Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Ich eröffne die 233. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Schatz, Dr. Luchtenberg, Dr. Leuze, Majonica, Leibfried, Dr. Semler, Hagge, Etzel ({0}), Gerns, Dr. von Brentano, Albers, Kalbfell, Gockeln, Löfflad, Wallner, Jahn, Böhm, Henßler, Stücklen, Jaffé, Müller-Hermann, Dr. Hoffmann ({1}), Dr. Pfleiderer, Dirscherl, Dr. Ehlers, Feldmann, Dr. Pferdmenges, Frau Thiele, Agatz, Fisch, Reimann, Harig, Paul ({2}).
Meine Damen und Herren! Wir haben heute mit Erschütterung gelesen,
({0})
daß in England ein Zugunglück etwa hundert Todesopfer gefordert hat. Ich bitte Sie, mich zu ermächtigen, dem britischen Unterhaus mitzuteilen, daß der Deutsche Bundestag dieser Opfer in Trauer gedenkt. - Ich danke Ihnen.
Für den ausgeschiedenen Abgeordneten Dr. Nowack ist der Abgeordnete Eberhard neu in den Deutschen Bundestag eingetreten. Herr Abgeordneter Eberhard, ich begrüße Sie im Namen Ihrer Kolleginnen und Kollegen.
Herr Kollege Gengler hat am 8. Oktober seinen 66. Geburtstag gefeiert. Ich hoffe, daß dieses Mal die Altersangabe stimmt
({1})
und daß er sich nicht durch den Glückwunsch des Präsidenten künstlich gealtert fühlt. Ich spreche ihm die Glückwünsche des Hauses aus.
({2})
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Bundesminister der Finanzen hat unter dem 2. Oktober 1952 die Kleine Anfrage Nr. 291 der Fraktion der Deutschen Partei betreffend früheres Luftwaffenlazarett Westerland - Drucksache Nr. 3681 - beantwortet. Das Schreiben wird als Drucksache Nr. 3740 vervielfältigt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 6. Oktober 1952 die Auffassung der Regierung zu dem Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 206. Sitzung betreffend Ermäßigung für Schülerfahrkarten dargelegt. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3741 vervielfältigt.
Entsprechend einer Vereinbarung in der heutigen Sitzung des Ältestenrats sollen an der Tagesordnung einige Veränderungen vorgenommen werden.
Zunächst soll Punkt 7 der Tagesordnung - erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes - als Punkt 2 behandelt werden. Der Tagesordnungspunkt soll ohne Aussprache an den Ausschuß überwiesen werden. Der Ausschuß wird während der Plenarsitzung tagen. Die zweite und dritte Beratung wird gegen Ende der Sitzung aufgerufen werden, so daß dieses Gesetz heute verabschiedet werden kann.
Nach Punkt 12 wird die erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. Müller ({3}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes erfolgen und ein Antrag des Abgeordneten Dr. Dr. Müller ({4}) betreffend Preise für Zuckerrüben und Zucker beraten werden.
Nach Punkt 15 wird der Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dr. Meitinger, Dannemann, Tobaben, Kriedemann und Genossen betreffend Erhaltung des deutschen Flashs- und Hanfanbaues beraten; und auf Grund einer weiteren Vereinbarung im Ältestenrat wird Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Gibbert, Schmitt ({5}), Junglas, Kemper, Dr. Weber ({6}), Jakobs, Dr. Preusker, Dr. Atzenroth, Dr. Mühlenfeld, Freiherr von Aretin und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Steuer auf Schaumwein ({7}) ({8});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({9}) ({10}),
für heute abgesetzt.
Ist das Haus mit dieser Veränderung der Tagesordnung einverstanden? - Das ist der Fall.
Zur Tagesordnung hat der Abgeordnete Kuhlemann das Wort.
Zu Punkt 13 der Tagesordnung möchte ich im Auftrag des Ausschusses für Außenhandelsfragen beantragen, diesen von der Tagesordnung abzusetzen. Der Ausschuß ist damals vom Plenum zur Mitarbeit an diesem Punkt eingesetzt worden. Er hat seine Ansicht zu diesem Punkt dem Ernährungsausschuß noch nicht mitteilen können. Der Ernährungsausschuß hat diesen Punkt von sich aus auf die Tagesordnung gesetzt. Wir sind noch nicht gehört worden, und ich bitte daher, diesen Punkt abzusetzen.
({0})
Es wird beantragt, Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Zweiten Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD und den Änderungsantrag der Fraktion der FU ({1}) betreffend Preise für Butter und Kartoffeln ({2}),
abzusetzen. Wortmeldungen zu diesem Antrag? Es meldet sich niemand zum Wort. Dann lasse ich
über diesen Antrag abstimmen. Wer einverstanden
({3})
ist, daß dieser Punkt von der Tagesordnung abgesetzt wird, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist die große Mehrheit; dieser Punkt ist von der Tagesordnung abgesetzt.
Damit ist die Tagesordnung genehmigt.
Ich habe dann noch bekanntzugeben: Der Vorsitzende des Ausschusses zum Schutze der Verfassung bittet, mitzuteilen, daß der Ausschuß heute im Anschluß an die Plenarsitzung in Zimmer 214 Süd zusammentritt. Beratungsgegenstand: Erörterung der Vorgänge in Hessen.
Der Finanzausschuß versammelt sich nach Beratung von Punkt 2 in Zimmer 02.
Ich rufe nun Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/ DPB, FU ({4}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über den Kapitalverkehr ({5}).
Wird der Entwurf begründet? - Das scheint mir nicht notwendig zu sein. Das Haus nimmt den Entwurf ohne Begründung entgegen.
Ich rufe auf zur allgemeinen Aussprache erster Lesung. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir treten ein in die
zweite Beratung.
§ 1, - § 2, - § 3, - Einleitung und Überschrift.
- Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist die zweite Beratung geschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wir treten ein in die Einzelberatung: § 1 bis § 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, dies durch Erheben von den Sitzen zu bezeugen. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nunmehr als Punkt 2 den alten Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes ({6}).
Es soll wohl bei der Vereinbarung bleiben, daß dieser Entwurf unmittelbar an den Ausschuß überwiesen wird. - Keine Wortmeldungen. Es ist der Antrag gestellt worden, den Entwurf an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Kein Widerspruch; es ist so beschlossen. Gegen Ende der Sitzung wird, wenn der Bericht des Ausschusses kommt, zur zweiten und dritten Beratung aufgerufen werden. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung . vorläufig erledigt.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend das Protokoll vom 26. Juli 1952 über die Erstreckung der Zuständigkeit des Schiedsgerichts auf Streitigkeiten aus dem am 26. Mai 1952 in Bonn unterzeichneten Abkommen über die steuerliche Behandlung der Streitkräfte und ihrer Mitglieder ({7}).
Wer begründet den Entwurf? - Ist das Haus bereit, den Gesetzentwurf ohne Begründung entgegenzunehmen? - Kein Widerspruch.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache der ersten Lesung. An welchen Ausschuß soll dieser Entwurf überwiesen werden?
({8})
- Ich nehme an, daß der Auswärtige Ausschuß der richtige Ausschuß sein wird. - Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die Festsetzung einer Betriebsgrenze für ostwärts der deutschniederländischen Landesgrenze liegende Steinkohlenfelder vom 18. Januar 1952 ({9}).
Auch hier soll eine Begründung durch die Regierung nicht erfolgen. Es wird auf die schriftliche Begründung verwiesen. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Ich nehme an, daß Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Auswärtigen Ausschuß als federführenden Ausschuß gewünscht wird. - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
({10})
- Gegen Ihren Widerspruch, Herr Renner!
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegsvorschriften gehemmten Fristen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung ({11});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({12}) ({13}).
({14})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Horn als Berichterstatter.
Horn ({15}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Gesetzentwurf, der in zweiter und dritter Lesung beraten werden soll, handelt es sich um eine einfache Materie. Auf Grund des § 2 Abs. 1 des Gesetzes über weitere Maßnahmen in der Reichsversicherung aus Anlaß des Krieges vom 15. Januar 1941 war bestimmt worden, daß der Ablauf von Fristen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung während der Kriegsdauer gehemmt ist, d. h. also, daß die in der Reichsversicherungsordnung festgelegten Fristen für die Dauer des Krieges aufgehoben waren. Im § 18 des gleichen Gesetzes war
({16})
insbesondere gesagt, daß Fristen des § 1442 Abs. 1 und 2 der Reichsversicherungsordnung, innerhalb derer Beiträge noch wirksam entrichtet werden können, frühestens mit dem auf das Kriegsende folgenden Kalenderjahr ablaufen.
Nun hat sich in der Zeit nach 1945 diese Sache durchaus unterschiedlich in den einzelnen Ländern abgespielt. So ist für den Bereich der britischen Zone insbesondere durch die Sozialversicherungsanordnung Nr. 10 vom 24. Juni 1947 für den Fristablauf in der Sozialversicherung der Tag des Kriegsendes auf den 31. Dezember 1946 festgesetzt worden. In einigen Ländern der Bundesrepublik sind einzelne Vorschriften, die sich auf den Zeitpunkt des Kriegsendes beziehen, außer Kraft gesetzt worden. So hat beispielsweise das Gesetz Nr. 18 im Lande Bayern den § 2 des Gesetzes über weitere Maßnahmen in der Reichsversicherung aus Anlaß des Krieges vom 15. Januar 1941 für den Bereich des Landes Bayern aufgehoben. Auch in Berlin sind die meisten auf das Kriegsende abgestellten Fristen durch gesetzliche Vorschriften oder durch satzungsmäßige Anordnungen in der Zwischenzeit geändert bzw. beseitigt worden.
Der vorliegende Gesetzentwurf will nun im Bundesgebiet in dieser Beziehung wieder eine einheitliche Rechtsregelung schaffen. Dabei wird davon ausgegangen - wie es der § 1 des Gesetzes vorsieht -, daß, soweit in einzelnen Ländern der Bundesrepublik in der Zwischenzeit von dieser gesetzlichen Regelung abweichende Vorschriften getroffen worden sind, is bei diesen Vorschriften sein Bewenden haben soll. Die vorliegende Gesetzesvorlage bestimmt nun als den Tag des Kriegsendes im übrigen, also für das übrige Bundesgebiet, den 31. Dezember 1950. Von da an beginnen also die Fristen, wie sie die Reichsversicherungsordnung vorsieht, wieder zu laufen.
Ich kann mich als Berichterstatter im wesentlichen auf den. Gesetzentwurf der Bundesregierung beziehen und will nur ganz kurz die Bestimmungen erwähnen, die der Sozialpolitische Ausschuß, indem er zum Teil damit auch den Vorschlägen des Bundesrats gefolgt ist, in Abänderung der Regierungsvorlage Ihnen zur Entscheidung vorlegt.
In § 1 des Gesetzes sind, der Anregung des Bundesrats folgend, die Worte „oder im Lande Berlin" eingefügt worden.
In § 2 ist, wiederum in teilweiser Befolgung der Vorschläge des Bundesrats, am Schluß eine Änderung der Regierungsvorlage vorgenommen worden. In der Regierungsvorlage war vorgesehen, daß Renten, die bisher abweichend von den in § 2 festgelegten Vorschriften festgestellt worden seien, auf Antrag neu festzustellen seien, wenn der Antrag bis zum 31. Dezember 1952 gestellt werde. Der Sozialpolitische Ausschuß ist der Meinung, daß es mit Rücksicht darauf, daß wir uns ja schon nicht mehr allzuweit vom 31. Dezember 1952 befinden oder, mit anderen Worten, daß es noch einige Wochen dauern wird, bevor dieses Gesetz verkündet werden kann, nicht bei dem 31. Dezember 1952 verbleiben sollte. Der Ausschuß schlägt vor, diesen Termin auf den 30. Juni 1953 hinauszuschieben. Der Ausschuß ist der Meinung, daß man diesen Zeitraum den in Frage kommenden Personen, die sich eventuell entschließen würden, einen Neufeststellungsantrag zu stellen, biligerweise einräumen sollte. Der Ausschuß schlägt weiter vor, folgenden Satz hinzuzufügen:
Das gleiche gilt, wenn ein Antrag auf Rentengewährung abgelehnt oder nicht gestellt worden ist, weil die Voraussetzungen für die Rentengewährung nach Eintritt des Versicherungsfalles weggefallen sind.
Ich glaube, einer besonderen Begründung auch dieser
Ergänzung bedarf es kaum. Auch diese zusätzliche
Formulierung empfehlen wir Ihnen zur Annahme.
In § 3 ist dann wiederum neben den Worten „in den Teilen des Bundesgebietes" eingefügt worden: „und im Lande Berlin, sofern dort die Nachentrichtung von Beiträgen bisher abweichend von den §§ 1442 und 1444 der Reichsversicherungsordnung zulässig war".
Des weiteren ist i111 § 3 noch folgendes geändert worden. In der Regierungsvorlage hieß es:
Dies gilt jedoch nur, wenn die Quittungs- oder Versicherungskarten, in denen diese Beiträge nachgewiesen sind, innerhalb von 2 Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes zum Umtausch eingereicht werden.
Der Ausschuß hat diese Formulierung „innerhalb von 2 Monaten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes" in einen konkreten Termin umgewandelt. Der Ausschuß empfiehlt zu sagen: „bis zum 31. März 1953 zum Umtausch eingereicht werden".
Schließlich hat der Ausschuß den § 4 hinsichtlich der Berlin-Klausel in den Wortlaut gebracht, wie er seit der Verabschiedung des Dritten Überleitungsgesetzes vom Januar 1952 üblich ist. Der Ausschuß empfiehlt für den § 4 Abs. 2 folgende Fassung:
Dieses Gesetz gilt nach Maßgabe des § 13 des Gesetzes über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes ({17}) vom 4. Januar 1952 ({18}) auch im Lande Berlin.
Das sind die wenigen Änderungen, die der Sozialpolitische Ausschuß an der Regierungsvorlage vorgenommen hat. Ich darf im Namen des Ausschusses das Hohe Haus bitten, der Vorlage in der Fassung der Ausschußbeschlüsse zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf § 1. - Keine Wortmeldungen. § 2, - § 3, -§ 4, - § 5, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen zur zweiten Beratung liegen nicht vor.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. §§ 1 bis 5, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich von seinem Platz zu erheben. - Einstimmige Annahme.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über das Zusatzprotokoll zum
Abkommen zwischen der Bundesrepublik
({0})
Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({2}) ({3}).
({4})
Ich erteile das Wort zur Berichterstattung dem Abgeordneten Meyer ({5}).
Meyer ({6}) ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir durften nach der Verabschiedung des Abkommens zwischen der Bundesrepublik und der Republik Österreich in der 177. Sitzung am 23. November 1951 hoffen, daß nunmehr die sozialversicherungsrechtlichen Beziehungen auf der Grundlage der Gegenseitigkeit zwischen den beiden Ländern neu geordnet waren. Leider war dies ein Trugschluß, denn der Alliierte Rat in Wien hat der Ratifizierung durch die österreichischen gesetzgebenden Körperschaften nur unter der Bedingung zugestimmt, daß der Art. 30 des Abkommens entfällt. Dieser besagte:
Die diplomatischen und konsularischen Behörden der beiden Vertragsstaaten sind berechtigt, ohne besondere Vollmacht die ihnen
angehörenden Berechtigten gegenüber allen
Trägern und Behörden der Sozialversicherung
des anderen Staates zu vertreten.
Um das Wirksamwerden des Abkommens nicht für unbestimmte Zeit zu verzögern, hat das österreichische Parlament unter diesem Vorbehalt das Ratifizierungsgesetz bereits verabschiedet. Die österreichische Regierung hat vorgeschlagen, der Entschließung des Alliierten Rats Rechnung zu tragen und in einem Zusatzprotokoll zu vereinbaren, daß der Art. 30 des Abkommens entfällt. Auf dieser Grundlage waren neue Verhandlungen zwischen den beiden Regierungen notwendig. Deutscherseits ging man von der Voraussetzung aus, daß den Bestimmungen in Art. 30 größere Bedeutung nur bei Abkommen zwischen Ländern mit verschiedensprachiger Bevölkerung zukomme. Gegenüber Österreich ist eine solche Regelung zwar zweckmäßig, aber nicht unbedingt erforderlich. Sie war auch im deutsch-österreichischen Gegenseitigkeitsvertrag über Sozialversicherung vom 5. Februar 1930 nicht enthalten. Hinzu kommt - und das scheint mir wichtig zu sein -, daß in Osterreich selbst sechs halbamtliche deutsche Fürsorgestellen, die deutsche Delegation in Wien sowie fünf Fürsorgestellen in Graz, Klagenfurt, Innsbruck, Linz und Salzburg, bestehen, deren Aufgabe unter anderem darin besteht, die Deutschen in allen Fragen der Sozialversicherung und insbesondere bei Durchführung des Abkommens zu beraten und zu vertreten.
In Art. 14 des Schlußprotokolls des Abkommens waren Spezialfragen der Sozialversicherung aus den Gebieten Reutte ({8}) und Vorarlberg angesprochen worden, die in dem vorliegenden Zusatzprotokoll lediglich deshalb erwähnt werden, da die ursprünglich vereinbarten Termine der Rechtsangleichung in diesen beiden Gebieten aus den von mir angeführten Gründen nicht eingehalten werden konnten. Ich darf den Wunsch aussprechen, daß nunmehr von beiden Seiten eine schnelle Ratifizierung, die noch einmal ausdrücklich in dem Protokoll gefordert wurde, erfolgt, da seit dem Zusammenbruch sämtliche Zahlungen nach Österreich und aus Österreich in die Bundesrepublik ruhen. Es ist wohl der Wunsch aller in diesem
Hause, daß dieser Zustand so schnell wie möglich beendet wird.
Aus diesem Grunde empfiehlt Ihnen der Ausschuß für Sozialpolitik die Annahme dieses Zusatzprotokolls - Drucksache Nr. 3376 - zum Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf zur zweiten Beratung Art. 1, - Art. 2, - Art. 3, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme. Die zweite Beratung ist abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Das Wort zur allgemeinen Aussprache wird nicht gewünscht. Ich rufe auf Art. 1 bis 3, Einleitung und Überschrift. - Wer diese Bestimmungen annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme. Da es sich um ein Gesetz über einen Vertrag mit einem auswärtigen Staat handelt, findet keine Schlußabstimmung statt.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Entschädigung an ehemalige Kriegsgefangene und Zivilinternierte für in der Kriegsgefangenschaft geleistete Arbeit ({0});
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hütter, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend Entschädigungsgesetz für Arbeitsleistungen ehemaliger Kriegsgefangener ({1});
c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hütter, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP betreffend KriegsgefangenenGedenkwoche ({2});
d) Beratung des Antrags der Fraktion der
CDU/CSU betreffend Vorlage eines Zweiten Ergänzungsgesetzes zum Heimkehrergesetz ({3}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Gesamtaussprache zu allen vier Ziffern des Punktes der Tagesordnung auf 60 Minuten zu begrenzen.
Zu Punkt 6 a) hat das Wort der Herr Abgeordnete Pohle.
Pohle ({4}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn das Völkerrecht, die internationalen Verträge, insbesondere das Genfer Abkommen vom Jahre 1929 im letzten Krieg von allen Beteiligten geachtet und beachtet worden wären, wenn in der Nachkriegszeit alle Regierungen daran gearbeitet hätten, das aus dem Kriege schwerbeschädigt heimgekehrte internationale Recht möglichst schnell wieder gesunden und Siegern und Besiegten die Segnungen der durch einseitige Willkür auf die Dauer nie außer Kraft zu setzenden Völkerrechtsnormen zuteil werden zu lassen, brauchte sich dieses Hohe Haus auch nicht mit dem vorliegenden Antrag zu beschäftigen. Wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht lesen sich im Abkommen vom 6. Juli 1906 die Worte:
Gleichermaßen von dem Wunsch beseelt, soviel
an ihnen liegt, die vom Kriege unzertrennlichen Leiden zu mildern .. .
({5})
oder im Art. 34 \des Abkommens über die Behandlung der Kriegsgefangenen vom 27. Juli 1929 die Worte:
Die zu anderen Arbeiten verwendeten Gefangenen haben Anspruch auf einen Lohn, der durch Vereinbarung zwischen den Kriegführenden festzusetzen ist ...
Der dem Kriegsgefangenen als Guthaben verbleibende Arbeitslohn ist ihm bei der Beendigung seiner Gefangenschaft auszuhändigen. - Im Falle seines Todes ist er auf diplomatischem Wege seinen Erben zuzustellen.
Es wäre für uns Deutsche zu billig, uns unter den obwaltenden Umständen mit dem Hinweis zu trösten, daß das Unrecht in anderen Ländern, das den deutschen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten dort zugefügt worden ist, die alleinige Wiedergutmachungsangelegenheit dieser Länder sei. Es ist sogar anzunehmen, daß man im einzelnen Falle auf eine diplomatische Anfrage hin nur ein Hohngelächter und Beschimpfung als Antwort zu hören bekäme. Deshalb haben wir die Verpflichtung, zu untersuchen, ob mit den schwachen Kräften unserer Bundesrepublik an die Stelle geschehenen Unrechts wiedergutmachend Recht gesetzt werden kann. Am 1. Dezember 1949 hat mein verstorbener Kamerad Leddin in diesem Hause anläßlich der Beratung des Mündlichen Berichts zu dem Antrag der SPD-Fraktion über eine einheitliche Heimkehrerbetreuung die Worte gesprochen:
Es bleibt dann immer noch eine ganze Anzahl von Fragen offen, wie etwa die Frage einer Entschädigung für die in den Verwahrungsländern geleistete, aber nicht entschädigte Arbeit auf das Konto der Reparationen.
Mein Kollege Merten hat am 20. Juni 1951 in diesem Hause im Namen der SPD-Fraktion folgendes ausgeführt:
Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die von den Kriegsgefangenen in der Kriegsgefangenschaft geleistete Arbeit eine Arbeit gewesen ist, die für uns alle, für das ganze deutsche Volk geleistet wurde ... Daher ist es notwendig, gesetzliche Maßnahmen vorzubereiten, die eine Entschädigung dieser Kriegsgefangenen in irgendeiner Form zum Gegenstand haben.
Im März 1952 haben wir an die Bundesregierung eine Kleine Anfrage betreffend Entschädigung für Kriegsgefangenenarbeit gerichtet. Am 31. März 1952 hat der Herr Bundesminister für Vertriebene auf unsere Anfrage geantwortet: erstens: von keiner Stelle der Bundesregierung wurden in dieser Angelegenheit Verhandlungen geführt; zweitens: über den möglichen Umfang der Entschädigungsansprüche liegen bisher keine Unterlagen vor.
Da es sich um ein schwieriges völkerrechtliches und finanzpolitisches Problem handelt, haben wir die Bundesregierung nicht gedrängt, d e n Schritt zu tun, den wir von ihr erwartet haben. Nachdem aber seit unserer Kleinen Anfrage vom März dieses Jahres ein halbes Jahr verstrichen ist, ohne daß eine weitere Verlautbarung über die Absichten der Regierung auf diesem Gebiet erfolgt ist, sehen sich meine politischen Freunde genötigt, das Schweigen im Regierungswald mit diesem Antrag zu brechen.
Wir alle in diesem Haus sind mit dem Anliegen der Heimkehrer vertraut gemacht worden. So schwierig auch das Problem ist, so haben die Heimkehrer doch ein Anrecht darauf, eine Antwort von uns zu erhalten. Auch der Ausschuß für Geld und Kredit, der zu einem Antrag betreffend Gebührnisansprüche ehemaliger deutscher Kriegsgefangenen in Norwegen Stellung zu nehmen hatte, und zwar für einen Kreis von Personen, die als Minenräumer eingesetzt waren, kam in seinem Mündlichen Bericht, der in der 154. Sitzung des Deutschen Bundestages erstattet wurde, zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand des Antrags nur im Rahmen eines umfassenden Gesetzes über die Entschädigung von Kriegsgefangenen für Leistungen in der Kriegsgefangenschaft geregelt werden kann. Es schweben auch eine Reihe von Forderungen im Raume, die uns täglich durch Briefe nahegebracht werden und zu denen nach Prüfung der Rechtslage, die sich aus dem Genfer Abkommen ergibt, vom Gesetzgeber endgültig einmal ja oder nein gesagt werden muß. Man erledigt eine Forderung nicht damit, daß man sie einfach totschweigt. Wir haben die Berechtigung einer Forderung zu untersuchen und haben zu prüfen, inwieweit wir es verantworten können, sie einer Realisierung zuzuführen.
Ich bekenne mich auch bei diesem Antrag meiner Fraktion erneut zu den Worten, die ich in der 122. Sitzung des Bundestags zu einer Interpellation der SPD-Fraktion betreffend die Spätheimkehrer gesprochen habe:
Meine politischen Freunde wollen nun wahrhaftig auch mit dieser Interpellation keinen propagandistischen Wind machen; denn es steht auch für uns fest, daß in der zwölfjährigen Kostprobe des tausendjährigen Reiches sowie in den Nachkriegsmaßnahmen einzelner Siegernationen so viel körperliches, seelisches und materielles Unrecht angehäuft worden ist, wie von unserer Generation bei allen Anstrengungen allein nicht mehr gutgemacht werden kann.
Meine Damen und Herren, bei jeder neuen Forderung, die an uns herantritt, darf von uns nicht außer acht gelassen werden, daß die Forderung nach Anpassung der Renten unserer schwerbeschädigten Kameraden und ihrer Hinterbliebenen an das veränderte Preisgefüge ihren berechtigten Hintergrund hat. Ein amputiertes Bein bleibt ein ganzes Leben lang amputiert, und die Dunkelheit, die um den Kriegsblinden bis zu seinem Tode liegt, kann durch keinen Wiedergutmachungsstrahl erhellt werden.
Wir wollen auch nicht vergessen, daß im Deuschland der Nachkriegszeit zahlreiche Menschen an Selbstkannibalismus zugrunde gingen, wo sich die ausgemergelten Körper in sich selbst verzehrten, die Tuberkulose alle Dämme zu brechen schien und auch die in der Heimat Verbliebenen oder bereits Zurückgekehrten hungernd und frierend die letzte Substanz des gevierteilten Vaterlandes zu erhalten trachteten. Die Arbeiter, die in dieser Zeit mit einer Rübenscheibe als Frühstücksbrot in der Tasche zur Arbeit gingen, haben in diesen Hungerjahren eine Leistung vollbracht, die mit dazu beigetragen hat, daß vielfach eine Stätte zur Heimkehr überhaupt noch erhalten blieb bzw. neu geschaffen werden konnte.
Wir haben aber auch eine Verpflichtung, die Verspäteten-Situation der Heimkehrer durch gesetzliche Maßnahmen zu berücksichtigen. Das Heimkehrergesetz war ein Gesetz der ersten Hilfe. Ein Entschädigungsgesetz, das auch nicht in allen Fällen hundertprozentig wirksam werden kann, wird, gut ausgewogen, den ersehnten und leider so viefach nicht geförderten Start zur Existenz, zur eigenen Wohnung bringen können.
({6})
Wir sind ohne Illusionen an die Schaffung des Heimkehrergesetzes gegangen. Wir werden ohne Illusionen an der Gestaltung eines Entschädigungsgesetzes mitarbeiten. Auch der Heimkehrerverband hat sich bei seinem Entwurf, der die Entschädigungsforderung umreißt, in Grenzen gehalten, in denen eine ernsthafte Diskussion durchaus im Bereich des Möglichen liegt.
Der zweite Absatz im Antrag der SPD-Fraktion ist für die Bundesregierung ein Hinweis, wie er im Vorspruch zum Entwurf des Heimkehrerverbandes vorhanden ist. Die Kriegsgefangenen wollen das deutsche Volk in die Lage setzen, den Anspruch aus ihrer geleisteten Arbeit in voller Höhe gegen die Gewahrsamsländer geltend zu machen. Auch hier sind wir ohne Illusion. Dieser Hinweis ist aber doch ein Argument in den Händen der Bundesregierung, Erleichterungen von ihr zugedachten Zahlungsverpflichtungen zu fordern und den Versuch der Durchsetzung zu unternehmen.
Meine Damen und Herren, wir betrachten das Anliegen der Heimkehrer als ein Anliegen des deutschen Volkes. Wir sind bereit, in gemeinsamer Arbeit in diesem Hause die Maße und das Ziel für diesen Gesetzentwurf finden zu helfen. Stimmen Sie unserem Antrage zu, damit die Zeichnung gefertigt und der Gesetzesbau begonnen werden kann, illusionslos, aber für den Heimkehrer, der auf das Ergebnis unserer Arbeit wartet, nicht hoffnungslos.
({7})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Hütter zur Begründung des Antrages unter Punkt 6 b.
Frau Hütter ({0}), Antragstellerin: Herr Präsident, meine Herren und Damen! Ich habe die Ehre, den Antrag meiner Fraktion auf Drucksache Nr. 3693 zu begründen, die Bundesregierung möge bis spätestens 31. Oktober dieses Jahres ein Gesetz vorlegen, das die ehemaligen deutschen Kriegsgefangenen für ihre in Gefangenschaft geleisteten Arbeiten entschädigt.
Was hat uns zu diesem Antrage geführt? Als die
Presse diesen Antrag veröffentlichte, erhielt ich
unter anderen einen Brief, in dem es heißt:
Im Oktober 1944 haben mich die Amerikaner an die Engländer ausgeliefert. Nach einiger Zeit wurde ich einer Arbeitskompanie zugeteilt. Die Arbeit der Kompanie bestand in der Errichtung von großen Zelten und Nissen-hallen, die für die Unterbringung von englischem Wehrmachtsgut bestimmt waren. Auf diese Arbeiten folgte dann landwirtschaftlicher Einsatz beim englischen Farmer in Bedfordshire, nördlich von London gelegen. Unsere Arbeit bestand in der Einbringung der Kartoffel- und Rübenernte. Nach dieser Tätigkeit kamen wir in ein Sand- und Steinwerk. In diesem Werk arbeiteten wir mit englischen Arbeitern zusammen. Wir mußten Bausteine herstellen. Inzwischen gingen wir unserer Stellungen und Arbeitsplätze in der Heimat verlustig. Unsere Familien verarmten; und als sich dann die Tore der Freiheit öffneten, hatten wir es sehr schwer, den Anschluß wieder zu finden. Man wies uns auf Arbeitsplätze, die wir finanziell gesehen schon im Jahre 1937 und 1938 innehatten. Das war der Dank, so sah er aus.
Meine Herren und Damen, ich habe absichtlich das Beispiel eines England-Heimkehrers angezogen. Es ist ungünstig genug; und daß der RußlandHeimkehrer noch viel ungünstiger daran war und ist, brauche ich Ihnen nicht zu sagen, noch brauche ich hervorzuheben, daß es sich bei dem zitierten Fall um einen von vielen Fällen handelt.
Die deutschen Kriegsgefangenen haben, wie der Herr Bundespräsident einmal sagte, „stellvertretend für das ganze deutsche Volk" gehandelt, als sie in der Gefangenschaft nach Werten nicht zu ermessende Arbeitsleistungen unter schwersten körperlichen und seelischen Entbehrungen vollbringen mußten, ohne von den Gewahrsamsländern angemessen entschädigt zu werden. Die Fraktion der FDP vertritt dabei die Ansicht, daß diese Entbehrungen der Kriegsgefangenen durch keine materiellen Vorteile aufgewogen werden können. Wir sollten uns aber verpflichtet fühlen, den berechtigten Anspruch der Kriegsgefangenen auf Entschädigung durch eine lex specialis, durch ein besonderes Gesetz Rechnung zu tragen, um ihre Leistungen, wenn auch nur unvollkommen, abzugelten. Es ist nicht nur ein Politikum erster Ordnung, die entlassenen Kriegsgefangenen auf dem schnellsten Wege in das normale Wirtschaftsleben einzugliedern, wozu das Heimkehrergesetz leider nur unvollkommene Hilfe leistet, sondern auch unsere Pflicht, einen Teil unserer Schuld diesen Menschen gegenüber abzutragen.
Der Antrag der FDP unterscheidet sich von dem der SPD insofern, als die SPD die Frage der Entschädigung im Zusammenhang mit der Reparationsfrage aufwirft. Tatsächlich forderten sowohl Frankreich als auch die UdSSR im Geheimabkommen von Jalta ausdrücklich Reparationen durch Einsatz deutscher Arbeitskräfte. Dennoch meine ich, wir sollten auf diese Verbindung verzichten und eine Entschädigung grundsätzlich und unabhängig von der Frage der Reparationsleistungen gewähren; denn, um noch einmal den Herrn Bundespräsidenten zu zitieren: wir alle stehen in ihrer Schuld, in der Schuld der deutschen Kriegsgefangenen.
Diese formelle Trennung von der Reparationsfrage zeigt sich bereits in der Harmssenschen
Denkschrift vom Oktober 1947, wo es heißt: Deutschland ist auf den guten Willen der Alliierten angewiesen und kann nur an deren Menschlichkeit appellieren. Eben deshalb, weil die Entlassung der Gefangenen ein Gebot der Menschlichkeit ist, lehnt es Deutschland ab, für die nicht freiwillige Arbeit seiner Söhne in der Fremde Gutschriften auf Reparationen zu fordern. Wohl aber kann der Verlust ermessen werden, der darin besteht, daß ihm seit Mitte 1945 Millionen produktiver Arbeitskräfte vorenthalten werden.
Wir sollten daher zur gegebenen Zeit die Kriegsgefangenenarbeit als echte Reparationsleistung ausschließlich im Sinne des Verlustes deutscher produktiver Arbeitskräfte in Ansatz bringen. Es zeugt von einem guten Geist, daß man in jenen schweren Jahren die Kriegsgefangenen in den Haushalt einrangierte, bevor sie noch nach Hause gekommen waren. Wir erklären uns im übrigen einverstanden mit dem Vorschlag der SPD, die Zivilinternierten, die nach § 1 Abs. 3 des Heimkehrergesetzes als Heimkehrer gelten, in das Entschädigungsgesetz einzubeziehen.
Diese beiden Anträge scheinen uns aber gar nichts zu tun zu haben mit dem Antrag der CDU, der
({1})
lediglich Verbesserungen des Heimkehrergesetzes anstrebt. Denn dieser Antrag bezieht sich auf fürsorgliche Betreuung und Hilfe nach der Entlassung für die Gruppe der jetzt noch zu erwartenden Heimkehrer, während die Anträge auf Entschädigung, auf Entgelt für Leistungen vor der Heimkehr, nämlich während der Gefangenschaft, ausgehen. Da es sich also um eine besondere Materie handelt, muß sie auch in einem besonderen Gesetz behandelt werden.
Vielleicht erinnern sich die Kollegen und Kolleginnen des Ausschusses für Kriegsopferfragen unserer ersten Debatte um eine den Kriegsgefangenen zu gewährende Entschädigung anläßlich der Beratung zum Heimkehrergesetz im Frühjahr 1950. Damals schon war en wir unter der Leitung unseres leider zu früh verstorbenen Kollegen Leddin übereinstimmend zu der Auffassung gekommen, daß diese Materie in einem Sondergesetz geregelt werden müsse, weil sie nichts zu tun hat mit einem Gesetz über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer.
Was nun die materielle Zuständigkeit angeht, so empfehlen wir als federführende Behörde das Bundesvertriebenenministerium, dem die Pflege der Beziehungen mit den Gefangenen obliegt, dem die Suchdienste unterstehen und das mit diesen Fragen am besten vertraut ist. Auch die Bundesregierung hatte das Vertriebenenministerium zum federführenden Ministerium für die Vorbereitung eines Regierungsentwurfs bestimmt, als zum erstenmal ein Initiativgesetzentwurf von einem der zuständigen Verbände vorgelegt worden war. Ferner war es eine Sitzung des Kriegsgefangenenbeirats beim Bundesvertriebenenministerium, bei der sich im Monat Juli dieses Jahres sämtliche anwesenden Fachverbände hinter diesen Antrag stellten, ein Entschädigungsgesetz zu schaffen.
Hieraus wird ersichtlich, daß sich die Bundesregierung bereits mit dem Entschädigungsgesetz befaßt hat. Es haben Ressortbesprechungen stattgefunden, die schließlich zur Festlegung der Grundzüge eines Regierungsentwurfs führten. Ein fertiger Entwurf besteht jedoch noch nicht.
Daß auch der Herr Finanzminister ein gewichtiges Wort dazu zu sagen haben wird, versteht sich von selbst.
Zur Begründung möchte ich noch folgendes ausführen. Es handelt sich hierbei um einen Anspruch, der den deutschen Kriegsgefangenen, die zugunsten der Allgemeinheit einen Schaden erlitten haben, zu gewähren ist. Im deutschen öffentlichen Recht kennt man schon seit dem 18. Jahrhundert einen sogenannten Aufopferungsanspruch. Dieser besagt, daß einzelne Bürger oder eine Gruppe von Bürgern, die zugunsten der Allgemeinheit einen unverschuldeten Schaden erlitten und damit ein freiwilliges Vermögensopfer erbracht haben, vom Staat zu entschädigen sind. Ähnlich liegt es bei der Kriegsgefangenenarbeit. Es hätten ja alle Deutschen von den ehemaligen Feindmächten zur Zwangsarbeit herangezogen werden können. Aber es wurde nur ein Teil der Kriegsgefangenen willkürlich herausgezogen und ihnen das besondere Opfer auferlegt. In der Zwischenzeit konnten die übrigen Deutschen darangehen, für sich selbst wieder aufzubauen. Damit ist nichts gegen die Überzeugung ausgesagt, daß jeder einzelne das Risiko eines Verhängnisses selbst zu tragen hat. Diese Auffassung hat aber dort ihre Grenze, wo dem einzelnen die Entscheidung über sich selbst aus der Hand genommen wird, wie im Falle eines Krieges.
Der Zweck dieses Gesetzes ist aber noch mehr, als nur einen Anspruch zu befriedigen; in ihm liegt auch der Gedanke der Wiedergutmachung an einer Gruppe von Menschen, die sich bisher benachteiligt gefühlt hat, wenn sie sich mit anderen Gruppen verglich, denen man die Wiedergutmachung bereits zuerkannt hat. Es ist für die Aufrechterhaltung des innerpolitischen Friedens von Wichtigkeit, wenn Geschädigte anerkannt und im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten berücksichtigt werden. Die vorhandenen Möglichkeiten sind beschränkt; das wissen nicht zuletzt die Kriegsgefangenen selbst. Die Verteilung des Vorhandenen aber kann nicht unter Außerachtlassung der Ansprüche der Kriegsgefangenen erfolgen, sie muß
eventuell sogar einer Revision unterzogen werden, wenn die Berücksichtigung neuer Forderungen dies nötig macht.
Es dürfte Sie interessieren, daß der Gedanke der Zahlung einer Entschädigung an ehemalige Kriegsgefangene im Saargebiet bereits seine Verwirklichung gefunden hat. Allerdings hat man sich dort aus unschwer zu erkennenden Gründen auf die Ausgleichszulage für Kriegsgefangene aus dem Osten beschränkt.
Was nun die Möglichkeiten einer Regelung angeht, so liegen bereits verschiedene Vorschläge vor. Sie alle laufen in erster Linie auf die Verwendung zweckgebundener Mittel zur Ausführung konstruktiver Ziele, wie Wohnungsbau, Existenzaufbauhilfe, Arbeitsplatzbeschaffung und dergleichen mehr, hinaus. Ein anderer Vorschlag geht dahin, Schuldverschreibungen auf den Namen des Betreffenden auszugeben, die über einen längeren Zeitraum ebenfalls zweckgebunden zur Einlösung gelangen sollen. Ferner müßte einkalkuliert werden, daß ein Teil der arbeitenden Kriegsgefangenen schon eine - wenn auch geringe - Bezahlung erhalten hat, so z. B. die zum lebensgefährlichen Arbeitseinsatz befohlenen Minenräumer. Nach meiner Information war die Bezahlung sehr schlecht und in keiner Weise auch nur annähernd dem Einsatz entsprechend.
Der Möglichkeiten der Realisierung sind viele. Ich will mich daher nicht weiter mit ihnen befassen, sondern die Überlegung darüber der gemeinsamen Arbeit von Parlament und Regierung überlassen. Fest steht, daß diese Frage eiligst geregelt werden muß. Daher die Befristung auf den 31. Oktober, den Termin, zu dem, wie aus der Presse hervorgeht, der Herr Bundeskanzler die Verträge ratifiziert haben möchte. Ich sehe dabei ein, daß die Kompliziertheit der Materie die Einhaltung des Termins nicht zuläßt. Ich muß dennoch sagen, daß die Regelung dieser Frage eine moralische Voraussetzung des Verteidigungsbeitrages gewesen wäre. Die Länderparlamente von Bayern, Niedersachsen und Bremen haben durch einstimmigen Beschluß ihrerseits die Bundesregierung bereits ersucht, ein Entschädigungsgesetz für die von den deutschen Kriegsgefangenen erbrachten Arbeitsleistungen vorzulegen. Bei der Debatte in der bremischen Bürgerschaft wurde gesagt: „Jedenfalls muß man in Bonn durchaus unter dem Eindruck stehen, daß die bremische Bürgerschaft bereit und fest entschlossen ist, das Äußerste zu tun, damit unsere Kriegsgefangenen nun auch wirklich in den Genuß ihrer Rechte kommen; es ist für uns eine Ehrenpflicht, für diese ihre Forderungen einzutreten." Und der Herr Finanzminister, meine Herren und Damen, sagte sogar schon vor zwei Jahren, als ich ihn im Vestibül dieses Hohen
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Hauses in einem freundlichen Gespräch mit dem Gedanken eines Entschädigungsgesetzes vertraut machen wollte: „Für eine solche Forderung habe ich jedes Verständnis."
Im Namen der Fraktion der FDP beantrage ich Überweisung dieses Antrages an den Ausschuß für Kriegsopferfragen als federführenden Ausschuß und an den Haushaltsausschuß.
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Zu Punkt 6 c) der Tagesordnung hat Frau Hütter das Wort.
Frau Hütter ({0}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Als vor etwas mehr als zwei Jahren ein Abgeordneter dieses Hohen Hauses Bonn verließ und ins Ausland ging, um in verantwortlicher Stellung die deutsche Bundesrepublik zu vertreten, beauftragte er mich in einem letzten Brief, dafür zu sorgen, daß das Parlament für eine große deutsche Demonstration mit dem Ziel der Befreiung der deutschen Kriegsgefangenen in fremdem Gewahrsam eintritt. Diese Bitte übermittelte ich der deutschen Bundesregierung, die sie sich zur Aufgabe machte, indem sie den 26. Oktober zum Gedenktag für die deutschen Kriegsgefangenen erklärte. An diesem Tage wurden offizielle Kundgebungen abgehalten und Protesterklärungen gegen die völkerrechtswidrige Zurückhaltung deutscher Kriegsgefangener abgegeben.
In diesem Jahre begehen wir den Tag der Treuekundgebung bereits zum drittenmal. Um der Wichtigkeit Ausdruck zu geben, die das Anliegen für uns von Jahr zu Jahr mehr bekommen hat, trat der zuständige Fachverband dafür ein, an Stelle des einen Gedenktages eine ganze Woche zu setzen. Es werden daher zwischen dem 20. und 26. Oktober täglich im ganzen Bundesgebiet Treuekundgebungen stattfinden.
Es ist für jeden von uns eine traurige Verpflichtung, sprechen zu müssen für alle diejenigen, deren Mund verstummt ist in der Weite und Enge der Zwangslager, und an die Weltöffentlichkeit appellieren zu müssen, daß sie das deutsche Kriegsgefangenen- und Kriegsverschlepptenproblem zu ihrem eigenen Anliegen machen möge. Hierbei handelt es sich um eine Frage der Menschlichkeit, die ungelöst geblieben ist, meine Herren und Damen, und die die geschichtliche Epoche, in der wir leben, für immer belastet. Frieden und Freiheit sind die Worte, die wir propagieren, und Zwangslager ist das Echo, das an unsere Ohren klingt. Tragischer können in Zeiten des Friedens die Unterschiedlichkeiten des Menschentums kaum hervortreten.
Der Antrag Drucksache Nr. 3694, mit dem die Bundesregierung gebeten wird, an einem Tage der Kriegsgefangenen-Gedenkwoche zwischen dem 20. und 26. Oktober für eine Verkehrsstille und Arbeitsruhe von zwei Minuten im Bundesgebiet zu sorgen, um die Geschlossenheit des deutschen Volkes in der Kriegsgefangenenfrage zum Ausdruck zu bringen, spricht für sich selbst. Ich bitte das Hohe Haus, diesen Antrag anzunehmen.
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Das Wort zur Begründung des Punktes 6 d hat Herr Abgeordneter Höfler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Besonderheit der Zeit bringt es mit sich, daß Gesetze, die in längerer Arbeit mühselig genug zustande kamen, bereits ergänzungsbedürftig sind, wenn sie in Kraft treten. Das gilt am meisten von Gesetzen, die mit der Not dieser Nachkriegszeit zusammenhängen. Mit dem Heimkehrergesetz, das bereits vor kurzer Zeit eine Novelle erlebt hat, ist es ähnlich gegangen. So erscheint es an der Zeit, die Bundesregierung zu ersuchen, im Hinblick auf die lange Dauer der Kriegsgefangenschaft und der Internierung den Entwurf eines zweiten Ergänzungsgesetzes über Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer baldmöglichst vorzulegen.
Zur Begründung möchte ich darauf hinweiser, daß in dem Gesetz eine Neuabgrenzung des Personenkreises als notwendig erscheint. Bei der Aufführung der drei Gruppen der Internierten nach dem Heimkehrergesetz ist der Ort der Internierung als entscheidend angenommen worden. Anders bei den Kriegsgefangenen. Bei ihnen ist man davon ausgegangen, daß nur solche Kriegsgefangene als Heimkehrer anerkannt werden können, die außerhalb des Bundesgebiets kriegsgefangen waren. Diese bisher mögliche Auffassung bedarf nach unserer Ansicht heute einer Überprüfung, vor allem angesichts der Tatsache, daß es mehrere Hundert Kriegsgefangene innerhalb des Bundesgebiets gibt, die bereits seit einigen Jahren in den Gefängnissen der Besatzungsmächte festgehalten und bis jetzt noch nicht entlassen sind. Wenn diese nun - was wir hoffen - bald zur Entlassung kommen, so finden sie ihre Arbeitsplätze allenthalben besetzt. Das gleiche gilt für die Zivilpersonen unter diesen Gefangenen. Beide Gruppen können verlangen, daß sie nicht schlechte: gestellt werden als die außerhalb des Bundesgebiets gefangen oder interniert Gewesenen. Bei den Kriegsgefangenen wird es also genügen, die bisherigen Auffassungen innerhalb des Gesetzes zu korrigieren; bei den Zivilinternierten muß man dafür Sorge tragen, daß sie durch Änderung des Gesetzes oder durch eine Verordnung zu § 1 a des Heimkehrergesetzes wieder mit einbezogen werden.
Bezüglich der Hilfsmaßnahmen, die das Heimkehrergesetz vorsieht, kann man sagen, daß sich die meisten bewährt haben. Dies gilt vor allem für die für Heimkehrer in Frage kommende bevorzugte Arbeitsvermittlung; denn von rund 97 OCC Heimkehrern waren am 30. Juni dieses Jahres nur noch 13 000 arbeitslos. Als unzulänglich muß man allerdings die Beschränkung der Maßnahmen des Gesetzes auf die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse ansehen. Es wird zu untersuchen sein, ob sich das Heimkehrergesetz nicht auch auf Beamte erstrecken muß. Auch ihnen sollte ja ein Ausgleich derjenigen Nachteile gewährt werden, die sie durch Gefangenschaft oder Internierung erlitten haben. Darüber hinaus sollte ihnen als Ausgleich für übernommene Leiden und Entbehrungen eine gewisse Vorzugsstellung eingeräumt werden. Dies gilt auch für die Heimkehrer, die durch Art. 131 des Grundgesetzes betroffen werden.
Ergänzend sollen dann zu den bereits im Gesetz vorgesehenen Hilfsmaßnahmen noch andere treten. Es genügt z. B. nicht, daß dem Heimkehrer durch die Übergangshilfe ermöglicht wird, sich zu bekleiden. Er muß auch instand gesetzt werden, wenn er schon eine Wohnung hat, diese Wohnung mit einem gewissen Hausrat auszustatten. Es genügt
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ferner nicht, dem Heimkehrer lediglich einen bevorzugten Anspruch auf Wohnraumzuteilung zuzuerkennen. Es müßte unseres Erachtens alles getan werden, um ihm auch den Bau einer Wohnung zu ermöglichen. Es ist sehr erfreulich, daß sich in den Kreisen der Heimkehrer bereits Zusammenschlüsse zu Baugenossenschaften finden. In einem künftigen Gesetz oder in einer Ergänzung dieses Gesetzes könnte diesen Bestrebungen wirklich Förderung zuteil werden.
Das Allerwichtigste aber, so meinen wir, wird sein, dem Heimkehrer zum Aufbau einer Existenz zu verhelfen. Das ist bis jetzt nur in Ausnahmefällen möglich gewesen. Die Gewährung von Darlehen zum Existenzaufbau an entlassene Kriegsgefangene war bisher in der Anordnung des Verwaltungsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets nach § 73 des Soforthilfegesetzes geregelt. Mit dem Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes sind das Soforthilfegesetz und die erwähnte Anordnung außer Kraft getreten, und so mußte jetzt ein geeigneter Ersatz für diese Maßnahmen geschaffen werden. Einstweilen soll nach einer Mitteilung des Finanzministeriums der Präsident des Hauptamts für Soforthilfe aufgefordert werden, die Existenzaufbaudarlehen nach der genannten Anordnung weiter zu gewähren, bis die Rechtsverordnung gemäß dem Lastenausgleichsgesetz erlassen ist. Die Verordnung zu § 301 Abs. 4 des Lastenausgleichsgesetzes sieht nur die Gewährung von Existenzaufbaudarlehen aus dem Härtefonds des Lastenausgleichs an Heimkehrer bis zur anderweitigen gesetzlichen Regelung vor. Wir meinen, daß diese anderweitige gesetzliche Regelung durch die von uns geforderte Novelle zum Heimkehrergesetz getroffen werden könnte.
Eine Generalüberholung des Heimkehrergesetzes erscheint also nach den verschiedensten Richtungen notwendig. Sie würde das Recht des Heimkehrers zu einem abgerundeten und verständlichen Recht machen, das zweifellos bewirken könnte, daß sich der Heimkehrer mit größerer Sicherheit und rascher in die Gemeinschaft des Volkes, nachdem er glücklich zurückgekehrt ist, eingliedert.
Ich sehe dabei auch die Möglichkeit, das Anliegen der beiden Anträge, die vorher hier behandelt worden sind - Drucksachen Nrn. 3674 und 3693 -, in dieses ergänzte Heimkehrerrecht hineinzuarbeiten. Von der „Abspeisung eines Rechtsanspruchs durch einen Almosenparagraphen," wie in Kritik unseres eigenen Antrags bereits gesagt wurde, kann natürlich keinesfalls die Rede sein. Wir haben im Ernst vor, das Heimkehrergesetz zusammen mit allen denen, die hierbei ihre Mitarbeit leihen, zu dem auszubauen, was es eigentlich sein sollte. Hierbei steht uns das Beispiel vor Augen, welches das ganze Haus gab, als es sich darum handelte, für die Kriegsopfer und die Heimkehrer in Einmütigkeit die bereits vorhandenen Gesetze zu schaffen.
Ich beantrage daher im Namen meiner Freunde die Überweisung unseres Antrages Drucksache Nr. 3703 an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und bitte um die Zustimmung des Hohen Hauses.
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Damit sind alle vier Anträge zu Punkt 6 der Tagesordnung eingebracht und begründet. Ich eröffne die allgemeine Aussprache, die, wie schon gesagt, auf 60 Minuten beschränkt werden soll. Das Wort hat Herr Abgeordneter Maerkl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die jedem internationalen Recht hohnsprechende Art und Weise der Behandlung der deutschen Kriegsgefangenen, der bis jetzt heimgekehrten und der fast 8 Jahre nach der Kapitulation noch immer in fremden Ländern festgehaltenen, erheischt Wiedergutmachung und einen nochmaligen Appell an die Weltöffentlichkeit, insbesondere an die ehemaligen Alliierten, auch den letzten Kriegsgefangenen nunmehr schnellstens in die Heimat zu entlassen. Unsere Kriegsgefangenen haben ein Recht darauf, von uns eine tatkräftige, wirksame Hilfe zu erhalten, und die Bundesrepublik, die stellvertretend für Gesamtdeutschland handelt, kann und darf sich den hier vorliegenden Verpflichtungen nicht entziehen. Die vorgesehene Zahlung einer angemessenen Entschädigung für geleistete Arbeit der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten und eine wirksamere wirtschaftliche und soziale Betreuung unserer Heimkehrer sind ein Gebot der Stunde.
In einem zweiten Ergänzungsgesetz zu dem bis jetzt unzureichenden Heimkehrergesetz müßten bei Eingliederung in den Arbeitsprozeß die Arbeitsämter die Heimkehrer mit einer gewissen Priorität ausstatten, ähnlich vielleicht wie den Schwerbeschädigten durch eine die Betriebe verpflichtende Einstellungsquote geholfen wurde. Die Bezahlung der in der Gefangenschaft geleisteten Arbeit darf unter keinen Umständen Fürsorgecharakter haben und keineswegs von der Überprüfung der Bedürftigkeit abhängen;
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vielmehr soll der ganze Personenkreis ausnahmslos einen teilweisen Ausgleich erhalten, und nicht zuletzt sollen dadurch unsere Heimkehrer eine Würdigung ihrer großen Opfer, die wir nie vergessen wollen, erfahren. Ohne damit das Recht oder im Hinblick auf Vergangenes und Tatsachen die Rechtswidrigkeit der Reparationen erörtern zu wollen, erscheint es uns doch geboten, für eine möglicherweise zu erwartende Rechnung der Alliierten auch Gegenposten wie hier für die vorenthaltene Bezahlung der Kriegsgefangenenarbeit und die nach dem Genfer Abkommen versäumten Leistungen bereitzuhalten.
Nicht nur menschliches Ermessen und Verstehen bindet uns an das harte Schicksal unserer Kriegsgefangenen; die Ehre des deutschen Soldaten und das Vermächtnis aller Opfer des Krieges schlechthin zwingt das ganze deutsche Volk zu einer einmütigen Haltung. Die Föderalistische Union - Bayernpartei-Zentrum - begrüßt die vorgesehene Arbeitsruhe und Verkehrsstille während der Kriegsgefangenenwoche, äußere Zeichen unserer inneren Geschlossenheit, von der Welt als ein nicht überhörbarer Schrei der Empörung, als ein warnender Ruf nach Recht und Gerechtigkeit zu vernehmen. Wir lehnen es ab, die Wirkung der hier zur Beratung stehenden Anträge durch Ergänzungs- oder Änderungsanträge zu schwächen. Wir stimmen ihnen zu, bitten aber die Regierung, unsere Anregungen bei der Ausarbeitung der Gesetze zu berücksichtigen.
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Das Wort hat Frau Dr. Probst.
Meine sehr geehrten Herren und und Damen! Die vorliegenden Anträge der Fraktionen der CDU/CSU, der SPD sowie der Abgeordneten Frau Hütter, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP haben eines gemeinsam: sie wachsen heraus aus dem immer wachen Gedächtnis an unsere kriegsgefangenen Brüder und Schwestern, denen heute noch, über acht Jahre nach Beendigung des Krieges, in fremdem Gewahrsam außerhalb der deutschen Grenzen, ja sogar noch auf deutschem Boden die Freiheit wider göttliches und menschliches Recht vorenthalten wird. Ich darf hier in bewußter Unterstreichung der Überparteilichkeit des Anliegens das Wort des Herrn Bundespräsidenten D r. Heuss zitieren:
Die Verpflichtung geht tiefer. Sie ruht auf uns allen, gleichviel, welchen Platz wir ausfüllen. Der Glaube an die Heimat, der den Kriegsgefangenen in den Jahren der Qual oft die einzige Kraft zum Ausharren verlieh, darf nicht enttäuscht werden. Dieses Wissen um unsere Dankesschuld wachzuhalten, sei oberstes Gebot. Nur so werden wir vor denen bestehen, die heute noch, auf ihre Rückkehr harrend, für uns leiden.
Aus diesem Gedenken an unsere Kriegsgefangenen und Internierten wächst die innere Verpflichtung denjenigen gegenüber, die wir bei uns haben, gegenüber den Familien unserer Kriegsgefangenen und unseren Heimkehrern selbst. In diesem Sinne beantragt die Fraktion der CDU/CSU, in einem Ergänzungsgesetz zum Heimkehrergesetz die Lücken der bisherigen Gesetzgebung, die so schmerzlich von den Heimkehrern empfunden werden, zu schließen und damit erst die Bemühungen um die Heimgekehrten, die Verbesserungen, die als Rechtsanspruch gelten müssen, umfassend zu gestalten. Diese Forderung umschließt ebenso Existenzaufbauhilfe wie Sicherung des Arbeitsplatzes und zugleich auch die Sorge um Wohnraum und Hausrat.
Wir sind uns klar darüber, meine sehr geehrten Herren und Damen, daß es damit allein nicht getan ist, sondern daß es darauf ankommt, die besondere Situation des Zuspätgekommenen wahrzunehmen, d. h. den Heimkehrenden in allen Gesetzen, ja, praktisch gesehen in der gesamten Gesetzgebung Berücksichtigung widerfahren zu lassen. Dies bedeutet wohl Berücksichtigung im Beamtenrecht wie im Gesetz nach Art. 131, als auch genau so in der Sozialversicherung, im BVG und genau so im Arbeitsrecht, beim Kündigungsschutz.
Ich möchte das konkret an einem Beispiel sagen dürfen. Es geht nicht an, daß z. B. die Familien von Kriegsgefangenen die Invalidenrente nicht erhalten, während die Familie des Verschollenen und Vermißten in den Genuß der Invalidenrente kommt. Die Familie des Kriegsgefangenen ist finanziell genau so hilfsbedürftig, zumal sie für den kriegsgefangenen Vater mitzusorgen hat. Es ist nicht tragbar, daß die Familien des Kriegsgefangenen schlechter gestellt sind als die Familien des Vermißten, Verschollenen oder Gefallenen.
Eine Forderung sei jedoch schon in diesem Augenblick erhoben, nämlich die der dringend notwendigen Schaffung einer Zentralstelle für Heimkehrerbetreuung sowohl auf der Bundesebene als auch bei den Ländern, die mit der Durchführung der Verwaltungsaufgaben betraut sind.
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Es gehört zum Wesen des Heimkehrergesetzes, daß es allumfassend und im rechtlichen Sinne außerordentlich komplex ist. Dadurch, daß der Anspruch des Heimkehrers in alle Rechts- und Verwaltungsgebiete eingreift, ist es notwendig, eine Koordinierung von Amtswegen zu schaffen und nicht, wie es heute geschieht, es dem Heimkehrer zu überlassen, ob er physisch und seelisch überhaupt in der Lage ist, sich sein Recht bei den verschiedensten Behördenstellen, die sich ja oft noch überschneiden, selbst zu erkämpfen.
Diesem derzeit untragbaren Zustand muß sobald als möglich ein Ende bereitet werden. Ich sehe darin eine der Hauptaufgaben des Zweiten Ergänzungsgesetzes zum Heimkehrergesetz. Ich darf hier die Bitte äußern, meine sehr geehrten Herren und Damen, den Antrag der CDU/CSU nicht sofort zu verabschieden, sondern ihn dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen. Es wird dann Aufgabe des Ausschusses sein, die Richtlinien für die Vorlage eines Zweiten Ergänzungsgesetzes der Bundesregierung bereits mit auf den Weg zu geben, um ähnlich, wie es mit gutem Erfolg bei der ersten Vorlage zum Heimkehrergesetz geschehen ist, in einmütiger Zusammenarbeit aller Fraktionen des Hohen Hauses zu einer Richtliniengebung an die Bundesregierung zu kommen. Ich darf der Bearbeitung im Ausschuß die Detailvorarbeiten überlassen und mich hier nur auf diese grundsätzlichen Ausführungen beschränken.
Auf eines sei noch kurz hingewiesen. Die CDU/ CSU hat in diesen Tagen eine Große Anfrage des Inhalts an die Bundesregierung gerichtet, das BVG an die erhöhten Lebenshaltungskosten anzupassen. Diese Anpassung setzt als erste Maßnahme die Abrundung und Vollendung der Ausweitung der Einkommensfreigrenzen voraus, die ja durch einen gemeinsamen Beschluß aller Fraktionen des Hohen Hauses bereits begonnen wurde. Hier geht es darum, die Einkommensfreigrenzen der Kinder der Beschädigten, zugleich aber auch der Kinder unserer Kriegerwitwen und damit der Frauen unserer Kriegsgefangenen auszuweiten, und zwar in einer Form, daß dadurch eine Anpassung an die übrigen Sozialgesetze der Bundesrepublik erfolgt. Die Ausweitung der Einkommensfreigrenzen bildet die Voraussetzung für weitere Maßnahmen, die dann mit dem beteiligten Personenkreis und mit den Fraktionen dieses Hohen Hauses besprochen werden müssen, um die bestmögliche Lösung zu gewährleisten.
Ich darf mich nunmehr dem Antrag der SPD Drucksache Nr. 3674 betreffend Entschädigung an ehemalige Kriegsgefangene und Zivilinternierte für in der Kriegsgefangenschaft geleistete Arbeit zuwenden. Mit diesem Antrag stimmt der fast gleichlautende Antrag der Abgeordneten Frau Hütter, Drucksache Nr. 3693, inhaltlich überein. Vorweg darf ich für mich und meine Freunde folgendes erklären. Wir wenden uns dagegen, die Arbeit unserer Kriegsgefangenen und Zivilinternierten als eine Reparationsleistung zu bezeichnen.
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Würde das Hohe Haus diesem in dem Antrag der SPD festgelegten Begriff zustimmen, so hieße das auf den Boden des Potsdamer Vertrags treten. Ich darf für mich und meine Freunde erklären, daß wir in der von unseren Kriegsgefangenen und Zivilinternierten geleisteten Arbeit ein echtes deutsches Auslandsguthaben erblicken und niemals diese
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wertvolle, mit unendlicher Aufopferung und unter schwersten körperlichen und seelischen Leiden und Erduldungen getane Arbeit nur als Reparationsleistung betrachten.
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Diese oft unter unmenschlichen und menschenunwürdigsten Verhältnissen mit der äußersten Kraftanstrengung geleistete Arbeit ist in ihrem Werte so hoch und so wesentlich, daß wir überzeugt sind, daß diese Arbeit eine derartige Förderung des wirtschaftlichen Fortkommens und des Wohlstandes des betreffenden Landes bedeutet, daß wir die geleistete Arbeit als ein Auslandsguthaben des deutschen Volkes anerkannt wissen wollen. Wir ersuchen daher die Bundesregierung, bei allen künftigen Verhandlungen auf der internationalen Ebene, die auf die Frage der deutschen Auslandsguthaben Bezug haben, die Forderung auf Anerkennung der von unseren Kriegsgefangenen und Zivilinternierten geleisteten Arbeit als ein echtes deutsches Auslandsguthaben zu stellen. Es muß unser gemeinsames Anliegen sein, alle Stellen der Bundesregierung darauf zu verpflichten, jede Anstrengung zu unternehmen, um diesen zu Recht bestehenden Anspruch auf der internationalen Ebene durchzusetzen. Es wird gleichermaßen das Anliegen des ganzen deutschen Volkes sein, unseren Heimkehrern eine Realisierung dieses Rechtsanspruches zu gewährleisten.
Wir sind uns aber klar darüber, daß die Arbeit für Deutschland in jedem Augenblick ein Anliegen des ganzen deutschen Volkes, aller seiner Schicksals- und Berufsgruppen gewesen ist und weiterhin sein wird. Ich bin überzeugt, daß die vorliegenden Anträge der Fraktion der SPD und der Abgeordneten Frau Hütter nur so gemeint sein können,
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daß sie allein aus der Sicht des gesamtdeutschen Sozialgefüges, in der liebevollen Einbeziehung des Heimkehrerschicksals in seiner Besonderheit in die schicksalsgeforderte Leistung aller übrigen verstanden werden müssen.
In dieser Aussprache, meine Damen und Herren, sei der großen Gemeinschaft der für Deutschland Leidenden und Opfernden gedacht. Es sei in diesem Augenblick aller gedacht, die in den Jahren 1945, 1946, 1947, ja, noch 1948 in den zerstörten deutschen Industriewerken und den sonstigen Wirtschaftsbetrieben, oft ohne Dach über dem Kopf den Unbilden der Witterung ausgesetzt, ohne die notwendige Kleidung zugleich frierend und der Hitze der Hochöfen ausgesetzt, etwa als Arbeiter unserer Hüttenwerke oder als Kumpels in den Bergwerken
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dafür sorgten, daß die deutsche Wirtschaft wieder in Gang kam.
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Es sei gleichfalls der Querschnittsgelähmten gedacht, die in dieser Zeit ohne jede Rente, ohne jede Möglichkeit des Tausches schutzlos dem Hunger preisgegeben waren und unter Umständen in Kellerlöchern auf Lumpen gebettet lagen. Es sei unserer Mütter gedacht, die vergeblich auf die Rückkehr ihrer Männer warteten, alle Schrecken des totalen Krieges erlitten
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und trotzdem in diesen Nachkriegsjahren gearbeitet, trotzdem für die Gesamtheit und für ihre Familien gearbeitet und geduldet haben.
So wollen wir der Schicksalsgemeinschaft des ganzen deutschen Volkes gedenken, wenn wir den Antrag stellen, die vorliegenden Anträge Drucksachen Nrn. 3703, 3674, 3693 und 3694 dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen mit dem Ziele, eine Form zu finden und einen Weg zu erschließen, um dem Anspruch unserer Kriegsgefangenen und Heimkehrer aus der Gesamtschau der deutschen Schicksalsverbundenheit und des deutschen Sozialgefüges Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Tobaben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den Drucksachen Nrn. 3674 und 3693 wird gefordert, daß die Regierung ein Gesetz zur Entschädigung für die in der Gefangenschaft geleistete Arbeit der ehemaligen Kriegsgefangenen vorlegt und die Anerkennung dieser Arbeit als Reparationsleistung erwirkt. Demgegenüber will der Antrag der CDU Drucksache Nr. 3703 eine Ergänzung zum Heimkehrergesetz schaffen mit dem Ziel, den zu spät Gekommenen weitere Hilfe zu geben beim Aufbau ihrer wirtschaftlichen Existenz, Wohnraumbeschaffung usw.
Ich meine, man sollte das eine tun und das andere nicht lassen. Die Kriegsgefangenen, die noch Jahre nach der Beendigung des Krieges von der Heimat ferngehalten wurden und zum Teil heute noch nicht zurückgekehrt sind, haben wohl ein Anrecht darauf, daß ihnen die Heimat hilft, die Brücken zu einem Leben zu bauen, das wieder einen Sinn hat. Sie haben in der düstersten Zeit ihres Lebens mit der ganzen Kraft aller Hoffnung, deren überhaupt ein Mensch fähig ist, an die Heimat geglaubt. Wenn dieser Glaube heute enttäuscht wird, bricht bei ihnen eine Welt zusammen. Das kann die Heimat nicht wollen, und das wird sie nicht wollen.
Im Gegensatz zu diesem Antrag, der auf einer sozialen Ebene liegt, sollen die beiden ersten Anträge einem Rechtsanspruch Genüge tun. Ich glaube, es ist keine Anerkennung, sondern nur eine einfache Feststellung, wenn ich sage, daß in der Jaltaer Konvention wie in dem Potsdamer Abkommen erneut bestätigt wurde, daß für diesen Zweck die nach der Genfer Konvention zu beachtenden Grenzen der Kriegsgefangenenarbeit offiziell zu suspendieren seien, d. h. daß für die deutschen Kriegsschäden demgemäß die Gefangenen Arbeit zu leisten hatten. Mit anderen Worten: die ehemaligen Soldaten hatten durch ihre Arbeit Reparationen zu leisten und leisten sie noch, soweit sie noch nicht heimkehren dürfen. Ich glaube, daß auch die Bundesregierung eines Tages in ihren Verhandlungen mit den ehemaligen Gegnern dieses Thema wird aufgreifen müssen. Je klarer deshalb heute der Staat den Heimkehrern gegenüber den Rechtsanspruch anerkennt und ihn nicht nur in Sozialmaßnahmen umformt, desto besser wird es möglich sein, als Verhandlungspartner entsprechend aufzutreten.
Gewiß ist unsere Wirtschaft durch die Folgen des Krieges, der nach dem wahnsinnigen Befehl bis fünf Minuten nach 12 Uhr durchgehalten werden mußte, schwer belastet, und wir werden sicher noch
(Tobaben
lange daran zu tragen haben. Aber was dem einen recht ist, sollte dem andern billig sein. Wir sind für eine baldmöglichste Behandlung dieser Anträge im Ausschuß, wo in sachlicher Beratung Ansprüche und Möglichkeiten abgewogen werden können.
Der Antrag Drucksache Nr. 3694 will in einer zwei Minuten langen Verkehrsstille die Geschlossenheit des deutschen Volkes in der Kriegsgefangenenfrage dokumentieren. Meine Fraktion stimmt diesem Antrag zu in der Überzeugung, daß die Frage der Kriegsgefangenen alle sonstigen Meinungsverschiedenheiten weit zurücktreten läßt. Hier sind nicht nur - und werden heute noch -die Völkerrechtsgrundsätze, sondern auch die elementarsten Grundsätze des Menschenrechts außer acht gelassen. Dasselbe aber trifft auch zu für die heute noch nach einem Sonderrecht festgehaltenen Kriegsverurteilten, die zum Teil auch noch in westlichen Gefängnissen sitzen. Meine Fraktion möchte sie miteinschließen, um der Welt zu zeigen: in der Verletzung des Rechts fühlt sich das ganze deutsche Volk getroffen.
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Ehe ich das Wort weiter gebe, möchte ich dem Haus mitteilen, daß der Punkt 7 der Tagesordnung - betreffend Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes -, dessen zweite und dritte Beratung noch aussteht, heute nicht mehr erledigt werden kann. Man ist offenbar in dem zuständigen Ausschuß noch nicht einig geworden.
Das Wort in der fortgesetzten Aussprache hat der Abgeordnete Merten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich, hauptsächlich veranlaßt durch die Ausführungen unserer Kollegin Probst, auch einige Bemerkungen zu den Anträgen machen, die uns vorliegen. Ich darf zunächst auf das eingehen, was Frau D r. Probst zu der Frage äußerte, daß die Arbeit der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten nicht als Reparationsleistung anzuerkennen sei. Wir haben diesen Satz - wenn er aufmerksam gelesen wird, wird es auch jedem klar sein - deshalb in einem zweiten Punkt gefaßt, weil wir die Anerkennung dieser Arbeit als Reparationsleistungen nicht zur Voraussetzung dafür machen wollten, daß die Entschädigung für die Kriegsgefangenen und Internierten anerkannt und geregelt wird.
Das sind zwei Punkte, die vollkommen unabhängig voneinander geregelt werden müssen. Die Anerkennung dieser Leistungen auf deutsches Pluskonto hat auch gar nichts damit zu tun, daß man nun wieder zum Potsdamer Abkommen oder zu dergleichen Verträgen zurückkehren wollte. Gerade die Konferenz von Jalta war es, die beschlossen hat, daß diese Arbeiten nicht angerechnet werden sollten. Die Folgen dieser Konferenz waren, daß den deutschen Kriegsgefangenen und Internierten die ihnen zustehenden Arbeitslöhne nicht gezahlt werden sollten. Es wäre für uns ein erheblicher Fortschritt, wenn diese Arbeiten anerkannt würden, und zwar gerade als Reparationsleistungen. Denn das Schicksal der deutschen Auslandsguthaben ist ja uns allen noch in allzu klarer Erinnerung, als daß wir wünschen könnten, daß nun auch diese deutsche Leistung dem Schicksal der deutschen Auslandsguthaben anheimfällt, nämlich einfach entschädigungslos enteignet zu werden.
({0}) Das wollen wir eben mit unserem Antrag vermeiden.
Meine Damen und Herren, in allen Ländern, die am Kriege beteiligt gewesen sind, hat man nach dem Kriege umfassende Gesetze geschaffen, die versucht haben, die Nachteile auszugleichen, die dem einzelnen Soldaten durch seine Teilnahme am Krieg im wirtschaftlichen und sozialen Leben entstanden sind. Diese Gesetze hatten weiterhin noch den Sinn, dem Soldaten gewissermaßen den Dank der Heimat dafür zu geben, daß er Leben und Gesundheit für diese Heimat eingesetzt hat. Derartige Gesetze gibt es in unserem Lande leider bis heute noch nicht. In den ersten Jahren nach dem Kriege war der Erlaß derartiger Gesetze überhaupt unmöglich; denn die Besatzungsmächte hatten es verboten, die Besatzungsmächte, die damals noch in jedem deutschen Soldaten einen bluttriefenden Militaristen sahen, der dadurch umerzogen werden mußte und sollte und dadurch zum friedliebenden Bürger gemacht werden sollte, daß man ihm klar machte: „Aus der Tatsache, daß du Soldat gewesen bist, wirst du nicht nur keinerlei Vorrechte erhalten, sondern du wirst dafür ganz bewußt benachteiligt werden, damit dir ein für allemal die Lust vergeht, eine Uniform anzuziehen und eine Waffe in die Hand zu nehmen."
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Die politische Instinktlosigkeit der Besatzungsmächte hat auch auf diesem Gebiet, wie auf vielen
anderen, Triumphe gefeiert, die zur Folge hatten,
daß ein ganzer Teil der Heimkehrergeneration dem
Aufbau des demokratischen deutschen Staates mit
Mißtrauen gegenüberstand und heute noch steht.
({2})
Das heißt mit anderen Worten, daß wir Deutsche auch auf diesem Gebiet die Suppe auslöffeln müssen, die uns die damaligen Militärregierungen eingebrockt haben.
Die deutschen Behörden, insbesondere der Länderrat in Stuttgart, haben schon früher versucht, die schlimmsten Härten und Schwierigkeiten für die Heimkehrer zu mildern. Der Bundestag hat als eines seiner ersten Gesetze das Gesetz über die Hilfsmaßnahmen für Heimkehrer verabschiedet; aber dieses Gesetz ist j a alles andere als eine allgemeine Regelung der Fragen, die aus Wehrdienst und Kriegsgefangenschaft entstanden sind, es ist lediglich der Versuch, einige Härten zu mildern. Heute kann festgestellt werden, daß dieser Versuch nur teilweise gelungen ist. Herr Kollege Höfler hat schon auf die Punkte hingewiesen, bei denen es nicht gelungen ist, den Heimkehrern gerecht zu werden. Er nannte die Zahl von 13 000 arbeitslosen Heimkehrern. Das bedeutet, daß 13 000 Männer seit ihrer Entlassung noch nicht einen einzigen Tag in Arbeit gestanden haben. Um ein Vielfaches höher ist die Zahl derjenigen Heimkehrer, die heute noch berufsfremd beschäftigt sind, insbesondere der ehemaligen Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die irgendeine Hilfsarbeit angenomen haben, um sich und ihre Familie mühsam durchzubringen.
Die Fragen des Wohnraums, der Arbeitsbeschaffung und des Aufbaues selbständiger Existenzen der Heimkehrer müssen noch umfassend gelöst werden. Darüber hinaus sind andere Fragen offen, die im Heimkehrergesetz überhaupt nicht angesprochen sind, weil ihre Regelung ja über den Rahmen einer ersten Hilfe für die Heimgekehrten hinausgeht. So wollen die vorliegenden Anträge,
({3})
insbesondere der Antrag meiner eigenen Fraktion und der der FDP, etwas Versäumtes nachholen. Diese Nachholung ist dringend notwendig.
Ich möchte vor einem Fehler warnen, der bei der Betrachtung der Anträge immer wieder begangen wird. Es geht nämlich gar nicht in erster Linie um das Geld, sondern es geht um die Anerkennung der Leistungen, die deutsche Männer und auch deutsche Frauen in fremdem Gewahrsam, auf fremden Befehl und unter -unwürdigsten Bedingungen vollbracht haben, und zwar waren sie zu diesen Leistungen aus einem einzigen Grunde gezwungen, nämlich aus dem Grunde, daß sie Deutsche waren. Das, Frau Dr. Probst, ist der Riesenunterschied zwischen diesen Leistungen und jenen, die in Deutschland vollbracht worden sind, wenn auch ebenfalls unter außerordentlich schwierigen Bedingungen. Man kann die beiden Dinge nicht miteinander vergleichen. Das Leben hinter dem Stacheldraht, die Arbeit auf Grund von Zwang und Befehl, im fremden Land, ohne jede Entlohnung, abseits von der Familie, unter Bedingungen, die einfach menschenunwürdig waren, ist eine vollkommen andere Sache. Das eine anerkennen heißt nicht das andere mißachten; aber diese beiden Dinge müssen auf vollkommen verschiedenen Ebenen gewürdigt werden.
Diese Leistungen sind stellvertretend für das ganze Volk vollbracht worden und müssen daher auch vom ganzen Volk gegenüber seinen Gliedern anerkannt werden. Das ist nicht nur und auch nicht in erster Linie eine Geldfrage, sondern eine politische Frage, von deren Lösung es abhängt, ob es uns gelingt, eine ganze Generation zur freudigen Mitarbeit in unserem demokratischen Staatswesen und damit an der Zukunft unseres Volkes zu gewinnen. Auf dem Wege zu diesem Ziel muß sehr viel Versäumtes nachgeholt werden.
Im Zusamenhang damit ist es aber auch erforderlich, daß die Bundesregierung die zahlreichen Fragen auf dem Gebiet des Kriegsgefangenenwesens, die gegenüber den Gewahrsamsstaaten offengeblieben sind, aufgreift und einer Regelung zuführt. Die Fragen des Umfangs der Kriegsgefangenschaft, der Entlassung, des Verbleibs des abgenommenen Privateigentums, der Entlohnung für die geleistete Arbeit und der Zahlung des Wehrsolds müssen endlich einmal durch unmittelbare Verhandlungen mit den Gewahrsamsstaaten in Ordnung gebracht werden.
({4})
Meine Fraktion gibt der Hoffnung Ausdruck, daß derartige Verhandlungen möglichst bald beginnen und vor allen Dingen die Weißbücher über die einzelnen Gewahrsamsländer bald veröffentlicht werden. Schon das Friedensbüro beim Länderrat in Stuttgart hatte die Vorbereitungen hierfür getroffen. Aber seit 1949 ist nicht mehr weitergearbeitet worden. Ich habe Mittel dafür im Haushalt des Bundes auch nicht entdecken können.
Wir fordern nicht nur die Anerkennung der Leistungen der Kriegsgefangenen durch die Gesetzgebung des Bundes, sondern wünschen, daß sich die Bundesregierung gegenüber den Gewahrsamsstaaten stärker als bisher für die Wahrung der Rechte der Kriegsgefangenen einsetzt. Das ist mit Ziffer 2 unseres Antrags gemeint, worin die Anerkennung dieser Arbeit auch durch die Gewahrsamsstaaten gefordert wird.
Meine Damen und Herren, sehr viele werden sich die Frage vorgelegt haben: Ja, wieviel Heimkehrer sind es denn nun eigentlich, die durch diese Gesetze erfaßt werden sollen? Und da müssen einige sehr unangenehme Feststellungen getroffen werden. Es weiß z. B. heute noch kein Mensch, wieviel Kriegsgefangene in den Jahren 1945 oder 1946 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden sind. Die Ausrottung des Militarismus in Deutschland durch die Besatzungsmächte wurde damals derartig gründlich betrieben, daß es sogar den deutschen Behörden verboten war, die entlassenen Kriegsgefangenen auch nur zu zählen, geschweige denn zu registrieren. Die chaotischen Zustände, die durch die völlig unsystematische Entlassung, durch die völlig unsystematische Demobilisierung entstanden sind, haben uns bis zum heutigen Tage in ihren Folgen noch zu beschäftigen. Von einer geordneten Demobilisierung der Millionenmassen der deutschen Soldaten konnte gar keine Rede sein, und ein großer Teil der Heimkehrernot von heute hat seine Ursachen in den chaotischen Zuständen von damals.
Erst im Jahre 1947 ist es möglich gewesen, einmal halbwegs vernünftige Heimkehrerzahlen zu erhalten und eine Kontrolle über diesen Strom auszuüben. Es kehrten 1947 ins Bundesgebiet zurück 219 000 Kriegsgefangene, 1948 470 000, 1949 300 000, 1950 48 000 und 1951 4 000. Damit sind rund eine Million registriert. Aber in den Jahren 1945 und 1946 sind mindestens 4 bis 5 Millionen vollkommen unkontrolliert in das Bundesgebiet eingeströmt.
({5})
Denken Sie bitte daran, daß allein aus innerfranzösischen Lagern rund 150 000 Kriegsgefangene entflohen sind, davon die Hälfte glücklicherweise mit Erfolg. Die Zahl der Kriegsgefangenen aus amerikanischen Lagern, die auf dem Wege der Selbstentlassung verschwunden sind, liegt ebenfalls weit über 100 000. Sehr viele haben keinerlei Papiere. Die Bundesregierung kennt diese Tatsache. Sie ist auf sie hingewiesen worden, ebenso wie sie bereits vor über einem Jahr durch den Bundestag auf diese Angelegenheit der Entschädigung hingewiesen worden ist. Es ist jedoch nichts geschehen, was Anspruch auf die Bezeichnung „umfassende Regelung" erheben könnte, und gut gemeinte Absichten einzelner Ressorts sind einfach im Streit über die Zuständigkeit steckengeblieben.
({6})
Der Antrag der CDU, um noch einmal kurz auf ihn zurückzukommen, will diese ganze Angelegenheit als Ergänzung des Heimkehrergesetzes geregelt haben. Ich könnte in diesem Zusammenhang, insbesondere was die Existenzaufbauhilfen anbetrifft, ebendieselbe Fraktion fragen, warum sie denn nicht bei der Behandlung des Lastenausgleichsgesetzes dafür gesorgt hat, daß die Heimkehrer in die Überleitungsvorschriften mit hineingekommen und den politisch Verfolgten gleichgestellt worden sind. Es lagen gut ausgearbeitete Anträge darüber vor, und die Gewährung der Existenzaufbauhilfe nach dem Soforthilfegesetz hätte auch in Zukunft stattfinden können. Es wäre damals viel einfacher gewesen, das im Rahmen des Lastenausgleichsgesetzes zu regeln, als es jetzt in ein Heimkehrergesetz hineinzunehmen, wo es auf keinen Fall hineingehört, da dieses einen völlig anderen Charakter hat. Nach der Verabschiedung des Lastenausgleichsgesetzes ist es jetzt viel komplizierter, eine befriedigende Lösung zu finden.
({7})
Das Anliegen, das wir haben und das auch im Antrag der FDP zum Ausdruck kommt, kann man nicht einfach durch eine Novelle regeln. Denn es geht ja hier gar nicht um Hilfsmaßnahmen für in Not befindliche Heimkehrer oder um die Behebung besonderer Notstände, sondern es geht um die Regelung einer Frage, die nun einmal alle ehemaligen Kriegsgefangenen angeht, ganz einerlei, ob sie im Augenblick hilfsbedürftig sind oder nicht. Es geht um die Regelung von Leistungen und Rechtsansprüchen, die jeder Kriegsgefangene hat und die nicht von irgendeinem Grad der Hilfsbedürftigkeit abhängig gemacht werden dürfen.
Ich will auf die völkerrechtlichen Zusammenhänge dieser Frage nicht näher eingehen. Sie sind hier bereits von meinem Freund Pohle kurz angedeutet worden. Im übrigen wird sich ja der Ausschuß noch mit dieser Frage zu beschäftigen haben. Es steht fest, daß die völkerrechtlich vorgesehenen Wehrsoldzahlungen an die Offiziere durchweg nicht erfolgt sind. Es steht weiterhin fest, daß die völkerrechtlich vorgesehenen Lohnzahlungen an diejenigen Kriegsgefangenen, die gearbeitet haben, nur in außerordentlich seltenen Fällen erfolgt sind. Von diesen Ausnahmefällen, die ich eben erwähnte, sind geregelt die Fälle, die aus den Fonds von 76 Millionen DM befriedigt worden sind, die nach der Währungsreform von den Besatzungsmächten den westdeutschen Ländern zur Verfügung gestellt worden sind. Das geschah damals deshalb, weil es keine zentrale Regierungsgewalt in Deutschland gab; aber nach der Bildung der Bundesbehörden und nach der Schaffung des Grundgesetzes ging ja die Zuständigkeit für die Kriegsgefangenen an den Bund über. Trotzdem aber weigern sich die Länder bis zum heutigen Tage, dem Bund darüber Auskunft zu geben, was mit diesem Geld geschehen ist. Ohne Zweifel ist diese Summe von 76 Millionen Mark nicht verausgabt worden. Es muß daher noch ein Rest vorhanden sein, und dieser Rest könnte ohne weiteres für die Zwecke verfügbar gemacht werden, die mit den drei vorliegenden Anträgen verfolgt werden.
Ich könnte dem Herrn Bundesfinanzminister vielleicht einen guten Tip geben, wenn ich ihm sage, daß es unter Umständen recht lohnend für ihn wäre. sich einmal nach dieser Angelegenheit zu erkundigen. Ich sage ihm aber gleich dazu, daß er damit seinen bayerischen Freunden einen großen Schmerz zufügen wird; denn die Bayern sind natürlich eines der beiden Länder, die jede Auskunft auf die Frage nach den 76 Millionen bis zum heutigen Tage verweigert haben.
({8})
Ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß der 26. Ausschuß diese Dinge schnell bearbeitet, damit auch die Bundesregierung schnell zu einer Regelung und einer Vorlage kommt; denn doppelt hilft, wer schnell hilft. Ich beantrage im Namen meiner Fraktion, daß diese drei Vorlagen dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zugeleitet werden. Ich möchte jedoch bitten, die Zuleitung an den Haushaltsausschuß abzulehnen. Die Befassung des Haushaltsausschusses mit dieser Angelegenheit hat meiner Ansicht nach erst dann einen Sinn, wenn der Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegt und behandelt werden kann. Ich bitte ferner, die Vorlage Nr. 3694 betreffend Kriegsgefangenen-Gedenkwoche nicht dem Kriegsopferausschuß zuzuleiten, sondern dieser Vorlage
gleich jetzt zuzustimmen, damit die Bundesregierung die erforderlichen Maßnahmen treffen kann.
({9})
Das Wort bat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Aus den Ausführungen von Frau Dr. Probst und von Frau Hütter hat man nicht den Eindruck, daß sich die Atmosphäre der Konferenz von Toronto, die sich bemüht hat, es in der Frage, die auch hier angesprochen worden ist, in sachlicher Weise zu einer gemeinsamen Übereinstimmung zu bringen, auch auf dieses Haus und die maßgebenden Fraktionen übertragen hat.
({0})
Ich glaube, die Tatsache, daß man nach wie vor versucht, die Frage der Kriegsgefangenen in der Verzerrung, der Hetze und einer Zweckpropaganda zu belassen,
({1})
ist zweifellos nicht geeignet, eine Atmosphäre zu schaffen, die der Sache selbst dient. Und wenn wir uns in Erinnerung zurückrufen, wie man insbesondere die Frage der ehemaligen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion immer und immer wieder als Gegenstand einer Zweckpropaganda benutzt hat, trotz der nicht zu leugnenden Tatsache, daß die Erklärung der Regierung der Sowjetunion besagt, daß mit Ausnahme der wegen Verbrechens verurteilten Kriegsgefangenen alle übrigen zurückgekehrt sind,
({2})
dann kann dies ganz offensichtlich nur in der Linie
liegen, in dieser Frage eine Zweckpropaganda zu
betreiben, die als Methode als das Verwerflichste
angesprochen werden muß, was es überhaupt gibt.
({3})
Um das nur noch einmal von der positiven Seite zu illustrieren: In der „Deutschen Wirtschaftszeitung" - und zwar in der Nummer vom 8. Oktober - wird hinsichtlich der noch auf Grund von Verurteilungen in sowjetischer Kriegsgefangenschaft Befindlichen festgestellt, daß der Post- und Paketverkehr völlig reibungslos vor sich geht und daß der Vertreter der Inneren Mission in einer Sitzung des Wohlfahrtsausschusses des Rates der Stadt Essen das gleiche bestätigen mußte. Ich glaube, solche Tatsachen müßten doch dazu angetan sein, endlich in dieser Frage eine Wendung zu machen, von den Propagandamethoden abzukehren und vielmehr die Frage aufzuwerfen, was geschehen müßte, und zwar einmütig geschehen müßte, um die von den westlichen Ländern zurückbehaltenen Kriegsgefangenen aus ihrem Einsatz in den Kämpfen in Indonesien usw. gegen die um ihre Freiheit ringenden Völker zurückzubekommen.
({4})
In den Anträgen wird die Frage der Entschädidung für geleistete Arbeit angesprochen. Wir werden dieser Frage sachlich nähertreten. Ich möchte nur bemerken, daß auch z. B. in der Sowjetunion für geleistete Arbeit eine Entschädigung gezahlt worden ist. Ich darf Sie aber an die Forderungen von Zehntausenden von ehemaligen in den Ver({5})
einigten Staaten in Kriegsgefangenschaft gewesenen Soldaten erinnern, die heute noch um die Auszahlung der ihnen zugesagten Entschädigung für die geleistete Arbeit kämpfen.
In Ziffer 2 des Antrages der sozialdemokratischen Fraktion wird die Anerkennung der Arbeit der Kriegsgefangenen und Zivilinternierten als Reparationsleistung gefordert. Ich weiß nicht, Herr Kollege Merten, ob diese Frage in Ihren Kreisen von allen Seiten beleuchtet und nach allen Seiten hin überprüft worden ist. Ich möchte Sie nur daran erinnern, wenn dieses Prinzip generell durchgeführt würde, würden dieselben Ansprüche berechtigterweise gegenüber Deutschland erhoben werden, und zwar auf Grund der Tatsache, daß unter der nationalsozialistischen Herrschaft nicht nur die Millionen von Kriegsgefangenen der anderen Staaten, sondern ebenso Zivilpersonen, Zwangsarbeiter, Fremdarbeiter, Ostarbeiter und -arbeiterinnen Arbeit geleistet haben.
({6})
Deren Ansprüche müßten ebenso auf Reparationskonto gesetzt werden. Ich glaube, Herr Kollege Merten, die Frage, wer dabei im Nachteil wäre, würde wohl eindeutig zuungunsten Deutschlands ausgehen.
({7})
Eine weitere Frage: In einem Antrag wird - und das konnte j a von keiner anderen Seite als von der FDP, der Fraktion des Herrn Euler, kommen - die Forderung auf Einführung einer Kriegsgefangenengedenkwoche gestellt. Ich möchte mit aller Deutlichkeit sagen, was man mit diesem Antrag bezweckt, ist nichts anderes als ein Ablenken von einem Vorgehen und einer Entwicklung, die zu einer erneuten Kriegsgefangenschaft führen sollen, von der Politik der Vorbereitung des Krieges.
({8})
Meine Damen und Herren, sorgen Sie lieber dafür, daß die Kriegsopfer und die Heimkehrer anständig Arbeit und Wohnung bekommen. Damit ist ihnen mehr gedient als mit einer solchen Gedenkwoche. Sie haben la durch Ihre Regierung erst vor wenigen Tagen gegenüber den Kriegsopferorganisationen zu erkennen gegeben, daß Sie für deren Forderungen auf Erhöhung der Renten und Zuwendungen nur die kalte Schulter übrig haben.
({9})
Die Bevölkerung draußen wird nur mit Empörung von einem solchen Antrag Kenntnis nehmen. Ich glaube, es wird vielmehr Aufgabe sein, den Heimkehrern und den Kriegsopfern zu helfen und dafür zu sorgen, daß es nicht noch einmal Kriegsgefangene und Kriegsopfer gibt.
({10})
Frau Hütter, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich lege Wert darauf, festzustellen, daß ich die Frage der Entschädigung der deutschen Kriegsgefangenen ausschließlich als ein innerpolitisches deutsches Anliegen aufgeworfen habe. Der Vorwurf des Kollegen Müller, ich hätte es zum Zwecke der Propaganda vorgebracht, muß zurückgewiesen werden. Was seine Ausführungen über die Reparationsleistungen der Arbeiter, die in Deutschland gearbeitet haben, der Fremdarbeiter,
angeht, so dürfte doch auch dem Kollegen Müller nicht entgangen sein, daß wir seit 1945 dauernd Reparationen zahlen. Ein solches Konto figuriert auch in der letzten Denkschrift für Auslandsschulden, die in London zusammengestellt wurde, indem nämlich die jugoslawische Regierung von Deutschland eine sehr namhafte Summe für die in Deutschland geleisteten Arbeiten bekommen wird.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen? - Dann ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Fiir Punkt 6 a), 6 b) und 6 d ist Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen, außerdem für Punkt 6 b) Überweisung an den Haushaltsausschuß beantragt. Ich glaube, daß sich eine Überweisung an den Haushaltsausschuß in diesem Stadium nicht empfiehlt,
({0})
sondern erst von dem Augenblick an, in dem ein Gesetz vorliegen wird. - Das Haus ist damit einverstanden, daß wir lediglich über die Überweisung an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Für Punkt 6 c) ist keine Ausschußüberweisung beantragt. Wir müssen über den Antrag abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe angenommen.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Bundesanstalt für Flugsicherung ({1}).
Auch hier hat der Ältestenrat vorgeschlagen, daß sich das Haus mit einer Einbringung ohne mündliche Begründung begnügen möge. Es liegt eine ausführliche schriftliche Begründung vor. Eine Aussprache soll auch hier nicht stattfinden; der Entwurf soll unmittelbar an den Ausschuß für Verkehrswesen überwiesen werden. Ist das Haus einverstanden?
({2})
- Dieser Vorschlag ist gegen die Stimmen der kommunistischen Gruppe angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst ({3});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen ({4}) ({5}).
({6}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Walter als Berichterstatter.
Walter ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz über den Deutschen Wetterdienst soll dazu dienen, die bisher selbständigen Zonen- und Landeswetterdienste zu einem einheitlichen Deutschen Wetterdienst des Bundes zusammenzufassen. Bekanntlich sind das Wetter und die Auswirkungen desselben an keine
({8})
Landesgrenzen gebunden. Über den nationalen Bereich hinaus verlangt die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Meteorologie zwingend die Errichtung eines einheitlichen deutschen Wetterdienstes. Erst wenn wir dies geschaffen haben, wird es der Bundesrepublik möglich sein, als gleichberechtigter Partner an den internationalen Organisationen der Meteorologie, besonders an der im Jahre 1947 in Paris begründeten World Meteorological Organization, teilzunehmen.
Vom Bundesrat ist nun für den Deutschen Wetterdienst die Form einer nicht rechtsfähigen Anstalt gewählt worden. Sie untersteht dem Bundesminister für Verkehr, da in dessen Bereich vor allem die Seefahrt und die Luftfahrt auf einen gut funktionierenden Wetterdienst angewiesen sind. Doch nicht nur für die Seeschiffahrt und die Fliegerei ist ein guter Wetterdienst erforderlich. Auch die Landwirtschaft, die gewerbliche Wirtschaft, das Bauwesen und nicht zuletzt das Gesundheitswesen wünschen in immer steigendem Maße, vom Wetterdienst beraten zu werden. Darüber hinaus soll die Bundesanstalt für den Wetterdienst durch Forschungsarbeiten die Erkenntnisse auf dem Gebiet der Meteorologie fördern, um so unseren internationalen Verpflichtungen auf dem Gebiete des Wetternachrichtendienstes gerecht zu werden.
Die Erfüllung der Aufgaben der Bundesanstalt ist öffentlicher Dienst. Ihre Verwaltungsangehörigen sind unmittelbare Angestellte des Bundes. Oberste Dienstbehörde ist der Bundesminister für Verkehr.
Die vermögensrechtlichen Bestimmungen waren Gegenstand besonders eingehender Behandlung zwischen Regierung und Bundesrat. Der vorliegende Gesetzentwurf ist ein Kompromiß, der besonders den Interessen der Länder gerecht wird. Die Regierung und der Ausschuß für Verkehrswesen haben die Wünsche des Bundesrats weitestgehend berücksichtigt.
Leider ist in der Drucksache Nr. 3716 in § 5 - Verwaltungsbeirat - durch ein Versehen der Abs. 4 folgenden Inhalts vergessen worden:
Der Präsident und zwei weitere leitende Angehörige der Anstalt, letztere nach Bestimmung des Präsidenten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Verkehr, nehmen an den Sitzungen teil.
Im Auftrage des Ausschusses für Verkehrswesen bitte ich das Plenum, diesen neuen Abs. 4 zu § 5 ohne Änderung anzunehmen.
Ich bitte das Hohe Haus, dem einmütigen Beschluß des Verkehrsausschusses zuzustimmen und das vorliegende Gesetz zu verabschieden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die zweite Lesung ein. Ich rufe auf die §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5 mit dem von dem Herrn Berichterstatter beantragten Abs. 4, - 6,-7,-8,-9,-10,-11,-12,-13, - 14, - 15, - 16, - 17, - 18, - 19, - 20. -§ 21 entfällt. - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Die zweite Beratung ist geschlossen. Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Solleder.
Meine Damen und Herren! Der § 1 Abs. 2 besagt:
Der Bundesminister für Verkehr bestimmt den Sitz der Anstalt.
Da wir bekanntlich in Deutschland bereits einen Wetterdienst haben, ist bei einer allenfallsigen Verlegung doch damit zu rechnen, daß dabei Millionenbeträge aufgewandt werden müssen. Ich beantrage daher:
In § 1 Abs. 2 des Gesetzes werden hinter „Bundesminister für Verkehr" die Worte „im Benehmen mit dem Bundesfinanzminister" eingesetzt.
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache? - Herr Abgeordneter Walter! Als Berichterstatter?
({0})
Walter ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein Einzelantrag des Kollegen Dr. Solleder.
({2})
Aber der Antrag besagt j a nichts anderes als das, was in der Praxis schon laufend geübt wird. Die Verlegung der Institution in ein bestimmtes Land oder an einen bestimmten Ort wird doch gemeinsam von den Ministerien vorgenommen, so daß eine besondere Betonung nicht nötig ist, daß der Finanzminister mit dem Verkehrsminister darüber entscheiden soll. Ich bitte daher das Hohe Haus, dem Antrag des Verkehrsausschusses stattzugeben und den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Solleder abzulehnen.
Zur allgemeinen Aussprache liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Ich rufe die einzelnen Bestimmungen auf. § 1. Hierzu hat Herr Kollege Dr. Solleder einen Änderungsantrag gestellt. Ich brauche ihn wohl nicht mehr zu verlesen. Wer für die Annahme des Änderungsantrages ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das Präsidium kann sich nicht einigen.
({0})
Meine Damen und Herren, wir müssen durch Hammelsprung entscheiden.
({1})
Ich bitte, den Saal zu verlassen und die Türen zu schließen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({2})
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung ist: Mit Ja haben 102, mit Nein 198 Mitglieder des Hauses gestimmt; enthalten hat sich niemand. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.
§§ 1 bis 20, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
({3})
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Untersuchung der Rheinschiffe und -flöße und über die Beförderung brennbarer Flüssigkeiten auf Binnenwasserstraßen ({4}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen ({5}) ({6}).
({7}).
Ich erteile dem Abgeordneten Sander das Wort zur Berichterstattung.
Sander ({8}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Gesetzentwurf Drucksache Nr. 3506 dient der Rechtsvereinheitlichung. Sowohl die Untersuchungsordnung für Rheinschiffe und -flöße als auch die Vorschriften über die Beförderung brennbarer Flüssigkeiten auf Binnenwasserstraßen - beide sind Gegenstand des Entwurfs - gelten auf der deutschen Rheinstrecke abwärts Basel zur Zeit auf Grund dreier Rechtsgrundlagen: im ehemaligen Lande Baden auf Grund zweier Landesverordnungen vom 19. September 1949, im Lande Rheinland-Pfalz auf Grund des Landesgesetzes vom 13. April 1949 und im ehemaligen Vereinigten Wirtschaftsgebiet auf Grund der Ermächtigung im Gesetz der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 21. Juni 1949 und der darauf beruhenden Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 30. April 1950. Das Gesetz der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes ist, da es bei Inkrafttreten des Grundgesetzes in zwei Zonen einheitlich galt, nach Art. 125 des Grundgesetzes Bundesrecht geworden. In der französischen Zone ist es dagegen beim Landesrecht geblieben, da Baden seine Verordnungen erst nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassen hat.
Bei Änderungen der Untersuchungsordnung müssen also sowohl der Bund als auch zwei Länder, davon eines im förmlichen Gesetzgebungsverfahren, Recht setzen. Dieser Aufwand lohnt bei den im wesentlichen technischen Bestimmungen wahrlich nicht Hinzukommt, daß die Rechtszersplitterung die Gefahr mit sich bringt, daß der Bund seinen Verpflichtungen aus den internationalen Vereinbarungen für das gesamte deutsche Rheinstreckengebiet nicht rechtzeitig und gleichzeitig nachkommen kann. Das Landesrecht soll daher aufgehoben werden.
Gleichzeitig wird der Bundesminister für Verkehr im § 1 des Entwurfs ermächtigt, seine Verordnung vom 30. April 1950 für das gesamte deutsche Rheinstreckengebiet in Kraft zu setzen. § 2 sieht sodann die Möglichkeit vor, daß der Bundesminister für Verkehr die Untersuchungsordnung für Rheinschiffe und -flöße ändern und ergänzen kann, soweit dies in den internationalen Vereinbarungen vorgesehen und zugelassen wird. Bei Zuwiderhandlungen gegen die Untersuchungsordnung wird schließlich als Strafrahmen der Art. 32 der Mannheimer Akte von 1868 festgelegt. Deutschland ist hierzu verpflichtet, nachdem es seit Juli 1950 wieder Mitglied der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt ist.
Nachdem der Bundesrat in seiner 82. Sitzung am 20. Juni 1952 gemäß Art. '76 Abs. 2 des Grundgesetzes beschlossen hat, gegen diesen Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben, empfiehlt der
Ausschuß für Verkehr dem Bundestag, auch seinerseits den Entwurf in der vorliegenden Fassung anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die
zweite Beratung
ein. Ich rufe auf die §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, -6, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf die §§ 1 bis 6, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. - Mit Mehrheit angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten ({0}) ({1}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) ({3}).
({4})
Ich erteile das Wort zur Berichterstattung Herrn Abgeordneten Struve.
Struve ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich in einer Reihe von Sitzungen sehr eingehend mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten befaßt.
Das Milch- und Fettgesetz regelt in erster Linie den Trinkmilchmarkt. Bei Anerkennung des Marktordnungsgedankens, der dem Milch- und Fettgesetz zugrunde liegt, ist der Ernährungsausschuß zu der Auffassung gekommen, daß eine gewisse Auflockerung im Interesse der besseren Versorgung und der Förderung des Absatzes notwendig ist. Dies bezieht sich insbesondere auf die Fragen. die in den ersten Paragraphen des Milch- und Fettgesetzes geregelt sind, nämlich, ob die starre Bindung des Milcherzeugers und des Milchhändlers an die Molkerei weiterhin aufrechterhalten bleiben soll.
Der Ernährungsausschuß ist überwiegend der Ansicht gewesen, es bei der bisherigen Regelung zu belassen, jedoch in § 7 eine Möglichkeit einzufügen, wonach Milcherzeuger. Molkerei oder Milchhändler alle drei Jahre eine Änderung der Liefer-
und Annahmebeziehungen oder des Großhändlerbezirkes beantragen können. Diesem Antrag m u ß die oberste Landesbehörde entsprechen.
({6})
Sehr eingehend haben wir uns mit dem Produkt „Milch" und der Möglichkeit einer Hebung der Güte und des Absatzes befaßt. Wenn zur Zeit bei einer Milchproduktion von 15,2 Milliarden kg und einer Durchschnittsablieferung an die Molkereien von rund 10,5 Milliarden kg der Trinkmilchabsatz 25 bis 30 % ,der angegebenen Menge einschließlich Sahne, Magermilch usw. beträgt, erscheint es dringend erforderlich, den Trinkmilchabsatz im Interesse der Rentabilitätssteigerung für die Landwirtschaft und zur Hebung der Volksgesundheit auszuweiten. Nach den Erklärungen des Herrn Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wurden in der Vorkriegszeit, 1935-1938, im Durchschnitt etwa 0,3 1 Milch je Tag und Kopf der Bevölkerung verbraucht. Dieser Pro-KopfVerbrauch ist auch jetzt wieder annähernd erreicht worden. In anderen Ländern, wie beispielsweise in Dänemark und Schweden, liegt der Verbrauch bei 0,6 1, in der Schweiz bei 0,65 1. Aus diesen Zahlen ergibt sich schon die Möglichkeit für die Hebung des Trinkmilchverzehrs. Sie kann ein-mai durch Qualitätsverbesserung und zum andern durch vermehrte Werbung erzielt werden. Die Milchwirtschaft beschäftigt sich dabei besonders mit dem Gedanken, eine besonders vorzügliche Qualitätssorte einzuführen. Es ist zu hoffen, daß diese Bestrebungen baldigst in die Tat umgesetzt werden.
Aus diesen Gründen erschien es dem Ernährungsausschuß ohne wesentliche Änderung der bisherigen gesetzlichen Bestimmungen notwendig, den Absatz der Flaschenmilch durch Einfügung eines neuen Absatzes 2 besonders herauszustellen. In dem neuen Absatz wird unter Aufrechterhaltung der hygienischen Anforderungen künftig die Abgabe von Flaschenmilch nicht mehr von der Voraussetzung des § 14 Abs. 5 Ziff. 6 des Milchgesetzes von 1930 abhängig gemacht, d. h. die hier enthaltene Vorschrift des Nachweises der Mindestmilchmenge wird fallengelassen und somit weiteren Handelskreisen Gelegenheit gegeben, Flaschenmilch in den Verkehr zu bringen. In diesem Sinne ist auch die neue Bestimmung des § 2 Abs. 3 zu verstehen, wonach Molkereien unmittelbar Groß- und Einzelverbraucher mit Flaschenmilch in ihrem Absatzgebiet beliefern dürfen.
Einen breiten Raum in der Erörterung nahmen die §§ 11 und 20 des Milch- und Fettgesetzes ein. § 11 behandelt bekanntlich die Ausgleichsabgaben, die dazu bestimmt sind, bei der Verwertung der Milch als Trinkmilch oder als Werkmilch und bei der notwendigen Versorgung der Trinkmilchmärkte trotz unterschiedlicher Entfernung der Molkereien vom Markt eine Annäherung der wirtschaftlichen Ergebnisse für Milcherzeuger und Molkerei herbeizuführen.
Auf Grund der Erfahrung seit Inkrafttreten des Milch- und Fettgesetzes erschien es geboten, neben dem seit langem eingeführten Ausgleichspfennig, den die obersten Landesbehörden erheben, den Bundesernährungsminister einzuschalten und einen zweiten Pfennig auf Bundesebene erheben zu lassen. Diese Regelung erschien besonders aus dem Grunde berechtigt, weil auf diese Weise ein gleichmäßiger und einheitlicher Ausgleich auf den verschiedenen Produktions- und Absatzgebieten der Länder erzielt wird.
Dem Ernährungsausschuß hat eine Zusammenstellung, der von den Ländern erhobenen Ausgleichsabgaben und ihrer Verwendung vorgelegen.
Diese hat gezeigt, daß in den Ländern sehr unterschiedlich verfahren wird. Wenn nunmehr durch die Erhebung des zweiten Pfennigs durch den Bund den Ländern nicht mehr im bisherigen Umfange so große Geldmengen zur Verfügung stehen, wird trotzdem den Belangen der Länder auch in Zukunft Rechnung getragen, indem bei der Verteilung des Bundesaufkommens alle berechtigten Belange der Länder in gleicher Weise berücksichtigt werden.
In diesem Zusammenhang verdient hervorgehoben zu werden, daß sterilisierte Milch, Sahne, entrahmte Milch und Schlagsahne einheitlich mit einer Bundesabgabe von 2 Dpf. je kg belegt werden. Gerade die Herstellung von sterilisierten Erzeugnissen hat mit Recht die Bundesregierung veranlaßt, die Herstellerbetriebe in die Ausgleichsabgaben einzubeziehen.
Neben der Ausgleichsabgabe spielt die Umlage des § 20 eine bedeutsame Rolle in der Milchwirtschaft. Hier hat der Ernährungsausschuß weitgehende Änderungen vorgenommen. Der Betrag der Umlage wurde um die Hälfte gesenkt, die Verwendung der Mittel wurde genauer festgelegt. Sie finden in § 20 Abs. 2 besondere Gesichtspunkte, die für die Gewährung von Zuschüssen oder Darlehen in Frage kommen. Vorweg steht die Förderung und Erhaltung der Güte sowie die Verbesserung der Hygiene bei der Gewinnung, Anlieferung, Be- und Verarbeitung und bei dem Absatz von Milch und Milcherzeugnissen. Ferner sollen die Milchleistungsprüfungen und die Beratung Unterstützung finden. Schließlich soll die Werbung zur Erhöhung des Verbrauchs von Milch und Milcherzeugnissen aus diesem Aufkommen finanziert werden. Es ist dabei den Wünschen des Bundesernährungsministers insofern Rechnung getragen, als ihm zur bundeseinheitlichen Durchführung von Werbungsmaßnahmen besondere Geldmittel zur Verfügung zu stellen sind. Man hat sich hierbei von dem Gedanken tragen lassen, daß neben der Werbung in den Ländern eine gewisse einheitliche Werbung im gesamten Bundesgebiet notwendig ist.
In § 15 des Milch- und Fettgesetzes ist die Einfuhrschleuse für Butter, Butterschmalz, Margarine und Kunstspeisefette geregelt. Im Ernährungsausschuß ist die Frage eingehend erörtert worden, ob nicht die Margarinerohstoffe in diese Einfuhrschleuse einbezogen werden sollten. Ein aus den Kreisen des Ernährungsausschusses gestellter Antrag auf Einbeziehung wurde jedoch mit Stimmenmehrheit abgelehnt. Die zu § 15 im übrigen im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen sollen in der Hauptsache der Einfuhr- und Vorratsstelle die Möglichkeit geben, den Übernahmepreis und den Abgabepreis von sich aus festzusetzen, nachdem der Bundesernährungsminister im Einvernehmen mit dem Bundeswirtschaftsminister generelle Bestimmungen über die Preisfestsetzungen erlassen hat. Bei den Novellen zum Getreidegesetz und zum Zuckergesetz hat das Hohe Haus eine gleiche Regelung vorgenommen, so daß keine Bedenken bestehen dürften, bei der Novelle zum Milch- und Fettgesetz ebenso zu verfahren.
Auf die übrigen Vorschriften, die eine Änderung erfahren sollen, glaube ich nicht näher eingehen zu müssen. Vielfach handelt es sich um eine Koordinierung der Bestimmungen mit den übrigen Marktordnungsgesetzen usw.; am Grundgedanken des Milch- und Fettgesetzes wird durch diese Abänderungen nicht gerüttelt.
({7})
Auf Wunsch des Bundesernährungsministeriums möchte ich noch auf einige redaktionelle Änderungen verweisen. Zu Ziff. 7: Im § 9 ist hinter dem Wort „Trinkmilch" in Klammern „§ 10" zu setzen. Zweitens, zu Ziffer 18: Hinter Ziffer 18 ist folgende neue Ziffer 18 a einzufügen:
18 a. In § 18 Abs. 5 erhält der erste Satz folgende Fassung:
„Rechtsverordnungen nach Abs. 1 Nrn. 1 und 2 und Abs. 3 bedürfen der Zustimmung des Bundesrats."
Drittens, zu Ziffer 19: Im § 20 Abs. 1 beginnt der Nachsatz des zweiten Satzes wie folgt: „hierbei ist die Sahne ({8}) in die entsprechenden Einheiten ...". Viertens, zu Ziffer 21: Im § 24 Abs. 2 sind die Worte „§ 15 Abs. 5" zu ändern in „§ 15 Abs. 6". Die Ziffern 16, 17 'und 18 sind bereits durch Annahme des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen - Drucksache Nr. 3608 ({9}) - entschieden und im Bundesgesetzblatt Nr. 36 vom 27. August 1952 veröffentlicht.
Zusammenfassend darf ich als Berichterstatter des Ernährungsausschusses dem Hohen Hause die Annahme der Vorlage empfehlen.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten ein in die Einzelberatung der zweiten Lesung. Ich rufe Art. 1 auf. Hier ist ein Änderungsantrag Umdruck Nr. 674 Ziffer 1 angekündigt. Wer begründet ihn? Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Monaten, als es auf dem Gebiet der Milchwirtschaft eine gegenüber dem gegenwärtigen Zustand ganz andere Situation gab, hat es in diesem Hause einmal eine Debatte darüber gegeben, was man zur Förderung des Milchabsatzes tun könnte. Bei dieser Gelegenheit waren von allen Seiten, insbesondere von den Kollegen, die sich nicht vorwiegend mit agrarpolitischen Fragen befassen, von meinem Standpunkt aus sehr erfreuliche und mutige Ausführungen gemacht worden. Ich möchte für die heutige Beratung wünschen, daß man sich an die damaligen Gespräche erinnert; denn hier ist jetzt die Gelegenheit, Konsequenzen zu ziehen.
Die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs hat am 23. Januar dieses Jahres stattgefunden. In jenen Monaten beschäftigten wir uns mit dem Problem der in den Kühlhäusern lagernden, in ihrer Qualität immer mehr gefährdeten und unverkäuflichen Butter. In jener Zeit fand der berühmte Butterexport nach England statt. Es ist deshalb begreiflich, daß die Beratungen des Ernährungsausschusses vorwiegend unter dem Leitgedanken gestanden haben, den Trinkmilchabsatz zu fördern. Es scheint mir wichtig zu sein, heute noch einmal darauf hinzuweisen. Denn unter den aus saisonalen Gründen veränderten Umständen mag vielleicht der eine oder andere die sehr aktuelle Bedeutung des hier zur Debatte stehenden Gesetzes nicht zu erkennen vermögen. Wir sollten aber doch wenigstens soweit vorausschauen, daß wir, nachdem wir schon mit der vergangenen Milchschwemme nicht fertig werden konnten, weil wir mit dem Gesetz zu spät waren, es diesmal so rechtzeitig und so gründlich erledigen, damit wir bei der im Frühjahr wieder auftretenden Milchschwemme ein fertiges Gesetz
haben und mit mehr Aussicht auf Erfolg damit rechnen können, mit den Dingen fertig zu werden, ohne immer wieder in die wirklich bis zum Überdruß in jedem Jahr wiederholten Auseinandersetzungen verfallen zu müssen. Es scheint mir sehr gefährlich zu sein, gerade dieser Frage des Trinkmilchabsatzes heute keine Aufmerksamkeit zu schenken.
Ich weiß, daß in gewissen Bezirken die Verarbeitung von Milch zu Butter im Augenblick besonders interessant ist. Wir haben bei einer früheren Gelegenheit hier von unserer Seite schon darauf hingewiesen, daß sich daraus sehr gefährliche Rückwirkungen auf den Trinkmilchabsatz ergeben müssen. Es kann doch nicht bestritten werden, daß, abgesehen von Zeiten mit einem so unnatürlichen und von allen Seiten als weit überhöht empfundenen Butterpreis, eine Lösung für all die mit der Milchwirtschaft zusammenhängenden Probleme nur in einer Steigerung des Trinkmilchabsatzes gefunden werden kann. Es ist nun einmal der einzige Weg, auf dem die breiten Schichten unserer Bevölkerung mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Milchfett auf die billigste Weise bekommen können. Es ist selbstverständlich, daß man zu diesem Ziel, Steigerung des Trinkmilchabsatzes, nicht dadurch kommt, daß man Plakate an die Wände klebt und moralisch auf die Leute einredet, sondern es muß mit wirtschaftlich vernünftigen Mitteln alles getan werden, was in dieser Richtung nur möglich ist. Insbesondere wird es darauf ankommen, daß man mit einer guten Milch und mit einem guten Kundendienst den Verbrauchern den Milchverzehr leicht macht, indem man ihnen die Milch immer wieder sozusagen unter die Nase hält, sie immer wieder in Versuchung führt. Wer mit einer guten Milch einen Versuch gemacht hat, wird dann schließlich leicht dabei zu halten sein.
Im Laufe der Beratungen haben wir immer wieder gefunden, daß die Ordnung in der Milchwirtschaft aus vergangenen Zeiten noch Formen hat, die allzu starr sind. Der Herr Berichterstatter hat eben schon gesagt, daß in einem gewissen Rahmen eine Auflockerung notwendig ist. Dabei hat sich die weitaus überwiegende Mehrheit im Ernährungsausschuß gegen die Verfahren gesträubt, die unter der Überschrift „Ab-Hof-Verkauf" von Leuten angepriesen worden sind, die glaubten, auf diese recht billige Weise Propaganda in der Bauernschaft machen zu können. Im Ernährungsausschuß war man in der überwiegenden Mehrheit der Überzeugung, daß sowohl im Interesse der Erzeuger als auch der Verbraucher die Milchbelieferung liber die Molkerei als Regel angesehen werden müsse. Auf der andern Seite darf man natürlich hier auch nicht mehr tun, als unbedingt notwendig ist. Insbesondere in einer Zeit, in der man in den wirtschaftlichen Bereichen immer wieder von den Begriffen Freiheit, Wettbewerb, Leistungsvergleich usw. redet, sollte man die Zwangsmaßnahmen, die Zwangswege genau auf das Notwendige reduzieren.
Im Augenblick ist es so, daß die Erzeuger, um es einmal ganz drastisch zu sagen, zwangsweise an eine ganz bestimmte Molkerei gebunden werden, daß ebenso die Milchabnehmer, d. h. in diesem Falle die Milchhändler an eine bestimmte Molkerei gebunden werden. Zwar sieht das Gesetz in § 7 vor, daß Anträge auf Zuweisung zu einer anderen Molkerei gestellt werden können. Es handelt sich aber dann immer um Ermessensentschei({0})
dungen. Wenn auch von verschiedenen Landesteilen berichtet wurde, daß, soweit Wünsche überhaupt vorgebracht wurden, diese dann auch verhältnismäßig großzügig erfüllt wurden, so ist doch andererseits zu sagen, daß es eben auch Gebiete gibt, von denen das nicht berichtet werden kann. Im übrigen bleibt die Abhängigkeit von Ermessensentscheidungen für meinen Geschmack höchst bedauerlich. Daß damit ein sehr erhebliches Moment des Wettbewerbs, ein sehr erheblicher Anreiz zur Leistungssteigerung ausgeschlossen wird, kann jedenfalls nicht bezweifelt werden. Wir haben schon bei der Beratung des ersten Milchgesetzes von einem Mitglied dieses Hauses, das nun leider verstorben ist, aus seiner eigenen Erfahrung berichten hören, wie ärgerlich es ist, wenn jemand gezwungen bleibt, seine Milch an eine Molkerei zu liefern, die ihm weniger auszahlt, als er bei einer anderen Molkerei erhalten würde, die er über die gleiche Entfernung erreichen könnte.
Wir möchten nun aus dieser Situation heraus und dabei keineswegs das zerschlagen, was es an notwendiger Ordnung auf diesem Gebiet geben muß. Allerdings möchten wir diese Ordnung auf das notwendige Maß reduzieren und hier ein Element des Wettbewerbs einschalten, auf das wir nicht verzichten zu können glauben und von dem wir außerdem meinen, daß es keineswegs das gefährdet, was auch wir mit unserem Bekenntnis gegen den Ab-Hof-Verkauf, mit unserem Bekenntnis zum Weg über die Molkereien für notwendig halten.
Wir schlagen Ihnen deshalb vor, die Bestimmung in § 1, daß die Oberste Landesbehörde den Milcherzeugern mehrere Molkereien zur Wahl stellen kann, dahin abzuändern, daß die Obersten Landesbehörden ihnen innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes mehrere Molkereien zur Auswahl stellen s o 11 e n. Wir können Ihnen nicht vorschlagen, hier zu sagen „müssen", weil es in sehr einsam gelegenen, in verkehrsungünstig gelegenen Gebieten hie und da nur eine Molkerei geben mag und deshalb eine Auswahlmöglichkeit nicht geboten werden kann. Wir sind aber der Meinung, daß die Formulierung „sollen" für die Verwaltung verpflichtender ist als das Wort „kann", das sehr bequem ist. Es ist nun einmal in dieser Welt so, daß Angelegenheiten, die der behördlichen Regelung unterworfen oder, ich möchte einmal sagen, ausgeliefert sind, ganz besonders schwer aufzulockern sind, wenn man nicht als Gesetzgeber da mal einen ordentlichen Schritt nach vorn tut.
Um nun einmal die Lieferbeziehungen weniger nach dem Ermessen der Verwaltungsstellen und mehr nach den Wünschen derjenigen, die hier miteinander wirtschaften sollen, also der Erzeuger, Molkereien und auf der anderen Seite der Milchabnehmer zu gestalten und um auch den Milchabnehmern die Möglichkeit zu geben, sich die Molkerei auszusuchen, die sie in die Lage versetzt, ihre Kunden am besten zu bedienen, möchten wir, daß entsprechend unserem Vorschlag auf Umdruck Nr. 674 nach Ablauf von jeweils zwei Jahren ein Antrag auf Zuweisung an eine andere Molkerei - wieder aus einem Vorschlag der Verwaltung - gestellt werden kann, dem dann entsprochen werden muß. Wir haben uns hier alle notwendige Beschränkung auferlegt. Wir haben nicht die völlige Freiheit verlangt. Es gibt Länder in Europa, da kann der Bauer von heute auf morgen, höchstens gebunden durch einen privaten Vertrag, die Molkerei wechseln, wenn er glaubt, bei einer anderen Molkerei besser zum Zuge kommen zu können.
Wir haben das hier nicht vorgeschlagen, sondern haben es für richtig gehalten, daß sowohl der Erzeuger wie der Abnehmer wählen kann zwischen mehreren Molkereien, die auf Grund der örtlichen Zweckmäßigkeiten die Verwaltung ihm als Vorschlag zusammenstellt und anbietet.
Ich darf in diesem Zusammenhang schon auf den
§ 7 eingehen; denn das ist hier vielleicht richtig und
steht vor allem damit in logischem Zusammen-
hang. In der Drucksache Nr. 3607 heißt es unter c): Einem Milcherzeuger ... ist alle 3 Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes gestattet, eine Änderung der Liefer- und Annahmebeziehungen . . . zu beantragen. Die Oberste Landesbehörde hat dem Antrag zu entsprechen.
Das ist so radikal, daß vielleicht der eine oder andere glaubt, das sei die beste Lösung. Es ist aber - ich sage das ganz offen - so radikal, daß ich davon überzeugt bin, daß man es niemals wird zur Ausführung kommen lassen, vielleicht es nicht einmal zur Ausführung wird kommen lassen können. Denn das würde tatsächlich drei Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes alle Bande frommer Scheu zerreißen, dann würde wirklich das eintreten, was man unseren bescheidenen Vorschlägen immer entgegengehalten hat: das Chaos; denn dann könnte wirklich jeder von sich aus auf völlig unsinnige Lieferbeziehungen eingehen, und das wollen wir ganz bestimmt nicht.
Bei allem gebührenden Respekt vor dem Herrn Antragsteller zu diesem Buchstaben c) habe ich den Eindruck, daß man hier einer momentanen Aufwallung gefolgt ist, eine sehr radikale Formulierung gefunden hat und sich heute vielleicht schon damit tröstet, daß das bestimmt nicht geht und man noch drei Jahre Zeit hat, das wieder zu ändern. Wenn man es aber dann ändern wird, wird man es zweifellos wieder in dem Sinne der starren Bindung ändern, die außerordentlich bequem ist sowohl für die Verwaltung wie auch für diejenigen Molkereien, die einen echten Wettbewerb scheuen, die sich ihm gern entziehen und die ihm auch nicht ausgesetzt sind, weil nach den heute geltenden Vorschriften zur Not die Polizei sowohl den Lieferanten wie die Abnehmer an die Molkerei heranführt, von der beide wegmöchten.
Es reicht mir deshalb auch nicht aus, was zu dem gleichen Punkt auf dem Umdruck Nr. 673 vorgeschlagen wird. Vielleicht ist es aber richtig, wenn ich darauf bei der Abstimmung über den § 7 im einzelnen zurückkomme. Ich möchte mich deshalb auf das beschränken, was ich hier zu begründen habe. Es bezieht sich gleichermaßen auf den § 1 und sichert da die Rechte des Erzeugers, wie auf den § 2, wo es die Rechte des Milchabnehmers auf freie oder relativ freie Wahl der Molkerei sichert.
Ich bitte Sie, unseren Anträgen zuzustimmen, weil damit ein Maß an Freiheit gewährleistet wird, von dem niemand sagen kann, daß es schnurstracks ins Chaos führe.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Müller.
Meine Damen und Herren! Mit dem Herrn Vorredner sind die meisten meiner Freunde und ich durchaus der Meinung, daß dem Ab-Hof-Verkauf, der von gewisser Seite draußen im Lande propagiert wird, um sich eine billige Krone zu beschaffen, nicht in dem
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Umfange, wie es dort propagiert wird, stattgegeben werden kann. Das Gesetz läßt die Möglichkeit, daß durch die obersten Landesbehörden den Betrieben, bei denen eine molkereimäßige Verwertung nicht möglich ist, der Ab-Hof-Verkauf gestattet wird. Das genügt vollkommen; denn wir haben nicht nur wirtschaftliche Spekulationen zu verhüten, sondern wir haben gerade in erster Linie dafür zu sorgen, daß gute Qualitätsmilch und gesunde Milch an den Markt kommt. Die notwendige Überwachung und Bearbeitung ist nur in den Molkereien möglich. Darüber gibt es also keinen Streit.
Wir sind auch nach den Arbeiten des Ausschusses darüber klar, daß wir gewisse Rudimente, die in dem Milchhandel und in der ganzen Verwertung der Milch noch aus der Vergangenheit stecken, soweit wie möglich auflockern und zu einem fairen Wettbewerb kommen müssen.
In § 1 und § 2 der Vorlage ist für Erzeuger, Milchhändler und Molkereien vorgesehen, wie sie sich bei Beginn der ganzen Transaktion zu verhalten haben. Wenn jetzt Herr Kriedemann namens seiner Fraktion den Antrag bringt, eine Änderung in § 1 vorzunehmen, daß erstens die oberste Landesbehörde sofort sämtlichen Beteiligten mehrere Molkereien anzugeben, also zur Wahl zu stellen hat und daß jeweils nach Ablauf von zwei Jahren auf Antrag eine andere Molkerei auf Vorschlag der obersten Landesbehörde genommen werden kann -- dasselbe beantragt er auch für den § 2 -, dann erkläre ich, daß wir uns mit diesem Vorschlag nicht befreunden können. Einmal sehen wir in der Beschränkung auf zwei Jahre die Hemmung eines gesunden Wettbewerbs. Unser Antrag auf Umdruck Nr. 673 geht ja dahin, daß die Ausnahmen - um die handelt es sich hier - gemacht werden können, d. h. daß der Wechsel des Erzeugers und des Milchhändlers von einer Molkerei zur anderen jederzeit vorgenommen werden kann. Wenn einer aus der Verbindung mit der Molkerei ständig Schaden hat - sei es der Erzeuger oder der Verbraucher -, weil es die Molkereileitung nicht versteht, wirtschaftlich zu arbeiten, wie es andere können, dann kann man ihm nicht zumuten, noch zwei Jahre dort auszuhalten, sondern man muß ihm die Möglichkeit geben, jederzeit auszusteigen. Gerade die Gefahr, daß jederzeit ausgestiegen werden kann, wird die Molkereileitung veranlassen, auf dem Posten zu sein und nicht abzuwarten: „Gebt mir zwei Jahre Zeit"!
Deshalb, meine Damen und Herren, bitte ich Sie, den Antrag, den Herr Kriedemann eben begründet hat - sowie auch den zweiten Antrag -, abzulehnen und unserem Änderungsantrag zuzustimmen. Wir kommen nachher noch auf unseren Antrag zu § 7 zurück, wo die Dinge geregelt werden können.
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Keine weiteren Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, noch einmal dazu das Wort zu nehmen. Herr Kollege Müller , ich war einigermaßen erstaunt über die Begründung, die ich eben von Ihnen gehört habe. Bisher hat man uns immer gesagt, daß es für die Molkereien geradezu tödlich wäre, wenn man in jedem Augenblick da weggehen könnte. Ich sehe wenigstens einige Mitglieder des Ernährungsausschusses
mit einem gewissen verständnisinnigen Lächeln auf den Lippen hier sitzen. Es war ja gerade das stärkste Argument für die Zuständigkeit der Verwaltung, daß niemand in den Molkereien investieren könne und daß keine Molkerei sich auf Lieferverträge einlassen könne, wenn jeden Tag irgendeiner ihrer Anlieferer oder Abnehmer abspringen kann. Ich fürchte, Herr Kollege Müller, daß Sie auch hier eine scheinbar sehr radikale Formulierung einbrachten, mit der Sie hoffen, die Leute überzeugen zu können; aber Sie sollten auch mit der gleichen Deutlichkeit darauf hinweisen, daß nur derjenige jeden Tag ausscheiden kann, dem die Verwaltung das gestattet. Denn es heißt ja, daß dem Antrag eben nur dann stattgegeben werden kann, wenn es im Interesse der Allgemeinheit, eines oder mehrerer Beteiligter geboten erscheint, während wir hier ein ganz klares Recht
- mit der Begrenzung, und ich habe die Gründe für die Notwendigkeit der Begrenzung dargelegt
-, aber doch ein ganz klares Recht auf die Durchsetzung eines persönlichen Wunsches, eines persönlichen Willens hier einräumen wollen.
Wir wissen, wie es immer mit den Ermessensentscheiden ist, und wir sollten uns auch überlegen, ob wir der Verwaltung hier zumutbare Entscheidungen in die Schuhe schieben. Wie geht denn das in der Praxis? Da sind zwei, die haben sich entschlossen: Nun weg von der Molkerei!, weil sie ihnen weniger bietet als eine andere Molkerei. Dann muß die Verwaltung darüber entscheiden, ob das im Interesse der Allgemeinheit ist. Daß es im Interesse der beiden ist, kann gar nicht bestritten werden, denn sie können einfach nachweisen: dahin haben wir denselben Aufwand an Transport usw. und kriegen einen Pfennig mehr. Führt nun die Molkerei an: Glaubt ihr denn, daß in meinem müden Laden die Situation derjenigen, die bei mir bleiben, dadurch besser wird, daß noch zwei weggehen?, so muß man die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigen, und dann wird man halt gar nichts tun.
Auf diesem Gebiet ist vieles sehr eingefahren, und man arbeitet in erster Linie zu Lasten der Erzeuger mit unrentablen Methoden. Bitte, komme jetzt keiner her und sage: Wir haben ausgezeichnete Molkereien; das Gegenteil habe ich nicht behauptet; aber daß wir auch Molkereien haben, die wir besser nicht hätten, kann auf der anderen Seite ebenfalls nicht bestritten werden. Wenn wir mit Ernst herangehen und einen Prozeß in Bewegung setzen wollen, der mit marktkonformen Mitteln eine Ausscheidung der Untüchtigen und eine bewußte Bevorzugung der Leistungsfähigen will, dann geht es nicht auf dem Wege über die Verwaltung, ihre Ermessensentscheidungen und ihre Abwägungen, sondern es geht halt nur auf dem Wege, den wir Ihnen vorschlagen, nämlich durch eine klare Willenserklärung der unmittelbar Beteiligten, der Leute, um deren Geld es da geht. Ich sage noch einmal: in dem Rahmen, der im Interesse des Ganzen auch uns geboten erscheint. Meine zwei Jahre, Herr Kollege Müller, scheinen mir besser zu sein als Ihr Sofort, denn in den zwei Jahren passiert nämlich einiges.
Noch eine Bemerkung: Es dürfte doch niemand sagen: Man kann solche Auflockerungen überhaupt nicht machen, weil dann sofort alles durcheinanderläuft und das im Ernährungsausschuß oft zitierte Chaos eintreten würde. Wenn die jetzt behördlich festgelegten Lieferbeziehungen so sehr gegen den Willen der unmittelbar Beteiligten wären, daß
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jeder von der ersten sich bietenden Gelegenheit, da auszubrechen, Gebrauch machen würde, dann müßten wir uns noch etwas ganz anderes überlegen. Denn so schlechte Zustände, Zustände, die so gegen den Willen der Beteiligten sind, könnte man ja wohl vom Gesetzgeber aus nicht sanktionieren.
Ich bin im übrigen der festen Überzeugung, daß nur ein verhältnismäßig geringer Wechsel von Erzeugern und Abnehmern bezüglich ihrer Molkerei in Gang kommen wird, denn in der Regel werden die Beziehungen in. Ordnung sein. Ich bin weiter davon überzeugt, daß der Druck, die Sorge, daß jemand abspringen könnte, die eine oder andere Molkerei ein bißchen mehr auf Trapp bringen würde; sie würde sich mehr um ihre Lieferanten und Kunden bemühen. Dann entfällt wieder ein Grund für soundso viel Leute, unzufrieden zu sein und einen Wechsel vornehmen zu wollen. Und was dann noch übrigbleibt an Unzufriedenen - denen ist doch offenbar auf eine andere Weise überhaupt nicht zu ihrem Recht zu verhelfen als dadurch, daß man ihnen eine andere Lieferbeziehung ohne weitere Ermessenserwägungen der Bürokratie möglich macht.
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann auch nichts dafür, daß ich über eine längere Erfahrung verfüge. Bei der Schaffung des Reichsmilchgesetzes ist Frau Kollegin Weber seinerzeit im Reichstag dabeigewesen. Sie werden sich daran erinnern, daß wir da von verschiedenen Grundsätzen ausgegangen sind: erstens hygienisch einwandfreie Milch sicherzustellen, zweitens einwandfreie Molkereibetriebe zu haben. Das waren die Hauptpunkte. Dann ist der berühmte § 38 des Reichsmilchgesetzes eingeführt worden, wonach man gewisse Ablösungen von nicht mehr den Verhältnissen entsprechenden Betrieben hat vornehmen können. Dadurch ist eine Ordnung in die Milchverhältnisse hineingebracht worden. Herr Kollege Kriedemann, mir würde es ein großes Vergnügen bereiten, Ihnen die damaligen Ausführungen der SPD-Fraktion vorlesen zu können;
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sie stehen in direktem Gegensatz zu dem, was Sie heute gesagt haben.
Wir wollen grundsätzlich an der Ordnung als solcher festhalten, aber die Zeiten sind fortgeschritten, und wir wollen hier auch eine gewisse Beweglichkeit.
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- Freilich schreiten die Zeiten fort. Sie bleiben auch nicht stehen; Sie werden auch jeden Tag älter. Das ist ja das Ungünstige für uns. Die Verhältnisse schreiten da fort, wir können daran nichts hindern. Ob wir da immer mitkommen, ist eine andere Frage.
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Die Sache ist auf diesem Gebiet so, daß wir einerseits die Ordnung und andererseits eine gewisse Beweglichkeit haben wollen. Im Interesse der Beweglichkeit - darüber haben wir uns jetzt lange unterhalten, ich verrate da kein Geheimnis - ist der Antrag hier gestellt worden. Wir sind uns mit dem Kollegen Eichner und seinen Freunden darüber einig geworden, da, wo es geboten
ist, nicht immer einen Ansturm von allen möglichen Leuten - auch verschiedene Querulanten werdabei sein - alle zwei Jahre auf die Behörden loszulassen, sondern das sich fortschreitend entwickeln zu lassen, so daß jemand jederzeit das Recht hat, sich an die zuständigen Stellen zu wenden und hier eine Änderung herbeizuführen. Wir sind in dem Änderungsantrag so weit gegangen, daß wir das sogar auf den einzelnen oder mehrere Beteiligte abgestellt haben. Es kommen Fälle vor, wo die Verkehrsverhältnisse sich geändert haben, wo jemand im Grenzgebiet von zwei Molkereien liegt und mit den Preisverhältnissen nicht einverstanden ist. Da kann er sich nach unserem Antrag jederzeit zur Wehr setzen. Ich möchte die Landesvereinigung der Milchwirtschaft kennen, die berechtigten Wünschen hier nicht Rechnung trägt.
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Ich sitze selber in einer solchen Landesvereinigung und kann Ihnen sagen, Herr Kollege Kriedemann, es geht hier bei uns in Bayern beispielhaft zu. Hier wird gar nicht gestritten, hier wird alles sachlich erörtert und wird berechtigten Wünschen Rechnung getragen. Warum soll man denn dort zwei Jahre warten?
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Warum soll jemand, der draußen sitzt, wenn die Verkehrswege sich geändert haben, gezwungen sein, zwei Jahre lang an die gleiche Molkerei zu liefern? Er soll dann jederzeit das Recht haben, eine Veränderung herbeizuführen. Deswegen haben wir das auch auf den einzelnen abgestellt.
Unser Antrag ist, wenn er sinngemäß aufgefaßt wird, sogar der weitergehende, weil er dem einzelnen die Möglichkeiten eröffnet, von denen er jederzeit Gebrauch machen kann. In unserem Antrag schreitet die Zeit vorwärts. Unsere Bürokratie wird nicht alle zwei Jahre aufgehalten, so daß sie noch mehr Arbeit bekommt, als sie sowieso schon hat. Wir wollen, daß unsere Bürokratie weniger Arbeit hat und daß sie ihre Arbeit geistvoller vollbringen kann.
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Diesem Zweck entspricht unser Antrag.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Es tut mir leid, wenn Sie es allmählich langweilig finden. Es wird so oft über die vielen kleinen Bauern geredet, die mit ihrer gesamten Existenz von der Milch und ihrem Erlös abhängen. Hier geht es nun einmal um deren bares Geld. Wenn ich nicht Wert darauf legte, daß der Verkehrston unter den Abgeordneten des Ernährungsausschusses so kollegial bleibt, wie er ist, würde ich geneigt sein, hier zu sagen, es ist vielleicht ein bißchen unfair, unserem Antrag zu unterstellen, daß er nur alle zwei Jahre einen Wechsel möglich macht. Wir haben nicht beantragt, den § 7 zu streichen. Wir wollen nur aus den Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe, die regelmäßige Wahlmöglichkeit. Wenn irgendwo noch etwas passiert, was eine sofortige Abänderung der Lieferbeziehungen nötig macht, dann steht der § 7 noch in diesem Gesetz. Wir bedauern allerdings, daß wir dann auch auf die Ermessensentscheidung der Behörde angewiesen sind. Es ist also nicht so, Herr Kollege Horlacher, daß bei uns die Zeit erst alle zwei Jahre weitergedreht wird. Wir wollen nur, daß sie mit
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Sicherheit wenigstens alle zwei Jahre weitergedreht wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kriedemann hat zweifellos recht mit seinem Hinweis, daß die augenblickliche Buttersituation eine vorübergehende sein wird und daß auf die Dauer gesehen eine Bereinigung auf dem Gebiete der Milchwirtschaft nur über einen verstärkten Trinkmilchabsatz zu erreichen sein wird. Er hat aber gleichzeitig darauf hingewiesen, daß ohne eine gewisse Ordnung auf diesem Gebiete nichts zu erreichen sein wird. Insofern gehen wir vollkommen mit ihm konform. Ich bin mit ihm der Auffassung, daß, wenn wir die Marktgesetze und als ein sehr wesentliches Gesetz das Milch- und Fettgesetz erlassen haben, dieses Gesetz vielleicht in manchen Punkten etwas zu starr ist und den Forderungen einer gewünschten Wettbewerbsordnung nicht ganz mehr entspricht. Wir haben daher im Ernährungsausschuß verlangt, Bestimmungen dahingehend hineinzubringen, daß für die Wahl einer neuen Molkerei oder beim Milchverteiler für die Neuwahl nicht nur das allgemeine Interesse, sondern gleichzeitig auch das Einzelinteresse zu berücksichtigen ist.
Nun liegen hier zwei Anträge vor. Herr Kollege Kriedemann will durch den Antrag seiner Fraktion diese Möglichkeit alle zwei Jahre schaffen; der andere Antrag geht von dem Grundsatz aus, jederzeit die Möglichkeit zuzulassen. Man kann darüber streiten, welcher Antrag der weitergehende ist. Eines aber steht fest, Herr Kollege Kriedemann: wenn wir die Bestimmung hineinbringen, daß alle zwei Jahre eine Wahl vorgenommen werden soll, ist zweifellos die Gefahr gegeben, daß durch irgendwelche Absprachen oder sonstwie eine Masse von Anträgen kommt und ein furchtbares Chaos entstehen könnte. Lediglich aus diesem Gesichtspunkt sind wir bei unseren Beratungen zu der Überzeugung gekommen, daß der andere, von dem Herrn Kollegen Dr. Müller soeben eingereichte Antrag, im Endergebnis vielleicht zweckmäßiger, genau dasselbe erreichen will, was Sie erreichen wollen: auch demjenigen gerecht zu werden, der wirklich als Einzelperson, als Erzeuger oder Verteiler, einen Nachteil hat. Wir glauben, daß mit dem Antrag, den Herr Dr. Müller eingebracht hat, im Endergebnis das erreicht werden kann - aber nachhaltiger -, was in Ihrem Antrag angestrebt wird. Ich bitte daher, dem Antrag Dr. Müller und Genossen zuzustimmen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion zu Art. 1 Nr. 1 - Umdruck Nr. 674 Ziffer 1 - zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem Art. 1 Ziffer 1 nun in der bisherigen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; Art. 1 Ziffer 1 ist angenommen.
Ich rufe Ziffer 2 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 674 Ziffer 2 und ein Änderungsantrag Dr. Dr. Müller ({0}) und Genossen auf Umdruck Nr. 673 Ziffer 1 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Der Antrag ändert an der bisherigen Fassung nur folgendes. Wir schlagen vor, § 2 Abs. 3 Satz 1 folgenden Wortlaut zu geben:
Die Belieferung von Einzelverbrauchern mit Milch, die in Gefäßen oder Behältnissen nach § 9 des Milchgesetzes vom 31. Juli 1930 ({0}) verkaufsfertig abgefüllt wird, oder die Belieferung von Großverbrauchern unmittelbar durch eine Molkerei ist nur in deren Absatzgebiet zulässig.
Durch die Einfügung des Wortes „nur" wollen wir die Bestimmung verschärfen. Wir bitten, dem zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Nachdem ich die Begründung des Antrages Dr. Müller gehört habe, der eine Erleichterung des Wechsels in Fällen der Notwendigkeit bringen soll, scheint mir in der Formulierung eine kleine Unstimmigkeit vorzuliegen. Im letzten Satz zu Ziffer 2 heißt es:
. . . im Interesse der Allgemeinheit, eines oder mehrerer Beteiligten . . .
Ich stelle den Änderungsantrag, an Stelle dieses Kommas das Wort „oder" einzufügen, so daß es 1 heißen würde:
im Interesse der Allgemeinheit oder eines oder mehrerer Beteiligten
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- Ja, dann habe ich die Sache jetzt schon begründet! - Durch diese Einfügung wird etwas klargestellt, was bei dem jetzigen Text unklar wäre. Der jetzige Text kann als eine Addition von zwei Voraussetzungen angesehen werden, während bei der Abänderung jede dieser Voraussetzungen selbst als Grund zum Wechsel der Molkereien angesehen werden kann.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen vor der Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 674 Ziffer 2 und der Antrag Dr. Dr. Müller ({0}) auf Umdruck Nr. 673 Ziffer 1. Wir stimmen zuerst ab über den Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 674 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Dr. Dr. Müller auf Umdruck Nr. 673 Ziffer 1 zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die der Ziffer 2 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die
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Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nunmehr auf Ziffer 3, - Ziffer 4, - Ziffer 5. Dazu sind keine Änderunganträge gestellt. Das Wort wird nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe Ziffer 6 auf. Dazu liegen vor der Antrag Dr. Dr. Müller ({2}) auf Umdruck Nr. 673 Ziffer 2 und der Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 674 Ziffer 3. Ferner liegt dazu der Änderungsantrag von Herrn Dr. Bertram zum Änderungsantrag Dr. Dr. Müller vor, Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
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- Das ist nicht der Fall. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag Dr. Bertram zum Änderungsantrag Dr. Dr. Müller auf Umdruck Nr. 673 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Dr. Bertram zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Nunmehr stimmen wir über den Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 674 Ziffer 3 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann bitte ich diejenigen, die dem Antrag Dr. Dr. Müller auf Umdruck Nr. 673 Ziffer 2 mit der beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte diejenigen, die Ziffer 6 von Art. 1 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; Ziffer 6 ist in dieser Fassung angenommen.
Ich rufe nun Ziffer 7 auf. Dazu liegt eine redaktionelle Änderung vor, die der Herr Berichterstatter vorgetragen hat. Ich nehme sie als beschlossen an. - Ich bitte diejenigen, die den Ziffern 7 und 8 zustimmen - dazu liegen nämlich keine Änderungsanträge oder Wortmeldungen vor -, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; Ziffern 7 und 8 sind angenommen.
Ich rufe Ziffer 9 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag Dr. Dr. Müller ({4}) und Genossen auf Umdruck Nr. 673 Ziffer 3 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Meine Damen und Herren! Es bedarf hier keiner langen Begründung. Bisher steht in der Vorlage, daß die Abgabe in Höhe von 1 Dpf. erhoben wird. Wir schlagen vor: bis zu 1 Dpf., genau wie das auch in § 11 Abs. 2 vorne steht. Damit haben die milchwirtschaftlichen Organisationen die Freiheit, dafür zu sorgen, daß nur so viel Abgabe erhoben wird, wie unbedingt notwendig ist, und die Möglichkeit, im gegebenen Fall herauf- oder herunterzugehen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 673
Ziffer 3 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Ich bitte diejenigen, die Ziffer 9 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Ziffer 9 ist angenommen.
Ich rufe nun auf die Ziffern 10, - 11, - 12, -13, - 14, - 15. - Dazu liegen keine Änderungsanträge vor.
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- Das Wort hat Herr Abgeordneter Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind der Auffassung, daß die Ausgleichsabgaben jeder Berechtigung entbehren. Auch andere Lebensmittel haben nach Lage der Erzeugung Preisunterschiede aufzuweisen. Diese Ausgleichsabgabe ist eine indirekte Verbrauchsteuer. Wenn man der Milchwirtschaft helfen will, soll doch der Bund die Mittel dazu bereitstellen. Herr Schäffer verfügt ja über Mittel für andere Zwecke. Hier wären sie besser angebracht.
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Ebensowenig können wir der Erhöhung der Ausgleichsabgabe für sterilisierte Milch und Sahne unsere Zustimmung geben. Ein Pfennig genügt der Regierung nicht; also verlangt man zwei Pfennig. Wir sind der Auffassung, daß man § 11 streichen sollte, und bitten um Ihre Zustimmung.
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Über § il ist bereits abgestimmt worden, und zwar unter Ziffer 9. Unter diesen Umständen ist es jetzt nicht mehr möglich, diesen Antrag zu behandeln.
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Meine Damen und Herren, wir sind also bei Ziffer 10 und den folgenden Ziffern bis einschließlich 15. Dazu liegen keine Wortmeldungen vor; die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den Ziffern 10 bis 15 in der Fassung der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Die Ziffern 16, 17 und 18 sind durch die Annahme des Antrags Dr. Horlacher und Genossen auf Drucksache Nr. 3608 ({1}) in der 226. Sitzung vom 18. Juli 1952 erledigt. Sie können also nicht mehr Gegenstand der Beratung sein.
Ich rufe jetzt Ziffer 18 a auf. Dazu liegt - abgesehen von der redaktionellen Änderung, die von dem Herrn Berichterstatter schon vorgetragen worden ist und zu der ich die Zustimmung annehme - ein Änderungsantrag der SPD, Umdruck Nr. 674 Ziffer 4, vor. Dazu hat Herr Abgeordneter Kriedemann das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bitte suchen Sie hinter diesem Antrag nicht mehr, als wir hineingeschrieben haben. Wir wollen weiter nichts, als den Streit darüber vermeiden, ob von einer Auswirkung mit
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untergeordneter Bedeutung geredet werden kann oder nicht. Es wäre viel einfacher, wenn wir in jedem Fall einen solchen Streit von vornherein ausschlössen und dem Bundesrat alle Rechtsverordnungen zuleiten ließen.
Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 674 Ziffer 4 zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen. Ich bitte diejenigen, die der Ziffer 18 a mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist ebenfalls die Mehrheit; angenommen.
Jetzt rufe ich die Ziffer 19 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Dr. Müller ({0}) und Genossen auf Umdruck Nr. 673 Ziffer 4 vor. Außerdem weise ich an dieser Stelle noch einmal auf die redaktionelle Änderung hin, die durch den Herrn Berichterstatter bereits vorgetragen ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Müller.
Meine Damen und Herren! In § 20 Abs. 1 ist bestimmt, daß die berufsständischen Organisationen bei der Festsetzung der Umlage mitzuwirken haben. Es ist nun vorgesehen, daß in den einzelnen Ländern Landesvereinigungen der Milchwirtschaft gebildet werden, in denen Erzeuger, Handel, Verbraucher zusammengeschlossen sind. Das sind dann die berufenen Organisationen. Wo eine solche Organisation nicht gebildet wird, muß aber auch eine Entscheidung möglich sein. Wir haben dann, ohne an die milchwirtschaftliche Vereinigung gebunden zu sein, die Erzeuger, die Händler und die Konsumenten nebeneinanderstehen. Wenn nun ein Antrag gestellt werden soll, daß diese Umlage festgesetzt wird, oder wenn eine der Organisationen diesen Antrag stellen will, dann können wir meines Erachtens nicht zulassen, daß jede dieser Einzelorganisationen den Antrag stellt, sondern wir müssen verlangen, daß sie diesen Antrag nur gemeinsam stellen können, genau so, wie es bei der milchwirtschaftlichen Landesvereinigung der Fall ist. Deshalb haben wir unsererseits den Antrag gestellt, daß hinter den Worten „den berufsständischen Organisationen" das Wort „gemeinsam" eingeschaltet wird.
Wir haben weiter vorgeschlagen, daß auf Antrag der Landesvereinigung oder der berufsständischen Organisationen eine Umlage bis zu 0,5 Dpf. je kg erhoben werden kann, wenn die Umlagen von 0,25 Dpf. - Satz 1 - zur Erfüllung der unter Abs. 2 bezeichneten Aufgaben nicht ausreichen. Ich glaube, darüber braucht man kein Wort zu verlieren. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In einem Stadium der Ausschußberatungen, die sich über einen ganzen Zeitraum hingezogen haben - was j a verständlich ist, haben wir es doch mit einem schwierigen Tatbestand zu tun - ist einmal beschlossen worden, alle Umlagen abzuschaffen. Dieser Beschluß ist unter dem verheerenden Eindruck einer Aufstellung gefaßt worden, aus der man ersehen konnte, daß das Geld,
das dem Bauer, dem Milcherzeuger hier abgenommen wird, keineswegs nur den Zwecken dient, für die es nach dem Gesetz in Anspruch genommen werden sollte. Weil man dem einmal ein Ende machen wollte, hat man damals beschlossen, überhaupt keine Umlagen mehr zuzulassen. Vielmehr sollten all die Förderungsmaßnahmen, die Angelegenheit der unmittelbar Beteiligten sind, von den Beteiligten auch in freier Übereinkunft finanziert werden. Die anderen Aufgaben im Zusammenhang mit der Förderung der Milchwirtschaft, die keineswegs eine private Angelegenheit der Landwirtschaft sind, sollten dafür klar und eindeutig daraus finanziert werden, woher auch sonst Förderungsmaßnahmen finanziert werden, nämlich aus Haushaltsmitteln. Schließlich ist es eine recht unangenehme Geschichte, hier immer wieder um die Milchpreise zu streiten, und nur sehr wenige Menschen wissen, welchen Preis denn nun eigentlich der Bauer bekommt und daß von dem Preis, den er theoretisch bekommt, noch einmal irgendwelche Beträge abgehen. Wir haben uns zum Schluß doch dazu durchgerungen, 1/4 Pf je Liter an Umlage zu billigen, weil es unbestreitbar eine Reihe von Aufgaben gibt, an denen die Landwirtschaft in ihrer Gesamtheit interessiert ist und die nun einmal finanziert werden müssen. Wir möchten darüber nicht hinausgehen. Es besteht nämlich ein Unterschied zwischen dem, was die Vorstände, die Organisationen für nötig halten, und dem, was die unmittelbar Beteiligten bei aller Bereitwilligkeit wirklich mitmachen. Deshalb möchten wir weder mit dem Zusatz „gemeinsam" getröstet sein noch auf diese Weise eine Erhöhung einräumen. Wenn wir uns schon zu 0,25 Pfennig Bereiterklären konnten, dann zu nichts anderem. Wir werden also diesem Änderungsantrag nicht zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen infolgedessen zur Abstimmung. Es liegt der Änderungsantrag Umdruck Nr. 673 Ziffer 4 vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Meine Damen und Herren, das ist nicht ganz klar, weil ein Teil der' Kollegen überhaupt keine Bewegung gemacht hat.
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Ich möchte doch bitten, sich an der Abstimmung zu beteiligen. Also noch einmal: Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 673 Ziffer 4 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich bitte nun um Abstimmung über Ziffer 19 mit der soeben beschlossenen Änderung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun auf die Ziffern 20, - 21 mit der redaktionellen Änderung, - 22, - 23, - 24, - 25,
- 26, - 27, - 28. - Dazu liegen keine Änderungsanträge und auch keine Wortmeldungen vor. Wir können also darüber insgesamt abstimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben.
- Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe Art. 2 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag Horlacher, Mühlenfeld vor. Es ist ein handschriftlicher Antrag; er trägt keine Nummer. Werden Sie ihn vortragen?
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- Dann hat Herr Abgeordneter Horlacher das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man sieht ja meistens nicht aus dem Gesetzestext, worum es sich handelt.
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Deswegen muß ich das erklären. Hier handelt es sich darum, ob die Abgabe von Flaschenmilch auch an die Lebensmittelhändler und Krämereien, also über die Milchläden hinaus, erfolgen soll. Ich tanze jetzt gegenüber einem Teil meiner Freunde etwas aus der Reihe. Ich bin nämlich der Meinung, daß man hier einen Weg beschreitet; der nicht der richtige ist. Jeder soll bei seinem Geschäfte bleiben.
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Man soll einem Milchhändler sein Geschäft nicht schmälern. Es ist im Interesse der Konsumenten absolut notwendig, daß das, was zur Milch gehört, beim Milchladen konzentriert bleibt. Wenn hier Teile herausgebrochen werden, dann ist die Geschichte meistens so, dann wird die Milchmenge, die der einzelne zu verkaufen hat, geringer, und dann besteht für den Verbraucher die Gefahr erhöhter Handelsspannen.
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Das ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, der beachtet werden muß. Wir wollen nicht haben, daß hier fünf Flaschen und dort zehn Flaschen überall verkauft werden. Wir wollen haben, daß die Molkereien gewisse Berechtigungen haben - das haben wir sowieso aufgelockert -, und wir wollen haben, daß der Milchhändler - das sage ich ausdrücklich - fortschrittlich arbeitet; er soll endlich auch wieder bereit sein, die Milch ins Haus zu liefern.
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Es wird sehr beanstandet, daß das nicht geschieht. Dann aber brauchen wir solche Schwierigkeiten nicht zu beheben, wie es jetzt durch diesen Paragraphen geschehen muß. Dann tun wir uns leichter. Aber so, wie der Paragraph lautet, kann man nur sagen: es ist doch gefährlich, von der alten Vorschrift des Reichsmilchgesetzes abzugehen, wonach die Genehmigung für ein Milchgeschäft an bestimmte Mindestmengen gebunden war. Das ist im Interesse der Verbraucher geschehen, damit die Milch ordnungsgemäß behandelt wird und damit ordnungsgemäße Milchlokale da sind.
Ja, ich verstehe nicht bloß etwas vom Alkohol, sondern auch von der Milch!
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Ich trinke ja auch Milch. Die Flaschenmilch darf nicht mit der sterilisierten Milch verwechselt werden. Auch die Flaschenmilch unterliegt gewissen Einflüssen und hat keine unbeschränkte Haltbarkeit, wenn sie auch besser und haltbarer als die offene Milch ist. Aber auch sie braucht ihre pflegliche Behandlung und ihre Kühleinrichtungen, damit sie für den Verbraucher entsprechend parat gehalten werden kann. Deswegen beantrage ich für eine Anzahl von Freunden, in Art. 2 den Abs. 2 zu streichen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Revenstorff.
Meine Damen und Herren! Wenn Herr Abgeordneter H o r la c h e r soeben gesagt hat, daß er im Interesse der Milchhändler diese Bestimmung gestrichen haben möchte, so verstehe ich nicht ganz, daß er vorher bei dem Umdruck Nr. 673, den er ja als zweiter unterschrieben hat, den gegenteiligen Standpunkt eingenommen hat. Da ist er nämlich nicht für den Milchhandel eingetreten, da ist er mit dafür eingetreten, daß die Molkereien selbst beliefern können.
Wir haben eben bei den Umlagen leider beschlossen, statt 0,25 sogar, wenn es verlangt wird, auf 0,5 Pfennige zu gehen, falls es der Katalog der Ziffern 1 bis 6 des § 20 Abs. 2 erfordert. Unter Ziffer 5 steht „Werbung", und wir sollen jetzt für Werbung soundso viel Geld ausgeben. Wenn wir nun etwas haben, wo der Absatz wirklich gefördert werden kann, dann wollen wir das wieder verhindern. Wie ist das denn hier in Bonn selbst? Viele von uns, die wir hier im Saale sitzen und mit darüber zu bestimmen haben, würden sicherlich viel mehr Milch verbrauchen, wenn wir sie schnell und günstig bekommen könnten. Aber in der Nähe der Wohnung ist kein Milchladen. Ein Einzelhandelsgeschäft ist überall, und wenn wir da Flaschenmilch bekämen, würden wir bestimmt mehr Milch verbrauchen. So aber müssen wir zur Dosenmilch übergehen. Ich kann es einfach nicht begreifen, daß wir an einer Stelle der Molkerei gestatten, selber loszugehen und für mehr Absatz zu sorgen, daß wir Gelder ausgeben wollen, um mehr Milch zu verbrauchen, und daß wir hier eine Sache, die tatsächlich der Förderung des Milchabsatzes dienen kann, wieder ablehnen wollen. Ich bitte also, den Antrag Horlacher nicht anzunehmen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, sagt man. Ich hoffe, daß der Antrag Horlacher nicht schon in Erwartung der nächsten Bundestagswahlen gestellt worden ist. Zur Politik gehört nun einmal ein bißchen Mut, und nicht nur der Mut zur Popularität. Ich möchte bei der Gelegenheit sagen, Herr Kollege Horlacher, ich habe noch niemals bezweifelt, daß Sie von allen Dingen etwas verstehen.
Aber nun zu diesem Punkt hier. Es ist keine gute Sache, die Sie hier eben angedreht haben. Sie erwecken doch den Eindruck, als hätte sich der Ausschuß leichtfertig über die Interessen einer der an der Milchwirtschaft beteiligten Gruppen hinweggesetzt und hätte sozusagen die Milcheinzelhändler irgendwelchen anderen Interessen oder vielleicht seiner eigenen Bequemlichkeit zum Opfer gebracht. Sie wissen genau so wie ich - ich hoffe, daß Sie sich daran erinnern können -, daß wir im Rahmen der Beratungen zu diesem Punkt niemals einen Zweifel daran gehabt haben, daß keineswegs jeder Lebensmitteleinzelhändler mit Milch handeln kann. Es ist selbstverständlich für alle, daß es auch in diesem Rahmen eine Mindestabsatzmenge gibt, schon weil keiner Molkerei zugemutet werden kann, etwa irgend jemandem fünf Flachen zu liefern und am nächsten Tag zwei unverkaufte abzuholen. Sie wissen auch, was die Hygiene der Milch angeht, daß die hygienischen Vorschriften für die Aufbewahrung und Feilhal({0})
tung der Milch auch in anderen Geschäften unter allen Umständen eingehalten werden müssen. Wenn das auch nicht im Gesetz in allen Einzelheiten gesagt ist, so ist es doch eine Selbstverständlichkeit. Es ist in der Diskussion im Ausschuß übrigens in allen Einzelheiten festgestellt worden, daß das in den Rechtsverordnungen zu diesem Gesetz im einzelnen klargelegt werden muß.
Ich beantrage auch meinerseits, daß dieser Antrag abgelehnt wird, weil wir keineswegs notwendig haben, uns hier nach einer Legitimation gegenüber dem Milchhandel umzusehen. Was der Milcheinzelhandel für den Milchabsatz bedeutet, das weiß jedermann, der sich ein bißchen mit dem
Problem befaßt hat. Es kommt schon deshalb nicht
in Frage, daß seinen Interessen nicht Genüge getan ist. Darüber hinauszugehen und eine Geste zu machen und bei der Gelegenheit tatsächlich den Milchabsatz zu riskieren, das ist, wie gesagt, ein bißchen zu früh; so weit sind wir an die Wahlen noch nicht heran, Herr Horlacher.
Das Wort hat der Abgeordnete Eichner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stimmen dem Antrag Horlacher zu, und zwar aus folgendem Grunde. In München ist seit Einführung der Gewerbefreiheit durch die Amerikaner der Milchabsatz nicht gestiegen, sondern der Absatz von Frischmilch um 20 % zurückgegangen. Man stelle sich folgende Situation vor. Der Lkw einer Molkerei muß vor einem jeden Geschäft, wo er vielleicht vier bis fünf Flaschen absetzen kann, anhalten. Wenn der betreffende Einzelhändler dann die Milch nicht loswird, muß er sie wieder der Molkerei zurückbringen. Die Molkerei muß sie wieder zurücknehmen. Unter diesen Umständen ist es nicht zu verantworten, daß wir dem Einzelhandel dazu die Genehmigung erteilen. Meine Freunde stimmen für den Antrag Horlacher.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag Horlacher und Genossen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die überwiegende Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem Art. 2 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen. Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Mit Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz erinnert uns an vergangene Zeiten. Es schränkt die Freizügigkeit der Bauern ein. Deshalb stimmen wir gegen dieses Gesetz.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, daß in der Novelle zum Milch- und Fettgesetz eine Reihe von Bestimmungen Platz gefunden haben, die gegenüber den ursprünglichen Vorschriften ein ganz klarer Fortschritt sind. Ich bedaure, daß ich das nicht von allen Ziffern dieser Drucksache sagen kann.
Meine Damen und Herren, Sie haben uns zwei Anträge abgelehnt, die wir nicht nur der Ordnung halber gestellt haben oder um zu zeigen, daß wir auch etwas von den Dingen verstehen, Herr Horlacher,
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sondern die für uns wirklich eine ganz grundsätzliche Bedeutung haben. Gerade wir, denen Sie immer so gern vorwerfen, daß wir vom zwangswirtschaftlichen Denken nicht loskämen und daß wir uns so in die Verwaltungswirtschaft verliebt hätten, daß wir sie am liebsten immer wieder einführten, müssen Wert darauf legen, das hier noch einmal in wenigen Worten zu sagen, was uns an diesen Anträgen so wichtig erscheint. Was das materiell für den Erzeuger bedeutet, dazu möchte ich sagen, daß er nun durch dieses Gesetz daran gehindert wird, seine Milch direkt an den Verbraucher zu verkaufen, jedenfalls als Regelfall direkt an den Verbraucher zu verkaufen. Damit muß er auf einen bestimmten Betrag verzichten, auf den zu verzichten ihm sicherlich nicht leicht fällt. Außerdem wird er auch noch daran gehindert, wenigstens die zweitbeste Verwertung in jedem Falle auszusuchen. Das ist die eine Angelegenheit.
Das gleiche gilt für die Abnehmer der Milch, für die Milchhändler, die, wenn sie ein Geschäft machen wollen, darauf angewiesen sind, ihre Kunden gut zu beliefern, und deshalb die Möglichkeit haben müssen, sich einen Lieferanten auszusuchen, der ihnen dabei hilft.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch ausdrücklich folgendes sagen. Wir haben dem Milchhandel durch diese Vorschriften, mit denen den Molkereien das Recht gegeben wird, Flaschenmilch direkt an den Verbraucher usw. zu liefern, überhaupt Großverbraucher direkt zu versorgen, eine Konkurrenz in den Molkereien geschaffen. Wir alle, die wir daran mitgewirkt haben, wissen, warum wir das getan haben, und keiner, der sich selbst ernst nimmt, wird von den Überlegungen zurücktreten können, die wir verantwortungsbewußt nach jeder Seite hin miteinander monatelang angestellt haben. Wir müssen nun unserer Überzeugung nach auch den Molkereien mit der Konkurrenz etwas mehr auf den Leib rücken. Daher unser Vorschlag zu § 2, auch den Molkereien die Möglichkeit einer Wahl im Rahmen einer Ordnung zu geben, die allerdings nicht weitergeht, als es eben in diesem Falle sein muß.
Da das für uns geradezu die Kernfrage in diesem Zusammenhang ist, haben wir uns bemüht, die Anträge maßvoll zu gestalten. Ich meinerseits habe mich bemüht, sie so logisch wie möglich zu begründen. Sie sind dem Beschluß der Mehrheit zum Opfer gefallen. Damit bleibt der Zustand bestehen, den wir kennen: der Milcherzeuger, der Milchablieferer wird durch behördlichen Beschluß an die Molkerei gebunden. Die Möglichkeiten, die
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es in § 7 grundsätzlich gibt, diese Bindung aufzulockern, sind unserer Meinung nach nicht ausreichend, um die Interessen derjenigen zu wahren, um deren wirtschaftlichen Bestand es geht, und um an frischem Wind auch in die Molkereien das hineinzubringen, was wir für notwendig halten. Wir werden deshalb diesem Gesetz nicht zustimmen, obwohl wir die anderen Vorschriften, die das Gesetz enthält, begrüßen.
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Der Herr Abgeordnete Kriedemann hat vor der dritten Lesung noch einmal zum Ausdruck gebracht, welche Bedenken seine Fraktionskollegen und Kolleginnen davon abhalten, diesem Gesetz zuzustimmen. Seine Ausführungen haben vor allen Dingen den Eindruck erweckt, daß einzelnen Erzeugern gewisse Dinge zugemutet würden. Darüber müssen wir uns klar sein, meine Damen und Herren: wenn wir hier auf dem Milchsektor in den Ablauf des Marktes eingreifen,
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kann es durchaus geschehen, Herr Kollege Kriedemann, daß ein einzelner ab und zu gewisse Nachteile hinnehmen muß. Das Entscheidende ist aber bei einem solchen Gesetz, daß die Milchwirtschaft in ihrer Gesamtheit einer stetigen Aufwärtsentwicklung entgegensehen kann. Darauf kommt es an, wenn wir die Belange von Erzeuger und Verbraucher beleuchten. Wenn man die mit Mehrheit beschlossenen Bestimmungen vom Standpunkt des Verbrauchers ansieht, ist, glaube ich, von einer Konkurrenz der Händler nicht die Rede. Wir haben die Flaschenmilch herausgenommen. Gerade was die Flaschenmilch betrifft, so sind in den einzelnen Ländern besondere Fortschritte in der Entwicklung erkennbar. Wir sind der Auffassung, daß überhaupt nur auf diesem Wege der von allen für notwendig gehaltene stärkere Absatz von Milch möglich ist.
Es ist dann weiter ein kritisches Wort über die Molkereien gesagt worden. Die Dinge liegen in den einzelnen Ländern verschieden. Im norddeutschen Raum sind die Molkereien zu über 80 % in den Händen der Bauern und werden seit über einem halben Jahrhundert in Form von Genossenschaften weiter entwickelt. Ohne Zweifel werden wir den vielfältigen Anforderungen, die vor allem in hygienischer Hinsicht und bezüglich der Bearbeitung der Trinkmilch gestellt werden müssen, nur gerecht werden, wenn auch weiterhin die notwendigen Investierungen vorgenommen werden können. Hier ist auch immer wieder der Grundsatz zur Geltung zu bringen, daß die Interessen des einzelnen gegenüber der Gesamtheit zurückzustehen haben.
Nun hat der Kollege Kriedemann wiederholt bei der Begründung seines Antrages und auch zuletzt noch kritische Worte gegenüber den beauftragten Länderregierungen gefunden, die ja bei der Durchführung dieses Gesetzes entscheidend eingeschaltet sind. In diesen Dingen wird so oft auf die Entwicklungen zur Zeit des Reichsnährstandes verwiesen. Ich glaube, es ist einmal notwendig, herauszustellen, daß wir in unseren Marktordnungsgesetzen gemeinsam völlig neue Wege gegangen sind, und es muß immer wieder unterstrichen werden, daß nur durch eine Wechselwirkung zwischen Landesregierungen, oberster Landesbehörde, in diesem Fall dem Landwirtschaftsministerium, und den Berufsständen durch enge Zusammenarbeit die vielseitigen Fragen auf dem Milchsektor befriedigend
geregelt werden können. Ich glaube, in all den Ländern, in denen man auf Grund dieses Gesetzes die Möglichkeiten, Landesvereinigungen zu gründen, ausgeschöpft hat, haben schon die zwei Jahre, die hinter uns liegen, den klaren Beweis erbracht, daß in einer Demokratie auf diese Art und Weise sinnvolle Marktordnung im Interesse aller durchaus zu betreiben ist. Ich habe den Wunsch, daß sich dies auf alle Bundesländer fortsetzt. Wir werden dann mit den in manchen Punkten vielleicht nur von einer Mehrheit gefaßten Beschlüssen der weiteren Entwicklung unserer deutschen Milchwirtschaft mit Freude, aber auch mit Zuversicht entgegensehen können.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dannemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird keiner bestreiten, daß in der zweiten Lesung auf Grund der eingebrachten Anträge ganz wesentliche Verbesserungen erreicht worden sind, Verbesserungen in erster Linie zugunsten der Verbraucher, Verbesserungen aber auch zugunsten der Verteilung. Sicher sind nicht alle Wünsche berücksichtigt worden. Auch wir hätten es gerade von unserer Fraktion aus gern gesehen, wenn noch weitere Auflockerungen hätten durchgeführt werden können. Eines soll man allerdings nicht vergessen: das ist die Tatsache, daß die Milch ein so außerordentlich empfindliches Nahrungsgut ist, daß gerade auf diesem Gebiet ohne eine gewisse Ordnung einfach nicht auszukommen ist und daß jede Spekulation, ja jedes leichtsinnige oder leichtfertige Handeln auf diesem Gebiet Gefahrenmomente herbeiführen kann, die sich im Endergebnis außerordentlich verheerend auch auf die Erzeuger auswirken können. Wir mußten auch auf diesen sehr wichtigen Teil unserer Volkswirtschaft Rücksicht nehmen und konnten infolgedessen nicht ganz so weit gehen, wie wir es hier und da gerne gewollt hätten.
Wir werden von unserer Fraktion dem Gesetz unsere Zustimmung geben. Ich bedaure es, daß die SPD, obgleich sie zugegeben hat, daß hier wesentliche Verbesserungen vorgenommen worden sind, glaubt, diesem Entwurf ihre Zustimmung nicht geben zu können.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf Art. 1. - Dazu liegen keine Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Art. 1 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; Art. 1 ist angenommen.
Ich rufe dann auf Art. 2, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. - Ich bitte diejenigen, die Art. 2 sowie der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu heben. ({0})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; Art. 2, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
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Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz im ganzen zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; das Gesetz ist damit in dritter Beratung verabschiedet.
Ich rufe nun als nachträglich in die Tagesordnung eingeschobenen Punkt auf:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. Müller ({2}) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zuckersteuergesetzes ({3}).
- Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht, auch nicht zur Aussprache. Ich darf dann dem Hause wohl vorschlagen, die Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorzunehmen.
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- Und für Steuerwesen, beides?
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Federführend aber der Landwirtschaftsausschuß?
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- Der Finanzausschuß soll also federführend sein, und der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist mit heranzuziehen. - Wortmeldungen liegen hierzu keine vor. Ich bitte das Haus um die Zustimmung zu dieser eben ausgesprochenen Überweisung. - Es wird nicht widersprochen. Damit ist also der Gesetzentwurf überwiesen.
Dazu gehört noch der
Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. Müller ({7})
und Genossen betreffend Preise für Zuckerrüben und Zucker ({8}).
Auch auf eine Begründung dieses Antrags wird verzichtet, und ich nehme die gleichzeitige Überweisung an die gleichen Ausschüsse an.
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- Das Haus widerspricht nicht; dann ist so beschlossen.
Ich rufe nun den Punkt 14 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({10}) über den Antrag der Fraktion der FU ({11}) betreffend Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche, über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Beschaffung von Bekämpfungsmitteln gegen die Maul- und Klauenseuche aus der DDR, über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Bereitstellung von Bundesmitteln zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche, über den Antrag der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend Schädlings- und Seuchenbekämpfung ({12}).
Der Ältestenrat hat dafür eine Gesamtaussprachezeit von 40 Minuten vorgesehen. - Ich
nehme die Zustimmung des Hauses an. Das Wort
zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter
Happe.
Happe ({13}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat in der 189. Sitzung am 6. Februar 1952 die Anträge Nr. 2988 der Drucksachen betreffend Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche, Nr. 2991 betreffend
Beschaffung von Bekämpfungsmitteln gegen die Maul- und Klauenseuche von Landwirtschaftsstellen der Deutschen Demokratischen Republik, Nr. 2992 betreffend Bereitstellung von Bundesmitteln zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche und Nr. 2989 betreffend Schädlings- und Seuchenbekämpfung dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und, soweit es sich um Haushaltsfragen handelt, auch dem Haushaltsausschuß zur Beratung überwiesen, weil auf dem Gebiet der Tierzucht vor allem die Mittel für den Einsatz der Seuchenbekämpfung eine große Rolle spielen.
Die vorliegenden Anträge wurden vom Ernährungsausschuß in den Sitzungen am 27. Februar und 11. Juli dieses Jahres eingehend durchberaten. Die Mitglieder des Ernährungsausschusses waren sich völlig klar über das katastrophale Ausmaß der Maul- und Klauenseuche des Vorjahres und die Ursache, daß bei Beginn der Seuche nicht genügend Vakzine zu ihrer Bekämpfung zur Verfügung standen. Sie waren sich auch völlig klar darüber, daß im Interesse der Gesunderhaltung des deutschen Tierbestands und zum Schutz der menschlichen Gesundheit alle zweckmäßigen Maßnahmen zu treffen sind, um die Seuchen auf ein Mindestmaß herabzudrücken. Der volkswirtschaftliche Schaden des Maul- und Klauenseucheganges 1951/52 wird nach vorläufigen Ermittlungen auf etwa 400 Millionen DM geschätzt. Die Landwirtschaft hat einen Verlust von mindestens 100 Millionen DM erlitten.
In der Erkenntnis, daß die Tierseuchenbekämpfung in Deutschland auf Grund seiner geographischen und wirtschaftlichen Lage von jeher eine besondere Bedeutung hat, nahm der Ausschuß zu den einzelnen Anträgen wie folgt Stellung:
Zum Antrag Drucksache Nr. 2988 der Föderalistischen Union: Die Herstellung von Impfstoffen zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche dürfte nunmehr zur Zufriedenheit geregelt sein. Gegen eine ähnlich starke Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche wie im Vorjahre sind wir gesichert, weil jetzt Virusgewinnungsstationen in Lübeck, Hannover, Höchst, Offenbach und Fürth bestehen. Darüber hinaus wird die Offenbacher Station erweitert, und werden neue Anstalten in Köln und Augsburg errichtet. Die Regierung hat den Plan, so viel Impfstoff bereitzustellen, daß sofort 1,1 Millionen Rinder geimpft werden können. Der Bund hat die erforderlichen Mittel dafür zur Verfügung gestellt.
Zum Antrag Drucksache Nr. 2991 der KPD: Wir wissen, welche große volkswirtschaftliche Bedeutung das staatliche in der Ostzone gelegene Virus- und Forschungsinstitut auf der Insel Riems für die deutsche Landwirtschaft hatte. Diese staatliche Forschungsanstalt steht uns heute nicht mehr zur Verfügung. Im übrigen wird der Antrag im Hinblick auf die Ausführungen von Staatssekretär Dr. Sonnemann im Plenum am 6. Februar 1952 für erledigt erklärt.
Zum Antrag Drucksache Nr. 2992 der KPD: Punkt 1 dieses Antrags wurde bereits durch die Stellungnahme zum Antrag Drucksache Nr. 2988 der Föderalistischen Union beantwortet. Die Forderung unter Punkt 2 des Antrags, den Bauern den durch die Maul- und Klauenseuche entstandenen Schaden, soweit er nicht durch Versicherung gedeckt ist, aus Bundesmitteln zu ersetzen, ist praktisch nicht erfüllbar. Man denke nur an den
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Ausfall der Milcherzeugung, erhöhte Aufwendungen an Futter, Arbeitsleistungen usw.
Zum Antrag Drucksache Nr. 2989 Dr. Horlacher und Genossen: Punkt 1 dieses Antrags wurde ebenfalls mit der Stellungnahme zum Antrag Drucksache Nr. 2988 beantwortet. Zu Punkt 2 a ist zu bemerken: Auf internationaler Ebene befassen sich mit der Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche das Internationale Tierseuchenamt, der Tierseuchenausschuß der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation und der Tierseuchenausschuß der Organisation für Europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit. In wiederholten Beratungen ist die Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Maul- und Klauenseuche anerkannt worden; verschiedene Empfehlungen wurden beschlossen oder werden noch weiterhin beraten, um zu Vereinbarungen zu kommen, die unter anderem folgendes beinhalten: Bevorratung jedes Landes mit ausreichender Vakzine- und Virusmenge, gegenseitige Hilfe bei massiertem Seuchenausbruch in einem Lande, zentrale Durchführung der Typendifferenzierungen und gegenseitige Unterrichtung über den Seuchenstand. Die unter diesem Punkt geforderten Schritte sind somit getan; der Antrag ist als erledigt anzusehen.
Zu Punkt 2 b, Pflanzenschutzdienst: Soweit die Grundlagenforschung für die Schädlingsbekämpfung in Frage kommt, sollen die Beratungen im Ausschuß fortgesetzt werden.
Der Ernährungsausschuß bittet das Hohe Haus, seinem Antrag zuzustimmen: den Antrag Drucksache Nr. 2988 der Bundesregierung als Material für den Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan 1952 zu überweisen; den Antrag Drucksache Nr. 2991 im Hinblick auf die Ausführungen von Staatssekretär Dr. Sonnemann in der Sitzung des Bundestages vom 6. Februar 1952 für erledigt zu erklären; den Antrag Drucksache Nr. 2992 für erledigt zu erklären, da die gemachten Vorschläge praktisch nicht durchführbar sind; den Antrag Drucksache Nr. 2989, soweit er die Seuchenbekämpfung betrifft, für erledigt zu erklären, da die geforderten Voraussetzungen bereits geschaffen sind. Soweit der Antrag die Grundlagenforschung für die Schädlingsbekämpfung betrifft, sind die Beratungen im Ausschuß noch nicht abgeschlossen. Ich bitte als Berichterstatter um Ihre Zustimmung.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! An den Tatsachen, die zu unseren Anträgen geführt haben, hat sich nichts Wesentliches geändert. Im Gegenteil, der Seuchenbefall hat unserer Landwirtschaft mehr als 300 Millionen DM Schaden verursacht und nicht, wie man hier feststellt, 100 Millionen DM. Nur ein Bruchteil dieser Schäden ist behoben; alles andere ging und geht zu Lasten unserer Bauern.
Wenn nun der Herr Berichterstatter namens des Ausschusses beantragt, unsere Anträge als erledigt zu erklären, so möchte ich folgendes feststellen. Herr Staatssekretär Sonnemann hat in der 189. Sitzung des Bundestags erklärt, es liege kein Angebot aus der Deutschen Demokratischen Republik vor, die DDR verfüge selber nicht über genügend Impfstoff, außerdem sei dort der Seuchengang ebenso stark wie hier im Westen.
Dazu stelle ich nach einer genauen Überprüfung folgendes fest. Die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Sonnemann haben damals auf einer westdeutschen Zeitungsente basiert. Es liegt tatsächlich ein Hilfsangebot der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik vor. Die Ausführung des Herrn Staatssekretärs, es sei nicht genügend Impfstoff in der DDR vorhanden, stimmt auch nicht. Ebenfalls stimmt nicht das Zahlenmaterial, das der Herr Staatssekretär damals benutzt hat. Nach einer dpa-Meldung vom 7. Februar 1952 waren damals in Westdeutschland fast 70 % aller Gemeinden mit 55 000 Gehöften verseucht. Aber in der Deutschen Demokratischen Republik waren zur gleichen Zeit nur 3 400 Gehöfte verseucht, am 15. Januar 1952 etwa 2 000. Dann ging die Seuche ganz rapid zurück.
Während hier die Impfung 12,50 DM und mehr kostet, wird in der Deutschen Demokratischen Republik eine Ringimpfung für die Bauern kostenlos vorgenommen. Hinzu kommt, daß hier der Preis des Impfstoffes 150 bis 200 DM beträgt, während er in der Deutschen Demokratischen Republik nur 35 DM beträgt. Nach Mitteilung einer Landwirtschaftszeitung sind in dem Institut Riems 250 000 Liter hergestellt und 100 000 Liter ständig zum Export bereit.
Wir sind deshalb der Meinung, daß über unsere Anträge auf den Drucksachen Nrn. 2991 und 2992 abgestimmt werden sollte, weil das im Interesse der Landwirtschaft liegt. Wenn man sagt, wir hätten einen Antrag eingebracht, für dessen Durchführung keine Mittel vorhanden seien, so stimmt das nicht. Wenn es um die Großindustrie geht, sind Mittel da. Wenn es um Mittel für den Krieg geht, ist auch Geld da. Dann muß auch Geld für die Landwirtschaft dasein.
Das Wort hat der Staatssekretär Dr. Sonnemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Sitzung am 6. Februar 1952 habe ich ausgeführt, daß die Darlegungen des Herrn Abgeordneten Niebergall geeignet seien, den Eindruck zu erwecken, daß die Dinge in der Sowjetzone in bester Ordnung seien. Die Ausführungen des Abgeordneten Niebergall, die wir soeben gehört haben, beinhalten dasselbe. Die Tatsachen, die dem gegenüberstehen, sind folgende. Nach den Feststellungen zum Tierseuchenbericht für die Zeit vom 1. bis 15. September 1952 sind in der Sowjetzone von der Seuche 534 Gemeinden mit 3196 Gehöften befallen. Das ist eine Zahl, die wesentlich über dem Seuchenbefall in der Westzone liegt.
Am 6. Februar 1952 habe ich mir zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Niebergall die Bemerkung erlaubt, es bestehe Anlaß zu der Annahme, daß der Direktor des Seucheninstituts in Riems demnächst einen Artikel veröffentlichen werde, in dem er selbst die Behauptung widerlegt, daß in Riems ein Überfluß, ein für die Bundesrepublik verwertbarer Überschuß an Impfstoff vorhanden sei. Der Aufsatz des Leiters des Instituts in Riems ist inzwischen erschienen. In diesem Aufsatz von Professor Dr. med. Heinz Röhrer heißt es unter anderem:
Der Erreger dieser gegenwärtig wütenden Pancootie gebärdet sich wilder denn je.
({0})
Er weist auf die Schwierigkeiten hin, die dem Institut bei der Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche erwachsen, und sagt weiter:
Diese Schwierigkeiten bestehen insbesondere in dem Mangel an Impfstoff. Der Beschaffung der erforderlichen großen Vakzinemengen stehen natürlich große Schwierigkeiten entgegen.
Aus diesem Grunde sei es nicht möglich gewesen, die Schutzimpfung in der sowjetisch besetzten Zone durchzuführen.
Ich halte mich doch für verpflichtet, dem Hohen Hause davon Kenntnis zu geben, daß die Darstellungen, die der Herr Abgeordnete Niebergall über
die Verhältnisse in der Ostzone gegeben hat, nach einwandfreien Unterlagen nach wie vor unzutreffend sind.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3709. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Meine Damen und Herren, Herr Staatssekretär
Bleek hat im Hinblick auf eine anderweitige Verpflichtung gebeten, Punkt 17 vorzuziehen. Ich
glaube, wir können dem Rechnung tragen, da der
Herr Berichterstatter zu diesem Punkt anwesend
ist. Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum
ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 ({0}): Mündlicher Bericht des Ausschusses zum Schutze der Verfassung ({1}) ({2}).
({3})
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Maier.
Maier ({4}) ({5}), Berichterstatter: Der vom Bundesrat vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 - Drucksache Nr. 2889 - will das noch geltende Wahlgesetz zum ersten Bundestag in einigen Punkten geändert wissen.
Erstens erscheint dem Bundesrat geboten, für den § 1, der die Wahlberechtigung regelt, eine neue Fassung zu wählen, die den im Gesetz vom 15. Juni 1949 noch bestehenden Unterschied zwischen deutschen Staatsangehörigen und Personen deutscher Volkszugehörigkeit beseitigt. Er schlägt deshalb die Ihnen im Ausschußbericht vorliegende Formulierung vor, die ausschließlich auf die Fassung des Art. 116 des Grundgesetzes abgestellt ist.
Zweitens verlangt der Entwurf die Streichung der Ziffer 4 des § 2 des Wahlgesetzes, weil diese Bestimmung durch den Abschluß der politischen Säuberung überflüssig geworden ist. Nach § 2 Ziffer 3 gelten die Einschränkungen für ehemalige Nationalsozialisten, denen auf Grund von Landeswahlgesetzen die Wahlberechtigung versagt ist, auch weiterhin.
Drittens soll an die Stelle des in § 5 Abs. 1 Buchstabe b verwendeten Begriffs des Flüchtlings und Vertriebenen wie im neuen § 1 die Formulierung „Deutsche im Sinne des Art. 116 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland" treten.
Viertens erfordert die Tatsache, daß seit dem Inkrafttreten des Bundeswahlgesetzes eine Reihe von Landeswahlgesetzen wesentlich geändert wurden, eine entsprechende Korrektur des § 5 Abs. 1 Buchstabe c dahin, daß die Bezugnahme auf das am 8. Mai 1949 geltende Wahlrecht der Länder aufgehoben und durch Streichung der Worte „8. Mai 1949" das heute geltende Landeswahlrecht maßgebend wird.
Der 5. Ausschuß, der sich in mehreren Sitzungen mit der Vorlage beschäftigte, hat diesen Teil der Änderungsvorschläge des Bundesrats, die auch von der Bundesregierung gutgeheißen wurden, gebilligt.
Über diesen Fragenkomplex hinaus wirft die Bundesratsvorlage die Frage nach der Tragung der Kosten für die Ausführung des Bundeswahlgesetzes auf und verlangt in einem § 23 a, daß der Bund die den Ländern und Gebietskörperschaften für die ersten Bundestagswahlen und die Nachwahlen entstandenen Kosten trägt. Dieser Forderung des Bundesrats konnte der Ausschuß nicht in vollem Maße stattgeben. Er machte sich in diesem Punkte die Auffassung der Regierung zu eigen, wonach bei Verabschiedung des Wahlgesetzes durch den Parlamentarischen Rat der Bund noch nicht existent gewesen sei. Daher mußten, da das Wahlgesetz keine Bestimmung über den Kostenträger enthält, die Länder und nach Maßgabe der Landesgesetze die Gemeinden die Kosten tragen.
Nach einem Bericht eines Regierungsvertreters ist durch eine mit den Ländern getroffene Abmachung mit Stichtag vom 1. April 1950 ein Ausgleich aller gegenseitigen Forderungen zwischen Bund und Ländern erfolgt. Bis dahin waren den Ländern für die von ihnen wahrgenommenen Bundesaufgaben die großen Verbrauchssteuern, die Umsatz- und die Beförderungsteuer verblieben. Daraus ergibt sich, daß der Bund mit den Ausgaben vor dem 21. September 1949 nicht belastet worden ist, weil er vor dieser Zeit nicht existierte, und daß er mit zentralen Ausgaben, die alle Länder bisher getragen haben, vor dem 1. April 1950 nicht belastet werden konnte, weil ihm die Dekkungsmittel nicht zur Verfügung standen. Dieser Grundsatz muß auch der schwerwiegenden Konsequenzen wegen für die Kosten der Bundestagswahl gelten.
Anders verhält es sich mit den Kosten für die nach dem 1. April 1950 durchgeführten Nachwahlen. Ihre Durchführung war nunmehr eine echte Bundesaufgabe. Die entstandenen Kosten gehen zu Lasten des Bundes. Dieser Feststellung hat der Ausschuß dadurch Rechnung getragen, daß er die in der Bundesratsvorlage vorgesehene Bestimmung des § 23 a dahin änderte, daß der Bund den Ländern und Gemeindeverbänden für alle Nachwahlen die entstandenen Kosten zu ersetzen habe. Dies soll in der Form eines vom Bundesminister des Innern nach der Zahl der Wahlberechtigten bemessenen Betrages geschehen, der mit Zustimmung des Bundesrates festgesetzt wird. Eine Schlußbestimmung gibt dafür die erforderliche gesetzliche Grundlage.
Der Ausschuß, der einmütig die Ihnen im Bericht vorliegenden Änderungen der Bundesratsvorlage beschlossen hat, empfiehlt dem Hohen Hause
({6})
die Annahme des Antrags des Bundesrats auf Drucksache Nr. 2889 mit den vom Ausschuß vorgeschlagenen Änderungen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Aussprache der ersten Beratung ein. Ich rufe auf Art. I Ziffer 1. Das Wort hat Herr Abgeordneter Gundelach.
Meine Damen und Herren! Bei dem vorliegenden Änderungsantrag meiner Fraktion zu Art. I § 1 Abs. a handelt es sich um die Herabsetzung der Altersgrenze für Wahlberechtigte von 21 Jahren auf 18 Jahre.
({0})
Wir Kommunisten vertreten den Standpunkt, daß Personen wahlberechtigt sein sollen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Wir halten die Jugend mit 18 Jahren für absolut reif und urteilsfähig genug, um mitzubestimmen und mitzuverantworten, was auf politischem, wirtschaftlichem und kulturellem Gebiete zu geschehen hat. Dieser unserer Auffassung entspricht der von meiner Fraktion gestellte Änderungsantrag, der Jugend mit 18 Jahren das Wahlrecht zu geben.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung über Art. I Ziffer 1. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag Gundelach zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe.-Mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Ich rufe nun von Art. I die Ziffern 2 und 3 auf. Ich bitte diejenigen, die diesen Ziffern zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; sie sind so beschlossen.
Ziffer 4 entfällt.
Zu Ziffer 5 von Art. I liegt ebenfalls ein Änderungsantrag Gundelach, Umdruck Nr. 672 Ziffer 2, vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Gundelach.
Meine Damen und Herren! Zu § 23 a Abs. 2 haben wir Kommunisten den Änderungsantrag gestellt, diesem Absatz folgende Fassung zu geben:
Der Bund trägt die Kosten der Nachwahlen. Diese Fassung entspricht genau dem ersten Satz des § 23 a Abs. 2 der Gesetzesvorlage. Den zweiten Satz halten wir für absolut überflüssig, wenn der erste Satz völlige Gültigkeit erhalten soll. Aber offenbar will man die Kosten, die bei Nachwahlen entstehen, zum Nachteil der Länder und Gemeinden zwischen den Ländern und dem Bund verteilen. Wir Kommunisten sind gegen eine solche Regelung; wir sind dafür, daß der Bund allein die Kosten bei den Nachwahlen zu tragen hat. Diese Regelung, wie sie von mir vorgeschlagen wird, entspricht absolut den Interessen der Länder und Gemeinden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag Gundelach, Umdruck Nr. 672 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die
Gegenprobe. - Das letzte ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die Ziffer 5 in der Fassung des Ausschusses zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf Art. II, - Einleitung und Überschrift. - Dazu sind keine Änderungsanträge gestellt. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Einzelberatung. Ich rufe auf Art. I, - Art. II, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. - Die Aussprache ist geschlossen.
Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Artikeln, der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist die dritte Beratung beendet.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz im ganzen zustimmen. sich zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit. Damit ist der Gesetzentwurf verabschiedet.
Ich rufe nun Punkt 15 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/ CSU betreffend Dürrekatastrophe im südlichen Teil des Bundesgebiets ({0}).
Der Ältestenrat schlägt dazu eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vor. Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher das Wort.
Dr. Horlacher ({1}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Zeit vom Frühjahr bis zum Herbst kann für den Landwirt eine sehr schöne Zeit sein; sie ist auf jeden Fall eine arbeitsreiche Zeit. Es kann aber auch eine sehr sorgenvolle Zeit sein; denn er ist von Wind und Wetter abhängig, von Naturkatastrophen, von Seuchenfällen. Wir haben das ja im Laufe dieses Erntejahres zur Genüge kennengelernt. Wir haben in einzelnen Gebieten der deutschen Bundesrepublik, und zwar massiert im deutschen Süden bis nach Hessen herauf, infolge der langandauernden Hitzeperiode außerordentliche Schäden in der Landwirtschaft zu verzeichnen. Wir müssen Gott danken, daß die Wetter- und Ernteverhältnisse in der Deutschen Bundesrepublik verschieden gelagert sind, denn sonst wäre die Lage auf dem Gebiet der Versorgung der Bevölkerung nicht so, wie sie heute trotz der Ausfälle im Süden noch ist.
Es ist sehr schwer, diese Katastrophengebiete des Südens herauszuschälen. Ich habe infolgedessen mit einer Reihe von Freunden beantragt, die Landesregierungen besonders von Baden, Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz zu ersuchen, sich mit der sofortigen Feststellung der Dürreschäden vor allem an Futtermitteln, Kartoffeln, Obst, Gemüse und Tabak zu beschäftigen. Es ist notwendig, daß wir möglichst rasch eine Übersicht bekommen. Bei dieser Gelegenheit fordere ich Bundesernährungsministerium und Länderminister auf, dafür Sorge zu tragen, daß in Zukunft bei solchen Ereignissen eine raschere Berichterstattung als bisher erfolgt.
({2})
({3})
Ich gehöre zu denen, die immer in allen Verhältnissen ruhiges Blut bewahren. Man darf die Katastrophen nicht übersehen, wenn sie da sind; man darf aber auch die besseren Verhältnisse anderswo nicht übersehen. Man darf daraus keine gesamte Katastrophenstimmung entwickeln, denn wir sind froh, wenn noch ein paar von Katastrophen freie Gebiete da sind, aus denen wir die Hilfe für die Katastrophengebiete schaffen können.
Wir warten immer noch auf diese genauen Ermittlungen, aber es gibt gewisse Anhaltspunkte. Was machen die Herren, wenn sie sich orientieren wollen, wo die Dürregebiete liegen? Nehmen Sie einmal die Aufzeichnung der Niederschlagsmengen der Monate Juli und August zur Hand und sehen Sie nach, wie groß die Niederschlagsmengen waren und wie sie im Verhältnis zum Normalwert stehen. Dann werden Sie den ganzen großen Komplex des Dürregebiets im deutschen Süden erkennen. Er geht daraus deutlich hervor. Das waren die Gebiete mit den viel zu geringen Niederschlägen, wo die Dürre sich auswirken konnte. Wie ich schon sagte, ist es Gott sei Dank so, daß diese Dürre sich eben regional auf bestimmte Bezirke erstreckte. Es wird Aufgabe der Landesregierungen sein, das einmal auszuarbeiten.
Bei uns in Bayern - meine Freunde der anderen Gebiete reden j a über ihre eigenen Gebiete noch selber, ich lasse also diese aus, denn wir wollen j a nicht doppelt nebeneinanderreden - gilt das vor allem für den Jura, die Münchener Schotterplatte, für die schweren Keuperböden Frankens und für das Trockengebiet Unterfrankens. Und in diesen Katastrophengebieten lagen die Niederschlagsmengen bis zu 75 % unter dem Normalwert! Daraus können Sie ermessen, daß die Dürre sich in diesen Gebieten doch ziemlich verheerend ausgewirkt haben muß. In Bayern zeigten sich bereits in der zweiten Julihälfte die Trockenheitserscheinungen. Der Nachwuchs an Kraftfutterpflanzen blieb gänzlich aus, auf guten, wasserhaltenden Böden setzte er nur zögernd wieder ein. Das schlimmste ist dabei, daß die Bauern zur Viehfütterung schon bald auf den Wintervorrat zurückgreifen mußten. Ihre einzige Hoffnung besteht darin, daß das Wetter jetzt im Herbst noch ein bissel günstig ist, damit die Herbstweide ausgenutzt werden kann.
Dann kommen die Rückwirkungen auf die Milcherzeugung - das haben wir ja gesehen -: Ansteigen des Trinkmilchverbrauchs, Rückgang der Milchanlieferung und gleichzeitig nicht genügende Befriedigung des Butterbedarfs. In Bayern haben wir einen Milchausfall von mehr als 45 000 Tonnen zu verzeichnen gehabt.
Dann kommt dazu, daß der Grummetschnitt ausgeblieben ist. Auch die Niederschläge im August lagen weit unter dem Durchschnitt. Die Folge waren die verstärkten Rinderverkäufe. Eine solche Trockenheit ist in erster Linie ein schlechtes Geschäft für den Erzeuger, für den Bauern; der hat die ganze Last zu tragen. Sie tritt auch in gewissen Verteuerungen in Erscheinung; ich erinnere nur an die Butter. Die Verhältnisse müssen hier also im Zusammenhang gesehen werden. Ferner haben wir einen bedeutenden Ausfall bei den Hackfrüchten. Auch der Tabak hat sehr gelitten. Wir dürfen froh sein, daß die Kartoffelernte in der deutschen Bundesrepublik unterschiedlich und im Norden besser als in vielen Gebieten des Südens ausgefallen ist, wo die Kartoffelernte außerordentlich gelitten hat.
Wir haben infolgedessen einen Antrag eingebracht, der hierzu gewisse Maßnahmen vorsieht. Jetzt wäre es notwendig, daß der Bundesfinanzminister endlich einmal da wäre;
({4})
denn mit dem haben wir von der landwirtschaftlichen Seite aus immer die größte Arbeit, die zu bewältigen ist.
({5})
- Das ist ja egal, der gehört zur Koalitionsregierung; Sie sind genau so dazu verpflichtet, mit dem
zu reden, wie wir. Gleiche Brüder, gleiche Kappen!
({6})
Wir haben die gleiche Schule und genießen den gleichen Unterricht!
({7})
Lassen wir aber jetzt das beiseite! Da heißt es: Bereitstellung der notwendigen Mittel für die Einfuhr- und Vorratsstellen, damit diese eingreifen können, um überschüssiges Vieh aufzunehmen, damit die Preise nicht allzusehr sinken und das von der Vorratsstelle eingefrorene Fleisch dann wieder abgegeben werden kann, um eine außerordentliche Überteuerung der Verhältnisse zu vermeiden. Diese Funktion müssen die Einfuhr- und Vorratsstellen endlich erfüllen. Die Vorratsstelle für Getreide muß arbeiten. Verbilligte Futtermittel müssen in die Gebiete hineingeschafft werden, die Schweinezucht muß im Interesse der Fleischversorgung aufrechterhalten werden. Deswegen müssen über die Umtauschaktion hinaus verbilligte Futtermittel geliefert werden. Ferner muß die Einfuhr- und Vorratsstelle für Vieh und Fleisch die nötigen Kredite haben, damit sie in diesen Fällen operieren kann. Denn wenn sie keine Kredite hat, ist sie ein Messer ohne Heft, mit dem man nichts anfangen kann.
Darüber hinaus soll sich die Bundesregierung endlich einmal zu folgendem entschließen. Ich habe schon eine Korrespondenz mit dem Bundeskanzler gehabt; teilweise wurde schon manches versprochen, aber bis die was ausführen, vergeht viel Zeit.
({8})
Ich habe verlangt - das ist auch sinngemäß -, daß man die notwendigen Mittel für die Einfuhr- und Vorratsstellen zur Verfügung stellt. Insbesondere bei solchen Katastrophenfällen ist es notwendig, daß man der Berlin-Hilfe eine Sonderstellung einräumt; denn die Berlin-Hilfe hat mit der laufenden Versorgung der Einfuhr- und Vorratsstellen mit Krediten nichts zu tun. Die BerlinHilfe ist eine im Interesse des ganzen deutschen Volkes notwendige Maßnahme. Die dafür erforderlichen Mittel müssen von den allgemeinen Bundesmitteln abgezweigt werden.
({9})
Ähnlich ist es mit der Vorratshaltung, die wir aus nationalem Interesse betreiben müssen, so daß die Einfuhr- und Vorratsstelle ihre Kredite bloß für die Bewältigung ihrer laufenden Aufgaben zu verwenden hätte.
({10})
- Na ja, wenn Kollege Kriedemann mit mir ein({11})
verstanden ist, bin ich überglücklich; dann sind wir doch endlich wieder gut miteinander.
({12})
- Streiten wir nicht miteinander!
Dann kommt die Hergabe verbilligter Kredite zum Ankauf von Rauhfutter und Kraftfutter. Ferner brauchen wir einen Nottarif bei der Bundesbahn und schließlich Hilfe von der steuerlichen Seite her. Wir müssen das Gesamtproblem betrachten.
Ich wäre dafür, daß wir den Antrag en bloc annehmen. Aber das wird nicht gehen, und deshalb bin ich dafür, daß die einzelnen Ausschüsse, die hierfür zuständig sind - Ernährungsausschuß, Finanzausschuß, Verkehrsausschuß -, sich so rasch wie möglich mit dem Antrag beschäftigen, damit er so rasch wie möglich erledigt werden kann. Ich bitte Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, hier kräftig mitzuwirken. Wenn der Kollege Kriedemann noch dabei ist, kann es überhaupt nicht schiefgehen.
({13})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Höhne.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, daß wir uns vor Übertreibungen hüten sollten, und die Deklaration dieses Antrags scheint mir eine Übertreibung zu sein. Wir haben keine Dürrekatastrophe zu verzeichnen, wir haben aber Dürreschäden aufzuweisen. So meine ich, daß wir die Kirche schön beim Dorf lassen und uns darüber auseinandersetzen sollen, was nötig ist, um berechtigte Wünsche zu erfüllen, nicht aber, um unberechtigte Hoffnungen zu erwecken. Das ist meine Sorge. Wenn der Antrag von Dürrekatastrophe spricht, dann werde ich die Sorge nicht los, daß draußen mehr Erwartungen geweckt werden, als vom Bundestag und den zuständigen Stellen erfüllt werden können.
Gewiß ist in den süddeutschen Bereichen eine Trockenperiode gewesen. Aber diese Trockenperiode hat - selbst in dem wasserarmen Jura - nicht überall die gleichen Schäden hervorgerufen. Wir können auch dort feststellen, daß teilweise sogar gute Ergebnisse zustande gekommen sind. Ich sage dies, Herr Abgeordneter Horlacher, im vollen Bewußtsein meiner Verantwortung, wenn auch vielleicht in der Öffentlichkeit das, was ich hier spreche, umgewertet werden wird. Ich weiß dennoch, mit welchem Verantwortungsbewußtsein ich dieses Thema hier anzusprechen habe. Wenn wir nämlich diese Verallgemeinerungen treffen und von Dürrekatastrophe reden und den wirklich betroffenen Gebieten eine Hilfe zuteil werden lassen, dann möchten alle in den Genuß dieser Hilfe kommen, auch die, die nicht unmittelbar von den Dürreschäden stark betroffen worden sind. In der Hauptsache handelt es sich doch um die kleinen Leute, die nichts verkaufen können, die ihren Anbau nur mit zur eigenen Verwendung haben. Denen muß geholfen werden, und wenn wir helfen, dann müssen wir uns auch überlegen, wie wir diese Hilfe ansetzen.
Es soll nicht so gehen, daß z. B. generelle Festlegungen getroffen werden: in diesen Gemeinden sind 70 % Ernteschäden zu verzeichnen. O nein!
Wir haben in der zurückliegenden Zeit erlebt, daß manche Gemeinden einen Ernteschaden von 15 bis 75 % zu verzeichnen hatten. Hier wird aber nicht solchermaßen verfahren, daß der in den Genuß der Hilfe kommt, der den Ausfall wirklich erlitten hat, sondern hier wird die Höchstzahl des Ernteausfalls herangezogen, und es wird gesagt: die ganze Gemeinde hat 75 % Verlust erlitten, wie es z. B. der Bauernverband gemacht hat. Wir möchten nicht, daß die Erhebungen vom Bauernverband gemacht werden, sondern von den Landwirtschaftskammern. Die sind hierfür zuständig. Wir wünschen auch, daß in den Gemeinden die Schadenslisten aufgelegt werden,
({0})
damit auch diejenigen in den Genuß der Subvention kommen, die sie wirklich verdienen, die einen echten Ausfall erlitten haben.
Wir haben doch verschieden gelagerte Böden, wir haben leichtere und schwerere Böden, und daher ist nicht alles über einen Kamm zu scheren. In Anbetracht der zur Verfügung stehenden geringen Mittel können wir nur denen helfen, die die Hilfe wirklich brauchen. Diejenigen, die diese Hilfe nicht unbedingt notwendig haben, müssen zurückstehen. Ich erinnere Sie hier an die kürzlich in den Ausschüssen gerade auf dem landwirtschaftlichen Sektor in bezug auf die Flachsunterstützung usw. stattgefundenen Debatten. Man sagt doch immer, es ist kein Geld da. Wenn es sich aber um solche Anträge handelt, soll plötzlich Geld da sein. Ich weiß nicht, wo es sein soll.
In Verbindung mit den Ländern sollen Feststellungen gemacht werden, wie groß die Schäden sind. Damit sind wir einverstanden. Wir wünschen aber auch, daß die Feststellung der Schäden, wie ich schon betont habe, nicht durch die Bauernverbände, sondern durch die Landwirtschaftskammern vorgenommen wird, damit wir die Gewähr einer sachlichen und nicht einer propagandistischen Behandlung haben. Durch eine derartige Behandlung dieser Schadensfeststellung glauben wir, ein genaueres Bild und auch eine Übersicht über die Leistungen zu bekommen.
Den Punkten 1 bis 5 und dem Punkt 7 werden wir unsere Zustimmung geben. Wir werden auch in den Ausschüssen entsprechend mitarbeiten. Der Punkt 6 muß von uns aber sehr skeptisch betrachtet werden, weil nach den vorliegenden Unterlagen das Gesamtsteueraufkommen der Landwirtschaft sowieso nur 3% ausmacht.
({1})
Im Hinblick auf diese Tatsache erscheint es mir verantwortungslos, dem Punkt 6 des Antrages zu entsprechen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Schill.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der CDU/CSU hat den Antrag auf Drucksache Nr. 3701 gestellt, um einem großen Notstand in den Dürregegenden unseres Bundesgebietes zu begegnen. Der Herr Kollege Horlacher hat dazu schon grundsätzlich Stellung genommen; er hat uns auch einige Beispiele aus seinem Heimatland Bayern angeführt.
Ich selbst möchte Ihnen einiges über die Dürreschäden im Bundesland Baden-Württemberg vortragen. Wir können das Jahr 1952 als Trockenjahr
({0})
nicht mit den zwei anderen Trockenjahren 1947 und 1949 vergleichen, deren Trockenperioden kürzer waren. Das Trockenjahr 1952 war einmal durch die Länge der Trockenheit, dann aber auch durch die Hitzegrade viel gefährlicher. Wir hatten in diesem Sommer, den August eingerechnet, eine durchschnittliche Niederschlagsmenge von nur 40 °/o, im Juli sogar nur eine Niederschlagsmenge von 10 bis 25 °/o. Es gab ungewöhnliche Hitzegrade, mit denen die vom Jahre 1947 keinen Vergleich aushalten. Erschwerend kommt für das ganze Gebiet der Rheinebene hinzu, daß sich der Grundwasserstand in den letzten Jahren ständig gesenkt hat. Durch den Bau des französischen Seitenkanals ist die Frage der Senkung des Grundwasserstandes noch brennender geworden. Wir werden uns daher in Zukunft auch mit den wasserwirtschaftlichen Verhältnissen in diesem Gebiet eingehend zu beschäftigen haben.
Im ganzen Land Baden-Württemberg sind Dürreschäden vorhanden. Im Gegensatz zu meinem Kollegen Höhne, der davon sprach, daß man nicht von einer Dürrekatastrophe reden sollte, möchte ich meinen, daß in vielen Gebieten unseres Landes eine wirkliche Dürrekatastrophe vorhanden ist. Im südbadischen Raum, also im bisherigen Land Baden, hat die Abwicklungsstelle des früheren Landwirtschaftsministeriums seit Wochen genaue Erhebungen über die eingetretenen Schäden vorgenommen. Diese Erhebungen wurden in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und dem Bauernverband durchgeführt und sehr sorgfältig vorgenommen. Die Ermittlungen geben heute ein ganz klares Bild der wirklichen Lage. In der Hauptsache sind die Rheinebene und die Randgebiete betroffen, also jene Gegenden, in denen der Kartoffelbau, die Sonderkulturen - Obst und Tabak - und das Grünland heimisch sind.
Die sorgfältigen Erhebungen über die Auswirkungen der Trockenheit ergeben folgendes Bild. Im Getreidebau ist durch die Notreife, die kleine Körner zur Folge hat, ein Ausfall von 15 %, beim Ackerfutterbau, also bei Klee oder Klee- und Grasgemisch, ein solcher von 50 %, beim Wiesenfutterbau ein völliger Ausfall des zweiten Schnittes. also ein solcher von 30 % des gesamten Rauhfutteranfalles, zu verzeichnen. Bekanntlich soll das Rauhfutter für sechs Monate reichen. Die betroffenen Gebiete werden also zwei Monate, und zwar für die Übergangszeit vom Ausgang des Winters bis zum Anfall von Grünfutter ohne Rauhfutter sein. Die Auswirkungen auf den Milchertrag und auf die Fleischerzeugung kann sich jeder selbst ausmalen.
Sehr schlimm sind die Folgen der Trockenheit im Kartoffelbau. Der Ernteausfall wird hier durchschnittlich mit 50 % angenommen. Wenn man weiß, daß gerade die kleineren Betriebe ihre Schweine mit den Kartoffeln gemästet haben, kann man sich von der Auswirkung gerade auf diesem Sektor ein Bild machen. Dazu kommen die schlechte Qualität und die geringe Haltbarkeit der Kartoffeln. Zu Speisekartoffeln wird nur ein kleiner Teil Verwendung finden können. Saatkartoffeln gibt es aus der diesjährigen Ernte überhaupt nicht. Was das für unsere Landwirtschaft bedeutet, die ihr Kartoffelsaatgut aus dem Norden beziehen muß, kann sich jeder selbst ausrechnen. Bei den Sonderkulturen haben in der Hauptsache Obst. Gemüse und Tabak gelitten. Dort ist ein Ausfall in den Erntemengen, aber auch in der Qualität zu verzeichnen.
Bei einer Zusammenstellung der Trockenschäden ergibt sich allein in unserem früheren kleinen Land Südbaden in Geld ausgedrückt ein Einnahmeausfall von 80 bis 100 Millionen DM. Das ist also eine sehr ernste Angelegenheit. Das sind etwa 20 bis 25 % der Roheinnahmen der Landwirtschaft überhaupt. Aber das ist nicht alles. Die Trockenheit hat noch nachhaltige Auswirkungen auf die nächste Ernte, und zwar auf allen Gebieten, beim Getreidebau, beim Kartoffelbau und beim Futterbau. Man braucht nur an die ganzen Kleeeinsaaten oder die Einsaaten an Kleegras zu denken, die vollständig vernichtet sind. Das wird sich ja erst im nächsten Jahr auswirken.
Aber auch die Preisbildung für Schlachtviehverkäufe in den Notgebieten hat sich heute schon so ausgewirkt, daß die Preise schon 20 % unter den seitherigen Preisen liegen. Dazu kommt, daß die meisten dieser Trockengebiete in den letzten Jahren durch Maul- und Klauenseuche oder Hagelschäden schwer gelitten haben.
Die Größe der Dürrekatastrophe bringt es mit sich, daß die Landwirtschaft aus sich selbst heraus diesen Schaden nicht tragen kann. Sie wäre dann zu einem Rückgang ihrer Erzeugung und einer zunehmenden Verschuldung verurteilt. Wir haben in unserem Antrag auch nicht von einer Erhöhung der Preise gesprochen. Wir wissen gut genug, daß diese Erhöhung einmal angesichts des großen Schadens ohne Bedeutung ist und daß sie ferner eine Preiserhöhung für andere Dinge nach sich zieht, die wir nicht wollen. Wir haben aber die Bundesregierung gebeten, Maßnahmen einzuleiten, die notwendig sind, um die Schäden wenigstens zu mildern. Der Herr Kollege Horlacher hat bereits hingewiesen auf die Bereitstellung der notwendigen Mittel zur Beschaffung von Futtermitteln, auf die Herausnahme von Vieh aus den überfahrenen Schlachthöfen, um Preisdruck zu vermeiden, ferner auf verbilligte Kredite und auf Frachtverbilligung. Gerade dieser letzte Punkt scheint mir besonders wichtig zu sein, weil ja auf die großen Entfernungen von Norden nach Süden die Fracht oft mehr kostet als das Heu und Stroh selbst. Ich möchte aber gleich der Meinung Ausdruck geben, daß die Deutsche Bundesbahn in Anbetracht ihrer finanziellen Lage und ihrer schweren Belastungen nicht fähig sein wird, diese Ausfälle an Frachten selbst zu tragen.
Herr Kollege Horlacher hat auch auf die Zinsverbilligung oder die Zuschüsse für den Kauf von Saatkartoffeln, Futter, Sämereien und Düngemitteln sowie auf Steuernachlässe und Zinsstundung hingewiesen. Der Herr Kollege Höhne hat ausgeführt, daß die SPD diesen Punkt 6 bezüglich Steuernachlässe sehr scharf prüfen müsse. Aber wenn wir verhindern und vermeiden wollen, daß ein Rückgang in der Erzeugung eintritt, müssen wir den Bauern Gelegenheit geben, ihre wenigen Gelder für den Kauf von Produktionsmitteln anzulegen; die Steuer kommt in Gottes Namen einmal später.
Das ist die Lage, wie sie sich auf Grund der bisherigen Feststellungen darstellt. Sie ist außerordentlich ernst, insbesondere deshalb, weil es sich in der Hauptsache um kleine Betriebe handelt, die sowieso schwer um ihre Existenz ringen. Wir bitten die Bundesregierung, alles zu tun, um die eingetretenen Schäden zu mildern. Wir müssen verhindern, daß im nächsten Jahr -eine Produktionsminderung in der Landwirtschaft eintritt. Das könnten die landwirtschaftlichen Betriebe nicht er({1})
tragen, und die Ernährung unseres Volkes könnte es schon gar nicht.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Durch die lange Trokkenheit in diesem Sommer, die die Dürreschäden mit sich brachte, sind Gott sei Dank nicht alle Gebiete unserer Bundesrepublik stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Aber zu den Gebieten, die hiervon stark betroffen sind, gehört leider auch ein großer Teil von Hessen und Rheinland-Pfalz. Es war die CDU-Fraktion des hessischen Landtags, die dort schon vor einiger Zeit einen Antrag eingebracht hat - ungefähr gleichlautend mit dem, den wir heute hier behandeln -, um dieses Problem zu beraten und zu besprechen, die Mittel und Wege zu suchen, wie der Landwirtschaft in den betroffenen Gebieten geholfen werden könnte.
Es sind auch schon Ermittlungen angestellt worden, um festzustellen, wie hoch ungefähr die Schäden in den betroffenen Gebieten sind. Sie sind ja - das wurde hier schon betont - sehr unterschiedlich und sehr stark gerade in den Gebieten, die ungünstige Bodenverhältnisse haben, die gewissermaßen eine schwache Ackerkrume haben, wo sich immer eine Trockenheit, wenn sie lange dauert, sehr verhängnisvoll auswirkt. Die Erhebungen in Hessen und Rheinland-Pfalz haben z. B. zu der Feststellung geführt, daß ein Ausfall bei Getreide von 15 bis 20 %, bei Futtermitteln von 50 bis 60 %, bei Kartoffeln von 30 %, bei Tabak von 66 %, bei Wein von 50 % und bei Rauhfutter von 50 bis 80 % eingetreten ist. Bei Weiden ergab sich ein Ausfall von 35 %. Dieser Ausfall hat schon im Sommer die Milcherzeugung wesentlich beeinflußt, aber hier wird sich der Hauptschaden erst im Winter einstellen, wenn das Rauhfutter, das nun einmal für die Winterfütterung notwendig ist, einfach nicht da ist und auch sehr schwer oder kaum wird herbeigeschafft werden können.
Die betroffenen Landwirte in den Gebieten sind natürlich durch die Mindereinnahmen sehr geschädigt. Mancher Landwirt hat im Frühjahr, als er den sehr guten Stand der Saaten draußen sah, bereitwillig seine Unterschrift zu einem Kauf von landwirtschaftlichen Maschinen und Geräten gegeben, und heute sieht er sich sehr schwer in der Lage, die fälligen Raten zu begleichen. Es müssen daher Mittel und Wege gesucht werden, um unter allen Umständen Hilfe zu bringen.
Wie sich diese Dürreschäden bei den kleinen Landwirten auswirken, dafür nur ein einziges Beispiel. In Rheinland-Pfalz ist der Tabakbau noch ziemlich mit vorherrschend. Im vorigen Jahr 1951 war die Gesamteinnahme im Tabakbau dort 17 Millionen DM; sie wird heute infolge der Trockenheit auf 5 Millionen geschätzt. Ein Beweis dafür, welch starken Ausfall gerade die kleinen Landwirte zu verzeichnen haben.
In Hessen hat man Erhebungen darüber angestellt, inwieweit man die Rindviehbestände wird abschaffen müssen, wenn nicht das notwendige Futter herbeigeschafft oder Unterstützung beim Kauf dieses Futters gewährt werden kann. Insbesondere kommt es darauf an, daß wir alles tun, um die Milchviehbestände nicht zu reduzieren. Erhebungen, die in Hessen von den beiden Landwirtschaftskammern Kassel und Frankfurt angestellt worden sind, haben ergeben, daß in den neun betroffenen Kreisen mindestens 38 000 Milchkühe überplanmäßig dem Schlachtviehmarkt zugeführt werden müssen, wenn nicht für das notwendige Futter gesorgt wird. Dieses Rauhfutter wird auf dem Markt nur sehr schwer beschafft werden können, wenn es überhaupt zur Verfügung steht. Soll es z. B. aus dem Raum Schleswig-Holstein nach Rheinland-Pfalz oder nach Hessen geschafft werden, wird allein ein Frachtsatz von mindestens 3,50 DM in Frage kommen. Bei den derzeitigen Preisen für Rauhfutter ist das eine Belastung, die die betroffenen Landwirte allein nicht tragen können. Deshalb müssen Mittel und Wege gesucht werden, um eine Subvention für diese Futtermittel herbeizuführen, die unbedingt notwendig sind, um den Bestand an Milchvieh, überhaupt den Viehbestand in den Bauernhöfen der betroffenen Gebiete sicherzustellen.
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In Hessen hat man sich mit dieser Notlage schon eingehender befaßt. Bei den Beratungen ist man zu dem Ergebnis gekommen, daß mindestens ein Subventionsbetrag von 50 DM pro Kuh in Frage kommt, um die Futtermittel zu verbilligen. Hinzu muß natürlich noch eine Frachtermäßigung kommen, denn wie ich schon ausführte, können die betroffenen Landwirte, kleine Bauern insbesondere, diese Unkosten unter keinen Umständen allein tragen.
Bei dieser Situation der Landwirtschaft in jenen Gebieten haben wir wiederum, wie so oft schon, festzustellen, daß unsere Einfuhr- und Vorratsstelle leider nicht so funktioniert hat, wie sie eigentlich funktionieren müßte, um wirklich der Regulator zum Ausgleich von Schwankungen zu sein. Auf eine telefonische Anfrage wurde mir heute aus Hessen gesagt, die Einfuhr- und Vorratsstelle nehme nur A-Vieh aus den betroffenen Gebieten ab. Wir wissen alle, daß gerade die Landwirte aus den Gebieten A-Vieh kaum oder überhaupt nicht anzubieten haben, schon infolge des verminderten Futteranfalls dieses Sommers. Es ist doch dringend notwendig, Herr Staatssekretär, die Einfuhr- und Vorratsstelle anzuweisen, darüber hinaus auch die minderen Qualitäten von Vieh, die gerade aus diesen Gebieten angeboten werden, abzunehmen, damit dieser Landwirtschaft wirklich eine Hilfe zuteil werden kann.
Um die Hilfeleistung in die Wege zu leiten, hat man in Hessen den Weg beschritten, daß die Landwirtschaftskammern, der Bauernverband und die Kreislandwirte Ermittlungskommissionen zusammensetzen. Verehrter Herr Kollege Höhne, es ist nicht so, daß der Bauernverband allein die Ermittlungen anstellt. Es kann und darf meines Erachtens aber auch nicht so sein, daß man den Bauernverband dabei ganz ausschaltet. Wir haben es bisher immer erlebt: wenn die Arbeiterschaft betreffende soziale oder sonstige Fragen behandelt werden sollen, verlangt man mit Recht, daß die Gewerkschaften mit zugezogen werden. In einer solchen Frage, die die Landwirtschaft betrifft, soll man deshalb unter allen Umständen auch den Bauernverband als die berufsständische Organisation mit hinzuziehen. Das hat sich bisher immer als nützlich erwiesen.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich komme sofort zum Schluß. - Das wird sich niemals schädlich auswirken. Ich glaube, eine Verbindung von Kammern, Kreisland({0})
' wirten und der berufsständischen Organisation wird immer die nötige Basis für wirklich sachliche Ermittlungen abgeben und zu einer vernünftigen Behandlung dieser Materie führen können.
Ich möchte zum Schluß nur noch die Bitte aussprechen, daß dieser Antrag im Ernährungsausschuß möglichst schnell beraten wird, damit die Landwirte in den betroffenen Gebieten nicht zu lange auf die Hilfe warten müssen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist ein Irrtum meines Herrn Vorredners, wenn er annimmt, mein Kollege Höhne habe die Auffassung vertreten, daß die Mitarbeit der Bauern bei der Feststellung der Schäden ausgeschaltet werden solle. Er muß sich verhört haben; das Stenogramm wird es nachweisen.
Ich möchte das, was ich hier als Vertreter eines weitgehend landwirtschaftlichen Kreises zu sagen habe, an den Tatsachen orientieren. Zunächst stelle ich fest, daß im Gegensatz zu der Haltung mancher Landesregierungen - ich nenne hier den hessischen Landwirtschaftsminister Fischer - der Herr Bundesernährungsminister und sein Ministerium nach meinen Beobachtungen bis jetzt die Initiative haben vermissen lassen, auf die die Landwirtschaft einen Anspruch hat. Wer bemüht ist, sich von Übertreibungen frei zu halten, wer wie mein Kollege Höhne und ich es ablehnt, von einer Katastrophe zu sprechen, der wird doch den Ernst und das Gewicht der tatsächlich eingetretenen Schäden entschieden unterstreichen und verlangen müssen, daß hier
D wirklich etwas geschieht. Ich habe mir die Sache bereits Ende August angelegen sein lassen. Ich habe mir die Dinge in den verschiedenen Bezirken und Kreisen an Ort und Stelle angesehen und habe mit den Bauern und mit landwirtschaftlichen Sachverständigen gesprochen. Ich war der Auffassung, daß es die Aufgabe des Bundesernährungsministeriums ist, so rasch als möglich zu helfen und nicht zu warten, bis das Parlament nach Beendigung der Sommerferien wieder in Aktion treten kann. Ich darf hier feststellen, daß das Bundesernährungsministerium auf verschiedene Fragen und Briefe bis heute noch keine Antwort gefunden hat. Diese Briefe datieren zum Teil noch aus dem August. Ich glaube, es wäre richtiger gewesen, wenn das Bundesernährungsministerium in dieser Angelegenheit etwas aktiver gewesen wäre.
Sie werden es mir nun nicht übelnehmen, wenn ich darauf hinweise, daß - es handelt sich ja nicht um eine Art von Idealkonkurrenz - in meinem Heimatland Hessen, besonders im Odenwald, in den Kreisen Dieburg und Erbach, an der Bergstraße und im hessischen Ried, eine solche Unsumme von Schäden entstanden ist, daß eine dringende Notwendigkeit gegeben ist, hier so rasch als möglich zu helfen. Die Weiden waren zu einem großen Teil vollkommen ausgetrocknet, die Wiesen selbstverständlich auch. Neuansaaten von Rotklee sind einfach zugrunde gegangen. Das wird sich im nächsten Jahr bei der Ernte noch sehr deutlich zeigen. Die hessische Regierung - das sind die letzten amtlichen Feststellungen in dieser Frage - hat ermittelt, daß die Mindererträge in Hessen bei Getreide 15 %, bei Rüben 25 %, bei Spätkartoffeln 32 % und bei dem für die Viehernährung so wichtigen Rauhfutter 50 bis 80 % betragen. Sie hat
ferner ermittelt, daß die Erhaltung des Viehbestandes, besonders in den kleinen Betrieben, die auf Viehhaltung eingestellt und angewiesen sind, sehr große und sehr ernste Sorgen bereitet. Die hessische Regierung hat erklärt, daß sie der Anregung auf Verbilligung der Futtermittel durchaus nachkommen wolle, daß aber die Mitwirkung der Bundesregierung von entscheidender Bedeutung sei. Ich könnte Ihnen eine Reihe von Zahlen nennen; ich verzichte darauf. Ich halte es aber für erforderlich, daß wir von der Regierung in dem Ausschuß, der sich mit der Angelegenheit zu befassen hat, so rasch und so klar als möglich erfahren, was die Regierung zu tun beabsichtigt, was sie dem Parlament vorschlägt, um den in ihrer Existenz bedrohten Bauern wirklich entscheidend zu helfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Wartner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Herren Vorredner haben in sehr ausführlicher Weise die Notlage der Gebiete geschildert, die in unserem deutschen Bundesgebiet so schwer von einer langen Trockenheit heimgesucht worden sind. Meinem letzten Herrn Vorredner aber möchte ich unter allen Umständen zustimmen, wenn er davon spricht, daß endlich die Bundesregierung bemüht sein soll, in erster Linie die tatsächlichen Schäden festzustellen und dann die Hilfsmaßnahmen einzuleiten.
Der Antrag auf Drucksache Nr. 3107 spricht von einer Dürrekatastrophe. Meine Damen und Herren, ich gebrauche dieses Wort nicht gern, weil man im allgemeinen unter einer Katastrophe versteht, daß ein ganz besonderes Ereignis, z. B. Hagelschlag oder Überschwemmung, alles vernichtet hat. Zweifellos sind die Schäden in den Dürregebieten, wenn sie mit 30 % angenommen werden, nicht übertrieben. Aber die Sprecher für die Landwirtschaft sollten streng darauf achten, daß die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben nicht in Zweifel gezogen werden kann; denn dann würden wir unseren Landwirten einen schlechten Dienst erweisen. Und doch berechtigt die lange anhaltende Dürreperiode, von katastrophalen Verhältnissen zu reden, ganz besonders bei dem Ausfall von Futter, dem völligen Ausfall des zweiten Schnitts, dem großen Ausfall von Kartoffeln und Rüben, von Obst und Gemüse, und nicht zuletzt auch bei dem Minderertrag von Sommergetreide, von Gerste und Hafer. Das alles bedeutet für die Landwirtschaft selbstverständlich einen spürbaren Ausfall auf der Einnahmeseite.
Der uns vorliegende Antrag enthält nach meiner Meinung all die Forderungen, die notwendig sind, um die schwersten Nöte zu beheben. Ich will auf die einzelnen Punkte dieses umfangreichen Antrags nicht eingehen, möchte aber betonen, daß die Annahme der Ziffer 6 bezüglich einer Steuererleichterung nicht ausreichend ist, speziell für die kleinen Landwirte, weil gerade sie, die am schwersten betroffen sind, nicht unter das Einkommensteuergesetz fallen, so daß für die kleinen Landwirte auch noch andere Hilfsmaßnahmen getroffen werden sollen.
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Im übrigen billigen wir den Antrag und stimmen ihm zu.
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Das Wort hat Herr Staatssekretär Dr. Sonnemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist mehrfach der Wunsch geäußert worden, daß das Bundesernährungsministerium bei der Abwendung der Dürreschäden schneller hätte tätig sein sollen. Ich darf dazu folgendes feststellen.
Die Einfuhr- und Vorratsstelle für Vieh und Fleisch hat mit der Herausnahme von Vieh aus den süddeutschen Dürregebieten am 11. August begonnen und hat Schlachtvieh aus den gefahrdeten Bezirken auf den Märkten München, Nürnberg, Regensburg, Stuttgart, Mannheim und Frankfurt am Main herausgenommen. Es sind 4322 Tiere herausgenommen worden. Ein Ausgleich zwischen dem durch die Dürrekatastrophe hervorgerufenen übermäßigen Angebot und der normalen Nachfrage ist daher im wesentlichen herbeigeführt worden. Berichte der Länderregierungen über die Schadensgebiete und über die Ausmaße der Schäden liegen bislang, obgleich z. B. mit einer der Länderregierungen vor sechs Wochen darüber die erste Fühlung aufgenommen wurde, nicht vor. Überall dort, wo dem Bundesernährungsministerium präzise Schadensmeldungen zugegangen sind, hat sofort eine Bereisung durch Vertreter unseres Hauses an Ort und Stelle stattgefunden. Der Bundesfinanzminister ist gebeten worden, für 25 000 t Futtergetreide die Subventionsbeträge zur Verfügung zu zu stellen, die erforderlich sind, um diese 25 000 t Futtergetreide in den Schadensgebieten auf den Preis herunterzuschleusen, der für die Umtauschaktion verwendet wird. Eine Entscheidung des Bundesfinanzministers liegt darüber noch nicht vor.
Die Bundesbahn ist vor Wochen gebeten worden, die Kartoffeltarife zu senken, damit aus den guten Erntegebieten in Norddeutschland ein ausreichender Abfluß in die unterversorgten Gebiete im Südwesten stattfinden kann. Ich habe heute morgen die Nachricht bekommen, daß die Bundesbahn dieses unser Ersuchen abgelehnt hat mit Rücksicht darauf, daß sie den Einnahmeausfall nicht tragen könne.
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Bei der Beratung im Ausschuß wird Gelegenheit sein, zu diesen Fragen im einzelnen Stellung zu nehmen. Ich fühlte mich hier nur verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß von seiten unseres Hauses eine ganze Reihe von Maßnahmen zur Abwendung der Dürreschäden bereits vor Wochen eingeleitet worden sind.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Frühwald.
Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich komme selbst aus diesem Trockengebiet. Ich möchte mich aber jetzt auf die viel erörterten Einzelheiten dieser Dürreschäden nicht mehr einlassen. Sie wurden hier eingehend dargestellt, am allersachlichsten meines Erachtens von Herrn Kollegen Schill. Ich gestatte mir aber, auf etwas anderes hinzuweisen. Auch ich, Herr Kollege Ritzel, habe die Formulierung des Herrn Kollegen Höhne so verstanden, daß in den Gemeinden, in denen der Bauernverband Dürreschäden von 15 bis 75 % ermittelt, dann in der Regel einfach behauptet wird, die ganze Gemeinde
habe 75 %. Es ist leider nicht so, daß der Bauernverband bestimmt, wie weit diese Schadensfeststellungen ausreichen; sondern hier dreht es sich nach Ziffer 6 dieses Antrages ganz genau um die Steuerermäßigungen. „Steuernachlässe bei der Umsatz-, Einkommen- und Grundsteuer sowie bei den Lastenausgleichsraten", heißt es nach Ziffer 6 des Antrags. Ich nehme an, daß die übrigen Ziffern des Antrages, die ja ebenfalls in der Hauptsache Aufwendungen des Bundesfinanzministers betreffen, im Ausschuß keine Schwierigkeiten machen werden; denn der Antrag kommt ja aus der politischen Familiengemeinschaft des Herrn Finanzministers,
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und nachdem wir heute schon einmal gehört haben, daß hier das Einvernehmen des Herrn Finanzministers gegeben sein muß, kann man vielleicht doch die Hoffnung aussprechen, daß auch bei der Antragstellung bereits eine diesbezügliche „Einvernehmung" - ich will mich ganz vorsichtig ausdrücken - eingeleitet war.
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- Ja, aber jetzt kommt etwas anderes! Ich kann es mir nicht ersparen, Herr Kollege Horlacher: Wenn der Herr Bundesfinanzminister manchmal, auf Grund der Erfahrungen der Herren Kollegen im Ernährungsausschuß - Sie werden das verstehen - mit dem Stoßgebet erwacht „Herr, schütze mich vor meinen Freunden!"
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dann werden Sie zugeben, daß der Vorwurf gegen den Herrn Bundesfinanzminister, es sei hier gar nichts geschehen, wieder einmal ganz ins Leere trifft; denn er rennt offene Türen ein.
Die Umsatzsteuer für die nicht buchführenden Landwirte wird auf Grund von Richtsätzen ermittelt. Diese Richtsätze werden an Hand von Richtbetrieben ermittelt, für die in jedem Jahre erneut von den Landesfinanzämtern im Einvernehmen mit den berufsständischen Organisationen und auch mit den Landwirtschaftsämtern die Unterlagen festgestellt werden. Das gilt auch für das Jahr 1952, und das gilt insbesondere für die Dürregebiete. Die einzelnen Betriebe werden genau überprüft.
Da muß ich zur Entlastung des Herrn Bundesfinanzministers, so sonderbar es klingt, dem Hohen Hause mitteilen, daß am 2. Oktober 1952 eine Besprechung der Referenten der Oberfinanzpräsidenten Nürnberg, München, Stuttgart, Karlsruhe und Frankfurt in Rothenburg ob der Tauber stattgefunden hat, in der die Umsatzsteuerreferenten in Verhandlungen mit den Organisationen der Landwirtschaft um die Ermittlungssätze - es ist kein falscher Ausdruck, wenn ich so sage - gerungen haben. Aus diesen Umsatzsteuerrichtsätzen wird dann ja die Einkommensteuer ermittelt, und wenn die Umsatzsteuer für nicht buchführende Landwirte in diesem Jahr eine Minderung von nach meiner Schätzung ungefähr 20 % erfahren würde, dann würde eine große Gruppe von Landwirten, die bisher zur Einkommensteuer veranlagt waren, dadurch herausfallen.
Auf eines gestatte ich mir noch hinzuweisen. Nach dem Antrag soll die Bundesregierung ersucht werden, Maßnahmen zu ergreifen, um Nachlässe bei der Grundsteuer zu erreichen. Ich weiß nicht, ob hier nicht vielleicht eine Verwechslung eingetreten ist. Meine Fraktion wird, wenn es möglich ist, von hier aus durch Beschlüsse darauf ein({3})
zuwirken, Anträge auf eine Ermäßigung der Grundsteuer unterstützen. Ob dies jedoch rechtlich möglich ist, erlaube ich mir zu bezweifeln; denn die Grundsteuer ist Sache der Gemeinden und der Länder; und ich glaube, wenn wir wirklich den Versuch machen wollten, dann würde der größte Widerstand aus der Umgebung des Herrn Kollegen Horlacher zu erwarten sein.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ob Katastrophe oder Dürre, es muß geholfen werden, und zwar sehr schnell. Die Möglichkeiten wurden hier sämtlich angesprochen: einmal Kredite zur Beschaffung von Samen und Futtermitteln, auf der anderen Seite Frachtenerleichterung und Steuernachlässe. Man könnte weiter helfen, indem man Anordnungen gibt, wonach die Bauern in den Wäldern Streu für das Vieh bekommen können. Wir machen aber darauf aufmerksam, daß nach den bisherigen Erfahrungen die Bauern dann, wenn sie ihren Forderungen keinen Nachdruck geben, bis zur nächsten Bundestagswahl nichts bekommen werden. Deshalb sind wir der Meinung, daß die Bauern ihren Forderungen Nachdruck verleihen sollten.
({0}) - Ist nicht notwendig!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen daher zu der Entscheidung, welchem Ausschuß dieser Antrag zu überweisen ist. Es sind der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vorgesehen, aber auch der Ausschuß für Verkehrswesen ist genannt worden. Ich darf wohl vorschlagen, ihn an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als den federführenden Ausschuß sowie an den Ausschuß für Verkehrswesen und den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Es wird nicht widersprochen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Es war beschlossen worden, an dieser Stelle folgenden Punkt einzufügen:
Beratung des Antrags der Abg. Dr. Horlacher, Dr. Meitinger, Dannemann, Tobaben, Kriedemann und Genossen betreffend Erhaltung des deutschen Flachs- und Hanfanbaues ({0}).
Von einer Begründung und Aussprache sollte abgesehen und die sofortige Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durchgeführt werden. - Dem wird nicht widersprochen. Das ist so beschlossen.
Ich rufe nun Punkt 16 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Kraftloserklärung von Hypotheken-, Grundschuld- und Rentenschuldbriefen in besonderen Fällen ({1}).
Seitens der Regierung wird auf die gedruckte Begründung verwiesen. Im Ältestenrat war vorgesehen worden, sich damit zu begnügen, auch von einer besonderen Erörterung in der ersten Beratung abzusehen und den Entwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. - Aus dem Hause wird nicht widersprochen. Dann ist es so beschlossen.
Ich kann dann Punkt 18 unserer Tagesordnung aufrufen:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({2}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Ott gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 21. Juli 1952 ({3}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Ritzel.
Ritze! ({4}). Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Oberstaatsanwalt in Bonn hat mit Datum vom 23. Juni über den Herrn Generalstaatsanwalt, den Herrn Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen und den Herrn Bundesminister der Justiz, also auf dem vorgezeichneten Weg, einen Akt überreicht, der den Antrag enthält, die Immunität des Abgeordneten Dr. Ott, Mitglied dieses Hauses, zum Zwecke der Strafverfolgung aufzuheben.
Ich bitte Sie, Verständnis dafür zu haben, daß ich den Tatbestand hier nicht wiedergebe. Ich bitte Sie, einverstanden zu sein, daß ich mich in Anlehnung an das Protokoll des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität darauf beschränke, festzustellen, daß dieser Herr Abgeordnete überführt wurde, während der Dauer von 13 Monaten bis zu siebenmal am Tag am Telefon des Bundestags einen ihm unbekannten Herrn, dessen Ehefrau und dessen Kinder angerufen und in einer unter gesitteten Menschen nicht wiederzugebenden Weise beleidigt zu haben. Das führte zu dem Antrag des betroffenen Kaufmanns hier in Bonn, sein Telefon -das Telefon dieses Kaufmanns-zu überwachen. So kam denn nach und nach die Urheberschaft des Herrn Abgeordneten Dr. Ott zum Vorschein und zur Aufnahme, da das Telefon des Angerufenen durch Dimaphonaufnahmen überwacht worden war.
Der Ausschuß hat sich diese seltsamen Platten angehört. Ich hätte noch kürzer, als ich es ohnedies tue, namens des Ausschusses über den Fall berichtet, wenn nicht Veranlassung zu einer ausführlicheren Berichterstattung bestünde, und zwar unter Hinweis darauf, daß Dr. Ott, der dann unter dem Druck der Entwicklung Veranlassung genommen hat, sich einige Zeit zu erholen, nach seiner Rückkehr in die Politik erklärt hat, er sei Tag und Nacht ununterbrochen im Kampf um das Recht der breiten Massen gestanden und krank geworden davon,
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daß man ihn mit derartigen Behauptungen, die allerdings auf Platten festliegen und unverkennbar das Organ des Herrn Ott zum Vorschein bringen, verleumde, daß er niemals eine Frau in obszöner Weise angegriffen habe und daß er sich so als der Politik Wiedergeborener und Wiedergeschenkter von seinen begeisterten Anhängern als „Opfer" in den Versammlungen auf Schultern tragen ließ.
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Meine Damen und Herren, alles weitere ist eine Angelegenheit des Staatsanwalts und des Rechts. Der Ausschuß, in dessen Namen ich spreche, bittet Sie, Ihre Zustimmung dazu zu geben, daß durch Aufhebung der Immunität dem Recht Genüge geschieht.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; dann ist die Aussprache geschlossen.
Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3705. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun Punkt 19 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Löfflad gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 10. Juni 1952 ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Meitinger.
Dr. Meitinger ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister der Justiz hat mit Schreiben vom 18. Juni 1952 ersucht, eine Entscheidung des Bundestags über die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Löfflad wegen Betrugs, Diebstahls, Begünstigung, Beihilfe zur Abtreibung und übler Nachrede herbeizuführen.
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Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich in seiner 151. und in seiner 152. Sitzung eingehend mit dieser Angelegenheit befaßt. Der Anzeigeerstatter und Löfflad waren ursprünglich eng befreundet. Aus einer Wohnungsstreitigkeit entwickelte sich eine bittere Feindschaft, die einen politischen Ausgangspunkt hatte. So kam es zu der vorgenannten Anzeige. Der Ausschuß kam auf Grund des Akteninhalts zu der Überzeugung, daß es sich um eine Anzeige handelt, die aus politischen Gründen erfolgte und querulatorischen und vexatorischen Charakter trägt. Der Ausschuß hat einstimmig beschlossen, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Löfflad nicht zu erteilen. Ich bitte das Hohe Haus, diesem Ausschußbeschluß bzw. -antrag zuzustimmen.
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- Ja. Nachdem Sie es wünschen - ich wollte nicht näher darauf eingehen -, muß ich noch ausführen: der Abgeordnete Löfflad hat eine einstweilige Verfügung dahingehend erwirkt, daß diese Verleumdungen unterlassen werden. Diese einstweilige Verfügung wurde im Einspruchsverfahren beim Landgericht Augsburg bestätigt. Der Anzeigeerstatter hat es also unterlassen, die ihm zustehenden Beweismöglichkeiten auszunutzen, um Löfflad eventuell, dessen, wessen er ihn beschuldigt hatte, zu überführen. Außerdem ist von Löfflad wegen dieser sämtlichen Beschuldigungen ein Strafverfahren eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft hat den Vermerk in den Akten, daß der dringende Verdacht falscher Anschuldigung, der Beleidigung und Verleumdung bestehe. Aus den Akten hat sich weiterhin ergeben, daß der Anzeigenerstatter in dem Brief, den er zunächst an die verewigte Frau des Bundespräsidenten Heuss, dann an den Bundespräsidenten selbst und schließlich an den Bundestagspräsidenten geschickt hatte, von den Vorgenannten einen Zuschuß von 60 DM verlangt hatte für drei Bilder, die diese nicht erhalten hatten, und daß er dann an den Bundestagspräsidenten schrieb, es wäre vielleicht besser gewesen, wenn er - der Anzeigenerstatter - sich an die Frau von Pieck oder Grotewohl gewandt hätte. Bei dieser Gelegenheit hat er den Abgeordneten Löfflad in der vorbezeichneten Art der genannten Vergehen beschuldigt.
Wenn noch eingehenderer Bericht verlangt wird, dann werde ich dies tun.
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Ich wiederhole nochmals den Antrag: „Die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Löfflad wird nicht erteilt". Ich bitte, diesem Ausschußantrag stattzugeben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3706 zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Die nächste, die 234. Sitzung des Deutschen Bundestags ist am Mittwoch, dem 22. Oktober, 13 Uhr 30.
Die 233. Sitzung ist geschlossen.