Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 243. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach Abgeordneter Bazille für zwei Wochen wegen Krankheit.
Ich darf unterstellen, daß der Urlaub genehmigt ist. - Das ist der Fall.
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Henle, Freudenberg, Dr. Königswarter, Meitmann, Wagner, Kühling, Lausen, Dr. Pfleiderer, Henßler, Kiesinger, Etzel ({0}), Dr. Gülich, Dr. Greve, Dr. Kopf und Dr. Arndt.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Agatz, Gockeln, Wehr und Schmitt ({1}).
Meine Damen und Herren! Ich möchte der Tatsache gedenken, daß vor vier Jahren, am 10. Dezember 1948, die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte angenommen hat. Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß es auch uns beschieden sein wird, nach der Ratifizierung der Europäischen Konvention- der Menschenrechte, die stattgefunden hat, an der Verwirklichung dieser in der Erklärung der Menschenrechte festgelegten Grundrechte der Menschen mitzuarbeiten und insbesondere sicherzustellen, daß a 11 e deutschen Menschen in den Genuß dieser Menschenrechte kommen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe folgendes bekanntzugeben:
Die Fraktion der FDP hat mir unter dem 5. Dezember 1952 mitgeteilt, daß sie das Hospitantenverhältnis mit dem Abgeordneten Freudenberg gelöst hat.
({1})
Frau Abgeordnete Arnold hat mir mit Schreiben vom 6. Dezember 1952 erklärt, daß sie mit Wirkung vom 9. Dezember aus der Zentrumspartei und der Bundestagsfraktion der Föderalistischen Union austrete.
Mit Schreiben vom 10. Dezember ist mir mitgeteilt worden, daß mit Wirkung vom 9. Dezember die folgenden Abgeordneten ihren Austritt aus der Fraktion der DP/ DPB erklären: Abgeordneter Reindl, Frau Bieganowski, Abgeordneter Wallner und Abgeordneter Schmidt ({2}).
({3})
Ich darf darauf hinweisen, daß die nächste Fragestunde am Mittwoch, dem 28. Januar 1953, stattfindet. Sperrfrist für eingehende Anfragen ist Freitag, der 23. Januar 1953.
Ich schlage Ihnen vor, die heute in den Mappen befindlichen Drucksachen Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Auftragslenkung für Berlin und Antrag der Fraktion der SPD betreffend
Förderung des wirtschaftlichen Aufbaus und der sozialen Sicherheit Berlins morgen wieder mitzubringen, da sie aus technischen Gründen nicht ein zweites Mal verteilt werden können.
Außerdem ist im Ältestenrat eine Verständigung darüber erzielt worden, daß die heutige Sitzung um 20 Uhr beendet werden soll.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 5. Dezember dem Gesetz zur Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes zugestimmt.
Zum Gesetz über die Dienstaltersgrenze von Richtern an den oberen Bundesgerichten und Mitgliedern des Bundesrechnungshofes hat er einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt.
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts hat unter dem 4. Dezember 1952 die Kleine Anfrage Nr. 304 der Frakion der SPD betreffend Deutscher Gesandter in Bern ({4}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3944 vervielfältigt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 6. Dezember 1952 mitgeteilt, daß der Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Preise für elektrischen Strom und der Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Preise für Gas - Nr. 1686 der Drucksachen - gegenstandslos geworden ist und auf die Weiterverfolgung der Angelegenheit von der Bundesregierung verzichtet wird.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat mich gebeten, Ihnen vorzuschlagen, daß die ihn betreffenden Anfragen der Fragestunde im Zusammenhang mit der Frage 4 einheitlich erledigt werden, da er zu einer anderen dringenden Sitzung muß. Ich darf unterstellen, daß das Haus mit dieser ausnahmsweisen Regelung einverstanden ist.
Ich rufe zunächst den Punkt 1 auf:
Fragestunde ({5}). Sie soll nach den Vereinbarungen im Ältestenrat heute 90 Minuten umfassen. Sie beginnt um 13 Uhr 38 Minuten.
Zunächst der Hinweis, daß der Abgeordnete Ekstrand mitgeteilt hat, er ziehe seine Fragen Nrn. 1 und 2 heute zurück.
Ich rufe auf zu Frage 3 den Herrn Abgeordneten Decker.
Dr. Decker ({6}), Anfragender:
Ist der Bericht in Nr. 42/1952 der illustrierten Wochenschrift „Revue" unter der Überschrift „aber der Täter ist frei" zutreffend, wonach ein Mann, der zwei Mädchen im Alter von 6 und 8 Jahren im Zustand der Trunkenheit vergewaltigt hat, von dem Amtsgericht und in zwei Berufungsverhandlungen freigesprochen worden ist, weil das Gesetz keine Handhabe zur Verurteilung gab? Was gedenkt der Herr Bundesminister der Justiz zu unternehmen, um solchen, die öffentliche Sicherheit und das Rechtsempfinden schwer gefährdenden Freisprüchen in Zukunft zu begegnen und die entsprechende Lücke im Gesetz zu schließen?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die tatsächlichen Angaben des Berichts, den der Herr Abgeordnete Dr. Decker angeführt hat und der aus der illustrierten Wochenschrift „Revue" stammt, sind im wesentlichen zutreffend.
({0})
Der Bericht ist aber unvollständig! Der Angeklagte ist durch Urteil der Zweiten Großen Strafkammer des Landgerichts in Verden vom 16. Oktober 1952 auf Grund der Gutachten von zwei medizinischen Sachverständigen wegen Volltrunkenheit nach § 330 a des Strafgesetzbuches zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Urteil selbst ist noch nicht rechtskräftig. Der Angeklagte hat Revision eingelegt. Über diese ist noch nicht entschieden worden.
Der grundsätzlichen Frage über die Zulässigkeit wahlweiser Verurteilungen wird im Bundesjustizministerium seit langem. besondere Beachtung geschenkt. Die Lösung sollte nach der Begründung zum Entwurf eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes der Rechtsprechung und dem Schrifttum einstweilen überlassen bleiben. Inzwischen hat jedoch der Bundesgerichtshof jede Verurteilung auf Grund einer sogenannten wahldeutigen Feststellung zwischen einem Vergehen nach § 330 a des Strafgesetzbuches und der die Bedingung der Strafbarkeit bildenden, mit Strafe bedrohten Handlung für unzulässig erklärt. Dieses Urteil ist abgedruckt in der amtlichen Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Band I Seite 328. Unter diesen Umständen wollen wir die Frage nunmehr bei der großen Strafrechtsreform einer gesetzlichen Regelung zuführen.
Dr. Decker ({1}), Anfragender: Keine Ergänzungsfrage!
Zur nächsten Anfrage -- Nr. 4 - Frau Abgeordnete Wolff!
Frau Wolff ({0}), Anfragende:
Wann gedenkt die Bundesregierung den ihr am 9. Mai 1951 gegebenen Auftrag zu realisieren, der da lautet:
Die Bundesregierung wird beauftragt, eine gesetzliche Regelung zu treffen, nach der die Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung, die heute noch nach dem vor dem 1. Januar 1943 geltenden Recht gewährt werden, entsprechend der Verordnung über die Neuregelung der Rentenversicherung im Bergbau vom 4. Oktober 1942 ({1}) umzurechnen und dabei Renten, die nach der Umrechnung geringer sein würden, weiter in der bisherigen Höhe zu zahlen sind?
Herr Bundesminister für Arbeit!
Ein diesbezüglicher Gesetzentwurf konnte noch nicht vorgelegt werden, weil
1. die Ruhrknappschaft als größter Versicherungsträger sämtliche Rentenakten durch Kriegseinwirkung verloren hat;
2. die Versicherungsträger durch die laufenden Gesetzesänderungen so mit Arbeit überlastet waren und auch noch sind, daß ihnen zur Zeit zusätzliche Aufgaben nicht übertragen werden können;
3. ein dringendes Bedürfnis für die Umrechnung der Renten zur Zeit nicht gegeben ist.
Diese unsere Meinung wird von den Versicherungsträgern und der zuständigen Gewerkschaft voll geteilt.
Keine weitere Frage, Frau Abgeordnete?
Frau Wolff ({0}), Anfragende: Nein, danke!
Darf ich zunächst die Fragen aufrufen, die den Herrn Bundesminister für Arbeit betreffen. Zu Frage 7 Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling!
Dr. Wuermeling ({0}), Anfragender:
Welche Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung zu treffen, um das der karitativen Stellenvermittlung durch nationalsozialistische Kampfmaßnahmen im Jahre 1935 zugefügte Unrecht des Verbots der karitativen Stellenvermittlung wiedergutzumachen?
Ist der Bundesregierung die frühere verdienstvolle Tätigkeit der karitativen Stellenvermittlung der katholischen Ordensschwestern in den verschiedensten Teilen des Bundesgebietes bekannt?
Ist die Bundesregierung bereit, eine gesetzliche Maßnahme vorzuschlagen, falls eine Wiedergutmachung im Verwaltungswege nicht möglich sein sollte?
Herr Bundesminister für Arbeit, bitte!
Zur Zeit wird an einer Novelle zum AVAVG gearbeitet, durch welche auch das nationalsozialistische Unrecht gegen die karitative Stellenvermittlung wiedergutgemacht werden soll. Die Bundesregierung kennt die gute Arbeit der karitativen Stellenvermittlung aus der Zeit vor 1933 sehr gut und prüft deshalb zusätzlich die Frage, ob nicht schon vor der Verabschiedung der Novelle zum AVAVG durch eine ganze oder teilweise Aufhebung des Gesetzes vom 5. November 1935 der karitativen Stellenvermittlung wieder der Weg freigegeben werden kann.
Keine Zusatzfrage. Zu Frage 8 Herr Abgeordneter Ritzel.
Ritzel ({0}), Anfragender: Herr Minister! Ich stelle die Frage:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die nach fünfjähriger intensiver Erprobung noch immer nicht zur Kassenbehandlung zugelassene Ultraschall-Therapie auch den Mitgliedern der deutschen Krankenkassen zugänglich zu machen?
Die Frage der Kassenzulassung von Heilmethoden ist nach § 368 der Reichsversicherungsordnung durch den Reichsausschuß für Ärzte und Krankenkassen geregelt. Da die Krankenkassen Selbstverwaltungskörperschaften sind, habe ich keinen unmittelbaren Einfluß auf die Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Krankenkassenärzten. Ich habe der Arbeitsgemeinschaft der Landesstellen der Kassenärztlichen Vereinigungen am 20. Mai 1952 einen Vorschlag unterbreitet, dahingehend, daß die
({0})
Anerkennung des Ultraschalls in der Kassenpraxis unter gewissen Bedingungen vertretbar erscheint. Der Wissenschaftliche Beirat des Deutschen Ärztetages hat sich in seiner Sitzung am 30. April dieses Jahres zu einer Empfehlung der Kassenüblichkeit des Ultraschalls noch nicht entschließen können und hat den Ausschußbericht dem Präsidenten des Deutschen Ärztetages zugeleitet.
Sie sehen, Herr Abgeordneter, daß die von Ihnen gestellte Frage zur Zeit von den zuständigen Stellen ernstlich behandelt wird.
Ritzel ({1}), Anfragender: Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Ritzel!
Ritzel ({0}), Anfragender: Darf ich Sie fragen, Herr Minister, welche von den Bedingungen, die der Wissenschaftliche Beirat des Deutschen Ärztetages als Voraussetzung für die Zulassung des Ultraschalls zur Kassenbehandlung genannt hat, heute nach Auffassung der Regierung bereits durchführbar sind?
Darf ich weiterhin fragen, ob der Regierung bekannt ist, daß die Gefahr besteht, daß die Forscher auf dem Gebiet des Ultraschalls von Deutschland weggeholt, wegengagiert werden und daß die Forschungsergebnisse sowohl für die deutsche Wirtschaft wie für die deutsche Sozialpolitik verlorengehen können?
Dazu ist folgendes zu sagen: Vorschläge der Ärzte liegen bei uns nicht vor; es liegen nur unsere Vorschläge an die beiden heute zuständigen Selbstverwaltungskörperschaften vor. Wir werden natürlich, wenn wir in der nächsten Zeit das Gesetz über das Verhältnis zwischen den Krankenkassen und den Krankenkassenärzten verabschiedet haben, es beschleunigen müssen, daß diese Frage dann gemeinschaftlich von den zuständigen Gremien erledigt wird.
Ritzel ({0}), Anfragender: Danke sehr!
Keine weitere Zusatzfrage.
Frage 12. Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg!
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender:
Wieviel Versichertenrenten, Witwen- und Waisenrenten der Rentenversicherung der Arbeiter und wieviel Ruhegelder, Witwen- und Waisenrenten der Angestelltenversicherung bleiben auf Grund der Vorschriften des Rentenzulagegesetzes ohne Rentenzulage, und bei wieviel Renten beträgt die Zulage weniger als 25 v. H. der bisherigen Renten?
Diese Frage kann ich Ihnen nicht konkret beantworten, da keine zahlenmäßigen Unterlagen über eine Schichtung der laufenden Renten nach der Höhe der Rentenzulagen gegeben sind.
Herr Abgeordneter Schellenberg zu einer Zusatzfrage.
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Beabsichtigt die Regierung, sich wenigstens im Wege von Repräsentativerhebungen Unterlagen über diese sozialpolitisch außerordentlich wichtige Frage zu beschaffen?
Wir haben uns schon mehrfach über diese Frage mit den
Ländern unterhalten; aber es liegt hier genau wie bei der Frage 4, nämlich so, daß die Rentenversicherungsträger infolge der von uns getroffenen gesetzlichen Änderungen mit Arbeit überlastet und zu einer derartigen neuen statistischen Erfassung ihrer Einzelrenten noch nicht gekommen sind. Wenn sie sie vornehmen, wird es eine längere Zeit erfordern.
({0})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Schellenberg.
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Herr Bundesarbeitsminister, sind meine Informationen richtig, daß in der Rentenversicherung der Arbeiter etwa 50% aller Renten, d. h. die Renten von zwei Millionen Menschen ohne Rentenzulagen geblieben oder nur mit einer Rentenzulage unter 25 % bedacht worden sind, während in der Rentenversicherung der Angestellten nahezu alle Renten um 25 % erhöht worden sind? Ist diese Größenordnung in etwa richtig, Herr Bundesarbeitsminister?
Sie ist bei weitem nicht richtig; sie liegt bei der Invalidenversicherung weit unter dem, was Sie annehmen. Wenn man diese Fragen überhaupt prüfen wollte, müßte man auch einmal klären, inwieweit bei diesen Leuten das Einkommen nur aus den Renten besteht. Aber, wie gesagt, die Größenordnung, die Sie hier genannt haben, entspricht bei weitem nicht den tatsächlichen Verhältnissen.
({0})
Zu Frage 13 Abgeordneter Dr. Schellenberg.
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender:
Um wieviel Millionen DM lagen im vergangenen Haushaltsjahr die für die Aufbringung der Grundbeträge der Invalidenversicherung und für die Deckung der Rentenzulagen benötigten öffentlichen Mittel unter den Ansätzen des Haushaltsplans, und wie werden sich die Unterschreitungen im laufenden Haushaltsjahr voraussichtlich gestalten?
Wir haben im vergangenen Jahr eine Wenigerausgabe von ungefähr 60 Millionen DM bei den Grundrenten und eine solche von rund 75 Millionen DM bei den Rentenzulagen gehabt. In diesem Haushaltsjahr wird die Ausgabe bei den Grundrenten um ungefähr eine Million DM unter dem Ansatz liegen, während wir bei den Rentenzulagen eine Mehrausgabe von rund einer Million DM haben werden.
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Darf ich noch eine Zusatzfrage stellen?
Herr Abgeordneter Dr. Schellenberg, bitte!
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Ist es richtig, Herr Bundesarbeitsminister, daß bei Vorlage des Rentenzulagegesetzes der Aufwand für Rentenzulagen mit 1030 Millionen DM angegeben worden ist und die Regierung im Juni 1952 den Aufwand auf 910 Millionen DM reduziert hat, daß aber die tatsächlichen Ausgaben für Rentenzulagen - auf ein volles Kalenderjahr bezogen - bestimmt unter 800 Millionen DM gelegen haben?
Herr Dr. Schellenberg, diese Zahlen habe ich natürlich nicht hier und kann sie Ihnen deshalb nicht bestätigen oder bestreiten. Wenn Sie eine derartige Frage stellen wollten, hätten Sie uns das zumindest angeben müssen. So bin ich eben einfach nicht in der Lage, Ihnen diese Zusatzfrage zu beantworten.
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Ich danke sehr, ich werde es tun.
Zur Frage 15 Herr Abgeordneter Kohl.
Kohl ({0}) ({1}), Anfragender:
Ist die Bundesregierung bereit, den heute noch arbeitslosen ca. 500 ehemaligen Arbeitern und Angestellten der I. G. Farbenwerke Frankfurt/Main, die im Jahre 1945 infolge der Beschlagnahme dieses Betriebes fristlos entlassen worden sind und denen zum Teil erst nach Ablauf von sechs Monaten Mitteilung von der fristlosen Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung vom 5. Mai 1945 gemacht worden ist,
1. den Verlust ihrer Ansprüche an die Pensionskasse zu ersetzen?
2. die Minderung der Ansprüche auf Leistungen aus der Sozialversicherung auszugleichen, die als Folge der Entlassung eingetreten ist?
3. in den Nachfolgebetrieben einen Arbeitsplatz zu sichern?
Zu Nr. 1 der Anfrage möchte ich folgendes sagen. Für die ehemaligen Angestellten und Arbeiter des I. G. Farbenkonzerns, die bis zum Ausscheiden aus der Firma noch keine Rente aus der Pensionskasse erworben hatten, wird auf Grund einer Anregung der Bundesregierung in einer Durchführungsverordnung zum Gesetz Nr. 35 ein zentraler Notfonds eingerichtet, aus dem einmalige, wiederholte und laufende Beihilfen gewährt werden können. Mit der Verabschiedung dieser Verordnung ist in aller Kürze zu rechnen.
Zu Nr. 2 der Anfrage: Sofern Angestellte oder Arbeiter im Anschluß an die Entlassung bei den I. G. Farbenwerken arbeitslos geworden sind und Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten haben, bleiben ihnen für diese Zeit die erworbenen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, ohne daß Beiträge entrichtet zu werden brauchen. Darüber hinaus ist keine gesetzliche Möglichkeit gegeben, die etwa infolge der Entlassung eingetretene Minderung der Ansprüche auf spätere Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen.
Zu Nr. 3 der Anfrage: Die Entlassungen erfolgten kraft Besatzungsrechts. Eine nachträgliche Einflußnahme hierauf steht der Bundesregierung nicht zu. Auch nach dem Grundgesetz ist es ihr nicht möglich, auf die I. G. Farben bzw. ihre Nachfolgebetriebe in dem in der Anfrage angegebenen Sinne einzuwirken.
Zur Frage 17 Herr Abgeordneter Renner!
Renner ({0}), Anfragender:
Ist dem Herrn Bundesminister für Arbeit bekannt, daß, trotzdem die Versorgungsämter an die Bezugsberechtigten von Unterhaltshilfe die 3,- DM,. auf welchen Betrag sie auf Grund des Gesetzes über die Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln einen Anspruch haben, nicht zur Auszahlung bringen, die Soforthilfeämter ({1}) ihrerseits diese 3,- DM in Abzug bringen?
Die Versorgungsämter sind zur Zeit mit der Durchführung des Teuerungszulagengesetzes beschäftigt. Ich habe in einem unter dem 31. Juli 1952 an die obersten Arbeitsbehörden der Länder gerichteten Schreiben gebeten, die Versorgungsämter anzuweisen, über den Anspruch auf die Teuerungszulagen in allen ihnen bekanntwerdenden Fällen unverzüglich zu entscheiden, in denen die Soforthilfeämter vor der Bewilligung der Teuerungszulage diese von der Unterhaltshilfe abgezogen haben.
Es kann sich bei den von Ihnen, Herr Abgeordneter, erwähnten Fällen nur um solche handeln, die den Versorgungsämtern seither nicht bekanntgeworden sind. Die Verwaltungsvorschriften zum Teuerungszulagengesetz sind im Bundesanzeiger am 23. August 1952 veröffentlicht worden. Mit meinem erwähnten Schreiben vom 31. Juli 1952 sind den obersten Arbeitsbehörden der Länder die zur Durchführung des Gesetzes notwendigen Erläuterungen gegeben worden. Der Präsident des Hauptamtes für Soforthilfe hat den Ämtern für Soforthilfe durch Rundschreiben vom 5. August 1952 die notwendigen Anweisungen erteilt.
Renner ({0}), Anfragender: Darf ich mir eine weitere Frage erlauben?
Zusatzfrage! - Der zweite Teil der Frage ist damit auch erledigt.
Renner ({0}), Anfragender: Die Oberversicherungsämter haben behauptet, die Auszahlung dieser 3 DM sei daran gescheitert, daß sie vom Bund die notwendigen Mittel nicht bekommen haben. Darf ich mir nach der Erklärung des Herrn Ministers eine zusätzliche Frage erlauben. Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß z. B. das Versorgungsamt Köln und das Amt für Soforthilfe des Landkreises Köln ihre Haltung - also das Nichtauszahlen der 3 DM - damit begründen, daß ihnen bis zum heutigen Tage die notwendigen Durchführungsbestimmungen bzw. Arbeitsanweisungen noch nicht zugegangen sind? Ich bemerke ausdrücklich, daß diese Anfrage auf einer schriftlichen Information beruht, die ein Interessierter mir hat zugehen lassen, und daß ich durch mündliche Nachfrage die Richtigkeit dieses Inhalts der zweiten Frage von der Behörde bestätigt bekommen habe.
Mir sind diese Fälle nicht bekannt. Aber ich kann diese Zusatzfrage ja eigentlich als durch meine vorhergehenden Ausführungen beantwortet ansehen. Ich habe zum Schluß gesagt: Der Präsident des Hauptamtes für Soforthilfe hat den Ämtern für Soforthilfe durch Rundschreiben vom 5. August 1952 die notwendigen Anweisungen erteilt. Also dort ist man ordnungsgemäß den Weg gegangen, der ihnen durch die Länderarbeitsminister aufgetragen worden ist.
Noch eine Frage!
Renner ({0}), Anfragender: Ich habe kein Recht, an der Richtigkeit Ihrer Antwort zu zweifeln, Herr Minister. Aber darf ich mir die Frage erlauben, ob Sie in dem vorliegenden konkreten Fall bereit sind, die Weiterleitung dieser Ihrer Anweisung an
({1})
die hier genannten Ämter, also an das Versorgungsamt in Köln und an das Amt für Soforthilfe im Landkreis Köln, nachzuprüfen?
Aber gern, Herr Abgeordneter! Wenn Sie mir das persönlich vorher schriftlich mitgeteilt hätten, hätte ich das ohne weiteres getan, und nachdem die Dinge hier offiziell zur Sprache gekommen sind, ist es sogar meine Aufgabe, diesem Ihrem Wunsch zu entsprechen.
Renner ({0}), Anfragender: Danke!
Zur Frage 21 Herr Abgeordneter Volkholz!
Volkholz ({0}), Anfragender:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß aus dem Land Bayern zum Arbeitseinsatz für Rüstungsbauten im Westen Arbeitslose zwangsabgestellt werden? Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um diese Abstellungen auf freiwilliger Basis durchzuführen, solange nicht für zumutbare Arbeitsbedingungen bei den Arbeitsstellen gesorgt ist?
Es ist nicht richtig, daß Arbeitslose aus Bayern zu Rüstungsbauten im Westen zwangsverpflichtet worden sind. Die Arbeitsverwaltung hat für Zwangsverpflichtungen auch keine rechtliche Handhabe.
({0})
Nach den eingeleiteten Ermittlungen sind von den Landesarbeitsämtern und Arbeitsämtern in Bayern keine zwangsweisen Abstellungen erfolgt.
Volkholz ({1}), Anfragender: Es sind beim Arbeitsamt Deggendorf und beim Arbeitsamt Cham Arbeitslose abgestellt und, wenn sie sich geweigert hatten, die Arbeit anzunehmen, mit einer Sperrfrist bedacht worden.
Das ist auch nicht richtig. Wir haben ausdrücklich die dortigen Gebiete durchgekämmt, um festzustellen, was an Ihrer Anfrage untermauert werden kann. Es ist nur ein einziger Fall da, in dem ein langfristig arbeitsloser Maurer aufgefordert worden ist, sich beim Arbeitsamt zu melden. Man hat ihm dabei auf die Karte geschrieben, daß er für den Fall, daß er dieser Meldungsaufforderung nicht nachkomme, eventuell eine Sperrfrist bekäme. Nach der Rücksprache mit dem Mann ist aber eine Vermittlung überhaupt nicht vorgenommen worden, und deshalb konnte auch der Fall nicht eintreten, daß er nachher eine Sperrfrist bekam.
Volkholz ({0}), Anfragender: Am Arbeitsamt Cham sind tatsächlich 15 Fälle vorgekommen, und ich frage den Herrn Bundesminister, ob dagegen eingeschritten werden wird.
Ich darf Sie bitten, mir die Namen der 15, die dort verpflichtet werden sollen, mitzuteilen. Ich werde selbstverständlich über die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung dafür sorgen, daß dem dortigen Arbeitsamtsleiter seine Dienstvorschriften noch einmal in Erinnerung gebracht werden.
({0})
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat die Fragen, die an ihn gestellt sind, beantwortet.
Ich kehre zurück zur Frage Nr. 5. Herr Abgeordneter Arnholz, bitte!
Arnholz ({0}), Anfragender: Herr Staatssekretär, ich bitte um Beantwortung folgender Frage:
Wieweit treffen Pressemeldungen zu, daß im Rechnungsjahre 1951 zum Straßenbau ({1}) von allen unterhaltspflichtigen öffentlich-rechtlichen Körperschaften zusammen weniger als die Hälfte des Aufkommens aus der Kraftfahrzeug- und Mineralölsteuer verwendet wurde?
Wie hoch war dieses Aufkommen, und welche Beträge wurden für Straßenneubau und -unter haltung verausgabt?
Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!
Herr Abgeordneter, ich darf eine Vorbemerkung vorwegschicken: Wir haben für das Jahr 1951 noch nicht die statistischen Zusammenstellungen aller beteiligten Gebietskörperschaften, insbesondere nicht die der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände; aber ich möchte annehmen, daß man aus den Ergebnissen für 1950 die entsprechenden Schlüsse auf 1951 ziehen kann. Die Reinausgaben aller Gebietskörperschaften für Straßenbau und Straßenunterhaltung haben im Rechnungsjahr 1950 nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamts 1 Milliarde 62,8 Millionen DM betragen.
({0})
Man wird also im Jahre 1951 auch etwa 1,05 oder 1,1 Milliarden DM in Ansatz bringen können.
Im Jahre 1950 wurden von diesen Ausgaben gedeckt aus eigenen Einnahmen des Verwaltungszweiges Straßenwesen nur 174 Millionen DM. Der Rest - das waren also 1950 888 Millionen DM - mußte aus allgemeinen Deckungsmitteln bestritten werden.
Für den Straßenbau zweckgebundene Steuereinnahmen gibt es schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr. Die speziellen Steuereinnahmen, an die Sie wahrscheinlich denken - die Einnahmen aus der Kraftfahrzeug- und der Mineralölsteuer -, unterliegen haushaltsrechtlich keiner Zweckbindung für den Straßenbau, weil solche Zweckbindungen aus steuerpolitischen Gründen oft unzweckmäßig sind und aufgegeben worden sind. Es widerspricht dem Grundgedanken der öffentlichen Finanzwirtschaft, die Steuerleistungen einzelner Zweige unter dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung zu betrachten.
Ich darf aber nunmehr die Zahlen nennen, aus denen sich ergibt, daß Ihre Information im ganzen nicht zutreffend ist. Die Kraftfahrzeugsteuer hat im Jahre 1950 erbracht 346 Millionen DM, im Jahre 1951 407 Millionen DM, die Mineralölabgaben insgesamt - soweit sie vom Straßenverkehr aufgebracht wurden - 1950 200 Millionen DM, 1951 rund 500 Millionen DM infolge der Erhöhung der Mineralölsteuer im Januar 1951. Wenn man also diesen Vergleich zwischen den Ausgaben für Straßenbau und Unterhaltung und den Einnahmen aus diesen beiden Steuern machen will - ich sagte schon, das ist finanzwirtschaftlich gar nicht zu({1})
lässig; aber wenn man ihn macht -, dann zeigt sich, daß in beiden Jahren die Ausgaben für den Straßenbau und die Unterhaltung die Einnahmen aus den genannten Steuern überstiegen haben.
Arnholz ({2}), Anfragender: Danke schön.
Keine weitere Frage. Herr Abgeordneter Dr. Friedensburg hat gebeten, die Frage Nr. 6 zurückzustellen.
Zu Frage Nr. 9 hat Herr Abgeordneter Ritzel das Wort.
Ritzel ({0}), Anfragender:
Ist die Bundesregierung über die Schwierigkeiten unterrichtet, die in der sowjetisch besetzten Zone der Zustellung von Paketen und Päckchen bereitet werden?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die in der Bundesrepublik wohnenden Absender solcher Liebesgaben vor dem Verlust ihrer in der Ostzone lagernden Pakete zu bewahren, und was gedenkt sie zu tun, um für eine flüssige Zustellung der für Empfänger in der Ostzone bestimmten Liebesgaben vor Weihnachten zu sorgen?
Der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen!
Herr Abgeordneter Ritzel, auf die Anfrage ist folgendes zu sagen. Die Bundesregierung ist über die Schwierigkeiten, die in der sowjetisch besetzten Zone der Zustellung von Paketen und Päckchen bereitet wurden und, wie wir besorgt sein müssen, auch immer wieder einmal bereitet werden dürften, unterrichtet. Leider untersteht aber das sowjetisch besetzte Gebiet heute noch nicht unserer Regierungsgewalt.
({0})
Die Gefahr, daß Pakete und Päckchen ihren Bestimmungsort nicht erreichen könnten, wird wesentlich verringert, wenn die Absender in der Bundesrepublik sich an die Richtlinien halten, die Presse und Rundfunk auf Veranlassung der Bundesregierung mehrfach verbreitet haben. Ich darf die wesentlichen Punkte wiederholen. Es können nach wie vor Pakete bis zu 7 kg geschickt werden. Dabei sieht die sowjetzonale Verordnung vom 15. Oktober, die ja die Schwierigkeiten ausgelöst hatte, eine Beschränkung des Inhalts in folgender Weise vor: Kaffee, Kakao und Schokolade auf je 250 g und Tabakwaren auf 50 g, neuerdings auch Tee auf 50 g. Auch Fett soll nur in beschränkten Mengen beigegeben werden, und zwar ist zu empfehlen, daß die Fettmenge 1 bis 1 1/2 kg nicht übersteigt und daß sie möglichst verschiedene Fettarten umfaßt. Dabei empfiehlt es sich, den Inhalt der Pakete möglichst vielfältig zusammenzustellen. Gut ist es auch, häufig Päckchen zu schicken.
Bundespost und Berliner Senatspost haben die Behandlung von Geschenksendungen in die Zone sorgfältig beobachtet und tun es pflichtgemäß weiterhin. Nach diesen Beobachtungen scheinen doch die meisten Pakete und die meisten Päckchen ihr Ziel zu erreichen. Bevollmächtigte der Bundespost haben mit zuständigen Stellen der sowjetzonalen Post Regelungen getroffen, Abreden geführt, um den weihnachtlichen Bahnpostverkehr so reibungslos wie möglich zu gestalten. Im übrigen soll sich niemand durch ein kleines Risiko abhalten lassen, so reichlich wie möglich zu spenden und zu senden.
Wir können nur hoffen, daß von den bestehenden Möglichkeiten in größtmöglichem Ausmaß Gebrauch gemacht wird, insbesondere jetzt in der Weihnachtszeit. Geschenksendungen an unsere Freunde und Verwandten in der Sowjetzone sind ja ein überzeugender Beweis der Verbundenheit mit ihnen.
({1})
Ritzel ({2}), Anfragender: Danke, Herr Minister.
Keine weitere Frage.
({0})
- Herr Abgeordneter Renner, Sie haben im Augenblick nicht das Wort zu einer Frage; das hat der Abgeordnete Volkholz zur Frage 10!
({1})
Volkholz ({2}), Anfragender: Ich frage die Bundesregierung:
Wer ist für die Erstattung des Wertes der nach 1945 bis 1949 bei verschiedenen Kraftfahrzeugbesitzern beschlagnahmten Fahrzeuge, insbesondere der Fahrzeuge tschechischen oder sonst ausländischen Fabrikats, zuständig, die in den meisten Fällen - oft schon lange vor vor dem Kriege oder auch während des Krieges - regulär erworben wurden und bei denen vor der Beschlagnahme bereits eine behördliche Schätzung erfolgt war?
Der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums!
Herr Abgeordneter, es handelt sich dabei wohl um die Fälle der sogenannten unechten Restitutionen. Nach deutscher Rechtsauffassung ist für die Erstattung die beschlagnahmende Besatzungsmacht zuständig. Die Besatzungsmächte haben aber bisher eine Entschädigung abgelehnt. Deshalb hat die Bundesregierung schon im Entwurf des Lastenausgleichsgesetzes hierfür eine besondere gesetzliche Regelung geplant, die nach Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes getroffen werden soll. Auch § 366 des nun in Kraft getretenen Lastenausgleichsgesetzes sieht Sondergesetze für derartige Fälle vor. Nach Artikel 5 des VI. Teiles des Vertrags zur Regelung der aus Krieg und Besatzung entstandenen Fragen, der ja noch der Ratifizierung bedarf, hat die Bundesregierung Vorsorge zu treffen, daß die früheren Eigentümer für Reparationen von den Besatzungsmächten beschlagnahmter Werte den Verhältnissen entsprechend entschädigt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Volkholz?
Volkholz ({0}), Anfragender: Sind hier für die Werterstattungen auch abgelieferte ausländische Währungen inbegriffen, wenn Flüchtlinge zum Beispiel ausländische Banknoten abgeliefert haben?
Ich wäre dankbar gewesen, wenn mir die Frage vorher bekanntgegeben worden wäre. Aus der Hand kann ich sagen, daß sich das, was ich gesagt habe, ja nicht nur auf Kraftwagen, sondern auf Beschlagnahmen aller Art bezieht.
Zur Frage 11 Herr Abgeordneter Morgenthaler!
Morgenthaler ({0}), Anfragender:
Ist die Bundesregierung bereit, geeignete Schritte zu tun, um den LKW-Verkehr, dessen Steigerung in hohem Maße die Sonntagsruhe beeinträchtigt und immer mehr erholungsuchende Bevölkerungskreise gefährdet, an Sonn- und Feiertagen auf die Beförderung lebensnotwendiger Güter zu beschränken?
Diese Frage ist zu bejahen. Die Bundesregierung hat leider bisher nur verhältnismäßig unzulängliche Rechtsgrundlagen für ein Vorgehen in der von Ihnen gewünschten Richtung gehabt. Das einzige, was an gesetzlichen Bestimmungen zur Verfügung stand, war bis vor kurzem eine Bestimmung der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung, die auch erst vom vorigen Jahre ist, wonach die Fahrgeräusche und das Auspuffgeräusch das nach dem jeweiligen Stande der Technik unvermeidbare Maß nicht überschreiten dürfen. Darüber hinaus konnte nichts anderes geschehen als eine Erziehungsarbeit, die der Verkehrsminister zusammen mit den Verbänden vorgenommen hat. Man hat im Anschluß an die Deutschlandfahrten Geräuschprüfungen gemacht, und man hat auch ein besonderes Turnier zur Erprobung geräuschdämpfender Mittel in diesem Jahre in Salzuflen veranstaltet.
Wir hoffen, daß das Gesetz über die Sicherung des Straßenverkehrs, welches heute der dritten Lesung entgegensieht, dem Verkehrsminister die Möglichkeit gibt, die dort vorgesehenen Rechtsverordnungen über den Schutz der Nachtruhe und der Erholungsuchenden gegen Störungen durch den Straßenverkehr zu erlassen. Der Verkehrsminister wird dann seine Bemühungen allerdings nicht darauf beschränken, den Lärm am Sonntag zu bekämpfen, sondern auch an Wochentagen.
({0})
Es ist zu berücksichtigen, daß gerade die LKWs am Wochenende im allgemeinen ruhen. Wer da noch mit einem LKW fährt, muß dies aus wirtschaftlichen Gründen - Lebensmittelversorgung, Rohstoffversorgung - tun. Auf der anderen Seite ergeben sich gewisse Schwierigkeiten aus der Tatsache, daß wir jetzt an die 1,5 Millionen Motorräder haben, daß die Besitzer dieser Motorräder ihre Fahrzeuge gerade an Sonntagen in Bewegung setzen und daß diese Leute gerade auch zu den erholungsuchenden Bevölkerungskreisen gehören.
Morgenthaler ({1}), Anfragender: Darf ich eine weitere Frage stellen?
Bevor ich das Wort zur Zusatzfrage gebe, darf ich darauf hinweisen, daß der Antwortende der Herr Staatssekretär Bergemann vom Bundesverkehrsministerium ist. Ich darf ihn damit dem Hause vorstellen.
Morgenthaler ({0}), Anfragender: Wenn ich den Herrn Vertreter des Bundesverkehrsministeriums recht verstanden habe, dann gehen die Bemühungen eigentlich nur darauf hinaus, die Störungen durch Schallwirkungen usw. zu beseitigen. Es kommt mir aber vor allen Dingen darauf an, an Sonntagen überhaupt nur den LKW-Verkehr zuzulassen, der lebensnotwendige Güterbeförderung betrifft, um damit auch dem Autofahrer die nötige Ruhezeit zu geben und den Erholungsuchenden auf der Straße nicht größter Gefährdung auszusetzen.
Eine allgemeine Einschränkung der Lastwagenbewegung zum Wochenende haben wir bisher nicht beabsichtigt, weil wir glauben, daß das zu großen Schwierigkeiten führt.
({0})
- Auch am Sonntag. Die metallverarbeitende Industrie braucht Rohstoffe, die häufig auch am Sonntag gefahren werden müssen. Dasselbe ist zu sagen von der Mineralölindustrie, von der Glasindustrie und von der Papierindustrie. Im übrigen haben wir das Empfinden, daß die Bewegung der Lastkraftwagen am Sonntag keineswegs die ausschlaggebende Störung darstellt.
({1})
Morgenthaler ({2}), Anfragender: Ich habe hier eine Statistik.
Herr Abgeordneter Morgenthaler hat eine Statistik, die er zweifellos weiter verwenden wird.
Herr Abgeordneter Renner zur Frage 14!
Renner ({0}), Anfragender:
Ist den zuständigen Ministerialstellen der Bundesregierung bekannt, daß die Fürsorgeverbände im Land Hessen, in Hamburg und in einer Reihe anderer Länder der Bundesrepublik die von den Landesämtern für Soforthilfe ({1}) gewährten Erziehungsbeihilfen für Lehrlinge bei der Prüfung der Bedürftigkeit des Familienvorstands bzw. der Gesamtfamilie als Einkommen anrechnen und demzufolge die eigenen Wohlfahrtsleistungen um den Betrag dieser Erziehungsbeihilfe kürzen? Welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung zu ergreifen, um sicherzustellen, daß diese Erziehungsbeihilfe an die Person des Lehrlings gebunden bleibt und daß die Bezirksfürsorgeverbände sie nicht zur Senkung ihrer eigenen Ausgaben ausnutzen?
Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern.
Uns ist bekannt, daß Fürsorgeverbände die fürsorgerechtlichen Bestimmungen teilweise so handhaben und auslegen, daß sie zunächst den gesamten fürsorgerischen Bedarf einschließlich der von ihnen zu gewährenden Erziehungsbeihilfen feststellen und dann auf etwa vorhandenes Einkommen auch die von den Ausgleichsämtern gezahlten Erziehungsbeihilfen voll anrechnen, d. h. auch insoweit anrechnen, als diese die von den Fürsorgeverbänden zu gewährenden Erziehungsbeihilfen übersteigen. Solange die gesetzliche Regelung dem nicht eindeutig widerspricht, kann man, da die Fürsorgeverbände als Selbstverwaltungskörperschaften nicht dem Weisungsrecht von Bund oder Land unterliegen, dagegen leider nicht vorgehen.
Um aber auf die Frage zu anworten, welche Maßnahmen beabsichtigt sind, möchte ich erklären, daß solche Maßnahmen bereits eingeleitet sind. Denn da bei dieser Handhabung die Möglichkeit
({0})
besteht, daß Beihilfen, die ausschließlich der Erziehung und Erwerbsbefähigung dienen, auch auf Leistungen des Lebensunterhalts angerechnet werden, hat die Bundesregierung in dem Entwurf eines Gesetzes über die Änderung und Ergänzung fürsorgerechtlicher Bestimmungen vorgesehen, daß solche Leistungen zur Erziehung und Erwerbsbefähigung nur auf gleichartige Fürsorgeleistungen, d. h. also nicht mehr auf solche des allgemeinen Lebensunterhalts angerechnet werden dürfen. Dieser Entwurf liegt zur Zeit dem Fürsorgeausschuß des Bundestags vor. Nach seiner Annahme würde der hier zweifellos bestehende Mißstand behoben sein.
Keine weitere Frage, Herr Abgeordneter Renner? Zur Frage 16 Herr Abgeordneter Hennig.
Hennig ({0}), Anfragender: Ich darf Sie, Herr Postminister, auch wohl für Ihren Herrn Kollegen, den Verkehrsminister, fragen:
Aus welchen Gründen werden bei Bundesbahn und Bundespost die Abiturienten vor den Mittel- und Volksschülern auch dort bevorzugt, wo das Abitur nicht verlangt wird? Ist die Bundesregierung mit dieser Übersteigerung des Berechtigungswesens einverstanden?
Herr Abgeordneter, ich darf zunächst für die Bundespost antworten. Die Frage ist nicht ganz eindeutig. Ich fasse sie zunächst so auf, daß die Deutsche Bundespost für den einfachen und mittleren Postdienst sowie den gehobenen Fernmeldedienst, für die Volksschulbildung bzw. mittlere Reife gefordert werden, angeblich Abiturienten bevorzugt. Das ist nicht der Fall. Abiturienten werden in diesen Laufbahnen nur in den seltensten Ausnahmefällen beschäftigt; eine bevorzugte Berücksichtigung vor Volks- oder Mittelschülern findet in keinem Fall statt. Sollte nun die Frage auf den gehobenen Postverwaltungsdienst allgemein abzielen, - ({0})
- So, dann kann ich das unberücksichtigt lassen.
Und nun für das Verkehrsministerium.
Dann darf ich gleich für das Verkehrsministerium die Antwort geben. - Bei der Deutschen Bundesbahn haben sich für den gehobenen nicht technischen Dienst mehrere hundert Abiturienten beworben. Diese sind zunächst in der Bahnunterhaltung als Arbeiter beschäftigt worden. Da jetzt für den gehobenen nicht technischen Dienst Bewerber wieder eingestellt werden, hat die Deutsche Bundesbahn bevorzugt Abiturienten aus den Reihen dieser Bahnunterhaltungsarbeiter ausgewählt.
Für die Laufbahn des mittleren Dienstes werden bei der Deutschen Bundesbahn ohne Rücksicht auf die Schulbildung in der Regel nur Arbeiter vorgemerkt, die eine mindestens einjährige Eisenbahndienstzeit nachweisen und die Vorprüfung bestanden haben.
Bei der Deutschen Bundesbahn ist kein Fall bekannt, in dem Abiturienten auch für die Laufbahn des mittleren Dienstes vor anderen Bewerbern bevorzugt werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Hennig?
Hennig ({0}), Anfragender: Ich habe diese Nachrichten aus den Händen von Schulleitern, vor allen Dingen Mittelschulleitern, bekommen. Ist die Regierung bereit, diese Unterlagen künftig direkt entgegenzunehmen, wenn ich Sie Ihnen, Herr Minister, übermittle,
({1})
damit die Feststellung nachgeprüft wird, ob wirklich keine solchen Bevorzugungen stattgefunden haben?
Bitte sehr!
Ist erledigt.
Zur Frage 18 Herr Abgeordneter Walter.
Walter ({0}), Anfragender: Meine Frage lautet:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um zu erreichen, daß alle bei den Besatzungsmächten beschäftigten deutschen Arbeitnehmer endlich nach geltendem deutschem Recht behandelt und entlohnt werden?
Bitte, Herr Staatssekretär Hartmann.
Seit der Übernahme der Besatzungslasten auf den Bund hat die Bundesregierung in ihren ständigen Verhandlungen mit den Besatzungsmächten stets den Standpunkt vertreten, daß das deutsche Arbeitsrecht auch auf die bei den Besatzungsmächten beschäftigten deutschen Arbeitnehmer anzuwenden sei und daß die Lohn- und Arbeitsbedingungen für diese Arbeitnehmer entsprechend den Bedingungen geregelt werden müßten, die für sonstige deutsche Arbeitnehmer angewendet werden. Dieser Standpunkt konnte unter der Geltung des Besatzungsstatuts noch nicht in vollem Umfang durchgesetzt werden. Im Entwurf des Truppenvertrages ist eine Regelung erreicht worden, die diesen Grundsätzen in allen wesentlichen Punkten entspricht. Für die Arbeitnehmer soll nach Art. 44 des Truppenvertrages grundsätzlich das deutsche Arbeitsrecht gelten. Ihre Ansprüche können vor den deutschen Arbeitsgerichten geltend gemacht werden. Die Regelung der Arbeitsbedingungen einschließlich der Löhne und Gehälter sowie der Abschluß von Tarifverträgen soll den deutschen Behörden obliegen. Die von diesen abzuschließenden Tarifverträge sollen dann nur noch der Zustimmung der Behörden der Streitkräfte bedürfen.
Aber auch für die Zeit vor der Ratifizierung der Verträge ist die Bundesregierung bemüht, eine Angleichung des Rechtszustandes an die Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechts zu erreichen. Die Besatzungsmächte haben ihre Bereitschaft erklärt, bei den abzuschließenden Verhandlungen über das Tarifabkomrnen auch die grundsätzliche Frage der Rechtsstellung der deutschen Arbeitnehmer zu erörtern. Hierüber werden jetzt Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den Gewerkschaften geführt, die so weit gediehen sind, daß mit
({0})
einem Inkrafttreten zum 1. April 1953 zu rechnen ist.
Keine weitere Frage!
Herr Abgeordneter Niebergall zu Frage 19!
Niebergall ({0}), Anfragender: Meine Frage lautet:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit den Gemeinden, Bauern und sonstigen Betroffenen in Rheinland-Pfalz endlich der Schaden vergütet wird, der laufend dadurch entsteht, daß die Besatzung das von ihr beanspruchte Jagdrecht unsachgemäß ausübt, so daß die erstrebte Begrenzung 'des Wildbestandes nicht erreicht wird?
Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums, bitte!
Der Ausgleich von Wildschäden in den von den Besatzungsmächten in Anspruch genommenen Jagdrevieren war bereits Gegenstand eines Antrags der Föderalistischen Union vom 15. Juli 1952, Drucksache Nr. 3632. Der Haushaltsausschuß hat sich am 18. September 1952 damit befaßt und beschlossen, die Angelegenheit zunächst zurückzustellen, bis die vom Bundesministerium der Finanzen in Aussicht genommene Regelung vorliegt. Wir haben den Entwurf einer Regelung den Bundesressorts und den Finanzministern der Länder zur Stellungnahme übersandt. Die Äußerungen sind eingegangen. Es ist jetzt nur eine nochmalige Erörterung mit den Bundesressorts erforderlich. Wir hoffen, bis zum Januar die Regelung treffen zu können.
Zu Frage 20 Herr Abgeordneter Niebergall.
Niebergall ({0}), Anfragender: Meine zweite Frage lautet:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die durch Panzereinheiten und Fahrzeuge der westlichen Besatzungsmächte verursachten Straßenschäden als entschädigungspflichtige Besatzungsschäden zu verrechnen? Was gedenkt 'die Bundesregierung zu tun, um den betroffenen Gemeinden und Kreisen sofort die ihnen zustehenden Entschädigungen zur Auszahlung zu bringen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Für die Abgeltung der durch Besatzungsfahrzeuge verursachten Straßenschäden gelten die Grundsätze des alliierten Gesetzes Nr. 47. Hiernach besteht eine Entschädigungsverpflichtung zu Lasten des Besatzungskosten- und Auftragsausgabenhaushalts des Bundes in den Fällen, in denen die Straßenbaulast den Gemeinden und Stadtkreisen obliegt. In diesen Fällen werden von den Besatzungsmächten die Zahlungsdokumente ausgestellt und den 'deutschen Behörden zur Auszahlung übergeben. Diese Regelung ist insoweit ausreichend.
Soweit jedoch Besatzungsfahrzeuge Schäden an Landstraßen I. Ordnung, wo Baulastträger die Länder sind, oder an Landstraßen II. Ordnung, wo die Landkreise Baulastträger sind, verursachen, ist eine Entschädigungsmöglichkeit nach dem alliierten Gesetz Nr. 47 nicht gegeben. Daher werden den Ländern für die Beseitigung dieser Schäden aus allgemeinen Bundesmitteln - Einzelplan XXVII - Zuschüsse in Höhe von einem Drittel der nachgewiesenen und von der Landesstraßenverwaltung anerkannten Instandsetzungskosten gewährt.
Ich muß aber hinzufügen, daß diese Ausführungen nur insofern gelten, als es sich um Schäden durch Einzelmaßnahmen handelt, also durch Manöver und militärische Übungen, nicht aber um 'allgemeine Schäden, die durch sogenannte übernormale Abnutzung von Straßen enstanden sind, also durch Befahren mit überschweren Besatzungsfahrzeugen. Hier haben die Besatzungsmächte eine Abgeltungsverpflichtung nicht anerkannt, sondern sind der Ansicht, daß dafür die normale Straßenunterhaltungspflicht einzutreten hat. Wir können derzeit nicht damit rechnen, daß die Besatzungsmächte ihren Standpunkt ändern. Daher prüfen wir zusammen mit dem Bundesministerium für Verkehr, ob und in welchen Fällen, insbesondere bei den häufigen übernormalen Straßenbeschädigungen in der Nähe von Panzerkasernen und militärischen Großanlagen, den Gemeinden und Kreisen aus dem Einzelplan XXVII geholfen werden kann.
Ich möchte hinzufügen, daß sich aus Art. 8 Abs. 5 des Finanzvertrages ergibt, daß nach dem Inkrafttreten dieses Vertrages Schäden an Straßen, die durch übernormale Beanspruchung durch die Streitkräfte entstehen, zu Lasten der Stationierungsmittel abzugelten sind.
Herr Abgeordneter Niebergall, ich schlage Ihnen vor, die Frage 27 gleich mit zu erledigen. Wir haben keine zeitlichen Schwierigkeiten, so daß wir es uns damit erleichtern.
Niebergall ({0}), Anfragender: Meine dritte Frage lautet:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Truppenübungsplatz in der Nähe von Oppenheim/ Rhein ({1}) nunmehr derartig erweitert werden soll, daß dadurch das Naturschutzgebiet 'Knoblauchsau in Mitleidenschaft gezogen wird? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Beschlagnahme dieses Geländes nicht nur wertvolle deutsche Kulturstätten vernichten, sondern darüber hinaus noch die Überschwemmungsgefahr an den alten Rheinschleifen erhöhen würde? Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei den diesjährigen Manövern der Rheindamm in diesem Gebiet an zahlreichen Stellen so beschädigt wurde, daß für weite Teile des Oppenheimer Gebietes Hochwassergefahr droht? Was gedenkt die Bundesregierung in dieser Sache zu unternehmen?
Bitte, Herr Staatssekretär Hartmann.
Der Bundesregierung ist bekannt, daß die amerikanische Besatzungsmacht beabsichtigt, den Truppenübungsplatz in der Nähe von Oppenheim am Rhein zu erweitern, und zu diesem Zweck auf Teile des Naturschutzgebietes Knoblauchsau zurückgreifen will. Von der hessischen Landesregierung sind Vorstellungen bei den zuständigen amerikanischen Dienststellen deswegen erhoben und anderweitige Vorschläge vorgelegt worden. Diese Vorschläge werden zur Zeit von den amerikanischen Dienststellen geprüft. Mit der Entscheidung wird in einigen Wochen zu rechnen sein. Aus diesen Gründen ist im Augenblick kein Anlaß, daß sich die Bundesregierung in die auf Lan({0})
desebene geführten Verhandlungen einschaltet. Sollte das erforderlich werden, so wird das selbstverständlich ungesäumt geschehen.
Frage 22, Herr Abgeordneter Nowack.
Nowack ({0}) ({1}), Anfragender: Ich frage:
Sind der Bundesregierung die Gründe bekannt, die zur Aufhebung der Genehmigung zur Benutzung des Segelfluggeländes am „Türkenberg" bei Hitzacker durch den Luftsportverein Kreis Lüchow/ Dannenberg e. V. geführt haben, und ist die Bundesregierung bereit, gemeinsam mit dem Niedersächsischen Minister für Wirtschaft und Verkehr sich dafür einzusetzen, daß das Segelfluggelände dem Luftsportverein baldigst wieder zur Verfügung gestellt wird?
Herr Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums, bitte.
Beide Fragen sind zu bejahen. Es handelt sich um ein Segelfluggelände an der Grenze zwischen Niedersachsen und Mecklenburg. In der amerikanischen Zone ist ein Sperrgürtel, in dem überhaupt nicht Segelflug betrieben werden darf, von früher 50 und jetzt noch 25 km vorgeschrieben. In der britischen Zone gibt es derartige Beschränkungen nicht. In diesem Falle aber hat die zuständige militärische Dienststelle der britischen Besatzungsmacht nach anfänglicher Genehmigung des Betriebs diese Genehmigung alsbald wieder entzogen, und zwar ausschließlich aus dem Grunde, weil man Differenzen mit den ostzonalen Behörden vermeiden wollte. Wir haben uns gemeinsam mit dem niedersächsischen Ministerium bemüht, eine Wiederzulassung des Segelfluges in diesem Gelände zu erreichen. Ob diesen Bemühungen allerdings ein Erfolg beschieden ist, läßt sich nicht voraussagen. Wir sind in dieser Hinsicht etwas skeptisch.
Stilistisch haben wir bei dieser Aktion allerdings einen Teilerfolg erzielt, den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte. Wir haben nämlich den erneuten Antrag auf Freigabe des Geländes für den Segelflug u. a. damit begründet, daß wir gesagt haben, es handle sich um ein reines Gleitfluggelände, auf dem die startenden Gleitflugzeuge von der dort gegebenen Höhe - das sind 40 m - innerhalb 20 bis 25 Sekunden in nordwestlicher Richtung in die Ebene gleiten. Es wäre selbst einem erfahrenen Segelflieger mit einem Leistungssegelflugzeug nicht möglich, etwa durch Thermik Höhe zu gewinnen und die 6 km entfernte Zonengrenze zu erreichen.
Die Frage ist damit erledigt.
Zur Frage 23 Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Dr. Reismann ({0}), Anfragender: Ich bitte die Bundesregierung, mir zu sagen:
Warum hat sich die Bundesregierung anläßlich des Präsidentenwechsels in Chile nicht durch einen Sonderbotschafter vertreten lassen, wie das die meisten in Santiago vertretenen Mächte taten?
Was ist geschehen, um den ungünstigen Eindruck auszugleichen, den diese Unterlassung in der chilenischen Öffentlichkeit hervorgerufen hat?
Zur Beantwortung an Stelle des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amts der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums.
Herr Abgeordneter! Mit Erlaß vom 24. Oktober dieses Jahres ist dem Botschafter der Bundesrepublik in Santiago, Herrn von Campe, das vom Herrn Bundespräsidenten unterzeichnete Schreiben übersandt worden, durch das er aus Anlaß des Präsidentenwechsels in Chile als Außerordentlicher und Bevollmächtigter Botschafter in besonderer Mission bei dem scheidenden Präsidenten beglaubigt wurde. Gleich den Sonderbotschaftern der übrigen Mächte hat Herr von Campe dem Präsidenten von Chile sein Beglaubigungsschreiben am 2. November dieses Jahres in feierlicher Audienz überreicht. Zu weiteren Mitgliedern der Sondermission waren die Botschaftsräte Ostermann von Roth aus Santiago und Fischer aus Buenos Aires bestellt worden. Außer der Bundesrepublik hatten folgende Mächte ihre örtlichen Vertreter zum Chef ihrer Sondermission bestellt: Der Heilige Stuhl, Belgien, China, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Italien, Kanada, die Niederlande, Norwegen, österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz und die Türkei. Unter den in Santiago ansässigen Missionen hatte die der Bundesrepublik dank der frühzeitigen Anmeldung protokollarisch den zweiten Platz inne. Es ist uns nicht bekannt und kann, glaube ich, nach diesem Sachverhalt auch nicht angenommen werden - und damit komme ich auf den zweiten Absatz der Anfrage -, daß irgendein ungünstiger Eindruck in Chile entstanden sei.
Dr. Reismann ({0}), Anfragender: Danke schön.
Zu Frage 24 Herr Abgeordneter Dr. Reismann!
Dr. Reismann ({0}), Anfragender:
Was ist in Durchführung des im April 1952 vom Herrn Bundesminister des Innern vor dem Bundestag abgegebenen Versprechens geschehen, in aller Kürze den Ausbau des Referates Kriegssachgeschädigte vorzunehmen?
Ferner bitte ich, mir zu sagen:
Welche Stellen gibt es heute und gab es im April 1952 in dem Referat Kriegssachgeschädigte?
Der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, bitte!
Im April 1952 standen für das mit den Fragen der Kriegssachgeschädigten befaßte Referat eine Regierungsdirektor- und eine Amtsrats-stelle zur Verfügung. Wie ich bereits durch das an den Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestags gerichtete Schreiben vom 12. November 1952, das Sie auf Drucksache Nr. 3886 finden, mitgeteilt habe, ist inzwischen im Ergänzungshaushalt 1951 der Bedeutung des Referats entsprechend die Stelle des Referatsleiters von A 1 b nach A 1 a, also von einer Regierungsdirektorstelle zu einer Ministerialratsstelle, gehoben worden. Ferner wurde für dieses Referat im Ergänzungshaushalt 1951 zusätzlich eine neue Regierungsamtmannsstelle geschaffen. Um den angewachsenen Aufgaben des Referats weiter Rechnung zu tragen, ist im Nachtragshaushalt 1952 außerdem noch eine neue Oberregierungsratsstelle beantragt worden. Zur Zeit sind in die({0})
sem Referat ein Beamter des höheren Dienstes und ein besonders erfahrener Beamter des gehobenen Dienstes tätig. Obwohl die zweite Stelle des höheren Dienstes erst im Nachtragshaushalt vorgesehen ist, wird ein zweiter Beamter des höheren Dienstes durch die Inanspruchnahme einer anderen Stelle unseres Hauses bereits Anfang Januar 1953 dem Referat zugeteilt werden. Der zweite Beamte des gehobenen Dienstes, von dem ich vorhin sprach, wird in Kürze seinen Dienst aufnehmen.
Das Referat wird dann mit zwei Beamten des höheren Dienstes und zwei Beamten des gehobenen Dienstes besetzt sein. Ich bin der Auffassung, daß das Referat mit dieser Besetzung den zur Zeit in ihm anfallenden Aufgaben gerecht werden wird.
Dr. Reismann ({1}), Anfragender: Danke schön.
Zur Frage 25 Herr Abgeordneter Mehs!
Mehs ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesfinanzminister:
Ist in absehbarer Zeit mit der Vorlage eines Bundesgesetzes zur Regelung der Lohnforderungen gegen die ehemalige Wehrmacht zu rechnen?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter! Es liegt zur Zeit ein Gesetzentwurf über die Anmeldung und Feststellung von nicht verbrieften Forderungen gegen das Deutsche Reich und gegen andere frühere öffentliche Rechtsträger in unserem Hause in Bearbeitung. Gleichzeitig wird ein Ergänzungsgesetz zum Wertpapierbereinigungsgesetz vorbereitet, durch das auch die verbrieften Forderungen gegen das Reich in das Wertpapierbereinigungsverfahren einbezogen werden sollen. Es ist beabsichtigt, beide Gesetze den gesetzgebenden Körperschaften noch während der laufenden Legislaturperiode zuzuleiten. Durch diese Gesetze soll der Gesamtschuldenstand des Reiches ermittelt und damit die Voraussetzung für die endgültige Bereinigung der Reichsschulden geschaffen werden. Die Regelung der Lohnforderungen gegen die ehemalige Wehrmacht wird im Rahmen dieser künftigen bundesgesetzlichen Lösung des Problems der Reichsschulden vorgenommen werden.
Mehs ({0}), Anfragender: Ich danke!
Keine Zusatzfrage!
Frage 26! Herr Abgeordneter Dr. Henn!
Dr. Henn ({0}), Anfragender:
In welcher Weise ist durch die in Frage kommenden Bundesministerien, den Herrn Bundesminister für Vertriebene, den Herrn Bundesminister des Innern und den Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, durch entsprechende Vereinbarungen mit den Ländern dafür Vorsorge getroffen worden, daß die Zuwanderer aus der sowjetischen Besatzungszone, die ihren Zuzug in das Bundesgebiet in Landeszuständigkeit erhalten, mindestens nach genau den gleichen Grundsätzen überprüft werden wie die Zuwanderer aus der sowjetischen Besatzungszone, die durch das Notaufnahmeverfahren laufen? Werden Nutznießer und Förderer des Systems der sowjetzonalen Machthaber bei ihrer Zuwanderung in das Bundesgebiet über Landeszuständigkeit besonders streng überprüft?
Findet die gleiche sorgfältige Überprüfung bei Personen gleicher oder ähnlicher Art statt, denen durch Vermittlung alliierter Dienststellen der Zuzug in das Bundesgebiet ermöglicht wurde?
Ich bitte Herrn Staatssekretär Bleek!
Herr Abgeordneter! Ich darf vielleicht zunächst auf den ersten Teil Ihrer Anfrage antworten. Es handelt sich dabei um eine Materie, für die sowohl die Zuständigkeit des Bundes als auch die Zuständigkeit der Länder gegeben ist. Auf Zuwanderer aus der sowjetisch besetzten Zone, die Zuzug für das Bundesgebiet in Landeszuständigkeit erhalten, finden die Grundsätze der bundesgesetzlich geregelten Notaufnahme keine Anwendung. Die Notaufnahme erfolgt wegen einer Gefahr für Leib und Leben oder aus sonstigen zwingenden Gründen durch besondere Zuweisungsbescheide. Daneben erteilen die Länder in eigener Zuständigkeit Zuzugsgenehmigungen, beispielsweise aus Gründen der Familienzusammenführung oder des Facharbeiterbedarfs. Auch das Verfahren für die Erteilung solcher Zuzugsgenehmigungen bestimmen die Länder. Die von ihnen bestimmten Behörden, in der Regel die obersten Landesbehörden, sind für die sicherheitsmäßige Überprüfung der Zuwanderer aus der sowjetischen Zone verantwortlich. Sie bedienen sich dabei in der Regel der Landesämter für Verfassungsschutz und der Dienststellen der Landeskriminalpolizei. Sie können sich ferner nach der gesetzlich festgelegten Verpflichtung zur Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und der Kriminalpolizei auch der Mitwirkung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes bedienen. Diese Zusammenarbeit wird in regelmäßigen Zusammenkünften zwischen den Vertretern dieser Bundesbehörden und den Vertretern der Länder vertieft.
Ich darf zum weiteren Teil der Frage bemerken, daß die gleichen Gesichtspunkte, und zwar in sehr verschärftem Maße, für die Überprüfung der Nutznießer und Förderer des Systems der sowjetischen Machthaber bei ihrer Zuwanderung in das Bundesgebiet über die Landeszuständigkeit gelten.
Was die letzte Frage angeht, so habe ich darauf hinzuweisen, daß im Augenblick das Besatzungsstatut noch in Kraft ist. Dieses gibt den deutschen Behörden zur Zeit keine Handhabe - das ist zu bedauern -, den Zuzug solcher Personen zu verhindern, der auf Veranlassung alliierter Dienststellen stattfindet.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!
Dr. Henn ({0}), Anfragender: Herr Staatssekretär! Sehen Sie die Möglichkeit, in den beiden ersten Fällen noch zusätzliche Überprüfungen durchzuführen, die zweifellos dringend notwendig sind?
Ich stimme Ihnen, Herr Abgeordneter, unbedingt darin zu, daß zusätzliche und verstärkte Prüfungen notwendig sind, und darf erklären, daß wir insofern Möglichkeiten sehen, als das Bundes({0})
ministerium des Innern den Ländern dringend nahelegen und das auch in Besprechungen entsprechend unterstreichen wird, daß in Zukunft bei der Erteilung der Zuzugsgenehmigung die Landesämter für Verfassungsschutz mehr als bisher eingeschaltet werden sollen und daß auch eine bessere und intensivere Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz vorgenommen wird.
Die Frage ist erledigt. Zur letzten Frage - Frage 28 - Herr Abgeordneter Frommhold.
Frommhold ({0}), Anfragender:
Herr Staatssekretär, ist in Ihrem Hause bekannt, daß bei den Wohnungsbauten für die Beamten des Zollgrenzschutzes, die erfreulicherweise im Zonengrenzgebiet errichtet werden, handwerkliche Verdingungen wie Maler-, Schreiner- und andere handwerkliche Arbeiten von ortsfremden Firmen ausgeführt werden, während die ortsansässigen Handwerker in den Zonengrenzgebieten unberücksichtigt bleiben, obwohl der Bundestag zu wiederholten Malen den ausdrücklichen Wunsch geäußert hat, daß öffentliche Aufträge bevorzugt an Bewohner dieser Gebiete vergeben werden?
Und zutreffendenfalls:
Was gedenkt der Herr Bundesminister zu tun, damit in Zukunft bei Vergebung öffentlicher Aufträge in den Zonengrenzgebieten bevorzugt die dort ansässige, bekanntermaßen um ihre Existenz besonders hart ringende Wirtschaft bedacht wird?
Bitte, Herr Staatssekretär!
Herr Abgeordneter! Die auftragvergebenden amtlichen Baudienststellen sind bei Vergabe von Bauarbeiten angewiesen und nach der Verdingungsordnung für Bauleistungen verpflichtet, möglichst nur ortsansässige Firmen zur Angebotsabgabe heranzuziehen. Nur wenn Ringbildung bei einheimischen Firmen zu befürchten ist und wenn es sich um größere Objekte handelt, sind auswärtige Firmen neben den ortsansässigen mit zur Angebotsabgabe heranzuziehen. Die amtlichen Baudienststellen haben diese Bestimmungen stets eingehalten, und berechtigte Beschwerden sind bisher nicht bekanntgeworden.
Es gibt aber vielleicht Grenzfälle, an die Sie denken, Herr Abgeordneter. Der Bund ist nicht in der Lage, alle Wohnungsbauten für den Zollgrenzdienst mit eigenen Mitteln ganz zu finanzieren. Daher werden viele Wohnungsbauten für den Zollgrenzdienst nicht vom Bund selbst durchgeführt, sondern durch sogenannte Bauträger mit Hilfe von Bundesdarlehen; also die Bauträger werden Eigentümer der Gebäude. Die Ausführung dieser Darlehnsbauten liegt dann nicht in den Händen der amtlichen Baudienststellen, sondern die Bauträger, die meist private Wohnungsbaugesellschaften sind, lassen ihre Bauten durch freie Architekten ausführen. Die amtlichen Stellen haben dann auf die Vergabe der Arbeiten nur insofern Einfluß, als in den allgemeinen Bestimmungen für den sozialen Wohnungsbau die Bauträger verpflichtet sind, ebenso wie die amtlichen Baudienststellen zu verfahren.
Wenn nun hier Mißstände eingetreten sind, dann werden wir selbstverständlich derartige Fälle in jedem Einzelfall nachprüfen. Ich wäre dankbar, wenn Sie mir diese Einzelfälle benennen würden.
Frommhold ({0}), Anfragender: Das will ich gern tun.
Auch diese Frage ist erledigt. Damit ist Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, entsprechend einer Vereinbarung im Ältestenrat schlage ich Ihnen vor, jetzt zunächst den Punkt 12 der Tagesordnung zu erledigen, mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der Ausschußberatung, die noch heute stattfinden soll. Ich rufe also auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes ({0})
({1}).
Die Regierung verweist auf die schriftliche Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf eine allgemeine Aussprache erster Beratung vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Die Überweisung ist erfolgt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 2 a, b und c der gedruckten Tagesordnung auf:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der FU ({2}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes ({3});
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/ DPB eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes ({4});
c) Erste Beratung des von der Fraktion der DP/ DPB eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes ({5}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von je höchstens 10 Minuten und eine Aussprachezeit von insgesamt 60 Minuten vor. - Das Haus ist mit dieser Begrenzung der Aussprache einverstanden.
Zur Begründung des von der Föderalistischen Union beantragten Gesetzentwurfs Herr Abgeordneter Dr. Bertram!
Dr. Bertram ({6}) ({7}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Den Gesetzentwurf zur Änderung des Steuerrechts haben wir kurze Zeit vor einem gleichartigen Gesetzentwurf der Koalitionsparteien vorgelegt, weil wir nunmehr hoffen durften, daß sich jetzt auch die Koalitionsparteien über die Unvermeidlichkeit einer gewissen Änderung des Steuerrechts in der Linie einer Ermäßigung der Steuersätze klargeworden sind.
Die sogenannte organische Steuerreform, von der wir auch von dieser Stelle aus eine Menge gehört haben, wird wohl von diesem Parlament nicht
({8})
durchgeführt werden können; ihre Durchführung wird überhaupt noch sehr lange auf sich warten lassen müssen, weil das Unterfangen zu schwierig ist. Bedauerlich ist die Unterlassung der organischen Steuerreform vor allem wegen des geltenden Umsatzsteuerrechts, das ja die bekannte Ungerechtigkeit enthält, die in der Begünstigung der mehrphasigen Betriebe im selben Unternehmen besteht. Das ist zwar für einzelne Betriebssparten beseitigt worden; aber es ist bei dem oft erwähnten Beispiel der Eisenindustrie nach wie vor nicht möglich gewesen, eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung von verschiedenen, d. h. von mehreren gleichartigen Geschäftsvorfällen herbeizuführen.
Der Tarif, wie wir ihn in unserem Gesetzesantrag als Kernpunkt vorgeschlagen haben, deckt sich mit dem, den wir 1950 bei den damaligen Beratungen zum Einkommensteuergesetz vorgelegt hatten. Die Regierungsparteien hatten aber damals mehr Wert auf die sogenannten Begünstigungen, d. h. auf die Begünstigungen für bestimmte Steuerpflichtige gelegt, und sie hatten diesen Weg der Schonung der breiten Masse der Steuerpflichtigen vorgezogen. Die Folge dieses Vorgehens unserer Steuergesetzgebung in der gesamten Legislaturperiode ist im wesentlichen die Restitution des Altbesitzes Schmölders kennzeichnet unser Steuersystem dahin, daß es eine gewisse Privilegierung derjenigen bringt, die durch die Gestaltung ihres steuerlichen Gewinns mit Hilfe der Periodenabgrenzung, auf Grund von Abschreibungen, durch Verlustvortrag und durch die Gestaltung abzugsfähiger Betriebsausgaben gegenüber den Lohnsteuerpflichtigen und den nicht buchführenden Veranlagten eindeutig bevorrechtigt werden. Diese Privilegierung eines bestimmten Kreises der Steuerpflichtigen ist von der Regierung mit Änderungsgesetz zum Einkommensteuergesetz von 1951 durch den Fortfall der §§ 7 a und b teilweise abgebaut worden; sie ist jedoch durch die §§ 7 c und d aufrechterhalten und durch die Einführung des Plafonds mit 80 %, durch den Fortfall der sogenannten Warenhausumsatzsteuer, durch die Steuerfreiheit und die Steuerermäßigung, die im Rahmen des Kapitalmarktförderungsgesetzes dem Finanzkapital zugute gekommen ist, verstärkt worden.
Inzwischen macht sich eine wachsende Einsicht geltend, daß diese Privilegierung bestimmter Pflichtiger auf die Dauer unhaltbar ist. Bundesfinanzminister Schäffer hat angekündigt, daß er eine lineare Senkung des Steuertarifs erwäge. Er bedenkt offenbar die im kommenden Jahr vor uns stehenden Wahlen. Der Antrag der Regierungskoalition selbst ist nämlich zum Unterschied von dieser Ankündigung des Bundesfinanzministeriums von der allgemeinen Entwicklung der steuerlichen Betrachtungsweise völlig unberührt und zeigt von dieser neueren Tendenz noch nichts.
Die weitere Folge des bisherigen Steuersystems ist die starke Vermögensansammlung in alten Betrieben, während neuerdings Flüchtlinge, Totalgeschädigte, Evakuierte und Heimkehrer nicht begünstigt werden konnten. Wir haben deshalb die Wiedereinführung der §§ 7 a und e für die Kriegsgeschädigten beantragt. Die Konsequenz des gesamten Begünstigungssystems ist, daß bei einer Reihe von Steuerpflichtigen eine starke Vermögensansammlung stattgefunden hat, daß sich zwar Arbeitsplätze bei diesen Steuerpflichtigen gebildet haben, daß aber - und ich glaube, das ist das Entscheidende -- das aus Steuerbegünstigungen stammende Eigentum an den Produktionsmitteln nicht denjenigen zugeflossen ist, denen es nach den Regeln einer sozialen Marktwirtschaft zufließen müßte, nämlich den Konsumenten, sondern denjenigen, die durch die Überwälzung der Steuern mit Hilfe der Preisgestaltung sich das Eigentum an diesen Produktionsmitteln beschaffen konnten. Es ist also keinerlei Argument für die Beibehaltung des Begünstigungssystems, daß Arbeitsplätze geschaffen worden sind. Arbeitsplätze hätten so oder so geschaffen werden können und müssen, auch wenn die entsprechenden Beträge den Konsumenten zugeflossen wären und von diesen über die Kapitalsammelstellen an die Betriebe im Darlehnswege oder im Wege der Aktienfinanzierung vergeben worden wären. Entscheidend für die Betrachtung der Gerechtigkeit des Steuersystems ist das Problem der Steuerüberwälzung. Werden Begünstigungen allgemein gewährt, besteht eine allgemeine Tendenz, diese in die Preise einzukalkulieren und damit in der Konkurrenz als Kostenfaktor die steuerlichen Begünstigungen mit einzusetzen. Das heißt, die Preise werden so gestellt, daß die steuerlichen Begünstigungen auch in voller Höhe verdient werden. Es zeigt sich also, daß das Steuersystem der Begünstigung eine immanente preistreibende Wirkung mit sich bringt.
Die steuerliche Gerechtigkeit verlangt demgegenüber die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit unter genauer Beobachtung etwaiger Steuerüberwälzung, damit der wahre Steuerträger überhaupt erkannt werden kann. Der Steuerzahler und der Steuerträger fallen ja weit auseinander. Die Steuerüberwälzung ist bei den meisten Steuern weitgehend durchgeführt. Dies gilt vor allem für die Körperschaftsteuer, bei der die gleichartige Betriebsstruktur der körperschaftsteuerpflichtigen Betriebe es möglich gemacht hat, daß diese Körperschaftsteuer als Kostenelement in den Preis eingeht und auf den letzten Käufer überwälzt wird, also keineswegs das Einkommen der Körperschaftsteuerpflichtigen nachhaltig belastet.
Die Steuerprogression des Einkommensteuertarifs ist demgegenüber eine Maßnahme, die individuell verschiedene Einkommen bei der Einkommensteuer erfaßt. Eine Einkalkulation in die Preise ist sehr viel schwieriger als bei jeder anderen Steuer, z. B. auch bei der Körperschaftsteuer, da der Anfänger mit niedrigem Einkommen keine Veranlassung haben wird, hohe Steuerprogressionssätze eines großen Konkurrenten in seine Preise einzukalkulieren. Die Steuerprogression bietet außerdem die Möglichkeit, daß die Berücksichtigung des Existenzminimums, die Belastung mit indirekten Steuern und die Belastung mit notwendigen Ausgaben wie Altersvorsorge und dergleichen mit in den Tarif eingebaut werden können. Es wäre im höchsten Grade dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit widersprechend, wenn derjenige in gleicher Höhe zur Steuer herangezogen würde, der für notwendige Konsumausgaben nur einen geringen Teil auszugeben hat und den die indirekten Steuern wegen der relativen Höhe seines Einkommens nur geringfügig treffen im Verhältnis zu demjenigen, der bereits durch diese Umstände vorbelastet ist. Es ist deshalb so, daß der Kampf gegen die Progression oder die lineare Senkung der Progression zu einer verstärkten Ungerechtigkeit führen muß.
Die Folge des bisherigen Steuersystems ist eine Steuerdegression je nach der Höhe des Einkommens. Bei 100 Millionen DM Einkommen insgesamt ist auf dem Wege über die Begünstigung eine Steuerersparnis natürlich in wesentlich höherem
({9})
Maße möglich als bei 10 000 DM Einkommen. Eine Folge davon ist, wie bereits zu Anfang ausgeführt, die Restitution des großen Altbesitzes.
Die Tatsache, daß die Großwirtschaft durchweg in Körperschaften organisiert ist, hat die Körperschaftsteuer, wie gesagt, zu einem Kostenelement werden lassen. Wenn wir einmal davon ausgehen, daß im letzten Jahre rund 3 Milliarden DM Körperschaftsteuer aufgekommen sind und das gesamte Kapital der Körperschaftsteuerpflichtigen rund 20 Milliarden DM beträgt, so bedeutet das bei einem Steuersatz von 60 %, daß 5 Milliarden steuerpflichtiges Einkommen erklärt worden ist, also im Verhältnis zum Kapital eine steuerliche Rendite von 25 %. Wenn man noch die Absetzungen für Begünstigung hinzurechnet, ergibt sich eine steuerliche Rendite von über 25 %. Dieser Satz ist im wesentlichen in die Preise eingegangen und hat den Konsumenten entsprechend belastet.
({10})
- Herr Präsident, darf ich die Redezeit meiner
Fraktion für die Diskussion gleich mitverwenden?
Wenn Sie die Redezeit Ihrer Fraktion gleich mitverwenden wollen, - bitte schön!
Dr. Bertram ({0}) ({1}), Antragsteller: Wenn wir deshalb davon ausgehen, daß wir die Körperschaftsteuer für den Fall der Ausschüttungen auf 20 % senken wollen, so ergibt sich die Möglichkeit einer wesentlichen Entlastung des gesamten Preisgefüges. Bei Ausschüttungen nach unserem Antrag, und zwar wenn das gesamte Einkommen der Körperschaften ausgeschüttet würde, würde sich ein Steueraufkommen von einer Milliarde DM ergeben. Dazu würden aber die ausgeschütteten Beträge zusätzlich der Einkommensteuer unterliegen. Diese Beträge machen 3,4 Milliarden DM aus, nämlich 5 Milliarden Einkommen minus 1 Milliarde Steuer minus 600 Millionen, die bereits jetzt ausgeschüttet werden, so daß insgesamt bei einem Einkommensteuersatz von 50 bis 60 % 1,7 bis 2,4 Milliarden noch zusätzlich aus Einkommensteuer aufkommen würden. Bei einer Senkung der Körperschaftsteuer für die ausgeschütteten Beträge auf 20 % würde also kein Ausfall für den Bundeshaushalt eintreten.
Neben der Möglichkeit starker Preisermäßigungen würde sich aber vor allem auch folgendes ergeben. Die jetzige Situation führt dazu, daß regelmäßig jährlich Milliardenbeträge in der Großwirtschaft, die körperschaftlich organisiert ist, zusammengeballt werden, während der einzelne Teileigentümer der Großbetriebe, insbesondere der einzelne Aktionär, praktisch nichts oder kaum etwas aus dem Betrieb erhält. Das Vermögen in den Firmen vermehrt sich von innen heraus. Eine quasi-sozialistische Führerschicht bemächtigt sich dieses in den großen Körperschaften durch das verfehlte Steuersystem angesammelten Besitzes und verfügt über die entsprechende Macht. Hier liegt ein typischer Fall der durch das Steuersystem hervorgerufenen Machtzusammenballung in den großen Körperschaften und damit eine der Wurzeln des Manager -Sozialismus vor, den wir überall, auch in diesem Fall, bekämpfen.
Wir haben ferner den Antrag gestellt, den Tarif zu ändern. Dabei haben wir unseren Tarif unter Anpassung an das geänderte Preisniveau an den Tarifvorschlag von 1938 angeglichen. Wenn man noch den § 55 des Einkommensteuergesetzes von 1928 sieht, wo bei 8000 RM nur 10 % Steuern zu bezahlen waren, dann kann man heute natürlich nur lächeln. Aber auch der Tarif von 1938, auf dem wir unseren Vorschlag aufbauen, war doch in Vorbereitung auf die großen Rüstungsaufgaben, die sich damals das „Dritte Reich" vorgenommen hatte, eine außerordentlich starke Belastung. 1938 ist als Vergleichsjahr mit heute deshalb gut geeignet, weil das Sozialprodukt im Jahre 1938 ungefähr dasselbe war wie 1951, das Steueraufkommen jedoch in bezug auf Einkommen- und Körperschaftsteuer wesentlich höher lag als 1951. 1938 betrug die Summe von Einkommen- und Körperschaftsteuer 5,6 Milliarden RM, während die Summe von Einkommen- und Körperschaftsteuer 1951 nur 5,1 Milliarden DM betrug, obwohl wir 1951 wesentlich höhere Sätze hatten. Bei der Körperschaftsteuer hatten wir allein um 50 % höhere Sätze. 1938 war die Gesamthöhe des Steueraufkommens 7,7 Milliarden RM, 1951 8,1 Milliarden DM. Insgesamt waren es also ganz ähnliche Proportionen. Schon aus diesem Grunde rechtfertigt sich innerlich die Rückkehr zum Tarif von 1938. Der Unterschied zwischen dem Tarifvorschlag, den wir gemacht haben, und dem von 1938 liegt vor allem darin, daß wir ihn an die veränderte Kaufkraft angepaßt haben, insbesondere die Freibeträge entsprechend erhöht haben. Es muß ferner dabei berücksichtigt werden, daß 1938 die indirekten Steuern wesentlich niedriger waren. Während sie damals pro Monat und Arbeiterhaushalt nur eine Belastung von 12 Mark ergaben, ergeben sie heute pro Monat und Arbeiterhaushalt eine Belastung von 40 DM. Man muß also, um einen Steuervergleich durchzuführen, von folgendem ausgehen: Bei einem Jahreseinkommen von 3600 DM sind 84 DM Steuern zu zahlen; dazu kommen 480 DM indirekte Steuern, also 564 DM bei einem Jahreseinkommen von 3600 DM, während aber beispielsweise ein Steuerpflichtiger, der 100 000 DM Jahreseinkommen hat, 57 290 DM Steuern zu zahlen hat, zuzüglich 480 DM indirekte Steuern. Das macht nur 3/4 % seines gesamten Steuersolls aus, während der Steuerpflichtige mit einem Steuersatz von 84 DM zuzüglich 400 % für indirekte Steuern aufzubringen hat.
Man muß also gerade bei diesen niedrigen Einkommen - und das beweisen die Zahlen besonders deutlich - die Steuern in viel stärkerem Maß als bei den hohen Sätzen senken. Diese Überlegung spricht zwingend gegen die sogenannte lineare Senkung, wie sie der Bundesfinanzminister vorhat.
Auch die mittleren Einkommensteuerstufen müßten mit Rücksicht darauf, daß einmal gerade bei diesen Steuerstufen die indirekte Steuerbelastung noch relativ hoch ist, und zum zweiten, weil gerade diese Steuerstufen in besonderem Maße Konsumverzicht auf sich nehmen, eine starke Entlastung erfahren.
Meine Damen und Herren, auf dem Anzeigeglas steht schon wieder „Schluß", nach wenigen Minuten, wenn man kaum in den Anfängen der Ausführungen ist.
({2})
- Bei der kurzen Redezeit, die unserer Fraktion zusteht, muß ich die Ausführungen schon wieder beenden.
({3})
Ich darf aber vielleicht deshalb nur noch den Schlußsatz anfügen, den ich mir Ihnen vorzutragen vorgenommen hatte, daß nämlich die Besteuerung heutzutage im allgemeinen das Handeln der im
({4})
Wirtschaftsleben stehenden Menschen stärker beeinflußt als irgendeine andere geld- oder wirtschaftspolitische Maßnahme. Dabei ist neben der Steuervermeidung und der Steuerüberwälzung vor allem auch die Investitionsplanung von der Art der Besteuerung abhängig. In dieser Hinsicht müssen auch entsprechende steuerliche Maßnahmen durchgeführt werden. Auf die haushaltsmäßigen Auswirkungen unserer Vorschläge kann ich leider nicht eingehen, weil meine Redezeit schon abgelaufen ist.
({5})
Zur Begründung des Gesetzentwurfs unter Punkt 2 b der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU,, FDP, DP/ DPB eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes ({0}) ({1}),
hat der Abgeordnete Neuburger das Wort.
Neuburger ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich verspreche Ihnen, mich etwas kürzer zu halten.
({3})
Die beiden Gesetzentwürfe überschneiden sich ja teilweise.
({4})
- Ach, das weniger; aber es ist so: Wenn Sie schon von Thema sprechen, lieber Kollege Koch, muß ich Ihnen sagen, daß sich tatsächlich zu diesem Thema sehr, sehr viel sagen läßt,
({5})
und zwar sehr viel pro. Es läßt sich auch etwas contra sagen; aber ich glaube nicht, daß wir heute im Zusammenhang damit eine große steuerpolitische Debatte heraufbeschwören wollen; denn dieser Entwurf, den wir hier vorlegen, stellt tatsächlich nur ein Stückwerk dar.
({6})
Wir sind uns, wie gesagt, über die Unzulänglichkeiten durchaus im klaren. Das braucht man uns also nicht erst zu bestätigen; aber es tut not, daß wir einige Dinge auf steuerlichem Gebiet vorwegbereinigen, und diesem Ziele dient dieser Antrag. Ein Großteil dessen, was hier beantragt wird, hatte bereits einmal Gesetzeskraft, und wenn es im Jahre 1951 weggefallen ist, so nicht deshalb, weil es für unsere Steuerpolitik und unsere Wirtschaftspolitik schädlich war, sondern deshalb, weil es - aus der damaligen wirtschaftlichen Situation heraus gesehen - seinen Zweck erfüllt hatte. In der Zwischenzeit hat sich die wirtschaftspolitische Lage wieder geändert, und wir haben in diesem Hohen Hause schon wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß wir dringend etwas tun müssen, um den Kapitalmarkt zu fördern und damit unsere wirtschaftlichen Betriebe kapitalmäßig zu stärken; denn ohne gesicherte und feste und gesunde Kapitalgrundlage gibt es keine gesunde Wirtschaftsentwicklung.
Der § 10 a, den wir nunmehr wieder einführen wollen, dient diesem Zweck. Das Kapitalmarktförderungsgesetz, das wir beschlossen haben, soll die Mittel den größeren Unternehmen zur Verfügung stellen, die auf den Kapitalmarkt gehen können, während der gesamte Mittelstand diese Möglichkeit erfahrungsgemäß nicht hat. Wollen
wir dem Mittelstand helfen, wollen wir seine : Kapitalgrundlage fördern, dann gibt es nur zwei Wege: entweder von seiten der öffentlichen Hand dem Mittelstand Kredite zu geben oder ihm zumindest eine gewisse Chance der Selbstfinanzierung zu geben. Wenn wir die Wahl haben, zuerst Steuern zu kassieren und dann nachher wieder Kredite der öffentlichen Hand zu geben, dann wollen wir doch lieber den einfacheren und billigeren Weg wählen, die Steuern gleich nicht zu erheben und die Steuerbegünstigung nur unter der Voraussetzung zu geben, daß diese Mittel zur Förderung und Gesundung des Betriebs verwendet werden. Es geht also hier nicht darum, daß wir gewisse Kreise steuerlich begünstigen wollten, sondern wir wollen nur nicht den Umweg machen, daß wir den Leuten vorher die Steuern nehmen und dann wieder Kredite der öffentlichen Hand geben. Wir wollen vielmehr sagen: Wenn du den und den Teil deiner Gewinne so und so verwendest, dann bekommst du eine Steuerbegünstigung. Das allein ist Sinn, Zweck und Ziel des § 10 a, und daß er diese Aufgabe erfüllt hat, dafür ist die Wirtschaftsentwicklung der Jahre 1950 und 1951 der beste Beweis.
Der Entwurf enthält des weiteren einige Bestimmungen, die im Interesse der steuerlichen Gleichheit erforderlich sind. Wir haben bei den Kapitalansammlungsverträgen und den Sonderausgaben die Gleichstellung durchgeführt. Bisher konnten diese Vergünstigungen von den Arbeitnehmern und den Angehörigen der freien Berufe in Anspruch genommen werden. Nunmehr sollen diese Möglichkeiten allen Steuerpflichtigen gegeben werden.
Dann ein Thema, zu dem sich, wie gesagt, auch stundenlang pro und contra reden läßt: die Frage der Zusammenveranlagung von Ehegatten. Wir haben bisher im Gesetz die Bestimmung, daß die Ehefrau, wenn sie in einem fremden Betrieb arbeitet, steuerlich getrennt veranlagt wird. Diese Regelung soll ausgedehnt werden auf den Ehegatten, der in einem fremden Betrieb arbeitet, so daß auch ihm gegenüber die steuerliche Veranlagung getrennt erfolgt.
§ 32 b hat, wie Sie alle wissen, nur das Ziel, die Betriebe, die in der Form der Personalgesellschaft geführt werden, steuerlich den Betrieben gleichzustellen, die in der Form der Kapitalgesellschaft betrieben werden. Auch das ist ein echtes Anliegen, und der § 32 b, wie er uns jetzt vorliegt, soll dieses Ziel besser verwirklichen.
Ich komme sodann zur Steuerermäßigung für Mehrarbeit sowie zur Plafondermäßigung von 80 auf 70 %. Zu. den Hauptkapitalien, die wir als Volk besitzen, gehört unsere Leistungskraft, unser Leistungswille. Es ist steuerlich völlig verkehrt und geradezu paradox, diesen Leistungswillen progressiv in der Weise, wie wir es tun, zu besteuern. Daher ist es ein Verdienst, wenn wir hier den Plafond von bisher 80 % auf 70 % ermäßigen und wenn wir andererseits auch die tariflich vorgesehene Mehrarbeit, diese Mehrleistung entsprechend weniger besteuern.
Weiterhin haben wir im Interesse der Vereinfachung die Pauschalierung für die Nachversteuerung aus den §§ 10 a und 32 b vorgeschlagen.
Im Interesse der Lohnsteuerpflichtigen haben wir ebenfalls eine Gleichstellung vorgesehen, nämlich durch Einführung eines einheitlichen Tarifs, der sowohl für die Lohnsteuerpflichtigen wie für die Veranlagten gilt.
({7})
Das sind die Grundsätze, die wir auf dem Gebiete der Einkommensteuer zu verwirklichen suchen.
Dann haben wir noch eine Änderung der Körperschaftsteuer vorgeschlagen. Bei der Körperschaftsteuer haben wir nach wie vor die Doppelbesteuerung. Diese Doppelbesteuerung, die eine steuerliche Ungerechtigkeit ersten Grades darstellt, soll wenigstens in etwa gemildert werden, aber gemildert nur im Interesse der Kapitalmarktförderung. - Mein lieber Herr Pelster, ich stehe täglich draußen in der Wirtschaft, und jeden Tag wird an mich die Frage gerichtet: Können Sie mir Geld geben, können Sie Geld verschaffen, können Sie das und wie? Und nun wollen wir gerade diejenigen, die Geld als haftendes Kapital, nicht als Schuldkapital geben wollen, doppelt besteuern und bilden uns noch ein, daß wir dadurch etwas besonders Glanzvolles und Gutes tun?! Wollen wir also, wenn wir diese vorgesehene Milderung der Doppelbesteuerung ablehnen, erreichen, daß sich die Wirtschaft in echter Weise verschuldet, möglichst bei der öffentlichen Hand verschuldet?! Diese Doppelbesteuerung schlägt doch dem Grundsatz der Steuergleichheit direkt ins Gesicht. Wir wollen daher eine kleine Milderung eintreten lassen, um unserer Wirtschaft wieder wenigstens ein kleines Rinnsal für die Beschaffung von haftendem Kapital zu öffnen.
Die Grundsätze, die in diesem Gesetzentwurf verwirklicht sind, haben zwei Ziele. Sie dienen einmal der Stärkung der Kapitalgrundlage unserer Wirtschaft, und auf der anderen Seite sollen sie erreichen, daß der gesteigerte Leistungswille nicht steuerlich unter Strafe gestellt wird. Die Verwirklichung 'beider Grundsätze wird dazu beitragen, unser Sozialprodukt zu vergrößern, und nur aus einem vergrößerten Sozialprodukt können wir die steigenden Ausgaben bezahlen, und nur auf Grund eines vergrößerten Sozialprodukts ist es möglich, den gesamten Lebensstandard zu heben. Das ist hoffentlich unser aller Ziel.
({8})
Zur Begründung des Gesetzentwurfs unter Punkt 2 c der Tagesordnung hat das Wort Frau Abgeordnete Kalinke.
Frau Kalinke ({0}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist kaum ein Jahr vergangen, in dem in diesem Hause nicht über die Frage der steuerlichen Behandlung der Weihnachtsgratifikation gesprochen werden mußte. Meine Fraktion hat außerordentlich bedauert, daß in der 239. Sitzung unser Antrag als Punkt 24 trotz unserer Wünsche nicht mehr behandelt worden ist. Wir hätten dann schon in der Zwischenzeit im Ausschuß die Frage erledigt und den Gesetzentwurf heute in zweiter und dritter Lesung verabschieden können. Wir glauben aber, daß es trotz der fortgeschrittenen Zeit im Jahre auch in diesem Monat noch wichtig ist, sich mit der Frage der steuerlichen Behandlung der Weihnachtsgratifikation - nicht ihrer Gewährung - hier zu beschäftigen.
Die Weihnachtsgratifikation als solche, ob sie als 13. Monatsgehalt tariflich als Rechtsanspruch verbrieft ist oder als Geschenk gegeben wird, hat ihre echte Bedeutung nämlich erst dann, wenn sie wirklich in Nettobeträgen ausgezahlt werden kann und wenn nicht immer wieder ein Teil dieser Weihnachtsgratifikation dem Säckel des Finanzministers zugeführt werden muß. Deshalb ist es das Anliegen unseres Antrags, daß wenigstens die Weihnachtsgratifikationen, die bis zu einer Höhe von 200 DM ausgezahlt werden - also die kleineren Gratifikationen -, denjenigen, denen sie gegeben werden sollen, auch ungekürzt in die Hand gegeben werden, damit sie aus diesen Beträgen für sich und ihre Familien den Gabentisch decken können. Wir wissen, wie viele Angestellte und Facharbeiter schon in den Wochen vor Weihnachten damit rechnen, mit diesem Betrag die notwendigen Gegenstände für den Bedarf der Familie - seien es Kleider, Schuhe oder andere Dinge, die des Leibes Notdurft und Nahrung ausmachen- zu beschaffen. Deshalb haben wir sehr bedauert, daß der Antrag, der in diesem Hause bereits in der 103. Plenarsitzung angenommen wurde, nicht dazu geführt hat, daß dem Hause eine Gesetzesvorlage vorgelegt wurde. Zwar trifft es sachlich zu, daß der Herr Minister nicht dazu verpflichtet war. Wir hätten es aber außerordentlich begrüßt, wenn § 3 Nr. 15 des Einkommensteuergesetzes inzwischen auch wirklich geändert worden wäre.
Das Finanzministerium hat nicht so verfahren. Deshalb haben wir den Wunsch, es möge uns gelingen, diesen Antrag heute in erster, zweiter und dritter Lesung möglichst einstimmig zu verabschieden, damit diejenigen, die im Monat Dezember ihre Weihnachtsgratifikation ausgezahlt erhalten oder schon ausgezahlt erhielten, bei der Lohnsteuerabrechnung zum Jahresende noch die Möglichkeit haben, 100 DM mehr lohnsteuerfrei zu bekommen. Es ist das Argument vorgebracht worden wie schon so oft in der Vergangenheit, hier handle es sich in der Hauptsache um eine steuerliche Ermäßigung für die Angestellten und nur für einen Teil der Facharbeiter, während die große Zahl der Arbeiter Weihnachtsgratifikationen in solcher Höhe nicht zu erhalten pflege. Gestatten Sie mir, meine Herren und Damen, daß ich besonders denjenigen, die dieses Argument bewegt, in Erinnerung rufe, in welch ungerechter, ja nivellierender Weise in der Lohn- und Gehaltsentwicklung gerade die Angestellten gegenüber der großen Zahl der Arbeiter durch die Tarifpolitik der letzten Jahre benachteiligt worden sind. Ich glaube, Sie könnten heute in diesem Hause ein echtes Bekenntnis zu ehrlicher Mittelstandspolitik ablegen, wenn Sie dem Kreis der Angestellten mit der Annahme unseres Antrags eine echte Weihnachtsfreude machten.
Zu den Besorgnissen des Finanzministers möchte ich noch darauf aufmerksam machen, daß diese in einer Höhe bis zu 200 DM ohne steuerliche Belastung ausgezahlten Weihnachtsgratifikationen zweifelsohne restlos und schleunigst dem Konsum zugeführt werden, wobei dann auch der Weihnachtssäckel des Herrn Finanzministers über die Umsatz- und die Einkommensteuer der Geschäftsleute wieder das Seinige erhalten dürfte.
({1})
Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
({2})
Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kalinke hat beantragt, heute die erste, zweite und dritte Beratung vorzunehmen. Es steht nur die erste Beratung auf der Tagesordnung. Alle drei Beratungen können nur dann stattfinden, wenn nicht von mindestens fünf Mitgliedern des Hauses widersprochen wird.
({0})
({1})
- Es wird offenbar widersprochen, so daß das nicht möglich ist.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 3838 ist von Herrn Neuburger namens der Koalition begründet worden. Mir scheint es notwendig, daß aus den Reihen der Koalition auch kritisch zu diesen Steuervorschlägen Stellung genommen wird. Ich will das in ganz milder Form tun. Dabei will ich mich auf die Kritik beziehen, die auch in der Öffentlichkeit laut geworden ist. Kritik gegen diese Vorlage ist in doppelter Hinsicht zu üben. Die Vorlage verletzt einmal das Bestreben, die Steuergesetze wieder übersichtlich zu machen und die Anwendung der Steuergesetze für die Steuerpflichtigen zu vereinfachen. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich hierzu zwei Sätze aus der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung" verlesen. Es heißt dort hinsichtlich des Verstoßes gegen den Grundsatz der Steuervereinfachung:
Die dem Bundestag vorliegenden Gesetzentwürfe zur Änderung des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes würden mit ihrer Annahme zwar für viele Steuerpflichtigen die Steuerbelastung senken. Sie widersprechen aber einem Ziel der mit Recht so oft und nachdrücklich geforderten Steuerreform, nämlich der Steuervereinfachung; denn es wird u. a. beantragt, alte Sondervorschriften wieder aufleben zu lassen und neue einzuführen.
Hierzu darf ich auch im Namen derjenigen, die in der Verwaltung die Steuergesetze anzuwenden ) haben, darauf hinweisen, daß die Last der Finanzämter allmählich so groß ist, daß die Steuergesetze bald von dort aus nicht mehr ordnungsgemäß gehandhabt werden können.
Die andere Kritik ist noch etwas schwerwiegender. Der Entwurf Drucksache Nr. 3838 verletzt meines Erachtens den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Behandlung aller Steuerpflichtigen. Wenn man sich die einzelnen Vorschläge und Vergünstigungen näher ansieht, stellt man fest, daß nicht alle Gruppen unserer Bevölkerung darin berücksichtigt sind. Ich möchte auch hier meine Kritik in mildester Form ausdrücken und darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die Notiz der „Deutschen Zeitung und Wirtschaftszeitung" dazu verlesen. Es heißt dort:
Gegen weitere Steuerbegünstigungen, die vorwiegend nur der gewerblichen Wirtschaft zugute kommen, spricht vor allem noch eine andere Tatsache. Im Rechnungsjahr 1951 war das Aufkommen an Lohnsteuer höher als das Aufkommen aus veranlagter Einkommen- oder aus Körperschaftsteuer. Dies war seit 1936 nicht mehr der Fall. In den letzten drei Jahren betrug das Aufkommen an Lohnsteuer 55 bis 58 0/o der Summe des Aufkommens an veranlagter Einkommen- und Körperschaftsteuer. Sicher ist dabei ein Teil des Zuwachses auf die steigende Zahl der Arbeitnehmer zurückzuführen. Es zeichnet sich aber doch eine Entwicklung ab, die nicht mehr als üblich bezeichnet werden kann, die ungesund erscheint und die zu Unzufriedenheit führen könnte.
Diese Bemerkung der „Deutschen Zeitung und
Wirtschaftszeitung" spielt doch offensichtlich auf
die stiefmütterliche Behandlung der Empfänger fester Gehälter an. Das sind die Leute mit dem „gläsernen Portemonnaie", die überhaupt keinerlei Ausweichmöglichkeiten haben und die deshalb doch in allererster Linie einen Anspruch darauf hätten, bei einem Steuervorschlag berücksichtigt zu werden.
Schließlich ist in der Öffentlichkeit noch eine weitere Kritik laut geworden, die mit dem kürzlich verabschiedeten Kapitalmarktförderungsgesetz in Zusammenhang steht. Da heißt es in derselben Zeitung:
Das vom Bundestag verabschiedete Kapitalmarktförderungsgesetz soll zwar den Kapitalmarkt anregen. Da man aber gleichzeitig wieder die die Selbstfinanzierung begünstigenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1950 einführen will, muß eine der gesetzlichen Maßnahmen ohne Erfolg bleiben, wahrscheinlich die Belebung des Kapitalmarktes. Man bleibe doch auf dem einmal eingeschlagenen Weg und fördere die privaten Investitionen über den Kapitalmarkt, indem man zusätzlich eine allgemeine Tarifsenkung der Einkommensteuer vornehme.
Ich glaube, auch dieser Gesichtspunkt sollte bei den Ausschußberatungen bedacht werden.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Ich halte die Steuervorlage der Koalitionsparteien insofern für nützlich, als damit angeregt wird, der drückenden Steuerlast nun ernstlich entgegenzutreten. Bei den Ausschußberatungen sollten aber die Grundsätze der Steuervereinfachung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung unbedingten Vorrang haben. Darum lassen Sie mich schließen mit der Forderung: Nicht komplizierte Sonderbegünstigungen für einzelne, sondern generelle Tarifsenkung für alle!
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben das Programm, das wir uns vorgenommen haben, gehört. Ich erlaube mir, nur kurz einiges dazu zu sagen. Es ist betont worden, die Vorlage sei lückenhaft. Das ist auch von mir und meinen Freunden stark empfunden worden, und es spricht sehr viel dafür, auch sehr viel dagegen.
({0})
Es hat keinen Zweck, erst hohe Steuern zu erheben und dann in Gott weiß wie vielen Fällen -es ist schon eine Geheimwissenschaft - festzustellen, wo und wie ich zu Steuerermäßigungen kommen kann, um so wieder Senkungen zuzulassen. Es entsteht dadurch eine Unmenge Arbeit, und wir wären in der Lage, hier wirklich eine Verwaltungsvereinfachung durchzuführen.
Auf dem Gebiet der Vergünstigungen liegen sehr oft Möglichkeiten, steuerunehrlich zu werden oder Gelder zu Zwecken zu verwenden, für die sie eigentlich gar nicht bestimmt waren. Das hat sich im Laufe der letzten Jahre sehr häufig ergeben, und wir mußten bei den später folgenden Novellen manchmal stark bremsend eingreifen.
Gerade um diese nicht gewollten Auswirkungen abzubremsen, wäre zu überlegen, ob nicht jetzt langsam ein anderer Weg gegangen werden könnte, indem man den Steuertarif neu, und zwar vernünftig festsetzt und darangeht, den Wust von Vergünstigungen einigermaßen zu beseitigen. Wer als
({1})
Bilanzbuchhalter in der Wirtschaft tätig ist und alle diese Vergünstigungsbestimmungen im Kopf haben muß, findet sich manchmal einfach nicht mehr durch; hier liegen seine allergrößten Sorgen.
Es hat ferner keinen Zweck, Steuervergünstigungen zu geben, wenn ich das Geld, das in meinem Betrieb verdient wurde, in einen anderen Betrieb hineinstecke.
({2})
Wenn ich dieses Geld, das ich in meinem Betrieb verdient habe, zur Stärkung des eigenen Betriebs verwenden will, dann wird mir eine hohe Steuer abgehalten und Steuervergünstigungen sind ausgeschlossen, so daß ich praktisch für meinen Betrieb nicht viel mehr behalte.
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Wenn es schon richtig ist, daß wir an Kapitalarmut leiden, wenn wir dahin trachten wollen, auch den kleinen und Mittelbetrieben Kapital zur Verfügung zu stellen, so sollten wir es in der Form tun, daß wir dem Betriebsinhaber nicht nur Vergünstigungen geben, wenn er anderen Betrieben hilft, sondern auch dann, wenn er sich selbst hilft und das Geld in seinem Betrieb läßt. Dadurch würden wir auch der Forderung nach Vereinfachung in stärkstem Maße entgegenkommen.
Nun hat Kollege Neuburger mich persönlich angesprochen. Aber ich fühle mich gar nicht schuldig. Ich bin ja doch mit ihm weithin der Meinung, daß Doppelbesteuerungen vermieden werden sollen. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, daß bei körperschaftsteuerpflichtigen Betrieben die Höchstgrenze der Steuer 60 % ist, während sie bei den Einkommensteuerpflichtigen bei 80 % liegt. Man hat eben diese Senkung um 20 % schon vorgenommen, weil eine Doppelbesteuerung vorliegt. Aber auch darüber können wir reden.
Zum Schluß möchte ich aber doch noch folgendes sagen. Ich meine, wir sollten auch den Grundsatz der Steuergerechtigkeit ein wenig zur Geltung bringen. In dieser Beziehung ist in der Vergangenheit mancher Wunsch offengeblieben. Wenn wir auf der einen Seite uns nun auf Grund der beiden vorliegenden Anträge bemühen, ein sehr weites Entgegenkommen zu zeigen, ist es auf der anderen Seite nicht länger zu verantworten, daß man den Invalidenrentner schon zur Einkommensteuer heranzieht, wenn sein Renteneinkommen 50 Mark im Monat übersteigt. Das geht zu weit, da müssen wir etwas tun. Der § 3 Ziffer 4 besagt, auf eine einfache Formel gebracht: Wenn du dein Alter gesichert hast, nicht auf der Basis der Invalidenrentenversicherung, sondern durch einen Rentenversicherungsvertrag mit einer Lebensversicherung, dann hast du 300 Mark monatlich steuerfrei; bist du aber Sozialrentner, dann hast du nur 50 Mark monatlich steuerfrei! Ich bin der Meinung, daß wir diese Diskrepanz zwischen 600 und 3600 Mark jährlichem Freibetrag sehr stark mildern müssen, denn hier liegt offenbar ein Unrecht vor.
Nach meiner Auffassung ist es aber jetzt auch an der Zeit, im Rahmen dieser Steuernovelle ein altes Unrecht gutzumachen. Damit meine ich, daß man - Kollege Neuburger hat das schon kurz angedeutet - die Lohnsteuertabelle C endlich in Einklang bringt mit der Steuertabelle A.
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- Nein, es steht nicht drin. In der Vorlage heißt es nur, daß die Ziffer 3 gestrichen werden soll. Das ist aber die Steuertabelle B für kleine selbständige Handwerker, kleine Bauern, kleine Kaufleute usw. bis zu einem Reineinkommen von 5000 Mark, und da heißt es weiter: Die Ziffer 4 wird Ziffer 3.
({5})
- Ziffer 4 besagt aber nur, Herr Dr. Wellhausen, daß die Beträge von 312 und 468 Mark steuerfrei sind und in Abzug gebracht werden sollen. Wenn wir uns die Lohnsteuertabelle einmal ansehen, müssen wir feststellen, daß die Steuerfreigrenze von 600 Mark für die Ehefrau und 600 Mark für jedes Kind nicht eingehalten wird bei den Beamten, Angestellten und Arbeitern, kurz, bei den Festbesoldeten. Denn es müßten sonst für den festbesoldeten verheirateten Steuerpflichtigen 2130 Mark steuerfrei sein, er muß aber 35 Mark Steuern zahlen. Mit einem Kind hat er 2730 Mark steuerfrei, muß aber 48 Mark Steuern zahlen. Mit zwei Kindern hat er 3330 D-Mark steuerfrei, wenn er veranlagter Steuerpflichtiger ist. - Ist er Gehaltsempfänger oder Lohnempfänger, muß er 67 Mark Steuern zahlen, obwohl er eigentlich steuerfrei sein müßte. Diese Dinge müssen abgestellt werden, es muß hier gleiches Recht gelten.
Dann habe ich noch eine Bitte, nämlich dahingehend, daß da, wo bisher schon im Gesetz wirklich Grundlagen festgelegt sind, diese auch so gehandhabt werden, wie es der Gesetzgeber gewollt hat. Ich habe vor mir einen Bescheid des Finanzamtes Aachen /Land und Monschau. Hier hatte jemand Steuerfreiheit für erhöhte Werbungskosten beantragt, weil er nicht am Ort seines Arbeitsplatzes wohnen kann. Es sind nur geringe Beträge, die in Frage kommen könnten. Diesem Mann wurde nun mitgeteilt: „Sie wohnen aus persönlichen Gründen ({6}) nicht an Ihrem Arbeitsort, und deshalb können Ihnen diese Werbungskosten nicht steuerfrei belassen werden." - In einem anderen Falle sagt man: „Ihrem Antrag kann nicht stattgegeben werden, weil Sie nicht in der Liste der Wohnungssuchenden an Ihrem Arbeitsort eingetragen sind."
Wie oft kommt es vor, daß jemand infolge der Ausbombung, wegen der im Kriege erlittenen Wohnungsschäden oder wegen der Zerstörung von Industrien, durch Stillegung und Nicht-Wiederaufbau, nicht mehr an seinem Wohnort arbeiten kann und nach auswärts fahren muß. Er kann aber an seinem neuen Arbeitsort nie eine Wohnung finden, und es kann ihn auch niemand zwingen, ein kleines eigenes Häuschen, wenn er ein solches hätte, zu verkaufen. Ich glaube, man sollte sich nicht so sehr auf die Reichsfinanzhofurteile von 1934/35 stützen, sondern sollte mehr danach trachten, im Wege der Verwaltungsanordnung solche Härten nicht aufkommen zu lassen.
In bin der Meinung, daß es unsere Aufgabe sein muß, in den Beratungen des Ausschusses auch diese von mir vorgetragenen Wünsche, deren Erfüllung auch im Interesse der Allgemeinheit liegt, zu berücksichtigen und dann zu versuchen, jetzt ein Gesetz zusammenzubauen, das wirklich auf längere Zeit Geltung hat, weil es dann mehr oder minder allen Anforderungen entspricht.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß den Regierungsparteien bei ihren
({0})
eigenen Steuervorlagen nicht sehr wohl ist, daß für diese Steuervorlage der Regierungsparteien ein Mitglied der Regierungspartei dafür spricht - und sehr offensichtlich mit etwas schlechtem Gewissen - und zwei Mitglieder der Regierungsparteien dagegen sprechen, daß Herr Kollege Neuburger von den Unzulänglichkeiten dieser Vorlage spricht, soll uns ein erfreulicher Beweis dafür sein, daß die Regierungsparteien sich angesichts ihrer Steuerpolitik und der Steuerpolitik des Herrn Bundesfinanzministers wenigstens noch schämen können.
({1})
Die Vorlage Drucksache Nr. 3838 trägt doch immerhin die volle Überschrift „Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/ DPB", und hier müssen wir erleben, daß mehr Redner der Regierungsparteien gegen die Vorlage sprechen als für die Vorlage. Vielleicht ist es richtiger, wenn Sie das nächste Mal lediglich diejenigen Ihre Vorlagen unterschreiben lassen, die tatsächlich eine derartige Steuerpolitik überhaupt noch billigen können.
({2})
Wenn man die Vorlage Drucksache Nr. 3838 in die Hand nimmt, muß man schon denken: „große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus!" Und diese großen Ereignisse, meine Damen und Herren, das ist der Wahlkampf des kommenden Jahres!
({3})
Allein diesem Umstand verdanken nämlich sicher diese Vorlage Drucksache Nr. 3838 und die anderen Vorlagen ihr kümmerliches Dasein -,
({4}) kümmerlich aus dem Grunde, weil wir in den letzten Monaten und Jahren immer so viel von der großen Steuerreform gehört haben und jetzt als Schlußstein unter einer Steuerpolitik von drei Jahren nichts anderes übrig bleibt als diese Vorlage. Man sollte als Motto darüber schreiben: Der Wahlkampf ist eröffnet!
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Meine Damen und Herren! Was enthalten denn nun diese Vorlagen? Sie enthalten zunächst einmal einige alte und abgestandene und zum Teil längst außer Kraft gesetzte Steuervorschriften -Steuervorschriften, vor denen jedem einsichtigen und vernünftigen Finanzbeamten grausen muß; ich denke an § 10 a, ich denke an § 32 b -, Vorschriften, mit denen kaum ein Finanzbeamter fertig werden kann. Es ist ganz besonders interessant, daß in demselben Gesetzentwurf, mit dem Sie die Wiedereinführung des § 10 a vorschlagen, Sie selbst einen weiteren § 50 a vorschlagen, mit dem das Unglück, das durch den alten § 10 a in die Welt gebracht worden ist, durch Pauschalierungen wieder ausgeglichen werden soll.
Ich finde es im übrigen sehr bezeichnend, daß der Vorschlag der Föderalistischen Union ehrlich von einer „Steuerbegünstigung" im Rahmen des § 10 a spricht, während Sie von einer steuerlichen „Sonderbehandlung" sprechen. Herr Kollege Neuburger hat es auch richtig als Begünstigung bezeichnet. Ich glaube, dieses Wortspiel liegt auf derselben Linie wie der Unterschied zwischen Preiserhöhungen und Preisanhebungen.
Was kommt nun noch hinzu? Es kommen jetzt als Vorschläge einige neue unzulängliche und unausgegorene Steuervorschriften die reinen
Wahlkampfcharakter tragen; da sind Mittelstandsanträge, da sind Anträge über die Steuerfreiheit der Erholungsreisen, über Erhöhung der Werbungskosten und ähnliche Anträge.
Aber diese Steuervorlagen, meine Damen und Herren, enthalten auch eine Reihe von sehr guten und brauchbaren Vorschlägen.
({6})
- Ja, aber diese Vorschläge, diese Blumen aus dem Steuerbukett, Herr Kollege Wellhausen, stammen aus Nachbars Garten!
({7})
Das sind die Steuervorschläge, für die wir vergeblich in den Jahren 1950 bis 1952 gekämpft
haben. Da finden wir den Antrag auf Abschaffung
der Steuertabelle B, von Herrn Wuermeling seinerzeit als ein reiner Agitationsantrag gekennzeichnet.
({8})
Wir haben ihn im März 1950 gestellt, wir haben ihn im Juni 1951 gestellt. Sie haben diesen Antrag immer wieder abgelehnt. Jetzt, vier, fünf, sechs, sieben Monate vor dem Wahlkampf, kommen Sie nun mit diesem guten alten SPD-Antrag.
({9})
Wir haben immer wieder die Erhöhung der Freibeträge beantragt. Diese Anträge wurden uns immer wieder abgelehnt.
({10}) Jetzt kommen S i e damit.
Ein alter SPD-Antrag beschäftigte sich mit den Pauschbeträgen für die freien Berufe. Immer wieder abgelehnt! Jetzt, vor dem Wahlkampf, rafft sich die Regierungskoalition auf und bringt uns unsere alten bekannten Vorschläge.
({11})
- „Alles zu seiner Zeit!", dieser Zwischenruf liegt genau auf der Linie dessen, was ich Ihnen zu Anfang gesagt habe.
({12})
Herr Kollege Arndgen, als die sozialdemokratische Fraktion vor zwei und drei Jahren diese Anträge stellte, da trugen sie einen ausgesprochen sozialen Charakter.
({13})
Als Sie damals diese Anträge ablehnten, da bewiesen Sie damit Ihre Einstellung gegenüber diesen Anträgen, und diese Einstellung entsprach Ihrer Haltung.
({14})
Daß Sie nun aber heute diese Anträge stellen, läßt den wahren Charakter der Vorlage sehr deutlich erkennen, nämlich den Charakter, den ich mit dem Motto ausdrückte: Der Wahlkampf ist eröffnet!
({15})
Die Vorlage Drucksache Nr. 3830 könnte man auch mit einem Motto versehen, nämlich mit dem, daß der Ruhm der CDU die Föderalistische Union nicht schlafen ließ. Und wenn wir zu dem Antrag Drucksache Nr. 3860, den die Kollegin Kalinke begründete, ebenfalls ein Motto suchen, dann dürfen wir sagen: „Naht ihr euch wieder, schwankende Gestalten?" Denn mit diesem Antrag, meine Damen und Herren, mußten wir uns bisher Jahr für Jahr beschäftigen.
({16})
({17})
Meine Damen und Herren, seit dem Bestehen des ' Bundestages, also drei Jahre lang, haben wir immer und immer wieder die Regierung und immer und immer wieder die Regierungskoalition aufgefordert, doch endlich eine große Steuerreform vorzulegen und mit dieser großen Steuerreform Klarheit in das Steuersystem, Steuervereinfachung und eine Entlastung für die Verwaltung zu bringen, damit die Steuermoral zu heben und soziale Gerechtigkeit in den Steuergesetzen zu verankern. Immer wieder haben wir unsere Anträge und Vorschläge vorgebracht; immer wieder haben Sie sie abgelehnt. Und was ist das Ergebnis gewesen? Sie haben bis jetzt festgehalten an Ihrer alten 1949 er und 1950 er Konzeption: Herunter mit der Einkommensteuer für die hohen Einkommen, herauf mit der Umsatzsteuer und mit anderen unsozialen indirekten Steuern, wenn das Loch infolge Ihrer Steuergeschenke zu groß wurde, und dazu dann das Herumdoktern an den Gesetzen statt einer grundlegenden Neuordnung, Wenn diese Legislaturperiode vorüber ist, werden Sie vier Jahre lang Zeit gehabt haben für eine grundlegende Steuerreform. Sie haben aber ebenso wie der Bundesfinanzminister in allen diesen vier Jahren auf eine echte Steuerpolitik verzichtet. Das Steuersystem ist immer unübersichtlicher und auch immer ungerechter geworden. Trotzdem haben Sie den vielfachen, den immer wiederholten und immer stärker werdenden Ruf des Volkes, der Wirtschaft und der Verwaltung - Ihrer eigenen Verwaltung! - nach einer grundlegenden Steuerreform überhört. Es gibt heute keinen Verband mehr, keine Wirtschaftsgruppe, keinen Wirtschaftszweig und kein Steuerinstitut, die nicht Vorschläge für eine grundlegende Steuerreform gemacht haben. Aber der Finanzminister sagt uns, in dieser Legislaturperiode könnten wir mit der Steuerreform nicht mehr rechnen.
Nun zu den einzelnen Vorschriften dieser Drucksachen. Den § 10 a haben wir im vergangenen Jahr, wie wir aus dem Munde des Kollegen Neuburger gehört haben, abgeschafft. Jetzt soll er wiedereingeführt werden, obwohl wir immer noch an den Folgen des § 10 a kranken. Wir lesen in diesem § 10 a eine Bestimmung, die uns sehr zu denken gibt; es heißt in § 10 a Ihres Entwurfes:
Als nicht entnommen gilt auch der Teil der Summe der Gewinne, der zur Zahlung der auf das Betriebsvermögen entfallenden Abgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz dient.
Wir werden im Finanzausschuß sehr darauf zu achten haben, daß mit dieser steuergesetzlichen Bestimmung nicht die Lastenausgleichsabgaben oder durch die Lastenausgleichsabgaben nicht etwa noch das steuerliche Aufkommen zusätzlich geschmälert wird. Wenn Sie den Plafond ändern und noch einmal von 80 auf 70% heruntergehen wollen, so kann ich nur sagen, daß das durchaus auf der von Ihnen bisher verfolgten Linie liegt. Es handelt sich um einen erneuten Verzicht auf Steuern bei sehr hohen Einkommen. Aber wir sehen das ein, jetzt, vor dem Wahlkampf; irgendwoher müssen ja die Beträge für die Regierungspropaganda und für die „Waage" kommen.
({18})
Nun zu unseren guten alten sozialdemokratischen Anträgen, die in der Regierungsvorlage fröhliche Urständ feiern. Die getrennte Veranlagung von arbeitenden Ehegatten ist immer eine Forderung von uns gewesen. Wir dürfen Sie daran erinnern, daß Sie unsere Forderung seinerzeit damit bekämpft haben, daß Sie uns die Heiligkeit der Ehe entgegengehalten haben. Zu dieser Vorschrift werden wir ja sagen. Wir werden selbstverständlich auch zu unseren alten Anträgen über die Beseitigung der Tabelle B und über die Änderung der Grundtabelle A, also über die Änderung des Tarifs, ja sagen.
Eine Sonderstellung nehmen die §§ 7 a und 7 e in dem Antrag der Fraktion der Föderalistischen Union Drucksache Nr. 3830 ein. Es handelt sich um Ergänzungen, die auf Grund der Änderungen, die das Vertriebenengesetz gebracht hat, notwendig sind. Wir werden diesen Ergänzungen zustimmen, werden aber dafür sorgen, daß, was offenbar vergessen worden ist, den Geschädigten diejenigen gleichgestellt werden, die aus rassischen oder religiösen oder politischen Gründen in der Nazizeit nachweisbaren Schaden erlitten haben.
({19})
- Gut, wir werden dem also zustimmen können.
Es wird Aufgabe des Finanzausschusses sein, und zwar in wahrscheinlich mühseliger Arbeit, die Bestimmungen der Vorlage, die wesentlich nur dem Wahlkampf dienen sollen, von den Bestimmungen, die einen ernst zu nehmenden sachlichen Gehalt haben, zu trennen. Unter diesen Gesichtspunkten werden wir im Finanzausschuß zusammenarbeiten müssen. Wir werden vor allen Dingen die ersten Bestimmungen unter die Lupe zu nehmen haben.
Ich möchte mit einem Wort schließen, welches ich schon anläßlich einer großen Steuerdebatte gesagt habe, daß an dieser Steuerpolitik, also an den Steuertabellen insbesondere, die deutsche Bevölkerung wird ablesen können, was sie von den sozialen Erklärungen der Regierungsparteien zu halten hat.
({20})
Das Wort hat der Abgeordnete Niebes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit kann ich mich bei diesen Vorlagen nur mit einem Punkt befassen, nämlich mit den Steuervergünstigungen, die den Lohnsteuerpflichtigen gewährt werden sollen.
Nach der ausgiebigen Kritik, die selbst von den Herren Antragstellern an ihrer Vorlage geübt worden ist, braucht man auch zu den anderen Punkten nicht mehr sehr viel zu sagen.
({0})
Es fällt außerordentlich schwer, zu glauben, daß man bei den Koalitionsparteien die Absicht habe, der Steuergerechtigkeit zu dienen. Wenn man sich nämlich den in der Vorlage aufgeführten Abschnitt ansieht, wonach die Überstunden mit 5 % versteuert werden sollen, dann muß man sich fragen: warum machen Sie bei den Lohnsteuerpflichtigen die Steuerermäßigung davon abhängig, daß er Überstunden leistet, während Sie bei den Kapitalertragsteuerpflichtigen und den Einkommensteuerpflichtigen, die sich selbst einschätzen, eine derartige Einschränkung nicht machen? Die sind also auf jeden Fall - auch wenn sie überhaupt nicht arbeiten - Nutznießer dieser beabsichtigten Steuerbegünstigungen.
({1})
Zu der Frage der Überstundenbesteuerung: wir halten es ohnehin für eine Zumutung, eine Steuerermäßigung in Aussicht zu stellen, wenn Überstunden geleistet werden. Wenn Ihre soziale Marktwirtschaft nicht mehr hervorbringt, als daß sie von den Arbeitnehmern verlangt, sie sollen Überstunden leisten, um höhere Einkünfte zu erzielen, dann können Sie damit einpacken. Wir jedenfalls lehnen im Namen der Lohnsteuerpflichtigen eine derartige Unterstellung entschieden ab, daß Sie von den Arbeitnehmern verlangen, sie sollen Überstunden leisten.
({2})
- Er s o 11 Überstunden leisten! Das verlangen Sie, wenn der Arbeitnehmer eine Steuerermäßigung haben will.
({3})
Wenn Sie sich beispielsweise einen Steuerpflichtigen vornehmen, der Familienvater mit vier Kindern ist und infolgedessen nach dem Tarif III/4 veranlagt wird und ein Monatseinkommen von 350 DM hat, dann ergibt sich: er muß nach der heute gültigen Tabelle an Einkommensteuer 3,05 DM zahlen. Wenn er in diesem selben Monat 50 DM an Überstunden verdient, also insgesamt 400 DM eingenommen hat, dann muß er nach der heute gültigen Tabelle 4 DM Einkommensteuer zahlen, d. h. also 95 Pfennig mehr. Nach Ihrer Vorlage dagegen würde er von den 50 DM Überstundengeld 5 % zu zahlen haben. Das wären also 2,50 DM mehr. So sieht Ihre Vorlage aus! Vielleicht könnte man die Antragsteller veranlassen, dafür zu sorgen, daß dem Verfasser dieser Vorlage sein Schulgeld wiedergegeben wird.
Wie die Verteilung der Vergünstigungen aussieht, das möchte ich nur an einem einzigen Beispiel klarmachen. Da ist z. B. vor etwa 14 Tagen der Abschluß der Hüttenwerke Ruhrort-Meiderich erschienen. Die Hüttenwerke Ruhrort-Meiderich haben in der Bilanzzeit eine Aufwendung für Wohnungsbau in Höhe von 1 892 000 DM gehabt. Diese 1 892 000 DM werden bis auf 1 D-Mark abgeschrieben, so daß also jetzt die Häuser dastehen und mit ihren Mieten eine 100%ige Einkunftsquelle sind. Offenbar beabsichtigt man jetzt mit dieser Vorlage, für die in der nächsten Bilanz erscheinenden Einnahmen aus Mieten einen guten Unterschlupf zu schaffen, damit diese Erträgnisse auch wieder steuerfrei angelegt werden können.
Meine Damen und Herren, mit einer derartigen Vorlage kann sich der auf keinen Fall einverstanden erklären, der lohnsteuerehrlich, gewissenhaft, auf den letzten Pfennig und pünktlich am Fälligkeitstage zahlen muß, wenn er sehen muß, wie die übrigen, die sich selbst veranlagen, und die Kapitalsteuerpflichtigen derartige Steuergeschenke bekommen. Man kann einfach nicht mehr verstehen, wie sich die Lohnsteuerpflichtigen damit zufrieden geben.
Wir verlangen von einer echten Steuerreform, daß man für diejenigen, die Lohnsteuer zu zahlen haben, die Steuersätze zumindest in dem gleichen Ausmaß wie für die übrigen hier benannten Steuerpflichtigen ermäßigt und daß man vor allen Dingen auch die inzwischen erhöhten Kosten für Werbung und Sonderausgaben entsprechend berücksichtigt, also den Freibetrag für diese Werbungskosten und Sonderausgaben ebenfalls in einem angemessenen Verhältnis erhöht.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch zwei kurze Bemerkungen im Anschluß an diese Debatte. Herr Dr. K o c h, ich möchte zunächst einmal feststellen, daß wir uns bereits seit über drei Jahren im Kampf um die Wählerstimmen unseres Volkes befinden, daß wir nicht erst jetzt. diesen Wahlkampf für die nächsten Bundestagswahlen eröffnen, sondern daß wir ihn bereits seit dem 14. August 1949 weitergeführt haben.
({0})
Wir werden uns auch in jeder Hinsicht für das, was wir seitdem unternommen haben oder in einzelnen Fällen auch manchmal nicht richtig machen konnten, zu verantworten wissen und wissen auch, daß wir das Urteil der deutschen Bevölkerung überlassen können. Die Steigerung der Sozialleistungen, die Leistungen im sozialen Wohnungsbau, alle diese Dinge stehen ja offen vor der deutschen Bevölkerung.
Auch wir hätten es sicher sehr begrüßt, wenn wir in dieser Legislaturperiode, und zwar schon vor längerer Zeit, zu der großen Steuerreform hätten kommen können. Wir haben durchaus begriffen, daß außenpolitische Ereignisse - KoreaEntwicklung usw. - eine erhebliche Verzögerung für diese Pläne bedeutet haben. Aber wir sind, weil es zur Steigerung des Sozialprodukts, als Basis für eine Erhöhung des Konsums, der Produktion, des Exports und überhaupt zur Verbesserung der Lebensgrundlagen unseres Volkes notwendig ist, in der Koalition entschlossen, jetzt noch - und zwar nicht aus Wahlkampfgründen, sondern weil es im Zuge der Entwicklung im Augenblick unerläßlich ist -, eine Steuererleichterung eintreten zu lassen.
Sie haben darauf angespielt, daß einige Dinge j a auch von Ihnen schon immer verlangt worden sind. Um so besser, wenn wir uns in diesen Punkten schon einig geworden sind!
({1})
Der nächste Punkt betrifft den § 10 a, den Sie hier vor der deutschen Öffentlichkeit so schrecklich verdonnert haben. Dieser Paragraph hat immerhin wesentlich dazu beigetragen, Arbeitsplätze zu schaffen, Millionen in Arbeit zu bringen und das Sozialprodukt zu erhöhen. Herr Dr. Koch, Ihre Fraktion hat selbst im Vertriebenengesetz für die Wiedereinführung des § 10 a gestimmt, um bei diesen Kreisen die gleichen Erfolge jetzt noch nachzuholen. Also so schlimm und so unsozial kann doch offensichtlich dieser Paragraph nicht sein.
({2})
Lassen Sie mich noch eins sagen. Es ist hier soviel zu den einzelnen Vorschlägen - dafür und dagegen - gesagt worden. Ich glaube, im Ausschuß sollte es nur eine Aufgabe geben: das Ziel im Auge zu behalten, eine echte steuerliche Entlastung, und zwar eine im wahrhaft sozialen Sinne wirkungsvolle Entlastung, möglichst schnell, so schnell wie überhaupt nur irgend möglich herbeizuführen. Über die Formen, ob das im Wege der Steuervereinfachung und der allgemeinen Tarifsenkung möglich und mit den Ländern und mit dem Bundesfinanzminister abstimmbar ist, oder ob es im Wege einer Reihe von Sonderbestimmungen, die an und für sich unerfreulicher sind als das andere, zu machen ist, ich glaube, darüber müssen wir jetzt sehr ernste Unterhaltungen führen. Aber ich möchte noch einmal den ganz entschlossenen Wil({3})
I len - ich glaube, nicht nur für die FDP, sondern für die ganze Koalition sprechen zu können - betonen, zum frühest möglichen Zeitpunkt zu einer erheblichen Steuerentlastung mit dem Ziel zu kommen, die Leistungsfähigkeit unseres gesamten Volkes nach innen und nach außen zu stärken.
({4})
Meine Damen und Herren, weitere Redner sind nicht eingeschrieben. Ich nehme an, daß weitere Wortmeldungen nicht erfolgen werden. - Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung.
({0})
- Zur Abstimmung über den Antrag, die drei Vorlagen dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Der Abhaltung der zweiten und dritten Lesung zu Punkt 2 c der Tagesordnung ist widersprochen worden. Wir können also auf dieses Begehren nicht eingehen. Es erhebt sich wohl kein Widerspruch, daß die drei Vorlagen an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen werden? - Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) über den Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Eckstein, Stücklen und Genossen betreffend Gewährung einer 13. Monatsrente für Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen und über den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Zahlung einer einmaligen Zulage zu den Versorgungsbezügen auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes und auf Grund des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen ({2});
b) Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Arndgen, Richter, Dr. Hammer, Walter, Willenberg und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten sowie über die Erhöhung der Renten in der knappschaftlichen Rentenversicherung ({3}) ({4});
c) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik ({5}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zuschlag zu den Renten in der Sozialversicherung ({6});
d) Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({7}) betreffend Rückzahlung von BVG-Rentenüberzahlungen ({8}).
Wir behandeln zunächst Punkt 3 a. Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Funcke.
Funcke ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die
Anträge Drucksache Nr. 3786 der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Eckstein, Stücklen und Genossen betreffend Gewährung einer 13. Monatsrente für Kriegsopfer und Angehörige von. Kriegsgefangenen und um den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 3789 betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Zahlung einer einmaligen Zulage zu den Versorgungsbezügen auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes und auf Grund des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen.
Der Bundestag hat in seiner 236. Sitzung vom 30. Oktober 1952 diese Anträge dem Haushaltsausschuß - federführend - und dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen überwiesen. Der letzte Ausschuß hat in seiner 98. Sitzung beschlossen, den Ihnen in Drucksache Nr. 3901 vorliegenden Gesetzentwurf dem Haushaltsausschuß vorzulegen, der ihn dann in seiner 198. Sitzung vom 28. November 1952 einstimmig billigte und zur Annahme empfahl.
Es handelt sich um Zuwendungen an die Empfänger laufender Versorgungsbezüge oder Unterhaltsbeihilfe nach dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges - Bundesversorgungsgesetz - vom 20. Dezember 1950 oder nach dem Gesetz über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen in der Fassung vom 30. April 1952. Es ist vorgesehen, den Empfängern diese Zuwendung in zwei Zahlungen im Januar und im Juli 1953 zu gewähren, je zur Hälfte der Gesamtbezüge einmal des Dezember 1952 und zum anderen des Juni 1953.
Im Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich nicht um eine Weihnachtsgratifikation handeln solle, sondern um eine Abgeltung der Teuerung. Von seiten des Bundesministeriums der Finanzen wurde die Summe, die hierfür zur Verfügung gestellt werden müsse, auf 200 Millionen DM geschätzt. Diese Zuwendungen dürfen weder übertragen, gepfändet noch auf sonstige Leistungen angerechnet werden.
Der § 2 enthält dann die Berlin-Klausel.
In der 236. Sitzung des Bundestags sind die Anträge auf Drucksache Nr. 3786 und Nr. 3789 ausgiebig von den Unterzeichnern begründet worden. Es erübrigt sich daher, auf diese Debatten noch einmal näher einzugehen. In dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen ist ausdrücklich für die Berichterstattung gewünscht worden, darauf hinzuweisen, daß für die spätere Auszahlung der zweiten Hälfte besonders der Umstand spricht, daß auch die Kriegsopfer in den Genuß dieser Zahlung kommen, deren Rentenanträge bis zu diesem Termin anerkannt oder -umanerkannt werden.
Es wird beantragt, den Gesetzentwurf in der Fassung der Drucksache Nr. 3901 anzunehmen und die Anträge nach den Drucksachen Nrn. 3786 und 3789 damit für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir kommen zu 3 b:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Arndgen, Richter, Dr. Hammer, Walter, Willenberg und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Renten({0})
versicherung der Angestellten sowie über die Erhöhung der Renten in der knappschaftlichen Rentenversicherung ({1}) ({2}).
Wird der Antrag begründet? - Ist das Haus damit einverstanden, daß auf Begründung verzichtet wird? - Das Haus ist damit einverstanden; es findet keine Begründung statt.
Dann rufe ich 3 c auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik ({3}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Zuschlag zu den Renten in der Sozialversicherung ({4}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Arndgen.
Arndgen ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seitens der CDU- Fraktion war am 8. Oktober in diesem Hause eine Große Anfrage gestellt worden, die sich mit der Aufbesserung der Renten in der Sozialversicherung beschäftigte. Am 22. Oktober hat die SPD-Fraktion dem Hohen Hause einen Antrag unterbreitet, der das Ziel verfolgte, die Renten in der Invaliden-, in der Angestellten- und in der Knappschafts- wie auch in der Unfallversicherung um 15 DM für die Rentenempfänger bzw. um 12 DM für die Empfänger von Witwenrenten und um 6 DM für die Empfänger von Waisenrenten zu erhöhen. In der Bundestagssitzung vom 30. Oktober hat sich dieses Haus sowohl mit der Großen Anfrage als auch mit dem Antrag der SPD-Fraktion beschäftigt. Im Verlauf dieser Beratungen hat der Herr Finanzminister u. a. erklärt, daß es möglich sein werde, sich im Ausschuß über eine Erhöhung der Renten in der Sozialversicherung zu verständigen.
Der Ausschuß für Sozialpolitik hat sich in mehreren Sitzungen mit dem Antrag der SPD-Fraktion beschäftigt und ist nach längeren Beratungen, an denen teilweise der Herr Finanzminister und auch der Herr Arbeitsminister teilgenommen haben, zu dem Mehrheitsbeschluß gekommen, die Grundbeträge in der Sozialversicherung, die bisher in der Invalidenversicherung 13 DM pro Monat betrugen, um 5 DM für den Rentenempfänger, um 4 DM für die Witwen und um 2 DM für die Waisen zu erhöhen. In Verfolg dieses Beschlusses hat dann der Sozialpolitische Ausschuß einen Gesetzentwurf erarbeitet, der diese Erhöhungen vorsieht. Des weiteren ist in dem Gesetzentwurf, der Ihnen auf Drucksache Nr. 3927 vorliegt, in § 3 festgelegt, daß diese Erhöhungen in den Fällen der §§ 1273 bis 1275 und 1279 der Reichsversicherungsordnung ({6}) unberücksichtigt bleiben.
Endlich hat der Ausschuß diesem Gesetzentwurf einen § 4 eingefügt, nach dem diese Rentenerhöhungen bei den Teuerungszulagen nach dem Teuerungsgesetz vom 25. Juni 1952 in der Kriegsopferversorgung wie auch bei den Unterhaltshilfen nach dem Lastenausgleichsgesetz und in der Fürsorge nicht angerechnet werden sollen.
Dieses Gesetz ist in Verfolg des Antrags der SPD-Fraktion erarbeitet worden. Da aber dem Ausschuß für Sozialpolitik nicht ein Gesetzentwurf, sondern nur ein Antrag zugeleitet wurde, ist dieser Gesetzentwurf in Form eines Initiativantrags, der von der notwendigen Zahl von Abgeordneten unterschrieben ist, dem Hohen Hause vorgelegt worden. Der Ausschuß für Sozialpolitik schlägt dem Hohen Hause vor, den Antrag der SPD-Fraktion Drucksache Nr. 3791 durch diesen jetzt dem Hause vorliegenden Gesetzentwurf als erledigt zu betrachten.
Nun ist bei der Beratung des Antrags der SPD-Fraktion in diesem Hause beantragt worden, diesen Antrag nicht nur dem Ausschuß für Sozialpolitik, sondern auch dem Haushaltsausschuß zuzuweisen. Aus irgendwelchen Gründen, die nicht mehr überprüft werden können, ist dieser Antrag nicht dem Haushaltsausschuß überwiesen worden, sondern lediglich dem Ausschuß für Sozialpolitik. Durch ein Schreiben an den Herrn Bundestagspräsidenten ist darum gebeten worden, diesen Initiativantrag, der in Verfolg des Antrags der SPD-Fraktion von dem Sozialpolitischen Ausschuß erarbeitet worden ist, noch dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Der Haushaltsausschuß hat sich heute morgen mit diesem Gesetz bzw. mit den Deckungsmöglichkeiten bei diesem Gesetz beschäftigt und war der Meinung, daß dieser Gesetzentwurf zunächst hier in erster Lesung beraten und gleich nach der ersten Lesung dem Haushaltsausschuß zugewiesen werden möge, damit er noch heute im Laufe des Tages Gelegenheit habe, sich mit diesem Gesetzentwurf zu beschäftigen, so daß dann entweder heute oder morgen die zweite und dritte Lesung erfolgen könne. Ich bitte das Hohe Haus, dementsprechend zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf Punkt 3 d):
Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({0}) betreffend Rückzahlung von BVG- Rentenüberzahlungen ({1}).
Das Wort hat der Abgeordnete Volkholz.
Volkholz ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag geht darauf zurück, daß bei Inkrafttreten des Bundesversorgungsgesetzes die Versorgungsämter sehr überlastet waren. Es wurden deshalb sehr viele Rentenberechtigte mit Vorschüssen bedacht, die nun seit einiger Zeit die endgültigen Rentenbescheide erhalten. In vielen Fällen sind nun diese Rentenberechtigten niedriger eingestuft worden, als vorher vorgesehen war, so daß größere oder auch kleinere Rückzahlungen verlangt werden. Diese Rückzahlungen bedeuten eine große Härte. Es kommt in vielen Fällen vor, daß auf lange Zeit eine Rentenzahlung überhaupt eingestellt wird, um die Überzahlungen einbehalten zu können. Dem versuchen wir mit unserem Antrag entgegenzutreten, den wir dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen bitten.
Meine Damen und Herren, damit sind alle Anträge eingebracht und begründet. Der Ältestenrat schlägt vor, für alle vier Ziffern unter Punkt 3 der Tagesordnung eine Gesamtredezeit von 60 Minuten zu beschließen. - Das Hohe Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bemühungen des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer, der heute wegen einer dienstlichen Reise leider nicht hier sein kann, um
({0})
eine Deckung der hier entstehenden Ausgaben sind noch nicht zu einem Abschluß gekommen. Im Moment ist daher die Situation so, daß die erheblichen Beträge, die zur Aufbringung des Zuschlags zu den Renten in der Sozialversicherung erforderlich sind, noch nicht gedeckt werden konnten. In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Herrn Berichterstatters über die Notwendigkeit, nunmehr den Haushaltsausschuß mit der Angelegenheit zu befassen, darf ich das wiederholen, was der Vertreter des Bundesfinanzministeriums heute morgen in der Vorberatung im Haushaltsausschuß gesagt hat und was auf dem beruht, was Herr Minister Schäffer vor etwa 14 Tagen bei Gelegenheit der Einbringung des Nachtragshaushalts hier dargelegt hat:
Nachdem die Bundesregierung den Entwurf des Nachtrags zum Bundeshaushalt für 1952 dem Hohen Hause vorgelegt hat, ist die Bemessung dieses Nachtragshaushalts im ganzen und in seinen Einzelansätzen der Beschlußfassung durch die gesetzgebenden Körperschaften vorbehalten. Daher haben die gesetzgebenden 'Körperschaften über Anträge, deren Annahme zu einer Erhöhung der im Nachtragshaushalt 1952 veranschlagten Ausgaben oder zu einer Verringerung der Einnahmen führen würden, in eigener Verantwortung zu befinden. Werden solche Anträge angenommen, so sind die gesetzgebenden Körperschaften im Hinblick auf Art. 110 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes verpflichtet, die finanziellen Mehrbelastungen, die sich aus solchen Beschlüssen für den Nachtragshaushalt 1952 ergeben, durch eine entsprechende Änderung des Nachtragshaushalts, und zwar entweder durch Senkung von Ausgabenansätzen oder durch Erhöhung von Einnahmen, anderweitig auszugleichen. Solange ein solcher Deckungsbeschluß nicht vorliegt, würde die Bundesregierung verfassungsund haushaltsrechtlich außerstande sein, Beschlüsse, zu denen der Haushalt nicht ausdrücklich ermächtigt, zu vollziehen. Das gleiche gilt für die Deckung des Mehrbedarfs 'im Rechnungsjahr 1953, da der Haushaltsvoranschlag bereits vom Kabinett den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet worden ist und zur Zeit dem Bundesrat vorliegt.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem ich als Berichterstatter die 'Empfehlung des Haushaltsausschusses vorgetragen habe, den Gesetzentwurf zur Erhöhung der Grundrenten in der Sozialversicherung nach der ersten Lesung dem Haushaltsausschuß zu überweisen, stelle ich hiermit den Antrag, die Überweisung sofort ohne Aussprache vorzunehmen und die Aussprache in die zweite Lesung zu verlegen.
Dies ist ein geschäftsordnungsmäßiger Antrag.
({0})
Es wird zur Geschäftsordnung das Wort erteilt. -Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem schon auf Antrag der CDU/ CSU der erste Gesetzentwurf betreffend Zahlung einer 13. Monatsrente, der heute in drei Beratungen zum Abschluß gebracht werden sollte, an den Ausschuß überwiesen worden ist, wodurch die Auszahlung der im Gesetzentwurf für Januar vorgesehenen halben Monatsrente meiner Überzeugung nach bereits unmöglich gemacht wird, sollen wir jetzt auch noch hinnehmen, daß eine Aussprache zu dem Gesetzentwurf über die Erhöhung der Grundbeträge 'in der Invalidenversicherung und der Angestelltenversicherung sowie über die Erhöhung der Renten in der knappschaftlichen Rentenversicherung nicht stattfindet. Ich bin der Auffassung, daß das erstens wider die Abrede im Ältestenrat ist und daß zweitens im Interesse der Sozialberechtigten diese Aussprache nicht schnell und nicht gründlich genug durchgeführt werden kann, damit diese so sehr auf die Erhöhung ihrer Rentenbezüge angewiesenen Menschen wenigstens noch vor Weihnachten erfahren, ob und in welcher Form Sie überhaupt etwas zu tun gedenken, damit aus dem Stadium des Geschwätzes um diese Erhöhung etwas Konkretes gemacht wird, damit wir endlich auch draußen sagen können, wie sich diese so christlich-soziale Mehrheit des Hohen Hauses zu diesen Dingen einzustellen beliebt hat.
Wird das Wort zur Geschäftsordnung noch verlangt? - Das ist nicht der Fall. Dann habe ich über den Antrag zur Geschäftsordnung, den der Abgeordnete Arndgen gestellt hat, abstimmen zu lassen. Es ist der Antrag gestellt, die Vorlage Nr. 3927 ohne weitere Debatte dem Haushaltsausschuß zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ersteres war die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Wir fahren in der allgemeinen Aussprache fort. Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits ausgeführt, daß die ' von der Mehrheit des Hohen Hauses beliebte Methode der Behandlung des Antrags betreffend die Zahlung der 13. Monatsrente mit Sicherheit dazu führen wird, daß in diesem Monat - gar nicht zu reden von vor Weihnachten -, also mit der Januar-Rente, die vorgesehene halbe Monatsrente nicht zur Auszahlung kommen wird.
Einiges zur Geschichte dieses Antrages. Sie wissen, daß die Kriegsopferorganisationen in riesigen Kundgebungen die Zahlung einer 13. Monatsrente noch vor Weihnachten gefordert haben. Nachdem am 2. Oktober ein bereits von uns gestellter Antrag hier keine Mehrheit gefunden hatte, kam es dann am 30. Oktober zu der berühmten Anfrage der Frau Kollegin Probst, was die Bundesregierung zu tun gedenke. Die Sozialdemokraten haben an diesem Tage verlangt, daß die 13. Monatsrente im Dezember mit der Dezember-Rente ausgezahlt wird. Die CDU hat verlangt, daß sie je zur Hälfte im Dezember und im Januar ausgezahlt wird. Jetzt kommt auf Grund eines einstimmigen Beschlusses im Haushaltsausschuß der Vorschlag heraus, die Rente in zwei Hälften aufzuteilen und die eine Hälfte mit der Januar-Rente - was ich praktisch für unmöglich halte - und die andere Hälfte mit der Juni-Rente zu zahlen.
Nachdem Ende Oktober dieser CDU/CSU-Antrag bekanntgeworden war, haben die Verbände draußen bedauerlicherweise die Protestkundgebungen eingestellt. Sie haben ihren Mitgliedern gesagt, daß diese Protestkundgebungen jetzt nicht mehr notwendig seien. Dafür haben sie „Aufklärungsveranstaltungen" durchgeführt. Ich bin der Meinung, daß es jetzt hohe Zeit ist, wieder zu der Methode
({0})
der Protestkundgebungen überzugehen. Bei Ihrer sozialen Einstellung ist es nämlich sonst nicht möglich, für die Kriegsopfer die 13. Monatsrente herauszuholen. Das Übrige werden wir bei der zweiten Beratung zu sagen haben.
Den Antrag der FU habe ich in seiner ursprünglichen Form nicht verstanden. Durch die- kurze Begründung bin ich noch etwas hinter die Sache gekommen. Darin wird gefordert, daß von Rückzahlungen Abstand genommen werden soll, wenn Überzahlungen vorgekommen sind auf Grund der Tatsache, daß im Zuge der neuen Rentenfestsetzungen geringere Renten bewilligt worden sind und geringere Rentensätze zur Auszahlung gekommen sind. Ich bin der Auffassung, daß man dem Problem, das mit diesem Antrag angefaßt wird, gerecht wird, wenn man verlangt, daß die Rentenumanerkennungsbescheide nicht mit rückwirkender Kraft, sondern immer erst mit Wirkung vom nächsten Monatsbeginn an ausgesprochen werden dürfen. Dann kommen wir an Überzahlungen und den daraus folgenden Nachforderungen vorbei.
Ich möchte aber noch einen Schlußsatz zu diesem Antrag sagen. Es kommt sehr häufig vor, daß Versorgungsämter auf Grund eigener Fehlberechnungen höhere Rentenbeträge zahlen und, sobald diese Tatsache festgestellt ist, dazu übergehen, rigoros Rückzahlungsforderungen an die Kriegsopfer zu stellen, Rückzahlungsforderungen, die manchmal zur Folge haben, daß die Kriegsopfer mit ihren Rentensätzen weit unter den kommunalen Richtsatz sinken. Bei den Beratungen im Ausschuß muß auch nach dieser Richtung die Anregung der FU ergänzt und ein Beschluß herbeigeführt werden, der sagt, daß schuldhaft durch die Versorgungsbehörden verursachte Überzahlungen nicht mehr zurückgefordert werden dürfen, weil dadurch unerträgliche Härten entstehen, die um so schwerer und um so schmerzlicher sind, wenn man an die allgemein erbärmliche Höhe der Rentenleistungen an und für sich denkt.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
({0})
- Frau Abgeordnete Kalinke ist nicht da. Wünscht jemand anders von der Deutschen Partei das Wort? - Dann liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
({1})
Ich kann vielleicht inzwischen bekanntgeben, daß der Herr Vorsitzende des Haushaltsausschusses den Haushaltsausschuß auf die Zeit unmittelbar nach Beendigung dieses Tagesordnungspunktes einberufen hat.
Frau Kalinke will das Wort nicht haben.
({2})
- Das ist schon geschehen. Dann liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
Wir kommen zur Abstimmung über die einzelnen Anträge. Die Sache ist insoweit einigermaßen umständlich, als einer dieser Anträge einen Gesetzentwurf enthält. Es ist der Antrag des Ausschusses zu Ziffer 3 a. Es ist wohl die zweite Lesung, da der Ausschuß selbst ja nicht in der Lage ist, einen Initiativantrag einzubringen.
Ich rufe auf § 1. Es handelt sich um den Ausschußantrag Drucksache Nr. 3901. - Keine weiteren Wortmeldungen. Es liegt ein Änderungsantrag der KPD, Umdruck Nr. 736, vor. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wer für § 1 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe!
({3})
- Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 2. - Keine Wortmeldungen, keine Anträge. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 3. - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist die zweite Lesung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung. Ich bitte um Wortmeldungen.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten zur zweiten Beratung den Antrag gestellt, die 13. Monatsrente voll noch im Monat Dezember, also mit der für Januar fälligen Rate, auszuzahlen. Sie haben, nachdem im Ausschuß einstimmig beschlossen worden war, das nicht zu tun, sondern die Rente geteilt, und zwar zur Hälfte im Januar, zur anderen Hälfte im Juni auszuzahlen, unseren Antrag erneut abgelehnt. Die Kriegsopfer draußen verlangen aber diese 13. Monatsrente. Man hat ihnen durch die des Antrags die Hoffnung gemacht, daß dieser Monatsbetrag spätestens mit der Januar-Rente ausgezahlt werde. Das ist nun hinfällig geworden durch die Haltung sowohl der Koalitionsparteien als auch der SPD-Fraktion. Ich halte mich für verpflichtet, das hier ganz klar zum Ausdruck zu bringen.
Wir haben uns bei der Abstimmung über dieses Gesetz der Stimme enthalten, weil wir nicht dafür verantwortlich gemacht werden wollen, daß Sie mit den einhellig gestellten und so gerechtfertigten Forderungen der Kriegsopfer in dieser Art und Weise verfahren. Wir werden dafür sorgen, daß die Kriegsopfer draußen Ihre Haltung, Ihre Entscheidung und die Hintergründe Ihrer Entscheidung genauestens erfahren. Wir werden für Aufklärung sorgen und auch dafür, daß der Mehrheit dieses Hauses von den Kriegsopfern der nötige Dampf gemacht wird.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Pohle.
Meine Damen und Herren! Ich kann darauf verzichten, dem Herrn Abgeordneten Renner zu antworten,
({0})
denn die Kriegsopferverbände sind von uns über die Stellungnahme dieses Hauses schon hinreichend informiert.
({1})
({2})
Ich darf weiterhin darauf hinweisen, daß jetzt nicht nur diese halben Monatsbezüge mit der für den Monat Januar fälligen Rente ausgezahlt werden, sondern daß darüber hinaus auch schon die Geldbeträge an die Länder überwiesen sind und die halben Monatsbezüge auf dem Postscheckwege noch vor Weihnachten überwiesen werden.
({3})
Das hat auch uns Sozialdemokraten bestimmt, dieser Vereinbarung zuzustimmen.
({4})
Dann habe ich für die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP/ DPB und FU folgende Erklärung abzugeben:
Die genannten Fraktionen geben dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Zuwendungen an Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen ihre Zustimmung unter der Voraussetzung, daß die im Gesetzentwurf Drucksache Nr. 3901 vorgesehenen Zuwendungen als Ausgleich für die in der rückliegenden Zeit durch die Preiserhöhung eingetretene Minderung der Rentenkaufkraft und zur Angleichung an die Höherentwicklung der übrigen sozialen Leistungen angesehen werden. Die genannten Fraktionen erwarten, daß die Bundesregierung eine Novelle zum Bundesversorgungsgesetz vorbereitet und dem Bundestag vorlegt, in welcher die Versorgungsbezüge entsprechend dem veränderten Lohn- und Preisgefüge neu festgesetzt werden.
({5})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
In der dritten Beratung rufe ich auf zur Einzelaussprache: §§ 1 bis 3, -Einleitung und Überschrift. Wer für Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! -Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen sind diese Bestimmungen angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, dies durch Erheben von seinem Platz zu bezeugen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Gesetz über die Gewährung von Zuwendungen an Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen ist angenommen.
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Ich habe noch abstimmen zu lassen über Ziffer 2 des Ausschußantrages. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
({1})
- Es handelt sich darum, daß der Antrag Drucksache Nr. 3786 und der Gesetzentwurf Drucksache Nr. 3789 durch die Beschlußfassung zu 1 für erledigt erklärt werden. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Punkt 3 b) ist erledigt.
Zu Punkt 3 c) bitte ich abzustimmen über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3928. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
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- Er soll ja für erledigt erklärt werden. - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Zu Punkt 3 d): Der Antrag der Föderalistischen Union soll an den Ausschuß für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen überwiesen werden. Ist das Haus einverstanden?
({3})
- Dann ist so beschlossen. Damit ist Ziffer 3 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Unfällen im Straßenverkehr ({4}); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung ({5})) ({6});
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({7}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Verkehrssicherheit ({8});
c) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({9}) über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Wiederherstellung der Verkehrssicherheit auf den Bundesautobahnen ({10}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für alle drei Punkte unter Ziffer 4 eine Gesamtaussprachezeit von 60 Minuten zu beschließen. Ist das Haus einverstanden? - Es ist so beschlossen.
Wir haben zunächst den Bericht zu 4 b) und 4 c) entgegenzunehmen. Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Rümmele als Berichterstatter zu 4 b) und 4 c).
Rümmele ({11}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Die Anträge zu 4 b) und 4 c) sind, ich möchte sagen, alte Kinder. Sie sind beide im Jahre 1950 gestellt, und zwar der Antrag des Zentrums mit 16 Punkten am 13. Oktober 1950. Ich bitte nun die antragstellende Fraktion, nicht zu glauben, daß der Antrag mit Wissen so lange liegengeblieben ist und daß der Ausschuß für Verkehrswesen nichts getan hätte, sondern es verhielt sich folgendermaßen: Die Fragen, die hier angeschnitten sind, sind zum Teil laufend erledigt worden, zum Teil haben sie in Verwaltungsanordnungen ihre Erledigung gefunden, zu einem Teil stehen sie mit dem Straßensicherungsgesetz und dem Güterfernverkehrgesetz in Zusammenhang. Der Ausschuß hat die Dinge wiederholt beraten.
Ich möchte wegen der Kürze der Zeit nicht alle 16 Punkte, die in dem Antrag des Zentrums enthalten sind, im einzelnen behandeln. Die Drucksache Nr. 3775 mit dem Bericht des Ausschusses liegt Ihnen vor. Es ist zu allen diesen 16 Punkten Stellung genommen worden. Eine Anzahl der Punkte soll durch inzwischen erfolgte Anordnungen der Verwaltung erledigt sein. Eine Anzahl anderer Punkte findet ihre Erledigung dadurch, daß wir heute das Straßensicherungsgesetz - ich nehme an - in dritter Lesung verabschieden können. Der Rest der 16 Punkte, die alle über die Straßensicherung und Verbesserungsmöglichkeiten handeln, ist zum Teil der Regierung als Material überwiesen. Die Erledigung dieser Punkte hängt weitgehend, vor allem soweit Wünsche für den Straßenausbau, Verkehrsübergänge usw. in Frage
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kommen, von den Geldmitteln ab, die das Finanzministerium dem Verkehrsministerium zur Verfügung stellen kann.
Der Antrag der Deutschen Partei ist ebenfalls bereits am 8. November 1950 gestellt worden. Ich darf mich auf die allgemeinen Bemerkungen beziehen, die ich bereits zum Antrag der Zentrumspartei gemacht habe. Auch hier hat der Ausschuß die Arbeit so gehandhabt, daß laufend mit den anderen Dingen, die der Ausschuß für Verkehrswesen erledigt hat, die Abstimmung erfolgte. Es kann nun heute auch hier die Erledigung des Antrags durch den Ausschußantrag erfolgen, und zwar dadurch, daß der Antrag als erledigt erklärt werden kann infolge der Straßenverkehrszulassungsordnung und der Ergänzung dazu in der Fassung vom 25. November 1951.
Ich bitte Sie, die Anträge entsprechend dem Ausschußvorschlag anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache sowohl der dritten Lesung zu Punkt 4 a als auch zu den Ausschußberichten zu Punkt 4 b und 4 c. Ich bitte um Wortmeldungen. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Baur.
Meine Damen und Herren! Am 21. Oktober 1951 ging dieses Gesetz durch die erste Lesung. Trotz der täglichen Meldungen über Unfälle, trotz aller Propaganda des Bundesverkehrsministeriums, trotz erfolgter Aufklärung und Verkehrserziehung stiegen die Unfallziffern weiter. Das vorliegende Gesetz will mit den beschlossenen Verschärfungen vorbeugend durch Abschreckung wirken. Das Gesetz will mit seinen Bestimmungen auch erzieherisch wirken. Aber wenn nicht alle Stellen, die gemäß den Vorschriften die Pflicht haben, den Straßenverkehr zu regeln und zu überwachen, sich restlos dieser Aufgabe widmen, befürchte ich, daß die Unfälle weiter steigen werden. Das beste Gesetz muß wirkungslos bleiben, wenn der Staat, in diesem Falle die Ressortministerien der Länder wie bisher versagen und die Kontrollen völlig ungenügend tätigen. Die Kontrollen müssen auch bei Nacht ausgeübt werden. Man sage mir nicht, unsere Polizei sei nicht ausreichend. Bei richtiger Organisation und vorübergehender Verwendung von Bereitschaftspolizei sowie des Grenzschutzes kann diese Aufgabe ohne Vermehrung des Stabes der allgemeinen Verkehrspolizei durchaus zum Schutz aller am Verkehr beteiligten Bürger und Bürgerinnen gelöst werden. Denn nur eine umfassende und für einige Zeit konstante Kontrolle kann dem Gesetz zum entscheidenden Erfolg verhelfen. Hier darf es keine Ausreden, keine Kompetenzstreitigkeiten geben. Alle Sicherheitseinrichtungen haben die Pflicht, gemäß diesem Gesetz die Pest der Raserei und der dabei zum Ausdruck kommenden Verachtung von Menschenleben zu bekämpfen. Ich sage: zu bekämpfen; aber nicht mit kleinlichen Polizeischikanen, sondern mit den modernen sachlichen Mitteln. Es wird vor allem notwendig sein, die Fahrzeuglenker, die Radfahrer, die Fußgänger umfassend mit den Vorschriften dieses Gesetzes vertraut zu machen. Die einsetzenden Kontrollaktionen müssen in erster Linie der Belehrung und für den Anfang nur der Verwarnung und. nicht gleich der Bestrafung dienen, sofern der Unfall, der verursacht wurde, nicht einer Fahrlässigkeit oder einer Rücksichtslosigkeit zuzuschreiben ist. Daneben muß eine intensive \Verkehrsaufklärung und Verkehrsschulung aller Volksteile einhergehen. Wo aber unbelehrbare und rücksichtslose Rowdies als Verkehrsverbrecher festgestellt werden, muß die Absicht des Gesetzes, nämlich verschärfte Bestrafung, wahrgemacht werden. Wer leichtfertigerweise oder aus brutalem Egoismus Leben und Gut anderer Menschen gefährdet, muß zur vollen Verantwortung gezogen werden.
Lassen Sie mich zum besseren Verständnis dieser Auffassung einige wenige Zahlen nennen. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden stellt in seinem Bericht vom 5. September 1952 fest, daß die Verkehrsunfälle im letzten Jahr wegen Nichtbeachtung des Vorfahrtsrechts um 17 %, wegen falschen Einbiegens um 23,3 %, wegen falschen Überholens und Vorbeifahrens um 20,3 % und wegen übermäßig schnellen Fahrens um 40 % gestiegen sind. Diese Zahlen zeigen, wie notwendig dieses Gesetz, besonders die Bestimmung über den Entzug des Führerscheins ist.
Das Problem besteht nicht in Deutschland allein, sondern, wie man aus der „Neuen Zürcher Zeitung" en nehmen kann, auch in der Schweiz; ebenso ist es in andern Ländern. In einem Artikel ,,Fahrerkontrolle oder Tempobeschränkung" schreibt diese Zeitung zu dem Problem am 10. Oktober 1952 folgendes. Ich darf vielleicht mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten die wenigen Zeilen vorlesen:
Es ist unerträglich, daß Leuten, die weder die technische Fertigkeit noch, was wichtiger ist, die nötige charakterliche Reife und Eignung besitzen. gefährliche Maschinen anvertraut werden, mit denen sie andere um Leben, Gesundheit und Vermögen bringen können.
Mit diesem Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs wird man jedoch nur dann eine optimale Wirkung, einen optimalen Grad an Sicherheit erzielen, wenn es mit seinen Bestimmungen jedem einzelnen im ganzen Volk ins volle Bewußtsein, in Fleisch und Blut übergegangen ist. Nur dann ist eine hochgradige vorbeugende Wirkung zu erreichen.
Ich nehme Bezug auf meine Rede am 25. Oktober 1951 in diesem Hause bei Gelegenheit der ersten Lesung. Wenn Verkehrsschulung einen Dauererfolg haben soll, genügen nicht gelegentliche Plakataktionen, sondern müssen der Rundfunk und die Wochenschauen in den Kinos periodisch und systematisch dazu verwendet werden. Mit diesen beiden Einrichtungen können täglich Millionen Menschen mit Erfolg angesprochen und an einer das ganze Volk erfassenden Aufklärung beteiligt werden. Allein so kann meiner Meinung nach das Volk für eine echte und fruchtbare Mitarbeit und für die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gewonnen werden. Das Bundesverkehrsministerium und alle damit beauftragten Kreise sollen sich mit besonderer Intensität mit dieser Forderung befassen und ihre Durchführung betreiben. Wenn die Bestimmungen des Gesetzes im ganzen Volk bekanntgemacht und von allen Kreisen, ob Kraftfahrer, Radfahrer oder Fußgänger, aus ureigenstem Interesse respektiert werden, wird die Unfallbekämpfung einen maximalen Erfolg haben können. Denn wie ist heute leider die Auffassung im Volke? Geschieht ein Unfall, dann sagen die Leute, der Betreffende sei eben ein Opfer des Verkehrs geworden. Sie treffen diese Feststellung, wie man etwa eine Naturkatastrophe, die unvermeid({0})
lich war, feststellt, zwar mit einem gewissen Mitgefühl, aber in Ohnmacht gegenüber einem unabänderlichen Gesetz der Natur. Ist nicht auch diese Lethargie schon eine Gefahr? Ich bitte den Herrn Bundesverkehrsminister, bei seinen künftigen Werbeaktionen ganz besonders dieses psychologische Moment zu berücksichtigen. Alle anständigen Kraftfahrer aber, denen ein Menschenleben noch heilig ist, sollten in echter Solidarität dazu beitragen, daß die unbelehrbaren Verkehrsverbrecher auch dann zur Verantwortung gezogen werden, wenn ein direkter Unfall zwar vermieden wurde, aber eine Gefährdung gegeben war. Auf diese Weise ließe sich vorbeugend sicher auf die Dauer vieles verhindern. Das gilt ganz besonders auch gegenüber jenen Fahrern, die aus einfältigem Protzentum nicht ertragen können, daß sie gelegentlich einmal überholt werden, und glauben, daß sie die Autobahn wie die Landstraßen zur Rennbahn machen können.
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Von Richtern und Behörden erwarten wir, daß sie bei ihren Entscheidungen sorgfältig prüfen, welcher Art die Schuld bei einem eingetretenen Unfall ist, ob diese in unvermeidbaren Ursachen, in ungewolltem Versagen von Sinnen und Fähigkeiten der Menschen oder Maschinen oder in offensichtlich fahrlässigem Verhalten oder gar in brutal egoistischer Rücksichtslosigkeit lag. Im zweiten und dritten Fall, glaubt meine Fraktion, sollte das Gesetz in voller Schärfe seine Anwendung finden.
Das Bundesverkehrsministerium möchte ich noch einmal ersuchen, ein kleines Manual über Verkehrsvorschriften und Unfallverhütung herauszugeben, das als Unterrichtsmaterial bei den Fahrschulen verwandt wird und das man den Fahrschülern bei Prüfung ihrer Kenntnisse mit dem Führerschein aushändigt als Ratgeber für die ferneren Fahrten, die der betreffende Fahrer oder die Fahrerin vor sich haben.
Um die kritische Lage im Verkehr wirklich wirksam zu verbessern, ist auch eine umfassende Verbesserung unserer Straßenverhältnisse unbedingt notwendig. Die erhobenen Kraftfahrzeugsteuern müssen deshalb zweckgebunden restlos dem Straßenbau und dem Straßenunterhalt zugeführt werden. In planmäßigem Vorgehen müssen alle verkehrsgefährdenden Straßenstellen zügig beseitigt werden; wo immer möglich, müssen Umgehungsstraßen gebaut werden, um die Gemeinden von dem Durchgangsverkehr entlasten zu können, besonders dort, wo enge Straßen nicht erweitert werden können. Hemmende Bahnübergänge dürfen nicht mehr gebaut werden; wo solche bestehen, müssen sie allmählich beseitigt werden. Die dem Bundesverkehrsminister zugewiesenen Mittel müssen im Einvernehmen mit dem Ausschuß für Verkehrswesen zur Überwindung dieser Umstände gemäß den sich aus der Verkehrsdichte ergebenden Dringlichkeiten verwendet werden. Auch in den Städten und Gemeinden ist das Verkehrswesen mehr als bisher sinnvoll zu regeln. Dabei ist an die Sicherheit der Radfahrer durch genügend Radfahrwege ebenso zu denken wie an die Sicherheit der Fußgänger durch entsprechende Schutzstreifen an Straßenübergängen, nicht zuletzt durch ausreichende Verkehrsampeln; denn die Verkehrstafeln auf Halt sind keine genügende Sicherheit für die komplizierten Verkehrspunkte in den Großstädten und zum Teil auch in den kleineren Gemeinden.
Alle beteiligten und verantwortlichen Stellen müssen ihre Aufgabe auch darin sehen, daß die Möglichkeiten, die durch die Kriegszerstörungen in den Städten für Straßenerweiterungen und Parkplatzanlagen heute noch bestehen, unverzüglich ausgenutzt werden. Heute noch bestehen die Chancen, morgen können sie schon verbaut sein.
Meine Fraktion ist der Auffassung, daß es nicht genügt, nur ein Gesetz zu erlassen, sondern daß es notwendig ist, das Gesetz in seinen Auswirkungen laufend zu beobachten. Die sozialdemokratische Fraktion erwartet daher, daß der Bundesverkehrsminister dem Parlament mindestens halbjährlich Bericht über den Erfolg oder Mißerfolg dieses Gesetzes gibt. Mehr als bisher ist deshalb auch die Unfallstatistik zu spezialisieren, nicht zuletzt auch auf die Beobachtung nach Personenkilometern, damit die Arten der Gefahrenquellen, die Fahrzeuge und die Ursachen der Unfälle exakter festgestellt werden können und die daraus sich ergebenden Schlußfolgerungen vom Bundesverkehrsministerium mit den Behörden und vor allem dem Gesetzgeber rasch und zweifelsfrei gezogen werden können. Es genügt bei diesem Zeittempo, wo die Technik unaufhörlich fortschreitet, nicht, nur Gesetze zu machen, die starr in Paragraphen abgefaßt sind, sondern mehr noch ist die Beobachtung der Wirkungen eines Gesetzes notwendig.
Lassen Sie mich Ihnen zum Schluß noch eine Bemerkung des Professors Dr. Pirath von der Technischen Hochschule Stuttgart zur Kenntnis bringen, die dieser auf einer verkehrspolitischen Tagung der Gewerkschaft ÖTV im verflossenen Herbst gemacht hat. Ich glaube, der Präsident wird mir gestatten, daß ich sie Ihnen vorlese. Professor Pirath sagte damals:
Man kann von einer negativen und von einer positiven Methode
- bei der Bekämpfung der Unfälle sprechen. Die negative Methode besteht darin, daß den Menschen eine möglichst große Anzahl abschreckender Bilder von Unglücksfällen gezeigt wird, damit sie sich sagen: „Sieh dich vor, damit dir nichts Ähnliches passiert!" Die positive Methode ist die, daß man die Menschen auf bestimmten Wegen darüber aufklärt, wie sie selbst als Kraftfahrer Zusammenstöße vermeiden können. Ich habe das Gefühl, als wenn in der negativen Methode ein wenig zuviel gemacht wird und in der positiven zuwenig.
Vor allen Dingen ist eine Seite der positiven Erziehung und Aufklärung bisher noch zuwenig aufgezeigt worden. Das ist die Einbeziehung der Wissenschaft in die Untersuchung der Ursachen von Unfällen, die mit dem Menschen zusammenhängen. Ich möchte sie als verkehrspsychologische Ursachen bezeichnen. Und ich möchte sehr empfehlen, daß Sie Ihr Augenmerk darauf richten und daß Sie sich auch dafür einsetzen, daß die Psychologen, die Mediziner, zusammen mit der Praxis Maßstäbe finden, nach denen jeder Kraftfahrer sich selbst einschätzen kann, wo er seine Schwächen und wo er seine Vorzüge hat für Fahrten, die er auszuführen hat. Ich denke da immer an das berühmte Wort über dem Orakeltempel in Griechenland: „Erkenne dich selbst!", natürlich auf andere Dinge bezogen, auf das geistige, seelische Leben. Hier aber sollte der Fahrer sich erkennen lernen durch Methoden,
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die die Wissenschaft zur Verfügung stellt, bei welchen Gelegenheiten, bei welchen Dispositionen, bei welchen klimatischen Verhältnissen man vorsichtig sein muß, von sich aus gesehen, und bei welchen Verhältnissen man etwas kühner fahren kann. Ob man diese Maßstäbe finden kann, wird die Zukunft lehren. Ich bin aber davon überzeugt,
sagt der Professor wenn man sich wirklich einmal mit diesen Dingen befaßt, von der wissenschaftlichen Seite her, dann wird man den Menschen positiv sagen können: „Lasse dich prüfen, in welcher Richtung du schwach bist im Fahren, in welcher Richtung du leistungsfähig bist!" Nun, das wäre das, was über die Sicherheit zu sagen wäre, zu der die Staatspolitik ja schließlich auch einmal Stellung nehmen muß.
Ich bin der Meinung, daß die hierin zum Ausdruck gebrachten Anregungen sehr wertvoll sind und nicht bloß zur Kenntnis genommen werden sollten, sondern entschieden Anwendung finden sollten.
Nun liegen dem Hause wiederum Anträge betreffend die Länge der Lastwagenzüge vor. Ich möchte sagen, daß es für die Unfallverhütung nicht auf die Länge der Lastzüge, sondern einzig und allein auf das Verhalten der Fahrer während der Fahrt ankommt. Heute herrscht gegenüber den Lastwagenfahrern eine so große Abneigung, weil ein großer Teil, nicht alle, der Fahrzeuglenker bei der Fahrt nur an sich denken und keine oder nich genügende Rücksicht auf kleinere Fahrzeuge nehmen.
Während des Krieges und in den totalitären Staaten wurden Menschenleben als wenig wertvoll
behandelt. In einem kulturellen Volk sollten aber doch das Leben und die Gesundheit der Menschen wieder geschätzt und respektiert werden. Deswegen muß das ganze Volk über den Zweck des Gesetzes aufgeklärt werden. Eine freiwillige Rücksichtnahme aufeinander an jedem Ort und zu jeder Zeit muß Ziel aller sein; dann werden die verschärften Bestimmungen des Gesetzes nur ganz selten zur Anwendung kommen müssen.
Meine Fraktion stimmt diesem Gesetz unter den genannten Gesichtspunkten zu.
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Das Wort hat der Abgeordnete Rümmele.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz nennt sich Gesetz zur Sicherung des Verkehrs auf den Straßen. Die Sicherheit des Straßenverkehrs ist eine dringende Notwendigkeit. Dafür nur einige wenige Zahlen. Jeden Tag werden über 20 deutsche Menschen totgefahren. Jeden Tag werden über 300 deutsche Menschen im Straßenverkehr verletzt. Das ergibt ungeheuerliche Zahlen; das ergibt Zahlen, die beispielsweise in Amerika höher liegen als die der Todesopfer in Korea. Ich glaube, schon diese Zahlen rechtfertigen und machen es uns zur Verpflichtung, daß wir wirklich alles versuchen, um die Sicherheit im Straßenverkehr, soweit es geht, herzustellen.
Ich will aber auch noch ein paar andere Zahlen nennen. Man sagt, umgerechnet kommt in Amerika auf vier oder fünf Menschen ein Kraftwagen. Das erscheint uns ungeheuer hoch. In Deutschland ist es so: wir haben zur Zeit - am 1. Oktober dieses
Jahres - rund 3 1/2 Millionen Kraftfahrzeuge, das ist so etwa auf jeden 18. Einwohner ein Kraftfahrzeug, wobei selbstverständlich die Motorräder mit ihrem berühmten Lärm eingerechnet sind. Aber etwas Entscheidendes liegt auf einer anderen Ebene, und von dorther kommt vieles von dem, was die Unsicherheit auf der Straße mit sich bringt. Wir haben nämlich auf einen Kilometer Straßenlänge in Deutschland heute schon 21 Kraftfahrzeuge.
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Die entsprechenden Zahlen sind in Frankreich und Amerika: auf einen Kilometer 5 bis 7 Kraftfahrzeuge. Wir haben also eine Straßenverkehrsdichte, die dreimal so groß ist wie die in Frankreich und in Amerika. Ein Teil der Unfälle ist zweifellos auf diese Tatsache zurückzuführen.
Nun kommt hinzu, daß in Deutschland im Verhältnis zum Straßennetz, zur Straßenlänge, die Zahl der Kraftfahrzeuge ungeheuer im Steigen ist. Wir haben allein in den ersten drei Vierteljahren des Jahres 1952 bis Ende September über 550 000 neue Kraftfahrzeuge zugelassen. Ich bitte, sich das einmal zu überlegen und sich das Tempo auszumalen. Wenn das noch 3 bis 5 Jahre in diesem Tempo weitergeht, dann ist vorauszusehen, daß auch die gesetzlichen Vorschriften nicht mehr ausreichen, um die Sicherheit auf der Straße bei dieser Dichte des Verkehrs zu garantieren.
Nun sind viele Unfälle, die geschehen sind und geschehen, zweifellos auch eine Folge des technischen Versagens der Fahrzeuge, des Materials. Die meisten Unfälle - und das hat ja der Herr Kollege Baur schon treffend hervorgehoben - sind aber auf menschliches Versagen zurückzuführen. Deswegen müssen wir alles tun, um diese menschlichen Versager, soweit es geht, auszuschalten. Abgesehen von der Trunkenheit - wir im Süden sagen: abgesehen von den Schöppleintrinkern, die sich ans Steuer setzen, wenn sie sich nicht mehr daran setzen sollten; wir haben die Frage ja in anderem Zusammenhang behandelt -, sind es vor allem bestimmte Untugenden der Verkehrsteilnehmer aller Schattierungen und aller Grade, vom Herrenfahrer bis zum Berufsfahrer, vom Lastwagenführer bis zum Motorradfahrer, ja bis zum Radfahrer, die schuld an der Entwicklung sind. Es gibt tatsächlich viele Herrenfahrer und Berufsfahrer, die können kein Fahrzeug vor sich sehen. Denen steckt der Überholteufel im Leib, auch dort, wo es gar nicht notwendig ist und wenn sie es zeitlich gar nicht nötig hätten.
Ein zweites kommt dazu: wer hätte das nicht selber schon erlebt und vielleicht nicht selber schon die Sünde begangen, daß man die Kurven schneidet? Wer hätte nicht schon erlebt, daß der Winker nicht herausgegeben wird und daß kein Signal gegeben wird? Ja, es gibt Leute, die verwenden nicht einmal die Hupe, wenn sie überholen wollen und wenn sie sehen, der vornedran hat das nicht verstanden und macht keinen Platz.
Nebenbei gesagt: die Lastwagenzüge und die Lastwagenfahrer, die sogenannten Kapitäne der Landstraße, wie man sie schon geheißen hat, sind weitgehend unbeliebt, zum Teil mit Recht. Ich möchte aber auch sagen: es gibt auch viele Menschen in diesem Beruf, viele Lastwagenfahrer, die Platz machen, und ich freue mich immer, wenn ich bei einem Lastwagen hinten die Aufforderung sehe: „Gib Zeichen, wir weichen!" oder: „Gib Signal - ich mache Platz!" Irgendein anderer hat
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ein noch schöneres Verslein hingemalt. Man muß auch den Unterschied einmal anerkennen. Es sind nicht alle bösartig; es gibt erfreulicherweise eine ganze Masse Menschen, die etwas Verkehrsdisziplin haben und Platz machen.
Darf ich Sie daran erinnern, daß in diesem neuen Gesetz vorgeschrieben ist, daß bei den Lastzügen ein Fahrtschreiber zur Kontrolle der Fahrtzeit, zur Kontrolle aber auch der Arbeitszeit und der Ruhenszeit vorhanden sein muß. Darf ich weiter darauf hinweisen, daß in dem Gesetz auch die Bestimmung enthalten ist - sie ist allerdings, ich möchte beinahe sagen, nur für die Zukunft gedacht -: sobald ein Überholgerät so konstruiert ist, daß es technisch sicher und auch in den Kosten für beide Teile beschaffbar ist, müssen auch die Lastzüge und andere große Fahrzeuge zweifellos mit diesem Überholsignalgerät ausgerüstet sein.
Es gibt noch andere Momente, die man bekämpfen muß. Ich glaube, die Verbände der Kraftwagenindustrie, vor allem der Lastwagenzüge, also des Güterverkehrs auf der Straße, müßten von sich aus erzieherisch auf ihre Fahrer einwirken. Es ist und bleibt ein Unfug, wenn der Lastwagenfahrer andere Lastwagen überholt und damit den Verkehr aufhält. Es ist meistens so, daß der, der überholt, vielleicht einen Kilometer Überschuß an Fahrgeschwindigkeit hat;
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aber er läßt es nicht sein, und wenn er 10 Minuten lang den Verkehr aufhält. Es ist geradezu toll auf der Strecke von Bonn nach Frankfurt, auf der die Steigungen sind. Da liefern sich manchmal zwei Fahrer richtige Duelle und halten damit den Verkehr bis zu 5 oder 10 Minuten, ich muß schon sagen: bösartig auf. Da müßte allerdings die Länderpolizei, die doch letzten Endes die ausschlaggebende Polizei ist, schärfer eingreifen. Ich darf daran erinnern, daß auch das Verkehrsministerium da noch manches tun muß. Die Vernebelung beispielsweise der Straßen gerade auf dieser Strecke ist heute schwieriger und größer als vor einem Jahr. Das können Sie immer wieder feststellen, wenn Sie auf diesen Straßen fahren. Warum kann man in Deutschland nicht eine technische Anordnung treffen wie in Amerika, durch die die Abgase der Lastwagen in die Höhe geführt werden. Ich habe letzthin einen derartigen Lastzug auch in Deutschland gesehen; ich kann allerdings nicht sagen, ob es ein ausländischer war. Aber ich kann Ihnen sagen: es ist viel gescheiter, diese Abgase in die Höhe zu führen als gerade auf die Überholungsfahrbahn,
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wo man infolgedessen nichts mehr sieht. Unter Umständen ist, wenn etwas passiert, auch darin die Schuld zu suchen.
Darf ich weiter daran erinnern, daß die Lastzüge manchmal so horrend überladen sind, daß man nur wünschen kann, die Kontrollen würden auch in dieser Beziehung besser durchgeführt. Es geht doch nicht an - das sieht ja schließlich jeder Laie -, daß etwa das doppelte Gewicht verladen wird. Das verstößt ja gegen alle gesetzlichen Vorschriften.
Es ist auch daran zu denken - das gilt vor allem für die Arbeitgeber in diesem Gewerbe -, daß die Ruhenszeiten eingehalten werden.
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Man soll von einem Fahrer nicht verlangen, daß er vielleicht 12 oder 14 Stunden auf dem Bock sitzt, mit Verlaub zu sagen.
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Das hält ein Mensch nicht aus, und es ist kein Wunder, wenn die Leute dann einschlafen und von der Straße abkommen oder sonst den Verkehr gefährden. Schließlich geht es immer um Menschenleben, die unnötig vernichtet werden, und um Hinterbliebene, die versorgt werden müssen.
Aber nicht nur die Kraftfahrer sind mit Untugenden behaftet und überlastet, sondern das trifft auf die Radfahrer genau so zu.
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Wer hätte es nicht wiederholt erlebt, daß selbst bei Dunkelheit zwei und drei Radfahrer nebeneinander fahren! Sie müssen ihr Schwätzlein machen, auch wenn sie auf dem Rad sitzen, anstatt sich darüber klar zu sein, daß der Radfahrer ganz besonders gefährdet ist, weil ihn ja der schnellere Fahrer im Kraftwagen vor allem abends oder gar bei Nebel viel zu spät sieht. Darf ich daran erinnern, daß auch hier das Verkehrsministerium eine Aufgabe hat, nämlich dafür zu sorgen, daß über dies Gesetz hinaus durch Verwaltungsanordnung die sogenannten beleuchteten Tretstrahler bei den Fahrrädern wieder eingeführt werden. Das wäre technisch durchaus möglich und ein großer Fortschritt in der Verkehrssicherheit. Es sind eine ganze Anzahl andere Dinge, die man dabei überlegen könnte und fordern könnte, Radfahrerwege, Fußgängerwege, aber auch Wege für die Bauern, die neben einer Straße, die stark überlastet ist, schließlich auch ein Recht haben, ihre Ernte einzufahren, die Ackergeräte herauszufahren und was da noch in Frage kommt.
Aber letzten Endes spielt auch die Verkehrserziehung hier eine Rolle. Da muß in den Schulen viel mehr getan werden. Ich freue mich feststellen zu können, daß, wie ich das jetzt in Frankfurt einige Male beobachtet habe, die Verkehrspolizei ganz mustergültig den Verkehr regelt und von einem Lautsprecherwagen aus die Leute darauf aufmerksam macht - auch die Fußgänger -, wenn sie einen Fehler begangen haben. Das müßte man noch viel mehr tun, denn ich bin überzeugt, viel Unachtsamkeit ist schließlich dabei.
Gestatten Sie mir zum Schluß noch ein Wort über den Fußgänger. Es gibt ja in „Wallensteins Lager" das berühmte und schöne Wort - an der Stelle, als ein Bauer richtig ausgefleddert werden soll -: „Der Bauer ist auch ein Mensch, sozusagen." Erlauben Sie mir, das Wort umzuwandeln: „Der Fußgänger ist auch ein Mensch, sozusagen."
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Der Fußgänger wird zum Teil auf den deutschen Straßen in eine derartige Hetze hineingejagt, daß man es nicht mehr verantworten kann.
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- Ja, der Fußgänger soll der König der Straße sein, aber ich wage gar nicht so weit zu denken. Nur, glaube ich, hätten alle, die ein Auto fahren oder führen, die heilige Verpflichtung, auch daran zu denken, daß der Fußgänger kein Staatsbürger zweiter Klasse ist und daß es keine Schande ist, wenn man auf den Fußgänger Rücksicht nimmt,
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vor allem soweit es sich um Kinder und ältere Leute handelt,
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die nicht mehr so beweglich sein können, wie die Jungen das können.
Schließlich noch ein kurzer Satz über das berühmte Problem - Antrag Rechenberg, Antrag des Ausschusses - der Länge der Lastwagenzüge. Wenn der Antrag des Herrn Kollegen Rechenberg vor zwei Jahren gekommen wäre, wäre er zeitiger gewesen. Meiner Schätzung nach ist mit den 20 Metern tatsächlich das höchste der Gefühle erreicht. Es wäre besser gewesen, man hätte anstatt der 20 Meter wenigstens die 18 Meter, die die Sachverständigen vorgeschlagen haben, im Jahre 1951 genehmigt. Ich will die Fehler nicht herausholen.
Herr Kollege Rechenberg hatte erst beantragt, daß ab sofort nur noch 15 Meter zulässig sein sollten. Dadurch hat er auch den Gegenantrag erreicht, daß der Ausschußantrag wieder hergestellt werden sollte. Inzwischen haben wir aber zwei Nachträge zum Antrag Rechenberg da. Der eine sagt, bis 1956 sollen die Fahrer, die jetzt die langen Lastzüge haben, fahren dürfen und, ich glaube, ein halbes Jahr sollen die Fabriken noch Auslaufzeit haben. Das ist immerhin schon wesentlich anders.
Ich darf da die Meinung meiner Fraktion bekanntgeben. Die Meinung ist geteilt. Ein Teil wird für den Antrag des Kollegen Rechenberg stimmen, ein anderer Teil wird aber für die Wiederherstellung der Ausschußvorlage stimmen; ich gehöre auch dazu. Ich glaube, mein Freund Bucerius wird ein paar Minuten dazu reden, die ich für ihn hiermit abgespart habe. Wir müssen auch an die Versorgung Berlins denken und daran denken, daß nicht unnötige Verluste in der Volkswirtschaft entstehen.
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Aber ich bin der Meinung, man muß international und national prüfen - auch im Verkehrsausschuß in der kommenden Zeit -, was hier als richtunggebender Beschluß zu fassen ist und wo die Grenze liegt. Diese Grenze müssen wir meiner Meinung nach einmal durchhalten.
Im übrigen beschließen wir dieses Gesetz nicht, um den Verkehr zu behindern, sondern wir machen diese Art von Gesetzen nur, um dem Menschen, dessen Leben heilig ist und bleiben muß, einen Schutz zu gewähren.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei den jetzt zu besprechenden Vorlagen einmal um den Antrag der Zentrums-Fraktion vom Oktober 1950 und dann um das Gesetz. Der Sinn und Zweck unseres Zentrumsantrags war der, dem Straßenverkehr und vor allen Dingen den Menschenleben, die im Straßenverkehr heutzutage besonders gefährdet sind, eine bessere Sicherung als bisher zu gewähren. Daran messen wir auch Aufgabe und Zweck des Gesetzes, über das wir heute in der dritten Lesung beraten. Ich habe schon in der ersten und zweiten Lesung bedauert, daß man den Akzent bei diesem Verkehrssicherheitsgesetz zu wenig auf sachliche und zuviel auf strafrechtliche Maßnahmen gelegt hat. Wir halten es für einen Aberglauben, zu meinen, daß man durch härtere Strafen eine bessere
Sicherheit herbeiführen könnte, solange so wesentliche sachliche Unzulänglichkeiten vorliegen.
Nun können wir zu unserer Befriedigung feststellen, daß die 16 Forderungen, die die Zentrumsfraktion seinerzeit zum Gegenstand ihres Antrags gemacht hat, in wesentlichen Punkten zufriedengestellt werden sollen, in einigen aber doch nicht, und auf diese lassen Sie mich kurz eingehen.
In Ziffer 3 unseres Antrages hatten wir gebeten, die Geschwindigkeit im allgemeinen freizugeben, sie aber für Lkw weiter zu beschränken.
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- Die Geschwindigkeitsbeschränkung für Lkw ist aber nach dem Bericht, der uns zu diesem Punkt gerade vorliegt, abgelehnt.
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- Doch, es heißt als Antwort zu Punkt 3: „... das Bundesverkehrsministerium zu ersuchen, die derzeitige zahlenmäßige Höchstgeschwindigkeit entsprechend dem Vorkriegsstand wieder zu beseitigen"; also schlechthin zu beseitigen. Das halten wir zwar für Personenwagen beim gegenwärtigen Stand der Technik für zulässig, aber bei Lastwagen scheint uns das nicht angängig. Ich möchte mich deswegen gegen diesen Teil der Empfehlung des Ausschusses wenden. Bezüglich der Personenwagen haben Sie recht; bezüglich der Lastwagen geht es aber nicht wegen der viel zu hohen lebendigen Kraft, die zur Auswirkung kommt, die mit den gegenwärtigen Mitteln gar nicht abgestoppt werden kann, wenn ein großer Lastzug mit den ungeheuren Gewichten, die darauf ruhen, in zu großer Geschwindigkeit über die Landstraße braust. Das ist der eine Punkt.
Der nächste Gesichtspunkt ist der der Straßenwölbung und des Rutschbasalts. Über die Straßenwölbung ist lediglich gesagt, das möge der Bundesregierung als Material überwiesen werden. Aber das ist keineswegs ausreichend. Auch das muß als vordringlich bezeichnet werden wie die Punkte 8 bis 14 unseres Antrags Drucksache Nr. 1461; denn gerade das sind besondere Gefahrenquellen auf der Landstraße. Mit Recht hat kürzlich die illustrierte Zeitung „Motorwelt" darauf hingewiesen, es sei doch grotesk, wenn man etwa Wagen, Lastoder Personenwagen, mit der Aufschrift über die Straße fahren lasse: „Vorsicht! Wagen ohne Bremse" oder „Vorsicht! Ich bin ab und zu besoffen!" Aber so was Ähnliches geschieht, indem man auf den verschiedensten und wichtigsten deutschen Straßen, die man seit Jahr und Tag als lebens-
und verkehrsgefährlich erkannt hat, gegen diese Verkehrsgefahr nichts weiter tut, als ein Schild aufzurichten, auf dem steht „Vorsicht! Rutschgefahr!" oder „Bei Glätte Lebensgefahr!". Man weiß also, daß diese Straßen in schlechtem Zustand sind, und man sagt, man habe kein Geld, das zu beheben. Wir bitten dringend, diese beiden Umstände, die Rundwölbung der Straßen und den Rutschbasalt, zum besonderen Gegenstand des Gesetzes zu machen und sie als vordringlich für die Sicherheit des Straßenverkehrs zu behandeln.
Der Hinweis auf die Polizei, das Mädchen für alles, ist nach meinem Dafürhalten verfehlt. Wir rufen viel zuviel nach der Polizei. Viel wichtiger ist es allerdings, an die Solidarität aller Verkehrsteilnehmer zu appellieren; nicht bloß die Autofahrer, nicht bloß die Fußgänger und Radfahrer, alle miteinander sind für die Sicherheit der anderen gefährlich. Fußgänger können ebenso sehr
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die Sicherheit der Autofahrer gefährden, wie umgekehrt.
Herr Rümmele hat soeben ganz richtig auf die Verkehrsfrequenz hingewiesen. Absolut zutreffend hat er gesagt, daß die Verkehrsfrequenz in Deutschland dreimal dichter ist als in den USA und in Frankreich. Diese Tatsache allein zeigt, daß ein großer Prozentsatz der Unfälle nicht auf das menschliche Verhalten, sondern eben auf die zu große Überlastung unserer Straßen zurückzuführen ist. Zum Teil ist daran übrigens auch die Tarifpolitik der Bundesbahn sicher mit schuld. Man könnte auch in dieser Hinsicht etwas tun. Die dadurch bedingte Zunahme des Verkehrs ist sicherlich nicht geeignet, die Verkehrssicherheit zu heben. Deswegen beantragen wir, mit aller Energie danach zu trachten, die Straßen zu verbreitern, die Straßenzustände zu verbessern, daß Straßennetz zu vergrößern und wegen der Sicherheit des Verkehrs und wegen der Finanzen der Bundesbahn von dem zunehmenden Transportbedürfnis möglichst viel der Bundesbahn zukommen zu lassen. Das muß aber auch auf andere Art und Weise, nicht etwa durch Strafdrohung, geschehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Juncker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über ein Jahr ist seit der 171. Plenarsitzung vergangen, in der der vorliegende Gesetzentwurf an den Ausschuß für Verkehrswesen als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als beteiligten Ausschuß überwiesen wurde. Die lange Bearbeitung besagt nun keineswegs, daß sich der Ausschuß nicht der Wichtigkeit dieses Gesetzes bewußt gewesen sei. Das Gesetz enthält eine Fülle von Gesetzesänderungen, so einmal die erforderliche Änderung der Straßenverkehrs-ZulassungsOrdnung und der Straßenverkehrsordnung, ferner die Änderung des Gesetzes über den Verkehr von Kraftfahrzeugen vom 3. Mai 1909 und die Änderung des Strafgesetzbuches.
Ich glaube, daß es niemanden in diesem Hohen Hause geben wird, der sich nicht der Bedeutung dieses Gesetzes bewußt ist, das vor allem der Sicherheit auf der Straße dienen soll und alle gesetzlichen Maßnahmen enthält, die erforderlich sind, um diese Sicherung in weitestgehendem Maße zu erzielen. Sie verlangt vor allem die Beseitigung der Mißstände, die sich von Jahr zu Jahr als immer unhaltbarer zeigen, wobei wir uns durchaus darüber im klaren sind, daß mit Gesetzesparagraphen allein diese Mißstände nicht beseitigt werden können. Ich brauche nicht besonders darauf hinzuweisen, daß sich mit dauernd zunehmender Motorisierung, bei einer Steigerung von 1,4 Millionen Fahrzeugen im Jahre 1949 auf heute schon über 3,3 Millionen Fahrzeuge Verkehrsunfälle und Delikte ereignen, die in den meisten Fällen kaum etwas mit technischer Unvollkommenheit oder sonstigen Mängeln zu tun haben, sondern die - sprechen wir es einmal ganz offen aus - in vielen Fällen in mangelnder Sorgfaltspflicht, in unverantwortlichem Verhalten oder in - nennen wir es auch - menschlicher Unzulänglichkeit ihre Ursache haben. Das entbindet uns aber nicht von der Verpflichtung, alles zu tun, um auf der Straße zu einer Ordnung zu kommen, die diese Vorkommnisse zumindest auf ein Mindestmaß beschränkt. Ich denke hierbei nicht ausschließlich an die Kraftfahrzeugführer, sondern an alle am Verkehr Beteiligten, an alle Passanten, insbesondere auch an das Gros der Radfahrer, die vielfach in unverantwortlicher Weise geradezu das Schicksal herausfordern.
Der Änderung dieser Zustände soll in erster Linie dieses Gesetz dienen, das auf Grund eines Beschlusses in der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses nach vielen Änderungen nunmehr „Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs" heißen soll. Ich brauche Ihnen nicht noch einmal die Zahlen in Erinnerung zu rufen, die der Bundesverkehrsminister von dieser Stelle aus in der ersten Lesung bekanntgegeben hat. Die Kollegen Baur und Rümmele haben schon darauf hingewiesen, daß die Bilanz eines Tages 21 Todesopfer aufweist. Fürwahr eine erschreckende Zahl, die die Härten, die in diesem Gesetz enthalten sind, in etwa verständlich machen sollte. Mit der Entziehung des Führerscheins, die ja für viele Betroffene schon eine Existenzbedrohung darstellt, glaubt man jedenfalls zu erreichen, daß wieder eine größere Verantwortlichkeit Platz greift.
Ich kann es mir ersparen, auf Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs einzugehen, die Sie alle aus dem Schriftlichen Bericht ersehen können. Gestatten Sie mir nur, kurz einige bemerkenswerte Punkte noch herauszustellen. Wichtig ist in diesem Gesetz vor allem der § 6, der erstmalig wieder dem Bundesverkehrsminister die Ermächtigung erteilt, von sich aus Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen zu erlassen, der damit eine Zweigleisigkeit beseitigt, die im Jahre 1937 insofern geschaffen wurde, als diese Befugnisse auf das Innenministerium übertragen wurden.
Dieser Paragraph gibt jedoch dem Bundesverkehrsminister keine freie Handhabe in der Festsetzung von Höchstgeschwindigkeiten. Wir sind auch der Auffassung, daß die Flüssigkeit im Ablauf des Verkehrs es erforderlich macht, möglichst wenig Einschränkungen vorzusehen. Die heute noch bestehenden Höchstgeschwindigkeiten sind im Jahre 1939 aus kriegsbedingten Gründen, Gründen der Rohstoffersparnis, eingeführt worden. Dieses Gesetz schließt auch eine Lücke insofern, als es die Einhaltung einer Höchstgeschwindigkeit der lenkungsschweren Fahrzeuge nicht nur, wie bisher, durch angestellte Kraftfahrer, sondern durch Unternehmer vorsieht. Sie wissen, daß für angestellte Kraftfahrer bereits eine derartige Regelung bestand, während sie für selbständige Unternehmer noch ausstand.
Die Zeit gestattet es mir leider nicht, auf weitere Einzelheiten einzugehen. Ich kann es mir ersparen, auf den in der zweiten Lesung behandelten § 139 c einzugehen, der alle die Fälle erfaßt, in denen die Führung eines Fahrzeuges durch den Genuß alkoholischer Getränke behindert wird. Darin ist schon der Versuch für strafbar erklärt worden. Man glaubte aber mit dem § 315 auskommen zu können, der vorsieht, bestimmte Verstöße gegen die Sicherheit des Straßenverkehrs dann als Vergehen mit Gefängnis zu bestrafen, wenn der Täter durch sein Verhalten eine Gemeingefahr herbeiführt. Ich will auf diesen umstrittenen Paragraphen nicht näher eingehen. Sie wissen, gerade um den Paragraphen, der vor allem die Beschränkung auf einen Anhänger vorsieht, ist auch innerhalb des Ausschusses sehr heftig gekämpft worden. Ich möchte allerdings der Auffassung entgegentreten, daß gerade die Länge der Fahrzeuge die größten Gefahren({0})
momente hervorrufe. Wir sind der Ansicht, daß nicht die Länge der Fahrzeuge, sondern insbesondere die Schleudergefahr, das Schlingern des zweiten und dritten Anhängers, in erster Linie dazu angetan sind, die Gefahrenmomente zu vergrößern. Wir glauben, daß nach Beseitigung des zweiten und dritten Anhängers diese Gefahren weitgehend vermieden werden können. Aber, wie gesagt, mein Kollege Rademacher wird auf diesen Punkt noch näher eingehen, insbesondere da noch ein Antrag kommt: die Beschränkung auf 15 Meter.
Lassen Sie mich zum Schluß kommen. Außer der von mir schon erwähnten traurigen Bilanz der täglichen Todesopfer darf ich aber auch darauf hinweisen, daß durch die täglichen Unfälle großer materieller Schaden entsteht, der mit einigen hundert Millionen nicht zu gering geschätzt werden darf. Neben der technischen Überwachung der Fahrzeuge wie auch dem EinSatz stärkerer Polizeikräfte ist es meiner Ansicht nach erforderlich, vor allem dem Zustand der Straßen größte Aufmerksamkeit zu widmen. Es ist von dieser Stelle aus schon darauf hingewiesen worden, daß durch die Kraftfahrzeugsteuer und den Mineralölzoll allein über 1,2 Milliarden jährlich aufgebracht werden, wovon höchstens 500 Millionen für verkehrspolitische Aufgaben zur Verfügung gestellt werden können. Wir hoffen, daß die zuständigen Ministerien die Mittel zweckgebunden gestalten, damit der fortschrittlichen Entwicklung des Verkehrs auf der Straße Rechnung getragen werden kann und zugleich die größtmögliche Sicherheit auf der Straße erreicht wird. Dabei ist allerdings die Mitarbeit der Länder unbedingt erforderlich. Wir hoffen ferner, daß das Gesetz gerecht, aber mit aller notwendigen Schärfe durchgeführt wird.
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Weitere Wortmeldungen liegen zur allgemeinen Aussprache nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Einzelberatung der dritten Lesung. Zu Art. 1 bis 3 einschließlich sind keine Änderungsanträge gestellt. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Zu Art. 4 sind Änderungsanträge gestellt. Zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 719 hat das Wort der Abgeordnete Rademacher.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den Auftrag, den interfraktionellen Antrag; der von 85 Abgeordneten unterschrieben wurde und den Zweck hat, die alte Ausschußfassung wiederherzustellen, zu begründen. Erfreulich ist, daß bisher die Debatte so sachlich verlaufen ist, daß wir Gelegenheit haben, ein wenig den Eindruck der zweiten Lesung zu verwischen.
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Es sind nun eine Reihe von Eingaben bei jedem Abgeordneten des Bundestages eingegangen. Ich will die einzelnen Kategorien nicht aufzählen. Sie werden sicherlich das Wort auf den Lippen haben: Nun ja, das sind eben Interessenten. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, an wen sollen sich denn diese Kreise, die immerhin über einige hunderttausend Existenzen mitzubestimmen und zu entscheiden haben, wenden, wenn nicht an eine gerechte, allerdings auch sachkundige Auffassung dieses Hauses. Ich möchte mich daher darauf beschränken, nur einen Antrag zu nennen der keineswegs mit einer Interessentengruppe etwas zu tun hat, nämlich die Stellungnahme der Bundesverkehrswacht, deren Aufgabe in allen deutschen Landen Ihnen zur Genüge bekannt ist. Auch die Bundesverkehrswacht stellt ausdrücklich fest, daß durch die beabsichtigte Verkürzung der Lastzüge von 20 auf 15 m keine größere Sicherheit auf den Straßen erreicht wird. Ich darf nebenher bemerken: soweit ich unterrichtet bin, ist auch die zuständige Fachgewerkschaft, die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr, aus den gleichen sachlich überlegten Gründen der Meinung, daß durch eine Verkürzung in der Frage der Sicherheit auf den Straßen nichts erreicht wird. Um diese Sicherheit auf den Straßen geht es ja. Ausschuß für Verkehrswesen, der diesen neuen Antrag formuliert hat seit 1949 gestellt hat: den gesamten Verkehr in Deutschland mit all seinen Verkehrsträgern in Ordnung zu bringen, vor allen Dingen aber, sich immer wieder mit der Frage der Sicherheit auf der Straße zu befassen. Das hat er durch zwei entscheidende Gesetze getan. Das eine ist das Güterkraftverkehrsgesetz, das die Tarifüberwachung und - in enger Zusammenarbeit mit den Ländern und mit deren Polizei - die sonstigen Maßnahmen, insbesondere die Verhinderung der Überladung regeln soll. Das zweite Gesetz ist das Unfallverhütungsgesetz, über das wir uns im Augenblick unterhalten.
Ich brauche nur noch einmal zusammenzufassen, was die Generaldebatte erbracht hat: die strafverschärfenden Bestimmungen, vor allen Dingen die Beseitigung des zweiten Anhängers ab 1. April, sodann die Einführung des Fahrtenschreibers usw. Nebenher hat das Bundesverkehrsministerium in enger Zusammenarbeit mit dem Ausschuß bereits Maßnahmen getroffen, die in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung enthalten sind. Dazu gehört auch die nach reiflicher Überlegung im Jahre 1951 eingeführte Verkürzung der Länge der Züge von 22 auf 20 Meter. Ich wollte Ihnen nur noch einmal zeigen, mit welcher Sorgfalt, aber auch mit welchem Verantwortungsbewußtsein die Bundesregierung und der zuständige Ausschuß an diese Arbeit herangegangen sind. Die letzte dieser drei Maßnahmen wird heute vom Bundestag in dritter Lesung behandelt, und der Bundesrat wird hoffentlich bald folgen, so daß wir diese verschärfenden Bestimmungen einführen können.
Wenn man so viel Mühe und Sorgfalt aufwendet und mit dem entsprechenden Sachverstand an alle diese Dinge herangeht, dann ist es eine etwas schwer verständliche Sache, daß man nun kurz vor dem Abschluß der Beratungen und kurz vor der Einführung dieser verschärfenden Bestimmungen plötzlich mit einem Antrag bedacht wird, der einfach sagt: Also 15 Meter! Nun ist es ja nicht so, daß nicht auch der Herr Antragsteller durch die vielen sachlichen Stellungnahmen, die Ihnen allen zugegangen sind, etwas beeindruckt worden wäre. Denn wäre das nicht der Fall, wäre er bei seiner ersten Auffassung geblieben, diese Verschärfung ab 31. März 1953 einzuführen. Ich will hier nicht untersuchen, was die Folge gewesen wäre, wenn das Gesetz nach der zweiten Lesung schon gleich auch in dritter Lesung verabschiedet
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worden wäre. Dann wären eben alle jene Folgen eingetreten, die der Antragsteller nun durch seine neuen Anträge selbst verhindern will. Er ist zunächst für alte Fahrzeuge auf 1 3/4 Jahre gegangen, und er hat dann in seinem neuesten Antrag - ich nehme an, das soll bedeuten, daß die beiden anderen Anträge damit hinfällig sind - Ausnahmen für die Landwirtschaft und für Spezialtransporte vorgesehen. Ich glaube, diese Formulierung ist nicht einmal juristisch einwandfrei. Aber das könnten wir dem Bundesrat überlassen, der hat ja die richtigen Leute, der würde das in Ordnung bringen.
Was heißt „Ausnahmen für Spezialtransporte"? Diese Ausnahmen haben in der gesetzlichen Bestimmung immer dringestanden. Sie könnten sogar für die Landwirtschaft, für landwirtschaftliche Transporte selbst mit größeren Maßen durchführen ich darf erwähnen, daß diese für die Landwirtschaft vorgesehenen Ausnahmen sich mit den vom Spitzenverband der Landwirtschaft aufgestellten Forderungen keinesfalls decken. Diese Leute sagen: Es kommt uns nicht nur darauf an, daß wir unsere Holztransporte und unsere landwirtschaftlichen Transporte selbst usw. durchgeführt werden. Aber können, sondern wir sind der Meinung, daß auch mit Rücksicht auf die Versorgung der Bevölkerung und im Hinblick auf die leicht verderblichen Güter eine Verkürzung der Länge von 20 Metern grundsätzlich nicht erfolgen darf. Das möchte ich bei dieser Gelegenheit richtigstellen.
Nun zu der entscheidenden Frage der Sicherheit. Das Entscheidende sind und bleiben doch - und das ist das, was uns alle ärgert, mich eingeschlossen - die unzulänglichen Verhältnisse beim Überholen. Die Verkürzung von 20 auf 15 Meter bedeutet eine Verkürzung der Überholzeit von ganzen 6 %. Das ist nicht entscheidend. Sie bringt allerdings gleichzeitig einen Verlust der Ladekapazität von 38 %.
Ich werde noch darauf eingehen und werde es technisch beweisen, daß durch einen Ein-Achsen-, ja durch einen Zwei -Achsen-Anhänger eine größere Unsicherheit auf der Straße entsteht als bei dem jetzt entwickelten und konstruierten DreiAchsen -Anhänger. Nach Ansicht aller Fachleute, nicht nur der Interessenten, bedeutet dieser DreiAchsen -Anhänger heute in seiner Konstruktion die größte Sicherheit und die geringste Schleudergefahr auf den Landstraßen.
Nun etwas Erfreuliches; es ist heute in der Generaldebatte schon angeklungen. Ich glaube Ihnen heute von dieser Stelle sagen zu können: wir sind heute mit dem Überholgerät fertig. Wir sind so weit, daß es Mitte Januar dem Verkehrsäusschuß einmal vorgeführt wird, in dessen Kompetenz es zwar nicht liegt, der aber auch von sich aus die dringende und sofortige Einführung empfehlen kann. Wenn es die Damen und Herren, die doch so sehr an diesen Dingen interessiert sind, interessiert, darf ich einige ganz wenige Bemerkungen machen, damit Sie sehen, wohin es geht. Es handelt sich nicht um ein akustisches Gerät mit all seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten, sondern es ist eine Konstruktion mit einer kleinen Sendelampe, die im linken Scheinwerfer einmontiert wird - die im ganzen übrigens nur 8 DM kosten soll - und nun links außen bei dem Lastwagen auf einen Spiegel wirkt, durch die Lichtsignale einen Schnarrton auslöst. Der Fahrer betätigt nun wieder nach rückwärts ein Lichtzeichen, daß er mit der Überholung einverstanden ist. In der Straßenverkehrs -Zulassungs-Ordnung ist dieses Überholgerät bereits vorgesehen. Nur der Termin ist noch offen, weil immer wieder untersucht wurde, welches nun das optimal beste Gerät ist. Sie werden verstehen, daß man an diese Sache nicht leichtfertig herangehen konnte, weil sie ja für lange Zeit Bestand haben soll.
In diesem Zusammenhang möchte ich bei Einbringung des Antrags im Namen derjenigen, die diesen Antrag unterschrieben haben, ein viel ernsteres Wort an diejenigen richten, die sich auf der Landstraße insbesondere auf den Lastwagen betätigen. Das geht die Unternehmer an, das geht den Fahrer an, und das geht auch die Betriebsräte an. Wenn die Herren nicht mehr Disziplin auf den Straßen üben, dann werden auch diese Maßnahmen nicht genügen, und es muß etwas anderes kommen, was allerdings mit der Frage einer Begrenzung der Zuglänge auf 15 oder 20 Meter nicht das geringste zu tun hat. Dann werden wir den Herren das Überholen am Berg mit unzulänglichen Mitteln überhaupt verbieten und uns unter Umständen überlegen, jedes Überholen von Lastwagen vielleicht auch generell und grundsätzlich zu verbieten. Das muß bei dieser Gelegenheit mit aller Deutlichkeit gesagt werden.
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Denn es ist ja so: Wenn die Leute ihre Unzulänglichkeit festgestellt haben, dann können sie nicht mehr einscheren, weil hinter ihnen eine Queue von 50 oder 100 Wagen sitzt. Das gibt dann diese Verärgerung und diese Aufenthalte. Das ist ja entscheidender und wirkt sich natürlich auch, eingeschlossen dieses Parlament, psychologisch bei der ganzen Behandlung von Verkehrsgesetzen insbesondere auf der Straße aus.
Ich bin nun verpflichtet, auch auf die Frage der Auswirkungen einzugehen, die ein Beschluß auf Begrenzung der Zuglänge auf 15 Meter haben würde. Das hat nun gar nichts mehr mit dem Termin 1956 zu tun, auf den ich noch eingehen werde. Die Gesamtauswirkung wird ziffernmäßig unbedingt die gleiche sein. Heute ist es so, daß bei Repräsentativerhebungen in der Anhängerindustrie in der kurzen Zeit zwischen der zweiten und dritten Lesung eine Auftragsannullierung von 26 Millionen DM festgestellt wurde. Bei 49 Fabriken würde das einen Betrag von 125 Millionen DM ausmachen. Es gibt kaum noch Auftragseingänge für die 12 000 Menschen, die dort heute schon in der Kurzarbeit arbeiten, mit Ausnahme einer Vorbehaltsklausel, weil man eben hofft. daß in der dritten Lesung die alte Regelung wieder hergestellt wird.
Wenn der letzte Antrag des Herrn von Rechenberg in diesem Hause Unterstützung fände, würde es Monate, ja . vielleicht ein Jahr dauern, bis eine Umstellung möglich wäre. Wenn diese Anhänger nun trotzdem bis 1956 auf der Straße laufen sollen, wenn außerdem die Landwirtschaft und Sonstige eine Ausnahme haben sollen, dann gibt es doch in der ganzen Entwicklung ein völliges Durcheinander. Dann soll man doch zuerst einmal in Ruhe abwarten, wie sich diese sehr verschärfenden Gesetze auswirken, ohne diese "Schwierigkeiten zu provozieren und hervorzurufen, die praktisch überhaupt keinerlei Bedeutung haben.
Überlegen Sie einmal die Situation im Omnibusverkehr. Im Omnibusverkehr sind 2500 Anhänger eingesetzt. Hauptsächlich werden damit Arbeiter und Angestellte im Berufsverkehr befördert. Wenn
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Sie die Gesamtlänge auf 15 m begrenzen, dann ist es nur noch möglich, einen Einachs-Anhänger von 4,5 m anzuhängen, der außerdem nach der B. O. Kraft verboten wurde. Sie werden mir nun nicht erzählen können, einen Dreiachser könne man umkonstruieren. Von einem Omnibusanhänger können Sie beim besten Willen nichts abhacken. Denken Sie auch daran, daß die Amortisationsfrist besonders bei Omnibusanhängern zehn Jahre beträgt. Neben der Vergeudung der Umwandlung kommt bei all diesen Dingen auch das Problem der Neuanschaffung dazu.
Jedenfalls haben die Organisationen - und das ist vor allem die öffentliche Hand; es ist wenig bekannt, daß sich vom gesamten Omnibusverkehr 68 °/o in öffentlicher Hand, d. h. bei den Kommunalbehörden, bei der Bundesbahn und bei der Bundespost, befinden - ausdrücklich erklärt, daß der Normaltarif bereits um 7 % im Endeffekt erhöht werden müsse und daß die Arbeiterberufskarten-Ermäßigung von 50 % und diejenige für Schüler von 70 % unter gar keinen Umständen mehr aufrechterhalten werden könne, wenn diese Maßnahme durchgeführt werde.
Es bleibt auch bei der Änderung des Antrages von Rechenberg auf 1956 im Endeffekt dabei, daß 70 000 dieser großen Anhänger mit einem Gegenwert von 300 Millionen DM zu verschwinden haben; es bleibt dabei, daß 2 200 Omnibusanhänger im Werte von 40 Millionen DM zu verschwinden haben; und die Frage der Wechselkredite, die mit 200 Millionen DM laufen, wird durch den neuen Antrag auch nur zum geringen Teil abgefangen.
Die wirtschaftlichen Folgen müssen noch einmal in dieser Form klargemacht werden. Der Zug auf 1 der Landstraße so wie der Omnibuszug ist eine Einheit; darum kommen Sie nicht herum. Er muß einheitlich konstruiert und einheitlich verwandt werden. Wenn Sie heute sagen: An eine schwere Zugmaschine oder einen Motorwagen von 150 bis 180 PS können wir irgendeinen x-beliebigen Anhänger hängen, so ist das ein wirtschaftlicher Nonsens; das muß ich Ihnen mit aller Deutlichkeit sagen. Es bleibt dabei, daß wir, wenn die 15 -MeterGrenze auch erst 1956 durchkommt, eine vollkommene Umstellung der Motorenindustrie im Lastwagenverkehr und im Omnibusverkehr durchführen müssen. An dieser Tatsache ist nichts zu ändern. Sie drehen auf diesem Gebiet die deutsche Motorenindustrie, die immer führend in der ganzen Welt gewesen ist, auf 1927 zurück, mit allen Auswirkungen auf den Export.
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Ich muß darauf hinweisen, daß Beifalls- und Mißfallenskundgebungen von den Tribünen untersagt sind.
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Ich muß auch auf die ganz besonderen Auswirkungen auf den Berlin-Verkehr hinweisen. Ich will diese Frage nur erwähnen; ich bin überzeugt, daß der Vorsitzende des BerlinAusschusses, Herr Abgeordneter Dr. Bucerius, Ihnen einiges über diese Sache sagen wird. Ich will es ihm voll und ganz überlassen.
Nun zu dem immer wieder erfolgenden Hinweis auf die internationale Regelung. In Frankreich ist der Lastkraftwagen auf 18 m begrenzt, der Omnibus auf 20 m. Man sollte aber einmal darüber nachdenken, warum mit einem Dekret - ich kenne sogar die Nummer: 147 - vom 17. Oktober 1951 die französische Regierung die ehemalige Längenbegrenzung von 14 m gerade in diesen Wochen auf 18 m geändert hat. In Italien ist die Länge 22 m, in Schweden keine Begrenzung, in Luxemburg 25 m, in Belgien 25 m, in der Schweiz 18 m; und hören und staunen Sie, meine Damen und Herren, die Schweiz mit ihren geländebedingt schwierigen Straßen hat gerade in diesen Tagen - in diesen Tagen! - die Länge der Omnibusse aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und aus Gründen des Fremdenverkehrs von 18 auf 25 m erhöht. Das sind klare Zahlen, für die wir uns die Unterlagen beschafft haben.
Internationale Verhandlungen sind auch kein Spaß. Man trifft ja nicht internationale Vereinbarungen, um sie nachher möglichst nicht zu ratifizieren. Ich darf doch darauf hinweisen, daß diese internationalen Abmachungen den Sinn haben, zu einem europäischen Verkehr, zu einer Freizügigkeit auf den Straßen zu kommen, j a sogar die Grundlagen für eine internationale Unterstützung des deutschen Straßenbaus zu schaffen. Es ist ja nicht so, daß wir dann, wenn wir auf 15 Meter umstellen, sagen können: die ausländischen Wagen. dürfen hier nicht fahren. Mindestens solange Sie den Generalvertrag nicht verabschiedet haben, werden Sie dieses Verbot für ausländische Wagen auf den deutschen Straßen nicht durchbekommen. Ich stelle das ohne politischen Hintergrund lediglich als Tatsache fest.
Was wird also geschehen? Ich darf in diesem Zusammenhang auf folgendes hinweisen. Nehmen Sie als Beispiele nur einmal den bekannten Mercedes-oder den Büssing- oder Südwerk-Wagen, die ungefähr 150 bis 180 PS haben und etwa 9 -10 Meter lang sind, 1,80 Meter für die Gabel. Wenn Sie diese Wagen nicht wegstellen wollen, können Sie tatsächlich nur einen Einachsanhänger mit 4 Meter mit all seinen Gefahren anhängen. Es gibt keine andere Lösung. Sie würden außerdem die Ladekapazität auf 10 t herunterdrücken. Sie könnten also mit dem Erfüllungsgehilfen der Schiene - so etwas Ähnliches ist der Lastwagen nämlich auch noch - einen großen Eisenbahnwagen nicht einmal in einem Arbeitsgang entladen bzw. beladen.
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Die Gefahren des Einachsanhängers - ich habe das schon gesagt - sind geradezu verhängnisvoll. Es gibt noch ein Argument, das Sie wahrscheinlich beachten werden. Je enger nämlich die Züge sind, desto größer ist die Abnutzung und Belastung der Straße. Was sagt der Fachmann, was sagt vor allen Dingen der Wissenschaftler dazu? Jedes Zusammenrücken der Achsen erhöht den Druck auf die Straße. Ich kann es ziffernmäßig auf Tonnenmeter bekanntgeben. Bei 20 Meter Länge sind es 2,39 t/m, bei 18 sind es 2,70 t/m und bei 15 sind es 3,39 t/m. Das heißt, daß wissenschaftlich errechnet und festgestellt ist: je enger, je kleiner Sie den Wagen machen, je enger Sie die Achsen zusammenrücken, desto größer ist der Druck auf die Straße und die Abnutzung derselben.
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- Ich komme gleich zu Ende, Herr von Rechenberg; dann sind Sie dran.
Ich darf Sie auch auf die Gefahr der Rechtsunsicherheit aufmerksam machen, wenn solche Gesetze verabschiedet werden, bevor die Probleme
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nach der sachlichen Seite in diesem Hause eingehend untersucht sind. Ich habe dem Herrn Abgeordneten von Rechenberg freundschaftlicherweise gesagt: „Wandeln Sie angesichts der vielen Anträge und Zuschriften, die Sie jetzt bekommen, und auf Grund der eigenen Einsicht, einen anderen Weg gehen zu müssen, das, was Sie eingereicht haben, einfach in Anträge um, dann werden wir im Ausschuß in Ruhe und mit Vernunft über diese Fragen sprechen", wie das das Mitglied des Verkehrsausschusses, der Abgeordnete Rümmele, eben gesagt hat. Wir kämen dann zu einer vernünftigen Betrachtung. Dieses Gesetz darf nicht in den Ausschuß zurückgegeben werden.
Ich habe schon einmal gesagt, daß die Unfallverhütungsmaßnahmen, die in der Generaldebatte und vom Berichterstatter heute so ausgezeichnet demonstriert worden sind, ergriffen werden müssen. Wir können nur wegen dieser Meinungsverschiedenheit um die 20 oder 15 Meter nicht länger warten.
Abschließend möchte ich folgendes sagen. Warten Sie doch einmal die Auswirkungen des Güterkraftverkehrsgesetzes, des Unfallverhütungsgesetzes und der von der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung bestimmten Maßnahmen in Ruhe ab. Man kann ja dann überlegen, ob wirklich weitere Maßnahmen erforderlich sind.
Ich bitte Sie also im Namen der Antragsteller, unserem Antrag zuzustimmen. Wegen der ungewöhnlichen Bedeutung dieses Antrages behalte ich mir vor - das darf ich Ihnen schon jetzt sagen -, namentliche Abstimmung zu beantragen.
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Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck Nr. 724 ({0}) hat der Abgeordnete Freiherr von Rechenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Rümmele hat vollkommen recht: es wäre besser gewesen, ich hätte diesen Antrag schon vor einem Jahr eingebracht. Ich konnte es nicht, denn ich habe nicht erwartet, daß der allgemeine Wunsch des Hauses, der zweite Anhänger müsse fallen - auf gut deutsch: die Länge der Züge muß von 22 auf 15 Meter verkürzt werden -, solche Verwirklichung finden werde, daß praktisch damit nicht das geringste gebessert, sondern manches sehr erheblich erschwert ist.
Hier ist von der Länge gesprochen worden. Nein, meine Damen und Herren, zunächst einmal macht die Kürzung um zwei Meter von 22 auf 20 Meter gar nichts aus;
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denn wenn die Lücke von rund zwei Metern zwischen den beiden Anhängern wegfällt, so bleibt doch die Ladefläche dieselbe. Aber dieser neue große Anhänger ist sehr viel schwerer konstruiert; er muß es schon sein.
Das hat nun für gewisse Kreise eine sehr interessante Nebenwirkung: man kann ihn nämlich viel mehr beladen und ihn viel mehr überladen. Damit Sie sich das genau zu eigen machen: ein normaler bisheriger 4-t-Anhänger von 4 Meter Länge konnte 4 t tragen. Der heutige 8 -Meter-Anhänger trägt 161/2 t.
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Das erhöht die Schwierigkeit.
Es sind hier ungerechte Worte gegen die Fernlastfahrer gefallen. Gewiß, es gibt da wie überall unerfreuliche Elemente. Aber machen Sie sich bitte doch einmal klar, welche Schwierigkeit es bedeutet, diese Riesenkästen in den viel zu engen Straßen, bei dem maßlosen Verkehr, den wir in Deutschland haben, durchzusteuern. Meine Damen und Herren, die Sie diesen Antrag auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage unterzeichnet haben, sind Sie sich darüber klar, daß das Gewicht eines neuen 20-Meter-Zuges 40 t beträgt? Da sie immer überladen werden, kann man mit 45 bis 50 t rechnen, d. h., meine Damen und Herren, machen Sie sich das bitte klar, der Inhalt von drei großen Eisenbahnwaggons ist in dieser geballten Kraft, in dieser geballten Menge auf uns losgelassen. Da wagt man zu sagen, die Gefahr wäre verringert worden!
Gewiß, vollkommen einverstanden: das Schleudern eines kleinen Anhängers tritt eher ein als das Schleudern eines solchen riesengroßen Anhängers. Vollkommen in Ordnung! Aber Sie haben ja auch alle dieses merkwürdige Schreiben des Herrn Toennissen vom VDA bekommen. Ich bitte Sie, einmal zu lesen, was da steht: „Sie müssen doch zugeben, daß der große Anhänger kaum noch schleudert". Wieviele Menschenleben wird im Laufe eines Jahres dieses „kaum" kosten? Sicher, der zweite Anhänger, der leichte kleine Anhänger, schleudert leichter. Aber ein geschickter Chauffeur - und die Jungens können im allgemeinen sehr gut fahren - kann dieses Schleudern wieder parieren. Kommt so ein großer, schwerbeladener Anhänger durch Bremsen oder durch irgendeine Unebenheit -das kann immer passieren - einmal ins Schleudern, dann ist das mindeste, daß das Ding im Graben umkippt und sonst nichts passiert. Höchstwahrscheinlich sieht die Sache aber ganz anders aus.
Ebenso darf ich an folgendes erinnern: noch vor Jahresfrist kämpfte dieselbe Industrie, die jetzt so für den langen Anhänger kämpft, gegen die Abschaffung des zweiten Anhängers. Mit welcher Begründung? Vielleicht haben die Herren das vergessen: mit der Begründung, daß die Bremsen bei diesen Riesenlasten praktisch nicht ausreichen würden. Auch eine vollkommen richtige und klare Erkenntnis. Ich freue mich, anscheinend ist jetzt in diesem einen Jahre der technische Fortschritt so groß geworden, daß diesbezügliche Sorgen gar nicht mehr berechtigt sind.
Immerhin geben die Unfallzahlen zu denken. Durch Zahlen kann man viel beweisen, Was Sie da gehört haben, gibt kein richtiges Bild, solange Sie nicht wissen, wieviel von diesen Fahrzeugen auf den Straßen sind. Interessant ist, daß sie bei 100 Autobussen im Jahre 1951 57 Unfälle ereigneten. Das heißt: auf über jeden zweiten Autobus entfällt ein Unfall. Bei den Lastkraftwagen sind es 31. Auf jeden dritten Lastwagen kommt ein Unfall, meine Damen und Herren! Das ist immerhin eine ganz interessante Zahl, die zeigt, wie unglaublich es ist, zu behaupten, dadurch, daß man jetzt statt Gewichten von ungefähr 20, 25, 22 t plötzlich 40 bis 50 t auf dieselben Straßen bringe, werde die Gefahr nicht erhöht.
Es kommt noch eine viel tollere Sache, die einfach unglaublich ist gegenüber der Behauptung, es handle sich bei meinem Antrag um technischen Rückschritt. Warum können die großen Maschinen nicht schneller fahren, warum? Weil die Fahrer bummeln? Nein, aus einem sehr einfachen Grund!
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Weil man es nämlich hier in unserem Bundesverkehrsministerium fertig bekommen hat, die alte Verpflichtung der Industrie „pro geschleppte Tonne 7 Pferdestärken" außer acht zu lassen. Diese neuen Ungetüme haben in Wirklichkeit nur 4 1/2 Pferdestärken pro geschleppte Tonne.
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Da braucht man sich nicht darüber zu wundern, daß die Verkehrsflüssigkeit absolut leidet, da braucht man in keiner Weise einem solchen Chauffeur einen Vorwurf zu machen, wenn er bei der kleinsten Steigung schon wie eine Schnecke kriecht.
Sehr interessant sind auch die amerikanischen Untersuchungen über die Straßenabnutzung. Sie glauben gar nicht, wie stark die Straßenbeschädigung bei auch nur geringer Erhöhung der Achsdrucke ansteigt! Eine ungefähr 10- bis 15%ige Erhöhung der Achsdrucke bringt bereits eine Versechsfachung, eine Verachtfachung der Straßenabnutzung, - auch ein Gesichtspunkt, den wir bei dieser ganzen Frage doch sehr im Auge zu behalten haben. Denn schließlich müssen wir die Straßenabnutzung bezahlen, und schließlich ist die Straßenabnutzung, das Aufbrechen von Frostlöchern, eine weitere Erhöhung der Verkehrsgefahr, die auf diese Weise sogar noch künstlich erhöht wird.
Es werden nun technische Einwendungen erhoben. Eine ist besonders hübsch gewesen. Der Herr Bundesverkehrsminister hat erklärt, wenn es bei diesen 15 Metern bliebe, dann würde die Folge sein müssen, daß in Zukunft die neuen 15-MeterWagen nur noch ausgerüstet werden könnten mit einem einachsigen Anhänger, der sich dann so wie ein Ochsenschwänzlein lustig durch die Gegend schlängeln würde.
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Ich möchte den Herrn Dr.-Ing. Seebohm, den Ingenieur Seebohm fragen: Soll ihm vielleicht mein technisches Büro den Entwurf eines Zweiachsers, 4 1/2 bis 51/2 Meter, der genügend stark konstruiert ist - es kommt auf die Federn, auf die Reifen usw. an -, mal vorlegen, damit sich der Herr Ingenieur Seebohm
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davon überzeugt, daß man solche Dinger sehr wohl bauen kann?
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Und ich möchte den Herrn Bundesverkehrsminister fragen: Ist eigentlich der Herr Verkehrsminister für die Sicherheit des Verkehrs verantwortlich?
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Ich hatte das bisher angenommen. Dann frage ich weiter: Kommt er gar nicht auf die Idee, solche ochsenschwänzleinähnlichen Gebilde gegebenenfalls nicht zulassen zu dürfen?
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Meine Damen und Herren, es sind weitere Einwendungen erhoben. Landwirtschaft und Forstwirtschaft würden ihre bisherigen Transporte nicht durchführen können, und ebenso würden Spezialtransporte nicht mehr möglich sein. Das und das allein ist der Grund dafür, daß dieser Vermerk in meinen und meiner Freunde Antrag hineingekommen ist. Es ist selbstverständlich, daß die Landwirtschaft ihre bisherigen Rechte in jeder Beziehung behält. Denn die Herren Interessenten haben ja Bundesgenossen gewinnen wollen und haben sie auch gewonnen. Von verschiedenen der Herren, die diesen Antrag unterschrieben haben, weiß ich das. Das sind Landwirte, die zunächst geglaubt haben, ich würde dem Bauern, dem Forstmann und sonstigen Leuten ihre Transporte unmöglich machen. Das und das allein ist der Sinn dieses Antrags.
Es sind weiter technische Einwendungen gemacht worden, auf die einzugehen sich kaum lohnt, z. B. die Behauptung, daß die Überholung unabhängig von der Länge des Dinges sein soll, was ich überholen soll, daß zwei kleine Einheiten den Verkehr mehr belasten als eine große. Das weiß eigentlich schon jeder bessere Fahrschüler, wenn er die ersten drei oder vier Stunden hinter sich hat, was von diesen Behauptungen zu halten ist.
Jetzt kommt natürlich auch wieder Berlin, das arme Berlin! Erst seit 1948 dürfen wir diese großen Dinger bauen, und vorher ist Berlin ganz offenbar schon verhungert! - - Ach nein, solche „Gründe" sind so töricht, daß sie nicht beantwortet werden können.
Es gibt weiter wirtschaftliche Einwendungen, die recht falsch sind. Zunächst einmal kommt die Behauptung, die Industrie würde pleite gehen, sie wäre ruiniert. Ich habe schon in diesem Antrag, den Sie kennen - ich komme auf ihn zurück -, nach Unterhaltung mit der betreffenden Anhängerindustrie versucht, nach Möglichkeit diese Sache abzubremsen. In der Tat muß man aber wissen, daß es nicht so ist, daß die Anhänger- und sonstige Industrie nur diese großen Einheiten baut. Oh nein, Sie müssen wissen, das Verhältnis von kleinen zu großen ist wie 3 : 1 oder, wenn ich die ganz kleinen hereinnehme, zahlenmäßig gesehen wie 10 : 1. Und dann nehmen Sie doch bitte dieses großartige Schreiben der Bundespost - ich kann die Bundespost zu den kaufmännischen Überlegungen, die da stehen, nur beglückwünschen - zur Hand. Da steht drin: Ja, wenn das aber jetzt kommt, werden wir gar nicht wissen, ob wir so schnell unsere Maschinen bekommen können; denn dann wird doch eine starke Auftragswelle einsetzen. Also genau das Gegenteil!
Weiter wird behauptet - und nun kommt etwas sehr Merkwürdiges: Im Anschluß an eine Pressekonferenz, die der Bundesverkehrsminister gegeben hat, wurde als Resultat dieser Pressekonferenz in den Zeitungen verbreitet, daß ungefähr 70 000 Anhänger im Werte von rund 1 Milliarde DM verschrottet werden müßten und daß die Änderung der Regierungsvorlage daher ein unerhörter Angriff gegen das deutsche Volksvermögen wäre, wenn man nur eine derartige Idee hätte. Ja, meine Damen und Herren, Sie sind alle sehr beeindruckt worden davon, das sehe ich ja, das habe ich sehr deutlich gefühlt. Auch ich muß Ihnen ehrlich sagen, ich bin sehr beeindruckt worden: Ich hätte nämlich nicht für möglich gehalten, mit welcher Kühnheit eine öffentliche Stelle es unternimmt, die deutsche Öffentlichkeit völlig zu täuschen. Es ist nämlich kein Wort davon wahr!
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Kein Wort!
Aber ich muß gleich hinzufügen: Gott sei Dank hat es der Herr Bundesverkehrsminister nicht gesagt. Nein, er ist von den Journalisten falsch verstanden worden. Das kann ja vorkommen.
({10})
Dr. Freiherr von Rechenberg)
Er hat gesagt: von den rund 70 000 Anhängern, die vorhanden seien und die über 4 t schleppen könnten, würde wohl ein erheblicher Teil zu verschrotten sein.
Nun ist das eine Behauptung, die - ich werde Ihnen gleich sagen, warum. - völlig falsch ist. Sie ist objektiv falsch. Subjektiv falsch wäre sie ja nur, wenn der Herr Bundesverkehrsminister eine solche Kenntnis der Einzelheiten seines Ministeriums und seines Verkehrsgewerbes hätte, daß er wüßte, warum es falsch ist. Das kann ich nicht annehmen.
({11})
In Wirklichkeit steht die Sache so. Der Herr Bundesverkehrsminister ist einem Irrtum unterlegen. Die Aufstellung, die mir vom Bundesverkehrsministerium gegeben worden ist, gliedert nämlich diese 67 000 Anhänger nach den Tonnengewichten. Nun kommt es - das ist j a wohl ziemlich klar - bei der . Länge nicht darauf an, wieviel Tonnen einer schleppen kann, sondern wie lang einer ist, und wenn ich mir gerade daraufhin die Liste ansehe, dann ergeben sich rund 10 000 bis 11 000 derartiger Anhänger, die über 15 m hinausstoßen.
Aber von einer anderen Seite aus habe ich ein erhebliches Bedenken, ob diese Rechnung stimmt; denn es ist eine Tatsache, daß in den letzten zwei Jahren insgesamt 4 500 von den großen AchtMeter -Anhängern zugelassen worden sind. Wo kommen denn die übrigen 6 000 bis 7 000 eigentlich her? Aber lassen wir das, ob 6 000 oder 4 000 oder 11000, nicht einer von diesen Anhängern muß verschrottet werden. Man braucht gar nicht an den an sich möglichen, aber schwierigen und teueren Umbau zu denken. Nein, alle diese Maschinen können - und sie werden es ja auch schon - sofort in Gebrauch genommen werden, und zwar mit Traktoren. Sie finden eine ganze Masse gerade von diesen großen Dingern im örtlichen Verkehr für den Transport von Baumaterialien und dergleichen längst eingesetzt. Es braucht also nichts verschrottet zu werden.
Aber die Sache geht noch viel toller aus, und nun komme ich auf eine Überlegung, die geradezu unverständlich ist. Wenn die Zwanzig-Meter-Züge eingeführt werden, dann sind alle anderen kleineren Züge im Fernverkehr nicht mehr kokurrenzfähig. Jeder Sachverständige wird Ihnen das bestätigen. Das bedeutet aber, daß alle alten Züge nun bestenfalls noch im Nahverkehr Verwendung finden können, höchstwahrscheinlich aber verschrottet werden müssen, und zwar nicht nur die Anhänger, sondern vor allen Dingen die Maschinenwagen, die Zugwagen. Das ist allerdings nun ein großer Verlust? Nein, es passiert ein neues Wunder: es ist volkswirtschaftlich gesehen gar kein Verlust; denn der ganze Fuhrpark ist sehr stark überaltert. Man kann rechnen, daß die Hälfte zehn Jahre und darüber alt ist. Das bedeutet, daß alle diese Maschinen schon zweimal abgeschrieben worden sind - zweimal, meine Damen und Herren! -, weil bekanntlich die Währungsreform in dieser Beziehung ein Wunder bewirkt hat.
({12})
Wenn wir also die 20-Meter-Länge wirklich wieder einführen, bedeutet das, daß nun tatsächlich alle alten Züge unbrauchbar werden. Das macht für denjenigen nichts aus, der das Geld hat, sich neue zu kaufen. So ein Zug kostet 100 000 DM. Ich habe
mich im stillen darüber amüsiert, daß manch kleiner Unternehmer mir seinen Protest schickte. Haben sich diese Herren eigentlich überlegt, wer wohl die ersten Opfer des 20-Meter-Zuges wären? Werden sie, die Kapitalschwachen, oder wer wird sonst das Geschäft machen? So sieht die Sache mit der einen Milliarde Schrott aus.
Etwas Ähnliches kann ich Ihnen über die Omnibusse sagen, die, wie wir eben gehört haben, eine Tariferhöhung brauchen würden, wenn ihre Anhänger verboten werden, die Omnibusse, die das gefährlichste von allem sind: 57 auf 100 Stück. Da habe ich mich wirklich gefreut, zu hören, daß es 20 000 Omnibusse und 2500 Anhänger gibt. Daraus geht doch ganz klar hervor, daß 90 °Io dieser edlen Menschenfreunde bisher aus reiner Menschenliebe mit Verlust gefahren sind;
({13})
denn sonst hätten sie ja ohne Anhänger nicht existieren können.
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Mit solchen Argumenten kommt man hier, die so kindlich sind, daß sie von jedem, der eine Spur von wirtschaftlichem „Kapee" hat, sofort aus der la main widerlegt werden können. Das Land der Autobusse ist England. In England gibt es keinen Anhänger, und dort blüht die Autobusindustrie ausgezeichnet. Ich bin der Meinung, einer der wichtigsten Punkte meines Änderungsvorschlags ist, daß es unmöglich gemacht wird, daß man aus sehr verständlichen finanziellen Erwägungen -- auch ich schreibe Verdienen gern groß! -,
({15})
sich hinten noch so ein Ding anhängt, damit man noch mehr Leute aufnehmen kann. Aber die Gefahr dabei ist sehr groß. Ich weiß nicht, ob Sie sehr viel Erfahrungen mit Autobusanhängern haben. Ich empfehle Ihnen, wenn Sie noch nicht wissen sollten, warum sich die Leute so ungern in den Anhänger setzen, solange noch Platz im ersten Wagen ist: probieren Sie es doch einmal und erleben Sie es, wenn scharf gebremst wird! Sie gehen, wenn es möglich ist, nie wieder in so einen Anhänger. Und das lassen wir im Interesse der Sicherheit des Verkehrs ruhig zu, wenn es nach den Herrn Interessenten geht!
({16})
Ich habe es jetzt auf Wunsch, auf Vorschlag eines Freundes in den letzten Tagen probiert und habe auch das Bremsen erlebt und weiß jetzt also Bescheid. Im empfehle Ihnen, lieber Herr Rademacher, da Sie es anscheinend noch nicht wissen: kommen Sie mit mir und setzen Sie sich einmal in einen solchen Omnibus!
Es wird ferner gesagt, der Ruin des Gewerbes würde die unweigerliche Folge sein. Mit kleinen Anhängern hat dies Gewerbe begonnen. Erst seit 1948 durften wir große Anhänger haben. Wir brauchen nur einen Blick auf die Straße zu tun. Wieviel Milliarden werden dort verdient? Ich war platt, als Herr Rademacher - er war es, glaube ich - sagte, daß eine Auftragsannullierung von 120-, 130 Millionen DM die Folge wäre. Also solche Investierungen sind in diesem Gewerbe möglich. In der Tat ist das Gewerbe in ganz kurzer Zeit sehr gut aufgeblüht.
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({18})
- Ja, ich komme auf den Werkverkehr auch. Nur friedlich, ich Homme schon darauf! Nur Geduld! Warum denn s, ungeduldig?
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Sehen Sie, ich habe in einer benachbarten Stadt
- Sie dürfen raten, welche es ist - zwei Firmen mal durchleuchten lassen. Die Firma A hatte im Jahre 1948 einen Lastkraftwagen und einen Anhänger. Jetzt hat sie zwei Lastkraftwagen, sechs Anhänger, einen PKW. Die andere Firma war schon besser dran. Sie hatte 1948 einen Lastkraftwagen, fünf Anhänger und zwei Zugmaschinen. Jetzt hat sie fünf Lastkraftwagen, neun Anhänger, zwei Zugmaschinen und drei PKWs, immerhin ein Zeichen, daß es den Unternehmen nicht ganz so schlecht gegangen ist, so daß ich über ihre finanzielle Bonität nicht so sehr besorgt sein kann.
Es gibt - auch diese Größenordnung ist interessant - 22 000 Konzessionen für Fernverkehr. Es gibt etwa ebensoviel Werkverkehr, wobei aber sehr klar herauszustellen ist, daß der Werkverkehr als solcher nicht an den übergroßen Einheiten interessiert ist, abgesehen von einigen Ausnahmen, vor allen Dingen bei dem unechten Werkverkehr, den ich allerdings gern treffen möchte. Das sind die Herren Holzgroßhändler und Baustoffgroßhändler, die qua Werkverkehr ihre Transporte besorgen und natürlich daran interessiert sind, möglichst große Transporteinheiten zu haben, was die Industrie im allgemeinen nicht hat. Die Industrie ist im allgemeinen nicht an diesen großen Ladungen, sondern durchaus an kleinen und schnelleren Einheiten interessiert.
Weitere Zahlen: Da gibt es 500 000 Lastwagen, davon große über 4 t 56 000, und 270 000 Anhänger, davon große über 4 t 67 000. Das ist die Größenordnung. auf die ich hinweisen möchte, weil hier immer so getan wird, als wenn jetzt plötzlich ein ganzer Gewerbezweig, eine ganze Volkswirtschaft ruiniert würde.
Es wird ferner gesagt, daß die Konkurrenz des Auslands uns schädigen würde. Internationale Abmachungen gibt es bisher nicht. Die Abmachung, die auf 18 Meter bei einem Anhänger geht, ist bisher nicht ratifiziert. Ich weiß auch nicht, ob sie ratifiziert wird. Im übrigen stehen die Zahlen des Auslands etwas anders, als Herr Kollege Rademacher mitgeteilt hat. Er hat z. B. davon gesprochen, daß in Belgien und in Luxemburg 25 Meter erlaubt seien. Das ist richtig; er hat nur vergessen, hinzuzufügen, daß das eine Bestimmung für einen Traktor mit drei angehängten landwirtschaftlichen Wagen ist. Die übrigen Wagen in Belgien haben 16 Meter, ein Anhänger erlaubt, in England 11 Meter, kein Anhänger, in den USA Sattelschlepper, sehr stark; wie überhaupt das Bestreben sein muß, die Maschinen so stark zu machen, daß sie ordentlich ziehen können, d. h. daß wieder die alten 7 PS pro geschleppte Tonne vorgeschrieben werden. In den USA also sehr starke Sattelschlepper, Anhänger im Stadtverkehr vollkommen verboten, Holland 18 Meter, 1 Anhänger, Autobusse 11 Meter ohne Anhänger, Schweiz 18 Meter. Ich höre zu meiner Überraschung, daß anscheinend in der letzten Nacht eine Änderung eingetreten ist, denn vor drei Tagen hat mir die Schweizer Gesandtschaft in Köln diese Zahlen gegeben: Schweiz 18 Meter, 1 Anhänger, Autobusse 11 Meter. Italien ist das einzige Land, das 22 Meter hat. In Frankreich sind 11 Meter erlaubt. Es ist ein Irrtum, daß dort 20 Meter erlaubt seien. Auch da müßte heute Nacht eine Änderung eingetreten sein.
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Zwar können Sie in der Tat in Frankreich auch mit größeren Längen fahren, aber dann müssen Sie eine Spezialerlaubnis von jedem einzelnen Departementsoffizier einholen, der Ihnen die Wege vorschreibt. Das macht solche Schwierigkeiten, daß Sie praktisch in Frankreich solche Maschinen nicht zu sehen bekommen. Das hat im übrigen noch einen Grund: in Frankreich 'ist das Fahren der großen Camions am Tage auf den Landstraßen überhaupt verboten, die dürfen nur nachts herauskommen. Jetzt wird ab morgen in Paris die Innenstadt auch für die kleinen Dreiradlieferwagen gesperrt werden. So steht es im Ausland.
Wenn Herr Kollege Rademacher meint, unter der Herrschaft des Generalvertrags würde sich eine enorme Auslandskonkurrenz breitmachen, so kann ich ihm nur sagen: alle, die im Ausland waren, können und müssen mir bestätigen, daß man im Ausland diese Einheiten ja gar nicht sieht, es gibt sie dort gar nicht.
Nun kommt allerdings die richtige Einwendung, daß das erzeugende Gewerbe, die Fabriken in Schwierigkeiten kommen würden, weil sie derartige Anhänger und Maschinen gegen Wechsel verkauft haben. Das war der Grund, warum ich mich bereit gefunden habe, eine Dreijahres -Aufbrauchfrist zuzugestehen. Sehr ungern; denn es ist hier doch ganz klar der Versuch gemacht worden, ein fait accompli zu schaffen. Aber ich konnte ja schließlich nicht verkennen, daß dieses fait accompli mit der Unterstützung des von mir kochgeschätzten Herrn Bundesverkehrsministers zustande gekommen ist. Ich glaubte, diesem Umstand sollte man Rechnung tragen.
Ein weiterer wichtiger Einwand ist: Die Wirtschaftlichkeit wird gefährdet. Jawohl, das klare wirtschaftliche Ziel meines Antrags ist: Es muß unter allen Umständen verhindert werden, daß sich dieser Einbruch des Lastwagengewerbes auf die Straße zum Transport von Massengütern billigster Art weiter fortsetzt. Das ist in erster Linie mein Ziel. Die Sicherheit habe ich genau so im Auge. Aber ich denke dabei auch, daß wir keine Straßen für einen solchen Verkehr haben; daß es in Wirklichkeit dafür bereits Straßen gibt, nämlich die Eisenbahn und den Kanal,
({21})
die Eisenbahn, die in diesem Hause anscheinend ganz stiefmütterlich behandelt wird. Es wäre schön gewesen, wenn wir es schon vor einem Jahr gemacht hätten. Jetzt ist der letzte Moment da. Wir können uns ausrechnen, welche volkswirtschaftlichen Werte zu vernichten sind, wenn wir jetzt erst drei Jahre warten, und dann gezwungen sind, die Anhänger überhaupt zu verbieten; man kann sich das ja furchtbar leicht ausrechnen. Ein bißchen Gedächtnis genügt. Wir erleben ja alle, wie es von Monat zu Monat schlimmer wird. Nun lassen Sie die Entwicklung mit diesen riesigen Ungetümen zwei oder drei Jahre weitergehen? Nein, es ist das ganz klare Ziel meines Antrags, eine Fehlentwicklung abzustoppen, solange sie noch billig abzustoppen ist.
({22})
Das geht jetzt noch. Das Ziel muß sein, starke Einheiten zu schaffen, die wendig sind. Es müssen wieder die 7 PS pro geschleppter Tonne, die die Ver({23})
kehrsflüssigkeit erleichtern und auch nicht mehr verkehrsgefährlich sind, hergestellt werden.
Lieber Herr Rademacher, Sie wollen mir erzählen, man könne einen einachsigen Anhänger nicht so sicher konstruieren. Sie haben die Schweiz als Beispiel genommen. Die Schweiz läßt Einachsanhänger zu; ich finde sie nicht schön. Aber in der Beziehung geben sie den großen Dingern auch nicht allzuviel nach, wenn ich daran denke, daß ich den kleinen auffangen kann; den großen kann ich nicht auffangen.
Nun kommt noch ein Einwand, ein besonders infamer Einwand: Das ganze Motiv von mir sei der Herrenfahrerstandpunkt. Das geht natürlich auf mich; ich bin Herrenfahrer. Man sagt, ich denke nur an meine Bequemlichkeit, ich will dieses Opfer an Zeit nicht bringen! - Wenn Sie ahnten, mit welcher Spannung augenblicklich die Berufsfahrer drüben im Fahrerraum sitzen und hoffen, daß mein Antrag durchgeht! Wenn Sie ahnten, wie mein Antrag auch im Interesse der „Kapitäne der Landstraße" selber ist, die endlich aus der Lebensgefahr, in der sie dauernd stecken, herausgeholt werden müssen. Ich habe meinem Freund Rademacher gesagt, daß ich eine Reihe von zustimmenden Erklärungen aus diesen Kreisen bekommen habe. Ich werde sie meinem Freund Rademacher nur mit verdeckter Unterschrift vorlegen können; denn natürlich sind die Arbeitgeber dieser Fahrer nicht gerade davon entzückt, wenn diese diesen Antrag unterstützen.
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Sie selber können sich davon überzeugen. Sie alle haben unendlich viele Briefe bekommen. Haben Sie auch nur einen Brief von der Gewerkschaft der Fahrer, von den einzelnen Fahrern bekommen? Keine! In Wirklichkeit wären die genau so glücklich wie alle anderen Fahrer, wie alle anderen Benutzer der Straße, ob es Fußgänger, Radfahrer oder Anlieger sind, wenn endlich dieser Geschichte ein Ende bereitet oder wenn der Anfang gemacht würde, um einen Strich unter eine Fehlentwicklung zu ziehen.
Also ich habe da Briefe bekommen. Mein Gott, ich habe da schön in ein Fettnäpfchen getreten! Manche waren sehr böse. Ein Brief kam aus Schwaben. Man schrieb mir:
Das deutsche Volk hat einen Anspruch darauf,
daß in seinem Bundestag keine Esel sitzen.
({25}) Infolgedessen fordern wir Sie auf, mit sofortiger Wirkung Ihr Bundestagsmandat niederzulegen
({26})
und in Zukunft in aller Stille Ihrem Beruf nachzugehen.
({27})
Aber dann war ich wirklich gerührt; denn dann kam die Unterschrift: Hochachtungsvoll. Und ich war doch schon auf den „Schwäbischen Gruß" gefaßt.
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Aber es gibt auch andere Schreiben und andere Äußerungen, die ganz bewußt beleidigend waren und bewußt objektiv falsche Behauptungen enthalten. Eines möchte ich Ihnen doch nicht vorenthalten, und ich bitte den Herrn Präsidenten um Genehmigung, daß ich die hier übliche Sitte, frei zu sprechen, unterbreche und mal etwas vorlese
({29})
aus der Zeitschrift „Der Volkswirt". Da wurde - ich werde nur den Inhalt angeben - behauptet, daß Bundestagsabgeordnete, die sich ja auf Grund ihrer Diäten den Kraftwagen leisten könnten, ohne Selbstdisziplin das Recht des stärkeren Ellenbogens für sich in Anspruch nähmen. Das sei nicht verwunderlich; denn Geltungsdrang und Selbstvertrauen hätten diese Leute ja doch nur in die Politik getrieben. Die Betätigung der Bundestagsabgeordneten als Gesetzgeber sei ein Ausfluß ihres Egoismus. Man wolle eben nicht eine ganze oder halbe Minute warten und sich in seiner Bequemlichkeit nicht stören lassen. Da den Abgeordneten die Kunst des Nachdenkens offenbar auch nicht gegeben sei, könne man Ursache und Wirkung nicht unterscheiden. Rücksicht von anderen - ja, die verlange man, aber selber - nein! - Ich muß schon sagen, daraus spricht eine Gesinnung, die sich selber richtet. Denn niemand sucht jemand anders hinter einem Busch, hinter dem er nicht selber schon gelegen hat. Das ist meine Antwort an diesen Schreiber.
Ich möchte schließen. Ich sage Ihnen nochmals, wir stehen jetzt tatsächlich vor der Möglichkeit, eine Fehlentwicklung noch im letzten Moment aufzuhalten. Es wird weh tun. Drei Jahre ist eine lange Zeit. Bis dahin sind alle Aufträge abgewickelt, alle Wechsel sind bezahlt, und kein Kunde hat mehr das Recht, die Abnahme zu verweigern, wenn er noch ein halbes oder ein dreiviertel Jahr die Möglichkeit haben soll, diese Maschinen auf die Straße zu bringen. Damit sind die momentanen Schwierigkeiten beseitigt. Nachdem es möglich war, sich in einem Jahre von dem bisherigen zweiten Anhänger auf den 20 -Meter-Anhänger umzustellen, wird es wohl in drei Jahren der deutschen Industrie nicht allzu schwer fallen, diese Umstellung vorzunehmen. Gegebenenfalls bin ich bereit, dem Herrn Bundesverkehrsminister meine schwachen Erfahrungen - ich bin kein Ingenieur - zur Verfügung zu stellen.
({30})
Darum bitte ich um Ablehnung des Antrags auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage und bitte um Zustimmung zu dem letzten Antrag, der eine Aufbrauchszeit von drei Jahren vorsieht.
({31})
Damit sind die Änderungsanträge begründet. Wir setzen jetzt die eigentliche Aussprache fort.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Walter.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Nachdem der Ausschuß für das Verkehrswesen sich über ein Jahr mit diesem Gesetz befaßt und geglaubt hatte, zusammen mit dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht etwas Gutes und Vernünftiges geschaffen zu haben, mußten wir in der zweiten Lesung vernehmen, daß der Herr Kollege von Rechenberg das Gute, das wir erarbeitet hatten, nicht haben wollte. Ich möchte besonders betonen, daß es weder eine Angelegenheit des Verkehrsministers noch irgendwelcher Bürokraten in den Ministerien ist. Vielmehr haben die von diesem Bundestag eingesetzten Ausschüsse dieses Gesetz erarbeitet und es für gut befunden.
Der Herr Kollege von Rechenberg ist anderer Meinung; er ist der Meinung, daß das von den Ausschüssen erarbeitete Gesetz nicht gut sei. Oder
({0})
vielleicht ist er der Meinung, daß es zwar gut sei; er will aber das Bessere, nicht das Gute haben. Das Bessere, wie Herr von Rechenberg es sich denkt, sieht folgendermaßen aus. Ich spreche zunächst zu den Behauptungen, die er in der zweiten Lesung hier aufgestellt hat. Herr von Rechenberg hat behauptet, das Gesetz sei ein Schildbürgerstreich. Nun, ich weiß nicht, ob in den Ausschüssen Schildbürger gesessen haben, die dieses Gesetz erarbeitet haben. Wenn der Herr Kollege von Rechenberg sich herausnehmen zu dürfen glaubt, die Ausschußmitglieder mit Schildbürgern zu vergleichen, dann weiß ich nicht, wie wir zu vernünftigen Gesetzen kommen sollen. Wenn er aber schon glaubt, von den Mitgliedern des Verkehrsausschusses als von Schildbürgern sprechen zu können, dann möchte ich ihm nicht raten, von unseren Weisen, die im Rechtsausschuß sitzen, als von Schildbürgern zu sprechen; sie würden ihm schön heimleuchten.
({1})
Anders sind doch die Behauptungen des Herrn von Rechenberg nicht zu verstehen, die er in der zweiten Lesung aufstellte.
Nun zu dem „Kontinentaleuropa". Herr von Rechenberg gab vor, zu wissen, daß in ganz Kontinentaleuropa von derartig langen Zügen oder langen Fahrzeugen auf den Straßen nicht die Rede sein könne. Herr Kollege Rademacher hat hier schon die Länge der Fahrzeuge auf den Straßen in den verschiedenen Ländern angeführt. Erwähnt worden ist nicht, daß es auch in Dänemark und in Schweden eine Begrenzung überhaupt nicht gibt und daß die übrigen angeführten Länder Frankreich, Italien, die Tschechei, Luxemburg, Belgien
usw. immerhin einen beachtlichen Teil Europas ausmachen. Es ist nicht anzunehmen, daß Herr von Rechenberg glaubt, San Marino und Andorra seien die Hauptländer Kontinentaleuropas, die Züge über 15 oder 20 m lang nicht zulassen. Aber so soll man hier nicht argumentieren. Denn die Behauptungen, die Herr Kollege von Rechenberg aufgestellt hat, waren nicht nur übertrieben, sondern auch unüberlegt.
Soweit er von der Wirtschaftlichkeit und dem, was die Industrie angeht, gesprochen hat, will ich mit ihm darüber nicht streiten. Auch über das Großschreiben des Verdienens will ich mit ihm nicht rechten. Eines sollten wir uns jedoch überlegen: Es stehen sehr ernste und große soziale Probleme zur Debatte, und diese sozialen Probleme, bin ich der Meinung, sind von Herrn Kollegen von Rechenberg weder beachtet noch irgendwie erörtert worden.
({2})
In dem Antrag, den er zur Begrenzung der Länge der Züge auf 15 m gestellt hat, wird von dem Gewicht gar nicht gesprochen, nur von der Länge. Heute hat er uns einen langen Vortrag über das Gewicht dieser Züge gehalten. Etwas Neues! Der Antrag hätte also geändert und auch auf das Gewicht ausgedehnt werden müssen. Nun hat Herr Kollege Rademacher schon gesagt, daß die Verteilung des Gewichts auf die Straße durch eine oder durch zwei Achsen bei kurzen Anhängern eine viel größere Belastung der Straße bedeutet als bei großen Anhängern.
Aber abgesehen von dieser Bemerkung möchte ich vor allem auf eins hinweisen, und das ist die soziale Frage, die uns hier angeht. Wir haben es nicht nur mit den Anhängern der Lastwagen zu tun. Wir haben es in erster Linie mit den Autobussen und deren Anhängern zu tun. Eine Begrenzung der Länge und eine Verkürzung der Anhänger der Autobusse auf 15 m würde bedeuten, daß der Transport unserer Arbeiter und Angestellten in den Rush-Zeiten zu und von ihren Betrieben verteuert und die An- und Abfahrtszeiten beträchtlich verlängert würden. Das möchte ich unseren Arbeitern und Angestellten nicht zumuten. Uns liegt diese Frage sehr am Herzen, und wir werden nicht davon abgehen. Wir bestehen darauf und fordern, daß es bei 20 m Länge für den Gesamtzug bleibt, weil wir dadurch die Gewißheit haben, sowohl den Arbeitern, die zu ihren Betrieben wollen, wie den Flüchtlingen und den Bewohnern jener Gegenden, wo keine Bahnen fahren, die Möglichkeit zu geben, zur rechten Zeit und möglichst billig zu ihren Arbeitsplätzen und zu ihren Behausungen zu kommen.
Herr von Rechenberg behauptet hier mit ziemlicher Gleichmütigkeit, daß die Bundesbahn ja dazu da sei, diese Transporte durchzuführen. Herr von Rechenberg scheint noch gar nicht gehört zu haben, daß wir fortgesetzt Anträge von unseren bayerischen Kollegen bekommen, den Verkehr in den nicht aufgeschlossenen Gebieten des Bayerischen Waldes sowohl wie anderer Gegenden, in denen die Bahnen nicht fahren können, mit Lastwagen und Autobussen zu bewerkstelligen.
({3})
- Lieber Herr von Rechenberg, wenn Sie glauben, nun mit einemmal hinter die Weisheit gekommen zu sein, daß es früher ja gegangen habe und deshalb jetzt auch gehen müsse, dann lassen Sie sich gesagt sein, daß früher vieles ganz anders war, auch bei Ihnen, und daß Sie haben umlernen und begreifen müssen, daß die Welt vorwärtsschreitet und daß man nicht auf den Beginn dieses Jahrhunderts zurückgehen kann.
({4})
- Nein, lieber Herr von Rechenberg, vorwärts geht es und nicht rückwärts, wie Sie das wollen!
({5})
Meine Damen und Herren, die Beschleunigung, von der hier so viel gesprochen wird, sollten wir eigentlich auch etwas auf unsere Verhandlungen erstrecken. Infolgedessen empfehle ich, nicht zu viel - nun, wie soll ich sagen? - Verkehrshemmnisse durch allzu viele Zwischenrufe zu verursachen.
({0})
Walter ({1}): Ich muß noch darauf eingehen, daß Herr von Rechenberg glaubte, den Herrn Verkehrsminister hier zitieren zu müssen.
({2})
Er soll sich gesagt sein lassen, daß weder der Verkehrsminister noch sonst irgendeine Bürokratie
({3})
dem Ausschuß oder dem Plenum etwas zu befehlen
hat. Sie mögen den Verkehrsminister nach Ihrem
({4})
Belieben zitieren, Herr von Rechenberg. Aber wir sind dafür da, darauf zu achten, daß das, was die Ausschüsse erarbeitet haben und was von ihnen für richtig erkannt worden ist, dem Plenum unterbreitet wird, und das Plenum darum zu bitten, entsprechend zu beschließen.
({5})
Diese Verantwortung nimmt uns niemand ab; die haben wir selbst zu tragen, niemand anders.
Dann noch eines, Herr von Rechenberg. Sie behaupten auch, daß die Anhänger bei den Autobussen wegfallen müssen. Sehen Sie, gerade die Anhänger bei den Autobussen sind es, die die Fahrpreise verbilligen
({6})
und die dafür sorgen, daß die Arbeiter nach der Arbeit möglichst schnell nach Hause kommen. Wenn, wie Sie es wollen, nur e i n Wagen fahren soll, dann müssen Sie für eine Unzahl Wagen mehr sorgen, und diese Unzahl mehr Wagen werden Sie nun wiederum auf den Landstraßen nicht haben wollen, weil sie die Straßen noch viel mehr verstopfen.
({7})
Hier liegt ein Widerspruch in Ihren Ausführungen, den Sie selbst gar nicht bemerkt haben, Herr von Rechenberg.
({8})
Auch die Post hat ein Recht, das mitzuteilen, was sie in ihrem Schreiben bekanntgegeben hat. Es ist doch keine Kleinigkeit, wenn der Post, wollte man dem Antrag des Herrn von Rechenberg stattgeben, durch die danach zu treffenden Maßnahmen ein Verlust von, rund gerechnet, 29 Millionen entsteht! So leicht können wir mit den Millionen nicht umherwerfen, lieber Herr von Rechenberg! Sie mögen darüber leichter hinwegkommen. Wir sind der Meinung, daß wir nicht nur allen Grund, sondern auch die Pflicht haben, dafür zu sorgen, daß auch nicht eine einzige Mark des Volksvermögens unnütz verschleudert wird. Das ist unsere Auffassung.
({9})
- Auch die Bundesbahn wird und soll zu ihrem Recht kommen.
({10})
Mich wundert nur mit einem Mal Ihr besonderes Interesse für die Bundesbahn. Das habe ich sonst bei ,Ihnen nicht wahrnehmen können,
({11})
und doch kommt es jetzt zum Ausdruck.
({12})
- Nein! Von Ihnen haben wir es noch nicht gehabt,
({13})
Herr von Rechenberg. Es kommt mir vor, als wenn Sie nur noch die Bundesbahn berücksichtigt wissen wollen und nichts anderes. Ich bin der Meinung, und mit mir meine Freunde, daß wir, alles zusammengenommen, nichts Besseres tun können, als das, was die Ausschüsse in mehr als einjähriger Arbeit erarbeitet haben, anzunehmen, im Interesse der Wirtschaft und unseres Volkes.
Ich bitte Sie daher, den Antrag des Herrn Kollegen von Rechenberg abzulehnen und dem Antrag auf Wiederherstellung der Fassung des Ausschusses zuzustimmen.
({14})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hasemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte die Absicht, einige Ausführungen zu machen und Sie im übrigen darum zu bitten, den Antrag auf Wiederherstellung der Ausschuß -Fassung abzulehnen.
({0})
Ich sehe mich aber durch die sehr umfassenden und sehr detaillierten Ausführungen des Herrn von Rechenberg, der, wenn ich mich so ausdrücken darf, bereits die Rosinen aus meinem Kuchen herausgepickt hat, in der glücklichen Lage, auf eigene Ausführungen verzichten zu können. Ich bin nach wie vor der Auffassung, daß die Argumente des Herrn von Rechenberg stichhaltig sind, und mich haben auch die etwas gewundenen Ausführungen des sonst sehr geschätzten Kollegen Walter von diesem Standpunkt nicht abbringen können.
({1})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der Argumente sind genug gewechselt. Gerade die Rede des Herrn Kollegen Hasemann beweist, daß wohl kaum noch neue Argumente für oder gegen die 20 oder 15 Meter vorgebracht werden können. Wir haben noch einige wichtige Tagesordnungspunkte vor uns. Ich bitte daher das Haus, damit einverstanden zu sein, wenn ich Schluß der Debatte beantrage.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag auf Schluß der Debatte gehört. Es sind noch fünf Namen auf der Rednerliste. Wir stimmen also über den Antrag auf Schluß der Debatte ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Antrag scheint einstimmig angenommen zu sein.
({0})
- Eine Gegenstimme.
Damit ist die Beratung 'des Art. 4 beendet.
({1})
- Das Wort zur Abstimmung hat Herr Abgeordneter Rademacher.
Meine Damen und Herren, im Anschluß an meine Ausführungen, die, wie ich glaube, sehr sachlich und sehr genau fundiert gewesen sind, und in Anbetracht der unübersehbaren Auswirkungen bei Annahme des Antrages Rechenberg beantrage ich namentliche Abstimmung.
Herr Abgeordneter, eine Frage. Sie beantragen die namentliche Abstimmung doch zu Umdruck Nr. 719?
({0})
({1})
- Meine Damen und Herren, es ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich muß feststellen, ob der Antrag ausreichend unterstützt wird. Ich bitte diejenigen, die ihn unterstützen, die Hand zu heben.
- Meine Damen und Herren, das sind leine 50.
({2})
- Dann wollen wir noch einmal auszählen. Ich bitte diejenigen, die den Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützen, die Hand zu heben. - Mehr als 41; 42 kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Infolgedessen muß der Akt ohne namentliche Abstimmung vor sich gehen.
Ich frage also jetzt das Haus: Wer ist bereit, dem Antrag auf Umdruck Nr. 719 auf Wiederherstellung der Ausschußfassung zuzustimmen? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, ich bin nicht in der Lage, - ({3})
Ich bitte also um Abstimmung durch Hammelsprung über Umdruck Nr. 719, Antrag auf Wiederherstellung der Vorlage des Ausschusses. Ich bitte um beschleunigte Räumung des Saales.
({4})
Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.
({5})
Ich bitte um Beschleunigung.
Die Auszählung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung ist: mit Ja haben 184, mit Nein 132 gestimmt; enthalten haben sich 7 Abgeordnete. Damit ist der Antrag auf Umdruck Nr. 719 angenommen. Die weiteren Änderungsanträge sind damit hinfällig geworden; wir brauchen also darüber nicht mehr abzustimmen.
Wer nunmehr dem Art. 4 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Mit überwiegender Mehrheit angenommen.
Wir haben sodann über einen Änderungsantrag zu Art. 9 abzustimmen, der darauf hinausläuft, die Ausschußvorlage wiederherzustellen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich bitte diejenigen, die dem Art. 9 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen nun zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Reihe von Enthaltungen ist das Gesetz in dritter Beratung verabschiedet.
Zu Punkt 4 a der Tagesordnung haben wir noch über den Ausschußantrag Drucksache Nr. 3774 unter b abzustimmen, die eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Wir stimmen jetzt zu Punkt 4 b der Tagesordnung über den Ausschußantrag in dem Mündlichen Bericht Drucksache Nr. 3775 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wer dem Ausschußantrag zu Punkt 4 c der 1 Tagesordnung Drucksache Nr. 3776 zustimmt, den bitte ich, die Hand zu heben. Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nunmehr Punkt 5 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. Müller ({6}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes ({7}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({8}) ({9});
({10});
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({11}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. Müller ({12}) und Genossen betreffend Preise für Zuckerrüben und Zucker ({13}).
Das Wort zur Berichterstattung zu beiden Punkten hat der Abgeordnete Dr. Kneipp.
Dr. Kneipp ({14}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im November 1949 hat sich das Hohe Haus mit einem Gesetzesantrag beschäftigt, die Zuckersteuer zu senken, und zwar von 40 DM auf 30,50 DM, um mit dieser Senkung die Möglichkeit zu schaffen, die gestiegenen Kosten der Zuckerfabriken und der Zuckerrübenanbauer entsprechend auszugleichen und gleichzeitig mit 50 Pfennigen noch einen Frachtausgleich bei Zucker herbeizuführen, weil der Zucker im ganzen deutschen Reichsgebiet zu gleichen Preisen an den Konsumenten abgegeben wird.
Der jetzt vorliegende Antrag Dr. Müller und Genossen verfolgt einen ähnlichen Zweck, hat sich aber ein etwas weiteres Ziel gesteckt. Der Antrag will ebenfalls den Zuckerrübenanbauern die Möglichkeit geben, wegen der gestiegenen Erzeugungskosten einen entsprechend höheren Zuckerrübenpreis zu bekommen. Er will gleichzeitig den Verbrauchern, die bei der ersten Senkung im Dezember 1949 zu kurz weggekommen sind, einen niedrigen Zuckerpreis konzedieren.
Sowohl die Preise für Zuckerrüben als auch die Preise für den Zucker unterliegen heute noch den Preisfestsetzungsbestimmungen auf Grund des Zuckergesetzes. Nun schreibt dieses Gesetz vor, daß jedes Jahr möglichst vor Beginn des Zuckerrübenaussäens unter allen Umständen die Preise festzulegen sind, damit der Erzeuger von vornherein weiß, er hat mit dem und dem Preis für seine Zuckerrüben zu rechnen. Das ist in diesem Jahre nicht geschehen. Dabei stehen wir doch praktisch heute schon vor der Beendigung der Zuckerrübenernte. Die Beendigung wäre wahrscheinlich schon längst durchgeführt, wenn nicht das außerordentlich schlechte Wetter des Herbstes, Frost usw. die Ausrodetätigkeit bei den Zuckerrübenpflanzen beeinträchtigt hätten.
Dieser Initiativgesetzentwurf wollte die Möglichkeit der Erhöhung des Zuckerrübenpreises dadurch schaffen, daß er die Zuckerrübensteuer um 6 DM pro Doppelzentner senken wollte, mit dem Nebenziel, mit zwei dabei einzukalkulierenden D-Mark gleichzeitig eine Senkung des Zuckerpreises vorzunehmen. Das ist nun eine Sache, die
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sich jetzt schon zum zweitenmal wiederholt, die aber in den damit befaßten Ausschüssen eine freundliche Aufnahme gefunden hat. Sowohl der Ernährungsausschuß als auch der Finanz- und Steuerausschuß als auch der Außenhandelsausschuß waren übereinstimmend der Auffassung, daß die Produktionskosten des Zuckerrübenpflanzers so gestiegen seien, daß eine Anhebung des Zuckerrübenpreises von 6 DM auf 6,50 DM ein unbedingtes Erfordernis sei. Man war aber auch in dem hierfür zuständigen Finanzausschuß der Auffassung, daß nun die Zuckersteuer irgendwie und irgendwo einmal eine entsprechende Ermäßigung erfahren müsse, um den Zuckerpreis selbst für den Verbraucher annehmbar zu senken. Im Ausschuß ist, und zwar in erster Linie von den Vertretern des Bundesfinanzministeriums, die Frage aufgeworfen worden, ob nicht im Wege einer allgemeinen Anhebung des Zuckerrübenpreises den berechtigten Interessen der Zuckerrübenpflanzer Rechnung getragen werden könne. Es wurde auf den nicht unbeträchtlichen -Ausfall an Zuckersteuer hingewiesen. Es wurde erklärt, das Beispiel, das im Jahre 1949 einmal praktisch durchgeführt worden sei, könne sich nicht jedes Jahr wiederholen, sondern es müsse einmal damit abgestoppt werden.
Die Antragsteller hatten von vornherein die Absicht, in ihrem Antrag Vorsorge dafür zu treffen, daß die Ausfälle des Bundesfinanzministers an Zuckersteuer in irgendeiner Form ausgeglichen würden, indem mit beantragt war, den Zuckerzoll wieder einzuführen, und zwar in einer Höhe von 15 DM bzw. 20 DM pro Doppelzentner. Von den Antragstellern wurde im Plenum eine Begründung für ihren Antrag nicht gegeben, weil der Initiativgesetzentwurf Dr. Dr. Müller und Genossen in der ersten Lesung ohne Diskussion hier über die Bühne ging. Demgemäß wurde die ganze Beweisführung in die Ausschußarbeit verlagert. Im Ausschuß wurde mit Mehrheit beschlossen, über den Antrag selbst hinauszugehen, um den Zucker an die Verbraucher nicht um zwei Pfennig pro Kilogramm, sondern um sechs Pfennig pro Kilogramm billiger abzugeben. Es kam infolgedessen der Beschluß zustande, die Zuckersteuer von 30,50 auf 20,50 DM zu senken. Ich darf darauf hinweisen, daß früher einmal eine Zuckersteuer von 21 Mark bestand, daß während des Dritten Reiches die Zuckersteuer 24 RM pro Doppelzentner betrug und daß der Kontrollrat im Jahre 1946 die Zuckersteuer von 24 auf 40 Mark erhöhte.
Die Vorschläge des Ausschusses liegen Ihnen heute vor. Sie finden sie auf der Drucksache Nr. 3908. Ich darf auf diese Drucksache besonders hinweisen und darf darlegen, daß gleichzeitig mit der beantragten Senkung der Zuckersteuer die Anhebung des Preises für den Zuckerrübenpflanzer klar und eindeutig in der Präambel festgelegt wird. Um also nach jeder Richtung klar herauszustellen, was der Sinn des Zuckersteuersenkungsgesetzes sei, ist in die Präambel aufgenommen worden, daß es der klare und eindeutige Sinn des Gesetzes ist, nämlich die Erhöhung des Zuckerrübenpreises auf 6,50 DM pro Doppelzentner und Senkung des Zuckerkleinverkaufspreises auf 1,26 DM pro Kilogramm.
Die übrigen Bestimmungen entwickeln sich aus dem Art. 1. Daß natürlich Stärkezucker und alles andere, was nun einmal im Wege der Zuckerbesteuerung erfaßt wird, in demselben Umfang einer Senkung unterworfen werden soll und unterworfen werden muß, bedarf wohl keiner näheren Erläuterung mehr.
Ich darf noch erwähnen, daß im Ausschuß auch auf die besonderen Schwierigkeiten der Herbsternte 1952 hingewiesen wurde. Es wurde dargelegt, daß der Zuckerrübenpflanzer, wenn er nicht ein ausreichendes Entgelt für seine Arbeit bekäme, den Zuckerrübenanbau wahrscheinlich wesentlich einschränken würde. Im Ausschuß ist von allen Seiten betont worden, daß dies aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten völlig unerwünscht sei, daß im Gegenteil dafür Sorge getragen werden müsse, daß eine Senkung des Anbaus an Zuckerrüben nicht eintrete, und daß im Gegenteil die in den letzten Jahren erweiterte Kapazität der Zuckerfabriken unter allen Umständen eine entsprechende Ausweitung des Zuckerrübenanbaus fordere, zumal auch noch beträchtliche öffentliche Mittel für den Bau von neuen Zuckerfabriken zur Verfügung gestellt worden seien.
Ich glaube, mit Rücksicht auf die fortgeschrittene Zeit kann ich mich auf diese wesentlichen einführenden Worte beschränken. Ich darf noch erwähnen, daß der Handelspolitische Ausschuß sich mit der Frage der Einführung des Zuckerzolls beschäftigt hat und aus allgemeinen Gründen glaubte, einer Einführung des Zuckerzolls das Wort nicht reden zu sollen, weil man in Abmachungen des GATT möglichst wenig eingreifen solle, und zwar sowohl nach dieser wie auch nach jener Seite.
Ich bitte Sie nun, den Gesetzentwurf so, wie er Ihnen zur Beschlußfassung durch den Ausschuß unterbreitet wird, anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1. Dazu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU unter Ziffer 1 des Umdrucks Nr. 739 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Auftrag der CDU/CSU-Fraktion habe ich die Änderungsanträge auf den Umdrucken Nrn. 739 und 740 zu begründen. Der Herr Berichterstatter hat schon darauf hingewiesen, daß der Ausgangspunkt bei den Bemühungen, die Zuckersteuer zu senken, immer wieder die Überlegung war, bei den Zuckerrübenpreisen eine Angleichung an die inzwischen eingetretene Kostenerhöhung zu finden. Wir haben über diese Dinge wiederholt in den Ausschüssen beraten, und es dürfte in diesem Hohen Hause kaum jemand sein, der die Notwendigkeit der Zuckerrübenpreiserhöhung bestreitet. Inzwischen sind hier auch wiederholt Sachverständige gehört und Gutachten erstellt worden.
Ich muß leider zum Ausdruck bringen, daß nach unserer Auffassung zu lange Zeit verstrichen ist, um zu wirklich tragbaren Verhältnissen zu kommen. Es ist vielmehr so, daß die Anbauflächen des nächsten Jahres sehr wahrscheinlich zurückgehen müssen und werden, weil wir nicht rechtzeitig entschieden haben. Die Erhöhung des Rübenpreises ist also eine zwangsläufige Angelegenheit, und wenn man nun wirtschaftlich denkt, müßte diese Erhöhung der Zuckerrübenpreise eine Erhöhung des Endproduktpreises, also des Zuckerpreises, auslösen.
Nun hat der Herr Berichterstatter schon darauf hingewiesen, daß in den Ausschußberatungen wiederholt der Gedanke vertreten wurde - und er
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findet in dem Beschluß des Ausschusses seinen Niederschlag -, zu gleicher Zeit mit der Rübenpreiserhöhung eine Zuckerpreisermäßigung zu verbinden. Dieser Widerspruch ist verständlich, wenn man daran denkt, daß wir alle miteinander Verbraucher sind. Selbst der Rübenbauer ist ja Verbraucher des Zuckers, der infolge der Veredelung, die die Rübe über die Zuckerfabrik erfahren hat, dann wieder auch von ihm gekauft werden muß.
Ich glaube, daß kein Zweifel darüber besteht - und die Beratungen im Finanzausschuß haben das ohne Zweifel auch klargestellt -, daß die Ausschußvorlage zu erheblichen Steuerausfällen führen wird. Auf der anderen Seite ist man sich im Hohen Hause wohl auch in allen Parteien darüber einig, daß bei dem wichtigen Volksnahrungsmittel Zucker eine Verteuerung des Zuckers ebensowenig zu vertreten ist. Da bleibt selbstverständlich nur der eine Ausweg, daß dann die notwendige Preiserhöhung um 50 Pfennig für 100 kg Zuckerrüben durch einen Verzicht auf Zuckersteuer aufgefangen wird. Wir möchten nur auf den Teil von Zuckersteuer verzichten, der notwendig ist, um die gewünschte und anerkannte Rübenpreiserhöhung zu realisieren. Ich darf das Hohe Haus bitten, diesem Antrag der CDU/CSU-Fraktion, den ich hier zu begründen hatte, zuzustimmen.
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Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute nachmittag bei der Beratung des Grundbetragserhöhungsgesetzes eine Erklärung abgegeben, die sich auf die Rechtssituation bezieht, welche sich daraus ergibt, daß jetzt die Gesetze betreffend die Haushalte 1952 und 1953 den gesetzgebenden Körperschaften vorliegen, so daß die Pflicht zum Ausgleich des Haushalts jetzt den beiden Häusern der gesetzgebenden Körperschaften obliegt. Ich möchte diese Erklärung nicht wiederholen, da ich annehme, daß die Mehrzahl der Damen und Herren des Hohen Hauses auch in der Nachmittagsstunde hier schon anwesend war. Ich darf nur den Schlußsatz wiederholen: Solange ein Deckungsbeschluß nicht vorliegt, entweder durch Senkung von Ausgabeansätzen oder durch Erhöhung von Einnahmen, würde die Bundesregierung verfassungs- und haushaltsrechtlich außerstande sein, Beschlüsse, zu denen der Haushalt nicht ausdrücklich ermächtigt, zu vollziehen.
Heute nachmittag ist mit Rücksicht hierauf die eben erwähnte Vorlage an den Haushaltsausschuß überwiesen worden. Ich möchte annehmen, daß, um verfassungsrechtliche Schwierigkeiten bei der Vollziehung des Haushalts zu vermeiden, auch bei diesem Gesetz zur Senkung der Zuckersteuer der Weg nur der sein kann, daß die Sache zunächst an den Haushaltsausschuß überwiesen wird. Wir sehen keine Deckung in dem, was der Herr Berichterstatter aus dem Ausschuß berichtet hat, daß ein Zuckerzoll eingeführt wird. Abgesehen von den Bedenken, die sich aus den GATT-Verträgen ergeben, ist es so, daß zur Zeit schon eine Abschöpfung läuft. Der Zoll würde in der Höhe, in der er beschlossen werden würde, nur die Abschöpfung ersetzen. Es wären hier aber zusätzliche Einnahmen notwendig, um den Ausfall zu decken, der sich aus der Zuckersteuersenkung ergibt. Der Ausfall - ich darf das einmal kurz erwähnen - würde für ein Rechnungsjahr betragen: bei einer Senkung um 10 DM 135 Millionen DM, bei einer Senkung um 6 DM 81 Millionen DM und bei einer Senkung um 4 DM, die Herr Abgeordneter Struve eben beantragt hat, 54 Millionen DM. Davon würden 22 Millionen auf den Rest dieses Haushaltsjahres entfallen, der volle Betrag von 54 Millionen dann auf das nächste Haushaltsjahr, und da der Haushalt für 1953 schon dem Bundesrat vorliegt, gilt also das Hemmnis aus Art. 110 des Grundgesetzes auch für den bereits vorliegenden Haushalt des Jahres 1953.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.
Meine Herren und Damen! Der Zuckerpreis und der Zuckerrübenpreis ist zwar nur ein kleiner Ausschnitt aus der Steuer- und Preispolitik dieser Regierung und dieses Parlaments; es handelt sich aber um einen recht traurigen Ausschnitt; deshalb müssen wir uns doch etwas länger damit befassen. Der Ausschuß hatte meiner Meinung nach angesichts der Tatsache, daß der Zuckerpreis auf dem Weltmarkt erheblich gefallen ist, einen sehr maßvollen Beschluß gefaßt, diese Zuckerpreissenkung auf dem Weltmarkt sowohl den Rüben anbauenden Landwirten als auch den Verbrauchern zugute kommen zu lassen. Ich muß sagen: angesichts dieses maßvollen Beschlusses des Ausschusses finde ich den Antrag, den Herr Kollege Struve eben für die CDU begründet hat, geradezu beschämend.
({0})
Meine persönliche Auffassung ist, daß man Zucker
überhaupt nicht besteuern darf. Ein so wichtiges
Nahrungsmittel wie Zucker mit einer Steuer zu
belegen, ist eben eine unmoralische Maßnahme.
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Ich habe solche Meinungsäußerungen übrigens, wenn ich nicht irre, auch schon von Herren Ihrer Fraktion gehört, und ich erinnere mich sehr deutlich an die Debatten, die wir hier um die Zuckersteuer hatten. Da ist immer von allen Seiten die Meinung vertreten worden: die nächste Zuckersteuersenkung aber nun zugunsten des Verbrauchers.
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Die erste Zuckersteuersenkung ist, wie hier bereits mitgeteilt worden ist, zugunsten der Rüben anbauenden Landwirte erfolgt. An 'Stelle der Zuckersteuersenkung für den Verbraucher kam dann im Oktober vorigen Jahres bekanntlich die Erhöhung des Zuckerpreises von 1,14 DM auf 1,32 DM, also um 18 Dpf. Als Begründung für diese Erhöhung wurde damals auf die gestiegenen Weltmarktpreise, den notwendigen Frachtausgleich - weil es an den Zuckerfabriken in den Anbaugebieten fehlte - und die gestiegenen Betriebskosten hingewiesen. Mit Ausnahme der letzten Begründung sind diese Gründe inzwischen weggefallen. Die Weltmarktpreise sind weit unter den deutschen Preis gesunken, die Zuckerfabriken in den Anbaugebieten sind gebaut worden. Was hätte also näher gelegen, als daß wir den damalig n Beschluß - der hier zwar nicht direkt, aber indirekt durch die Änderung des Zuckersteuergesetzes gefaßt worden ist - rückgängig machten?
({3})
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Wie sehr der Verbraucher auf solche Preisänderungen, auch wenn sie nur einige wenige Pfennige ausmachen, reagiert, reagieren muß angesichts seiner geringen Kaufkraft, geht aus den Verbrauchszahlen in Deutschland hervor. Wir hatten im Jahre 1950/51 vor .der Erhöhung des Zuckerpreises einen Pro-Kopf-Verbrauch von 29 Kilo, vom 1. Oktober 1951 bis 30. September 1952 nach der Erhöhung des Zuckerpreises einen Pro -Kopf-Verbrauch von ,4,3 Kilo,
({5})
während wir in vielen andern Ländern, und zwar auch in solchen, in denen infolge des gemeinsamen Breitengrades gleiche Verbrauchsgewohnheiten bestehen, einen Pro-Kopf-Verbrauch zwischen 35 und 46 Kilo haben. Daraus allein geht ja hervor, daß unser Zuckerpreis durch die hohe Zuckersteuerbelastung eben auch eine Form der Rationierung darstellt, die es unseren Verbrauchern nicht ermöglicht, ihren echten Zuckerbedarf zu decken.
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Jetzt sind die Weltmarktpreise derart gefallen - und hier beziehe ich mich auf Unterlagen, die uns der Herr Kollege Dr. Dr. Müller im Finanz- und Steuerausschuß gegeben hat -, daß bei allem Zucker, der eingeführt wird, pro Doppelzentner 13 bis 17 DM durch den Staat abgeschöpft werden können, je nachdem, ob es sich um Rohzucker oder um Weißzucker handelt.
({7})
Nun, muß ich schon sagen, haben die Verbraucher wirklich das Recht, zu fragen: Wo bleibt jetzt die Preissenkung für uns, nachdem damals die Erhöhung der Weltmarktpreise für uns eine Erhöhung des Zuckerpreises gebracht hat? Warum soll der Verbraucher von dieser tatsächlichen Preissenkung auf dem Weltmarkt nichts merken, während er bei steigenden Weltmarktpreisen immer sofort empfindlich belastet wird? Wenn dieser Antrag der CDU angenommen wird, dann treffen Sie meiner Meinung nach eine Fehlentscheidung, die sich in etwa vergleichen läßt mit der Fehlentscheidung, die Sie vor einigen Wochen hier in der Frage des Butterzolls getroffen haben.
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Wir müssen sagen, daß es sich in diesem Falle absolut nicht um eine Entscheidung handelt, die etwa in Unkenntnis der Lage erfolgt. Wenn hier die Haushaltsfrage angeschnitten wird, dann möchte ich sagen: selbst wenn im Haushalt des Finanzministeriums die mögliche Abschöpfung bereits einkalkuliert ist, ist es doch sehr bezeichnend für die Gesinnung bei der Aufstellung des Haushalts, daß man von vornherein bereit ist, bei einer etwa notwendigen Einfuhr von 500 000 t 65 Millionen DM von dem Preis des eingeführten Zuckers abzuschöpfen, die eigentlich dem Verbraucher gehören.
({9})
Wenn hier der Haushaltsausschuß eine Korrektur vornimmt, dann ist das nicht mehr als gerecht.
Nun sage man mir nicht: Wir führen ja keine 500 000 t ein. Soweit ich die Beurteilung der diesjährigen Zuckerrübenernte überschauen kann, ist es möglich, daß wir im Gegensatz zu früher nur 825 000 t Eigenerzeugung haben werden. Bei einem Gesamtverbrauch von 1,3 Millionen Tonnen bedeutet das einen zusätzlichen Verbrauch von 500 000 Tonnen eingeführtem Zucker. Gewiß, wir haben heute Vorräte, die zu höheren Preisen eingekauft worden sind. Ist esaber recht und billig, daß der Verbraucher die falsche Marktbeurteilung der Ministerien und der einschlägigen Stellen bezahlen muß? Er hat damals in Gestalt höherer Preise und niedrigeren Verbrauchs einen Konsumverzicht geleistet, den er jetzt noch einmal dadurch bezahlen soll, daß er die falsche Einschätzung des Marktes durch diese unwirtschaftlichen und gewiß belastenden Einkäufe büßen soll.
({10})
Darüber hinaus darf ich aber darauf aufmerksam machen, Herr Struve, daß wir auch in das nächste Wirtschaftsjahr mit einem entsprechenden Vorrat gehen müssen und diesen Vorrat, wenn wir gut beraten sind, heute zu den niedrigen Weltmarktpreisen einkaufen. Außerdem ist es dringend notwendig daran zu denken, daß immer dann, wenn es um die Pfennige des kleinen Mannes geht, sowohl der Finanzminister als auch die Koalitionsparteien an das Sparen denken und ihr Herz für einen ausgeglichenen Haushalt entdecken.
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Wenn man aber, wie heute nachmittag, eine erhebliche Senkung der Körperschaftsteuer beantragt oder, wie es letzthin beim Kapitalmarktförderungsgesetz geschehen ist, eine erhebliche Senkung der Einnahmen - siehe Bundesanleihe - durch Annahme dieses Gesetzes gutheißt, dann denkt man nicht an den Haushalt und seinen notwendigen Ausgleich. Ich glaube, damit kommt sehr eindeutig zum Ausdruck, wo eigentlich das Herz der Regierung und das Herz der rechten Seite dieses Hauses schlägt.
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Wir sind jedenfalls der Meinung, daß eine Zuckerrübenpreiserhöhung notwendig ist, daß aber eine merkliche Senkung des Verbraucherpreises ebenso notwendig ist. Ich möchte Sie deshalb dringend bitten, doch zu verhindern, daß man nun immer noch mehr am Verbraucher verdient, und diesen Antrag des Herrn Struve bzw. der CDU abzulehnen. Zu dem weiteren Antrag, der dem Verbraucher nun auch die kleine Geste entziehen will, die Herr Dr. Müller gemacht hatte, möchte ich mich nachher noch äußern.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums der Finanzen hat zur Frage der Erhöhung der Rübenpreise Stellung genommen und sich auf den Haushaltsausschuß zurückgezogen, dem es nunmehr obliege, eine Deckungsvorlage zu machen. Ich muß gestehen, daß das Finanzministerium diese Frage sehr einfach und sehr leichtsinnig sieht.
({0})
Nach § 6 des Zuckergesetzes hat die Bundesregierung die Preise für Zuckerrüben und Zucker so festzusetzen, daß sie volkswirtschaftlich angemessen sind. Der Referent des Ministeriums hat in einem Kommentar zu diesem Gesetz geschrieben: Die Festsetzung der Preise für Zuckerrüben und Zucker hat für jedes Zuckerwirtschaftsjahr rechtzeitig im voraus, also vor dem 1. Oktober, entweder durch die Bundesregierung oder den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Einvernehmen
({1})
({2}))
mit dem Bundesminister für Wirtschaft zu erfolgen.
({3})
Hier liegt also eine gesetzliche Pflicht der Regierung vor,
({4})
die angemessenen Zuckerrübenpreise festzusetzen.
Am 30. Januar dieses Jahres habe ich mir erlaubt, dem Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einen Brief zu schreiben und ihn darauf hinzuweisen, daß er die Zuckerrübenpreise zeitig festzusetzen hat. Kurz danach ist von der rübenbauenden Landwirtschaft der begründete Antrag gestellt worden, die Zuckerrübenpreise auf 6,50 DM festzusetzen. Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat dieses Begehren als berechtigt anerkannt und hat noch am 16. Oktober dieses Jahres in einem Brief an den Rheinischen Rübenbauerverband dargelegt, daß er den Preis für angemessen halte und eine entsprechende Vorlage im Kabinett gemacht habe.
Wie ist es nun mit diesem Antrag des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gegangen? Der Antrag wurde am 30. Juli 1952 vom Kabinettsausschuß an den Preisrat des Kabinetts überwiesen, der sich am 19. August 1952 zuerst damit beschäftigt hat. Am 6. Oktober 1952 hat der Kabinettsausschuß die Vorlage an den Preisrat zurückverwiesen. Am 14. Oktober sind die Verhandlungen unterbrochen worden, weil der Herr Bundesfinanzminister darauf hingewiesen hat, daß eine Fortführung dieser Verhandlungen, die die Berechtigung der Erhöhung des Rübenpreises beweisen könnte, unbequem werden könne.
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Auf die Interpellation der Rübenbauverbände hin ist die Angelegenheit nunmehr an einen kleineren Preisausschuß des Kabinetts überwiesen worden. Dort berät man jetzt schon seit Anfang November, welcher Rübenpreis angemessen ist. Die Zuckerkampagne geht in der nächsten Woche zu Ende, die ersten Auszahlungen an die Rübenbauer haben zu erfolgen, und bis heute weiß in der Bundesrepublik kein Rübenbauer, was er für seine Rüben zu bekommen hat.
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Wenn im zivilen Sektor ein Kaufmann sein Geschäft so betreibt, wird er für kreditunwürdig erklärt.
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Wie liegen die Dinge volkswirtschaftlich gesehen? Wir haben seitens der Landwirtschaft - und ich darf mir das in erster Linie mit anrechnen - seit 1945 begonnen, den Rübenbau auszudehnen. Wir sind von etwa 120 000 Hektar im letzten Jahre auf über 220 000 Hektar mit einer Eigenproduktion von 955 000 t gekommen. Die Kapazität der Fabriken ist entsprechend erweitert worden, um diese verstärkten Rübenlieferungen aufzunehmen. Die jetzige Politik muß dahin führen, daß der Rübenbau stark eingeschränkt wird. Dann werden wir mehr Devisen brauchen, um Zucker aus dem Ausland einzuführen, abgesehen davon, daß die Produktion des einheimischen Zuckers sich dann erheblich verteuern wird.
Die Zurückziehung auf den Haushaltsausschuß halte ich für unmöglich und ungerechtfertigt.
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Denn die Regierung hat nach dem Zuckergesetz den Preis festzusetzen. Sie hat einen angemessenen Preis zeitig festzusetzen.
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Wenn man das nicht kann - die Regierung hat ja selber erklärt, daß eine Erhöhung des Zuckerpreises nicht in Frage kommen könne, und dem hat der Rübenbau sich angeschlossen -, dann ist die Regierung verpflichtet, Wege aufzuweisen, wie man das Problem lösen kann. Sie kann aber nicht dem Parlament die Deckungsvorlage zuschieben.
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Ich muß deshalb die Regierung dringend ersuchen, sofort das zu tun, was ihre Pflicht ist.
Nun zur Deckungsvorlage! Wir haben in diesem Jahr schon rund 74 000 t Kubazucker gekauft, von denen der Herr Finanzminister rund 12,2 Millionen DM abschöpfen kann. Dabei ist noch die Frage zu prüfen, ob diese Abschöpfungsbeträge ohne weiteres in die Kasse des Herrn Finanzministers fließen können und ob sie im Haushalt stehen. Auch mit dieser Frage wird sich das Parlament einmal beschäftigen müssen. Es wird Klarheit schaffen müssen, zumal wir bei den Einfuhr- und Vorratsstellen erhebliche Klagen haben, daß sie nicht genügend Kapital zur Verfügung haben, um die ihnen gestellten Aufgaben zu erledigen.
Noch ein kurzes Wort zu den Ausführungen der Frau Kollegin Strobel. Die Senkung des Zuckerpreises auf dem Weltmarkt soll dem Verbraucher zukommen. Darin gehe ich grundsätzlich mit Ihnen einig, Frau Strobel. Aber wenn man einen Einfuhrbedarf aus dem Weltmarkt von 300 000 oder 400 000 t hat, dann muß man zu Beginn des Zuckerjahres diesen Bedarf decken. Wenn man, wie jetzt, etwa 70 000 oder 75 000 t einführen kann und nicht weiß, zu welchem Preis man später einmal wieder kaufen kann, weil- man ja die notwendigen Dollars nicht zur Verfügung hat, um sich jetzt schon für das ganze Zuckerjahr einzudecken, kann man keinen Durchschnittspreis machen; dann kann man im Moment den Zuckerpreis senken und wahrscheinlich nach einigen Monaten, wenn sich der Zuckerpreis entsprechend ändert, wieder nach oben hüpfen. Das wird auch dem Verbraucher keinen Spaß machen. Vorbedingung für eine solche Regelung, die ich seit Jahr und Tag als grundsätzlich richtig erkannt habe, ist, dafür zu sorgen, daß die Devisenbestände zur Verfügung stehen, um zu Beginn des Wirtschaftsjahres in den Grundnahrungsmitteln den Einfuhrbedarf decken zu können.
Frau Strobel sprach davon, daß der Zuckerverbrauch 1950/51 29 kg und 1951/52 24,3 kg gewesen sei. Diese beiden Jahre waren keine normalen Zuckerverbrauchsjahre. Im Jahre 1950 unter dem Druck der Korea-Krise und als nachher eine Erhöhung des Zuckerpreises vermutet wurde, haben sich nicht nur Privathaushalte, sondern auch die zuckerverarbeitende Industrie sehr stark mit Zucker eingedeckt. Ich könnte eine Reihe von Betrieben der zuckerverarbeitenden Industrie nennen, die zu Beginn dieses Jahres einen Zuckervorrat für über zehn Monate hatten. In diesem Jahr, als es auch mit der Kapitalversorgung nicht mehr so recht ging, ist dieser Zucker in den Verbrauch und in die Verarbeitung hineingekommen, ist aber von der Statistik im vergangenen Jahr als Verbrauch erfaßt worden und jetzt in der Statistik
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nicht erschienen; infolgedessen dieser Rückgang von 29 auf 24,3 kg. Dieser Rückgang des Verbrauchs hat mit der ganzen Preisgestaltung nichts zu tun.
Und nun die Abschöpfung. Der Herr Finanzminister hat es abgelehnt, meinem Vorschlag zu folgen - und der Ausschuß hat sich entsprechend entschieden -, den Zuckerzoll wieder einzuführen, weil man die Abschöpfung habe. Im vergangenen Jahre hat der Herr Finanzminister 27,8 Millionen DM Subventionen für den Zucker zur Verfügung gestellt und 700 000 DM abschöpfen können. Das Geschäft ist nicht so sicher, zumal wenn man im Osten mit Leuten zu tun hat, die sich die Subventionsbereitschaft der Bundesrepublik zunutze machen, ihre Preise entsprechend stellen und wissen: Da wird subventioniert; darum wollen wir die Subventionen einstecken.
Frau Strobel redete von einer' Produktion von 825 000 t. Ich bezweifle, daß wir über 800 000 t hinauskommen. Denn heute stecken noch zahlreiche Rüben in der Erde, die nicht mehr geerntet werden können. Ein Verbrauch von 1,3 bis 1,35 Millionen t bedeutet eine Einfuhr aus dem Ausland von 500 000 bis 550 000 t, von denen wir etwa 230 000 t noch in überlagerten Vorräten zur Verfügung haben, so daß wir immer rundherum 300 000 t einführen müssen. Wenn wir aber in der Zuckerpolitik das treiben, was in diesem Jahr getrieben worden ist, dann garantiere ich Ihnen, daß wir im nächsten Jahr statt 300 000 t 500 000 t werden einführen müssen. Denn man kann dem Bauern nicht zumuten, daß er sich in der Form behandeln läßt und daß der Preis für das Produkt, das er abliefern muß, nicht zeitig genug in entsprechender Höhe festgesetzt wird, so daß er mit seiner Arbeit das eventuelle Defizit im Haushalt des Bundes zu decken hat. Ich bitte Sie, dem Antrag, den wir gestellt haben, zuzustimmen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer, wenn es um die breite Masse und um die Bauern geht, hören wir von dieser Stelle aus: Es ist kein Geld da. Was ist aber die Tatsache? Der Zuckerpreis ist zu hoch, und der Rübenpreis ist zu niedrig. Wenn Herr Dr. Dr. Müller hier gesagt hat, viele Rüben stecken noch in der Erde, dann stimmt das. Aber womit hängt das zusammen? Das hängt doch damit zusammen, daß die Preise für die Bauern derart niedrig sind, daß die Unkosten nicht aufgebracht werden können, um die Ernte durchzuführen.
In Versammlungen und Entschließungen haben die Zuckerrübenanbauer mehr gefordert, als ihnen jetzt durch den Ausschuß geboten wird. Die Lage ist aber doch die: Schon nach der letzten Ernte im vergangenen Jahr betrugen die Erzeugerkosten pro Doppelzentner Zuckerrüben 6,28 DM. Seitdem sind die Kosten für die Düngemittel, für das Material und für die Löhne gestiegen. Die Lage eines Teils der Zuckerrübenanbauer ist durch die Dürre noch bedeutend verschlechtert worden. Wir fordern deshalb im Interesse der Bauern und entsprechend ihren Forderungen eine Erhöhung des Zuckerrübenpreises auf 7 DM. Das Geld dafür kann man von den Steuern nehmen. Wir sind auch der Meinung, daß der Preis für den Zucker selber noch gesenkt werden kann. Geld dafür ist in Hülle und
Fülle da. Man soll es dort nehmen, wo es ja doch nur durch den Schornstein hinausgeht!
({0})
Damit, meine Damen und Herren, ist die Rednerliste erschöpft. Wir können die Aussprache zu Art. 1 schließen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 739 Ziffer 1. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, infolge der schwachen Besetzung des Hauses besteht wieder einmal Ungewißheit. Wir müssen daher die Abstimmung im Hammelsprung durchführen. Ich bitte Sie, den Saal so schnell wie möglich zu räumen.
({0})
Darf ich bitten, die Phasen des Hinausgehens etwas zusammenzudrängen.
({1})
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({2})
Die Auszählung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen und Platz zu nehmen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung: Mit Ja haben gestimmt 153, mit Nein 117, enthalten 1. Der Antrag ist also angenommen.
Ich bitte diejenigen, die dem Art. 1 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Art. 1 ist angenommen.
Ich rufe nun auf Art. 2. Dazu liegt ein Änderungsantrag Dr. Kneipp auf Umdruck Nr. 733 Ziffer 1 vor. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kneipp.
Meine Damen und Herren, ich darf doch bitten, Platz zu nehmen. So läßt sich schlecht verhandeln, wenn ein großer Teil des Hauses steht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich bei Art. 2'§ 1 lediglich um eine rein technische Änderung, nach der die Rückerstattung für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 1952 auf die einzelnen Zuckerarten berechnet wird. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.
Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 733 Ziffer 1 zu Art. 2 § 1. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich bitte diejenigen, die Art. 2 § 1 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Jetzt rufe ich auf Art. 2 § 2. Dazu liegt ein Änderungsantrag der CDU/CSU auf Umdruck Nr. 739 Ziffer 2 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. - Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag 739 Ziffer 2 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die
({0})
' Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Meine Damen und Herren, es liegt noch der Antrag Dr. Kneipp auf Umdruck Nr. 733 Ziffer 2 vor.
({1}) - Dann kann ich ihn mit Zustimmung des Antragstellers zurückstellen.
Ich rufe auf Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Art. 3, Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Art. 3 und Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Die dritte Beratung ist auch vorgesehen. Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel. - Für die dritte Beratung war eine Begrenzung der Redezeit auf insgesamt 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
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- Ja, meine Damen und Herren, sie braucht doch nicht ausgenutzt zu werden!
Meine Herren und Damen, keine Sorge; wir nutzen nicht aus. - Sie haben aber jetzt nicht nur den Ausschußantrag abgelehnt dadurch, daß Sie den Änderungsantrag Struve und Genossen im Gesetz eingebaut haben,. Sie haben auch den Antrag Dr. Dr. Müller auf Senkung des ) Zuckerpreises um ganze zwei Pfennig zu Fall ge- bracht. Sie sind also anscheinend der Auffassung, daß 24 kg Zuckerverbrauch durchaus genügen und es nicht notwendig ist, dem Verbraucher durch einen niedrigeren Zuckerpreis einen höheren Zuckerverbrauch möglich zu machen. Sie sind das; obwohl Sie in der jüngsten Zeit eine recht bittere Erfahrung mit solch sturen Beschlüssen gemacht haben, wie bei der Butter.
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Es scheint ein recht erhebendes Gefühl zu sein, den kleinen Verbraucher bei wichtigen Nahrungsmitteln der Steuer- und Zollschraube einer unsozialen Bundesregierung auszuliefern.
({1})
Dies ist im übrigen durchaus die Fortsetzung der bisherigen Politik, die Interessen des Verbrauchers gegen den Erzeuger und umgekehrt die Interessen der Erzeuger gegen die Interessen der Verbraucher auszuspielen. Der Umdruck Nr. 740, der heute vorliegt und nachher erst zur Debatte steht, aber im Gesetz bereits eingebaut ist, hat also auch diese kleine Geste gegenüber dem Verbraucher restlos beseitigt, und das angesichts der Tatsache - und das erscheint mir ganz besonders bezeichnend -, daß man wochenlang in allen Ausschüssen gemeinsam von Verbraucherinteresse und vom Landwirtschaftsinteresse her, von seiten der Opposition und von seiten der Koalition bemüht war, den Widerstand des Finanzministeriums auszuräumen. Immer stand eine Koppelung von Senkung des Verbraucherpreises und Erhöhung des Rübenpreises zur Debatte; und das ist gar kein Widerspruch - wie Herr Kollege Struve behauptet hat -, sondern es ist so, daß die Steuersenkung zugunsten des Rübenpreises notwendig ist, weil die Betriebskosten gestiegen sind, und daß die Steuersenkung zugunsten des Verbrauchers möglich ist, weil die Weltmarktpreise gesunken sind. Das sind die Tatsachen.
Wir sehen uns aber angesichts der Tatsache, daß Sie eine völlig einseitige Maßnahme treffen und hier einen Beschluß fassen, der wieder einmal auf dem Rücken des Verbrauchers diese Manipulationen austrägt, außerstande, diesem Gesetz zuzustimmen, sosehr wir das bedauern; wir müssen Ihnen die Verantwortung für diesen Beschluß allein überlassen.
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Keine weiteren Wortmeldungen? - Damit ist die Aussprache geschlossen.
Besondere Anträge zur dritten Beratung sind nicht gestellt. Wir können also über den vorliegenden Entwurf nach den Beschlüssen der zweiten Beratung abstimmen. Ich bitte diejenigen, die den hiermit aufgerufenen Artikeln 1, - 2, - 3, - Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Dieses Gesetz ist in dritter Beratung angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. - Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz im ganzen zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist verabschiedet.
Wir kommen noch zu Punkt 5 b. Zu der Drucksache Nr. 3909 liegt der Änderungsantrag Umdruck Nr. 740 vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Die Aussprache ist geschlossen. Wir stimmen ab. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck Nr. 740 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Antrag Drucksache Nr. 3909 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Ich denke, wir können noch den Punkt 6 a und b der Tagesordnung erledigen:
a) Zweite Beratung des von der Fraktion der DP/ DPB eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge ({0}).
({1});
b) Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge ({2}).
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Dazu ist Überweisung ohne Debatte an den Ausschuß für Arbeit als federführenden und an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und an den Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung vorgeschlagen. - Dem ist nicht widersprochen. Ich nehme deshalb die Zustimmung des Hauses an.
Meine Damen und Herren, können wir es wagen, den Punkt 7 der Tagesordnung noch aufzurufen? ({4})
({5})
) Also ich rufe Punkt 7 auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP/ DPB, FU ({6}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verlängerung der Wahlperiode der Betriebsräte ({7}).
Ich nehme an, daß auf die Begründung verzichtet wird. - Das Wort wird auch nicht gewünscht.
Wir treten dann gleich in die
zweite Beratung
ein. Ich rufe die §§ 1 und 2 und die Einleitung und Überschrift auf. - Dazu ist das Wort auch nicht gewünscht. Wir stimmen ab. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzestext sowie der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu heben.
- Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist also in zweiter Beratung angenommen.
Nun rufe ich zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort dazu wird nicht gewünscht. Einzelne Änderungsanträge sind nicht gestellt. Ich kann sofort abstimmen lassen. Wer dem Gesetz mit Einleitung und Überschrift zustimmt, den bitte ich, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; also angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben.. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen und damit verabschiedet.
Meine Damen und Herren, ich kann noch den Punkt 8 der Tagesordnung aufrufen:
Erste Beratung des von der Fraktion der FU ({8}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Reichsabgabenordnung ({9}).
Es ist vereinbart, auf eine Begründung in der ersten Beratung zu verzichten und unmittelbar Ausschußüberweisung vorzunehmen, und zwar an den Ausschuß für Geld und Kredit. Dem wird nicht widersprochen.
({10})
- Und an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als mitbeteiligten.
({11})
- Dann muß ich abstimmen lassen. Oder ist das Haus damit einverstanden, daß die Sache an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen geht?
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- Das scheint die Mehrheitsmeinung zu sein. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Tabaksteuergesetzes ({13}).
Auch hier ist der Ältestenrat von der Annahme ausgegangen, daß auf eine Begründung in der ersten Beratung verzichtet und die sofortige Ausschußüberweisung vorgenommen werden könnte.
({14})
- Ich schlage Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen als federführenden das scheint mir selbstverständlich zu sein - und an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als beteiligten vor. - Auch das scheint die übereinstimmende Meinung zu sein. Das ist so beschlossen.
Dann, meine Damen und Herren, Punkt 10:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zolltarifgesetzes ({15}).
Da gilt die gleiche Vereinbarung: Verzicht auf Begründung und auf Beratung in der ersten Lesung, Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen.
({16})
- Also mitbeteiligt soll der Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft sein. - Dem wird auch zugestimmt; das ist so beschlossen.
Dann liegt noch Punkt 11 der Tagesordnung vor: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die am 26. August .1952 in Bonn unterzeichneten drei Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die deutschen Vermögenswerte in. der Schweiz, über die Regelung der Forderungen der Schweizerischen Eidgenossenschaft gegen das ehemalige Deutsche Reich und zum deutschen Lastenausgleich ({17}).
Die Regierung hat auf die gedruckte Begründung verwiesen. Unter diesen Umständen war der Ältestenrat bereit, Ihnen vorzuschlagen, von einer Aussprache in der ersten Lesung abzusehen und unmittelbar die Ausschußüberweisung vorzunehmen, und zwar an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten.
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- Ja, Ausschuß für Geld und Kredit und Lastenausgleich noch dazu.
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- Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen, dem zuzustimmen, sonst haben wir komplizierte Abstimmungen und eventuell Auszählungen.
Es liegt dann noch Punkt 13 der Tagesordnung vor:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({20}) über den Entwurf einer Zweiten Verordnung über Zollsatzänderungen ({21});
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({22}) über den Entwurf einer Dritten Verordnung über Zollsatzänderungen ({23}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Serres.
Dr. Serres ({24}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf vorschlagen, auf meine Berichterstattung zu verzichten. Wegen der Zweiten Verordnung über Zollsatzänderungen darf ich auf Drucksache Nr. 3913 verweisen. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß nach Abfassung der Drucksache Nr. 3913 einige redaktionelle
({25})
Änderungen vorgenommen werden mußten. Sie finden diese Änderungen in Umdruck Nr. 732.
Ich beantrage also namens des Ausschusses, der Drucksache Nr. 3913 unter Mitberücksichtigung des Umdrucks Nr. 732 zuzustimmen, ferner zuzustimmen der Drucksache Nr. 3918 betreffend den Entwurf einer Dritten Verordnung über Zollsatzänderungen.
Das Haus verzichtet auf die Aussprache. Wir können also zur Abstimmung übergehen. Zunächst über Punkt 13a, das ist die Drucksache Nr. 3913. Ich bitte diejenigen, die dem Ausschußantrag unter Berücksichtigung der von dem Herrn Berichterstatter erwähnten Änderungen auf Umdruck Nr. 732 zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; dann ist das angenommen.
Punkt 13 b, Entwurf einer Dritten Verordnung über Zollsatzänderungen, Drucksache Nr. 3918. Auch hier wird auf die Aussprache verzichtet. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Dann rufe ich Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen ({0}) ({1}).
Dazu ist vorgeschlagen, ebenfalls von einer Aussprache in erster Beratung abzusehen und unmittelbar mit der Ausschußüberweisung zu beginnen. Als federführender Ausschuß ist der Ausschuß für i Sozialpolitik unter Mitbeteiligung des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens vorgeschlagen worden.
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- Ich glaube, wir sollten dem zustimmen, sonst, meine Damen und Herren, muß ich unter Umständen noch einen umständlichen Hammelsprung machen lassen. Ich bitte Sie, sich mit der Überweisung einverstanden zu erklären.
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- Es ist dann so beschlossen.
Darf ich noch einen Augenblick um Gehör bitten; ich habe noch einige Mitteilungen zu machen. Zunächst ist von dem Herrn Vorsitzenden des Finanzausschusses mitgeteilt worden, daß morgen 9 Uhr 15 eine Sitzung des Finanzausschusses stattfindet.
Dann darf ich auf folgendes aufmerksam machen: wir hatten den Punkt 3b der Tagesordnung - den Gesetzentwurf über die Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung - zur Beratung im Haushaltsausschuß zurückgestellt, um die zweite und dritte Beratung anschließen zu können. Ich möchte Ihnen vorschlagen, morgen mit dieser zweiten und dritten Beratung des Gesetzentwurfs über die Erhöhung der Grundbeträge in der Rentenversicherung - Punkt 3b der heutigen Tagesordnung - anzufangen und die verschobene Beratung nachzuholen.
Damit ist für heute die Tagesordnung erschöpft.
Ich berufe die nächste Sitzung, die 244. Sitzung des Deutschen Bundestags, auf Donnerstag, den 11. Dezember 1952, 9 Uhr, ein.
Die 243. Sitzung ist geschlossen.