Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 236. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es sucht für längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Stierle ab 18. September 1952 für 31/2 Monate wegen Krankheit.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Leuze, Mensing, Dr. Preller, Ribbeheger, Lausen, Heiland, Henßler, Kalbfell, Dr. Atzenroth, Dr. Nöll von der Nahmer, Feldmann, Loritz, Glüsing, Schmitt ({0}), Kahn, Henle, Frau Thiele, Harig, Reimann, Agatz, Löfflad, Winkelheide, Etzel ({1}), Frau Dr. Steinbiß, Dr. Dresbach, Mellies, Kemper, Dannemann, Goetzendorff, Mayer ({2}).
Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß der Urlaub für Herrn Abgeordneten Stierle genehmigt ist. Erfreulicherweise ist Herr Abgeordneter Stierle schon auf dem Wege der Besserung. Ich darf ihm unsere besten Wünsche für seine völlige Wiederherstellung aussprechen.
({0})
Einige Fraktionen haben den Wunsch ausgesprochen, daß heute eine Mittagspause von 12 bis 15 Uhr eingeschoben wird. Darf ich unterstellen, daß das Haus damit einverstanden ist?
({1})
- Dann würde der Ältestenrat um 12 Uhr, unmittelbar nach Schluß der Vormittagssitzung, zusammentreten.
Der Berichterstatter des Haushaltsausschusses hat gebeten, den Punkt 13 der Tagesordnung nach vorn zu ziehen. Ich darf vorschlagen, da er ohne Aussprache erledigt wird, ihn nach dem Punkt 2 einzuschieben, wenn Sie damit einverstanden sind. Es handelt sich bei Punkt 13 um die Entlastung der Bundesregierung wegen der weit zurückliegenden Haushaltsrechnungen.
Ich habe Glückwünsche auszusprechen dem Herrn Abgeordneten Etzenbach zum 63. Geburtstag am 25. Oktober, Herrn Abgeordneten Bahlburg zum 64. Geburtstag am 27. Oktober und Herrn Abgeordneten Niebes zum 62. Geburtstag am 27. Oktober.
({2})
Dann hat der Vorsitzende des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten mich beauftragt, mitzuteilen, daß das Redaktionskomitee des Auswärtigen Ausschusses heute um 10 Uhr 30 zu einer kurzen Besprechung im Zimmer 214 Süd zusammentritt.
Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß Sie damit einverstanden sind, daß der Punkt 3 der Tagesordnung betreffend Kriegsopferversorgung bis nach der Mittagspause zurückgestellt wird, weil heute vormittag in Bonn das sogenannte Kriegsopferparlament tagt. - Das Haus ist auch mit dieser Veränderung der Tagesordnung einverstanden.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24. Oktober 1952 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
({3})
Schaumweinsteuergesetz;
Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Dienststrafrechts;
Gesetz über die Untersuchung der Rheinschiffe und -flöße und über die Beförderung brennbarer Flüssigkeiten auf Binnenwasserstraßen;
Gesetz über den Deutschen Wetterdienst; Gesetz über das Zusatzprotokoll zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung;
Gesetz über den Ablauf der durch Kriegsvorschriften gehemmten Fristen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung.
Zum Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 und zum Gesetz zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten hat er beschlossen, den Vermittlungsausschuß anzurufen.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 23. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 299 der Fraktion der SPD betreffend die ehemaligen Legationsräte Rademacher und Klingenfuß - Drucksache Nr. 3743 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3817 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat, entsprechend einem Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 198. Sitzung am 20. Oktober 1952, über die Verhandlungen der Bundesregierung mit der Alliierten Hohen Kommission betreffend Uneheliche Kinder der Besatzungsangehörigen berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3810 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 21. Oktober 1952 Abschrift eines Schreibens des Auswärtigen Amtes an den Leiter des Generalsekretariats der Alliierten Hohen Kommission vom 8. Oktober 1952 betreffend den Fall Kemritz übersandt, das als Drucksache Nr. 3813 vervielfältigt wird.
Jetzt kann ich Punkt 1 der Tagesordnung aufrufen:
Beratung der Übersicht Nr. 58 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({4}).
Eine mündliche Berichterstattung ist heute nicht gewünscht worden. Sie haben vor sich den Umdruck Nr. 671. Ich bitte die Damen und Herren, lie den Anträgen von Ausschüssen über Petitionen nach diesem Umdruck zuzustimmen wünschen, eine Eland zu erheben. - Das scheint mir inzwischen die Mehrheit zu sein. - Ja, ist angenommen.
Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes
({5}) zu dem Entwurf
eines Bundes-Jagdgesetzes ({6}).
Berichterstatter ist Herr Senator Dr. Klein ({7}), der noch nicht da ist. - Der Herr Vertreter des Bundesrats betritt in diesem Augenblick den Saal. Ich erteile ihm das Wort als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im August 1950 legte die Bundesregierung den Entwurf eines BundesJagdgesetzes vor. Heute soll der Deutsche Bundestag das Gesetzgebungswerk beenden. So nebensächlich der Gegenstand dieser Gesetzgebung erscheint, sosehr hat er die Gemüter bewegt. In zwei Vermittlungsverfahren ist versucht worden, die gegensätzlichen Meinungen so anzunähern, daß in diesem Hohen Hause und daran anschließend im Bundesrat Aussicht auf eine Annahme eines einheitlichen Bundesjagdgesetzes besteht.
Wenn ich hier von Gegensätzlichkeiten spreche, dann ist dazu zu sagen, daß sie nicht nur auf einer materiellen Grundlage beruhen, sondern auch auf verschiedenartigen Anschauungen. In diesem Gesetzgebungswerk spiegelt sich nicht nur die Anschauung der Landwirtschaft und der Jäger wider, sondern es kommt die Struktur unseres gesamten Staatsaufbaues zur Geltung. Man beruft sich auf die beschränkte Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Bestimmte Länder glauben, in einem einheitlichen Bundes-Jagdgesetz ihre Gesetzgebungsbefugnisse beschnitten zu sehen.
Der Vermittlungsausschuß hat Ihnen gemäß Art. 77 das Ergebnis seiner Tätigkeit in der vorliegenden Drucksache bekanntgegeben. Sämtliche Beschlüsse, die in 17 Punkten niedergelegt sind, sind entweder zum größten Teil einstimmig oder aber mit übergroßer Mehrheit gefaßt worden. Ich kann mir ersparen, die Einzelheiten ausführlich zu erörtern. Ich weise nur auf wenige Punkte hin, die im Verlauf des Vermittlungsverfahrens umstritten waren oder die besondere Beachtung verdienen.
Für einige Mitglieder des Vermittlungsausschusses war die Fassung des § 7, der die Eigenjagdbezirke behandelt, von besonderer Bedeutung. Das Bundes-Jagdgesetz geht davon aus, daß ein Eigenbesitz von 75 ha grundsätzlich mit der Bildung eines Eigenjagdbezirkes verbunden ist. Die Länder
können, besonders für Hochgebirgsjagden, höhere Grenzen festlegen. Im übrigen sollen aber nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses anderweitige Festsetzungen der Größe von Eigenjagdbezirken nur dann Geltung haben, wenn 70 ha nicht unterschritten und 100 ha nicht überschritten sind. Nach dem Bundestagsbeschluß sollte die Überschreitung einer Mindestgrenze von 85 ha bereits zur Aufhebung einer solchen Länderbestimmung führen. Praktisch hat nur das Land Hessen in seinem Jagdgesetz bestimmt, daß ein Eigenjagdbezirk erst mit 100 ha gebildet werden kann. Die jetzige Aufhebung dieser Ländergesetzgebung würde erhebliche verwaltungsmäßige Schwierigkeiten im Gefolge haben. Der Vermittlungsausschuß hat daher geglaubt, Ihnen den Änderungsvorschlag unterbreiten zu sollen, im § 7 des Gesetzes die Worte „über 75 ha" durch die Worte „über 100 ha" zu ersetzen.
Der umstrittene § 21 Abs. 2 wird Ihnen vom Vermittlungsausschuß in einer neuen Fassung vorgelegt. Die Aufstellung eines Abschußplanes für das sogenannte Schalenwild mit Ausnahme von Schwarzwild ist im Interesse der tatsächlichen Durchführung des Abschußplanes geboten. Der Abschußplan muß von der Jagdbehörde im Einvernehmen mit einem Jagdbeirat genehmigt werden. Zur Wahrung der Interessen der Landeskultur ist vorgesehen, daß in gemeinschaftlichen Jagdbezirken der Abschußplan vom Jagdausübungsberechtigten im Einvernehmen mit dem örtlichen Jagdvorstand aufgestellt werden muß. Damit haben die Grundbesitzer bei verpachteten Gemeindejagden das Recht, ihre besonderen Interessen bei der Aufstellung des Abschußplanes zu wahren. Es entspricht der Logik des
({0})
) Gesetzes, daß das Bundes-Jagdgesetz den Ländern das ausdrückliche Recht einräumt, Bestimmungen zu treffen, nach denen die Erfüllung des Abschußplanes für das sogenannte Schalenwild erzwungen werden kann.
§ 37, der die Bildung von Jagdbeiräten vorsieht, wird Ihnen in einer Fassung vorgelegt, die nach Meinung des Vermittlungsausschusses den Zwecken des Bundes-Jagdgesetzes dient und zugleich den Ländern die Möglichkeit läßt, aus den örtlichen Gegebenheiten heraus den Jagdbeirat durch Hinzuziehung von sachverständigen Jagdbeiratsmitgliedern zu erweitern. Das besondere Anliegen des Bundestages war es, durch Gesetz festzulegen, daß Vertreter der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, der Jagdgenossenschaft und last not least auch der Jäger dem Beirat angehören müssen. Diese Vorschrift ist in dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses enthalten.
Die anderen Änderungsvorschläge bedürfen keiner besonderen Begründung, weil diese Dinge zum Teil in diesem Hause im ersten Vermittlungsverfahren erörtert wurden und weil es sich um verhältnismäßig geringfügige, mehr redaktionelle Änderungen handelt. Ich darf dazu auf die Vorschläge in Drucksache Nr. 3794 verweisen.
Zur Abstimmung über den Vermittlungsvorschlag darf ich darauf hinweisen, daß der Vermittlungsausschuß gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen hat, von einer Bestimmung über eine gemeinsame Abstimmung über einzelne Vorschläge abzusehen. Der Vermittlungsausschuß wollte damit die Möglichkeit eröffnen, daß das Hohe Haus, wenn der Wunsch hierzu bestehen sollte, Einzelabstimmungen über verschiedene Punkte des Vermittlungsvorschlages vornehmen könnte. Als allgemeine Meinung des Vermittlungsausschusses möchte ich in Vorschlag bringen, nur über Punkt 1 des Vermittlungsvorschlages, der den § 7 zum Gegenstand hat, besonders abzustimmen, im übrigen aber, wenn dagegen keine Bedenken erhoben werden, über die Punkte 2 bis 17 gemeinsam abzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wünscht jemand, Erklärungen abzugeben? - Das ist nicht der Fall; ein hoffnungsvolles Zeichen.
Ich komme zur Abstimmung über die Drucksache Nr. 3794. Ich unterstelle, daß Sie entsprechend dem Vorschlag des Herrn Berichterstatters damit einverstanden sind, daß wir über Ziffer 1 gesondert und über die Ziffern 2 bis 17 gemeinsam abstimmen. - Auch damit sind Sie einverstanden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zu Ziffer 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Diese Ziffer ist gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe die Ziffern 2 bis 17 auf und bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Auch diese Ziffern sind gegen wenige Stimmen angenommen.
Entsprechend der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses kommen wir zur Schlußabstimmung über den gesamten Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 3794. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen ist der Antrag des Vermittlungsausschusses angenommen.
Wir hatten vorgesehen, den Tagesordnungspunkt 3 zurückzustellen.
Meine Damen und Herren, ich hatte vorgeschlagen, jetzt zunächst den Tagesordnungspunkt 13 zu erledigen:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen vom 29r. April 1952 betreffend Entlastung der Bundesregierung wegen der Haushaltsrechnungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes für die Rechnungsjahre 1947, 1948 und das Rechnungsjahr 1949 ({1}) auf Grund der Bemerkungen des Bundesrechnungshofs und über den Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofs vom 23. Juni 1952 betreffend Rechnung des Rechnungshofs im Vereinigten Wirtschaftsgebiet für das Rechnungsjahr 1948 und für das Rechnungsjahr 1949 ({2}) - Einzelplan XIII - ({3}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Blank ({4}). Darf ich bitten!
Dr. Blank ({5}) ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner 209. Sitzung hat der Deutsche Bundestag die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs und die Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs zu den Haushaltsrechnungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets für die Rechnungsjahre 1947, 1948 und das Rumpfrechnungsjahr 1949 dem Haushaltsausschuß und damit dem Rechnungsunterausschuß zur Stellungnahme überwiesen. Desgleichen wurde mit Datum vom 9. Juli das Schreiben des Bundesrechnungshofs vom 23. Juni 1952
({7}) betreffend Rechnung über den Haushalt des Rechnungshofs im Vereinigten Wirtschaftsgebiet für das Rechnungsjahr 1948 dem Haushaltsausschuß zugeleitet.
Schon in der 180. Sitzung des Deutschen Bundestags hatte ich Gelegenheit, zur Frage der rechnungsmäßigen Überprüfung des Haushalts Stellung zu nehmen. Anlaß war seinerzeit die nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben auf Grund der Haushaltsrechnungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets für die Rechnungsjahre 1947, 1948 und für die Zeit vom 1. April bis 20. September 1949, d. h. also für die Zeit, bevor der Bund ins Leben trat. Die seinerzeitige Beschlußfassung zur Genehmigung der über- und außerplanmäßigen .Ausgaben war eine Maßnahme, die sich auf die Bestimmungen der Reichshaushaltsordnung gründete. Ich hatte seinerzeit schon darauf hingewiesen, daß die in § 83 vorgesehene Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben ein vorbereitender Akt für die nach § 108 der Reichshaushaltsordnung auszusprechende Entlastung. ist. Damals nahm ich Gelegenheit, dem Hohen Hause die Bedeutung dieser Entlastung darzulegen. Hatte der Deutsche Bundestag in seiner 180. Sitzung bei der nachträglichen Bewilligung der über- und außerplanmäßigen Aus({8})
gaben für die genannten Haushalte also eine Vorbereitung für die noch auszusprechende Entlastung vorgenommen, so ist es nunmehr notwendig, diesem vorbereitenden Akt die tatsächliche Entlastung folgen zu lassen.
Die Grundlagen für die Beratungen im Rechnungsunterausschuß waren, wie bereits erwähnt, die Drucksachen Nrn. 3341 und 3561. Der Rechnungsunterausschuß hat sich mit diesen Drucksachen in mehreren Sitzungen beschäftigt. Er hatte keine Veranlassung, Beanstandungen zu erheben. Der dem Hohen Hause vorliegende Mündliche Bericht ist das Ergebnis der Beratungen des Rechnungsunterausschusses.
Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß es sich empfiehlt, die Denkschrift des Präsidenten des Bundesrechnungshofs zu den Haushaltsrechnungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets für die Rechnungsjahre 1947, 1948 und 1949 einmal anzusehen, da in dieser Denkschrift bei einer Reihe von Fragen Feststellungen getroffen sind, die auch für die kommenden Rechnungsjahre von Bedeutung sein werden. Man denke nur an die Frage der finanziellen Hilfe für Berlin. Besonders interessant sind - darauf möchte ich aufmerksam machen - die in der Drucksache Nr. 3341 auf Seite 88 dargestellten finanziellen Auswirkungen der Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs.
Der Rechnungsunterausschuß hat im einzelnen die Bemerkungen des Bundesrechnungshofs geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dem Hohen Hause zu empfehlen, die Entlastung für die genannten Jahre auszusprechen bis auf die vom Rechnungshof in der Drucksache Nr. 3341 auf Seite 16 gemachten Vorbehalte. Hier handelt es sich einmal um Ausgaben, über die für einen längeren Zeitraum als ein Rechnungsjahr durch Titelbücher oder durch Bau- und sonstige besondere Rechnungen Rechnung zu legen ist, und zum anderen um Mittel für die Rechnungsjahre 1947, 1948 und das Rumpfjahr 1949, die außerhalb der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets stehenden Stellen zur Erfüllung bestimmter Zwecke zur Verfügung gestellt worden waren und deren bestimmungsmäßige Verwendung der Rechnungshof noch zu prüfen hat. Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, daß sich diese Vorbehalte nach materiellem Umfang und summenmäßig nur auf relativ ganz kleine Beträge beziehen. Die Frage ist in § 64 a 'der Reichshaushaltsordnung geregelt. Der Bundesrechnungshof wird in seinen kommenden Denkschriften zu diesen jetzt noch vorbehaltenen Punkten Stellung nehmen müssen.
Nun noch einige kurze Worte zu dem Entlastungsakt selbst. Man wird sich vielleicht fragen, wie denn der Deutsche Bundestag dazu kommt, sich mit Haushaltsrechnungen zu befassen, mit denen er nichts zu tun hat. Denn in dem mehrfach genannten Zeitraum von 1947 bis 1949, in der die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets die Regierung war und den Haushalt zu führen hatte, bestand der Bund noch gar nicht. Grundlage dieses Verfahrens ist zunächst der Art. 133 des Grundgesetzes. Hiernach sind nach der Auflösung der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets die Aufgaben der Organe dieser Verwaltung auf die entsprechenden Organe des Bundes übergegangen. Der Bundestag hat daher über die Entlastung an Stelle des damaligen Wirtschaftsrats zu beschließen und sie gegenüber der Bundesregierung auszusprechen, die ihrerseits in die Rechte und Pflichten des Verwaltungsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets eingetreten ist.
Im Vereinigten Wirtschaftsgebiet wurde das Haushaltsrecht des ehemaligen Deutschen Reichs als Grundlage der Wirtschaftsführung angewendet. Dies geschah auf Grund eines Beschlusses des Wirtschaftsrats vom 5. September 1947. Mit der Reichshaushaltsordnung als Grundlage für die Haushaltsgebarung und die Wirtschaftsführung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets wurde auch der § 108 der Reichshaushaltsordnung angewandt, der vorschreibt, daß die gesetzgebende Körperschaft die Regierung - das war seinerzeit der Verwaltungsrat - wegen der Haushaltsrechnung zu entlasten hat. Der Wirtschaftsrat setzte sich ja bekanntlich seinerzeit aus Mitgliedern der Parlamente der Länder zusammen. Er war nicht Parlament im eigentlichen Sinne, aber er hatte doch über die Entlastung für die Haushaltsrechnungen der bereits genannten Jahre zu entscheiden. In der Begründung vom 10. August 1948 zum Gesetz über die Errichtung des Rechnungshofs für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet ist hierzu angeführt: „Diese Prüfungen" - nämlich die Prüfungen des zu errichtenden Rechnungshofs im Vereinigten Wirtschaftsgebiet - „bilden die unerläßliche Grundlage für die vom Wirtschaftsrat zu erlassende Entscheidung, dem Verwaltungsrat nach Vorlage der Haushaltsrechnung Entlastung zu erteilen". Es ist nicht mehr zu diesem Akt durch den Wirtschaftsrat gekommen, da zum Zeitpunkt der Auflösung des Wirtschaftsrats die in Betracht kommenden Haushaltsrechnungen noch nicht vorlagen. Somit ist es Aufgabe des Bundes, dies nachzuholen.
Man kann natürlich die Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets nicht mehr zur Verantwortung ziehen. Aber trotzdem hat die Entlastung mehr als bloß formale Bedeutung. Sie ist nämlich im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle der abschließende Akt im Kreislauf von Haushaltsplanung, Haushaltsführung, Rechnungslegung, Rechnungsprüfung und schließlich Entlastung. Der Rechnungshof hat die Rechnungen geprüft und sie in Ordnung befunden. Auch der Rechnungsunterausschuß hat Beanstandungen nicht zu erheben.
Über diesen formalen Akt hinaus ist die Entlastung aber auch wichtig für die Öffentlichkeit. Denn der Steuerzahler kann erwarten, daß er über die Verwendung der öffentlichen Gelder unterrichtet wird, die zur Deckung des Bedarfs der öffentlichen Verwaltung aufgebracht werden. Der Steuerzahler hat also Anspruch darauf, zu erfahren, ob diese öffentlichen Mittel sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig verwaltet worden sind. Die kommenden Rechnungen, die dann Rechnungen der Bundesregierung selbst sein werden, werden naturgemäß mehr Interesse als diese' Vorlage finden. Es, bleibt aber zu beachten, daß mit dieser Beschlußfassung über die genannten Rechnungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets erstmalig nach vielen Jahren wieder zum Ausdruck kommt, daß das Parlament darüber wacht, wie öffentliche Gelder, die es bewilligt hat, verwendet worden sind.
Ich darf das Hohe Haus bitten, dem mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 3781 zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter, daß er sich dieser offenbar nicht sehr populären Aufgabe unterzogen hat.
({0})
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3781. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann rufe ich Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Art. 107 des Grundgesetzes ({1}).
Soll der Entwurf begründet werden? - Der Herr Bundesminister der Finanzen!
Der Ältestenrat schlägt Ihnen im übrigen Verzicht auf eine Aussprache in der ersten Beratung vor.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses doch auf diesen Gesetzentwurf richten, weil er eine viel größere und entscheidendere Bedeutung hat, als dem einfachen Wortlaut zu entnehmen ist. Der Gesetzentwurf selber schlägt an sich nur vor, ein Datum zu verändern, also die in Art. 107 des Grundgesetzes gegebene Möglichkeit, ohne verfassungsändernde Gesetzgebung in Übereinstimmung zwischen Bund und Ländern eine Neuordnung der Finanzverhältnisse in der Bundesrepublik im Verhältnis zwischen Bund und Ländern - und ich darf dazu sagen: zwischen Bund, Ländern und Gemeinden - vorzunehmen, für einen weiteren Zeitraum I einzuräumen.
Es handelt sich dabei um eine Frage, die für das deutsche Verfassungsleben entscheidend sein kann. Ich möchte deshalb heute dazu sprechen, damit der derzeitigen Bundesregierung später nicht der Vorwurf gemacht werden kann, sie habe einen Zeitpunkt - und vielleicht sogar einen geschichtlichen Zeitpunkt - zur Vermeidung von großen Verfassungskonflikten in Deutschland versäumt. Wird die Fristverlängerung nicht gesetzt und wird die verfassungändernde Mehrheit für die Fristverlängerung nicht gewonnen - sei es im Bundestag oder im Bundesrat -, dann werden die Verhältnisse, die wir heute im Grundgesetz haben, erstarren. Ich bin der Überzeugung, daß die Entwicklung des Lebens sich gegen die Erstarrung dieser Verhältnisse wenden wird. Dann gibt es, um ein Bild zu gebrauchen, wie bei einem jungen Baum, dem ich einen Ring umlege, nur zwei Möglichkeiten: entweder der Baum stirbt ab oder der Ring wird gesprengt.
Infolgedessen möchte ich doch das Hohe Haus bitten, diesen Gesetzentwurf in seiner vielleicht geschichtlichen Bedeutung zu würdigen. Der Bundesgesetzgeber hat, als er das Grundgesetz schuf, ganz genau gewußt, daß die Regelung, die er für die finanzpolitischen Verhältnisse vorschrieb, lediglich ein Versuch war. Er hat deshalb mit Art. 107 des Grundgesetzes eine Bewährungszeit gesetzt, und er hat geglaubt, daß innerhalb dieser Bewährungszeit die Erkenntnis darüber, was dem Gesamtwohl wirklich nützlich oder schädlich ist, so weit gewonnen werden könne, daß bei dem Zusammenarbeiten zwischen all den Gebietskörperschaften des deutschen Volkes, das er voraussetzte, der neue Weg beschritten werden könne.
Die Überzeugung, daß das Grundgesetz in der jetzigen Form reformbedürftig ist, ist in Bund und Ländern gemeinsam vorhanden - bei den Finanzministern von Bund und Ländern ganz bestimmt - und sollte der deutschen Öffentlichkeit gerade aus dem Kampfe der letzten Jahre um den Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zum deutlichen Bewußtsein gekommen sein.
Der Gesetzentwurf hat nicht nur staatspolitisch wichtige Ziele. Er setzt sich in erster Linie zum Ziele, auf der Grundlage einer sachgemäßen, dem föderativen 'Verfassungsprinzip entsprechenden Aufgaben- und Lastenverteilung die Finanzverantwortung von Bund und Ländern gegenseitig abzugrenzen. Um ein Beispiel zu erwähnen: auf den deutschen Ländern liegt der Block der Ausgleichsforderungen im Gesamtbetrage von 16 Milliarden DM. Diese Ausgleichsforderungen hat - ich möchte sagen - der „Zufall" des Kriegsendes auf die einzelnen Länder verteilt. Es wird notwendig sein, diese Last gleichmäßig auf das ganze 'deutsche Bundesvolk zu verteilen. Das wird aber nur im Zusammenhang mit der Verteilung der Finanzverantwortung an sich möglich sein und wird nicht mehr möglich sein, wenn diese Neuverteilung praktisch dadurch ausgeschlossen wird, daß für jede Neuregelung ein verfassungänderndes Gesetz erforderlich wird. Es ist dann notwendig, daß eine Verteilung auf die einzelnen Länder nach dem Verhältnis der finanziellen Lasten erfolgt. Wir haben ja in Deutschland den Zustand, daß gerade die steuerschwachen Länder mit Besatzungslasten einerseits und mit sozialen Lasten andererseits besonders schwer überbürdet sind und daß die Lasten, die der Bund als solcher dem Auslande gegenüber übernehmen muß, und die sozialen Lasten, die er trägt, heute schon seine Gesamtsteuereinnahmen übersteigen und ohne Mithilfe anderer Faktoren des deutschen Volkes auf die Dauer nicht getragen werden können.
Diese Verhältnisse zu regeln und die Neuverteilung nach der quantitativen Seite hin vorzunehmen, ist das eine Ziel; die Verhältnisse nach der Art der Steuerquellen zu regeln und die Steuerquellen, die ihrer ganzen Natur nach in der Auswirkung der räumlichen Belastung von wirtschaftlicher und finanzieller Bedeutung sind - wir haben im Grundgesetz eine Ausnahme wegen der Biersteuer, und Sie wissen, was ich da meine -, neu zu verteilen, wäre das zweite Ziel. Das dritte Ziel wäre die Verteilung der Steuerverwaltungshoheit unter dem Gesichtspunkt, daß die gesamten deutschen Finanzen auf die Dauer dadurch bedroht sind, daß der eine Teil zwar Milliardenzahlungen zu leisten hat, aber die Verwaltung dieser Zahlungen selbst überhaupt nicht beeinflussen kann und daß infolgedessen die Möglichkeit, die Finanzverantwortung in den Dienst der zweckmäßigen und sparsamen Verwendung von Milliardengeldern zu stellen, heute nicht besteht.
Als weitere Aufgabe haben wir die Steuerverteilung dann so zu gestalten, daß ein Ausgleich zwischen finanzschwachen und finanzstarken Ländern herbeigeführt wird -, das, was wir bisher den horizontalen Finanzausgleich geheißen haben. Und endlich hätten wir die Aufgabe, die gemeindliche Finanzstruktur zu verbessern, d. h., den Gemeinden eine höhere Verantwortung auf finanziellem Gebiet zu geben, um ihnen damit natürlich auch den Zwang aufzuerlegen, die Gelder zweckmäßig zu verwenden und selber die Verantwortung vor den Steuerzahlern aller Schichten in den Gemeinden zu tragen.
({0})
Das Wesentliche an diesem Gesetzentwurf ist aber seine Verbindung mit den Plänen der Steuerreform und mit den Plänen einer Besoldungsreform. Meine Damen und Herren, seit Oktober 1951 hat das Bundesfinanzministerium bereits Verhandlungen mit den Ländern begonnen mit dem Ziel, eine gemeinsame Finanzreform innerhalb der Frist, die Art. 107 'des Grundgesetzes vorgesehen hat, und eine gemeinsame Besoldungsreform vorzubereiten.
({1})
Ich brauche vor der deutschen Öffentlichkeit nicht zu betonen, daß wir nie zu einem Ziele kommen werden, wenn alle diese Dinge den Zufallsanträgen von Verbänden, Parteien oder einzelnen Abgeordneten überlassen werden.
({2})
Es ist ganz unmöglich, die Finanzreform von der Steuerreform zu trennen. Es ist unmöglich, die Steuerreform von der Finanzreform zu trennen.
({3})
Die Finanzreform muß sich in allen Möglichkeiten, in der wirtschaftlichen Tragbarkeit der Lasten, in der Verwendung des Geldes nun einmal nach den Verhältnissen richten, wie sie finanzpolitisch durch das Grundgesetz vorgezeichnet sind. Eine Steuerreform andererseits ist nicht nur die Voraussetzung dafür, 'die Finanzreform durchführen zu können, sondern die Finanzreform muß gerade dem Ziele 'dienen, eine Steuerreform in Deutschland erreichen zu können, die die Lasten gleichmäßig auf alle verteilt. Es könnte sonst der Zustand eintreten, den ich 'kommen sehe, daß der eine, den alle als ihren 'Garanten und Sicherheitsträger betrachten, nur angezapft von allen Seiten, am Schluß eine leere Kasse hat, während die gesamten Sondervermögen und die gesamten Kassen der einzelnen Gebietskörperschaften wohlgefüllt dastehen. Dann wäre die Hauptquelle zum Versiegen ,gebracht und der Hauptträger von seinen Kindern zu Tode gemordet.
Ich muß also sagen, daß nichts vielleicht so dringend sein könnte wie eine planmäßige Übereinstimmung von Steuerreform, Finanzreform und, wenn ich das Wort dazunehme, Besoldungsreform; in idem Sinne: wer eine Belastung des Haushalts und eine Belastung des Steuerzahlers vorschlagen will, der muß sich gleichzeitig bewußt sein, ob der Steuerzahler in der Lage ist, diese Lasten zu tragen. Eine 'Steuerreform kann ohne Rücksicht auf die Notwendigkeiten des Finanzbedarfs - also eine Besoldungsreform nur als Beispiel genannt - nicht gemacht werden. Eine Besoldungsreform 'kann ohne Rücksichtnahme auf eine Finanz- und Steuerreform ebensowenig gemacht werden. Nur 'wenn sie im Zusammenhang gestaltet werden, ist es möglich, ein Dauerwerk zu schaffen.
Meine Damen und Herren! Dies beweist zwar, daß das Bundesfinanzministerium mit den Länderfinanzministern und 'den Ländern über 'diese Probleme in Erkenntnis ides inneren untrennbaren Zusammenhanges seit dem Oktober 1951 verhandelt. Aber sie sind auch zu der 'Erkenntnis gekommen, daß es leider nicht möglich ist, den Termin vom 31. Dezember 1952 einzuhalten; erstens, weil der Finanzbedarf in Bund und Ländern leider noch nicht die Stetigkeit erreicht hat, die die Voraussetzung für eine Steuer- und Finanzreform sein muß, wenn diese Steuer- und Finanzreform von Dauer sein soll. Ich werde vielleicht 'Gelegenheit
haben, einmal eine Zusammenstellung nur der
schwebenden Anregungen und der schwebenden Anträge dieses Hauses selbst wiederzugeben, und Sie werden sehen, daß die Voraussetzung eines stetigen Finanzbedarfs schon in diesem Hause nicht gegeben ist. In dieser Erkenntnis haben auch die Länderfinanzminister erklärt, obwohl der Gesetzentwurf für die Finanzreform im Hause des Bundesfinanzministeriums längst ausgearbeitet ist und obwohl über die Grundzüge dieses Gesetzentwurfes mit den Länderfinanzministern schon Besprechungen stattgefunden und, ich glaube, die Grundsätze im großen und ganzen Billigung gefunden haben, daß angesichts des unübersehbaren Finanzbedarfs und angesichts der Unruhe, die auf diesem ,Gebiet täglich und stündlich immer wieder neu entsteht, leider Gottes die Pläne der Steuer- und Finanzreform nicht innerhalb der Frist durchgeführt werden können. In dieser Erkenntnis haben sich am 18. Juli die gesamten Länderfinanzminister mit dem Bundesfinanzminister dahin geeinigt, daß eine Fristverlängerung erbeten werden muß, um nicht die Chance, die in der Fassung des Art. 107 gegeben ist, dauernd zu versperren.
Meine Damen und Herren, ich 'bin 'der Überzeugung, daß, wenn die Fristverlängerung nicht zustande kommt und wenn infolgedessen jede Änderung der finanzpolitischen Struktur' nur mit verfassungändernden Gesetzen erfolgen kann, sie nach allen politischen Erfahrungen überhaupt nicht mehr möglich ist. Ich würde das deswegen bedauern, weil dann die kommende 'Gesetzgebung mit der heutigen finanzpolitischen Verteilung als Dauer rechnen müßte und weil ich dann all die Ziele, die mit idem Namen Steuerreform umschrieben sind, die in der Ausgabenseite mit dem Namen Besoldungsreform überschrieben sind, sehr erschwert sehen würde und weil ich glaube, daß sich die Entwicklung der Nation in diesen starren Rahmen ohne Gefährdung des Lebens der Nation nicht pressen läßt.
({4})
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zur ersten Beratung zu verzichten. Herr Abgeordneter Schoettle wünscht, eine kurze Erklärung abzugeben. Ich darf annehmen, daß Sie damit einverstanden sind.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint, daß der Herr Bundesfinanzminister nicht über die Absprache im Ältestenrat unterrichtet worden ist. Die Erklärung, die er soeben hier abgegeben hat, würde an sich eine Debatte notwendig machen.
({0})
Denn man kann das Haus - ich nehme an, die Fraktionen sind von dem unterrichtet worden, was der Ältestenrat besprochen hat - nicht einfach mit einer Erklärung überfahren, die doch sehr tief in die grundsätzliche Bedeutung dieses Entwurfs hineingreift. Ich möchte keine Debatte heute. Denn eine Debatte über diesen wichtigen Gegenstand so aus der linken Hand zu führen, wäre angesichts des Themas einfach nicht zu verantworten.
Aber ich möchte hier in aller Öffentlichkeit darum bitten, daß sich in Zukunft doch die Herren Bundesminister möglichst überlegen, ob sie durch ihre Intervention in diesem Haus nicht eine Situation schaffen, die dann eine unzweckmäßige Debatte provoziert.
({1})
({2})
Ich werde mich also durchaus an die Abmachungen im Ältestenrat halten, aber ich möchte im Namen meiner Fraktion ganz offen sagen: wir werden in Zukunft solche Abmachungen unter dem Gesichtspunkt betrachten, ob denk eine Garantie gegeben ist, daß nicht nachträglich die Beschlüsse des Ältestenrats einfach mit einer Handbewegung beiseite geschoben werden.
({3})
Wobei, Herr Abgeordneter Schoettle, wir uns- darüber einig sind, daß die Regierung natürlich nach der Geschäftsordnung zu jeder Zeit das Recht hat, zu sprechen.
({0})
Ich glaube, meine Damen und Herren, wir wünschen keine weitere Debatte im Augenblick darüber. Ich darf Ihnen vorschlagen, diesen Gesetzentwurf, den der Herr Bundesfinanzminister begründet hat, dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen - ist noch ein weiterer Ausschuß erwünscht? - zu überweisen. - Keinem weiteren Ausschuß; nur dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Ich darf unterstellen, daß die Überweisung erfolgt ist.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Abgaben auf Mineralöl ({1}).
Darf ich fragen, ob die Regierung in diesem Falle auf die gedruckte Begründung verweist? - Das ist der Fall.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auch hier auf eine Aussprache zu verzichten und den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Ist auch die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik erforderlich?
({2})
- Diese wird gewünscht. Das Haus ist damit einverstanden.
({3})
- Federführend ist der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen. Die Überweisung ist erfolgt. Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes 'über die Erhebung der Vermögensteuer im Verhältnis zwischen dem Bundesgebiet und Berlin ({4}) für die Kalenderjahre 1949 bis 1951 ({5});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({6}) ({7}).
({8})
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch hier vor, auf eine allgemeine Aussprache in der dritten Beratung zu verzichten.
Berichterstatter für die Drucksache Nr. 3768 ({9}) ist Herr Dr. Königswarter. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Königswarter ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf wurde dem Finanzausschuß in der 228. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 10. September 1952 zur Beratung überwiesen. Er wurde von ihm in seiner 151. Sitzung am 9. Oktober 1952 und nochmals in seiner 158. Sitzung am 28. Oktober 1952 behandelt. Die Vorlage will über die Heranziehung zur Vermögensteuer in Fällen Klarheit schaffen, in denen Vermögensgegenstände sowohl in Berlin ({11}) als auch im übrigen Gebiet unserer Finanzhoheit liegen. Es handelt sich also nicht um eine Verteilung aes Aufkommens der Vermögensteuer zwischen dem Bund und Berlin; vielmehr soll nur die Rechtsgrundlage für eine bereits geübte Verwaltungspraxis geschaffen werden. Der Gesetzentwurf wurde wegen der differierenden Veranlagungszeit in beiden Gebieten, die eine verschiedene Rechtslage ergab, und auf Grund der Bestimmungen des Lastenausgleichsgesetzes notwendig.
Der Finanzausschuß sieht keine Veranlassung zu materiellen Änderungen. Es war aber eine Bezeichnung der beiden Gebietsteile zu finden, die entgegen dem Entwurf ihre staatsrechtliche Stellung zu-. einander korrekt ausdrückt. Der Ausschuß hat sich nach Abstimmung mit dem Justizministerium und mit der Vertretung Berlins darauf geeinigt, „Berlin ({12})" und den „übrigen Geltungsbereich dieses Gesetzes" gegenüberzustellen. Daraus ergeben sich die Ihnen vorgelegten Änderungen in der Drucksache Nr. 3768 ({13}) sowohl in der Überschrift als auch durchgehend durch den ganzen Text des Gesetzes.
Ferner wurde es auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes notwendig, einen § 14 a einzufügen, da für 1953 mit einer Vermögensteuerveranlagung gerechnet werden muß.
Die Berlin-Klausel wurde in § 15 dem Vorschlag des Bundesrats entsprechend neu formuliert.
Der Finanzausschuß schlägt vor, den Gesetzentwurf in der von ihm abgeänderten Form anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, falls Sie im einzelnen das Wort wünschen, bitte ich um Wortmeldungen. Ich rufe für die Einzelbesprechung der zweiten Beratung die §§ 1 bis 16, Einleitung und Überschrift auf. - Das Wort wird nicht gewünscht; ich schließe die Einzelbesprechung der zweiten Beratung.
Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; das ist angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Eine allgemeine Besprechung soll nicht stattfinden. Änderungsanträge sind nicht gestellt.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz betreffend die Aufteilung der Vermögensteuer zwischen Berlin ({0}) und dem übrigen Geltungsbereich dieses Gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz insgesamt in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen in der Schlußabstimmung angenommen.
Den Punkt 7 - die Gesetzentwürfe betreffend Kapitalverkehr usw. - bitte ich wegen der Besprechungen, die offenbar heute mittag in der Mittagspause stattfinden sollen, zurückzustellen.
({1})
Ich rufe den Punkt 8 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes ({2});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({3}) ({4}).
({5})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Neuburger.
({6})
- Herr Abgeordneter Neuburger schlägt vor, im Zusammenhang mit der Zurückstellung des Punktes 7 auch dieses Gesetz zurückzustellen. - Darüber scheint noch nicht volle Einmütigkeit zu bestehen. Meine Damen und Herren, überlassen wir es der weiteren Klärung durch die Mitglieder des Finanz- und Steuerausschusses.
Gilt dasselbe für Punkt 9, Herr Abgeordneter? - Offenbar nicht. Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP/DPB, FU({7}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Einkommensteuergesetzes ({8}).
Es ist eine Begründungszeit von höchstens 10 Minuten vorgesehen. Der Ältestenrat schlägt vor, auf eine Aussprache zu verzichten.
Zur Begründung dieses Gesetzentwurfs meldet sich niemand. Meine Herren vom Finanz- und Steuerausschuß, darf ich fragen: Sie wollen das Gesetz zu Punkt 9 offenbar nicht begründen? - Das scheint nicht der Fall zu sein.
Ich schlage Ihnen vor, dieses Gesetz dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 10:
a) Beratung des Entwurfs einer Zweiten Verordnung über Zollsatzänderungen ({9});
b) Beratung des Entwurfs einer Dritten Verordnung über Zollsatzänderungen ({10});
c) Beratung des Zweiten Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({11}) über den Antrag der Fraktion der SPD und den Änderungsantrag der Fraktion der FU ({12}) betreffend Preise für Butter und Kartoffeln ({13}).
Wünscht die Regierung, die Entwürfe der Verordnungen zu begründen? - Das scheint auch
nicht der Fall zu sein.
Berichterstatter zu Punkt 10 c ist der Abgeordnete Schill. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen. - Herr Abgeordneter Schill ist nicht da. Herr Abgeordneter Dr. Müller ist zweifellos bereit, die Berichterstattung zu übernehmen. - Herr Abgeordneter Dr. Dr. Müller hat das Wort.
Dr. Dr. Müller ({14}) ({15}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD, der eine Aufhebung der Einfuhrzölle für Kartoffeln und Butter verlangt, ist im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und im
Außenhandelsausschuß behandelt worden. Bezüglich der Kartoffelzölle wurde beschlossen, sie bis zum 31. Dezember dieses Jahres zu suspendieren. Bezüglich der Butterzölle gab es lange Verhandlungen, und beide Ausschüsse haben es mit Mehrheit abgelehnt, die Butterzölle in irgendeiner Form zu ändern.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für diesen kurzen Bericht.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die drei Punkte eine Aussprachezeit von höchstens 90 Minuten vor. - Das Haus ist mit dieser Regelung einverstanden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.
Meine Herren und Damen! Es steht im Augenblick nicht nur der Antrag der Sozialdemokratischen Partei auf vorübergehende Aufhebung des Butterzolls zur Debatte, sondern auch eine Vorlage, die aus der Annahme unseres Antrags auf vorübergehende Aufhebung des Kartoffelzolls resultiert. Dazu darf ich bemerken, daß sich die Richtigkeit unseres Antrags durch die Beruhigung des Kartoffelmarkts inzwischen bestätigt hat. Wir bedauern außerordentlich, daß der zweite Teil unseres Antrags, auch den Butterzoll vorübergehend aufzuheben, in den beiden Ausschüssen abgelehnt worden ist. Wir bedauern es deswegen, weil die Preisentwicklung und die Entwicklung der Versorgungslage auf dem Buttermarkt jeden Anlaß dazu gegeben hätte, für möglichst rasche und ausreichende zollfreie Einfuhren von Butter zu sorgen. Die Ablehnung der Aufhebung des Butterzolls in beiden Ausschüssen ist eigentlich eine Art Solidaritätsakt' mit geradezu untragbaren und unnötig hohen Preisen für die Verbraucher bei einem Produkt, das gerade die Kinder, die Alten, die Kranken für ihre Ernährung besonders notwendig brauchen. Es ist aber auch eine Solidarität mit dem sturen Festhalten an Zollsätzen, die in einer ganz anderen Produktions- und Versorgungslage im Bundestag beschlossen worden sind und heute eine Versorgung und Einfuhren nach ökonomischen Gesichtspunkten völlig unmöglich machen.
Gestatten Sie mir, Ihnen über die gegenwärtige Situation auf dem Buttermarkt einiges wenige zu sagen. Seit dem Sommer dieses Jahres haben wir steigende Butterpreise und eine sinkende Butterproduktion. Aus den Fachzeitschriften geht hervor, daß in Deutschland zur Zeit wöchentlich 500 t Butter weniger als im gleichen Zeitraum des vorigen Jahres produziert werden. Nach einer weiteren Veröffentlichung des Ihnen sicher sehr bekannten Herrn Dr. Hasselbach, der die zentrale Markt- und Preisberichtsstelle der deutschen Landwirtschaft vertritt, im Regierungsbulletin vom 17. Oktober betrug der gesamte Butteranfall in den Monaten September 1951 bis April 1952 167 000 t, der Bedarf im gleichen Zeitraume 200 000 t.
Nachdem die Erzeugung in diesem Jahre geringer ist, der Bedarf aber ungefähr der gleiche sein wird, steht also fest , daß in diesem Zeitraum eine Unterversorgung von nahezu 35 000 t vorhanden ist. Was wäre naheliegender, als dieses Versorgungstal durch entsprechende Einfuhren auszugleichen! Einfuhrmöglichkeiten sind genügend gegeben. Das ist auch von den Vertretern des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Außenhandelsausschuß bestätigt worden. Einfuhrmöglichkeiten sind aber nur zu einem
({0})
Preise gegeben, der ungefähr 5 DM pro Kilogramm beträgt. Wenn Sie dazu einen Zoll von 25 % rechnen, wie er heute erhoben wird, dann bedeutet das - wieder nach Zahlen, die die Vertreter des Ernährungsministeriums im Außenhandelsausschuß genannt haben - einen Verbraucherpreis von 7,05 bis 7,67 DM für das Kilo Butter. Diese Tatsache schafft praktisch den heutigen Butterpreis.
Wenn Sie nun bitte daran denken, daß vor der Aufhebung der Höchstpreisverordnung der Abgabepreis für Butter 5,70 DM und der Verbraucherhöchstpreis 6,34 DM betragen hat und daß dieser Preis auf den heutigen Milchpreisen fußt, die Molkereien heute aber einen Abgabepreis von 6,10 bis 6,40 DM verlangen und die Verbraucher einen Butterpreis von 7 DM zahlen müssen, dann geht daraus logischerweise eigentlich hervor, daß eine Rückführung des Butterpreises auf den normalen Stand nur möglich ist, wenn man alle Einfuhrmöglichkeiten ausnützt und wenn diese Einfuhren zollfrei erfolgen.
Nach dem Stande der Devisenausschreibungen haben wir zudem noch unsere handelsvertraglichen Möglichkeiten auf dem Buttermarkt bis jetzt nur zu 30 °/o ausgenützt. Die Zeche dafür zahlt eben immer wieder der Verbraucher.
Außerdem ist festzustellen, daß die Preise für die anderen Milchprodukte - z. B. für Käse, aber auch für Kondensmilch - bereits nachgezogen haben. So gering der Betrag ist, den eine kleine Dose Kondensmilch heute mehr kostet, so schmerzlich ist es doch gerade für die kaufkraftschwache Bevölkerung - ich denke hier wieder an die Kreise der alten Leute -, von Tag zu Tag immer wieder einige Pfennige mehr für Nahrungsmittel ausgeben zu müssen, auf die sie einfach nicht verzichten können.
({1})
Nun heißt es immer wieder, die Aufhebung der Zölle würde praktisch auf Kosten der Landwirtschaft erfolgen. Das ist eine völlig falsche Argumentation. Es ist viel richtiger, wenn man im gegenwärtigen Zeitpunkt einmal den Finger auf die Wunde legt, die durch die Tatsache gekennzeichnet wird, daß zwar die Preise für Milchprodukte in den letzten Monaten laufend gestiegen sind, daß sich aber der Milchauszahlungspreis für den Bauern absolut nicht wesentlich verändert hat.
({2})
Ich habe erst gestern Einblick in eine solche Aufstellung eines Bauern genommen. Aus ihr geht hervor, daß er im Oktober vorigen Jahres bei einem Butterpreis von 6,34 DM einen Milchauszahlungspreis von 26 Pfennig und vom November bis Februar einen Milchauszahlungspreis von 25 Pfennig hatte, während er heute bei einem Butterpreis von 6,80 bis 7 DM und mehr ebenfalls einen Milchauszahlungspreis von 25 Pfennig hat.
Bitte, meine Herren Kollegen, urteilen Sie einmal selbst, wenn Sie sich für den Ausschußbericht erklären, der die vorübergehende Aussetzung des Butterzolls abgelehnt hat, mit wem Sie sich dann eigentlich solidarisch erklären! Etwa mit den Landwirten, die daran nicht das geringste profitieren? Etwa mit dem Verbraucher, der den hohen Butterpreis bezahlen muß? Auch nicht mit dem soliden Handel! Sie erklären sich dann nämlich solidarisch mit den Kreisen, die aus der gegenwärtigen Konjunktur ungerechtfertigte Gewinne ziehen!
({3})
Und darüber, ob Sie das tun wollen, müssen Sie ja urteilen.
Ich möchte behaupten, Sie sind schlecht beraten, wenn Sie diesen Ausschußbericht annehmen. Vielleicht ist Ihnen dann der Dank des Bauernverbandes gewiß, aber ich bin überzeugt: nicht der Dank der Bauern; denn die Bauern sehen auch, was die Butter in den Städten kostet, und sie vermögen durch Vergleiche festzustellen, daß sie für ihre Milch nicht den Betrag bekommen, den der Verbraucher dafür zahlen muß. Sie wissen aber, daß der Verbraucher sie für diesen hohen Butterpreis verantwortlich macht.
Und was ist, wenn sich die Verbraucher infolge der hohen Preise allmählich vom Konsum der Milcherzeugnisse abwenden? Auch dann ist der Leidtragende wieder der Bauer! Ohne Zweifel ist es bis jetzt bei solchen Gelegenheiten - nicht im Parlament, aber außerhalb des Parlaments - der scharmanten Art unseres Herrn Bundesernährungsministers wiederholt gelungen, da und dort die Hausfrauen von der Unvermeidbarkeit der hohen Preise zu überzeugen. Ich bin aber überzeugt, daß die deutschen Hausfrauen dem Bundesernährungsminister einen Butterpreis von 7 DM und mehr nicht verzeihen.
({4})
Noch viel weniger werden sie ihn Ihnen, meine Herren, verzeihen. Sie werden sehr genau kontrollieren, wie sich etwa die Frauen des Deutschen Bundestages in allen Parteien verhalten,
({5})
wenn es um den Butterpreis geht, der für die Ernährung des Volkes so außerordentlich wichtig ist.
({6})
Aber es geht hier j a nicht um die Gunst der Hausfrauen. Es geht um etwas viel Ernsteres. Es geht um die Tatsache, daß man durch diesen Butterpreis gerade die Teile der Bevölkerung, die das leichtverdauliche Butterfett am allernotwendigsten brauchen, nämlich die Alten, die Kranken und die Kinderreichen, vom Butterkonsum praktisch ausschließt. Sie haben bei der Annahme oder Ablehnung dieses Ausschußbeschlusses darüber zu entscheiden, ob Sie eine Rationierung der Butter über den Preis vornehmen wollen oder nicht.
({7})
Denn etwas anderes bedeutet es nicht.
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Ich stehe auf dem Standpunkt, daß die Rationierung über den Geldbeutel die unmoralischste Rationierung ist, die es überhaupt gibt.
({9})
Da ich noch eine geringe Hoffnung habe, daß sich über die Kreise der Ausschußbesetzung hinaus die Mitglieder der Regierungsfraktionen für diese Dinge interessiert haben, erlaube ich mir, die Bitte auszusprechen, Ihre Fraktionsbeschlüsse mit Ihrem Gewissen zu kontrollieren, sie zu revidieren und gegen diesen Ausschußbericht zu stimmen.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst zu den Kartoffeln. Bei den Kartoffeln verhält es sich ganz anders, als Frau Kollegin Strobel hier ausgeführt hat.
({0})
({1})
Die Geschichte bei den Kartoffeln ist ein Musterbeispiel dafür, wie man es in der Öffentlichkeit nicht machen soll,
({2})
wie es insbesondere auch die Presse nicht machen soll. Mit Hiobsbotschaften auf dem Nahrungsmittelgebiet ist immer Unglück verursacht worden,
({3})
und die Rechnung dafür haben die Verbraucher gezahlt, die haben sie auch bei den Kartoffeln bisher mitbezahlt.
Die Lage war nämlich so: Alle vernünftigen Menschen, die sich einigermaßen auf dem Gebiet auskennen, sind in einem sehr vorsichtig, in der Ernteschätzung. Man soll über die Ernte nicht reden, bevor man sie nicht kennt!
({4})
Die Ernte ist unterschiedlich ausgefallen. Wir können sagen - Gott sei Dank! -, daß wir nicht lauter Dürregebiete haben, sondern daß der Ertrag verschieden war. Auch bei uns in Bayern sind die Gebiete nicht einheitlich, sondern verschieden. Wir haben unterschiedliche Ernteerträge, wir haben aber - das möchte ich ausdrücklich betonen - eine ausreichende Speisekartoffelversorgung der verbrauchenden Bevölkerung; die braucht sich darüber gar nicht den Kopf zu zerbrechen.
Hier ist folgendes geschehen: Während sich die Erzeugerpreise normalisieren, bleibt die Handelsspanne noch eine Zeitlang auf der Höhe, bevor sie mit heruntersinkt. Hätte man die Hiobsbotschaften nicht gemacht, dann hätten sich die Dinge von selber auf vernünftige Verhältnisse eingestellt.
({5})
Jetzt ist die Geschichte so: Was jetzt erzählt wird, daß die Aufhebung der Kartoffelzölle die Veränderung auf dem Kartoffelmarkt mit sich gebracht hätte, ist ein Märchen. Diese geringe Einfuhr, um ungefähr 100 000 t herum, die bisher nicht einmal voll ausgeschöpft ist, ist bei einer Kartoffelernte von 23 Millionen t ein Tropfen auf einen heißen Stein; das spielt in der Versorgung der Bevölkerung und in der Preisbildung gar keine Rolle.
({6})
Wenn wir unter dem Druck der damaligen Berichterstattungen nachgegeben und gesagt haben: „Na ja, eine vorübergehende Aufhebung des Kartoffelzolles bis 31. Dezember", so mag man daraus ersehen, daß auch wir unsererseits gewillt waren, auf dem Gebiet das zu tun, was notwendig gewesen ist. Aber ich spreche offen aus: wenn wir es heute noch einmal mit der Lage zu tun hätten, könnte man da andere Gesichtspunkte geltend machen. Aber wir bleiben dabei, wie es der Ausschuß beschlossen hat.
Nun komme ich zur Butterfrage. Frau Kollegin, die Geschichte bei der Butter ist nämlich anders, als Sie sie erzählt haben.
({7})
- Die Butter ist nimmer ranzig; die haben sie rechtzeitig und vorzeitig herausgeschafft, als die Einfuhr- und Vorratsstelle eben Vorräte gebraucht hätte, um den Markt zu manipulieren. Hier war das große Geschrei auf Entlastung der Einfuhr- und Vorratstelle von ihren Vorräten, und wenn die
Einfuhr und Vorratsstelle ohne dieses Geschrei hätte arbeiten können, dann hätte sie nach meiner Überzeugung einen Bestand von 8000 bis 10 000 t ständig zur Verfügung gehabt, um hier den Markt entsprechend zu manipulieren.
Was ist bei der Butter passiert? Was Sie erzählen, das ist nicht richtig. Sie dürfen nicht von dem ausgehen, was an Preiseinbrüchen durch die Dürre geschehen ist; denn hier sind j a die Preise zuungunsten der Landwirtschaft auf 4,80 DM, auf 4,95 DM abgesunken, während der von der Regierung erstrebte Höchstpreis und damit Festpreis 5,70 DM je kg ab Molkerei gewesen ist. Hier erfolgte der Preiseinbruch durch die Dürrekatastrophe, und auch das hatte zwei Gesichter. Einmal ging die Milchanlieferung wegen der mangelnden Grünfütterung zurück, andererseits stieg bei der starken Hitze der Milchverbrauch der Bevölkerung. Die Bevölkerung hat nach Getränken jeder Art gesucht, nach alkoholischen und nichtalkoholischen; die Milch war auch dabei. Der Milchkonsum ist außerordentlich gestiegen. Das größte Glück haben die Brauer bei der ganzen Geschichte gehabt. In Bayern war eine Regierungsstelle - ich will sie jetzt nicht mehr nennen -, zu derselben Zeit, als das Gutachten über die Erhöhung des Bierpreises auch mit der Unterstützung der SPD abgegeben wurde, so „klug", daß sie, ich muß sagen, die Schnapsidee hatte, den Milchpreis zu senken. Das wäre angesichts der erhöhten Bierpreise die richtige Methode gewesen: den Milchpreis zu senken! Man wollte ihn um 2 Pfennig senken. Ich bin dem ganz energisch entgegengetreten und habe gesagt: Das sind Verhältnisse, in denen die Landwirtschaft in ihrem Mark getroffen wird; für den Verbraucher kommt aber nicht viel dabei heraus, denn die Sicherung der Milchversorgung und die Erhaltung des Leistungsstandes der Landwirtschaft ist die erste Voraussetzung.
Wir können uns hier auf die Geschichte in Rhöndorf berufen; diese Rhöndorfer Geschichte ist schon lange her.
({8})
- Aber sie ist immer noch gut und hat ihre Auswirkungen.
({9})
- Sie haben mehr als Geschichte gemacht, Sie haben Geschichtchen gemacht mit Rhöndorf!
({10})
- Seien Sie doch nicht so explosiv!
({11})
- Das ist keine Bauernfängerei!
({12})
Der Herr Bundeskanzler hat damals als die Meinung der Bundesregierung ausgeführt, daß die Erhaltung der Rentabilität der Milchwirtschaft eine Kardinalfrage für die Landwirtschaft darstellt, weil es sich hier um die täglichen Einnahmen in erster Linie des kleinen und mittleren Landwirtes handelt. Diese täglich fließenden Einnahmen bilden das Rückgrat der bäuerlichen Wirtschaft.
Im übrigen, Frau Kollegin Strobel, ist es auch nicht so, daß das Ganze auf den Milchpreis keine Auswirkung gehabt hätte. Gehen Sie doch einmal zu unseren Molkereien und erkundigen Sie sich
({13})
genau. Gehen Sie einmal in den Betrieb nach Nürnberg, wo die Städte Nürnberg und Fürth und auch die Landwirtschaft zur Hälfte beteiligt sind. Es handelt sich dort um einen gemeinnützigen Betrieb. Dort bekommen die Bauern das, was eben auszuzahlen ist. Der Betrieb muß natürlich rationell aufrechterhalten werden. Es stimmt aber auch nicht, daß sich die Milchpreise nicht geändert hätten. Ich habe hier eine Aufstellung über die Auszahlungen je Kilogramm Milch vor mir. Die Auszahlungspreise je Kilogramm Milch im Durchschnitt der bayerischen Molkereien betrugen im Januar 1951 24,50 DM, im Januar 1952 26,80 DM, im August 1951 26,70 DM und im August 1952 27,10 DM. Diese Auszahlungspreise verändern sich je nach der Verwertbarkeit und nach dem Fettgehalt der Milch. Ich habe schon einmal gesagt: die Milchwirtschaft ist eine sehr diffizile Wirtschaft, denn hier müssen die Verhältnisse im einzelnen betrachtet werden. Es wird nicht alles als Frischmilch abgesetzt. Der Milchauszahlungspreis des Landwirts ist von der Verwertungsmöglichkeit der Milch abhängig. Ist die Verwertungsmöglichkeit der Milch besser, dann reguliert sich auch der Milchpreis nach anderen Gesichtspunkten. Sinkt die Verwertungsmöglichkeit herab, dann geht auch der Milchpreis mit herunter.
Nun darf ich Sie darauf hinweisen, daß wir auf dem Buttermarkt keine so anomalen Verhältnisse haben, wie es hier dargestellt wird. Wir haben am 1. Juli 1948 einen Großhandelseinstandspreis - der Preis ab Molkerei - von 452 DM je 100 kg gehabt. Ab 1. Februar 1950 hatten wir dann 520 DM je 100 kg, ab 1. Mai - hier war der berühmte Saisonabschlag - 480 DM je 100 kg, und ab 17. Dezember hatten wir wieder 520 DM je 100 kg. Dann hatten wir infolge der Rhöndorfer Beschlüsse einen Butterpreis von 570 DM je 100 kg. Das ist der errechnete Normalpreis, über den sich damals kein Mensch aufgeregt hat. Wir bewegen uns jetzt wieder auf der Linie zu diesem Normalpreis hin, die Verhältnisse in der Milchwirtschaft beginnen sich wieder zu normalisieren. Genau so, wie es auf dem Kartoffelmarkt geschehen ist, wird es, wenn auch langsamer, auf dem Buttermarkt kommen. Infolge der Dürre im Juli und August sind entsprechende Rückschläge in der Milchanlieferung eingetreten. Im September waren dann wieder gewisse Lagervorräte vorhanden.
Jetzt sage ich Ihnen folgendes. Das ganze Hin- und Herstreiten, ob Zölle oder keine Zölle, ob schlechte Anlieferung oder nicht schlechte Anlieferung, trägt nur dazu bei, gewissen Kreisen die spekulativen Unterlagen zu geben. Es ist noch nicht lange her - einige Wochen, als im Bundestag diese Dinge erörtert wurden -, daß sich beim Absatz eine gewisse Zurückhaltung der Stellen zeigte, die die Butter dem Verbraucher zuführen müssen. Wir selbst hatten in der großen Molkereizentrale in Nürnberg, wo wir doch sicherlich die Ware auch an den Verbraucher verkaufen wollen, plötzlich wieder Vorräte, weil der Großhandel nicht so abnahmefreudig war.
({14})
Wir sind hier durchaus in der Lage, der verbrauchenden Bevölkerung entgegenzukommen. Es waren also spekulative Aufkäufe des Großhandels zu verzeichnen, die jetzt wieder verschwinden. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel darauf, daß sich die Dinge normalisieren werden, wenn der Bundestag eine entsprechende Entscheidung getroffen hat. Dann hören die Bestrebungen nach Zollherabsetzung oder -beseitigung wieder auf.
Auf den internationalen Märkten beginnt sich jetzt auch eine andere Situation anzubahnen, so daß die Einfuhr- und Vorratsstelle in Zukunft auf den ausländischen Märkten wieder erscheinen und sich die notwendigen Vorräte beschaffen kann, um auf dem Markt im Inland entsprechend manipulieren zu können. Diese Dinge werden hier beraten. Unterdessen geht die Wirtschaft bei uns und in der Welt ihre eigenen Wege weiter.
Gegen eines muß ich mich aber wenden, Frau Kollegin. Sie haben nämlich, um zu begründen, wie wenig der Bauer kriegt, in Ihrer Rechnung bei der Butter den Verbraucherpreis und nicht den Preis ab Molkerei genommen. Ich nehme an, daß Sie sich hier vertan haben. Zwischen den beiden Preisen besteht ein wesentlicher Unterschied. Sie haben einen Preis von 680 DM je 100 kg zugrunde gelegt, während der andere Preis zur Zeit 610 bis 615 DM ist. Man muß also schon von dem richtigen Preis ausgehen.
Bei der ganzen Angelegenheit müssen Sie weiterhin bedenken, daß für die Milchrechnung naturgemäß eine ganze Reihe von Faktoren in Frage kommt. Ich will darauf heute nicht eingehen. Sie können einen ganz guten und belehrenden Artikel darüber in der Süddeutschen Zeitung lesen, wie sich der Milchpreis aufbaut. Vom Erzeuger- zum Verbraucherpreis ist es ein ziemlich langer Weg. Wenn ich mir das hier anschaue, muß ich sagen, es erweckt den Anschein, als ob die beteiligten Kreise diese Milchrechnung hier brauchen, um ihrerseits diese ganze Marktlage bewerkstelligen zu können. Ich will mich gar nicht kritisch dazu äußern. Jedenfalls, es ist ein sehr weiter Weg; aber man muß die Dinge so darstellen, wie sie wirklich sind.
Jetzt kommt aber das Wesentliche. Sie stellen es jetzt so dar, als ob die Butter das einzige Fettnahrungsmittel der Bevölkerung wäre. Das ist nicht richtig. Wenn wir das Fettproblem betrachten wollen, müssen wir es in seiner Gesamtheit sehen. Wie sieht es da aus? Wenn ich die gesamten Nahrungsfette gleich 100 setze, so ist der Anteil der Butter daran 26, die Schlachtfette haben einen Anteil von 24, die Margarine von 50. Die Margarinepreise sind von Dezember 1951, als die Spitzenware mit 2,44 je Kilogramm notiert wurde, auf 1,94, die Konsumware von 1,90 auf 1,20 je Kilogramm heruntergegangen. Man muß also bei der Berechnung des Fetthaushalts der Bevölkerung die Gesamtheit sehen und darf nicht einseitig den Buttersektor betrachten, der der kleinere ist. Unser Bestreben geht dahin, den Buttersektor zu erweitern.
({15})
Sie dürfen aber deswegen an der Grundlage der
Milchwirtschaft - und dazu gehört auch der Zoll
- nichts ändern, weil Sie sonst den Willen der Landwirte, in dem Streben nach Höchstleistungen fortzuschreiten, beeinträchtigen.
({16})
- Diese Höchstleistungen wollen wir unter allen Umständen, Herr Kollege Kriedemann. Es ist doch so gewesen - daß muß man der verbrauchenden Bevölkerung auch sagen -, daß wir seinerzeit, als die Rohstoffe der Margarine auf dem Weltmarkt sehr teuer waren, Millionenbeträge aufgewendet haben, um den Preis für Margarine auf 2,44 DM je Kilogramm herunterzusubventionieren.
({17})
({18})
Das waren Beträge, die 180 Millionen DM ausgemacht haben. Also sehen Sie das Problem im Zusammenhang!
Dann kommt etwas zur Zollseite als solcher. Es ist immer das alte Problem: wer trägt den Zoll, wer zahlt den Zoll, wer schiebt die Zolleinnahmen ein? Es ist durchaus nicht der Fall, daß hier der Verbraucher etwas profitiert, sondern es können sich verschiedene Teile daran beteiligen; der, der einführt, und der ausländische Landwirt kann sich daran beteiligen. Meist ist es so, daß nicht viel bei Zollsenkungen herausschaut, sondern daß das irgendwo hängenbleibt.
Aber das Wesentliche ist für mich: wir haben einen Monatsbedarf an Butter von 30 000 t, und bei der Einfuhr, auch wenn man sie aufs äußerste anspannt, werden 2000 t im Monat so ungefähr alles sein. Glauben Sie mir, daß bei einem Verhältnis von 2000 t zu 30 000 t die Gefahr besteht, daß die ganze Zollherabsetzung in die Taschen derer fließt, die sie nicht bekommen sollen, und daß die Verbraucher nichts bekommen! Da ist mir schon lieber, die Einfuhr- und Vorratsstelle manipuliert die ganzen Verhältnisse, damit die Verbraucherschaft, wenn es die Weltlage zuläßt, generell davon profitieren kann.
Das ist die Lage, und wir nehmen sie genau so ernst wie Sie. Wir sehen sie in der Gesamtheit, und im Gesamtdurchschnitt gesehen sind meine Freunde der Meinung, daß eben diese milchwirtschaftliche Frage und die Zollsätze für Butter und Käse zu den Kardinalproblemen der bäuerlichen Landwirtschaft gehören. Man soll an diesen Dingen nichts ändern, weil ja hier der eine Fettsektor nicht allein der ausschlaggebende ist und weil wir bestrebt sein müssen, uns den einen Fettsektor zu erhalten. Was die gesamte Preislage anlangt, so habe ich Ihnen gezeigt, daß der große Fettsektor der Margarine eine gegenüber den früheren Monaten rückläufige Preisentwicklung gehabt hat.
Aus allen diesen Gründen sind wir zu der Überzeugung gekommen, daß an dem Zollsatz für Butter nichts geändert werden darf. Auch das Bundeskabinett hat sich mit diesen Dingen wesentlich beschäftigt, und es hat sich oft mit dieser Frage beschäftigen müssen. Es hat die Dinge nicht in dem Vertragssystem von Torquay ausgehandelt. Mit Rücksicht auf die Erhaltung der bäuerlichen Milchwirtschaft hat sich die Bundesregierung dankenswerterweise vielmehr entschlossen, trotz gewisser Schwierigkeiten an den stipulierten Zollsätzen festzuhalten, die für die Erhaltung der intensiven bäuerlichen Wirtschaft notwendig sind. Ich bitte Sie also dringend, den Antrag der SPD abzulehnen.
Dem Gesetz über die Aussetzung der Kartoffelzölle werden wir zustimmen, weil wir jetzt nichts mehr daran ändern wollen. Aber wir müssen bemerken, daß die Darstellung, die hier von der SPD gegeben worden ist, nicht richtig war. Wir werden bald wieder normale Marktverhältnisse vor uns haben, und dann werden die Dinge sowieso wieder den normalen Gang gehen. Das wünschen wir alle miteinander. So bitte ich Sie dringend, im Interesse der Bevölkerung sowohl wie unserer bäuerlichen Landwirtschaft dieser Zollherabsetzung oder Zollbeseitigung bei Butter nicht zuzustimmen, sondern den Ausschußbeschlüssen Ihre Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Lage auf dem Preisgebiet ist unhaltbar. Es ist eine Tatsache, daß die Preise fortgesetzt steigen. über die Ursachen dürfte es keinen 'Zweifel geben: sie sind hervorgerufen durch die Politik der Bundesregierung, die . im wesentlichen darauf ausgerichtet ist, der großen Industrie zu helfen und nicht der Landwirtschaft. Die Lage ist hervorgerufen durch die Industriepreise, die ,die Landwirtschaft zahlen muß, und vor allen Dingen durch die hohen Monopolpreise und durch die steuerliche Veranlagung für die Landwirtschaft. Diese Politik richtet sich nicht nur gegen den Bauern, sondern auch häufig gegen den Verbraucher.
Wir sind deshalb der Meinung: die Aufhebung der Zölle ist kein Ausweg aus dieser Misere. Wir wünschen eine Politik, die der Landwirtschaft und unserem Verbraucher hilft. Wir sind deshalb der Ansicht: wenn man dieses Problem regulieren will, muß man die Steuern senken und muß gegen die hohen Industriepreise eintreten und vor allen Dingen dafür sorgen, daß die Handelsspannen gesenkt werden; denn das dient dem Bauern und dem Verbraucher.
Frau Abgeordnete Strobel!
Meine Herren und Damen! Wenn die Redner der Koalitionsparteien bei dieser Gelegenheit immer wieder auf die Situation im Frühjahr dieses Jahres, auf die notwendige Auslagerung der von der Einfuhr- und Vorratsstelle über Gebühr eingelagerten Butter hinweisen, dann möchte ich doch einmal darauf aufmerksam machen, daß die Auslagerung damals nicht um der schönen Augen der Opposition willen erfolgt ist, sondern weil diese Butter aus Qualitätsgründen einfach nicht mehr länger in den Kühlhäusern gehalten werden konnte.
({0})
Außerdem steht ebenso fest, daß eine Einlagerung in diesem Jahr in einem größeren Maße nur möglich gewesen wäre, wenn die nötigen Mittel dazu bereitgestellt worden wären und wenn außerdem schon damals durch die Beseitigung des Zolls die Einfuhrmöglichkeiten hätten ausgenützt werden können. Das ist zumindest eine objektive Darstellung 'der damaligen Situation. Doch hat sie mit der heutigen Situation eigentlich nicht das geringste zu tun.
Was die heutige Situation anlangt, Herr Kollege Ho r 1 a c her , so möchte ich Ihnen schon sagen, daß Ihre Ausführungen absolut nicht überzeugend waren. Sie sprachen davon, daß ich an Stelle des Abgabepreises den Verbraucherpreis genannt hätte. Ich habe wohlweislich immer den Abgabepreis dem Verbraucherpreis gegenübergestellt. Auch uns ist bekannt, daß sich der Milchauszahlungspreis nach dem Abgabepreis richten sollte, sich aber nicht gerichtet hat. Wenn Sie davon sprechen, man solle sich mit den Molkereien in Verbindung setzen und sich von ihnen die Situation genau schildern lassen, dann darf ich demgegenüber darauf aufmerksam machen, daß es gerade die Situation bei den Molkereien in Bayern ist, die zum Teil dazu beiträgt, daß die heutigen innerdeutschen hohen Butterpreise gehalten werden. 'Ich habe mir zumindest aus Kreisen des Handels sagen lassen müssen, daß es einfach nicht möglich ist, in Bayern direkt bei einer Molkerei Butter zu einem niedrigeren Preis
({1})
zu beziehen, als ihn die bayerische Absatzzentrale dem außerbayerischen Handel zugestanden hat. Das sind Abgabepreise von 6 DM und mehr, die dann eben einen Verbraucherpreis von 7 DM und mehr zur Folge hatten. Wenn Sie sagen, wir bewegten uns den normalen Verhältnissen entgegen, dann würde daraus hervorgehen, daß es also nach Ihrer Meinung normale Verhältnisse sind, wenn wir einen Butterpreis von 7 DM und mehr für das Kilo haben. Das Urteil darüber, daß Sie das als normal betrachten, überlassen wir 'durchaus den Verbrauchern.
Hinsichtlich der Frage, ob es notwendig und richtig ist, Zölle dann zu ändern, wenn sich die ökonomische Situation geändert hat, Herr Horlacher, darf ich Sie daran erinnern, 'daß Sie meines Wissens auch die Entschließung unterzeichnet haben, die eine Erhebung des Zuckerzolls fordert, weil sich die Situation, vor allen Dingen die Preissituation auf dem Weltmarkt für Zucker geändert hat. Was für Sie in der einen Frage richtig ist, das erscheint Ihnen in der anderen Frage falsch. Ich muß schon sagen, das Verständnis dafür geht mir nicht auf.
Dann noch etwas über das Verhältnis der Zollhöhe zu den angeblichen 2000 Tonnen, die wir im Monat benötigen. Es ist eben leider so, und das kann man auch durch noch so laute Behauptungen nicht ändern,
({2})
daß die Einfuhrmöglichkeiten nicht realisiert werden können, so lange wir einen 25% igen Zoll haben. Es wäre allerdings schon viel gedient, wenn die Möglichkeit bestünde, den Zoll von 25 auf 15% zu ermäßigen. Vielleicht überlegen Sie sich das einmal! Wir können uns ja bei anderer Gelegenheit dann noch darüber unterhalten.
Was die Rhöndorfer Beschlüsse anlangt, so darf ich darauf aufmerksam machen, daß es sich hier um Beschlüsse handelt, die schon damals ausschließlich unter dem Gesichtspunkt eines vor uns stehenden Wahlkampfs gefaßt worden sind, und ich lasse es dahingestellt, ob Sie sich bei den kommenden Entscheidungen ausschließlich der Stimmen der Molkereien und der hinter ihnen stehenden Menschen oder auch der Stimmen der Hausfrauen im Bundesgebiet bedienen wollen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Freudenberg.
Freudenberg ({0}): Meine Damen und Herren! Die Ausführungen der Frau Kollegin Strobel im Ausschuß und auch hier im Plenum haben in vielen Punkten durchaus das Richtige besagt. Ich glaube, wir sind uns alle im Ziele darüber einig, daß es gerade auf dem Gebiete des Butterpreises erstrebenswert 'ist, 'zu einer weitestgehenden Preiskontinuität zu kommen, was eine der vornehmsten Aufgaben der Vorratsstelle und der Einfuhrstellen überhaupt sein soll.
Nun ist nur die Frage, ob der Weg, den Frau Kollegin Strobel schon im Ausschuß sehr eindringlich vorgetragen hat und den sie auch heute hier wieder vertreten hat, richtig 'ist, um dieses Ziel zu erreichen. Und hier gehen unsere Ansichten leider auseinander. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es auf dem Gebiete der Kartoffelwirtschaft, wo wir keine Einfuhrschleuse und keine Vorratsstelle haben, sehr wohl am Platze war, vorübergehend den Zoll aufzuheben. Ich möchte allerdings auch
mit allem Nachdruck unterstreichen, daß die ganze Kartoffelgeschichte vielleicht nicht so schlimm geworden wäre, wenn man über diese Dinge weniger 'diskutiert hätte und wenn nicht aus Gründen, die ich jetzt nicht im einzelnen untersuchen will, immer wieder Marktanalysen gegeben worden wären, und zwar auch von Leuten, die von Marktanalysen furchtbar wenig verstehen.
Nun aber 'zur Frage der Butter! Lassen Sie uns doch, Frau Strobel, versuchen, 'diese Frage von irgendwelchen Übertreibungen nach der einen oder anderen Seite loszulösen! Ich will durchaus versuchen, das, was ich auszuführen habe, nicht mit Lautstärke vorzutragen.
'Gewisse Preisschwankungen lassen sich bei Naturprodukten nicht vermeiden - das hat der Kollege Horlacher im einzelnen schon dargestellt -; sie werden immer notwendig und immer vorhanden sein. Gerade um diesen Preisschwankungen zu 'begegnen, haben 'wir die Vorratsstelle gerade auch 'für die Butter 'eingesetzt. Eine gediegene und gesunde Vorratshaltung scheint uns die Grundlage dafür zu sein, geordnete Verhältnisse auf dem Buttermarkt herbeizuführen. Sind Vorräte genug zur Stelle, dann können wir unter allen Umständen den Preis in der Linie halten, die angezeigt und notwendig ist. Meine Damen und Herren, ich glaube, 'daß man im Frühjahr mit 'der Vorratspolitik auf dem Buttergebiet zu ängstlich gewesen ist,
({1})
und ich möchte die dringende Bitte an das Ernährungsministerium, aber auch an das Finanzministerium richten, daß man daraus für die Zukunft lernt und 'daß man im Frühjahr, wo nicht nur bei uns in Deutschland, sondern auch bei den butterliefernden Ländern die Möglichkeit des 'billigen Butterbezuges gegeben ist, die notwendige Reserveeinlagerung, über deren Höhe wiederum im ganzen Hause keine Meinungsverschiedenheit besteht, nicht an der Bereitstellung von etwa 100 Millionen DM scheitern läßt.
({2})
Das wird eine der Fragen sein, 'die wir 'in den Beratungen, die jetzt grundsätzlich den Arbeitskreis beschäftigen, sehr ernstlich zu prüfen haben werden. Ich will nicht darauf eingehen, sondern nur am Rande berühren, daß man dieses Jahr aus einer Angstlichkeit wegen gewisser angeblich zu großer Bevorratungen 'des Vorjahres nun allzu vorsichtig vorgegangen ist. Auch 'da gilt, was ich vorhin sagte: wenn etwas 'weniger über 'diese Dinge polemisiert 'und etwas mehr sachlich gearbeitet werden würde, 'wäre, glaube ich, manche 'Entscheidung im Frühjahr in der Vorratshaltung anders gefallen.
({3})
Herr Kollege Horlacher hat - und das ist auch in 'den Ausschüssen nicht bestritten worden - betont, daß man im günstigsten Falle jetzt in den vor uns liegenden Monaten vielleicht 1500 bis 2000 Tonnen
({4})
im Monat 'einführen könne. Ich stehe auf dem Standpunkt, 'daß man die Mengen, die sich anbieten, unter allen Umständen hereinnehmen muß; ich stehe aber vor allem auf dem Standpunkt, daß man jegliche Reserve, die man jetzt schon hat - und sie liegt im gesamten 'Bundesgebiet bei etwa 4000 Tonnen -, unter allen Umständen dem Markt zuführen muß. Denn die notwendigen Fettreser({5})
ven brauchen in den nächsten Monaten nicht gerade auf dem Gebiet der Butter, sie 'können sehr wohl auf dem Gebiet der anderen Fettstoffe gehalten werden.
Ich glaube aber, es sollten auch keine Bedenken 'dagegen bestehen, daß man statt der vorübergehenden Zollsenkung - die sehr zweischneidig ist - die Mittel, die für die Zollsenkung etwa bereitgestellt worden wären - es handelt sich bis Ende März um rund 2 Millionen DM -, der Einfuhr- und Vorratsstelle zur Verfügung stellen sollte,
({6})
um etwaige Verteuerungen des Imports um die 50 Pfennig, um die es geht, zu senken.
({7})
Auf diese Weise wäre eher die Gewähr gegeben, daß wir zu einem ruhigen Preis kommen.
Meine Damen und Herren! Es ist in den Ausschüssen auch viel darüber geredet worden, daß diese Maßnahmen und die Zollpolitik gerade auf dem Gebiet der Butter sehr große Rückwirkungen auf unsere allgemeine Handelspolitik haben könnten. Auch da soll man in der Beurteilung sehr zurückhaltend und sachlich bleiben. Nichts würde unsere Handelsbeziehungen mehr stören, als wenn wir in den Monaten, wo infolge mangelnden Angebots verhältnismäßig wenig eingeführt werden könnte, vorübergehend auswichen, um dann gegen Ende März - es war ja auch die Meinung der meisten, daß die Zollsenkung nur vorübergehend sein solle -, in den Monaten, wo Buttereinfuhr und Buttereinlagerung notwendig werden, wieder mit den Zöllen hinaufzugehen. Dieser Zickzack in der Zollpolitik würde zweifellos unsere allgemeine Handelspolitik sehr stören.
({8})
Auf 'der Seite der Industrie sind selbstverständlich viele Stimmen laut geworden, daß man in der Frage der Zollpolitik der Grünen Front, um es so einmal zu sagen, viel zu sehr entgegengekommen sei. Ich möchte die Gelegenheit benutzen, darüber ein offenes Wort zu sagen. Auch bei der Industrie wird es immer wieder Gebiete mit vorübergehenden Marktschwankungen geben, und die Industrie in ihren einzelnen Sparten wird sich lebhaft dagegen wenden, wenn man glaubt, diese einmal gegebenen Marktschwankungen jeweils sofort durch Zollsenkungen abfangen zu müssen.
Das Zollinstrument soll vorsichtig und stet gehandhabtwerden. Ich möchte der Regierung den dringenden Rat geben, gerade in dem Augenblick, wo wir die grundsätzliche Entscheidung zu treffen haben, ob wir durch die Europaverträge den Weg einer weiteren Versinterung Europas beschreiten wollen, die Frage einer allgemeinen Zollsenkung viel ernster vorwärts zu treiben, insbesondere auch auf dem gewerblichen Gebiet, wenn wir wirklich zu einer allgemeinen wirtschaftlichen Gesundung kommen wollen. Nachdem sich die beiden Präsidentschaftskandidaten der USA 'im Sinne der Notwendigkeit von allgemeinen Zollsenkungen ausgesprochen haben, sehe ich für solche Verhandlungen gute Möglichkeiten und möchte die Regierung bitten, sie wahrzunehmen. Ich möchte unterstreichen, daß es an unserer Bereitwilligkeit in dem Sinne nie unid nimmer fehlen wird.
({9})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Tobaben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In mehreren Reden ist bereits zum Ausdruck gekommen, daß die Verhältnisse bei' der Butter und bei den Kartoffeln verschiedenartig liegen. Während wir bei der Butter eine Einfuhr- und Vorratsstelle haben - sie unterliegt der Marktordnung -, haben wir das bei den Kartoffeln nicht. Trotzdem bin ich der Meinung, daß die auch von uns mitbeschlossene Aufhebung des Kartoffelzolls bis zum 31. Dezember d. J. an sich nicht notwendig gewesen wäre. Selbst wenn wir eine noch geringere Kartoffelernte gehabt hätten, als wir sie gehabt haben, so reicht unsere Kartoffelernte doch immer bei weitem aus, um den Speisekartoffelbedarf zu decken. Soweit ich informiert bin, sollen auch nur unerhebliche Mengen ausländischer Speisekartoffeln die Grenze passiert haben. Dennoch ist der Kartoffelpreis heute bei den Erzeugern auf etwa 5 DM je Zentner gesunken. Unter dem Eindruck von Kartoffelpreisen von 13 bis 14 DM, wie sie im Rheinland bestanden, haben wir seinerzeit - und ich sage: durchaus mit Recht - die Aufhebung des Zolls durchgeführt.
Wenn nun trotz der geringfügigen Einfuhr ausländischer Kartoffeln die deutschen Kartoffelpreise bei den Erzeugern schon auf 5 DM gesunken sind, so ist es wohl notwendig, sich einmal darüber zu unterhalten, wieso denn damals diese hohen Kartoffelpreise in den Verbrauchergebieten entstehen konnten.
({0})
- Ich brauche das nicht im einzelnen auszuführen, wenn die Dinge nicht mehr zur Debatte stehen. An sich ist die Frage gerade bei den Kartoffeln sehr interessant.
Hinsichtlich der Butter bin ich der Meinung, daß wir auf ein richtiges Funktionieren der Einfuhr-und Vorratsstellen und eine wirkliche Vorratshaltung hinwirken sollten. Mit diesem Handwerkszeug müßten wir in der Lage sein, einen Butterpreis zu halten, der sowohl den Erzeugern als auch den Verbrauchern gerecht wird und ihren Interessen dient. Es ist nicht so, daß wir, ob bei den Kartoffeln, ob bei der Butter, wenn wir für einen gerechten Preis eintreten, der durch einen Schutz der deutschen Erzeugung garantiert werden soll, irgendwie an die Wahlen oder an Stimmungsmache denken. Das muß ich meiner Vorrednerin ausdrücklich sagen. Das ist doch eine Frage, über die wir uns nicht nur heute, sondern im Laufe einer langen Zeit unterhalten haben. Es handelt sich hier um den Kampf für die Sicherung eines gerechten Lohns für die Landarbeit, wie er auch im Gewerbe und in der Industrie gefordert wird. Ob vor den Wahlen oder später, auf diese Forderung können wir leider nicht verzichten.
({1})
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Punkte 10 a) und 10 b) sollen an den Ausschuß für Außenhandel überwiesen werden. st das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Über Punkt 10 c) betreffend die Drucksache Nr. 3698 muß Beschluß gefaßt werden. Darin empfiehlt der Ausschuß:
({0})
Der Bundestag wolle beschließen,
1. den Antrag der SPD-Fraktion, die Einfuhrzölle für Butter bis auf weiteres aufzuheben, abzulehnen,
2. die Anträge
a) der Abgeordneten Dr. Ott, Dr. Dorls und Genossen ({1}) betreffend Höchstpreis der Margarine,
b) der Fraktion der KPD ({2}) betreffend Margarinepreis
für erledigt zu erklären.
Wer diesem Vorschlag zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; es ist im Sinne des Antrages des Ausschusses beschlossen.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({3}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem Teilgrundstück des ehemaligen Fliegerhorstes Göttingen zugunsten der Firma Werner Tropitzsch - Textilwerk -, Göttingen - ({4}).
Verzichtet das Haus auf die mündliche Erstattung des Berichts? - Es erhebt sich kein Widerspruch. Wir werden ohne Entgegennahme eines mündlichen Berichts beschließen. Der Ausschuß empfiehlt Zustimmung zu dem Antrag der Bundesregierung. Wer im Sinne des Ausschußantrages beschließen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Ziffer 12 der Tagesordnung auf: Beratung des mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zum Verkauf des ehem. Wehrmacht-Pferdelazaretts in Nürnberg, Wallensteinstr. 117, an den Bayer. Rundfunk, München ({6}).
Hier legt die kommunistische Gruppe auf eine Aussprache Wert. Wir müssen also hier den Bericht des Herrn Berichterstatters entgegennehmen. Das Wort hat der Abgeordnete Gengler als Berichterstatter.
Gengler ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum vorliegenden Gegenstand habe ich im Auftrag des Haushaltsausschusses folgenden Bericht zu erstatten.
Nach Freigabe durch die Besatzungsmacht im Jahre 1948 wurde das Anwesen des ehemaligen Wehrmacht-Pferdelazaretts in Nürnberg an den Bayerischen Rundfunk vermietet. Nach dem Übergang des Reichsvermögens in der amerikanischen Besatzungszone verkaufte der bayerische Staat das Grundstück durch notariellen Kaufvertrag vom 21. August 1950 für 525 000 DM an den Bayerischen Rundfunk. Die grundbuchmäßige Umschreibung des Grundstücks ist noch nicht erfolgt.
Nach § 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens vom 21. Juli 1951 - Bundesgesetzblatt I Seite 467 - gilt die Eigentumsübertragung auf die Länder als nicht erfolgt. Die zwischenzeitlich von den Ländern getroffenen rechtsgeschäftlichen Verfügungen werden nach § 4 des Gesetzes erst dann wirksam, wenn sie der Bundesminister der Finanzen genehmigt. Bei Verkauf von Grundstücken im Werte von über 250 000 DM bedarf es nach § 47 Abs. 3 der Reichshaushaltsordnung in Verbindung mit § 57 und § 3 der Anlage 3 der Reichswirtschaftsbestimmungen der vorherigen Zustimmung von Bundesrat und Bundestag.
Nach dieser Zustimmung will der Bundesfinanzminister gemäß § 4 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens den zwischen dem bayerischen Staat - Finanzverwaltung - und dem Bayerischen Rundfunk - Anstalt des öffentlichen Rechts in München - geschlossenen Kaufvertrag vom 21. August 1950 genehmigen. Der Bayerische Rundfunk hat das frühere Pferdelazarett mit einem Kostenaufwand von über 2 Millionen DM für seine Zwecke völlig umgebaut und hat daher ein berechtigtes Interesse an dem Erwerb des Grundstücks. Der vereinbarte Kaufpreis von 525 000 DM wird vom Bundesfinanzminister auf Grund eines bautechnischen Prüfungsgutachtens als angemessen anerkannt. Gegen die im Kaufvertrag vereinbarte Zahlungsweise - 100 000 DM nach Beurkundung des Kaufvertrags, Zahlung des Restes in vierteljährlichen Raten von 50 000 DM bei 4 % Verzinsung ab 1. Oktober 1950 - bestehen ebenfalls keine Bedenken.
Im Haushaltsausschuß kam zum Ausdruck, daß bei der bekannten Zähigkeit des Bundesfinanzministeriums beim Verkauf von Grundstücken an der Angemessenheit des Kaufpreises Zweifel kaum bestehen können. Einstimmig beantragt der Ausschuß die Zustimmung des Bundestags durch Annahme des Antrags auf Drucksache Nr. 3797.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Es ist mir eben mitgeteilt worden, daß auch die kommunistische Gruppe auf eine Aussprache verzichtet. Ich nehme an, daß dann keine Wortmeldungen mehr erfolgen.
Damit kommen wir zur Abstimmung. Wer dem Ausschußantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({0}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Wiederbesiedlung der Insel Helgoland ({1}).
Die Fraktionen haben im Ältestenrat vereinbart, auf eine Aussprache zu verzichten.
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Steinhörster.
Steinhörster ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um den Antrag der Fraktion des Zentrums. Er ist nicht neu; er ist bereits im Jahre 1951 gestellt worden. Im Hinblick darauf, ' daß der Fonds zur Sanierung von Notstandsgebieten für die Enttrümmerung der Insel Helgoland 5 Millionen DM enthält und diese 5 Millionen DM inzwischen vorweg bewilligt worden sind, also dem Ziel des Antrags der Zentrumsfraktion schon gedient ist, hat der Haushaltsausschuß dem Plenum folgenden Antrag vorgelegt:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag - Nr. 2017 der Drucksachen ({3})
mit Rücksicht auf die bereits getroffenen Maßnahmen im Rahmen der Wiederbesiedlung der Insel Helgoland für erledigt zu erklären.
Ich bitte, entsprechend zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrage zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ohne Gegenstimmen angenommen.
Ich rufe Punkt 15 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Änderung von Bestimmungen in dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({0}) vom 16. Juli 1927 ({1}) in der zur Zeit geltenden Fassung ({2});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({3}) ({4}).
({5})
Ich erteile dem Abgeordneten Becker ({6}) das Wort zur Berichterstattung.
Becker ({7}) ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die jetzt zur Beratung stehenden Probleme - Änderung von Bestimmungen in dem Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. Juli 1927 - haben das Hohe Haus schon vor längerer Zeit beschäftigt. Die Antragsteller wollen mit ihren Anträgen erreichen, daß die bis dahin bestehende Versicherungsfreiheit für Lehrlinge und Anlernlinge zum Teil aufgehoben wird, damit dieser Personenkreis in den Genuß der Arbeitslosenversicherung kommen kann. Der Antrag der SPD-Fraktion auf Drucksache Nr. 1322 wurde bereits in der 87. Plenarsitzung am 21. 9. 1950 dem Ausschuß für Arbeit überwiesen, die Anträge der KPD auf Drucksache Nr. 873 und Nr. 1958 in der 76. Plenarsitzung am 14. Juli 1950 bzw. in der 127. Plenarsitzung am 25. März 1951.
Die Weiterberatung dieser Anträge ist im Ausschuß für Arbeit schon mehrfach zurückgestellt worden im Hinblick auf die vom Bundesministerium für Arbeit angekündigte Novelle zum AVAVG. Dieser Entwurf ist jedoch bis heute nicht vorgelegt worden. Der Ausschuß sprach sich deshalb für die Vorwegnahme zumindest eines Teiles der in den Anträgen angesprochenen Fragen aus, da deren Dringlichkeit nicht bestritten werden konnte und auch bei Vorliegen der angekündigten Novelle noch eine längere Zeit bis zu deren Verabschiedung vergehen dürfte.
Der Vertreter der KPD zog seinen Antrag auf Drucksache Nr. 873 mit der Begründung zurück, daß dieser Antrag durch einen später eingereichten Antrag der KPD auf Drucksache Nr. 1958 überholt sei.
Zunächst wurde § 74 AVAVG erörtert. Hierbei trat eine Meinungsverschiedenheit über die Frage auf, ob entsprechend Art. 3 des Antrags Drucksache Nr. 1322 die Beendigung der Versicherungsfreiheit 12 Monate vor dem Tage, an dem das Lehr- oder Anlernverhältnis durch Zeitablauf endet, erfolgen oder ob eine Frist von sechs Monaten vorgesehen
werden soll.
Es wurde geltend gemacht, daß bei einer Versicherungspflicht für die letzten 26 Wochen der Lehr- oder Anlernzeit der Lehrling bzw. Anlernling bei Arbeitslosigkeit unmittelbar nach Beendigung der Lehrzeit nur 13 Wochen Arbeitslosenunterstützung bekommen würde, bei 52 Wochen Versicherungspflicht dagegen 26 Wochen.
Demgegenüber vertrat ein anderer Teil des Ausschusses die Auffassung, daß eine Befristung auf 12 Monate besonders das Handwerk zu stark belasten und die Ausbildungsfreudigkeit der Handwerksmeister stark einschränken würde. Letzteres sei in Anbetracht der Berufsnot unserer Jugend besonders zu beachten. Die Befristung auf sechs Monate wurde jedoch auch von diesem Kreis anerkannt. Die ganze Angelegenheit habe nicht nur eine materielle, sondern vor allen Dingen eine psychologische Seite. Der Ausschuß sprach sich mit Mehrheit für die Versicherungspflicht für einen Zeitraum von zwölf Monaten entsprechend einer früheren Regelung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes aus.
In diesem Zusammenhang darf auch einmal auf die unterschiedliche rechtliche Handhabung dieses Problems im Laufe der Jahre hingewiesen werden. Das erste Gesetz über die AVAV vom 16. Juli 1927 sah eine Versicherungspflicht für 6 Monate vor. In der zweiten Fassung vom 12. Oktober 1929 wurde die Versicherungspflicht auf zwölf Monate vor Beendigung des Lehrverhältnisses verlängert. Eine dritte Fassung vom 22. September 1933 brachte keine grundsätzliche Änderung. In der vierten Fassung vom 24. April 1942 wurde die Versicherungsfreiheit unter Einbeziehung auch der Praktikantenverträge auf die Gesamtdauer der Lehrzeit ausgedehnt. Nach 1945 wurde in der britischen Zone die während des Krieges eingeführte gänzliche Versicherungsfreiheit durch Militärregierungs-Verordnung Nr. 111 vom 6. Oktober 1947 beibehalten. Dagegen wurde in Rheinland-Pfalz die Versicherungspflicht für sechs Monate, wie in der ersten Fassung des Gesetzes vom 16. Juli 1927, erneut eingeführt. Auch der angekündigte Regierungsentwurf einer Novelle zum AVAVG sieht eine Versicherungspflicht für sechs Monate vor.
Ein weiterer Diskussionspunkt war, ob die Versicherungspflicht am Ende oder in der Mitte der Lehrzeit liegen soll. Gegen die Festsetzung des letzten Jahres als versicherungspflichtigen Zeitraum wäre einzuwenden, daß in nicht seltenen Fällen der Lehrling das Lehrverhältnis durch vorzeitiges Ablegen der Gesellenprüfung oder aus anderen Gründen vorzeitig beendet. In diesen Fällen müßte eine Nachentrichtung von Beiträgen erfolgen, die zu verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten führen könnte. Für die Versicherungspflicht im letzten Lehrjahr hingegen spricht, daß die Beitragsleistung, auch die eventuelle Leistung aus der Versicherung, nach dem höheren Entgelt bzw. der höheren Erziehungsbeihilfe errechnet würde. Beschlossen wurde, die Versicherungspflicht im letzten Jahre eintreten zu lassen. Das kleine Risiko bei vorzeitiger Beendigung des Lehrverhältnisses muß dann wohl von beiden Partnern in Kauf genommen werden. Da aber wohl in den meisten Fällen das Arbeitsverhältnis fortgesetzt wird. dürfte die Sache nicht schwerwiegend sein.
Der Ausschuß war sich darüber einig, daß die Praktikanten entsprechend der bisherigen Rege({9})
lung von der Versicherungspflicht frei bleiben, und zwar für die gesamte Zeit der Praktikantentätigkeit.
§ 75 a soll antragsgemäß einen Abs. 4 mit dem Wortlaut erhalten:
Absatz 1 gilt nicht für ein Beschäftigung im Sinne des § 74.
Durch den § 75 a ist die geringfügige Beschäftigung von der Versicherungspflicht ausgenommen. Der vorgeschlagene Abs. 4 soll sicherstellen, daß Ausbildungsverhältnisse nicht als geringfügige Beschäftigung im Sinne dieses Paragraphen angesehen werden.
Zu Art. 2 des Antrages auf den Drucksachen Nrn. 1322 und 3730 ist der Ausschuß mit Mehrheit der Auffassung, daß in diesen Fällen eine Versicherungspflicht von 26 Wochen vorgesehen werden soll, sofern die restliche Ausbildungszeit weniger als 26 Wochen beträgt.
Die Rückwirkung des Versicherungsverhältnisses, die in Art. 2 der Ausschußvorlage vorgesehen ist, soll dazu führen, daß nach Verkündung des Gesetzes sofort der Versicherungsanspruch erwächst. Hierdurch ist sichergestellt, daß diejenigen bereits einen Versicherungsanspruch erworben haben, deren Ausbildungsverhältnis in den ersten Monaten nach Verkündung des Gesetzes endet. Der Ausschuß ist sich darüber einig, daß eine Nachentrichtung von Beiträgen nach Verkündung dieses Gesetzes nicht in Frage kommt. Die Kosten hierfür trägt die Bundesanstalt; sie dürften nicht sehr hoch sein und entstehen für höchstens einige Monate.
Der restliche in dem Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 1322 angesprochene Fragenkomplex, insbesondere die vorgeschlagene Neufassung des § 70 und Ergänzung des 105 Abs. 1 des AVAVG sollen bis zur Vorlage der angekündigten Novelle zum gleichen Gesetz zurückgestellt werden. Art. 6 des Antrags wird durch § 14 Abs. 3 des am 13. August 1952 erlassenen Gesetzes über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung und zur Änderung der zwölften Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung als erledigt angesehen. Ebenso wurde die weitere Beratung der Drucksache Nr. 1958 - soweit die Anträge über den hier vorgetragenen Fragenkomplex hinausgehen - mit der gleichen Begründung vertagt.
Ich darf zugleich auf den gemeinsamen Antrag auf Umdruck Nr. 678 verweisen. der die übliche Berlin-Klausel enthält mit dem Zweck, den Geltungsbereich dieses Gesetzes auf Berlin auszudehnen.
Ich habe noch auf eine Berichtigung des Textes in Drucksache Nr. 3730 hinzuweisen. Der Beschluß des Ausschusses zu 4 74 muß heißen:
Dem schriftlichen Lehrvertrag steht die schriftliche Anzeige an die Handwerkskammer nach § 126 b Absatz 3 der Gewerbeordnung . . . gleich.
Also nicht § 126, sondern § 126 b.
Abschließend habe ich Sie im Namen des Ausschusses zu bitten, sich für die Vorschläge bzw. Beschlüsse des Ausschusses, die Sie auf Drucksache Nr. 3730 finden, zu entscheiden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Beratung des Entwurfs ein. Ich rufe auf Art. 1. Dazu ist ein Antrag der Abgeordneten Becker und Genossen auf Umdruck Nr. 677 angekündigt.
Das Wort hat der Abgeordnete Becker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu dem anstehenden Problem nicht nur als Berichterstatter, sondern auch als Abgeordneter einige Worte sagen, auch einige Worte zur Begründung des Antrags, den meine Freunde und ich auf dem Ihnen vorliegenden Umdruck eingereicht haben.
Ich habe schon als Berichterstatter darauf hingewiesen, daß bei den Ausschußberatungen Meinungsverschiedenheiten vorhanden waren über die Frage, ob die Versicherungsfreiheit nach dem AVAVG für Lehrlinge 26 oder 52 Wochen vor Beendigung der Lehrzeit enden soll. Ich darf sagen, daß wir uns nicht grundsätzlich gegen eine Heranziehung der Lehrlinge zur Beitragszahlung zur Arbeitslosenversicherung wehren. Wir verlangen nur, daß die damit verbundene Mehrbelastung für die Lehrbetriebe in erträglichen und möglichst niedrigen Grenzen gehalten wird, da j a die Beiträge von den Lehrbetrieben allein aufgebracht werden müssen.
Wenn von den Befürwortern der 52-Wochenfrist darauf verwiesen wird, daß die finanzielle Belastung nicht so stark sei, darf aber doch gesagt werden, daß jede Mehrbelastung der Lehrbetriebe die Ausbildungsfreudigkeit vermindern muß. Was das bedeutet bei 750 000 Lehrlingen, von denen allein das Handwerk laufend über 500 000 ausbildet, brauche ich wohl nicht eigens zu unterstreichen. Auf der einen Seite werden die Lehrbetriebe in Anbetracht der Berufsnot der Jugend zur Mehreinstellung von Lehrlingen angehalten, auf der anderen Seite jedoch erschwert man die Lehrlingshaltung durch immer neue Belastungen.
({0})
Es kann nicht bestritten werden, daß die Belastungen für den Lehrherrn in den letzten Jahren immer größer wurden, teils durch Steuern, teils durch Ausdehnung der sozialen Gesetzgebung, durch die gerade die kleinen Lehrbetriebe, die ja das Gros der Ausbilder stellen, erheblich betroffen wurden, so daß die Ausbildungsfreude gerade in diesen Kreisen sehr gesunken ist.
Es ist nach unserer Ansicht doch ein Widersinn, wenn auf der einen Seite Hilfsmaßnahmen durch steuerliche und sonstige Vergünstigungen empfohlen und beraten werden, um die Ausbildungsfreudigkeit zu fördern, und wenn auf der anderen Seite die Sache durch ungeeignete oder zu scharfe Bestimmungen wieder zunichte gemacht wird. Nach einem Bericht des Bundesministers für Arbeit vom 29. Januar dieses Jahres sind von der Bundesanstalt für AVAV in der Zeit vom 1. 9. 1950 bis 31. 8. 1951 - das sind 12 Monate - für Maßnahmen zur Unterbringung der arbeits-, heimat- und berufslosen Jugend rund 17 Millionen DM aus Alu- und Alfu-Mitteln aufgebracht worden. Dadurch sind gewiß manche gute Erfolge erzielt worden, die aber durch ungeeignete Beschlüsse wieder zunichte gemacht werden. Ich darf auch als bekannt voraussetzen, daß die Lehrwerkstätten der Betriebe der öffentlichen Hand laufend großer Zuschüsse bedürfen.
({1})
Die ganze Angelegenheit hat eben nicht nur eine
materielle, sondern vor allen Dingen auch eine
({2})
psychologische Bedeutung. Gerade diese psychologische Bedeutung möchte ich noch über die materielle Bedeutung stellen. Eine Frist von 26 Wochen halten wir für vertretbar, für ausreichend und auch zumutbar.
Im ersten Gesetz von 192? war Versicherungsfreiheit für 26 Wochen festgelegt. Die Erhöhung auf 52 Wochen im Oktober 1929 erfolgte in der Zeit der großen Arbeitslosigkeit. In der Begründung des Reichsarbeitsministers vor dem Reichstag wurde die Notwendigkeit der Erhöhung auf 52 Wochen wegen der ungünstigen Finanzlage der Reichsanstalt infolge der großen Arbeitslosigkeit besonders herausgestellt. Als 1942 die Arbeitslosigkeit infolge der damaligen Verhältnisse nicht mehr akut war, wurde die vollständige Versicherungsfreiheit der Lehrlinge verkündet. Gewiß, Sie werden sagen: ein Nazi-Gesetz. Aber ich darf daran erinnern, daß diese Regelung - vollständige Versicherungsfreiheit - auch 1945 und später sowohl in der britischen Besatzungszone wie auch in einigen Ländergesetzen beibehalten wurde. Ich sagte schon als Berichterstatter, daß lediglich in Rheinland-Pfalz eine Versicherungspflicht für die letzten sechs Monate der Lehrzeit festgelegt wurde.
Bezeichnend ist auch, daß im ersten Antrag der KP auf Drucksache Nr. 873 eine Versicherungspflicht von 26 Wochen verlangt wurde. Damit hat auch die KP zum Ausdruck gebracht, daß 26 Wochen genügen würden. Diese Frist wurde dann von der SPD in ihrem Antrag auf Drucksache Nr. 1322 auf das Doppelte, d. h. auf 52 Wochen erhöht.
Zur Abrundung darf ich wiederholen, was ich schon als Berichterstatter sagte, daß auch die Bundesregierung in ihrer schon lange verlangten und jetzt angekündigten Novelle zum AVAVG eine Versicherungspflicht von 26 Wochen für ausreichend hält.
Lassen Sie mich noch eines sagen. Ich bedauere es, daß der Ausschuß für Arbeit keine Möglichkeit sah, auf meinen Vorschlag einzugehen, die Versicherungsfreiheit auf die ganze Lehrzeit auzzudehnen, wenn sich Lehrherr und Lehrling auf freiwilliger Basis verpflichten, das Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Lehrzeit noch mindestens 6 Monate fortzusetzen. Ich glaube, daß durch eine solche Regelung ein Anreiz geboten wäre. Mancher Lehrling, der sonst nach Beendigung der vereinbarten Lehrzeit entlassen wird, hätte weiterhin Beschäftigung und die Möglichkeit, sich weiter auszubilden. Er hätte dann auch einen erhöhten Unterstützungsanspruch aus dem höheren Gesellenlohn. Davon hätte er nach unserer Ansicht mehr. Es wäre ihm besser gedient als mit eventuell 13 Wochen Arbeitslosenunterstützung mehr gleich nach Beendigung der Lehrzeit. Wir sollten unsere Bemühungen mehr darauf konzentrieren, junge Menschen in Arbeit zu bringen und sie dann auch in Arbeit zu halten, als darauf, den Versicherungsschutz, der grundsätzlich bejaht wird, aber immer nur als Notbehelf gelten muß, soweit auszudehnen, daß die dafür notwendigen Kosten als untragbar angesehen werden müssen, zumindest aber die Ausbildungsfreudigkeit und die Ausbildungsbereitschaft darunter leidet. Ich glaube, den jungen Menschen wird mehr gedient, wenn Sie unseren Antrag annehmen. Dadurch wird mancher Lehrling mehr unterkommen, und das wollen wir doch letzten Endes alle.
Ich möchte abschließend sagen, daß man auch auf diesem Gebiet vieles treiben kann; man sollte
aber auch in der Beengung nichts übertreiben. Unsere sachlich begründeten und auch sachlich vorgetragenen Argumente sollten Sie veranlassen, unseren Antrag auf Umdruck Nr. 677 anzunehmen. Ich möchte Sie jedenfalls im Namen meiner Freunde herzlich darum bitten.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß meinem Kollegen Becker leider widersprechen. Die Ihnen vorliegende Fassung des § 74 AVAVG wurde im Ausschuß für Arbeit gegen zwei Stimmen beschlossen.
Wir überlegten die Frage reiflich. Auf der einen Seite lagen uns seit sehr langer Zeit die Wünsche vor, die von der gesamten deutschen Jugendbewegung vorgetragen wurden und darauf hinausliefen, eine gesetzliche Regelung in der Form zu schaffen, wie sie Ihnen der Ausschuß nunmehr vorschlägt Demgegenüber wurde besonders von der Seite des Handwerks aus gesagt: Wir lehnen diese Regelung nicht grundsätzlich ab, möchten sie aber einengen, also das versicherungspflichtige Verhältnis auf die letzten 26 Wochen der Ausbildungszeit beschränken.
Wir müssen uns bei der Entscheidung über die Auswirkungen klar sein.
({0})
Die Auswirkung auf den Anspruch der Versicherten ist die, daß nach der derzeitigen Rechtslage eine 26wöchige Versicherungspflicht im Falle der Arbeitslosigkeit einen Unterstützungsanspruch für 13 Wochen. eine versicherungspflichtige Beschäftigung von 52 Wochen einen Unterstützungsanspruch für 26 Wochen gewährleisten.
Nun zur Auswirkung auf die Beitragsverpflichteten. Hier führt die unterschiedliche Regelung zu folgendem Ergebnis. Es ist praktisch so. daß eine Verlängerung des versicherungspflichtigen Verhältnisses von 26 auf 52 Wochen. wie sie Ihnen vom Ausschuß vorgeschlagen wird, für den Lehrherrn eine Gesamtbelastung von durchschnittlich 15 7)M ausmacht. Sie wissen. daß die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung 4 % betragen und bei niedrigem Verdienst vom Unternehmer allein getragen werden müssen. Nehmen wir als Beispiel eine Lehrlingsvergütung im letzten Lehrjahr von 15 DM pwo Woche im Schnitt. Dann ergibt sich für die 26 Wochen zusätzlicher Versicherungspflicht eine materielle Belastung von 15 DM. Ich möchte das richt bagatellisieren. glaube aber. daß auf der anderen Seite eben auch das Recht der Lehrlinge entsprechend beachtet werden muß.
Kollege Becker hat mit Recht auf die Entwicklung. auf die differenzierte Gestaltung dieser Bestimmungen in den letzten Jahrzehnten hingewiesen. Ich darf allerdings darauf aufmerksam machen daß während einer langen Zeit, vor 1933 ein
versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis
von 52 Wochen bestand.
Es ist nun nicht so, daß der Entwurf einer Novelle der Bundesregierung zum AVAVG vorliegt. Ich muß Herrn Kollegen Becker dahin berichtigen, daß im Bundesministerium für Arbeit lediglich verschiedene Vorentwürfe ausgearbeitet worden sind. Sie sind zur Diskussion gestellt, beispielsweise in der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung
({1})
und Arbeitslosenversicherung. Erst wenn die Bundesregierung dem Bundestag den Entwurf einer Novelle vorlegt, können wir von einer ventilierten Meinung der Regierung reden. Ich möchte den Antrag der KPD, der zu dieser Frage gestellt worden ist, nicht überbewerten.
Eine Tatsache dürfen wir nicht außer acht lassen. Sicher, die Gesamtarbeitslosigkeit ist zur Zeit minimal. Wir haben nach den letzten Berichten rund eine Million Arbeitslose im Bundesgebiet. Aber wir dürfen nicht übersehen, daß der Anteil der Jugendlichen an diesen Arbeitslosenziffern verhältnismäßig hoch ist. Ich glaube, 'das gibt wiederum Veranlassung zu einer Regelung, wie sie Ihnen vorgeschlagen ist.
Ich möchte daher bitten - obschon ich, wie gesagt, die Antragsteller zu Umdruck Nr. 677 verstehe -, aus den von mir dargelegten Gründen für den Ausschußbericht zu stimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Keuning.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die sozialdemokratische Fraktion möchte ich hier erklären, daß wir dem Änderungsantrag nicht zustimmen können. Ich möchte dabei darauf hinweisen, daß gerade über diesen Punkt in der Ausschußsitzung besonders lebhaft debattiert wurde. Der sozialdemokratische Antrag ging ja weiter. Er wollte unbedingt die 52 Wochen sichergestellt wissen, und falls das Lehrverhältnis aus irgendeinem Grunde, der nicht bei dem Lehrling liegt, früher beendet ist, sollte eben die Versicherungspflicht auch entsprechend früher beginnen. Die Frage, wer die Kosten übernehmen sollte, ist in dem Moment nicht debattiert worden, steht auch hier im Augenblick nicht zur Debatte. Jedenfalls wollten wir mit dieser längeren Versicherungspflicht garantiert haben, daß der entlassene ausgelernte junge Mann für eine längere Zeit die Unterstützung beziehen kann und nicht gleich zum Wohlfahrtsamt gehen muß.
In dieser Debatte ist speziell von den Vertretern des Handwerks gesagt worden: Es passiert doch immer wieder, daß wir Lehrlingen einige Zeit der Lehre schenken, daß sie die Lehre früher beenden, und dann wird die Sache eben schwierig. Wenn Sie darauf bestehen, daß man rückwirkend Beiträge zahlen muß, wird sicher niemand mehr geneigt sein, einem Lehrling etwas von der Lehrzeit zu schenken. - Wir haben lebhaft hin und her debattiert und haben uns dann schließlich diesem Argument nicht verschlossen. Wir sind, wie Kollege Sabel schon gesagt hat, zu dem Beschluß gekommen, daß mindestens die 52 Wochen festgelegt werden sollen. Wir können also dem Änderungsantrag unter keinen Umständen zustimmen.
Herr Kollege Becker, es ist doch wohl nicht ganz richtig, wenn Sie sagen, daß das AVAVG 1929 im Hinblick auf die Lehrlinge geändert worden sei. Diese Änderung erfolgte für alle Arbeitslosen, weil ja damals die besonders schwere Zeit war.
Ich möchte aus den angegebenen Gründen bitten, den Antrag, den Teile der Koalition heute vorgelegt haben, abzulehnen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Schuster.
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Ich habe schon im. Ausschuß immer geltend gemacht, daß die Ausdehnung der Versicherungspflicht für Lehrlinge auf 52 Wochen zu einer Mehrbelastung der Lehrherren führt, die sich letzten Endes so auswirkt, daß eben die Freude zur Lehrlingshaltung noch vermindert wird. Wir wissen doch, daß sich alle Stellen - Arbeitsämter usw. -, um mehr Lehrlingsstellen zu bekommen, darum bemühen, alle diejenigen Lehrlingshalter, die auf Grund der Belastung, die heute die Lehrlingshaltung mit sich bringt, von dieser abgekommen sind, zu bewegen, wieder Lehrlinge zu nehmen. Wenn wir das Gesetz verabschieden, wonach alle Lehrlinge im letzten Lehrjahr arbeitslosenversicherungspflichtig sind - und diese Beiträge gehen ja ganz zu Lasten der Lehrlingshalter -, so werden noch mehr von diesen früheren und jetzigen Lehrlingshaltern davon abkommen, weiterhin Lehrlinge zu halten. Dieser Schuß ging also unserer Meinung nach nach hinten los.
Uns erscheint eine 26-wöchige Versicherungspflicht für die eine Seite ausreichend, für die andere Seite aber auch tragbar. Die frühzeitige oder verfrühte Beendigung der Lehrzeit wirkt sich hier nicht so schlimm aus; denn da kann es sich nur um Wochen, im Höchstfall um ein oder zwei Monate handeln.
({0})
- Ja, es war ein wichtiges Argument, und wir haben dort schon darauf hingewiesen. Wir wollten das im Ausschuß geregelt haben und haben auch zwei Möglichkeiten genannt: einmal die Nachzahlung für die kurze Zeit, um die der Lehrling die Lehrzeit aus irgendwelchen Gründen früher beendet, oder die andere Möglichkeit, daß die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung diese Differenz trägt. Wenn man ohnedies immer vorschlägt, Maßnahmen zu ergreifen, um Lehrstellen zu beschaffen, die ja auch Geld kosten, dann wäre diese Belastung für die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung ja auch nicht so groß. Das letzte wäre uns doch als das Gangbarste erschienen. Leider wurde dieses Thema dann nicht zu Ende debattiert, weil man eben die 52 Wochen beschloß, und da war es ja nicht mehr notwendig.
Uns erscheint der Änderungsantrag, so wie er jetzt ist, etwas unvollständig, weil dieses Problem nicht zu Ende diskutiert wurde. Wenn der Änderungsantrag durchgeht, dann bleibt offen, wer die Differenzen bei frühzeitiger Beendigung der Lehrzeit tragen soll. Es gibt nur die beiden eben erwähnten Möglichkeiten. Deshalb stellen wir den Antrag, diesen Gesetzentwurf mit dem Änderungsantrag noch einmal an den Ausschuß für Arbeit zurückzuverweisen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine politischen Freunde werden in ihrer großen Mehrheit für den Antrag des Kollegen Becker stimmen. Sie glauben, damit praktisch eine ganz besondere Art Jugendhilfe zu treiben. In diesem Hause ist das Wort „Jugendhilfe" ja schon oft in seiner gesamten Problematik angesprochen worden. Kürzlich ging durch die Zei({0})
tungen die Notiz, daß rund 48 000 Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren noch nicht in Arbeit, also auch noch nicht in einem Lehrverhältnis seien. Ich glaube, die psychologische Seite der Angelegenheit, die schon Kollege Becker angesprochen hat, darf man unter keinen Umständen verkennen. Eine Gefahr für die Jugendlichen, wenn sie, nachdem ihre Lehrzeit aufgehört hat, arbeitslos werden, wird ja insofern nicht besonders in Erscheinung treten, als sie auch bei 26 Wochen Beitragspflicht nach wie vor 13 Wochen ihre Unterstützung bekommen. Es wäre natürlich für die Behandlung des Problems viel zweckmäßiger gewesen, wenn man eingehendes Material darüber zur Hand gehabt hätte, wieviel Lehrlinge nach Entlassung, also nach Abschluß ihres Lehrverhältnisses praktisch außer Arbeit kommen.
({1})
- Das ist nicht wahr, Kollege Pelster. Es wird vielleicht möglich sein, daß die Bundesanstalt für die demnächst in Aussicht gestellte Beratung des Entwurfs zum AVAVG die Unterlagen beibringt, damit nach dieser Richtung hin Klarheit geschaffen wird.
({2})
Auch Nachteile besonderer Art werden wohl kaum entstehen, da ja doch der größte Teil der Jugendlichen, selbst wenn sie vorübergehend arbeitslos sind, doch eher wieder in den Arbeitsprozeß hineinkommen als ältere Leute.
Meine politischen Freunde - ich betone das noch einmal - stimmen dem Antrag zu; aber wir sind, wenn das Problem noch einmal erörtert werden soll, durchaus mit dem Antrag Schuster einverstanden, die Sache noch einmal an den Ausschuß für Arbeit zurückzuverweisen.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag auf Zurückverweisung an den Ausschuß. Wer für die Zurückverweisung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 677. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den Art. 1 im ganzen abstimmen. Wer für die Annahme von Art. 1 mit der vom Berichterstatter erwähnten Berichtigung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Art. 1 ist angenommen.
Zu Art. 2 liegen keine Änderungsanträge vor. Wer für die Annahme des Art. 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen.
Es sind mehrere Anträge gestellt worden, einen Artikel 3 einzufügen. Am weitesten geht der Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 682. Soll das noch vor der Mittagspause erledigt werden ?
({0})
- Ganz kurz! Dann hat das Wort der Abgeordnete Keuning zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden feststellen, daß auf Umdruck Nr. 682 Art. 5 des Antrags der SPD Drucksache Nr. 1322 wieder aufgegriffen worden ist. Wir haben uns über diese Frage im Ausschuß sehr eingehend unterhalten, auch unter Hinweis auf die zu erwartende Novelle der Bundesregierung. In dieser Novelle soll eventuell auch die Frage einer Mindestunterstützung geregelt werden. Im Ausschuß tauchte dann auch wohl die Meinung auf, -bei der Beratung dieser Novelle diese Frage gleich mit zu klären. Ich möchte hier sagen, daß wir Sozialdemokraten im Ausschuß zugestimmt hatten. Wir sind dann aber nach Abschluß der Beratungen von Kreisen, die mit der Arbeitnehmervertretung befaßt sind, so vom Deutschen Gewerkschaftsbund und auch von der Deutschen Angestelltenschaft, dahin angesprochen worden, gleichzeitig mit der Verabschiedung der heutigen Vorlage die Frage der Mindestunterstützung zu regeln. Es wurde und es wird von uns darauf hingewiesen, daß es sich bei der Lehrlingsvergütung ja nicht um ein echtes Arbeitsentgelt handelt und daß diese Vergütung auf Grund der Eigenart des Lehrverhältnisses niedriger ist als die Entlohnung, die ein altersmäßig vergleichbarer Arbeitnehmer normalerweise bekommt. Ein vergleichbarer Arbeitnehmer würde also sicherlich eine Unterstützung bekommen, die dem Mindestsatz, den wir Ihnen hier vorschlagen, entspräche. Nach unserem Vorschlag sollte man ein wöchentliches Einkommen von 25 DM zugrunde legen. Wir haben das im Ausschuß vorgetragen. und ich möchte heute unter Hinweis darauf, daß man die Lehrlingsfrage aus diesem Antrag herausnimmt, der zwei Gruppen, nämlich die landwirtschaftlichen Arbeitnehmer und die Lehrlinge, umfaßt, vorschlagen, die Frage der Mindestunterstützung für Lehrlinge heute mit zu regeln, da es sich beim Lehrlingsentgelt, wie gesagt, nicht um ein echtes Arbeitsentgelt handelt. Die Summe, die wir hier als Mindesteinkommen pro Woche festlegen, entspricht doch einem Stundenlohn von 50 Pfennig bei normaler Entlohnung. Wir würden, glaube ich, dabei auch keiner anderen Gruppe zu nahe treten, wenn wir heute gleichzeitig diese Frage regelten. Ich bitte also, dem Antrag Umdruck Nr. 682 zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich auch gegen den Antrag des Kollegen Keuning wenden. Im Ausschuß ist einstimmig beschlossen worden, die Regelung dieser Frage der kommenden Novelle zum AVAVG zu überlassen. Würden wir dem hier gestellten Antrag stattgeben, dann würden wir dieses Problem nur zu einem Teil regeln. Wir würden eine Ungleichheit schaffen, die meines Erachtens nicht vertretbar ist. Ich darf daran erinnern, daß wir auch heute noch Arbeitsverhältnisse haben - ich erinnere an die Landwirtschaft -, in denen niedrigere Entgelte gezahlt werden. Wir könnten dann diesen Personenkreis nicht so behandeln wie den hier genannten Personenkreis, würden ihn also benachteiligen.
Ich darf auch daran erinnern, daß wir hier weitgehend den Boden des Üblichen verlassen. Das hat an sich nichts mehr mit den versicherungsrechtlichen Grundsätzen zu tun. Ich bin dafür, die Frage, ob man überhaupt in der gesamten Arbeitslosenversicherung ein Mindestentgelt festlegen
({0})
soll, nach dem die Unterstützung zu errechnen ist, dann zu regeln, wenn dem Bundestag die Novelle zum AVAVG vorgelegt wird. Ich hoffe, daß das in absehbarer Zeit geschieht und möchte empfehlen, dem Antrage Umdruck Nr. 682 nicht zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Änderungsantrag Umdruck Nr. 682 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr ist noch abzustimmen über einen Zusatzantrag einer Reihe von Fraktionen, Umdruck Nr. 678, als neuen Art. 3 die übliche Berlin-Klausel einzufügen. - Keine Wortmeldungen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Antrag ist angenommen.
Wir haben dann noch über den bisherigen Art. 3 abzustimmen: „Das Gesetz tritt am 1. November 1952 in Kraft." Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Ist mit einer allgemeinen Aussprache in
dritter Beratung
zu rechnen?
({0})
Dann vertagen wir die dritte Beratung bis nach der Mittagspause.
({1})
Gut; dann vertagen wir nicht. - Bitte, Herr Abgeordneter Schmücker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir möchten für die dritte Beratung unseren Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 677, in § 74 Abs. 3 die Worte „zwölf Monate" durch die Worte „sechs Monate" zu ersetzen, wieder aufnehmen und sagen: Wenn man schon der Meinung ist, daß es sich hier um eine Bagatelle handelt, dann handelt es sich sowohl als auch um eine Bagatelle. Da Herr Kollege Keuning vorhin so freundlich war, die Bundesanstalt durch seinen Antrag mit höheren Ausgaben belasten zu wollen, darf ich wohl annehmen, daß die Bundesanstalt auch in der Lage wäre, diese Bagatelle zu tragen, die unser Antrag auf 26 Wochen darstellt. Wir müssen daran denken, die Lehrlingsausbildung zu fördern, und wenn wir hier, wie wir beantragen, die Beitragspflicht auf 26 Wochen ermäßigen, werden wir sicher etwas für die Lehrlingsausbildung tun.
Ich bitte Sie also nochmals, diesem Antrag zuzustimmen. Sollte der Änderungsantrag auch diesmal abgelehnt werden, wären wir leider genötigt, das ganze Gesetz abzulehnen.
({0})
Es handelt sich um den Antrag auf Umdruck Nr. 677, wenn ich Sie recht verstanden habe. Es ist wohl am besten, wir lassen die allgemeine Aussprache und die Begründung dieses Antrages durcheinanderlaufen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kohl.
Meine Damen und Herren! Ich hätte allerdings gewünscht, daß der Herr Bundesarbeitsminister zu dem Gesamtproblem, das hier steht, einige Worte gesagt hätte. Aber es erscheint uns notwendig, einige kritische Bemerkungen zu dieser Frage zu machen, sowohl zeitlich wie nach der materiellen Seite. Bereits am 9. September 1950 wurde der SPD-Antrag behandelt, und unser Gesetzesvorschlag, den wir für eine Neuordnung der Arbeitslosenversicherung eingereicht haben, wurde im Bundestag am 19. Februar 1951 behandelt. Seit dieser Zeit ist auf diesem Gebiet nicht das mindeste geschehen, obwohl, wie ich hier feststellen möchte, der Herr Bundesarbeitsminister damals, auf die Begründung unseres Gesetzentwurfs eingehend, erklärt hat: „Im Bundesarbeitsministerium liegt der Neuordnungsentwurf des AVAVG fertig zur Diskussion vor." Soweit ich im Ausschuß die Stimmung verfolgen konnte, hat gerade diese ungeheure Verzögerung in der Arbeit des Bundesarbeitsministeriums immerhin einiges Erstaunen ausgelöst, und die Abgeordneten der verschiedenen Richtungen sind den Versprechungen des Vertreters des Arbeitsministeriums gegenüber außerordentlich mißtrauisch gewesen. Diese Tatsache, glaube ich, sollte man feststellen.
Meine Damen und Herren, bei der Behandlung dieser Gesamtproblematik der Neuordnung der Arbeitslosenversicherung, deren zwingende Notwendigkeit nicht bestritten werden kann, nutzt es nichts, wenn man irgendwelche Prognosen in der Form aufstellt, wie es der Herr Bundesarbeitsminister wiederholt getan hat, daß wir vielleicht in absehbarer Zeit, wenn der Schumanplan einmal zu wirken beginne, mit Arbeitslosen nicht mehr zu rechnen hätten, sondern vielleicht sogar die Tatsache verzeichnen müßten, daß bis zu einem gewissen Grade ein Arbeitermangel Platz greife. Es nutzt auf der andern Seite natürlich auch nicht viel, wenn man nun mit rein statistischen Berechnungen versucht, über die sogenannte echte und unechte Arbeitslosigkeit zu diskutieren. Herr Kollege Sabel, Sie erwähnten vorhin, daß wir gegenwärtig bei der Millionengrenze der Arbeitslosen angelangt sind.
({0})
Ich wende mich dagegen, daß man diese Millionengrenze, so wie Sie es zu tun belieben, als eine normale Erscheinung im Wirtschaftsprozeß betrachtet.
({1})
- Aber die Tatsache besteht.
Was ist nun in den Reformplänen des Bundesarbeitsministeriums bei der Neuordnung des AVAVG wirklich vorhanden? Trifft es zu, daß die Karenzzeit auf 13 Wochen herabgesetzt wird? Trifft es weiter zu, daß Pläne des Bundesarbeitsministeriums bestehen, die versicherungsrechtlich festgelegte Auszahlung der Arbeitslosenversicherung von der Zahl der noch verdienenden Familienangehörigen abhängig zu machen? Treffen diese Pläne zu, die unter der Decke schwelen und die aus dem Arbeitsministerium bisher herausgedrungen sind? Gedenkt man, in dieser Form den Versicherungscharakter zu durchbrechen und die Neuordnung der Arbeitslosenversicherungsgesetzgebung allein auf Kosten der arbeitenden Menschen zu verschlechtern?
({2})
Ich erinnere daran, daß die Bundesregierung und auch das Bundesarbeitsministerium mit ungeheurer Schnelligkeit arbeiten, wenn es darum geht, irgendwelche Maulkorbgesetze zu verabschieden. Vielleicht liegt auch in der Prognose des Herrn Bundesarbeitsministers ein Körnchen Wahrheit, daß nach der Ratifizierung des EVG-Vertrages und nach den Ankündigungen des Herrn Bundeskanzlers 60- bis 70 000 Freiwillige eingestellt und dann 12 bis 15 Divisionen die Arbeitslosigkeit beseitigen werden. Vielleicht hofft man so, unter die Millionengrenze zu kommen. Der Empfang, den der Bundesarbeitsminister auf dem Kongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin erfahren hat, sollte ihn zum Nachdenken anregen, nämlich in der Linie, daß man auch von seinem Ministerium endlich etwas Entscheidendes auf diesem Gebiet erfahren möchte.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist 'die allgemeine Aussprache geschlossen.
Ich rufe auf Art. 1. Hier ist der Änderungsantrag wiederholt. Wer für die Änderung des Art. 1 im Sinne des Umdrucks Nr. 677 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das 'zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Art. 2, Art. 3 ({0}) - der 'bisherige Art. 3 wird Art. 4 -, 'Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme 'ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das war die Mehrheit.
Wer für 'die Annahme des Gesetzes als Ganzes ist, 'den 'bitte ich, dies durch Erheben von den Sitzen zu bezeigen. - 'Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen angenommen.
Wir haben nunmehr noch über die weiteren Anträge des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3730 abzustimmen, Antrag 2 und Antrag 3. Wer für diese Empfehlungen des Ausschusses stimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Angenommen.
Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Wir lassen nunmehr die Mittagspause eintreten. Die Frage ist, ob man die Pause um die Viertelstunde verlängert.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 'Ich weiß nicht, ob Ader Bundestag es sich angesichts der Tagesordnung und vor allem auch angesichts der Verpflichtungen, die doch wohl die meisten Kolleginnen und Kollegen in Iden Wahlkämpfen haben, leisten kann, eine Mittagspause bis 3 Uhr einzulegen. Mir scheint das nicht zweckmäßig 'zu sein; es ist auch im Ältestenrat niemals vereinbart worden. Wir sind heute morgen genau so Überfahren worden wie anderen Dingen. Ich bitte noch einmal, zu überlegen, ob es nicht genügt, die Pause - wir haben jetzt 12.15 Uhr - bis 14.15 Uhr zu machen. Das sollte auch für diejenigen Kollegen genügen, die noch Sonderbesprechungen zu führen haben.
({0})
Ist das Haus einverstanden?
({0})
- Dann \müssen wir abstimmen lassen. Am weitesten scheint mir der Antrag zu gehen, den der Kollege Schoettle soeben gestellt hat. Denn es ist ein Antrag, der gegen eine bisher bestehende Annahme geht.
({1})
- Man kann\ ja einen Beschluß ändern, und gerade das ist beantragt worden.
({2}) - Bitte, Herr Abgeordneter Tillmanns!
Meine Damen und Herren! Meine Traktion hat eine wichtige Fraktionssitzung angesetzt. Bisher ist es in 'diesem Hause üblich gewesen, auf solche Dispositionen Rücksicht zu nehmen.
({0})
Ich bitte, es bei der getroffenen Verabredung zu belassen.
Halten Sie Ihren Antrag aufrecht, Herr Abgeordneter Schoettle? ({0})
Es scheint die überwiegende Meinung zu sein, daß erst um 15 Uhr begonnen werden soll. Ich schlage aber vor: 15 Uhr pünktlich und nicht 15 Uhr 15.
Ich habe noch bekanntzugeben, daß die FDP- Fraktion um 13 Uhr zusammentritt.
({1})
Die Sitzung wird um 15 Uhr 5 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren 'in der Sitzung fort.
Ich habe zunächst, ehe ich 'das Wort erteile, einige Mitteilungen bekanntzugeben.
Der Ältestenrat 'hat heute morgen die Vereinbarung getroffen, daß am Reformationstag, d. h. am 31. Oktober, keine Ausschußsitzungen stattfinden sollen. Es betrifft das den Ausschuß für Petitionen, für Rechtswesen, für Presse, Rundfunk und Film, für Post- und Fernmeldewesen.
Die Tagesordnungspunkte 30 bis einschließlich 43, also immerhin 14 Punkte, betreffend Berichte des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über die Genehmigung zu Strafverfahren gegen Abgeordnete der KPD, werden heute abgesetzt, da die Plenarsitzung spätestens gegen 20 Uhr 30 geschlossen werden soll.
Nach 18 Uhr 30 sollen 'keine ins Gewicht fallenden Abstimmungen mehr stattfinden, weil eine Reihe von Mitgliedern dieses Hauses wegen der Kommunalwahlen nicht anwesend sein kann.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundestagspräsident hat in der Sitzung des Altestenrats vom 23. Oktober die Frage des Termins der zweiten und dritten Beratung des Vertragswerks aufgeworfen und den Vorschlag gemacht, daß diese Beratung auf den
({0})
26. und 27. November und, falls erforderlich, auch noch auf den 28. November angesetzt Wird. Die Fraktionen der Regierungskoalition haben diesem Vorschlag zugestimmt. Der Herr Vertreter der SPD-Fraktion hat unter Vorbehalt von dem Vorschlag Kenntnis genommen. In der heutigen Sitzung des Ältestenrats ist die Frage des Termins erneut erörtert worden. Eine ,Einigung der Fraktionen einschließlich der SPD konnte leider nicht erreicht werden. Bei dieser Sachlage haben die Fraktionen der Regierungskoalition, den Wunsch, dem Hohen Hause ihre Auffassung zur Frage des Termins mitzuteilen.
Die erste Lesung des Vertragswerks fand am 9. Juli dieses Jahres statt. Die Verträge wurden nach der ersten Lesung sieben Ausschüssen zur Beratung zugeleitet. Da es sich übersehen läßt, daß sich diese ausführliche, unter Hinzuziehung von Sachverständigen durchgeführte Beratung ihrem Abschluß nähert, legen die Fraktionen der Koalition Wert darauf, daß nunmehr ein fester Termin für die zweite und dritte Beratung festgestellt wird.
Wir sind der Meinung, daß die von dem Herrn Bundestagspräsidenten vorgeschlagenen und der Öffentlichkeit bekannten Termine - nämlich der 26. und 27. November - die Tage sind, an denen das Vertragswerk in zweiter und dritter Lesung beraten -werden soll.
Die Fraktionen der Koalition legen loyalerweise Wert darauf, das dem Hohen Hause mitzuteilen. Sie werden ihrerseits alles tun, daß diese Termine eingehalten werden können.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordnete Schoettle - zu diesem Punkt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben mit Interesse die Neuigkeit erfahren, die Herr Kollege Krone soeben mitgeteilt hat. Ganz so neu ist sie nicht;
({0})
denn es ist ja schon seit 'einiger 'Zeit bekannt, daß es der Wunsch des -Herrn Bundeskanzlers ist,
({1})
mit wechselnden Terminen - ursprünglich sollte es schon vor den Parlamentsferien sein, dann sollte es vor den amerikanischen Präsidentenwahlen und schließlich vor der Ratifizierungsdebatte in der französischen Kammer sein - die Verträge in diesem Hause endgültig zu verabschieden. Es ist also nicht ganz neu. In diesem Zusammenhang möchte ich aber auf die Geschäftslage zu diesem Punkte hinweisen.
Meine Damen und Herren, dieses Haus hat die Vorlagen, um die es hier geht, an eine Reihe von Ausschüssen überwiesen, nicht etwa, weil man damit die Absicht verfolgte - wie das gelegentlich bei Gesetzentwürfen der Fall ist -, durch die Verteilung auf möglichst viele Ausschüsse die Sache zu verschleppen, sondern weil man der Meinung war, daß die Materie, die in den Verträgen geregelt wird, gründlich 'beraten werden müsse, weil es sich hier um eine sehr grundsätzliche und die Interessen unseres Volkes auf Jahrzehnte hinaus bestimmende Sache handle.
({2})
Deshalb sind diese Ausschüsse mit der Beratung befaßt worden. Es ist ganz klar, daß die Ausschüsse 'die Verpflichtung haben, sich dieser Aufgabe gründlich zu widmen. Das ist in den Ausschüssen auch geschehen. Soweit ich die Dinge überblicken kann, ist im Augenblick in einer Reihe der beteiligten Ausschüsse die Beratung noch nicht bis zu dem Punkt gediehen, in dem diese Ausschüsse ihre Berichte abfassen und zu Händen des federführenden Auswärtigen Ausschusses abliefern könnten. Wenn man also den Versuch macht, die zweite und dritte Lesung am 26., 27. und 28. November durchzuführen, dann ist das nichtsanderes als ein Druck auf die Ausschüsse, ihre Arbeit entweder nicht gründlich zu machen oder vorzeitig abzubrechen.
({3})
Man sollte das ganz klar sagen.
({4})
Ich habe nicht die Absicht, etwa die Tätigkeit der einzelnen Ausschüsse zu analysieren. Aber, Herr Kollege Wuermeling, wenn von Verschleppung die Rede ist, dann darf ich Sie an Ihre eigenen Erfahrungen im Haushaltsausschuß erinnern, wo Ihre eigenen Herren zwar theoretisch bei jeder Gelegenheit die Dringlichkeit und -die Eile des Geschäfts betont, aber dann selber erheblich dazu beigetragen haben, daß ganze Vormittage zerredet worden sind; auch Ihre eigenen Herren!
({5})
- Bitte, wir wollen uns doch gegenseitig nichts vormachen, nicht wahr?
({6})
Die Dinge sind doch nicht verschleppt worden. Vielmehr haben sich aus -der Natur der Sache heraus eine Reihe von Problemen ergeben, über die die Mitglieder der Ausschüsse und, ich glaube, auch die Mitglieder -des Parlaments eben etwas mehr wissen wollten, als ihnen bis dato von 'den Regierungsvertretern gesagt worden ist. - Soviel zur Geschäftslage.
Ich glaube also, daß es praktisch gar nicht möglich ist, Termine, die Sie etwa mit Ihrer Mehrheit beschließen wollten, einzuhalten. Aber das mag in Ihrem Belieben stehen. Tun Sie, was Sie glauben nicht lassen zu können. Sie werden uns auf dem Posten finden.
({7})
Weiter: Am 15. November ist, wie allgemein bekannt, 'der erste Termin des Bundesverfassungsgerichtshofs in Sachen Gutachten für den Herrn Bundespräsidenten. In einer öffentlichen Verhandlung haben dann die verschiedenen Beteiligten die Möglichkeit, ihre 'Standpunkte darzutun. Es ist heute schon klar, daß die Abfassung dieses Gutachtens und seine Überreichung an den Bundespräsidenten nicht vor Anfang Dezember erfolgen werden. Wollen Sie unter allen Umständen der Öffentlichkeit beweisen, daß es Ihnen völlig einerlei ist, was in dem Gutachten steht, oder wollen Sie wenigstens auf das oberste Verfassungsgericht so viel Rücksicht nehmen, daß Sie mit Ihrer eigenen Beschlußfassung doch abwarten, bis von dieser authentischen Seite zur Verfassungsmäßigkeit dieser oder jener Teile des Vertragswerkes ein Meinung geäußert worden ist?!
({8})
Das ist eine andere Frage.
Dann darf ich bei dieser Gelegenheit noch auf
({9})
einen Plan aufmerksam machen, der gerade in den letzten Tagen aufgetaucht ist. Zur Beschleunigung der Prozedur in den Ausschüssen ist der, ich möchte beinahe sagen, geniale Plan aufgetaucht, die Assistenten der beteiligten Ausschüsse mit der Abfassung eines, sagen wir, Rohentwurfs des Berichts zu beschäftigen.
({10})
Ja, meine Damen und Herren, wenn Sie diese Absicht verwirklichen wollen, - wollen Sie dann nicht lieber die Abgeordneten gleich nach Hause schicken und den Assistenten die Aufgabe überlassen, dieses Vertragswerk über die Bühne zu ziehen?
({11})
Ich glaube, man sollte unter keinen Umständen seine Zuflucht zu irgendwelchen Aushilfen nehmen, sondern man sollte wirklich ganz ehrlich und sauber dieses entscheidende Vertragswerk in diesem Hause beraten, auch auf die Gefahr hin, daß es eben einige Wochen länger dauert, als es ursprünglich in den Plänen der Beteiligten lag. Damit wird nichts verloren, sondern im Gegenteil so viel für die Demokratie gewonnen, daß unsere Bevölkerung weiß: Dieses Parlament ist sich seiner Verantwortung bewußt und überstürzt nichts. Denn andere Parlamente haben offenbar gar nicht die Absicht, uns auf unseren Spuren zu folgen; und sie haben gute Gründe dafür.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes
({0})
lehnt diesen Generalkriegsvertrag ab. - Ihr Lachen ändert an dieser Ihnen genau bekannten Tatsache nicht das geringste.
({1}) Wir Kommunisten
({2})
sind der Meinung, daß diesem Antrag, den der Herr Abgeordnete Krone heute hier vorgetragen hat, im Interesse des deutschen Volkes und des Friedens nicht stattgegeben werden darf. Sowohl heute morgen im Ältestenrat wie auch jetzt aus dem Mund des Herrn Schoettle haben wir vernommen, daß die Ausschüsse, 'die Sie selbst zur Prüfung eines Teiles des Inhalts der Verträge eingesetzt haben, diese Prüfung noch nicht durchgeführt haben. Also bedeutet eine überhastete Ansetzung der Beratung nichts anderes, als diesen Bundestag und damit das ganze deutsche Volk zu überfahren. Das ist ja auch der Hintergrund des Eilbedürfnisses, das aus dem Antrag des Herrn Abgeordneten Krone herausklingt.
({3})
- Wieso kein Antrag? Er hat doch heute morgen im Ältestenrat gesagt, es müsse dabei bleiben, daß die zweite und dritte Beratung in diesen Tagen Ende November durchgeführt werden. Wieso können Sie davon sprechen, daß 'das kein Antrag ist? Natürlich ist es ein Antrag! - Aber dieses Eilbedürfnis, das aus seinen Ausführungen klingt, ist doch nichts anderes als das Eilbedürfnis des Herrn Bundeskanzlers Dr. Adenauer, und sein Eilbedürfnis resultiert aus den Aufträgen, die er von den amerikanischen Hintermännern, die hinter diesem Vertragswerk stehen, erhalten hat.
({4})
Er muß doch, vor der Entscheidung etwa durch das französische Parlament, hier in Deutschland Tatsachen schaffen, und daher dieses Eilbedürfnis.
Wir sind aber darüber hinaus an diesen technischen Einzelheiten, auch an der Stellungnahme des Bundesverfassungsgerichts wenig interessiert. Wir sind der bescheidenen Meinung, daß man den Teufel nicht mit Beelzebub austreiben kann, Herr Kollege Schoettle. Aber was wir im Interesse des deutschen Volkes fordern, ist, daß der Herr Konrad Adenauer die Geheimverträge und militärischen Klauseln, die er einem Teil seiner eigenen Fraktion 'bekanntgegeben hat, auch dem ganzen Volk zur Kenntnis bringt. Wir sind der Auffassung, da Dr. Adenauer die Existenz dieser Geheimverträge bejaht hat
({5})
und da die FDP sogar verlangt hat, daß sie veröffentlicht werden, daß es untragbar ist, daß irgendein 'deutscher Bundestagsabgeordneter dieses Hauses vor dem Volk und vor sich selber die Verantwortung übernimmt, über einen Vertrag zu entscheiden - dèr im Endeffekt das Ende der Existenz unseres Vaterlandes bedeuten wird, wenn er durchgeführt wird -,
({6})
ohne den Inhalt dieses Vertrags mit all seinen Geheimklauseln genau zu 'kennen. Wir wollen als die Behandlung der Frage mindestens so lange hinausgezögert wissen, bis die Ausschüsse ihre Berichte dem Plenum und den Abgeordneten vorgelegt haben, daß wir also auf Grund gedruckter Berichte in etwa wenigstens feststellen können, was in den Verträgen enthalten ist. Wir fordern, daß, bevor überhaupt eine neue Lesung angesetzt wird, dem deutschen Volk und vor allem dem Bundestag diese Geheimklauseln - die, ich wiederhole noch einmal, existieren - bekanntgegeben werden.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zusätzlich für die Koalitionsparteien 'erklären oder richtigstellen, daß Herr 'Krone keinen Antrag gestellt hat. Die Erörterung im Ältestenrat steht hier nicht zur Debatte. Er hat übrigens auch da keinen Antrag gestellt. Er hat keinen Antrag gestellt, sondern er hat für die Koalitionsparteien diesem Hause loyalerweise sehr frühzeitig mitgeteilt,
({0})
was beabsichtigt ist.
({1})
- Das dürfte in 'diesem Staat? noch erlaubt sein.
({2})
Ich mache Sie weiter darauf 'aufmerksam, daß es nicht die Absicht 'der Koalitionsparteien Assistenten der Ausschüsse, und mögen sie noch so intelligent sein, mit Aufgaben der 'Parlamentarier zu betrauen. Wir sind nämlich in der Einschätzung der Aufgaben der Parlamentarier, Herr Schoettle, durchaus einer Meinung.
({3})
Keine Wortmeldungen mehr? - Dann ist dieser Punkt erledigt.
({0}) - Herr Abgeordneter Schröder!
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Bemerkungen des Herrn Abgeordneten Schoettle möchte ich nicht unwidersprochen lassen.
Erstens: Es handelt sich bei dem, was von Herrn Dr. Krone vorgetragen worden ist, nicht um den Wunsch des Herrn Bundeskanzlers, -
({0})
Ich bitte, den Redner nicht am Weiterreden zu hindern!
- sondern es handelt sich um den Wunsch und den Willen der Regierungskoalition
({0})
Eine weitere Bemerkung. Es ist von einem Druck auf die Ausschüsse gesprochen worden. Wenn Terminsetzung Druck auf die Ausschüsse darstellen soll, -- nun wohl, dann ist dies ein ganz legaler Druck.
({1})
Aber ich möchte diese Gelegenheit doch einmal benutzen, den Nebel zu zerreißen, der hier offensichtlich außerordentlich freigebig gespendet worden ist. Die Texte dieses Vertragswerkes kennen wir seit Ende Mai vollständig.
({2}) Wir kennen sie zum großen Teil bereits vor Ende Mai.
({3})
Von da bis zur Ratifizierung, die angekündigt worden ist, sind es doch nicht weniger als sechs Monate. Diese sechs Monate sollten wirklich ausgereicht haben, alle und jede Frage mit einem Höchstmaß von Gründlichkeit und Verantwortungsbewußtsein zu erörtern.
({4})
Allerdings hat die Überweisung an sieben Ausschüsse - das will ich bereits in diesem Augenblick aussprechen - zu einem unerhörten Maß von nicht nur doppelter und dreifacher, sondern vierfacher Arbeit geführt.
({5})
Es hat dazu geführt, daß dieselben Fragen von denselben Fragestellern gegenüber denselben Herren, die sie zu beantworten hatten, nicht nur an einer Stelle, sondern in mehreren Ausschüssen wiederholt gestellt worden sind.
({6})
Wenn Sie sich diesen Tatbestand vergegenwärtigen, dann wird mindestens das Hohe Haus, aber vielleicht werden auch Sie selbst zu einem gerechteren Urteil darüber gelangen, ob diese Zeit voll und gründlich ausgereicht hat oder nicht.
Nun eine abschließende Bemerkung. Es ist der Termin des Bundesverfassungsgerichtes am 15. November zitiert worden. Herr Schoettle hat das mit der Bemerkung verbunden, daß es uns, da das Gutachten erst Anfang Dezember vorliegen würde, völlig einerlei sei, wie das Bundesverfassungsgericht Stellung nehme. Meine Damen und Herren, zu einer solchen Unterstellung besteht auch nicht der allergeringste Anlaß.
({7})
Wir sind uns der Tragweite jeder Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes sicherlich so gut bewußt wie irgend jemand anders in diesem Hause, ganz gleich, auf welcher Seite er steht.
({8})
Das zu erwartende Gutachten des Bundesverfassungsgerichtes enthebt uns allerdings nicht unserer Verpflichtung, hier und deutlich, und zwar in den Tagen, die wir Ihnen vorgeschlagen haben, zu sagen, welches unsere Auffassung von den Verträgen ist.
({9})
Weitere Wortmeldungen - ({0}) Die Sache scheint mir genügend ausdiskutiert.
({1})
- Das zu bestimmen ist meine Sache, Herr Abgeordneter Reimann. Zu Geschäftsordnungsfragen erteilt der Präsident das Wort nach seinem Ermessen. Ich schließe die Besprechung zu diesem Punkt.
({2})
Meine Damen und Herren, es ist der Wunsch an mich herangetragen warden, den Punkt 26 der Tagesordnung vorzuziehen:
({3})
a) Zweite Beratung des von der Fraktion der Deutschen Partei eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Art. 102 des Grundgesetzes ({4}) . ({5});
b) Zweite Beratung des von den Abgeordneten Dr. Etzel ({6}), Dr. Horlacher und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Art. 102 des Grundgesetzes ({7}). ({8})
Die erste Beratung hat zu beiden Entwürfen stattgefunden. Wird in der zweiten Beratung das Wort gewünscht? - Ich ziehe Punkt 26 a, der den weitergehenden Entwurf betrifft, vor und rufe den einzigen Paragraphen auf:
Deutscher Bundestag - 236. Bonn, Donnerstag, den 30. Oktober 1952 1086
({9})
Der Artikel 102 des Grundgesetzes für die
Bundesrepublik Deutschland vorn 23. Mai
1949 ({10}) wird aufgehoben.
Wer für die Annahme dieser Bestimmung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. ({11})
- Wenn Sie namentliche Abstimmung beantragen, ja, bitte, dann stellen Sie doch den Antrag von der Tribüne des Hauses, wie das üblich ist.
({12})
Der Antrag auf namentliche Abstimmung zu diesem Punkt der Tagesordnung ist in der vorigen Sitzung. gestellt und von 64 Abgeordneten unterzeichnet worden. Er brauchte heute nicht wieder eingereicht zu werden. Falls aber nötig, wird er hiermit wiederholt.
Herr Abgeordneter Ewers, es müssen 50 anwesende Abgeordnete diesen Antrag unterstützen.
Ich darf dazu bemerken, daß bei der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion niemals danach gefragt worden ist.
({0})
- Nein, niemals, da ein solcher Antrag infolge der Fraktionsstärke ohne weiteres als ausreichend unterstützt galt. Hier ist von 64 Abgeordneten, die keine Fraktion bilden, der Antrag gestellt worden. Aber, es ist theoretisch richtig: es müssen anwesende Abgeordnete sein. Damals waren sie anwesend; sie werden auch heute anwesend sein.
Vizäpräsident Dr. Schmid: Ich stelle die Frage: Wer unterstützt den Antrag auf namentliche Abstimmung? - Es sind mehr als 50 Abgeordnete.
({1})
Es sind mehr als 50 Abgeordnete gewesen. Wir stimmen im Wege der namentlichen Abstimmung ab. Ich bitte die Herren Schriftführer, das Erforderliche zu tun.
({2})
Haben alle Mitglieder des Hauses schon ihre Stimme abgegeben? Herr Abgeordneter Dr. Bucerius, Sie haben zwei Karten in der Hand.
({3})
Haben Mitglieder dieses Hauses ihre Stimme noch nicht abgegeben? - Ich bitte, sich zu beeilen.
Es wird mit der Auszählung begonnen. Die Abstimmung zu diesem Punkt wird geschlossen, wenn die Auszählung etwa beendet ist.
Meine Damen und Herren, der Justizminister bittet mich, Punkt 44 der Tagesordnung vorzuziehen: erste Beratung des Entwurfs eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes. Er will auf eine Begründung verzichten. Wollen auch die Fraktionen auf eine Aussprache verzichten?
({4})
-- In diesem Falle würde ich vorschlagen, den
Punkt vorzuziehen. Dann rufe ich, um die Zeit bis zum Abschluß der Auszählung auszunutzen, Punkt 44 auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Dritten
Strafrechtsänderungsgesetzes ({5}) ({6}).
Ist das Haus damit einverstanden, daß der Entwurf ohne mündliche Begründung unter Verweisung auf die schriftliche Begründung der Regierung als eingebracht gilt?
({7})
- Kein Widerspruch. Es ist wohl der Antrag zu stellen, die Vorlage an den Rechtsausschuß zu überweisen. - Kein Widerspruch. Dann gilt die Vorlage als an den Rechtsausschuß überwiesen.
Wir können vielleicht auch Punkt 45 in derselben Weise erledigen:
Beratung der Übersicht Nr. 2 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht ({8}).
Wird auch hier auf eine Begründung verzichtet?
({9})
- Auch hier ist wohl eine besondere Begründung kaum erforderlich. Das Haus stimmt dem Antrag zu. - Widerspruch erfolgt nicht. Dann ist so beschlossen.
Heute morgen hat der Ältestenrat vereinbart, daß die Vorlagen zu den Punkten 21, 22, 23 und 25 der Tagesordnung ohne besondere Begründung und ohne Aussprache verabschiedet bzw. an die zuständigen Ausschüsse verwiesen werden sollen.
Ich rufe zunächst auf Punkt 21:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({10}) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. Schatz, Strauß und Genossen betreffend Osthilfefonds zur Behebung des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Notstandes Ostbayerns ({11}).
Es liegt ein Bericht des Ausschusses vor, den Sie zur Hand haben. Der Ausschuß stellt den Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen,
den seinen Beratungen zugrunde liegenden Antrag Drucksache Nr. 2069 auf Grund der bereits getroffenen Maßnahmen durch die Bundesregierung für erledigt zu erklären.
Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen eine Anzahl von Stimmen angenommen.
Punkt 22:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Vereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Fürsorge für Hilfsbedürftige nebst Schlußprotokoll ({12}).
Hierzu soll beantragt werden, die Vorlage an den Fürsorgeausschuß zu verweisen. - Kein Widerspruch; das Haus ist einverstanden. Dann ist die Vorlage an diesen Ausschuß überwiesen.
Punkt 23:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung
der Polizeiverordnung über den Verkehr
({13})
mit giftigen Pflanzenschutzmitteln ({14});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({15}) ({16}).
({17}).
Auch hierzu ist der Ältestenrat der Meinung, daß das Haus auf die Entgegennahme des Mündlichen Berichts verzichten könnte und daß das Gesetz ohne einen solchen Bericht unmittelbar verabschiedet werden kann. Ist das Haus einverstanden?
({18})
- Herr Abgeordneter Müller, wozu wollen Sie das Wort haben?
({19})
- Der Ältestenrat ist der Meinung, daß keine Aussprache stattfinden solle.
({20})
-- Also zur Geschäftsordnung?
({21})
- Bitte!
Meine Damen und Herren! In der Regierungsvorlage dieses Gesetzes war vorgesehen, daß der Bundesminister des Innern im Einvernehmen mit dem Minister für Ernährung und Landwirtschaft die Entscheidung trifft. Das ist jetzt in dem Ausschuß für Gesundheitswesen geändert worden in: „im Benehmen mit dem Minister für Ernährung und Landwirtschaft". Ich bitte das Hohe Haus, das Gesetz nunmehr auch noch dem Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft zu überweisen, damit er zu dieser für ihn entscheidenden und wichtigen Änderung Stellung nehmen kann. Ich glaube, ich kann mir angesichts der vorgerückten Zeit die Begründung ersparen.
Das Wort zu diesem Antrag wird nicht gewünscht. Ich stelle ihn zur Abstimmung. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die überwiegende Mehrheit. Damit ist die Vorlage an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten verwiesen.
Ich rufe auf Punkt 24 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Steinbiß und Genossen betreffend Vorlage eines Gesetzes zur Ordnung des Hebammenwesens ({0}).
Hier schlägt der Ältestenrat einmütig vor, den Antrag ohne Begründung und ohne weitere Aussprache dem Ausschuß für Gesundheitswesen zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch; dann ist so beschlossen.
Nun Punkt 25 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes ({1});
Schriftlicher Bericht*) des Ausschusses für
Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz ({2}) ({3}). ({4})
Auch hier ist der Ältestenrat der Auffassung, daß auf die Erstattung des Mündlichen Berichts verzichtet werden könnte. Ist das Haus damit einverstanden?
({5})
Dann kommen wir zur zweiten Beratung. Art. 1! - Keine Wortmeldung. Art. 2! - Art. 3! - Einleitung und Überschrift! - Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Die zweite Beratung ist geschlossen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest. Da es sich um die Zustimmung zu einem zwischenstaatlichen Vertrage handelt, entfällt .die sonst übliche Schlußabstimmung.
Damit sind diejenigen Punkte der Tagesordnung erledigt, die 'der Ältestenrat ohne Begründung und Aussprache zu beschließen vorgeschlagen bat.
Meine Damen und Herren, das vorläufige Ergebnis**) der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Fraktion der DP auf Nr. 3679 der Drucksachen ist folgendes. Es wurden 329 Stimmen abgegeben, dazu 18 Stimmen von nicht stimmberechtigten Berliner Abgeordneten. Von diesen 329 Mitgliedern des Hauses haben mit Ja 103, mit Nein 216 Mitglieder des Hauses gestimmt. Der Stimme enthalten haben sich 10.
Von den Berliner Abgeordneten hat einer mit Ja gestimmt, 16 mit Nein und ein Mitglied aus Berlin hat sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich rufe auf: Einleitung und Überschrift. Ich halte es ja für überflüssig, das zu tun; aber um der Geschäftsordnung zu genügen, muß ich diese Frage an das Haus stellen.
Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das ist die überwältidende Mehrheit; auch dieser Teil des Entwurfs ist abgelehnt. Damit entfällt eine weitere Beratung des Antrags Drucksache Nr. 3679.
Zu Drucksache Nr. 3702 hat das Wort der Abgeordnete Dr. Decker.
Ich beantrage, über diesen Punkt namentlich abzustimmen, und bitte den Herrn Präsidenten, die Unterstützung festzustellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.
Meine Damen und Herren! Es mag merkwürdig sein, daß gerade ich mich berufen fühle, zu der Frage zu sprechen. Aber da kommt folgendes in Betracht. Herr Justizminister
Siehe Anlage 1 Seite 10909
**) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 10908
({0})
Dr. Dehler hat eine wunderbare humanitäre, von
sophistischen Aspekten getragene Rede gehalten,
({1})
die einen ja manchmal begeistern kann und in der er gesagt hat, es sei so schön, daß der Abgeordnete das Recht habe, die höhere Intelligenz gegenüber seinen Wählern zu markieren, damit seine Wähler von dieser höheren Intelligenz besonders begeistert seien.
({2})
- Ja, aber ich habe das so ausgelegt! ({3})
- Das ist doch schön von mir; das ist doch keine Beleidigung für den Herrn Justizminister. Das war eine besondere Ehrenrettung, und ich habe mich darüber gefreut und habe herabsetzenden Bemerkungen meinerseits nicht zugestimmt.
Aber dazu kommt jetzt folgendes in Betracht. Nach solchen Gesichtspunkten entscheidet der gesunde Instinkt des Volkes nicht.
({4})
Wir haben uns darauf beschränkt, die Todesstrafe für die eigentlichen Kapitalverbrechen zu beantragen, und zwar nicht bei Indizienbeweisen - das lehnen auch wir ab -, sondern für die Fälle, wo das gesunde Volksempfinden sagt, - ({5})
Es muß das gesunde Volksempfinden - - ({6})
- Haben Sie immer krankes Volksempfinden? - Nein; das gesunde Volksempfinden sagt: Es gibt eine gewisse Grenzlinie, über die man nicht hinausgehen kann.
({7})
Und jetzt kommt ein wesentlicher Gesichtspunkt. Ich habe letzthin von einem Besuch jüngerer Juristen bei den bayerischen Zuchthäusern gehört, wo d i e Leute versammelt sind. Machen wir nur so weiter! Jedes Jahr kommt ein Prozentsatz immer mehr von diesen asozialen Elementen in unsere Zuchthäuser hinein. Von Jahr zu Jahr werden wir direkt zu einer Panoptikumssammlung von Mördern und Verbrechern, die in diesen Zuchthäusern sitzen und die sich ständig ergänzen,
({8})
die ein langes Leben haben und die sich ständig erneuern, bei denen der Abgang aber nicht so groß ist wie die Erneuerung.
({9})
Das ist die gesunde Auffassung des Volkes.
({10})
Ich will sogar den Versuch machen - das ist eine schwerwiegende Frage, deswegen würde ich dafür sein; nach der Geschäftsordnung ist ja eine Überweisung an den Ausschuß jederzeit möglich -, dieses Gesetz hier - das beschränkte Gesetz ({11})
dem Rechts- und Verfassungsausschuß zu überweisen, damit dieser sich mit der Frage beschäftigen kann. Dazu ist eine namentliche Abstimmung nicht notwendig.
Für den Fall, daß dieser Antrag auf Überweisung (C an den Rechts- und Verfassungsausschuß abgelehnt würde, bin ich natürlich auch dafür, daß dann über den eigentlichen Gesetzentwurf namentlich abgestimmt wird. Ich würde das Hohe Haus bitten, so zu verfahren.
Ich stelle den förmlichen Antrag, unseren Gesetzesantrag an den Rechts- und Verfassungsausschuß zu überweisen.
Keine weitere Wortmeldung. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den eben gestellten Antrag auf Verweisung an den Rechts- und Verfassungsausschuß. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es bestehen Zweifel über das Ergebnis der Abstimmung; wir müssen durch Hammelsprung entscheiden. Ich bitte, den Saal zu räumen.
({0})
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({1}) ,
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Abstimmung ist geschlossen.
Das Ergebnis der Abstimmung lautet: Mit Ja haben 144 Mitglieder des Hauses gestimmt, mit Nein 164, enthalten haben sich 4. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.
Nunmehr ist der Antrag gestellt, über die Sache selbst namentlich abzustimmen. Wird dieser Antrag aufrechterhalten?
({2})
- Dann habe ich zunächst festzustellen, ob der Antrag die notwendige Unterstützung findet. Ich bitte um ein Handzeichen. - Das sind zweifelsfrei (1 mehr als 50 Mitglieder des Hauses. Dann stimmen wir im Wege der namentlichen Abstimmung ab.
Ich bitte (die Herren Schriftführer, mit der Einsammlung zu beginnen.
({3})
Meine Damen und Herren, hat ein Mitglied dieses Hauses, das sich an der Abstimmung beteiligen will, seine Stimme noch nicht abgegeben?
- Ich stelle fest, daß sich alle Mitglieder des Hauses an der Abstimmung beteiligt haben. Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.
({4})
Ich schlage Ihnen vor, daß wir, während ausgezählt wird, Punkt 20 erledigen:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inkraftsetzung neuer Vertragszollsätze gegenüber Spanien ({5}) in Anpassung an den am 1. Oktober 1951 in Kraft getretenen deutschen Zolltarif ({6});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({7}) ({8}).
({9})
Hier hat der Ältestenrat vereinbart, daß auf Aussprache verzichtet werden soll. Ist das Haus bereit, ohne einen besonderen mündlichen Bericht und ohne Aussprache Beschluß zu fassen? - Kein Widerspruch.
Dann treten wir in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. I, - Art. II, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Be({10})
stimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen eine Anzahl von Stimmen angenommen. Schluß der zweiten Beratung.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen.
Wir treten ein in die Einzelberatung: Art. I, - Art. II, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Stimmen angenommen.
Eine Schlußabstimmung entfällt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, es wird mir mitgeteilt, daß vereinbart worden ist, daß Punkt 7 a bis c der Tagesordnung - die Vorlagen betreffend den Kapitalmarkt - unmittelbar nach der Mittagspause behandelt werden sollte. Ich schlage Ihnen vor, daß nunmehr dieser Punkt vorgezogen und zur Beratung gestellt wird. Ist das Haus einverstanden
({11})
- Wird Widerspruch erhoben?
({12})
Es wird mir soeben von den Herren Schriftführern gesagt, daß ich mich geirrt hätte, daß vereinbart worden sei, Punkt 3 unmittelbar zu behandeln. Damit entfällt mein Vorschlag.
({13})
Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Scharnberg das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute morgen beantragt, daß der Punkt 7 -Kapitalmarktförderung, Kapitalverkehr und Dividendenabgabeverordnung
- unmittelbar nach der Mittagspause behandelt wird. Es ist eine ganze Reihe von Punkten vorgezogen worden, ohne daß wir dagegen Widerspruch erhoben haben. Wir müssen aber bitten, daß dieser Punkt der Tagesordnung jetzt erledigt wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Richter zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will gern zugeben, daß der Punkt 7 - a) Förderung des Kapitalmarkts durch steuerliche Begünstigung festverzinslicher Wertpapiere, b) Kapitalverkehr, c) Aufhebung der Dividendenabgabeverordnung - äußerst wichtig und bedeutsam ist. Aber ich glaube, daß der Punkt
3 a bis c - die Renten der Kriegsopfer betreffend - und folgende, bis f, ebenso wichtig und bedeutsam ist. Es ist eine wichtige sozialpolitische Angelegenheit. Heute morgen wurde erklärt, daß dieser Punkt 3, der ursprünglich sofort heute morgen beraten werden sollte, gleich heute nachmittag nach der Mittagspause in Angriff genommen werden sollte. Ich bitte deshalb das Haus, so zu verfahren.
({0})
Ja, meine Damen und Herren, das ist nun von hier aus nicht so einfach
zu entscheiden; es herrschen zwei sich widersprechende Auffassungen vor.
({0}) Hier in dem Protokoll ist zu lesen:
Ich darf unterstellen,
- hat der Herr Präsident gesagt -
daß Sie damit einverstanden sind, daß der Punkt 3 der Tagesordnung bis nach der Mittagspause zurückgestellt wird, weil heute morgen in Bonn das sogenannte Kriegsopferparlament tagt. - Das Haus ist mit dieser Veränderung einverstanden.
Aus diesem Text geht zweifellos hervor - daran ist nichts zu ändern -, daß nach der Mittagspause der Punkt 3 behandelt werden sollte. Wollen Sie nun noch einen Änderungsantrag dazu stellen? Ich weiß nicht, ob sich das empfiehlt. Ich möchte doch empfehlen, der heute morgen getroffenen Vereinbarung zu folgen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Maßnahmen zur Angleichung der Renten der Kriegsopferversorgung und der Sozialversicherung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten ({1});
b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Dr. Probst, Eckstein, Stücklen und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes ({2});
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Dr. Probst, Eckstein, Stücklen und Genossen betreffend Gewährung einer 13. Monatsrente für Kriegsopfer und Angehörige von Kriegsgefangenen ({3});
d) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Zahlung einer einmaligen Zulage zu den Versorgungsbezügen auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes und auf Grund des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen ({4});
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes ({5});
f) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Zuschlag zu den Renten in der Sozialversicherung ({6});
g) Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betreffend Weihnachtliche Kameradschaftshilfe des deutschen Volkes ({7});
h) Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({8}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Winterbeihilfe ({9}).
Ich glaube, wir machen es am zweckmäßigsten so, daß wir alle Anträge begründen lassen, soweit das Wort zur Begründung gewünscht wird. Der Ältestenrat hat für die Aussprache eine Redezeit von insgesamt 60 Minuten vorgesehen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
({10})
Zuerst also Punkt 3 a. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das scheint nicht der Fall zu sein.
Dann kann ich Punkt 3 b aufrufen. Wird das Wort dazu gewünscht? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Probst.
Frau Dr. Probst ({11}), Antragstellerin: Meine sehr geehrten Herren und Damen! Die Arbeit des Bundestages auf dem Gebiet der Sozialpolitik im Laufe der letzten zwei Jahre ist gekennzeichnet durch das Bemühen, durchaus im Rahmen der gesamtdeutschen Schicksalsverbundenheit und der Verantwortung gegenüber den Schaffenden
({12})
wie gegenüber der deutschen Wirtschaft und der deutschen Währung eine Angleichung der Sozialbezüge an die gestiegenen Lebenshaltungskosten vorzunehmen und andererseits eine entsprechende Relation zu den erhöhten Arbeitseinkommen zu erreichen. Das Hohe Haus war sich darüber einig, daß die gestiegenen Lebenshaltungskosten die 25 %ige Anhebung der Sozialversicherung durch das Rentenzulagengesetz vom 10. August 1951 notwendig machten, nachdem das Sozialversicherungsanpassungsgesetz schon 1949 eine erste Ausweitung der Sozialversicherung nach dem Kriege und der Währungsreform gebracht hatte. Dabei wurden die Kinderzuschüsse in der Sozialversicherung im allgemeinen sogar um 331/3 % erhöht.
Die Interpellation der CDU/CSU beweist, daß die Fraktion der Auffassung ist, es müsse ein Weiteres getan werden, um die Sozialversicherung den veränderten Verhältnissen anzupassen. In diesem Zusammenhang muß auf die Verbesserung hingewiesen werden, die durch die Milderung der §§ 1274, 1275 und 1279 der Reichsversicherungsordnung erzielt worden ist, die der Bundestag am 18. Juli 1952 in zweiter und dritter Lesung verabschiedet hat.
Das Unfallrentenzulagengesetz, das am 3. Mai 1952 verabschiedet wurde, bedeutet in zeitlicher Staffelung eine Zulage von 5 bis 25 %. Ich beziehe mich auf Herrn Staatssekretär Sauerborn bei der Feststellung, daß die durchschnittliche Rente der Sozialversicherung sich im Vergleich zu dem Verhältnis vor der Währungsreform der doppelten Höhe nähert, trotzdem aber die .heutige Höhe der Sozialversicherung noch nicht befriedigt.
Es sei in diesem Zusammenhang an das Teuerungszulagengesetz vom 10. August 1951 zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln erinnert,
({13})
das mit einem Änderungsgesetz am 3. April 1952 endgültig verabschiedet wurde. Dieses Gesetz schließt schon in seinem Namen die Anerkenntnis der tatsächlich gegebenen Situation in sich. Daß dieses Gesetz in der vorliegenden Fassung seinen Zweck nicht erfüllt und in der Praxis nicht funktioniert, sei in diesem Zusammenhang nur am Rande erwähnt.
Ich darf ferner Bezug nehmen auf die allgemein bejahte Erhöhung der Beamtengehälter und Pensionsbezüge um 20 % sowie die Gewährung eines einmalig gezahlten halben Monatsgehalts für die Beamten und Pensionisten. Die Fraktion der CDU/ CSU hat in ihrer Großen Anfrage vom 8. Oktober 1952 betreffend Notstandsmaßnahmen für Beamte
und Behördenangestellte dargetan, daß mit diesen Maßnahmen die Gehälter der Beamten und Behördenangestellten in keiner Weise mit der Entwicklung der Lebenshaltungskosten Schritt gehalten haben, sondern hinter der Entwicklung zurückgeblieben sind. Mit Recht hat meine Fraktion darauf hingewiesen, daß die weitere Aufrechterhaltung dieses Zustandes schlechthin nicht mehr tragbar ist.
Es sei ferner die Erhöhung der Fürsorgerichtsätze in den Ländern und Gemeinden angeführt,
({14})
und auch die Erhöhung der Altmieten muß in diesem Zusammenhang gesehen werden.
Das Bundesversorgungsgesetz für die Kriegsopfer befindet sich dagegen heute noch auf dem Stand vom Oktober 1950. Es kann nicht gesagt werden, daß das Bundesversorgungsgesetz von vornherein überhöht gewesen sei, wie z. B. der Vorsitzende der Gesellschaft für Versicherungswissenschaft und -gestaltung schon im November 1950, also kurz nach Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes, glaubte behaupten zu können. Der Antrag des Sozialpolitischen Ausschusses der Gewerkschaften, der der Bundesregierung im Frühjahr dieses Jahres zugeleitet wurde, wonach die Unfallversicherung anzuheben sei an die vermeintliche Höhe des BVG, ist deshalb nicht begründet, weil er die Tatsache außer acht läßt, daß das der Unfallversicherung zugrunde liegende angenommene Arbeitseinkommen die Gewährung einer bedeutend höheren Rente zuläßt, als sie im BVG vorgesehen ist.
Lassen Sie sich, meine Herren und Damen, konkrete Beispiele geben. Die Rente eines unverheirateten 50% oig erwerbsgeminderten Amputierten (I beträgt 65 DM. Der 50% ige Erwerbsminderungsgrad umfaßt so schwere Fälle wie z. B. die Amputation sämtlicher Finger einschließlich des Daumens einer Hand oder eine Unterschenkelamputation mit verletztem oder behindertem Kniegelenk, eine Hirnverletzung mit stärkerer Funktionsstörung usw. Die Sozialzuschläge für Frauen und Kinder in diesem Fall betragen nur 10 DM. Der Beschädigte ist also gezwungen, zu arbeiten, wenn er leben will. Wenn er 170 DM verdient, entfällt bereits die Ausgleichsrente. Es bleiben 25 DM Grundrente.
Lassen Sie mich hier ein Wort einfügen zu der Frage der Grundrente. Sie wird gegeben als ein Ausgleich für den anatomischen Schaden und seine Folgen. Die Grundrente enthält keine wirtschaftliche Komponente. Sie entspricht dem Anrecht auf den gleichen Start im Beruf und Lebenskampf, sie dient zur Milderung der Folgen der erhöhten Kraftanstrengung und der durch den anatomischen Schaden verursachten Erschwernis und Gefährdung des Weges zur Arbeit. Der Schwerbeschädigte hat überhaupt erhöhte Aufwendungen für Fahrtkosten für sich und damit auch für die Familie. Ein Weiteres: Bei den Kriegsbeschädigten entfällt die zusätzliche Arbeitsleistung nach dem Feierabend. Er ist körperlich einfach nicht mehr dazu imstande. Das Wort: „Die Axt im Hause erspart den Zimmermann", gilt nicht für den Kriegsbeschädigten. Er braucht den Zimmermann!
Zusammenfassend sei festgestellt: die Grundrente bildet. eine unerläßliche Voraussetzung für die Entfaltung des Leistungswillens, auf dem dieses moderne Sozialgesetz aufgebaut ist. An der Grundrente zu rütteln, würde eine Zerstörung der
({15})
Gesamtstruktur des BVG bedeuten, zu der sich alle Parteien dieses Hohen Hauses in geradezu feierlicher Form bekannt haben. Im übrigen würde eine Kontrolle der Grundrente auf die Bedürftigkeit hin eine außerordentliche und ständige zusätzliche Verwaltungsarbeit verursachen, die in keinem Zusammenhang mit dem erzielten Effekt steht.
({16})
Ein Weiteres: das Bundesversorgungsgesetz kennt keine Bagatellrenten. Der 40% ig erwerbsgeminderte Bauer, der mit einer Unterschenkelamputation über seinen Acker hinter dem Pflug herzugehen gezwungen ist, braucht die geringe Grundrente von 20 DM, um wenigstens einen Teil der zusätzlichen Aufwendungen abzugleichen, die er infolge seines anatomischen Schadens für eine fremde Arbeitskraft aufzubringen gezwungen ist. Die Kriegerwitwe mit drei Kindern hat für sich 70 DM, für jedes Kind 31 DM. Das sind insgesamt 163 DM Vollrente für vier Personen. Sie ist nicht in der Lage, zusätzliche Arbeit zu verrichten, soll sie der ersten und wichtigsten Aufgabe genügen, Mutter und Erzieherin ihrer Kinder zu sein. Sie hat ja nicht nur aufzukommen für den materiellen, sondern auch für den seelischen Unterhalt der Familie.
Die Erziehungsbeihilfen, die nach § 27 des BVG gegeben werden, sind nach dem derzeitigen Stand des Erlasses zur Durchführungsverordnung, über den allerdings noch zu reden sein wird, an den doppelten Fürsorgerichtsatz plus Wohnungsgeld gebunden.
Meine Herren und Damen, wir haben die Situation, daß die Leistungen des BVG nach dem Stande vom Oktober 1950 zum Ziele hatten, die Kriegsopfer aus dem Status des Fürsorgeempfängers herauszunehmen und den 100% ig Kriegsbeschädigten eine Rente zu geben, die ein Kulturminimum gewährleistet. Durch die Anhebung der Fürsorgerichtsätze haben wir aber heute die Tatsache zu verzeichnen, daß die Renten des BVG, die noch auf dem Stand von 1950 festgehalten sind, vielfach unter die Fürsorgerichtsätze abgesunken sind. Dieser Tatbestand ist für den Personenkreis der Kriegsopfer um so bedrohlicher, als die Teuerungszulagen, die zum Arbeitslohn, zur Sozialversicherung oder zur Beamtenpension gegeben_ werden, durch die zu enge Einkommensfreigrenze einbehalten werden. Das Hohe Haus hat bereits im Mai dieses Jahres einer ersten Anhebung der Einkommensfreigrenzen des BVG um 10 % für den Personenkreis der Kriegsbeschädigten und Kriegerwitwen bzw. der Frauen der Kriegsgefangenen sowie um 50 % bei einem Elternteil und um 40 % bei Elternpaaren zugestimmt. Der Antrag Drucksache Nr. 3785 beinhaltet die Ausdehnung und damit die Abrundung der Ausweitung der Einkommensfreigrenzen für die Frauen und die Kinder des Beschädigten und für die Waisenkinder bzw. die ,Kinder der Kriegsgefangenen um 5 DM, das sind 33,3 %. Damit sollen die Sätze des BVG auf die Teuerungszuschläge der übrigen Sozialgesetze abgestimmt werden.
Der Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Gewährung einer doppelten Monatsrente will eine Abgeltung der Teuerung für die Monate der Jahre 1951 und 1952 erreichen, in denen der Preisindex von 149 auf 168 gestiegen ist und sogar Spitzen bis 172 zu verzeichnen hatte. Dabei bedarf die Frage, ob die Gewährung dieser doppelten Monatsrente nun im ganzen oder in Teilen - im Dezember und Januar - zu geschehen hat, noch der näheren Beratung.
Eine Bemerkung sei mir hier gestattet. Das Bundesversorgungsgesetz, zu dem sich dieses Hohe Haus einmütig bekannt hat, hat zum Ziele, den Kriegsopfern eine echte Versorgung als Rechtsanspruch zu gewähren. Das bedeutet einmal die Abkehr von dem Prinzip einer versicherungsmathematisch errechneten Abfindung. Es bedeutet aber gleichermaßen eine Abkehr von jedem Wohlfahrts- oder Almosencharakter. Gerade im Zusammenhang mit den anstehenden Anträgen einer anderen Fraktion dieses Hauses möchte ich sagen: dieser Standpunkt, daß das Bundesversorgungsgesetz nichts mit Almosen und mit Wohlfahrt zu tun hat, hat auch heute noch seine volle Geltung.
({17})
So bitte ich das Hohe Haus, die beiden Anträge Drucksachen Nrn. 3785 und 3786 dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen. Ich darf dabei den Wunsch äußern - und ich glaube, daß ich für uns alle diese Versicherung abgeben kann -, daß die Arbeit im Ausschuß mit allem gebotenen Verantwortungsbewußtsein so rasch wie nur möglich durchgeführt wird, um den Kriegsopfern die möglichst baldige Erfüllung dieser Sofortmaßnahmen zu gewährleisten.
({18})
Meine Damen und Herren! Bevor ich das Wort weitergebe, gebe ich das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Etzel ({0}) und Genossen, Drucksache Nr. 3702, Punkt 2613 der Tagesordnung, bekannt. Es haben sich an der namentlichen Abstimmung 323 Abgeordnete und 18 Berliner Abgeordnete beteiligt. Mit Ja haben 134 Abgeordnete, mit Nein 175 Abgeordnete, bei 14 Enthaltungen, gestimmt. Von den Berliner Abgeordneten haben mit Ja ein Abgeordneter, mit Nein 15 Abgeordnete, bei zwei Enthaltungen, gestimmt. Damit ist dieser Gesetzentwurf in zweiter Beratung abgelehnt und somit endgültig erledigt.
Wer begründet den Antrag zu Punkt 3 d, Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion betreffend einmalige Zahlung einer Zulage zu den Versorgungsbezügen auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes? - Frau Abgeordnete Schanzenbach, bitte.
Meine Damen und Herren, ich mache gleich darauf aufmerksam, daß wir eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vereinbart haben und nicht eine Einzelredezeit von 60 Minuten für jeden Punkt der Tagesordnung, wie es optimistischerweise unterstellt wurde.
Frau Schanzenbach ({1}), Antragstellerin: Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 3789 legt Ihnen die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei den Entwurf eines Gesetzes über die Zahlung einer einmaligen Zulage zu den Versorgungsbezügen auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes und auf Grund des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen vor. Der Gesetzentwurf verlangt, daß als Ausgleich für die in der Zeit vor dem 1. Dezember 1952 durch
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10908
({2})
die Preiserhöhungen eingetretene Rentenminderung eine einmalige Zahlung in Höhe der Versorgungsbezüge, die für den Monat Dezember 1952 zu leisten sind, gewährt wird.
Wir alle kennen die wirtschaftliche Not der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen aus eigener Erfahrung und aus den Zuschriften, die uns tagtäglich aus den Kreisen dieser Hilfsbedürftigen zugehen, sowie aus den Forderungen der Verbände. Wir wissen auch alle, daß gerade in diesen hilfsbedürftigen Kreisen durch die Preiserhöhungen für Lebensmittel, Wohnung, Heizung usw. eine ausgesprochene Not entstanden ist. Infolge der Preiserhöhungen für die lebensnotwendigen Güter hat sich die Rente in ihrem Wert ungeheuer gemindert. Die Rentenversorgung, die wir heute für die Kriegsopfer haben, ist absolut unzureichend. Sie reicht kaum, um die Menschen genügend zu ernähren und ihnen den nötigen Wohnraum zu gewähren. Wo bleibt bei dieser Notlage die Möglichkeit der Versorgung auf den Winter hin? Wo bleibt die Möglichkeit, eine ausreichende Kleidung zu beschaffen?
Frau Dr. Probst hat vorhin schon festgestellt, daß die Renten, die die Kriegsopfer heute bekommen, zum Teil unter dem Richtsatz der allgemeinen Fürsorge liegen. Ich darf hier noch besonders die Rentenbezieher in der französischen Zone hervorheben, die durch die Umberentung sowieso schon eine Rentenminderung, zum Teil bis zu 100 DM, erlitten haben. Die Verschlechterung gerade in der französischen Zone ist an der Lebenshaltung der einzelnen Familien deutlich zu bemerken.
Wir haben die Tatsache zu verzeichnen, daß die Löhne und Gehälter der Teuerung teilweise angepaßt worden sind; aber die Versorgungsrenten sind so geblieben, wie sie 1950 festgesetzt worden sind. Das Teuerungszulagengesetz ist völlig unwesentlich; es hat für diese hilfsbedürftigen Kreise keine Verbesserung gebracht. Da in der Rentenversorgung bisher kein Ausgleich geschaffen worden ist, ist den Menschen nichts anderes übrig geblieben, als den Weg zum Fürsorgeamt zu gehen. Aber, meine Damen und Herren, ist das der Sinn einer Versorgung? Darf sich eine Regierung davor drücken, Verpflichtungen, die sie übernommen hat, zu erfüllen? Kann sie es sich leisten, daß eine Verlagerung zuungunsten der Kreise und Gemeinden dadurch eintritt, daß die Menschen darauf angewiesen sind, Fürsorgeunterstützung in Anspruch zu nehmen?
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Und vor allen Dingen: Können wir es den Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen zumuten, den bedrückenden Weg zum Wohlfahrtsamt, den sie schon seit Monaten machen müssen, weiter zu gehen? In einer Zeit, in der die Frage des Wehrbeitrags im Vordergrund steht, hat die Regierung die Verpflichtung, in allererster Linie dafür zu sorgen, daß den Beschädigten und Hinterbliebenen der letzten beiden Weltkriege in jeder Beziehung eine ordentliche Versorgung zuteil wird.
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Diese ist heute aber nicht vorhanden; denn die Familien sind z. B. nicht in der Lage, aus den Renten für den Winter vorzusorgen. Wenn es die Regierung fertiggebracht hätte, rechtzeitig die entsprechende Rentenerhöhung durchzuführen, wären die hilfsbedürftigen Kreise der Kriegsopfer auf den Winter hin nicht in einer geradezu katastrophalen Notlage. Da wir das erkennen, meine Damen und Herren, ist es dringend notwendig, daß wir sofort einen Ausgleich schaffen, um die größte Not zu beheben und vor allen Dingen die Unzufriedenheit der Kriegsopfer nicht noch weiter zu schüren.
Die Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen haben einen Rechtsanspruch auf Versorgung. Ich möchte das heute noch einmal ganz deutlich herausstellen.
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Sie dürfen nicht auf die Wohltätigkeit anderer angewiesen sein und dürfen nicht als Almosenempfänger behandelt werden. Es liegt uns heute ein Antrag vor, der von einer Kameradschaftshilfe spricht. Diese Art der Versorgung und Betreuung müssen wir ablehnen.
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Die Kriegsopfer sind keine Almosenempfänger, sondern Menschen, die dem Staat gegenüber einen Rechtsanspruch haben.
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Um einen Ausgleich zu schaffen für die bisher unterlassene Rentenerhöhung, fordert die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei eine einmalige Beihilfe in Höhe der Versorgungsbezüge, die für den Dezember 1952 zu zahlen sind. Die Auszahlung soll mit der Dezember-Zahlung erfolgen. Da die im Etat vorgesehenen Mittel für die Kriegsopferversorgung nicht voll ausgegeben wurden, dürften die für dieses Gesetz notwendigen Mittel noch im Etat vorhanden sein.
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Wir nehmen an, daß alle Abgeordneten dieses Hauses die Notwendigkeit eines zusätzlichen einmaligen Ausgleichs für die Kriegsopfer anerkennen. Wir bitten, den Antrag Drucksache Nr. 3789 zur sofortigen Behandlung dem Kriegsopferausschuß und dem Haushaltsausschuß zu überweisen.
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Wer begründet den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 3790? - Frau Abgeordnete Dr. Hubert!
Frau Dr. Hubert ({0}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir im September 1950 das Bundesversorgungsgesetz verabschiedeten, waren wir uns alle klar, daß es eine Reihe von Mängeln aufwies. Die Herabsetzung der Versorgungsbezüge in der französische Zone mußte große Härten mit sich bringen, ebenso wie die Nichtgewährung von Ausgleichsrenten für die zu 30 und 40 % Erwerbsgeminderten. Ebenso unbefriedigend war auch das Ruhenlassen der Grundrente für die Witwen unter 40 Jahren und die Art der Anrechnung der Sozialversicherungsrenten auf das Einkommen.
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Wir alle waren aber damals der Überzeugung, daß dieses Bundesversorgungsgesetz ein Anfang sein sollte, eine erste 'Grundlage, der sehr bald Erweiterungen und Verbesserungen in der Form von Novellen folgen müßten.
Die lange Verzögerung der Verwaltungsvorschriften nahm 'dem Gesetz schon einen Teil seiner Wirkung als eine Maßnahme der sozialen Befriedung, und die Umanerkennung der Renten brachte große Enttäuschungen mit sich. Statt daß nun aber 'im
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Laufe der letzten zwei Jahre, in denen ja, wie die Bundesregierung behauptet, die Bundesrepublik einen wirtschaftlichen Aufschwung nahm, auch den Kriegsopfern notwendige Verbesserungen gebracht wurden, mußten diese eine Verschlechterung ihrer Bezüge hinnehmen dadurch, daß die Kaufkraft der Renten nicht erhalten blieb und sich minderte. Der Lebenshaltungsindex ist von 149 auf 168 gestiegen, wie selbst der Antrag der Frau Abgeordneten Probst feststellt.
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- Von der CDU kommend, so daß angenommen werden kann, daß die Zahl bestimmt nicht zu hoch gegriffen ist.
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- Ja, Zahlen sind Zahlen. - Sie beziehen sich auf diese Zahl und stellen damit die Teuerung, die sich in unseren Lebenshaltungskosten zeigt, auch selber fest. Daß angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten eine Notlage der Kriegsopfer anerkannt wird, zeigt auch die Fülle der Anträge, die sich heute mit dieser Frage und mit der Lage der Kriegsopfer beschäftigen.
Teuerungszulagen sind für die Kriegsopfer nicht gewährt. Am schwersten ist die Lage derjenigen, die nur auf ihre Versorgungsbezüge angewiesen sind. Besonders bei den Witwen besteht große Sorge darum, wie sie die Erziehung und Ausbildung ihrer Kinder durchführen können. Denn, wie schon angeführt, die Renten reichen ja kaum zur Bestreitung des notwendigsten Lebensunterhalts aus. Gerade die Ausbildung und die Erziehung der Kinder der Kriegsgefallenen sollte uns aber ein besonderes Anliegen sein.
Das Grundgesetz gibt in seinem Art. 74 unter Ziffer 10 der Bundesregierung und dem Bund den Auftrag, die Versorgung der Kriegsopfer durchzuführen. „Versorgung", das bedeutet eine ausreichende Versorgung, eine Versorgung, die so sein muß, daß man sie nicht etwa durch Hilfsmaßnahmen irgendwelcher Art ersetzen kann. Ich glaube, es ist beschämend,, daß die Bundesregierung anscheinend erst einer Anregung durch das Parlament bedarf, um Maßnahmen zu ergreifen, die die herabgedrückten Bezüge der Kriegsopfer wieder ausgleichen und den heutigen Lebenshaltungskosten angleichen.
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Wir haben in den letzten zwei Jahren an diesem Kriegsopferversorgungsgesetz eine Reihe von Erfahrungen sammeln können. Daraus ergibt sich, daß die wichtigste und dringendste Hilfe darin bestehen muß, eine Erhöhung der Grundrenten vorzunehmen, da ja die Grundrente dazu dienen soll, den Mehraufwand der Kriegsbeschädigten zu decken, und diese Erhöhung der Grundrenten die gestiegenen Kosten des Mehraufwandes auffangen kann.
Das Zweitwichtigste ist eine Erhöhung der Einkommensfreigrenzen. Es ist doch so, daß jede Anstrengung des Kriegsversehrten oder auch der Hinterbliebenen, ihre Lebensbedingungen zu verbessern, und auch jede Lohnerhöhung durch die Anrechnung der Ausgleichsrenten wieder verloren geht. Desgleichen müßte in diesem Zusammenhang die Anrechnung der Sozialversicherungsrenten neu' geregelt werden.
Ein besonderes Kapitel, das zu Sorge Anlaß gibt, sind die Pflegezulagenempfänger. Wenn Sie bedenken, meine Damen und Herren, daß die Pflegezulage schon im Jahre 1927 100 Mark betrug, so ist es wohl einleuchtend, daß heute eine. Pflegezulage in dieser Höhe keinesfalls mehr genügen kann.
Auch die Kinderzulage in der Kriegsopferversorgung müßte den Kinderzulagen, wie sie anderen Empfängern von Bezügen zugebilligt werden, angeglichen werden. Was die Witwen anlangt, so glaube ich, daß man auch die Frage des Ruhens der Grundrenten neu entscheiden muß, so wie man auch die Witwen in die Kapitalabfindung einbeziehen sollte.
Um die dringendsten Angleichungen der Versorgungsbezüge der Kriegsopfer und -hinterbliebenen an die heutigen gestiegenen Lebenshaltungskosten, an das neue Lohn- und Preisgefüge durchzuführen, möchte meine Fraktion mit dem Antrag Drucksache Nr. 3790 der Bundesregierung den Auftrag erteilen, ein Gesetz vorzulegen, das Gesetzesänderungen zur Angleichung dieser Bezüge vornimmt. Ich bitte Sie, diesen Antrag dem Ausschuß für Kriegsopferfragen federführend und dem Haushaltsausschuß zu überweisen.
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Herr Abgeordneter Pohle wünscht das Wort zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte den Herrn Präsidenten um Verzeihung, wenn ich mich auf einem krummen Wege - über die Geschäftsordnung - zu einem Wort hier eingeschlichen habe. Aber, meine Damen und Herren, ich möchte an alle Fraktionsführer dieses Hauses die Bitte richten, an die Herren Fraktionsmitglieder weiterzumelden, daß im Augenblick in diesem Hause Kriegsopferfragen und Kriegshinterbliebenenfragen behandelt werden.
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Es ist unmöglich, daß wir der Öffentlichkeit dieses beschämende Beispiel eines halb- oder viertelbesetzten Hauses geben.
Da sich der Appell an' alle Teile des Hauses richtet, habe ich gar nicht den Eindruck, daß sich Herr Pohle auf einem Umweg eingeschlichen hätte.
Meine Damen und Herren, wer wünscht, den Antrag der SPD betreffend Zuschlag zu den Renten in der Sozialversicherung zu begründen? - Bitte, Frau Abgeordnete Döhring!
Frau Döhring ({0}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr. 3791 wird sicherlich einem allgemeinen Wunsche des Hohen Hauses begegnen, auch den Rentenempfängern aus der Sozialversicherung zu helfen. Wenigstens ist dies anzunehmen, da ja die CDU/ CSU-Fraktion heute eine Große Anfrage vorgelegt hat, in der die Regierung gefragt wird, was sie zu tun gedenkt, um die Renten den veränderten Lebenshaltungskosten anzupassen. Allerdings glaube ich, daß die betroffenen Rentner draußen vergeblich fragen werden, was ihnen mit dieser Großen Anfrage geholfen werden soll, nachdem sie hier nicht einmal besonders begründet worden ist.
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- Ich habe keine Begründung gehört.
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- Schön, dann nehme ich zur Kenntnis, daß Frau Dr. Probst den Antrag begründet hat. Jedenfalls wurde die Große Anfrage nicht begründet, als sie aufgerufen wurde.
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Immerhin scheint über die Notwendigkeit der Hilfe für die Rentenempfänger der verschiedenen Gruppen keine Meinungsverschiedenheit unter uns zu bestehen, und dies festzustellen ist für uns alle eine erfreuliche Tatsache.
Wenn die sozialdemokratische Fraktion heute einen Antrag wie den vorliegenden gestellt hat, dann deshalb, um 'den bedrängten Menschen sofort zu helfen, und ich denke, daß wir wohl auch darüber alle der 'gleichen Auffassung sein werden; denn 'die bittere Not, unter der das Gros der Betroffenen leidet, ist allzu bekannt.
Von Juli 1951 bis dato haben sich die zwingenden Lebenshaltungskosten nach den Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts um 14% erhöht. Wenn wir aber bedenken, daß die im vorigen Jahre von der Regierung gegebenen Rentenerhöhungen doch viel zu spät kamen, so daß die Preise den damaligen Erhöhungen längst davongelaufen waren, so liegt der tatsächliche Prozentsatz für diesen Personenkreis noch viel höher.
Es ist müßig, erneut die Zahlen jener Rentenbezieher im einzelnen aufzuzeigen, die weniger als das Existenzminimum erhalten oder deren Rente gerade an seinem Rande liegt. Sie alle wissen, daß die Durchschnittsrenten in der Invalidenversicherung bei rund 78 DM im Monat und bei der Angestelltenversicherung bei etwa 100 bis 110 DM im Monat liegen. Welch große, bittere Diskrepanz zwischen den Renten und dem Lebenshaltungsindex, dessen krasses Ansteigen Sie, meine Herren und Damen von der CDU/CSU, in Ihrer Großen Anfrage ja selber zugeben! Rasche Hilfe ist darum ein Gebot der Stunde. Deshalb unterbreitet Ihnen die sozialdemokratische Fraktion einen Antrag, zu beschließen, daß zur Anpassung an die veränderten Lebenshaltungskosten alle Empfänger von Renten, Witwen- und Waisengeld aus der Invaliden-, Angestellten-, Knappschafts- und Unfallversicherung ab 1. November 1952 einen Zuschlag zu ihren Renten erhalten. Der Zuschlag soll je Monat für Rentenempfänger 15 DM, für Empfänger von Witwenrenten 12 DM und für Empfänger von Waisenrenten 6 DM betragen. Wie Sie aus dem letzten Teil unseres Antrags weiter entnehmen können, sollen diese Zuschläge, die ja lediglich ein Ausgleich, und zwar ein sehr bescheidener Ausgleich für die gestiegenen Lebenshaltungskosten sind, auf keine andere Unterstützung angerechnet werden dürfen; denn Sie alle werden mir darin beipflichten, daß man nicht mit der einen Hand geben und mit der anderen wieder nehmen kann.
Nun wird mich vielleicht der Herr Präsident fragen, wo denn die Deckungsvorlage für unseren Antrag sei. Dem möchte ich, Herr Präsident, gleich von vornherein mit der Bitte an die Bundesregierung oder an den Herrn Finanzminister begegnen, in 'derselben Weise wie bei dem Gesetz über die Deckung der Rentenzulagen zu verfahren.
Nachdem auch die CDU/CSU-Fraktion in ihrer l Anfrage von der notwendigen Anpassung der Renten an die veränderten Lebenshaltungskosten gesprochen hat, besteht für mich kein Grund zu der Annahme, daß das Hohe Haus unseren Antrag auf sofortige Gewährung von Zuschlägen etwa damit abtun könnte, er verstoße gegen das Versicherungsprinzip. Trotzdem möchte ich von vornherein klar herausstellen, daß das zur Beratung stehende Problem mit dem Versicherungsprinzip praktisch gar nichts zu tun hat; denn die Teuerungswelle trifft alle Rentner, und die in unserem Antrag aufgeführten Zuschläge für die betroffenen Gruppen sind, wie ich bereits betonte, nur ein Ausgleich. Diesen bescheidenen Ausgleich ohne Verzug zu geben, wünscht unser Antrag; denn danach ist es möglich, ohne besondere Berechnung und ohne besonderen Verwaltungsaufwand den betroffenen Menschen noch vor Weihnachten die dringend erforderliche Hilfe zuteil werden zu lassen.
Meine Herren und Damen, angesichts der offen zutage tretenden Not eines 'großen Teiles der Rentnergruppen widerstrebt es mir, den Antrag meiner Fraktion des längeren zu 'begründen. Jeder kann die Verelendung unserer alten und gebrechlicher. Menschen beobachten, und so mancher von Ihnen meine Herren und Damen, wird schon hin und wieder einmal helfend eingegriffen haben, wenn es vor dem Termin der Rentenabholung von der Post selbst zu einem kleinen Lebensmitteleinkauf einfach nicht mehr reichen wollte.
Jedoch auf eine ernste Seite, die das Problem der Rentenzahlung am Rande berührt, muß ich noch kurz hinweisen. Fürchten Sie nicht, daß ich mit Zahlen operiere. Aber die Tatsache allein, daß unter jenen Unglücklichen, die ihrem Leben ein Ende machen, eine große Anzahl unserer alten Rentner ist, muß uns allen eine ernste Mahnung sein. Ich bin sicher, daß jeder von Ihnen eine Weile erschüttert innehält, wenn er wieder einer solchen Fall hört oder liest. Wir, die wir die Gesetze zu beschließen haben, haben hierbei zu bedenken, daß jeder einzelne Fall eine berechtigte bittere Anklage gegen den Staat ist. Denn die Ursache eines solchen verzweifelten Schrittes, soweit es sich um alte Rentner und Rentnerinnen handelt liegt doch letzten Endes in dem fehlenden Existenzminimum. Hier liegt unsere große Verpflichtung, besser vorzusorgen. Denn auch jene Menschen haben dem Staat und der Gesellschaft einst ihre Arbeitskraft gegeben. Daß unsere alten und arbeitsunfähigen Menschen wieder zu einem Existenzminimum kommen - wenn auch für das Gros nur zu einem bescheidenen -, das bezweckt der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, damit auch der Teller jener Rentner, Witwen und Waisen nicht mehr allzu oft leer bleibt, auf dessen Rande ebenso geschrieben steht: Unser täglich Brot gib uns heute!
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Ich bitte das Hohe Haus, seinen durch die vorliegenden und hier begründeten Anträge und Anfragen bekundeten Willen zu einer raschen Hilfe dadurch zu beweisen, daß es unserem Antrag die Zustimmung gibt. Nur auf diese Weise kann den Rentnern die dringend notwendige Hilfe noch vor Weihnachten garantiert werden.
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Zur Begründung des Antrages der Fraktion der FDP hat das Wort Herr Abgeordneter Euler.
Euler ({0}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Freien Demokraten habe ich die Aufgabe, den Antrag betreffend Weihnachtliche Kameradschaftshilfe des deutschen Volkes
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- Drucksache Nr. 3792 - zu begründen. Ich habe diesen Gedanken in die Öffentlichkeit getragen aus Anlaß der Eröffnung der Kriegsgefangenen-Gedenkwoche
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bei einer Kundgebung auf dem Frankfurter Römerberg. Dem Antrag liegt die Erwägung zugrunde, daß der Anspruch des deutschen Volkes auf Freilassung der jetzt noch festgehaltenen Deutschen
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um so eher Gehör in den betreffenden Ländern findet, je mehr das deutsche Volk bereit ist, auf der Grundlage der Freiwilligkeit eine in der Welt nicht zu übersehende Tat zu vollbringen und es also nicht bei Worten und Deklarationen bewenden zu lassen.
Wir wissen, wie groß die Not der Kriegerwitwen und Kriegerwaisen, der Angehörigen von festgehaltenen Deutschen, der Kriegsversehrten, der Heimkehrer und ihrer Angehörigen ist. Selbstverständlich bedarf es gesetzlicher Maßnahmen. Mit diesen gesetzlichen Maßnahmen konkurriert unser Antrag nicht. Es ist die Absicht dieses Antrages, ergänzend zu gesetzlichen Maßnahmen eine Selbsthilfetat des deutschen Volkes in Erscheinung treten zu lassen auf der Grundlage der Freiwilligkeit und also eines Verdienstes, das nur da echt besteht, wo Freiwilligkeit die Grundlage des Tuns ist.
Ich glaube, gerade ein demokratischer Rechtsstaat ist darauf angewiesen, oder er sollte es sich angelegen sein lassen, von Zeit zu Zeit Aktionen in Erscheinung treten zu lassen, die von allen Parteien gleichermaßen getragen werden, bei denen die Auseinandersetzung zwischen den Parteien schweigt, um ein großes allgemeines Anliegen zu verwirklichen. Hier handelt es sich gerade im Weihnachtsmonat um die Mobilisierung des sozialen Gewissens, damit eine spontane Tat von nicht übersehbarer Größe zugunsten von Menschen zustande kommt. in deren Kreisen unzweifelhaft noch außerordentlich viel Not besteht.
Wir haben uns entschlossen, eine Richtlinie zu geben, die jedem die Selbsteinschätzung ermöglichen soll - einen einfach zu handhabenden, einfach zu übersehenden Maßstab der Selbsteinschätzung -, um eine Hilfsaktion zu verwirklichen, die den betreffenden Kreisen eine wirklich durchgreifende Hilfe zuteil werden lassen kann. Deshalb - haben wir angeregt - sollten sich Arbeitgeber, Arbeitnehmer und selbständig Tätige verpflichtet fühlen, einmalig auf je 100 DM ihres durchschnittlichen Monatseinkommens 1 DM zu entrichten. Das soll selbstverständlich nicht bedeuten, daß diese Richtlinie nicht überschritten werden sollte. Vielmehr ist es umgekehrt so, daß sich alle, die sich in der glücklichen Lane der Wohlhabenheit befinden, angesprochen fühlen sollten, über diesen Betrag hinauszugehen, um das allgemeine Aufkommen dieser Aktion der Selbsthilfe zu erweitern.
Mit welchem Aufkommen sollte man rechnen dürfen, wenn man davon ausgeht. daß sich im Weihnachtsmonat niemand der Teilnahme an einer solchen Hilfsaktion entziehen mag? Geht man von einem Volkseinkommen von insgesamt 100 Milliarden DM jährlich im Gebiet der Bundesrepublik aus und nimmt davon ein Zwölftel, so ergibt sich ein Monatsbetrag von 8 Milliarden. Bei einem Beitrag von 1 DM für 100 DM Einkommen wäre mit einem Eingang von 80 Millionen DM zu rechnen. Zweifellos werden Ausfälle bei solchen Menschen eintreten, die selbst in außerordentlich schwerer persönlicher Notlage sind. Aber man sollte andererseits durch entsprechend 'nachdrückliche Appelle an die Öffentlichkeit sicherstellen können, daß auch von den wohlhabenderen Schichten erheblich höhere Beträge, als sie nach unserem Richtsatz anfallen sollen, gegeben werden.
Die Durchführung dieser Aktion sollte möglichst einfach sein. Es ist im wesentlichen über das Rote Kreuz möglich, diese Sammelaktion als Betriebs-, Geschäfts- und Haussammlung durchzuführen, wenn - und das sollte doch auch selbstverständlich sein - die Geschäftsleitungen und die Betriebsräte der Durchführung dieser Kameradschaftshilfe des deutschen Volkes die organisatorische Obhut angedeihen lassen, die man in Anbetracht des unbestreitbar guten Zweckes erwarten darf.
Wir möchten vorschlagen, daß unser Antrag heute die Billigung des Hauses findet, damit eine Ausschußüberweisung vermieden wird. Wenn man die Hilfsaktion so durchführen will, daß noch im Weihnachtsmonat die aufgekommenen Spenden den Notleidenden zuteil werden, dann muß die Sammelaktion in den Tagen der Monatswende November/Dezember durchgeführt werden. Sollte aber aus rein organisatorischen Gründen der praktischen Durchführung eine Überweisung an den Ausschuß für erforderlich gehalten werden, dann möchte ich schon jetzt die Bitte zum Ausdruck bringen, die Ausschußberatung so schnell stattfinden zu lassen, daß spätestens in der übernächsten Woche die Kameradschaftshilfe vom Bundestag beschlossen werden kann.
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Zur Erstattung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Winterbeihilfe hat das Wort Herr Abgeordneter Horn.
Horn ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vom 9. September 1952 auf Drucksache Nr. 3672 ist von dem Hohen Hause in der Sitzung vom 2. Oktober 1952 beraten und zur Einzelbehandlung dem Haushaltsausschuß als federführendem Ausschuß und dem Sozialpolitischen Ausschuß zur Mitberatung überwiesen worden. Der Sozialpolitische Ausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 9. Oktober 1952 mit der Angelegenheit befaßt, der Haushaltsausschuß in seiner Sitzung vom 22. Oktober dieses Jahres. Ich darf als Berichterstatter die Behandlung im Sozialpolitischen Ausschuß in meinen Bericht mit einbeziehen, weil sich der Haushaltsausschuß auf das Ergebnis der Beratungen des Sozialpolitischen Ausschusses berufen hat.
Im Sozialpolitischen Ausschuß ist der Antrag einer sehr gründlichen Beratung unterzogen worden. Der Antrag, so wie er dem Hause vorliegt, würde nach den Erklärungen, die seitens der Regierung bei den Beratungen abgegeben wurden, zu seiner Verwirklichung einen Aufwand erforderlich gemacht haben, der für den Bund und für die Länder je mit schätzungsweise einer Viertelmilliarde D-Mark zu beziffern gewesen wäre. Im
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Sozialpolitischen Ausschuß hat auf seiten der Regierungsparteien Übereinstimmung darin bestanden, daß wir angesichts der Finanzlage im ganzen nicht in der Lage sind, einen derartigen Beschluß zu fassen. Im Verlaufe der Beratungen haben dann die Mitglieder der SPD im Sozialpolitischen Ausschuß einen geänderten Antrag eingebracht, den Sie heute zur zweiten Beratung unter Umdruck Nr. 685 vorfinden. In diesem Antrag war unter Ziffer 1, wie Sie sich überzeugen wollen, gefordert, daß diese Beihilfen allen jenen gewährt würden, deren Einkommen 150 % des Fürsorgerichtsatzes nicht übersteigt.
Bereits bei der Beratung hier im Hause am 2. Oktober 1952 hat der Herr Bundesinnenminister darauf hingewiesen, daß die Bundesregierung mil Rundschreiben vom 27. September 1952 an die Länderregierungen herangetreten ist und ihnen mitgeteilt hat, daß im Hinblick auf die Winterbeihilfe und Weihnachtsbeihilfe die gleiche Regelung Platz greifen sollte, wie sie im Vorjahr getroffen worden war. Von dieser Regelung ausgehend, haben im Sozialpolitischen Ausschuß schließlich die Vertreter der Regierungskoalition beantragt, die vorjährigen Sätze, die damals für den Unterstützungs- oder Rentenempfänger auf 20 DM und für leden zuschlagsberechtigten Angehörigen auf 5 DM festgelegt worden waren, im Hinblick auf die heutige Situation für den Unterstützungsempfänger oder Rentenempfänger auf 25 DM und für jeden zuschlagsberechtigten Angehörigen auf 10 DM zu erhöhen, so wie es ja auch der SPD-Antrag für diese Kategorie fordert. Diese Regelung bedeutet gegenüber der vorjährigen Regelung für den Bund einen Mehraufwand von 6 Millionen DM und für die Länder einen Mehraufwand von 8 bis 9 Millionen DM. Der Beschluß, die Sätze dergestalt zu erhöhen, im übrigen aber die vorjährige Gesamtregelung beizubehalten, wurde im Sozialpolitischen Ausschuß mit den Stimmen der Vertreter der Regierungsparteien gefaßt, während die Vertreter der Opposition und ein weiteres Mitglied des Ausschusses sich für den abgeänderten sozialdemokratischen Antrag ausgesprochen haben.
Im Haushaltsausschuß hat dann im Anschluß an diese Beratungen des Sozialpolitischen Ausschusses ebenfalls eine kurze Sachdebatte über diese Frage stattgefunden, wobei wiederum seitens des Regierungsvertreters die Erklärung abgegeben wurde, daß die Verwirklichung des SPD-Antrags mit Recksicht auf die Finanzlage nicht möglich sei und daß der Mehraufwand von 6 Millionen DM nur dann bestritten werden könne, wenn dafür bei einem andern Etattitel entsprechende Streichungen vorgenommen würden. Schließlich ist im Haushaltsausschuß beantragt worden, den Beschluß des Sozialpolitischen Ausschusses auch zum Beschluß des Haushaltsausschusses zu machen. Von der Minderheit. also von der Opposition, wurde dann beantragt, den abgeänderten Antrag der SPD anzunehmen. Die Abstimmung im Haushaltsausschuß ergab ein Stimmenverhältnis von 14 zu 9 bei .einer Enthaltung, d. h. der Antrag, der dem Hohen Hause jetzt als Ausschußbeschluß vorliegt. wurde' mit 14 gegen 9 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.
Tch darf noch nachtragen: Für die Arbeitslosenfürsorgeempfänger galt auch im vorigen .Jahre schön ein Betrag von 25 DM. jedoch mit der Maßgabe daß der überschießende Betrag von 5 DM auf die Winterbeihilfe, die bekanntlich eine Fürsorgepflichtleistung ist, anzurechnen ist. Von einer derartigen einschränkenden Bestimmung kann in diesem Jahre keine Rede sein. Es gilt jetzt für alle Kategorien der hier in Frage kommenden Kriegsfolgenhilfeempfänger der gleiche Satz: 25 DM für den Rentenempfänger und 10 DM für jeden unterhaltszuschlagberechtigten Angehörigen.
Ich habe Sie namens des Haushaltsausschusses zu bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren! Bevor ich das Wort weitergebe, habe ich eine Frage zu stellen. Mir ist die Frage vorgelegt worden, ob entgegen der Vereinbarung, die im Haushaltsausschuß getroffen worden ist, nach der ab 18 Uhr 30 bedeutsame Abstimmungen nicht mehr stattfinden sollten, in Aussicht genommen werden könnte, die Abstimmungen über die Gesetze unter Punkt 7 der Tagesordnung auf jeden Fall heute noch vorzunehmen. Darf ich fragen, wie die Fraktionen dazu stehen. Sind Sie einverstanden?
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- Dann würde ich also bitten, freundlichst in Aussicht zu nehmen, daß unter Aufrechterhaltung der Schlußzeit von 20 Uhr, die wir vorgesehen haben, über diesen Punkt der Tagesordnung heute noch abgestimmt werden kann.
({1})
Zur Beantwortung der Großen Anfrage zu Punkt 3 a der Bundesminister der Finanzen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß ich nicht in der Lage bin, die Große Anfrage i im Namen der Bundesregierung zu beantworten; ich kann sie nur persönlich beantworten. Ich bin nicht in der Lage, sie im Namen der Bundesregierung zu beantworten, weil das Präsidium dieses Hohen Hauses gebeten worden war, die Beantwortung der Großen Anfrage betreffend die Rentenempfänger mit dem Gesetz über die dritte
Änderung der Besoldungsordnung zu verbinden. Infolgedessen konnte mit dem Kabinett noch keine Fühlung genommen werden, und die Antwort, die ich gebe, ist infolgedessen eine rein persönliche.
In der Debatte ist viel davon gesprochen worden, daß die bisherige Hilfe für die Rentner ungenügend sei, daß die Bundesregierung ihre Pflicht nicht erfüllt habe usf. Ich stelle folgendes fest: Die Soziallasten sind von 1950 bis 1953 im deutschen Haushalt um rund 80 % gestiegen. Wenn ich den nächsten Überblick gebe, dann werde ich wieder feststellen können, daß im Jahre 1952 die Soziallasten, wozu Subventionen und der soziale Wohnungsbau zu rechnen sind, 40,2% des gesamten Haushalts betragen.
Wenn ich die Renten in Deutschland - auch die Renten der Kriegsopfer - mit den Rentenleistungen im Auslande vergleiche - auch mit den Rentenleistungen der Siegerstaaten an ihre Opfer -, so muß ich feststellen, daß Deutschland mit seinen Rentenleistungen nicht hinter den Nachbarländern zurücksteht, obwohl es eine ungeheure Zahl von Kriegsopfern - verglichen mit den anderen - hat, obwohl es Kriegszerstörungen und Verluste an Volksblut hat wie kein anderes Land. Die Leistungen, die der deutsche Steuerzahler übernommen hat, um der Not im Lande abzuhelfen, sind außergewöhnlich.
({0})
Auch der Bundesfinanzminister hat die Verantwortung für diese Leistungen übernommen und hat vor dem deutschen Steuerzahler die Notwendigkeit dieser Leistungen betont. Ich glaube sagen zu dürfen, daß die Bundesregierung in ihrer Bereitschaft, für die Rentner und für die Kriegsopfer das möglichste zu tun, von keiner anderen verantwortlichen Regierung in irgendeinem europäischen Lande übertroffen wird.
({1})
Aber ich möchte ganz nüchtern auf etwas hinweisen. Es ist davon gesprochen worden, daß der Lebenshaltungsindex in der Zwischenzeit gestiegen sei und die Renten und Leistungen infolgedessen entwertet worden seien. Das hält jedoch den Tatsachen gegenüber in keiner Weise stand.
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Im Jahre 1938 haben die Invalidenrenten im Durchschnitt rund 36,60 RM im Monat betragen. Auf Grund des Gesetzes über die Anpassung der Leistungen der Rentenversicherung von 1951, auf Grund des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes von 1949, auf Grund des Rentenzulagengesetzes von 1951 und des Gesetzes zur Änderung der §§ 1274 ff. RVO - Minderung der Ruhensvorschriften - sind diese Renten auf einen Betrag von im Durchschnitt 73,30 DM gesteigert worden, wozu noch weitere 5,50 Mark durch die Krankenversicherung der Rentner, die im Jahre 1941 eingeführt wurde, hinzukommen, so daß insgesamt 78,80 DM als Endsumme festzustellen sind. Das ist, wenn ich das Jahr 1938 zugrunde lege, eine Steigerung von 100 auf 215, währed der Lebenshaltungsindex von 100 auf 168 gestiegen ist.
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Die Rente ist also im Durchschnitt mehr gestiegen als der Lebenshaltungsindex. Das ist nun eine Tatsache, und Tatsachen hat man - auch vor den Wahlen - als Tatsachen anzuerkennen.
({4})
Meine Damen und Herren! Wir haben im Jahre 1950, weil sie unserem Herzen - darf ich sagen - am nächsten standen, das Bundesversorgungsgesetz und damit die Versorgung der Kriegsopfer vorausgenommen. Wir haben bei diesem Gesetz in erster Linie doch mit den Lebensverhältnissen gerechnet, wie sie in der vergangenen Zeit gewesen sind, im Jahre 1949.
Ich muß grundsätzlich bemerken, daß ich es für gefährlich halten würde, wenn wir uns angewöhnten, sämtliche Renten, Löhne, Gehälter usf. automatisch mit dem Lebenshaltungsindex steigern zu wollen.
({5})
Ich spreche das öffentlich aus, meine Damen und Herren! All die Länder, die diesen falschen Weg gegangen sind, haben die Sicherheit ihrer Währung verloren und müssen sie mit mathematischer Sicherheit verlieren.
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Ich bin überzeugt, daß der Bundesfinanzminister und die Bundesregierung dem Volk gerade zur Erhaltung des sozialen Friedens keine bessere Garantie und keine bessere Sicherheit geben können als die Gewährleistung der Kaufkraft der Währung, die der Staat garantiert.
({7})
Infolgedessen darf ich doch feststellen: wenn ich auf den Lebenshaltungsindex eingehe, will ich damit nicht konzediert haben, daß wir das System der gleitenden Rentenskala und der gleitenden Lohn- und Gehaltsskala übernehmen müssen.
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Wir haben im Jahre 1949 einen Lebenshaltungsindex von 160 gehabt. Wir haben jetzt im Monat September 1952 einen Lebenshaltungsindex von 167.
({9})
Ich möchte auch feststellen, daß das Teuerungszulagengesetz, das allein auf dem Gebiet der Kriegopferversorgung etwa 80 Millionen DM jährlich mehr erfordert, und die erste Novelle zum Bundesversorgungsgesetz dieser relativ geringen statistischen Differenz bereits Rechnung getragen haben und Rechnung zu tragen suchen. Einen Vorwurf, daß die Bundesregierung ihre Pflicht auf diesem Gebiete versäumt habe, kann ich infolgedessen in keiner Weise anerkennen. Die Bundesregierung wird alles tun, um das, was auf diesem Gebiet bei Aufrechterhaltung der Ordnung der Finanzen getan werden kann, auch zu ermöglichen. Ich möchte aber darum bitten, daß der Ausschuß, wenn er den Antrag Drucksache Nr. 3738 behandelt, die Möglichkeiten auch im Benehmen mit der Bundesregierung nachprüft. Der Aufwand für die in dem Antrag Drucksache Nr. 3791 geforderten Leistungen würde jährlich 982 Millionen DM und der Aufwand für die Leistungen nach den Anträgen Drucksachen Nrn. 3785 und 3786 würde etwa 320 Millionen DM sein.
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Meine Damen und Herren, in der Verantwortung für die Währung und für die Finanzen haben wir ein gemeinsames Schicksal. Die Bundesregierung ist gern bereit, mit Ihnen im Ausschuß alle Möglichkeiten, die vorhanden sind, zu prüfen. Ich bin davon überzeugt, daß Sie ebenso wie die Bundesregierung die Ordnung der Finanzen und die Sicherheit der Währung gewährleisten wollen. Ich hoffe, daß wir im Ausschuß zu einem guten Zusammenarbeiten kommen.
({11})
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß, nachdem die Beantwortung der Großen Anfrage erfolgt ist, eine Besprechung auch dieser Beantwortung der Großen Anfrage gewünscht ist, und eröffne die Aussprache im Rahmen der Gesamtredezeit von 60 Minuten.
({0})
- Wozu, zur Geschäftsordnung?
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- Zur Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Kalinke!
Ich bitte das Hohe Haus, sich darüber klar zu sein, daß bei einer Gesamtredezeit von 60 Minuten, bei der die Redezeit für unsere Fraktion 5 Minuten ausmacht, eine sachliche Diskussion von sieben Anträgen solchen Inhalts einfach unmöglich ist. Ich bitte daher, die Redezeit so festzulegen, daß wenigstens jede Fraktion in
({0})
diesem Hause in der Lage ist, sachlich zu den Hauptpunkten der Anträge Stellung zu nehmen.
({1})
Meine Damen und Herren, Frau Abgeordnete Kalinke hat keinen konkreten Antrag gestellt.
({0})
- Ich habe keine andere Möglichkeit, als Ihnen den Vorschlag des Ältestenrates weiterzuleiten. Das habe ich getan.
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- Herr Abgeordneter Renner wünscht das Wort zur Geschäftsordnung. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Beschluß des Ältestenrats liegt nicht vor. Dieser Punkt ist nach der letzten Ältestenratssitzung auf die Tagesordnung gesetzt worden auf Grund einer Vereinbarung zwischen den großen Parteien, von der ich gestern vormittag erfahren habe. Eine Redezeit ist also nicht im Ältestenrat besprochen und festgelegt worden, sondern wahrscheinlich nur in diesem Teilgremium des Bundestags verabredet, um nicht zu sagen: ausgehandelt worden. Der Herr Präsident stellt fest, daß die Frau Kollegin Kalinke keinen konkreten Antrag gestellt hat. Ich stelle den Antrag, zu jedem der vorliegenden Tagesordnungspunkte den Fraktionen eine Redezeit von mindestens fünf Minuten einzuräumen. Das würde eine Gesamtredezeit von etwa 21/2 Stunden bedeuten. Zweieinhalb Stunden also statt der vorgesehenen 60 Minuten! Ich bitte den Herrn Präsidenten, über diesen Antrag abstimmen zu lassen.
Wenn zu jedem Punkt der Tagesordnung auch die kleineren Gruppen und Fraktionen 5 Minuten Redezeit haben, bedeutet das eine Gesamtredezeit von 8 Stunden.
({0})
- Die großen Fraktionen haben ihre Anträge begründet und haben das Recht, an der Aussprache teilzunehmen. Im übrigen ist das nicht durch ein „Aushandeln" zustande gekommen, sondern es sind nach meiner Erinnerung weitere Punkte der Tagesordnung auf Wunsch der Fraktionen auf die Tagesordnung gesetzt worden. - Der Herr Abgeordnete Renner hat beantragt, eine Gesamtredezeit von 8 Stunden festzusetzen.
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Frau Abgeordnete Kalinke, bitte! Wir wollen aber nun nicht die Redezeit ganz mit der Geschäftsordnungsdebatte in Anspruch nehmen.
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Zur Redezeit! Ich nehme an,
daß auch die antragstellenden Fraktionen Interesse daran haben sollten, daß ausreichende Rede- (I zeit gegeben ist. Ich beantrage mindestens 120 Minuten Redezeit.
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Meine Damen und Herren, das sind genau zwei Stunden.
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Ich bitte die Damen und Herren, die dem abweichenden Antrag, also eine Redezeit von zwei Stunden festzusetzen, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Ich darf also unterstellen, daß es bei der Redezeit von einer Stunde bleibt. - Das ist der Fall.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Auftrag meiner Fraktion möchte ich unser Bedauern über den Mehrheitsbeschluß des Sozialpolitischen und des Haushaltsausschusses über unseren Antrag zur Winterbeihilfe zum Ausdruck bringen. Es ist uns völlig unmöglich, einer solchen Regelung zuzustimmen, da sie unserer Ansicht nach den sozialen Notwendigkeiten nicht gerecht werden kann, und zwar sowohl im Hinblick auf den Personenkreis, der diese Winterbeihilfe erhalten soll, als auch im Hinblick auf die Höhe der Winterbeihilfe.
Nach diesem Beschluß, der sich auf die Regelung des Vorjahres bezieht, sollen die Winterbeihilfe die Alfü-Empfänger und außerdem alle diejenigen erhalten, deren Einkommen den Fürsorgerichtsatz um 10 °/o nicht übersteigt. Ich hatte bereits bei der Begründung unseres Antrags darauf hingewiesen, daß angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten, aber ganz besonders der gestiegenen Preise für Kartoffeln und Hausbrand auch bei den anderen Renten- und Unterstützungsempfängern, deren Einkommen mehr als 10 % über dem Richtsatz liegt, ein starkes Bedürfnis und auch eine soziale Notwendigkeit für eine Winterbeihilfe besteht.
Hinzukommt auch, daß bei dieser Regelung in den Großstädten ein größerer Personenkreis erfaßt wird, weil hier die Fürsorgerichtsätze höher liegen, während in den Landkreisen, in denen die Fürsorgerichtsätze niedriger liegen, aber Hausbrand und Kartoffeln genau so teuer sind wie in den Großstädten, viel weniger Empfänger von Sozialleistungen in den Genuß der Winterbeihilfe kommen. Z. B. liegen die Empfänger von Unterhaltshilfe bei den höheren Richtsätzen in den Städten unter 110°/o der Fürsorgerichtsätze; aber auf dem Land mit den niedrigeren Richtsätzen werden die Empfänger von Unterhaltshilfe, die nach dem Lastenausgleichsgesetz normalerweise über 110 °/o liegen, auch dort, wo sie weder Torf noch Holz als Feuerungsmaterial haben, ohne Teuerungsbeihilfe dastehen.
Wir haben deshalb in Punkt 1 unseres Änderungsantrages vorgeschlagen, daß eine Beihilfe gezahlt wird, sofern das Einkommen 150 % des Fürsorgerichtsatzes nicht übersteigt, um damit die Winterbeihilfe auf den Personenkreis auszuweiten, von dem wir der Ansicht sind, daß er eine Winterbeihilfe nötig hat.
Wir sind ferner der Ansicht, daß die vorgeschlagene Höhe der Winterbeihilfe von 25 DM nicht ausreicht. Sie reicht nicht aus, um auch nur eine gewisse Bevorratung für den Winter zu ermöglichen.
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Ich möchte auch darauf hinweisen - Kollege Horn hat es in seiner Berichterstattung schon gesagt -, daß 25 DM für die Alfü-Empfänger kaum eine Erhöhung gegenüber dem Vorjahr bedeuten. Diesen Satz haben sie bereits 1951 erhalten. Lediglich der Personenkreis, der außer dieser Beihilfe noch als Pflichtleistung der Fürsorgeverbände eine Winterbeihilfe erhalten hat, hat im Vorjahr 20 DM bekommen. Für diesen Personenkreis bedeutet die diesjährige Regelung eine Verbesserung um 5 DM. Wir sind aber der Ansicht, daß diese Verbesserung nicht in der Lage ist, die erhöhten Lebenshaltungskosten aufzufangen. Wir haben deshalb in unserem Änderungsantrag erneut eine Winterbeihilfe von 50 DM gefordert. Im Interesse der sozial Schwachen bitten wir dringend, unserem Antrag zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und und Herren! Als die Bundesregierung zu Beginn dieses Jahres die feierliche Erklärung abgegeben hat, daß die Behelfsmaßnahmen der Nachkriegszeit auf sozialpolitischem Gebiet nunmehr in eine klare Konzeption einmünden müßten, haben auch die deutschen Kriegsopfer voll Hoffnung der kommenden Entwicklung entgegengesehen. Wenn auch die von ihren Verbänden eingeleiteten Verhandlungen aus nicht immer ganz überzeugenden Gründen von der Bundesregierung von Monat zu Monat vertagt wurden, so glaubten die Kriegsopfer bei der erkennbaren Verhandlungsbereitschaft der Bundesregierung doch letztlich mit einem Erfolg rechnen zu können. Wie immer, wenn größere Interessen des Volkes auf dem Spiele stehen, hatten die deutschen Kriegsopfer auch hier Verständnis für die eingetretenen Verzögerungen. Sie warteten deshalb sehr ruhig und diszipliniert den weiteren Gang der Ereignisse ab.
Es muß an dieser Stelle wieder einmal offen ausgesprochen werden, daß diese staatsbürgerliche Haltung geradezu beispielgebend ist und daß es bestimmt um unseren demokratischen Staat besser bestellt wäre, wenn sich andere Interessentengruppen unseres Volkes bei der Vertretung ihrer wirtschaftlichen Sonderinteressen einer gleich maßvollen Zurückhaltung befleißigten.
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Um so bedauerlicher ist es, wenn mit dieser Ge-. duld offensichtlich Mißbrauch getrieben wird, Mißbrauch mit der Geduld eines Personenkreises, der wie kein anderer ein ungeheures Maß von Opferbereitschaft für Gesamtinteressen unter Beweis gestellt hat. Ich sage das ganz bewußt an die Adresse der ewigen Beckmesser und Nörgler, die da glauben, daß der Bundestag bei Schaffung des Bundesversorgungsgesetzes in einer frohen Geberlaune des Guten zuviel getan habe. Man sollte sich schämen, Ansprüche anzutasten, die nicht auf Paragraphen, sondern auf die Hingabe von Blut und Leben gegründet sind.
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Doch nun zurück zu jener politischen Tragödie, die, wie mir scheinen will, am 7. Oktober dieses Jahres ihren vorläufigen Abschluß gefunden hat. An diesem Tag nämlich ließ die Bundesregierung den Vertretern der deutschen Kriegsopfer aus dem Munde ihrer Minister Storch und Schäffer die
ziemlich kalte Mitteilung machen, daß die Regierung kein Geld zur Anpassung der Kriegsopferrenten an die gestiegenen Lebenshaltungskosten habe. Der Herr Bundesfinanzminister hatte sogar die Stirn, zu erklären, daß nach seiner Meinung die Preiserhöhungen der letzten Jahre keinen Grund für irgendwelche Rentenerhöhungen bilden könnten.
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Er hat vor wenigen Minuten von dieser Stelle aus in ähnlicher Weise argumentiert und Vergleiche mit der Zeit vor der Katastrophe des Jahres 1945 angestellt. Ist denn dem Herrn Bundesfinanzminister nicht bekannt, daß vor 1945 der größte Teil der Sozialleistungsempfänger im deutschen Volk erhebliche Nebeneinnahmen aus eigenen Ersparnissen oder aus Geldern von Kindern und Verwandten hatte? Der Herr Bundesfinanzminister müßte doch wissen, daß die Sozialleistungsempfänger von heute ausschließlich von ihren Renten leben müssen; ihnen ist mit seinen schönen Zahlenspielereien nicht gedient.
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Der Herr Bundesfinanzminister müßte wissen, daß für die Versorgung dieser Menschen der Satz gilt: Zum Leben zuwenig, zum Sterben zuviel. Hunderttausende dieser Menschen sind infolge der unzureichenden Rentenversorgung im wahrsten Sinne des Wortes zum Hungern verurteilt, denn sie können sich nicht mehr die lebensnotwendigsten Nahrungsmittel kaufen.
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Sein Ministerkollege S t o r c h fühlte sich bei der damaligen Besprechung berufen,
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zu sagen, daß er die hochpolitischen Ausführungen der Vertreter der Kriegsopfer am liebsten nicht gehört hätte. Er glaubte auf die Rentenversorgung in der Ostzone abheben zu müssen.
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Auf ein Wort, Herr Minister. Der Hinweis auf die Versorgung in der Ostzone mag notwendig oder angebracht sein, um dem hemmungslosen Agitationsmanöver unserer Herren Kommunisten in der Westzone entgegenzutreten.
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- Sie hätten alle Ursache, Herr Kollege Renner,
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im Westen auf diesem Gebiet etwas zurückhaltender zu sein.
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In der Zone, in der Sie an der Macht sind und die Möglichkeit haben, die Versorgung nach eigener Wünschen zu gestalten, besteht die miserabelste Kriegsopferversorgung der modernen Geschichte.
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Aber, Herr Minister Storch, in der Bundesrepublik und an die Adresse der hier lebenden Kriegs({11})
opfer ist der vergleichende Hinweis auf die Ostzone eine politische Entgleisung, die schärfstens zurückgewiesen werden muß.
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In der Bundesrepublik ist es Pflicht jeder Regierung, zwischen den Rechten und den Pflichten der Staatsbürger ein Gleichgewicht zu schaffen. Ich darf darauf im Zusammenhang mit den Remilitarisierungsabsichten der Bundesregierung und den Ausgaben, die hierfür in Aussicht genommen sind, ganz besonders hinweisen. Zwischen Kriegsopferversorgung und Wehrverfassung besteht ein polares Verhältnis, ein Verhältnis, bei dem sich in eindeutigster Form das Wechselspiel zwischen staatsbürgerlicher Pflicht und staatsbürgerlichem Recht widerspiegelt. Denn wo der Staat für sich das Recht in Anspruch nimmt, über Leben und Gesundheit seiner Bürger zu befinden, da erwächst ihm die Pflicht, für die Hinterbliebenen und Verstümmelten in einem Umfang zu sorgen, daß sie so leben können, wie der Mensch in einem Kulturstaat lebt. Es ist nicht nur ein Existenzminimum zu gewährleisten, das eben ausreicht, die Flamme des Lebens zu erhalten, sondern ein Kulturminimum zu sichern, das jenen Menschen eine Teilnahme an den Kulturgütern ihres Volkes sicherstellt.
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Es handelt sich hier um staatspolitische Notwendigkeiten, die sich nicht in fürsorgerischem Ermessen oder in karitativer Gnade erschöpfen lassen, sondern die allein durch die Gewährung eines Rechtsanspruchs, der den gebrachten Opfern und Leistungen adäquat ist, ihren Ausdruck finden.
Ich muß mich in diesem Zusammenhang mit dem Antrag der FDP-Fraktion beschäftigen, der zwar gut gemeint sein mag, aber mir in der Konsequenz geradezu eine Ohrfeige für das Parlament zu sein scheint.
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- Für die Befriedigung des Rechts und für die Ansprüche der deutschen Kriegsopfer ist allein dieses Hohe Haus zuständig, Herr Kollege Euler,
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und es hat sich stellvertretend für das ganze deutsche Volk damit zu befassen.
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Eine vom Bundestag organisierte Freiwilligkeit kommt in eine sehr gefährliche Nähe zu den Winterhilfsmaßnahmen des Dritten Reiches.
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Wir können es uns doch nicht erlauben, im deutschen Volk und im Ausland den Eindruck zu erwecken, daß durch freiwillige Hilfsmaßnahmen Gesetzgebungslücken geschlossen werden müssen, die der Gesetzgeber kennt, daß er es aber versäumt, die entsprechenden gesetzlichen Konsequenzen zu ziehen.
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- Herr Kollege Euler, wenn Sie dieses Zusätzliche in Kreisen der Industrie, der Wirtschaft und
der begüterten Schichten unseres Volkes anregen,
wird das sehr verdienstvoll sein. Aber die Anregung gehört nicht in dieses Hohe Haus.
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Man kann nicht mehr von Freiwilligkeit reden, wenn der Bundestag eine derartige Kameradschaftshilfe in der Weise organisiert, daß er bereits Vorstellungen über das Ausmaß des Aufkommens äußert und dem einzelnen Staatsbürger gewissermaßen die Auflage macht, sich nach dem Maße seines Vermögens an einer solchen Aktion zu beteiligen.
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Eine derartige Schließung der vorhandenen und eingestandenen Lücken der Kriegsopferversorgung ist auch geradezu beleidigend für die deutschen Kriegsopfer selbst.
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Ich bitte die Herren Antragsteller, ein Gefühl für die Situation eines Kriegsopfers zu haben, wenn es in seiner Notlage aus Mitteln mit versorgt werden soll, die aus einer solchen Sammlung hervorgehen.
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Man müßte doch eigentlich für die deutschen Kriegsopfer genügend Fingerspitzengefühl haben, um ihnen schon die Entgegennahme einer Hilfe auf dieser Ebene gar nicht zuzumuten.
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- Herr Kollege Euler, wir, die wir das Glück haben, aus diesem Kriege so herausgekommen zu sein, daß wir heute in diesem Hause sein können, müßten uns einmal überlegen, wie es wäre, wenn einer der zahlreichen Splitter, die unseren Körper getroffen haben, einen anderen Weg genommen hätte und im Rückenmark gelandet wäre, so daß wir seit Jahr und Tag wie andere auch in der Matratzengruft lägen und nicht mehr in der Lage wären, durch unsere eigene Leistung das tägliche Brot zu sichern. Wäre es Ihnen dann nicht peinlich, zu wissen, daß vielleicht die armen Mütterlein, die selber kaum genug zu nagen und zu beißen haben, ihr Scherflein dazu beitragen, um Ihnen das Leben noch lebenswert zu machen?
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Sie haben davon gesprochen, daß dieser Personenkreis bei einer solchen Aktion nicht angesprochen und nicht erfaßt wäre. Ich darf Ihnen aus der Praxis das Gegenteil sagen: gerade diejenigen Kreise, die selber die Not kennen und am eigenen Leibe verspüren, sind am gebefreudigsten,
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wenn man an sie appelliert, die Not anderer lindern zu helfen. Ich habe selbst das Beispiel vor Augen, wie mir in der Zeit, als ich aus der Kriegsgefangenschaft entlassen war, von den Ärmsten der Armen Brot und Zigaretten zugesteckt wurden; und in mir ist noch das Gefühl der Scham lebendig, das mich überkommen hat, daß man als deutscher Kriegsbeschädigter in solcher Weise dem öffentlichen Mitleid preisgegeben war.
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Ich möchte an das Hohe Haus appellieren: ersparen Sie den deutschen Kriegsopfern eine solche
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Behandlung und lehnen Sie den Antrag der FDP-Fraktion ab!
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Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden, darauf hinzuweisen, daß der Unterausschuß „Redaktionskomitee Vertragswerke" zur Zeit in Zimmer 210 Süd tagt und die Vorsitzenden der an den Beratungen der Vertragswerke beteiligten Ausschüsse gebeten sind, an dieser Sitzung teilzunehmen, soweit das noch nicht geschieht.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Arnold.
Meine Damen und Herren! In Anbetracht der Zuteilung einer bedauerlicherweise nur kurzen Redezeit ist es mir lediglich möglich, zu dem Wesentlichen der uns vorliegenden Anträge Stellung zu nehmen, um den Standpunkt meiner Fraktion, der Föderalistischen Union Zentrum-Bayernpartei zu dieser Materie zu fixieren.
Dem Antrag Drucksache Nr. 3786 der CDU/CSU stimmt die Föderalistische Union Zentrum-Bayernpartei natürlich zu. Die Lage der Kriegsopfer und Kriegsgefangenenhinterbliebenen gleicht einer Katastrophe, und es ist kaum zu glauben, wie sich eine Regierung den doch gemäßigten Forderungen dieser Kreise bezüglich einer 13. Monatsrente und einer Erhöhung der Renten überhaupt gegenüber so verhärten kann, wie das eben der Bundesfinanzminister wieder getan hat. Jedermann weiß, daß von den Renten, die 1950 im Bundesversorgungsgesetz bewilligt worden sind, nicht viel mehr übriggeblieben ist. Ich glaube, die Lage ist am besten 1 gekennzeichnet durch die Tatsache, daß die Renten der Kriegsopferhinterbliebenen, wie vorhin schon gesagt wurde, zum größten Teil unter den Fürsorgesätzen liegen. Wir hoffen zuversichtlich, daß uns die Regierung bald das neue Rentenzusatzgesetz zum Kriegsopfergesetz von 1950 vorlegt, damit endlich den Kriegsopfern ein menschenwürdiges Dasein gesichert wird.
Den Antrag der SPD Drucksache Nr. 3791 betreffend Erhöhung der Renten in der Sozialversicherung begrüßt die Föderalistische Union - Zentrum und Bayernpartei. Zwar haben die Sozialrenten eine gewisse Erhöhung erfahren, jedoch bleibt infolge der Erhöhung der Preise für die Grundnahrungsmittel und durch die Abzüge laut Anpassungsgesetz von der Erhöhung kaum noch etwas übrig. Man ist beschämt, wenn man in diese Elendskreise hineinschaut und sieht, wie kümmerlich das Dasein dieser Menschen ist, und wenn man es mit all dem Luxus vergleicht, den man heute schon wieder in der Bundesrepublik zu sehen gewohnt ist. Es möge dem Herrn Finanzminister auch einmal das Wort ins Gedächtnis gerufen sein, daß man den Bolschewismus nicht mit Waffen, sondern nur durch die Lösung der sozialen Frage im Innern des Landes bekämpfen kann; und davon sind wir doch noch weit entfernt.
Zum Antrag der FDP Drucksache Nr. 3792 sagt die Föderalistische Union - Zentrum und Bayernpartei - ein energisches „Nein". Warum? Wir halten diesen Antrag für die Forderung, ein Steuerbekenntnis auf der Straße abzulegen; wenn diese Leute, die mit der Sammlung beauftragt sind, kommen, erhebt sich die Frage: Was verdienst du, einzelner? Wir lehnen ganz entschieden ein Almosen für unsere Kriegsopfer ab, wie das vorhin
auch schon der Herr Vorredner gesagt hat, und empfinden es, wie Herr Bazille sagte, als eine Beleidigung für die Kriegsopfer. Diese Menschen haben einen Rechtsanspruch auf ausreichende Renten, damit sie ihr Leben entsprechend den Opfern, die sie für Deutschland gebracht haben, würdig gestalten können. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Renten dem erhöhten Lebensstandard angepaßt werden und den Kriegsopfern die Möglichkeit gegeben wird, schließlich auch einmal an den Kulturgütern der Menschheit teilzunehmen. Wir sehen in dem Antrage der FDP eine Verlagerung der Fürsorgepflicht auf die private Wohltätigkeit einerseits und andererseits eine Art von Steuern auf Umwegen. Die FDP weiß genau, daß ihr Antrag überhaupt nicht durchgeführt werden kann, schon gar nicht in bezug auf die individuellen Verhältnisse derer, die angesprochen werden. Den Antrag der FDP wertet unsere Fraktion als rein wahlpropagandistisch.
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Zusammenfassend möchte ich sagen: dem Antrag der CDU/CSU und dem Antrag der SPD wird die Föderalistische Union - Bayernpartei und Zentrum - zustimmen. Den Antrag der FDP lehnt meine Fraktion mit aller Schärfe ab.
Die Anträge werden jetzt ja wohl den Ausschüssen überwiesen werden. Ich möchte schon jetzt von dieser Stelle aus an die Mitglieder der Ausschüsse die Bitte richten, sich doch dieses Mal in den Ausschüssen recht energisch dafür einzusetzen, damit endlich einmal die Belange unserer Kriegsopfer befriedigt werden können.
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Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 8. Oktober hat die CDU-Fraktion eine Große Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, in der sie fragt, was die Bundesregierung zu tun gedenke, um die Renten der Kriegsopfer und der Sozialversicherungsberechtigten zu erhöhen. Heute, zwanzig Tage später, ist diese Regierung nicht in der Lage, auf diese Anfrage eine Antwort zu geben. Kein Wunder in einem Lande, wo der Polizeiminister die „Öffentliche Wohlfahrt" macht und der Finanzminister die Höhe der Sozialleistungen bestimmt!
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So haben wir heute das beschämende Schauspiel erlebt, daß sich der Herr Finanzminister hier als „Privatmann" vor uns hinstellt und uns das erzählt, was Frau Probst längst weiß,
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die führende Persönlichkeit aus dem VdK längst weiß, daß die Bundesregierung nicht in der Lage und nicht gewillt ist, die Forderungen der Kriegsopfer und ihrer Verbände irgendwie zu erfüllen.
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Welche Naivität bei dieser Dame, die doch eine führende Rolle in ihrer Organisation spielt!
Nun, was will sie denn eigentlich? Was wollen Sie, meine Herren von der CDU? In Ihrem Antrag sprechen Sie
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von nichts anderem als von einer Erhöhung der Einkommensfreigrenze bei der Errechnung der Ausgleichsrente um ganze 5 Mark. Alle übrigen Forderungen des Verbandes, in dem Sie ja eine führende Rolle mitspielen, werden in Ihrem Antrage und auch in dem Antrag der SPD vollkommen übergangen. Die Kriegsopferorganisationen verlangen u. a. als Sofortmaßnahme eine doppelte Monatsrente, eine Erhöhung der Einkommensfreigrenze, eine laufende echte Teuerungszulage, und weiter, die kinderlosen Witwen unter 40 Jahren sollen nicht länger vom Rentenbezug ausgeschlossen sein. Das sind die offiziellen Forderungen der Organisation. Für diese Forderungen „kämpft" in den Protestkundgebungen des VdK auch die Frau Probst; und hier stellt sie sich hin und hält eine Lobrede auf die „hohen sozialpolitischen Leistungen" dieser Adenauer-Regierung.
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- Ich habe heute hier keine Zeit für eine Antwort; aber ich bin bereit, in Ihrer nächsten Versammlung darauf zu antworten.
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- Laden Sie mich bitte ein, ich komme gern!
Die CDU verlangt heute die Gewährung einer 13. Monatsrente. Wir Kommunisten haben am 2. Oktober bereits hier in diesem Hause diese Forderung gestellt. Hier in diesem Hohen Hause ist keine Hand hochgegangen für diese Forderung.
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Heute, nach soundsoviel Tagen und unter dem Druck der draußen demonstrierenden Kriegsopfer kommen auch Sie mit dieser Forderung heraus.
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Zum Antrag der SPD: Wir sind für den Antrag, die Rentenbezüge der Angehörigen von Kriegsgefangenen auf denselben Stand zu bringen, wie es der Fall ist bei den Kriegerwitwen und Kriegerwaisen. Das ist unsere Antwort dazu.
Nun die Vorlage eines neuen Gesetzentwurfs zum Bundesversorgungsgesetz. Da vermisse ich bei Ihnen, meine Herren Kollegen von der SPD, die Grundsätzlichkeit, die sich aus den Forderungen der Kriegsopferorganisationen ergibt. Sie bejahen im Prinzip den Aufbau des derzeitigen Gesetzes; auch Sie bejahen das Bestehen von Grundrenten und Ausgleichsrenten; Sie übersehen vollkommen die anderen wichtigen Forderungen der Kriegsopferorganisationen.
Nun noch ein letztes Wort zur Winterbeihilfe. Wir haben am 2. Oktober für den Hauptunterstützungsempfänger 100 DM, für jedes unterhaltsberechtigte Familienmitglied 40 DM verlangt. Die Sozialdemokraten haben 50 und 20 DM verlangt, und herausgekommen ist jetzt das, was im vorigen Jahr für den Kreis der Arbeitslosen bereits gegeben worden ist.
Nun die Antwort, ein letztes Wort zu der Stellungnahme der Bundesregierung. Die „Deckungsfrage" steht wieder einmal. Hier wird uns vorgerechnet, daß die Durchführung dieser Anträge dreiviertel Milliarde DM ausmacht und noch mehr. Ja, wir haben einen Deckungsvorschlag: Ja, es gibt eine Deckungsmöglichkeit: Der Herr Finanzminister soll die 1,2 Milliarden, die heute schon in die Kriegsvorbereitung hineingesteckt werden, benutzen, um die Renten der Sozialberechtigten, die Hungerrenten und Hungerbezüge, aufzubessern.
Die Kriegsopfer wollen keinen neuen Krieg; sie wollen Frieden
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und eine ausreichende Versorgung. Darauf kommt es Ihnen aber gar nicht an.
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Dieser Ihr Antrag ist nackte Wahlpropaganda und Propaganda für die Ratifizierung des Generalkriegsvertrags, die Ihrem Willen nach ja noch in den letzten Tagen des nächsten Monats vorgenommen werden soll. Wir werden Ihnen draußen in den Massenkundgebungen
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der Kriegsopfer, wo Sie andere Töne reden, als Sie sie heute hier angeschlagen haben, die Antwort geben und sind überzeugt, daß Ihnen die Kriegsopfer
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bei den nächsten Wahlen auch die Antwort geben werden, die Sie verdienen; sie heißt: Fort mit Adenauer und fort mit dieser Koalition, die seine volksfeindliche und antinationale Politik deckt!
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hätte mich nicht zu Wort gemeldet, wenn der Herr Kollege B a z i 11e nicht mit leichter Hand die Zahlen, die uns der Herr Finanzminister in allem Ernst vorgetragen hat, beiseite geschoben hätte. Es ist kein schönes Zahlenspiel, das uns der Herr Finanzminister vorgetragen hat, sondern es sind sehr ernste Zahlen, die gerade wir, die wir berufen sind, gesetzgeberisch über das Geschick unseres Volkes zu entscheiden, zu bedenken haben.
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Die große Anfrage, die meine Fraktion an die Bundesregierung gestellt hat, war getragen von dem Ernst dieser Zahlen. Mit all den Rednern, die versucht haben, teilweise mit Ausführungen, die auf die Tränendrüsen drücken sollten, die Not dieser Menschen klarzumachen, sind wir derselben Auffassung, daß den im Schatten Stehenden geholfen werden muß. Aber unsere Anfrage hatte den Zweck, zunächst einmal zu überprüfen, wo all die Mittel herkommen sollen, mit denen man in der Lage ist, die Nöte dieser Menschen zu lindern und all das durchzuführen, was die vorliegenden Anträge als Ziel aufweisen, ohne daß unsere Währung in Gefahr gebracht wird.
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Denn wenn die Währung nicht gehalten werden kann, sind die Menschen, für die wir uns einzusetzen glauben, diejenigen, .die am schwersten getroffen werden.
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Wir haben 'daher die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß 'die Hilfe ohne Gefährdung der Währung geleistet wird.
Noch ein zweites war mit der Großen Anfrage meiner Fraktion beabsichtigt: endlich einmal den Versuch zu machen, durch eine einheitliche Aktion allen denjenigen zu helfen, denen geholfen werden muß. Leider Gottes hat uns der unselige Krieg mit seinen Auswirkungen viel Notgruppen hinterlassen, für die etwas getan werden muß. Nach meinem Dafürhalten ist es nur dann möglich, diesen Menschen in einer Form zu helfen, die nicht den einen gegen den anderen ausspielt, wenn einmal versucht wird, durch eine zusammenfassende Aktion allen zu gleicher Zeit zu helfen. Das war das zweite Ziel unserer Großen Anfrage.
Nun haben wir heute über eine ganze Reihe von Anträgen zu entscheiden. Bezüglich einiger Anträge ist gebeten worden, sie den zuständigen Ausschüssen zu überweisen. Bei einem einzigen Antrag hat dessen Begründerin verlangt, über ihn sofort zu entscheiden. Ich möchte die Kollegin D ö h r i n g bitten, von diesem Ansinnen abzusehen und mit der Überweisung dieses Antrages Nr. 3791 an den Ausschuß für Sozialpolitik einverstanden zu sein. Wenn wir den Antrag, der von den Teuerungszulagen in der Rentenversicherung spricht, für den die Begründerin keine echte Deckung hat vorschlagen können, im Ausschuß für Sozialpolitik behandeln, wird, glaube ich, eine Konstruktion gefunden werden können, durch die man in der Lage ist, das Ziel dieses Antrages zu verwirklichen, ohne daß die Finanzen des Bundes in allzu großem Umfange in Anspruch genommen werden müssen. Ich bin daher der Meinung, daß man auch diesen Antrag dem Ausschuß für Sozialpolitik überweisen sollte. Einen entsprechenden Antrag stelle ich hiermit.
Drittens ist von den Diskussionsrednern überhört worden, daß der Herr Finanzminister bei der Beantwortung der Großen Anfrage am Schluß seiner Ausführungen darauf verwiesen hat, daß es möglich sei, im Ausschuß über alle diese Fragen zu reden, und daß in den Ausschüssen Regelungen gefunden werden können, die den Anträgen entsprechen. Das ist von dem Herrn Finanzminister klargelegt worden. Ich meine, Herr Kollege Bazille, Ihre Ausführungen wären hier nicht in der Schärfe vorgetragen worden, wenn Sie auf diese Ausführungen gehört und sie auch gewürdigt hätten.
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Noch ein letztes. Obwohl der Herr Abgeordnete Horn als Berichterstatter über die Winterbeihilfe und Weihnachtszulage klar und deutlich darauf verwiesen hat, daß bei den Arbeitsiosenfürsorgeempfängern nach der Handhabung im vergangenen Jahr ein Teil auf die Pflichtleistungen angerechnet wurde, die Anrechnung diesmal aber wegfällt, wollten die Diskussionsredner dies nachher nicht mehr wahrhaben. Es scheint mir notwendig, auch diese Tatsache noch einmal herauszustellen. Der Antrag des Haushaltsausschusses und des Sozialpolitischen Ausschusses muß daher besser gewürdigt werden, als es von den Diskussionsrednern leider geschehen ist.
Ich bitte daher, auch hinsichtlich der Winterbeihilfen dem Antrag des Haushaltsausschusses und des Sozialpolitischen Ausschusses zuzustimmen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist schwierig, acht Anträge, die die verschiedensten Probleme, Fürsorge, Versorgung und Versicherungsanspruch, betreffen, in je knapp einer Minute zu besprechen und dazu verantwortungsbewußt Stellung zu nehmen. Die Bundesregierung und die Mehrheit dieses Hauses haben erst im Februar dieses Jahres erklärt, daß sie in einer klaren Konzeption Fürsorge, Versorgung und Versicherung getrennt haben möchten. Es ist für mich als Mitglied einer der Koalitionsparteien ein wenig peinlich, hier festzustellen, daß die Fraktion der Christlich-Demokratischen Union, die bekanntlich den Finanzminister und den Arbeitsminister stellt, hier eine Anfrage gestellt hat, die sie besser innerhalb der Fraktion mit den beiden verantwortlichen Ministern vorab geklärt hätte. Ich bin idem Herrn Kollegen Arndgen für seine verantwortungsbewußte Stellungnahme zu diesem Problem dankbar, weil sie zeigt, daß die Mehrheit der CDU-Fraktion der Auffassung ist, daß die Fülle der Anträge, idle heute auf den Tisch des Hauses gekommen sind, nicht Anträge sein dürfen - und ich sage das mit voller Verantwortung -, die etwa in den Wahlkämpfen oder in den Zeitschriften der einzelnen Organisationen mit schönen Reden diskutiert werden, sondern Anträge sein müssen, für deren Auch-Erfüllung wir uns alle verantwortlich fühlen müssen. Diejenigen, die jetzt draußen in den Wahlkämpfen von Winterbeihilfeanträgen von Erhöhung der Renten usw. zu reden wissen und unendliche Versprechungen machen, müssen auch bereit sein, wenn sie das nächste Mal ins Parlament kommen und die Verantwortung tragen, diese Versprechungen zu erfüllen. Aus dieser staatspolitischen Verantwortung heraus möchte ich, soweit das in der Kürze der Zeit möglich ist, Stellung nehmen.
Wir haben uns in diesem Hause bei' der Verabschiedung des Bundesversorgungsgesetzes einmütig dafür ausgesprochen, daß die Kriegsopfer einen unabdingbaren Rechtsanspruch vom Staat - und der sind wir gemeinsam, nicht nur die Sprecher einzelner Parteien - zu erwarten haben, daß wir so für sie sorgen, daß sie weder die Fürsorge noch eine Wohlfahrtssammlung in Anspruch zu nehmen brauchen. Deshalb bejahen wir alle Anträge, die dahingehen, endlich diejenigen nicht zu vergessen, von denen Herr Bazille sehr richtig sagt, daß sie sich in seiner Organisation immer wohltuend und verantwortungsbewußt zurückgehalten haben. Wir sind aber nicht der Meinung, daß das 13. Monatsgehalt, das in den Tarifverträgen und bei den Beamten üblich ist, eine Angelegenheit ist, die man in die Versorgungsgesetzgebung einführen sollte, und wir glauben, daß man hier einen ganz klaren Rechtsanspruch und eine eindeutige Erhöhung der Renten im Maße dessen, was möglich ist, gewähren sollte. Es wäre für uns sehr einfach, uns hier hinzustellen und zu sagen: Wir fordern im Gegensatz zum SPD-Antrag nicht nur 15, sondern 25 DM und nicht 12, sondern 20 DM. Nein, wir fordern, daß das, was hier versprochen wird, auch wirklich erfüllt wird und daß der Finanzminister uns im Ausschuß sagt, in welchem Maße noch im nächsten Monat die Renten der Kriegsopfer wirklich so erhöht werden können, daß diese Erhöhung auch für die Zukunft bestehenbleibt.
Ich kann zu den übrigen Anträgen, die hinsichtlich der Erhöhung der Renten in der Sozialver({0})
sicherung von CDU und SPD gestellt worden sind, nur immer wieder sagen: Seit drei Jahren fordern wir, daß diejenigen, die Beiträge gezahlt haben, eine ausreichende Rente erhalten. Wir empfinden es als unerträglich, daß es heute Renten gibt - und auch die Aufzählung des Herrn Finanzministers kann uns in gar keiner Weise beruhigen -, Durchschnittsrenten, die unter den Fürsorgerichtsätzen liegen, und daß die Fehler des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes, die doch von allen, auch von der SPD, eingesehen werden, nicht endlich beseitigt werden, damit wir denjenigen, die einen Anspruch auf die Versicherung haben, auch Renten in 'die Hand geben, von denen sie leben können und bei denen sie nicht das Gefühl haben, noch zur Fürsorge gehen zu müssen.
Wir bedauern, daß die Regierung weder die Kapitaldeckung für die Rentenversicherung hergestellt noch die versicherungsmathematische Bilanz vorgelegt hat, und wir sind besorgt und erschüttertdarüber, daß der Arbeitsminister in der Öffentlichkeit wiederholt erklärt hat, spätestens in zwei Jahren müßten die Beiträge um 50 % erhöht oder die Leistungen um ein Drittel heruntergesetzt werden, wenn die 'deutsche Rentenversicherung nicht saniert werde. Wenn der Herr Arbeitsminister solche Erklärungen immer wieder anläßlich 'der verschiedensten Tagungen abgibt, dann erwarten wir von Ihnen ({1}) und auch von unseren Freunden in der Christlich-Demokratischen Union, die die Regierung mit tragen, daß sie nicht Anträge stellen, von denen wir nicht wissen, ob wir bei ihrer Annahme denjenigen, die heute Beiträge zahlen, und 'den vielen Alten und Kranken, die voll Vertrauen auf unsere Rentenversicherung schauen, dann noch die bisherigen Renten zahlen können. Wir sind der Meinung, daß es eine sehr einfache Sache ist, sich in der Auseinandersetzung draußen beliebt 'zu machen, indem man sehr viel verspricht. Wir wollen aber das halten, was wir versprechen.
({2})
Deshalb fragen wir den Arbeitsminister: Stimmt es und ist es richtig - da Sie bisher nicht widersprochen haben -, daß die deutsche Rentenversicherung ein Defizit von 50 Millionen hat? Wenn das stimmt, Herr Arbeitsminister, dann werden Sie wahrscheinlich keine Nacht mehr schlafen können wegen dieser Sorgen um die deutsche Rentenversicherung!
({3})
- Wer aber über diese ernsten Probleme noch zu lachen in der Lage ist, der trägt keinerlei Verantwortung und der ist auch nicht geeignet, sie jemals zu übernehmen; denn er hofft ja doch wahrscheinlich darauf.
Was die einzelnen Anträge angeht, so gibt mir die vorgeschriebene Zeit von nur einer Minute nicht die Möglichkeit - und das ist außerordentlich bedauerlich -, zu ihnen Stellung zu nehmen. Der Antrag der FDP auf eine weihnachtliche Kameradschaftshilfe scheint mir nicht 'geeignet zu sein, und es ist mir sehr zweifelhaft, ob es dem Bundestag ansteht, einen solchen Aufruf zu erlassen, genau so wie es eindeutig unmöglich ist, daß der Bundestag etwa das Rote Kreuz oder die Innere Mission, oder wer es sei, beauftragt.
Schließlich möchte ich zu dem Antrag der SPD betreffend die Winterbeihilfe - der Berichterstatter
hat das Problem bereits ausführlich dargelegt - folgendes sagen. Es passiert mir jetzt Tag für Tag draußen in den Versammlungen - Ihnen wird es ähnlich gehen -, daß uns in der demagogischsten Weise vorgehalten wird, die SPD habe Leistungen von 50 DM für jeden Arbeitslosen und für jeden Kleinrentner gefordert, die „bösen Regierungsparteien" hätten diese Leistungen aber abgelehnt.
({4})
Dabei wird verschwiegen, daß es sich bei der Forderung um 150 % der Fürsorgerichtsätze handelt, und es wird auch nicht erzählt, welcher große Personenkreis heute an Lohn und 'Gehalt weit weniger erhält, als 150 % ides Fürsorgerichtsatzes ausmachen, und wie viele Rentner, die ein Leben lang treu Beiträge entrichtet haben - Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge! -, weniger an Renten erhalten, obwohl 'sie gegenüber dem Versicherungsträger und 'dem Staat einen 'Rechtsanspruch haben.
Ich möchte nur noch sagen, daß wir nicht in der Lage sind, auch nur einen einzigen Teil der Notleidenden auszunehmen. Der Herr Finanzminister hat erklärt, er könne 'diese Frage erst bei der Erörterung 'der 'Erhöhung 'der Beamtengehälter beantworten. Ich 'bitte ihn, schon jetzt daran zu denken, daß genau so die Gehälter der Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst, die Leistungen an die Altrentner, die Kleinrentner und die Altsparer zur Diskussion stehen, daß wir das Fremd-Rentengesetz immer noch nicht haben und daß wir die große Last 'der Verpflichtungen in diesem Staate gemeinsam durch alle Parteien zu tragen, und zwar so zu tragen haben, daß wir denen in die Augen sehen können, die diese Forderungen an uns zu richten haben, damit sie nicht einmal fragen: Du hast in der Wahlversammlung
oder in 20 wunderbaren Anträgen etwas zugesagt, und was hast du uns jetzt gehalten!
Meine Freunde in der Deutschen Partei werden diese Auffassung im Ausschuß ebenso verantwortungsbewußt zum Ausdruck bringen.
({5})
- Ihnen, Frau Kollegin Döhring, kann ich nur sagen: Hoffentlich gehören Sie nicht zu denen, die in dieser Weise einmal zur Verantwortung gezogen werden müssen!
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin doch erschüttert, daß sich einige Redner bei der Debatte um diesen Tagesordnungspunkt gegenseitig unterstellten, Propagandaanträge eingereicht zu haben. Glaubt man, auf diesem Wege draußen den Glauben an die Ernsthaftigkeit parlamentarischer Arbeit zu fördern? Fügt man nicht der staatspolitischen Tätigkeit des Parlaments Schaden zu, wenn man bei den heutigen labilen politischen Verhältnissen der Bundesrepublik nicht selbst den Glauben an die Ernsthaftigkeit hat, wenn man dieses Mühen durch solche Verdächtigungen noch untergräbt?!
({0})
Ich bin bis zum Beweis des Gegenteils gewillt, jedem dieser Anträge die Ernsthaftigkeit sozialen
({1})
Bemühens zu unterstellen. Ich glaube, davon sollte man zunächst ausgehen.
Ich erinnere mich, daß der von mir sehr verehrte Alterspräsident dieses Hauses, der Herr Reichstagspräsident a. D. Paul Löbe, einmal im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität gelegentlich der Debatte um den § 96 - es ging um die Frage der Deckungsklausel bei Anträgen, die die Ausgaben erhöhen oder die Einnahmen verringern - das Beispiel aus dem alten Reichstag erzählte, daß sich die Parteien - ich glaube, es ging damals um die Schulspeisung - in Änderungsanträgen überboten und schließlich Herr Torgier von der kommunistischen Fraktion den Rekord schlug, indem er die Summe des letzten Änderungsantrags noch einmal verdoppelte, so daß sie bereits in die Millionen ging. Der Herr Reichstagspräsident Löbe sagte dann daraufhin: So geht es aber nicht, Herr Torgier! - Ich hoffe, daß wir noch nicht so weit gekommen sind wie damals bei der Debatte im Reichstag, wo die Situation anscheinend bereits verfahren war.
Frau Kollegin Arnold, Sie tun uns unrecht, wenn Sie dem Antrag, den mein Kollege Euler begründete, Propagandatendenzen unterstellen. Ich darf Ihnen mitteilen, daß im Bundesinnenministerium auf eine Anregung des Herrn Bundeskanzlers hin seit Monaten bereits der Gedanke diskutiert wird und auch bereits greifbare Formen angenommen hat. In den ersten Dezembertagen soll in einer Aktion an die Freiwilligkeit und an das soziale Gewissen der Bevölkerung appelliert werden; es soll jene freiwillige soziale Selbsthilfe stattfinden, die in erster Linie den kinderreichen, vaterlosen Familien und in zweiter Linie den bedürftigen alleinstehenden Alten helfen soll. Sie sehen also, auch auf anderer Seite hat man sich mit dem Problem einer gewissen freiwilligen Selbsthilfe befaßt. Wir werden diese Vorarbeiten des Bundesinnenministeriums mit unserem eigenen Antrag verbinden und hoffentlich auch unter Ihrer und der anderen Kollegen Mithilfe den besten Weg finden. Der Appell an die Freiwilligkeit, meine Kollegen, ist noch nicht das allerschlechteste, so sehr auch der Appell an die Freiwilligkeit in der Vergangenheit mißbraucht wurde. Man soll aber aus dem Mißbrauch einer Institution nicht für die Ewigkeit die Freiwilligkeit verdammen.
({2})
Zum zweiten. Ich darf Ihnen mitteilen, daß wir auch das Problem der Verbesserung der Kriegsopferrenten in einer Novelle zum Bundesversorgungsgesetz bereits bearbeitet haben. Ich glaube nicht, Herr Bundesfinanzminister, ich glaube auch nicht, Herr Bundesarbeitsminister, daß das letzte Wort bezüglich der Erhöhung der Kriegsopferrenten bereits gesprochen ist. Wir wissen, daß der Index des Jahres 1950, den wir damals den Berechnungen der Grund- und Ausgleichsrenten zugrunde gelegt haben, heute längst zuungunsten der Kriegsopferrenten überschritten ist.
Wir machen Ihnen aber in unserer Novelle, die wir dem Hause bald vorlegen werden, auch entsprechende Deckungsvorschläge. Uns scheint es richtig zu sein, daß man Anträge, die Mehrausgaben beinhalten, gleichzeitig mit einer Deckungsklausel versieht. Das ist der Sinn verantwortlicher sozialer Antragstellung. Unsere Deckungsklausel, Herr Bundesfinanzminister, hat folgenden Inhalt. Wir sagen, daß die Ausgaben aus Einzelplan XXVI
Kap. 4 in den ersten vier Monaten des Haushalts- (( jahres 1952/53 eine Unterschreitung der Haushaltsansätze um rund 350 Millionen DM im gesamten Haushaltsjahr erwarten lassen. Diese Summe dürfte ausreichen, um die Kosten einer durchschnittlich 20% igen Erhöhung der Ausgleichsrenten zu decken. Wir werden Gelegenheit haben, an Hand dieser Novelle, die eine Änderung der §§ 32 bis 34, 41, 47 und 51 des Bundesversorgungsgesetzes zum Inhalt hat, alle Einzelheiten zu besprechen. Ich hoffe, daß wir aus der Kombination aller heute zu diesem Thema vorliegenden Anträge schließlich eine Lösung finden, die selbst gegenüber den Demagogen von rechts und links verantwortet werden kann.
({3})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Pohle.
Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat vorhin davon gesprochen, daß die Kriegsopferversorgung in Deutschland eine derartig gute ist, daß sie den Vergleich mit dem Ausland durchaus auszuhalten imstande ist. Ich schlage doch dem Herrn Finanzminister vor, dem Hause darüber eine vergleichende Darstellung zu überreichen.
({0})
Dann brauchen wir uns nicht mit Behauptungen auseinanderzusetzen, dann können wir hier die Fakten feststellen. Wir sind die letzten, die nach der Richtung hin nicht den besonderen Schwierigkeiten, denen wir in der deutschen Bundesrepublik gegenüberstehen, Rechnung tragen würden.
Nun, Herr Kollege A r n d g en, Ihr Weinen und Ihr Jammern heute habe ich nicht ganz verstanden. Sie machen mit Recht den Vorwurf: d a wird etwas herausgeholt, d o r t wird etwas genommen, j e n e s wird hervorgezogen. Aber warum sind Sie dann nicht mit uns den Weg der sozialen Studienkommission gegangen, die das Gebiet als ein Ganzes betrachten sollte, in der Form, wie wir es wollten?
({1})
Wir sehen ja diese Schwierigkeiten, die sich entwickeln, und wollen einmal hier die Ganzheit feststellen, damit das richtig miteinander ausgeglichen werden kann.
Um auf die letzten Worte des geschätzten Herrn Kollegen Dr. Mende zu kommen: ich bin naturgemäß gern bereit, mit allen Kräften auch innerhalb des Bundestagsausschusses für Kriegsopfer-und Kriegsgefangenenfragen zu versuchen, den Dingen in etwa die Richtung zu geben, die auch der Herr Finanzminister noch als erträglich empfindet; aber, Herr Finanzminister, dann auch mal mit klaren Fakten! Es geht nicht an, daß das Bundesarbeitsministerium behauptet, es sind 3 Milliarden und 8 Millionen DM verbraucht worden, und daß vom Bundesfinanzministerium ganz andere Zahlen genannt werden. Wir müssen feststellen, daß in diesem alten Haushaltsplan Reserven drinstecken, die für die erste Hilfe bereitgestellt werden könnten.
({2})
Und dann, meine Herren von den Regierungsparteien, ein Letztes. Es fiel hier das Wort - und ich unterstreiche das, was Herr Kollege Mende sagte -: „Wir wollen uns gegenseitig nicht unterstellen, daß von der einen oder anderen Seite her Propagandaanträge gestellt werden". Gerade das möchte ich peinlichst vermeiden, daß das bei einem so diffizilen Kreis geschieht wie dem der Kriegsopfer und der Kriegshinterbliebenen.
, ({3})
Deswegen wäre ich den Damen und Herren von den Regierungsparteien sehr dankbar für eine offene Antwort auf die Frage: Stimmt es, daß die Regierungsparteien dem Herrn Bundeskanzler versichert haben, in Zukunft die Anträge abzulehnen, die in diesem Hause gestellt werden, und die noch mehr Geld kosten, als bisher vorgesehen war? Wenn das stimmt, dann nützt uns auch die Überweisung der Anträge an den Ausschuß nichts; denn dann kommen wir mit der Arbeit nicht weiter.
({4})
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Damit ist die Aussprache beendet.
({0})
- Nein, nein, Sie haben keine Minute mehr. Sie haben Ihre Redezeit schon überschritten.
({1})
- Die Redezeiten sind alle restlos erschöpft, meine Damen und Herren. In der Hinsicht ist die Situation hoffnungslos. Ich möchte infolgedessen die Debatte schließen und zur Abstimmung kommen.
Zunächst zu Punkt 3 a der Tagesordnung. Dazu ist keine Abstimmung notwendig. Aber bei Punkt 3 b ist die Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen vorgeschlagen. - Dem wird nicht widersprochen. Ich nehme also die Zustimmung des Hauses dazu an.
Punkt 3 c. Dazu ist vorgeschlagen die Überweisung an den Haushaltsausschuß und an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen. Auch das ist wohl das Selbstverständliche.
({2})
- Bei diesen Anträgen ist an sich die Federführung beim Haushaltsausschuß, weil es sich ja dabei um eine Ausgabenbewilligung handelt.
({3}) '
- Gut! Wenn das gewünscht wird, muß ich darüber abstimmen lassen. Welcher Ausschuß soll federführend sein, der Haushaltsausschuß oder der Ausschuß für Kriegsopferangelegenheiten?
({4})
- Jawohl, das entspricht ja unseren Gepflogenheften. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung an den Haushaltsausschuß zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag auf Überweisung an den Haushaltsausschuß ist angenommen.
Weiter: Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Dann Punkt 3 d der Tagesordnung, das ist der Antrag der SPD. Da ist dieselbe Situation: Überweisung an den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen. Ich brauche wohl nicht noch einmal die Abstimmung von vorhin zu wiederholen. - Auch das ist also so beschlossen.
Es folgt Punkt 3 e der Tagesordnung. Da käme
- das ist auch beantragt - die Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen in Frage. - Dem wird nicht widersprochen; es ist also beschlossen.
Wir kommen dann zu Punkt 3 f der Tagesordnung, Zuschlag zu den Renten in der Sozialversicherung. Dazu ist die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik vorgeschlagen. Besteht auch hier Übereinstimmung?
({5})
- Über den Überweisungsantrag?
({6})
- Was ist das für ein Antrag gewesen? Ich bin ja nicht die ganze Zeit hier gewesen.
({7})
- Da wollen Sie abstimmen über die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik?
({8})
- Ach so, ich verstehe jetzt, über den Antrag selbst. Zunächst geht vor der Überweisungsantrag. Ich bitte diejenigen, die für Überweisung sind, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen. Dann ist damit natürlich Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik gemeint.
({9})
Dann kommen wir zu Punkt 3 g betreffend Weihnachtliche Kameradschaftshilfe des deutschen Volkes. Dazu ist kein Überweisungsantrag gestellt.
({10})
- Sie wollen Überweisung an den Kriegsopferausschuß?
({11})
Ich bitte diejenigen, die dieser Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann haben wir über den Punkt 3 h abzustimmen. Dazu liegt der Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3799 vor, ferner ein Änderungs({12})
antrag auf Umdruck Nr. 685. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zu der Abstimmung über den Antrag in der Fassung des Ausschusses. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist zweifellos die Mehrheit. Angenommen. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
a) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarkts durch steuerliche Begünstigung festverzinslicher Wertpapiere ({13});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({14}) ({15})
({16});
b) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Kapitalverkehr ({17});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({18}) ({19})
({20});
c) Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Dividendenabgabeverordnung ({21});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({22}) ({23}).
({24})
Der Berichterstatter ist für die drei Punkte derselbe; ich nehme an, daß er sie zusammenhängend behandelt.
Zur Berichterstattung hat das Wort der Herr Abgeordnete Scharnberg.
Scharnberg ({25}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarktes durch steuerliche Begünstigung festverzinslicher Wertpapiere, dem Entwurf eines Gesetzes über den Kapitalverkehr und idem Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Dividendenabgabeverordnung liegt Ihnen der Schriftliche Bericht*) der Ausschüsse für Finanz- und Steuerfragen und für Geld und Kredit - z u Drucksache Nr. 3773 -vor; ich darf hierauf verweisen.
Diesen Bericht ergänze ich wie, folgt. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat dem Gesetzentwurf zur Förderung des Kapitalmarktes durch steuerliche 'Begünstigung festverzinslicher Wertpapiere in der Fassung der gemeinsamen Beschlüsse der Ausschüsse für Finanz- und Steuerfragen und für Geld und Kredit, Drucksache Nr. 3773, zugestimmt, soweit dieser Entwurf die steuerliche Begünstigung festverzinslicher Wertpapiere behandelt. Mit Mehrheit wurde beschlossen, die Streichung des Art. 1 a anzuregen. Gleichzeitig hat der Ausschuß die Bundesregierung ersucht, unverzüglich Gesetzentwürfe vorzulegen, die für die Wirtschaft, insbesondere für die kleine gewerbliche und mittelständische Wirtschaft, Steuer-
*) Siehe Anlage 2 Seite 10910
begünstigungen oder Ermäßigungen enthalten. Den
Gesetzentwürfen über die Aufhebung der Dividendenabgabeverordnung und über den Kapitalverkehr hat der Wirtschaftsausschuß zugestimmt.
Des weiteren wurde dem Ausschuß für Geld und Kredit von der Arbeitsgemeinschaft des privaten Hypothekenbankgewerbes die Bitte übermittelt, im Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarktes durch steuerliche Begünstigung festverzinslicher Wertpapiere den Begriff „Ausgabe von Wertpapieren" durch „Ausstellung" zu ersetzen, da der erste Begriff zu Zweifeln Anlaß geben würde. Nach einer Rücksprache mit den zuständigen Vertretern des federführenden Ministeriums ist der Ausschuß für Geld und Kredit zu der Meinung gelangt, daß eine Änderung nicht notwendig ist, weil unter dem im Gesetz verwendeten Begriff „Ausgabe" bzw. „ausgeben" der Begriff „Emission" zu verstehen ist. Das ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, daß in idem vorgesehenen § 3 a des Einkommensteuergesetzes in Ziffer 3 davon die Rede ist, daß die Steuerfreiheit für alle Wertpapiere einer Ausgabe auch dann gilt, wenn bis zu den bezeichneten Stichtagen nur ein Teil der Wertpapiere veräußert worden ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das war wohl die Berichterstattung für alle drei Punkte?
({0})
Herr Abgeordneter Seuffert zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage namens meiner Fraktion, den Art. 1 a, der in dem Ausschußbericht enthalten ist, nicht zu beraten, weil das der Geschäftsordnung widersprechen würde. § 60 Abs. 3 der Geschäftsordnung lautet:
Die Ausschüsse dürfen sich nur mit den ihnen
überwiesenen Gegenständen befassen, . . . Dem Ausschuß ist ein Gesetzentwurf zur Förderung des Kapitalmarkts durch steuerliche Begünstigung festverzinslicher Wertpapiere überwiesen. Nach der Geschäftsordnung hatte der Ausschuß keine Befugnis, diesem Gesetzentwurf eine Bestimmung über die Ermäßigung der Körperschaftsteuer durch steuerliche Begünstigung der Ausschüttungen auf Aktien einzufügen. Da nach den Anträgen, die für die dritte Lesung angekündigt worden sind, ohnehin damit zu rechnen sein dürfte, daß der Art. 1 a, wenn er zur Beratung käme, schon aus sachlichen Gründen gestrichen würde, möchte ich mich auf diese Ausführungen beschränken. Immerhin mache ich darauf aufmerksam, daß nach § 127 der Geschäftsordnung Abweichungen von dieser im einzelnen Fall nur mit Zweidrittel-Mehrheit der anwesenden Mitglieder des Bundestages beschlossen werden können. Ich mache weiter auf dié Folgen für die Wirksamkeit eines Gesetzesbeschlusses in einem nicht geschäftsordnungsmäßigen Verfahren aufmerksam. Es handelt sich nicht um einen Antrag auf Änderung ides Gesetzes, sondern um den Antrag, aus geschäftsordnungsmäßigen Gründen diesen Teil des Ausschußberichts nicht zu behandeln.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Scharnberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion wird dem Antrag des Kollegen Seuffert nicht widersprechen,
({0})
womit wir uns in bezug auf die Rechtsausführungen, die Herr Seuffert zur geschäftsordnungsmäßigen Seite gemacht hat, nicht präjudizieren. Wenn wir dem Antrag nicht widersprechen, so deshalb, weil auch wir die Absicht hatten, eine Streichung des Art. 1 a vorzuschlagen und die Regelung des Problems, das in dem Art. 1 a behandelt ist, einer späteren 'Gesetzgebung vorzubehalten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
Auch wir vermögen uns den geschäftsordnungsmäßigen Ausführungen des Herrn Kollegen Seuffert nicht anzuschließen, werden aber dem Antrag nicht widersprechen, weil wir eine Möglichkeit sehen, das Ziel 'des Art. 1 a, das unserer Ansicht nach erreicht werden muß, in kurzer Zeit in einem anderen Rahmen zu verwirklichen.
Meine Damen und Herren, damit ist, glaube ich, die Geschäftsordnungsdebatte beendet. Eigentlich besteht auf allen Seiten des Hauses Übereinstimmung darüber, daß der Art. 1 a nicht behandelt werden soll. Wir lassen ihn also aus der Vorlage Drucksache Nr. 3773 heraus. Wenn darüber Übereinstimmung besteht, können wir nun in die Beratung des Gesetzes im übrigen eintreten. Ich rufe Art. 1 Ziffer 1 auf.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Ich darf gleich sagen, daß dazu der Änderungsantrag Umdruck Nr. 684 Ziffer 1 vorliegt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich erkläre, 'daß die in Umdruck Nr. 684 zur zweiten Beratung des Gesetzentwurfes angekündigten Anträge der SPD erst zur dritten Beratung gestellt werden. Ich bitte deshalb, in der zweiten Beratung die Paragraphen einzeln aufzurufen. Anträge werden von uns zur zweiten Beratung nicht gestellt, sondern der dritten Beratung vorbehalten.
Meine Damen und Herren, zur zweiten Beratung werden also keine Anträge gestellt.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Niebes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl die Regierungs- als auch die Ausschußvorlage verzeichnen unter Art. 1 bezüglich 'des § 3 a eine ganze Reihe von Schuldverschreibungen, deren Zinsen nicht von der Einkommensteuer erfaßt werden sollen. Meine Fraktion
({0})
ist der Meinung, daß es unmöglich ist, einen solchen Katalog anzunehmen. Wir sind lediglich bereit, bei solchen festverzinslichen Anleihen eine Steuerfreiheit für die Zinsen zuzubilligen, die für den Sozialen Wohnungsbau bestimmt sind. Alles andere lehnen wir ab. Wir können der Regierung nicht eine Blankovollmacht einräumen, jetzt mit Schuldverschreibungen anzufangen und dann den Zeichnern zu sagen: Ihr habt ja für die Zinsen Steuerfreiheit.
Aus der Begründung der Regierung stellen wir fest, daß da mit „währungspolitisch, wirtschaftspolitisch und staatspolitisch förderungswürdigen Anleihen" operiert wird. Wenn wir alle diejenigen festverzinslichen Anleihen, die staatspolitisch begründet sein sollen, in die Steuerbefreiung einbeziehen, dann werden wir erleben, daß die Regierung Anleihen auflegt, die sie zu keinem anderen Zweck gebrauchen will als zur Aufrüstung.
({1})
Sie hat dabei nichts anderes im Sinne, als industrielle Investitionen vorzunehmen, die der Aufrüstung dienen. Solchen Anleihen können wir unmöglich eine Steuerbefreiung für die Zinserträge zubilligen.
Ich stelle deshalb den Antrag, in dem unter Art. 1 vorgesehenen § 3 a, „Steuerbefreiung bestimmter Zinsen", nur die ersten Worte „Steuerfrei sind:" und die Ziffer 1 stehenzulassen und alle übrigen Ziffern dieses Paragraphen zu streichen.
Darf ich Sie um den Antrag bitten.
({0})
- Ja, der muß an sich schriftlich vorliegen. Wir können über mündlich gestellte Anträge nicht abstimmen; nachher gibt es dauernd Formulierungsstreitigkeiten.
Wird weiter das Wort zu Art. 1 Ziffer 1 gewünscht? - Das ist nicht 'der Fall. Dann lasse ich über den soeben vorgetragen Änderungsantrag abstimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Ich lasse dann abstimmen über Art. 1 Ziffer 1 und bitte diejenigen, die der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einzelnen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf die Ziffern 1 a, - 2, - 3, -4, - 5, - Art. 3, -- Art. 3 a, - Art. 3 b, - Art. 4, - Einleitung und Überschrift. Dazu sind Änderungsanträge nicht gestellt. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Ziffern und Artikeln sowie Einleitung . und Überschrift zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Dafür ist eine Gesamtredezeit von 90 Minuten vorgesehen. Ich bitte darauf zu achten, daß sich diese 90 Minuten auf die Punkte 7 a, b und c erstrecken.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausgangspunkt und das Kernstück dieses Gesetzes ist nach unserer Ansicht die Lage bezüglich der Kapitalversorgung der Wohnungswirtschaft. Die Wohnungspfandbriefe, die für die erste Hypothek des sozialen Wohnungsbaus das Kapital beschaffen sollen, befinden sich heute, soweit sie überhaupt untergebracht werden konnten, zu 75 bis 85 % im Besitz der öffentlichen Hand. Die öffentliche Hand kann sie nicht losbekommen; sie muß die Kurse zum Teil stützen, und die Stockung der Mittelbeschaffung auf diesem Wege verursacht nicht nur Verzögerungen im Wohnungsbauprogramm, sondern sie verursacht auch steigende Anforderungen an die öffentlichen Subventionen.
({0})
Wir haben um so weniger Bedenken, diesem Grundgedanken zuzustimmen, den das Gesetz in diesem Punkte - das ist der Art. 1 Ziffer 1, die Neueinfügung insbesondere des § 3 a des Einkommensteuergesetzes - anstrebt, als nach unserer Ansicht die Wohnungswirtschaft nicht ein Teil der freien Privatwirtschaft, sondern ein Teil der öffentlichen Wirtschaft ist und nichts anderes sein kann. Selbst derjenige, der darüber vielleicht programmatisch andere Ansichten haben sollte, kann nicht leugnen, daß es faktisch heute so ist. Wir müssen also in der Tat den Markt für Wohnungspfandbriefe auflockern.
Wie und warum wir in diese Situation geraten sind, wollen wir im Augenblick nicht näher untersuchen. Es mögen Versäumnisse vorliegen. Es mag immerhin darauf hingewiesen werden, daß man mit einer erstaunlichen Gleichmütigkeit die mangelnde Anpassung zwischen den Diskontsätzen des Geldmarkts und den erstrebten Zinssätzen des Kapitalmarkts jahrelang hingenommen und sich dabei anscheinend keine Gedanken darüber gemacht hat, daß das Verhältnis zwischen dem offenen Bankkredit des Geldmarkts und dem fundierten Kredit des Kapitalmarkts in dem Augenblick ein anderes geworden ist, in dem die Bankkredite weder kurzfristig noch ungesichert sind.
Es ist richtig, daß auch diese Konzeption des neuen § 3 a des Einkommensteuergesetzes, der hier vorgeschlagen wird, einige schwache Stellen hat. Die schwächste Stelle ist wohl die Bestimmung, nach der auch Industrieobligationen eine Steuerfreiheit zugestanden werden soll, wenn sich die Gesellschaften zu einer Herunterkonvertierung ihrer Anleihen auf 51/2 % - statt der üblichen ungefähr 61/2 % - verstehen. Das Verfahren, das man sich hier vorstellt, also die Tatsache, daß der Schuldner mit dem Gläubiger eine Vereinbarung trifft, auf Grund deren der Schuldner weniger zahlen, der Gläubiger unter Umständen etwas mehr erhalten und die Differenz der Steuersäckel zahlen soll, ist allerdings teilweise - hoffentlich! - unpraktisch, im übrigen aber vom Standpunkt der kaufmännischen Sitte und der Schuldnermoral denn doch wirklich so infam, möchte ich sagen, daß wir hoffen möchten, daß der Fall nicht praktisch wird.
Die einzige Lösung in diesem Punkte, über den sich die Fachleute im Ausschuß länger unterhalten haben, ist zweifellos die Heraufkonvertierung derjenigen Industrieobligationen, die etwa sonst Marktschwierigkeiten haben könnten. Es ist auch offensichtlich, daß das in den meisten Fällen, ja, in fast allen Fällen, möglich ist; denn eine Untersuchung zeigt ohne weiteres, daß sich praktisch keins der Unternehmen, die solche Obligationen ausgegeben haben, im Verluststadium befindet. Es ist allerdings richtig, daß einige der Unternehmen, und zwar insbesondere Energieunternehmungen, mit teilweise recht großen Emissionen hier Schwierigkeiten haben werden. Das ist ein Punkt, der sehr dafür sprechen würde, die Rückwirkung der Kupon- oder Objektsteuer, die in Ergänzung des § 43 des Einkommensteuergesetzes hier vorgeschlagen wird, sowohl für diese Papiere - wie übrigens auch für alle anderen Papiere - zu unterlassen. Da unsere Anträge in diesem Punkte ohnehin weiter gehen, möchte ich diesen Punkt jetzt nicht weiter vertiefen.
Wir müssen nun allerdings den Kapitalmarkt, den freien Zufluß von Kapital zum Wohnungsbau,
etwas auflockern; aber wir können das sicherlich nicht so tun, wie es im zweiten Teil des Gesetzes versucht wird, nämlich in der Art, daß wir die Kapitalsammelstellen, insbesondere soweit sie steuerbegünstigt oder steuerfrei sind, daß wir den kleinen Sparer vom Wertpapiermarkt überhaupt absperren.
Wenn ich auf diesen zweiten Teil des Gesetzes eingehe, der eine Art Neuordnung des Kapitalmarkts durch eine Steuerbestimmung bringen soll, die schon als Steuergesetz ein absolutes Novum und ein Widerspruch gegen alle bisher festgehaltenen Grundsätze der Steuerpolitik ist, so ist das erste, was ich hier rügen muß, der Versuch, die Grundlage eines Kapitalmarktes - gleichzeitig den Maßstab für die Angebote, die auf diesem Markt vorliegen - aus den Angeboten des Schuldners, seiner tatsächlichen Leistung und einem Steuergesetz zu mischen. Niemand, der so etwas versucht, der, wie es die Begründung dieses Gesetzes und seine Verfechter hier im Parlament getan haben, eine normale oder Netto-Rendite aus dem Steuersatz und den Schuldnerleistungen zusammen-konstruieren will, sollte vor allen Dingen vergessen, daß Steuergesetze Dinge sind, die - anders als Anleiheverträge und anders als Emissionsversprechungen eines Schuldners - der Verfügung jedes Parlaments und seiner jeweiligen Mehrheit unterliegen und unterliegen müssen, wenn überhaupt eine Steuerpolitik möglich sein soll.
Darüber, welche Einwirkungen durch Änderung solcher Steuergesetze auf dem Kapitalmarkt möglich sind, haben wir ja bereits bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs die beweglichsten Klagen über die Beunruhigung gehört, die durch die neue vorgeschlagene Änderung der Art der Besteuerung und ihrer Höhe bei den bisher ausgegebenen Papieren eingetreten ist. Aus diesen Klagen haben Sie bereits einen Vorgeschmack davon bekommen, was auf dem Kapitalmarkt passieren würde, wenn dieses Steuergesetz eines Tages, der gar nicht so fern sein könnte, geändert würde. Ihnen ist in den verschiedensten Beispielen dargelegt worden, daß die Einwirkungen auf diese Papiere geradezu untragbar sind. Was Sie nämlich hier vor allen Dingen vergessen haben, meine Damen und Herren, die Sie diesen Entwurf vertreten, ist die Tatsache, daß es nicht genügt, aus einem Kuponabzug für die Steuer und einer angenommenen normalen Zinsleistung des Schuldners eine normale Rendite der Wertpapiere zu konstruieren, sondern daß der Kapitalmarkt nicht nur aus Wertpapieren besteht und daß alle und gerade die wichtigsten Anleger auf diesem Markt durchaus die Möglichkeit haben, auf andere Anlagewerte, auch festverzinsliche, überzugehen, die von diesem Gesetz nicht erfaßt würden. Alles deutet darauf hin, daß eine derartige Beunruhigung im weitesten und gefährlichsten Maße erfolgen wird; und wenn Sie hier zum ersten Mal in der deutschen Steuergeschichte einen Zinsabzug an der Quelle von festverzinslichen Kupons vornehmen, so haben Sie sich allerdings darauf besinnen müssen, daß schon nach dem geltenden Doppelbesteuerungsabkommen und nach dem eigenen autonomen Steuerrecht; das wir haben, Ausländern dieser Kuponabzug ohnehin nicht zugemutet werden kann. Sie haben deshalb eine Rechtsverordnung für die Erstattung dieses Abzuges vorsehen müssen. Glauben Sie im Ernst, daß die ausländischen Anleger, die, man mit einiger Mühe und einigem Glück immerhin zu nicht unbeträchtlichen Anlagen auf diesem festverzins({1})
lichen Markt gebracht hat, diese Rechtsverordnung und das, was sie etwa vorschreiben möge, abwarten werden, daß sie sich darauf, einlassen werden, zunächst Kuponabzüge hinnehmen zu müssen und in irgendeinem Verfahren später eine Erstattung zu bekommen? Meine Damen und Herren, die Kündigungen und die Verkaufsaufträge liegen bereits vor; ich habe sie gesehen.
Weiter ist dieses Gesetz, das in so erstaunlicher Weise - ich möchte keine harten Worte gebrauchen, aber es hält schwer, diese Auffassung nicht als dilettantisch und täppisch zu bezeichnen - den Gesamtzusammenhang des Kapitalmarktes außer acht läßt, eine außerordentliche Bevorzugung des Wertpapiermarktes und des Wertpapiersparens, und es ist nicht nur so, daß sehr mit Recht die Sparkassen und auch 'die Bausparkassen und andere die Frage gestellt haben, wieso denn das Wertpapiersparen ein besseres Sparen sei als das Kontosparen oder andere Spararten, sondern es ist ja auch so, daß es eine Bevorzugung des Emissionskredites auf idem Wertpapierwege, der schließlich nur sehr großen Schuldnern offensteht, gegenüber dem mittleren und kleinen Gewerbekredit ist. Ich weiß nicht, wie man sich vorstellt, daß eine Bank, welche durch Anlage in solchen Wertpapieren 6 bis 8 % - nach Ihrer Vorstellung, wie Sie gesagt haben, etwa 8 % - Zinsen einnehmen soll, auf die sie nur 30% Steuer zu zahlen hat, auf die Idee kommen soll, zu 8 oder meinetwegen auch zu 9 oder 10% Zinsen, die sie mit 60% versteuern muß, kleine Kredite - ohne Emission - an die gewerbliche Wirtschaft auszugeben -, wie sie das überhaupt verantworten will. Es ist außerordentlich erstaunlich, daß eine derartige Konzeption in demselben Zeitpunkt und von derselben Seite vorgebracht wird, wo man aus derselben Ecke nichts anderes als „Förderung des Mittelstandes", „Kreditversorgung des Handwerks" und ähnliches mehr hört.
Wenn ich nun vom steuerlichen Standpunkt auf dieses Gesetz eingehen darf, 'zunächst einmal vom Standpunkt der Steuerverwaltung aus: Ich frage mich, wie es dazu kommen konnnte, daß unsere Finanzverwaltung, unser Finanzministerium, dem man doch weiß Gott Mangel an konservativer Gesinnung nicht vorwerfen kann, die alte gute Lehre vergessen hat, daß man an festverzinslichen Kupons den Steuerabzug an der Quelle nicht vornehmen kann. Man kann ihn zwar bei Gewinnanteilen und bei Aktienkupons vornehmen, aber nicht bei festverzinslichen, weil eben Zinsen doch gleich Zinsen sind. Wollte man das, müßte man es auch bei Hypothekenzinsen, bei jeden Schuldzinsen, auch bei Sparzinsen, ja bei allem, was hier in Frage kommt, selbst bei Kontokorrentzinsen tun! Das kann man nicht tun. Es ist schließlich eine alte und wohlbegründete Regel des Steuerrechts, daß man nicht bei den einen Zinsen einen Kuponabzug vornehmen kann und bei den anderen Zinsen nicht, nicht etwa bei den Pfandbriefzinsen abziehen kann und bei den Hypothekenzinsen nicht.
Ich frage mich auch, wie die Anwendung eines solchen Gesetzes rein formular- und verwaltungsmäßig in Zukunft aussehen soll. 'Denn nach diesem Gesetz muß sich der Steuerbeamte nicht nur eine Angabe in der 'Steuererklärung machen lassen, wieviel Zinsen im ganzen der Betreffende bezogen hat, sondern er muß sich genau angeben lassen, von 'welchen Papieren 'diese Zinsen stammen, und er muß jedes 'dieser Papiere darauf nachprüfen - Herr Kollege Preusker, e r muß die
Steuerfreiheit und die Richtigkeit des Steuerabzugs nachprüfen
({2})
- er muß jedes 'dieser Papiere darauf nachprüfen, ob es ein nach dem 31. März 1952 an der Börse zugelassenes, soundso kündbares, oder sonst ein festverzinsliches Wertpapier ist, ob es unter Ziffer 5 oder 6 fällt, und ähnliches. Anders ist das wohl nicht aufzufassen. Und es ist erstaunlich, daß man in demselben Augenblick, wo man ein Vereinfachungsgesetz, das 'allerdings g e g en die Kapitalbildung bei 'den breiten Massen 'gewirkt hätte, vorgelegt hat, ein Gesetz, das der Ausschuß Gott sei Dank noch einigermaßen korrigiert hat, daß man in 'demselben Augenblick eine Konzeption auch von Regierungsseite hier vorlegt, die bestimmt keine Vereinfachung, sondern eine unerhörte Erschwerung der Verwaltung bedeutet.
Ganz abgesehen davon, daß Sie, glaube ich, noch Ihre blauen Wunder erleben werden, mit welcher Leichtigkeit man z. B. einen Anleiheankauf in ein Schuldscheindarlehen umwandeln kann, wenn es einem nicht paßt, den Steuerabzug vornehmen zu lassen, weil man z. B. eine nicht steuerpflichtige öffentliche Kasse oder etwas Ähnliches ist, oder wie man andererseits mit Rückkauf und sonstigen Bestimmungen sehr leicht ein Schuldscheindarlehen, ein echtes Schulddarlehen, in einen Wertpapierkauf umwandeln kann, wenn es einem paßt, statt der üblichen 60% die 30% Abfindungssteuer zu zahlen. Ich glaube, da können wir noch allerhand erleben.
Ich weise weiter 'darauf hin, welche Geschäfte möglich sind, wenn der Schuldner auf der einen Seite seine Zinsen mit 60% bei der Steuer abziehen 'kann, wenn er 60% Körperschaftsteuer zahlt, und auf 'der anderen Seite der Gläubiger von diesen Zinsen auf keinen Fall mehr als 30% 'zu zahlen 'hat, falls er sich die Mühe und die Kosten gemacht hat, die Papiere bei der Börse zulassen zu lassen.
Das 'sind Gesichtspunkte der Steuerverwaltung und der Durchführung des Gesetzes. Noch erstaunlicher, muß ich sagen, ist das Gesetz vom Standpunkt 'der Steuerpolitik. Es bedeutet ja nichts mehr und 'nichts weniger, als daß für die Zinsen, die unter 'das Gesetz fallen sollen, die Steuerprogression aufgehoben wird und mit einer Objektsteuer, mit einem einheitlichen Satz von 30% alles abgegolten sein soll. Wenn unter allen Einkommensarten etwas zur progressiven Besteuerung geeignet ist, so ist es doch das arbeitslose Zinseinkommen. Gerade hier die Progression aufheben zu wollen, scheint mir denn 'doch ein Verlassen aller Grundsätze der Steuerpolitik zu sein. Man mag vom Standpunkt der Verteidiger dieses 'Gesetzes sagen, daß der Steuerausfall relativ gering sei. Man mag ihn vielleicht auf 40 oder 60 Millionen DM veranschlagen. Sie werden allerdings gerade in einer anderen Debatte gehört haben, 'daß ein derartiger Betrag 'im 'Bundeshaushalt eine sehr große Rolle zu spielen beginnt, besonders wenn es sich um dringende soziale Forderungen handelt. Vor allen Dingen ist der Steuerausfall aber deswegen so gering, weil die Steuer auf den Mittelsatz, auf einen -annähernden Durchschnittssatz nivelliert worden ist. Das heißt, für diese Einkünfte sollen die Leute mit kleinem Einkommen und infolgedessen kleinem Steuersatz, auch die aus guten Gründen steuerbegünstigten Kapitalsammelstellen, mehr zahlen, damit die Leute mit großem Einkommen und hohem Steuersatz weniger zahlen. Das ist das
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Geheimnis des kleinen Steuerausfalls. Der Kleine zahlt mehr, damit der Große weniger zahlt. So kommt man auf den Durchschnitt zusammen.
Bei der jetzt vorliegenden Fassung können Sie, glaube ich, nicht mehr von einem Gesetz zur Förderung des Kapitalmarktes sprechen, vor allen Dingen nicht, wenn Sie die von mir angeführten Dinge festhalten. Bei 'diesem Vorschlag handelt es sich eindeutig um ein 'Gesetz zur Ermäßigung der Steuer auf Zinseinnahmen von Beziehern großer Einkommen und gleichzeitig auch um ein Gesetz zur Erhöhung der Steuer auf Zinseinnahmen von Beziehern niederer Einkommen oder von steuerbegünstigten Zinsbeziehern.
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- Herr Kollege Neuburger, wir haben über diese Dinge im Ausschuß eingehend gesprochen.
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Ich glaube, wer sich vorstellt, daß ein Mann, der nun wirklich einmal einen Pfandbrief oder eine Obligation gekauft hat und den Kupon abgezogen bekommt, sich die Mühe eines Ganges oder mehrerer Gänge zum Finanzamt usw. für einen Veranlagungsantrag kosten läßt, um diesen Abzug zurückzubekommen, ist ein hoffnungsloser Illusionist.
Ich frage mich, wie ein derartiges Steuerermäßigungsgesetz in unserer heutigen Finanz- und Haushaltslage, bei dem unabsehbaren Finanzbedarf - ich zitiere ein Wort, das der Herr Bundesfinanzminister heute in diesem Hause gebraucht hat - irgendwie eine verantwortliche Unterstützung finden konnte. Erst recht verstehe ich nicht, wie das Gesetz von seiten des Herrn Bundesfinanzministers unterstützt werden konnte. Ich erinnere mich daran, daß dem Herrn Bundesfinanzminister im Ausschuß die Frage gestellt worden ist, in welcher Weise -er denn diese Objektsteuer auf das Zinseinkommen in irgendeine Steuerreform einbauen wolle. Ich erinnere mich auch an die klassische Antwort des Herrn Bundesfinanzministers. Diese ging ungefähr dahin, man werde schon irgendwie Mittel und Wege finden. Das heißt natürlich in Wirklichkeit, daß es auf diese Frage keine Antwort gibt.
Wenn wir schon von Ordnung des Kapitalmarktes sprechen, so wollen wir uns doch darüber klar sein, daß die Grundlage eines gesunden Kapitalmarkts zunächst einmal eine ausreichende Kapitalbildung ist. Wenn man von einem kranken Kapitalmarkt in dieser Bundesrepublik spricht, so wird man doch niemals leugnen können oder zu leugnen versuchen sollen, daß in dieser Bundesrepublik j eden-falls, die Kapitalbildung seit dem Jahre 1948 außerordentlich gewesen ist. Es ist außerordentlich viel Kapital bei den Unternehmen gebildet worden. Dieses Kapital ist aus der Arbeit der Arbeiter gebildet worden; aber es gehört nicht den Arbeitern. Es ist sehr viel Kapital in Bauten und Investitionen gebildet worden und sehr viel aus dem Geld der Steuerzahler; aber sehr viel davon gehört nicht den Steuerzahlern. Es ist sehr viel Kapital auch auf den Sparkonten gebildet worden. Aber immer wieder sehen wir, daß diese Sparkonten nur zum kleinsten Teil den kleinen Sparern gehören und daß es bei dem andern Teil, bei dem es sich bis zu einem gewissen Grade um ausgesprochene Großanlagen handelt, ungefähr die Hälfte wieder aus Steuermitteln stammt. Heute sehen wir, daß Kapital in der Größenordnung von, wenn man den öffentlichen
Anteil abzieht, mindestens 4 bis 5 Milliarden, bereits gebildetes Kapital in der Form von Termingeldern tatsächlich schon bei den Banken daliegt.
Man kann also nicht von einer ungenügenden Kapitalbildung in dieser Bundesrepublik sprechen. Aber man muß immerhin fragen: Wer hat denn dieses Kapital sich gebildet? Der Schriftliche Ausschußbericht führt fünf Punkte als Gründe für die unbefriedigende Entwicklung des Wertpapiermarktes an. So heißt es unter Punkt 1: Zerstörung der Währung durch zwei Kriege, und unter Punkt 2: Währungsumstellung hat das Vertrauen der Sparer erschüttert. Nun, das ist Allgemeingut und braucht nicht weiter berührt zu werden. Unter Punkt 3 heißt es:
Die Preisunsicherheit der Jahre nach der Währungsreform verhinderte eine baldige Beseitigung der Vertrauenskrisis.
Nun, man kann das offenbar auch „Preisunsicherheit" heißen. Bis jetzt hat man es meistens „freie Wirtschaft" und „freie Preise" geheißen, und wir haben immer wieder darauf hingewiesen, daß gerade das die Sicherheit und die Vertrauensbasis erschüttert. Das wird jetzt unter einem anderen Namen hier anerkannt.
Unter Punkt 4 wird beklagt, daß bis zum Erlaß des Gesetzes über den Kapitalverkehr keine zentrale Stelle vorhanden war, die auf eine einheitliche Gestaltung des Kapitalmarkts Einfluß zu nehmen in der Lage war. Allerdings ist um so erstaunlicher, daß alle Versuche, eine einheitliche Ordnung des Kapitalmarkts zu organisieren, von der Mehrheit dieses Hauses in der von ihr verfolgten Politik so gut wie radikal abgelehnt werden und daß die Bestrebungen, dieses Gesetz über den Kapitalverkehr überhaupt abzuschaffen oder jedenfalls so blutleer zu machen, daß gar nichts mehr damit anzufangen ist, unverkennbar gewesen sind.
Unter Punkt 5 wird gesagt, daß die Steuerprogression die Kapitalbildung verhindere und daß Zinssätze, die Nettoerträge von 1 bis 2 oder bestenfalls 3 °/o bedeuteten, die Kapitalbildung ebenfalls verhinderten. Was die Steuerprogression anlangt, so handelt es sich doch zuerst einmal um die Aufbringung des Sparkapitals oder des Kapitals überhaupt. Wenn man einmal so viel verdient hat, daß man es beim besten Willen nicht mehr abschreiben oder verfrühstücken kann, so kann man ja nicht umhin, Kapital gebildet zu haben, und in diesem Zustand muß man an und für sich den Zinssatz nehmen, den man kriegen kann. Die 'Kapitalbildung wird weniger durch die niedrigen Zinssätze verhindert als dadurch, daß sehr viele Leute sich das Geld nicht vom Munde absparen können. Allerdings ist hier die Steuerprogression schuld. Machen Sie sich doch bitte einmal klar, wie der Arbeitnehmer Kapital bildet. Er verdient sich vielleicht eine Gehaltserhöhung, er erklimmt eine neue Gehaltsstufe, er erwirkt irgendeine Zulage oder eine Verbesserung seiner Bezüge. Aber wenn sich jemand mit einem Jahreseinkommen von 2400 DM vielleicht um 10 oder um 20 DM monatlich verbessert, dann muß er ja, wie die Steuertabelle ausweist, von dieser seiner Kapitalbildungsmöglichkeit bereits 20 % vorweg abgeben, ehe er daran denken kann, zu sparen. In der Stufe zwischen 3600 und 4800 DM jährlich sind es bereits 25%, und noch unterhalb eines Einkommens von 9000 DM jährlich wird bereits eine Spitzenbesteuerung von 40% erreicht.
Meine Damen und Herren, das sind hindernde Steuerprogressionen! Ich glaube, Sie können nicht
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sagen, daß sie Ihnen unbekannt sind, und ich glaube, Sie können auch nicht sagen, daß Ihnen die Gegenvorschläge unbekannt sind; denn wir sind seit zwei Jahren nicht müde geworden, Ihnen zu sagen, wie man dem abhelfen, wie man gerade hier die Progression mildern könne.
Ich muß zum Schluß kommen. Der Industrie- und Handelstag hat gesagt, daß die hier vorgeschlagenen Maßnahmen unzureichend sind, daß ihre Einseitigkeit sogar schädlich ist. Wir pflichten ihm bei! Die Sparkassen und Bausparkassen haben die Frage gestellt, wieso man denn ihre Spararten - das Kontensparen - in dieser Weise gegenüber dem Wertpapiersparen diskriminieren könne. Wir finden, daß diese Frage sehr berechtigt ist. Wir haben fast von jedem Sachverständigen gehört, daß er in diedem Gesetz in dieser Form allenfalls eine Behelfs- und vorläufige Maßnahme sehen könne, die nur dann von ihm gebilligt werden könne, wenn anderes und weiteres zu verwirklichen wäre. Die Ansichten darüber aber, was hier zu verwirklichen wäre, sind so weit auseinandergegangen, daß man von Anfang an sagen konnte, eine gemeinsame Grundlage ist überhaupt nicht vorhanden gewesen.
Vom Prämiengesetz - dieser Zangengeburt, die wieder einmal steckengeblieben ist - habe ich gar nicht gesprochen. Ich kann nur zum Ausdruck bringen, daß das, was hier vorliegt, nach unseren Vorstellungen das Gegenteil einer planmäßigen Ordnung des Kapitalmarkts ist; es ist auch das Gegenteil unserer Vorstellungen und überhaupt jeder möglichen Vorstellung von Steuerpolitik. Wenn das in dieser Form Gesetz werden sollte, so möchte ich keine Zweifel darüber lassen -
Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre Redezeit jetzt schon so erheblich überschritten, daß ich Sie bitten muß, nun wirklich aufzuhören.
Ich bin bereits am letzten Satz angelangt, Herr Präsident!
Wenn der Entwurf in dieser Form Gesetz werden sollte, dann wird die SPD keine Zweifel darüber lassen können, daß sie jede nächste sich bietende Gelegenheit wieder ergreifen muß, um dieses Gesetz rückgängig zu machen. Wer sich auf dieses Gesetz verläßt, verläßt sich darauf, daß eine sachliche Ordnung auf dem Kapitalmarkt und eine soziale Steuerpolitik in dieser Bundesrepublik überhaupt nicht mehr zum Zuge kommt. Wenn er sich dann falsch verläßt, dann hat er es sich selber zuzuschreiben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege S e u f f er t hat noch einmal hier vor dem Plenum die Gründe zusammengefaßt, aus denen heraus die Opposition den Weg, der hier beschritten wird, nicht mitzugehen in der Lage ist. Ich darf noch einmal kurz auf den Ursprung dieses Gesetzes zurückkommen. Vor einem Jahre haben wir ein Investitionshilfegesetz beschlossen, das zur Linderung des allerdringlichsten Investitionsbedarfs in den deutschen Grundstoffindustrien - vor allem bei Kohle, Stahl und Elektrizität - eine Milliarde DM durch eine Zwangsanleihe der gesamten gewerblichen Wirtschaft beschaffen sollte. Darüber waren sich hier alle Beteiligten klar, daß dies nicht der geeignete Weg ist, um auf die Dauer die dringlichen Investitionsprobleme unserer Wirtschaft zu
lösen, und daß zum zweiten dieser Betrag von einer Milliarde auch nur einen Tropfen auf einen heißen Stein darstellt, wenn allein bei Kohle, Stahl und Eisen in den nächsten Jahren dringliche Investitionsvorhaben im Gesamtbetrag von rund 12 Milliarden DM anstehen. Es war deshalb schon damals die Absicht der Bundesregierung und des Bundestags, Mittel und Wege zu finden, um zur Entwicklung eines wirksamen Kapitalmarktes in der Bundesrepublik zu gelangen. Dieser Entwicklung eines wirklich lebendigen und funktionsfähigen Kapitalmarkts standen eine Reihe von Tatsachen entgegen, die ich einmal stichwortartig aufzählen möchte.
Wir hatten eine an den wirklichen Marktverhältnissen vollkommen vorbeigehende Bindung der Hypothekenpfandbriefzinsen an die Höhe von 5%. Die Zustände, die sich bis vor kurzem auf diesem Marktgebiet zeigten, waren so unerfreulich - weil die 5 % völlig irreal waren -, daß die effektiven Kurse, zu denen diese Pfandbriefe umgesetzt werden konnten, bei 72, 73 und 75 % lagen. Wir wollen es hier einmal mit aller Deutlichkeit aussprechen: so manches Kino, so manche Bar, so manches Etablissement, das in der öffentlichen Meinung Anstoß erregt hat, konnte in den letzten Jahren nur deswegen gebaut werden, weil diese nicht preisgestoppten und nicht auf soziale Rücksichten abgestellten Vorhaben in der Lage waren, solche schwarzen Kurse von 75 % zu verdauen, während das der ordnungsgemäße Wohnungsbau nicht konnte, - eine wirklich unerfreuliche Entwicklung einer Kapitalfehlleitung vom Wohnungsbau, von Kohle und Stahl, diesen Beschäftigungsgrundlagen der deutschen Wirtschaft, weg zu Gebieten, die im Augenblick volkswirtschaftlich gesehen wirklich weit weniger dringlich waren.
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Das zweite Problem im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Kapitalmarkts war die Notwendigkeit, an den Bindungen des Sozialen Wohnungsbaues auf der Mietseite festzuhalten. Diese Bindungen von der Mietseite der bestimmten von vornherein das Ausmaß der Zinsbelastung, die ein solches Soziales-Wohnungsbau-Proj ekt zu tragen vermochte. Die Problematik, die wir lösen mußten, war, die von uns allen hier als zwingend anerkannten und gerade auf dem Gebiet des Wohnungsbaus doch quer durch alle Fraktionen des Bundestags einmütig beschlossenen Richtlinien beizubehalten und trotzdem aus diesen die Fehlinvestitionen begünstigenden Entwicklungen am Kapitalmarkt herauszukommen.
Obendrein mußte erreicht werden, daß die deutsche Wirtschaft bei dem nun doch wirklich nicht zu leugnenden Mangel an Kapital für langfristige Investitionen nicht in einer Weise durch übermäßig hohe Zinssätze belastet wurde, daß sich das sofort wieder in den Produktionskosten, von den Produktionskosten auf die Preise, von den Preisen auf die Löhne, von den Löhnen auf die Konkurrenzfähigkeit auf den Auslandsmärkten, auf die Inlandskaufkraft und auf die Beschäftigung auswirkte.
Deshalb allein ist doch diese Konstruktion gewählt worden, um das Ansteigen der Zinssätze über ein erträgliches Maß hinaus zu verhindern, nämlich eine 30% oige einheitliche Kapitalertragssteuer vorzusehen und gleichzeitig den SozialenWohnungsbau-Pfandbrief steuerfrei zu lassen, um ihn in der gegenwärtigen Zinshöhe - das war un({1})
ser aller Erwartung - weiterhin für die gesamte Bevölkerung, für die Kapitalanleger attraktiv werden zu lassen, so daß trotzdem dieser Soziale Wohnungsbau Anliegen Nr. 1 bleibt, aber darüber hinaus der übrige Kapitalmarkt wieder mit Leben erfüllt wird.
Der Herr Kollege Seuffert hat gesagt: Es ist doch aber unmöglich, daß Sie das mit steuerlichen Mitteln tun, hier eine Mischung von Angebot des Schuldners und steuerlicher Erleichterung durch den Staat vornehmen lassen. An einer andern Stelle hat der Kollege Seuffert gesagt: Es ist auch nicht Aufgabe des Staates, Kapital zu bilden, sondern dieses Kapital gehört eigentlich dem, der die Steuern zahlt. - Ich kann es nicht mehr wörtlich formulieren, aber so ungefähr war es zum Schluß gesagt worden. - Sehen Sie einmal, Herr Kollege Seuffert, die Beträge, die für den Sozialen Wohnungsbau über die Haushalte des Bundes, der Länder und der Gemeinden seit der Währungsreform aufgewandt worden sind - erfreulicherweise sind es sehr hohe Summen, nämlich fast 9 Milliarden Mark -, die hat der Steuerzahler aufbringen müssen aus seinem ihm an und für sich zustehenden Lohn und Leistungsentgelt. Wenn ein wesentliches Ziel dieses Gesetzes ist, die öffentlichen Haushalte von diesen Ausgaben zu entlasten, sie über den Kapitalmarkt durch echte Sparleistungen finanzieren zu können, dann gibt es dadurch die Möglichkeit, entweder die Steuern zu senken - das wäre ein sehr schönes Ergebnis, ein Ergebnis, das wir auch mit allen Mitteln anstreben wollen, und wir werden in diesen Tagen eine entsprechende Vorlage einreichen - oder aber andere Anliegen auf dem sozialen Gebiet - gerade etwas, worüber heute nachmittag hier debattiert worden ist - zu erfüllen. Auch hier wird nun ein kapitalmarktpolitisches Problem im Augenblick über Steuergelder gelöst, und ich glaube, daß, wenn man diese Dinge miteinander vergleicht, Herr Seuffert, 8 oder. 9 Milliarden DM über den Steuerhaushalt oder auf der andern Seite hier mit einem Verzicht in der Höhe von 40 bis 60 Millionen DM dasselbe Ergebnis zu erreichen, anzunehmen ist, daß das letztere auf alle Fälle volkswirtschaftlich viel wertvoller und günstiger ist.
Jetzt haben Sie weiter gesagt, Herr Seuffert - und das ist sicher richtig -: Durch diese auf den Kapitalmarkt selbst - nämlich auf die festverzinslichen Wertpapiere am Kapitalmarkt - projizierte Steuerfreiheit für den Sozialen-WohnungsbauPfandbrief oder durchschnittlich 30% ige Kapitalertragsteuer als einmalige Steuerabgeltung wird nun ein Zusammenhang zerrissen gegenüber anderen Gebieten des Kapitalmarktes. - Herr Seuffert, bisher war dieser Zusammenhang leider Gottes auch nicht da. Sie hatten bereits Begünstigungen für die Bausparkassensparer und Begünstigungen für die Lebensversicherungssparer. Sie hatten auch schon steuerliche Begünstigungen für die Wertpapiersparer, Kapitalansammlungsverträge, ein Problem, dessen Überleitung ja ohnehin aus anderen Gründen noch zu lösen ist. Jetzt wird wenigstens einheitlich innerhalb dieser Kategorien eine gleichartige Begünstigung hergestellt.
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Eins ist sicher richtig, die private Hypothek fällt nicht darunter. Herr Seuffert, ich glaube, daß es im Augenblick ein volkswirtschaftlich durchaus zu rechtfertigendes Anliegen ist, möglichst alles Kapital über den öffentlich kontrollierbaren Kapitalmarkt - d. h. über die Wertpapieranlage - zu leiten und es nicht in irgendwelchen dunklen Kanälen versickern zu lassen. Sie kennen die Inseratenteile unserer Tageszeitungen, in denen gerade dieser schwarze und graue Kapitalmarkt, dessen Wege Sie ebensowenig wie irgend jemand anders kontrollieren können, ja einen Riesenraum einnimmt. Das verschwindet sicher mit diesem Gesetz und ist auch gewollt.
Sie haben weiter die Befürchtung ausgesprochen, es könnte auf diese Weise nur der Großschuldner - also Kohle, Stahl, Energie - profitieren und der kleine und mittelständische Investitionsbedarf könnte zu kurz kommen. Herr Seuffert, der ist doch bis jetzt ebenso wie an und für sich der Großkredit der Grundstoffindustrien zu kurz gekommen, aber in einem noch viel größerem Maße, und jetzt gibt es nach der Entwicklung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes erstmals die Möglichkeit, ihn auch zu befriedigen. Die Industriekreditbank war schon vor dem Kriege und ist auch jetzt wieder das Institut, das im Wege der Sammelanleihe gerade den Investitionskreditbedarf des Handwerks und der kleinen und mittleren Industrie decken soll. Sie hat noch genügend solcher unerfüllbarer Vorhaben vorliegen. Sie wird sicher als eine der ersten mit einer solchen Sammelanleihe jetzt an den Kapitalmarkt herangehen, um gerade den mittelgewerblichen Kreditbedarf zu befriedigen.
Ich möchte noch etwas Weiteres sagen, weil es so gefährlich ist, wie Sie es hier ausgesprochen haben. Sie sprachen davon: wenn man schon etwas begünstige, dann sei es doch gerade am unzweckmäßigsten, ein „arbeitsloses Zinseinkommen zu begünstigen". Wir sind uns doch alle miteinander darüber klar gewesen, wie ungeheuer notwendig die Förderung des Sparens in unserer Volkswirtschaft ist.
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- Das Sparen des kleinen Mannes begünstigen wir einmal über das Wohnbau-Sparprämiengesetz und zum zweiten, wenn wir die technischen Schwierigkeiten dieses Gesetzes lösen können, über. die Ausweitung zum allgemeinen Prämienspargesetz. Insofern wollen wir auch dem kleinen Mann mindestens dasselbe zukommen lassen.
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Es war gerade Ihr Kollege Klabunde, mit dem ich zusammen für diese Idee des Wohnbausparprämiengesetzes in diesem Bundestag zwei Jahre lang hart gerungen habe. Wenn wir jetzt den anderen eine ähnliche Begünstigung zukommen lassen, weil wir bisher das Kapital für produktive Zwecke, um Arbeitsplätze oder Wohnungen zu schaffen, nicht bekommen haben, dann muß man doch eines bedenken, wenn diese mit höherer Progression belasteten Einkommen in gewisser Weise erleichtert werden. Die mit höherer Progression belasteten Einkommensträger haben, um dieses Zinseinkommen erhalten zu können, vorher von ihrem Arbeits ertrag 70, 80 oder 90 °/o abgeben müssen. Ich glaube, das muß man auch einmal sehen. Herr Seuffert, ich will hier nicht das eine Argument aufnehmen, das Ihnen Herr Neuburger vorhin schon als Zwischenruf entgegengehalten hat, als er sagte: Bitte, das Gesetz sieht ja vor, daß auch der kleine Mann, der kleine Wertpapiersparer zum Finanzamt gehen und die Rückerstattung beantragen kann.
Ihre Redezeit ist schon überschritten.
Herr Präsident, ich darf darum bitten, wenn die Argumentation der einen Seite über die Zeit weit hinausgeht, daß Sie dann auch Gerechtigkeit walten lassen, -
Ja, ich tue das schon!
- indem Sie auch die andere Seite stärker auf diese Argumente eingehen lassen.
Ich habe hier die Redezeit nicht nach Argumenten, sondern leider nach Zeiträumen zu bemessen!
Ich habe nur um Gerechtigkeit gebeten!
Das eine wollte ich noch dazu sagen, Herr Seuffert. Es ist doch so, daß der kleine Mann dann ohne weiteres den 5- oder 51/2% igen steuerfreien Typ als Wertpapier kaufen kann, wenn er sich schon als Wertpapiersparer betätigen will, und daß er auf diese Weise in jedem Falle mehr bekommt, als er bisher bekommen hatte, als er selbst einen 5% gen Pfandbrief, wenn er ihn gekauft hätte, noch voll zu versteuern hatte.
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Ohne Zweifel ist für den größeren Einkommensbezieher die Verbesserung entsprechend seiner höheren Steuerleistung wesentlich stärker als für den kleinen Mann. Das wird kein Mensch in diesem Hause bestreiten. Das soll aber das Kapital davon abhalten, wie bisher schwarze und dunkle Wege zu gehen, indem es leider sogar im eigenen Betrieb unter Umständen nur aus steuerlichen Gründen in Lastwagen, oder weiß der Kuckuck was sonst, gesteckt wird, anstatt über den Kapitalmarkt dazu zu dienen, Kohle, Stahl, Eisen und Arbeitsplätze zu schaffen.
Ich glaube daher, daß die Ergebnisse der mehrmonatigen Beratungen über dieses Problem doch einen Weg aufgezeigt haben, wie man aus zwingenden volkswirtschaftlichen und im letzten auch im höchsten Maße sozialen Gründen eines der schwierigsten und dringendsten Mangelprobleme unserer Wirtschaft lösen kann.
Ich bitte die Damen und Herren, die Anträge der Opposition abzulehnen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Föderalistische Union - Bayernpartei und Zentrum - hatte zu diesem Gesetz einige Änderungsanträge gestellt. Sie sind durch den gemeinschaftlichen Antrag der CDU/CSU und unserer Fraktion, durch den das gleiche Ziel in anderer Weise erreicht wird, gegenstandslos geworden. Es sollen danach die Geldmarkttitel aus dem Gesetz herausgenommen und nur Kapitalmarkttitel darin belassen werden. Unser Antrag Umdruck Nr. 686 ist also durch diesen gemeinschaftlichen Antrag erledigt.
Der Antrag Umdruck Nr. 689, den wir zu § 15 des Gesetzentwurfs über den Kapitalverkehr gestellt haben, deckt sich inhaltlich mit dem Antrag Umdruck Nr. 690 der Fraktion der CDU/CSU. Wir bitten um Annahme dieses Antrags.
Ich möchte im übrigen einige grundsätzliche Ausführungen zu dem Gesetzentwurf machen. Von seinen Verfechtern werden die Maßnahmen zur Rettung und zum Aufbau des Kapitalmarkts für notwendig gehalten. Eine ganze Reihe von Fachleuten auf diesem Gebiet und auch zahlreiche Länder und Bankiers sind anderer Meinung. Das Unternehmen, das hier gestartet wird, ist also in Fachkreisen durchaus umstritten, nämlich mit steuerlichen Mitteln eine Nettorendite herbeizuführen und den Kapitalmarkt wieder flottzumachen.
Diese Maßnahme wird damit begründet, daß sich die Bevölkerung bei der Kapitalmarktbildung zurückgehalten habe, ferner damit, daß die Steuerprogression ein Hindernis für die Kapitalmarktbildung gewesen sei. Sind diese Argumente stichhaltig? In der Neubildung von Sparkapital haben wir von März 1949 mit rund 2 Milliarden bis Juli 1952 den Betrag von 6,1 Milliarden erreicht; und allein von Juli 1951 bis Juli 1952 waren es 2 Milliarden. Das bedeutet doch, daß gerade die kleinen Leute, die Leute mit niedrigem Einkommen, denen die Altersvorsorge besonders am Herzen liegt, eine erhebliche Leistung zum Aufbau des Kapitalmarkts erbracht haben. Das haben sie getan bei völlig unzureichendem Zinsniveau. Trotz Vertrauenserschütterung durch das Währungsunrecht, trotz der Kopfquoten- und Festkontenstreichung, trotz der außerordentlich langsam fortschreitenden Aufwertung hat sich eine so außerordentlich starke Kapitalbildung ergeben.
Die Behauptung, die Steuerprogression verhindere die Kapitalbildung, ist sicher nicht zutreffend. Wir wollen an die sogenannten Termingelder heran. Die Untersuchung der BdL, die dem letzten Monatsbericht dieses Instituts beiliegt, zeigt, daß sich die Kapitalmarktbildung ganz wesentlich aus der Selbstfinanzierung ergeben hat. Allein in den letzten drei Halbjahren machte sie rund 3 Milliarden je Halbjahr aus. Es hat sich also allein. aus den Möglichkeiten, die §§ 7 a, 7 b, 7 c und 7 d zu Abschreibungen auf Grund des D-Mark-Bilanzgesetzes eröffnet hat, eine Kapitalbildung im eigenen Betrieb von rund 3 Milliarden DM pro Jahr ergeben. Aus Steuermitteln sind in den letzten drei Halbjahren je rund 2,7 Milliarden DM investiert worden. Damit steht fest, daß in außerordentlich starkem Maße Kapital gebildet worden ist. Das so gebildete Kapital brauchte aber nicht den Umweg über den zinspflichtigen Markt zu gehen. Deshalb hat es auch den Kapitalmarkt nicht aufgesucht. Es ist zum Teil auf Termin gelegt worden.
Wenn die Steuerprogression der oberen Stufen, die man jetzt stark ermäßigen will, für die nichtausreichende Kapitalbildung verantwortlich wäre, wie es die Verfechter dieses Gesetzentwurfes behaupten, müßte sich sicher mindestens eine entsprechende Steigerung des Aufkommens an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ergeben. Das Gegenteil ist der Fall. Gerade das Steueraufkommen in den unteren und untersten Schichten ist sehr stark gestiegen; bei den Einkommen- und Körperschaftsteuerpflichtigen ist es gesunken. Das Sozialprodukt betrug 1938 und 1951 rund 100 Milliarden RM bzw. DM. 1951 betrug das Einkommen- und Körperschaftsteueraufkommen 5150 Millionen DM Und das Lohnsteueraufkommen 2900 Millionen DM; 1938 betrug bei ungefähr gleichem Sozialprodukt das Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer 5582 Milli({0})
onen RM, also 400 Millionen Mark mehr, und das Lohnsteueraufkommen nur 2000 Millionen RM, also 900 Millionen Mark weniger. Das beweist eindeutig, daß die Steuerprogression und die Einkommen- und die Körperschaftsteuer die Kapitalbildung nicht nur nicht verhindert haben, sondern einen zusätzlichen Beitrag schon bisher zur Kapitalbildung in den vermögenden und reichen Schichten der Bevölkerung geleistet haben, während bei den kleinen Einkommen, bei den Lohnsteuerpflichtigen, das Gegenteil der Fall gewesen ist.
Es kommt hinzu, daß diese Änderung des Gesetzes eine Besteuerungsart einführt, die bisher niemand voraussehen und erwarten konnte. Der Übergang von der Einkommenbesteuerung zur Objektbesteuerung durch Einführung der Kuponsteuer verläßt das allgemein anerkannte Gebot der Besteuerung nach der Steuerkraft. Dem Inhaber von Geldkapital wird ohne Rücksicht auf seine Steuerkraft eine feste Steuer auferlegt. Diese ist in ihrer Höhe gleich der Besteuerung des Einkommens aus Arbeitserwerb von rund 13 000 DM. Herr Kollege Seuffert hat eben die Spitzenbesteuerung dargelegt. Der Steuersatz von 30 Vo wird bei einem Arbeitseinkommen von rund 13 000 DM erreicht. Das bedeutet, daß Zinseinkommen in beliebiger Höhe, arbeitsloses Einkommen aus Finanzkapital, nur mit dem Satz besteuert wird, der bereits bei einem Arbeitseinkommen von 1000 Mark monatlich bezahlt werden muß. Eine solche Gleichstellung ist bisher in der Lehre des Steuerrechts für unverantwortlich gehalten worden. Damit kann j a niemand rechnen. Die Steuerprogression will ausgleichen - und das ist das Entscheidende - die unterschiedliche Leistungsfähigkeit. Wohl alle Steuerrechtler des ganzen westlichen Kulturkreises sind der Ansicht, daß diese Berücksichtigung unterschiedlicher Leistungsfähigkeit das oberste und anerkannte Postulat der Steuerpolitik sein muß.
Beim Lohnsteuerpflichtigen kommt zu der Lohnsteuer noch die Belastung mit indirekten Steuern, mit Verbrauchsabgaben hinzu, die pro Arbeiterhaushalt im Monatsdurchschnitt 38 bis 40 DM ausmacht. Wenn wir also diese indirekten Abgaben beim Lohnsteuerpflichtigen noch hinzurechnen, ergibt sich eine ganz starke zusätzliche Steuerbelastung, eine Entlastung auf der anderen Seite beim arbeitslosen Zinseinkommen. Das vorgeschlagene Gesetz stellt deshalb eine Politik der Begünstigung des Finanzkapitals dar, ohne daß die dafür vorgebrachten Gründe wirtschaftlich zugkräftig wären. - Herr Preusker, Sie mögen ruhig lächeln; Sie werden, glaube ich, im Laufe der Zeit einsehen lernen, daß man auf den Steuerkarren nicht alles laden kann, vor allem nicht den Steuerkarren für Maßnahmen verwenden kann, die das Gebot der sozialen Gerechtigkeit in so eklatanter Weise verletzen wie dieses vorliegende Gesetz, ein Gesetz, das einem Teil der Steuerpflichtigen eine außerordentliche Steuerermäßigung auf den Satz derer, die durch ihre Arbeit ihr Brot verdienen müssen, nämlich auf 1000 DM Monatseinkommen herunter gewährt und auf der anderen Seite die Kleineinkommen nicht begünstigt. Wir haben festzustellen, daß durch diese Politik der Begünstigung des Finanzkapitals die Politik des Fiskalsozialismus - um ein Wort von Röpke zu gebràuchen - ergänzt wird, des Fiskalsozialismus, der dadurch gekennzeichnet ist, daß alle halbe Jahr rund 2,7 Milliarden in die öffentlichen Anlagen wandern. Gegen diese Politik, die durch das vorliegende Gesetz eindeutig verstärkt wird, müssen wir uns wenden.
Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß die Verfasser dieses Gesetzes wissen, wer unter Steuerdruck stöhnt und wie unter Steuerdruck gerade bei den Beziehern von. Kleineinkommen gestöhnt und mit Recht gestöhnt wird, die von ihrem kleinen Einkommen, nachdem sie die Steuern bezahlt haben, nachdem sie die Sozialabgaben bezahlt haben, nachdem sie die indirekten Lasten bezahlt haben, noch ihren Lebensunterhalt bezahlen müssen, die noch ihre Altersvorsorge und noch die Vorsorge für ihre Familie bezahlen müssen und die noch - ohne jede steuerliche Begünstigung - gezwungen werden, die Reparatur ihrer kleinen Werkstätte zu finanzieren, die die Anschaffung von kleinen Werkzeugen und Maschinen aus den spärlichen Einkommen finanzieren müssen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, daß die Verfasser dieses Gesetzes wissen, was sich heute im Steuerwesen in Deutschland tut, denn sonst könnten sie ein solches Gesetz nicht vorlegen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Jaffé.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herren Vorredner, insbesondere die Kollegen Seuffert und Dr. Preusker, haben aus ihren voneinander abweichenden Grundkonzeptionen in der Betrachtung der Materie, die dieses Gesetz betrifft, so eingehende Darlegungen über das Für und Wider gemacht, daß ich Sie damit langweilen würde, wenn ich diese Diskussion fortsetzte. Meine kurze Redezeit, die auch für drei Gesetze ausreichen soll, gestattet mir sowieso kein sehr langes Verweilen bei dem Gegenstand des Kapitalmarktförderungsgesetzes.
Gestatten Sie mir nur eine kurze grundsätzliche Betrachtung. Auf dem Gebiete, das das Kapitalmarktförderungsgesetz betrifft, sehen wir uns einer eigenartigen Situation gegenüber. Während der Geldmarkt zugegebenermaßen - was auch von allen anderen Rednern zugegeben wurde - erheblich flüssiger geworden ist, während sich außerhalb des Kapitalmarktes - auch zugegeben, Herr Kollege Seuffert - eine erhebliche Kapitalbildung vollzogen hat, müssen wir doch feststellen, daß der Kapitalmarkt nach wie vor noch völlig eingefroren ist, ja in einer Größenordnung, die wirklich zu Buche schlägt, kaum vorhanden ist. Meinen Freunden und mir scheint daher eine Auftauung dieses eingefrorenen Kapitalmarktes dringendst erforderlich. Wenn damit einmal der Anfang gemacht worden ist, so hoffen wir, daß die Auftauung nicht auf dem schmalen Sektor, auf dem sie zur Zeit stattfindet, weitergeht, sondern daß sich eine Verbreiterung ergibt, die einer Weiterbildung des Kapitalmarkts: zu dienen hat.
Auch wir von der Deutschen Partei können uns den Befürchtungen nicht verschließen, daß die öffentliche Hand zunächst diejenige sein wird, die von diesem Gesetz profitieren wird. Wenn man auch nicht davon sprechen kann, daß sie unmittelbar begünstigt wird, so wird es doch - das sehen wir kommen und fürchten wir, ich möchte es ruhig so kraß ausdrücken - dahin kommen, daß sie voraussichtlich mehr ausschöpfen wird, als wir mit Rücksicht auf den Mittelstand, an den wir hier besonders zu denken haben, eigentlich für gut be({0})
finden können. Auf der andern Seite muß es ja, um ein Beispiel zu nennen, auch möglich sein, eine Bundesanleihe zu placieren, und dafür müssen die Bedingungen doch immerhin so attraktiv sein, daß sie unterzubringen ist. Wir können aber diesem Gesetz nur zustimmen, wenn wir für die mittelständische Wirtschaft, der j a der Kapitalmarkt in diesem Sinne praktisch verschlossen ist, Erleichterungen schaffen, die sich einmal auf tragbare Kreditbedingungen nicht bloß in bezug auf den Zinsfuß, sondern auch in bezug auf die Laufdauer der Kredite, die doch überwiegend Investitionen in diesem Sektor der Wirtschaft zu dienen haben, erstrecken.
Das ist die eine Seite. Und auf der andern Seite halten wir es für dringendst erforderlich, auch von der steuerlichen Seite her den kleinen und mittleren Betrieben Erleichterungen zu gewähren, die wir in unserer Steuergesetzgebung j a teilweise bereits hatten, die inzwischen aber ihre Gültigkeit verloren haben. Wir werden Ihnen daher in allernächster Zeit mit Freunden aus anderen Fraktionen zusammen ein entsprechendes Gesetz vorlegen.
Ich darf, um meine Redezeit nicht allein für dieses Gesetz zu verbrauchen, zusammenfassend sagen, daß wir bereit sind, trotz der Schwächen dieses Gesetzes, die wir durchaus nicht ableugnen, und der Kompliziertheit seiner Technik vor allem auch in der Durchführung der Veranlagung, die wir ebenfalls ohne weiteres zugeben, ihm zuzustimmen, weil wir es für unbedingt erforderlich halten, daß sich auf diesem Gebiet endlich ein Auftrieb einstellt.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung geschlossen.
Ich rufe nun diejenigen Artikel und Ziffern auf, zu denen Änderungsanträge vorliegen. Zunächst ist das bei Art. 1 Ziffer 1 der Fall. Dazu liegt ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 684 Ziffer 1 vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Seuffert!
Seuffert ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf diesen Antrag sehr kurz begründen.
Es handelt sich im Grunde genommen um eine Klarstellung. Die Namensschuldverschreibungen sind bisher als nicht unter das Kapitalverkehrsgesetz fallend erachtet worden. Soweit sie nach dem 31. März 1952 ausgegeben worden sind, können sie deswegen nicht in den Genuß der Steuerfreiheit kommen, weil sie eben nicht nach dem Kapitalverkehrsgesetz genehmigt worden sind; und das ist von diesem Zeitpunkt ab die Bedingung. Diese Bedingung ist jedoch nicht für die vor dem 31. März 1952 ausgegebenen Papiere gesetzt. Ein Studium der juristischen Literatur hat mich nun überzeugt, daß es immerhin möglich ist, auch Namensschuldverschreibungen als Wertpapiere und deswegen festverzinsliche Namensschuldverschreibungen als festverzinsliche Wertpapiere anzusehen. Bei dem, was auf diesem Gebiet ohne Kontrolle gemacht worden ist, besteht, glaube ich, keine Veranlassung, irgendeine Steuerfreiheit vorzusehen. Deswegen die von uns beantragte Klarstellung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen daher zur Abstimmung.
Art. 1 Ziffer 1. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 684 Ziffer 1 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({0})
- Das war nicht sichtbar. Ich wiederhole also die Abstimmung und bitte diejenigen, die dem Art. 1 Ziffer 1 in der Ausschußfassung zustimmen, - ({1})
- Also, dann bitte ich diejenigen, die dem Änderungsanträge zustimmen, die Hand zu heben. - Jetzt ist das Bild ganz anders. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Dann bitte ich diejenigen, die Art. 1 Ziffer 1 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die überwiegende Mehrheit; angenommen!
Ich rufe nun Ziffer 1 a auf. Dazu liegt wiederum ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 684 Ziffer 2 vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Seuffert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auch diesen Antrag so kurz wie möglich begründen. Es handelt sich darum, daß in § 17 Ziffer 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung im Gegensatz zu § 17 Ziff. 2 einige Papiere zum steuerfreien Erwerb begünstigt worden sind, die das nicht automatisch, sondern durch besondere Anerkennung geworden sind. Insbesondere handelt es sich um eine 6 % ige Bundesbahnanleihe. Bei der Verlängerung des steuerbegünstigten Erwerbs durch Liegenlassen solcher Papiere ist bewußt damals diese Anleihe ausgenommen worden, so daß deren nochmalige Sperre auf drei Jahre nicht mehr steuerbegünstigt sein sollte. Es haben schon, das muß ich sagen, recht erhebliche Bedenken bestanden, diese 6 % ige Bundesbahnanleihe auch in den Genuß der Steuerfreiheit kommen zu lassen, in den sie durch die Ziffer 1 des Art. 1 kommt. Diese Anleihe, die immerhin einen Block von 500 Millionen ausmacht, der noch zum großen Teil nicht vergeben ist, wird wahrscheinlich eines der attraktivsten Papiere auf dem Kapitalmarkt sein und wird unter Umständen sogar einen Zufluß an andere Stellen für einige Zeit absaugen können. Wir glauben deswegen, daß man trotz aller Anerkennung der Bedürfnisse der Bundesbahn den Besitzwechsel, der hier etwa vorkommen sollte, wenn jemand nicht gewillt sein sollte, ein so außerordentlich günstiges Papier ohne nochmalige steuerliche Begünstigung zu behalten, ohne Schwierigkeiten in Kauf nehmen kann, und daß deswegen Ziffer 1 a unnötig ist.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 684 Ziffer 2 zustimmen, eine Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte dann diejenigen, die der Ziffer 1 a in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Das erste war die Mehrheit; angenommen.
({0})
Ich rufe dann Ziffer 2 auf. Dazu wiederum ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion, Umdruck Nr. 684 Ziffer 3, und ein Änderungsantrag der CDU/CSU- und der FU-Fraktion, Umdruck Nr. 692. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Herr Abgeordneter Ruhnke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An Stelle der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ist nach dieser Vorlage nun die Kapitalertragsteuer als Objektsteuer getreten. Diese vorgesehene Kapitalertragsteuer führt zu einem sozial unbefriedigenden Ergebnis bei den natürlichen Personen, da durch diese Steuer nur die Großsparer begünstigt werden, die infolge der Progression des Steuertarifs von der veranlagten Einkommensteuer mit hohen Sätzen betroffen werden. Die kleinen lohnsteuerpflichtigen Sparer, deren Zinserträge entweder wegen Geringfügigkeit überhaupt nicht zur veranlagten Einkommensteuer herangezogen werden oder von ihr nur mit geringeren Sätzen getroffen wurden als den Sätzen der Kapitalertragsteuer, würden größtenteils verschärft besteuert werden. Die Verweisung dieses Personenkreises auf das Kontosparen ist keine Begründung für eine gesunde Kapitalmarktreform und ist unseres Erachtens ein Versuch, dem letztgenannten Personenkreis den Weg zum Wertpapiersparen zu versperren. Aus diesem Grunde bitte ich Sie, unserem Antrag in Umdruck Nr. 684 zuzustimmen, die Ziffern 2, 3 und 4 zu streichen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Scharnberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von meiner Fraktion und der Fraktion der Föderalistischen Union sind die Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 692 und 693 gestellt; sie haben folgenden Grund.
In Ziffer 4 ist eine nicht ganz richtige Formulierung gewählt, die insofern geändert werden muß, als wir im Buchstaben a) die Schatzanweisungen des. Bundes mit einer Laufzeit unter drei Jahren erwähnt haben, also diejenigen, die nicht in § 3 a fallen. Diese kurzfristigen Schatzanweisungen fallen also unter die Kapitalertragsteuer von 30 %.
Im Buchstaben b) ist von Schatzanweisungen der Länder und Gemeinden, in den Buchstaben aa) und bb) von einer Laufzeit von 5 Jahren die Rede.
Aus dieser Konstruktion würde indirekt zu schließen sein, daß kurzfristige Schatzanweisungen von Ländern nicht unter diese Ziffer, sondern unter Ziffer 6 fallen, d. h. mit einer Kapitalertragsteuer von 60 Vo belegt werden sollen. Das ist natürlich nicht beabsichtigt.
Infolgedessen erscheint uns eine Klarstellung in der Weise nötig, daß der Buchstabe a) gestrichen und ferner in dem Buchstaben b) unter aa) und bb) die Frist von fünf Jahren in drei Jahre geändert wird. Das finden Sie in dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 692.
Darüber hinaus ist in dem Schlußabsatz von Ziffer 4, wie Sie wissen, die Bayernanleihe behandelt. Es ist der Wunsch von Freunden insbesondere aus der CSU und der Föderalistischen Union, die Bayernanleihe aus diesem Gesetz überhaupt herauszunehmen. Wir hatten Ihnen zu diesem Zweck den Umdruck Nr. 693 vorgelegt und gleichzeitig in Umdruck Nr. 692 beantragt, diesen
Schlußabsatz zu streichen. Nach Abstimmung mit dem Finanzministerium wird empfohlen, die Sache nicht in dieser Weise zu lösen, sondern in Art. 1 Ziffer 2 des Gesetzes unter Ziffer 6 folgenden Zusatz aufzunehmen, was ich hiermit beantrage:
Ausgenommen sind mündelsichere mit mindestens 8 v. H. verzinsliche Schatzanweisungsanleihen der Länder, die vor dem 1. Juni 1952 ausgegeben worden sind.
Damit ist nun folgender Zustand hergestellt. In der Ziffer 4 ist die Bayernanleihe gestrichen, und sie ist nunmehr als ausgenommen in Ziffer 6 genommen, so daß sie weder von Ziffer 4 noch von Ziffer 6 erfaßt wird, damit praktisch aus dem Gesetz herausfällt und einer normalen Versteuerung unterliegt.
Das sind die Anträge, die ich hier zu stellen habe, also Zurücknahme des Umdrucks Nr. 693 und dafür Änderung des Umdrucks Nr. 692, den ich dem Herrn Präsidenten hiermit überreiche.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Preusker.
({0})
- Herr Abgeordneter Dr. Preusker verzichtet. Herr Abgeordneter Neuburger, wollen Sie auch sprechen?
({1})
- Also auch verzichtet.
Dann, meine Damen und Herren, können wir die Aussprache schließen. Es liegt also jetzt vor zu Ziffer 2 der Antrag der SPD Umdruck Nr. 684 Ziffer 1 und der Antrag von CDU und Föderalistischer Union Umdruck Nr. 692
({2})
- in der Fassung, wie sie Herr Abgeordneter Scharnberg vorhin vorgetragen hat. Sind wir darüber klar? Dann können wir abstimmen.
Ich bitte zunächst diejenigen, die dem Änderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 684 Ziffer 3 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit Der Antrag ist abgelehnt.
Dann lasse ich über den vorhin durch Herrn Scharnberg in neuer Fassung vorgetragenen Antrag Umdruck Nr. 692 abstimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
({3})
- Also Enthaltungen? - Das ist bei einer Reihe von Enthaltungen angenommen.
Wer der Ziffer 2 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmt, den bitte ich, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun Ziffer 3 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 684 Ziffer 3 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir können also gleich abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Streichungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 684 Ziffer 3 zuzustimmen wünschen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
({4})
Ich bitte dann diejenigen, die der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe Ziffer 4 auf. Dazu liegt ein Streichungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 684 Ziffer 3 vor. Ich bitte diejenigen, die dem Streichungsantrag auf Umdruck Nr. 684 Ziffer 3 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({5})
- Wir haben über den Antrag auf Streichung der Ziffer 3 abgestimmt; jetzt stimmen wir über den Antrag auf Streichung der Ziffer 4 ab.
({6})
- Das ist also erledigt. Besteht da keine Meinungsverschiedenheit? - Das ist nicht der Fall.
Dann bitte ich diejenigen, die der Ziffer 4 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({7})
- Zu Ziffer 4 kenne ich keine Änderungsanträge. Zu Ziffer 4 liegt auch kein Streichungsantrag vor. Es liegt nur ein Streichungsantrag vor, der bereits erledigt ist.
Ich bitte also diejenigen, die der Ziffer 4 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; Ziffer 4 ist angenommen.
Ich rufe nun Ziffer 5 auf. Über Ziffer 5 braucht deswegen nicht abgestimmt zu werden, weil dazu kein Änderungsantrag vorliegt. In der dritten Beratung wird nur über Ziffern abgestimmt, zu denen Änderungsanträge vorliegen.
Dann liegt ein neuer Antrag auf Umdruck Nr. 694 vor, an Stelle des gestrichenen oder zurückgestellten Art. 1 a einen neuen Art. 1 a einzufügen. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Neuburger.
Wir haben vorhin bei der zweiten Lesung den Art. 1 a zurückgestellt bzw. nicht mehr aufgenommen. Nun ist es erforderlich, einen Teil dieses Art. 1 a wieder aufzunehmen, soweit es sich um körperschaftsteuerliche Bestimmungen handelt, und zwar in Auswirkung dessen, was wir soeben beschlossen haben. Ich bringe daher den Antrag ein, einen neuen Art. 1 a einzufügen. Der Antrag lautet:
Hinter Art. 1 wird der folgende Art. 1 a eingefügt:
Artikel 1 a
Das Körperschaftsteuergesetz in der Fassung vom 23. Mai 1952 ({0}) wird wie folgt geändert und ergänzt:
({1})
- Dann kann ich auf die Verlesung verzichten. Eine Begründung brauche ich nicht zu geben, weil diese sich bereits aus den Bestimmungen ergibt, die wir im Zusammenhang mit den Vorschriften über die Einkommensteuer bereits beschlossen haben.
Keine weiteren Wortmeldungen; die Aussprache ist geschlossen.
Wir stimmen also ab über den Umdruck Nr. 694.
({0})
Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe dann Art. 3 auf. Dazu ein Änderungsantrag der SPD, Umdruck Nr. 684 Ziffer 5. Das Wort ist nicht gewünscht. Wir können abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die Art. 3 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben.
- Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Art. 3 a. Dazu liegt ein Änderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 684 Ziffer 6 vor.
({1})
- Dann brauche ich darüber nicht abstimmen zu lassen.
Es liegt nun Umdruck Nr. 694 zu II vor. Das bezieht sich auch auf Art. 3 a. Wird eine Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall; dann kann ich darüber abstimmen lassen. Es wird also nicht mehr über Umdruck Nr. 684 Ziffer 6, sondern lediglich über Umdruck Nr. 694 zu II abgestimmt. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag Umdruck Nr. 694 zu II ist angenommen.
Ich bitte dann diejenigen, die Art. 3 a mit der soeben beschlossenen Änderung annehmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun Art. 4 auf. Dieser ist auch erledigt; der Antrag der CDU/CSU, FU ({2}) ist erledigt. Ich brauche über den Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 693 also nicht abstimmen zu lassen.
Damit ist die dritte Beratung beendet.
Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetz als ganzem zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist damit in dritter Beratung angenommen. Das Erheben habe ich diesmal vergessen. Es ist so spät; da können wir es uns mal schenken!
({3})
Wir kommen nun zu den Abstimmungen zu Punkt '7 b: Entwurf eines Gesetzes über den Kapitalverkehr, zweite Beratung.
Ich rufe auf § 1. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte uni die Gegenprobe. - Angenommen.
§ 2. Dazu liegt ein Änderungsantrag der CDU auf Umdruck Nr. 690 Ziffer 1 vor. - Auf eine Begründung wird verzichtet. Andere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich bitte, über den § 2 abzustimmen. Wer ihn in der Fassung des Antrags Umdruck Nr. 690 Ziffer 1 annimmt, der möge eine Hand erheben. - Enthaltungen! - Gegenprobe! - Das scheint mir einstimmig angenommen zu sein.
Dann rufe ich die §§ 3 und 4 auf. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, eine Hand zu heben. - Das ist zweifellos die große Mehrheit. Angenommen.
Wir kommen dann zu § 5. Dazu liegt der Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 683 vor. Herr Abgeordneter Seuffert hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Prüfung der Förderungswürdigkeit, d. h. der zweckmäßigen Verwendung von Gemeindeanleihen, die nach dem Kapitalmarktgesetz ihre besondere Bedeutung in der Zuerkennung der Steuerfreiheit für solche Anleihen hat, bildet sachlich und tatsächlich einen Teil der Staatsaufsicht über diese Gemeinden. Die Förderungswürdigkeit wird nach dem jetzt vorgesehenen Verfahren in dem sogenannten Kapitalverkehrsausschuß geprüft. Wir halten es - das ist, glaube ich, der einstimmige Wunsch aller kommunalen Verbände und, soviel ich unterrichtet bin, auch der einstimmige Wunsch des Kommunalpolitischen Ausschusses dieses Hauses - für richtig, daß bei der Prüfung dieser Frage, die, wie gesagt, ein Teil der Staatsaufsicht über die Gemeinden ist, der Bundesminister des Innern als Sachverständiger teilnimmt.
Das Wort hat der Abgeordnete Scharnberg.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Antrag abzulehnen. Gewissermaßen einen Rechtsanspruch des Innenministeriums zu konstruieren, scheint mir nicht zweckmäßig zu sein; das würde Wünsche von anderen Fachministerien auslösen, und dadurch würde der Kapitalverkehrsausschuß so groß werden, daß seine Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt wäre. !Es ist selbstverständlich - das hat sich auch in der Praxis immer so ergeben -, daß die Sachverständigen aus den Ministerien zu den grundsätzlichen Fragen, die erörtert werden, hinzugezogen werden, ohne daß es einer gesetzlichen Regelung bedarf.
Ich bitte daher, den Antrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 683. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, eine Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Enthaltungen! - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich bitte dann diejenigen, die dem § 5 unter Berücksichtigung des angenommenen Änderungsantrags zustimmen, eine Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen! - Der § 5 ist mit der vorerwähnten Änderung angenommen.
Zu den §§ 6 und 6 a liegen keine Wortmeldungen und keine Änderungsanträge vor. Ich bitte daher diejenigen, die zustimmen, eine Hand zu heben. - Das ist die überwiegende Mehrheit.. Damit sind die beiden Paragraphen angenommen.
Zu § 7 liegt ein Änderungsantrag der CDU Umdruck Nr. 690 Ziffer 2 vor. Eine Begründung wird nicht gewünscht. Ich kann also gleich abstimmen lassen. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, eine Hand zu heben. - Das ist wiederum fast das ganze Haus. Damit ist die Änderung angenommen.
Ich bitte diejenigen, die den § 7 mit der soeben beschlossenen Änderung annehmen, eine Hand zu heben. - Das ist ebenfalls wieder die große Mehrheit des Hauses.
Dann kann ich die §§ 8, - 10, - 11, - 12, - 13 und 14 aufrufen. - Dazu liegen keine Wortmeldungen und keine Änderungsanträge vor. Eine Aussprache wird nicht gewünscht. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, eine Hand zu hebern. - Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses; angenommen.
Ich komme zu § 15. Dazu liegt ein Änderungsantrag der CDU auf Umdruck Nr. 690 Ziffer 3 vor und ein Änderungsantrag Dr. Bertram auf Umdruck Nr. 691. - Das Wort zur Begründung ist nicht gewünscht. Ich kann also gleich abstimmen lassen. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag der CDU auf Umdruck Nr. 690 Ziffer 3, der mit dem Antrag Dr. Bertram auf Umdruck Nr. 691 gleichlautend ist, zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte dann diejenigen, die § 15 mit der eben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? -- Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 16, - 17, - 18, - 19, - Einleitung und Überschrift. - Dazu liegen keine Änderungsanträge vor, ebenfalls keine Wortmeldungen. Dann ist die Aussprache geschlossen.
Wir stimmen ab über die eben aufgerufenen §§ 16 bis 19 sowie die Einleitung und die Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Änderungsanträge liegen nicht vor.
Damit kann ich also gleich aufrufen die §§ 1 bis 19, Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung und bitte diejenigen, die dem Gesetz im ganzen zustimmen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen drei Stimmen verabschiedet.
Dann kommen wir jetzt zum Punkt 7 c. Das ist die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Dividendenabgabeverordnung.
Ich rufe in der zweiten Beratung auf den § 1. - Bitte, Herr Abgeordneter Birkelbach!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben uns bereits in der ersten Lesung dieses Gesetzes dagegen gewandt, daß dieses Gesetz in der jetzigen Zeit in dieser Form zur Abstimmung gestellt wird. Ich glaube, daß sich in der Zwischenzeit nichts ereignet hat, was wirklich eine innere Begründung dafür abgeben könnte, nunmehr dieser Abschaffung der Dividendenbegrenzung näherzutreten. In der ersten Lesung hat hier damals alles unter dem Eindruck der kurz zuvor in Erscheinung getretenen D-Mark-Eröffnungsbilanzen gestanden, und wir hatten uns alle davon überzeugt, daß die Aktienbesitzer gewiß nicht schlechter gefahren waren als die kleinen Sparer, sondern daß es hier im Gegenteil ohne
({0})
weiteres klar war: es waren Leute gut durch die Währungsreform gekommen. Auch von Ihrer Seite ist damals durch den Abgeordneten Ewers gesagt worden: Dieses Gesetz ist sozialpolitisch nicht gerade bequem. Wir können es allerdings - so wurde damals gesagt - keineswegs ablehnen, sondern man muß es im Ausschuß wohl erwägen und bearbeiten, besonders was den Zeitpunkt seiner Einbringung anlangt.
Ist dieser Zeitpunkt jetzt gekommen? Sie können gesamtwirtschaftliche Gesichtspunkte anführen, die nach Ihren Vorstellungen durchaus logisch erscheinen mögen. Wir sagen, es handelt sich hier in Wirklichkeit um die Erhöhung des verfügbaren Einkommens für Leute, die verhältnismäßig gut die Währungsumstellung überstanden haben. Dabei brauche ich nicht noch besonders auf das Vorhaben einzugehen, das sich abzeichnete in dem eben verabschiedeten Gesetz über die steuerliche Behandlung festverzinslicher Wertpapiere. Dabei war es gerade eine Gruppe aus den Reihen der CDU, die sich gestern im wirtschaftspolitischen Ausschuß dagegen wandte, daß die auszuschüttenden Gewinne der Kapitalgesellschaften noch einmal einer besonderen Steuervergünstigung unterliegen sollten. Ich glaube, hier sind noch einige Dinge zu klären, und es kann niemand sagen, daß jetzt wirklich dieser Zeitpunkt gekommen sei.
Glauben Sie, daß vielleicht die öffentliche Meinung diese Dinge jetzt weniger prägnant sieht? Glauben Sie, daß sie die Kursentwicklung nicht beachtet und daß sie die Umstellungsergebnisse vergessen hat? Oder gibt es andere Gründe dafür, daß Sie glauben, der Zeitpunkt sei gekommen? Die handelsrechtlichen und die steuerrechtlichen Vorschriften haben die Selbstfinanzierung in den letzten Jahren ohne Zweifel außerordentlich stark begünstigt, und es ist möglich, daß diese Versteckmöglichkeiten für Gewinne bei den größeren Gesellschaften nun in der Zwischenzeit so weit ausgeschöpft sind, daß man jetzt auf dem Weg über dieses Gesetz auch den Aktionären etwas zukommen lassen möchte. Wir sind der Auffassung, daß die Bundesregierung und die Regierungsparteien bisher eine zu große Eile an den Tag gelegt haben, wenn es darum ging, besondere Anreize für Großverdiener zu schaffen; und diese Anreize wurden dann mit volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten verbrämt. Bitte, denken Sie daran, daß Sie es bisher unterlassen haben, die Position der Verbraucher ordentlich zu stärken. Ich verweise dabei nur auf die Behandlung des Kartellgesetzes. Ich brauche dabei auch wirklich nicht auf SPD-Stimmen zurückzugreifen. Wenn Sie den großen Artikel, der im „Economist" vor einigen Tagen veröffentlicht wurde und der u. a. auch in der bürgerlichen Presse eine gewisse Beachtung fand, ein wenig studieren, dann werden Sie wirklich finden, daß die Position des Verbrauchers außerordentlich stark vernachlässigt wurde. Dabei darf ich zitieren. Es wurde dort gesagt: „Wir haben in Deutschland keine wirklich freie Marktwirtschaft, sondern nur Freiheit von staatlicher Kontrolle, und die Unternehmer waren in der Lage, Kapital zu bilden, indem sie die Preise nahmen, die sie für erforderlich hielten".
({1})
Meine Damen und Herren, aus diesen Tatsachen gilt es Folgerungen zu ziehen, aber nicht die Folgerung, daß die Gewinne jetzt über die Aktionäre aus den Unternehmen herauszunehmen wären. Es sollten Mittel und Wege gefunden werden, sie über
Lohnerhöhungen, Beihilfen für den Wohnungsbau, zusätzliche Leistungen für die Altersversorgung, über Preissenkungen und andere Maßnahmen in die Wirtschaft zurückzuleiten.
Der Dividendenstopp und seine Aufhebung, wie Sie es vorhaben, bringt auch keine bessere Publizität, wie es da und dort dargestellt worden ist. Sie bringt auch keinen Zwang zur Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit. Hier wäre, wenn Sie diese Absicht wirklich gehabt hätten, bei der Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes die Möglichkeit gewesen, zu einer besseren Publizität zu kommen. Was hätte Sie daran gehindert, das Informationsrecht der Betriebsräte so weit auszubauen, wie es z. B. im hessischen Betriebsrätegesetz der Fall ist? Den Einblick nicht nur in die Handelsbilanz, sondern auch in die Steuerbilanz wollten Sie aber auf keinen Fall gewähren.
({2})
Nur dieser Einblick und diese Information ermöglichen eine echte Mitsprache über die Aufteilung des Betriebsergebnisses. Das Betriebsergebnis ergibt sich aber aus der Arbeit aller Beteiligten. Ich glaube, daß echte durchschlagende Anreize für eine wirtschaftliche Fortentwicklung nicht durch Dividendenerhöhungen herbeigeführt werden können. Sie sind in anderer Richtung zu suchen. Es gehören dazu Maßnahmen wie die Hebung der Massenkaufkraft, die Schaffung breiter Märkte durch Preissenkungen und Lohnerhöhungen, die gleichberechtigte Einschaltung der Arbeitnehmer als Wirtschaftsbürger und eine Wirtschaftspolitik, die die großen Gesellschaften zwingt, ihre Dispositionen an gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu orientieren.
Während man unter dem Eindruck der finanziellen Belastungen durch den Wehrbeitrag vom Konsumverzicht der Massen spricht, verabschiedet man hier Gesetzesvorlagen, die im Grunde eine Erhöhung des verfügbaren Einkommens für die Besitzenden . bedeuten. Wir lehnen das ab. Unsere Auffassung ist die: jetzt sind die Arbeitenden in Stadt und Land und die nicht mehr Arbeitsfähigen dran, nicht die Aktionäre.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die § 1 zustimmen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Das erste war die Mehrheit; § 1 ist angenommen.
Ich rufe weiter auf die §§ 2, 3, 3 a und 4, Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; das ist angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf und eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen;
({0})
die Aussprache ist geschlossen.
({1})
({2})
- Ach so, Herr Niebes. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß nach der Geschäftsordnung jede Wortmeldung eigentlich beim Schriftführer anzubringen ist. Die mündliche Wortmeldung ist immer eine ungewisse Geschichte.
Meine Damen und Herren! Wir haben vorhin das Gesetz über die Steuerfreiheit der festverzinslichen Wertpapiere verabschiedet. Zur Begründung hatten Sie angeführt, die Zinssätze müßten niedrig gehalten werden. Jetzt bringen Sie im Gegensatz dazu eine Vorlage über die Aufhebung der Dividendenabgabeverordnung. Mit anderen Worten: die Dividende kann ruhig erhöht werden, die ist ja auch nichts anderes als Zins für das Geld, das man ins Unternehmen gesteckt hat. Die Einbringung dieser beiden Gesetze ist also höchst widerspruchsvoll. Sie können von uns unmöglich verlangen, daß wir uns damit einverstanden erklären.
({0})
Wenn Sie ein vernünftiges Gesetz machen wollten, würden Sie sagen: der Dividendenstock bleibt, und die daraus fließenden Mittel führen wir dem sozialen Wohnungsbau zu. Aber dafür haben Sie offenbar kein Verständnis.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Änderungsanträge liegen auch nicht vor. Ich rufe daher die §§ 1 bis 4, - Einleitung und Überschrift auf. - Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Die aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in der in dritter Beratung beschlossenen Fassung zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in dritter Beratung verabschiedet.
Meine Damen und Herren, nach der im Ältestenrat getroffenen Vereinbarung sollte die Sitzung zwischen 8 und 1/2 9 Uhr beendet werden. Ich glaube deswegen, daß wir sie jetzt nicht fortsetzen sollten. Ich darf daher die 237. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Dienstag, den 18. November 1952, 13 Uhr 30 berufen.
Die 236. Sitzung ist geschlossen.