses, und ich hoffe, daß in der Novelle, die vom. Fürsorgeausschuß bearbeitet wird, diese Frage ganz besonders und gründlich angepackt wird. Wenn sich die Fraktion der Deutschen Partei hier zu § 4 so entschieden für die Nichtanrechnung der Zulage bei den Sozialversicherungsrenten eingesetzt hat, dann, obwohl sie den Grundsatz, daß die Fürsorge subsidiär ist, anerkennt. Sie tut das aber, weil es jetzt in der Praxis unserer durcheinandergeratenen Sozialgesetzgebung nicht mehr möglich zu sein scheint, nur nach Theorien, sondern noch notwendig ist, entsprechend der politischen Wirklichkeit zu entscheiden. Diese Wirklichkeit ist, daß wir den Tatbestand der sozialpolitischen Fehler haben, die vom Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz über das Teuerungszulagengesetz bis zur Gegenwart reichen. Weil es wegen des von uns so oft beanstandeten Fehlens einer Konzeption nicht möglich ist, jetzt wieder den Rentnern durch Rundfunk und Presse Rentenerhöhungen zu versprechen, die dann gerade „die Ärmsten der Armen", von denen in diesem Hause so oft gesprochen wird, nicht bekämen, weil
sie der Staat mit einer Hand gäbe und mit der anderen bei der Fürsorge wieder abzöge, daher forderten wir die Nichtanrechnung der Erhöhung bei den Leistungen aus dem Lastenausgleich, der öffentlichen Fürsorge und dem Teuerungszulagengesetz! Ich appelliere an dieser Stelle auch an die verantwortlichen Vertreter des Finanzausschusses des Bundesrates und der Länder, die, soweit sie sich in ihren politischen Parteien immer für die Ärmsten der Armen eingesetzt haben, jetzt nicht von falschen Grundsätzen her erklären sollten, daß das, was der Bund aus Steuermitteln für die Sozialversicherung als Zuschuß gibt, bei den Leistungen der Fürsorge nun wieder eingespart werden soll.
Der Lastenausgleichsausschuß hat außerdem einen Einwand dagegen erhoben, daß wir hier besonderen Wert darauf gelegt haben, daß bei den Empfängern von Renten aus dem Lastenausgleich, sofern sie gleichzeitig Rechtsansprüche aus der Sozialversicherung haben, eine Anrechnung ebenfalls nicht erfolgt. Man hat dazu gesagt, ein Drittel der Rentenempfänger werde nun 5 DM mehr bekommen und die anderen zwei Drittel würden mit Recht fordern, daß die Renten aus dem Lastenausgleich erhöht werden. Hier möchte ich ganz eindeutig sagen, daß in der Frage der Renten aus der Soforthilfe genau so wie in der Frage der Sozialversicherungsrentenempfänger, die zu gleicher Zeit Fürsorgeansprüche 'stellen, eben ein Unterschied sein muß zwischen demjenigen, der Versicherungsbeiträge gezahlt hat, und demjenigen, der für die Notlage im Alter durch einen solchen Beitrag nicht vorgesorgt hat. Ich möchte das sagen auch im Hinblick auf die Arbeitslosenfürsorgeempfänger, auch insofern, als ein Unterschied sein muß zwischen demjenigen Rentenempfänger, der sich bemüht, durch zusätzliche Arbeit aus eigener Kraft -- auch wenn er in seinem eigentlichen Beruf nicht mehr vorankommen kann - die Not der Gegenwart für sich und seine Familie zu meistern, und demjenigen, der sich eben auf die Fürsorge verläßt. Wir haben aus volkswirtschaftlichen genau so wie aus sozialpolitischen Erwägungen allen Grund, hier sehr zu unterscheiden, damit die Relation zum Lohn und die Anerkennung der Leistung nicht verwässert wird. Aus diesem Grund haben wir dem Änderungsantrag der Regierungsparteien zugestimmt. Wir sind auch der Meinung, daß es möglich sein wird, die 10 Millionen DM Mehrkosten im Haushalt aufzubringen, während wir bezweifeln, daß auch von der finanziellen Seite her die gesamten Leistungen ohne jede Anrechnung überhaupt möglich wären.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, das, was sich hier in den letzten 20 Minuten abgespielt hat, so schlicht darzustellen, daß es der einfache Mann auf der Straße versteht.
Hier haben wir einen Gesetzentwurf, der die Unterschrift der Herren von der CDU/CSU trägt, ({0})
insbesondere die Unterschrift des Herrn Arndgen; er trägt auch die Unterschrift von Herrn Dr. Hammer, um nur zwei zu nennen. Heute morgen wird uns nun dieser Änderungsantrag auf den Tisch des Hauses gelegt. Ich hatte nach den Ausführungen der Frau Kollegin Probst, die bekanntlich eine führende Rolle in einer großen Organisation der
({1})
Kriegsopfer spielt, den Eindruck, daß sie zumindest das, was in diesem Änderungsantrag gefordert wird, abschwächt; ja, man konnte sogar den Eindruck haben, sie zieht diesen Antrag im Namen der Fraktion zurück.
({2})
Ich bin in meiner Auffassung korrigiert worden durch den Kollegen Arndgen. - „O nein", richtig, Sie ziehen nicht zurück, im Gegenteil, nachdem Sie zuerst gemeinschaftlich diesem Gesetz zugestimmt haben, hat in der letzten Minute irgendein Reaktionär Ihnen einige neue Vorschriften gegeben, wie Sie sich praktisch zu verhalten haben.
({3})
Diese Vorschriften, die Sie bekommen haben, liegen in Ihrem Änderungsantrag. Sie wollen nach diesem Änderungsantrag nicht, daß Bezieher von Ausgleichsrenten - also normalerweise Schwerkriegsbeschädigte, bei denen die Invalidenrente bei der Prüfung der Frage der Ausgleichsrente sowieso als Einkommen angerechnet wird -, die gleichzeitig Invalidenrentner sind, den Vorteil dieses Gesetzes, also diese jämmerlichen 5 DM pro Monat haben sollen. Das wollen Sie, im Gegensatz zu Ihrer ursprünglichen Haltung, die ihren Niederschlag in Ihrem eigenen Gesetzentwurf gefunden hat, heute nicht mehr.
Herr A r n d g en stellt sich heute hierhin und sagt, das sei eine Bestrafung der schwerbeschädigten Bezieher von Ausgleichsrenten.
({4})
- Ja, Sie haben von zweierlei Recht gesprochen. Richtig! Sie haben gesagt, das sei eine Bestrafung, eine Schädigung, eine Zurücksetzung der schwerbeschädigten Bezieher von Ausgleichsrente nach dem Bundesversorgungsgesetz, die mit ihrer Hände Arbeit noch etwas zusätzlich verdienten. Sicher, das ist eine Sonderstellung, das gebe ich zu. Aber, Herr Arndgen, Sie als alter Gewerkschaftler müßten doch längst mit der Forderung der Kriegsopfer mitgehen, die darauf hinausläuft, die Invalidenrente überhaupt nicht als Einkommen anzurechnen.
({5})
Das müßte doch ein alter Gewerkschaftler, ein Mann, der sich Sozialpolitiker nennt, anerkennen. Das tun Sie nicht. Ich möchte bei Ihnen beinahe sagen: wider bessere Erkenntnis.
({6})
Denn, Herr Arndgen, ein Fachmann auf diesem Gebiet wie Sie muß doch den Unterschied zwischen der Rente für einen Kriegsbeschädigten und der allgemeinen Rente begreifen. Der Sinn der Kriegsopferrente, der Kriegsbeschädigtenrente ist doch der - und dafür spricht ja auch, daß diese Leistungen erbärmlich niedrig sind -: den Kriegsbeschädigten einen Ausgleich für die Sonderbelastung zu schaffen, die aus ihrer Kriegsdienstbeschädigung resultiert.
({7})
- Ja, wagen Sie denn Grundrente plus Ausgleichsrente eine Versorgung zu nennen? Das wagt
draußen in der Öffentlichkeit niemand von Ihnen!
({8})
- Das ist der übliche blödsinnige Zwischenruf. ({9})
- Der Zwischenruf ist nicht nur billig,
({10})
er ist auch falsch. Er wird immer wieder von denen gebracht, die ihre eigenen Unzulänglichkeiten hier bei uns zu verdecken beabsichtigen.
({11})
Aber bleiben wir beim nackten Tatbestand, wenn ich so sagen soll.
({12})
Sie wollen auch den Tatbestand verewigen, der schon seine Urbegründung in den Ruhensvorschriften Ihres seligen Kollegen von ehedem, des Herrn Kanzlers Brüning, findet.
({13})
- Ja doch, der hat - -({14})
Als Kanzler ist er selig, und hoffentlich kommt er nicht wieder. Aber dem Mann verdanken wir das Unrecht des Ruhens der Renten beim Doppelbezug von Renten.
({15})
- Doch, er war der Vater der ersten Notverordnung von Weihnachten 1930, in der das enthalten war.
({16})
- Vorher stand's nicht drin. Das war eine Brüningsche Leistung. Daß Hitler sie beibehalten hat und der „so sozial wie mögliche" Herr Adenauer sie auch beibehält,
({17})
ist eine Sache für sich. Das ist nur die Fortsetzung der allgemeinen inneren Haltung zu dem Problem von Hitler bis Adenauer. Es gibt noch mehr Parallelen, Herr Schröder, aber darauf kann ich heute nicht eingehen. Ich halte also für die Öffentlichkeit fest, daß Sie mit Ihrem Änderungsantrag etwas aus der Welt schaffen, was Sie ursprünglich selber zu geben bereit waren.
Und nun noch ein Wort an die Frau Kalinke.
({18})
Frau Kalinke, es grenzt an - ich darf das Wort hier nicht aussprechen ({19})
- richtig!
({20})
- ein nicht aussprechbares Wort, weil es einen Ordnungsruf einbringt,
({21})
was Sie sich an die Adresse der Bezieher von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung zu richten erlaubt haben. Sie haben diese Menschen als Faulenzer hingestellt.
({22})
Sie haben gesagt, die Bezieher von Arbeitslosenfürsorgeunterstützung gehörten zu denen, die nicht
b reit seien, durch eigene Arbeitsleistung ihr
Leben zu garantieren. Das ist ein Wort, das ich
hier nicht ungestraft richtig qualifizieren darf, und
({23})
darum gebe ich Ihnen, Frau Kalinke, die Antwort draußen. Ich stelle nur fest, daß das richtig ist, was ich Ihnen anfänglich zugerufen habe: Sie sind die fleischgewordene Reaktion.
({24})
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe hier auch das Anliegen des Kriegsopfer-Ausschusses zu vertreten, der einmütig für die Nichtanrechnung ist. Ich richte meinen Appell an alle ehemaligen Kriegsteilnehmer in diesem Hause - die Zahl ist nicht klein -, nicht um einer Ersparung von 10 Millionen DM willen für 100 Millionen Verbitterung unter den Kriegsopfern anzurichten.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Kollege Renner aus der Tatsache,
({0}) daß unter der Drucksache Nr. 3927 mein Name steht, und der anderen Tatsache, daß ich den Änderungsantrag zum § 4 begründet habe, einen Gegensatz zu konstruieren versucht hat, ist es doch notwendig, auf die Interna dieser Sache einzugehen, damit hier kein falsches Bild über diese Dinge entsteht. Die Drucksache 3927 ist sowohl von Abgeordneten der Regierungsparteien als auch von solchen der Opposition unterschrieben, und dabei ist sowohl von den Abgeordneten der Opposition als auch von den Abgeordneten der Regierungsparteien erklärt worden, die Unterschriften würden nur unter Vorbehalt gegeben, weil alle Unterschreibenden mit manchen Bestimmungen des Antrags Drucksache Nr. 3927 nicht einverstanden waren. Um das Gesetz in den Bundestag hineinzubekommen und hier behandeln zu können, ist der Entwurf als Initiativantrag eingebracht worden, aus keinen anderen Gründen. Das wollte ich nur bekanntgegeben haben, damit kein falsches Bild über die Aussprache zu dieser Drucksache entsteht.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch mit Herrn Renner möchte ich mich nicht auseinandersetzen.
({0})
Ich möchte nur für diejenigen, die etwa nachher im Organ des „Reichsbundes" die Ausführungen des Herrn Renner wieder als einzige Stellungnahme und scheinbare Wahrheit lesen werden, erklären: Dieses Haus hat am 27. November in erster Lesung den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei Drucksache Nr. 3837 angenommen, nach dem die Grundrenten für Beschädigte nach § 31 des Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges vom 20. Dezember 1950 nicht auf die Arbeitslosenfürsorgeunterstützung anzurechnen sind. Ich stelle weiter fest, daß Herr Renner den Sinn des Bundesversorgungsgesetzes insofern falsch dargestellt hat, als das, was er ausgeführt hat, für die Grundrente zutrifft. Sie soll auch nach
der Auffassung der Fraktion der Deutschen Partei unabdingbarer Rechtsanspruch sein. Was aber die Ausgleichsrente angeht, so ist, glaube ich, aus der Kommentierung des Bundesversorgungsgesetzes und aus den Debatten bei seiner Verabschiedung eindeutig erkennbar gewesen, daß in diesem modernen Versorgungsgesetz
({1})
die Grundrente und die Ausgleichsrente zwei ganz verschiedene sozialpolitische Ziele haben.
Die „fleischgewordene Reaktion", Herr Renner, ist für mich eine Ehrensache, wenn sie von der linken Seite des Hauses herausgefordert wird!
({2})
Im übrigen meine ich, daß gerade wegen der Problematik, die sich aus einem modernen Versorgungsgesetz ergibt, über alle politischen Parteien in diesem Hause hinweg Einheit der Auffassung besteht. Herr Kollege Arndgen hat schon angedeutet, daß wir nur in einer Novelle zum Bundesversorgungsgesetz diese Probleme lösen können, und Frau Dr. Probst wird mit dem VdK zugeben, daß es ihr nur lieb sein kann, wenn diese Probleme im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen angerührt werden. Die Fraktion der Deutschen Partei wird sich entschieden für eine drin-. gend notwendige Novelle zum Bundesversorgungsgesetz einsetzen.
Was aber die sinnentstellenden Ausführungen des Herrn Renner zu der Frage der Arbeitslosenfürsorge angeht, so möchte ich hierzu erklären, daß ich glaube, es gibt kaum jemanden in diesem Hause und in der Öffentlichkeit, der sie ernst zu nehmen beabsichtigt. Wir sind nach wie vor der Auffassung, daß ein Unterschied sein muß zwischen demjenigen, der bereit ist, durch Versicherungsbeiträge, durch ersparte Gelder im Sparguthaben oder im Sozialversicherungsbeitrag und aus Arbeitsleistung für sich und die Seinen einzustehen, und demjenigen, der sich auf seinen Nachbarn, die Steuerzahler und den Staat verläßt. Die fortschrittlichste Sozialpolitik wird nur die sein, die sehr weise zwischen diesen beiden Gruppen, die es leider auch in unserem Volke gibt, unterscheidet.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse über den Änderungsantrag in Umdruck Nr. 742 abstimmen. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
({0})
- Es besteht keine Einmütigkeit im geschäftsführenden Präsidium; wir müssen durch Hammelsprung entscheiden.
Ich bitte die Herren Schriftführer, sich an die Türen des Saales zu begeben.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen; die Tagesordnung ist noch sehr ausgiebig.
Ich bitte, die Türen zu schließen.
Ich bitte, die Türen zu öffnen und mit der Auszählung zu beginnen.
({2})
({3})
Ich bitte, die Türen zu schließen und die Auszählung zu beenden. - Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 153 Mitglieder des Hauses, mit Nein 151, 6 haben sich der Stimme enthalten. Der Änderungsantrag ist also mit 2 Stimmen Mehrheit angenommen.
({4})
Damit entfällt eine Abstimmung über § 4 in der Ausschußvorlage.
Ich lasse abstimmen über § 5. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - § 5 ist angenommen.
({5})
- § 5! Ich habe es doch deutlich genug aufgerufen, Herr Kollege Arndgen. Da Sie der Sprecher Ihrer Fraktion in dieser Sache sind, bitte ich um etwas mehr Aufmerksamkeit.
§ 5 a! Wird der dazu vorliegende Antrag noch begründet? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Meyer.
Herr Präsident! Mein Damen und Herren! Die SPD beantragt, einen zusätzlichen Paragraphen 5 a in das Gesetz aufzunehmen, der folgenden Wortlaut hat:
Die Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn sie auf Unfällen beruhen, die vor dem 1. Januar 1952 eingetreten sind, werden um 10 v. H. erhöht. Die §§ 3 und 4 gelten entsprechend.
Aus diesem Grunde haben wir auch die Änderung in der Überschrift gewünscht.
Die gesetzliche Unfallversicherung wird mit Recht als ein Stiefkind der Gesetzgebung bezeichnet. Dieser Zweig der Sozialversicherung wird nicht nur fortgesetzt zeitlich benachteiligt, sondern in vielen Dingen auch im Grundsätzlichen. Aber diese grundsätzlichen Fragen möchte ich heute nicht ansprechen. Es sei in bezug auf die zeitliche fortgesetzte Benachteiligung nur noch ganz kurz auf die Ablehnung unseres Antrages bei der seinerzeitigen Verabschiedung des Rentenzulagengesetzes hingewiesen. Die Mehrheit dieses Hauses hat damals die sofortige Einbeziehung der Unfallrentner in das Rentenzulagengesetz abgelehnt, und es hat dann noch ein Jahr gedauert, bis Sie aus dem Zwang der Verhältnisse selbst zur Verabschiedung eines Unfallrentenerhöhungsgesetzes kommen mußten. q
Ich glaube, die Lage ist heute wieder die gleiche wie damals. Dieses Unfallrentenerhöhungsgesetz, das ich nicht im einzelnen behandeln möchte, hat aber doch große Ungerechtigkeiten, insbesondere in § 2 in bezug auf die Rentner, die einen Unfallschaden unter 50 % gehabt haben. Es war uns sehr interessant, daß einer der Sachverständigen, Herr Dr. Lauterbach, feststellen mußte, daß von den ungefähr 370 000 Unfallrentnern nur ungefähr 6 % einen Antrag gestellt haben, der noch nicht einmal Aussicht auf Erfolg hat. Ich glaube, hier liegt die große Ungerechtigkeit in der Richtung, daß die alten Rentner ihre Rente auf Grund eines Jahresarbeitsverdienstes beispielsweise vom Jahre 1903 berechnet bekommen haben. Wir haben diesen Rentnern zwar im Unfallrentenzulagengesetz eine Erhöhung von 25 % ihres Jahresarbeitsverdienstes zugestanden. Es würde also, um ein ganz kurzes
Beispiel zu geben, folgender Tatbestand sein: Diese Rentner haben damals einen Jahresarbeitsverdienst von ungefähr 1200 Mark gehabt. Wenn man 25 % zuschlägt, beträgt dieser Satz dann 1500 DM, und da die Unfallrente nur zwei Drittel des jeweiligen Arbeitsverdienstes betragen darf, würde der Einkommensatz dieses Menschen - alle Einkommen zusammengerechnet - nur ungefähr 83 Mark und 33 Pfennig betragen. Sie werden mir zugeben müssen, daß das eine große soziale Ungerechtigkeit ist, wie ja überhaupt in der ganzen Sozialversicherung dieser Unterschied zwischen dem alten und dem neuen Recht nun endlich einmal beseitigt werden muß.
Beide Gesetze, Rentenzulagengesetz und Unfallrentenerhöhungsgesetz, haben, wenn auch mit einer zeitlichen Verspätung von einem Jahr in bezug auf die Nachzahlung, einen gemeinsamen Stichtag. Wenn man jetzt unter dem Zwang der Verhältnisse, wegen der Teuerung den Rentnern der Rentenversicherungen diese bescheidene Erhöhung zugestehen muß, dann erfordert doch die Logik, daß wir diesmal nicht wieder denselben Fehler machen, den wir vor einem Jahre gemacht haben, sondern daß wir diesmal sofort die Unfallrentner einbeziehen. Sonst sind wir gezwungen, in sehr kurzer Zeit eine Erhöhung der Unfallrenten vorzunehmen, und dann müßte noch einmal der ganze Verwaltungsapparat in Bewegung gesetzt werden. Das könnte durch die Annahme unseres Antrags, der die Einbeziehung der Unfallrentner vorsieht, sehr leicht in einem Zuge erledigt werden.
Diese Vorstellung einer 10 %igen Zulage, die sich aus der Eigenart der Unfallversicherung ergibt, haben wir natürlich auch in bezug auf die sogenannte Höchstgrenze von 200 bzw. 250 DM, die sich besonders für die Vollrentner auswirkt und die durch die beiden Unfallversicherungsgesetze vom August 1949 und durch das letzte Unfallrentenerhöhungsgesetz geschaffen wurde; ungerechtfertigterweise, möchte ich sagen, denn man kann hier einen Unfallvollrentner nicht mit einem Unfallteilrentner gleichsetzen. Die Summe halte ich persönlich für viel zu niedrig. Die 10%ige Erhöhung muß also auch auf diesen Höchstzulagensatz ausgedehnt werden. Die Grenze nach unten und die Grenze nach oben bedarf einer dringenden Reform. Die Lebenshaltungskosten im allgemeinen und die Kosten für die besonderen Aufwendungen des Unfallgeschädigten sind gestiegen; das kann doch niemand bestreiten. Selbst im Ausschuß mußte zugegeben werden, daß ein Kreis vorhanden ist, der jetzt unbedingt in diese Erhöhung einbezogen werden muß.
Ich darf noch hinzufügen, daß eine Etatbelastung durch die Annahme dieses neuen Paragraphen bei der Eigenart der Organisation der Unfallversicherung durch die Berufsgenossenschaften nicht eintritt. Herr Kollege Dr. Schellenberg hat schon darauf hingewiesen, daß der Sachverständige Dr. Lauterbach zugeben mußte, daß die seinerzeit für die Unfallrentner unter 50 % im Voranschlag angesetzte Summe von 29 Millionen DM nur in Höhe von ungefähr 2 Millionen DM abgeschöpft worden ist, daß hier also noch Mittel vorhanden sind. Ich betone nochmals, daß es überhaupt nicht eine Frage der Etatsbelastung ist. Die Unfallrente ist nur ein Ausgleich für den erlittenen Schaden. Durch die von uns geforderte Einbeziehung soll verhindert werden, daß diese Kreise in diesem Augenblick erneut ausgeschaltet werden, während wir den Rent({0})
nern, den Kriegsbeschädigten und den Beamten diesen Ausgleich zubilligen.
Aus diesem Grunde bittet die SPD-Fraktion, ihrem Zusatzantrag zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der SPD ist in dem Ausschuß schon eingehend beraten worden. Wir haben Sachverständige gehört und sind nach dem einmütigen Urteil aller dieser Sachverständigen zu der Entscheidung gekommen, daß es sich bei der Rentenversicherung und bei der Unfallversicherung um gänzlich verschiedene Probleme handelt. Bei der Invalidenversicherung handelt es sich darum - das ist gerade in den Worten von Herrn Professor Schellenberg zum Ausdruck gekommen -, daß eine Erhöhung des Grundbetrages durch staatlichen Zuschuß gewährt werden soll. Ganz anders liegen die Dinge bei der Unfallversicherung. Hier findet eine laufende Anpassung an die veränderten Verhältnisse statt. Der Jahresarbeitsverdienst des letzten Jahres wird der Rente zugrunde gelegt. Die alten Rentner hingegen haben durch zweimalige Erhöhung eine Aufbesserung erfahren. Darüber hinaus ist aber in den Ausführungen der Sachverständigen festgestellt worden, daß zumindest bei den Renten bis zu 50 % die Bezieher von Unfallrenten zu 95 % wieder in Arbeit stehen und zum Teil zu 100 % laufenden Arbeitsverdienst wieder erhalten.
({0})
Wenn diesen Leuten entsprechend dem Antrag der SPD eine 10 %ige Erhöhung gegeben würde, so würde das eine Bevorzugung gegenüber allen anderen Kreisen der Rentenbezieher darstellen. Die Schwerbeschädigten sind zum sehr großen Teil Bezieher anderer Renten und kommen dadurch in den Genuß der Zulage, die wir jetzt beschließen wollen.
Ich glaube also im Namen der Koalitionsparteien sprechen zu können, wenn ich vorschlage, den Antrag der SPD abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen lie n nicht vor. Ich lasse über den Antrag Umdruck Nr. 735 Ziffer 2 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
§ 6 und § 7! Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen!
Einleitung und Überschrift! Hierzu sind Anderungsanträge gestellt. Ich glaube, daß der Antrag Umdruck Nr. '738 Ziffer 1 infolge der bisherigen Abstimmungen gegenstandslos geworden ist. Sie ziehen ihn zurück?
({0})
- Aber Sie sind damit einverstanden, daß er als erledigt gilt. Dasselbe gilt für den Antrag Umdruck Nr. 735 Ziffer 3. Auch Sie ({1}) sind damit einverstanden, ihn als erledigt zu betrachten?
({2})
Wer für die Annahme von Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen! Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Arndgen ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war mir bisher nicht möglich, den Bericht über die Sitzung des Haushaltsausschusses, der sich am gestrigen Nachmittag mit dem Gesetz beschäftigt hat, zu erstatten. Ich bin verpflichtet, nunmehr den Bericht nachzuholen.
Der Haushaltsausschuß hat sich, wie ich schon gesagt habe, mit der Drucksache gestern nachmittag beschäftigt, und zwar hatte er die finanziellen Konsequenzen dieses Gesetzes zu überprüfen. Dabei ist festgestellt worden, daß das Gesetz den Bundeshaushalt für dieses Haushaltsjahr mit rund 100 Millionen DM belasten wird. Dazu kommen noch rund 10 Millionen DM aus § 4 des Gesetzes. Der Haushaltsausschuß hat eingehend überprüft, in welcher Weise die Mittel zur Verfügung gestellt werden können, die dieses Gesetz beansprucht. Er mußte diese Überprüfung vornehmen, weil der Nachtragshaushalt für das mit dem 31. März zu Ende gehende Haushaltsjahr ihm schon zur Beratung vorliegt. Er muß versuchen, in diesem Haushalt an der einen oder anderen Stelle Umgruppierungen der Ansätze vorzunehmen, um die notwendigen Finanzmittel für dieses Gesetz zur Verfügung stellen zu können. Der Vertreter der Bundesfinanzministers hat erklärt, daß die Bundesregierung in einer Sitzung, die am kommenden Freitag stattfindet, versuchen wird, dem Haushaltsausschuß Deckungsvorschläge zu unterbreiten. Er hat weiter erklärt, daß sich das Bundesfinanzministerium dem Haushaltsausschuß gutachtlich zur Verfügung stellen werde, um für dieses Haushaltsjahr die Deckung zu ermöglichen. Daraufhin hat der Haushaltsausschuß beschlossen, dem Hohen Hause zu empfehlen, das Gesetz nach Drucksache Nr. 3927 anzunehmen.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Ich eröffne die Einzelaussprache und rufe auf § 1, - § 2, - § 3. - Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen zahlreiche Enthaltungen angenommen.
Zu § 4 hat das Wort der Abgeordnete Pohle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage zu § 4, die Fassung wiederherzustellen, die dieser Paragraph in Drucksache Nr. 3927 hat und beantrage hierüber namentliche Abstimmung.
Wird dieser Antrag von der Fraktion unterstützt?
({0})
- Dann ist die Unterstützung gegeben; wir müssen zur namentlichen Abstimmung schreiten. Ich bitte die Herren Schriftführer, sich mit den Urnen zu bewaffnen, ich bitte, die Sirenen in Gang zu setzen, und ich bitte, sich zu beeilen.
({1})
({2})
Hat ein Mitglied des Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, seine Stimmkarte noch nicht abgegeben?
({3})
- Es tut mir leid; ich habe die Herren Schriftführer aufgefordert, mit den Urnen durch den Saal zu schreiten.
Ich bitte, mit der Auszählung der Stimmkarten zu beginnen.
({4})
Meine Damen und Herren, bis zur Beendigung der Auszählung mache ich einiges bekannt. Zunächst: Die Delegierten zum Europarat werden sich unmittelbar nach Verabschiedung dieser Vorlage im Zimmer 02 Süd versammeln.
Weiter: Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bittet in Anbetracht der Dringlichkeit der Vorlage - der in Art. 107 des Grundgesetzes bestimmte Termin des 31. Dezember 1952 müsse noch vor diesem Datum verlängert werden -, die zweite und dritte Lesung dieses Gesetzentwurfs durch das Plenum des Bundestages auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung zu nehmen. - Das Haus ist einverstanden. Dann wird dieser Punkt für die Nachmittagssitzung auf die Tagesordnung genommen.
Ich habe weiter bekanntzugeben, daß der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten sich um 15 Uhr 30 in Zimmer 204 Süd versammelt. Es handelt sich um die Beratung der heute anstehenden Gesetzesvorlage über die Genehmigung des deutsch-niederländischen Restitutionsabkommens.
Ferner liegt mir ein Schreiben des Herrn Bundesjustizministers an den Präsidenten des -Bundestages vor, das dem Hause bekanntgegeben werden soll. Es lautet:
Sehr verehrter Herr Präsident!
In der Bundestagssitzung vom 5. Dezember spielte sich zwischen Herrn Abgeordneten Dr. Menzel und mir - unbemerkt von anderen Abgeordneten - ein Vorfall ab, der am Schluß der Sitzung in den Frühstunden des Samstag zu einer persönlichen Erklärung des Herrn Abgeordneten Dr. Menzel führte.
Ich bitte, folgende Stellungnahme dazu dem Hohen Hause bekanntzugeben:
Das scharfe Wort, das ich Herrn Abgeordneten Dr. Menzel gegenüber gebrauchte, galt der Abwehr der mir unmittelbar vorher in die Hand gekommenen, von ihm unterzeichneten Pressenotiz der sozialdemokratischen Fraktion des Bundestags, in der schwer beleidigende Äußerungen gegen mich enthalten waren. Ich bedauere, daß mein Groll ihn als den Unterzeichner der Notiz traf. Es lag mir ferne, die Ehre des Herrn Abgeordneten Dr. Menzel zu verletzen.
Mit vorzüglicher Hochachtung!
Dehler
({5})
Ich schlage vor, daß wir in der Abstimmung fortfahren und die nächsten Paragraphen aufrufen. § 5, - § 6, - § 7, - Einleitung und Überschrift. - Keine Anträge. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Die Stimmkarten sind noch nicht ausgezählt. -
Ich schlage vor, daß wir zunächst einige Feststellungen über die Abwicklung der Tagesordnung treffen. Es wurde mir mitgeteilt, daß auf Grund einer interfraktionellen Absprache die Punkte 2 b und c der Tagesordnung:
b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP/DPB, FU ({6}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes ({7});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({8}) ({9}),
({10});
c) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Heimatvertriebene ({11}) über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Fahrpreisermäßigung für „Flüchtlinge B" ({12}),
ebenfalls vertagt werden sollen. Ist das Haus einverstanden?
({13})
Ebenso .soll mit Punkt 3 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Förderung des Wohnungsbaus für
Umsiedler in den Aufnahmeländern und des Wohnungsbaus für Sowjetzonenflüchtlinge
in Berlin ({14}),
verfahren werden.
({15})
- Dann sind also diese drei Punkte 2 b und c und 3 von der Tagesordnung abgesetzt.
Der nächste Punkt, der aufgerufen wird, wird also Punkt 4 sein. Ich schlage vor, ihn zusammen mit Punkt 5 a und b zu beraten. Ich glaube, wir
sparen damit Zeit.
Ist das Haus damit einverstanden, daß ich Punkt 6 der Tagesordnung aufrufe?
({16})
- Punkt 6 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eine Gesetzes über die Aufhebung kriegsbedingter gewerberechtlicher Vorschriften ({17}),
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({18}) ({19}),
({20}),
wird ohne Aussprache verabschiedet werden können. Ich nehme an, daß das Haus auf Berichterstattung verzichtet. Ist das Haus einverstanden?
({21})
Dann rufe ich auf §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5,-Einleitung und Überschrift. - Wer einverstanden ist, der möge ein Handzeichen geben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Bestimmungen sind
({22})
angenommen. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe auf §§ 1 bis 5, Einleitung und Überschrift. - Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme dieser Bestimmungen fest.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich nehme an, daß auch Punkt 10 der Tagesordnung ohne Aussprache erledigt wird. Kann Punkt 7 ohne Aussprache erledigt werden?
({23})
- Da werden sich die Herren aus Bayern melden.
Ich schlage vor, daß wir zunächst einige Punkte vorwegnehmen, bei denen keine Aussprache zu erwarten ist. Vielleicht Punkt 30 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Handelsgesetzbuches ({24}) ({25}).
Auch das wird wohl ohne Aussprache gehen, und es wird auch wohl auf die allgemeine Aussprache verzichtet. Das Haus ist damit einverstanden, den Entwurf an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu verweisen?
({26})
- Und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik; federführender Ausschuß ist der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Kein Widerspruch?
({27})
- Dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich kann nunmehr das vorläufige Abstimmungsergebnis *) der namentlichen Abstimmung bekanntgeben. An der namentlichen Abstimmung haben sich 349 stimmberechtigte Abgeordnete und 17 Berliner Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben gestimmt 171 Abgeordnete, mit Nein 169, bei 9 Enthaltungen; von den Berliner Abgeordneten haben 8 mit Ja und 9 mit Nein gestimmt. Damit ist der Änderungsantrag angenommen.
({28}) .
- Mit Ja haben gestimmt 171, mit Nein 169. Damit ist der Antrag auf Wiederherstellung der ursprünglichen Vorlage angenommen.
Ich habe nunmehr, nachdem die Einzelabstimmung erfolgt ist, die Schlußabstimmung vorzunehmen. Vorher erteile ich das Wort dem Abgeordneten Richter zu einer Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD Drucksache Nr. 3791 ist infolge der Behandlung der Gesetzesvorlage durch das Hohe Haus grundsätzlich
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 11662.
erledigt. Wir sind mit dieser Behandlung und insbesondere mit der Erhöhung der Renten um 5, 4 und 2 DM nicht einverstanden. Sie haben unsern Vermittlungsvorschlag, an Stelle der von uns beantragten 15, 12 und 6 DM 10, 8 und 4 DM zu setzen, leider abgelehnt. Sie haben ferner abgelehnt, daß die Unfallrentenbezieher eine den Invaliden- und Angestelltenrentenbeziehern analoge Zulage bekommen sollen. Auch dies ist äußerst bedauerlich. Trotz alledem werden wir diesem Gesetz unsere Zustimmung geben, damit die Rentenbezieher aus der Invaliden- und Angestelltenversicherung und die Witwen und Waisen noch in diesem Jahre bei der Dezemberauszahlung eine Erhöhung bekommen. Wir sind auch deshalb dafür, damit die Bestimmung, wonach der Bundesarbeitsminister und der Bundesfinanzminister ermächtigt werden, die Auszahlung der Zuschläge bei der Dezemberauszahlung bis einschließlich 31. März 1953 auf einmal vorzunehmen, durchgeführt wird, und wir erwarten, daß insbesondere in Anbetracht der geringen Erhöhung der Renten die Zahlungen im Dezember für die Monate Dezember 1952, Januar, Februar und März 1953 erfolgen. Auf Grund dieser Sachlage stimmen wir dem Gesetz zu. Ich kann Ihnen aber ankündigen, daß wir uns vorbehalten, das, was Sie heute abgelehnt haben, im nächsten Jahre erneut zu beantragen.
({0})
Das Wort zu einer weiteren Erklärung hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Kommunisten stimmen auch diesem Gesetz zu.
({0})
Wir tun das, nachdem wir vergeblich versucht haben, diesem Gesetz halbwegs den Inhalt zu geben, den die Organisationen der Sozialberechtigten von diesem Hohen Haus gefordert haben. Wir tun das, um Ihnen die Möglichkeit zu nehmen, draußen unsere Haltung so darzustellen, als seien wir gegen das Gesetz gegen die Sozialberechtigten gewesen. Wir tun das, weil wir davon überzeugt sind, daß es Ihnen in den kommenden Monaten nicht gelingen wird, die weitergehenden Ansprüche der Sozialberechtigten und der Kriegsopfer aufzuhalten. Wir haben es nicht nötig, unserer Erklärung den Zusatz beizufügen, daß wir auch fernerhin für die Interessen der Sozialberechtigten kämpfen werden; das wissen die Sozialberechtigten.
Weitere Erklärungen sollen nicht abgegeben werden.
Dann kommen wir zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes als Ganzes ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme des Gesetzes fest.
Meine Damen und Herren, ich werde von vier Fraktionen: CDU/CSU, SPD, FDP und Föderalistische Union, gebeten, dem Hause vorzuschlagen, jetzt rasch folgenden Antrag zu behandeln:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Ausschuß für den Lastenausgleich wird beauftragt, die durch das Gesetz über die Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten sowie über die Er({0})
höhung der Renten in der knappschaftlichen Rentenversicherung ({1}) für die Unterhaltshilfeempfänger auf Grund der Bestimmungen des Gesetzes über einen allgemeinen Lastenausgleich geschaffene Lage zu prüfen und dem Bundestag baldmöglichst Vorschläge zur Lösung dieser Frage zu machen.
Ist das Haus einverstanden? Erhebt sich kein Widerspruch? - Dann ist dieser Antrag angenommen.
Dann rufe ich auf Punkt 4 - ich glaube, daß es vielleicht doch besser ist, diesen Punkt nicht zusammen mit Punkt 5 zu behandeln -:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes ({2}) ({3});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({4}) ({5}).
({6})
Verzichtet das Haus auf Berichterstattung? - Das Wort zur Berichterstattung hat Frau Abgeordnete Lockmann.
Frau Lockmann ({7}), Berichterstatterin: Meine Herren und Damen! Auf Grund des Dritten Überleitungsgesetzes bestehen noch Abweichungen im Abgabenrecht zwischen dem Bunde und Berlin. Um eine Rechtsvereinheitlichung herbeizuführen, soll dieses Gesetz jetzt verabschiedet werden. Der Rechtsvereinheitlichung dient unter anderem die im vorliegenden Gesetzentwurf vorgeschlagene Neufassung von § 12 Abs. 3 des Dritten Überleitungsgesetzes.
Auf einen Wunsch von Berlin hat der Bundesrat vorgeschlagen, das Bundesabgabenrecht, das im Lande Berlin für Veranlagungszeiträume und Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 1952 enden, gilt, in einer besonderen Anlage aufzuführen. Diese Anlage enthält 32 Nummern. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß ihre Ziffern 5, 6 und 8 Verordnungen zur Durchführung der Dividendenabgabenverordnung aufführen, die jedoch in Kürze außer Kraft treten werden. Dem Ausschuß wurde versichert, daß die Liste der Anlage 4 erschöpfend sei und gemeinsam vom Bundesministerium der Finanzen und den zuständigen Berliner Stellen erarbeitet sei. Der Ausschuß hat sich weiter davon überzeugt, daß das in Anlage 2 aufgeführte vom Bundesrecht abweichende Abgabenrecht des Landes Berlin bis zum 1. Januar 1955 bestehen bleiben soll. Jedoch soll spätestens bis zu diesem Zeitpunkt geprüft und festgestellt werden, ob weitere Angleichungen zwischen dem Abgabenrecht des Bundes und dem des Landes Berlin herbeigeführt werden können.
Art. II enthält die übliche Berlinklausel, und Art. III bestimmt, daß das Gesetz am Tage nach seiner Verkündung in Kraft treten soll.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen, das Gesetz in der jetzt vorliegenden Form in der zweiten und dritten Lesung anzunehmen.
({8})
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich rufe auf Art. I, - Art. II, - Art. III, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Wer zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Ich rufe auf Art. I bis III, Einleitung und Überschrift. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, dies durch Erheben von seinem Platz zu bekunden. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen. Damit ist Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Auftragslenkung für Berlin ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Förderung des wirtschaftlichen Aufbaus und der sozialen Sicherheit Berlins ({1}).
Zunächst 5 a. Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Neubauer.
Neubauer ({2}), Antragsteller und Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Drucksachen Nrn. 3833 und 3834 bringt die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses erneut die Frage Berlins auf die Tagesordnung. Sowohl der Berliner Senat als auch das Berliner Abgeordnetenhaus und insbesondere die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses haben sich lange darum bemüht, für die Auftragslenkung nach Berlin einen gewissen Rahmen zu schaffen. Nach langen Diskussionen hat sich die Bundesregierung am 21. Oktober 1952 entschlossen, eine Dienststelle einzurichten, die diese Aufgabe zu übernehmen hat.
Es interessiert die sozialdemokratische Fraktion und die Berliner Öffentlichkeit, welche Vorstellungen die Bundesregierung bei der Schaffung dieser Auftragsstelle hatte, vor allen Dingen welche Vollmachten dem Leiter dieser Auftragsstelle in die Hand gegeben werden, um seiner Aufgabe der Auftragslenkung nach Berlin gerecht werden zu können. Die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses würde wünschen, daß der Leiter dieser Auftragsstelle diesem Hause oder der Öffentlichkeit in regelmäßigen Abständen Bericht darüber erstattet, welchen Erfolg seine Arbeit gehabt hat und inwieweit die Verstärkung der Auftragslenkung nach Berlin durch seine Dienststelle möglich gemacht wird.
Wir möchten den Leiter dieser Auftragsstelle auch darauf hinweisen, daß es sicher zu seinen Aufgaben gehören würde, einmal zu überprüfen, inwieweit westdeutsche Wirtschaftskreise Beschlüsse dieses Hauses, die zugunsten Berlins gefaßt worden sind, sabotieren und hintergehen. Uns ist bekannt, daß die von diesem Hause beschlossene Umsatzsteuervergünstigung für Berlin, die von der
({3})
Berliner Wirtschaft außerordentlich begrüßt worden ist, von einer ganzen Reihe von Firmen des Bundesgebiets dadurch umgangen oder daß zum mindesten der Versuch gemacht wird, sie zu umgehen, daß Kampfrabatte gewährt werden, die in der gleichen Höhe liegen wie diese Umsatzsteuervergünstigungen für Berlin.
({4})
Wir sind der Auffassung, daß es auch zu den Aufgaben dieser Stelle gehören müßte, diese Machenschaften zu untersuchen und die westdeutschen Unternehmer, die sich dazu bereitfinden, darauf hinzuweisen, daß die Unterstützung für Berlin keine Frage des Geschäfts oder des Profits, sondern ausschließlich eine politische zu sein hat.
Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der Fraktion der SPD, den ich gleichzeitig begründe, möchte ich mich ebenfalls auf wenige wesentliche Bemerkungen beschränken.
Punkt 1 ist beinahe identisch mit der Großen Anfrage der Sozialdemokratischen Partei, und wir hoffen, dazu von der Regierung heute eine befriedigende Antwort zu bekommen.
Ein besonderes Problem, durch das Berlin belastet ist, ist die. Frage der Flüchtlinge. Zwar sind in den letzten Wochen einige Entscheidungen gefallen, die auf diesem Gebiet eine gewisse Entlastung für Berlin mitbringen. Die sozialdemokratische Fraktion ist allerdings der Auffassung, daß das noch keineswegs ausreichend ist. Dem Hause ist bekannt, daß sich heute 90 und mehr Prozent aller Flüchtlinge auf Berlin konzentrieren. Diese Tatsache stellt dadurch eine schwere, ja schwerste Belastung des Berliner Arbeitsmarktes und der Berliner Wirtschaft dar, daß ein erheblicher Teil dieser nach Berlin kommenden Flüchtlinge auch in Berlin Berlin bleibt. Die sozialdemokratische Fraktion hat die Vorstellung, es müsse möglich sein, die nach Berlin kommenden Flüchtlinge in weitestmöglichem Umfange in das Bundesgebiet weiterzuleiten. Die Herabsetzung der Quote von 20 auf 10 % für die in Berlin verbleibenden Flüchtlinge bedeutet praktisch nur, daß Berlin heute so viele Flüchtlinge behalten muß wie auch vor einem Jahr; denn die Zahl der nach Berlin kommenden Flüchtlinge hat sich seit dieser Zeit verdoppelt, ja, sie geht sogar darüber hinaus.
Die sozialdemokratische Fraktion ist weiterhin der Auffassung, daß sich der Bund bereit erklären muß, größere Mittel als bisher sowohl für die Unterhaltung als auch für den Bau von Lagerunterkünften zur Verfügung zu stellen. Wir möchten darauf hinweisen, daß es möglich sein muß, für die nach Berlin kommenden und in Berlin befindlichen Flüchtlinge nach stattgefundener Berufserhebung eine bevorzugte überbezirkliche Arbeitsvermittlung zu gestalten und aufzubauen.
Aus diesen wenigen Punkten, die wir heute und an dieser Stelle nur anschneiden möchten, mögen Sie ersehen, wie ernst dieses Problem für Berlin ist. Wir bitten sowohl die Regierung als auch alle Fraktionen dieses Hauses, für Berlin in diesem Falle das notwendige Verständnis aufzubringen und dementsprechende Beschlüsse zu fassen.
Ein weiteres wesentliches Problem, das zur Entlastung der Berliner Sorgen beitragen könnte, ist die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin. Wenn ich recht unterrichtet bin, hat sich dieses Haus schon unzählige Male mit der Frage der Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin beschäftigt. Es besteht, zumindest für die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses, kein Zweifel darüber, daß diese Aufgabe der Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin bisher in einem unzureichenden Maße durchgeführt worden ist. Ich darf in diesem Zusammenhang mit freundlicher Genehmigung des Präsidenten die wesentlichen Sätze eines Kabinettsbeschlusses vom 28. Februar 1950 noch einmal in dié Erinnerung sowohl der Bundesregierung als auch der Fraktionen dieses Hauses zurückrufen. Es heißt in dem damaligen Kabinettsbeschluß - wie gesagt vom 28. Februar 1950 -:
Die Bundesregierung stellt fest, daß die in der Regierungserklärung vom 21. Oktober 1949 angekündigten und inzwischen wirksam gewordenen Maßnahmen für Groß-Berlin zu einer Aufwärtsentwicklung der Wirtschaft führten. Um die Stellung Berlins noch mehr zu stärken, sind nicht nur Vertretungen weiterer Bundesministerien, sondern auch die alsbaldige Errichtung maßgebender Bundesbehörden in Berlin ohne Rücksicht auf zeitbedingte Erschwernisse des Verkehrs vorgesehen. Dadurch sollen ebenso. eine engere Verbindung mit dem Bundesgebiet gewährleistet wie auch die in Berlin brachliegenden Dienstleistungskräfte genutzt werden.
Dieser Beschluß des Kabinetts vom 28. Februar 1950 ist zweifellos gut. Wir meinen nur sagen zu müssen, daß seine Durchführung zu wünschen übrig läßt. Ich darf das Hohe Haus daran erinnern, daß immer dann, wenn das Haus damit befaßt war, eine Behörde nach Berlin zu legen, wir immer wieder Argumente hörten, daß die „zeitbedingten Erschwernisse" die Verlegung dieser Behörde nach Berlin verhinderten. Sowohl im Hause als auch in den Ausschüssen ist dieses Argument immer wieder aufgetaucht.
Unsere Bitte an die Regierung ist, entsprechend diesem Kabinettsbeschluß vom 28. Februar 1950 mit etwas größerer Begeisterung und stärkerer Intensität sowohl in den Ausschüssen als auch in diesem Hause die Abgeordneten davon 'zu überzeugen, daß zeitbedingte Erschwernisse bei der Situation Berlins auch in Kauf genommen werden müssen. Denn es besteht kein Zweifel darüber, daß, wenn der Bundeskanzler das erreichen will, was er auf dem CDU-Parteitag in Berlin gesagt hat, nämlich Berlin eine echte Unterstützung zukommen zu lassen, um es aus der Umklammerung zu befreien, mehr getan werden muß auf diesem Gebiete, als es bisher der Fall ist.
Die sozialdemokratische Fraktion weist heute und in diesem Zusammenhang darauf hin, daß es beispielsweise in absehbarer Zeit eine Diskussion darum geben wird, wohin die Redaktion des Langwellensenders, der geschaffen werden soll, zu legen sein wird. Ich darf schon heute im Namen der sozialdemokratischen Fraktion anmelden, daß nach unserer Auffassung die Redaktion dieses Langwellensenders aus verschiedenen Gründen ihren Sitz in Berlin haben muß. Es ist jetzt müßig, die lange Reihe der Bundesbehörden aufzuzählen, die eigentlich schon heute in Berlin sein könnten und sein müßten. Wir geben uns der Hoffnung hin, daß die heutige Debatte der Regierung einen erneuten Anstoß gegeben hat, sich ihres Kabinettsbeschlusses zu erinnern und auf diesem Gebiet intensiver zu arbeiten.
({5})
({6})
Meine Damen und Herren! Es geht aber nicht nur darum, dafür zu sorgen, Bundesbehörden nach Berlin zu bekommen, sondern wir haben die Befürchtung, daß es in nächster Zeit darauf ankommen wird, schon in Berlin befindliche ehemalige Reichsbehörden davor zu bewahren, aus Berlin abgezogen zu werden.
({7})
Wir haben beispielsweise die Nachricht von der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, einer der großen und berühmten Reichsanstalten, die immer in Berlin waren und die einen großen Ruf genossen haben, daß sie in der nächsten Zeit in der Gefahr schwebt, entweder zu der bereits in Braunschweig neu aufgezogenen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt ganz abgezogen zu werden oder aber zu einer völlig nebensächlichen und untergeordneten Nebenstelle herabgewürdigt zu werden. Wir vermögen nicht einzusehen, warum die Tradition der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt, um nur dieses eine Beispiel herauszugreifen, auch unter diesen Umständen in Berlin nicht fortgesetzt werden kann, um damit einigen hundert Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Mitarbeitern in Berlin Arbeit zu verschaffen.
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Eine weitere Bemerkung muß an dieser Stelle gemacht werden. Die wenigen Bundesbehörden, die heute nach Berlin gekommen sind und die vielleicht in nächster Zeit nach Berlin kommen, haben eine gewisse Übung darin erkennen lassen, den größeren Teil des Personals aus dem Bundesgebiet mitzubringen. Das ist wohl nicht der Sinn der Verlegung der Bundesbehörden nach Berlin. Die Vorstellung der Berliner dabei ist die, daß die in Berlin vorhandenen Arbeitskräfte der ehemaligen Reichsbehörden, die sowohl fachlich als auch in sonstiger Beziehung geeignet wären, diese Arbeiten zu übernehmen, eingesetzt werden können und daß nicht die nach Berlin kommenden Bundesbehörden nun auch noch ihr Personal aus der Bundesrepublik nach Berlin mitbringen.
Meine Damen und Herren, diese wenigen Bemerkungen, auf die ich mich heute beschränken möchte - wir werden Gelegenheit haben, bei der Behandlung der einzelnen Punkte die Dinge zu konkretisieren -, möchte ich mit der zusammenfassenden Forderung abschließen, die hoffentlich auf die Gegenliebe aller Fraktionen dieses Hauses stößt - ich möchte beinahe sagen, ich bin sogar davon überzeugt, daß sie auf die Gegenliebe aller Fraktionen dieses Hauses stoßen muß -, daß wir gemeinsam der Regierung aufgeben, entsprechend ihrem Kabinettsbeschluß von 1950 sich sehr viel mehr um diese für Berlin lebenswichtigen Dinge zu kümmern. Denn Berlin entscheidend helfen, heißt, der Berliner Arbeitslosigkeit durch Lenkung von Aufträgen und Verlegung von Bundesbehörden in diese Stadt zu Leibe zu gehen. Die Berliner Bevölkerung selbst wartet darauf, daß nicht nur an bestimmten Stellen und zu bestimmten Zeiten feierliche Beschlüsse gefaßt werden. Sie hat das Recht, zu verlangen, daß diese Beschlüsse so schnell als möglich durch die intensive Arbeit dieses Hauses auch realisiert und zu Tatsachen gemacht werden.
Ich darf im Namen der sozialdemokratischen Fraktion darum bitten, die Große Anfrage präzise und klar zu beantworten und den Antrag der Sozialdemokratischen Partei dem Berlin-Ausschuß
zu überweisen, aber mit der Maßgabe, so schnell als möglich in Form von Gesetzesvorlagen vor allem die Berlin-Hilfe Wirklichkeit werden zu lassen.
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Das Wort zur Beantwortung der Großen Anfrage Drucksache Nr. 3833 hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat den Bundestagsabgeordneten Dr. Bucerius als Bundesbeauftragten für die Förderung der Berliner Wirtschaft berufen und ihm damit die Aufgabe übertragen, die Erteilung öffentlicher und privater Aufträge aus dem Bundesgebiet nach Berlin soweit als möglich zu steigern. Dem Bundesbeauftragten sind bewußt keine besonderen Grenzen für seine Tätigkeit gezogen worden, damit er aus echter Initiative frei arbeiten kann. Es ist selbstverständlich, daß der Bundesbeauftragte die Dienststellen des Bundes einschließlich der Bundesbahn und Bundespost unmittelbar wegen ihrer Auftragserteilung ansprechen kann. Darüber hinaus wird der Bundesbeauftragte mit den sonstigen öffentlich-rechtlichen Vergabestellen, vor allem auch mit den Ländern und Gemeinden sowie den Dienststellen der alliierten Mächte Verbindung aufnehmen, um dort für einen der Lage Berlins angemessenen Teil an Aufträgen zu werben. Es wird schließlich Aufgabe des Bundesbeauftragten sein, auch auf private Unternehmungen in gleicher Richtung einzuwirken. Der Leiter der Auftragsstelle hat seine Arbeiten bereits aufgenommen. Er wird dem Bundestag und der Öffentlichkeit, soweit angängig, über seine Tätigkeit berichten.
Zu bemerken ist endlich, daß zur Finanzierung von zusätzlichen Aufträgen westdeutscher Unternehmungen an die Berliner Wirtschaft aus Mitteln des ERP-Sondervermögens 60 Millionen DM zur Verfügung gestellt wurden. Aus diesem Fonds werden Kredite in Höhe von 60 % des jeweiligen Auftragswertes gegeben. Von den restlichen 40 % finanzieren die Geschäftsbanken 20 %, die übrigen 20 % sind aus eigenen Mitteln zu tragen. Es handelt sich hier insbesondere um Aufträge der Bunbesbahn, der Bundespost, der Energiewirtschaft und der Binnenschiffahrt. Dieses Auftragsfinanzierungsprogramm soll zunächst auf 30 Millionen DM aus GARIOA-Mitteln und 4 Millionen DM aus Zins- und Tilgungserträgen des ERP-Sondervermögens aufgestockt werden. Eine weitere Fortsetzung des Programms aus Mitteln des ERPSondervermögens ist beabsichtigt. Verhandlungen darüber sind bereits im Gange.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen doch einige Zahlen bekanntgeben, die gerade den Abschnitt des letzten Quartals, d. h. die Zeit von Juli bis Oktober, betreffen und die die Entwicklung kennzeichnen. Die Arbeitslosigkeit in Berlin ist vom Juli bis Oktober von 276 000 auf 248 000 zurückgegangen, der Produktionsindex ist von 41% auf 56 %, die Lieferwerte der Industrie sind von 210 Millionen auf 291 Millionen DM, die Lieferungen in das Bundesgebiet von 94 Millionen auf 123 Millionen DM und der Export von Oktober 1951 bis Oktober 1952 von 23 Millionen auf 36 Millionen DM gestiegen.
Die Bundesregierung hat es bisher nie daran fehlen lassen, allen nur denkbaren Einfluß auszu({0})
üben, um die Berliner Wirtschaft zu stärken. Die Einflußnahme ist so weit gegangen, daß ich persönlich sogar im einzelnen private Unternehmungen angeschrieben habe, um sie zu bewegen, den Verkehr mit Berlin in stärkerem Maße zu intensivieren.
Sie wissen, daß innerhalb meines Verantwortungsbereichs die Bundesanstalt für Versicherungen in Berlin tätig ist. Was das Personal dort anbelangt, so haben sogar Berliner Stellen gemeinsam mit mir Anstrengungen unternommen, um das bis dorthin in Hamburg tätige Personal nach Berlin überzuführen. Ich glaube nicht, daß es jeweils möglich ist, das ganze Personal für eine Bundesbehörde aus Berlin zu rekrutieren. Für diese Dienststellen werden Leute gebraucht, die auf diesem Sektor schon längere Zeit arbeiten und daher über die besonderen Fachkenntnisse verfügen, die erforderlich sind, um die Berliner Instanzen zu einer fruchtbaren Arbeit zu befähigen.
Was im übrigen die Physikalisch-Technische Reichsanstalt bzw. Bundesanstalt anlangt, so ist mir nichts bekannt und nichts deutet darauf hin, daß die in Berlin noch bestehenden Institutionen dieser Art nun auch noch nach Braunschweig überführt werden sollen. Im Gegenteil, ich habe mich dafür eingesetzt, daß der Teil der PhysikalischTechnischen Reichsanstalt, der noch in Berlin arbeitet, auch weiterhin dort tätig bleiben soll.
Ich behalte mir vor, auf die anderen Punkte des Antrags einzugehen, wenn die Debatte das erfordern sollte.
Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß der Antrag, die Große Anfrage zu besprechen, von 30 Mitgliedern dieses Hauses unterstützt wird. - Wir treten nunmehr in die Beratung ein.
({0})
- Ich werde eben darauf aufmerksam gemacht, daß es 13 Uhr ist. Soll jetzt die Pause gemacht werden oder soll dieser Punkt - ({1})
- Ist es der Wunsch des Hauses, die Pause jetzt eintreten zu lassen?
({2})
60 Minuten?
({3})
- Meine Damen und Herren, ich glaube, wir brauchen uns nicht zu erregen. Es ist hier ({4}) eine Stunde und dort ({5}) anderthalb Stunden vorgeschlagen worden. Können wir uns nicht auf eineinhalb Stunden einigen?
({6})
- Eineinhalb Stunden, gut! Das Haus tritt also wieder um 14 Uhr 30 Minuten zusammen. Wir fahren dann in der Beratung dieses Punktes fort.
({7})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 34 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer wieder eröffnet.
Wir fahren in der Beratung fort.
Zu einer Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Mellies ums Wort gebeten.
Meine Damen und Herren! Auf Grund der schwerwiegenden Entscheidungen im Verfassungsstreit um den Wehrbeitrag hätte erwartet werden müssen, daß die Bundesregierung vor dem Bundestag eine Regierungserklärung dazu abgibt. Die Bundesregierung hat dies versäumt.
Namens der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion habe ich zu erklären:
Das Bundesverfassungsgericht hat am 9. Dezember 1952 seinen Beschluß verkündet, daß jetzt und künftig die vom Plenum erstatteten Rechtsgutachten für beide Senate verbindlich sind. Der Bevollmächtigte unserer Fraktion hat hierzu in der Sitzung sofort die Erklärung abgegeben, daß hiermit die Frage nach der Zulässigkeit und der Verbindlichkeit des Rechtsgutachtens entschieden sei. Wir haben uns dem Beschluß also sofort unterworfen.
Die Bundesregierung hatte bereits in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 1952 vor dem Bundesverfassungsgericht entsprechende Erklärungen abgeben lassen. Damals hat für die Bundesregierung Staatssekretär Dr. Strauß erklärt - meine Damen und Herren, die folgenden Zitate sind entnommen aus dem Buch „Der Kampf um den Wehrbeitrag", Veröffentlichungen des Instituts für Staatslehre und Politik in Mainz -:
Ich glaube, daß jedes Gutachten des Bundesverfassungsgerichts von einer solchen Autorität und Bedeutung ist, daß kein gesetzgebendes Organ oder etwa die Bundesregierung im Wege ihres Initiativrechts - sie ist ja auch ein gesetzgebendes Organ - es jemals verantworten könnte, sich in Gegensatz zu einem Gutachten des Bundesverfassungsgerichts zu setzen. Ich glaube, das kann ich ohne weiteres
erklären.
({0})
Ebenso hat damals als Rechtsberater des Bundeskanzlers Prof. Dr. Erich Kaufmann erklärt - wieder nach derselben Quelle -:
Es handelt sich also bei Einbringung der Gutachten nicht um irgendwelche bloße Beratung, sondern darum, daß diese mit der obersten Autorität ausgestatteten Organe den Wunsch haben, eine autoritative, echte Rechtsentscheidung von einem echten und höchsten Gerichtshof der Bundesrepublik zu erhalten.
Schließlich hat damals Staatssekretär Dr. Strauß für die Bundesregierung noch ausgeführt:
Wenn das Bundesverfassungsgericht - denn das Rechtsgutachten wird vom Bundesverfassungsgericht erstattet - eine Verfassungsfrage so oder so entschieden hat, dann ist es völlig gleichgültig, ob das eine formell verbindliche Kraft hat. Ich möchte das Organ des Bundes sehen, das, wenn das Plenum des Bundesverfassungsgerichts ein Ja oder Nein zu einer verfassungsrechtlichen Frage gesprochen hat, die Verbindlichkeit eines solchen Spruchs bestreiten wollte.
({1})
Soweit die Vertreter der Bundesregierung. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts und die übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten
({2})
gaben also den Weg frei, um den Verfassungsstreit wegen des Wehrbeitrages durch ein von allen anerkanntes Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts entscheiden zu lassen. Wider alles Erwarten war es aber jetzt die Bundesregierung, die in Gegensatz zu der für sie abgegebenen früheren Erklärung des Staatssekretärs Dr. Strauß einer Verbindlichkeit des Rechtsgutachtens widersprach. Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, ist bei dem Herrn Bundespräsidenten vorstellig geworden, um ihn zu einer Rücknahme seines Ersuchens um ein Rechtsgutachten des Bundesverfassungsgerichts zu bewegen. Mit diesem Eingriff in ein schwebendes Verfahren hat die Bundesregierung sowohl den Herrn Bundespräsidenten als auch das Bundesverfassungsgericht in den politischen Parteistreit hineingezogen. Um eine drohende Regierungskrise abzuwenden, wurde eine Verfassungskrise heraufbeschworen.
({3})
Die Bundesregierung hat ferner verlauten lassen, daß sie erwäge, das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht noch für das gegenwärtig schwebende Verfahren ändern zu lassen.
({4})
Sie hat hiermit das Bundesverfassungsgericht unter Druck setzen wollen. Die Bundesregierung hat schließlich verlauten lassen, daß sie den Beschluß über die Verbindlichkeit des Rechtsgutachtens für beide Senate niemals anerkannt und sich an einer Fortsetzung des Gutachtenverfahrens nicht beteiligt haben würde. Sie hat sich damit vom Bundesverfassungsgericht, das zur letztgültigen Entscheidung der verfassungsrechtlichen Fragen nach dem Grundgesetz berufen ist, losgesagt.
Durch dieses Verhalten hat die Bundesregierung einen Verfassungskonflikt verschuldet.
({5})
Nach § 36 der Geschäftsordnung können solche Erklärungen abgegeben werden. Daran schließt sich keine Debatte an.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr von Brentano!
Meine Damen und Herren! Da uns die Erklärung nicht angekündigt war, ist die Notwendigkeit entstanden, daß wir uns jetzt mit dieser Erklärung beschäftigen. Ich möchte darum bitten, daß das Hohe Haus damit einverstanden ist, daß wir die Sitzung vorschlagsweise auf 45 Minuten unterbrechen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorschlag gehört. Es entspricht der Übung des Hauses, in solchen Fällen eine Unterbrechung eintreten zu lassen. Wir treten also um 15 Uhr 30 wieder zusammen.
Vom Vorsitzenden des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten bin ich gebeten worden, mitzuteilen, daß der Ausschuß um 15 Uhr 30 zusammentritt.
Die Sitzung ist unterbrochen.
({0})
Die Sitzung wird um 15 Uhr 33 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer wieder eröffnet.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren fort in der Beratung des Punktes 5 der Tagesordnung:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Auftragslenkung für Berlin ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Förderung des wirtschaftlichen Aufbaus und der sozialen Sicherheit Berlins ({1}).
Bei der Unterbrechung der Sitzung heute vormittag war beschlossen worden, in eine Aussprache einzutreten. Für diese Aussprache hat der Ältestenrat insgesamt eine Redezeit von 60 Minuten vorgesehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine schmerzliche Notwendigkeit, aber es ist nichtsdestoweniger eine Notwendigkeit, die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses in gewissen Zeitabständen mit den Berliner Problemen zu beschäftigen. Wir haben von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister eine eindrucksvolle Reihe von Angaben und Ziffern gehört, die uns die Gewißheit verschaffen, daß es mit Berlin nicht abwärts, sondern aufwärts geht. Man könnte diese eindrucksvolle Reihe noch mit zahlreichen anderen Angaben in der gleichen Richtung ergänzen.
Aber dieses Bild wäre nicht vollständig, wenn wir uns nicht zugleich bewußt werden wollten, daß es auch eine Reihe von düsteren und weniger erfreulichen Zügen und Einzelheiten darin gibt. Nach wie vor ist die Situation Berlins dadurch gekennzeichnet, daß ein Viertel aller erwerbsfähigen Personen ohne regelmäßige Beschäftigung ist. Dieser Anteil wäre noch viel größer, wenn wir die sehr erhebliche Ziffer der arbeitsuchenden Flüchtlinge einbeziehen wollten, die sich, ohne anerkannt zu sein, also ohne Berliner Bürger geworden zu sein, in Berlin aufhalten und deren Zahl wahrscheinlich weit über 100 000 beträgt. Nach wie vor - es ist vielleicht schwer, sich das vorzustellen, aber es ist ganz gut, daß unsere westdeutschen Freunde das immer wieder hören - wird die Lage Berlins dadurch gekennzeichnet, daß nur etwa die Hälfte -ich wiederhole: die Hälfte - des Berliner Lebensbedarfs, soweit er von außen bezogen werden muß, aus eigener Kraft bezahlt werden kann. Von den drei Milliarden DM, die Berlin in diesem Jahr ausgeben muß, um seine Nahrung, seine Rohstoffe usw. zu bezahlen, vermag es aus eigener Kraft nur eineinhalb Milliarden DM aufzubringen. Nach wie vor ist die äußere Situation unserer Stadt ernst und bedroht. Ja, wenn wir ehrlich sein wollen, hat sich in jüngster Zeit eine gewisse weitere Verschärfung und Verschlechterung eingestellt. Allein diese Tatsache rechtfertigt es, daß wir uns heute damit beschäftigen. Wir halten deshalb den Antrag unserer sozialdemokratischen Kollegen zu diesem Punkt für verdienstvoll und sind bereit, uns ihm sachlich anzuschließen und seine sachliche Beratung im Berlin-Ausschuß zu unterstützen.
Im einzelnen ist in dem Antrag eine Reihe von Anregungen und Vorschlägen ausgesprochen worden, die im Berlin-Ausschuß des näheren erörtert werden müssen und die nun hoffentlich auch zu wirklichen praktischen Ergebnissen führen werden.
({0})
Das erste ist die Auftragslenkung. Wir haben vom Herrn Bundeswirtschaftsminister gehört, daß ein Mitglied unseres Hauses, ein Kollege, mit der Leitung dieser Aufgabe betraut worden ist. Wir haben bei uns das Vertrauen, daß der rechte Mann an den rechten Platz gestellt worden ist, und sehen mit Spannung und mit guter Erwartung den Berichten entgegen, die uns in Aussicht gestellt worden sind. Wir wünschen aber, daß diese Auftragslenkung - und da möchte ich eine ausdrückliche Anregung aussprechen - noch erweitert wird. Bei der gespannten Situation der Berliner Wirtschaft, die ja heute mangels Aufträge noch nicht entfernt ihre tatsächliche Kapazität ausnutzen kann, wird es nicht allein auf die Aufträge aus dem Bundesgebiet ankommen, sondern es sollte auch der Versuch gemacht werden, eine Auftragslenkung des Auslandes herbeizuführen. *Ich glaube, daß dieser Vorschlag gar nicht aussichtslos wäre. Allein in den Vereinigten Staaten wird im Wege der Aufrüstung ein so ungeheurer Geldbetrag mit einer gewissen Planung ausgegeben, daß ein winziger Prozentsatz davon auf Berlin gelenkt schon eine außerordentlich wichtige Erleichterung und Verbesserung der Situation herbeiführen könnte. Ob die Initiative hierzu besser von Berlin oder von der Bundesregierung ausgeht, lassen wir dahingestellt; das kann im Ausschuß besprochen werden. Aber es sollte möglich sein - und ich glaube, ich täusche mich nicht -, daß auch bei den beteiligten ausländischen Stellen durchaus Verständnis und Interesse für einen solchen Vorschlag geweckt wird.
Zu dem zweiten Punkt, der Flüchtlingsnot, ist nicht viel Neues zu sagen. Mit der Herabsetzung der Berlin-Quote auf 10 % ist es freilich nicht getan; darüber müssen wir uns auch hier von vornherein klar sein. Das scheint eine gewisse Erleichterung für Berlin zu bedeuten, aber diese Erleichterung ist angesichts der tatsächlichen Situation
völlig unzureichend. Berlins Anteil an der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik einschließlich Berlins beträgt wenig mehr als 4 %. Wenn wir also allein von den anerkannten Flüchtlingen 10 % aufnehmen, so bedeutet das schon eine ganz unverhältnismäßige Überlastung Berlins. Dabei müssen wir bedenken, daß das Verhältnis der nicht anerkannten zu den anerkannten Flüchtlingen etwa wie 2 zu 1 ist. Auf jeden anerkannten Flüchtling kommen also zwei nach Berlin strömende nicht anerkannte und einstweilen nicht mit Anerkennung rechnende Flüchtlinge; diese bleiben in Berlin. Wir haben heute wahrscheinlich mindestens 200 000 nicht anerkannte Flüchtlinge in Berlin, eine außerordentlich gefährliche, in jeder Hinsicht bedenkliche Belastung der Berliner Situation. Ich bin deshalb der Ansicht, daß wir einen weit höheren Anteil an das Bundesgebiet abgeben müßten. Ferner müßte in Erwägung gezogen werden, die Frage der Anerkennung künftig in sehr großzügiger Weise zu regeln, so wie wir es uns auch schon im Gesamtdeutschen Ausschuß vorgenommen haben.
({1})
Was das Notstandsprogramm betrifft, so stellen wir - ich glaube, der Herr Bundeswirtschaftsminister wird die Zahlen auch kennen - mit Bedauern fest, daß das Notstandsprogramm im letzten Jahre nicht unerheblich hinter den Ziffern der früheren Jahre zurückgeblieben ist.
({2})
Wir haben im Rahmen des Notstandsprogramms in Berlin im Jahre 1951 214 Millionen DM ausgegeben. Im Jahre 1952 werden es nur 130 Millionen DM sein. Abgesehen von der Einschränkung des geldlichen Umfangs ist eine an sich ganz begrüßenswerte Änderung eingetreten, indem von den ausländischen Stellen, die uns hierbei unterstützen, darauf gedrungen wird, daß künftig der Anteil der langfristigen produktiven Ausgaben auf Kosten der unmittelbar wirksamen kurzfristigen Ausgaben verstärkt wird. Das bedeutet, daß die Zahl der im Notstandsprogramm zu berücksichtigenden Erwerbslosen erheblich zurückgegangen ist. Während im Höhepunkt dieser Aktion 57 000 Menschen beschäftigt werden konnten, beträgt ihre Zahl heute nur noch 25 000. Das ist angesichts der tatsächlichen Situation wirklich unzureichend. Es sind auch für kurzfristige Arbeiten noch sehr viele Möglichkeiten gegeben. Für Berlin ist allein die Enttrümmerung durchaus eine produktive Leistung; denn die Lösung dieser Aufgabe bereitet die zukünftige Funktion Berlins als Hauptstadt eines vereinigten Deutschlands vor. Etwa die Hälfte der Trümmer, die der Krieg in Berlin hinterlassen hat, ist heute noch nicht fortgeräumt.
Was den sozialen Wohnungsbau betrifft, so möchte ich Sie nicht im einzelnen mit den Ziffern befassen. Hier besteht die Schwierigkeit, daß Berlin den größten Teil der Baustoffe von auswärts beziehen muß, so daß diese Ausgaben zum sehr großen Teil Berlin nicht unmittelbar zugute kommen. Die Ausgaben nach dieser Richtung, so dankenswert sie im einzelnen sein mögen, kommen deshalb der Stärkung der Berliner Wirtschaftskraft trotz der Schlüsselstellung der Bauwirtschaft nicht in dem Umfang zugute, wie es etwa in Westdeutschland der Fall ist.
Eine um so größere Bedeutung möchte ich dagegen dem Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion beimessen, wonach zur Stärkung der volkswirtschaftlich wichtigen Neuanlagen steuerliche Erleichterungen gegeben werden sollen. Ich freue mich, daß der Herr Staatssekretär des Finanzministeriums hier ist, und möchte ihn dringend bitten, dieser Frage besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Auf diesem Gebiet ist schon viel geschehen, aber weitaus nicht genug. Ich habe Ihnen hier ein Schaubild aufgehängt, das die Entwicklung der Produktion in Westberlin und in der Bundesrepublik anzeigt. Sie sehen einen schönen, gesunden Anstieg des Berliner Wirtschaftsindexes, Sie sehen aber einen viel stärkeren, steileren Anstieg der wirtschaftlichen Entwicklung im Bundesgebiet. Das heißt, daß trotz der dankenswerten und erfreulichen Erholung der Berliner Wirtschaft der Abstand zwischen Berlin und der Bundesrepublik sich vergrößert hat. Das heißt, die relative Bedeutung Berlins innerhalb der gesamtdeutschen Wirtschaft hat sich in den letzten Jahren weiter, und zwar sehr erheblich, verschlechtert. Durch die Möglichkeit, in Berlin produktive Neuanlagen im Wege der Kapitalinvestition zu tätigen, können wir an dieser entscheidenden Stelle Abhilfe leisten.
Ich glaube, daß eine steuerliche Erleichterung einen erheblichen Anreiz hierzu bilden könnte. Ich möchte vorschlagen - es wird auch den Berlin-Ausschuß im einzelnen zu beschäftigen haben; ich spreche hierbei auch im Namen meiner politischen Freunde -, daß wir die Vergünstigungen, die wir in dem heutigen gemeinsamen Antrag der großen Parteien für die Flüchtlinge, Vertriebenen und für die Verfolgten des Naziregimes einführen,
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künftig global für Berlin gelten lassen, daß wir also die dort vorgesehenen Verbesserungen: den geänderten § 7 a, der Bewertungsfreiheit für bewegliche Wirtschaftsgüter einführt, den neuen § 7 e des Einkommensteuergesetzes, der die Bewertungsfreiheit für die Fabrikgebäude, Krankenhäuser und landwirtschaftlichen Betriebsgebäude vorsieht, und den neuen § 10 a des Einkommensteuergesetzes, der die Steuerbegünstigungen des nichtentnommenen Gewinns einführt, im ganzen für Berlin -selbstverständlich mit gewissen notwendigen Abänderungen - einführen. Nur durch eine wirklich großzügige Regelung kann auf dem hier in Frage stehenden Gebiet ein wirklicher Effekt erzielt werden. Ich glaube, nichts würde so geeignet sein, uns auf diesem Wege weiterzuhelfen, wie gerade eine solche steuerliche Begünstigung.
Die Frachtkostenfrage hier im einzelnen zu erörtern, möchte ich angesichts der Beschäftigung des Plenums nicht verantworten. Ich darf nur darauf hinweisen, daß Berlin gegenüber seiner früheren Situation allein durch die erhöhten Frachtkosten für die Kohlenversorgung mit jährlich rund 50 Millionen DM mehr belastet ist. 50 Millionen DM mehr, als es früher bei seiner günstigen Lage innerhalb der ost- und mitteldeutschen Kohlengebiete hat bezahlen müssen, muß es jetzt aufwenden, da fast die gesamte Kohle auf weitere Entfernung herangebracht werden muß. Allein die neue Frachterhöhung, die die ostzonale Bahn im Juli dieses Jahres eingeführt hat, bedeutet für Berlin eine Mehrbelastung von 40 Millionen DM. Es ist unbedingt notwendig, daß hierfür ein Ausgleich gegeben wird.
Aber der schmerzlichste Punkt in dem ganzen Programm, auf den ich Ihre Aufmerksamkeit für einen Augenblick lenken muß, ist die Frage der Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin. Ich halte es nicht für zweckvoll, Vorwürfe zu erheben, Vorwürfe, die vielleicht auch in diesem Hause gelegentlich nicht ganz unangebracht wären. Aber ich möchte Ihnen eine Zahl nennen: Bisher hat man nach Berlin Bundesbehörden, Bundeseinrichtungen verlegt bzw. dort bestehende Verwaltungen auf den Bund übernommen, die insgesamt 1031 Bundesbedienstete beschäftigen.
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Das sind 2 % der Gesamtzahl der Bundesbediensteten, während Berlins Bevölkerungsanteil 4,4 % beträgt. Also nicht einmal im gleichen Verhältnis, wie es dem Anteil an der Bevölkerung entspräche, ist Berlin bedacht worden, ganz zu schweigen von seiner tatsächlichen Bedeutung als alte Reichshauptstadt und ganz zu schweigen von der dringenden Notlage der Stadt. Hier, glaube ich, sollten wir alle uns bemühen, wesentlich zu einer Besserung beizutragen. Es würde auch schon viel helfen, wenn der grundsätzliche Anspruch Berlins auf Anerkennung als traditionelle Hauptstadt klar und deutlich von allen Verantwortlichen und allen, die es angeht, ausgesprochen würde. Davon würde eine wesentliche psychologische Erleichterung zu erwarten sein, die Berlin dringend nötig hat. Wir wollen uns ganz klar sein, wir sehen es ja hier selber: Hauptstadt ist nicht etwas, was man sich mit dem Rechenstift oder auf der Landkarte irgendwo nach Belieben ausdenken kann. Auch eine Hauptstadt wächst nur in Jahrhunderten einer langen, guten und stolzen Überlieferung. Ich glaube, daß das für Berlin durchaus in Anspruch genommen werden muß. Deshalb würde es für ganz Deutschland gut sein, wenn man sich dieser
großen traditionellen Werte besser und umfangreicher bediente, als es bisher geschehen ist.
Ich komme zum Schluß. Die Berliner Situation ist nicht ohne lichte Züge, und es wäre falsch, ja sogar undankbar, wenn wir als Berliner das nicht anerkennen wollten, aber es wäre ebenso falsch und im höchsten Maße gefährlich, wenn wir uns über den Ernst der Situation täuschen wollten, über einen Ernst, der gerade durch die jüngsten Ereignisse verstärkt und vertieft worden ist. Es ist kein Gegenstand der parteipolitischen Auseinandersetzung, wie ich ausdrücklich betonen möchte. Völlig falsch und verantwortungslos wäre es, wenn wir uns hierzu auf parteipolitischer Basis auseinandersetzen wollten. Hier ist wirklich eine Aufgabe, wo wir alle in diesem Hause vertrauensvoll und brüderlich zusammenarbeiten könnten.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Brandt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute vormittag die Mitteilung des Herrn Bundeswirtschaftsministers über die bei der Bundesregierung neu errichtete Stelle gehört, für die unser Kollege Dr. Bucerius verantwortlich zeichnet. Meine politischen Freunde und ich hätten es begrüßt, wenn das Haus schon bei der Errichtung dieser Stelle in angemessener Form eine Mitteilung erhalten und wenn es schon damals - aber jedenfalls heute - etwas über die Richtlinien erfahren hätte, die für die Tätigkeit dieser Stelle vorgesehen sind. Wir würden es nun begrüßen, wenn wir möglichst bald über die tatsächlichen, hoffentlich positiven Leistungen - das wünschen wir alle - dieser Stelle näheres erführen. Unserer Meinung nach müßte es die Aufgabe dieser Stelle sein, sich so stark wie möglich auf die Lenkung nicht nur von öffentlichen, sondern auch von sonstigen Aufträgen aus dem deutschen Westen und - ich bin da durchaus der Meinung von Herrn Dr. Friedensburg - von außerhalb Deutschlands nach Berlin hin zu konzentrieren.
Mit meinem Vorredner bin ich der Meinung, daß es - ich hoffe, die Damen und Herren werden dafür Verständnis haben - keine reine Freude ist, hier immer wieder über Forderungen Berlins sprechen zu sollen. Aber leider muß von Zeit zu Zeit darauf hingewiesen werden, daß Berlin seine gesamtdeutsche Aufgabe auf die Dauer nur zu erfüllen vermag, wenn es seinen Menschen Arbeit geben kann. Eine Viertelmillion Arbeitslose stellt in Berlin weit mehr als ein wirtschaftliches und soziales Problem dar. Berlin braucht Arbeit für seine Menschen, und darum braucht es Aufträge. Niemand von uns denkt daran, die großen Leistungen anzuzweifeln, die der deutsche Westen und seine Steuerzahler für Berlin aufgebracht haben. Aber wir stellen fest, daß mancherorts immer wieder die Neigung aufkommt, die vorhandenen Schwierigkeiten zu bagatellisieren.
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Berlin ist leider noch immer nicht über den Berg.
Ein Brief, den der Herr Bundeskanzler am 24. Oktober an den stellvertretenden Vorsitzenden meiner Partei, den Kollegen Mellies, gerichtet hat, war geeignet, einen falschen Eindruck zu erwecken. Die Hauptthese des Briefes war leider nicht zutreffend. Diese Hauptthese bestand darin, daß die wirtschaftliche Stagnation in Berlin überwunden sei. Es
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wurde unterstellt, daß es sich dabei um die Auswirkung jener Maßnahmen handele, die im Juli von der Bundesregierung ergriffen und von diesem Hause beschlossen worden sind. Tatsache ist jedoch, daß die erfreuliche Besserung gewisser wirtschaftlicher Daten, auf die sich auch der Herr Bundeswirtschaftsminister heute mittag hier bezogen hat, keinen übertriebenen Optimismus rechtfertigt; denn es handelt sich dabei in jenem dritten Vierteljahr, Herr Bundeswirtschaftsminister, in starkem Maße um saisonmäßige Erscheinungen. Unzutreffend ist daher auch die Vermutung in dem Brief des Herrn Bundeskanzlers vom 24. Oktober, daß zu Beanstandungen - wie er es nannte -, d. h. zu weiteren Wünschen und Forderungen - wie ich es nennen möchte - kein Anlaß mehr bestehe. Mein Freund Neubauer hat heute dargelegt - und wir haben in unserem Antrag darauf hingewiesen -, daß auf einer Reihe von Gebieten - Flüchtlingsfrage, Bundesbehörden, Frachtkosten usw. - neue Initiativen des Bundes erforderlich und möglich sind. Ich brauche nicht das zu wiederholen, was - völlig unabhängig von unseren sonstigen politischen Meinungsverschiedenheiten - der Kollege Dr. Friedensburg soeben zu diesen Fragen im einzelnen ausgeführt hat. Wir sind durchaus der Meinung, daß über diese Dinge im Berlin-Ausschuß noch eingehend gesprochen werden sollte.
Seit dem Sommer dieses Jahres sind dem Berlin-Ausschuß leider keine Informationen über die Pläne und Maßnahmen der Regierung mehr zugegangen, obgleich der Ausschuß auf Antrag der Regierungsfraktionen vom 10. Juni 1952 mit der, wie es wörtlich hieß, „ständigen Überprüfung und Fortentwicklung" der Unterstützungsmaßnahmen beauftragt war.
Einer der Sprecher der größten Regierungsfraktion in diesem Hause hat in der vergangenen Woche von jährlich 2 Milliarden DM gesprochen, die Berlin den Bund koste. Man erweist Berlin, glaube ich, mit derart übertrieben aufgemachten Rechnungen keinen guten Dienst.
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Eine Sache sind nämlich die Zuschüsse zum Berliner Landeshaushalt und weitere tatsächliche Stützungsmaßnahmen des Bundes, eine andere Sache sind die Auswirkungen des Dritten Überleitungsgesetzes, nach dem Berlin in das Finanzsystem des Bundes einbezogen worden ist. Man sollte, glaube ich, den Berlinern nun auch nicht noch bei ieder Gelegenheit vorrechnen, was diese Gleichstellung kostet; denn man macht eine solche Rechnung auch anderen finanzschwachen Ländern nicht auf.
({3})
Weiter ist nicht recht einzusehen, wieso sich der Bund zugute hält, was der Berliner Wirtschaft aus amerikanischen Hilfsquellen zugeflossen ist, was aber bei diesen globalen Aufstellungen immer mit dem anderen wie Äpfel und Birnen zusammengerechnet wird. Schließlich ergibt sich ein nicht ganz zutreffendes Bild, wenn Garantiesummen mit aufgerechnet werden, die erfreulicherweise nur in geringem Umfang in Anspruch genommen zu werden brauchen.
({4})
Auch ich möchte - ähnlich wie es Herr Dr. Friedensburg gesagt und gewünscht hat - nicht in eine parteipolitische Polemik eintreten; aber verübeln Sie es mir nicht, wenn ich eine Bemerkung über
das Bulletin der Bundesregierung mache, das sich am 4. November eine seiner leider nicht vereinzelt dastehenden Entgleisungen geleistet hat, als es glaubte, in der Berlin-Frage der sozialdemokratischen Fraktion dieses Hauses unterstellen zu sollen, ihre Haltung beschränke sich auf ,,lediglich negative Kritik". Der Herr Bundeskanzler hat zu demselben Thema in der vergangenen Woche gemeint, das angebliche „Gerede" der Opposition den vermeintlichen „Leistungen" der Regierung gegenüberstellen zu sollen. Nun wird doch wahrscheinlich gerade von der Grundhaltung aus, von der auch Kollege Friedensburg an dieses Thema herangegangen ist, hoffentlich bei der Beratung dieses Gegenstandes nicht ernsthaft behauptet, daß die Partei, für die die Opposition hier in diesem Hause sitzt, in Berlin nur geredet habe. Es war immerhin im Ringen um Berlin durch die SPD und durch die anderen demokratischen Parteien in Berlin schon einiges geleistet worden, bevor die Bundesregierung auf der Bildfläche erschien und erscheinen konnte. Auch zu dem, was heute als selbstverständlicher Bestandteil der Berlin-Politik des Bundes gilt, wäre es ohne dauerndes Drängen, ohne wache Kritik und positive Vorschläge kaum gekommen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang die Frage aufwerfen, ob es zu den Aufgaben eines Mitteilungsblattes der Regierung gehören kann, demokratischen Parteien Zensuren zu erteilen. Eine der Voraussetzungen eines einigermaßen gedeihlichen Zusammenwirkens in der Demokratie müßte wohl auch sein, daß Werbeeinrichtungen von Parteien nicht mit der offiziellen Informationsstelle des Staates verwechselt werden.
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Man hat uns bei dieser Gelegenheit im Bulletin der Bundesregierung angekreidet, daß eine unserer führenden Körperschaften kürzlich geäußert habe, wir hielten die Position Berlins nicht für ungefährdet. Unserer Meinung nach ist es besser, die Dinge beim rechten Namen zu nennen, statt sich und andere mit der Parole zu beruhigen: Wir werden Berlin aus seiner Umklammerung befreien.. Die Gefahr der Isolierung und der politischen Verkümmerung Berlins ist nicht von der Hand zu weisen. Wir werden zu der Frage der politischen Verkümmerung in einem anderen Zusammenhang, wenn wir uns über das Bundeswahlgesetz zu unterhalten haben, noch einiges zu sagen haben, worauf wir heute verzichten müssen. Aber ich will nicht verhehlen, daß wir unseren ganzen und energischen Widerstand gegen ein Verhalten anmelden, das den Alliierten eine Ablehnung der Mitbeteiligung Berlins an den kommenden Bundestagswahlen geradezu in den Mund legt. Direkte Wahlen in Berlin würden nicht bedeuten, daß sein Sonderstatus aufgegeben wird. Wenn aber schon in der nächsten Runde gesamtdeutsche Wahlen nicht möglich sein sollten, müßten wir doch zum mindesten erstreben, daß die Deutschen frei und gemeinsam in jenen Teilen Deutschlands wählen können, in denen das nicht durch fremde Gewalt noch unmöglich gemacht wird.
Geben wir offen zu, wir können Berlin gegenwärtig nicht aus seiner Umklammerung befreien. Wir sollten tun, was zu tun möglich ist. Wir können Berlin in die Lage versetzen, daß es weiterhin freiheitliche Energien ausstrahlt. Wenn der deutsche Westen, wir wir es durch unsere Anfrage und durch
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unseren Antrag wünschen, den Berlinern Arbeit gibt, so stärkt er damit ihre Widerstandskraft.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsparteien und die sozialdemokratische Fraktion veranstalten einen förmlichen Wettstreit in der Formulierung von Vorschlägen und Anträgen, wie hoch mehr Subventionen nach Westberlin geleitet, wie noch mehr steuerliche Vergünstigungen gewährt und wie noch weitere Bundesbehörden nach Berlin verlegt werden könnten. Zweifellos klingt das alles sehr schön, insbesondere für die Westberliner Rias-Hörer, wenn sie dieser Debatte folgen sollten. Die Frage ist nur, ob durch solche Vorschläge die Lage Westberlins gebessert wird, ob dadurch ernsthaft ein Ausweg aus der kritischen und gefahrvollen Situation geschaffen wird, in der sich Westberlin befindet.
Zweifellos ist die soziale Lage in Westberlin ernst. Wir registrieren noch immer 300 000 Arbeitslose, von denen ein Drittel unter 30 Jahre alt ist. Der industrielle Produktionsindex ist noch immer kaum höher als 50 % des Standes von 1936. Die Steuer- und Beitragslast, die auf der Westberliner Bevölkerung ruht, ist ins Unerträgliche angewachsen, sie ist bereits an die Grenze von 40 % des Netto-Sozialprodukts herangekommen. Sie hat damit den höchsten Stand gegenüber allen anderen Ländern und Gebieten der sogenannten westlichen Welt erreicht. Hinzu kommt, daß in Kürze auch noch die Lasten des Notopfers Berlin, die bisher von der Bevölkerung der Bundesrepublik getragen worden sind, von der Bevölkerung Westberlins mitgetragen werden sollen.
Andererseits steht auch fest, daß die Belastungen der Steuerzahler der Bundesrepublik für Westberlin gewaltig sind. Neben der Milliarde, die die Bundesrepublik aus Haushaltsmitteln für Westberlin spendiert, gibt es wirtschaftliche Zuschußleistungen in Höhe von 400 Millionen DM, zusätzliche `Leistungen der Sozialversicherungsträger in Höhe von 105 Millionen DM, sonstige Leistungen anderer deutscher Stellen, wie z. B. der Bundespost, in Höhe von 120 Millionen DM. Dazu kommen Mittel aus ERP- und JEIA-Fonds, die man ja keineswegs als Beweise amerikanischer „Großzügigkeit" hinstellen darf, sondern die man auch als auf deutschen Leistungen begründet betrachten muß. Sie betragen 680 Millionen DM. Wenn man diese Zahlen summiert, ergibt sich eine Ausgabenleistung aus deutschen Kräften für Westberlin von 2,3 Milliarden DM im Jahr, d. h. pro Kopf der Berliner Bevölkerung, ob Kind oder Greis, eine Summe von 1000 DM.
Meine Damen und Herren, Sie werden zugeben müssen, daß es sich hier wirklich um ein Faß ohne Boden handelt. Die Frage ist: Wird die Lage lurch diese gewaltigen Zuschußleistungen gebessert? Die Antwort ist: Nein. Sie kann auf solche Weise auch nicht gebessert werden. Nach wie vor
registrieren wir das Abströmen zahlreicher Westberliner Betriebe nach Westdeutschland, wo sie auf großzügige Unterstützung und Subventionen
rechnen können. Dieser Umstand ist nicht zuletzt eine Ursache für den Fortbestand und die Erweiterung der strukturellen Arbeitslosigkeit in Westberlin. Trotz aller frommen Wünsche, mehr
öffentliche oder private Aufträge nach Berlin zu lenken, stellen wir fest, daß sich die Wirtschaftskrise in Westberlin nicht mildert, sondern noch verstärkt. Nach wie vor verschlingt der Besatzungsetat von Westberlin ungeheure Summen, 170 Millionen DM, davon allein 58 Millionen DM für Besatzungsbauten und deren Einrichtungen.
Aber Sie alle, ob Regierungsparteien oder sozialdemokratische Fraktion, wollen diese Leistungen ja darum erhalten und erweitert wissen, weil Sie die Position Westberlins als Frontstadt verewigen wollen. Darum kann aus diesen Leistungen auch in der Zukunft keine konstruktive Lösung erwachsen. Sie anerkennen ja, sowohl Regierungskoalition wie SPD-Fraktion, die Bestimmungen des Generalvertrags, die die Frontstadt-Position Westberlins aufrechterhalten sollen. Ich habe in der Generalvertragsdebatte nicht einen einzigen Widerspruch seitens der sozialdemokratischen Sprecher gegen den Art. 6 des Generalvertrags oder gegen den Punkt h des Anhangs A zum Generalvertrag gehört. Diese Bestimmungen sehen vor, daß die Westmächte „bei der Ausübung ihrer Rechte" von der Bundesrepublik unterstützt werden. Daraus ergibt sich, daß die Bundesrepublik Verpflichtungen übernimmt, ohne selbst irgendeine Möglichkeit zu haben, auf die Berlin-Politik entscheidenden Einfluß zu nehmen. Sie unterstützen auch allesamt die Bestimmungen im Anhang A zum Generalvertrag, in dem es heißt, daß die Bundesrepublik die Einbeziehung Westberlins in die von der Bundesrepublik abgeschlossenen internationalen Abkommen erleichtern wird. Ich sage also, daß Sie sich damit einverstanden erklären, daß entgegen den bestehenden völkerrechtlichen Bestimmungen Westberlin in das aggressive Militärpaktsystem der EVG und des Atlantikpaktes eingegliedert wird. Meine Damen und Herren, haben Sie sich denn noch nie überlegt, daß eine solche offene Preisgabe - ({0})
Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Ich bin bald fertig.
Sie haben sie schon erheblich überschritten; Sie müssen also zum Schluß kommen.
Meine Damen und Herren, haben Sie sich nicht überlegt, daß eine solche formelle und offizielle Preisgabe der letzten Reste der Viermächteabkommen über Berlin zu ernsten Konsequenzen führen könnte? Ich meine, wir sollten uns darum nicht mit Palliativmitteln und mit der Verstärkung der gewaltigen Subventionsleistungen begnügen oder ihnen nur das Wort reden, sondern eine grundsätzlich neue, konstruktive Lösung für die Berlin-Frage anstreben.
({0})
Sie müssen jetzt schließen, Herr Abgeordneter. Sie haben die Redezeit schon erheblich überdehnt. Sie müssen nun Schluß machen.
Herr Präsident, ich bitte noch um zwei Sätze, damit ich meine Vorschläge vorbringen kann.
Dann bitte, zwei Sätze!
Wir sind der Meinung, daß den Westmächten vorzuschlagen ist, mit der Sowjetunion in Verhandlungen zu treten, um die sofortige Durchführung demokratischer Wahlen zu einem Gesamtberliner Magistrat zu ermöglichen auf der Grundlage des Abzugs aller militärischen Garnisonen aus Berlin,
({0})
durch die Aufhebung der Sektorengrenzen und durch Gewährleistung aller ,demokratischen Rechte und Freiheiten für die gesamte Bevölkerung Berlins. Wir sind ,der Meinung, daß nur auf diese Weise eine wirkliche Lösung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise Westberlins herbeigeführt werden kann.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das akute Kernproblem für Berlin, nämlich das Problem der Vermehrung der Aufträge an Berlin, kann in seiner grundlegenden Bedeutung für die Mission, die Berlin übernommen hat, gar nicht überschätzt werden. Der jahrelang geführte Abwehrkampf gegen die Zermürbungstaktik des Ostens hat dazu geführt, daß man uns Berlinern gewissermaßen eine Gesinnung zugute hält, die so etwas wie eine feste Währung darstellt. Diese uns Berliner ehrende Beurteilung wird auch in der Zukunft gewiß nicht enttäuscht werden. Aber man übersehe hierbei doch nicht, daß Berlin sich nicht damit begnügen darf, lediglich sich selbst zu behaupten. sondern daß es darüber hinaus die sehr wichtige Aufgabe hat, unseren Brüdern in Mitteldeutschland das Gesicht der Freiheit zu zeigen. Es wäre verderblich, wenn sich in diesem Gesicht Züge der Resignation abzeichneten. Aber es wäre wohl immerhin verständlich bei Menschen, die, zum größten Teil noch in der besten Schaffenskraft stehend, nun teilweise schon fast ein halbes Jahrzehnt ohne Beschäftigung sind und auf Beschäftigung warten. Mit Resignation könnte man jedenfalls eine wirksame Ausstrahlung auf das mitteldeutsche Gebiet nicht durchführen. Mit ernstester Besorgnis muß uns die Beschäftigungslosigkeit von rund 40 000 Jugendlichen in Berlin erfüllen. Hier öffnen sich in der Tat alle Gefahren, von der Verzweiflung bis zum Abgleiten in gesellschaftliches oder auch politisches Treibholz.
Berlin rechnet nun in angespanntester Erwartung auf Maßnahmen, die eine grundlegende Besserung der Beschäftigungslage mit sich' bringen. Deshalb kommt auch der Aufgabe, die der Herr Kollege Dr. Bucerius übernommen hat, eine außergewöhnliche Bedeutung für Berlin zu. Ich bin allerdings - vielleicht in Abweichung von der Meinung, die hier von meinen verehrten Herren Vorrednern vorgetragen worden Ist - der Meinung, daß Herr Dr. Bucerius von der Aufgabe entlastet werden sollte, auch eine Förderung der öffentlichen Aufträge in Angriff zu nehmen. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Verwaltungen hierzu aus eigener Kraft in der Lage sein müßten. Der Weg dazu bietet sich doch ganz einfach über Verwaltungsanordnungen und nicht zuletzt in einer stärkeren Abkehr von der doch noch vorzugsweise geübten freihändigen Vergabe von Aufträgen und einer entsprechend vermehrten Anwendung der öffentlichen Ausschreibung, die eine Wettbewerbsbeteiligung für Berlin ermöglichen würde. Man sollte sich aber auch damit noch nicht begnügen, sondern sollte darüber hinaus bei der Erteilung komplexer Aufträge die Auftraggeber verpflichten, Zulieferungen ebenfalls über öffentliche Ausschreibungen in Berlin hereinzuholen. Wir bedauern, daß die Bundesregierung einem Vorschlag des Berliner Abgeordnetenhauses, der vor rund einem Jahr von der dortigen FDP-Fraktion gemacht wurde, nicht gefolgt ist. Dieser Antrag, der von allen Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus angenommen worden ist, hat den Berliner Regierenden Bürgermeister beauftragt, der Bundesregierung vorzuschlagen, in Berlin Beschaffungsstellen der Behörden zu errichten, und zwar in erster Linie soweit es sich um zentrale Beschaffungsstellen handelt. Die Erfahrungen, die mit einer solchen, aus nur wenigen Köpfen bestehenden Beschaffungsstelle und Abnahmestelle der Bundespost in Berlin erzielt worden sind, sind nämlich außerordentlich ermutigend. Im laufenden Jahr hat die Bundespost über diese Stelle Aufträge in Höhe von rund 60 Millionen DM nach Berlin vergeben. Der Erfolg ist einfach auf den möglichen engeren Kontakt zwischen den Auftraggebern und den Auftragnehmern zurückzuführen.
Wir schließen uns auch den hier geäußerten Wünschen mit allem Nachdruck an, in verstärktem Maße Behörden und Dienststellen nach Berlin zu verlegen. Auch wir weisen darauf hin, daß in Berlin geschultes Personal der ehemaligen Reichsbehörden in ausreichendem Maße zur Verfügung steht. Ich darf bei dieser Gelegenheit schon einmal die Anregung geben, die Stelle des Bundeswetterdienstes, dessen Einrichtung ja beschlossen worden ist, in Berlin unterzubringen.
In jedem Falle erwarten wir, daß der unbezweifelte und erwiesene Wille der Bundesregierung, Berlin zu helfen, weit mehr als bisher zum wirksamen Überzeugungsgehalt der Behörden und insbesondere Beschaffungsstellen wird. Die Behörden sollten ihren Ehrgeiz darein setzen, sich in der Vergabe von Aufträgen nach Berlin und in der Verlegung von Dienststellen nach Berlin zu überbieten. Man sollte sich dessen bewußt sein, daß derjenige, der Berlin helfen will, nicht für Berlin kämpft, sondern mit Berlin für unser gemeinsames Schicksal kämpft.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, noch einmal das Wort zu ergreifen; aber die Ausführungen eines Kollegen von uns, des Herrn Fisch, zu dem Berliner Problem zwingen jemanden, der die Situation aus eigener Erfahrung derart kennt, doch noch einmal mit allem Nachdruck zu sprechen. Ich hätte es einfach nicht für möglich gehalten, Herr Kollege Fisch, daß in einem deutschen Parlament ausgerechnet ein Kommunist die Herbeiführung allgemeiner freier Wahlen zur Lösung des Berlin-Problems vorzuschlagen wagen würde.
({0})
Lassen Sie mich eines sagen. Erinnern Sie sich an das Jahr 1948?
({1})
Wir haben damals allgemeine Wahlen nach der
Vorschrift der Verfassung gehabt. Ich habe mich
({2})
mit Ihren ({3}) Parteifreunden wochen- und monatelang herumgeschlagen, sie angefleht, sie möchten sich doch nicht ausschließen; aber sie haben die allgemeinen freien Wahlen sabotiert und damit die Zerreißung Berlins, die Zerreißung des letzten Restes deutscher Einheit mutwillig herbeigeführt. Und dann haben Sie die Stirn, hier zu erklären, daß man mit allgemeinen freien Wahlen das Berliner Problem lösen könnte!
({4})
Sie haben sogar die Stirn, zu sagen, es sollte überall die demokratische Freiheit wiederhergestellt werden. Schließen Sie sich den allgemeinen freien Wahlen, die wir regelmäßig verfassungsmäßig abhalten, an, dann werden gleichzeitig die Freiheiten für ganz Berlin wiederhergestellt werden.
({5})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Neumann.
Meine Damen und Herren! Der Kollege Friedensburg ist noch nicht so lange im Hause wie wir, sonst wüßte er, daß wir über das Problem der freien Wahlen in Berlin schon des öftern gesprochen haben. Der Herr Kollege Fisch hat früher die Kehrseite dieser Platte aufgelegt und sich gegen freie Wahlen ausgesprochen.
({0})
Heute können wir zum erstenmal feststellen, daß er für freie Wahlen in Berlin ist.
({1})
- Herr Fisch, Sie haben soeben dem Herrn Kollegen Friedensburg zugerufen: „Sie brauchen nur ja zu sagen, dann haben wir die freien Wahlen in Berlin." Nun, Herr Kollege Fisch, ich schätze, daß es ungefähr ein Jahr her ist, daß ich von dieser Stelle den Generalsekretär der SED, Herrn Ulbricht, zitiert habe. Er hat am 3. August 1950 vor der SED in Berlin ausgeführt:
Die Führung dier SPD in Westberlin hat vor längerer Zeit die Frage der Neuwahlen gestellt. Wir sind der Meinung, daß die Lage in Berlin sich soweit entwickelt hat, daß die Bevölkerung auf Grund der Erfahrungen der letzten Jahre ein richtiges Urteil abgeben wird, wer Freund und wer Feind des Volkes ist. Wir sind für Gesamtberliner Wahlen, und zwar auf der Grundlage der Wahlordnung, die gemeinsam mit den jetzigen Westberliner Vertretern vor der Spaltung Berlins vereinbart wurde.
Wir haben am 5. Dezember 1948 die zweiten Wahlen in Berlin gehabt. Es waren Ihre ({2}) politischen Freunde, die damals unter dem Schutz der sowjetischen Bajonette den Ostsektor daran hinderten mitzuwählen. Wir haben ein Vierteljahr nach dieser Erklärung des Herrn Ulbricht - am 3. Dezember 1950 - wiederum demokratische Wahlen in Berlin gehabt. Auch jetzt durfte der Ostsektor sich nicht demokratisch entscheiden.
({3})
Herr Ebert, der Oberbürgermeister von „Groß-Berlin", hat am 30. November 1948, am Tage der Spaltung der Stadt, vor der Universität erklärt, er werde sein Amt nur kurzfristig ausüben, dann werde eine Verfassung geschaffen und das Volk von Berlin dürfe so schnell als möglich wählen. Nun, die Machthaber des Ostens haben sich dabei nicht gerade als Henneckes gezeigt. Seit dem 30. November 1948 gibt es das Versprechen von Neuwahlen für Berlin. Ich will Ihnen eins sagen, Herr Fisch - und ich glaube das nicht nur im Namen der Berliner Sozialdemokraten, sondern auch namens der Fraktionsvorsitzenden der CDU und FDP sagen zu können -: Wir sind bereit, jeden Tag auf der Grundlage der Wahlordnung von 1946 und auf der Grundlage der Berliner Verfassung Neuwahlen in Berlin durchzuführen
({4})
unter der Voraussetzung, daß wir eben auch im Ostsektor ein Minimum an demokratischen Rechten haben.
({5})
- Das ist die Voraussetzung! ({6})
- Bitte, dann machen Sie die Modellwahlen in Berlin.
({7})
Ich glaube, wir kämen dann auch, wenn Ihre Worte einen echten Klang haben sollten, zu gesamtdeutschen Wahlen.
Nun gestatten Sie mir, etwas zu dem Antrag, den die Sozialdemokratie eingebracht hat, zu sagen. Wir haben, Herr Kollege Fisch, in Berlin nicht vor, irgendwelche neuen Steuern zu schaffen. Die Summe der Abgaben, die Sie hier Notopfer nennen, haben wir Währungsnotopfer genannt. In Berlin gibt es ja die weitestgehende Angleichung an das Recht des Bundes. Wir haben uns darin nicht unterschieden. Aber einiges möchte ich doch zu den Ausführungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers sagen. Er hat festgestellt, daß die Arbeitslosigkeit in Berlin gesunken ist. Das ist richtig. Wir sind froh darüber, daß wir endlich einmal unter die 250 000-Grenze gekommen sind. Wir sind froh darüber, daß unsere wirtschaftliche Kapazität gestiegen ist und daß auch die Ausfuhr der Produktion nicht nur nach dem Gebiet der Bundesrepublik, sondern auch ins Ausland gesteigert worden ist. Aber, Herr Bundesminister, Ihnen ist genau so wie allen anderen Fachleuten bekannt, daß das bei Weitem noch nicht genug ist und daß die Berliner Industrie bei weitem nicht ausgelastet worden ist. Wir könnten auch zu einer Senkung der Preise durch eine Steigerung der Produktion kommen und könnten dadurch in Berlin den Wettbewerb noch viel besser durchführen. Für uns steht doch fest, daß wir geradezu schreckliche Verhältnisse auch weiterhin dadurch haben, daß die 250 000 Arbeitslosen, die wir haben, langfristig arbeitslose Menschen sind, Menschen sind, die zum Teil seit der Währungsreform nicht eine einzige Mark verdienen konnten, nicht eine einzige Stunde im Betrieb waren.
({8})
Da erwächst doch eben die Verpflichtung für uns alle, noch weit mehr zu tun, noch dafür zu sorgen, daß auch die Arbeiter in größerem Maße in die Betriebe kommen. Es ist Ihnen bekannt - wir sind uns, glaube ich, darin durchaus einig -, daß
({9})
nicht nur für das Ausland, sondern in erster Linie für die Industrie des Bundesgebiets die Verpflichtung erwächst, in stärkerem Maße nach Berlin Aufträge zu geben. Ich kann mich wegen der Kürze der Zeit nicht ausführlicher damit beschäftigen. Ich möchte nur noch einmal den dringenden Wunsch an Sie richten, daß doch von seiten Ihres Ministeriums noch weit mehr getan wird, als das bisher der Fall ist.
Ich möchte zu der Verlegung von Bundesbehörden wenige Worte sagen. Herr Minister, ich glaube Ihnen, daß Sie nichts davon wissen, daß beispielsweise die „Physikalisch-Technische Reichsanstalt" verlagert werden soll. Man macht das heute auch nicht mehr in der Form, daß man die Anstalt von Berlin abzieht, sondern aus dem bisherigen Hauptsitz Berlin wird eben dadurch ein Nebensitz, daß man in diesem Falle in Braunschweig eine Nebenstelle errichtet, die dann praktisch alle neuen Stel-. len und alle neuen Aufgaben an sich heranzieht und dadurch zur Verkümmerung der Berliner Stelle führt.
({10})
Das ist genau so, wie es schon beispielsweise beim Patentamt war. Ich darf Sie. daran erinnern, daß damals gerade das Blatt der CDU, „Der Tag", darauf hingewiesen hat: „daß dieser Probefall Patentamt wahrscheinlich ein Beweis für den guten Willen sein könnte; die Zurückverlegung des Patentamtes wird der Prüfstein für den ehrlichen Willen sein, Berlin nicht im Stich zu lassen." Dann kommen all die Gründe, die ich leider nicht mehr ausführen kann. Wir legen Wert darauf, daß in stärkerem Maße als bisher wirklich Bundesbehörden nach Berlin kommen. Ich bin erschüttert über die Zahl, die der Kollege Friedensburg bekanntgab: 1031 Beschäftigte jetzt bei den Behörden, die nach Berlin gelegt worden sind, wenn ich Sie richtig verstanden habe. 15 000 Menschen hatten allein einmal durch das Patentamt in Berlin Arbeit und Brot.
({11})
Im Februar flohen von 100 Menschen 48 in die Bundesrepublik, heute nur noch 9, die anderen gehen über Berlin. Ich muß Ihnen eine Äußerung einer amtlichen Stelle sagen:
Wir stehen daher
- heißt es in der Unterbringung auch für die in Berlin verbleibenden Flüchtlinge in den meisten Lagern auf der Stufe der Jahre 1945/46, als sich der riesige Flüchtlingsstrom aus den Ostgebieten über Berlin ergoß.
Das möchte ich gerade dem Herrn Bundeskanzler sagen, der neulich sagte, daß auf diesem Gebiet alles getan worden sei, was die Bundesregierung überhaupt habe tun können. Es muß festgestellt werden, daß nicht ein unerheblicher Teil der Flüchtlinge immer noch biblisch untergebracht ist. Bei aller Bescheidenheit, die vielleicht bei einigen Regierungsstellen herrscht: wenn wir zu Weihnachten nach 1952 Jahren wiederum von der Weihnachtsgeschichte hören, - ich glaube, wir sind doch so weit fortgeschritten, daß nach 1952 Jahren die Flüchtlinge nicht mehr auf Heu und Stroh liegen sollten!
({12})
Die Rednerliste ist erschöpft, die Aussprache geschlossen, Die Anfrage ist damit erledigt.
Es liegt nun noch der mit ihr verbundene Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache Nr. 3834, vor. Dazu ist Überweisung an den Berlin-Ausschuß beantragt. Ich brauche darüber wohl nicht abstimmen zu lassen, da hinsichtlich dieser Überweisung Übereinstimmung im Hause besteht. - Sie ist also beschlossen.
Ich rufe dann, nachdem Punkt 6 bereits bevorzugt verabschiedet worden ist, den Punkt 7 der Tagesordnung auf.
Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({0}) betreffend Einfuhr von Schnittholz ({1}).
Der Ältestenrat hat für die Begründung fünf Minuten und für die Aussprache 40 Minuten Redezeit vorgesehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Wer begründet? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Meitinger.
Dr. Meitinger ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Föderalistischen Union ({3}), Drucksache Nr. 3873, betreffend Einfuhr von Schnittholz begehrt die Unterbindung der Einfuhr von Schnittholz und die Beschränkung der Einfuhr auf Rundholz. Durch die übermäßige Einfuhr von Schnittholz auf Grund des deutsch-österreichischen Handelsabkommens vom 19. Januar 1951 wurde die Sägewerkindustrie in bezug auf die mittleren und kleineren Sägewerke in eine äußerst schwierige Situation gebracht. 400/o der mittleren und kleineren Sägewerke stehen vor der Betriebsschließung bzw. vor dem Konkurs. Die Preisdivergenz zwischen dem inländischen Rundholz und dem eingeführten Rundholz beträgt 1 zu 2 bzw. 1 zu 3, in bezug auf Schnittholz 1 zu 4. Außerdem genießt das österreichische Schnittholz auf den deutschen Bahnen den ermäßigten Ausnahmetarif 1 B 1, der ihm auf Grund der Meistbegünstigungsklausel nicht verwehrt werden kann. Verbesserung der Absatzverhältnisse und Ausgleich der zur Zeit bestehenden Preisdiskrepanzen könnten die mißliche Lage etwas ändern.
Weitgehende Einstellung der Einfuhr an Schnittholz ist der letzte Ausweg aus dieser Kalamität. Die westdeutsche Bundesrepublik kann bei normalem Holzeinschlag und normaler Durchforstung 17 Millionen fm Holz aufbringen. 21, 5 Millionen fm sind der Bedarf auf dem Holzmarkt nach Angabe der Statistik. Auf der anderen Seite ist der erhöhte Holzbedarf im letzten Jahr durch" anderweitige Ersatzstoffe ausgeglichen worden. Die statistischen Angaben des Holzbedarfs sind insoweit richtigzustellen. Unter ausländischem Rundholz, das als Folge der Handelsverträge in den vergangenen Monaten eingeführt wurde, ist nahezu ausschließlich Holz zu verstehen, das für Furnier- und Sperrholzwerke verwendet wird. Die Konjunkturempfindlichkeit des Artikels Holz hat man nicht in Rechnung gestellt.
In Erkenntnis dieser Situation habe ich am 29. September 1952 beim Bundeswirtschaftsminister und beim bayerischen Wirtschaftsminister eine Anfrage eingebracht, was sie zum Schutz der mittleren und kleinen Sägewerksbetriebe zu tun geden-
Dr. Meitinger)
ken, da das österreichische Rundholz um 50% billiger sei als das in der Bundesrepublik und für Schnittholz keine Zölle bestünden. Ich erhielt keine Antwort.
Statt dessen wurde in der Zeit vom 4. bis 22. November 1952 in Innsbruck auf der Tagung des gemischten deutsch - österreichischen Regierungsausschusses ein Protokoll unterzeichnet, das die Verlängerung des deutsch-österreichischen Handelsabkommens vom 19. Januar 1951 bis 13. Juni 1953 vorsieht. Für das erste halbe Jahr 1953 wurde eine neue Warenliste vereinbart, die dem gegenwärtigen Stand der deutschen Liberalisierung angepaßt wird. Osterreich wird wieder Holz - worunter nur Schnittholz gemeint sein kann - liefern. Allein in dem durch Frachthilfe für Ostbayern begünstigten Gebiet sind nach Mitteilung der Industrie- und Handelskammer Regensburg vom 2. Dezember 1952 über 900 Sägewerksbetriebe ansässig, die ihren Sitz auf dem Lande haben und Tausenden von Arbeitnehmern, darunter zahlreichen Flüchtlingen, Brot und Verdienst geben. Hier berühren sich Wirtschaftspolitik und Grenzlandnot sehr eng.
Wir dürfen den Notschrei der mittleren und kleinen Sägewerksbetriebe in Bayern und auch in der gesamten westdeutschen Bundesrepublik nicht überhören. Interessant ist die mir vom Wirtschaftsministerium gewordene Mitteilung, daß diese Maßnahme den Zweck habe, 40% der Sägegatter aus dem Wirtschaftsleben auszuschalten. Man sagte mir: Was uns im Dritten Reich nicht gelang, das müßte jetzt gelingen! - Durch diese übertriebene Wirtschaftsliberalisierung wird hier ein mittelständischer Berufszweig, die Sägeindustrie, in ihrer Grundstruktur gefährdet.
Mit Rücksicht auf diese schwierige Materie beantrage ich Überweisung des Antrags erstens an den Wirtschaftsausschuß als federführenden Ausschuß, zweitens an den Grenzlandausschuß und drittens an den Ausschuß für Fragen des Außenhandels. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Höhne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Föderalistischen Union, Drucksache Nr. 3873, verlangt die völlige Unterbindung der Einfuhr von Schnittholz. Ich glaube, daß wir die Dinge etwas realistischer sehen müssen. Eine generelle Einfuhrsperre für Schnittholz wäre nicht zu empfehlen, und zwar aus dem Grunde, weil die Schnittholzsituation im ganzen Bundesgebiet nicht dieselbe ist. Wir haben in Nord- und Westdeutschland wesentlich andere Verhältnisse. Wir haben dort nicht die Schwierigkeiten, wie sie zweifellos in Süddeutschland vorhanden sind; denn die skandinavischen Hölzer werden in Norddeutschland nicht mit einem derartigen Unterpreis angeboten, wie das in den südlichen Teilen der Fall ist. Deshalb sollten wir uns auf die Einfuhrmöglichkeiten von Rundholz im süddeutschen Raum beschränken.
Die Schwierigkeiten größten Ausmaßes, denen unsere Sägeindustrie unterliegt, sind eine Sache der Arbeitsintensität. Drei Viertel der Sägewerke in Süddeutschland stehen still, und ein Viertel arbeitet kurz. Fast alle Sägewerke, die mit mehr als 100 Mann Belegschaft arbeiteten, beschäftigen jetzt nur noch 10 oder 15 Leute. Das ist ein unerträglicher Zustand, da in Süddeutschland die Holzindustrie
als eine der bedeutendsten zu bezeichnen ist. Süddeutschland ist aus dem Grunde zu der schlechten Lage gekommen, weil in Österreich die Exportmindestpreise aufgehoben worden sind und gleichzeitig eine Ausfuhrsperre für Rundholz verhängt worden ist. Der Zustand ist für die süddeutschen Sägewerke untragbar. Wir müssen zu einer Regelung kommen, die die Einfuhr von Schnittholz nicht unter allen Umständen unterbindet, zumal das uns nächstliegende österreichische Volk ja auch nicht auf Rosen gebettet ist, und soviel Völkersolidarität sollte man schon haben, daß wir uns hier, wo es möglich ist, die Hände reichen. Nicht wahr, ihr Herren von der Bayernpartei, ihr seid doch auch dafür, daß wir das österreichische Volk - ({0})
- Nein, der Antrag lautet auf Unterbindung der Einfuhr, und ich muß den Antrag so behandeln, wie er lautet, damit keine Mißverständnisse herrschen. Also die völlige Einfuhrsperre für Schnittholz wäre volkswirtschaftlich nicht gut. Wir würden dafür plädieren, neben der Einfuhr von Schnittholz auch eine Einfuhr von Rundholz zu ermöglichen, um unserer Sägeindustrie wieder Arbeitsmöglichkeiten zu verschaffen, etwa in dem Ausmaße, daß für soundso viel Schnittholz genau so viel Rundholz eingeführt werden darf.
Hiermit müßten sich die Ausschüsse beschäftigen. Wir schlagen vor, daß sich der Außenhandelsausschuß mit dieser Frage befaßt; denn die Angelegenheit ist lediglich Sache der Außenhandelspolitik. Der Bundestag müßte versuchen, eine paritätische Einfuhr zu erreichen, d. h. zu erreichen, daß so viel Schnittholz wie Rundholz eingeführt wird. Die Sozialdemokratie gibt also diesem Antrag mit der Maßgabe statt, daß er dem Ausschuß für Außenhandelsfragen überwiesen wird.
({1})
Das Wort hat der Herr Antragsteller, damit er eine Textänderung bekanntgeben kann.
Dr. Meitinger ({0}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ich ändere den Antrag wie folgt:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, die Einfuhr von Schnittholz weitestgehend zu unterbinden und möglichst auf Rundholz zu beschränken.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Soweit dieser Antrag das Ziel hat, die Einfuhr von Rohholz, insbesondere von Nadelholz, zu begünstigen und zu erweitern, stimmen wir ihm in vollem Umfange zu. Soweit darin aber gefordert wird, die Einfuhr von Schnittholz auch nur zum Teil zu unterbinden, müssen wir ihn mit aller Entschiedenheit ablehnen. Wir sind gar nicht in dei Lage, zur Zeit so viel Schnittholz einzuführen, wie wir für die normale Produktion in der deutschen Wirtschaft benötigen.
In der Vorkriegszeit betrug der Holzverbrauch pro Kopf der Bevölkerung 0,9 Festmeter. Das macht die Bereitstellung von 35 Millionen Festmetern erforderlich. Zur Zeit beträgt das gesamte Aufkommen an Rundholz in Deutschland etwa 20 Millionen Festmeter. Wir müssen also die fehlende
({0})
Menge einführen, um den Holzbedarf nur in dem Vorkriegsumfang befriedigen zu können, und sicherlich ist dieser Holzbedarf in der Nachkriegszeit durch das Nachholbedürfnis, durch die Notwendigkeit, unseren Wohnungsbau zu verstärken, noch angestiegen. Wir können aber selbst diese 20 Millionen Festmeter jährlich nicht beliebig lange einschlagen, denn wir liegen damit schon um 40% über dem nachhaltigen Ertrag unserer eigenen Forstwirtschaft. Wir sind also zwangsläufig darauf angewiesen, Schnittholz in größerem Umfange aus dem Ausland einzuführen, aus dem wir es preisgünstig bekommen können, und das ist zur Zeit Österreich. Es waren bis vor kurzem auch die nordischen Länder; diese Möglichkeit ist inzwischen aber wieder geringer geworden. Das zwingt dazu, die Möglichkeiten der Einfuhr aus Osterreich in stärkerem Maße auszunutzen.
Es kommen aber auch Preisgründe hinzu. Wir haben auf Drängen der Forstwirtschaft vor nicht allzu langer Zeit die Rundholzpreise freigegeben mit dem Ziele, dadurch einen echten Markt herzustellen und unsere Preise den Auslandspreisen anzugleichen. Wenn wir jetzt durch eine solche marktwidrige Maßnahme, nämlich das Verbot der Schnittholzeinfuhr, hier eingreifen würden, würden die gesamten Maßnahmen, die wir vor kurzem getroffen haben und die sich bisher günstig ausgewirkt haben, illusorisch werden. Wir meinen, daß eine solche Beschränkung der Schnittholzeinfuhr unter keinen Umständen eintreten darf.
Verfahrensmäßig stimmen wir dem Antrag der Antragsteller zu, diese Angelegenheit an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik - federführend - und an den Ausschuß für Außenhandel zu überweisen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Volkholz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte dem Vorredner widersprechen. Ich glaube, daß die Statistik hier nicht genau stimmt, denn in Bayern sind tatsächlich noch große Holzvorräte vorhanden, die jederzeit eingesetzt werden können, wenn irgendwo in der Bundesrepublik ein Engpaß in Schnittholz sein sollte.
({0})
Tatsächlich besteht eine Möglichkeit, irgendwelche Differenzen in der Schnittholzversorgung durch Kunststoffe und sonstige Ersatzstoffe auszugleichen, die sich in der letzten Zeit sehr stark entwickelt haben. Es bedarf nur einer Maßnahme des Wirtschaftsministeriums, damit hier rechtzeitig eingegriffen wird.
Der vorliegende Antrag aber soll in der Hauptsache bezwecken, der Arbeitslosigkeit in der Sägeindustrie, hauptsächlich in Bayern, vorzubeugen, um endlich in den Gebieten, welche sowieso schon an großer Arbeitslosigkeit leiden, wiederum zu helfen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Es ist beantragt, den Antrag Drucksache Nr. 3873 an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als federführenden Ausschuß zu überweisen. Der Abgeordnete Höhne dagegen hatte beantragt, ihn an den Ausschuß für Außenhandelsfragen als federführenden Ausschuß zu überweisen.
({0})
Wir müssen das durch Abstimmung klären.
({1})
- Es handelt sich jetzt zunächst einmal um die Feststellung der Federführung. Dazu liegen zwei verschiedene Anträge vor: Ausschuß für Wirtschaftspolitik oder Ausschuß für Außenhandelsfragen. Ich lasse darüber abstimmen. Wer ist für die Übertragung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Sind Sie ({2}) im Zweifel?
({3})
- Ja, meine Damen und Herren, i c h habe an sich keinen Zweifel; aber wenn hier keine Übereinstimmung besteht, kann ich nichts ändern.
({4})
Meine Damen und Herren, ich wiederhole die Abstimmung. Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik? - Wer ist dagegen? - Das erste ist die Mehrheit; gar kein Zweifel. Also ist die Federführung beim Ausschuß für Wirtschaftspolitik beschlossen.
Weiter ist Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen beantragt worden. Ich nehme an, daß hierzu die Zustimmung gegeben wird.
Ferner ist noch Überweisung an den Ausschuß für Grenzlandfragen gewünscht worden. Auch da wird nicht widersprochen. Also dann bleibt es dabei: Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik federführend, Ausschuß für Grenzlandfragen und Ausschuß für Außenhandelsfragen mitberatend. Damit ist Punkt 7 der Tagesordnung erledigt.
Punkt 8 der Tagesordnung ist auf Antrag des Ausschusses abgesetzt.
Es ist gebeten worden, Punkt 10 bis nach der Beratung im Auswärtigen Ausschuß, der zur Zeit damit befaßt ist, zurückzustellen.
Dann käme also jezt Punkt 11:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({5}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Freiherrn von Aretin gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 4. Juni 1952 ({6}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Sassnick.
Sassnick ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf ordentlichem Wege wurde durch das Bundesjustizministerium die Frage an das Hohe Haus gerichtet, ob die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den Abgeordneten von Aretin wegen falscher Anschuldigung erteilt werden soll. Es liegt folgender Tatbestand zugrunde:
Herr von Aretin hat im September 1951 der Generalstaatsanwaltschaft in München mitgeteilt, daß
({8})
ihm bekannt geworden sei, es liege beim Bayerischen Journalistenverband gegen den Verleger und Chefredakteur Dr. Hans Kapfinger in Passau Material vor, das diesen eines Vergehens nach § 176 Abs. I Ziffer 3 des Strafgesetzbuches beschuldige. Dieses Material wurde untersucht und hat sich als nicht stichhaltig erwiesen. Chefredakteur Kapfinger hat sodann Strafanzeige gegen „Unbekannt" wegen Verleumdung gestellt. So kam es zu dem heute vorliegenden Antrag zur Aufhebung der Immunität des Herrn von Aretin.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat die Angelegenheit überprüft und ist zu der einmütigen Auffassung gekommen, daß Herrn von Aretin kein Vorwurf daraus gemacht werden kann, wenn er ihm zur Kenntnis gekommene schwere Beschuldigungen der Justizbehörde zur Überprüfung meldet. Der Ausschuß bittet Sie, meine Damen und Herren, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten von Aretin nicht zu erteilen.
Sie haben den Bericht des Berichterstatters gehört. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die der Vorlage des Ausschusses zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Nun kommen wir zu einer Reihe von Punkten, die in Zusammenhang stehen. Das sind die Punkte 12 bis 28:
12. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Fisch gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 8. August 1952 ({1});
13. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({2}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 1. September 1952 ({3});
14. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({4}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Frau Strohbach gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 2. September 1952 ({5});
15. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({6}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. September 1952 ({7});
16. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({8}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Müller ({9}) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 19. September 1952 ({10});
17. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({11}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 22. September 1952 ({12});
18. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({13}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Müller ({14}) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 30. August 1952 ({15});
19. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({16}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Müller ({17}) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 1. September 1952 ({18});
20. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({19}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Müller ({20}) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 23. September 1952 ({21});
21. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({22}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordnete Frau Strohbach gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. August 1952 ({23});
22. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({24}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Niebergall gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 14. August 1952 ({25});
23. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({26}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Agatz gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 18. August 1952 ({27});
24. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({28}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Rische gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 17. September 1952 ({29});
25. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({30}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Renner gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 27. September 1952 ({31});
26. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({32}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Paul ({33}) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz
({34})
vom 15. November 1951 und 15. Dezember 1951 ({35});
27. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({36}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Paul ({37})
a) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 14. September 1951 ({38}),
b) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz - AZ. 4040 E - 25967/51 - vom 14. Dezember 1951 ({39}),
c) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz - AZ. 4040 E - 26390/51 - vom 14. Dezember 1951 ({40}),
d) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz - AZ. 4040 E - 28933/51 - vom 14. Dezember 1951 ({41}),
e) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz - AZ. 4040 E - 28933/51 - vom 14. Dezember 1951 ({42}),
f) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 14. Februar 1952 ({43});
28. Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({44}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 23. Februar 1952 ({45}).
Der Ältestenrat hat vorgesehen, diese Dinge miteinander zu verbinden und als einen Punkt zu behandeln. Er schlägt für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 90 Minuten vor,
({46})
wobei der betroffenen Gruppe der Kommunisten außerdem eine Redezeit von 35 Minuten zugebilligt wird. Ich empfehle also, zunächst einmal die Berichterstatter für sämtliche Punkte zu hören. Dann haben wir die Berichterstattung erledigt und können in die Debatte eintreten.
({47})
- Herr Abgeordneter Renner zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage - ({0})
- Ja, Herr Ewers, ,zur Geschäftsordnung! ({1})
- Ich hatte das Wort erbeten zur Geschäftsordnung! ({2})
- Ja, der Herr Präsident hat es mir erteilt. ({3})
Ich bin dafür nach wie vor zuständig!
' Das wollte ich gerade gesagt haben; Herr Ewers scheint anderer Meinung zu sein.
Ich beantrage also noch einmal, gestützt auf § 26 der Geschäftsordnung, die Absetzung dieser Punkte von der Tagesordnung.
({0})
- Sie haben im Ältestenrat die feierliche Zusicherung abgegeben, - ({1})
- Ja, die feierliche, soweit man das sagen darf; es hat sich doch wohl um das Wort von Männern gehandelt, die uns das zugesagt haben.
({2})
- Sie haben uns zugesagt, daß diese Tagesordnungspunkte zu einem Zeitpunkt behandelt werden, an dem das Haus noch voll besetzt ist, zu einem Zeitpunkt, der eine wirkliche, grundsätzliche Aussprache erlaubt. Sie haben gehört, daß der Plan schon darauf hinausläuft, eine Redezeit von eineinhalb Stunden vorzusehen. Ich bin überzeugt, daß wir mit diesen eineinhalb Stunden Redezeit nicht zurechtkommen.
({3})
Ich appelliere deshalb noch einmal an Ihr Wort, das Sie gegeben haben, und bitte dringend, diese Punkte heute abzusetzen.
({4})
Ich bitte, über meinen Antrag abstimmen zu lassen.
({5})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag auf Absetzung der Punkte 12 bis 28 von der Tagesordnung - das war ja wohl der Sinn der Ausführungen des Herrn Abgeordneten Renner - gehört. Ich bitte diejenigen, die dem Absetzungsantrag zustimmen,
({0})
die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir treten also in die Beratung ein.
Zur Berichterstattung, und zwar zu Punkt 12, hat zunächst Herr Abgeordneter Ewers das Wort.
Ewers ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich berichte gleichzeitig zu Punkt 20, weil der Punkt 20, das Verfahren gegen den Abgeordneten Müller, eines der maßgebenden Kapitel ist.
Ich darf vorweg bemerken: sowohl in diesem Hause wie auch außerhalb ist die Rede davon gewesen, daß diese Anträge, die uns auf dem normalen Wege der Zuständigkeiten zugeleitet worden sind, etwa den Zweck verfolgen könnten, eine ganze Fraktion dieses Hauses arbeitsunfähig zu machen. Darüber haben nicht wir zu entscheiden, sondern die Justiz, mit der wir nichts zu tun haben, der wir höchstens gestatten können, ihren Weg zu gehen. Arbeitsunfähig würde das Haus, wenn auch nur von einer Staatsanwaltschaft der Versuch ge({2})
macht wäre, den Antrag anzubringen, daß wir eine etwa beabsichtigte Verhaftung zulassen sollten. Ein solcher Antrag ist nicht einmal in dem Verfahren gegen Müller wegen Vorbereitung des Hochverrats gestellt, geschweige denn vorn Geschäftsordnungsausschuß des Hauses zur Annahme empfahlen worden. Es handelt sich also lediglich darum, daß die Herren Abgeordneten dieses Bundestags sich für angeblich begangene strafbare Handlungen in einem einzuleitenden Ermittlungsverfahren zur Rede stellen lassen müssen, wie es jeder Staatsbürger in jedem Rechtsstaat muß.
Dies vorausgeschickt, möchte ich zunächst zu Punkt 20 - dem Verfahren Müller - berichten, weil es das Zentralverfahren ist. Dabei betone ich: daß es gerade Herrn Müller trifft, ist mehr ein Zufall. Es liegt an folgendem Umstand.
Seitens der Zentralstellen der KPD - ohne Rücksicht darauf, wo diese liegen mögen, ob in Düsseldorf, in Berlin oder außerhalb Deutschlands - ist nach der Meinung der beantragenden Behörde ({3})
- jawohl! ({4})
eine Flut von Flugblättern beanstandeten Inhalts auf die Bewohner Westdeutschlands losgelassen worden,
({5})
und zwar handelt es sich im Verfahren Müller um Flugblätter oder Broschüren, die etwa in der Zeit zwischen Oktober 1951 und Frühjahr 1952 in verschiedenen Gegenden verteilt, zum Teil auch gleich bei der Verteilung von den Polizeibehörden beschlagnahmt worden sind. Die Überschriften dieser Broschüren und Flugblätter lauten wie folgt: „An alle friedliebenden Deutschen!", „Das deutsche Volk duldet kein System der Knechtschaft", „Die Zeit ist gekommen, um Adenauer zu stürzen", „Schöne deutsche Heimat", „Offener Brief des Zentralkomitees der SED an Funktionäre der SPD", „Bauer, wehr dich!", „Der Agitator" - eine regelmäßige Schrift offenbar für den inneren Dienst - Nr. 17 und 18, „Dr. Luetkens erklärt im Bundestag", „Der nationale Kampf des deutschen Volkes", „Erklärung der Regierungsdelegation der DDR", „Das Maß ist voll", „Das Blitzgesetz", „Arbeiter, es ist an der Zeit!", „Trotz Verbot immer wieder da". Das sind 14 Druckschriften, Flugzettel, zum Teil auch längere, seitenlange Broschüren, die verteilt und behördlich beschlagnahmt worden sind und in deren presserechtlichem Impressum als verantwortlicher Mann ausnahmslos der Abgeordnete Müller ({6}) angegeben ist. Aus diesen rein presserechtlichen Äußerlichkeiten richtet sich das Verfahren zunächst einmal gegen denjenigen, der für die Herausgabe und den Inhalt dieser Schriften die Verantwortung durch sein Signum übernommen hat.
Die Staatsanwaltschaft erblickt in der Gesamttendenz dieser Schriften und einer Fülle von einzelnen darin vorhandenen Worten, Aufforderungen oder Zurufen an die Bevölkerung im Zusammenhang gesehen die Vorbereitung einer bestimmten Hochverratshandlung gemäß § 81 StGB.
Der Immunitätsausschuß hat von einzelnen von der Staatsanwaltschaft besonders beanstandeten Stellen Kenntnis genommen. Ich glaube nicht, daß
es angebracht ist, hier im Hause eine große Fülle von Kostproben des Inhalts der Schriften zum besten zu geben. Ich möchte mich darauf beschränken, zwei nach meinem Urteil besonders anzügliche Stellen zur Verlesung zu bringen, und zwar zunächst einmal aus der Flugschrift „Der nationale Kampf des deutschen Volkes". Da heißt es z. B., ein kleiner Satz nur:
Den modernen Görings und Heydrichs, den Reichstagsbrandstiftern von heute, muß man nicht erst später die Maske vom Gesicht reißen, sondern schon vorher die Brandfackel aus den Händen schlagen.
In der Schrift „Arbeiter, es ist an der Zeit!" findet sich folgender etwas längerer Passus:
Mit den Todfeinden der Arbeiterklasse
- als solche sind in den Absätzen vorher insbesondere Dr. Schumacher und Herr Fette bezeichnet worden und des ganzen Volkes aber, mit den Postenjägern und Kriegstreibern darf es keine Zusammenarbeit und keinen Burgfrieden geben. Ihnen muß der kompromißlose Kampf angesagt werden. Die gewaltige Kraft der Arbeiterklasse und ihrer Organisationen ist in der Lage, sie in die Knie zu zwingen. Deshalb fordern wir die Arbeiter in allen Belegschaften und Gewerkschaftsorganisationen auf, zu beschließen: Heraus aus allen Gremien und Organen, die den Imperialisten dienen! Schluß mit jeder gewerkschaftlichen Teilnahme an Unternehmerorganen wie den paritätischen Ausschüssen!
Ich lasse einige kurze Zwischenpassagen weg. Es endet dann:
Die Grundstoffindustrie gehört in Volkes Hand. Fort mit der Adenauer-Regierung, denn sie ist die Regierung der deutschen Imperialisten! Gemeinsam werden wir siegen!
({7})
Wie gesagt, der Herr Staatsanwalt erblickt in dieser ersichtlich von einer Zentrale aus gesteuerten Flut von Schriften, die sich zum Teil an mittelständische Kreise, zum Teil an Flüchtlinge, zum Teil an Bauern, in der Mehrzahl aber - nach ihrer ganzen Aufmachung - natürlich an Arbeiter wenden, die hochverräterische Vorbereitung eines Umsturzes und möchte deswegen gegen Herrn Müller und eine große Anzahl uns im einzelnen Unbekannter - nicht Abgeordneter -, die an der Sache beteiligt sind, ein Verfahren wegen Verbrechens der Vorbereitung des Hochverrats einleiten.
({8})
- Die Zahl ist uns nicht genannt worden, interessiert uns auch nicht. Wir haben uns nur mit Abgeordneten des Bundestages zu befassen.
({9})
Die Angelegenheit liegt nun so, daß diese Erklärungen, die hier abgegeben sind, nach Meinung des Staatsanwalts erstens einen Verstoß gegen die Strafbestimmung des § 81, nämlich eine Vorbereitungshandlung zu einem Hochverratsunternehmen, darstellen, zweitens aber unzweifelhaft in ihrer Mehrzahl, wenn auch vielleicht nicht ausnahmslos, gegen den § 97 des Strafgesetzbuches - Staatsgefährdung - verstoßen, weil hier im Zuge von Be({10})
strebungen, die gegen den Bestand und die Verfassung der Bundesrepublik gerichtet sind, öffentlich durch Verbreitung von Schriften eine Verunglimpfung der Bundesregierung erfolgt ist, und
zwar in einer das Ansehen des Staates gefährdenden Weise. Denn wenn die Mitglieder unserer Bundesregierung als „Görings", als „Heydrichs" und als
„Reichstagsbrandstifter" bezeichnet werden, so
wird kein Mensch glauben, daß das dem Ansehen
des Staates dient. Vielmehr muß jeder Mensch zugeben, daß, wenn es geglaubt würde, dies das Ansehen des Staates - egal, wer gerade die Regierung bildet - in der Tat völlig untergraben würde.
({11})
- Ich zitiere keineswegs falsch; ich zitiere nur wörtlich das, was uns berichtet worden ist. Wie komme ich dazu, falsch zu zitieren!
({12})
Ich möchte doch dringend bitten, endlich mit diesen vielen störenden Zwischenrufen aufzuhören. Es muß hier berichtet werden, und die Berichterstatter sind dazu da, zu berichten. S i e haben nachher genügend Redezeit, um einzugreifen. Ich muß Sie dringend warnen, bei dem Gegenstand, den wir jetzt vorhaben, dauernd die Ordnung des Hauses zu stören.
({0})
- Sie haben an meinen Maßnahmen keinerlei lärmende Kritik zu üben, sonst muß ich die Ordnungsmaßnahmen gegen Sie in Anwendung bringen, die in der Geschäftsordnung vorgesehen sind.
({1})
Ewers ({2}), Berichterstatter: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre gut, wenn diese Frage ohne Leidenschaft erörtert werden könnte.
({3})
Denn es ist kein Anlaß für diejenigen, die für die Aufhebung der Immunität sind, um den Staat besorgt zu sein. Ich übertreibe die Gefährlichkeit dieser Schriften vor meinem eigenen Gewissen bestimmt nicht. Man muß nur die Dinge niedriger hängen.
Die Frage ist lediglich die, ob aus diesem Anlaß nach unseren Grundsätzen die Immunität aufgehoben werden kann und muß. Diese Frage ist im Ausschuß nicht einheitlich entschieden worden, was ich bedaure. Nach meiner Auffassung ist es entsprechend unseren Grundsätzen ohne weiteres klar, daß es sich hier nicht um politische Beleidigungen handelt, sondern nach der Meinung des Staatsanwalts um ein politisches Verbrechen, das wir nicht festzustellen haben. Wir haben nur die kriminelle Untersuchung und die Durchführung des Verf ahrens zu ermöglichen, ohne dazu selbst irgendwelche Feststellungen zu treffen, denn dazu sind wir nicht da.
({4})
Für uns im Ausschuß, soweit wir für die Aufhebung der Immunität eingetreten sind, war dabei der Gesichtspunkt maßgebend, daß es natürlich schon ein Mißbrauch des Mandats ist, wenn für alle diese Schriften, die sicherlich nicht nur aus der Feder des Herrn Abgeordneten Müller stammen, ausgerechnet ein Abgeordneter des Bundestages die Verantwortung übernimmt.
({5})
Das ist ein absoluter Mißbrauch des Immunitätsrechtes, gegen den wir uns auf das entschiedenste zur Wehr setzen.
({6})
Hätte nicht der Kollege Müller, sondern ein sonstiger Max Müller, den wir gar nicht kennen, gezeichnet, so wäre das Verfahren längst eröffnet. Und nur deshalb, weil hier ein Abgeordneter sich hinter die Immunität zurückzieht und glaubt, damit durchzukommen, soll es möglich sein, daß so etwas in diesem Falle nicht verfolgt wird? Das ist ein Gesichtspunkt, der für die Mehrheit ganz entscheidend ist.
Das gilt an sich auch für alle anderen Fälle. Denn überall, bei all den vielen Fällen, handelt es sich - mit der einen Ausnahme des Abg. Renner; das ist ein Fall für sich, der paßt hier gar nicht herein, Herr Kollege Renner, damit Sie beruhigt sind; nämlich der Fall mit dem Gesamtdeutschen Ministerium, das mit dieser Propagandawelle gar nichts zu tun hat - um Propagandaschriften, für die das eine oder andere Mitglied der kommunistischen Gruppe die Verantwortung übernimmt, sich dann hier lärmend davor zu drücken. Das möchte ich hier nur feststellen. Das geht nicht, meine Herren! Dieser Gesichtspunkt ist entscheidend.
Es kommt hinzu, daß wir wegen allgemeiner Verbrechen und Vergehen grundsätzlich - wenige Ausnahmen vorbehalten - die Immunität aufheben wollen, nicht dagegen bei politischen Vergehen, die nur mit dem Munde begangen sind, die also in der politischen Auseinandersetzung ihre Wurzel haben. Diese Kontroverse hat sich aber nach dem, was im Ausschuß klar ist, im Rahmen des Grundgesetzes zu halten; denn nur solche Politik ist nicht als „Politik" strafbar. Dagegen gibt es politische Verbrechen und Vergehen in jedem Staat, am meisten, meine verehrten Freunde von links, in der DDR, wo ja bekanntlich die Todesurteile wegen politischer Taten jetzt offenbar anrollen sollen. Bei uns gibt es derartiges aber auch. Auch wir kennen in unserem Staat politische Vergehen und Verbrechen, und ich bin der Meinung, wenn wir etwa zu dem Grundsatz kommen sollten: „Politische Verbrechen und Vergehen von Abgeordneten werden niemals verfolgt" ({7})
meine sehr geehrten Damen und Herren, wo kommen wir dann mit dem Staat hin!
Aus diesem Grunde ist also von der Mehrheit der Antrag gestellt, im Falle Müller zunächst einmal aufzuheben. Alle übrigen Fälle, auch der, den ich jetzt zunächst behandle, weil ich zufällig Referent bin, sind ein Teil in der Kette der großen Agitation. Sie sind meistens - nicht alle, aber die meisten - dem Ausschuß dadurch zugegangen, daß entweder das gesamte Kabinett oder ein Minister Strafantrag gestellt hat. Wir haben es im Ausschuß von der Mehrheit - ich glaube, beinahe einstimmig, denn auch die Minderheit stimmte insoweit zu ({8}) bedauert, daß nicht die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 97 gegeben ist, sondern Strafanträge gestellt sind. Denn unsere Grundsätze lassen ja an sich bei lediglich politischen Beleidigungen, jedenfalls in aller Regel der Fälle, die Aufhebung der Immunität nicht zu. Hier sind aber meistens nur Strafanträge wegen Beleidigung gestellt.
Das gilt insbesondere für den Fall Nr. 12, über den ich jetzt kurz zu berichten habe. Das ist ein sehr einfacher Tatbestand. Hier hat die KPD unter Verantwortung von Herrn Kollegen Fisch eine sehr anständig aufgemachte Broschüre - ich darf sie dem Hause noch einmal vorzeigen, sie sieht so aus ({9})
herausgebracht. Es ist der Schriftsatz, der von der KPD beim Bundesverfassungsgericht als Klagebeantwortung auf die Klage der Regierung eingereicht ist.
({10})
Das durfte sie, das war ihr gutes Recht. Denn wer das Recht seiner Verteidigung wahrnimmt, ist berechtigt - außer Verleumdungen und reinen Schimpfreden -, mehr zu sagen als derjenige, der dazu vor der Öffentlichkeit spricht, die nicht als Gericht berufen ist. Diese Schrift ist aber öffentlich verteilt und, ich glaube, sogar an den verkauft worden, der sie haben wollte. Sie enthält auf beinahe jeder Seite Beleidigungen der gröbsten Art, und zwar in einer Weise, die ich nicht charakterisieren kann, die aber schon in dem Ausdruck „Kriegsvertrag" zum Ausdruck kommt. Die angeblichen Pläne der Bundesregierung werden so dargestellt, daß, wenn es wahr wäre, uns keine Politiker, sondern Verbrecher regieren würden. Die gesamte Regierung wird also als ein Verbrecherkomplott hingestellt. Immer wieder finden sich lange Passagen, die das zum Ausdruck bringen. Jedenfalls fühlt sich das Kabinett durch die Verbreitung der Schrift vor jedermann beleidigt. Außerdem könnte meines Erachtens durch die Verbreitung dieser Schrift ein Verstoß gegen § 97 StGB begangen sein, nämlich wiederum eine Staatsgefährdung.
Auch insofern - in diesem Parallelfall zu der Fülle der übrigen Fälle - beantragt der Ausschuß, der mit dem Bundesjustizministerium überzeugt ist, daß es sich hier um einen Gesamtplan, um Teilhandlungen eines Gesamtvorgehens handelt, die Aufhebung der Immunität. Sie werden zu beurteilen haben, ob in den Fällen der vielen Berichte, die Ihnen erstattet werden, wie die Mehrheit des Ausschusses angenommen hat, ein wohlabgewogener, wohlabgestimmter Plan obwaltet, auf Grund dessen diese verschiedenen Schriften auf unser Volk losgelassen worden sind. Ich habe hier als Referent zu erklären, daß die Mehrheit des Ausschusses in dem hier gezeigten Gesamtverhalten einen einheitlichen Plan sieht und für diese Verfehlungen, die Abgeordnete zu verantworten haben, die sich scheinbar immun fühlen, die Aufhebung der Immunität für geboten hält. Ich beantrage, im Sinne des Ausschußberichtes zu erkennen.
Herr Abgeordneter, eine Klarstellung! Sie haben zu welchen Punkten gesprochen?
Ewers ({0}), Berichterstatter: Zu den Punkten 12 und 20.
Zur Berichterstattung über Punkt 13, 14, 21 und 25 hat das Wort Herr Abgeordneter Spies.
Spies ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 1. September 1952 bittet der Herr Bundesminister der Justiz, eine Entscheidung des Bundestages über die Erteilung der Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den Bundestagsabgeordneten Max Reimann herbeizuführen.
Dem vorgenannten Schreiben liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Bei einem Streifengang am 26. Mai 1952 um 22 Uhr 30 in Celle wurde der Bauschlosser Hans-Ludwig Nölke, wohnhaft in Celle, bei der Verteilung von Flugblättern angetroffen, deren Inhalt den Herrn Bundeskanzler wie auch die Polizei im Hinblick auf den Essener Zwischenfall verunglimpft. Ich darf den Inhalt des Flugblattes auszugsweise wiedergeben. Das Flugblatt trägt in fett gedruckten Lettern die Oberschrift: „Staatsstreich durch Adenauer! Jetzt muß das deutsche Volk sprechen!" Weiter heißt es:
Deutsche Männer und Frauen! Deutsche Jugend! Adenauer und seine fremden Hintermänner haben einen Anschlag auf das deutsche Volk verübt. Sie haben am Freitag den Bundestag nach Hause geschickt. Jetzt ist die Stunde gekommen, in der jeder Deutsche sich gegen Schmach und Vergewaltigung zur Wehr setzen muß. Für den 23. Mai war der Bundestag einberufen worden. Adenauer und die ihm hörige Mehrheit des Bundestages haben diese Aussprache verhindert. ... Das ist der Staatsstreich!
So geht es weiter. Gezeichnet hat das Flugblatt der Parteivorstand der Kommunistischen Partei Deutschlands, Max Reimann; verantwortlich zeichnet Gertrud Strohbach, Mitglied des Bundestages.
Mit Schreiben vom 16. August 1952 stellte der Herr Bundeskanzler Strafantrag gegen die verantwortlichen Personen. Er führt in diesem Schreiben u. a. aus:
Die Behauptungen, daß ich einen Staatsstreich und einen Anschlag auf das deutsche Volk verübt hätte und daß ich die Absicht hätte, die deutsche Jugend als Fremdenlegion zu verkaufen, sind üble Nachreden und Verleumdungen
({1})
im Sinne der §§ 185, 186, 187 a StGB. Es dürfte auch zu prüfen sein, ob ein Vergehen nach § 97 StGB vorliegt.
({2})
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität befaßte sich mit dieser Angelegenheit in seiner 154. Sitzung und beschloß in seiner 155. Sitzung mit 12 gegen 5 Stimmen bei einer Enthaltung, die Erteilung der Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Max Reimann zu' empfehlen.
Im Namen des Ausschusses darf ich die Damen und Herren des Hauses bitten, dem Ihnen in der Drucksache Nr. 3753 vorliegenden Ausschußantrag Ihre Zustimmung zu erteilen.
Darf ich auch gleich zu Punkt 14 sprechen?
Zu Punkt 14? Spies ({0}), Berichterstatter: Ja.
Ja, bitte. Da sprechen Sie für den Berichterstatter Herrn Karpf?
Spies ({0}), Berichterstatter: Ja.
Zu Punkt 14 liegt ebenfalls ein Schreiben des Herrn Bundesministers der Justiz vor, eine Entschließung des Deutschen Bundestages darüber herbeizuführen, ob die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen die Bundestagsabgeordneten Max Reimann und Gertrud Strohbach wegen Verunglimpfung des Herrn Bundeskanzlers erteilt wird.
Aus den hier vorliegenden Akten ist folgender Tatbestand festzustellen. Am 4. März 1952 wurde der Bergmann Heinz Gromball, wohnhaft in CastropRauxel, beim Verteilen von Flugblättern „Extrablatt Freies Volk" in der Nähe des Haupteingangs der Gewerkschaft Victor angetroffen. Verantwortlich zeichnet die Bundestagsabgeordnete Gertrud Strohbach. Als Druckerei ist die Rheinisch-Westfälische Volksdruckerei in Düsseldorf angegeben. Dieses Flugblatt enthält auf Seite 2 einen Aufsatz des Bundestagsabgeordneten Max Reimann mit der Überschrift: „Der Friedensvertrag ist greifbar nahe." In dem Flugblatt wird u. a. ausgeführt:
Wenn Adenauer nicht will, dann muß man ihn
zwingen! Schon haben die sozialdemokratischen
Delegierten in Essen erklärt: Parlamentarische
Mittelallein genügen nicht mehr, um dem
Willen der überwältigenden Mehrheit des deutschen Volkes Geltung zu verschaffen.
An einer andern Stelle heißt es:
All jenen, die einwenden, Adenauer mißachte ja doch den Willen des Volkes, sei gesagt: Das deutsche Volk hat Mittel und Wege, seinem Willen Geltung zu verschaffen! Was will Adenauer denn machen, wenn die Arbeiter und Angestellten einmütig die Betriebe stillegen?!
Dann wird der Herr Bundeskanzler der Kriegsvorbereitung mit den Worten beschuldigt:
Nein, Herr Adenauer, die Demokratie ist in
Gefahr durch Ihre Kriegsvorbereitungen!
In dieser Angelegenheit stellte der Herr Bundeskanzler ebenfalls Strafantrag gegen die verantwortlichen Personen.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität befaßte sich in seiner 155. Sitzung mit dieser Immunitätssache und beschloß mit 12 gegen 5 Stimmen bei einer Enthaltung, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Bundestagsabgeordneten Max Reimann und Frau Gertrud Strohbach zu erteilen.
Im Namen des Ausschusses bitte ich das Hohe Haus, sich dem Ausschußantrag anzuschließen.
Zu Punkt 21! Mit Schreiben vom 11. August bittet der Herr Bundesminister der Justiz, eine Entscheidung des Bundestags darüber herbeizuführen, ob die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen die Bundestagsabgeordnete Frau Gertrud Strohbach wegen Beleidigung erteilt wird. - Auch wieder ein Flugblatt, das eine Rede Grotewohls vor der Volkskammer vom 14. März 1952 wiedergibt.
({1})
Als Verantwortliche für diese Flugschrift zeichnet die Bundestagsabgeordnete Frau Gertrud Strohbach. Die Rede enthält beleidigende Äußerungen über den Herrn Bundeskanzler und über die Bundesregierung. Einige dieser Äußerungen darf ich hier wiedergeben:
Während die regierenden Kreise in Westdeutschland gegen den eindeutig geäußerten Willen des deutschen Volkes unbeirrt ihre verbrecherischen Kriegspläne weiter verfolgen und damit Deutschland in den Herd eines Bruderkrieges verwandeln wollen ... usw.
Die verfassungsfeindlichen Handlungen des Bonner Kanzlers Adenauer, der hinter dem Rücken des deutschen Volkes mit den Oberkommissaren Verhandlungen über den Abschluß eines versklavenden und kriegerischen Generalvertrages führt .. .
Während die Adenauer-Regierung dabei ist, die deutsche Jugend für fremde Interessen in eine amerikanische Fremdenlegion zu pressen ... usw.
({2})
Bei dem Vorgang dieser Immunitätssache liegt ein Brief eines Spätheimkehrers, der ebenfalls eine dieser Flugschriften erhalten hat.
({3})
- Ich darf Ihnen empfehlen, wenn Sie den stenographischen Bericht erhalten haben, diesen Brief draußen auch vorzulesen. - Er stellte Strafantrag gegen den Verteiler der Flugschrift. Zur Illustration, wie dieser Spätheimkehrer zu dieser und ähnlichen Flugschriften steht, möchte ich Ihnen im Auszug seine Auffassung wiedergeben. Er schreibt - das war am 4. Mai 1952 -:
Vor drei Wochen kam ich aus Polen zurück. Ich habe 62 Wochen in polnischer Gefangenschaft zugebracht,
({4})
weil ich als Kriegsverbrecher zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt war.
({5})
Ich kenne die Segnungen des „demokratischen" Systems zur Genüge infolge der Erfahrungen am eigenen Leibe. Um so mehr muß ich es mir als Heimkehrer verbitten, nachdem ich kaum ein paar Tage in der Heimat bin, gleich wieder mit einer kommunistischen Schwindelpropaganda belästigt zu werden.
({6})
Ich könnte über die Verlogenheit und Blödheit der kommunistischen Schlagworte -Demokratie, Patriotismus, heilige Heimat und dergleichen mehr - lange Ausführungen machen, aber ich bekomme allmählich Brechreiz.
({7})
Am Schluß seiner Ausführungen stellt er dann gegen den Verteiler Strafantrag wegen Verbreitung von staatsfeindlichen und verlogenen Hetzschriften.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich in seiner 155. Sitzung mit der Ihnen vorgetragenen Angelegenheit befaßt und mit 12 gegen 5 Stimmen bei einer Enthaltung den Beschluß gefaßt, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Bundestagsabgeordnete Frau Gertrud Strohbach zu erteilen. Im Namen des Ausschusses darf ich um Ihre Zustimmung bitten.
Zu Punkt 25, Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Heinz Renner.
({8})
({9})
Mit Schreiben vom 27. September 1952 bittet der Herr Bundesminister der Justiz, eine Entscheidung des Bundestages herbeizuführen, ob die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Bundestagsabgeordneten Heinz Renner wegen verleumderischer Beleidigung des Herrn Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen erteilt wird.
({10})
Ich darf vorbemerken, daß es sich im Gegensatz zu den bisher beratenen Immunitätsfällen um einen Verstoß gegen die §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches handelt.
Zur Sache selbst. In der Nacht zum 19. August 1952 wurde in das Kreisbüro der KPD in Bonn eingebrochen, die Einrichtung zerstört und die Portokasse entwendet. Aus Anlaß dieses Vorkommnisses hielt der Bundestagsabgeordnete Heinz Renner eine Pressekonferenz ab und bezichtigte das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen der Anstiftung bzw. Mittäterschaft zu dem Einbruch in das Kreisbüro der KPD. Wörtlich heißt es in der „Westdeutschen Neuen Presse" Nr. 191 vom 20. August 1952 Seite 1 unter der Überschrift „Vorwürfe gegen Polizei":
Der KP-Bundestagsabgeordnete Heinz Renner verdächtigte gestern vor der Presse „bezahlte Agenten des Kaiser-Ministeriums" aus den Kreisen des Bundes deutscher Jugend ({11}) der Täterschaft. Er beschuldigte auch die Bonner Polizei, das KP-Büro nicht genügend geschützt zu haben.
Der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen hat am 20. August 1952 Strafantrag gestellt und führt aus:
Von irgendeiner Verbindung des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen mit der Beschädigung des Kreisbüros der KP in Bonn kann keine Rede sein. Die Äußerungen des KP-Bundestagsabgeordneten Heinz Renner stellen deshalb eine Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede im Sinne der §§ 185, 186, 187 StGB dar.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität befaßte sich mit dieser Angelegenheit in seiner 155. Sitzung und beschloß mit 10 gegen 3 Stimmen bei 3 Enthaltungen, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Bundestagsabgeordneten Heinz Renner zu erteilen. Im Namen des Ausschusses darf ich das Haus bitten, sich dem Ausschußantrag anzuschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe nun auf die Punkte 15 und 19 der Tagesordnung: betreffend die Anträge auf Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 12. September 1952 ({0}) und die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Müller ({1}) gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 1. September 1952 ({2}).
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Dr. Mende ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf die Berichterstattung . über die beiden Fälle unter Punkt 15 und Punkt 19 der Tagesordnung verbinden.
Beim Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität lag ein Schreiben des Oberstaatsanwalts beim Landgericht in Düsseldorf vor, das unter dem 12. September 1952 dem Ausschuß über den Bundesminister der Justiz zugeleitet worden war. Das Schreiben enthielt die Bitte, eine Entscheidung über die Genehmigung zur Strafverfolgung gegen den Abgeordneten Reimann wegen Staatsgefährdung und Beleidigung des Bundeskanzlers herbeizuführen. Auch hier ein Flugblatt mit der Überschrift „Gemeinsam die Ratifizierung des Generalvertrags zu verhindern". Für diese Druckschrift ist nach dem Impressum die Abgeordnete Frau Strohbach verantwortlich. Das Verfahren gegen sie ist abgetrennt. Diese Druckschrift enthält einen Aufruf des Parteivorstandes der KP, von dem Abgeordneten Reimann unterzeichnet. Unter anderem wird in der Druckschrift erklärt:
Darum ist die Unterschrift Adenauers unter diesen Vertrag einem Staatsstreich gleichzusetzen.
Weiter:
Den Adenauer und Lehr kann nur durch entschlossene Aktionen Einhalt geboten werden.
Weiter:
Wer heute versäumt, das Volk zur Selbsthilfe aufzurufen und es statt dessen auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vertröstet, ermöglicht Adenauer, seine volksfeindliche Politik durchzuführen. Die drohenden Gefahren für die deutsche Arbeiterklasse, für das ganze Volk können nur abgewandt werden durch Sturz der volksfeindlichen Adenauer-Regierung.
({4})
Nach Auffassung des Oberstaatsanwalts erfüllen diese Äußerungen den Tatbestand der §§ 97 und 185 ff. des Strafgesetzbuchs. Der Herr Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 4. September 1952 Strafantrag gestellt, so daß die formellen Voraussetzungen für eine Strafverfolgung erfüllt sind.
Der zweite Fall: Abgeordneter Oskar Müller. Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Frankfurt am Main hat um eine Entscheidung über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Oskar Müller wegen Staatsgefährdung und politischer Beleidigung ersucht. Das Ersuchen wurde vom Bundesminister der Justiz mit Schreiben vom 1. September 1952 vorgelegt. Der Sachverhalt ist folgender: Eine Flugschrift, herausgegeben von der Kommunistischen Partei, und zwar die Broschüre „Agitator" - verantwortlich zeichnet der Abgeordnete Oskar Müller -, enthält Äußerungen wie:
Die Marschrichtung von Dr. Adenauer ist also
die gleiche wie die Marschrichtung von Adolf
Hitler: Vorbereitung eines neuen Krieges, Beseitigung aller demokratischen Rechte des
Volkes, Tod und Zerstörung.
Weiter:
Die ganzen Verhandlungen Adenauers mit den Hohen Kommissaren gehen darum, Westdeutschland in den Bürgerkrieg gegen die Deutsche Demokratische Republik zu hetzen.
Auch hier die Auffassung des Oberstaatsanwalts, daß der Tatbestand der §§ 97 und 186, 187 a StGB erfüllt sei. Der Herr Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 1. September 1952 Strafantrag gestellt, so daß die formellen Voraussetzungen zur Strafverfolgung ebenfalls vorliegen.
({5})
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hatte, ohne in eine materielle Würdigung einzutreten, zu prüfen, ob sich diese Äußerungen noch im Rahmen des politischen Kampfes halten, d. h. ob es sich hier um Beleidigung vorwiegend politischen Charakters handelt oder ob diese Grenze überschritten wird. Ein Teil des Ausschusses war der Auffassung, daß die Äußerungen sich - auch wenn es Grenzfälle seien - doch noch im Rahmen der bei der Kommunistischen Partei besonders radikalen Sprache halten könnten.
({6}) Insbesondere wies dieser eine Teil - das war die Minderheit - darauf hin, daß der § 97 ja eine Mindeststrafe von 3 Monaten Gefängnis vorsehe und - das war entscheidend - daß im Rahmen des § 98 gleichzeitig als Nebenstrafe die Aberkennung des Mandats erfolgen könne; denn § 98 hat einen Absatz, in dem es heißt, daß neben einer Gefängnisstrafe von mindestens 3 Monaten für die Dauer von 1 bis zu 5 Jahren auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter und den Verlust des Wahl- und Stimmrechts und der Wählbarkeit sowie auf den Verlust der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte erkannt werden kann.
({7})
Das hat einige Abgeordnete des Ausschusses veranlaßt, sich schützend vor das Mandat zu stellen. Diese Abgeordneten brachten zum Ausdruck, daß es doch zweckmäßigerweise dem Bundesverfassungsgericht überlassen sein sollte, die Verfassungsfeindlichkeit der Kommunistischen Partei festzustellen und dann auch entsprechende Konsequenzen für die jeweiligen Abgeordneten zu ziehen.
Der Vertreter des Bundesjustizministeriums erklärte demgegenüber, daß in den vorliegenden Fällen nicht mehr von Beleidigungen politischen Charakters im üblichen SInn gesprochen werden könne, sondern daß hier das bestimmte Mittel der Agitation angewendet werde zur Erreichung eines Zieles, nämlich der Angliederung Westdeutschlands an die Ostzone
({8})
und damit an die Sowjetdiktatur.
In diesem Zusammenhang verwies der Vertreter des Bundesjustizministeriums auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. April 1952 betreffend Einziehung von Schriften kommunistischen Inhalts wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens. In der sehr eingehenden Urteilsbegründung wird u. a. ausgeführt, daß der Angriffsplan der bolschewistischen Führer der SED nach Angriffsgegenstand und Angriffsziel feststehe. Seine Verwirklichung sei für die nahe Zukunft in Aussicht genommen. Die Schriften, die aus der sowjetischen Besatzungszone in das Bundesgebiet eingeführt würden, sollten diesen Plan seelisch vorbereiten helfen. Sie sind demnach Mittel der Vorbereitung eines bestimmten, gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik gerichteten hochverräterischen Unternehmens, das mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt durchgeführt werden sollte.
Der Vertreter erklärte weiter daß diese Flugschriften fast durchweg von Abgeordneten der Kommunistischen Partei gezeichnet seien, so daß hier ein Mißbrauch der Immunität der Abgeordneten vorliege. Die Bundesregierung habe sich nach Prüfung der Frage, ob in diesen Fällen überhaupt Strafantrag gestellt werden solle, auf den Standpunkt gestellt, daß die Verantwortung hinsichtlich der Verfolgung staatsgefährdender und hochverräterischer Handlungen auf eine möglichst breite Grundlage gestellt werden solle. Da in diesen Fällen Abgeordnete des Bundestages verantwortlich zeichneten, liege die Entscheidung nunmehr beim Parlament, das die Genehmigung zur Strafverfolgung erteilen oder versagen könne.
Dadurch, daß eventuell das Parlament die Entscheidung zur Strafverfolgung versage, würde die Verfolgung staatsfeindlicher Elemente gehemmt sein. Verfolgt würden lediglich die kleinen Leute, die die Flugblätter verteilten, während die geistigen Urheber - die Abgeordneten - zumindest für eine absehbare Zeit der Verfolgung entzogen werden könnten.
Nach Information des Justizministeriums - so führte der Vertreter des Justizministeriums aus - solle es sich bei den bisherigen Aktionen lediglich um ein Störungsfeuer handeln, das später zu einem Trommelfeuer ausgestaltet werden sollte.
({9})
- Vielleicht waren die Telegramme gemeint, die in den letzten Tagen zu Tausenden hier eingetroffen sind.
({10})
Im Hinblick darauf müßten jetzt schon entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Unter dem Eindruck dieser Schilderungen des Vertreters des Bundesjustizministeriums hat schließlich der Ausschuß in beiden Fällen mit 6 Neinstimmen, 11 Jastimmen und einer Enthaltung Ihnen empfohlen, die Strafverfolgung freizugeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zu Punkt 16 spricht Herr Abgeordneter Gengler.
Gengier ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Düsseldorf hat mit Schreiben vom 1. Juni 1952 auf dem Dienstwege über den Bundesminister der Justiz ersucht, eine Entscheidung über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Oskar Müller herbeizuführen. Anlaß zu diesem Antrag ist eine Druckschrift, die von dem Parteivorstand der Kommunistischen Partei herausgegeben worden ist und eine Rede des Abgeordneten Reimann enthält, welche er am 9. November 1951 auf einer Tagung des Parteivorstandes der Kommunistischen Partei gehalten hat. Der Abgeordnete Oskar Müller ist in der Druckschrift als verantwortlicher Redakteur bezeichnet.
Die Druckschrift enthält schwerwiegende Verleumdungen staatsgefährdenden Charakters wie:
Die Regierung Adenauer greift zu faschistischen Regierungsmethoden. -({1})
Da die Regierung Adenauer .... die Spaltung Deutschlands verewigen will, .... ist die Beseitigung der Regierung Adenauer, die eine Regierung des Krieges und des nationalen Verrates ist, .... unumgänglich. - Den modernen Görings und Heydrichs, den Reichstagsbrandstiftern von heute, muß man nicht erst später die Maske vom Gesicht reißen, sondern vorher schon die Brandfackeln aus den Händen schlagen.
So ähnlich geht es weiter.
({2})
Auf Grund dieser und ähnlicher weiterer Äußerungen, die ich der Kürze halber nicht anführen möchte, haben der Bundeskanzler und die Bundesminister namens der Bundesregierung Strafantrag gegen die Abgeordneten Reimann und Oskar Müller gestellt.
Im Zusammenhang mit den bereits von den anderen Berichterstattern vorgetragenen Tatbeständen wird erhellt, daß hier eine Aktion staatsgefährdenden Charakters der Kommunistischen Partei vorliegt, bei der die Abgeordneten der Kommunistischen Partei unter Mißbrauch ihrer Immunität verantwortlich zeichnen.
Namens des Ausschusses beantrage ich gemäß Drucksache Nr. 3756, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Oskar Müller zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Für Punkt 17 ist Herr Abgeordneter Kahn Berichterstatter. Haben Sie außerdem noch einen Antrag?
({0})
- Also dann 17 und 23!
Kahn ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner 155. Sitzung mußte sich der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität mit der Frage der Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Reimann beschäftigen. Der Herr Oberstaatsanwalt beim Landgericht Essen hatte mit Schreiben vom 21. August 1952 über den Herrn Bundesminister der Justiz eine Entscheidung über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Bundestagsabgeordneten Reimann wegen Beleidigung des Herrn Bundeskanzlers beantragt.
Der Herr Bundeskanzler hatte am 24. Juni 1952 gegen den Abgeordneten Reimann wegen einer im sowjetischen Deutschlandsender der Ostzone vom Abgeordneten Reimann verbreiteten Erklärung des Berliner Vorstandes der KPD Strafantrag gestellt.
({2})
In dieser Erklärung heißt es u. a.:
Als Hitler, Himmler und Göring den Opfertod von Millionen deutscher Männer, Frauen und Kinder vorbereiteten, unterdrückten sie als erstes die KPD. Heute wollen Adenauer, Lehr und Dehler mit Hilfe des Verfassungsgerichtshofes dasselbe, um Millionen Deutscher in einem dritten Weltkrieg zu opfern, usw.
Als Berichterstatter habe ich beantragt, die Genehmigung zum Strafverfahren zu erteilen. Der Ausschuß stimmte meinem Antrag mit 10 gegen 6 Stimmen bei einer Enthaltung bei. Ich bitte das Haus, gemäß dem Beschluß des Geschäftsordnungsausschusses heute zu entscheiden.
Punkt 23 der Tagesordnung: In der 155. Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität lag dem genannten Ausschuß ein Schreiben des Herrn Oberstaatsanwalts beim Landgericht Dortmund vor, in dem die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Agatz wegen Verunglimpfung und schwerer Beleidigung des Herrn Bundeskanzlers verlangt wird. Der Herr Bundesminister der Justiz hatte diesen Antrag mit Schreiben vom 18. August 1952 vorgelegt.
Anlaß zu diesem Verfahren war ein Strafantrag des Bundeskanzlers vom 16. Juni 1952. Der Berichterstatter im Ausschuß trug vor, daß in Dortmund eine Anzahl Flugblätter mit der Überschrift „Bergarbeiter, Kameraden, aus Bonn kommen alarmierende Nachrichten" verbreitet worden sind. Verantwortlich zeichnete für die verbreiteten Flugblätter der Abgeordnete Agatz. Die Flugblätter enthalten unter anderem:
Unsere Jugend soll auf die Schlachtfelder eines amerikanischen Krieges gegen den Osten getrieben werden. Schwer lastet bereits das Joch der Adenauerschen Kriegspolitik auch auf dem Bergarbeiter.
Im Ausschuß wurde von den Vertretern der CDU/CSU, der FDP und der DP einhellig die Auffassung vertreten, daß in diesem Falle wie auch in ähnlich gelagerten Fällen gegen andere Abgeordnete der KPD die Genehmigung zum Strafverfahren erteilt werden müsse, zumal ein offensichtlicher Mißbrauch der Immunität vorliege. Der Ausschuß beschloß sodann mit 12 gegen 6 Stimmen bei einer Enthaltung, die Genehmigung zum Strafverfahren zu erteilen.
Ich bitte das Hohe Haus, gemäß dem Beschluß des Geschäftsordnungsausschusses heute zu entscheiden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur Berichterstattung zu Punkt 18 hat Herr Abgeordneter Dr. Leuze das Wort.
({0})
Dr. Leuze ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem unter Punkt 18 der Tagesordnung erwähnten Strafverfahren gegen den Abgeordneten Müller liegt folgender Sachverhalt zugrunde. Am, 8. September 1951 wurde in einer Düsseldorfer Druckerei ein Flugblatt gedruckt, das dann am 10. Oktober 1951 auf dem Ahrweg in Bonn in mehreren Exemplaren festgestellt wurde. Als Herausgeber ist verzeichnet: PV der KPD, verantwortlich Oskar Müller, MdB, Bonn.
({2})
In diesem Flugblatt, das als offener Brief des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an die Mitglieder und Funktionäre der Sozialdemokratischen Partei und der Kommunistischen Partei Deutschlands betitelt ist, heißt es am Schluß:
Für den gemeinsamen Kampf der Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschaften sehen wir folgende Aufgaben: ... 6. Gemeinsame Verteidigung aller demokratischen Rechte und Freiheiten, Abwehr aller terroristischen Anschläge des faschistischen Innenministers Dr. Lehr und seiner Helfershelfer
({3})
gegen die Organisationen der Arbeiter und Friedenskämpfer.
Wegen dieses Flugblattinhalts hatte der Bundesinnenminister mit Schreiben vom 9. Juni 1952 hei der Oberstaatsanwaltschaft Düsseldorf Strafantrag gestellt. Der Oberstaatsanwalt Düsseldorf hat mit Schreiben vom 28. Juli 1952 den Antrag an das Bundesjustizministerium weitergegeben. Dieses
({4})
hat mit Schreiben vorn 30. August 1952 den Bundestag um Entscheidung über die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Oskar Müller gebeten.
Der Ausschuß hat sich mit dieser Sache beschäftigt und ist im Rahmen der übrigen hier bereits berichteten Fälle zu dem Ergebnis gekommen, den Antrag zu stellen, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Müller zu erteilen.
Namens des Ausschusses bitte ich, diesem Antrag zu entsprechen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Berichterstatter für die Punkte 22, 24, 26 und 27 ist Herr Abgeordneter Muckermann. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Muckermann ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Koblenz hat auf dem Dienstwege ersucht, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Niebergall wegen Vergehens gegen die §§ 185 und 195 des Strafgesetzbuchs zu erteilen. Der Herr Bundesminister der Justiz hat das Ersuchen mit Schreiben vom 6. August 1952 vorgelegt.
Es handelt sich in diesem Falle im 'besonderen um den Vorwurf eines Vergehens des Aufruhrs und des Landfriedensbruchs. Am 1. Mai 1952 habe eine Gruppe von FDJ-Angehörigen während einer Maikundgebung des Gewerkschaftsbunds ein Papiertransparent mit der Aufschrift „Fort mit Soldatenauer" gezeigt. Ein Polizeibeamter, der das Plakat beschlagnahmen wollte, wurde von der umstehenden Menge durch körperliche Gewalt und Drohungen darangehindert und beschimpft. Der Beamte wurde dabei leicht verletzt. Als er sich der bedrohlichen Lage entziehen wollte, wurde er verfolgt, tätlich angegriffen und verletzt. Bei Feststellung der Personalien wurden die Kriminalbeamten Schwarz und Josef von mehreren Personen, unter denen sich auch der beschuldigte Abgeordnete Niebergall befand, abgedrängt und dadurch an der Feststellung der Personalien gehindert.
Es wurde beantragt, die Immunität des Abgeordneten Niebergall aufzuheben. Der Ausschuß hat diesem Antrag zugestimmt.
({1})
Das ist Punkt 22. Sind Sie so freundlich, die übrigen Berichte gleichzeitig zu erstatten? Ich hatte ebenfalls zu den Punkten 24, 26 und 27 aufgerufen.
Muckermann ({0}), Berichterstatter: Mit Schreiben vom 15. November 1951 und 15. Dezember 1951 hat der Herr Bundesminister der Justiz gebeten, eine Entscheidung des Bundestags über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Paul wegen Verstoßes gegen das Pressegesetz herbeizuführen. Der Sachverhalt ist folgender.
„Der deutsche Wähler", Mitteilungsblatt der KPD-Bundestagsfraktion, war von der Alliierten Hohen Kommission mit Wirkung vom 10. Juli 1951 für die Dauer von 90 Tagen verboten worden. In dem Impressum dieser Zeitung war als Herausgeber die Bundestagsfraktion und als verantwortlich für den Inhalt der Abgeordnete Paul angegeben worden .
Nach § 8 Abs. II und § 18 Abs. I Ziffer 2 des Reichspressegesetzes ist es verboten und unter Strafe gestellt, daß in periodischen Druckschriften Personen als verantwortliche Redakteure genannt werden, die nur mit besonderer Genehmigung strafrechtlich verfolgt werden können. Das trifft sowohl für den Abgeordneten Paul als auch für den Abgeordneten Reimann als Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der KPD zu. Da es sich hierbei um einen offensichtlichen Mißbrauch der Immunität handelt, ist im Ausschuß beantragt worden, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Paul zu erteilen. Der Ausschuß hat diesem Antrag einstimmig zugestimmt. Ich bitte das 'Hohe Haus, entsprechend zu verfahren.
Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Rische ({1}). Der Bundeskanzler hat mit Schreiben vom 30. Juni 1952 Strafantrag gegen den Abgeordneten Rische u. a. wegen Staatsgefährdung gestellt.
({2})
Anlaß hierzu sind zwei Flugblätter „Appell an alle Deutschen" und „Gesamtdeutsche Wahlen für eine Nationalversammlung", die eine Rede Grotewohls vom 15. September 1952 wiedergeben. Abgeordneter Rische zeichnet als verantwortlicher Herausgeber. Die Flugblätter enthalten unter anderem Außerungen wie die, daß Adenauer, Lehr, Kaiser und Schumacher mit faschistischen Unterdrükkungsmethoden die gesetzmäßige Befragung des Volkes unterbinden.
Das Ersuchen auf Genehmigung zum Strafverfahren wurde vom Bundesminister der Justiz mit Schreiben vom 17. September 1952 dem Bundestag vorgelegt Tm Ausschußß ist die Genehmig zum
Strafverfahren beantragt worden. Der Ausschuß hat diesem Antrag mit 10 gegen 6 Stimmen bei einer Enthaltung zugestimmt. Ich bitte das Hohe Haus, entsprechend zu verfahren.
Jetzt erfolgt die Berichterstattung zu Punkt 27 der Tagesordnung.
({0})
Muckermann ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei den vorliegenden sechs Fällen des Abgeordneten Paul, zu denen das Ersuchen auf Entscheidung über die Genehmigung zum Strafverfahren gestellt worden ist, handelt es sich um Handlungen, die vor dem 1. September 1951, also vor Erlaß der Strafrechtsnovelle liegen.
({2})
In der Strafrechtsnovelle sind seinerzeit besondere Staatsschutzbestimmungen geschaffen worden. Der Ausschuß beantragt deshalb, nicht einstimmig, aber mit Mehrheit, zumal es sich in allen Fällen um Beleidigungen politischen Charakters handelt, die Genehmigung zum Strafverfahren zu dem unter Punkt 26 ({3})
Meine Damen und Herren, es handelt sich um die Drucksachen Nrn. 3877, 3879, 3880, 3881, 3882 und 3883, in denen übereinstimmend vom Ausschuß beantragt worden ist, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Paul nicht zu erteilen.
Muckermann ({0}), Berichterstatter: Der Ausschuß beantragt deshalb, zumal es sich in allen Fällen um Beleidigungen politischen Charakters handelt, die Genehmigung zum Strafverfahren zu dem unter Punkt 26 a) bis f) der Tagesordnung
({1})
aufgeführten Ersuchen des Bundesministers der Justiz gegen den Abgeordneten Paul nicht zu erteilen.
Meine Damen und Herren, wir wollen jetzt den Streit mit dem Herrn Berichterstatter nicht vertiefen. In der mir vorliegenden Tagesordnung ist es jedenfalls Punkt 27. Aber was gemeint ist, ist klar.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
({0})
Muckermann ({1}), Berichterstatter: Im einzelnen handelt es sich um folgendes.
({2})
Zu Punkt a): Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 14. September 1951 auf Antrag des Oberstaatsanwalts in Bonn um eine Entscheidung des Bundestags über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Paul wegen Beleidigung des Herrn Bundesministers Dr. Lehr ersucht. Der Herr Bundesminister Dr. Lehr hat am 1. August 1951 Strafantrag gestellt.
({3})
- Herr Renner, entschuldigen Sie, ich bin nur Berichterstatter.
({4})
Der Abgeordnete Paul hat in einer öffentlichen Versammlung in Braunschweig am 30. Mai 1951 u. a. ausgeführt:
Dr. Lehr ist der Lüge überführt. Das Spiel der Bonner Marionettenregierung kommt zum Ausdruck darin, indem man auf dem Peters-berg nur zu winken braucht, und schon wird alles ausgeführt. Wir müssen uns zusammenschließen und die Adenauer-Regierung zum Teufel jagen usw.
({5})
Wegen der gleichen Rede des Abgeordneten Paul am 30. Mai 1951 haben der Bundeskanzler und die Bundesminister mit Schreiben vom 20. November 1951 Strafantrag gestellt. Das Ersuchen um Entscheidung über die Genehmigung zum Strafverfahren wurde vom Bundesminister der Justiz mit Schreiben vom 14. Februar 1952 dem Bundestag zugeleitet.
Ich muß den Punkt 27 f) - Drucksache Nr. 3883 - deshalb vorwegbehandeln, weil er mit dem oben vorgetragenen Sachverhalt in Zusammenhang steht. In seiner Rede in Braunschweig hat der Abgeordnete Paul weitere beleidigende Äußerungen gegen den Herrn Bundeskanzler und die Bundesregierung gemacht. Ich will nur einige Beispiele vortragen:
({6})
„Die Regierung ist volksfeindlich", „Wir müssen uns zusammenschließen und die Adenauer-Regierung zum Teufel jagen"
({7})
oder „Hört auf mit diesem Korruptionsstall in Bonn!" oder wörtlich:
Ich sage nicht, daß Adenauer ein Strolch ist; denn mit einem Strolch könnte man noch Mitleid haben.
({8})
Meine Damen und Herren, ich darf im Interesse der Förderung der Tagesordnung den Herrn Berichterstatter vielleicht bitten - zumal er namens des Ausschusses den Antrag gestellt hat, die Immunität nicht aufzuheben -, in diesem Falle seine Berichterstattung etwas abzukürzen.
({0})
Muckermann ({1}), Berichterstatter: Die übrigen Fälle von a) bis e) sind in ähnlicher Weise gelagert.
({2})
Wie bereits zu Beginn meiner Berichterstattung ausgeführt, beantragt der Ausschuß mit Mehrheit, nicht einstimmig, in allen Fällen die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Paul nicht zu erteilen
({3})
da es sich um Beleidigungen politischen Charakters handelt, bei denen die Immunität nach der bisherigen Praxis des Bundestages nicht aufgehoben werden soll.
({4})
Ich bitte namens des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, entsprechend zu beschließen.
({5})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, insbesondere 'für die Abkürzung des Berichts,
({0})
und bitte zum letzten Bericht den Herrn Abgeordneten Hoogen zu Punkt 28 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({1}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Reimann gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 23. Februar 1952 ({2}).
Hoogen ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im September des Jahres 1951 soll der Herr Abgeordnete Reimann dem damaligen Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herrn Fette, einen Brief geschrieben haben. In diesem Brief soll es nach der Darstellung der Staatsanwaltschaft u. a. wie folgt heißen:
({4})
Die verleumderische Behauptung ist von Ihnen
- nämlich von Herrn Fette aufgestellt und verbreitet worden, um Ihre eigene Zusammenarbeit mit dem Vorsitzenden der scharfmacherischen Unternehmerverbände, mit dem Bundeskanzler des Großkapitals, Adenauer,
({5}) und dem Präsidenten der neofaschistischen Offiziers- und Soldatenbünde, Hansen, zum Nachteil und zum Unglück der Arbeiter und aller Werktätigen zu beschönigen.
({6})
Meine Damen und Herren, in dem Ausdruck „Bundeskanzler des Großkapitals" erblickt der Herr Bundeskanzler eine Beleidigung
({7})
und hat deshalb form- und fristgerecht Strafantrag gestellt. Der Ausschuß war einstimmig der Meinung, daß es sich bei dieser Äußerung um eine im politischen Tageskampf gefallene Äußerung handle, derentwegen die Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens nicht erteilt werden solle.
Diesen Beschluß des Ausschusses unterbreite ich hiermit dem Hohen Hause mit der Bitte, ihm beizutreten.
({8})
Meine Damen und Herren, damit ist die Berichterstattung zu den Tagesordnungspunkten 12 bis 28 erledigt.
Es ist im Ältestenrat eine Aussprachezeit von 90 Minuten vereinbart worden. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Fisch, wobei ich, um vorzeitigen Schluß-Rufen vorzubeugen, darauf hinweise, daß der Ältestenrat eine Verständigung dahin erzielt hat, daß mit Rücksicht auf die besondere Lagerung der Fälle die Redezeit des Vertreters der kommunistischen Gruppe in diesen Fällen 35 Minuten betragen soll.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung. Mir scheint, die 'Bundesregierung hat für ihre schlechte Sache, die sie hier vertreten läßt, nicht gerade die besten Streiter in den Kampf geschickt.
Herr Abgeordneter Fisch, es steht Ihnen nicht zu, Kritik an den Berichterstattern zu üben. Es handelt sich hier um die Berichterstatter des Bundestages und nicht um die Streiter der Bundesregierung. Ich weise den Ausdruck zurück.
Zumindest habe ich den Eindruck, daß nicht alle Berichterstatter davon überzeugt waren, daß das, was sie vorschlagen, auch richtig ist.
({0})
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat vorgeschlagen, die Immunität von neun kommunistischen Abgeordneten des Bundestages aufzuheben, damit sie wegen angeblicher Beleidigung und Verunglimpfung, wegen angeblicher Staatsgefährdung und wegen angeblichen Hochverrats vor Gericht gestellt werden können. In fast allen Fällen gehen die Anträge vom Herrn Bundeskanzler oder von Mitgliedern dF r Bundesregierung aus. Schon damit ist klargestellt, daß es sich um einen einheitlichen, von der Bundesregierung gesteuerten Plan handelt, der zum Ziel hat, die Stimme der kommunistischen Fraktion in diesem Hause zu ersticken.
({1})
Von den Anträgen betroffen sind die Abgeordneten Reimann, Rische, Renner, Müller, Niebergall, Agatz, Paul, Frau Strohbach und meine Person. Der Vorsitzende des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, Herr Abgeordneter Ritzel, hat bereits mitgeteilt, daß schließlich die ganze kommunistische Fraktion auf diese Weise wohl ausgeschaltet werden soll.
Da die Herren Berichterstatter sich auf die Aufzählung von rein formalen Dingen beschränkt haben, gestatten Sie mir, daß ich zunächst auf die wirklichen politischen Hintergründe der Angelegenheit eingehe. Es ist nun fast ein Jahr her, seitdem die Bundesregierung den Beschluß gefaßt hat, beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen, die Kommunistische Partei möge für verfassungswidrig erklärt und verboten werden. Bei diesem Verfahren ist bis jetzt nicht viel herausgekommen. Herr Lehr, der sonst nicht laut genug mit dem Säbel rasseln kann, hat offenbar Angst davor, daß seine sogenannten Beweismaterialien in einem großen, wirklich öffentlichen Verfahren unter Teilnahme der ganzen Welt geprüft werden. Darum schlägt man jetzt ein anderes Verfahren ein, um die Kommunistische Partei, um ihre führenden Männer und Frauen, ihre Abgeordneten außer Gesetz stellen zu können, vermeidet man den vom Grundgesetz vorgeschriebenen Weg über das Bundesverfassungsgericht und organisiert eine Vielzahl von Teilprozessen, möglichst unter Ausschluß der Öffentlichkeit, die Urteile ermöglichen sollen, wie man sie in Washington und bei der Bundesregierung wünscht.
({2})
Es ist ein amerikanisches Verfahren, das man hier einführen möchte. Auch in Amerika ist die Kommunistische Partei bis zum heutigen Tage nicht verboten. Nur politisch betätigen darf sie sich nicht, und ihre führenden Männer hat man für Jahre ins Gefängnis geworfen. Nach dem gleichen Verfahren operieren die amerikanischen Besatzungsherren in Japan. Auch dort hat man die Kommunistische Partei nicht verboten, aber ihre Führer und Abgeordneten unter Verletzung aller bestehenden Gesetze, oft ohne irgendein Verfahren, eingekerkert.
Nach diesem amerikanischen Muster soll nun offenbar auch in Westdeutschland verfahren werden. Es ist auch kein Zufall, daß diese Aktion der Bundesregierung gerade im jetzigen Zeitpunkt gestartet wird. Herr Adenauer ist offensichtlich nervös geworden. Er spürt, daß seine Politik des Generalvertrages, seine Politik der sogenannten Westintegration auf immer größere Schwierigkeiten stößt, in Westdeutschland ebenso wie im Ausland. Er spürt, wie der Wille zur deutschen Verständigung immer igrößere Teile der Bevölkerung erfaßt. Das ist der eigentliche Grund, weshalb er es für nötig hält, einen Schlag gegen diejenigen zu führen, die am entschiedensten für eine friedliche Regelung der deutschen Frage, für die Verständi({3})
gung mit dem Osten, für einen Friedensvertrag und den Abzug aller Besatzungstruppen eintreten.
({4})
Damit will aber Herr Adenauer gleichzeitig alle Nichtkommunisten, die ebenfalls Gegner seiner Katastrophenpolitik sind, einschüchtern, als Kommunistenfreunde oder getarnte Kommunisten diffamieren und sie auf diese Weise zur Kapitulation zwingen. Herr Adenauer droht mit dem Zuchthaus gegen uns Kommunisten. Aber er hofft, mit dieser Drohung ebenso solche Politiker wie Heinemann und Bodensteiner, wie die Herren Etzel und Freudenberg, wie Frau Wessel und Frau Arnold zu treffen und mundtot zu machen. Er will jede Kritik an seiner Politik töten, er will jeden Angriff gegen seine Regierung als einen Angriff gegen den Staat und die Sicherheit der Bundesrepublik darstellen. Er benutzt immer mehr solche Methoden, wie sie einem autoritären, ja einem faschistischen Regime eigen sind. Gerade jetzt, wo durch einige Ereignisse der Beweis erbracht ist, daß eine Verständigung der Deutschen in Ost und West über die nationalen Lebensfragen unseres Volkes möglich ist, gerade zu diesem Zeitpunkt möchte Herr Adenauer eine Demonstration vorführen, die von aller Welt nur so ausgelegt werden kann: er will keine Verständigung zwischen Ost und West, und wo sie für ihn „droht", da tritt er ihr mit den Mitteln der Gewalt entgegen.
Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, daß es selbst im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ernste Bedenken gegen dieses Verfahren gegeben hat. Selbst Angehörige der Regierungskoalition, wie Herr Abgeordnete Mende, haben ausdrücklich erklärt, es sei nicht Sache des Bundestages oder der Staatsanwaltschaft, darüber zu entscheiden, ob ein verfassungswidriges Handeln einer Partei vorliege; dies sei einzig und allein Sache des Bundesverfassungsgerichts.
({5})
- Ich erkenne das in diesem Falle an, Herr Mende.
Mir scheint aber, daß dieser Versuch, das Bundesverfassungsgericht auszuschalten, nicht nur in unserem Falle angewandt werden soll. Wir erleben doch gerade jetzt in diesen Tagen, wie der Versuch der Ausschaltung des höchsten Gerichts der Bundesrepublik sozusagen zur Methode der Politik der Bundesregierung, ja zur Grundlage ihres Handelns in Verfassungsfragen wird. Die sozialdemokratischen Mitglieder haben festgestellt, daß es dem Bundestag nicht zustehe, dem seit einem Jahr angeforderten Urteil des Bundesverfassungsgerichts durch solche Entscheide vorzugreifen. Man fand kein Verständnis für die These des Vertreters des Justizministeriums, Herrn Grützner, der da gemeint hat, die laufende Klage beim Bundesverfassungsgericht dürfe die Justiz nicht zurückhalten, jetzt schon gegen verfassungsfeindliche Elemente - womit er die kommunistischen Abgeordneten meinte - im einzelnen vorzugehen. Hören Sie doch im Lande herum. Selbst unter Leuten, die politisch mit uns Kommunisten nicht das geringste zu tun haben, herrscht Unbehagen über das anrüchige Verfahren, das hier angewendet wird. Man sieht voraus, wie dieser verfassungswidrige Raub der Immunität an Kommunisten morgen schon gegenüber jedem anderen Opponenten der Regierungspolitik angewandt werden könnte. Lassen Sie mich hierfür als Zeugen die „Deutsche Zeitung" in Stuttgart vom 15. Oktober 1952 zitieren. Sie schreibt:
Dieses Verfahren, einmal auf Touren gebracht, könnte leicht in eine Art Heißhunger ausarten. ... Wo ist die Gewähr dafür, daß das, was heute mit den Kommunisten geschieht, morgen nicht einem anderen politischen Gegner widerfährt?
({6})
Wenn der Bundestag, dem Antrag des Ausschusses folgend, die Immunität der neun Abgeordneten aufhebt, bricht er wissentlich das Grundgesetz. Nach dessen Art. 38 sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestages „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen."
({7})
Von uns kommunistischen Abgeordneten hat ein jeder den erklärten Willen und den Auftrag von 90 000 Wählern hinter sich. Man hat uns hierhergeschickt, damit wir hier und überall für den Frieden und die Einheit Deutschlands und die sozialen Interessen der werktätigen Menschen eintreten.
({8})
Das haben wir getan. Weil wir den Auftrag unserer Wähler ernst nehmen, darum sind wir die erbitterten Gegner der Politik der Bundesregierung,
({9})
und darum ist es unser Recht und unsere Pflicht, hier und überall der Politik der Bundesregierung entgegenzutreten. Niemand hat das Recht, uns an der Ausübung unserer Pflichten, die uns das Grundgesetz auferlegt, zu hindern.
({10})
Der Art, 46 des Grundgesetzes sichert dem Abgeordneten die Immunität. Sie bedeutet die Garantie der parlamentarischen Redefreiheit,
({11}) die Garantie der Unverletzlichkeit und der Unverfolgbarkeit aus politischen Gründen.
({12})
Die Immunität soll den Träger des politischen
Willens des Volkes davor schützen, Opfer der Willkür einer Regierung zu werden, die ihre politischen
Gegner zu behindern oder auszuschalten versucht.
Der bekannte Staatsrechtler der Weimarer Republik Graf zu Dohna hat seinerzeit in einem grundsätzlichen Kommentar zum Immunitätsrecht festgestellt, es sei gerade der Zweck der Immunität,
den politischen Kampf der Abgeordneten beispielsweise gegen den Abschluß eines für schädlich gehaltenen Abkommens mit einem andern Staat zu
schützen. Man könnte meinen, Graf zu Dohna
habe die Situation von heute, die Situation der
Auseinandersetzung um den Generalvertrag vorausgesehen.
Auch hier im Bundestag wurde das Immunitätsrecht als Schutz des Abgeordneten vor politischer Willkür der Regierung klargestellt. Am 3. November 1949 gab der Abgeordnete Dr. von Merkatz in der 14. Sitzung des Deutschen Bundestags Gesichtspunkte für die Frage der Aufhebung des Immunitätsrechts bekannt, die einem einstimmigen Beschluß des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität entsprachen. Gestatten Sie, Herr von Merkatz, daß ich Sie einmal in zustimmendem Sinne zitiere. Sie sagten damals:
Auszugehen ist von der inneren Souveränität
des Hauses und von der Tatsache der Repräsen.
({13})
tation, die den Gedanken der Unverletzlichkeit der politischen Tätigkeit der Parlamentsmitglieder zur Voraussetzung hat. Damit kommt man zu dem Ergebnis, daß alle Verfahren, die von einem politischen Interesse infiziert sind, das von einem anderen Träger der öffentlichen Gewalt an dem Ergebnis eines solchen Verf ahrens genommen wird, grundsätzlich nicht zu einer Genehmigung
- d. h. zur Aufhebung der Immunität führen sollten. ... Nur bei solchen Verfahren, bei denen die Schwere des kriminellen Vorwurfs unbeeinflußt von politischen Nebenabsichten eine Aufklärung des Tatbestandes ausschließlich im Interesse des Ansehens des Hauses gebietet, sollte ... von der Genehmigung Gebrauch gemacht werden.
Soweit Herr Kollege von Merkatz. Am selben Tage
erklärte hier der Abgeordnete Dr. Schmid:
es geht um das Verhältnis dieses Parlaments zu sich selbst. Zu den fundamentalen Rechten: dem Recht, sich frei zu versammeln, dem Recht, Eingriffe der Exekutive - und stünde sie noch so hoch - in seinen Bestand zurückzuweisen, gehört, was man die Immunität der Abgeordneten nennt. Das alles sind mühselig unter Blut und Tränen erkämpfte Prärogativen der Parlamente. Ohne die Unantastbarkeit dieser Prärogativen kann man eine Demokratie nicht führen.
Soweit der Kollege Dr. Schmid.
Bei der Wahrung dieses Immunitätsrechts geht es also nicht um das Schicksal des einen oder anderen Abgeordneten und es geht nicht um die behauptete Schuld oder Unschuld des einzelnen Abgeordneten. Hier geht es allein um einen Rechtsanspruch des Parlaments als Ganzes. Hier geht es um den Grundcharakter einer Institution der Demokratie. Wer sich zu ihr bekennt, muß sie schützen, gleich, um wen es sich handelt, auch und erst recht, Herr Horlacher, gegenüber dem politischen Gegner.
({14})
- Doch, im Ausschuß haben Sie sehr eifrig gesprochen. Wer den politischen Gegner von diesem Grungesetz ausnimmt, der gibt das demokratische Grundrecht als solches preis und verläßt den Boden der Demokratie.
({15})
Von diesen Erwägungen ausgehend, war bis jetzt auch stets unbestritten, daß eine politische Beleidigung nicht zum Gegenstand der Strafverfolgung eines Abgeordneten werden dürfe. Man hat bisher Anträge auf Aufhebung der Immunität mit solchen Begründungen stets und grundsätzlich abgelehnt. Wollen Sie hier eine neue Praxis schaffen, nur darum, weil es sich um Gegner der Adenauer-Politik handelt? Wollen Sie vor aller Welt demonstrieren, daß für Sie der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz keine Geltung hat, wenn es sich um politische Gegner handelt? Wer diesen Weg beschreitet, folgt den Spuren Hitlers.
({16})
Sollte es nicht mehr wahr sein, daß der Terrorfeldzug des Hitlerregimes gegen eine jede Opposition mit der Kassierung der 81 kommunistischen Reichstagsmandate im März 1933 begann?
({17})
Wollen Sie heute empfehlen, den verhängnisvollen Weg, der damals beschritten wurde, noch einmal zu gehen?
Es wäre beinahe überflüssig, sich mit den Begründungen für die vorliegenden Anträge auf Aufhebung der Immunität zu befassen. Sie wissen so gut wie ich, daß es den Urhebern dieses Verfahrens auf eine rechtliche Begründung überhaupt nicht ankommt. Sie wollen lediglich ihr Ziel erreichen, die kommunistische Fraktion im Deutschen Bundestag mundtot zu machen. Ich will darum auf diese sogenannten Begründungen eingehen, um zu zeigen, wie leicht es sich die Herren Antragsteller in den Bundesministerien gemacht haben.
Da ist zunächst der Antrag auf Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Max Reimann, den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands, Drucksache Nr. 3755.
({18})
Die Strafverfolgung soll eingeleitet werden wegen Staatsgefährdung und Beleidigung der Bundesrepublik. Ich möchte auf eines hinweisen. Der Versuch, den Vorsitzenden unserer Partei durch ein Terrorurteil politisch auszuschalten, ist ein Versuch, die Partei selbst zu treffen. Herr Dr. Adenauer verfährt genau nach dem Muster der Hitlerjustiz, die seinerzeit versuchte, sich in dem beabsichtigten Prozeß gegen Ernst Thälmann eine scheinbare Rechtfertigung für die ungesetzlichen Gewaltmaßnahmen gegen die Kommunistische Partei zu beschaffen.
Der Abgeordnete Reimann ist verantwortlich für einen Aufruf des Parteivorstands der KPD, der sich gegen die Unterzeichnung der Kriegsverträge von Bonn und Paris wendet. Aus diesem Aufruf greift die Staatsanwaltschaft als besonders schwerwiegend folgende Stelle heraus:
Darum ist die Untschrift Dr. Adenauers unter diesen Vertrag einem. Staatsstreich gleichzusetzen.
Ist diese Erklärung etwas anderes als die Feststellung eines Tatbestandes? Haben nicht zahlreiche Vertreter anderer politischer Auffassungen den gleichen Standpunkt vertreten?
({19}) Jeder Tag, der ins Land geht, ist doch ein Beweis mehr dafür,
({20})
daß diese Feststellung den Tatsachen entspricht. ({21})
Oder wollen Sie vielleicht darüber hinwegsehen,
daß wir seit Stunden hier in diesem Hause auf das
Erscheinen des Herrn Bundeskanzlers warten, damit er sich vor der Öffentlichkeit gegen den Vorwurf rechtfertigt, er organisiere den Staatsstreich?
({22})
Wenn er solche Furcht hat, sich gegenüber diesem Vorwurf zu verwahren, der von fast der Hälfte der Mitglieder des Hauses gegen ihn erhoben wird, warum tritt er nicht hierher und spricht seine Meinung aus? Ist seine Sache so schlecht, daß er sich scheuen muß, sie zu verteidigen? Hat es nicht die erdrückende Mehrheit unseres Volkes als eine unerhörte Mißachtung ihres Willens betrachtet, daß der Bundeskanzler im Mai dieses Jahres seine Unterschrift unter diese Unglücksverträge setzte, ohne das Volk, ja selbst ohne den Bundestag über ihren IInhalt informiert zu haben?
({23})
In dem fraglichen Aufruf heißt es weiter:
Die drohenden Gefahren für die deutsche Arbeiterklasse, für unser ganzes Volk können nur abgewandt werden durch den Sturz der volksfeindlichen Adenauer-Regierung.
In dieser Formulierung erblickt die Staatsanwaltschaft das Verbrechen der Staatsgefährdung und droht dem Abgeordneten Reimann deswegen mit dem Zuchthaus. Herr Adenauer setzt seine Person offensichtlich mit dem Staate gleich.
({24})
Er hat sich die historischen Figuren des Absolutismus zu seinen Vorbildern erkoren. Er konstruiert die These: Wer mich angreift, greift den Staat an. An dem zitierten Aufruf der KPD ist kein Wort gegen den Bestand der Bundesrepublik gesagt,
({25})
klare Worte allerdings gegen den Fortbestand der Adenauer-Regierung.
({26})
Jawohl, wir sagen - und das ist unser gutes Recht -, daß der Friede nur gewahrt und die Einheit unseres Vaterlandes nur geschaffen werden kann, wenn diese volksfeindliche Adenauer-Regierung verschwindet.
({27})
Wer uns daran hindern will, das zu sagen, der bedient sich faschistischer Methoden, weil er sich zu schwach fühlt, zu schwächlich fühlt, um seinen Bestand mit demokratischen Mitteln zu sichern.
({28})
In einem weiteren Fall - Drucksache Nr. 3752 - wird die Genehmigung zum Strafverfahren gegen die Abgeordneten Reimann und Fisch wegen Beleidigung der Bundesregierung und Staatsgefährdung beantragt. Sie werden als verantwortlich bezeichnet für die der Öffentlichkeit übergebene Klagebeantwortung der KPD in der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsstreitsache der Bundesregierung gegen die KPD. Als besonders schwerwiegend erachtet es die Staatsanwaltschaft, daß wir in dieser Klagebeantwortung feststellten:
Wer heute Hitler und Göring nachahmt, wird das gleiche Ende finden wie diese.
Ich wünschte, Herr Kollege Ewers wäre noch hier und könnte feststellen, daß er vorhin falsch zitiert hat!
({29})
Wie kommt es - so muß man fragen -, daß die Bundesregierung diese Feststellung so schnell auf sich bezieht?
({30})
Wer Hitler und Göring nachzuahmen versucht, der wird tatsächlich so enden wie diese. Daran wird weder Herr Adenauer noch der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt etwas ändern können.
({31})
Als staatsgefährdend wird unsere Feststellung bezeichnet, die Bundesregierung betreibe eine verfassungswidrige, volksfeindliche, kriegsvorbereitende Politik
({32})
und häufe systematisch Verfassungsbruch auf Verfassungsbruch. Gibt es nicht Millionen im Lande,
die den Bundeskanzler des systematischen Verfassungsbruchs bezichtigen? Sind nicht heute alle Zeitungen mit den Meldungen über die Verfassungskrise, herbeigeführt durch den Bundeskanzler, voll?
({33})
Können Sie diese Feststellungen durch den Staatsanwalt aus der Welt schaffen?
({34})
War diese Feststellung nicht auch der Anlaß für das Ausscheiden des ehemaligen Bundesinnenministers Dr. Heinemann aus der Bundesregierung im Herbst 1950? Will man die Abgeordneten Bodensteiner und Frau Wessel auch zu staatsgefährdenden Elementen stempeln, die dasselbe feststellen wie wir, nämlich daß die Politik Adenauers unweigerlich zum Kriege treibt? Will man die politische Entscheidung in diesem Hause, will man die politische Entscheidung des Volkes über seine Lebensfrage ersetzen durch Entscheidungen von Staatsanwälten und Sondergerichten?
Übrigens, diese Klageerwiderung des Parteivorstandes der KPD ist ein Teil der Verteidigung in dem laufenden Verfahren vor dem Karlsruher Verfassungsgericht. Zu dieser Stellungnahme als Antwort auf die Klagebegründung der Bundesregierung hat uns das Gericht aufgefordert. Will uns die Bundesregierung darum verurteilen, weil wir unsere Antwort auf ihre Beschuldigungen öffentlich abgeben? Ist es strafwürdig, auf eine öffentliche Anklage öffentlich zu antworten? Hat die Bundesregierung zu befürchten, daß aus unserer Verteidigung eine niederschmetternde Anklage gegen die Bundesregierung wird?
Aber es kommt noch toller. Der Bundeskanzler hat gegen den Abgeordneten Rische Strafantrag wegen Staatsgefährdung gestellt - Drucksache Nr. 3764 -, und zwar wegen zweier Flugblätter, die von ihm verantwortlich gezeichnet sind und die eine Rede des Ministerpräsidenten Grotewohl vom 15. September 1951 wiedergeben, sonst nichts, keine Zeile sonst. Staatsgefährdung soll es also sein, die mit Zuchthaus bedroht wird, wenn ein Deutscher die Rede des Ministerpräsidenten des anderen Teiles Deutschlands veröffentlicht, um der Verständigung und der Wiedervereinigung unserer Heimat zu dienen. Es handelt sich um eine Rede, die vor dem Berliner Parlament gehalten wurde,
({35})
um eine Rede, in der sich Ministerpräsident Grotewohl eindringlich an den Bundestag und die Bundesregierung wendet, um endlich auf dem Wege zur Wiedervereinigung einen Schritt vorwärtszukommen. Könnte es eine drastischere Selbstentlarvung des Bundeskanzlers geben als diesen Versuch, einen ernst gemeinten und konstruktiven Vorschlag zur Überwindung der Spaltung Deutschlands mit Zuchthausdrohung zu beantworten? Fürchtet Herr Adenauer, daß die Bevölkerung die Vorschläge Grotewohls zur Kenntnis bekommt? Fürchtet er, daß die Wahrheit ins Volk dringt? Hätte er es gewagt, etwa die Veröffentlichung der Rede eines amerikanischen Generals ebenso zu behandeln, auch wenn dieser offen zum neuen Völkermord hetzt?
({36})
In gleicher Weise wird die Aufhebung der Immunität der Abgeordneten Frau Strohbach beantragt - Drucksache Nr. 3761 -, die ebenfalls verfolgt werden soll, weil sie für die Veröffentlichung einer Rede des Ministerpräsidenten Grotewohl vor der Volkskammer verantwortlich zeichnete.
({37})
In drei Fällen wird die Genehmigung zur Strafverfolgung des Abgeordneten Oskar Müller verlangt, darunter auch mit der Begründung, es handele sich um einen Fall der Vorbereitung zum Hochverrat. Man wirft dem Abgeordneten Müller vor, daß er für eine ganze Reihe von Flugblättern und Broschüren verantwortlich zeichnete, die sich allesamt gegen den Krieg, für die Einheit der Arbeiterklasse, für die nationalen Interessen unseres Volkes und für einen Friedensvertrag aussprechen.
Unter den diskriminierten Schriften befindet sich - bitte, hören Sie genau zu - auch die Wiedergabe des Wortlauts der Erklärung der Regierungsdelegation der Deutschen Demokratischen Republik vor dem 2. Politischen Ausschuß der UN-Vollversammlung in Paris.
({38})
Darunter befindet sich weiter der Text eines offenen Briefes des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands an die Mitglieder und Funktionäre der SPD und der KPD. Darunter befindet sich schließlich eine Broschüre, die den Wortlaut einer Rede des sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Luetkens hier im Bundestag wiedergibt.
({39})
Meine Damen und Herren, genügt Ihnen diese Aufzählung, oder brauchen Sie noch mehr Beweise dafür, daß diese Anklagen ein tolles Machwerk politischer Willkür und politischer Sondergerichtsbarkeit darstellen? Brauchen Sie noch mehr Beweise, um zu wissen, daß der Bundestag als Instrument einer Willkürjustiz mißbraucht werden soll?
({40})
Auch dem Fall des Abgeordneten Agatz, der ein Gerichtsverfahren wegen Verunglimpfung und Beleidigung des Bundeskanzlers bekommen soll, liegt ein Strafantrag des Bundeskanzlers persönlich zugrunde. Die Strafverfolgung soll wegen eines Flugblattes eingeleitet werden, in dem es u. a. heißt: „Unsere Jugend soll auf die Schlachtfelder eines amerikanischen Krieges gegen den Osten getrieben werden." Diese Feststellung will der Herr Bundeskanzler mit Gefängnis beantworten, als ob er damit aus der Welt schaffen könnte, daß er selbst noch in diesem Sommer die sogenannte „Neuordnung Osteuropas" als eines der wesentlichsten Ziele der Politik der Bundesregierung bezeichnet hat, als ob er damit aus der Welt schaffen könnte, daß sein Herr Staatssekretär die Ausdehnung des von den Amerikanern geführten Westblocks bis zum Ural empfohlen hat. Ja, es ist wirklich eine schlechte Sache, wenn man sich der politischen Auseinandersetzung und der politischen Rechtfertigung dadurch zu entziehen versucht, daß man den Staatsanwalt auf gewählte Abgeordnete hetzt.
Gegen den Abgeordneten Niebergall wird die Genehmigung zur Strafverfolgung mit folgender Begründung beantragt: Am 1. Mai hat in Mainz eine Arbeiterkundgebung stattgefunden, bei der ein Transparent „Fort mit Soldatenauer!" mitgeführt wurde, wie Sie vom Berichterstatter schon hörten. Einige Kundgebungsteilnehmer haben, wie es heißt, Polizisten, die versuchten, dieses schöne Transparent zu beschlagnahmen, abgedrängt. Sie hätten dadurch die Hüter der Ordnung an der Feststellung von Personalien gehindert. Unter diesen Personen sei auch der Abgeordnete Otto Niebergall festgestellt worden. Und das ist der Anlaß zu einer Klage wegen Aufruhrs und Landfriedensbruchs!
Schließlich der Fall des Abgeordneten Renner. Seine Immunität soll aufgehoben werden, weil er auf einer Pressekonferenz, die hier im Hause stattgefunden hat, auf die finanzielle und politische Unterstützung des Kaiser-Ministeriums für die BDJ-Banditen aufmerksam gemacht hat.
({41})
Herr Kaiser betrachtet dies als eine politische Beleidigung und schreit nach dem Strafrichter. Er sollte sich lieber um den Strafrichter bemühen, der sich seiner Schützlinge vom BDJ annimmt.
({42})
Er sollte lieber hier vor diesem Hause Rechenschaft geben, wozu die Steuergelder verwandt wurden, die er aus dem Geheimfonds seines Ministeriums dem faschistischen Mörderklüngel des BDJ ausgehändigt hat.
({43})
Das wäre besser und entspräche eher dem Willen der Bevölkerung, als kommunistische Abgeordnete wegen Beleidigung vor den Kadi zu schleppen.
Nur zur Abrundung des Bildes möchte ich noch darauf hinweisen, daß in der Debatte des Ausschusses auch schon die Möglichkeit eine Rolle spielte, den kommunistischen Abgeordneten auf Grund der für sie vorbereiteten Verfahren und Urteile das aktive und passive Wahlrecht abzuerkennen.
({44})
Sehen Sie, auch hier haben Sie die amerikanische Handschrift. Das ist doch allzu deutlich. Nach in Japan bewährtem Muster will man verhindern, daß kommunistische Abgeordnete bei der kommenden Bundestagswahl erneut kandidieren. Was das neue Wahlgesetz, dessen Ausklügelung die Bundesregierung soviel Mühe kostet, nicht ganz sicher zuwege bringt, soll diese Vorwegausschaltung kommunistischer Kandidaten garantieren. Auch hier liefert die Bundesregierung der Welt einen Beweis ihrer „demokratischen" Gesinnung.
Meine Damen und Herren, Sie werden mir zustimmen müssen, wenn ich sage, daß die Begründungen, mit denen die Bundesregierung ihre Anträge stützt, für sie gar nicht ausschlaggebend sind. Um das Ziel, nämlich die Ausschaltung der kommunistischen Abgeordneten aus dem Bundestag, zu erreichen, wäre die Bundesregierung sicherlich in der Lage, jeden Tag beliebig viele derartige sogenannte Begründungen anzuführen in der Hoffnung, in diesem Hause eine automatisch funktionierende Mehrheit zu finden, die zu allem ja sagt.
Aber die Bundesregierung möge nicht glauben, daß solche Methoden ausreichen, um den Widerstand gegen die Kriegsverträge von Bonn und Paris zu ersticken und um die Kräfte zu lähmen, die sich im ganzen Land für die Erhaltung des Friedens und die Einheit unseres Vaterlandes erheben.
Sie kennen die von Herrn Adenauer geübte Praxis, solche Politiker, die anderer Meinung sind als er, zu beschimpfen und zu verleumden. Sie haben heute die Entscheidung darüber, ob alle diejenigen, die Herr Adenauer als Dummköpfe oder Verräter zu bezeichnen beliebt, künftighin als staatsgefährdende Elemente ins Gefängnis oder ins Zuchthaus wandern sollen. In Ihrer Hand liegt die Entscheidung, ob Sie den Grundsatz des einen und gegen jedermann gleichen Rechts auf rechterhalten wollen oder ob Sie dem neuen Grundsatz
({45})
der Adenauer-Regierung zustimmen, daß Recht ist, was der Politik der Bundesregierung nützt. In Ihrer Hand liegt es, ob, heute mit Präjudizentscheiden dieses Hauses die Bahn frei gemacht wird für eine künftige hemmungslose Staatsjustiz gegen jede freiheitliche Meinungsäußerung. Ein anderer Freund der amerikanischen Politik auf einem anderen Erdteil, Mr. Syngman Rhee, hat kürzlich die gesamte parlamentarische Opposition verhaften und so lange festhalten lassen, bis sie bereit war, sich seinem Willen zu beugen. Wenn Sie wollen, daß die Praxis des korrupten Bediensteten der amerikanischen Machtpolitik in Korea hier in Westdeutschland von Amts wegen eingeführt wird, dann stimmen Sie den Anträgen des Ausschusses zu.
({46})
Wenn Sie aber das Bekenntnis zur demokratischen Ordnung ernst nehmen, wenn Sie wollen, daß das Recht, für die Einheit Deutschlands und den Frieden einzutreten, keinem Abgeordneten entzogen werden darf, dann müssen Sie die Ihnen vorgelegten Anträge des Ausschusses ablehnen. Denken Sie daran: Es ist leicht, das Recht zu brechen, aber es ist schwer, sich der Verantwortung dafür zu entziehen.
({47})
Meine Damen und Herren, der Herr Bundeskanzler wünscht eine
Erklärung
abzugeben. Ich unterbreche die Besprechung über die Punkte 12 bis 28.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Auf die Erklärung, die der Herr Bundestagsabgeordnete Mellies heute im Auftrage seiner Fraktion abgegeben hat, erwidere ich im Namen der Bundesregierung folgendes.
Am 10. Juni dieses Jahres hat der Herr Bundespräsident das Bundesverfassungsgericht um ein Gutachten über die Vereinbarkeit des EVG-Vertrages mit dem Grundgesetz ersucht. Zu gleicher Zeit hatten die sozialdemokratische Bundestagsfraktion und eine Anzahl von anderen Abgeordneten des Bundestages eine präventive Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht mit dem Ziele, festzustellen, daß der EVGVertrag mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sei. Das Bundesverfassungsgericht hat damals die Bundesregierung und die Kläger der Normenkontrollklage gefragt, ob sie beide bereit seien, sich dem zu erstattenden Gutachten freiwillig zu unterwerfen. Das Bundesverfassungsgericht hat durch diese Anfrage eine Art von schiedsrichterlichem Verfahren herbeiführen wollen. Die Bundesregierung hat dem Bundesverfassungsgericht erklärt, sie sei dazu bereit. Die klagende sozialdemokratische Fraktion hat dagegen erwidert, sie könne das Gutachten nicht als für sie verbindlich anerkennen.
Im Gegensatz zu diesen Vorgängen hat das Bundesverfassungsgericht am 8. Dezember beschlossen, daß das jetzige und die künftigen Rechtsgutachten für die Entscheidungen der Senate bindend seien. Das Bundesverfassungsgericht hat damit eine grundsätzliche Entscheidung getroffen. Die Bundesregierung mußte deshalb diese Frage ebenfalls grundsätzlich betrachten. Sie ist bei ihren Überlegungen zu der Überzeugung gekommen, daß der am 9. Dezember verkündete Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember weder im Grundgesetz noch in sonstigen Gesetzen eine Stütze findet.
Dem Herrn Bundespräsidenten ist diese Ansicht der Bundesregierung durch mich im Auftrage des Kabinetts am Vormittag des 9. Dezember mitgeteilt worden. Nachdem die Herren Staatssekretäre Hallstein und Strauß von Karlsruhe zurückgekehrt waren, haben sie dem Kabinett, das zu einer zweiten Sitzung zusammengetreten war, berichtet. Das Kabinett ist in seiner zweiten Sitzung bei der Auffassung, die es sich in der ersten Sitzung gebildet hatte, geblieben. Eine vom Kabinett gewählte Abordnung hat dem Herrn Bundespräsidenten das Ergebnis der zweiten Kabinettsberatung mitgeteilt. An den Herrn Bundespräsidenten haben weder das Kabinett noch ich eine Bitte gerichtet. Der Herr Bundespräsident hat, wie er in seiner Erklärung gesagt hat, aus eigener Verantwortung sich entschieden, übrigens nachdem er zuvor auch den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion, Herrn Ollenhauer, gehört hatte. Die für ihn maßgebenden Gründe hat der Herr Bundespräsident in seiner Rundfunkansprache gestern der Öffentlichkeit mitgeteilt.
Es besteht und bestand keine Veranlassung, von einer Regierungskrise oder von einem Verfassungskonflikt zu sprechen. Die Bundesregierung hat nicht in ein schwebendes Verfahren eingegriffen. Sie hat ebenfalls nicht verlauten lassen, daß sie erwäge, das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht noch für das gegenwärtig schwebende Verfahren ändern zu lassen.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Kenntnis genommen. - Herr .Abgeordneter Dr. Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten um eine Pause von einer halben Stunde, um über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers beraten zu können.
Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, da wir heute nachmittag in gleicher Weise verfahren haben.
Ich unterbreche die Sitzung bis 19 Uhr 20.
({0})
Die Sitzung wird um 19 Uhr 35 durch den Präsidenten Dr. Ehlers wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der unterbrochenen Sitzung fort.
Ich darf zunächst darauf hinweisen, daß die Sitzung des Auswärtigen Ausschusses ausfällt.
Zu einer Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung wünscht Herr Abgeordneter Mellies das Wort. Bitte schön!
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist von der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht befriedigt.
({0})
Im Sommer hatte das Bundesverfassungsgericht
angefragt, ob die Beteiligten ein Gutachten als für
sich verbindlich anerkennen würden. Die damals
am Verfahren beteiligte Minderheit des Bundestags
({1})
hat sich mit Grund hierzu nicht für berechtigt gehalten. Durch seinen am 9. Dezember ergangenen Beschluß hat das Bundesverfassungsgericht die Verbindlichkeit seines Gutachtens für seine Senate ausgesprochen.
Wir bedauern, daß der Herr Bundeskanzler den Vorwurf erhoben hat, der am 9. Dezember ergangene Beschluß des Bundesverfassungsgerichts finde weder im Grundgesetz noch in sonstigen Gesetzen eine Stütze. Es wäre richtiger gewesen, der Herr Bundeskanzler hätte zunächst die schriftliche Begründung dieses Beschlusses abgewartet.
({2})
Für den von ihm erhobenen Vorwurf besteht kein Grund.
({3})
Niemand hat in Zweifel gezogen, daß sich der Herr Bundespräsident aus eigener Verantwortung entschieden hat.
({4})
Es ziemt uns nicht, diese Frage auch nur zu stellen.
Dagegen trifft es nicht den eigentlichen Vorgang, wenn der Herr Bundeskanzler gesagt hat, weder die Bundesregierung noch er hätten an den Herrn Bundespräsidenten eine Bitte gerichtet. Tatsache ist, daß die Bundesregierung zweimal in dieser Sache Schritte bei dem Herrn Bundespräsidenten unternommen und, wie der Herr Bundeskanzler selbst gestern vor der Presse ausführte, den Herrn Bundespräsidenten in diesem Zusammenhang an seinen Eid erinnert hat.
({5})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch diese Erklärung, die der Sprecher der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion soeben abgegeben hat, ist unserer Überzeugung nach die Aussprache über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers eröffnet. Ich halte mich aber für berechtigt, anzunehmen, daß der Herr Bundestagspräsident diese Aussprache verhindern will,
({0})
und zwar unter Bezugnahme darauf, daß er dem Sprecher der SPD-Fraktion das Wort nur zu einer Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung gegeben hat. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dieses Manöver mitmacht; vielmehr bin ich der Meinung, daß auch nach ihrer Auffassung durch diese Erklärung die Aussprache als eröffnet angesehen werden muß.
Um aber darüber Klarheit zu bekommen und um zu verhüten, daß auf diese Art und Weise ein Recht des Bundestages ausgeschaltet wird, beantrage ich hiermit ausdrücklich die Eröffnung der Aussprache über die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers. Ich bin sicher, daß ich die dafür notwendigen Stimmen - falls der Herr Bundestagspräsident es nicht auch noch ablehnt, über diesen Antrag abstimmen zu lassen - hier im Hause finden werde. Sie können einfach nicht mitmachen, daß unter kläglicher, geschickter Auslegung - unter Auslegung im falschen Sinne - der Geschäftsordnung diese so wichtige Aussprache verhindert wird, und Sie können nicht wollen, daß zu dieser Streitfrage nicht alle Fraktionen und Gruppen dieses Hauses zu Wort kommen. Wenn Sie das
wollen, beweisen Sie damit höchstens das eine, daß Sie Angst davor haben, daß unser Volk erfährt, was mit diesem Spiel getriebenwerden soll.
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Renner unterstellt mir, daß ich eine Aussprache verhindern wolle.
({0})
Ich befinde mich im Rahmen der Geschäftsordnung. Nach § 48 Abs. 3 der Geschäftsordnung kann eine Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung erfolgen, wenn sie von 30 anwesenden Abgeordneten gefordert wird. Der Abgeordnete Renner hat für 14 gesprochen. Darf ich fragen, wo die übrigen 16 Abgeordneten sind?
({1})
Die Aussprache ist nicht von 30 Abgeordneten gefordert. Da sachliche Anträge nicht gestellt werden können, ist dieser Punkt damit erledigt.
({2})
Meine Damen und Herren, ich bin darüber unterrichtet worden, daß das Haus aus naheliegenden Gründen wünscht, nicht zu spät in den Abend hinein die Sitzung fortzusetzen. Ich mache Ihnen daher den Vorschlag - und insofern komme ich ja den Herren, die sich besonders daran beteiligt haben, entgegen -, die Beratung der Mündlichen Berichte zu den Punkten 12 bis 28 der Tagesordnung betreffend Genehmigungen zu Strafverfahren gegen Abgeordnete der Gruppe der KPD heute zu unterbrechen und sie auf die nächste Sitzung des Bundestages zu vertagen. Darf ich fragen, ob das Haus damit einverstanden ist.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte diejenigen, die für Absetzung dieser Punkte von der Tagesordnung sind, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses; diese Punkte sind abgesetzt.
({4})
Meine Damen und Herren, durch mündliche Auseinandersetzungen wird die Arbeit verhindert; ich bitte Sie freundlichst, sie nach Schluß der Sitzung vorzunehmen! - Ich habe Ihnen heute morgen vorgeschlagen, den Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes auf die Tagesordnung zu setzen und heute nachmittag diesen Punkt vorzunehmen. Ich darf unterstellen, daß die zweite und dritte Beratung dieses Gesetzentwurfs ohne allgemeine Aussprache stattfinden kann.
({5})
Das ist die Meinung des Hauses. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Dresbach, der in gewohnter Kürze diese Berichterstattung übernehmen wird.
({6})
- Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob auf die Berichterstattung*) verzichtet wird. - Das ist die Meinung der überwiegenden Mehrheit. Ich bedanke mich für Ihre liebenswürdigen Bemühungen, Herr Abgeordneter.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung.
*) Schriftlicher Bericht: Anlage 1, Seite 11657.
({7})
Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Artikeln des Gesetzes auf Drucksache Nr. 3769 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist, soweit ich sehe, einstimmig.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Die allgemeine Besprechung kann entfallen. Die Einzelbesprechung entfällt ebenfalls, da Änderungsanträge nicht gestellt sind.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
({8})
- Bei Enthaltungen*).
({9})
- Also nachträglich dagegen, 14 Stimmen dagegen.
Ich stelle fest, daß angesichts der Anwesenheitszahlen des Bundestages die verfassungsändernde Mehrheit für dieses Gesetz erreicht ist.
Ich rufe weiter den Punkt 31 a) auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der DP/DPB eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland ({10}).
Ich darf unterstellen, daß die Herren Antragsteller auf eine mündliche Begründung verzichten. Ferner darf ich unterstellen, daß Sie auch bei diesem Punkt bereit sind, auf eine allgemeine Aussprache zu verzichten. - Das ist der Fall.
Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf unter Punkt 31 a) an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. - Die Überweisung ist erfolgt.
Wir kommen dann zu Punkt 31 b) der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/DPB eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland ({11});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({12}) ({13}).
({14})
Berichterstatter des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ist Herr Abgeordneter Maier. Ich darf ihn bitten, das Wort zu nehmen.
Maier ({15}) ({16}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat die Drucksache Nr. 3821 beraten und schlägt Ihnen in der Drucksache Nr. 3930 den geänderten Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vor, wie er sich auf der rechten Seite der Ihnen vorliegenden Drucksache findet.
*) Vergl. Anlage 2: Seite 11658 A.
Die Antragsteller haben als Begründung für ihren Entwurf ausgeführt, daß es sich im Hinblick auf die nahe bevorstehende Neuwahl dieses Bundestages erübrigen sollte, beim Verlust von Mandaten durch Tod oder aus sonstigen Gründen Nachwahlen für politische Parteien stattfinden zu lassen. In diesen Fällen sollte der nächste Bewerber auf einer Landesliste an Stelle des verstorbenen Abgeordneten einrücken. Nachwahlen seien nur in solchen Fällen vorzunehmen, in denen es sich um Wahlkandidaten handle, die an keine Partei gebunden seien. Die Mehrheit des Ausschusses hat den in der Drucksache Nr. 3930 enthaltenen Beschluß gefaßt.
Der sozialdemokratische Sprecher hat für die Minderheit erklärt, daß ursprünglich auch bei der Sozialdemokratie die Absicht bestanden habe, der vorgeschlagenen Regelung zuzustimmen. Aber angesichts der Tatsache, daß in den Kreisen der Regierungsparteien zur Zeit ein Wahlgesetzentwurf für den neuen Bundestag beraten werde, der Stichwahlen vorsehe, der also auch eine mehrmalige Folge von Wahlen in Aussicht nehme, könne die Sozialdemokratie nunmehr diesem Entwurf nicht mehr ihre Zustimmung geben.
Zu dem Text selber ist noch folgendes zu bemerken. Die Vorlage heißt „Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes". Im Hinblick darauf, daß bereits ein dritter Entwurf Gesetz geworden ist, aber noch nicht verkündet wurde, mußte die Vorlage also die Nr. 4 bekommen. Ich möchte als Berichterstatter vorschlagen, eine redaktionelle Änderung dahingehend vorzunehmen, daß man diese Entwürfe nicht mehr beziffert, sondern einfach sagt: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes. Wir kämen sonst mit der Bezifferung bereits beschlossener Vorlagen in Konflikt.
Im übrigen empfiehlt Ihnen der Ausschuß für innere Verwaltung die Annahme der Vorlage Drucksache Nr. 3930.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich darf unterstellen, daß das Haus mit der redaktionellen Änderung, nämlich dem Wegfall des Wortes „Dritten", einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Ich rufe zur Einzelbesprechung der zweiten Beratung auf: Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen zur Einzelbesprechung in der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Angenommen!
Ich rufe zur allgemeinen Besprechung der
dritten Beratung
auf. Wird das Wort gewünscht?
Herr Abgeordneter Heiland!
Ich darf unterstellen, daß das im Rahmen der vereinbarten Redezeit von höchstens 60 Minuten geschieht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es handelt sich bei diesem Gesetzentwurf um den Wegfall der Nachwahlen für den Rest der Legislaturperiode. Das Wahlgesetz ist gerade in diesem Punkt Gegenstand heftigster Auseinandersetzungen im Parlamentarischen Rat gewesen. Damals war es gerade meine Fraktion, die beantragte,
({0})
die Möglichkeit von Nachwahlen überhaupt nicht in das Gesetz aufzunehmen, weil es mit diesen Nachwahlen immer eine gewisse Beunruhigung in den Wahlkreisen gäbe. Die Antragsteller von heute haben damals die Nachwahlen um jeden Preis gefordert. In den Besprechungen zwischen den Fraktionen über diesen Gesetzentwurf haben wir uns bereit erklärt, dem Wegfall der Nachwahl zuzustimmen, wenn er nicht nur für dieses Parlament und diese Legislaturperiode, sondern in dem Wahlgesetz allgemein festgelegt würde, wenn also bestimmt würde, daß die Nachwahlen auch in einem kommenden Wahlgesetz nicht zugelassen würden. Das hat seinen guten Grund. Wahlgesetze soll man meiner Ansicht nach nicht immer nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten machen. Wir kommen in der Demokratie in eine fürchterliche Gefahr, wenn wir uns Wahlgesetze und andere auf längere Zeit wirkende Regulativen der Demokratie nach politischer Zweckmäßigkeit ausrechnen und auslegen. Aus diesem Grunde wird meine Fraktion gegen dieses Gesetz stimmen.
Meine Damen und Herren, Sie dürfen es uns nicht übelnehmen, daß wir bei der Vorlage dieses Gesetzes einen ein klein wenig bitteren Geschmack haben. Ich werde Ihnen gleich sagen, warum. Daß der Abgeordnete Holzapfel entgegen dem Gesetz heute noch Abgeordneter dieses Hauses ist, und daß sein Mandat auf diese Art und Weise für die CDU ohne Wahl freigemacht werden soll, ist doch eine Realität. Ich habe unlängst in der Schweiz eine Besprechung mit deutschen Journalisten gehabt, die Herrn Holzapfel interviewt hatten. Dabei hatte sich Herr Holzapfel sehr klar in dieser Richtung ausgesprochen. Ich hoffe, Sie zwingen mich nicht, im einzelnen zu sagen, was damals von Herrn Holzapfel geäußert worden ist. Er hat bei den Journalisten im Ausland auch noch Kritik am Bundestag über die schlechte Behandlung bei seiner „Gehaltszahlung" geübt und sich beschwert.
({1})
Es ist aber noch ein zweiter Fall innerhalb der CDU-Fraktion zu verzeichnen. Dabei liegt es nicht an einem Verstoß gegen ein deutsches Gesetz, sondern beruht auf Nichtbeachtung des Schumanplans. Es handelt sich darum, daß Herr Etzel nicht mehr Mitglied dieses Parlaments sein darf, nachdem er bei der Hohen Behörde ist. Auch das hat die CDUFraktion bisher nicht gestört, hat sie nicht veranlaßt, an diesem Zustand etwas zu ändern. Meine Damen und Herren, man soll - und das möchte ich mit aller Klarheit und Deutlichkeit aussprechen - die Demokratie in solchen Fragen nicht mißbrauchen.
({2})
Es gibt Angelegenheiten, die uns alle heilig sein sollten, wenn wir die Grundlage der Demokratie erhalten wollen. Aus diesem Grunde sind wir der Meinung, daß man dieser Gesetzesvorlage nicht zustimmen kann, zumal sie nur für diese Legislaturperiode bestimmt ist.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der heute zur Abstimmung stehende Gesetzentwurf ist ein typisches Zweckgesetz. Es soll
die Herren der Koalition davor schützen, sich der Entscheidung des Volkes zu stellen.
({0})
- Davor schützen, ja! Sie wollen sich dem entziehen. Das ist der klare Inhalt des Gesetzes.
Mir ist bei der Begründung des sozialdemokratischen Sprechers ein Satz ins Gedächtnis gekommen, der lautet: „Ihr seid mir scheene Demokraten!"
({1})
Ich weiß nicht, von wem das stammt; aber es paßt
absolut auf Ihre derzeitige Haltung, Herr Heiland.
({2})
- Mag sein, aber es ist in diesem Falle richtig. Was ist hier eigentlich los? Sie wollen dem Prinzip der sogenannten Persönlichkeitswahl, das Sie sonst bei jeder Gelegenheit hochhalten, bei dieser Ihnen passenden Gelegenheit, wenn ich einmal bildhaft sprechen darf, einen klatschenden Schlag ins Gesicht geben. Das wollen Sie! Wir sind der Meinung, daß man dem Volk Gelegenheit geben muß, in dieser Zeit abzurechnen mit Ihnen, die Sie die Träger der Politik Adenauers, die Träger der Kriegsvorbereitungen sind.
({3})
Lassen Sie mich noch einen Satz sagen; das kommende Wahlgesetz werden wir ja bei späterer Gelegenheit zu kritisieren die Möglichkeit haben. Ich möchte aber nur noch einen Satz aussprechen. Es ist hier ein Name gefallen. Ich möchte die Behauptung aufstellen, die nicht widerlegt werden kann, daß die Niederlegungserklärung dieses Herrn, also die Erklärung, in der er sein Mandat niederlegt, seit Monaten in der Schublade des Herrn Generalsekretärs der CDU/CSU-Fraktion liegt und daß Sie von dieser Erklärung keinen Gebrauch machen, weil Sie die Nachwahl scheuen.
({4})
- Ihr seid mir scheene Demokraten! ({5})
Die historische Fassung war natürlich „Republikaner"; aber das liegt Herrn Renner nicht so sehr.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe zunächst bekanntzugeben, daß der Auswärtige Ausschuß noch zu einer kurzen Sitzung zusammentritt, um die Voraussetzung zur Erledigung des Punktes 10 der Tagesordnung schaffen zu können.
({1})
- Im Zimmer 204. Geht es nicht in Zimmer 02, damit es etwas näher ist? - Also 204 ist vorgesehen. Ich schlage Ihnen vor, nach der Abstimmung, wenn Herr Professor Schmid einverstanden ist. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Die Einzelaussprache entfällt, da keine Änderungsanträge gestellt sind. Wir kommen zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ge({2})
setz zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. ({3})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
({4})
- Meine Damen und Herren, der Sitzungsvorstand ist sich nicht völlig klar. Ich bitte, im Wege des Hammelsprungs zu entscheiden. Wer für das Gesetz ist, betritt den Saal durch die Ja-Tür. Ich bitte im allgemeinen Interesse, den Saal schnell zu räumen.
({5}) Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({6})
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Mit Ja haben gestimmt 162 Abgeordnete, mit Nein 129, bei 9 Enthaltungen. Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen*).
Ich rufe zunächst auf den Punkt 32.
({7})
- Darf ich Sie bitten, für die kurze Restzeit möglichst Ruhe zu bewahren, damit wir uns die Arbeit erleichtern. Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen ({8});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({9}) ({10}).
({11})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Weber. Wird auf die Berichterstattung verzichtet?
({12})
- Es wird verzichtet.
({13})
- Danke, das hatte ich bereits festgestellt, Herr Abgeordneter Bausch.
({14})
- Und das Haus; seltene Einigkeit!
Ich rufe auf zur Einzelbesprechung in der zweiten Beratung § 1, - § 2, - § 3, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf eine allgemeine Besprechung in der
dritten Beratung
vor. - Einzelbesprechung entfällt.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz Drucksache Nr. 3708, abgedruckt auf Drucksache Nr. 3911, in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich danke! Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen.
*) Vergl. Anlage 3: Seite 11658 B.
Ich rufe auf Punkt 33 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über weitere Ergänzungen und Änderungen des D-Markbilanzgesetzes sowie über die Ausgabe von Aktien in Deutscher Mark ({15}) ({16});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({17}) ({18}).
({19})
Unter den Fraktionen ist eine Verständigung darüber erzielt worden, daß auf eine Berichterstattung verzichtet wird. Es wird darauf hingewiesen, daß sich in Umdruck Nr. 741 eine Berichtigung befindet. Ich bitte also, den Text des Gesetzes unter Berücksichtigung dieses Umdrucks zu betrachten, und zwar bezieht sich das auf § 3 Abs. 1 und auf Art. 4 § 12.
Ich rufe auf Art. 1, - 2, - 3, - 4, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Die allgemeine Besprechung der
dritten Beratung
entfällt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem aufgerufenen Gesetz - Zweites D-Markbilanzergänzungsgesetz - in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich danke. - Enthaltungen? Bei einigen Enthaltungen ist das Gesetz in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich rufe Punkt 34 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP/DPB, FU ({20}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Straffreiheit ({21}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine allgemeine Aussprache in der ersten Beratung zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Rechtsausschuß zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall. Die Überweisung ist erfolgt.
Bei Punkt 35 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Schaffung von Familienheimen ({22}) ({23}),
ist von den Fraktionen Übereinstimmung erzielt worden, daß die Beratung dieses Gesetzentwurfs heute abgesetzt werden soll. - Das Haus ist damit ebenfalls einverstanden.
Nun rufe ich Punkt 36 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Visenzwang ({24}).
({25})
- Die Antragsteller schlagen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Angelegenheiten der
inneren Verwaltung zu überweisen. Ist das Haus
({26})
damit einverstanden? - Jawohl; die Überweisung ist erfolgt.
Meine Damen und Herren, Punkt 29 ist übersehen worden:
Beratung des Mündlichen Berichts des Wahlprüfungsausschusses ({27}) über die Feststellung des Erlöschens des Bundestagsmandats des Abgeordneten Müller ({28}) ({29}).
({30})
- Das Haus scheint anzunehmen, daß dieser Punkt abgesetzt werden soll.
({31})
Ist das Haus damit einverstanden?
({32})
- Das ist der Fall.
Ich rufe auf Punkt 37:
Beratung der interfraktionellen Anträge betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({33}).
Ich bitte die Damen und Herren, die den Anträgen auf den Umdrucken Nrn. 697, 706 und 726 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Sie sind angenommen.
Ich rufe auf Punkt 38:
Beratung der Übersicht Nr. 3 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({34}).
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht schlägt ohne besondere Berichterstattung vor, von einer Äußerung zu den auf Umdruck Nr. 711 aufgeführten Streitsachen vor dem Bundesverf assungsgericht abzusehen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Rechtsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; er ist angenommen.
Es liegt noch vor:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP/DPB, FU ({35}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung von Zahlungsverpflichtungen aus Zahlungsabkommen ({36}).
Ich darf Ihr Einverständnis unterstellen, den Punkt auf die Tagesordnung zu nehmen und den Gesetzentwurf ohne Aussprache dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden; auch diese Überweisung ist erfolgt.
Meine Damen und Herren, der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten hat bis zu diesem Augenblick den Saal noch nicht wieder betreten. Ich habe zu Punkt 10 der Tagesordnung also leider noch keinen Bericht. Der Finanz- und Steuerausschuß hat auf Drucksache Nr. 3903 den Antrag vorgelegt, dem Gesetzentwurf unverändert nach der Vorlage zuzustimmen. Der Auswärtige Ausschuß ist mitberatender Ausschuß. Darf ich fragen, wie wir verfahren wollen. Sollen wir versuchen, eine Stellungnahme des Auswärtigen Ausschusses herbeizuführen?
({37})
- Ist das Haus bereit, auf den Bericht des Auswärtigen Ausschusses in diesem Falle zu verzichten?
({38})
- Offenbar nicht. Ein Teil des Hauses ist nicht bereit. Meine Damen und Herren, ich bitte um eine kurze Pause - ich bitte auf Ihren Plätzen zu bleiben; ich unterbreche auch nicht -, um festzustellen, ob der Auswärtige Ausschuß in kurzer Zeit mit seinen Beratungen fertig wird. Es wäre für die Erledigung dieses Punktes wünschenswert.
Ich darf inzwischen noch einmal die Bitte wiederholen, daß Sie Ihre Eisenbahnfreifahrkarten, die im Tagungsbüro bereitgelegt sind, freundlichst in Empfang zu nehmen, damit eine Nachsendung dieser kostbaren Dokumente vermieden werden kann.
Ich höre, daß der Auswärtige Ausschuß seine Beratung abgeschlossen hat und sofort erscheinen wird. Ich rufe also auf Punkt 10:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend deutsch-niederländische Vereinbarungen vom 19. Mai 1952 über Fragen der Restitution und vom 13./20. Juni 1952 über Freigabe von deutschen Reichsmark-Wertpapieren ({39});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({40}) ({41}).
({42})
Darf ich zunächst den Herrn Berichterstatter Dr. Kneipp bitten. - Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen ist sicher bereit, uns in Kürze in den Gesetzentwurf einzuführen.
Dr. Wellhausen ({43}), Stellvertreter des Berichterstatters: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht von ungefähr, daß sich die Notwendigkeit ergab, dieses Gesetz zweimal von der Tagesordnung abzusetzen. Es war nämlich erforderlich, daß im Finanzausschuß ein bestimmter Herr des Bundesfinanzministeriums, der die Verhandlungen selber geführt hatte, erschien. Das war erst heute morgen der Fall.
Im Finanzausschuß wurde in erster Linie die Frage erörtert - und dann auch von dem Herrn Ministerialdirektor Wolff beantwortet -, ob Berufungen auf diese Regelung, die jetzt mit Holland erfolgt, zu besorgen sind. Das ist von dem Vertreter der Regierung mit einleuchtenden Gründen verneint worden. Es ist weiter die Frage gestellt worden, ob es nicht doch möglich sei, solche Leute noch zu belangen, die sich während des Krieges mit unmittelbarem Zwang in den Besitz der Wertpapiere, die jetzt restituiert werden sollen oder für deren Restitution etwas vergütet werden soll, gesetzt haben. Es werden selbstverständlich vorn Bundesfinanzministerium alle Wege beschritten werden, um noch nachträglich eine Haftbarmachung dieser Leute herbeizuführen.
Im übrigen erschien es dem Finanzausschuß - und wie ich annehmen darf, nunmehr auch dem Auswärtigen Ausschuß - angebracht, dem Abkommen zuzustimmen. Wenn Sie sich die Drucksache etwas näher angesehen haben, was ich unterstelle, dann werden Sie festgestellt haben, daß die Verhandlungen fast ein Jahr zurückliegen. Es haben sich hinterher noch zusätzliche Briefwechsel ergeben, und auch dann ist aus Gründen, die nicht ganz aufgeklärt sind, die Befassung des Bundes({44})
tages, die man zunächst für entbehrlich gehalten hatte, weil nämlich angeblich die Holländer gemeint hatten, nicht zu ratifizieren brauchen, reichlich hinausgezögert worden. Alle diese Dinge sind unter lebhafter Beteiligung aller Fraktionen im Finanzausschuß erörtert. Der Finanzausschuß ist einstimmig zu einem befürwortenden Votum gekommen, wobei der Ausschuß der Hoffnung Ausdruck gegeben hat, daß das von Deutschland gezeigte Entgegenkommen nun ein ebensolches seitens Hollands in einer Reihe noch offener Fragen, insbesondere hinsichtlich der sogenannten Traktatländereien, zur Folge hat.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wünscht der Auswärtige Ausschuß noch etwas hinzuzufügen? - Das ist nicht der Fall. Er schließt sich dem Votum an.
Aussprache ist nicht gewünscht. Ich rufe zur Einzelberatung in der zweiten Beratung auf Art. I, - II, - III, - Einleitung und Überschrift. - Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. - Das ist einstimmig.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Die allgemeine Besprechung entfällt, Einzelberatung braucht nicht zu erfolgen. Ich bitte die Damen und Herren, die Art. I, II, III, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
({0})
- Ja, meine Damen und Herren, das ist nun mal anders; gemäß § 88 der Geschäftsordnung entfällt eine Schlußabstimmung. - Dieser Gesetzentwurf ist in dritter Beratung angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich darf mir gestatten, allen Mitgliedern des Hauses - ich brauche keine Ausführungen darüber zu machen, wie dringlich dieser Wunsch aus mancherlei Gründen ist - Besinnung und körperliche und seelische Erholung in den vor uns liegenden Wochen zu wünschen. Ich darf mir weiter gestatten, Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest und neues Jahr zu wünschen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 21. Januar 1953, 13 Uhr 30, und schließe die 244. Sitzung.
({1})