Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 235. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Pelster für zwei Wochen, Dr. Kopf für zwei Wochen und Diel für acht Wochen.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Böhm, Winkelheide, Dr. Semler, Graf von Spreti, Margulies, Dr. Jaeger ({0}), Dr. Kreyssig, Strauß, SchilL Dr. Becker ({1}), Dr. Solleder, Görlinger, Kurlbaum, Dr. Wahl, Neumann, Günther, Dr. Oesterle, Dr. Schatz, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Miessner, Gockeln und Frau Nadig.
Ich unterstelle, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs, soweit er über eine Woche hinausgeht, einverstanden ist. - Das ist der Fall.
Meine Damen und Herren, die Kanzlei der Evangelischen Kirche in Deutschland hat mir das Schreiben übersandt, das die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, die in Elbingerode getagt hat, an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gerichtet hat. Ich werde das Schreiben in Abschrift sämtlichen Abgeordneten zuleiten.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 21. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 296 der Fraktion der FDP betreffend Rückgabe deutscher Vermögenswerte - Drucksache Nr. 3728 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3787 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister Ides Innern hat unter dem 21. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 298 der Fraktion der SPD betreffend den Hamburger Filmproduzenten Walter Koppel - Drucksache Nr. 3742 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3788 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 20. Oktober 1952 die Kleine Anfrage
Nr. 290 der Fraktion der SPD betreffend Werbungskosten - Drucksache Nr. 3678 - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3798 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat gebeten, den Punkt 9 der Tagesordnung - Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Steuer auf Schaumwein - zeitlich etwas vorzuziehen, und zwar nach dem Punkt 4. Ich darf annehmen, daß Sie damit einverstanden sind. - Das ist der Fall.
Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf: Fragestunde ({0}). Wir beginnen mit der Fragestunde um 13 Uhr 35.
Zur ersten Frage hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Mommer.
Dr. Mommer ({1}), Anfragender:
Mit der wachsenden Zahl von Automobilen haben wir ein Parkproblem in Deutschland. Wir finden enge Straßen oft dadurch verstellt, daß auch unnötigerweise auf 'beiden Seiten geparkt wird. Warum führen wir nicht das im Ausland verbreitete System ein, auf wechselnden Seiten mit wechselndem Tagesdatum zu parken?
Der Herr Bundesminister für Verkehr zur Beantwortung.
Die örtliche Regelung des Parkens :ist nicht Bundessache, sondern in Ausführung der bundesgesetzlichen Vorschriften Sache der Länder. Die örtliche Regelung geschieht durch Aufstellen von Parkverbotschildern. Diese Schilder können eine Aufschrift enthalten, durch die das Verbot beschränkt wird, z. B. auf bestimmte Stunden, bestimmte Tage oder bestimmte Plätze. Wenn die örtlichen Stellen von der Möglichkeit, das Parken an geraden Tagen auf der einen und an ungeraden Tagen auf der andern Seite zu verbieten, bisher keinen Gebrauch gemacht haben, so liegt das offenbar daran, daß für eine solche Regelung bei den Verkehrsverwaltungen der Länder und Großstädte ein Bedürfnis nicht anerkannt wird.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer?
Dr. Mommer ({0}), Anfragender: Wird von Ihrer Seite dieses Bedürfnis anerkannt?
Wir haben darüber nichts auszusagen, ob wir den Gedanken anerkennen oder nicht anerkennen, sondern wir haben nur die grundsätzlichen Vorschriften zu erlassen, und im Rahmen dieser Vorschriften haben die zuständigen Verwaltungen die entsprechenden Entscheidungen zu treffen.
Dr. Mommer ({0}), Anfragender: Danke!
Damit ist die erste Frage erledigt.
Zur Frage 2 an Stelle des Herrn Abgeordneten Fisch Herr Abgeordneter Renner.
Renner ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundeskanzler:
Entspricht es den -Tatnachen, daß der Herr Bundesminister für Verkehr, Dr. Seebohm, am
({1})
Abend des furchtbaren Unglücks beim Autorennen auf dem Grenzlandring am 31. August 1952 erklärt hat: „Sollten wir den Kampf abbrechen? Ich sage, es wäre falsch gewesen, wenn wir das getan hätten, auch wenn gewisse polizeiliche Erwägungen es ratsam erscheinen ließen. Die Menschen sollten sich bewußt werden, daß für ein hohes Ziel Opfer gebracht werden müssen. Ich hoffe, daß dieser Tag in ihrem Gedächtnis bleiben wird als ein leuchtender Tag des Einsatzes, des Opfers und der Leistung!"
Billigt der Herr Bundeskanzler diese Äußerung seines Ressortministers?
An Stelle des Herrn Bundeskanzlers beantwortet die Frage der Herr Bundesminister des Innern.
Die in 'der Anfrage des Herrn Abgeordneten Fisch gebrachten Zitate sind aus einer längeren Rede, die der Herr Bundesminister für Verkehr in einer Feierstunde in der Stadthalle in Rheydt am Abend nach der Katastrophe beim Grenzlandringrennen am 31. August 1952 gehalten hat, herausgerissen und teils falsch, teils sinnentstellend wiedergegeben. Der Bundesminister für Verkehr hat in dieser Rede der Verunglückten und ihrer Angehörigen in herzlicher und würdiger Weise gedacht. Die Rede hat auf die anwesenden Zuhörer, insbesondere auf die anwesenden Gäste aus 'dem Ausland, nach den vorliegenden Berichten einen tiefen Eindruck gemacht. Der letzte Satz der Rede lautete im Gegensatz zum Zitat Ides Abgeordneten Fisch wie folgt:
Ich hoffe, daß dieser strahlende Tag in Ihrem Gedächtnis bleiben wird nicht nur als ein Tag hohen Einsatzes und großer Leistungen, sondern als ein Tag der Erinnerung an die schweren Opfer, die gebracht worden sind.
Renner ({0}), Anfragender: Ich bitte um eine Zusatzfrage.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Renner!
Renner ({0}), Anfragender: Es handelt sich nicht um eine Feststellung, die der Abgeordnete Fisch getroffen hat; es handelt sich um eine Pressemeldung, die in einer bürgerlichen Zeitung erschienen ist und in der - ({1})
Herr Abgeordneter Renner, Sie haben nur Fragen zu stellen und keine Feststellungen zu treffen.
Renner ({0}), Anfragender: Ich stelle nichts fest, ich frage nur: Ist der Herr Minister bereit, uns den Beweis dafür zu liefern, inwiefern dieser Zeitungsbericht tatsächlich von dem abweicht, was in dem Zeitungsbericht über die Äußerung des Herrn Seebohm gesagt worden ist?
({1})
Das habe ich ja eben bereits ausgeführt.
Renner ({0}), Anfragender: Nein, Sie haben nur einen Satz zitiert, und der Satz ist identisch mit dem, was hier steht.
Herr Abgeordneter Renner ich bitte, Fragen zu stellen. Haben Sie eine Zusatzfrage?
Renner ({0}), Anfragender: Ich habe eine Frag€ gestellt, die ist meines Erachtens nicht beantwortet worden.
Der Herr Bundesminister hat keine weitere Antwort zu geben.
Renner ({0}), Anfragender: Schön, damit habe ich gerechnet.
Zur Frage 3! An Stelle des Herrn Abgeordneten Dr. Becker wird Herr Abgeordneter Euler die Frage stellen, ebenso die Fragen 4 und 5.
Euler ({0}), Anfragender: Der zu seinem Bedauern verhinderte Kollege Becker hat mich gebeten, die von ihm formulierten Fragen hier mündlich zu stellen. Frage 3:
Ist die Pressemeldung richtig, wonach 20 Millionen DM von der Bundesregierung zwecks Errichtung von Neubauten für Besatzungsgeschädigte zur Verfügung gestellt sind? Wenn ja: Warum werden nicht für die Besatzungen Neubauten errichtet und den Besatzungsgeschädigten ihre Häuser bzw. Wohnungen zurückgegeben?
Der Herr Bundesminister der Finanzen zur Beantwortung!
Ich möchte mit dem Satz antworten: Das eine tun und das andere nicht lassen! Es handelt sich um zwei Dinge. Das Bundesministerium der Finanzen hat im Benehmen mit dem Herrn Bundesminister für Wohnungsbau am 1. August 1952 Mittel des Einzelplans XXVII im Gesamtbetrage von 25 Millionen DM zur Durchführung eines „Dritten Ersatzwohnungsbauprogramms für Altbesatzungsverdrängte" zur Verfügung gestellt. Eine solche Maßnahme ist unabweisbar notwendig geworden, weil die Ersatzwohnungsbauten vor allem in solchen Gemeinden errichtet werden müssen, in denen die jahrelang anhaltende Requisition von Wohnungen unter den Altbesatzungsverdrängten besondere Wohnungsnotstände verursacht hat, die auf andere Art und Weise nicht zu beseitigen sind. Wie ich bereits in der Sitzung des Deutschen Bundestags am 1. Oktober 1952 bekanntgegeben habe, hat sich das Bundesfinanzministerium darüber hinaus bereit erklärt, Mittel des Einzelplans XXVII im Gesamtbetrage von 75 Millionen DM für ein „Erstes Programm zur Errichtung von Ersatzwohnungsbauten für die Streitkräfte zum Zwecke der Freimachung altrequirierter Gebäude" zur Verfügung zu stellen. Mit den Mitteln dieses Programms sollen zusätzlich Besatzungswohnungen geschaffen werden, die den Besatzungsmächten zum Austausch gegen die bisher altrequirierten Ein- und Zweifamilienhäuser zur Verfügung gestellt werden. Mit diesen Mitteln werden also die gewünschten neuen Wohnungen gebaut.
Euler ({0}), Anfragender: Danke sehr! Ich habe keine Zusatzfrage.
Zur Frage 4 Herr Abgeordneter Euler,
Euler ({0}), Anfragender:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß in Kassel sich das ehemalige Generalkommando befindet, enthaltend 4 Sitzungssäle für je 200 Personen, dazu weitere 600 Zimmer - ein Gebäude, in dem vor dem Krieg 1000 Arbeitsplätze bestanden?
Wenn ja: Warum ist es nötig, in anderen Städten sehr hohe Beträge für Behördenneubauten auszugeben, während dieses im Eigentum des Bundes stehende Gebäude völlig unbenutzt dasteht? Besteht die Absicht, es in der nächsten Zeit wirklich vollständig, also nicht nur teilweise, zu belegen? Denn es ist jetzt nur teilweise belegt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen!
Die Verhältnisse des ehemaligen Generalkommandos Kassel sind selbstverständlich bekannt. Dieses Gebäude enthält 343 Büroräume von 'durchschnittlich 42 qm Bodenfläche. Diese 343 Büroräume werden zur Zeit wie folgt genutzt: vom Bundesgrenzschutz 280 Räume, von der Außenstelle Kassel der Oberfinanzdirektion Frankfurt -Bundesvermögens- und Bauabteilung - 16 Räume, dem Wetteramt Kassel 10 Räume, dem Amt für Vermögenskontrolle 16 Räume. Das sind zusammen 322 Räume. Für das Landesvermessungsamt, dessen .Einzug in den nächsten Tagen erfolgt, sind die verbleibenden 21 Räume vorgesehen, so daß die gesamten 343 Räume von diesem Tage an belegt sind. Die Unterbringung der Einheiten des Bundesgrenzschutzes ist, ich bemerke das ausdrücklich, dabei als vorübergehende Maßnahme gedacht, weil es nicht vertretbar erschien, dieses Gebäude auch nur vorübergehend unbenützt stehen zu lassen. Es ist für die Dauer beabsichtigt, nach Kassel eine Bundesoberbehörde zu verlegen und die Räume für die Unterbringung dieser Bundesoberbehörde zu verwenden.
Euler ({0}), Anfragender: Ich danke für die ausführliche Beantwortung.
Zur Frage 5 der Abgeordnete Euler!
Euler ({0}), Anfragender:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß bei Grundstücksverkäufen in schätzungsweise 80 v. H. aller Fälle mit Rücksicht auf die Preisstoppbestimmungen unrichtige, und zwar zu niedrige Kaufpreise angegeben werden und daß damit den Ländern und Gemeinden erhebliche Beträge an Grunderwerbsteuer verloren gehen?
Ist die Bundesregierung deshalb bereit, die Preisstoppbestimmungen aufzuheben, dadurch den Ländern und Gemeinden Verwaltungskosten und Schreibarbeit zu ersparen und die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer unter Herabsetzung 'des Tarifs von 7 v. H. auf 5 v. H. doch noch zu erhöhen?
({1})
Ich vermag nicht zu sehen, wer beantworten will.
({0})
Also zunächst der Bundesminister der Finanzen!
Also ich darf zunächst antworten. Erstens; die Frage gehört überhaupt nicht in die Zuständigkeit dieses Hauses; denn die Grunderwerbsteuer ist in Gesetzgebung und Verwaltung ausschließlich Sache der Länder. Sowenig es wünschenswert ist, wenn in den Landtagen Fragen gestellt werden, die den Bund angehen, sowenig wünschenswert ist es, wenn im Bundestag Anfragen gestellt werden, die nur die Landtage angehen.
({0})
Infolgedessen kann ich auch zunächst über eine Herabsetzung ides Grunderwerbsteuersatzes keine Auskunft geben.
Die Frage der Aufhebung des Preisstopps ist eine Frage, die ressortmäßig zum Herrn Kollegen Erhard gehört.
({1})
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft!
Der Bundesregierung ist bekannt, daß Schwarzkäufe auf dem Grundstücksmarkt in großem Umfang vorkommen. Die Bundesregierung hat beschlossen, die Preisbindung für bebaute Grundstücke des städtischen Grundvermögens aufzuheben. Eine entsprechende Rechtsverordnung auf Grund des § 2 des Preisgesetzes wird in Kürze erlassen werden.
Hinsichtlich der land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke beabsichtigt der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 45 hierfür zuständig ist, im Zusammenhang mit der in Aussicht genommenen Bereinigung der gesetzlichen Vorschriften über den Grundstücksverkehr die Aufhebung des Kontrollratsgesetzes vorzuschlagen und es durch ein Bundesgesetz zu ersetzen. Hierbei wird von dem Prinzip des starren Preisstopps ebenfalls abgegangen werden.
Bei Bauland wird eine Auflockerung der Preisvorschriften vorbereitet, wobei nach der Auffassung des Herrn Bundesministers für Wohnungsbau beachtet werden muß, daß Erschwernisse des Wohnungsbaues, insbesondere aber des sozialen Wohnungsbaus, durch eine Erhöhung der für die Wohnungsbauförderung bereitzustellenden öffentlichen Mittel vermieden werden müssen. Das in den zuständigen Ausschüssen des Hohen Hauses zur Zeit beratene Baulandbeschaffungsgesetz hält im übrigen nach dem gegenwärtigen Stand der Arbeiten in dem Ausschuß für Bau- und Bodenrecht an den Verkehrswerten nach dem Stand vom 17. Oktober 1936 noch in stärkerem Umfange fest, als meinen Absichten hinsichtlich der Auflockerung der Preisbindung für Bauland entspricht. Schwarzkäufe sind für den Anwendungsbereich dieses Gesetzes, insbesondere aber für die Bemessung der Enteignungsentschädigung ohne Bedeutung.
Zur Frage 6 Herr Abgeordneter Rademacher!
Rademacher ({0}), Anfragender: Herr Bundesminister, ich möchte an Sie die Frage richten:
Wären Sie bereit, dem Bundestag eine lückenlose Aufklärung über den Fall „Real-Film/Koppel Hamburg" zu geben, damit der Bundestag die beunruhigte Öffentlichkeit aufklären kann?
Der Herr Bundesminister des Innern.
Ich habe gerade ausführlich die Kleine Anfrage der SPD in derselben Materie zum Fall Koppel - das ist die Drucksache Nr. 3742 - schriftlich beantwortet. Ich halte es für zweckmäßig, Herr Abgeordneter, daß Sie diese Antwort abwarten. Falls Sie dann noch Ergänzungsfragen haben, stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Aber Sie bekommen diese Antwort in wenigen Tagen als Drucksache des Bundestags in aller Ausführlichkeit:
Rademacher ({0}), Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen?
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Rademacher!
Rademacher ({0}), Anfragender: Herr Minister, darf ich Sie fragen, ob die Beantwortung der Kleinen Anfrage sich etwa in formaljuristischen Ausführungen erschöpft, wie es in der Beantwortung im Zusammenhang mit der Klage beim Bundesverfassungsgericht geschehen ist?
Nein, sie umfaßt die gesamte Materie.
Rademacher ({0}), Anfragender: Danke sehr!
Zur Frage 7 Herr Abgeordneter Niebergall!
Niebergall ({0}), Anfragender:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit die im Gebiet des früheren Westwalls eingeleitete Aktion der „Bunkerentschrottung", die der Landwirtschaft großen Schaden zufügt, unverzüglich eingestellt wird?
Der Herr Bundesminister der Finanzen!
Die Bundesregierung gedenkt zur einstweiligen Einstellung dieser Arbeiten nichts zu tun. Was die Bundesregierung im einzelnen zu tun gedenkt, das muß ich erklären, wenn ich die Frage Nr. 17, die sich auf dasselbe Thema bezieht, beantworte.
Niebergall ({0}), Anfragender: Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niebergall!
Niebergall ({0}), Anfragender: Ich frage die Bundesregierung, ob ihr bekannt ist, daß mehrere Gerichte in Rheinland-Pfalz erklärt haben, daß diese Bunkerentschrottung ungesetzlich ist.
Ich kann vor dem Hause feststellen, daß genau das Gegenteil der Fall ist. Sämtliche Gerichtsentscheide sind zugunsten der rechtlichen Einstellung der Bundesregierung ergangen.
Niebergall ({0}), Anfragender: Noch eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Niebergall!
Niebergall ({0}), Anfragender: Ist dem Herrn 1 Bundesfinanzminister bekannt, daß das Amtsgericht in Zweibrücken und das Amtsgericht in Kaiserslautern solche Beschlüsse gefaßt haben?
Es ist mir bekannt, daß diese Beschlüsse von den übergeordneten Landgerichten aufgehoben worden sind.
({0})
Niebergall ({1}), Anfragender: Schön, klatscht Ihr nur!
Herr Abgeordneter Niebergall, die geschäftsordnungsmäßigen Bemerkungen stehen mir zu!
({0})
Zu Frage 8 Herr Abgeordneter Niebergall. Niebergall ({1}), Anfragender:
Ist dem Herrn Bundesminister für Verkehr bekannt, daß die Bundesbahnverwaltung den Personalbestand des Eisenbahnbetriebswerkes Hermeskeil um etwa 50 Bedienstete kürzen will?
Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß etwaige Massenentlassungen größte soziale Härten für die Betroffenen bedeuten würden? Gedenkt der Herr Bundesminister Maßnahmen zu ergreifen, um die beabsichtigten Entlassungen zu verhindern?
Die deutsche Bundesbahn läßt zur Zeit durch eine Kommission den Betriebsmaschinendienst mit dem Ziel einer Verwaltungsvereinfachung durch Zusammenlegung von Bahnbetriebswerken überprüfen. In diesem Zusammenhang ist beabsichtigt, das Bahnbetriebswerk Hermeskeil in eine Bahnbetriebswerksaußenstelle umzuwandeln. Entlassungen werden dabei nicht erfolgen.
Zur Frage 9 Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth!
Dr. Atzenroth ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, ob er in der Lage ist,
die unveränderte Rechtsgültigkeit der unter dem 1. April 1936 vom damaligen Reichsforstamt herausgegebenen Verordnung über die Ausformung, Messung und Sortenbildung des Holzes in den deutschen Forsten für das gesamte Bundesgebiet zu bestätigen?
Wenn nein: ist die Bundesregierung bereit, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine weitere Anwendung der Holzmeßanweisung vom 1. April 1936 zu schaffen?
Die Verordnung vom 1. April 1936 über die Aushaltung, Messung und Sortenbildung des Holzes wurde vom damaligen Reichsforstmeister auf Grund des Gesetzes über die Marktordnung auf dem Gebiet der Forst- und Holzwirtschaft vom 1. April 1936 erlassen.
Gemäß Art. 125 des Grundgesetzes sind die Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes innerhalb ihres Geltungsbereichs Bundes({0})
recht geworden. Daraus ergibt sich, daß auch die Holzmeßanweisung heute noch unveränderte Rechtsgültigkeit für das gesamte Bundesgebiet hat. Nach § 3 der Verordnung vom 1. April 1936 ist es den Landesforstverwaltungen überlassen geblieben, die festgelegten Klassen, soweit erforderlich, in Unterklassen aufzuteilen. Dieser Paragraph gibt also den Ländern die Möglichkeit, den verschiedenen örtlichen Verhältnissen gerecht zu werden.
Die durch die Verordnung vom 1. April 1936 erreichte einheitliche Regelung hat sich während der vergangenen 16 Jahre bewährt. Die Holzmeßanweisung bedarf jedoch in zahlreichen Punkten der Verbesserung. An dieser Verbesserung wird gearbeitet.
Zu Frage 10 Herr Abgeordneter Dr. Henn!
Dr. Henn ({0}), Anfragender:
Was hat die Bundesregierung getan bzw. was gedenkt sie zu tun, um .das Eintreten einer für die Sowjetzonenflüchtlinge bedrohlichen Situation zu verhindern, die darin liegt, daß - nach einer Mitteilung des Sozialministers von Nordrhein-Westfalen auf einer Pressekonferenz - das Land Nordrhein-Westfalen spätestens Mitte November die weitere Aufnahme von Sowjetzonenflüchtlingen verweigern wird, wenn der Bund keine entsprechende Beihilfe für die Errichtung von Flüchtlingswohnungen leistet?
Der Bundesminister des Innern zur Beantwortung!
Die Unterbringung der nach dem vom Bunderat aufgestellten Verteilungsschlüssel von den Ländern zu übernehmenden Sowjetzonenflüchtlinge ist Aufgabe der Länder. Der Bund stellt auf Antrag des
Landes Mittel über die Kriegsfolgenhilfe nach dem Überleitungsgesetz zur Verfügung, und zwar 85 v. H. der tatsächlich erwachsenden Kosten. Es ist also grundsätzlich Sache der Länder, mir ent-entsprechende Anträge vorzulegen, die mit größter Beschleunigung überprüft und genehmigt werden.
Dabei handelt es sich grundsätzlich um die lagermäßige Unterbringung. Für die Sperrzonenflüchtlinge ist bekanntlich von der Bundesregierung ein Betrag von 30 Millionen für Unterbririgungszwecke bereitgestellt worden. Hier ist von mir im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister in einem Schreiben an die Länder gestattet und klargestellt worden, daß die Mittel auch für Bauten verwendet werden können, die nicht Lagerbauten im engeren Sinne sind, sondern später mit ergänzenden Ländermitteln zu vollständigen Wohnungen im Sinne des sozialen Wohnungsbaus ausgebaut werden können. In diesem Rahmen sind dem Land Nordrhein-Westfalen für Sperrzonenflüchtlinge entsprechend dem gestellten Antrag bereits am 29. September für rund 3940 Personen rund
5 860 000 DM zur Verfügung gestellt worden. Ich bitte, dabei zu beachten, daß die Zahl der gesamten Sperrzonenflüchtlinge 10 000 kaum übersteigen wird.
Ich bitte, noch hinzufügen zu dürfen, daß Nordrhein-Westfalen wegen der hohen Quote an Sowjetzonenflüchtlingen, die es aufzunehmen hat - rund 64% der notaufgenommenen Personen -, am 7. Oktober dieses Jahres einen weiteren Betrag von
6 Millionen aus dem genannten 30-Millionen-Fonds,
der an sich nur für Sperrzonenflüchtlinge bestimmt ist, mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt erhalten hat, daß diese Mittel in gleicher Weise eingesetzt werden können wie die für die Sperrzonenflüchtlinge bewilligten Beträge. Das heißt: es können mit diesem Betrag von 6 Millionen DM, der zur Unterbringung von 4000 Sowjetzonenflüchtlingen dient und ausreicht, auch Baulichkeiten geschaffen werden, die nicht reine Lagerbauten, sondern Unterkünfte sind, wie sie für die Sperrzonenflüchtlinge zugelassen sind, id. h. Bauten, die zu Wohnungen ,im Sinne des sozialen Wohnungsbaues ausgestaltet werden können.
Auf jede unterzubringende Person entfällt eine Leistung des Bundes aus der Kriegsfolgenhilfe in Hohe von rund 1500 DM. Mit dem Bundesfinanzministerium bin ich grundsätzlich der Auffassung, daß man so weit wie irgend möglich von den eigentlichen Lagerbauten in Zukunft absehen sollte und 'daß man, soweit nicht von vornherein Wohnungen errichtet werden können, Unterkünfte in 'der oben umschriebenen Art errichten sollte.
Von dem Ausmaß des Zustroms und der Zuweisung von Sowjetzonenflüchtlingen an die einzelnen Länder wird es danach abhängen, wie gebaut werden kann. Jedenfalls brauchen bei mir nur die entsprechenden Anträge gestellt zu werden, und wie ich erfahren habe, sollen auch in den nächsten Tagen solche Anträge vom Land Nordrhein-Westfalen gestellt werden. Darüber hinaus ist beabsichtigt, eine Besprechung mit den Ländern baldigst abzuhalten; eine solche hat schon am 25. Juni stattgefunden, um etwa noch weitere Fragen mit den Ländern abzustimmen.
Frage 11! Herr Abgeordneter Dr. Henn!
Dr. Henn ({0}), Anfragender:
Wie weit sind im Bundesministerium der Finanzen die Vorarbeiten für die im § 301 des Gesetzes über den Lastenausgleich vom 14. August 1952 vorgesehene Rechtsverordnung über die Voraussetzungen unid den Personenkreis, der Leistungen aus dem Härtefonds erhalten kann, gediehen, soweit diese Verordnung Flüchtlinge aus der sowjetischen Besatzungszone betrifft?
Die notwendigen Ressortbesprechungen sind nunmehr abgeschlossen. Die Rechtsverordnung wird im Laufe der nächsten Woche dem Kabinett zugehen.
Frage 12! Herr Abgeordneter Reitzner!
Reitzner ({0}), Anfragender: Herr Bundesminister der Finanzen, ich frage Sie:
Warum wird die in Ludwigsfeld/München erbaute Siedlung für 900 Familien heimatloser Ausländer nicht wenigstens teilweise mit heimatvertriebenen und kriegssachgeschädigten Werksangehörigen der Bayerischen Motorenwerke Allach belegt?
Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß ein Großteil der heimatvertriebenen und kriegssachgeschädigten Werksangehörigen in Notunterkünften untergebracht ist?
Herr Bundesminister der Finanzen.
Diese Siedlung ist mit Mitteln des Einzelplans XXVII errichtet. Es handelt sich um 696 Wohnungen. Sie sind ausschließlich zur Unterbringung von heimatlosen Ausländern bestimmt und haushaltsmäßig für diesen Personenkreis zweckgebunden, so daß es also dem Bundesfinanzminister nicht möglich ist, die Mittel, die hier zweckgebunden verwendet worden sind, für andere Zwecke zu verwenden. Es ist mir bekannt, daß es wünschenswert wäre, für die Werksangehörigen noch Wohnraum zu schaffen, ich darf aber bemerken, daß es in erster Linie oder ausschließlich Landeszuständigkeit ist, die Mittel für den allgemeinen sozialen Wohnungsbau für die entsprechenden Zwecke zu verwenden.
Reitzner ({0}), Anfragender: Bitte eine Zusatzfrage! - Das ist also so zu verstehen, daß die Siedlung Ludwigsfeld sich ausschließlich - Schäffer, Bundesminister der Finanzen: - aus den Mitteln des Einzelplans XXVII errichtet und ausschließlich für heimatlose Ausländer bestimmt ist.
Reitzner ({1}), Anfragender: Und der Herr Minister der Finanzen sieht keine Möglichkeit, heimatvertriebene oder kriegssachgeschädigte Werksangehörige, die in Notunterkünften untergebracht sind, einzuweisen.
Nein, er ist dazu gar nicht berechtigt, selbst wenn er es wollte.
Reitzner ({0}), Anfragender: Ist dem Herrn Bundesminister bekannt, daß heimatlose Ausländer, die in die Siedlung Ludwigsfeld eingewiesen werden sollen, bei Werksangehörigen, die in den Baracken leben, vorsprechen und einen Wohnungstausch beantragen, wobei sie erklären, sie könnten die Miete nicht bezahlen und wären auch nicht an diesen Wohnungen interessiert?
Das ist mir nicht bekannt. Aber ich kenne einen andern Fall. Dieser Fall findet sich besonders in Bayern, wo ja aus dem Valka-Lager ungefähr 16 000 heimatlose Ausländer untergebracht werden müssen. Wir hatten uns damals an. alle deutschen Länder mit der Bitte gewandt, uns mitzuhelfen, diese Frage zu lösen. Mit der einzigen Ausnahme von Hessen haben alle anderen Länder es abgelehnt, irgendwelche Personen aus diesem Kreise in ihrem Land aufzunehmen.
Für diesen Personenkreis werden diese Wohnungsbauten errichtet und müssen ihm zur Verfügung stehen. Das Land könnte natürlich diese Personen in andere Wohnungen einweisen und damit DP-Wohnungen freimachen. Das Land kann aber nicht etwa verlangen, daß der Bund diese Wohnungen, die für die heimatlosen Ausländer gebaut sind, für andere Zwecke zur Verfügung stellt und neuerdings Mittel für heimatlose Ausländer aufwendet.
Reitzner ({0}), Anfragender: Eine letzte Zusatzfrage: Ist der Herr Minister bereit, mit mir zusammen vor den Werksangehörigen des Betriebes Motorenwerk Allach seinen Standpunkt zu vertreten?
Selbstverständlich. Dann müßte ich den Werksangehörigen sagen: Ich muß den Herrn Bundestagsabgeordneten bitten, das auch zu vertreten; denn letzten Endes ist der Finanzminister an die Haushaltsordnung und an das Haushaltsgesetz gebunden, das der Bundestag beschlossen hat.
({0})
Zur Frage Nr. 13 der Abgeordnete Kohl!
Kohl ({0}) ({1}), Anfragender:
Entspricht es den Tatsachen, daß den ehemaligen Siedlern auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes Hohenfels, denen bei ihrer Aussiedlung volle Entschädigung, Ersatzhöfe sowie eine nichtanrechnungsfähige Übergangsbeihilfe in Höhe von 250 DM zugesichert worden waren,
a) die ausgezahlte Übergangsbeihilfe auf die Miete in den zugewiesenen Notquartieren angerechnet wird,
b) zum großen Teil bis heute noch kein Bescheid über die ihnen zugesagte Entschädigung zugegangen ist,
c) zum Teil bis heute noch nicht der versprochene Ersatzhof zugewiesen wurde?
Das Wort hat ,der Bundesminister der Finanzen.
Ich darf dazu feststellen, daß es sich in diesem Fall um 176 Umsiedler handelt. Von diesen 176 Umsiedlern sind 26 in andere Berufe abgewandert und kommen für die Umsiedlung nicht in Frage. Von dem Rest sind 149 bereits umgesiedelt. Nicht umgesiedelt ist ein einziger, und zwar deswegen, weil er Forderungen stellt, die jenseits der Grenze des Verschämten liegen.
({0})
Ich weiß nicht, woher Ihre Information stammt; ich bin nicht berechtigt, eine Frage danach zu richten.
Kohl ({1}) ({2}), Anfragender: Eine Zusatzfrage!
Zu einer Zusatzfrage hat Herr Abgeordneter Kohl das Wort.
Kohl ({0}) ({1}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesfinanzminister, ob ihm bekannt ist, daß allein im Raum Hohenstaufen sich sieben Familien befinden, die aus Hohenfels ausgesiedelt worden sind und meines Wissens noch nicht in den Besitz eines Ersatzhofes gekommen sind.
({2})
- Reden Sie kein Blech!
Mir ist davon nichts bekannt. Ich bin gerne bereit, in Bayern anzufragen und Ihnen das Ergebnis schriftlich mitzuteilen.
Herr Abgeordneter Kohl, Ihr Ausdruck „Reden Sie kein Blech!" entspricht
({0})
nicht den parlamentarischen Gepflogenheiten, an die wir uns nun einmal halten müssen.
Zur Frage 14 Herr Abgeordneter Schellenberg. Dr. Schellenberg ({1}), Anfragender:
Sind die Ressortbesprechungen über einen Gesetzentwurf zur Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen nunmehr abgeschlossen, und wann ist mit der Vorlage des Gesetzentwurfs zu rechnen?
Der Bundesminister für Arbeit.
Die Ressortbesprechungen sind abgeschlossen. Das Gesetz wird in den allernächsten Tagen dem Bundesrat zugehen.
Zur Frage 15 der Abgeordnete Jahn.
Jahn ({0}), Anfragender: Ich hoffe, Herr Bundesinnenminister, daß ich an der rechten Adresse bin. Ich frage:
Ist dem Herrn Bundesminister des Innern bekannt, daß Klagen bei den Landesverwaltungsgerichten und Oberverwaltungsgerichten im Normalfall bis zu 11/2 Jahre schweben, bis über sie entschieden wird?
Wenn ja, ist der Herr Bundesminister bereit, bei den Regierungen der Länder auf Abstellung dieser offensichtlichen Mängel zu drängen?
Der Bundesminister des Innern.
Die außerordentlich starke Belastung der unteren Verwaltungsgerichte und auch der Oberverwaltungsgerichte in den Ländern ist der Bundesregierung ebenso bekannt wie die dadurch bedingte lange Prozeßdauer. Auch die Landesregierungen verfolgen diese Entwicklung auf Grund der regelmäßig am Jahresschluß festgestellten Arbeitsergebnisse. Die Landesregierungen haben durch die Vermehrung von Richterstellen bei den unteren Verwaltungsgerichten und den Oberverwaltungsgerichten mit gewissen Erfolgen versucht, die Belastungen zu vermindern und eine weitere Verlängerung der Prozeßdauer zu verhindern.
Die jetzige Anfrage wird von mir den Landesregierungen übermittelt werden, damit sie durch eine weitere, vermehrte Einstellung von Verwaltungsrichtern die aus früheren Jahren vorhandenen Rückstände bei den unteren Verwaltungsgerichten und den Oberverwaltungsgerichten aufarbeiten können. Diese Rückstände, Herr Abgeordneter, sind eigentlich der Kern des Übels. Die laufenden Anträge und Prozeßsachen werden bis zu 90 und 95 % erledigt. Es handelt sich also um die Rückstände, die wir durch die Vermehrung der Richterstellen in den Ländern erledigen wollen.
Jahn ({0}), Anfragender: Es ist also zu hoffen, daß das beschleunigt wird?
Ja.
Jahn ({0}), Anfragender: Danke sehr!
Ich muß die Mitglieder der Bundesregierung bitten, die Antworten etwas mehr ins Mikrophon zu sprechen. Es ist sehr schwer zu verstehen und auch für die Stenographen sehr schwer, das aufzunehmen.
Zur Frage 16 Herr Abgeordneter Dr. Mende. Dr. Mende ({0}), Anfragender:
Hält es der Herr Bundesminister für Verkehr für vertretbar, daß der Fernschnellzug F 51,. Wien-Ostende, zwischen Wiesbaden und Beuel am 4. Oktober 1952 fast 11/2 Stunden Verspätung wegen angeblichen Dampfmangels infolge schlecht beheizter Lokomotive hatte und dadurch zahlreiche Anschlüsse für die internationalen Reisezüge verloren gingen?
Ich kann noch ergänzend sagen, daß dieser Zug vor zwei Tagen ebenfalls zwischen Wiesbaden und Beuel 70 Minuten Verspätung hatte.
Hätte dieser technische Mangel nicht früher durch einen Vorspann behoben werden können als erst in Beuel?
Wie erklären sich die zahlreichen Verspätungen von D- und F-Zügen in den ersten Oktobertagen, also noch vor der Umstellung auf den Winterfahrplan,
und ich kann meine Frage dahin ergänzen: auch nach der Umstellung auf den Winterfahrplan?
Zunächst darf ich den Herrn Abgeordneten darauf aufmerksam machen, daß Zugverspätungen der Bundesbahn dem Bundesminister für Verkehr nicht gemeldet werden und daß der Bundesminister für Verkehr durch das Bundesbahngesetz, wie Sie wissen, in gewisser Weise gehalten ist, sich in die Fahrplanangelegenheiten nicht einzumischen.
In dem Falle der Frage darf ich feststellen, daß am 4. Oktober der entsprechende Zug 70 Minuten Verspätung in Köln hatte, dadurch entstanden, daß die Lokomotive in Wiesbaden einen Federstützenbruch erlitt und infolgedessen nicht weiterfahren konnte. Zwischen Wiesbaden und Köln sind nur Güterzug- und Personenzuglokomotiven stationiert, weil auf dieser Strecke Schnellzüge nicht umgespannt werden. Die Anordnung, sofort eine Maschine von Köln als Vorspann entgegenzuschicken, ist befolgt worden. Der Zug ist in Beuel von dieser Maschine erreicht worden.
Ich darf im übrigen darauf aufmerksam machen, daß die Anschlüsse an die Fernzüge F 12 Kopenhagen-Paris und F 253 Köln-Hoek van Holland - die einzigen Anschlüsse, die dieser Zug als Fernschnellzug zu erreichen hatte - erreicht worden sind, da entsprechende Maßnahmen getroffen wurden.
Zu den generellen Fragen darf ich die Herren Abgeordneten darauf aufmerksam machen, daß sich durch den Zustand unseres Oberbaues und unseres Fahrzeugparks einschließlich der Lokomotiven bei dem sehr angespannten Fahrplan der Bundesbahn insbesondere dann Schwierigkeiten ergeben, wenn die internationalen Züge an den Grenzstationen mit erheblichen Verspätungen übergeben werden oder durch die langwierige Zoll- und Paßabfertigung dort zusätzlich Verspätungen entstehen. Zum Beispiel ist der täglich verkehrende D 66 Rom-München im Juli 1952 durchschnittlich täglich um 32 Minuten, im August 1952 durchschnittlich um 58 Minuten, im September 1952 durchschnitt({0})
lieh um 28 Minuten verspätet der Deutschen Bundesbahn übergeben worden. Bei einer Verspätung dieses Zuges von nur 32 Minuten wirkt sich bei der gedrängten Fahrplangestaltung diese Verspätung auf weitere 88 Züge unmittelbar aus, die ihrerseits die Verspätungen zu einem Teil auf andere Züge übertragen. Mit Rücksicht darauf, daß wir die Wartezeiten einhalten müssen, um Übergänge durchführen zu können, auch wenn Verspätungen eintreten, müssen im Intersse der Reisenden, die Anschlüsse erreichen müssen, gewisse Verspätungen in Kauf genommen werden. Unsere Fahrpläne sind in einer Weise gespannt und haben ja, wie allgemein und international anerkannt ist, in den letzten Jahren ein so außerordentliches Ausmaß der Reisebedienung erreicht, daß wir bei solchen Ereignissen wie der verspäteten Übergabe an den Grenzen nicht in der Lage sind, derartige Verlustzeiten aufzuholen.
Zu Frage 17 Herr Abgeordneter Morgenthaler.
Morgenthaler ({0}), Anfragender:
Welche Möglichkeiten hat die Bundesregierung, um mit der Veräußerung und der Entfernung der Eisenbestandteile der zerstörten bundeseigenen Bunker auch die Schuttmassen entfernen zu lassen?
Der Herr Bundesminister der Finanzen.
Das Bundesfinanzministerium hat sich mit den Grundstückseigentümern, deren Interessenvertretern und
den Ländern ins Benehmen gesetzt und schlägt zur Zeit folgende Regelung vor.
1. Der Bund verzichtet auf die ihm zustehenden Erlöse aus der Entschrottung. Für die hierdurch verfügbar werdenden Mittel und den Wert der bei weiterer Zerkleinerung der Bunker noch anfallenden Schrottmengen haben die Entschrottungsfirmen weitere, genau festzulegende Leistungen zur Beseitigung der Bunker zu erbringen.
2. Die Grundstückseigentümer leisten ihrerseits Hand- und Spanndienste bei den notwendigen Arbeiten.
3. Das Land, die Kreise und die Gemeinden übernehmen den Abtransport der anfallenden Betontrümmer zur Verwendung bei Straßenbauten usw.
Es soll unverzüglich in einer gemeinsamen Besprechung aller Beteiligten geprüft werden, ob dieser Vorschlag durchführbar ist oder welche anderen Lösungsmöglichkeiten gefunden werden könnten.
Zur Frage 18 Herr Abgeordneter Parzinger.
Parzinger ({0}), Anfragender:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um das Predigtstuhlhotel in Bad Reichenhall endgültig dem deutschen Fremdenverkehr zuzuführen, nachdem der Herr Bundesminister der Finanzen bei der am 23. Januar 1952 stattgefundenen Fragestunde erklärt hat, daß mit der alsbaldigen Freigabe des Hotels zu rechnen sei?
Der Herr Bundesminister der Finanzen zur Beantwortung.
Zunächst habe ich in der 187. Sitzung des Deutschen Bundestages am 23. Januar 1952 nicht erklärt, daß mit einer baldigen Freigabe des Predigtstuhlhotels zu rechnen ist. Ich habe vielmehr nur mitgeteilt, daß sich das Bundesministerium der Finanzen in den Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission laufend um die Freigabe von Hotels, Fremdenheimen, Kuranstalten und Bädern bemüht. In der Zwischenzeit haben die Alliierten in der Bundesrepublik auch eine größere Anzahl von Hotels usw. freigegeben. Eine Freigabe des Hotels Predigtstuhl ist jedoch zu meinem Bedauern in der Zwischenzeit noch nicht erfolgt. Das Bundesministerium der Finanzen ist aber sehr gern bereit, in Fortsetzung der allgemeinen Verhandlungen mit den alliierten Dienststellen über die planmäßige Freigabe solcher Objekte auch die möglichst baldige Freigabe des Hotels Predigtstuhl zu erreichen zu versuchen.
Eine Zusatzfrage!
Parzinger ({0}), Anfragender: Herr Bundesfinanzminister, ich bitte Sie, alsbald etwas zu tun. Die Reichenhaller werden Ihnen das nicht vergessen.
({1})
Das war zwar keine Frage, aber eine Zusage.
Zu Frage 19 Herr Abgeordneter Dr. Mende! Dr. Mende ({0}), Anfragender:
Ist dem Herrn Bundesminister der Finanzen - wie ich eben höre, wird der Herr Staatssekretär des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Frage beantworten - bekannt, daß die Subventionen für das Konsumbrot in ihrer Auswirkung dem seinerzeitigen Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen?
Was gedenkt der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu tun, um das Abrechnungsverfahren so zu reformieren, daß die gegenwärtigen Mißbräuche abgestellt werden?
Der Herr Staatssekretär des Bundesernährungsministeriums!
Die Auszahlung und die Abrechnung der Konsumbrotsubventionierung, die zur Zeit monatlich 23 Millionen DM beträgt, erfolgt durch die obersten Landesbehörden. Die Abrechnung gegenüber dem Bund geschieht durch die obersten Landesbehörden, ebenso die Auszahlung nach unten. Dabei bedienen sich 'die obersten Landesbehörden der Bäckerinnungen. Es ist nicht zu leugnen, daß sich dabei Mißstände ergeben haben. Wir sind dabei, ein Verfahren zu suchen, durch das diese Mißstände ausgeräumt werden, ohne daß es dabei zu einer Erhöhung des Konsumbrotpreises kommt.
Zu Frage 20 Herr Abgeordneter Schellenberg!
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender:
Welche Gründe standen der rechtzeitigen Vorlage des Gesetzentwurfs entgegen, der bis zum 30. September dieses Jahres den Ausgleich der von der Rentenversicherung zu deckenden Mehr({1})
aufwendungen regeln sollte? Wann gedenkt die
Bundesregierung den Gesetzentwurf vorzulegen?
Der Herr Bundesminister für Arbeit.
Der Bundesminister der Finanzen hat den hier angesprochenen Gesetzentwurf bereits vor sechs Wochen dem Bundeskabinett vorgelegt. Es sind aber Chefbesprechungen notwendig gewesen, um eine Einheitlichkeit in der Auffassung unter den Ministern herbeizuführen. Der Gesetzentwurf ist nunmehr in den Chefbesprechungen erledigt und wird im Laufe der nächsten Woche vom Kabinett verabschiedet.
Eine Zusatzfrage!
Dr. Schellenberg ({0}), Anfragender: Wird dafür Sorge getragen werden, daß die Rentenversicherung für die Zeit vom 1. April 1952 an vollen Ersatz für die Mehraufwendungen erhält?
Das ist ganz selbstverständlich. Das Gesetz, das damals in diesem Hohen Hause verabschiedet worden ist, sieht diese Regelung vor. Der Gesetzentwurf kann nichts anderes enthalten.
Zu Frage 21 Herr Abgeordneter Willenberg!
Willenberg ({0}), Anfragender:
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung nach dem Beschluß des Bundestages vom 11. Januar 1952 zum Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP, DP betr. Schumanplan - Nr. 2974 der Drucksachen - getroffen, um die Durchführung der Investitionsvorhaben des Bergbaues und der Eisen- und Stahlindustrie zu fördern und dadurch die in der Vergangenheit unterbliebenen, jedoch unbedingt notwendigen Investitionen nachzuholen?
Warum hat der Bundesminister der Finanzen die dringend notwendigen langfristigen Investitionsvorhaben und die Heranziehung von Fremdkapital der Grundstoffindustrien durch steuerliche Maßnahmen bisher nicht gefördert?
Herr Bundesminister für Wirtschaft!
Aus der Investitionshilfe werden dem Kohlenbergbau und der Eisen- und Stahlindustrie rund 500 Millionen DM zufließen. 1952 stehen an weiteren zentralgesteuerten Mitteln rund 210 Millionen DM zur Verfügung. Außerdem ist beabsichtigt, aus MSAGegenwertmitteln und ERP-Rückflüssen noch zusätzlich Kreditmittel bereitzustellen. Des weiteren werden dem Bergarbeiterwohnungsbau rund 300 Millionen DM zufließen. Ergänzend hat die Bundesregierung durch die Freigabe des Eisenpreises und die Erhöhung der Kohlenpreise mindestens für eine Übergangszeit eine bessere Eigenfinanzierung ermöglicht.
Die Bundesregierung war auch bemüht, durch steuerliche Maßnahmen die Investitionstätigkeit bei Kohle und Eisen zu fördern. Zu nennen sind die erhöhten Abschreibungsmöglichkeiten gemäß § 36 des Investitionshilfegesetzes und der dem Bundestag vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Kapitalmarktes. Weitere steuerliche Maßnahmen werden zur Zeit noch geprüft.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter!
Willenberg ({0}), Anfragender: Herr Minister, wie sieht es für diejenigen Betriebe, vor allem im Bergbau, aus, bei denen Abschreibungen nicht möglich und überhaupt keine Gewinne vorhanden sind und die doch investieren müssen, wenn der Betrieb erhalten bleiben soll und wenn vor allen Dingen die Kohlenförderung im nächsten Jahr auf 135, bzw. bis 1955 auf 150 Millionen Tonnen gesteigert werden soll? Woher nehmen diese die Mittel zum Investieren?
Wenn solche Betriebe eine rationelle Investition zulassen, sind es solche Betriebe, die aus den öffentlichen zentralgesteuerten Mitteln finanziert werden können.
Frage 22 ebenfalls Herr Abgeordneter Willenberg.
Willenberg ({0}), Anfragender:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um infolge der erhöhten Lebenshaltungskosten die Renten in der Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung zu erhöhen?
Herr Bundesminister für Arbeit!
Diese Frage, Herr Abgeordneter, deckt sich vollinhaltlich mit der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU vom 8. Oktober 1952. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat dem Herrn Präsidenten des Deutschen Bundestages mitgeteilt, daß er es für zweckmäßig erachtet, die Anfrage Drucksache Nr. 3738 mit der Großen Anfrage Drucksache Nr. 3737 bezüglich Notstandsmaßnahmen für Beamte und Behördenangestellte zu verbinden und sie bei der ersten Lesung des Entwurfs eines dritten Änderungsgesetzes zum Besoldungsrecht zu erledigen. Hier handelt es sich ja um eine Gesamtfrage der Ausgaben, die auf Grund der Verteuerung auf den Bund zukommen, und wir halten es in der Bundesregierung für zweckmäßig, daß diese Dinge gleichzeitig be- und verhandelt werden.
Frage 23 Herr Abgeordneter Dr. Reismann.
Dr. Reismann ({0}), Anfragender:
Was hat die Bundesregierung hinsichtlich der Besserung der Verkehrssicherheit des Straßenzustandes seit meiner Anregung in der Haushaltsdebatte der 225. Sitzung vom 17. Juli 1952 getan?
Herr Bundesminister für Verkehr!
Auf Grund der Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Reismann ist am 21. Juli 1952, also 4 Tage nach der Debatte hier im Hause, an die obersten Straßenbaubehörden der Länder ein Erlaß herausgegangen, in dem der Einbau von neuem Basaltpflaster auf Bundesautobahnen und Bundesstraßen nochmals ausdrücklich untersagt worden ist. Bezüglich der Landstraßen erster und zweiter Ordnung besteht bekanntlich von selten des Bundes
({0})
keine Einflußmöglichkeit. In dem gleichen Runderlaß habe ich auf den notwendigen Umbau bzw. die Aufrauhung bestehender Basaltpflasterdecken im Zuge der Bundesfernverkehrsstraßen im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel hingewiesen. 1952 ist bisher in den beiden Ländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, die die meisten glatten Basaltpflasterdecken besitzen, auf den Bundesstraßen die rutschgefährliche Glätte auf rund 100 km Basaltpflasterdecken, d. h. auf 26% der Länge der ausgesprochen verkehrsgefährlichen Strecken durch verschiedene Maßnahmen beseitigt worden. Dabei sind in erster Linie Krümmungen, Steigungen und Strecken mit hängendem Querprofil oder rund gewölbter Fahrbahn entglättet worden. Die Kosten für die Entglättung von 1 km Basaltkleinpflasterdecke durch einfache Maßnahmen, die natürlich nur vorübergehend wirken, belaufen sich auf 7000 bis 8000 DM. Um die noch vorhandenen ausgesprochen verkehrsgefährlichen Strecken auf den Bundesstraßen mit 570 km Länge in den vorgenannten Ländern zu entglätten, sind daher 4 his 41/2 Millionen DM erforderlich, wobei zu bemerken ist, daß damit 'der Umbau der stark gewölbten Pflasterdecken und der Einbau von bituminösen Deckschichten, also von Teppichen, die längere Zeit halten, nicht durchzuführen ist, da diese Maßnahmen natürlich wesentlich höhere Mittel erfordern würden.
Dr. Reismann ({1}), Anfragender: Ich danke Ihnen.
Zu Frage 24 Herr Abgeordneter Hoffmann ({0}).
Hoffmann ({1}) ({2}), Anfragender:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß auf der Bundesstraße 55 bei Ehreshofen ({3}) mehrere tödliche Unfälle dadurch verursacht worden sind, daß die Bahnschranken der Bundesbahn beseitigt und durch Blinklicht ersetzt wurden?
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um auf der sehr verkehrsreichen Strecke die Sicherheit wiederherzustellen?
Der Bundesregierung ist bekannt, daß sich an der höhengleichen Kreuzung der Bundesstraße 55 mit der eingleisigen Nebenbahnstrecke Köln-Overath-Dieringhausen bei Ehreshofen seit Mai 1941 vier Unfälle durch Zusammenprall von Kraftfahrzeugen mit Zügen ereignet haben. Dabei sind leider zwei Menschen getötet und zwei verletzt worden. Ursache der Unfälle ist in jedem Fall das verkehrswidrige Verhalten der Kraftfahrer gewesen, die in allen Fällen das rote Blinklicht, das auf eine Entfernung von 110 m gut zu sehen ist, und die vorschriftsmäßig durch Warnzeichen und Warnbaken gekennzeichnete Kreuzung nicht beachtet haben. In zwei Fällen sind die Kraftfahrer bereits rechtsgültig zu Strafen wegen Transportgefährdung, Verstoßes gegen die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und der Eisenbahnbetriebsordnung verurteilt worden. In den beiden anderen Fällen ist das Gerichtsverfahren noch in der Schwebe. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß im vorliegenden Falle kein Grund vorhanden ist, wieder ein Schranke an Stelle der Warnlichtanlage einzubauen. Sie hält es dagegen für sehr wesentlich, daß die Exekutive ihre Überwachungsmaßnahmen verschärft und auf diese Weise dafür sorgt, daß derartige gut gekennzeichnete bodengleiche Kreuzungen von den Kraftfahrzeugen in der richtigen Weise beachtet werden.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter.
Hoffmann ({0}) ({1}), Anfragender: Gedenkt die Bundesregierung nicht, diese bahngleichen Übergänge einmal zu beseitigen?
Wenn wir das Geld dafür hätten, würden wir es furchtbar gern tun.
Hoffmann ({0}) ({1}), Anfragender: Hoffentlich bekommen Sie es.
Zu Frage 25 Herr Abgeordneter Dr. Keller.
Dr. -Keller ({0}), Anfragender: Im Hinblick darauf, daß vor wenigen Tagen die Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über den Lastenausgleich ergangen sind, möchte ich meine Fragen zu 25 und 26 dem veränderten Stand der Dinge anpassen:
Ich frage daher den Bundesminister der Finanzen:
Sind mit den vor kurzem erlassenen Durchführungsbestimmungen nunmehr alle notwendigen Vorbereitungen für den Vollzug des Lastenausgleichsgesetzes getroffen? Falls nicht, welche Fragen bedürfen noch der Regelung, und wann ist eine solche zu erwarten? Wie weit steht die geplante Vorfinanzierung?
Es sind sämtliche notwendigen Maßnahmen zu Überleitung 1 getroffen, zunächst in der Verantwortung des Präsidenten des Hauptamtes für Soforthilfe. Dieser hat auf Grund der ihm durch das Lastenausgleichsgesetz gegebenen Ermächtigungen bereits die notwendigen Vorkehrungen getroffen, um zu vermeiden, daß durch das Außerkrafttreten des Soforthilfegesetzes irgendeine Unterbrechung der Leistungen eintritt. Die notwendigen Weisungen für die Fortführung der Existenzaufbauhilfe, der Ausbildungshilfe, der Wohnraumhilfe usw. haben bereits die Billigung des Ständigen Beirats gefunden. Der neu gebildete Kontrollausschuß hat sich bereits am 21. und 22. dieses Monats mit diesen Vorlagen befaßt. Die erforderlichen Mittel sind bereitgestellt. Es ist also nicht zu erwarten, daß auf irgendeinem Gebiet eine Unterbrechung der Leistungen eintritt.
Beide Fragen sind damit erledigt.
Zur Frage 27 Herr Abgeordneter Renner.
Renner ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesminister für Arbeit:
Ist ihm bekannt, daß das Soforthilfeamt Hamburg - entgegen der Zusicherung, die der Herr Bundesminister bei der Beantwortung meiner Frage Nr. 11 in der Fragestunde der 206. Sitzung vom 24. April 1952 gegeben hat - nach wie vor den Bezugsberechtigten von Unterhaltshilfe die 3,- DM in Abzug bringt, auf welchen Betrag sie auf Grund des Gesetzes über die Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln einen Anspruch haben?
Der Herr Bundesminister für Arbeit!
Der Herr Präsident des Hauptamtes für Soforthilfe hat meiner an den Herrn Bundesfinanzminister gerichteten Bitte, von einer Kürzung der Unterhaltshilfe um 3 DM abzusehen, wenn die Verpflichtung zur Zahlung einer Teuerungszulage einem Träger der Rentenversicherung obliegt, in dem von mir für notwendig erachteten Umfang entsprochen. Eine generelle Regelung dieser Frage erwies sich nicht mehr als nötig, da inzwischen die erforderlichen Vorschriften für die Auszahlung der 3-Mark-Zulage durch die Träger der Rentenversicherung ergangen sind. Die Beschwerde des Unterhaltshilfeempfängers aus Hamburg dürfte, falls sie sich nicht bereits erledigt hat, schon in den nächsten Tagen gegenstandslos werden, da nunmehr die Träger der Rentenversicherung die Teuerungszulage über die Rentenzahlstellen, soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, rückwirkend vom 1. Juli 1951 laufend zur Auszahlung bringen.
Renner ({0}), Anfragender: Herr Minister, darf ich mir noch eine Frage erlauben. Mir ist von Hamburg mitgeteilt worden, daß die Bezieher von Invalidenrente, die ja nach Ihrer heutigen Erklärung nun über die Versicherungsämter diese 3 DM rückwirkend vom Tag des Inkrafttretens des Gesetzes endlich erhalten sollen, außer den Fragebogen bis heute noch nichts in die Hand bekommen haben und nach wie vor auf die Auszahlung eines Betrages warten, der vom Bundestag vor mehr als Jahresfrist durch Gesetz festgelegt worden ist.
Herr Abgeordneter, ich habe Ihnen vorhin gesagt, ich habe die Hoffnung, daß dieser Fall in Hamburg in der Zwischenzeit bereits erledigt ist. Andernfalls dürfte er sich bestimmt innerhalb der nächsten vierzehn Tage erledigen.
Renner ({0}), Anfragender: Hoffentlich reali- siert sich die Hoffnung des Herrn Ministers.
Herr Abgeordneter Niebergall zur Frage 28.
Niebergall ({0}), Anfragender: Ich frage die Bundesregierung:
Trifft es zu, daß in der Dienststelle Blank oder in Zusammenarbeit mit ihr Pläne für die Errichtung eines sogenannten „Rhein-Walls" ausgearbeitet wurden, für dessen Bau vorerst 20 Milliarden DM vorgesehen sind?
Trifft es zu, daß in der gleichen Dienststelle oder in Zusammenarbeit mit ihr Pläne ausgearbeitet oder vorbereitet worden sind, nach denen im Kriegsfall die gesamte Bevölkerung von Rheinland-Pfalz nach Südfrankreich evakuiert werden soll, soweit nicht eine „anderweitige Verwendung" von Teilen der Bevölkerung vorgesehen ist?
Es trifft weder das eine noch das andere zu. Jede Aufregung ist überflüssig.
({0})
Niebergall ({1}), Anfragender: Eine Zusatzfrage!
Eine Zusatzfrage!
Niebergall ({0}), Anfragender: Herr Finanzminister, wie enträtseln Sie sich dann, daß Baufirmen bereits derartige Maßnahmen treffen?
Vielleicht haben Sie Moskauer Zeitungen gelesen.
({0})
Niebergall ({1}), Anfragender: Nein, deutsche Zeitungen!
({2})
Meine Damen und Herren, die Fragestunde ist abgelaufen. Ich darf unterstellen, daß die beiden restlichen Fragen vom Herrn Bundesminister der Finanzen schriftlich beantwortet werden. Für den Fall, daß eine mündliche Beantwortung gewünscht wird, bitte ich, die Fragen freundlichst zu wiederholen. Der Ältestenrat hat sich dahin verständigt, daß die nächste Fragestunde am Dienstag, dem 18. November, stattfindet mit einer Einreichungsfrist bis zum 14. November 12 Uhr.
({0})
- Herr Abgeordneter Renner, haben Sie mich gemeint mit „da oben"?
({1})
- Herr Abgeordneter Renner, ich rufe Sie wegen des Zwischenrufs „Kriegstreiber" zur Ordnung.
({2})
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Betrieb gewisser Rundfunkanlagen innerhalb der Bundesrepublik vom 11. Juni 1952 ({3}).
Die Bundesregierung verweist auf ihre schriftliche Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Wer wünscht das Wort? - Frau Abgeordnete Strohbach!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In Art. 1 Abs. 2 des uns vorliegenden Abkommens, das mit dem ebenfalls vorliegenden Gesetz bestätigt werden soll, heißt es:
Diese Programme werden den gemeinsamen Interessen der Bundesrepublik und der Vereinigten Staaten von Amerika dienen, wie sie im Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Drei Mächten festgelegt sind.
Das heißt also, dieses Abkommen über die Errichtung amerikanischer Rundfunksender in West({0})
deutschland ist ein Teil des Generalvertrags und damit ein Teil der Kriegsvorbereitungen, die sich nach dem Geist dieses Vertrages in der Hauptsache auf das Gebiet der Bundesrepublik konzentrieren sollen. Das vorliegende Abkommen ist geradezu das Muster für die Generalvertragspraxis. In hochtrabenden Worten wird hier von „gemeinsamen Interessen der Bundesrepublik und der Vereinigten Staaten von Amerika" gesprochen, und die Wirklichkeit sieht dann so aus, daß die Bundesrepublik sich verpflichten soll, den Amerikanern alles zu erlauben und zu ermöglichen, was zur Erstellung amerikanischer Hetzsender in Westdeutschland erforderlich ist, während die Verpflichtungen der Amerikaner beispielsweise darin bestehen, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den ungehinderten Betrieb ihrer Funkanlagen sicherzustellen. Mit anderen Worten heißt das, daß den Amerikanern ausdrücklich auch das Recht eingeräumt wird, gegen jeden Versuch der Abwehr dieser ungeheuerlichen Zustände mit allen Mitteln vorzugehen. Von irgendwelchen Rechten der Bundesrepublik, etwa dem Recht auf Einflußnahme auf die Programmgestaltung oder ähnliches ist in dem Abkommen nicht ein einziges Wort enthalten. Deutlicher als in diesem Abkommen kann man die zynische Mißachtung der primitivsten Rechte der Bundesrepublik und ihrer Organe durch die Amerikaner überhaupt nicht ausdrücken.
Aber solche amerikanischen Sender gibt es ja bereits seit längerer Zeit in Westdeutschland. Sie werden finanziert von Leuten in Amerika, die viel Geld dafür übrig haben. Sie haben ihre Zentrale beispielsweise in New York und nennen sich dann „Freies Europa", mit Sendestelle in München und Richtstrahlern nach Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien usw. Ihre Aufgabe ist, die amerikanische Eroberungspolitik bei diesen Völkern schmackhaft zu machen. Weil das auf geradem Weg nicht geht, greift man zu allen Mitteln der Demagogie und der Verleumdung. Das geht so weit, daß dieser Sender „Freies Europa" z. B. in seinen Sendungen nach dem Osten behauptet, Amerika trete selbstverständlich dafür ein, daß die Oder-Neiße-Grenze bestehenbleibe und daß auch gar nicht davon die Rede sein könne, daß die Sudetendeutschen jemals wieder ins Sudetenland zurückkämen.
({1})
- Wenn Sie mir mehr als fünf Minuten Redezeit geben, bin ich auch bereit, frei zu sprechen. Solange Sie die Redezeit auf fünf Minuten beschränken, erlaube ich mir, aufzuschreiben was ich sage, damit in diesen fünf Minuten das Wesentliche gesagt wird.
({2})
Der „Rheinische Merkur" hat sich vor wenigen Tagen bitter über die Doppelzüngigkeit des Münchener Senders „Freies Europa" beklagt, die der Politik der Verbündeten direkt entgegengesetzt sei. Aber diese Sendungen sind ja für die Leute bestimmt, die die „Stimme Amerikas" in deutscher Sprache nicht hören, die nicht hören, wie hier genau das Gegenteil gesagt wird, allerdings zum gleichen Zweck, zu dem Zweck nämlich, die Völker Europas `gegeneinander zu hetzen. Wir sind mit der übergroßen Mehrheit der deutschen Bevölkerung der Meinung, daß die deutschen außenpolitischen Probleme auf dem Wege von Verhandlungen
einer friedlichen Lösung zugeführt werden können. Aber dazu muß man offen miteinander reden.
({3}) Hetzsender, wie sie in dem vorliegenden Abkommen vorgesehen sind, stehen einer solchen friedlichen Lösung nur im Wege. Wir brauchen sie nicht!
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Blachstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung drängt seit einiger Zeit auf Einflußnahme auf den Rundfunk. Es ist unsere Meinung, daß die Bundesrepublik ein Rahmengesetz braucht, durch das allgemeine Fragen des Rundfunkrechts geregelt werden. Vor allem ist es Sache der Bundesregierung, unsere Rundfunkhoheitsrechte, wenn wir sie zurückerhalten werden, nach außen wirksam zu vertreten. Die ersten Schritte auf dem Wege der Wahrnehmung deutscher Hoheitsrechte auf dem Rundfunkgebiet durch die Bundesregierung sind aber enttäuschend und gehen in die falsche Richtung.
Anläßlich der Debatte über den sozialdemokratischen Antrag, durch den die Bundesregierung aufgefordert wurde, der Verpachtung von Sendeanlagen in Norden-Osterloog nicht zuzustimmen, entschied sich die Regierung und die Mehrheit dieses Hauses gegen die Antragsteller und für die Überlassung der Sendeanlagen an BBC zu politischen Propagandasendungen.
Der heute dem Hause zur Beratung vorliegende Entwurf eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über den Betrieb gewisser Rundfunkanlagen innerhalb der Bundesrepublik vom 11. Juni 1952 ist eine Fortsetzung der falschen und verhängnisvollen Politik der Abtretung von Hoheitsrechten und der Zulassung unkontrollierter ausländischer Rundfunkpropaganda auf deutschem Boden.
({0})
Nach dem bisherigen Zustand geschieht die ausländische Rundfunktätigkeit in der Bundesrepublik kraft Besatzungsrechts. Das nun vorgelegte Abkommen soll nach Inkrafttreten des Generalvertrags die bisherigen Besatzungsrechte der Vereinigten Staaten durch ein Abkommen sicherstellen. Es ist ein Schulbeispiel dafür, wie bisheriges Besatzungsrecht durch die Politik der Regierung in Vertragsrecht umgewandelt wird.
Es handelt sich in diesem Abkommen um drei verschiedene amerikanische Rundfunkeinrichtungen, und zwar erstens um die Versorgung der amerikanischen Armee und der amerikanischen Truppen mit eigenem Rundfunk. Solange amerikanische Truppen in der Bundesrepublik stationiert sind, ist ein Bedürfnis für ihre Versorgung mit Rundfunk nicht zu leugnen und eine vertragliche Regelung notwendig. Allerdings ist auch für diese Einrichtung nach unserer Meinung eine Festlegung auf 6 Jahre ungerechtfertigt und unerwünscht. Zweitens handelt es sich um die Einrichtung der „Stimme Amerikas" und drittens um RIAS. Wir wissen, daß RIAS in der Vergangenheit Aufgaben gehabt hat, die auch in unserem Interesse lagen, und diese zum Teil wirksam erfüllt hat.
({1})
({2})
- Ja, ich spreche Ihnen eine gewisse Sachkenntnis über die Wirkung von RIAS-Sendungen nicht ab, Herr Rische, und stelle fest, wir sind gemeinsam der Meinung, daß sie wirksam sind.
({3})
Die Versorgung der sowjetischen Besatzungszone mit Nachrichten, Kommentaren und allgemeinen Sendungen über das Leben in der Bundesrepublik und der freien Welt ist eine Aufgabe, die weiter besteht und höchste Aktualität besitzt. Es ist aber unsere Meinung, daß es sich hier vor allem um eine deutsche Aufgabe handelt, um ein hohes, gemeinsames, gesamtdeutsches Anliegen. Wir wären gern bereit, mit allen zusammenzuarbeiten, die uns technisch und politisch bei dieser Aufgabe unter. stützen wollen.
Nach dem Abkommen aber sind wir von der direkten Mitwirkung ausgeschlossen und überlassen dieses wichtige Gebiet einem amerikanischen Sender. Es ist uns von den Befürwortern des Generalvertrages immer wieder versichert worden, daß wir nun gleichberechtigt mit den anderen Nationen zusammenarbeiten können.
({4})
Das vorliegende Abkommen sichert den Amerikanern alle Rechte und schließt uns von der gleichberechtigten Mitwirkung aus.
({5})
Die kümmerlichen Beschwerdemöglichkeiten, die
das Abkommen vorsieht, machen gerade besonders deutlich, daß es sich um vertraglich gesicherte Privilegien handelt.
Die politische Propaganda einer fremden Macht von deutschem Boden aus und mit der Ausstrahlung nach fremden Ländern, zu der wir vertraglich unsere Zustimmung geben sollen, kann unsere Beziehungen zu anderen Staaten ernstlich belasten und zu Konflikten führen. Da die Amerikaner nicht Unterzeichner des Kopenhagener Wellenplans sind - der aber durch den Generalvertrag de facto von der Bundesrepublik anerkannt würde -, drohen uns auch von da sehr ernste Komplikationen für die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit Rundfunk. Die Artikel 4 und 5 des Abkommens scheinen gegen die großen Gefahren keine genügende Sicherung zu geben. Eine Festlegung auf sechs Jahre mit der ersten Kündigungsmöglichkeit nach fünf Jahren erscheint bei der raschen politischen Entwicklung, in der wir uns befinden, völlig unmöglich.
Bei der Verpachtung an die BBC hat die Regierung die Vertretbarkeit eines solchen Vertrags gerade mit der darin enthaltenen dreimonatigen Kündigungsfrist gerechtfertigt. Es handelt sich bei diesem Abkommen um die gleichen Rechte, die abgetreten werden, nur in größerem Umfang. Es müssen hier also mindestens die gleichen Sicherungen gegen Mißbrauch geschaffen werden, wie sie damals auch von der Bundesregierung und der Mehrheit dieses Hauses für notwendig angesehen wurden.
Die lange Laufdauer des Abkommens stellt eine Belastung der Verhandlungsfreiheit der Bundesrepublik bei künftigen internationalen Rundfunkverhandlungen dar, da in Art. 2 Abs. 2 ausdrücklich
festgelegt ist, daß bei internationalen Verträgen oder Absprachen, die auf dieses Abkommen einwirken, die Regierung der Bundesrepublik sich mit der Regierung der Vereinigten Staaten ins Benehmen setzen muß.
Solche Abkommen, wie uns hier eines heute vorgelegt wird, hat bisher kein freies demokratisches Land abgeschlossen. Die japanische Regierung hat Ende Juli dieses Jahres eine Überprüfung der USA-Sender in Japan angeordnet. Sie vertrat dabei den Standpunkt, daß ,in Japan Lizenzen für Sender des Auslandes nicht erteilt werden dürfen. Die Stimme Amerikas unterhält Senderanlagen in Saloniki, Tanger, Honolulu, Manila und in München. Ich glaube, daß diese Liste charakteristisch ist.
({6})
Kein wirklich freies Land hat bisher sein Territorium für ausländische Propaganda zur Verfügung gestellt.
({7})
Noch nicht einmal im Rahmen der NATO sind solche Lizenzen erteilt worden.
({8})
Es geht hier um Rechte, die, wenn wir sie endlich wieder erhalten werden, nicht sofort abgetreten werden dürfen.
({9})
Welcher politische Unfug mit ausländischer Rundfunkpropaganda in Deutschland angerichtet werden kann, erleben wir auch mit dem Sender „Freies Europa". Über diesen privaten amerikanischen Sender auf deutschem Boden, der von diesem Abkommen nicht betroffen wird, der aber später ebenfalls eine Lizenz bekommen soll - darüber wird bei anderer Gelegenheit in diesem Hause noch sehr gründlich gesprochen werden müssen -, geht in polnischer, tschechischer, ungarischer und in anderen Sprachen Propaganda, die deutschfeindlich ist und in der Grenzfrage und in der Frage der Vertreibung der Sudetendeutschen gegen die Vertriebenen und gegen Deutschland Stellung bezieht. Sollten uns diese Erfahrungen nicht zu denken geben, bevor wir ein Abkommen wie das vorliegende auf sechs Jahre abschließen?
In der Begründung zu dem Abkommen heißt es:
Die Bundesregierung hat ... anerkannt, daß die Verbreitung alliierter Nachrichten für die Länder Osteuropas im Rahmen der gemeinsamen Verteidigung des Westens liege, und hat daher ihre Zustimmung gegeben.
Kein NATO-Staat hat bisher aus den gemeinsamen Interessen solche Rechte abgetreten, wie es die Bundesregierung zu tun vorhat. Aber wenn es sich um echte gemeinsame Angelegenheiten handelte, dann wäre doch hier der Ansatz zum gemeinsamen Handeln gegeben, dem doch angeblich die ganze Mühe des Generalvertrags gilt. Ein Gemeinschaftssender für die gemeinsamen Ziele und Interessen, das wäre eine gute Sache. Die vorliegende schlechte Sache, in der Besatzungsrecht in Vertragsrecht umgewandelt wird, muß von uns abgelehnt werden.
({10})
Die Einzelheiten dieses Abkommens werden in den Ausschüssen gründlich zu prüfen sein. Ich beantrage die Überweisung des Abkommens an den
({11})
Auswärtigen Ausschuß und an den Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film.
({12})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist hier von einem Abkommen die Rede, das mein sehr verehrter Herr Vorredner, sagen wir, eine Verwandlung von Besatzungsrecht in deutsches Recht nennt. Er übersieht dabei eine Reihe von Tatsachen. Ich kann ihm in zwei Punkten bestimmt nicht folgen. Erstens einmal wird hier so gesprochen, als ob wir bereits den Deutschlandvertrag und den EVG-Vertrag unterzeichnet hätten.
({0})
Die gleichen Angehörigen dieses Hauses, die sich so leidenschaftlich gegen die Unterzeichnung dieser Verträge zur Wehr setzen
({1})
- nennen Sie es Ratifizierung -, sprechen umgekehrt so, als ob wir bereits im Besitz der Freiheiten
wären, die uns diese Verträge erst bringen sollen.
({2})
Man kann infolgedesen nicht umgekehrt von einer solchen Position aus Folgerungen ziehen, die auf diesen Vertrag nicht anwendbar sind. Man kann sich nicht entschließen, diese Verträge zu ratifizieren, um nachher zu sagen: Wir möchten das und das nicht in diesen Verträgen oder in anderen Verträgen drinhaben. Sie sagen: Wir sind nicht bereit,
diese Verträge zu unterzeichnen, protestieren aber jetzt schon im voraus gegen einen Zustand, der erst eintreten soll. Das scheint mir nicht ganz logisch und vernünftig zu sein.
({3})
Nun komme ich zu einer zweiten Angelegenheit, die daraus hervorgeht. Ich entnehme mit einigem Erstaunen aus den Ausführungen meines Herrn Vorredners, daß die SPD bereit sei - anders kann ich die Darlegungen unseres Kollegen Blachstein nicht deuten -, eventuell mit den Amerikanern zusammen Propaganda in fremden Sprachen nach dem Osten hinein zu machen. Anders kann ich Ihre Ausführungen nicht auslegen, Herr Kollege Blachstein. Wenn Sie bereit sind, das mit den Amerikanern zusammen von deutschem Boden aus zu machen, so ist das jedenfalls eine ganz andere Darstellung, als wir sie bis jetzt von Ihrer Seite gehört haben. Ich habe jedenfalls bis jetzt aus den Darlegungen der ,SPD in den Ausschüssen und sonst in der Öffentlichkeit nur entnommen, daß Sie sich prinzipiell überhaupt gegen jede derartige Tätigkeit gewandt haben und daß Sie mit anderen Worten auf diesem Gebiete eine „Neutralitätspolitik" verteidigen, die sie sonst auf ihrem Parteikongreß in Dortmund strikte abgelehnt haben. Auch hier sehe ich einen Widerspruch in Ihren Darlegungen, den ich mir nicht ganz erklären kann.
Sicherlich stellt dieses Abkommen nicht gerade eine äußerst erfreuliche Angelegenheit dar. Darüber sind wir uns alle im klaren. Aber wir müssen mit dem .großen Fortschritt, den die Ratifizierung des Deutschlandvertrages und des EVGVertrages für Deutschland unstreitig bedeutet, bestimmte Dinge in Kauf nehmen, von denen auch die Redner der Opposition sicher wissen, daß sie Belastungen darstellen, die auf die Dauer gesehen aber für uns insofern doch eine Erleichterung mit sich bringen, als es sich nur um Verpflichtungen auf relativ kurze Perioden handelt. Wenn Sie wollen, daß das jetzige Besatzungsrecht weiter in Kraft bleibt, meine Herren, dann sagen Sie das ganz offen und ehrlich. Dann wird der jetzige Zustand mit der unbegrenzten Freiheit der Besatzungsmächte auf diesen Gebieten noch unbegrenzte Zeit weiterdauern;
({4})
dann kann er sich noch lange halten.
({5})
Das alles muß bei dieser Gelegenheit einmal prinzipiell ausgesprochen werden.
Ich glaube, daß wir in diesen Vertrag hinreichende Sicherungen eingebaut haben, die Deutschland vor Nachteilen hinsichtlich des Kopenhagener Wellenvertrags schützen.
({6})
- Lesen Sie doch den Vertrag etwas genauer durch, dann werden Sie es finden, Herr Thadden.
({7})
- Sehen Sie sich das Abkommen genauer an, wenn Sie lesen können.
({8})
Wenn Sie jedenfalls diese Dinge genau durchsehen' und die im Abkommen verankerten Vorbehalte lesen, dann werden Sie finden, daß wir zu nichts verpflichtet sind, was unsere Stellung im Kopenhagener Abkommen verschlechtern könnte, und wir uns jegliche Handlungsfreiheit vorbehalten, wenn einmal eine solche Bedrohung der deutschen Souveränitätsrechte erfolgen sollte. Ich sehe in diesem Vertrag ein notwendiges Übel. Ich bin keineswegs bereit, besondere Lobpreisungen auf ihn anzustimmen. Aber wenn er im Ringen um die deutsche Gleichberechtigung auch unvermeidlich ist, so bringt er uns trotzdem auf unserem Weg ein Stück vorwärts.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion sieht das Abkommen zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten über den Betrieb von Rundfunkanlagen auf dem Gebiet der Bundesrepublik als keineswegs befriedigend an. Aber das gilt nicht nur für dieses Abkommen, das gilt unseres Erachtens für die gesamte besatzungsatmosphärisch entstandene Situation des deutschen Rundfunkwesens überhaupt. Wir müssen leider Gottes unter dem Besatzungsrecht noch derartige Dinge in Kauf nehmen, da sie sich unserer Einwirkung entziehen.
({0})
Diese Debatte, die Herr Kollege Blachstein durch seine sehr weitgehende Kritik ausgelöst hat, könnte beinahe dazu reizen, einmal allgemein die deutsche Rundfunksituation zu beleuchten. Aber das dürfte wohl einem anderen Tag und einem anderen Tagesordnungspunkt in Kürze vorbehalten bleiben.
Uns scheint, es wäre besser, wenn wir im Rahmen des Abkommens das Programm in einer
({1})
Absprache zwischen den verantwortlichen Stellen der Bundesrepublik und des State Department festlegen könnten, so daß das derzeitige Durcheinander auf dem Gebiet der Sendungen, vor allem des Senders „Freies Europa", mit allen dadurch entstehenden Mißhelligkeiten und Mißverständnissen, insbesondere im Kreis der Heimatvertriebenen, vermieden werden kann. Aber, Kollege Blachstein, mir scheint, daß Ihre Kritik trotzdem zu weit gegangen ist. Was Frau Kollegin Strohbach vor Ihnen sprach, hätte Ihnen doch zu denken geben sollen. Vielleicht hätten Sie daraufhin manche Formulierungen, die Sie bereits festgelegt hatten, ändern müssen. Eines ist doch nicht zu leugnen, Herr Kollege Blachstein: diese Zusammenarbeit vollzieht sich im Rahmen der Gemeinsamkeiten, die wir in der freien Welt nun einmal mit den Vereinigten Staaten haben. Wenn diese Dinge besonders die Kommunisten und Kommunistinnen irritieren und schockieren, dann bedeutet das schon, daß sie etwas Positives - ich betone: etwas Positives - enthalten müssen.
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Wir dürfen nicht vergessen - das ist unlängst einmal gesagt worden -, daß die Bundesrepublik nicht noch nachträglich den Krieg gewinnen kann, den das Dritte Reich total verloren hat. Dinge, wie sie sich auch im Wellenvertrag zeigen, sind nun mal ein Ausfluß dieser Situation, und man sollte daher maßvoller in der Kritik solcher Abkommen sein. Im übrigen werden wir im Ausschuß genügend Gelegenheit haben, das Abkommen sachlich auf seine Mängel zu untersuchen und Reformvorschläge zu unterbreiten.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das vorliegende Abkommen ist im höchsten Grade ungeeignet, wenn Kritik auftaucht, sich in diesem Falle auf die Kommunisten zu berufen und zu beziehen. Die haben mit diesem ganzen Komplex überhaupt und sowieso nichts zu schaffen. Aber, Herr Kollege Vogel, Sie sagten, wir hätten die Wahl, hier entweder notwendige Übel Stück für Stück in Kauf zu nehmen, oder aber auf der anderen Seite die Aufrechterhaltung der Besatzungszeit in Kauf zu nehmen. Herr Kollege Vogel, wenn die anderen die Besatzungszeit, so wie wir sie genossen haben, überhaupt aufrechterhalten könnten, dann würden sie dies ganz bestimmt tun. Es ist nicht so, daß wir uns hier so aufführen könnten, als ob wir bereits im Besitz der Freiheit wären, sondern hier geht es für uns meines Erachtens ausschließlich darum, daß wir uns der Lage entsprechend aufführen, in der die anderen etwas von uns wollen und wir unseren Standpunkt entsprechend vorbringen können.
Ich habe nach Ihrer eben vorgetragenen Stellungnahme vergeblich gesucht, wo in dem kurzen Gesetzestext oder in dem Abkommen irgendwelche Sicherungen in unserem Sinn zu finden sind. Ich habe lediglich, Herr Kollege Vogel, etwas von einem Schiedsgericht in Art. VI gefunden, wonach Meinungsverschiedenheiten über den Betrieb dieser Sender vor dem künftigen allgemeinen Schiedsgericht zur Sprache kommen sollen. Um die Frage, was da für Schwierigkeiten in technischer oder sonstiger Beziehung entstehen könnten, geht es überhaupt nicht, sondern es geht darum, daß hier - zumindest in der zurückliegenden Zeit - über den Äther eine Politik betrieben worden ist, die zu den in der Präambel des Generalvertrages deklarierten Zielen - um nur ein Beispiel zu nennen -in diametralem Widerspruch steht. Was gewährleistet sein muß, ist nicht, daß wir uns, nachdem Porzellan kaputtgemacht ist, vor einem Schiedsgericht darüber unterhalten, sondern, daß durch einen entsprechenden Einbau von uns verhindert werden kann, daß solches Porzellan erneut kaputtgehen kann.
Ich habe neulich in den Schriftstücken des Rundfunk-Aufnahmedienstes eine Sendung des Senders „Freies Europa" gesehen, wo man Stimmen der polnischen Westemigration abdruckte. Es hieß darin, dieser polnischen Westemigration werde von seiten der Volksdemokraten der unberechtigte Vorwurf gemacht, sie seien in der Frage der Oder-Neiße-Linie nicht genügend kapitelfest. Dann bringt dieser Sender „Freies Europa" - auf deutschem Boden, in München stationiert - in polnischer Sprache eine lange Sammlung von Zitaten von Herrn General Anders, von Mikolaiczyk und sonstigen Emigranten im Westen, in denen auseinandergesetzt wird: Die polnische Westemigration hat eine ganz besonders vorzügliche Haltung, denn sie fordert erstens die Zurückgabe der jetzt russisch gewordenen polnischen Ostgebiete und außerdem die Aufrechterhaltung der Oder-Neiße-Linie. Das wird unter unseren Augen und vor unseren Ohren über diesen Sender ausgestrahlt.
Entscheidend ist, daß dort von einem ganz besonders widerwärtigen Emigrantenklüngel eine Politik betrieben wird, die zu unseren Interessen in einem totalen Widerspruch steht. Dieses Abkommen ist in keinem einzigen seiner drei Artikel geeignet, diese Schwierigkeiten in Zukunft zu beheben. Diese würden nicht mehr da sein, wenn man überhaupt von irgendeiner Zusammenarbeit von Partnern sprechen könnte, die, wie es so schön heißt, gleiche und gemeinsame Ziele verfolgen. Auf diese Weise wird meines Erachtens kein Fortschritt erreicht. Es ist uns durchaus möglich, solche Dinge heute - vor der Ratifizierung des Generalvertrages, der vielleicht gar nicht zustande kommt - abzulehnen, und zwar einfach deshalb, weil sonst die Luft für die Zukunft nicht frei sein kann.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Es ist der Antrag gestellt worden, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten als federführendem Ausschuß und zur Mitberatung dem Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Geheimorganisation „Technischer Dienst des BDJ" in Hessen ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 25 Minuten und eine Aussprachezeit von höchstens 90 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Menzel.
Dr. Menzel ({1}), Anfragender: Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Die in einigen Orten
Deutschlands, insbesondere in Hessen und Hamburg aufgedeckten Geheimorganisationen zeigen
mit einer erschreckenden Deutlichkeit, welchen
Weg Deutschland innerpolitisch zu gehen droht,
wenn wir nicht rechtzeitig den Anfängen wehren.
({2})
Wir hätten daher erwarten können, daß die Bundesregierung, insbesondere der Herr Verfassungsminister, von sich aus das Bedürfnis gefühlt hätte, den Bundestag über die Vorgänge eingehend zu unterrichten
({3})
und sich absolut klar und für jeden, der diese
Staatsordnung anzugreifen droht, völlig unmißverständlich von diesen Vorgängen zu distanzieren.
({4})
Wir haben vergeblich gewartet. Nichts ist geschehen. Daher ist es Zweck dieser Großen Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion, die Bundesregierung nunmehr in aller Öffentlichkeit auf diese Verpflichtung hinzuweisen und sie zu zwingen, endlich Farbe zu bekennen, was sie zu den Vorgängen zu sagen hat. Alle Versuche, die Dinge zu bagatellisieren, zu beschönigen oder gar mit Schweigen, wie man es zu Anfang versucht hat, darüber hinwegzugehen, helfen nichts und machen die Sache politisch doch nur schlimmer.
({5})
Wir haben es hier mit einer nach unserer Auffassung sehr ernsten Angelegenheit und, wie w i r meinen, mit einem der größten politischen Skandale nach 1945 zu tun.
({6})
Daher wäre es die Pflicht der Bundesregierung gewesen, hier nicht nur aufzuklären, sondern anzuprangern, was da geschehen ist.
Ich sagte schon: die Bundesregierung hat geschwiegen. Erst als der Druck der Öffentlichkeit zu stark wurde, hat sie einige merkwürdige Pressekommentare veröffentlicht oder noch merkwürdigere Reden von ihren einzelnen Mitgliedern halten lassen. Der Herr Bundeskanzler hat in der Kundgebung in der Westfalenhalle zu Dortmund und auf dem Parteitag der CDU zu allen möglichen Problemen gesprochen, aber keinen Satz zu den hessischen Vorgängen gefunden.
({7})
Er hat, als ihm die Vorgänge mitgeteilt wurden, zunächst gesagt, er bedaure diese Vorgänge. Aber ich meine, er hätte seiner Empörung darüber klar Ausdruck geben müssen.
({8})
Das gleiche Verhalten mußten wir leider bei dem Herrn Bundesinnenminister feststellen, der doch die Verfassung zu schützen hat.
({9})
Seine erste Verlautbarung beschränkte sich lediglich darauf, daß er in der Öffentlichkeit erklärte: Heraus mit den Proskriptionslisten! Nun, Herr Bundesinnenminister, Ihnen steht doch die große Apparatur der Verfassungsschutzämter zur Verfügung. Sie waren weiß Gott schlecht unterrichtet, wenn Sie glaubten, daß das, was der Herr Ministerpräsident Zinn veröffentlicht hat, vielleicht nicht stimmen könnte.
({10})
In Ihrer Hamburger Rede vom letzten Wochenende haben Sie, Herr Bundesinnenminister, die von der Staatsanwaltschaft verhafteten sieben Mitglieder einer illegalen Organisation als Hanswürste bezeichnet. Sie haben sich damit zunächst einmal in einen bedauerlichen Gegensatz zu der Justiz gestellt, die die Sache erfreulicherweise ernster genommen hat. Und als Sie, Herr Bundesinnenminister, darüber hinaus diese Zahl von sieben Hanswursten mit der Zahl der Hamburger Bevölkerung von 1,7 Millionen verglichen, indem Sie sagten: Was sollen schon sieben Männer ausrichten gegen 1,7 Millionen Hamburger, war das, glaube ich, ein Niveau weit unter der Preislage eines Bundesinnenministers.
({11})
Herr Bundesinnenminister, ich erinnere an die damaligen Attentate eines Halacz in Bremen. Da hat auch einer ausgereicht. Und ich bringe in Ihr Gedächtnis zurück, daß es damals nur zweier aktiver Mitglieder der Organisation „Konsul" bedurft hat, um Rathenau zu ermorden.
({12})
Die Art, wie der Herr Bundesverfassungsminister das Vorhandensein dieser Listen, ihren Inhalt und die gesamten Vorgänge in Hessen komisch zu finden beliebt, ist doch geradezu unerträglich,
({13})
macht auch auf die Dauer ein vertrauenswürdiges Zusammenarbeiten zwischen dem Bund und den Länderministern unmöglich.
({14})
Es ist zugleich ein untrügliches Zeichen für ein schlechtes Gewissen, für eine Beunruhigung des Herrn Bundesinnenministers, nachdem er in derselben Hamburger Rede zugegeben hat, seit einem Jahre von diesen Vorgängen zu wissen, daß er diese Dinge durch sein Schweigen geduldet und sanktioniert hat.
({15})
Als der Ministerpräsident Zinn die Vorgänge der erstaunten Öffentlichkeit mitteilte, erklärte der Herr Bundeskanzler, er sei überrascht. Sie aber, Herr Dr. Lehr, haben erklärt, bereits seit einem Jahr davon zu wissen. Ist denn die Unterrichtung des Herrn Bundeskanzlers über wesentliche inner-politische Vorgänge durch den Herrn Bundesinnenminister so schlecht, oder liegt das an dem Durcheinander in der Bundesregierung?
({16})
Es hätte uns viel eher interessiert, wenn es sich auch um eine vielleicht nicht allzu bedeutende Einzelheit handelt, von dem Herrn Bundesinnenminister zu hören, was er zu der erstaunlichen Tatsache zu sagen hat, daß ein gewisser Hoffmann, der Mitglied dieser Geheimorganisation ist, ehe er in diesen „Technischen Dienst des BDJ" ging, früher beim Grenzschutz Nord, also in der Exekutive des Bundes tätig gewesen ist.
({17})
Herr Dr. Lehr hat zunächst, ehe er selbst in die Arena trat, seinen Ministerialdirektor Egidi vorgeschickt, und in einer Pressekonferenz hat Herr Dr. Egidi gesagt, man habe in Bonn den BDJ gekannt, aber keine Veranlassung gehabt, ihm zu mißtrauen. Wie hat man das festgestellt? Wie konnte es kommen, daß es der Bundesexekutive auf diesem Gebiet, die j a da ist, entgangen ist, daß dieser Herr Lüth personenidentisch ist mit
({18})
einem gewissen Peter Borr, der seinerzeit durch eine zwar nach 1945 veröffentlichte, aber sehr stark nationalsozialistische Tendenzen enthaltende Literaturgeschichte bekannt wurde? Wie konnte es ihm entgehen, daß dieser Mann zu Unrecht einen Doktortitel führte, daß deswegen ein Strafverfahren gegen ihn eingeleitet wurde, das nur deswegen nicht durchgeführt werden konnte, weil inzwischen die Amnestie kam?
({19})
Wie konnte es kommen, daß man auch im Bundesinnenministerium nicht wußte, daß diese Partisanengruppen zu 75 °/o aus illegal tätigen Nazis bestehen, Männer, von denen einer ihrer Angehörigen jetzt in Schleswig-Holstein gesagt hat, es wären zumeist, wie er sich ausdrückte, Rabauken.
({20})
Wir hätten erwartet, 'daß der in der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang am meisten genannte Herr Bundesminister Kaiser sich geäußert hätte. Er hat sich bis heute völlig in Stillschweigen gehüllt,
({21})
vielleicht wegen seines schlechten Gewissens, da ja sein eigener Staatssekretär, wie er inzwischen zugeben mußte, in zwei 'besonderen Fällen den BDJ unterstützt hat, und zwar jedesmal mit 10 000 DM.
({22})
Welch innigen Kontakt man im gesamtdeutschen Ministerium mit dem BDJ hat, ergibt auch ein Schreiben des Herrn Staatssekretärs Thedieck an einen Abgeordneten dieses Hauses vom April d. J. Ein Abgeordneter dieses Hauses hatte sich bei Herrn Kaiser beschwert, daß seine Versammlung durch BDJ-Teilnehmer gestört worden sei, worauf Herr Thedieck dem ,Abgeordneten antwortete, er habe von dem BDJ einen Bericht angefordert.
({23})
Er habe den Vorsitzenden des BDJ, der zufällig in den gleichen Tagen bei ihm gewesen sei, gebeten, die Mitglieder des .BDJ anzuweisen, sich in den Versammlungen ordnungsmäßig zu verhalten, und er, Thedieck, habe die Hoffnung, daß seine Einwirkung auf den BDJ ausreichen werde.
({24})
Nun die weitere Frage an die Bundesregierung: Sind das alle Mittel, die gezahlt worden sind? Uns ist bekannt, daß Herr Ministerialdirektor Egidi noch vor ungefähr 14 Tagen erklärt habe, aus dem Bereich des Bundesinnenministeriums sei kein Pfennig an den BDJ gegangen. Der gleiche Herr Ministerialdirektor Egidi hat vor einigen Tagen in einer Sitzung in diesem Hause --es war aber nicht die Sitzung, eines Bundestagsausschusses - erklärt, es sei etwas gezahlt worden: 6000 DM aus dem Verfassungsschutzfonds.
({25})
Man sagt überhaupt, 'daß Herr Lüth und seine Pseudodemokraten niemals in finanzielle Bedrängnis gekommen seien. Denn der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen habe auch den Volksbund für Frieden und Freiheit finanziert, und dieser habe seinerseits nun wieder mit Wissen 'des Herrn Ministers Kaiser dem BDJ Teilbeträge abgeführt.
({26})
Wir möchten .die Bundesregierung ferner fragen, ob es stimmt, daß man auch der Gemeinschaft sogenannter demokratischer Sozialdemokraten, einer Tarnorganisation der KPD,
({27})
monatliche Beträge von, wie man sagt, ungefähr 30 000 DM gegeben hat, weil man wußte und weil man erhoffte, daß diese sogenannte demokratische sozialdemokratische Gemeinschaft Infiltrierungsversuche bei der Sozialdemokratischen Partei unternehmen würde.
({28})
Da gibt man - und Idas mag der erstaunte Steuerzahler zur Kenntnis nehmen - eine Menge Geld zur Bekämpfung des Kommunismus aus und fällt ausgerechnet auf den alten Kommunisten Lüth herein. Daher sollen die Daten noch einmal ausdrücklich festgehalten werden. Lüth wurde 1946 Mitglied der KPD in Waldorf und hat bis heute sein Mitgliedsbuch nicht zurückgegeben. Er hat dort in den Schulungsabenden über Marxismus und Leninismus gesprochen. Er hat der Gesellschaft zum Studium 'der Sowjetunion angehört und soll - 'das festzustellen wäre längst Aufgabe 'des Herrn Innenministers gewesen - in dieser Eigenschaft auch Reisen in die Ostzone gemacht haben. Heute nun, da man sieht, .daß diese Gelder nicht zum Kampf gegen die KPD benutzt worden sind, sondern zum Teil gegen die SPD, schweigt man betreten.
Aber aus dem Kreise derjenigen, die geschwiegen haben, macht ein Mitglied des Bundeskabinetts eine Ausnahme. Sehr schnell hat reagiert unser verehrter Herr Bundesjustizminister.
({29})
Aber der Schuß ging nach der verkehrten Seite. Er mußte nämlich seine Erklärung - es waren noch keine 24 Stunden vergangen - wieder dementieren. Er hat die Mitteilungen und Berichte 'des Herrn Ministerpräsidenten Zinn für einen „faulen Zauber" erklärt.
({30})
Vielleicht war die Tatsache, daß die Partisanen eine Abschußliste gegen Sozialdemokraten aufgestellt hatten und daß dann auch ein Sozialdemokrat die Sache aufdeckte, für ihn schon ein genügender Grund, das als ein Wahlmanöver der SPD hinzustellen. Ich glaube, Herr Bundesjustizminister, Sie haben gerade dem Beruf, den Sie in Ihrem Ressort zu betreuen haben, nämlich dem Richterberuf, ein schlechtes Beispiel gegeben. Erst die Tatsachen kennen und sich darum bemühen und dann urteilen!
({31})
- Verehrter Herr Kollege Wuermeling, wenn Sie die Veröffentlichungen und vor allem die geheime Denkschrift des Technischen Dienstes des BDJ in einem Umfang von rund 20 Seiten - ich werde gleich einige Sätze daraus verlesen - kennten, würde Ihnen vielleicht doch etwas angst und bange werden. Herr Kollege Wuermeling, wir haben das doch alles schon einmal durchgemacht. Als es 1933 nur darum ging, daß man zunächst die Kommunisten und Sozialdemokraten in die Konzentrationslager schickte, da war es in dem bürgerlichen Blätterwald sehr ruhig und still,
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({33})
bis man selber später dort endete.
({34})
- Im April 1933? Wahrscheinlich jüdische Staatsbürger.
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- In der Tat, es ist auch unerhört, was ich Ihnen jetzt mitteilen werde; denn der Herr Bundesjustizminister hätte Veranlassung gehabt, auch dazu etwas zu sagen, wie es dazu kommen konnte, daß der Herr Oberbundesanwalt die von der Polizei verhafteten Leute entließ, weil sich die Beschuldigten darauf beriefen, sie hätten ihre Tätigkeit im Einverständnis mit dem Herrn Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen ausgeübt,
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und weil sie sich damit entschuldigten, sie handelten im Einverständnis und auf Weisung der amerikanischen Dienststellen.
({37})
Nun, seit wann wirkt es denn im deutschen Strafrecht bei einer strafbaren Handlung strafbefreiend, wenn man sich auf Anordnungen von Amerikanern berufen kann? Ich meine, nicht nur die Bundesregierung, sondern auch jene Amerikaner, die das alles veranlaßt haben und die für diesen politischen Skandal verantwortlich sind, haben sich selbst einen außerordentlich schlechten Dienst erwiesen. Solche Dinge sind doch 'keine. Methoden, die den Kampf um die Wiedervereinigung Deutschlands fördern; sie sind doch nur geeignet, jeden Ansatzpunkt von vornherein 'im Keime zu ersticken.
Zunächst hatten maßgebliche Kreise des Außenministeriums in Washington erklärt, es sei unmöglich, daß ein amerikanischer Beamter beteiligt sei. Das war wahrscheinlich das falsche Ministerium in Washington. Wenn man das Kriegsministerium gefragt hätte, hätte man, wenn man überhaupt eine Antwort erhielt, wahrscheinlich eine andere bekommen müssen. Denn es stellte sich bald heraus, daß einige in Deutschland domizilierte zivile amerikanische Stellen von amerikanischen Militärstellen übergangen worden waren. Daß man das nicht früher entdeckte, ist um so erstaunlicher, als, wie mir erst jetzt mitgeteilt wurde, die amerikanische Zeitung „News Week" bereits am 21. Juli 1952 die Ausbildung von Partisanentrupps in Deutschland gemeldet hat.
({38})
Es ist erschreckend, festzustellen, 'daß die Militärs aller Länder gleich sind, politisch unerfahren und ziemlich leichtfertig. Was hätte denn diese ganze Sache militärisch genutzt? Glaubt man wirklich, daß man mit 1000 bis 2000 Partisanen in Deutschland den russischen Vormarsch aufhalten oder nachher die russische Besetzung so sabotieren könnte, daß die Russen das Land wieder räumen würden? Wie naiv und dilettantisch ist das alles, ja geradezu verbrecherisch, wenn man in den besetzten Gebieten Versorgungslager zerstört, Brücken sprengt oder Unterkünfte der etwaigen russischen Besatzungsmacht überfällt! Können Sie sich noch entsinnen, wie empört Sie waren, meine Damen und Herren von 'der Rechten, als Herr Dr. Schumacher bei einer Debatte über den Verteidigungsbeitrag von der 'Gefahr der zweimal verbrannten Erde sprach? Jetzt sehen wir, daß die Amerikaner selbst die Voraussetzungen dafür mitgeschaffen hätten. Denn jeder Terrorakt hätte deutsche Städte und Dörfer in Schutt und Asche
gelegt und ein ungeheures Leid über die Bevölkerung bringen müssen.
({39})
Erkennt man denn nicht - 'gerade wenn man sich, wie Sie es tun, für den EVG- und Generalvertrag einsetzt - die Gefahr, daß die Menschen 'draußen in Stadt und Land sagen: Wenn die Amerikaner Partisanen rechtsrheinisch für erforderlich halten, dann rechnen sie selbst damit, daß sie gar nicht stark genug sind, oder dann sind sie gar nicht willens, Deutschland zu retten, d. h. Deutschland schon an der weitmöglichst östlichen Grenze zu verteidigen?
Das war übrigens auch die Meinung des „Technischen Dienstes", der in seinen geheimen Richtlinien, die in Ergänzung zu einem Buch von Herrn Lüth über die Partisanen herausgegeben wurden, u. a. folgendes sagt:
Es kann zwar keinem Zweifel unterliegen, daß USA und UNO Westeuropa unter allen Umständen verteidigen werden. Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Verteidigung nicht ausschließt, daß zunächst sämtliche Kräfte zurückgezogen werden, weil es nicht sicher ist, daß eine Verteidigungslinie gehalten werden kann.
Die Amerikaner, 'die monatlich 50 000 DM gegeben haben, haben durch dieses „Geschäft" mehr verloren als das Geld, sie haben einen großen Teil ihres Ansehens in 'Deutschland verspielt,
({40})
und sie scheinen diesen Weg fortsetzen zu wollen, wenn es stimmt, was aus Wiesbaden als Nachricht kommt, daß der gemeinsame deutsch-amerikanische Untersuchungsausschuß geplatzt ist, weil die Amerikaner unerfüllbare Bedingungen gestellt haben.
({41})
Diese Bedingungen gingen dahin, daß die Vernehmungen derjenigen Mitglieder des Technischen Geheimdienstes, die mit den Amerikanern zusammengearbeitet haben, nicht durch Deutsche, sondern nur durch Amerikaner gemacht werden dürfen,
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daß die Zeugenprotokolle den Deutschen nicht zugänglich gemacht werden dürfen und daß sie vor allem geheim bleiben müssen.
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Man scheint also sehr viel zu verbergen zu haben.
({44})
An der Spitze dieser Organisation stand ein sogenannter Stab; dieser Stab hatte eine Untergruppe I f. Der Stab schulte jeweils 100 Mann - insgesamt wurden rund 1000 bis 2000 Mann geschult - in der Waffenübung, Maschinengewehr, Granatwerfer, Hieb- und Stichwaffen, Spreng- und Sabotagemittel.
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Das Referat I f, Abwehrdienst 'genannt, hatte Personen zu ermitteln, die - nach Zeugenaussagen -„nach Ansicht des Technischen Dienstes des BDJ Gegner eines 'deutschen Verteidigungsbeitrages oder aber Gegner des Generalvertrages, der EVG sind,
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um sie im Falle des Tages X kaltzustellen."
({47})
Wie das aussieht, ergeben 'die gleichen Richtlinien, die ich vorhin schon zitiert habe und in
({48})
denen es heißt: „Die allgemeine politische Schulung ist beim Technischen Dienst die gleiche wie bei dem ideologischen Dienst. Der wesentliche ideologische Unterschied besteht zwischen beiden darin, daß die Angehörigen des Technischen Dienstes den Schritt vom Bürger zum Partisanen vollzogen haben müssen, gemäß" - und das ist sicher sehr wichtig für die Herren der Bundesregierung - „unserer Auffassung vom Partisanen als dem Bürger der neuen Welt."
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Es wurden außerdem Listen geführt, über sagenannte gefährliche Gebiete 'an der Ostgrenze und nicht weniger als 80 über führende Personen der SPD. Es heißt hier - ich zitiere aus den geheimen Richtlinien des Technischen 'Dienstes -: „Helfen Sie alle mit, unsere Listen der SPD-, Roten Falken-usw. Funktionäre zu vervollständigen, die offen oder geheim mit der KPD oder einer ihrer Hilfsund Tarnorganisationen zusammenarbeiten."
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Meine Damen und Herren, die Stoßrichtung, die damit angedeutet ist, ist doch von vornherein sinnlos; denn glauben Sie mir, wenn die Russen kämen, der SSD würde sich als erstes die Sozialdemokraten vorknöpfen. Wir sind doch die schärfsten Gegner der KPD im täglichen politischen Kampf gewesen.
Das Zutrauen, das Herr Lüth und Herr Peters zu ihren eigenen Reihen, zu ihren Geldgebern haben, ergibt sich am besten daraus, daß es in den Richtlinien heißt: „Das besitzende Bürgertum wird wahrscheinlich einen modus vivendi finden mit den neuen Machthabern
({51})
und wird restlos kapitulieren".
({52})
Lassen Sie mich an frühere Vorgänge erinnern. Wir haben schon einmal ähnliche Situationen erlebt. Ich erinnere an die Freikorps Roßbach, Ehrhardt, Heydebreck, Heinz, Wiking, Werwolf, Konsul, Orgesch usw. Eine bunte Blütenlese! Als Forstrat Escherich 1920/21 seine Organisation aufzog, die dem gleichen Zweck diente wie die hier aufgedeckte Geheimorganisation, war es der damalige Justizminister Am Zehnhoff, ein Berufskollege unseres Herrn Bundesjustizministers, der sein Gutachten dahin abgab, daß die Organisation Escherich legal und nicht staatsgefährlich sei. Und als 1919 das Freikorps Oberland aufgelöst wurde und in Zusammenhang damit die vom Freikorps Oberland verhafteten Bergarbeiterführer wieder freigelassen wurden, da war es der Pastor Martin Niemöller, der nicht etwa gegen das Verbot von Oberland protestierte, sondern gegen die Freilassung der Bergarbeiterführer.
({53})
Meine Damen und Herren, ich muß noch einmal in Ihr Gedächnis zurückrufen: beim Rathenau-Mord waren Kern und Fischer, die beiden Mörder, aus den Reihen der Organisation Konsul, und aus der gleichen Organisation stammten Schulz und Tillessen, die Mörder von Erzberger.
({54})
Als 1923 in Preußen die NSDAP verboten wurde, ihre Angehörigen in das Freikorps Roßbach übertraten und der preußische Innenminister ihr das Tragen von Waffen verbot, gab es auch eine Große
Anfrage im Parlament, und es war die Deutschnationale Volkspartei, die durch ihren Sprecher der preußischen Regierung die schwersten Vorwürfe machte, daß sie der Organisation Roßbach die Waffen weggenommen habe.
Daß die Ewiggestrigen nicht aufhören zu leben, dafür ein Beweis. Vor mir liegen die „Stimmen zur Agrarwirtschaft" des Herrn von Rohr, vom schwarzweißroten FDP-Flügel im Landtag von Nordrhein-Westfalen. In ihr beschäftigt sich Herr Rohr merkwürdigerweise nicht mit dem Butterzoll oder den Kartoffelpreisen, sondern auch mit den hessischen Vorgängen, und zwar unter der Überschrift „Verräter unter uns". Aber das Wort „Verräter unter uns" bezieht sich nicht auf die Partisanen; es bezieht sich auf' diejenigen, die in dieses Wespennest gestochen und die Vorgänge aufgedeckt haben.
({55})
Hier heißt es - mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten darf ich das vorlesen -:
Zur Verteidigung gehört auch der Einsatz von Partisanen. So vernahmen wir gern, daß bei den letzten Manövern allierte Soldaten in Zivil abgesetzt wurden, um hinter der feindlichen Front mit der Bevölkerung Partisanenarbeit zu üben. Deutschen Stellen blieb es vorbehalten, weitere Vorbereitungen zu verraten.
Und ein Weiteres:
Wir haben außer den Manövermeldungen von dieser Arbeit der Partisanen nichts gewußt. Als wir aber jetzt davon hörten, waren wir dankbar, daß es doch Männer gibt, die nicht nur reden, sondern auch zum persönlichen Einsatz entschlossen sind.
({56})
Hier wird also diese illegale, gegen die Demokratie gerichtete Geheimorganisation noch glorifiziert.
({57})
Wir fordern daher die restlose Aufdeckung des Sachverhalts und die Bekanntgabe der Hintermänner, insbesondere auch derjenigen Geldgeber, die aus der Wirtschaft stammen, ganz gleich, woher die Geldgeber kommen. Wir verlangen eine strenge Bestrafung der Schuldigen ohne Rücksicht auf den Einspruch etwaiger fremder Besatzungsmächte;
({58})
denn ein etwaiger Einspruch könnte sich nicht auf das Recht, sondern nur auf eine rücksichtslose Geltendmachung ihrer Macht stützen.
({59})
Das Wirken solcher staatszerstörenden Kräfte muß - und hierzu rufen wir auch die Bundesregierung, die bisher zögerlich gehandelt hat, auf - mit allen Mitteln im Keim erstickt werden. Wir haben klare Fragen gestellt;
({60})
wir erwarten eine ebenso klare Antwort. ({61})
Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! ({0})
Bei der Behandlung der Großen Anfrage der SPD beschränke ich mich zunächst darauf, eine präzise Darstellung der Dinge und Beantwortung der Fragen zu geben, und werde anschließend wegen der besonderen Bedeutung dieser Sache noch einige allgemeine Bemerkungen machen. Aber eins möchte ich dem Herrn Kollegen Menzel doch sagen. Wenn Sie mich fragen, warum erst heute die Regierung durch mich hier Stellung nimmt: Ich halte es für richtig, erst in dem Augenblick vor ein Parlament zu treten, Wenn ich konkrete, unanfechtbare Tatsachen hinter mir habe
({1})
und nicht Angaben zu machen brauche, die auf Vermutungen oder Schlüssen beruhen, die sich nachher als nicht vollständig oder gar irrig erweisen.
({2})
Denn dadurch wird das deutsche Ansehen im In-und Ausland geschädigt und werden unsere Interessen empfindlich gestört.
({3})
- Herr Renner, es wird Ihnen noch vieles gesagt werden, was Ihnen nicht paßt.
({4})
Von dem Vorhandensein des - ({5})
- Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen wegen der Bedeutung dieser Sache, einmal ruhig zuzuhören, welcher Tatbestand wirklich vorhanden ist.
({6})
Der erste Punkt. Von dem Vorhandensein des sogenannten Technischen Dienstes, der sich die Schulung von Partisanen zur Aufgabe gemacht haben soll,
({7})
hat die Bundesregierung erstmalig Mitte September 1952 Kenntnis erhalten, und zwar das Bundesministerium des Innern am 15. September und das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen am 19. September. Daß diese Organisation sich nach Auffassung der hessischen Regierung auch die weitere Aufgabe gestellt habe, Persönlichkeiten des politischen Lebens zu liquidieren, ist der Bundesregierung durch den Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz, Herrn Dr. John, am 1. Oktober 1952 mitgeteilt worden. Diese Angaben hat Dr. John am Abend des 30. September von dem hessischen Ministerpräsidenten, Herrn Zinn, erhalten.
Von diesem Nachrichtenkomplex - und das ist für die Beurteilung der weiteren Tatbestände sehr wichtig; ich habe bereits in der Presse darauf hingewiesen - ist ein anderer zu unterscheiden, der seit etwa einem Jahr bekannt ist. Darauf bezieht sich - nicht eine „Rede", die ich in Hamburg gar nicht gehalten habe, sondern meine innerhalb eines
Hornissenschwarms von Reportern, die mich befragten, gegebene Auskunft. Was wir seit einem Jahr wissen, ist nämlich der andere Komplex. Im Laufe des Jahres 1951 waren dem Bundesamt für Verfassungsschutz Nachrichten zugegangen, die darauf hindeuteten, daß sich alliierte Stellen innerhalb der Bundesrepublik mit der Vorbereitung von Maßnahmen beschäftigen, die im Falle eines sowjetischen Angriffs in den Grenzgebieten zu treffen seien.
({8})
Gegenstand dieser Informationen war auch, daß sich junge Deutsche in geringer Zahl, unter ihnen Erhard Peters, zu diesen Vorbereitungen bereitgestellt haben.
({9})
Bestätigt wurden diese Nachrichten durch Meldungen über Waffenlager in Bayern, z. B. in Marktschorgast im Landkreis Kulmbach, die Gegenstand der Prüfung durch bayerische Behörden waren und Mitte Oktober 1951 durch Pressemeldungen auch der Öffentlichkeit bekannt wurden.
({10})
Diese Vorbereitungen sind anschließend vom Bundesamt für Verfassungsschutz zum Gegenstand von Besprechungen mit sämtlichen Leitern der Landesverfassungsschutzämter gemacht worden.
Zum zweiten Punkt. Weitere derartige Organisationen sind der Bundesregierung nicht bekanntgeworden.
({11})
Zum dritten Punkt. Der Oberbundesanwalt überprüft in strafrechtlicher Hinsicht den Sachverhalt seit Mitte September 1952. Damit sind die erforderlichen Schritte wegen der strafrechtlichen Verfolgung der beteiligten Personen eingeleitet.
({12})
Das Verfahren, Idas mit allem Nachdruck betrieben wird,
({13})
ist zunächst gehemmt worden, und zwar aus Gründen, die nicht in der Behörde des Oberbundesanwalts liegen. Dabei darf ich feststellen, daß eine
Einflußnahme amerikanischer Dienststellen auf den
Gang des Verfahrens niemals stattgefunden hat.
({14})
Der Oberbundesanwalt hat erst durch einen am 6. Oktober dieses Jahres eingegangenen Bericht des Oberstaatsanwalts in Frankfurt am Main und durch die am 9. Oktober dieses Jahres in der Presse veröffentlichte Regierungserklärung des Herrn hessischen Ministerpräsidenten Nachricht darüber erhalten, daß Unterlagen gefunden worden seien, die eine Absicht zur Liquidierung von politischen Persönlichkeiten beweisen sollten.
({15})
Die Unterlagen' sind sogar erst Mitte Oktober dem Oberbundesanwalt zur Verfügung gestellt und das Ergebnis dieser Untersuchungen ist selbstverständlich erst abgewartet worden.
({16})
- Ja, in der Ostzone!
({17})
({18})
Am 2. Oktober 1952 wurde eine gemischte Kommission - ({19})
- Hören Sie lieber in Ruhe das an, was ich Ihnen zu sagen habe, und regen Sie sich nicht über Herrn Renner auf!
Am 2. Oktober wurde eine gemischte Kommission zur Nachprüfung der Vorgänge eingesetzt. An dieser Kommission sind durch je einen Vertreter die ,amerikanische Besatzungsmacht, die hessische Regierung und das Bundesamt für Verfassungsschutz beteiligt.
({20})
Die gemischte Kommission hat ihre Tätigkeit am 8. Oktober 1952 aufgenommen und noch nicht abgeschlossen.
({21})
Zum vierten Punkt. Zwischen dem sogenannten Technischen Dienst und dem Bund Deutscher Jugend muß unterschieden werden
({22})
Dem Technischen Dienst, der Organisation des Erhard Peters, sind finanzielle Zuwendungen aus Bundesmitteln niemals, weder unmittelbar noch mittelbar, gewährt worden.
({23})
Dagegen hat der Bund Deutscher Jugend, alber nur aus einem einzigen Anlaß, eine finanzielle Förderung aus Bundesmitteln erfahren. Dieser einmalige Anlaß war das Pfingsttreffen 1952 des BDJ in Frankfurt am Main.
({24})
Ich hatte aber ein Jahr vorher durch das Bundesamt für Verfassungsschutz beim hessischen Landesamt für Verfassungsschutz anfragen lassen
({25})
und bekam von diesem im Februar 1951 die Nachricht, 'daß sich der Bund Deutscher Jugend zur 'demokratischen Staatsform bekenne
({26})
und daß das hessische Landesamt für Verfassungsschutz dem Bundesamt weiter berichten und weiter seine Beobachtungen mitteilen walle. Das ist aber seit der Zeit nicht mehr geschehen.
({27})
Nach dieser Auskunft haben wir zu dem Pfingsttreffen 1952 positiv Stellung genommen. Dieses Treffen war deshalb aus Bundesmitteln gefördert worden, weil es eine Gegenveranstaltung gegenüber dem FDJ-Treffen in Leipzig war
({28})
und sich viele andere deutsche und ausländische Jugendgruppen daran beteiligten.
({29})
Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen hat, wie wir bereits am 10. Oktober erklärten,
10 000 DM für dieses Treffen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus ist das Pfingsttreffen des BDJ in einer ähnlichen Größenordnung auch aus den mir zur Verfügung stehenden Abwehrmitteln gefördert worden.
({30})
Diese Förderung erfolgte nicht aus Mitteln des Bundesjugendplans.
({31})
Aus diesen ist keine Mark für die Veranstaltung gegeben worden.
({32})
Es handelt sich vielmehr um einen Fonds, der lediglich der Überprüfung durch ,den Herrn Präsidentendes Bundesrechnungshofs unterliegt.
({33})
Ich habe diese Förderung des Pfingsttreffens gebilligt, da den verfassungsfeindlichen Umtrieben der kommunistisch gesteuerten FDJ nicht nur mit polizeilichen, sondern auch mit Propagandamaßnahmen entgegengetreten werden muß.
({34})
Und zum fünften und letzten Punkt die weitere präzise Auskunft: Die Bundesregierung ist nicht darüber unterrichtet, ob und welche weiteren Geldmittel dem sogenannten „Technischen Dienst" und dem BDJ zugeflossen sind. Wer die etwaigen Geldgeber und wie hoch die Beträge sind, wissen wir nicht. Beamte der Bundesregierung waren als Vermittler nicht tätig.
({35})
Und nun, meine Damen und Herren, muß ich angesichts der Ausführungen des Herrn Kollegen Menzel doch noch einiges sagen, namentlich auch angesichts der zahllosen teils richtigen, teils falschen, teils entstellten Meldungen, die über die Vorgänge in Hessen und angebliche weitere Geheimorganisationen in der letzten Zeit durch die Presse gegangen sind. Ich muß dazu grundsätzlich folgendes sagen. Zunächst muß ich noch einmal mit Nachdruck darauf hinweisen, daß die endgültige Klärung der Tatbestände, soweit sie strafrechtlicher Art sind,
({36})
dem Herrn Oberbundesanwalt abliegt. Ich halte es nicht 'für zweckmäßig, wie 'ich schon eingangs sagte, vor Abschluß noch in Gang 'befindlicher Ermittlungen ein abschließendes Urteil abzugeben, und ich hätte es tatsächlich auch. sehr begrüßt, wenn wenigstens die ersten Ergebnisse der Beratungen der Dreier-Kommission, die doch dazu eingesetzt war, um aufzuklären, abgewartet worden wären. Diese Kommission ist doch unter Beteiligung der hessischen Landesregierung eingesetzt worden. Aber dadurch, daß vorzeitig etwas erklärt worden ist, wie es im hessischen Landtag geschah, ist die Öffentlichkeit in einer ganz ungewöhnlichen und alarmierenden Weise unterrichtet worden.
({37})
Bei einer objektiven Betrachtung des gesamten Komplexes müssen Sie drei Tatbestände unterscheiden: Erstens den Tatbestand der Anlegung von Waffenlagern - und zwar amerikanischen Waffenlagern - im Bundesgebiet, zweitens die Ausbildung von Partisanen, drittens die sogenannte Liquidationsliste.
({38})
Zu dem ersten Punkt, der Anlegung von Waffenlagern amerikanischen Ursprungs und amerikanischer Zweckbestimmung im Bundesgebiet.
({39})
Es handelt sich hier um Vorgänge, die der Öffentlichkeit seit längerer Zeit durch die Presse bekannt sind und die in keinerlei Verbindung mit irgendwelchen Geheimorganisationen zu bringen sind. Das trifft auch auf die bereits vor mehr als einem Jahr in Bayern ermittelten Waffenfunde zu, die die Presse schon ausführlich behandelt hat und zu denen der Herr bayerische Minister des Innern noch kürzlich berichtet hat, daß sich Zusammenhänge zwischen dem Waffenfund und irgendwelchen politischen Untergrundbewegungen nicht ergeben haben.
({40})
Die Ermittlungen haben im übrigen einwandfrei dazu geführt, daß es sich um Waffen aus amerikanischen Beständen, also um militärische Waffenlager handelte,
({41})
so daß um so weniger Anlaß dazu bestand, hier eine Gefährdung der inneren Sicherheit der Bundesrepublik anzunehmen.
({42})
Mitteilungen über derartige dem Umfang nach sehr begrenzte Waffenläger sind vor Jahresfrist nicht nur dem bayerischen Minister des Innern, sondern, wie ich bereits 'ausführte, auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz zugegangen, und zwar stammten sie von Herrn Peters, der bei seinem Besuch in Köln gleichzeitig darauf hinwies, daß auf Veranlassung und mit Wissen amerikanischer Stellen ein verhältnismäßig kleiner Kreis von Deutschen im Gebrauch dieser Waffen ausgebildet werden sollte. Für das Bundesamt für Verfassungsschutz bestand nach Lage der Sache damals keine Veranlassung, diese Vorgänge unter dem Gesichtspunkt des Verfassungsschutzes zu behandeln; aber das Bundesamt hat nicht unterlassen, von diesen Mitteilungen sämtlichen Landesämtern für Verfassungsschutz mit der Bitte um weitere Beobachtung im Sinne des Verfassungsschutzes Kenntnis zu geben.
({43})
Darüber hinaus besteht noch das Besatzungsstatut, das mir keine Handhabe zum Eingreifen bietet, weil es einer 'deutschen Dienststelle verboten ist, einen Ermittlungsdienst gegenüber den Alliierten einzuleiten.
({44}) - Die Kommunisten sind keine Alliierten.
Bedenklich wurde vom Standpunkt der öffentlichen Sicherheit die Situation, als wir Mitte September 1952 darüber Mitteilung erhielten, daß in Verbindung mit dem amerikanischen Sicherheitsdienst in Waldmichelbach in Hessen unter dem Namen „Technischer Dienst" regelmäßige Lehrgänge gewisser Gruppen stattfanden, die im Waffengebrauch, aber auch - einem hessischen Polizeibericht zufolge - im Partisanenkampf ausgebildet wurden. Ich bin der Meinung, daß der Ausdruck Partisanenkampf, der in diesem Zusammenhang erstmalig auftritt und zu einer weitgehenden Beunruhigung der Öffentlichkeit geführt hat, zu Unklarheiten Anlaß gibt und noch der Aufklärung bedarf.
({45})
Aber ich möchte jetzt schon betonen, daß es keiner deutschen Regierungsstelle gleichgültig sein darf, wenn hinter ihrem Rücken Geheimorganisationen aufgezogen werden,
({46})
deren Tätigkeit für die deutsche Zivilbevölkerung im Falle eines feindlichen Einmarsches unübersehbare Folgen gehabt hätte,
({47})
ganz abgesehen von der völligen Nutzlosigkeit eines solchen Vorgehens. Bevor ich aber ein endgültiges Urteil abgebe, muß ich bitten, das Ergebnis der eingeleiteten Ermittlungen abzuwarten.
Ich komme drittens zu den sogenannten Liquidationslisten.
({48})
Sie werden verstehen, daß bei der Mitteilung von dem Vorhandensein solcher Listen am 1. Oktober, die angeblich die Grundlage für die Beseitigung prominenter Persönlichkeiten liefern sollten, bei uns die stärkste Beunruhigung eingetreten ist. Sie werden sich vielleicht fragen, warum wir Ihnen über das Ergebnis der vom Oberbundesanwalt geführten Ermittlungen bisher nichts mitgeteilt haben. Wir haben uns diese Zurückhaltung auferlegt, weil wir uns der hohen Verantwortung gegenüber der deutschen Öffentlichkeit und gegenüber der Sache selbst bewußt sind
({49})
und die Verpflichtung fühlen, ohne Vorwegnahme des Ergebnisses nur das als feststehende Tatsachen dem Hohen Hause zu unterbreiten, was gewissenhaft erarbeitet ist und jeder Nachprüfung standhält.
({50})
Insbesondere dürfen wir durch voreilige Veröffentlichungen das Ergebnis des Verfahrens, an dem wir
alle brennend interessiert sind, nicht gefährden.
({51})
Das ist leider im Anfangsstadium des Verfahrens versäumt worden. Ich kann Ihnen nur versichern, daß der Oberbundesanwalt, der erst Mitte dieses Monats die für seine Entscheidung maßgeblichen Unterlagen erhalten hat, mit Nachdruck - und ich sage dazu: sozusagen mit Tag- und Nachtschichten - die Aufklärung des Falles betreibt, daß er aber auch mit der Umsicht seiner jahrzehntelangen staatsanwaltschaftlichen Erfahrung und - was ich hier besonders betonen möchte - mit unbeeinflußbarem und unbeirrbarem Urteil vorgeht.
({52})
Das bisherige Ergebnis wird übrigens nach meiner Auffassung vielleicht nicht in dem Sinne sensationell sein,
({53})
wie es von manchen mehr oder minder berufenen Stellen von vornherein prophezeit wurde.
({54})
Gestatten Sie mir, daß ich in diesem Zusammenhang noch näher auf die sogenannte Liquida({55})
tionsliste eingehe, die in den Zeitungsnotizen und sonstigen Berichten einen so breiten Raum einnimmt, und auf den angeblichen Fememord, der zunächst durch eine Veröffentlichung der Zeitschrift „Der Spiegel" bekanntgeworden ist und dem sogenannten Technischen Dienst des beschuldigten Peters zur Last gelegt wird.
Der jetzige Stand der Ermittlungen rechtfertigt keinesfalls die sensationelle Aufmachung im „Spiegel". Die sogenannte Liquidationsliste, die nunmehr dem Oberbundesanwalt vorliegt, enthält entgegen den Presseberichten und sonstigen Verlautbarungen soweit irgend erkennbar den Namen keines einzigen SPD-Angehörigen.
({56})
- Ja, Kommunisten, da haben Sie recht.
({57})
Wohl enthält sie zahlreiche Namen von Angehörigen der extremen Rechten und der Linken, und zwar der SRP und KPD sowie der ihr angeschlossenen Organisationen.
({58})
- Ach, ich erzähle Ihnen noch mehr.
Neben dieser Liste ist auch eine Personenkartei gefunden worden, die sich zu einem großen Teil auf Angehörige der SPD, aber auch auf sonstige bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens bezieht,
({59})
wie auf Abgeordneten Kiesinger, den schleswigholsteinischen Minister Waldemar Kraft und andere. Hier handelt es sich um Nachrichten, die in jedem Informationsbüro gegen Geld erhältlich sind und auch, wenigstens zum Teil, aus einem solchen Büro stammen sollen. Sie enthält aber nicht nur negative, sondern auch positive Beurteilungen von Persönlichkeiten. So werden Bürgermeister Brauer, Senatspräsident Kaisen und Frau Renger, die ehemalige Mitarbeiterin des verstorbenen Herrn Dr. Schumacher, durchaus anerkennend und positiv bewertet.
({60})
Meine Damen und Herren! Wie kolportiert werden konnte, daß gerade diese drei genannten Personen im Ernstfall beseitigt werden sollten, ist mir allerdings bei der gegebenen Sachlage völlig unerfindlich.
({61})
Es ist Ihnen noch manches Interessante vorzutragen, und zu Ihrer und zu meiner eigenen Beruhigung kann ich Ihnen mitteilen, daß das jetzige Ermittlungsergebnis - ich betone ausdrücklich, das jetzige Ermittlungsergebnis ({62})
noch keinen hinreichenden Anhaltspunkt für die Annahme geliefert hat, daß die sogenannte Liquidationsliste oder die Personalkartei
({63})
eine vorbereitende Maßnahme für eine spätere physische Beseitigung der in ihnen aufgeführten Personen darstellt.
({64})
Dabei sind die wichtigsten Zeugen und Beschuldigten, die für die Aufklärung gerade dieses Punktes in Frage kommen, sorgfältigst vernommen worden. Ich behalte mir weitere Aufklärung der Öffentlichkeit vor und möchte mich zur Frage der sogenannten Proskriptionsliste jetzt auf diese Ausführungen beschränken.
({65})
Aber nun zum Fememord. Der sogenannte Fememord, der zunächst eine so außerordentliche Wichtigkeit in den Presseerörterungen fand und der schließlich ein Hauptakt der ganzen Ermittlungen zu werden schien, ist erstmalig vom „Spiegel" bekanntgemacht
({66})
und mit dem BdJ in Verbindung gebracht worden. In seiner Ausgabe vom 16. Oktober brachte der „Spiegel" die Nachricht, daß ein Bundestagsabgeordneter der CDU/CSU schon vor längerer Zeit erfahren habe, ein ehemaliger deutscher Offizier, wahrscheinlich ein Oberst a. D., sei zu Beginn des Jahres in einer Partisanenschule zu Waldmichelbach durch Fememord beseitigt worden, weil ihm von den übrigen Kursusteilnehmern der Vorwurf gemacht worden sei, er sei ein Ost-West-Brückenbauer. Der Bundestagsabgeordnete habe diesen Vorfall dem Bundesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, wo ihm der Tatbestand bestätigt worden sei mit dem Zusatz, die seinerzeit eingeleiteten Untersuchungen hätten auf Befehl der Amerikaner eingestellt werden müssen, weil die Tat auf exterritorialem Gelände begangen sei.
Was ist wirklich zutreffend? Wir haben uns zur Aufklärung zunächst an die Redaktion des „Spiegel" gewandt,
({67})
aber von dort bisher leider keine Auskünfte bekommen. Einer der Vertreter der Zeitung sagte, man werde zu gegebener Zeit die Frage in einem Artikel des „Spiegel" beantworten.
Da wir auf diesem Wege nun nicht weiterkamen, versuchten wir den Bundestagsabgeordneten der CDU/CSU ausfindig zu machen. Wir glauben, daß wir ihn auch gefunden haben, und er hat, kurz gesagt, folgende Erklärung abgegeben. Er sei von einem Studenten brieflich davon unterrichtet worden, daß der Verdacht einer von den Amerikanern aufgezogenen Geheimorganisation bestehe, man möge sich doch dieser Sache annehmen. Nachträglich habe er von einem höheren Offizier der ehemaligen deutschen Wehrmacht die Bestätigung erhalten, daß eine solche Gruppe existiere. Dabei habe der Offizier darauf hingewiesen, daß von einem Fememord auch geredet werde. Eines der Mitglieder der Geheimorganisation soll mit Hilfe eines fingierten Unfalles in einem Steinbruch getötet worden sein.
Jetzt hatten wird endlich einen Faden. Der für Waldmichelbach zuständige Oberstaatsanwalt in Darmstadt hat in der Zwischenzeit in der Frage des Fememordes für seinen Bezirk eine Untersuchung eingeleitet und dem Vernehmen nach bisher keiner({68})
lei Anhaltspunkte dafür gefunden, daß in Waldmichelbach ein Mord oder ein solcher Mord geschehen sei oder der BdJ bzw. der Technische Dienst des Beschuldigten Peters mit einem derartigen Mord in Verbindung stehe.
Auch im übrigen Bundesgebiet haben wir zur Klärung dieser Frage Nachforschungen durchgeführt. Schließlich ist ein Verfahren bekanntgeworden, das offensichtlich zu dem von der Presse verbreiteten Gerücht den Hauptanlaß gegeben hat. Es ist im November vorigen Jahres vom Oberstaatsanwalt in. Hagen ({69}) eingeleitet und hat folgendes Ergebnis erbracht: Zwei Arbeiter waren bei Altena nach ausgedehnten Zechereien miteinander in Streit geraten
({70})
und beim Raufen auf die abschüssige Böschung eines Steinbruchs gelangt. Einer von ihnen ist dabei in den Steinbruch abgestürzt und zu Tode gekommen. Mehr Sachdienliches war nicht festzustellen.
({71})
Der am Leben gebliebene Arbeiter konnte über die Vorgänge angeblich wegen Volltrunkenheit keine Angaben machen. Der Oberstaatsanwalt hat das Verfahren eingestellt, weil sich kein hinreichender Verdacht einer strafbaren Handlung ergeben habe.
({72})
Dieser Fall, der nach den getroffenen Feststellungen mit einem Fememord nichts zu tun hat,
({73})
entgegen den Zeitungsberichten nicht zu Beginn dieses Jahres, auch nicht in Waldmichelbach geschehen ist und den Technischen Dienst des beschuldigten Täters überhaupt nicht betrifft, muß bei der Nachrichtenbeschaffung mit anderen Gerüchten unkontrollierbarer Art vermengt worden sein. Die Tatsache, daß ein Teil der Mitteilungen offensichtlich auf den oben erwähnten CDU-Abgeordneten und einen höheren Offizier der deutschen Wehrmacht zurückgeht und daß eine im Steinbruch gefundene Leiche eine Rolle spielt, spricht für den Zusammenhang mit den Zeitungsnachrichten. Jedenfalls kann, da der „Spiegel" eine Aufklärung bis jetzt unterlassen hat, eine andere Erklärung nicht gegeben werden.
Wenn eine Presse in einem solch wichtigen Falle wie dem vorliegenden unkontrollierte Gerüchte sensationellsten Inhalts in ihre Spalten aufnimmt und ihnen den Anschein gewissenhaft überprüfter Nachrichten gibt, so ist dies schärfstens zu verurteilen.
({74})
Es zeugt mehr von hemmungsloser Kombinationsgabe ihrer Berichterstatter als von Kritik und Verantwortungsgefühl. Wir haben erfahren, daß die veröffentlichten Sensationsnachrichten in der Ostpresse bereits mit Genugtuung aufgenommen worden sind und zu einer noch nicht übersehbaren Gefährdung der Interessen der Bundesrepublik geführt haben.
({75})
Es geht nicht an, daß die Sensationslust oder der Erwerbstrieb in solcher Weise über das Staatsinteresse gesetzt werden.
({76})
Unverantwortlich ist auch die in der Presse erschienen Nachricht, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz den Fememord gekannt, aber seine Weitermeldung nicht nur unterlassen, sondern sogar geflissentlich verhindert, also gegen fundamentale Pflichten verstoßen habe.
({77})
Diese Nachricht ist völlig aus der Luft gegriffen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat einen Mord der behaupteten Art früher ebensowenig gekannt," wie es heute von einem solchen weiß. Der Fall des im Steinbruch aufgefundenen Toten war ihm infolge der unpolitischen Bedeutung der Sache verständlicherweise nicht zur Kenntnis gebracht worden. Unerfindlich ist auch, wie die Presse zu der Mitteilung kommt, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz dem angeblichen Gewährsmann, dem CDU-Abgeordneten, bedeutet habe,
({78})
die eingeleiteten Untersuchungen seien auf Weisung der Amerikaner wegen der Exterritorialität des Tatortes abgebrochen worden. Ich brauche nicht näher darauf einzugehen, daß diese Zeitungsbehauptung schon deshalb keinen Glauben verdient, weil eine Exterritorialität des Tatorts die Untersuchung des Falles durch deutsche Behörden nicht gehindert haben würde.
({79})
Ich muß mich nochmals mit den Fragen BdJ und Technischer Dienst befassen. Dabei ist es, wie ich schon eingangs betont habe, notwendig, zwischen BdJ und dem Technischen Dienst scharf zu trennen.
({80})
Ob und welche Zusammenhänge zwischen beiden Einrichtungen bestehen, ist zur Zeit Gegenstand der Untersuchung.
({81})
Fest steht zur Zeit, daß Herr Peters, der Leiter des Technischen Dienstes, früher Vorstandsmitglied des BdJ gewesen ist, aus dem er vor längerer Zeit ausgeschieden ist. Ich weiß auch noch nicht, wie einzelne hier in Frage kommende Persönlichkeiten des BdJ wirklich zu bewerten sind. Eines aber muß ich hier doch sagen.
({82})
Es scheint mir doch weit über das vertretbare Maß hinauszugehen, wenn der Technische Dienst schlechthin mit dem BdJ identifiziert und damit die ganze antikommunistische
({83})
Aufklärungsarbeit des BdJ
({84})
in Grund und Boden verurteilt wird.
({85})
Ich erinnere nochmals an die Feststellung des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz.
Wenn die Bundesregierung sich seinerzeit entschlossen hat, der Öffentlichkeit eine Liste derjenigen Organisationen bekanntzugeben, deren Tätigkeit sich nach ihrer Auffassung gegen die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 2 des Grundgesetzes richtet, so hat sie damit zugleich an die Unterstützung aller verantwortungsbewuß({86})
ten, auf dem Boden unserer Demokratie stehenden Deutschen appelliert,
({87})
und wenn der Herr hessische Innenminister noch in den letzten Tagen seinen Dienststellen eine Liste von 82 kommunistischen Tarnorganisationen allein im Lande Hessen mitgeteilt hat - wir kennen im Bundesgebiet etwa 200 solcher Tarnorganisationen -, so ist das ein Beweis dafür, welcher ungeheuren Gefahr der Bestand unserer jungen Bundesrepublik durch den Weltkommunismus ausgesetzt ist.
({88})
In solcher Situation sollten wir uns der Mitarbeit
aller bedienen, die sich rückhaltlos in den Dienst
der Bekämpfung totalitärer Bestrebungen stellen.
({89})
Das sind keine Zwischenrufe mehr, meine Herren!
Ich wiederhole noch einmal den wesentlichen Satz: In solcher Situation sollten wir uns der Mitarbeit aller bedienen,
({0})
die sich rückhaltlos in den Dienst der Bekämpfung totalitärer Bestrebungen stellen und einwandfrei auf dem Boden der Verfassung stehen.
({1})
Lassen Sie Ihrer aller Aufmerksamkeit nicht ablenken von dem wirklichen Tatbestand.
({2})
Deshalb bitte ich das Hohe Haus, zu erwägen, daß die eingangs von mir genannten einmaligen Zuwendungen für das Pfingsttreffen des BdJ
({3})
in keinem Verhältnis stehen zu den Millionen, die Monat für Monat zur Unterwühlung der Bundesrepublik und ihrer demokratischen Grundordnung von der KP und ihren Hintermännern aufgewendet werden
({4})
und deren unheilvoller Auswirkung unser Abwehrdienst pflichtgemäß entgegenzutreten hat. Es ist meine Pflicht und Aufgabe,
({5})
solchen Bestrebungen in jeder Weise entgegenzutreten.
({6})
Ich darf schließlich noch auf unsere Beziehungen zu den Besatzungsmächten, insbesondere zu den Dienststellen der Amerikaner hinweisen.
({7})
Wir erinnern uns heute gern der verständnisvollen Förderung, die der amerikanische Hohe Kommissar McCloy und sein Vorgänger Lucius D. Clay mit ihren Mitarbeitern den deutschen Interessen stets haben zuteil werden lassen. Wir glauben auch von
ihrem Nachfolger, Mr. Donnelly, eine gleiche freundschaftliche Haltung erwarten zu dürfen. Wir bedauern aber, daß sich Vorgänge wie die in Hessen haben ereignen können ohne daß die Bundes- und Landesregierung hiervon unterrichtet worden sind.
({8})
Ich halte es für möglich, daß die maßgebenden amerikanischen Dienststellen von den Vorgängen in Waldmichelbach keine Kenntnis hatten, und habe die Gelegenheit benutzt, den deutschen Standpunkt dem obersten Sicherheitsoffizier der USA in einem persönlichen Besuch mit dem berechtigten Wunsch darzulegen, in Zukunft derartige Maßnahmen, sofern sie überhaupt noch erwogen werden sollten, nicht ohne Einverständnis mit den beteiligten deutschen Dienststellen zu treffen. Der Herr General hat zugesagt, daß er so handeln werde. Er hat im übrigen darauf hingewiesen, daß von amerikanischer Seite schon vor längerer Zeit die Einstellung des Vorhabens angeordnet war und die letzten Abwicklungsmaßnahmen bereits im September dieses Jahres zum Abschluß kommen sollten.
Wie mir der Herr Bundeskanzler mitteilt, hat ihm der Herr amerikanische Hohe Kommissar erklärt, daß die amerikanischen Behörden der genannten Organisation ihre Unterstützung ausschließlich für Verteidigungs- und Sicherungszwecke gewährt hätten. Der Herr Hohe Kommissar hat weiter erklärt, daß die amerikanischen Behörden von der politischen Tätigkeit der Organisation keine Kenntnis hatten und sie niemals gebilligt hätten.
Lassen Sie mich noch eine Frage von Herrn Menzel beantworten. Er hat mich nach einem ehemaligen Angehörigen des Bundesgrenzschutzes gefragt. Ich kann ihm erklären, daß dieser Hoffmann nach einer Gastrolle von vier Wochen im Bundesgrenzschutz fristlos entlassen wurde. Wegen des Falles Lüth müssen wir noch einige . Unterlagen haben. Aber ich berufe mich auf Mitteilungen, die in kommunistischen Veröffentlichungen erschienen sind, daß man diesem angeblichen Mitglied Lüth endlich die Maske vom Gesicht gerissen habe. Er scheint also eine unerwünschte -Gastrolle als Zuhörer in Ihren Reihen gespielt zu haben.
({9})
Es wird beklagt - Herr Menzel hat das heute auch durchklingen lassen -, daß die Bundesregierung nicht energisch genug gegen den Rechtsradikalismus einschreite. Das ist ein Irrtum. Ich kann Ihnen am heutigen Tage erfreulicherweise die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekanntgeben
({10})
- ganz unabhängig -:
I. 1. Die Sozialistische Reichspartei ist verfassungswidrig.
2. Die Sozialistische Reichspartei wird aufgelöst.
3. Es ist verboten, Ersatzorganisationen für die Sozialistische Reichspartei zu schaffen oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzusetzen.
({11})
4. Das betrifft das Hohe Haus unmittelbar. Die Bundestags-, Landtags- und Bürgerschaftsmandate der Abgeordneten, die auf Grund von Wahlvorschlägen der Sozialistischen Reichspartei gewählt sind oder zur Zeit der Urteilsverkündung der SRP angehören, fallen ersatzlos fort.
({12})
Die gesetzliche Mitgliederzahl der betroffenen Parlamente verringert sich um die Zahl der fortgefallenen Mandate. Die Gültigkeit parlamentarischer Beschlüsse wird hierdurch nicht berührt.
5. Das Vermögen der Sozialistischen Reichspartei wird zugunsten der Bundesrepublik Deutschland zu gemeinnützigen Zwecken eingezogen.
II. In den Ländern werden die Minister und Senatoren des Innern mit der Durchführung der Entscheidung zu Ziffer 2 und 3 beauftragt. Insoweit stehen ihnen unmittelbare Weisungsbefugnisse gegenüber allen Polizeiorganen zu. Die Einziehung des Vermögens wird dem Bundesminister des Innern übertragen, der sich der Hilfe der Minister und Senatoren der Länder bedient.
III. Vorsätzliche Zuwiderhandlungen gegen diese Entscheidung oder gegen im Vollzug dieser Entscheidung getroffene Maßnahmen werden gemäß §§ 47 und 42 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft. _
Nun, Herr Renner, werde ich meine ganze Aufmerksamkeit Ihnen zuwenden.
({13})
Die Anfrage ist beantwortet. Eine Beratung der Antwort findet statt, wenn mindestens 30 Mitglieder des Hauses sie verlangen. - Ich stelle fest, daß mehr als 30 Mitglieder des Hauses die Besprechung der Antwort wünschen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einige Ausführungen des Herrn Kollegen Menzel, die ich gehört habe, veranlassen mich, das Wort zu nehmen.
Ich habe zuerst von der Angelegenheit durch eine Mitteilung des Herrn Ministerpräsidenten Zinn am 3. Oktober erfahren. Ich war damals in 'Frankfurt, und Herr Ministerpräsident Zinn hat mir gesagt, daß er mir von einer Angelegenheit von größter Bedeutung Mitteilung machen müsse. Er hat dann von der Bildung einer Partisanengruppe in Michelbach und von der Aufstellung einer Liste gesprochen, die vor allem führende sozialdemokratische Politiker aufweise. Er stützte sich dabei auf die Aussage eines Mannes, der zu dieser Organisation gehört habe; er sei zu ihm gekommen und habe erklärt, aus Gewissensbissen fühle er sich gezwungen, ihm zu sagen, daß eine solche Liste bestünde.
Ich habe sofort nach meiner Rückkehr von Frankfurt mit Botschafter Donnelly Fühlung genommen, habe ihm das gesagt, was Herr Zinn mir mitgeteilt hatte, und habe bei Herrn Donnelly - das möchte ich hier ausdrücklich feststellen - aber auch sofort las vollste Verständnis für den Standpunkt gefunden, den ich ihm gegenüber vertreten habe, daß
etwas Derartiges auf unserem Boden unter keinen Umständen vorkommen dürfe.
({0})
Er wußte nichts von der Sache, hat aber - auch das möchte ich ausdrücklich feststellen, meine Damen und Herren - auch sofort in sehr energischen Worten seine Mißbilligung ausgesprochen gegenüber amerikanischen Beamten, wenn diese etwas Derartiges gemacht haben sollten.
Ich habe ihm vorgeschlagen, eine Untersuchungskommission zu bilden. Und nun, Herr Kollege Menzel: Die Tätigkeit dieser Untersuchungskommission ist, wie mir Herr Donnelly gesagt hat, nicht wegen der Ihnen mitgeteilten angeblichen amerikanischen Forderungen zum Stillstand gekommen, sondern aus einem ganz anderen Grund. Sein Beauftragter habe in dem Ausschuß erklärt, sie, die Amerikaner, wollten ihr gesamtes Material zur Verfügung stellen, sie bäten dann aber auch, daß Herr Ministerpräsident Zinn ihnen diese Liste vorlege,
({1})
und das habe Herr Ministerpräsident Zinn abgelehnt.
({2})
- Herr Ministerpräsident, dann müssen Sie das Herrn Donnelly sagen! Ich wiederhole nur, was Herr Donnelly mir gesagt hat.
({3})
Meine Damen und Herren! Ich habe die Liste heute gesehen.
({4})
Da ich schon vorher gehört hatte, daß sozialdemokratische Namen überhaupt nicht darauf verzeichnet seien - es muß also ein vollständiger Irrtum des Herrn Ministerpräsidenten Zinn vorliegen -,
({5})
habe ich bei Durchsicht der Liste darauf geachtet, ob mein Freund Renner draufstünde.
({6})
Aber ich habe zu meiner Genugtuung festgestellt, daß weder Herr Renner noch ein anderer kommunistischer Bundestagsabgeordneter auf der Liste steht.
({7})
Ich bin der Auffassung, wir sollten sowohl von seiten der Opposition wie der anderen Fraktionen dieses Hauses diese Sache in aller Ruhe und mit allem Ernst behandeln,
({8})
- mit aller Ruhe und auch mit allem Ernst, und wir sollten erst dann, wenn das Ergebnis feststeht, eventuell politische Folgerungen daraus ziehen,
({9}) aber nicht früher.
({10})
Vor allem aber, meine Damen und Herren, würde ich es für nicht richtig halten, wenn etwa - das hat Herr Kollege Menzel angedeutet oder ausgesprochen - deutsche Kreise aus der Tatsache, daß da Sachen gemacht worden sind, die ich unter
({11})
keinen Umständen billige, den Schluß ziehen würden, die Amerikaner würden mehr oder weńiger bei einem etwaigen Angriff der Russen die Bundesrepublik aufgeben. Ich kann Ihnen, meine verehrten Damen und Herren, sagen, daß in dem Augenblick, in dem wir der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft beigetreten sind,
({12}))
die Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland erfolgen wird, erfolgen wird, meine Damen und Herren, so wie nur irgendein Deutscher das wünschen und verlangen kann.
({13})
Ich glaube, meine Damen und Herren, Sie nochmals bitten zu sollen, die ganze Angelegenheit nicht etwa ohne weiteres heute abzutun, sondern abzuwarten, was die Prüfung, die - dafür stehe ich ein - mit aller Sorgfalt und aller Gewissenhaftigkeit erfolgen wird,
({14})
ergeben wird, je nach dem Ergebnis sollten wir dann hier im Bundestag dazu Stellung nehmen. ({15})
Das Wort hat Herr Ministerpräsident Zinn gemäß Artikel 43 des Grundgesetzes.
Zinn, Ministerpräsident des Landes Hessen: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, unbedingt zu der Angelegenheit zu sprechen, weil ich nach der
Rücksprache, die ich gestern abend und auch heute mit dem Herrn Bundesjustizminister hatte, den Eindruck gewonnen habe, daß der Herr Bundesjustizminister die Angelegenheit sehr ernst nimmt. Die Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers und des Herrn Bundesinnenministers veranlassen mich jedoch, einiges auch zur Richtigstellung des von ihnen Dargelegten zu sagen.
Zunächst möchte ich folgendes vorausschicken: An dem Tage, an dem ich im Dezember 1950 von der sozialdemokratischen Fraktion des Hessischen Landtages zum Ministerpräsidenten des Landes Hessen ausersehen wurde, wurde mir in Gegenwart des jetzigen Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Erich Ollenhauer, eröffnet, wie ernst die damalige politische und militärische Lage sei. Diese loyale Erklärung der hier in Frage kommenden amerikanischen Dienststelle sollte mich innerlich vorbereiten, Maßnahmen für einen möglichen Ernstfall im Interesse der deutschen Zivilbevölkerung, selbstverständlich auch der deutschen Zivilbevölkerung in einem etwa russisch besetzten Gebiet, zu treffen. Sie werden daher verstehen, wie befremdet und erstaunt ich war, als ich davon erfuhr, daß amerikanische Dienststellen ohne Wissen der Bundesregierung, ohne Wissen einer Länderregierung eine Geheimorganisation aufgezogen haben, wobei ich überzeugt bin, daß die amerikanische Hohe Kommission keine Kenntnis von dem Bestehen oder der Errichtung dieser Organisation gehabt hat. Diese Organisation ist aufgezogen worden, um, wie aus den Dokumenten und den sogenannten Mob-Plänen, dem Mob-Plan A und dem Mob-Plan B, hervorgeht, eine Partisanentätigkeit auszuüben. Ich bin der Meinung, daß angesichts der Umstände hier in Mitteleuropa und in Deutschland der Versuch, mit solchen Gruppen von verlorenen Haufen einen Partisanenkrieg zu führen, militärischen Dilettantismus darstellt.
({0})
Diese meine Auffassung teilt auch der amerikanische Hohe Kommissar,
({1})
der sie mir durch seinen Stellvertreter Mr. Reber übermittelt hat,
({2})
Der Adjutant des zuständigen amerikanischen Generals hat mir zugegeben, daß sie heute auch der Auffassung seien, wie dilettantisch diese Angelegenheit sei.
Aber völlig unabhängig von dem militärischen Unwert einer solchen Aktion sollte für jede deutsche Regierung doch die Frage entscheidend sein: Welche Folgen haben Aktionen einer solchen Gruppe im Ernstfall für die Zivilbevölkerung eines russisch besetzten Gebiets, für die sich eine deutsche Regierung, gleich, ob Bundes- oder Landesregierung, jederzeit mit verantwortlich fühlen muß?
({3})
Ich freue mich, daß ich mich insoweit in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundeskanzler und wohl
auch mit dem Herrn Bundesinnenminister befinde.
({4})
Ich bestätige, daß der Herr Bundeskanzler mir am 3. Oktober erklärt hat: Es ist völlig unmöglich, daß eine Besatzungsmacht hinter dem Rücken der Bundesregierung oder einer deutschen Landesregierung staatlich nicht kontrollierbare Geheimorganisationen aufzieht.
({5})
Ich hielt es für notwendig, mit aller Deutlichkeit meine Auffassung zu diesen Fragen vor dem Hessischen Landtag zu äußern, um so mehr, als nach den Akten angenommen werden mußte, daß zum mindesten eine Stelle des Bundesverfassungsschutzamtes mehr wußte als die gesamte Bundesregierung und alle Landesregierungen.
({6})
Es trifft nicht zu, Herr Bundesinnenminister, daß der Herr Leiter des Bundesverfassungsschutzamtes einer Landesregierung oder der hessischen Landesregierung davon Mitteilung gemacht habe, daß Herr Peters beim Bundesverfassungsschutzamt in Köln gewesen sei und dort Andeutungen über das Bestehen einer Partisanenorganisation gemacht habe. Herr Dr. John hat darüber auch am 13. September in Wiesbaden nichts gesagt, als jene Polizeiaktion in Hessen stieg. Er hat lediglich in Gegenwart des Staatssekretärs Bach, des Ministerialdirektors Dr. Schuster, des Polizeipräsidenten Dr. Littmann, des Regierungsdirektors Pforr vom Landeskriminalpolizeiamt erklärt, mit dem BDJ sei irgend etwas nicht in Ordnung; Konkretes habe man allerdings nicht, um damit etwas anfangen zu können.
({7})
Die Darstellung des Herrn Bundesinnenministers über die Information des Herrn Oberbundesanwalts bedarf einer Richtigstellung, und zwar in einem sehr wesentlichen Punkt. Ich darf zunächst einmal betonen, daß hessische Dienst({8})
stellen von dem Bestehen der Geheimorganisation erstmals am 9. September 1952 Kenntnis erhalten haben; ich selbst wurde durch den Frankfurter Polizeipräsidenten Dr. Littmann am i 1. September 1952 davon unterrichtet. Am 13. September, 17 Uhr, wurde in Hessen die bekannte Polizeiaktion durchgeführt. Am gleichen Tage um 20 Uhr war der Leiter des Bundesverfassungsschutzamtes in Wiesbaden. Er wurde in einer zweieinhalbstündigen Besprechung über alle Einzelheiten des bis dahin bekannten Sachverhalts und über die in Gang befindlichen polizeilichen Maßnahmen unterrichtet. Er billigte die getroffenen Maßnahmen und hielt es insbesondere auch für notwendig, daß nach den beiden Vorsitzenden des BDJ, Lüth und Peters - Peters hat sein Amt als zweiter Vorsitzender vor einiger Zeit niedergelegt - gefahndet wird. Anwesend waren außer ihm und mir Staatssekretär Dr. Bach, Ministerialdirektor Dr. Schuster, Polizeipräsident Dr. Littmann und Regierungsdirektor Pforr vom Landeskriminalpolizeiamt. Am 18. September hat der Oberstaatsanwalt Buchthal, Frankfurt am Main, in Begleitung des Ersten Staatsanwalts Donath die Akten nebst einem Begleitbericht der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe persönlich übergeben.
({9})
Die -Akten wurden von dem Bundesanwalt Schrübbers und dem Ersten Staatsanwalt Wagner übernommen. Die Vertreter der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main haben dabei den Akteninhalt erläutert und darauf hingewiesen, daß sich in Frankfurt am Main bei der Staatsanwaltschaft eine große Menge beschlagnahmten Aktenmaterials der Geheimorganisation befinde, das so umfangreich sei, daß eine Sichtung und Auswertung nur zu
einem geringen Teil habe erfolgen können. Sie seien bereit, das Aktenmaterial sofort mit einem Lastkraftwagen nach Karlsruhe zu bringen. Die Vertreter der Bundesanwaltschaft erklärten, man möge von der Überführung des beschlagnahmten Materials vorläufig absehen, weil man in Karlsruhe keinen ausreichenden Platz habe, um das Material unterzubringen.
({10})
Aus den der Bundesanwaltschaft übergebenen Akten der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main - mit der Übergabe war das Verfahren auf die Bundesanwaltschaft übergegangen - ergaben sich bereits hinreichende Verdachtsmomente, daß sich die Organisation innenpolitisch gegen KPD und SPD richten könnte. In dem schriftlichen Begleitbericht des Oberstaatsanwalts Frankfurt am Main war ebenfalls darauf hingewiesen, daß sich innenpolitisch die Aufgabe der Geheimorganisation gegen die KPD und gegen gewisse mit der Remilitarisierung zusammenhängende Maßnahmen der SPD erstreckte.
Am 1. Oktober ordnete die Bundesanwaltschaft die Freilassung der in Hessen festgenommenen Hauptbeteiligten an:
Erstens, ohne daß sich die Bundesanwaltschaft zuvor mit dem Oberstaatsanwalt in Frankfurt am Main in Verbindung gesetzt hatte;
({11})
zweitens, ohne daß sie zuvor irgendwelche Vernehmungen vorgenommen hatte;
({12})
drittens, ohne daß sie zuvor Einsicht in das beschlagnahmte Aktenmaterial der Geheimorganisation genommen hatte;
({13})
viertens, ohne daß dem Herrn Bundesjustizminister zuvor Bericht erstattet war;
({14}) fünftens, ohne daß dem Herrn Bundesjustizminister die Akten vorgelegt waren.
({15})
Ich nehme an, daß das auf Unzulänglichkeiten in der Besetzung, Zeitnot und Raummangel zurückzuführen ist.
({16})
Wohl haben die Akten aber drei Tage dem Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen vorgelegen.
({17})
Die Freilassung ist, wie sich aus einer späteren Besprechung zwischen dem Herrn Bundesjustizminister, dem Herrn Oberbundesanwalt und dem Herrn Generalstaatsanwalt von Frankfurt am Main und mir sowie zwei Herren aus Hessen ergab, erfolgt, nachdem ein Angehöriger des Bundesverfassungsschutzamtes erklärt hatte, daß die weitere Festhaltung der Verhafteten nicht notwendig erscheine.
({18})
Am 3. Oktober 1952 hat der Oberstaatsanwalt in Frankfurt am Main in einem weiteren schriftlichen Bericht angeregt, das beschlagnahmte Material nach Karlsruhe zu übernehmen.
Am 13. Oktober ging bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main ein Schreiben der Bundesanwaltschaft vom 10. Oktober 1952 ein, durch das die von mir erwähnten Karteiblätter angefordert wurden. Ich darf berichtigen, Herr Bundeskanzler: ich habe Ihnen gegenüber und auch in meiner Erklärung in Hessen niemals von „Listen" gesprochen, sondern ich habe von „Karteiblättern" gesprochen.
({19})
- Da ist ein Unterschied. Sie werden das gleich hören.
Am 14. Oktober 1952 ist bei der Besprechung zwischen dem Herrn Bundesjustizminister, dem Herrn Oberbundesanwalt, mir und vier weiteren hessischen Vertretern erneut angeboten worden, das Material durch Kraftwagen nach Karlsruhe zu überführen. Es ist dann aber vereinbart worden, daß das Material mit Rücksicht auf die zu erwartende Wiederaufnahme der Vernehmungen durch den deutsch-amerikanischen Untersuchungsausschuß, der seine Tätigkeit am 10. Oktober 1952 unterbrochen hatte, in Frankfurt am Main verbleiben sollte.
Am 15. Oktober hat dann der Sachbearbeiter der Bundesanwaltschaft in Frankfurt einen Teil des beschlagnahmten Aktenmaterials, das, was ihm wesentlich erschien - darunter die von mir in meiner Erklärung vor dem Hessischen Landtag als Karteiblätter bezeichneten 95. Unterlagen über SPD- und KPD-Politiker -, an sich genommen. Die von der amerikanischen Nachrichten-Agentur UP verbreitete Meldung, daß eine zuständige Bundesbehörde - angeblich soll es ein Angehöriger des Bundesverfassungsschutzamtes gewesen sein - erklärt habe, daß die Tagung dieses amerikanisch({20})
deutschen Ausschusses nicht unterbrochen sei, ist unwahr. Der deutsch-amerikanische Ausschuß hat seit dem 10. Oktober nicht mehr getagt,
({21})
aber nicht etwa deshalb, weil wir dem amerikanischen Mitglied die Einsicht in die beschlagnahmten Akten verweigert hätten. Vielmehr ist folgendes vorgefallen. Der Leiter dieser Geheimorganisation hat einen Teil des vorhandenen Geheimmaterials - etwa 20 Ordner - vor der hessischen Aktion beseitigt.
({22})
Weitere Teile des Materials hat er der in Frage
kommenden amerikanischen Dienststelle übergeben.
({23})
Der Leiter des Untersuchungsausschusses hat mir dann am Abend des 10. Oktober mitgeteilt, daß die Amerikaner nicht nur Einsicht in die beschlagnahmten Unterlagen haben sollten, sie vielmehr zur Einsicht mitnehmen wollten.
({24})
Dagegen hatten wir allerdings Bedenken,
({25})
um so mehr, als das mir gegebene Versprechen, das nun im Besitz der Amerikaner befindliche Geheimmaterial vorzulegen, bis dahin nicht gehalten worden war.
({26})
Der Vertreter der Hohen Kommission teilte mit, er hoffe, daß wir es noch bekämen, aber wahrscheinlich sei ein Teil vernichtet.
({27})
Außerdem wurde mir mitgeteilt, man wolle die Sitzungen unterbrechen, weil ein Jurist aus Washington, Mr. Gaines, nach Deutschland geflogen werden solle und weil man über das weitere Verfahren mit mir noch sprechen wolle. Wir nahmen an, daß der Ausschuß dann am Montag, dem 13. Oktober, seine Tätigkeit fortsetzen werde. Bis heute hat er seine Tätigkeit nicht wieder aufnehmen können. D'as zu der Erklärung des Herrn Hohen Kommissars Donnelly, der insoweit eben nicht richtig unterrichtet worden ist.
Der Leiter der Geheimorganisation war von einer amerikanischen Dienststelle nach der Durchführung der Polizeiaktion in Hessen in einem beschlagnahmten und deutscher Polizei nicht zugänglichen Hause in Sicherheit gebracht worden.
({28})
- Genau nach dem Vorbild Kemritz!
({29})
Erst als ich mit aller Entschiedenheit verlangte, daß er der deutschen Polizei zur Verfügung gestellt würde, wurde am 3. Oktober über das Bundesverfassungsschutzamt mitgeteilt, daß sich der Herr Peters stellen werde.
({30})
Das war, nachdem die übrigen freigelassen worden waren, also sich alle Hauptbeteiligten verabreden und abstimmen konnten. Am 4. Oktober hat er sich bei der Polizei in Frankfurt gemeldet. Er hat es abgelehnt, zunächst unter Berufung auf sein Ehrenwort den Amerikanern gegenüber, irgendeine Aussage zu machen.
({31})
Es hat mehr als sechs Stunden gedauert, bis er endlich wenigstens über den militärischen Komplex der Angelegenheit etwas ausgesagt hat. Darüber hinaus hat er in bezug auf den innenpolitischen Komplex keine Aussagen gemacht. Erst nachdem die in Frankfurt am Main Inhaftierten - nämlich am 1. Oktober - freigelassen worden waren und ich am 2. Oktober dem Vertreter der Hohen Kommission und dem Adjutanten des zuständigen amerikanischen Generals erklärt hatte: ich verlange, daß sich Peters stellt, - erst dann also, das muß mit Nachdruck betont werden - ist er zur Verfügung gestellt worden, nach Freilassung der übrigen, so daß also jede Möglichkeit der Abstimmung und Verdunklung bestand.
({32})
Unabhängig von der in Hessen laufenden Aktion führten eigene Feststellungen der Hamburger Staatsanwaltschaft in der Zeit vom 11. Oktober bis 13. Oktober 1952 zur Festnahme von insgesamt sieben Angehörigen der Geheimorganisation, gegen die auch richterliche Haftbefehle erlassen wurden. Von diesen befinden sich sechs in Haft. Während eine Person entlassen worden ist, ist nunmehr eine andere hinzugekommen.
Ich will mich hier bei dieser Gelegenheit nicht darüber äußern, ob der Untersuchungszweck nicht in entscheidender Weise dadurch gefährdet worden ist, daß
erstens der Oberbundesanwalt die in Frankfurt
festgenommenen Personen in Freiheit gesetzt hat
({33})
und daß zweitens eine amerikanische Dienststelle den Leiter der Geheimorganisation zunächst dem Zugriff der deutschen Behörden entzogen hat.
({34})
Der Leiter der Geheimorganisation hat selbst zugegeben, daß er - ich erwähnte es schon - 20 mittelstarke Ordner des Aktenmaterials vernichtet, und daß er ferner anderes Material seinem amerikanischen Verbindungsmann übergeben habe, das uns bis heute nicht zur Verfügung gestellt worden ist
({35})
und das zum Teil nach Angabe oder Annahme des Vertreters der amerikanischen Hohen Kommission vernichtet worden ist.
({36})
Durch die Bundesanwaltschaft wurden dann am
16. und 17. Oktober 1952 einige der Hauptbeteiligten in Karlsruhe vernommen. Darunter befand sich ein früherer Sturmbannführer der Waffen-SS, der das Material für die sogenannten Proskriptionslisten - diese Bezeichnung ist erst später bei der weiteren Sichtung des Materials aufgetaucht - bearbeitet hat. Dieser Mann wurde am Freitag, dem
17. Oktober 1952, von der Bundesanwaltschaft als Zeuge gegen Erstattung der Zeugengebührnisse vernommen.
({37})
Nach seiner Rückkehr an seinen Wohnort Bremen wurde er nach eingehender Vernehmung von der Staatsanwaltschaft Bremen festgenommen, dem Richter vorgeführt, der Haftbefehl wegen Beteiligung an einer staatsfeindlichen Verbindung gegen ihn erließ.
Ein maßgebendes bayerisches Mitglied der Organisation hat sich nach einer Information, die uns
({38})
von Bayern gegeben worden ist, dem Zugriff unter Zurücklassung von mehr als 30 000 DM durch eine überstürzte Abreise ins Ausland entzogen.
Nach den Listen der Lehrgangsteilnehmer,
({39})
von denen nicht zu übersehen ist, ob sie vollständig sind, hat nicht etwa im Dezember 1951, Herr Bundesinnenminister, wie es in der Presse als eine Mitteilung von Ihnen dargestellt wird, der letzte Lehrgang stattgefunden, sondern noch vom 27. April bis 3. Mai 1952. Dem Bürgermeister in Waldmichelbach war von dem eben erwähnten geflohenen bayerischen Mitglied der Organisation noch am 7. September 1952 erklärt worden, daß nach dem nunmehrigen Abbruch der Lehrgänge in Waldmichelbach - sehr interessant - diese in Bayern weitergeführt werden sollten. Es sei ein schloßähnlicher Besitz in Bayern für 70 000 DM erworben worden. Die Lehrgänge wurden dem Bürgermeister als Lehrgänge zur Schulung der Jugend des deutschen Ostens bezeichnet.
({40})
Es ist vorhin erklärt worden, daß die von mir erwähnten Karteiblätter Material seien, wie sie jede Informationsstelle bei der Presse, bei einer Zeitung oder einer sonstigen Organisation sammle. Mein Generalstaatsanwalt meint, diese Karteiblätter seien wie ein Steckbrief aufgemacht. Ich glaube nicht, daß die Presse Informationen sammelt, bei denen Angaben über die Haarfarbe, Brillenträger usw. gemacht werden.
({41})
In diesen Karteiblättern folgt dann ein Lebenslauf
und ein Bericht über die politische Betätigung. Es ist richtig, daß in dieser Kartei eine ganze Reihe von Blättern enthalten sind, in denen keinerlei Belastungen aufgezeichnet sind. Aber Sie finden dann umgekehrt wieder Karteiblätter, in denen völlig falsche Belastungen eingetragen sind und die bis in das Frühjahr und den Sommer 1951 und später datieren.
({42})
- Belastungen in folgender Hinsicht: Es wird plötzlich behauptet, daß meinetwegen ein Minister Beziehungen zur KPD habe.
({43})
Zum Beispiel heißt es in einem Karteiblatt von einem Minister - wenn Sie den Namen hörten, würden Sie merken, wie unsinnig eine derartige Information ist -: „Auf diese Weise hatte es X verhältnismäßig leicht, die Verbindung unter gleichgesinnten Intellektuellen aufrechtzuerhalten"; eine Mission, die ihn schon damals mit dem kommunistischen Jugendfunktionär und Landtagsabgeordneten von 1945 Emil Carlebach zusammenführte. Den Mann hat dieser betreffende Minister erst nach 1946 als Landtagsabgeordneten kennengelernt.
({44})
„Beide haben erst unlängst ihren Schwur, diese gemeinsam erlebte Antifa-Kampffront beizubehalten, komme was da wolle, erneuert."
Nun werden Sie sagen, das ist Unsinn, und da gebe ich Ihnen recht. Aber - und da frage ich Sie - ist es nicht gefährlich, wenn eine Geheimorganisation Informationen über deutsche Politiker sammelt, eine Geheimorganisation, die dieses Material sammelt, um Proskriptionslisten aufzustellen?
({45})
- Weil sie gefunden worden sind. Es ist ein Ordner mit der Aufschrift „Proskriptionslisten" gefunden worden.
({46})
Herr Abgeordneter Schröter, ich bitte Sie, Ruhe zu bewahren.
Zinn, Ministerpräsident des Landes Hessen: Welchem Zweck diese Proskriptionslisten dienen, das überlasse ich Ihrer Beurteilung.
Neben diesen eigentlichen Proskriptionslisten hat diese Geheimorganisation weiteres Material gesammelt, das vermutlich dazu dienen sollte, diese Proskriptionslisten zu ergänzen.
({0})
- Zum Teil sind es Kommunisten, zum Teil Leute, bei denen nicht feststeht, welcher Partei sie angehören, z. B. Gewerkschaftler. Näheres hat sich bisher noch nicht mit Sicherheit feststellen lassen. Ich glaube, auf der Liste steht auch ein Polizeidirektor aus Coburg.
({1})
- Einen Augenblick, ich habe etwas ganz anderes behauptet, mein Herr. Ich habe gesagt, daß diese Geheimorganisation sich die Beseitigung von politisch unzuverlässigen Personen im Falle X zum Ziele gesetzt habe, daß sie Material über deutsche Politiker sammele und daß unter dem Material - das sei auffälllig - 95 Kartothekkarten gefunden worden seien. Glauben Sie denn, man sammelt dieses Material, um die Betreffenden zu Ehrenmitgliedern des BDJ zu ernennen?
({2})
Aber es ist noch etwas anderes hinzuzufügen. Aus dem Material ergibt sich sehr deutlich die organisatorische und persönliche Verbindung zwischen der Bundesführung des BDJ und der Leitung der Geheimorganisation.
({3})
Das habe ich bei meiner Regierungserklärung noch gar nicht gewußt. Damals, am 8. Oktober, habe ich nicht vom BDJ, sondern nur von leitenden Männern des BDJ gesprochen.
({4})
Mit Rücksicht auf die zu erwartende Wiederaufnahme der Tätigkeit des deutsch-amerikanischen Untersuchungsausschusses ist das noch in Frankfurt am Main befindliche beschlagnahmte Material inzwischen weiter durchgesehen worden. Ich nehme an, daß der Ausschuß - nach Informationen, die ich gestern abend bekommen habe - vielleicht doch seine Tätigkeit wieder aufnehmen wird. Dabei sind neue Dokumente gefunden worden, über deren Bedeutung in strafrechtlicher Hinsicht ich im Augenblick gar nichts sagen will. Ich erwähne nur ein Dokument: Es trägt die Aufschrift „Maßnahmen zur Bekämpfung innerer Unruhen"; das ist
({5})
deshalb bedeutsam, weil bisher wiederholt erklärt worden ist, es handle sich bei der Organisation lediglich um eine solche, die sich für den Fall X den Einmarsch einer fremden Macht, bereitzuhalten habe. Dieses Dokument sieht in zwei getrennten Teilen Maßnahmen für den Fall X und für die Zeit vor dem Fall X, d. h. vor dem Einmarsch einer fremden Macht, also in Friedenszeiten vor. Ich zitiere die Maßnahmen und Anweisungen für die Zeit vor dem Fall X:
Personenverzeichnisse mit Aufenthaltsorten gefährlicher Elemente aufstellen.
Sorgfältige Erkundungen vornehmen über die politische Lage, z. B. Feststellung der gegnerischen Rädelsführer und deren Charakteristik, Zustand und Haltung der Behörden.
Unterricht im Waffengebrauch. Sprengmittel zum Soforteinsatz usw.
Unter Ziffer C befinden sich für die Maßnahmen vor dem Falle X Anweisungen für den Straßenkampf,
({6})
z. B.:
Sofortige Festnahme bekannter Gegner. Stoßen die Gruppen auf Menschenansammlungen, ist darauf zu achten, daß nötige Ellbogenfreiheit gewahrt bleibt.
({7})
Nimmt eine Menge eine feindselige Haltung ein, dann Handgranaten oder Leuchtpatronen auf die meist hintenstehenden Einpeitscher richten.
Schreckschüsse unbedingt vermeiden.
Zielen auf Beine hat größte moralische Wirkung.
Das zu erfahren ist interessant in bezug auf die Vorstellungen, die man von der Tätigkeit dieser Organisation vor dem Fall X in Friedenszeiten hat. Als Grundsatz aber für die gesamte Tätigkeit vor und nach dem Fall X gilt nach dem Dokument folgendes:
Alle Anfangsmaßnahmen hart und entschlossen durchführen.
Frühes Blut vermeidet viel Blut.
({8})
Welchen Wert das Dokument strafrechtlich hat, mag die Bundesanwaltschaft klären; welche politische Bedeutung diese Geheimorganisation hat, dürfte damit dargetan sein.
({9})
Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Meine Damen und Herren! Ich hätte gerne geschwiegen; denn an sich ist es vollkommen untunlich, sich jetzt im Stadium der Erhebungen über die materiellen Fragen oder über die Verfahrensfragen in aller Öffentlichkeit auseinanderzusetzen.
({0})
Viel ungeschickter kann man sich im Interesse der Erhebungen und der Klärung des Sachverhalts nicht benehmen.
({1})
Für mich ist es etwas peinlich, daß der mir unterstellte Herr Oberbundesanwalt und seine Behörde sowohl von Herrn Kollegen Menzel als auch von Herrn Kollegen Zinn einer Kritik unterzogen wurden und der Eindruck entsteht, es sei nicht das Erforderliche geschehen; im Gegenteil, es seien auf Weisung des Herrn Oberbundesanwalts hinreichend verdächtige Personen, die sogar unter schwerem Verdacht gestanden hätten, auf freien Fuß gesetzt worden. So sind nun die Dinge nicht, das muß ich wohl hier klarstellen.
({2})
Angesichts der Debatte will ich nur einige kleine Streiflichter auf den Sachverhalt fallen lassen.
Der Herr Oberstaatsanwalt in Frankfurt ist am 18. September beim Herrn Oberbundesanwalt in Karlsruhe erschienen und hat einen Bericht vom 17. September mitgebracht. In diesem Bericht - das ist das Entscheidende, meine Damen und ,Herren - steht keine Silbe davon, daß dieser Technische Dienst neben der Partisanentätigkeit die Tendenz habe, innenpolitisch zu wirken.
({3})
In dem Bericht ist vielmehr nur davon die Rede, daß sich innenpolitisch die Aufgaben dieser Einrichtung auf die Bekämpfung der KPD und gewisse mit der Frage der Remilitarisierung zusammenhängende Maßnahmen der SPD erstrecken sollten.
({4})
Das war der Tatbestand, Was hat der Herr Oberbundesanwalt getan? Oder richtiger: was war das Problem, das vor ihm stand, insofern als der Bestand dieser Partisanenorganisation von der amerikanischen Besatzungsmacht veranlaßt war? Die Frage war für ihn: Hat er die Möglichkeit des Einschreitens? Besteht überhaupt eine rechtliche Chance für ihn, ein Strafverfahren einzuleiten? Für ihn gilt leider immer noch das Gesetz 62 - in diesem Hause übel berüchtigt als die lex Kemritz. Nach diesem Gesetz findet weder das deutsche Strafgesetzbuch noch sonst irgendein Strafgesetz des Bundes oder eines Landes Anwendung auf die Aufnahme oder Unterhaltung von Beziehungen zu den Regierungen der Besatzungsmächte. Das ist maßgebend gewesen. Daß mußte geklärt werden, und der Herr Oberbundesanwalt hat das nicht etwa in der Schwebe gelassen, sondern seinen Sachbearbeiter am nächsten Tag nach Köln zum Bundesamt für Verfassungsschutz geschickt. Dieser hat dort versucht, die Frage zu klären. Es ergab sich die Notwendigkeit der Rücksprache mit den maßgebenden amerikanischen Stellen. Als das nun geklärt war, als vom Bundesamt für Verfassungsschutz die Erklärung abgegeben worden war: „Hier liegen Maßnahmen vor, die von der Besatzungsmacht, von den Vereinigten Staaten gedeckt werden", mußte die Freilassung verfügt werden.
Es ist also nicht richtig, wenn der Herr Kollege Menzel meint, die Entlassung sei erfolgt, weil das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen die Täter gedeckt hätte. Es ist richtig, daß das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen auch befragt worden ist. Dieses hat keine Erklärung abgegeben, sondern die maßgebende Entscheidung erfolgte von dem Bundesamt für Verfassungsschutz.
Es ist auch nicht richtig, was Herr Ministerpräsident Zinn annimmt, daß die Entlassung erst am 1. Oktober erfolgt sei. Die Anordnung der Haftent({5})
lassung geschah vielmehr am 30. September. Am 1. Oktober kamen die Bedenken. Am 30. September nachts hatte nämlich die Unterredung zwischen dem Herrn Ministerpräsidenten Zinn und dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz in Wiesbaden stattgefunden, durch die der Verdacht einer Proskription, d. h. des Planes verbrecherischer Handlungen gegen Deutsche, entstanden war.
Dann ist die Angelegenheit an sich auf den Herrn Oberbundesanwalt übergegangen gewesen, ohne daß ihm allerdings das Material zunächst zugänglich war. Jetzt die Schuldfrage hier vor dem Bundestag zu klären, ist wohl schwer. Da das Verfahren auf den Oberbundesanwalt übergegangen ist, wäre es selbstverständlich gewesen, das gesamte Material, das j a zu den Akten gehört, auch dem Oberbundesanwalt zuzuleiten. Das ist nicht geschehen. Daher die Unklarheit der Verhältnisse.
Sobald die Dinge für mich etwas deutlicher waren, habe ich eingegriffen. Ich habe eine eingehende Besprechung der Dinge mit dem Herrn Ministerpräsidenten und mit seinen zuständigen Beamten, besonders auch der Staatsanwaltschaft in Frankfurt, durchgeführt. Wir haben uns dann am 13. Oktober entschlossen, daß angesichts der vermuteten Belastungen die besonders verdächtigen Personen wieder in Haft genommen werden müssen. Mit diesem Entschluß ist der Herr Oberbundesanwalt nach Hause gefahren. Am nächsten Tage ist bei mir freiwillig der Herr Peters zusammen mit dem Herrn Riet d o r f, der den als Proskriptionsliste bezeichneten Ordner geführt hat, erschienen. Ich habe veranlaßt, daß der Herr Peters mit seinem Begleiter sofort nach Karlsruhe fuhr und dort vernommen wurde. So benehmen sich an
sich nicht Personen, die ein schlechtes Gewissen haben.
({6})
Er hat das getan und sich tagelang der Oberbundesanwaltschaft zur Verfügung gestellt.
({7})
Der Beauftragte des Oberbundesanwalts hat versucht, beim Ermittlungsrichter in Frankfurt gegen weitere Beschuldigte Haftbefehle zu erwirken. Diese sind ihm nicht gegeben worden. Die Dinge sind dann in Karlsruhe ganz eingehend und sorgfältig erneut geprüft worden. Der Oberbundesanwalt stand vor der Frage, ob ein dringender Verdacht einer strafbaren Handlung, der die Wiederverhaftung ermöglichte, vorlag. Ich muß sagen: nach ganz gewissenhafter Prüfung ist dieser dringende Tatverdacht verneint worden. Ich habe persönlich nach Rücksprache mit dem Herrn Oberbundesanwalt dieses Ergebnis gebilligt.
({8})
Inzwischen ist neues Material aufgetaucht, das der Untersuchung auch neue Aufgaben stellt. Meine Damen und Herren, wir können ja die Dinge wegen der Gefahr, daß Beteiligte oder Zeugen an den Lautsprechern mithören oder sonst die Dinge erfahren, hier nicht erörtern.
({9})
Nur um Ihnen ein Bild zu geben, worum es sich handelt: Also da ist die Proskriptionsliste.
({10})
- Ja, und zwar - um das nach dem, der sie geführt hat, zu motivieren - in Anlehnung an Vorgänge in der Ostzone. In der Ostzone, so sagte er
aus eigener Erfahrung, werden die Verdächtigen auf eine Proskriptionsliste gesetzt.
({11})
Ich nehme nicht an, daß der Führer dieser Liste humanistisch gebildet ist
({12})
und sich diesen Begriff aus den römischen Verhältnissen genommen hat. In dieser Liste sind nur KPD-Leute enthalten. Es ist einmal ein ganz aufschlußreicher Monatsbericht vorhanden, in dem es heißt: Folgende Leute müssen im X-Fall sichergestellt. werden.
({13})
- Nun gut, über diese Frage gibt es abweichende Zeugenaussagen. Sie werden nicht erwarten daß ich mich hier zu dieser Frage äußere. Meine Damen und Herren insoweit müssen wir halt Geduld haben. Sie dürfen auch das Vertrauen zur Oberbundesanwaltschaft haben,
({14})
die, meine Damen und Herren, eine ausgezeichnete, objektive Behörde ist.
({15})
Ich weiß von keinem der Herren dieser Behörde, wozu er sich politisch bekennt; ich weiß nur, daß sie ausgezeichnete und gewissenhafte Beamte sind, daß der Herr Oberbundesanwalt über jeden Verdacht, er könne seine Pflicht nicht erfüllen, erhaben ist.
({16})
Nun gibt es daneben noch eine Liste „Personelles". Darin sind alle möglichen Personen aufgeführt. Ich schlage gerade zufällig auf und finde meinen Freund und Kollegen Dr. Adolf Arndt. Ich weiß nicht, es ist nichts Nachteiliges über ihn enthalten.
({17})
Da heißt es: Geboren in Königsberg. Position - kein Wort, geflüchtet vor den Russen nach Marburg. Durchaus gewissenhaft. - Es gibt teilweise auch böse Dinge. Zum Beispiel die von mir hochverehrte Kollegin - ({18})
- Ja, das ist auch festgestellt. Das ist ein Schema, das auch von anderen Seiten verwendet worden ist. Also von der Haarfarbe bis zum Brillenträger. Das erscheint nicht gerade typisch für Liquidationsabsichten.
({19})
Die so sympathische Frau Kipp-Kaule wird z. B. als Typ der Suffragette bezeichnet.
({20})
Das ist natürlich unerhört.
({21}) Dann z. B. der Herr Kollege - ({22})
- Nein, wir wollen es nicht humoristisch nehmen!
({23})
Aber man kann es auch nicht tragisch nehmen.
Zum Beispiel über den Herrn Minister Halbfell
({24})
wird gesagt, daß er ein ausgezeichneter Sozialpolitiker ist, Also, ist das die Grundlage für eine Proskription? Oder von meinem Freund Dr. Fritz Koch -
({25})
- Ja, politisches Interesse bestand. Und wenn ich in einer solchen Organisation wäre, würde ich ein Interesse dafür haben, zu erfahren, was hinter dem Herrn Renner steckt.
({26})
Von meinem Freund Fritz Koch, jetzt Staatssekretär im bayerischen Justizministerium, wird gesagt, daß er ein politisch unbeschriebenes Blatt sei, aber er werde es mit seinem Minister, dem Herrn Dr. Josef Müller, wahrscheinlich sehr schwer haben. Er hat es sehr schwer gehabt, nehme ich an. Vielleicht noch netter ist die Kennzeichnung des Staatssekretärs im bayerischen Landwirtschafts- und Ernährungsministerium. Sie wissen ja, daß Bayern eine besondere Einrichtung hat - man ist sehr vorsichtig -, da setzt man neben den CDU-Minister immer einen SPD-Staatssekretär, damit sie sich gegenseitig kontrollieren. Herr Kollege Maag nun von der SPD ist Staatssekretär im Landwirtschaftsund Ernährungsministerium; von ihm wird gesagt, daß er ein sehr weinfroher Franke sei.
({27})
Mir sehr sympathisch!
Meine Damen und Herren, ich habe nicht das Gefühl, daß unsere heutige Aussprache irgendwie sachdienlich ist. Die richtigen Hintergründe sind nicht aufgezeigt worden.
({28})
- Herr Wehner, da haben Sie recht: Auch die vorschnellen Urteile sind so ähnlich zustande gekommen wie die Erklärung meines Herrn Kollegen Lehr in Hamburg: durch eine nicht gutwillige Presse. Es ist nicht wahr, daß ich die Dinge als ,.faulen Zauber" bezeichnet habe. Irgendein junger Pressemann hat mich zwischen Tür und Angel am Rock gefaßt und irgend etwas aus meinen Äußerungen herausgenommen und in seinem Sinne verwertet. In einem gebe ich dem Herrn Ministerpräsidenten Dr. Zinn völlig recht - ob es allerdings richtig war, wie er die Sache behandelt hat, ist eine Frage für sich -, darin nämlich, daß er sie wichtig genommen hat und daß sie wichtig ist; darüber sind wir uns völlig einig. Von mir aus und vom Herrn Oberbundesanwalt aus wird nichts unterlassen werden, um den Fall, der uns heute beschäftigt, restlos zu klären.
({29})
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon die vor der heutigen Verhandlung bekannt gewesenen Enthüllungen über die Mordorganisation in Hessen haben genügt, im ganzen Lande Erregung und Empörung hervorzurufen. Die bekanntgewordenen Tatsachen haben genügend Anlaß gegeben, die gesamte demokratisch gesinnte Öffentlichkeit zu alarmieren und sie zur entschiedenen Abwehr aufzurufen. Die heute hier geführte Debatte und insbesondere die unerhörten Reden der Herren Minister Lehr und Dehler müßten zu der einen Schlußfolgerung Veranlassung geben: Minister, die sich auf eine solche unerhörte Weise mit den Vorgängen solidarisieren oder sie zu verniedlichen suchen, um die Mörder zu schützen, sollten unverzüglich ihren Rücktritt erklären.
({0})
Die Tatsachen sind schwerwiegend genug. Man hat eine gemeine Terrororganisation, vorwiegend aus SS-Offizieren bestehend, geschaffen, ausgebildet an Waffen, an Sprengtoffen, im Gebrauch von Gift, geübt in allen erdenklichen Mordmethoden bis zur unauffälligen Strangulation, gedrillt für den Krieg, gedrillt gegen einen innenpolitischen Gegner, gegen Kommunisten und Sozialdemokraten, ja, gegen alle sonstigen Gegner des Generalvertrages und des sogenannten Verteidigungsvertrages. Eine gewisse Sorte aufgeschreckter Hintermänner hat versucht, diese Dinge als harmlose Lausbubenstreiche oder als den Ausdruck militärischen Dilettantismus hinzustellen.
Die schmählichen Versuche, solche unerhörten Vorgänge zu bagatellisieren, sind nichts anderes als ein Teil des Vertuschungsmanövers, das von oberster amerikanischer Stelle angeordnet wurde und bis heute planmäßig abrollt, einschließlich der Rede des Herrn Ministers Lehr, die wir heute hier gehört haben. Wir wollen doch folgendes klarstellen. Erstens: Es handelt sich zweifellos um ein amerikanisches Unternehmen. Zweitens: Deutsche Regierungsstellen haben dieses Unternehmen entscheidend gefördert. Drittens: Was bekanntgeworden ist, stellt nur einen winzigen Teil eines gewaltigen Netzes einer militaristisch-faschistischen Geheimorganisation dar, die sich in den verschiedensten Formen und unter den verschiedensten Namen bereits über das ganze Bundesgebiet erstreckt. Diese Schöpfung der Amerikaner, gestützt auf ausgesprochene SS-Typen, ist doch kennzeichnend für die ganze Lage, in der Südwestdeutschland sich gegenwärtig befindet.
({1})
Jene Leute, die vorgeben, die Demokratie zu uns
gebracht zu haben, die vorgeben, hier bei uns zu
sein, um eine freie demokratische Welt zu verteidigen, stützen sich in erster Linie auf solche ausgesuchte Mordkreaturen, um ihre dunklen politischen und militärischen Pläne vorwärtszutreiben.
({2})
Es steht doch fest, es sind Amerikaner, die das Unternehmen technisch geleitet haben, die es mit Geldern und mit Waffen versorgt haben. Es steht doch fest, daß es sich um Verbindungen bis zu den obersten militärischen Stellen im amerikanischen Kriegsministerium handelt. Es steht doch fest, daß Leute der amerikanischen Hohen Kommission, hohe Zivilbeamte, wie Farner und Stone, seit Jahren von diesem Unternehmen gewußt und es gefördert haben. Es steht doch fest - und heute haben wir die dokumentarischen Beweise gehört -, in welcher schamlosen Weise die Belastungsmaterialien einschließlich der Mordkarteien von amerikanischen Stellen beiseite geschafft wurden. Es steht doch fest, daß die Empfehlungen, die Hauptbelasteten ungeschoren zu lassen, sie schnellstens auf freien Fuß zu setzen, von den Amerikanern ausgegangen sind. Es steht fest, daß diese sonderbare Untersuchungskommission in Wiesbaden seit dem 10. Oktober deshalb blockiert ist, weil selbst ihre harmlose Untersuchungstätigkeit von amerikanischer Seite als unerwünscht angesehen wird.
({3})
({4})
Ich frage deshalb: Soll die Strafverfolgung auch weiterhin unterbunden bleiben, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um der einmütigen Forderung des ganzen Landes gerecht zu werden, die Mordbrenner unverzüglich festzusetzen? Die Bundesregierung hat sich bis heute schon schwer genug mitschuldig gemacht. Sie hat bis jetzt die Mitwisserschaft, deren sie überführt ist, geleugnet. Sie hat sich der Freilassung der Hauptschuldigen schuldig gemacht, obwohl ihr bekannt war, welche Verbrechen dahinterstehen. Sie will weiterhin. die schützende Hand über das Verbrechertum halten. Es ist Zeit, mit dieser Sabotage Schluß zu machen.
Um vollständig zu sein, muß noch auf weitere Auswirkungen der ersten Enthüllungen hingewiesen werden. Die in Hessen aufgedeckten Verschwörungen stehen in engstem Zusammenhang mit ähnlichen und noch schwerwiegenderen Entwicklungen in Bayern. Dort hat sich seit längerer Zeit ein sogenannter Heimatschutz mit dem Ziele aufgebaut, dem Amt Blank Kader für die demnächst aufzustellende deutsche Armee im Rahmen der Atlantikpakt-Formationen zuzuführen. Das Amt Blank ist über diese militärische Geheimorganisation ebenso unterrichtet wie das Innenministerium und das Kaiser-Ministerium Diese Geheimorganisation benutzt ein altbewährtes Tarnungsmittel, indem sie vorgibt, dazu dazusein, antibolschewistische Propaganda zu betreiben. Das ist doch ein altes Spiel. Das haben wir doch in der Weimarer Zeit bei den Organisationen des Fememords bereits erlebt. Auch Hitler schuf seine Aggressionsorganisationen, bereitete seine geheime Aufrüstung unter dem Tarntitel der Antikomintern, unter dem Titel des „Schutzes der westlichen Zivilisation" gegenüber der bolschewistischen Bedrohung vor.
o Wollen Sie denn alle diese Dinge unbeachtet vorübergehen lassen, ohne die Lehren zu ziehen? Soll es wieder so kommen, daß sich unter dem Deckmantel des sogenannten Antibolschewismus die Verschwörung gegen die Menschheit entwickelt, die uns alle, nicht bloß auf europäischem Boden, schließlich in das Unglück eines alles zerstörenden Krieges stürzen würde?
({5})
Über diese neuen militärischen Organisationen in Bayern und andernorts sind die höchsten amerikanischen Stellen nicht nur informiert, sondern sie haben sie mit beträchtlichen Geldmitteln unterstützt. Ich möchte den Herrn Justizminister in seiner Eigenschaft als Landesvorsitzenden der bayerischen FDP fragen, ob ihm der Leiter dieser Organisationen in Franken, Herr Dr. Asmus, nicht etwa persönlich bekannt ist, jener Mann, der die Leitung dieser geheimen militärischen Organisation in Personalunion mit der Funktion des Landesvorsitzenden der Jungdemokraten verbindet.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich empfehle jenen, die die Aufgabe haben sollen, die Dinge zu untersuchen, auch die direkte Hilfe und die Unterstützung jener berüchtigten Gesellschaft für Wehrkunde zu untersuchen, die diese faschistischen Geheimorganisationen mit Geld, mit personellen und anderen Beziehungen fördert und unterstützt. Vielleicht kann bei der Untersuchung die eidesstattliche Vernehmung des Herrn Staatssekretär Lenz und des Herrn Merton aus Frankfurt, Schlüsselfigur des
Chemie- und Metallkapitals, von einigem Nutzen bei dieser Sache sein.
({0})
Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß.
Ich bin sofort am Ende.
Meine Damen und Herren! Wir Kommunisten verlangen die unverzügliche strengste Untersuchung - aber nicht durch die Organe, die heute hier zitiert worden sind -, eine öffentliche Untersuchung unter Herbeiziehung aller Menschen aus dem Volke, die wesentliche Mitteilungen über diese Verschwörung zu machen haben, Wir verlangen die Ausdehnung der Untersuchung auf die Organe des Wehrministeriums und des Sicherheitsamtes des Herrn Blank. Wir verlangen die strengste Bestrafung aller am Mordkomplott Beteiligten und wir verlangen die sofortige Auflösung des BDJ und aller ähnlichen faschistischen militaristischen Geheimorganisationen.
({0})
Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß!
Ja. - Letzten Endes aber, möchte ich sagen, wird sich die Ausräucherung unserer Heimat von dieser gefährlichen Pest nur dann durchführen lassen, wenn das Volk die Verteidigung der Freiheit und des Friedens selbst in die Hand nimmt und die Verschwörung mit eigenen Händen niederschlägt. Es darf keine Wiederkehr faschistischer Fememorde geben. Wer das will, der muß dafür sorgen, daß als erstes jene fremden Organisatoren des Mordes unser Land verlassen, die diese faschistische Mordorganisation aufgezogen haben.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schäfer.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, jeder, der zuerst in der Zeitung von den hier besprochenen Dingen gelesen und der zugleich die Erinnerungsbilder an vergangene Geschehnisse und einstige bösartige Anfänge mit schrecklichen Folgen hat, hat aufgehorcht. Er hat mit einer gewissen Bestürzung all diese Vorgänge zur Kenntnis genommen, die da behauptet worden sind. Ich glaube nun allerdings nicht, daß man diese Vorkommnisse allein damit erledigt, daß man eine Fülle von Behauptungen aufstellt und sich darüber entrüstet. Sondern, wenn wirklich Gefahr im Verzug sein sollte, kann man ihr am eindrucksvollsten entgegentreten, indem man wirklich sachlich und gründlich in die Tatbestände hineingeht. Ich glaube, daß man der Sache - nämlich der Anprangerung und Ausmerzung von Erscheinungen, die bekämpfenswert und verwerflich sind - nicht damit am besten dient, daß man da aufbauscht und übertreibt, wo die Übertreibung offenbar durch die Beweise nicht oder noch nicht gerechtfertigt erscheint und echte Wertungen noch nicht gegeben sind.
Ich muß sagen, Herr Kollege Menzel: die Werturteile, die Sie gegeben haben, stehen in einem gewissen Mißverhältnis zu den Argumenten und Beweismitteln, die hier von Ihrer Seite vorgetragen worden sind.
({0})
({1})
- Darauf komme ich noch. - Sie haben z. B. von dem „größten Skandal seit 1945" gesprochen. Sie haben damit angefangen, dem Herrn Innenminister vorzuwerfen, daß er nicht schon längst den Bundestag unterrichtet hätte, während wir j a nun schließlich erwarten und verlangen können, daß, wenn schon ein Minister vor den Bundestag tritt, er so eingehend unterrichtet ist, daß er uns hier auch eine wirklich substantiierte Darstellung geben kann.
({2})
- Herr Menzel, ich weiß nicht, ob Sie die Vorgänge der Vergangenheit so genau im Gedächtnis haben und so unmittelbar erlebt haben.
({3})
Sie haben da auf die Ereignisse von 1933 hingewiesen und von den bürgerlichen Blättern erzählt,
die hätten damals mit einer gewissen Genugtuung
({4}) festgestellt oder sich zugewandt
({5})
der Inhaftierung von Sozialdemokraten.
({6})
Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern können, wie, nachdem die sozialdemokratische Presse in der Stufenfolge der Vernichtung der deutschen Presse zuerst unterdrückt war, immer wieder mit den Mitteln der Verschleierung, die überhaupt möglich waren, Hinweise zugunsten der Sozialdemokratischen Partei und sozialdemokratischer Vertreter in der bürgerlichen Presse immer noch durchsickern zu lassen versucht worden ist.
Also alle Ihre Ansichten treffen nicht zu, wie ich Sie auch darauf aufmerksam machen muß, daß die von Ihnen erwähnten Auslassungen des Herrn von Rohr nicht auf das Konto der FDP gehen; er ist lediglich Hospitant der FDP-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen, aber nicht Mitglied der Partei.
Das sind vielleicht kleine Äußerlichkeiten. Sie zeigen aber, wie man sich davor hüten muß, die Darstellung mit einem riesigen Feuerwerk auszustatten, um von dein eigentlichen Sachverhalt und von dem gerechten Maß der Wertung oder Verdammung abzulenken.
Das Entscheidende ist, meine Damen und Herren, daß man eine bewaffnete Geheimorganisation errichtet hat und daß sie errichtet worden ist zunächst einmal von amerikanischen Dienststellen. Das ist nicht zu bestreiten; das steht fest. Dieser sogenannte Technische Dienst ist etwas, was wir mit aller Entschiedenheit und mit aller Deutlichkeit ablehnen. Die gleiche Haltung ist sowohl in den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers wie in den Ausführungen der beiden Bundesminister, die anschließend gesprochen haben, zum Ausdruck gekommen.
({7}) In dieser Hinsicht also ist resolute Klarheit.
Hier haben wir eine der üblen Folgen der Tatsache, daß wir uns immer noch im Zustand des Besatzungsverhältnisses befinden. Wenn wir solche Experimente und solche Torheiten von dilettantischen Wichtigtuern - etwas anderes ist es nämlich nicht gewesen ({8})
verhindern wollen, dann ist zunächst einmal eine Politik notwendig, die uns aus den Bindungen unserer Abhängigkeit befreit. Die Bundesregierung hat diese Bindungen nicht erfunden; sondern wir haben sie als trauriges Erbe einer traurigen Vergangenheit am Anfang unseres Wirkens zunächst
einmal übernehmen müssen.
({9})
Weiterhin ist zu den Dingen natürlich sagen: Das, was da gemacht worden ist, ist deswegen von einer so vollendeten Torheit, weil man meint, man könnte mit demokratischen oder antikommunistischen Lippenbekenntnissen überhaupt eine Auswahl von Leuten bekommen, die man für die vorgestellten Zwecke nötig hat. Ich möchte hinzufügen: Bei der Unterwühlung mit Geheimorganisationen, die vom Osten hier bei uns hineingetrieben werden,
({10})
wird man sich auch der Gegenmittel bedienen müssen, um solchen gefährlichen Verseuchungen oder Gefährdungen unseres öffentlichen Lebens entgegenzuwirken.
({11})
Anders geht die Sicherung des Rechtsstaates doch beim besten Willen nicht.
Übrigens: wenn gerade Sie von der äußersten Linken sich so gegen diese Vorgänge aussprechen, - j a, wer hat denn all diese Dinge angereizt? Wer hat denn den Zustand des Kalten Krieges in der Welt herbeigeführt, daß wir nicht zur Ruhe kommen, daß all diese Wühlereien hin und her immer noch weitergehen und unser Leben so ungeheuer erschweren, ja so unerträglich machen? Das sind doch die Provokateure - die Provokateure, die die freie Welt immer wieder mit ihren tyrannischen Machtbestrebungen zu überfahren und zu überrennen versuchen!
({12})
Und das stößt dann auf die Gefühlswelt aufgeregter Seelen, die so ihre Mischung von Geltungsdrang, Abenteuerlust, Karl-May-Reminiszenzen usw. in solchen komischen Formationen abreagieren.
({13})
- Jawohl, das haben wir gehabt,
({14})
und deswegen wehre ich mich auch gegen ihre Wiederholung. Aber ich muß den politischen Rahmen kennzeichnen, aus dem solche Mißbildungen hervorgegangen sind. Ich muß mich gegen den Versuch wenden, die Bundesregierung für Institutionen und Abscheulichkeiten verantwortlich zu machen, die von ihr nicht veranlaßt worden sind, sondern denen sie von dem Augenblick an entgegenwirkt, seit dem sie die Dinge einigermaßen eindeutig erfassen kann.
({15})
Die Erfindung dieser Dinge ist doch nicht eine Angelegenheit des Bundeskabinetts, sondern der Verhältnisse, unter denen wir hier unsere Politik mühsam aus dem immer noch anfälligen Zustand der verwirrenden Gebundenheit hinaus entwickeln. Vielleicht wären wir weiter mit diesen Dingen, wenn wir die außenpolitische Linie des Bundeskabinetts mit einer etwas größeren Intensität und
({16})
einer wirksameren Geschlossenheit des deutschen Parlaments verfolgt und vertreten hätten.
({17})
Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Absicht, zu bagatellisieren. Ich sehe die Tragweite dieser Gebilde; aber ich muß, wenn ich sie bekämpfen will, den politischen Hintergrund, die atmosphärischen Bedingungen, unter denen so etwas entstehen konnte, zugleich erkennen. Zum zweiten muß ich von der Tatsache ausgehen, daß man, wenn man mit diesen Untergrundwucherungen zu tun hat, sie auch mit den Mitteln bekämpfen muß, die nun einmal allein die Möglichkeit geben, ihnen entgegenzutreten. Man kann Maulwürfe nicht mit Schwalben bekämpfen oder ihre Ausbreitung verhindern.
({18})
Aber der Bundesregierung möchte ich nun doch noch eine Bitte unterbreiten. Es ist eine solche Menge von Verdächtigungen ausgesprochen worden, es ist so viel Mißtrauen gesät worden, und es ist so viel an Anschuldigungen gesagt worden, daß eine sehr sorgfältige und entscheidende Untersuchung meinen Freunden und mir unbedingt erforderlich erscheint.
({19})
Diese streng durchzuführende Untersuchung darf vor keiner Person und vor keiner Stelle haltmachen.
({20})
Wenn sich irgendwie herausstellen sollte, daß
dummer Übereifer hier Zusammenhänge verursacht hat, die bis in die Bundesregierung oder
in irgendeine öffentliche Verwaltung hineinreichen, dann muß mit der Schroffheit, die in solchen Fällen notwendig ist, auch durchgegriffen werden.
({21})
Dabei bitte ich, sich nicht allein auf die strafrechtlichen Ermittlungen des Staatsanwalts zu beschränken. Hier geht es nicht allein um eine strafrechtliche Frage; hier geht es um etwas wie die politische Moral. Hier geht es darum, ob wir alle diese wichtigtuerischen Bündeleien und heimlichen Schmutzereien weiter wuchern lassen sollen oder ob wir ihnen den Garaus machen.
({22})
Es gibt notwendige Einrichtungen, die zur Staatssicherheit unerläßlich sind. Man muß Unterwühlung - ich habe es schon einmal gesagt - mit Mitteln bekämpfen, die wirksam sind. Aber dabei sollen diese Maßnahmen ausschließlich in der Hand der zuständigen Organe des Staates bleiben.
Nun noch etwas zu den sogenannten Proskriptionslisten. Ich weiß nicht, ob da, sagen wir einmal, das Mißtrauen verleitet, etwas mehr erkennen zu wollen, als in den Dingen steckt. Jedenfalls wissen wir nun, daß es sich zunächst einmal um ein Aktenstück mit einem teilweise offenbar sehr komischen Inhalt handelt. Ich habe mir bisher unter den Proskriptionslisten etwas anderes vorgestellt als das, was heute hier zutage getreten ist. Ich will das. nicht gering schätzen. Im übrigen ist das auch eine Sache, die den Stil unseres politischen Zusammenlebens angeht. Meine Damen und Herren, dieses Anlegen von Schnüffellisten, von Schnüffelmaterial ist allmählich üblich geworden.
({23})
- Ich brauche das nicht nur zur Regierungsbank zu sagen, sondern, Herr Mellies, es soll auch politische Parteien geben, .
({24})
die sich über ihre politischen Gegner Dossiers anlegen, um damit im gegebenen Augenblick bestimmte, für sie vielleicht unangenehme Theaterstücke inszenieren zu können.
Also, wie gesagt, ich mag diese ganzen Dinge nicht. Ich bin nun einmal nicht für eine Schwarzweißmalerei, die immer nur das Licht auf der einen Seite und das Dunkle und das Unzulängliche auf der anderen Seite sucht.
Sehr ernst scheint mir zu sein, was der Herr hessische Ministerpräsident ausgeführt und angedeutet hat über offenbare Versuche einzelner amerikanischer Organe zur Verdunklung der Ermittlungen. Das ist etwas, was äußerst betroffen macht. Ich möchte in aller Deutlichkeit sagen, daß solche Vorkommnisse geeignet sind, ein Mißtrauen zu säen, das politische Schwierigkeiten verursacht, die schwer überwindlich sind. Ich möchte den amerikanischen Politikern und den verantwortlichen Stellen der amerikanischen Vertretung in Bonn und Umgebung das mit allem Ernst zu bedenken geben. Was hier geschieht oder geschehen ist, bringt diejenigen, die an die Freundschaft und die Solidarität der freien Welt glauben, in die Gefahr, gegenüber der Öffentlichkeit geradezu zweifelhafte Erscheinungen zu werden.
({25})
Hier ist eine sehr entschiedene und ernste Umkehr notwendig. Diese Kriegspielereien, verständlich geworden durch die Situation - ich habe das eben ausgeführt -, diese Spielereien mit Geheimbünden, mit illegalen Formationen mögen den einzelnen, die sie betreiben, interessant vorkommen. Sie haben praktisch politisch, ja nicht einmal militärisch den geringsten Wert. Sie sind lediglich geeignet, die politische Atmosphäre zu vergiften. Daran sollte man denken; und ich möchte deswegen der Erwartung Ausdruck geben, daß es gelingt, dies ganze Geschwür im entschiedenen und entschlossenen Zusammenwirken der Bundesregierung mit den Dienststellen der Besatzungsmächte, die hier in Frage kommen, so auszuheilen, daß wir bald vor einer bereinigten und gesicherten Atmosphäre des demokratischen Lebens stehen.
({26})
Das Wort hat der Abgeordnete Birkelbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesinnenminister D r. Lehr hat sich heute einer für ihn sicherlich sehr unangenehmen Aufgabe unterziehen müssen. Sie bestand darin, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu verwischen, daß es ihm persönlich lieber gewesen wäre, wenn man das alles hätte totschweigen und in irgendeiner Form gentlemanlike hätte regeln können, ohne daß die Öffentlichkeit davon überhaupt in Kenntnis gesetzt worden wäre.
({0})
Das mag aus zwei Gründen für ihn von Belang gewesen sein. Ich glaube, der eine Grund ist sehr deutlich in den Ausführungen durchgeklungen, die er zu unserer ersten Frage gemacht hat. Er hat dort zunächst einmal sehr präzise herausgearbeitet,
({1})
wie und auf welche Weise er auf dem offiziellen Dienstweg über die Vorgänge in Hessen informiert worden ist, und zwar auf dem Dienstweg über das Bundesamt für Verfassungsschutz. Ich glaube, indem er hinzufügte, daß er in seiner Dienststelle bereits vor einem Jahr Informationen über die Tätigkeit im Bereich von Zonengrenzgebieten usw. und in diesem Zusammenhang über die Zusammenarbeit zwischen den Besatzungsmächten und Deutschen für die Vorbereitung von Abwehraktionen gehabt habe, hat er sicherlich auch so etwas wie eine Abschirmung betrieben, um auf diese Weise sich selbst salvieren zu können.
Ich glaube, Herr Bundesinnenminister, wir müssen in jedem Fall darauf bestehen, daß die Untersuchungen und Durchleuchtungen in dieser ganzen Angelegenheit nicht nur betrieben werden, um die Dinge etwa zu verniedlichen und damit darzutun, es sei alles gar nicht so schlimm gewesen. Ich glaube, unsere und Ihre Aufgabe sollte sein, das Zutrauen auch derjenigen im deutschen Volke, die Ihnen vielleicht politisch nicht nahestehen, in ihrer Bereitwilligkeit, dieser Demokratie eine 'Grundlage 'zu geben, nicht 'zu sehr zu strapazieren.
({2})
Auf der andern Seite glaube ich, daß hier noch ein anderer Grund für Sie vorlag. Die Art und Weise, wie man sich auf seiten der Bundesregierung in dem Moment diskret verhält, in dem nur angedeutet wird, daß im Hintergrund Dienststellen der Besatzungsmacht eine Rolle spielen, - das ist nichts, was wir von einer selbstbewußten Bundesregierung erwarten möchten.
({3})
Wir glauben, daß auch die seinerzeitigen Vorfälle
um Herrn Kemritz doch in der Zwischenzeit dargetan haben, daß dann, wenn eine energische Vorstellung gemacht wird, auch die amerikanischen Behörden nicht allzusehr geneigt sind, das nun ohne weiteres im Sande verlaufen zu lassen.
Bei der Behandlung dieser Fragen haben Sie dann am Schluß hier wirklich noch etwas vollzogen, wovon ich eigentlich nicht annahm, daß ein Mann Ihrer Erfahrung sich das gestatten würde. Die Ausführungen, die Sie nachher über den angeblichen Fememord und all die Dinge gemacht haben, waren doch praktisch genommen eine Art Verlängerung, um 'auf diese Art und Weise durch mehr Material 'das Wesentliche nicht richtig erkennen zu lassen.
({4})
Ich glaube, wir müssen wirklich eines sagen: Wenn es irgendwo die Feststellung gibt, daß eine militärische oder andere Geheimorganisation in Erscheinung getreten ist, dann muß sich doch von selbst jeder, der die Wirkungen der konspirativen Arbeit in der Vergangenheit gesehen hat und der weiß, was es heute in den Ostgebieten z. B. auf diesem Gebiet gibt, was praktiziert wird und was von dort her auch herüberkommt, in jedem Falle selbst dann, wenn es zunächst rein militärische Dinge zu betreffen scheint, fragen, ob hier nicht auch die Grundlage für eine geheime innenpolitische Tätigkeit gegeben ist oder ob eine solche daraus erwächst.
({5})
Insofern mache ich dem Herrn Oberbundesanwalt, der allerdings in diesem Falle Ihnen nicht untersteht, den Vorwurf, 'daß er gerade diese Dinge auf die leichte Schulter genommen hat.
({6})
Aus den Informmationen, die uns Herr Ministerpräsident Zinn hier eben gegeben hat, ging doch ohne weiteres hervor, daß zumindest Anhaltspunkte für Verdacht in dieser Richtung gegeben waren, und wir haben es als sehr peinlich empfunden, daß gewisse zeitliche Kombinationen überhaupt möglich und denkbar waren, die es ermöglichten, daß die zunächst Angeschuldigten und Verhafteten zwischenzeitlich auch ein wenig Freiheit bekamen.
({7})
Darüber hinaus muß ich eins sagen. Wenn wir die einzelnen Stadien der Entwicklung und auch der Aufdeckung dieser Dinge verfolgen, dann können wir dabei auch mit der Abschwächung, die Herr Dr. Lehr hier vorzunehmen versucht hat, in keinem Falle einig gehen. Sehen Sie, wenn dann auch der Bundesjustizminister sagt: Wie kommen denn die Leute schließlich dazu, sich selbst zu präsentieren, wenn sie kein schlechtes Gewissen haben?', - ja, haben Sie noch nie etwas von Gaunerfrechheit und von dem Wort „Frechheit siegt" gehört?
({8})
Ist es dabei nicht vielleicht so gewesen - und darauf bitten wir bei den Untersuchungen besonders zu achten -, daß es irgendwo bei ihnen - ich meine jetzt bei den Beschuldigten und Beteiligten - den Glauben geben konnte, es würden ihnen womöglich doch irgendwo goldene Brücken gebaut?
({9})
Meine Damen und Herren, diese Verdachte machen die politische Arbeit unmöglich, und sie wollen wir beseitigen, und deswegen war das so unbefriedigend, was Sie, Herr Bundesinnenminister, uns heute hier zu der 'sachlichen Seite zu sagen hatten.
({10})
Das ist ein sehr seltsames Verhalten der auf Bundesebene zuständigen Organe.
({11})
Soll das bedeuten, daß man der Annahme sein darf, es habe irgendwo jemanden gegeben, der die Rolle des berühmten Zauberlehrlings noch einmal durchexerzieren wollte, jenes Zauberlehrlings, der eben die Geister, die er rief, nachher nicht mehr bannen konnte?
Wenn, in diesen Tagen die Erinnerungen des Herrn von Papen in der Presse und im Rundfunk eine Rolle spielen, dann möchte ich dazu eins sagen. Die Art und Weise, wie diese vermeintlich mit großer Intelligenz begabten Herrschaften 1932 und 1933 das Tor aufgestoßen haben für das Unheil,
({12})
das ist etwas, was uns so unruhig macht.
({13})
Ich glaube, daß man hier durchaus sagen kann: es gibt Auffassungen von Demokratie, die sich nicht mit Manipulationen zur Gewinnung von Gegenkräften vereinbaren lassen. Auf diesem Gebiet, meine ich, sollte also in jedem Fall darüber Einstimmigkeit herrschen, daß es keinen Versuch zum Totschweigen oder Abschwächen geben darf, und ich glaube, daß wir alle in dieser Beziehung dem Herrn hessischen Ministerpräsidenten zu Dank verpflichtet sind.
({14})
Die Tatsache, daß militärische amerikanische Stellen sich hier unmittelbar mit deutschen
({15})
Kräften vereint haben, sollte uns wirklich Grund zur Beunruhigung sein. Ich selbst erinnere mich zu genau der Situation in der Zeit vor und während der Befreiung, und ich weiß - ich verweise Sie dabei auf die Veröffentlichung von Hans Werner Richter „Die Geschlagenen" z. B. -, wie unter den Augen der amerikanischen Militärs die Lager-Gestapo in Nordamerika es fertiggebracht hat, antinationalsozialistische Deutsche physisch auszulöschen.
({16})
Wir wissen, daß auch das geschehen ist, ohne daß die politischen Behörden in Amerika davon Kenntnis hatten.
Wir wollen doch auf diese Dinge achten, und wir wollen deswegen sagen: hier in Deutschland sollten wir nicht versuchen, demokratische Kraft dadurch zu gewinnen, daß wir künstlich' etwas pflanzen und daß wir einer Vereinigung, die nach ihren eigenen Angaben zur Zeit 18 000 Mitglieder zählt - wie es der BDJ ist -, allein für eine Veranstaltung rund 20 000 DM zur Verfügung stellen.
({17})
Herr Bundesinnenminister, wir werden auf diese Dinge noch zu sprechen kommen, wenn wir Sie fragen: Was ist denn aus Ihren Fonds für andere wirklich wertvolle Jugendarbeit - und zwar aus diesem Fonds - zur Verfügung gestellt worden?
({18})
Ich möchte auch haben, daß das als eine Aufforderung betrachtet wird, hier in dieser Beziehung mehr zu tun.
Wenn man die Grundlagen nicht zerstören will, auf denen in Deutschland die Demokratie überhaupt nur gedeihen kann, dann muß man beachten, daß nicht mit Polizeiaktionen, aber auch nicht mit Propagandaaktionen der deutschen Jugend die Möglichkeit eröffnet werden kann, wirklich zu erkennen, um was es geht. Was wollen wir erreichen? Junge Kräfte sollen in Deutschland nicht als Instrument fremden Willens, sondern aus eigener Entschlußfreiheit und als selbstbewußte Staatsbürger mit anpacken, um unser öffentliches Leben zu gestalten.
({19})
Und nun wird gesagt: das ist etwas, was wir alle anstreben, und in dieser Weise sind nun auch von uns die entsprechenden Anstrengungen gemacht worden. Wenn ich aber von jungen Kräften spreche, dann meine ich nicht die 35- bis 50jährigen Oberstleutnante und Obersten und andere Offiziere, die in diesen Partisanenlehrgängen ausgebildet worden sind.
({20})
Die kann man nicht mehr mit dem Hinweis auf Karl May abtun, sondern hier gibt es wirklich ernste Hintergründe, und auf diese Altersstufen möchte ich noch einmal hingewiesen haben.
Ich meine, daß der junge Teil unserer Bevölkerung wirklich nicht den Eindruck bekommen darf, die in Bonn oder auch die in Wiesbaden und die Regierung, und was es sonst sein mag, das sind eigentlich nur Fassadenleute; im Hintergrund gibt es andere Kräfte, und es ist viel besser, sich nicht zu exponieren und sich in keiner Weise zu beteiligen.
({21})
Wenn dieses Gefühl Platz greift, dann haben wir jene Atmosphäre erreicht, in der die Tüchtigen in keinem Fall mehr nach vorne drängen im öffentlichen Leben, und damit haben Sie der Demokratie in Deutschland den Boden entzogen.
({22})
Ich weiß, daß hier die Frage nicht gestellt werden kann: Wer hat denn das gewollt? Aber wir wollen uns doch über eins dabei verständigen: wir dürfen keine zwielichtigen Organisationen und zwielichtige Vorgänge dulden. Wir müssen auf jede Art und Weise dazu beitragen, daß die Bereitschaft zur freimütigen Diskussion und zur Auseinandersetzung auch in der Öffentlichkeit nicht dadurch getrübt wird, daß mari immer in irgendeiner Weise mit Interventionen rechnen muß, die unkontrollierbar sind.
In dieser Richtung glaube ich die sogenannten Proskriptionslisten werten zu müssen. Glauben Sie nicht, daß diejenigen, die vielleicht auf diesen Listen stehen, sich nun besonders viel daraus machen. Ich glaube, ein großer Teil von ihnen hat andere Dinge durchgestanden als das, was man hier als unmittelbare Gefahr ansieht. Aber die Vorauswirkung des Terrors, die hier von diesen Listen ausgeht,
({23})
ist das Entscheidende und ist auch das, was man dabei in Rechnung stellen muß. Es gibt bereits zu viele Stellen hier in Westdeutschland, die unkontrollierbar sind, die aus unkontrollierbaren Fonds gespeist werden.
Dabei müssen wir aber eines bedenken. Wir können auf diese Weise mit der Organisation derartiger Kräfte auf keinen Fall einen Beitrag zur Überwindung des Totalitarismus erbringen. Das muß Ihnen ein für allemal vor Augen stehen.
Es bleibt dabei immer noch die Frage offen: welche Verbindung zum Osten mögen derartige Organisationen haben? Es ist sogar möglich, daß sie in Wirklichkeit vom Osten beeinflußt und gesteuert werden, ohne daß diejenigen Kontaktpersonen hier im Westen, die sie zu betreuen glauben, auch nur eine Ahnung haben, wie das hinter ihrem Rücken weitergeht.
({24})
Ich glaube, daß es deswegen durchaus denkbar und notwendig ist, daß man sich nicht auf die Loyalitätserklärungen einzelner führender Personen verläßt, die jetzt versuchen, diese Geschichte abzuschirmen.
({25})
Aber ich habe noch eine politische Bemerkung zu machen. Wir haben vor einiger Zeit einen wirklich einmütigen Appell des Bundestages an die Weltöffentlichkeit erlebt, in dem wir die Aufmerksamkeit auf die verhafteten Jugendlichen in der Ostzone richteten. Wir haben dabei den allergrößten Wert darauf gelegt, für uns selbst die Plattform zu haben, von der aus wir die Ansprüche stellen können und von der aus wir bitten und fordern können, daß die deutsche Jugend im Osten nicht in dieser Weise mißbraucht und geknechtet wird. Ich glaube, daß die Existenz von derartigen Organisationen, wie sie aufgedeckt worden sind, im Osten denjenigen, die dort die Unterdrücker sind, in der Propaganda die Scheingründe
({26})
und die Scheinberechtigung gibt, in irgendeiner Weise daraus Kapital zu schlagen.
({27})
Das ist der Schaden, der unmittelbar angerichtet wird. Aus diesem Grunde müssen wir darauf drängen, daß in offener Aussprache und in eingehender Untersuchung wirklich klargestellt wird, um was es ging und wer dabei auch die Kräfte waren, die im Hintergrund standen und vielleicht noch stehen.
Die Tatsache, daß hier die Dienststellen der amerikanischen Armee geglaubt haben, junge Deutsche als Instrument benutzen zu sollen, muß uns außerordentlich nachdenklich stimmen. In keinem Fall dürfen wir jedoch daraus den Schluß ziehen, damit seien Nachprüfungen in dieser Richtung wenig wert. Auf diesem Gebiet darf es auch nicht die geringste Unsicherheit geben.
Unsere Interpellation sollte Veranlassung sein, sowohl den Tatbestand in seiner Gesamtheit als auch das Verhalten der Bundesdienststellen in den verschiedenen Phasen eingehend zu erforschen. Nur wenn wir das tun, erfüllen wir unsere Pflicht als gewählte Vertreter der Bevölkerung, jener Bevölkerung, die schon zu sehr von allen möglichen Ängsten geplagt ist, als daß man Landsknechtsnaturen und verantwortungslosen Militärs gestatten könnte, mit ihrem Schicksal zu spielen.
({28})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir liegt zunächst am Her» zen, festzustellen, daß die Angelegenheit unserer Ansicht nach eine Angelegenheit des gesamten Hauses ist, daß sie von allen anständigen und demokratischen Kräften unseres Volkes gemeinsam getragen werden muß. Wir werden alle zusammenstehen, um das, was hier heute zutage getreten ist, gemeinsam und auf vertrauensvoller gemeinschaftlicher Basis zu bekämpfen. Um so mehr, Herr Kollege Menzel, muß ich bedauern, daß die Art, in der die Angelegenheit hier aufgezogen worden ist, diesem gemeinschaftlichen Charakter des Anliegens nicht Rechnung trägt.
({0})
- Ich will das im einzelnen nicht untersuchen. ({1})
Ich will die Differenzen nicht vertiefen. Herr Kollege Menzel, es kann doch gar keine Rede davon sein, daß es sich hier etwa um eine besondere sozialdemokratische Beschwerde gegenüber der Bundesregierung handelt. Nach meiner Kenntnis des Grundgesetzes ist die Polizeihoheit und die Gerichtshoheit zunächst Ländersache. Soweit ich weiß, ist in Hessen sowohl die Polizei wie das Gerichtswesen in sozialdemokratischen Händen. Also ist gar kein Anlaß dafür gegeben, - ({2}) - Der hat sich eingeschaltet, weil die durchaus begründete Vermutung naheliegt, daß es sich um Dinge handelt, die über die Ländergrenzen hinausgehen.
({3})
Der Oberbundesanwalt würde pflichtwidrig handeln, wenn er das nicht täte. - Zunächst nur wollen wir uns darüber klar sein, daß es sich um eine Angelegenheit des Landes Hessen handelt. Wir haben auch heute nach den Ausführungen des Herrn hessischen Ministerpräsidenten die beruhigende Gewißheit, daß er sich des Falles mit der nötigen Eindringlichkeit annimmt.
({4})
Ich würde es aber nicht für glücklich halten - und ich glaube, die ganze Behandlung des Falles zeigt uns das auch -, wenn wir künstlich versuchten, durch Herausgreifen irgendeines mehr oder weniger vermeintlich schwachen Punktes Gegensätze und Differenzen herauszuholen, die in Wirklichkeit keineswegs bestehen. Es ist gar nicht richtig - und alles, was wir heute gehört haben, gibt uns die beruhigende Gewißheit -, daß die Bundesorgane bisher in irgendeinem Punkte versagt hätten.
({5})
Es kann, meine Herren Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion, Meinungsverschiedenheiten darüber geben, ob der Zeitpunkt zur Veröffentlichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale und zu einer öffentlichen parlamentarischen Diskussion gegenwärtig schon gegeben ist. Wenn das zweifelhaft sein kann, so kann ich Ihnen gestehen, Herr Kollege Menzel, hätte ich es vorgezogen, wir hätten unter Ihrer sachverständigen Leitung die Dinge im Ausschuß für Verfassungsschutz zunächst einmal in camera behandelt, anstatt in unfertigem Zustand, wo wir allerlei Erklärungen gegeneinander haben, die wir gar nicht miteinander abwägen können, nun eine öffentliche Debatte vor den Ohren des deutschen Volkes und vor den Ohren der Welt führen zu müssen.
({6})
ich kann auch insofern keine Berechtigung zu dieser zugespitzten und etwas einseitigen Behandlung der Angelegenheit erblicken, als wir doch heute die beruhigende Gewißheit bekommen haben, daß es sich nicht um einen Kampf gegen Sie gehandelt hat, sondern um einen Kampf gegen die Radikalen von rechts und links.
({7})
Was auch herausgekommen ist: dieser Verdacht - es mag sein, daß er sich noch bestätigen wird - scheint mir im Augenblick nicht bewiesen. Ich muß sagen, das ist für mich, und ich glaube, auch für alle Freunde in meiner Fraktion, eine durchaus beruhigende Gewißheit.
({8})
({9})
Nun noch einige Worte zur Sache selber. Es scheint mir zweckmäßig, wie es auch von Herrn Kollegen Schäfer bereits geschehen ist, die beiden Tatbestände deutlich voneinander zu trennen. Auch wenn wir alles, was wir gehört haben, von gewissen, unter den gegebenen Umständen sehr begreiflichen sensationellen Übertreibungen entkleiden, sind wir uns - Sie und ich - völlig einig, daß ein Rest zu tragen peinlich bleibt; es bleibt genug übrig, um uns zu ernstem Nachdenken und unter Umständen auch ernstem Handeln zu zwingen.
({10})
- Schön, dann sind wir erfreulicherweise einig!
- Dieser Rest oder dieser Kern bezieht sich vor allen Dingen auf das Bestehen einer Geheimorganisation auf deutschem Boden, aufgezogen, finanziert und auch gedeckt durch eine ausländische Besatzungsmacht.
({11})
- Zu diesem Vorwurf ist auch nicht ein Schatten der Berechtigung gegeben.
({12})
Ich möchte einmal untersuchen, wieweit etwa auch das Pfingsttreffen des BDJ von hessischer Seite direkt oder indirekt unterstützt wurde. Darüber jetzt nachträglich etwas zu sagen, ist, glaube ich, sehr billig.
({13})
Nun, meine verehrten Herren Kollegen, wir sind uns ja wohl einig,
({14})
daß das bei einer solchen Organisation, gegründet, finanziert, unterstützt und jetzt auch gedeckt durch eine ausländische Besatzungsmacht, auf die Dauer unerträglich ist. Ich erinnere an das, was wir, auch übrigens in voller Übereinstimmung, zum Fall Kemritz festgestellt haben, ich habe es ja an dieser Stelle ausgesprochen. Das Wirken der Geheimdienste entwickelt sich in allen Ländern und besonders auch in unserem unglücklichen Lande auf die Dauer zu einer tödlichen Gefahr für den Frieden und die Sicherheit der beteiligten Völker.
Es ist sehr wahrscheinlich - ich halte es für durchaus gegeben -, daß die leitenden, verantwortlichen Stellen der amerikanischen Besatzungsmacht keine Ahnung von diesen Dingen gehabt haben und nicht wußten, daß es sich um wichtigtuerische, mit reichlichen Geldmitteln ausgestattete Geheimdienste gehandelt hat, die glaubten, damit irgend etwas Wichtiges im Sinne ihrer Aufträge und Auftraggeber tun zu können. Das darf auf deutschem Boden nicht mehr sein, und insofern möchte ich dem Herrn Bundesinnenminister doch auch etwas ans Herz legen: Wir haben hier einmal ein Zipfelchen erwischt, ein Zipfelchen von einem Netz von Organisationen, Institutionen und Bestrebungen, die meiner. Überzeugung und teilweise auch meiner Kenntnis nach einen unendlich viel größeren Raum in Deutschland tatsächlich einnehmen. Es liegt in unser aller Interesse, daß wir nicht nur in diesem Falle beruhigende Zusicherungen von der zuständigen Besatzungsmacht erhalten, sondern wir würden bitten - ich glaube, auch da mich mit allen Kollegen hier einig zu wissen -,
uns beruhigende Gewißheit geben zu lassen hinsichtlich des Bestehens aller derartigen Organisationen und dafür, daß das nicht nur jetzt, für die Gegenwart gilt, für die Aufklärung, für eine Beseitigung und meiner Ansicht nach auch für eine Bestrafung im vorliegenden Falle, der hier zur Erörterung steht, nämlich des BDJ, sondern wir müßten auch eine gewisse Bürgschaft dafür bekommen, daß es mit allen solchen Tätigkeiten auf deutschem Boden nunmehr endlich ein Ende hat.
Meine Damen und Herren - ich glaube, damit schließen zu können -, in diesem Wunsch sind wir uns wohl alle einig. Wenn diese Angelegenheit - ich halte die Behandlung bisher nicht für sehr glücklich - einen Nutzen hat, so den, die Aufmerksamkeit der Bundesregierung, der deutschen Öffentlichkeit und vielleicht sogar im gewissen Umfang die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf einen Zustand zu richten, der für ein freies, anständiges Volk auf die Dauer unerträglich ist und dessen Beseitigung und Bekämpfung unser aller gemeinsame Pflicht sein sollte.
({15})
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Zunächst eine Bemerkung zu dem Verhalten und zu den Darlegungen der kommunistischen Gruppe dieses Hauses. Herr Fisch hat seine Ausführungen mit den Worten geschlossen: Wir wollen keine Fememorde wieder! Er hat vergessen, etwas hinzuzufügen: Wir wollen in Deutschland auch kein totalitäres System, das keine Achtung vor Menschenleben und Menschenwürde hat.
({0})
Die Verfechter eines Systems, das in Rußland Hunderttausende von Menschen in Kriegsgefangenenlagern umkommen ließ, haben gar keine Veranlassung, hier moralische oder politische Entrüstung zu spielen.
({1})
Meine Damen und Herren! Es ist hier verschiedentlich beklagt worden, daß jetzt noch nicht der geeignete Zeitpunkt sei, diese Dinge zu erörtern. Es ist unverständlich, daß in einer parlamentarischen Demokratie von der Tribüne des Parlaments überhaupt so etwas gesagt werden kann.
({2})
Es gehört sich, daß die Regierung aus besonderen Anlässen vor das Parlament tritt und sagt: das und das ist vorgefallen, und die und die Maßnahmen werden jetzt ergriffen.
({3})
Meine Herren Minister, wenn Sie sich einmal etwas mehr daran gewöhnen möchten, daß zum Parlament ein anderes Verhältnis notwendig ist, dann werden sehr viele Schwierigkeiten nicht auftauchen. Was hinderte den Herrn Innenminister daran, bereits gestern an das Pult zu gehen und zu sagen, daß das vorgekommen ist? Sie sagten, man solle nicht vorher darüber reden. Aber in Hamburg oder sonstwo können Sie darüber reden und versuchen, die Sache zu verniedlichen. Damit schaden Sie erst recht der ganzen Angelegenheit.
Sie sagten, eine zu frühe Erörterung könne dem deutschen Ansehen schädlich sein. Sie haben diese Wendung zwei- oder dreimal gebraucht. Herr Minister, ich möchte Ihnen mal in aller Offenheit et({4})
was sagen. Ein Bundesminister, der glaubte, aus Anlaß der Unterzeichnung der Verträge hier einen Fackelzug veranstalten zu müssen und sich nachher belehren lassen mußte, daß das politisch wohl nicht gut möglich sei, sollte sich nicht an dieses Pult stellen und von deutschem Ansehen und deutscher Würde sprechen.
({5})
Ein weiteres Wort zu den verschiedenen Versuchen - der Herr Bundeskanzler hat das unternommen, der Herr Vizepräsident Schäfer hat es getan, und so etwas hat das auch bei Herrn Friedensburg angeklungen -, die Dinge in Verbindung zu bringen mit den Verträgen und so zu tun, als wenn mit der Verabschiedung der Vertragswerke so etwas nicht wieder vorkäme. Meine Damen und Herren, kennen Sie denn den Inhalt des Vertragswerkes so wenig, daß Sie es wagen, sich auf die Tribüne dieses Hauses zu stellen und so etwas zu behaupten?
({6})
Sie sollten doch etwas vorsichtig sein!
Das Verhalten der Bundesregierung erklärt sich natürlich aus der Schwierigkeit, in der sie sich angesichts dieser Lage befand. Der BDJ war ihr lieb Kind. Man wollte diesen BDJ vor allen Dingen im kommenden Wahlkampf benutzen, um Propaganda für die Bundesregierung zu machen.
({7})
Das war ja letzten Endes auch der Grund dafür, daß man dieser Vereinigung das Geld gegeben hat. Herr Lehr hat dann am Schluß die ganze Geschichte damit etwas abzubiegen versucht, daß er auf die
große kommunistische Gefahr hinwies und sagte, man müsse alle Kräfte unterstützen, die sich im Kampf gegen diese kommunistische Gefahr einsetzten. Es scheint danach so, Herr Innenminister, als wenn der BDJ auch trotz der Dinge, die vorgekommen sind, bei Ihnen immer noch das liebe Kind bleiben solle.
({8})
Aber sehen Sie, es gibt j a Menschen, die aus der Vergangenheit wenig lernen. Ich fürchte beinahe, Sie gehören auch zu diesen. Vor 1933 sind Sie mit ihren politischen Freunden doch deshalb in die Habsburger Front gegangen, weil die Nationalsozialisten sagten: Jetzt vernichten wir den Marxismus,
({9})
und erst nachher mußten Sie feststellen, daß Sie dabei selber mit vernichtet wurden. Ein Mann, der in seinem Leben einen solchen politischen Irrtum einmal ausgekostet hat, sollte nicht wieder darauf hereinfallen, wenn jetzt eine Organisation kommt und sagt: wir helfen euch im Kampf gegen den Kommunismus, und er sollte diesen Leuten kein Geld geben, ohne genauestens überprüft zu haben, was denn hinter einer solchen Organisation tatsächlich steckt.
({10})
Meine Damen und Herren, die Darlegungen des Herrn Ministers waren wirklich weiter nichts als der Bericht - entschuldigen Sie den Ausdruck - eines kleinen Beamten, der sorgfältig eins ans andere reiht, um zu zeigen, daß verwaltungsmäßig nichts verpatzt worden ist. Herr Innenminister - auch Ihnen, Herr Justizminister, muß ich das sagen -, mit dieser verwaltungsmäßigen Betrachtung und Darstellung der Dinge kommen Sie weiß ' Gott in dieser ganzen Angelegenheit doch nicht weiter.
({11})
Der Herr Innenminister hat uns erklärt, es bestehe ein Unterschied zwischen BDJ und dem Technischen Dienst. Ich hoffe, daß Sie sich in dieses Material sehr vertiefen werden. Bis jetzt haben Sie es offenbar nicht getan, Herr Innenminister; sonst hätten Sie diese Behauptung nicht aufgestellt.
Der Herr Minister hat weiter gesagt, beim Pfingsttreffen 1952 habe man deshalb Geld gegeben, weil im Jahre 1951 mal in Hessen vom Amt für Verfassungsschutz gesagt worden sei: Der BDJ ist bis jetzt wenigstens eine verfassungsmäßige oder verfassungstreue Organisation. Herr Bundesinnenminister, inzwischen ist immerhin ein Jahr verflossen. Ich glaube, da hätte wohl Veranlassung bestanden, wieder mal nachzufragen. Außerdem haben Sie in Ihrem Haus so etwas wie das Kuratorium für den Bundesjugendplan. Schließlich hätten Sie, Herr Minister, da doch auch mal anfragen können. Sie hätten dann festgestellt, daß sich dieses Kuratorium für den Bundesjugendplan immer entschieden dagegen gewehrt hat, daß der BDJ irgendwelche Gelder bekommt.
({12})
Sie scheinen in Ihrem eigenen Hause nicht sehr viel Bescheid zu wissen.
({13})
Denn wenn das Kuratorium diese Stellung einnimmt, können Sie doch nicht einen solchen Betrag für das Pfingsttreffen zur Verfügung stellen.
({14})
Der Herr Minister sagte weiter: ja, die Waffen, die gefunden wurden, waren alles amerikanische Waffen, also es hatte keine deutsche Stelle etwas damit zu tun. Herr Minister, ist Ihnen aus der Zeit der schwarzen Reichswehr nicht bekannt, daß die damals bestehenden Waffenlager auch alle Lager der Reichswehr waren und - von Ihrem Standpunkt aus gesehen - die Waffen alle legale Waffen waren? Sie wissen ja, was damit beabsichtigt war und welcher Schaden durch diese Dinge entstanden ist. Behandeln Sie bitte das Parlament nicht wie kleine Jungen, die nicht wissen, was im politischen Leben los ist, wenn Sie solche Behauptungen hier aufstellen.
({15})
Genau so ist es, wenn Sie sich hinstellen und sagen: ja, der Peters ist ja aus dem BDJ ausgeschieden. Auch da sollten Sie die Zusammenhänge wissen und sollten begreifen, daß die Verhältnisse ganz anders liegen. Es tut mir leid, in dieser Schärfe hier sprechen zu müssen; aber es ist notwendig, wenn von der Bundesregierung aus das Parlament in dieser Weise behandelt und ihm zugemutet wird, derartige Darlegungen entgegenzunehmen.
({16})
Nun, meine Damen und Herren, noch ein paar Worte zu den Darlegungen von Herrn Justizminister Dehler. Sowohl der Herr Innenminister wie der Herr Justizminister haben von den Proskriptionslisten gesprochen und haben das auch so etwas verniedlicht, obwohl es vielleicht eine besondere Geschmacksache ist, wenn man einige Frauen herausgreift und in der Öffentlichkeit mitteilt, was von denen in den Listen steht.
({17})
({18})
Aber, Herr Justizminister, Ihnen ist ja doch bekannt, daß diese Listen und diese Karteien laufend ergänzt wurden und dann ergänzt wurden, wenn man besondere politische Feststellungen über einzelne Persönlichkeiten gemacht hatte. Oder muß ich Ihnen noch einmal besonders sagen, wie z. B. die Karteikarte und das, was später dazu geschrieben wurde, bei meinem Parteifreund Wehner gelaufen ist? Ich glaube, nachdem Sie das wissen, hätten Sie das hier nicht mehr in dieser Form darstellen sollen.
Dann ist das Verhalten des Oberbundesanwalts vom Herrn Justizminister als vollkommen korrekt hingestellt worden, und es ist der Ausdruck gefallen, bei der Bundesanwaltschaft seien objektive Beamte. Daran zweifelt von uns niemand, Herr Bundesjustizminister.
({19})
Aber mit der Korrektheit ist nicht das erste Mal ein Reich zugrunde gegangen, und mit dieser Korrektheit könnte auch diese Bundesrepublik unter Umständen wieder zugrunde gehen. Wir brauchen nicht bei der Oberbundesanwaltschaft Beamte, die rein verwaltungsmäßig die Dinge ansehen, sondern wir brauchen in dem Oberbundesanwalt einen Beamten, der von heißer Leidenschaft für die Demokratie und für die Bundesrepublik erfüllt ist und der dann sofort hart und entschieden eingreift, wenn auch nur Anzeichen für eine Gefährdung vorhanden sind. Es mag Ihnen vielleicht lächerlich vorkommen.
({20})
- Es ist hier nur von einem objektiven Beamten gesprochen worden, Herr Schröder.
({21})
Wir haben festgestellt, daß es nicht genügt, an dieser Stelle und an dem Platz, an dem ein Oberbundesanwalt steht, ein objektiver Beamter zu sein,
({22})
ebensowenig wie es genügt, daß die Herren Minister, ob es nun der Herr Innenminister oder der Herr Justizminister ist, mit rein sachlichen Darstellungen ihre Angelegenheiten bearbeiten und verwalten. Meine Herren Minister, ein Minister in der Demokratie und in der Bundesrepublik, der nicht bereit ist, in einem solchen Augenblick, in dem eine Gefährdung sichtbar wird, unter Umständen über den Rahmen der zunächst einmal rein verwaltungsmäßig gezogenen Befugnisse hinauszugehen, selbst auf die Gefahr hin,
({23})
Herr Justizminister Dehler, wenn nachträglich festgestellt werden müßte, daß das Parlament diese Maßnahme nicht billigen kann, ein solcher Minister muß seinen Platz verlassen.
({24})
Es kommt zunächst einmal darauf an, daß hier durchgegriffen wird und festgestellt wird: es geschieht etwas. Wenn man von dem rein Verwaltungsmäßigen aus die Dinge betrachten und verwalten will, ist es in der Regel zu spät. Ich weiß ja, daß Ihnen das sehr unangenehm ist, weil Sie immer noch im stillen, wie es auch bei dem Herrn Bundesinnenminister der Fall ist, glauben, daß solche Organisationen in politischer Hinsicht eine
Unterstützung für Sie sein könnten. Aber täuschen Sie sich nicht; das Beispiel von 1933 sollte Sie alle genügend belehrt haben.
({25})
Das Wort hat der Abgeordnete von Aretin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer heute der ganzen Debatte aufmerksam gelauscht hat, ist doch gelegentlich in Gefahr gewesen, den Kopf schütteln zu müssen über die Darstellungen, die von den verschiedenen Seiten über das gleiche Ereignis gegeben worden sind. Die Darstellung des Herrn Bundesjustizministers verglichen mit den Ausführungen des Herrn Ministerpräsidenten von Hessen konnte einem die ganzen Dinge von Waldmichelbach eigenartig erscheinen lassen. Die Wehrwolf-Romantik aus der Götterdämmerungszeit der SS schien gemeinsam aufgeputzt mit einmal utopischen und einmal nebulösen strategischen Plänen, Dinge, für die wir hier herunten weiß Gott in den gegebenen Zeiten kein Verständnis haben können. Aber dazu möchte ich nichts mehr sagen. Dieser Komplex Waldmichelbach ist so gründlich und so eingehend erörtert worden, wie es nur irgendwie möglich ist.
Ich möchte auf etwas anderes hinweisen. Die „Süddeutsche Zeitung" hat in ihrer heutigen Nummer auf der zweiten Seite eine umfangreiche Darstellung einer Pressekonferenz gebracht, \in der der Herr bayerische Ministerpräsident und Ihr Parteifreund Högner über Dinge berichtet haben, die in sehr nahem Zusammenhang mit dem stehen, was heute zur Debatte steht. Ich darf diese Meldung der Deutschen Presseagentur wohl als bekannt voraussetzen und fortfahren. Vor etwa einem guten Jahr hat das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen der bayerischen Staatskanzlei mitgeteilt, daß ein Stoßtrupp zum Kampf gegen den Bolschewismus die besondere Berücksichtigung, Würdigung und Unterstützung der bayerischen Staatsregierung finden sollte.
({0})
Etwa im März dieses Jahres hat die bayerische Staatsregierung Bedenken bekommen und hat sich diese Organisation näher angesehen. Kennzeichen dieser Organisation war, daß sie streng militärisch organisiert war. Sie war nicht bewaffnet. Das ist ein Unterschied zu den Dingen, die in Waldmichelbach gespielt haben. Sie war nach dem Drei-MannSystem organisiert, d. h. nach dem Grundsatz, daß jeweils immer nur drei Mann einer Geheimorganisation sich kennen. Jeder, der sich dieser Organisation anschloß, mußte einen Verpflichtungsschein unterschreiben, der das Führerprinzip in der reinsten und schärfsten Form herauskristallisiert hat. Interessant ist, daß die Ermittlungen des bayerischen Innenministeriums ergeben haben, daß das Bundesinnenministerium und das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen keine Geldmittel zur Verfügung gestellt haben, sondern daß das Geld von unbekannter dritter, möglicherweise sehr wohlhabender Seite geflossen ist. Im Zuge dieser Ermittlungen wurde Mitte August dieses Jahres der Chef dieser Organisation, ein Herr namens Dörr, durch den Leiter der bayerischen Verfassungsschutzbehörde vernommen. Dieser hat erklärt: „Sehr geehrter Herr Ministerialrat, warum fragen Sie mich hier über diese Geheimorganisation aus, warum richten Sie diese Frage an mich, fragen Sie doch in Bonn im Bundesministerium für
({1})
gesamtdeutsche Fragen nach, dort weiß man Bescheid."
({2})
Es ist mir sehr unangenehm, darauf hinweisen zu müssen. Aber versetzen Sie sich in meine Haut. Welches Vergnügen muß ein Mann, der den Föderalismus auf die Fahne geschrieben hat, empfinden, wenn die Bundesregierung in sein Heimatland, das an sich gegen solche Gedanken ziemlich immun ist, Organisationen hineinträgt, die nicht hineingehören.
({3})
- Ich bin mir nicht klar darüber, was Sie daran so unterhaltsam finden. - Auf diese Erklärung hin, abgegeben vor dem bayerischen Innenministerium, hat sich das Ministerium Ihres Parteifreundes Högner in einem umfangreichen Schreiben an das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen gewandt und gebeten, um Aufklärung besorgt zu sein. Nach etwa 14 Tagen kam eine mehr als wachsweiche Antwort aus Bonn, in der im allgemeinen darauf hingewiesen wird, daß man solche Verbündete schließlich nicht vor den Kopf stoßen könne. Man könne solche Dinge nicht in einem Zeitpunkt verbieten, in dem ein Verbot der Kommunistischen Partei erwogen werde, und dergleichen Dinge mehr. Das Ergebnis davon ist, daß der bayerische Ministerrat sich in den nächsten Tagen mit dem Problem befassen wird, und das Ergebnis davon wird sein, daß wir in Bayern eine Organisation verbieten werden, die von Bundes wegen unterstützt worden ist.
({4})
Sie werden mir jetzt entgegenhalten - der Bundesinnenminister habe dies ausgiebig getan -, im Kampf gegen den Bolschewismus müsse man sich auch solcher Dinge bedienen. Ich will hierzu eines unterstreichen: Gerade unser Kampf gegen den Bolschewismus ist über jeden Zweifel erhaben. Wegen unseres Wesens als heimatverbundene, betont christliche Partei müssen wir dies feststellen. Aber, meine Herren, ich kann die Demokratie nicht mit undemokratischen Mitteln retten. Ich kann den Teufel nicht mit Beelzebub austreiben. Ich muß mich als Föderalist hier mit aller Schärfe dagegen wenden, daß Bundesorgane zu uns nach Bayern hineingetragen und dort unterstützt werden, deren Existenz der bayerischen Regierung teils bekannt, teils unbekannt ist.
Meine Damen und Herren! Sie haben vorhin den Zwischenruf gemacht, ich hätte die Sozialdemokratische Partei in ihrer Argumentation unterstützt. Das mag sein! Aber jedermann trägt auch in der Politik die Verantwortung für das, was geschehen ist.
({5})
Ich möchte noch etwas dazu sagen. Ich habe hier nicht alles ausgeführt, was mir in dem Zusammenhang bekanntgeworden ist. Es wird dringend notwendig sein, daß sich dieses Hohe Haus auch jenen Organisationen zuwendet, die eine Unterhöhlung unserer ordnungsgemäßen einzelnen Bundesstaaten darstellen.
Im- alten Rom galt der Spruch: Videant consules! Es möge die Regierung vorsehen, daß kein Unglück geschieht! - Heute möchte ich aber mit einem anderen Gedanken schließen, nämlich mit dem: Das Spiel mit solchen Organisationen ist ein Spiel mit dem Feuer, und an einem sehr heißen Feuer kann man sich die Hände verbrennen, auch wenn es sehr saubere Hände sind.
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schroder ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich auf sehr wenige Bemerkungen beschränken. Ich glaube, daß die Sache noch nicht so reif ist, um in der Weise diskutiert werden zu können, wie es heute geschehen ist. Vor allem aber ist sie nicht so reif, um eine Reihe von Angriffen zu rechtfertigen, wie sie heute geführt worden sind. Soweit diese Angriffe die Bundesregierung betreffen, wird sie Manns genug sein, dazu selbst Stellung zu nehmen. Ich möchte aber hier einen Angriff und eine Kritik zurückweisen, die an dem Herrn Oberbundesanwalt geübt worden ist. Wenn ich Herrn Mellies richtig verstanden habe, verlangt er von ihm außer einer ihm offenbar zugebilligten Objektivität auch eine - sagen wir einmal - demokratische Leidenschaft. Nun weiß ich nicht, ob Herr Mellies den Vorzug hat, Herrn Dr. Wiechmann zu kennen. Ich habe jedenfalls den Vorzug, ihn zu kennen, und ich weiß, daß er vor 1933 Generalstaatsanwalt am Kammergericht war, daß er von den Nationalsozialisten gemaßregelt und jetzt erst wieder in ein so hohes Amt berufen worden ist. Das sollte auch nach den Maßstäben, wie wir sie hier gemeinsam üblicherweise anlegen, zunächst einmal ein Befähigungsnachweis für die notwendige demokratische Leidenschaft sein.
({0})
Jedenfalls dienen wir weder der Aufklärung dieser Sache, noch dienen wir dem Ansehen unseres Staates und seiner höchsten Vertreter, wenn wir auf diese Weise Angriffe richten in einem Augenblick, in dem es offenkundig ist, daß sie nach Lage der Dinge noch keineswegs gerechtfertigt sein können.
({1})
Meine Damen und Herren, eine zweite Bemerkung! Herr Ministerpräsident Zinn ist in einem Punkte schweigsam geblieben. Er hat nicht zu seiner früheren Behauptung Stellung genommen, daß ein „Kaltstellen" prominenter sozialdemokratischer Politiker beabsichtigt gewesen sei. Das hat er jedenfalls damals dem Herrn Bundeskanzler ausdrücklich gesagt. Ich vermisse in seiner heutigen Erklärung ein ausdrückliches Abrücken davon in dem Sinne, daß dafür die bisherigen Unterlagen aber auch gar keinen Anlaß geben.
({2})
Und nun, meine Damen und Herren, eine dritte Bemerkung. Wir legen Wert darauf, daß eine klare Trennungslinie zwischen dem Bund Deutscher Jugend und dem Technischen Dienst gezogen wird.
({3})
Diese Trennungslinie ist möglich, und sie ist nötig, und sie muß gezogen werden.
({4})
Eine vierte Bemerkung. Kein wirklich Verantwortlicher in Deutschland kann ernsthaft an deutsche „Partisanen" denken. Deshalb ist diese Affäre eine Mischung aus politischem Unverstand und
({5})
militärischem 'Dilettantismus. Wir verurteilen sie, wir möchten sie abgestellt und nicht wiederkehren sehen. Aber, meine Damen und Herren, der Leitartikler der „Welt" von heute morgen hat diese Angelegenheit als die „Sumpfblüte einer verwirrten Zeit" bezeichnet. Nach meiner Meinung hat er damit völlig recht. Wir sollten keinen Zweifel daran lassen, welches denn nun eigentlich der tiefste Grund für solche Vorkommnisse ist wie die, die wir
hier besprechen. Wir leben in einem sehr schwachen Land an der Grenze einer tödlichen Bedrohung, und solange wir nicht dafür gesorgt 'haben, daß ein legaler Schutz unserer Sicherheit geschaffen wird, können wir uns nicht wundern, statt einer anständigen, geordneten Sicherheit allerhand Ereignisse dieser Art zu erleben.
({6})
Was wir heute versäumen, könnten wir eines Tages hinter dem Ural beweinen!
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Eine abschließende Bemerkung. Ohne schlagkräftige Polizei, ohne eine genügende legale bewaffnete Macht werden wir die Probleme unserer Sicherheit nicht meistern. Dieses Hohe Haus wird in wenigen Wochen bei der Ratifizierungsdebatte Gelegenheit haben, zu zeigen, wie es wirklich über die deutsche Sicherheit denkt,
({8})
Es wird dabei zeigen können, ob es bereit ist, den völkerrechtlichen Status Deutschlands entscheidend zu ändern und voranzubringen und ferner eine militärische Ordnungsgrundlage zu schaffen. Wir können uns hier, meine verehrten Damen und Herren, jedes Lamentieren ersparen,
wenn wir den Ernst unserer Situation endlich begreifen und entschlossen handeln.
({9})
Meine Freunde jedenfalls sind dazu bereit! ({10})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erstaunliche Schärfe der Ausführungen des Herrn Abgeordneten Mellies gibt mir doch Veranlassung, ein paar Worte zu sagen.
In diesen noch im Stadium der Entwicklung befindlichen Untersuchungen war nichts anderes möglich, als einen bis zu diesem Zeitpunkt bekanntgewordenen Tatsachenbericht Ihnen vorzutragen und nun zu bekennen, daß wir von diesen Vorfällen abrücken, aber zunächst das Wort dem Oberbundesanwalt und den Gerichten geben.
({0})
Ich konnte nicht eher vor das Hohe Haus treten, bis ich mindestens irgendwelche positiven Unterlagen hatte, und nicht auf Vermutungen oder auf Entstellungen hin hier etwas vortragen.
({1})
Ich möchte mich aber mit aller Entschiedenheit dagegen verwahren, daß zweimal von Rednern der SPD das Wort angeklungen ist, als ob die Mittel des Bundesjugendplanes in irgendeinem Zusammenhang mit der Abwehr ständen.
({2})
Ich habe in meinem Bericht ausdrücklich gesagt, daß keine einzige Mark aus Mitteln des Bundesjugendplans hier gegeben worden ist.
({3})
Und noch einmal die Mahnung an das Hohe Haus: Auf den Schultern des Bundesinnenministeriums liegt heute der ganze Abwehrkampf gegen Umtriebe und Unterwühlungen unerhörten Ausmaßes.
({4})
Sie alle bekommen täglich auf Ihren Schreibtisch Drucksachen, Druckschriften. Millionen werden dafür aufgewandt drüben von der Ostzone und der hinter ihnen stehenden SED-Regierung in Karlshorst. Und wenn wir hier 10 000 Mark eben aufwenden, um dieser Agitation entgegenzutreten, so hat das letzten Endes zur Folge, daß es aussieht, als ob das base Innenministerium an dem. Ganzen die Schuld trägt.
({5})
Ich verzichte darauf, auf die Ausführungen der kommunistischen Redner einzugehen. Daß Sie noch die Stirn haben, hier vor das Hohe Haus zu treten, Sie Linse-Entführer da drüben,
({6})
das ist ganz unerhört!
({7})
Ich komme eben von Berlin. Ich habe an der Zonengrenze gestanden.
({8})
Ich habe die Flüchtlingslager gesehen, in denen die Tausende von Elenden leben, die durch Ihren Terror vertrieben werden.
({9})
Und Sie wollen sich als Hüter des Rechts hinstellen?
({10})
Herr Mellies möchte ich eins sagen. Gewiß, das Innenministerium ist ein politisches Ministerium. Aber wenn Sie fragen, ob ich über den Tatsachenbericht und die rechtlichen Erwägungen hinaus vorgehen kann: Sowohl der Kollege von der Justiz wie ich, wir sind daran gebunden, daß wir in einem Rechtsstaat leben.
({11})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Meine Damen und Herren! Da meine Fraktion meint, daß zu diesem Thema heute schon viel zuviel gesprochen sei, möchte ich mich mit einigen wenigen Thesen begnügen.
These 1. Wir treten hier, weil wir Demokraten sind, alle für die Toleranz ein, und wir können nur die Toleranz bewundern, mit der sich der Bundestag gefallen läßt, daß zu dieser Debatte ein Herr der KPD das Wort nimmt.
({0})
These 2. Wir, die wir älter sind, wissen alle, daß durch Privatarmeen die alte Republik zu Fall gekommen ist.
({1})
({2})
Wir wissen, daß ohne staatliche Kontrolle in einer Hand vereinigte soldatenähnliche Bünde auch heute wieder eine Gefahr sind,
({3})
und wir bedauern auf das lebhafteste, das die amerikanische Regierung oder ihre Unterstellen blind genug waren, ausgerechnet in unserem Land mit solchen Dingen wieder zu beginnen.
These 3. Es ist in hohem Maße bedenklich, daß Vereinigungen irgendwelcher Art für unklare Zwecke Adressen und personelle Angaben sammeln. Wir haben darüber in unserm neuen Strafgesetzbuch nur den § 92, wonach dies nur strafbar ist, wenn es geschieht zum Zwecke der Verfassungsuntergrabung für Stellen außerhalb unseres Hoheitsbereichs insoweit aber auch bezüglich gewisser Nachrichten über Personalien. Wenn wir nun hören, daß in diesem „Technischen Dienst" ein noch aktiver Kommunist, Herr Lüth, den Vorsitz geführt haben soll,
({4})
so möchte ich wissen, ob diese sonderbaren Dossiers nicht wirklich für auswärtige Stellen bestimmt waren. Ich möchte es wissen. Waren sie es nicht, so bleibt die Tatsache der Sammlung solcher Nachrichten - ob in Karteien oder in Listen, ist ja gleichgültig - auf jeden Fall verdächtig.
These 4. Diese Dinge sind eine Sensation. Sie wirken wie eine solche, weil darauf keiner gefaßt war. Aber wir sollten uns hüten, aus der Aktion eine Katastrophe zu machen und durch Teilnachrichten in der breiten Öffentlichkeit Unruhe zu verbreiten, insbesondere durch offenbar übertriebene Behauptungen, die die Gefahr wie einen Riesen an die Wand malen. Man kann auch eine Katastrophe an die Wand malen.
({5})
Endlich, soweit es sich um strafbare Handlungen handelt, ist die Debatte hier schädlich. Mir scheint, daß wir in diesem Punkte den Föderalismus nicht übertreiben dürfen.
({6})
Wir haben hier in Bonn ein politisches Verfassungsministerium, und die Dinge, die in Hessen oder in Bayern oder in Hamburg gedreht werden, bedrohen ja nicht ein Land,
({7})
sie bedrohen den Gesamtstaat. Wir wünschen dem Innenministerium die starke und unerbittliche Hand.
Nun These 5. Was Kollege Schröder schon ausführte: Wir halten es für ausgeschlossen und wir verbitten uns, daß der Bund Deutscher Jugend, der von uns politisch unabhängig ist, mit diesen Umtrieben des „Technischen Dienstes" in einem Atemzug genannt wird. Der Bund Deutscher Jugend sollte jedem von uns, der Drucksachen liest, bekannt sein. Er ist eine erlaubte Organisation, die in harmloser, aber ausgezeichneter Weise dem Propagandaterror der Linken entgegentritt, und das brauchen wir.
({8})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Was ist denn heute eigentlich hier los?
({0})
Es steht doch zur Aussprache auf Grund der Großen Anfrage der SPD der Tatbestand, der sich auf Grund von Feststellungen ergeben hat, die ein Ministerpräsident eines Landes der Öffentlichkeit übergeben hat. Es steht zur Debatte die Tatsache, daß sich in einer Teilorganisation des BDJ, dem der Herr Bundeskanzler vor kurzem noch das bekannte Aufmunterungstelegramm geschickt hat, eine Organisation herausgebildet hat nach echtem alten SA- und SS-Muster
({1})
- wenn Sie es nicht wissen, tun Sie bloß so, als wenn Sie es nicht wüßten - mit der Aufgabe, nach außen hin in Antibolschewismus 'zu machen, nach außen hin die Vorbereitungen zu einem angeblichen Partisanenkrieg für den niemals eintretenden Tag eines Einbruchs der 'Sowjetunion in unser Land vorzubereiten. Sie glauben ja selber nicht an den Schwindel, den Sie hier in dieser Beziehung seit Jahr und Tag erzählen.
In Wirklichkeit geht es hier darum, daß sich, ausgestattet mit Geldern dieser Bundesregierung und der Amerikaner, eine Organisation gebildet hat, die den inneren Terror organisieren und durchführen soll. Und mit solchen billigen Witzchen, wie es der Herr Adenauer heute wieder einmal gemacht hat: er habe „seinen Freund Renner" auf der Liste nicht gefunden, mit solchen billigen Witzchen kommt Herr Adenauer, der sich mit der Betonung seiner angeblichen Freundschaft zu mir anscheinend nur ein Alibi für kommende Tage verschaffen will,
({2})
ja auch nicht am Kernproblem vorbei.
Wir haben hier etwas Typisches erlebt: Die verschiedenen Herren Regierungsvertreter, Minister usw. haben hier mit einer geradezu eleganten Raffiniertheit einen Tatbestand auseinandergequatscht, auseinandergeredet, und am Ende kam etwas heraus, was immer bei Ihren Debatten herauskommt, wenn Sie irgend etwas zu verschweigen haben: die antikommunistische Hetze.
({3})
Der starke Mann,
({4})
der verhinderte Kürassier, Herr Lehr,
({5})
stellt sich hier hin und sagt: Wir haben jetzt die SRP erledigt, -
({6})
Er vergißt ganz, daß auch die NSDAP einmal scheinbar vernichtet worden ist durch einen sozialdemokratischen Innenminister und daß sie trotzdem da war und trotzdem am Ende auch die komischen 'Demokraten 'in den bürgerlichen Parteien vernichtet hat, die per Ermächtigungsgesetz dem Herrn Hitler sogar den legitimen Titel dazu gegeben haben. Das vergißt er vollkommen.
({7})
- Sie waren damals im Reichstag nicht dabei, Herr Gerstenmaier,
({8})
({9})
sonst hätten Sie, wie ich Sie kenne, auch für das Ermächtigungsgesetz gestimmt.
({10})
- Herr Gerstenmaier, ich vermute, daß Sie einiges wissen, was Sie hier noch nicht vorgetragen haben, auf Grund der Aussprache im Vorflur mit den Herren vom CIC. Vielleicht kommen Sie hier herauf und sagen es.
({11})
Also, was ist hier gemacht worden? Nach bewährter Methode wird, wenn etwas zu vertuschen ist, die Walze aufgelegt: Antikommunismus, Antibolschewismus. Der Herr Minister stellt sich hier mit der ihm eigenen Objektivität hin und sagt: Nachdem ich jetzt die SRP erledigt habe, werde ich mich mit Ihnen beschäftigen.
({12})
Er beschäftigt sich mit uns über das Gericht schon seit beinahe Jahresfrist.
({13})
Bisher hat diese Beschäftigung darin bestanden, daß er diesem Gericht ein wildes Sammelsurium von Zeitungsausschnitten als „Beweismaterial" zugestellt hat. Offenkundig versucht er jetzt, das, was er will, auf einem anderen Wege zu erreichen, über den wir uns in der nächsten Woche ausgiebig unterhalten, nämlich auf dem Weg, die einzelnen Kommunisten, die hier sitzen, totzuschießen.
({14})
- Ja, Sie können mir doch nicht ausreden, daß Sie die Aufhebung unserer Immunität beschlossen haben, nachdem der Vertreter des Justizministeriums zu Ihnen gesagt hat, daß man den Verbotsprozeß nicht abwarten könne, daß man vorher Fakten schaffen müsse.
({15}) - Ja, ich bin in zwei Minuten fertig.
Deswegen habe ich Sie nicht unterbrochen, Herr Abgeordneter. - Sie haben von dem Herrn Minister und von Totschießen gesprochen. Ich nehme an, daß Sie diesen Ausdruck nur im übertragenen Sinne meinen.
({0})
Ja, ich habe diesen Ausdruck nur im übertragenen Sinne gebraucht. Ich unterstelle sogar dem Herrn Minister, daß er es nicht fertigbringt, uns totzuschießen.
({0})
Das hat der noch viel stolzere Adolf nicht fertiggebracht. Er bringt es auch nicht fertig. Aber bleiben wir ernst!
Herr Schröder, nun noch ein Wort an Ihre Adresse. Sie haben hier so eine Art Probegalopp für den Wehrbeitrag, den EVG-Vertrag usw. usw. gemacht. Dabei ist Ihnen ein großer politischer Fehler unterlaufen.
({1})
Sie stellen sich hier hin und sagen, die Stabilität dieses Staates muß geschaffen werden durch mehr Polizei und durch Militär.
({2})
Vor vier Wochen hat einer aus Ihren Reihen noch gesagt, die Stabilität dieses Staates müsse durch
„soziale Sicherung" geschaffen werden.
({3}) Ihre „soziale Sicherung" ist also neuerdings der Polizeiknüppel und der Waffenrock! '
({4})
Ich hatte nur das Bedürfnis, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß Sie es einmal mehr verstanden haben, einen Tatbestand dadurch zu vertuschen, daß Sie eine antibolschewistische Hetze gemacht haben.
Und nun noch ein Satz, dann gehe ich.
({5})
Der Herr Lüth, der „alte Kommunist" Lüth, ist eben wieder aufgetaucht. Wir, die wir seit Jahrzehnten in der Arbeiterbewegung stehen, wir Alten, wir wissen, daß der Klassenfeind und heute vor allem auch die Besatzungsmächte systematisch ihre Agenten als Spione und Provokateure in die Arbeiterparteien und -organisationen schicken, und der Herr Lüth war nichts anderes als das. Er hat, wie Sie alle aus Ihren eigenen Zeitungen lesen konnten, selber gesagt, daß er die Gründe seines Eintritts in unsere Partei nicht sagen dürfe und könne, weil er gewisse Personen nicht gefährden dürfe.
({6})
Also gewöhnen Sie sich doch den Witz ab, aus diesem Lüth einen Kommunisten und aus dieser BDJMord-Organisation letztlich auch noch eine kommunistische Organisation zu machen!
({7}) ,
Was dort mit Geldern der Regierung finanziert und organisiert worden ist, das ist eine Organisation, wie sie der Herr Lehr und der Herr Kaiser brauchen, um ihre Kriegspolitik vorzubereiten und durchzusetzen.
({8})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gerade die Ausführungen des Herrn Renner lassen uns die Erkenntnis noch notwendiger werden, als sie uns ohnehin ist, daß die Demokratie aus den Ereignissen der 20er und 30er Jahre den Schluß ziehen sollte, sich gegen die erklärten Staatsfeinde, die erklärten Kämpfer gegen die Demokratie mit allen Mitteln der Entschiedenheit zu wappnen hat.
({0})
Deshalb begrüßen wir das heutige Verbot der SRP, und wir wünschen, daß die Durchführung dieses Verbots auf Grund des Auspruches unseres obersten Gerichtshofs auf eine Weise erfolgt, daß es nicht zu den Umgehungstatbeständen kommt, wie sie in den Jahren 1928 und 1931 einmal von der NSDAP verwirklicht werden konnten. Aber es gehört auch zu derselben Linie, daß dem Verbot der SRP das Verbot der KPD mit allen Konsequenzen folgt.
({1})
Herr Kollege Dr. Schäfer hat bereits die grundsätzliche Einstellung der Freien Demokraten zu dem heute hier diskutierten Problem dargetan. Wir lehnen mit aller Entschiedenheit diese Partisa({2})
nenspielerei mit allen ihren bedenklichen außen-und innenpolitischen Folgeerscheinungen ab. Aber das eine sollte doch immerhin bedacht werden: Wir haben heute zu unserer Genugtuung erfahren, daß die obersten verantwortlichen Stellen der amerikanischen Besatzungsmacht selbst von diesem Technischen Dienst nichts gewußt haben.
({3})
Bedauerlich genug, daß die Einrichtung des Technischen Dienstes durch untergeordnete Stellen der amerikanischen Besatzungsmacht möglich war. Aber immerhin, die maßgeblichen politischen Stellen der amerikanischen Besatzungsmacht haben sich nicht nur jetzt distanziert, sondern sie haben auch dargetan, daß sie in der Vergangenheit nichts davon gewußt haben und daß sie diese Bestrebungen auch nicht gedeckt und gebilligt haben. Das ist doch immerhin sehr wesentlich, sosehr es unsere Aufgabe sein muß, gemeinsam mit den Besatzungsmächten dafür Sorge zu tragen, daß in Zukunft die Wiederholung derartiger Tatbestände innerhalb der Bundesrepublik nicht möglich ist.
Weiterhin sollte der Öffentlichkeit zum Bewußtsein gebracht werden, daß diese Einrichtung untergeordneter amerikanischer Dienststellen bereits weitgehend in Liquidation war und daß ihre Existenz einer sehr bedauerlichen außenpolitischen Situation entsprungen ist, nämlich den Befürchtungen, die man damals in der gesamten westlichen Welt hatte, als die Sowjets den kommunistischen Angriff in Nordkorea eingepeitscht hatten, als dieser kommunistische Angriff in Korea die Befürchtung auftreten ließ, daß auch in Europa ähnliche Ereignisse zu erwarten wären.
({4})
Diese abwegige „Technische Dienst"-Organisation mit der abwegigen Partisanenspielerei ist immerhin einer Situation entsprungen, in der es Herr Dr. Schumacher für richtig hielt, für Deutschland 50 bis 60 Besatzungsdivisionen zu verlangen. Gott sei Dank ist diese Zeit der Nervosität überwunden. Gott sei Dank ' sind wir heute von derartigen Abirrungen weit entfernt, und Gott sei Dank - das sollte unserer Öffentlichkeit zum Bewußtsein gebracht werden - hatten auch die untergeordneten amerikanischen Stellen, die sich mit dieser Partisanenspielerei beschäftigt hatten, aus der gewandelten Situation bereits den Schluß gezogen, daß diese Partisanenspielerei zu liquidieren sei. Es war ja Herr Ministerpräsident Zinn, der hier vorhin darauf hingewiesen hat, daß der letzte Lehrgang im April bis Mai 1952 stattgefunden hat.
Dazu ein weiterer Hinweis. Entgegen dem, was Herr Ministerpräsident Zinn vor 14 Tagen vor dem Hessischen Landtag gesagt hat, haben die heutigen Mitteilungen ergeben, daß in der Proskriptionsliste keine Mitglieder der SPD enthalten waren, sondern nur solche der KPD und der SRP.
({5})
Mißverstehen Sie mich nicht! Ich will damit keineswegs die Bedeutung der Personenkartei verniedlichen. Aber es ist doch ein Unterschied zwischen der Aufstellung einer Proskriptionsliste und der wesentlich harmloser zu beurteilenden Personenkartei. Dieser Unterschied ist in der Darstellung des Herrn Ministerpräsidenten Zinn vor dem Hessischen Landtag nicht zum Ausdruck gekommen,
({6})
sondern damals ist der Anschein erweckt worden - der sich erfreulicherweise jetzt als falsch herausstellt -, als ob gerade auch all die prominenten Sozialdemokraten, die Herr Zinn damals vor dem Hessischen Landtag genannt hat, in der Proskriptionsliste gestanden hätten. Es ist nicht unwesentlich, diesen Unterschied herauszuarbeiten und der Öffentlichkeit zum Bewußtsein zu bringen, daß der heute sich ergebende Tatbestand doch von dem, der vor dem Hessischen Landtag bekanntgemacht wurde, sehr verschieden ist.
({7})
Zum letzten Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben keinerlei Anlaß - und das Gegenteil wäre völlig ungerechtfertigt -, den BDJ in seiner Gesamtheit mit dem Technischen Dienst zu identifizieren. Mögen einzelne Vorstandsmitglieder des BDJ Träger des Technischen Dienstes gewesen sein. Gegen sie sind alle Konsequenzen zu ziehen. Aber das rechtfertigt nicht den Schluß, daß die 22 000 Mitglieder des BDJ diese Tendenzen gewußt und gewollt hätten. Im Gegenteil, alles, was der BDJ
({8})
inzwischen in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht hat, kann nur das eine Urteil rechtfertigen:
({9})
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Diese Organisation steht auf dem Boden der Demokratie.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
({0})
von Thadden ({1}): Ich bin gewohnt, nicht lange zu sprechen, meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst mit der Art befassen, wie Radio Moskau gestern diesen ganzen Komplex behandelte,
({2})
und zwar sagt man, Herr Kollege Renner, daß die Protestbewegung gegen den aufgedeckten faschistischen BDJ und andere Terrororganisationen, die sich mit der direkten Unterstützung der amerikanischen Besatzungsbehörden betätigen, immer größer werde. Man berichtet über Protestversammlungen in Westdeutschland, auf denen ein Verbot der terroristischen und faschistischen Organisationen und die Einstellung der systematischen Vorbereitung zum Massenmord verlangt wird.
({3})
Mit der Vorbereitung zum Massenmord meint man offenbar die hier schon oft zitierten „Abschußlisten". Nach der heutigen Debatte kann man wohl hinsichtlich der Abschußlisten - scheußliches Wort - feststellen: Tant de bruit pour une Omelette, oder besser: Tant de bruit pour ein paar Zinn-Soldaten.
({4})
({5})
1 Denn mehr, meine Damen und Herren, ist es effektiv nicht gewesen.
In diesem Zusammenhang ist nur die Leichtfertigkeit bedauerlich, mit der offenbar gewisse amerikanische Stellen hier Vorbereitungen treffen, die sich im Ernstfall ganz sicherlich nicht in dem Sinne auswirken werden, wie das der Abgeordnete Schröder eben hier ansprach. Herr Dr. Schröder, es mag möglich sein, daß die amerikanische Militärführung ein Interesse daran hat, für den Fall eines amerikanischen Rückzuges, der ja leicht denkbar ist, sich hier einige Nachrichtenvorposten und ähnliches zu erhalten. Das ist denkbar. Dazu braucht man sich aber nur einige Leute zu suchen. Man soll dann aber nicht Leute in der Benutzung von schallgedämpften Pistolen, Sprengmitteln und ähnlichen Dingen unterweisen.
({6})
- Nein, Herr Schröder, das haben Sie nicht behauptet, Sie haben nur die Tätigkeit dieser Organisation in Zusammenhang gebracht
({7})
mit den Verteidigungsanstrengungen, die Sie hier gepriesen und verlangt haben.
({8})
- Ich habe Sie wohl verstanden!
({9})
- Ich habe sehr genau hingehört, was Sie gesagt haben!
({10})
Mit diesen Dingen würde man im Ernstfall nicht mehr erreichen, als daß hier in Westdeutschland ein ganz großes Tohuwabohu losgeht.
({11})
- Herr Kunze, wenn es auch andere gesagt haben, ich möchte es - durch meine Brille gesehen - Ihnen noch einmal sagen,
({12}) und zwar möchte ich Ihnen sagen, es wundert mich, daß diese Dinge von allen Seiten heute mit einer Intensität hier vorgebracht werden, als ob das alles völlig neu wäre, wo diese Dinge doch seit über zwei Jahren im Gange sind und auch zahlreichen Mitgliedern dieses Hauses seit über zwei Jahren bekannt sind. Ich kann nicht verstehen, warum man heute hier eine derartige Aufregung veranstaltet und warum man nicht schon früher - denn die Dinge sind keine Neuigkeit - bei den Amerikanern einen Protest dagegen ,eingelegt hat, daß derartige Sachen auf deutschem Boden geschehen, die sich nur zu unseren Ungunsten und zu unseren Lasten auswirken können.
Das Wort hat der Abgeordnete Meitmann.
Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst im Auftrag meiner Fraktion folgenden Antrag an das Haus zu stellen:
Der Bundestag wolle beschließen,
Die Bundesregierung wird beauftragt, dem Ausschuß für Verfassungsschutz über die Vorgänge, die der Drucksache Nr. 3745 zugrunde liegen, laufend zu berichten.
Sodann ein Wort zu der hier, wie ich glaube, von denen, die diese Angelegenheit nicht so ernst ansehen wie eine ganze Anzahl anderer der Debatteredner, recht unglücklich aufgezogenen Meinung, als ob hier zu trennen wäre zwischen dem BDJ und einer in seinem Organismus entstandenen und tätig gewordenen sogenannten technischen Organisation. Herr Bundesinnenminister, ich weiß nicht, ob Ihr Zeitungsarchiv Sie mit der schleswig-holsteinischen Volkszeitung vom 13. Oktober versehen hat, in der ein Brief der Bundesführung des Bundes Deutscher Jugend, geschrieben unter dem 9. April, in Faksimile abgedruckt ist. Der Brief ist vom Vorsitzenden des BDJ unterschrieben und an den Landesgruppenführer in Kiel, Schleswig-Holstein, Herrn Wilhelm, gerichtet:
Hans-Walter ist übrigens mit Wirkung von
Ostern mit einer besonderen Aufgabe von uns
betraut worden. Herbert übernimmt sein Amt
als Landesführer. Dies zu Deiner vertraulichen
Information.
({0})
Die ganze Debatte, die heute gepflogen worden ist, ist für diejenigen schief gelaufen, die uns vergessen machen wollen, was sie zum großen Teil in der Vergangenheit selber miterlebt haben.
({1})
Darüber, wie diese Dinge ineinandergreifen, halte ich mich ein Wort zu sagen für verpflichtet, der ich wie so mancher andere und auch der Herr Bundesinnenminister - wenn auch an anderer Stelle, in anderer Aufgabe und vielleicht auch in anderem Verhalten - das alles miterlebt habe.
Es liegt eine Parallelität der Dinge und der Behandlung sowohl im Parlament wie in der Öffentlichkeit wie von den höchsten Stellen der Regierung zu diesem Dokument, zu diesen Vorfällen und zu diesen Dingen, die das hessische Ministerium aufgedeckt hat, und zu einer ähnlichen, viel bedeutsameren, für Deutschland aber auch viel verheerenderen Angelegenheit offen zutage. Das ist die Parallelität mit der Behandlung der sogenannten Boxheimer Dokumente. Für diejenigen, die es nötig haben, sich noch einmal in die Lektüre dieser Boxheimer Dokumente zurückzuversetzen, um überhaupt zu wissen, war darin steht, mag P genügen, daß ich diese als Befehl - auch in Hessen fabriziert - herausgegebenen Mordpläne nur in den ersten drei Sätzen dem Parlament und der deutschen Öffentlichkeit in Erinnerung rufe:
Jeder Anordnung der SA-Landeswehr, gleich, von welchem Dienstgrad erteilt, ist sofort Folge zu leisten. Widerstand wird grundsätzlich mit dem Tode bestraft. Jede Schußwaffe ist binnen 24 Stunden an die Landeswehr der SA abzuliefern. Wer nach dieser Frist im Besitz einer Schußwaffe ist, wird als Feind der SA-Landeswehren ohne Verfahren auf der Stelle erschossen. Jeder im Dienst öffentlicher Behörden oder öffentlicher Verkehrsanstalten stehende Beamte, Angestellte und Arbeiter hat sofort seinen Dienst wieder aufzunehmen. Widerstand und Sabotage werden mit dem Tode bestraft. An die Stelle der obersten Staatsbehörden tritt die Führung der SA.
Und wie ist das, nachdem es durch den preußischen Innenminister Severing nach Mitteilungen und Feststellungen des hessischen Innenministers Leuschner am 26. November 1931 veröffentlicht worden ist, von denen behandelt worden, die es
({2})
betraf? Der „Völkische Beobachter": „Unerhörte
Lügenhetze!" „Erwiesenermaßen gemeine Fälschermethode!" Und jetzt die BDJ-Führung: „Die Erklärung des hessischen Innenministers ist unwahr,
zumindest" - vorsichtigerweise! . - „maßlos übertrieben. Ich, der Bundesvorsitzende, Herr Lüth;
werde mir überlegen, gegen den hessischen Ministerpräsidenten Klage zu erheben." Damals
Goebbels im „Angriff" vom 26. November:
„Gemeine Fälschung! Plumpes Wahlmanöver gegen
die hessische NSDAP!" Und heute? Herr Bundesinnenminister, was haben S i e gesagt - und
das ist bis jetzt von Ihnen nicht widerrufen und
hat in allen mir erreichbaren Zeitungen deutlich
und klar gestanden -? : „Ich will meine Meinung",
so haben Sie gesagt, „darüber nicht sagen, warum
der hessische Ministerpräsident Zinn in diesem
Augenblick diese Veröffentlichung gemacht hat."
({3})
Die Ihnen nahestehenden Zeitungen haben das ausgesprochen, was Sie gemeint haben, und ich will es - widerlegen Sie mich! - Ihnen in den Mund legen. Sie hätten den Mut haben sollen, hier vor dem Parlament das auch zu sagen. Sie haben gemeint: das ist alles von langer Hand vorbereitet und ist im Schoß der Schreibtische der hessischen sozialdemokratischen Regierung aufgehoben und nun erst gekommen als Wahlbombe für den Wahlkampf für den neuen Bundestag, der hier dem Parlament und dem deutschen Volke bevorsteht. Da haben Sie die Analogie zu Goebbels von damals! Damals ist dann in drei Tagen unter dem Druck der Beweisführung des hessischen Innenministers Leuschner und der kategorischen Durchführung der Veröffentlichung dieser Dinge durch den preußischen Innenminister Severing nachgewiesen worden: Es waren nicht sieben, wie bei Hitlers Parteigründung, sondern es waren nur sechs, also einer weniger, aber sechs hohe, verantwortliche „Führer" der NSDAP, darunter auch der eigentliche Schöpfer, Herr Dr. Best, die dieses Dokument mit allen Einzelheiten beschlossen und mit ihrer Parteileitung besprochen hatten. Prompt ist der Hauptmann Göring - Hauptmann war er damals noch - zum Innenminister Groener gegangen und hat erklärt, das könne nur eine private Arbeit sein, wenn sie nicht, wie vorher behauptet, rein marxistische Sudelei und Erfindung wäre. Also rückhaltlose Anerkennung dieses Tatbestandes.
Hier ist die Analogie zu dem heutigen gleichartigen Problem; das sollte sich jeder Parlamentarier und jeder politisch verantwortliche Mensch wohl überlegen! Hier liegen die Analogien in der Behandlung der Sache durch die Schuldigen und durch die, die nicht sehen wollen oder nicht zu sehen vermögen, daß Schuldige hier im Spiele sind.
„Es kann sich nur um eine Privatarbeit handeln", so ist gesagt worden; und dann gab Herr Best selbst zu: Ich bin der Verfasser, aber ich habe mit niemandem gesprochen und niemandem das vorgelegt, das war nur so mal eine Idee, die - und hier wieder die Analogie zu unserem Fall - dann nur zum Zuge kommen soll, wenn die kommunistische Revolution die verfassungsmäßige Regierung aus der Macht gesetzt hat.
({4})
Spüren Sie, wie in der Weltgeschichte, wenn die
gleichen Dinge zu gleichen Ergebnissen zu treiben
sich anschicken, auch die Erscheinungen in den Behandlungsmethoden sich außerordentlich gleichen?
Meine Damen und Herren, hier ist mit großem Nachdruck von Herrn Dr. Schröder gesagt worden: Wie kann man auch nur präsumptiv einen Verdacht gegen irgendeinen Anwalt und gegen unseren höchsten Anwalt haben? Wir haben den Verdacht nicht ausgesprochen. Wir haben nur gewollt und hier vertreten - und das haben Sie verschoben, Herr Innenminister -, daß Sie nicht, ehe dieser Anwalt, wie es seine Pflicht war, untersuchte und feststellte, vorzeitig schon das Ergebnis durch Ihre Hamburger Rede festlegten.
({5})
Hier will ich Ihnen - es tut mir leid, daß ich es auf Kosten meiner Redezeit tun muß, aber es ist notwendig, das heute zu tun - einmal das Ergebnis der Behandlung dieses gleichlaufenden, analogen Problems der damaligen Zeit durch den Herrn Oberreichsanwalt Dr. Werner im Wortlaut vorlesen:
Erklärung.
- Und das zwei Tage nachdem diese eben mit- geteilten Tatsachen in der Öffentlichkeit bekannt waren! Das Vorgehen der Darmstädter Polizei ist nicht auf meine Veranlassung hin geschehen. Wie die Polizeibehörde zur Kenntnis des Verdachts strafbarer Handlungen gelangte, ist mir noch nicht bekannt, wie ich auch über das Ergebnis der bisherigen Ermittlungstätigkeit in Darmstadt amtlich noch nicht unterrichtet bin.
Und nun kommt's:
Ich hatte gestern eine Unterredung mit dem preußischen Innenminister in Berlin, die auf Einladung des Ministers erfolgte und bei der mir das Schriftstück vorgelegt wurde, in dem der Versuch des Hochverrats erblickt wird. Dieses Schriftstück soll von Dr. Best herrühren. Dazu gab ich den Rat, als Beweismittel wenigstens die Schreibmaschine des Dr. Best zu beschlagnahmen,
({6})
mit der das Schriftstück hergestellt worden sein soll.
Ich ließ ferner dem preußischen Innenminister raten, seine Absicht, die Presse in großem Ausmaß zu unterrichten, zunächst nicht auszuführen, weil die Untersuchung empfindlich gestört werden könnte, wenn wirklich der Tatbestand des Hochverrats vorläge. Ob das der Fall ist, muß noch geklärt werden.
Die Analogie heute: der Innenminister von Hessen wird vom Bundesverfassungsminister verantwortlich gemacht, daß er diese ungeheuerlichen Dinge, soweit sie ihm bekannt waren, zunächst der Öffentlichkeit bekanntgab und damit auch die Möglichkeit schaffte, sie abzustoppen.
Soweit das Schriftstück Best's als Stütze zur Feststellung des Tatbestandes in Betracht kommt, handelt es sich offenbar um Maßnahmen, die sich gegen eine auf Grund der jetzt geltenden Verfassung im Amte sich befindliche Regierung nicht richten.
Vielmehr ist vorausgesetzt, daß eine solche legale verfassungsmäßige Regierung gestürzt und durch die Herrschaft der „Kommune" ersetzt sei.
({7})
({8})
Diese ungesetzliche „Kommunalherrschaft" sei dann abgelöst durch die Nationalsozialisten, und erst dann sollen die Maßregeln zur Wiederherstellung von Ordnung, Sicherheit und Ruhe in Kraft gesetzt und durchgeführt werden.
Das ist die Erklärung des Oberreichsanwalts aus der damaligen Zeit in einer durchaus vergleichbaren Situation. Ich bin der Meinung, diese historischen Vorgänge und ihre Folgen sollten - so denkt doch wohl jeder loyale demokratische Staatsbürger von heute - den Staatsanwälten und den Richtern und vor allem und in erster Linie den verantwortlichen Trägern der höchsten Bundesgewalt ein zwingender Ansporn sein, erstens größte Objektivität, aber auch größte Energie bei den Nachprüfungen und Untersuchungen anzuwenden und zweitens - und das richte ich an Sie, Herr Bundesinnenminister - sich die unbedingt erforderliche Zurückhaltung in der Abgabe von Urteilen und Bewertungen vor dem Abschluß der Untersuchung aufzuerlegen. Das haben Sie mit Ihrer Prämisse, die Sie und der Bundeskanzler vertreten haben, in Ihrer Rede in Hamburg nicht befolgt. Wenn Sie, Herr Minister, da gefehlt haben - und das haben Sie -, sollten Sie uns im Parlament nicht Lehren geben, Sie sollten diese Lehren vorher selber beherzigt haben! Daran haben Sie, Herr Verfassungsminister Lehr, in erheblichem Maße einen Mangel aufgewiesen. Das sei Ihnen hier vor dem Parlament bescheinigt.
Wir nehmen die Prämisse an. Wir wollen nichts anderes als objektive, aber auch wirkliche und restlose Untersuchung und ein hartes Zugreifen, wenn es nötig ist.
Wir fragen Sie: Wenn Sie seit einem Jahr gewußt haben, daß der BDJ im bezahlten Dienst einer Besatzungsmacht steht, - ({9})
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist leider abgelaufen.
Wenn Sie das wußten, was haben Sie getan? Der Bundeskanzler hat hier vorhin erklärt, daß er am 3. Oktober erstmalig - er hat das allgemein ausgedrückt - „von der Sache" informiert worden sei. Sie haben in Ihrer Rede gesagt, daß Sie die Verfassungsminister der Länder schon sehr viel früher von einer solchen' Absicht der Alliierten verständigt hätten.
({0})
- Ich komme gleich zum Schluß. - Haben Sie den Bundeskanzler, so fragen wir, zu der Zeit, als Ihnen diese Ausbildung im Dienste einer fremden Besatzungsmacht bekannt wurde, auf die Konsequenzen hingewiesen, die eine etwaige Veröffentlichung, wie sie ja jetzt vorliegt, in bezug auf seine eigene Politik - und das war doch eine hochpolitische Angelegenheit - haben müßte,
({1})
nämlich das Offenlegen der Konzeption - ob sie aus Willen oder Unvermögen hergeleitet werden mag - der Alliierten, Deutschland nicht effektiv schützen zu können, sondern es preisgeben zu wollen oder preisgeben zu müssen? Haben Sie das getan, Herr Bundesminister?
({2})
Herr Abgeordneter, ich muß wirklich bitten, daß Sie jetzt Schluß machen. Ihre Redezeit ist um.
Ich will abbrechen. Wir werden j a, wie ich hoffe, den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion einstimmig annehmen; denn es ist ja von allen Seiten gewünscht, die Dinge gründlichst zu untersuchen. Dann werden wir unsere Gesichtspunkte und das Wissen um die Zusammenhänge im Dienste des deutschen Volkes und des Parlaments und des Ansehens der Demokratie vorbringen. Ich bedauere, daß der Bundestag für diese Angelegenheit nicht mehr Zeit und Interesse hat.
({0})
Auch bei der Rede des Herrn Bundeskanzlers - ({1})
Herr Abgeordneter, Sie müssen nun aufhören.
- hätte ich ein volles Haus erwartet.
Herr Abgeordneter, Sie können nicht weiter sprechen.
Aber wir werden bei anderer Gelegenheit uns über diese Dinge unterhalten, wenn wir das Ergebnis der Untersuchung kennen.
Sie haben einen Antrag gestellt; darf ich um ihn bitten?
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Herr Abgeordneter Meitmann hat soeben den Antrag vorgelegt, die Bundesregierung zu beauftragen, dem Ausschuß für Verfassungsschutz über die Vorgänge, die der heutigen Großen Anfrage Drucksache Nr. 3745 zugrunde liegen, laufend zu berichten. Dieser Antrag ist das einzige, was wir entscheiden können. Er ist zweifellos von mehr als 30 Mitgliedern, da er von der Fraktion getragen ist, unterstützt. Also darüber ist kein Zweifel. Werden irgendwelche andere Anträge gestellt?
({0})
Ich stelle den Antrag zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist, dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe nun auf den Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gibbert, Schmitt ({1}), Junglas, Kemper, Dr. Weber ({2}), Jacobs, Dr. Preusker, Dr. Atzenroth, Dr. Mühlenfeld, Freiherr von Aretin und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Steuer auf Schaumwein ({3}) ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({5}) ({6}).
({7})
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Gülich.
({8})
({9})
Meine Damen und Herren, ich bitte doch, die geräuschvolle Unterhaltung nicht innerhalb des Plenarsaales zu veranstalten.
Dr. Gülich ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 37 Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben einen Initiativgesetzentwurf eingebracht, nach dem der Kriegszuschlag auf Schaumwein, der durch eine Kriegswirtschaftsverordnung vom September 1939 eingeführt worden ist, beseitigt und durch eine Verbrauchsteuer auf Schaumwein von 1 DM je Flasche ersetzt werden soll. Der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen hat sich in seinen Sitzungen vom 18. September, 2. und 8. Oktober mit dem Gegenstand des Gesetzentwurfs beschäftigt. Es kam dem Ausschuß darauf an, diesen Gegenstand unter gesamtwirtschaftlichen Gesichtspunkten zu erörtern.
Der Ausschuß hat eingehend untersucht, ob bei Annahme des Gesetzentwurfes die Notlage der Winzer gemildert werden könnte.
({11})
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, die Störungen zu vermeiden. Ich glaube, gerade dieser Gegenstand verdient auch eine gewisse angenehme Aufmerksamkeit.
({0})
Dr. Gülich ({1}), Berichterstatter: Die Schaumweinindustrie ist ein Absatzgebiet für die kleinen, sogenannten unselbständigen Weine, die als solche nicht in den Konsum kommen können, sondern die durch die Sektkellereien veredelt werden Die Winzer sind auf den Verkauf dieser Weine an die Sektkellereien angewiesen. Bodenbeschaffenheit und Klima
lassen andere Kulturen in diesen Gebieten nicht zu, Umstellung in den fraglichen Weinbaugegenden auf andere Agrarprodukte ist also nicht möglich.
Deswegen hat der Ausschuß zunächst die Frage erörtert, wieviel Wein aus der vorjährigen Ernte die Sektkellereien abnehmen können. Die vorjährige Weinernte betrug rund 3 Millionen Hektoliter, von denen noch 40%, gleich 1,2 Millionen, nach den Mitteilungen des Deutschen Weinbauverbandes in den Fässern liegen und die Aufnahme der neuen Ernte blockieren. Von diesen 1,2 Millionen Hektoliter sind 25 bis 30% Qualitätsweine, die noch nicht flaschenreif sind und infolgedessen noch nicht aus den Fässern herausgenommen werden konnten. Von dem restlichen Wein wird noch ein beträchtlicher Teil zum unmittelbaren Konsum abgesetzt werden können. Die Sektkellereien werden nach Annahme dieses Gesetzentwurfs in der Lage sein, in diesem Herbst ca. 50 000 Hektoliter des noch lagernden Weins aus der vorjährigen Ernte abzunehmen, das sind 5 000 Fuder, immerhin eine Menge, die die Notlage in gewissen Gebieten nachhaltig mildem wird.
Der Ausschuß hat sich gerade mit der Frage befaßt, ob es zulässig ist, daß man hier nur nach Gesamtprozenten des Weins, der in die Schaumweinindustrie geht, urteilt. Er hat sich davon überzeugt, daß das nicht möglich ist. Denn die bekannten Qualitätsweinbaugebiete liefern selbstverständlich kaum Wein, der in die Schaumweinindustrie geht, sondern die unselbständigen Weine, die Grundweine für die Schaumweinherstellung, wachsen in Gebieten, in denen 30, 40 und 50% der gesamten Weinproduktion in die Sektkellereien zur Veredelung wandern. Für diese bedeutet also das Gesetz eine wesentliche Hilfe.
Der Ausschuß hat sich in zweiter Linie mit der Lage der Sektkellereien befaßt. Nach dem Gutachten eines Wirtschaftsprüfers, des Diplomkaufmanns Kühl, über die wirtschaftliche Lage der Sektkellereien vom Währungsstichtag 1948 bis zum 31. Dezember 1950 ist die Sektkellereiwirtschaft nur mit etwa einem Drittel ihrer Kapazität ausgenutzt. Das bedeutet von der Kostenseite her eine schwere Belastung, da die geringe Produktion den verhältnismäßig hohen Anteil der fixen Kosten im Rahmen des Gesamtaufwandes tragen muß. Von 25 Betrieben, die mengenmäßig 82% und wertmäßig 93% der Gesamtumsätze der Sektkellereien - bezogen auf das Jahr 1950 - getätigt haben und daher als repräsentativ für die gesamte Sektkellereiwirtschaft angesehen werden müssen, arbeiteten im Jahre 1948/49 mit Gewinn 19, mit Verlust 6 Unternehmungen, im Jahre 1950 nur noch 7 mit Gewinn und 18 mit Verlust und im letzten Jahre noch weniger mit Gewinn, und zwar mit bescheidenem Gewinn. Aus der im Gutachten erstellten Generalbilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung sind folgende wenige Zahlen bemerkenswert: der äußerst große Anteil der Vorräte an den Aktiven - diese Vorräte machen 55% der Aktiven aus -, das Anwachsen der Forderungen von 3 auf 22% und der hohe Anteil des Fremdkapitals mit 47%. 80% der fremden Mittel sind kurzfristig, so daß also in der Sektkellereiwirtschaft eine ungewöhnlich starke Illiquidität festgestellt werden muß. Diese Lage hat zu umfangreichen Entlassungen von Arbeitern geführt. Nach Mitteilung des Verbandes Deutscher Sektkellereien, werden nach Annahme dieses Gesetzes etwa 400 Facharbeiter wieder neu Beschäftigung finden, nachdem insgesamt in den Sektkellereien jetzt 2000 Arbeiter und Angestellte beschäftigt werden.
Die Frage der Preisgestaltung für den Schaumwein ist im Ausschuß besonders erörtert worden, und zwar auf ausdrücklichen Wunsch des Herrn Bundesfinanzministers, der mit Recht der Meinung war, daß auch die Schaumweinindustrie als solche durch Senkung der Preise dazu beitragen müsse, den Umsatz zu heben. Hierzu ist dem Ausschuß dargelegt worden, daß die Durchschnittserlöse pro Flasche vom Jahre 1948/49 mit 6,44 DM im Jahre 1950 auf 5,97, im Jahre 1951 auf 5,18 und im Jahre 1952 auf 5 DM gesunken sind.
Mit Behandlung der weiteren Fragen, die sich aus den Bilanzen und der Gewinn- und Verlustrechnung ergeben, möchte ich Sie jetzt nicht aufhalten. Es ergibt sich, daß zusätzliche Rationalisierungsmaßnahmen, die zu einer weiteren Senkung der Kosten führen könnten, in diesem Wirtschaftszweig nicht möglich sind. Bei der deutschen Sektkellereiwirtschaft handelt es sich also um ein bodenständiges Gewerbe in Gebieten, in denen andere Industrien, die neue Arbeiter aufnehmen könnten, nicht vorhanden sind.
Wir haben weiter im Ausschuß die Frage des Perlweins erörtert, der seit dem Jahre 1948 als Substitutionsgut für den Schaumwein wirtschaftliche Bedeutung gewonnen hat. Der Umsatz an Perlwein einschließlich der „Kalten Ente" beträgt ca. 4 Millionen Flaschen, hat also die Hälfte des Umsatzes des Schaumweins überschritten. Hierzu kommen nun eine Reihe von Praktiken in Gastwirtschaften, die geeignet sind, das Publikum darauf hinzuweisen, daß Perlwein an Stelle von Sekt, aber steuerfrei, eben als Substitutionsgut, verwendet werden soll. Im Verhältnis Perlwein/ Sekt bedeutet es eine Steuervermeidung, soweit
({2})
Perlwein an Stelle von Sekt getrunken wird, und eine Steuerhinterziehung, soweit Perlwein in Nachtlokalen usw. in Unkenntnis des Gastes als Sekt ausgeschenkt wird.
Die Einbeziehung des Perlweins in die Diskussion bedeutet nicht, daß etwa der Schluß gezogen werden sollte - das hat der Ausschuß ausdrücklich gesagt -, daß nun auch der Perlwein besteuert werden müßte; sondern der Ausschuß kam mit überwältigender Mehrheit zu dem Ergebnis, daß auch der Schaumwein nicht besteuert werden dürfte
Über die Frage der Preisgestaltung und den Steueranteil im Preise möchte ich jetzt wegen der vorgeschrittenen Zeit nicht mehr sprechen; vielleicht tun das ja auch die Antragsteller, wenn es nötig ist, in der Diskussion.
Wir haben dann im Ausschuß die Wirkung dieses neuen Gesetzes auf das Gesamtsteueraufkommen erörtert. Das Aufkommen an Schaumweinsteuer betrug 1948 im DM-Abschnitt 21 Millionen DM, 1949 18 Millionen DIVI, 1950 20 Millionen DM und 1951 22,9 Millionen DM. Die Geringfügigkeit dieses Steueraufkommens im Vergleich mit anderen Verbrauchsteuern soll jetzt von mir wegen der Kürze der Zeit nicht dargestellt werden.
Der Finanzminister von Rheinland-Pfalz hat in einem Brief vom 21. Oktober Berechnungen darüber angestellt, wie sich nun dieses Gesetz steuerfiskalisch auswirken würde. Auch der Ausschuß ist zu der Überzeugung gekommen, daß sich durch Annahme dieses Gesetzes der Umsatz an Schaumwein wenigstens annähernd verdoppeln würde, so daß dann etwa 14 bis 15 Millionen DM Verbrauchsteuer aufkämen. Aber der Finanzminister von Rheinland-Pfalz hat nun auch dar- gelegt und im einzelnen berechnet, wie sich die Umsatzsteuer verändern und wie das Mehraufkommen an Einkommensteuer und dergleichen sein wird. Wir haben diese Fragen im Ausschuß mit dem Ergebnis erörtert, daß das Verbrauchsteueraufkommen für den Bund sich mutmaßlich vermindern wird, daß das Umsatzsteueraufkommen für den Bund sich erhöhen wird und daß das Landessteueraufkommen an Lohnsteuer, Einkommensteuer und Körperschaftsteuer und dergleichen auch bei den Zubringerindustrien solche Landessteuererhöhungen bringen würde, daß insgesamt gesehen für die öffentliche Finanzwirtschaft kein Steuerausfall eintreten würde.
({3})
- Nein, Herr Kollege Schoettle.
({4})
- Nein, Herr Kollege Schoettle, das war nicht die einstimmige Auffassung des Ausschusses, sondern die der überwältigenden Mehrheit.
({5})
- Na, so überwältigend - ({6})
Ich wollte bei der Darlegung der einzelnen Anträge auch die Abstimmungsergebnisse sagen - aber ich kann es auf den Einwand der Kollegen Schoettle und Seuffert hin auch gleich tun-, daß in der Gesamtabstimmung im Ausschuß 20 Stimmen für Annahme des Gesetzes waren, drei gegen Annahme bei drei Enthaltungen.
({7})
Das war im Ausschuß eine beachtliche Mehrheit.
Meine Aufgabe ist ja lediglich, zu berichten, was
sich im Ausschuß abgespielt hat, und das tue ich.
({8})
- Aber Herr Bertram, das ist doch kein Gegen-. stand, den wir hier erörtern könnten. Mal kommt da und dort ein Vertreter für einen anderen hinzu. Das ist doch eine ganz übliche Praxis. Es widerspräche den Pflichten des Berichterstatters, zu sagen, daß drei Abgeordnete durch andere ersetzt worden seien. Machen Sie denn denselben Einwand auch bei der Beratung des Bundesvertriebenengesetzes, bei dem wir doch auch eine andere Zusammensetzung - sogar eine wesentlich andere Zusammensetzung - hatten? Ich glaube, das gehört nicht hierher.
({9})
Ich muß Sie jetzt mit den Einzelvorschlägen bekanntmachen, über die der Ausschuß abgestimmt hat. Es wurde von einer Seite beantragt, an Stelle von 1 DM Steuersatz etwa 1,75 DM zu nehmen, was den Preissteigerungen Rechnung tragen sollte. Der Vorschlag ist diskutiert worden, und der Ausschuß kam mit ungefähr der gleichen Mehrheit zu dem Ergebnis, daß eine solche Maßnahme nicht zu einem Erfolge führen könne.
Ebenfalls lehnte der Ausschuß nach einer sorgfältigen Diskussion den Vorschlag ab, die Lage der Winzer dadurch zu erleichtern, daß - bei Aufrechterhaltung des Kriegszuschlages von 3 DM - den Sektkellereien für den Mehrverbrauch deutschen Weines gegenüber einer Referenzperiode der Kriegszuschlag zurückvergütet werden sollte. Für den Teil des Grundweines, der mehr als bisher vom Inland genommen worden ist, wollte der Herr Bundesfinanzminister 2 DM pro Flasche rückvergüten. Nun liegen die Dinge so, daß die Schaumweinindustrie rund 70% des Weines, also des Rohstoffs, den sie verarbeitet, von deutschen Winzern bezieht. Für diejenigen, die das noch etwas genauer wissen wollen, sei gesagt, daß sich in den drei verschiedenen Preisklassen von 1948 bis zum 31. Juli 1952 für die Verarbeitung des inländischen Weines folgende Prozentsätze ergeben haben: in der höheren Preisklasse in vier verschiedenen Sektkellereien 58, 72, 73 und 75 %, in der mittleren Preisklasse 56, 64, 68, 74, 78, 78 und 98 %, in den niedrigen Preisklassen 46, 86, 87, 88, 88, 100, 100 %. Also es gibt auch Sektkellereien, welche nur deutschen Wein verarbeiten; aber darauf im einzelnen einzugehen, würde jetzt zu weit führen. Der Ausschuß kam jedenfalls zu der Überzeugung, daß eine Rückvergütung von Schaumweinsteuer die Notlage der Winzer nicht mildern würde.
Ebenso wurde der Antrag, eine Staffelsteuer einzuführen, d. h. den Schaumwein nach verschiedenen Preisklassen zu besteuern, nach eingehender Beratung abgelehnt, weil die Erfahrungen mit der Staffelsteuer in der Vergangenheit negativ gewesen sind. Die Staffelsteuer würde den weiteren Erfolg haben, daß die Qualitätsschaumweine dann aus Frankreich eingeführt würden.
Nun hat der Ausschuß in den ersten beiden Sitzungen eine gründliche Generaldebatte gehabt,
({10})
in der die gesamten volkswirtschaftlichen und finanzpolitischen Gesichtspunkte erörtert worden sind, deren wichtigste ich, wie ich hoffe, dargelegt habe. Nachdem dies geschehen war und der Herr Bundesfinanzminister erklärte, das Gesetz sei so nicht „marschierfähig", also gesetzestechnisch noch nicht ganz in Ordnung, haben wir uns gern seine Vorschläge geben lassen, und in einer weiteren gründlichen Beratung ist schließlich die Form dieses Gesetzes erarbeitet worden, die Ihnen als Ausschußbericht auf Drucksache Nr. 3727 ({11}) vorliegt.
Ich will über die einzelnen Paragraphen des Gesetzes nicht sprechen, sondern nur über das wenige, was zum Schluß meines Berichts noch erwähnt werden muß. Generell ist zu sagen, daß dieses Gesetz jetzt den üblichen Verbrauchsteuergesetzen angeglichen ist, wobei lediglich ein einziger kleiner Lapsus unterlaufen ist. In § 1 Abs. 3 müßte statt „Geltungsbereich des Gesetzes" wie in anderen Verbrauchsteuergesetzen „Zollgebiet" stehen. Ich werde den Antrag auf redaktionelle Änderung bei der Beratung der zweiten Lesung stellen.
Zu den §§ 3, 9 und 10 ist noch folgendes zu erklären. In § 3 wird gesagt, daß die Steuerschuld dadurch entsteht, daß Schaumwein aus dem Herstellungsbetrieb entfernt oder zum Verbrauch innerhalb des Herstellungsbetriebes entnommen wird. Als Verbrauch im Sinne des Abs. 1 ist auch die Mischung von Schaumwein mit anderen Getränken im Betrieb anzusehen. Der Ausschuß hat dem Bundesminister der Finanzen empfohlen, eine entsprechende Erklärung abzugeben. Der Ausschuß war der Auffassung, daß ein besonderer Absatz über die Steuerschuld bei Vermischung von Schaumwein mit anderen Getränken entsprechend dem § 3 Abs. 2 der Drucksache Nr. 3593 ({12}) nicht erforderlich sei.
Nachdem wir in der Einzelberatung so weit waren, wurde der Gedanke der Rückvergütung, den Herr Finanzminister Schäffer vorher gehabt hatte, von einem Mitglied des Ausschusses wieder aufgenommen, das der Meinung war, man solle eine Mark pro Flasche den Kellereien rückvergüten, die mehr als 75 % deutschen Wein verwendeten. Dieser Antrag ist dann auch im Ausschuß durchgegangen mit der Maßgabe, daß statt einer Mark fünfzig Pfennig pro Flasche festgesetzt wurden, weil eine Mark ja in sehr vielen Fällen den Preis des Grundweins erheblich überschritte. Der Antrag wurde gegen einige Stimmen angenommen, die sich mit ihrer Auffassung nicht durchsetzen konnten. Die Minderheit war der Meinung, daß zum gewissen Teil diese Rückvergütung eine Subventionierung von Firmen sei, die bisher weniger deutsche Weine gebraucht haben, und eine Benachteiligung derjenigen Kellereien, die bisher ganz überwiegend oder ausschließlich deutschen Wein verwendet haben.
Nun muß ich noch den § 10 des Gesetzes behandeln, in dem gesagt wird, daß die Schaumweinsteuer im Gegensatz zu anderen Verbrauchsteuern nicht in den Warenpreis eingerechnet wird, sondern im Anhängeverfahren erhoben werden soll. Also im Gegensatz zum Einrechnungsverfahren etwa bei der Branntwein- und Biersteuer soll sie wie bisher beim Kriegszuschlag im Anhängeverfahren erhoben werden. Das war eine Frage, mit der sich der Ausschuß auch gründlich beschäftigt hat. Er ist zu folgendem Ergebnis gekommen: Wenn der Kriegszuschlag von drei Mark auf eine
Mark ermäßigt und die eine Mark in den Preis eingerechnet wird, dann werden ja vom Gesamtpreis die Umsatzsteuer und alle übrigen Steuern berechnet. Dann tritt in Wirklichkeit eine viel geringere Ermäßigung ein, und die Wirkung auf die kleinen Winzer, die die Antragsteller erwarten, wird nicht eintreten. Wenn aber diese Steuer weiter im Anhängeverfahren erhoben wird, tritt die Ermäßigung von zwei Mark ganz klar in Erscheinung, gleichgültig, ob der Schaumwein in einer Gaststätte oder im Einzelhandel verkauft wird. Nach den Mitteilungen der entsprechenden Verbände werden 75 bis 80 % des gesamten Schaumweins nicht in Gaststätten, sondern im Einzelhandel abgesetzt.
Ein zweiter wichtiger Punkt war der, daß die Einrechnung eine Mehrbelastung für die Sektkellereien gewesen wäre, weil sie ja Umsatz- und Gewerbesteuer davon zahlen müssen, und vor allen Dingen, weil die Steuer im Anhängeverfahren sofort beim Käufer erhoben werden kann, während sie beim Einrechnungsverfahren mit in die sehr viel längeren Kreditfristen eingerechnet werden muß. Infolgedessen wäre die Illiquidität der Sektkellereien weiter verschärft worden. Mit Rücksicht also auf die Betriebsmittellage der schwer darniederliegenden Sektkellereien hat sich der Ausschuß entschlossen, das Anhängeverfahren dem Einrechnungsverfahren vorzuziehen. Denn nach den vorliegenden Bilanzen bestand für den Ausschuß kein Zweifel darüber, daß die jetzt arbeitenden Sektkellereien innerhalb weniger Jahre bis auf einige große zum Erliegen kommen würden. Das konnte nicht der Wunsch irgendeines Mitglieds des Ausschusses sein. Aber der letzte Grund war wohl auch, daß grundsätzlich nicht zugegeben werden sollte, daß auf Schaumwein, auf Wein überhaupt, eine Verbrauchsteuer gelegt werden sollte.
Meine Damen und Herren, ich bin mit der Darlegung der gesetzestechnischen Dinge am Ende meines Berichts. Ich sagte schon, daß sich der Ausschuß mit großer Mehrheit davon überzeugt hat, daß durch dieses Gesetz die Notlage der Winzer erheblich gemildert werden kann. Es handelte sich also für die Mehrheit des Ausschusses nicht darum, irgendein Luxusgetränk zu fördern - das lag jedem Mitglied des Ausschusses fern -, und es ging auch nicht darum, für die Sektproduzenten oder für die Sekttrinker etwas zu tun, sondern es kam dem Ausschuß ausschließlich darauf an, dem kleinen Winzer in den kleinsten Lagen zu helfen. Die unselbständigen Weine finden keinen anderen Abnehmer als die Sektkellereien, und 50 000 Hektoliter gleich 5000 Fuder Mehrabsatz allein in diesem Herbst sind eben eine so wichtige Entlastung, daß wir den 37 Kollegen des Hauses, die diesen Antrag gestellt haben, in ihrer Argumentation folgen konnten.
Die Diskussion um die Weinbesteuerung geht ja seit dem Jahre 1893. Ich habe gerade vorhin noch, Herr Horlacher, die interessanten Ausführungen nachgelesen, die Sie 1926 im Deutschen Reichstag gemacht haben. Der Ausschuß konnte sich nicht mit Fragen befassen, die aus psychologischen Vorurteilen kommen. Der Ausschuß hatte keine andere Aufgabe, als die gesamte Frage unter volkswirtschaftlichen und finanzpolitischen Gesichtspunkten zu prüfen; wenn er das richtig getan hat, braucht er um die Optik nicht besorgt zu sein.
Ich habe also die Ehre, dem Hause die Annahme des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes zu empfehlen.
({13})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein.
Ich rufe auf § 1. Zu § 1 liegt weder ein Änderungsantrag noch eine Wortmeldung vor. Unter diesen Umständen können wir abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem § 1 zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 2. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 679 Ziffer 1 vor. Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat in überzeugenden Worten darauf hingewiesen, daß sich die Zusammensetzung der Ausschüsse ja bei verschiedenen Gesetzen zu ändern pflegt. Er hat auf das Bundesvertriebenengesetz hingewiesen. Ich möchte es aber doch nicht unterlassen, gerade bei diesem Antrag darauf hinzuweisen, daß sich im Finanzausschuß im wesentlichen diejenigen wiederfanden, die den Initiativantrag unterzeichnet hatten. Sicher ist dagegen nichts einzuwenden; sicher ist das üblich. Aber es ist doch sehr die Frage, ob ein solches Verfahren, daß sich in den Ausschüssen jeweils die Unterzeichner eines Initiativgesetzesantrages zusammenfinden und ihre Fraktionskollegen bitten, dann für sie stellvertretend anwesend sein zu dürfen, nicht einen sehr starken Einfluß gewisser Interessentenvertretungen möglich macht und dadurch die Objektivität der Arbeit der Ausschüsse in manchen Fällen überhaupt zu gefährden geeignet ist.
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Gerade im vorliegenden Fall ist es doch so, daß die vom Ausschuß mit Mehrheit beschlossene Fassung möglicherweise - und ich möchte Ihnen das darlegen - die Not der Winzer nicht beheben wird - möglicherweise die Not der Sektkellereien, das kann ich im einzelnen nicht beurteilen -, und zwar die Not der Winzer deshalb nicht beheben wird, weil eine bloß schematische Sektsteuersenkung keinen Einfluß darauf hat, ob die Sektkellereien nun mehr inländischen oder mehr ausländischen Wein verwenden. Die Steuer wird von dem Sekt als Endprodukt erhoben. Es steht den Sektkellereien frei, dort einzukaufen, wo es für ihre kommerziellen Interessen am vorteilhaftesten ist, und wenn das im Ausland ist, dann steht es ihnen frei, ihren Weinbedarf im Ausland zu decken.
Aus diesem Gesichtspunkt war vom Bundesfinanzminister der Vorschlag gemacht worden - und dieser Vorschlag, der vom Bundesfinanzminister angeregt worden war, liegt unserem Änderungsantrag zugrunde -, die Sektsteuersenkung tatsächlich den Winzern zugute kommen zu lassen, tatsächlich dafür zu sorgen, daß nicht eine bloße finanzielle Besserstellung der Sektkellereien erzielt würde, sondern daß der Zweck des Gesetzes, wie er vom Berichterstatter vorgetragen worden ist, auch erreicht würde, indem nämlich die Sektsteuersenkung verkoppelt würde mit höheren Inlandsbezügen. Es ist so, daß bei einem Gesamtinlandsverbrauch von rund 4 000 000 1 rund 300 000 1 in die Sektindustrie gegangen sind. Davon sind im letzten Jahr 65 % aus dem Inland gekommen, und diese Menge könnte ohne weiteres, wie gerade die kleineren Sektkellereien beweisen, noch
erheblich gesteigert werden. Nehmen Sie den Gesetzesvorschlag in der Form an, wie Sie ihn uns hier gemacht haben - gerade diejenigen, die den Antrag unterstützen -, so sollten Sie sich darüber klar sein, daß keinerlei Gewähr dafür besteht, daß nunmehr auch der inländische Wein in die Sektkellereien geht. Es liegt zwar ein kartellmäßiges Abkommen zwischen dem Winzerverband und dem Verband der Sektkellereien vor, aber wer sagt Ihnen, daß nach Abschluß dieser Steuersenkungskampagne dieses Abkommen auch noch innegehalten wird? Der Vorschlag, wie er vom Bundesfinanzministerium gemacht worden ist und wie wir ihn aufgegriffen haben, sichert jedenfalls den inländischen Weinabsatz.
Im einzelnen ist dazu zu sagen, daß wir mit unserem Änderungsantrag zu § -2 bitten, die Sektsteuer auf 3 DM zu belassen und - in § 9 ist das Erstattungsverfahren geregelt - den Herstellern, die im laufenden Rechnungsjahr mehr inländischen Grundwein auf Traubenschaumwein verarbeitet haben als 1951/52, bis zur Höhe von 75 % 2 DM für den Liter Mehrmenge zu erstatten. Da die Sektsteuer grundsätzlich erst zwei Monate nach Versand fällig wird - im Lauf des der Lieferung folgenden Monats -, kann bis dahin das Erstattungsverfahren als ein Vorauserstattungsverfahren durchgeführt werden, so daß eine Verrechnung der Erstattung mit der Sektsteuer möglich ist. Das bedeutet also, wenn tatsächlich eine verstärkte Verwendung von inländischen Weinen erfolgt, denselben wirtschaftlichen Effekt wie die Sektsteuer, nämlich die Verrechnung der Sektsteuerschuld mit dem Anspruch auf Vorauserstattungsforderung, und diese beiden sich gegenüberstehenden Dinge, Schulden an die Finanzverwaltung und Forderung auf Erstattung - nur abhängig von der Verwendung inländischen Weines -, stellen wirtschaftlich dasselbe dar für die Sektkellereien, es bedeutet für sie aber einen absoluten Zwang, mehr inländischen Wein zu verwenden. Die Kellereien, die nun schon mehr deutschen Wein verwendet haben und in der Vergangenheit sich nicht wie gerade die größeren Sektkellereien vorzugsweise ausländischen Wein haben kommen lassen, werden dadurch begünstigt, daß man ab 75 % der Gesamtmenge ihnen für die letzten 25 % eine absolute Vergütung von 2,50 DM je Liter zurückerstattet und dadurch gerade die kleineren Sektkellereien, denen es bekanntlich aus Mangel an Kapital für die manchmal recht eigenartige Sektreklame nicht besonders gut geht, in besonderem Maße begünstigt. Durch diese Art der Rückerstattung wird auch das Preisgefüge günstig beeinflußt. Diejenigen Kellereien, die nämlich zu stärkerem Bezug von Inlandswein übergehen - und dazu zwingt sie dieses Verfahren -, sind in der Lage, billiger zu verkaufen als die anderen, die das nicht tun. Man komme mir nicht mit dem Einwand, daß j a schon jetzt die Sektkellereien durch das Sektsteuersystem sich nicht zu Preiskonzessionen bereitgefunden hätten. Tatsächlich ist es so, daß die Preisgestellung der einzelnen Sektkellereien außerordentlich unterschiedlich ist und daß deshalb die Frage der Preisverbilligung durch ein solches System ebenfalls in günstigem Sinne beurteilt werden muß.
Unser Vorschlag bringt insgesamt eine Belastung des Haushalts von rund 5 Millionen DM im Jahre mit sich, während die Vorlage des Ausschusses eine Belastung von 10 bis 11 Millionen vorsieht. Es handelt sich bei dem Sekt um ein Konsumgut, dessen Bedarfskoeffizient nicht elastisch ist. Tatsäch({1})
lich ist der Sektbedarf weitgehend unelastisch. Wir wissen das aus den Absatzzahlen. In Normaljahren hat die Sektindustrie einen Absatz von 11 bis 12 Millionen Flaschen gehabt. Für eine Kindtaufe, für das Jahresfest oder für manche sonstigen Familiengelegenheiten wird eben eine Flasche Sekt verbraucht. Der Absatz von Sekt ist aber nicht wie bei anderen Gütern unbeschränkt steigerungsfähig. Es kommt also darauf hinaus, daß die jetzt vorgeschlagene Senkung einen effektiven Ausfall für den Haushalt bedeutet, ohne einen Ausgleich durch zusätzliche Umsätze möglich zu machen.
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Endlich: Die Sektsteuer ist eine derjenigen Steuern, die man als Maßsteuern bezeichnen kann. Sie ist zwar eine Verbrauchsteuer, aber eine Verbrauchsteuer, die dem Ideal der Maßsteuer doch sehr nahekommt. Es ist eine indirekte Steuer, die nicht wie die Salz-, Zündholz- und Zündmittel- und die Zuckersteuer den breiten Konsum belastet, sondern den Konsum nur in dem Maße belastet, wie er belastet zu werden verdient. Eine Senkung der Sektsteuer ohne die Gewähr, daß dafür verfügbare Beträge dem notleidenden Winzer zugute kommen, würde im ganzen Steuersystem zur Herbeiführung einer ungerechten Bevorzugung dieses Artikels führen, während wesentlich wichtigere Dinge wie z. B. Zucker, Salz und Zündmittel nach wie vor auf eine Senkung warten müßten. Der Betrag von 5 Millionen, der zur Verfügung stünde, würde dann besser für eine Senkung der Salzsteuer verwendet werden, aber nicht für eine Senkung der Sektsteuer, wenn es also nicht gelingt, diesen Betrag auch wirklich den Winzern zuzuführen. Das ist der entscheidende Fehler. Deshalb o lehnen wir den Vorschlag des Ausschusses ab und bitten Sie, unserem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
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Das Wort hat der 'Abgeordnete Schmitt ({1}).
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- Dann liegen weitere Wortmeldungen nicht mehr vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über § 2. Es liegt vor der Änderungsantrag, der soeben begründet worden ist. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Wir stimmen über den § 2 in der Fassung der Ausschußbeschlüsse ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. - Angenommen.
Ich rufe auf die §§ 3, - 4, - 5, - 6, - 7. - Zu den aufgerufenen Paragraphen liegen Änderungsanträge und Wortmeldungen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den §§ 3 bis '7 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe nun auf den § 8. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 679 Ziffer 2 vor. Wird das Wort dazu gewünscht? ({3})
Das ist nicht der Fall. Dann können wir die Aussprache schließen und gleich abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem aufgerufenen Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 8 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun auf § 9, dazu einen Änderungsantrag der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 679 Ziffer 3.
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- Ich habe über die Anträge abstimmen zu lassen, wie sie vorliegen. - Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 9 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun auf die §§ 10, - 11, - 12, - 13, - 14, - 15, - 16, - 17, -, Einleitung und Überschrift. Dazu ist das Wort nicht gewünscht und auch kein Änderungsantrag gestellt. Ich kann also die Aussprache schließen. Wir stimmen ab über die §§ 10 bis 17, Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Sie sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort ist nicht gewünscht. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Wir treten ein in die Einzelberatung. Da keine Änderungsanträge gestellt sind, habe ich keine Paragraphen im einzelnen aufzurufen. Ich kann also jetzt abstimmen lassen. Ich bitte diejenigen, die den §§ 1 bis 17, Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen dann zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als Ganzem ihre Zustimmung geben, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist damit in dritter Beratung angenommen und verabschiedet.
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Meine Damen und Herren! Eigentlich ist der Zeitpunkt erreicht, wo wir die Absicht hatten aufzuhören. Ich habe allerdings keine Wünsche gehört.
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- Es ist beantragt worden, die Sitzung abzubrechen. Dem wird jedenfalls nicht widersprochen.
Die nächste, die 236. Sitzung des Deutschen Bundestags berufe ich auf Donnerstag, den 30. Oktober, 9 Uhr 30.
Die 235. Sitzung ist damit geschlossen.