Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 229. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach: Abgeordneter Kuhlemann für drei Wochen - ab 11. September - wegen Krankheit, Abgeordneter Even für zwei Wochen - ab 10. September - wegen Krankheit;
Ich darf annehmen, daß dieser Urlaub genehmigt ist. - Das ist der Fall.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Becker ({0}), Freitag, Gockeln, Günther, Freudenberg, Reitzner, Clausen, Graf von Spreti, Lemmer, Dr. Fricke, Dr. Semler, Dr. Koch, Niebergall, Agatz, Paul ({1}), Reimann, Frau Strohbach, Euler, Fröhlich, Hoogen, Jacobs.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen.
Der Bundesminister der Finanzen hat unter dem 10. September 1952 die Kleine Anfrage Nr. 285 der Abgeordneten Dr. Schmid ({0}) und Genossen betreffend Wohnungsbeschlagnahme in Mannheim und Sigmaringen - Nr. 3615 der Drucksachen - beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3677 vervielfältigt.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 9. September 1952 den Entwurf einer Verordnung zur Ergänzung der Verordnung M Nr. 1/52 über Preise für Milch, Butter und Käse übersandt mit der Bitte um Bekanntgabe an den Bundestag gemäß § 18 Abs. 5 des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten. Die Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme aus.
Meine Damen und Herren! Zur heutigen Tagesordnung habe ich darauf hinzuweisen, daß diese um die Punkte 19 - wozu nur noch abzustimmen ist - und 20, Beratung des interfraktionellen Antrages betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse, der gestrigen Tagesordnung erweitert wird
Zu Punkt 12 der heutigen Tagesordnung, betreffend Großer Knechtsand, muß ich darauf hinweisen, daß der Bundeskanzler und der Staatssekretär des Auswärtigen Amts infolge Abwesenheit bei den Verhandlungen nicht zur Verfügung stehen, so daß gebeten werden muß, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß dieser Punkt auf die Tagesordnung des nächsten Mittwochs gesetzt wird. - Das ist der Fall.
Ich rufe zunächst Punkt 19 der gestrigen Tagesordnung auf:
Beratung der Berichte des Ausschusses für Verkehrswesen ({1})
a) über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Bau der Zellertalbahn ({2}),
b) über den Antrag der Abgeordneten Volkholz, Donhauser, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Geplante Einstellung der Lokalbahn Passau-Wegscheid auf der Strecke Obernzell-Wegscheid ({3}),
c) über die Anträge der Abgeordneten Dr. Etzel, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Bau einer Autobahn und der Abgeordneten Dr. Baumgartner, Dr. Etzel, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Ausbau und Instandsetzung des Straßennetzes in Bayern ({4}),
d) über den Antrag der Abgeordneten Stücklen, Strauß, Dr. Solleder, Bodensteiner und Genossen betreffend Straßenbauten in Bayern ({5}).
Ich darf unterstellen, daß die Mitglieder des Hauses die Unterlagen noch zur Verfügung haben. Es ist von Herrn Abgeordneten Höhne der Antrag gestellt worden, sämtliche Punkte, die unter Punkt 19 der Tagesordnung behandelt wurden, dem Haushaltsausschuß, dem Ausschuß für Grenzlandfragen und dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zu überweisen mit dem Anliegen, sie gemeinsam mit den gestern ebenfalls überwiesenen Anträgen auf Sanierung der westlichen Oberpfalz zu behandeln. Gestern Abend ist das Haus bei der Abstimmung über diesen Überweisungsantrag nicht beschlußfähig gewesen.
Ich bitte die Damen und Herren, die für die Überweisung dieser Anträge und Berichte an die drei genannten Ausschüsse sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Überweisung ist gegen wenige Stimmen erfolgt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 20 der gestrigen Tagesordnung auf:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({6}).
Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung der Anträge an die Ausschüsse gemäß Umdruck Nr. 643 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Dann rufe ich Punkt 1 der heutigen Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über das gerichtliche Verfahren bei Frei({7})
heitsentziehungen ({8}).
Der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums zur Begründung des Gesetzentwurfs!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen ist nicht nur wegen seines Inhalts als solchen bedeutsam, sondern insbesondere auch deswegen, weil es sich bei diesem Gesetzentwurf um ein Ausführungsgesetz zum Grundrechtsteil unserer Verfassung handelt. Art. 2 Abs. 2 des Grundgesetzes besagt, daß die Freiheit der Person unverletzlich ist. Bei den Beratungen dieses Artikels im Parlamentarischen Rat hat man sich bemüht, die Wirksamkeit dieses Artikels durch ergänzende Bestimmungen zu untermauern, hat es dann aber dem Teil unseres Grundgesetzes über die Rechtsprechung überlassen, die entsprechenden Vorschriften vorzusehen. Sie haben ihren Niederschlag in den Vorschriften des Art. 104 unseres Grundgesetzes gefunden, den ich selbst als Mitglied des Rechtspflegeausschusses des Parlamentarischen Rates vor nahezu drei Jahren formuliert habe.
Die Vorschriften des Art. 104 befinden sich zwar nicht im eigentlichen Grundrechtsteil. Es herrscht aber allgemeine Übereinstimmung darüber, daß Art. 104 eine Grundrechtsnorm darstellt. Er ist mitunter als die deutsche Magna Charta bezeichnet worden. Er stellt jedenfalls den Habeas-corpus- Artikel unserer Verfassung dar. Er ist ferner unmittelbar anwendbares Recht. Er ist anwendbar geworden mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes. Dennoch sind ausführende Bestimmungen notwendig. Art. 104 Abs. 2 sieht daher selbst vor, daß die nähere Regelung hinsichtlich der Freiheitsentziehung einem einfachen Bundesgesetz vorbehalten bleibt.
Art. 104 befaßt sich nicht nur mit den eigentlichen Freiheitsentziehungen, sondern auch mit den Freiheitsbeschränkungen. Sein Abs. 1 enthält den Oberbegriff der Freiheitsbeschränkungen, während die Absätze 2 bis 4 sich mit den eigentlichen schwerwiegenderen Freiheitsentziehungen bef assen. Für diese Freiheitsentziehungen soll nach den Vorschriften des Grundgesetzes ein Ausführungsgesetz ergehen.
Das Ihnen vorgelegte Gesetz begnügt sich auch aus diesem Grunde damit, das gerichtliche Verfahren für Freiheitsentziehungen - für die eigentlichen Freiheitsentziehungen - zu regeln. Sondervorschriften für Freiheitsbeschränkungen, also für die losere Form, sind nicht in Aussicht genommen. Auch hierüber haben im Rechtspflegeausschuß des Parlamentarischen Rates eingehende Erörterungen stattgefunden, und es wurde auf gewisse Bedenken hingewiesen, die hinsichtlich einer zu vorzeitigen Kontrolle der Freiheitsbeschränkungen bestehen. Das Grundgesetz schreibt daher die richterliche Anordnung nur bei den eigentlichen Freiheitsentziehungen vor.
Der Entwurf ist auch deswegen notwendig, weil durch das Inkrafttreten des Grundgesetzes in mehr Fällen als bisher eine richterliche Anordnung bei Freiheitsentziehungen erforderlich wurde. Der Entwurf zählt die Fälle im einzelnen auf, bei denen eine derartige richterliche Entscheidung notwendig ist. Es bedarf keiner Regelung für die Fälle, bei denen eine mit Art. 104 in Einklang stehende gesetzliche Regelung aus früherem Recht bereits vorhanden ist. Zuständig sind die ordentlichen Gerichte, die auf Antrag tätig werden und die Freiheitsentziehung selbst anordnen, nicht etwa nur nachprüfen, ob ein Verwaltungsakt, der eine Freiheitsentziehung vornimmt, sich im Rahmen der Gesetze hält.
Als Verfahren wird das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorgeschlagen. Zuständig im Einzelfall soll das Amtsgericht des Aufenthaltsorts sein. Dem Betroffenen, dem ein weitgehendes Anhörungsrecht gesichert wird, ist die sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung des Amts- Berichts gegeben. Es ist sichergestellt, daß, wenn eine Entscheidung eine Freiheitsentziehung anordnet, sie fortlaufend überprüft wird, daß sie nicht mit unbeschränkter Frist ergeht, und endlich ist im Gesetz auch ausdrücklich vorgesehen, daß in notwendigen Fällen das Gericht gezwungen ist, ärztliche Sachverständige beizuziehen.
Ich darf bitten, daß das Hohe Haus den Gesetzentwurf den für die Bearbeitung zuständigen Ausschüssen überweist. '
Meine Damen und Herren, die Begründung des Gesetzentwurfs ist erfolgt. Ich eröffne die Aussprache. Ich schlage Ihnen entsprechend dem Vorschlag des Ältestenrats für die allgemeine Besprechung der ersten Beratung eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Als erster Redner der Aussprache hat das Wort der Abgeordnete Dr. Wahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! -Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß meine Parteifreunde die Vorlage begrüßen, die ein Versprechen des Grundgesetzes einlösen soll; handelt es sich doch um einen Beitrag zum weiteren Ausbau der rechtsstaatlichen Garantien für das hohe Gut der persönlichen Freiheit, an deren Schutz sich vor Jahrhunderten der Gedanke entzündet hat, daß der einzelne vor der Willkür der Staatsgewalt gesichert werden muß. So führt eine lange Entwicklung von der Magna Charta zur Petition und Declaration of rights und zur Habeas-corpus-Akte und zu den modernen Grundrechtskatalogen. In der Tat würde ohne Grundrechte des einzelnen der Staatsaufbau angesichts der unerhört umfassenden Kompetenz der Legislative und Exekutive gegenüber den Vermassungstendenzen der Gegenwart kapitulieren, und es ist ein richtiger, seit langem erprobter Gedanke, den Gerichten den Schutz des einzelnen anzuvertrauen. Es kommt hinzu, daß gerade wir Deutschen auf Grund der bitteren Erfahrungen der nationalsozialistischen Herrschaft für alle Freiheitsentziehungen besonders empfindlich geworden sind, wie das große Interesse beweist, das die Vorgänge bei der Unterbringung von geisteskranken oder einer Geisteskrankheit verdächtigen Personen in Heilanstalten in der Öffentlichkeit immer wieder finden.
Aber so einleuchtend und wichtig der Grundgedanke ist, so sehr ist die Vorlage mit schwierigen Einzelproblemen belastet, wie allein daraus hervorgeht, daß der Bundesrat zu dem vier Seiten langen Entwurf fünf Seiten Änderungsvorschläge gemacht hat, zu denen die Bundesregierung ihrerseits auf vier Seiten kritisch Stellung genommen hat. Sie können natürlich nicht erwarten, daß ich zu den Einzelfragen schon Stellung nehme; es wird.
({0})
Sache des Rechtsausschusses sein, an den ich die Vorlage zu überweisen bitte, sich gründlich mit den auftauchenden Fragen auseinanderzusetzen Aber einiges darf ich wenigstens anführen.
Der Entwurf bringt eine Verfahrensordnung und klärt die materiellen Voraussetzungen der Freiheitsentziehung nicht; dies bleibt der sonstigen Bundes- und Landesgesetzgebung vorbehalten. In § 18 wird jedoch geklärt, daß längstens bis zum 31. Dezember 1953 drei Verordnungen - über die Ausländerpolizei, über die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten und über die Fürsorgepflicht, die letzte aber nur für die britische und französische Besatzungszone - Freiheitsentziehungen legitimieren können, auch wenn es sich dabei nicht um formelle Gesetze handelt, die das Grundgesetz in Art. 104 als Rechtsgrundlage jeder Freiheitsentziehung verlangt. Bis zum 31. Dezember 1953 ist damit zu rechnen, daß die Parlamente auch für diese Gebiete formelle Gesetzgebungsakte geschaffen haben werden, die die Irregularität beseitigen, daß in die persönliche Freiheit auf Grund von Verordnungen eingegriffen werden kann, die nunmehr durch den § 18 einstweilen den Rang formeller Gesetze bekommen.
Schon diese Aufzählung zeigt, wie verschiedenartig die einzelnen Tatbestände sind, für die das Gesetz gelten soll. Am ältesten ist der Schutz des einzelnen gegen behördliche Festnahme im Zusammenhang mit dem Strafverfahren. Hier bleibt es bei der erprobten Regelung der Strafprozeßordnung. Aber auch die Anordnung der Freiheitsentziehung bei Jugendlichen auf Grund des BGB und des Jugendwohlfahrtsgesetzes sowie die Inhaftnahme des Schuldners in der zivilen Zwangsvollstreckung sowie die richterliche, Einweisung in Arbeitshäuser bleiben außerhalb des Anwendungsgebiets des Gesetzes.
Aber daneben stehen Freiheitsentziehungen auf verschiedenen anderen Gebieten, für die das vorliegende Gesetz etwas wirklich Neues bringt, nämlich die rechtspolitisch außerordentlich wertvolle Zusammenziehung des Rechtsschutzes bei den Amtsgerichten, mit der sich auch die Länder im Bundesrat einverstanden erklärt haben, obwohl damit die Verwaltungsgerichtsbarkeit ausgeschaltet wird.
Eine besondere Rolle spielt die Unterbringung in geschlossenen Krankenanstalten, insbesondere in Heil- und Pflegeanstalten, sowie in Entziehungsanstalten für Rauschgift- und Alkoholsüchtige; aber auch aus sonstigen Sicherheitsgründen notwendige Festnahmen, zu denen unter Umständen auch die Einweisung eines Infektionskranken in Isolierstationen zählen kann, sowie die Zwangshaft bei Nichtbeitreibbarkeit eines Zwangsgeldes gehören hierher.
Es ist klar, daß die Verzahnung des Landespolizei- und Landesgesundheitsrechts mit diesem neuen Bundesrecht schwierige Fragen aufwirft. Sie kumulieren in dem Problem, ob es sich um ein Zustimmungsgesetz handelt, wie der Bundesrat meint, weil damit in das Verwaltungsverfahren der Verwaltungsbehörden eingegriffen werde, oder um ein gewöhnliches Bundesgesetz, wofür die Bundesregierung eintritt, weil das Gesetz nur Gerichtsverfahrensvorschriften enthält. Die Frage hat in dem sogenannten Qualifikationsproblem bei allen Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine Entsprechung, da hier die Tätigkeit der Gerichte gleichsam in andere Rechtssätze eingebettet ist und ihre Mitwirkung Tatbestandselement eines nicht der eigentlichen Rechtspflege zugehörigen Sachverhalts ist, also mehr verwaltenden als rechtserkennenden Charakter hat. Aber man darf sich meines Erachtens nicht darüber täuschen, daß hier die richterliche Freiheitsentziehung in erster Linie Rechtsschutzfunktionen erfüllt, nicht nur deshalb, weil in vielen Fällen die Festnahme schon durchgeführt ist, wenn das Gericht tätig wird, sondern weil auch die richterliche Tätigkeit der Einweisung in einen amtlichen Gewahrsam nur deshalb der Unterbringung des Betroffenen in eine Anstalt vorgeschaltet ist, um dem in seinen Rechtsgütern bedrohten Bürger wirksamen Rechtsschutz zu gewähren. Es ist also durchaus die eigentliche Justizaufgabe, auf der der Akzent liegt, während die Mitwirkung bei dem Verwaltungsvorgang nur der technischen Verbesserung dieses Rechtsschutzes dient. Ich möchte also dem Standpunkt der Bundesregierung den Vorzug geben.
Der Rechtsschutz selbst ist nach dem Vorbild der Strafprozeßordnung, das auch dein Grundgesetz vorschwebt - also des richterlichen Haftbefehls -, aufgebaut, aber der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugeordnet. Das Gesetz hat das Verfahren umfassend geregelt und alle aus der Strafprozeßordnung bekannten Fragen - vorläufige Festnahme, Haftprüfungsverfahren, Recht auf persönliche Anhörung, Beschwerde - in einer die persönliche Freiheit möglichst wirksam schützenden Weise geregelt, ohne den Bedürfnissen der Sonderfälle allzu abträglich zu sein. Immerhin fragte ich mich, je mehr ich mich mit der Vorlage befaßt habe, ob man auf eine einheitliche Regelung auch einzelner materieller Fragen der Freiheitsentziehung verzichten kann. Ein Beispiel: Im allgemeinen darf ein Süchtiger, der nicht gemeingefährlich und nicht entmündigt ist, nur in eine Anstalt gebracht werden, wenn er darin einwilligt. Wie aber, wenn er dann während der Kur die Entwöhnung nicht erträgt und seine sofortige Entlassung verlangt? Ist diese Willensäußerung beachtlich, oder wird sie als krankhafte Reaktion, die eine Verständigung mit dem Süchtigen ausschließt, übergangen?
In § 9 Abs. 2 hatte die Vorlage ursprünglich eine Bestimmung, die besagte, daß bei dem Antrag auf Entlassung das Gericht von einem Bescheid absehen kann, wenn sich aus Form und Inhalt des Antrags ergibt, daß wegen des Geisteszustandes des Untergebrachten eine Verständigung mit ihm nicht möglich ist. Auf Wunsch des Bundesrates ist diese Vorschrift mittlerweile gefallen: in allen Fällen hat das Gericht den Antragsteller zu bescheiden. Aber es wird sich fragen, wie das Gericht nun entscheiden muß. Gewiß wird sich dazu eine Gerichtspraxis bilden; aber diese braucht nicht einheitlich auszufallen, da der Rechtsgang beim Landgericht endet, wenn man nicht gerade an eine Grundrechtsklage beim Bundesverfassungsgericht denkt. Der Rechtsausschuß wird sich auch mit der Frage zu befassen haben, ob hier eine gesetzliche Regelung am Platze ist oder nicht.
Ich beantrage nochmals die Überweisung der Vorlage an den Rechtsausschuß.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meinen kurzen Ausführungen schicke ich voraus, daß ich den Antrag stellen möchte, bei der Beratung dieses Gesetzes auch den
({0})
Gesundheitsausschuß zuzuziehen, aus folgenden Gründen. Der vorliegende Gesetzentwurf versucht in der Auslegung des Art. 104 des Grundgesetzes auf die Einweisung in ein Krankenhaus und in eine Heil- und Pflegeanstalt Einfluß zu nehmen und diese zu erschweren, sicherlich mit einigem Recht. Der Gesetzentwurf tut dies aber unter Voraussetzungen, die vom Gesundheitswesen im ganzen nicht gebilligt und anerkannt werden können. Die Ärzteschaft muß aufhorchen. Ich möchte daher den Antrag stellen, den ich eben erwähnt habe, den Gesundheitsausschuß zuzuziehen.
In dem Gesetzentwurf wird mit dem Begriff Freiheitsentziehung gearbeitet, der der richterlichen Entscheidung unterstellt werden soll. In der Begründung wird bei der Deutung des Art. 104 zwischen Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung unterschieden, und diesen beiden Begriffen werden wesentliche Unterschiede zugerechnet. Im öffentlichen Gesundheitsdienst aber sind die Übergänge zwischen Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung durchaus fließend, und es würde hier zu großen Schwierigkeiten kommen. Ein Beispiel: Bei Krankenhauseinweisung von Infektionskranken handelt es sich ganz offensichtlich um eine Freiheitsbeschränkung, der der Patient meist willig folgt. Im Laufe der Behandlung könnte sich aber herausstellen, daß der Patient durch seine Krankheit in einen Erregungszustand gerät und nun abgeschlossen von anderen Patienten gehalten werden muß. Dieser Zustand kann einen Tag oder auch länger dauern. Auf jeden Fall wäre es eine Freiheitsentziehung. So willig der Kranke der Einweisung gefolgt ist, so sehr hat er meist das Bestreben, wenn er sich besser fühlt, nach Hause entlassen zu werden, ganz gleich, ob
die ärztlichen Zeittermine erfüllt sind, d. h. ob sein Bakterienbefund zwei- oder dreimal negativ ausgefallen ist. Wenn der Termin nicht erfüllt ist, dann muß der Arzt den Kranken zurückhalten, um ihn nicht zu einer Gefahrenquelle für seine Umgebung werden zu lassen. Er macht sich also der Freiheitsentziehung schuldig, wenn er nicht die richterliche Entscheidung anruft. Wenn wir dem stattgäben, meine Damen und Herren, so müßten unsere großen Krankenhäuser einen besonderen Dienst einrichten, der unter Umständen die Stationierung eines Richters in einem Krankenhaus verlangt.
Ich glaube annehmen zu dürfen, daß in keinem Lande der Welt die Behandlung kurzfristiger Infektionskrankheiten unter die richterliche Aufsicht gestellt wird. Zudem muß noch beachtet werden, daß in der Psychiatrie die Behandlungsweise stark gewechselt hat. Man gehe einmal durch Bethel oder durch ähnliche Anstalten: man wird sehen, daß man immer mehr von der Anstaltsbewahrung zur krankenhausmäßigen Heilbehandlung kommt. Diese Entwicklung zur Heilbehandlung kann durch eine Erschwerung der Anstaltseinweisung, wie die fachärztlichen Kreise betonen, erheblich gehemmt werden.
Aus diesen zwei erwähnten Gründen - man könnte noch mehr aufzählen - möchte ich das Hohe Haus bitten, meinem Antrag zuzustimmen.
Ich möchte aber noch eine Besonderheit dieses Gesetzes erwähnen, die darin besteht, daß die vom Gesetz erzwungene Einschaltung der richterlichen Entscheidung unter Gebührenpflicht gestellt wird. In der Masse der Fälle wird sich die richterliche Entscheidung als ein Hemmnis ausweisen und der Bevölkerung unbequem sein. Noch weniger wird
die Bevölkerung damit einverstanden sein, daß die Gebühr höher liegt als die des Arztes, der die Facharbeit, die Untersuchung und die Beratung leitet.
Ich bitte also das Hohe Haus nochmals, dem Antrag, dieses Gesetz auch dem Bundesgesundheitsausschuß zur Beratung mit zu überweisen, zuzustimmen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Kürze der Redezeit, die meine Fraktion überhaupt hat, und angesichts der Tatsache, daß Herr Kollege Dr. Hammer zu einem Spezialproblem hier als Arzt noch sprechen will, will ich mich ganz kurz fassen.
Meine Fraktion begrüßt das Gesetz um so mehr, als damit auch ein Auftrag des Grundgesetzes erfüllt wird. Die Erfahrungen der zwölfjährigen Naziherrschaft haben uns bewiesen, wohin es führt, wenn der Rechtsstaat nicht Sicherungen dafür einbaut, daß die menschliche Freiheit, die die Grundlage aller wirklichen rechtsstaatlichen Ordnung ist, nicht ohne weiteres verletzt werden kann. Ich will auf diese Einzelheiten hier nicht eingehen, sie sind Ihnen allen bekannt.
Wir sind auch sehr zufrieden, daß hier der ordentliche Richter, obwohl Art. 104 auch eine andere Auslegung zugelassen hätte, vom Bundesjustizminister angesprochen worden ist und daß man die erstinstanzliche Zuständigkeit beim Amtsgericht belassen hat. Wir sind auch der Meinung, daß es gerade bei der speziellen Materie, um die es sich hier handelt, vielleicht ganz gut ist, daß man die Verfahrensordnung unter das Gesetz der .freiwilligen Gerichtsbarkeit gestellt hat. Denn damit wird ja auch, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, § 12 dieses Gesetzes entscheidend angewandt, der die Offizialmaxime in jedem Falle sicherstellt und den Richter unabhängig macht von irgendwelchen Beweisanträgen der am Verfahren Beteiligten. Ein Sicherheitsventil ist auch darin, daß der Richter von sich aus das Für und Wider dessen erwägt, was dafür spricht, ob man einem Menschen die Freiheit läßt oder ihm die Freiheit abspricht.
Über Einzelheiten, die vielleicht auftauchen, wie sie Herr Kollege Wahl angeschnitten hat, können wir uns im Rechtsausschuß unterhalten. Ich bin der Meinung, daß wir diese Einzelheiten auch zu einer entsprechenden Lösung führen werden, und ich stelle mich mit ihm auf den Standpunkt, daß der Gesetzentwurf an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen werden sollte, wobei ich von mir aus nicht noch Überweisung an einen anderen Ausschuß beantragen will. Das wird wahrscheinlich Herr Kollege Dr. Hammer tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die geistreiche Konstruktion, aus dem Art. 104 unseres Grundgesetzes zwei verschiedene Begriffe - Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung - herauszudestillieren, verlangt ein Kompliment an die Herren Juristen. Aber, meine Damen und Herren, ich darf Sie doch darauf aufmerksam machen, daß man nun, um den Trennungsstrich zwischen Freiheitsentziehung und
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Freiheitsbeschränkung zu finden, nicht mehr von dem Verhalten der betroffenen Person ausgegangen ist, sondern von den Formen der Freiheitsentziehung. Dabei ist zweifellos eine Gruppe von Menschen zu kurz gekommen, und das sind die Kranken.
Meine Damen und Herren! Es ist uns bekannt, daß sich die deutsche Presse in dem Auftrage, den die Presse zu erfüllen hat, in den letzten Jahren mit den deutschen Irrenanstalten befaßt hat, und zwar der größte Teil der Presse durchaus seriös, aber ein anderer Teil der Presse auch absolut unseriös. Jedenfalls ist in der breiten Masse der deutschen Bevölkerung ein Mißverständnis entstanden. Man hält dort Krankenhäuser, die sich mit der Pflege, Bewahrung und Heilung seelisch Kranker befassen, für etwas Ähnliches wie Konzentrationslager; man vergleicht sie mit Buchenwald, mit Sowjetlagern oder mit Ludwigsburg und hat völlig vergessen, daß auch diese Anstalten nichts anderes sind als bereitgestellte Einrichtungen zur Heilung von Kranken. Aus diesem Gesichtspunkt heraus ist man wohl bei der Beurteilung dieser Dinge zu argwöhnisch geworden und sucht nach Gefahren, wo Gefahren sicher nicht in dem Maße vorhanden sind, wie sie in der öffentlichen Meinung im Augenblick vermutet werden.
Wenn das Gesetz so wird, wie der Gesetzentwurf vor Ihnen liegt, dann könnte es doch eintreten, daß ein seelisch Kranker in einer Depression, in der in jedem Augenblick der Selbstmordversuch droht, längst den Gashahn aufgedreht hat, bevor der Richter in einem Verfahren dafür gesorgt hat, daß der Kranke in die Obhut von Schwestern und Wärtern kommt, die dazu bestellt sind, sein Leben zu bewahren. Wenn nach diesem Gesetzentwurf das
1) Umdrehen des Schlüssels in einer Infektionsabteilung eine Freiheitsentziehung darstellt, dann wird der Diphtherie-Bazillenträger vorzeitig das Haus verlassen und andere an den Rand des Grabes oder gar ins Grab bringen.
Es ist also notwendig, dieser Problematik nach dem Vorschlage meiner sehr verehrten Kollegin Steinbiß auch noch einmal in dem Ausschuß für das Gesundheitswesen nachzugehen. Darf ich auch noch darauf aufmerksam machen, daß die von Frau Steinbiß erwähnte Gebührenpflicht des Verfahrens noch andere unerwünschte Konsequenzen haben könnte. Diese Verfahren über Freiheitsentziehung würden j a zu dem alltäglichen Leben unserer Infektions- und unserer psychiatrischen Abteilungen gehören. Dann käme auf einmal für den betroffenen Familienvater oder den Kranken zu der normalen wirtschaftlichen Belastung durch die Krankheit, die er nicht mehr zu tragen gewöhnt ist, noch die Belastung mit diesen Verfahrenskosten. Es entstünde auch der Streit, ob der Versicherungsträger unter Umständen der Verpflichtete ist, der den Schaden wiedergutzumachen hat.
Unter diesen Umständen empfehle ich Ihnen, bei der Beratung des Gesetzes auch den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens zu beteiligen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, man sollte den Inhalt dieses Gesetzes weniger vom Standpunkt des Juristen oder des Arztes aus betrachten, als vielmehr vom Standpunkt des Staatsbürgers aus, den wir weitestgehend vor dem
Entzug seiner Freiheit schützen wollen. Das nämlich ist der Sinn des Art. 104 des Grundgesetzes. Der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums hat ,in seinen Ausführungen bereits darauf hingewiesen, daß die Vorlage dieses Gesetzes eine Notwendigkeit ist, die sich aus der Formulierung des Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes zwingend ergibt.
Bei der Abfassung des Art. 104 ist unter den Mitgliedern des Parlamentarischen Rats einmütig die Auffassung vorhanden gewesen, daß der Wille zu diesem Artikel aus dem Mißbrauch erwachsen ist, der mit der Freiheitsentziehung - insbesondere in den Jahren von 1933 bis 1945 - getrieben worden ist. Der Wille der Mitglieder des Parlamentarischen Rates war es, die Beschränkung der Freiheit der Person oder gar die Entziehung der Freiheit in ihrer Anwendung auf das geringstmögliche Maß zu fixieren. Das ergibt sich ganz eindeutig aus den Ausführungen in dem entsprechenden Ausschuß des Parlamentarischen Rates. Ich möchte bitten, diese den Beratungen im Rechtsausschuß und, falls noch ein anderer Ausschuß beteiligt sein sollte, auch in diesem zugrunde zu legen.
Das vorliegende Gesetz trägt im wesentlichen dem Willen des Verfassungsgebers Rechnung, und meine Freunde und ich sind insoweit auch mit dem wesentlichen Teil seines Inhalts einverstanden. Ich möchte hier dennoch auf einige wenige Punkte im einzelnen eingehen.
Die Durchführung des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen bietet insofern keine Schwierigkeiten, als es sich um die Bestimmung des § 1 Buchstabe a handelt. In diesem Falle liegt die rechtskräftige richterliche Entscheidung zur Entziehung der Freiheit vor. Anders ist es allerdings - und in diesem Falle treten eben die Schwierigkeiten auf - bei der Bestimmung des § 1 Buchstabe b. Insbesondere die Herren Kollegen und die Damen Kolleginnen aus dem Ärzteberuf haben bereits darauf hingewiesen. Es ist deshalb für uns alle, glaube ich, selbstverständlich, daß jegliche Art von Schutzhaft natürlicherweise sowohl bei der Freiheitsentziehung als auch bei der Freiheitsbeschränkung ausscheidet. In der Begründung zu dem Gesetzentwurf ist auf die begriffliche Unterscheidung zwischen Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung hingewiesen und zum Ausdruck gebracht worden, daß es dem Bundesjustizministerium nicht möglich erscheint, eine klare, „abstrakte Grenzlinie zwischen Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung zu finden", wie es unter II der Begründung zu § 1 heißt. Das Bundesjustizministerium steht auf dem Standpunkt, daß „der Unterschied zwischen Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung .... kein begrifflicher, sondern lediglich ein gradueller" ist. Das wird im wesentlichen richtig sein. Dennoch sollte man sich nicht zu der Auffassung verleiten lassen, eine Freiheitsbeschränkung sei nicht so ernst zu nehmen, und man solle bei der Beschränkung der Freiheit im Gegensatz zu der Entziehung der Freiheit nicht so strenge Maßstäbe anlegen, wie es im allgemeinen wünschenswert zu sein scheint.
In der Begründung ist weiter meines Erachtens mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die Schwierigkeiten der Freiheitsentziehung und ihrer gesetzlichen Festlegung zum großen Teil dadurch behoben werden können, daß man eine enumerative Definition dessen in das Gesetz hineinbringt, was Freiheitsentziehung ist. Auch damit kann ich mich einverstanden erklären. Immerhin gibt es
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einige Punkte, bei denen meine Freunde und ich wünschen, daß eine andere Regelung als die uns vorgelegte gefunden wird. Insbesondere möchte ich bitten zu prüfen, ob nicht die Ausdehnung dieses eben von mir erwähnten Enumerationsprinzips auf die Freiheitsbeschränkung im Interesse des Schutzes der Freiheit der Person erfolgen könnte. Ich erwähne gerade diesen Fall deswegen, weil ja eben auch von medizinischer Seite zum Ausdruck gebracht worden ist - das ist etwas ganz Merkwürdiges, aber immerhin doch Erwähnenswertes -, daß es durch das Zusammenwirken aller Beteiligten verhältnismäßig einfach ist - wir haben es in letzter Zeit in der Presse lesen können, ohne daß es stichhaltig widerlegt werden konnte -, angeblich Geisteskranke in eine Anstalt zu bringen. Ganz klar sind mir die Deduktionen der Mediziner hier heute allerdings nicht geworden. Insofern möchte ich Ihnen doch empfehlen, sich etwas mehr an die Gepflogenheiten der Juristen zu halten als Frau Kollegin Dr. Steinbiß, die meinte, daß die Sicherungsmaßnahmen übertrieben würden, und man am besten in jedes Krankenhaus einen Richter täte, um all das auch richtig machen zu können, was nach diesem Gesetz vorgeschrieben werden wird.
Herr Kollege Dr. Hammer meinte dagegen, daß die Kranken zu kurz gekommen seien und daß man auf sie eben mehr Rücksicht nehmen müsse. Offenbar klafft da insofern ein Widerspruch, als es sich doch hier um Maßnahmen handelt, die nichts anderes darstellen als Verwaltungsakte. Es handelt sich für uns hier nicht darum, Herr Kollege Dr. Hammer, festzustellen, ob jemand im medizinischen Sinne krank ist und deswegen der Heilung bedarf. Vielmehr handelt es sich für uns darum, wenn von
ärztlicher Seite aus - und das ist ja in diesem Gesetz gesagt worden - festgestellt ist, daß er krank ist, wenn also z. B. der Psychiater eine Heilbedürftigkeit festgestellt hat, festzulegen, was dann mit dem Betreffenden zu geschehen hat. Das ist das, was in diesem Gesetz steht. Hier möchten wir eben - vielleicht sogar in Zusammenarbeit mit Ihnen - einen etwas besseren Schutz auch von ärztlicher Seite haben.
Es darf meines Erachtens nicht genügen, daß ein Arzt die Geisteskrankheit oder Geistesschwäche eines bestimmten Menschen feststellt und der Auffassung ist, daß seine Unterbringung in einer Heiloder Pflegeanstalt erforderlich ist, um den Richter zu verpflichten, auf ein solches Gutachten hin die entsprechende Unterbringung anzuordnen. Ich bitte, wenn das Gesetz in den Gesundheitsausschuß kommt, dort noch einmal zu überlegen, ob hier nicht eine viel weitergehende Einschaltung des Amtsarztes notwendig ist
({1})
- heute ist das noch nicht in dem Umfang der Fall, wie wir es wünschen -, ob nicht eine viel weitergehende Beteiligung eines Ärztekollegiums unter Vorsitz des Amtsarztes vielleicht die Voraussetzungen gibt, daß der Richter, der ja nicht Mediziner ist, auf Grund einer solchen Stellungnahme nicht eines einzelnen, sondern eines Kollegiums viel eher die Verantwortung dafür tragen kann, daß der Betreffende in einer Heil- oder Pflegeanstalt untergebracht wird. Das sind Gesichtspunkte, die meine Freunde und ich in den entsprechenden Ausschüssen zur Diskussion stellen wollen.
Abgesehen von diesen Gesichtspunkten ist dann die Frage aufgetaucht, ob man die Anordnung der
Freiheitsentziehung den ordentlichen Gerichten oder den Verwaltungsgerichten überlassen soll. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß es richtig ist, die ordentlichen Gerichte einzuschalten. Denjenigen, die am Grundgesetz mitgewirkt haben, hat hierbei zweifelsohne auch die Einschaltung der ordentlichen Gerichte und nicht die der Verwaltungsgerichte vorgeschwebt. Allerdings ist man im Bundesrat in dieser Frage zu einer etwas verschiedenartigen Auffassung gekommen. Der Bundesrat selbst hat allerdings insoweit keine Änderung vorgeschlagen; aber bei einzelnen Ländern scheint mir darüber keine genügende Klarheit vorhanden zu sein, wie man so etwas regeln soll. Ich darf mich hier aus Höflichkeit auf das Land beziehen, aus dem ich selbst komme, nämlich auf Niedersachsen. Während sich der Vertreter des Landes Niedersachsen für dieses Gesetz auf den Standpunkt gestellt hat, die Verwaltungsgerichte einzuschalten, hat der niedersächsische Landtag mit Gesetz vom 23. Mai 1952 beschlossen - es handelt sich um das niedersächsische Gesetz über die Anstaltsunterbringung gemeingefährlicher Geisteskranker, Rauschgift- und Alkoholsüchtiger -, daß die Anstaltsunterbringung solcher Personen auf Antrag der Verwaltungsbehörde vom Amtsgericht angeordnet wird. Die Länder können sich schlechterdings nicht auf den Standpunkt stellen, daß so etwas zu Hause anders gemacht wird, als es hier gemacht werden sollte, wenn der Bundestag zuständig ist. Es ist schon aus Gründen, die in der Begründung gegeben sind, notwendig, die Amtsgerichte und nicht die Verwaltungsgerichte einzuschalten, weil man auf die Schnelligkeit der Erledigung durch die Gerichte Wert legt und die Amtsgerichte hierzu viel eher in der Lage sind, da sie 'zahlreicher sind und dem Tatort viel näher liegen. Meines Erachtens würde es zuviel Schwierigkeiten machen, innerhalb der hier vorgesehenen Fristen eine rechtzeitige Entscheidung des Verwaltungsgerichts herbeizuführen, da es in einzelnen Ländern nur ein oder höchstens zwei Verwaltungsgerichte 'gibt, während die Zahl der Amtsgerichte ja viel größer "ist.
Ich darf mich dann noch kurz zu den §§ 11 und 12 äußern. In § 11 heißt es in Abs. 1:
Ist ein Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt, so kann das Gericht, falls dies zur Vorbereitung eines 'Gutachtens 'über den Gesundheitszustand einer Person, der die Freiheit entzogen werden soll, oder aus anderen Gründen dringend erforderlich ist . . .
Mir ist die Fassung „oder aus anderen Gründen" zu allgemein. Solche „anderen Gründe" können sich immer finden lassen. Die daran anschließende Formulierung, daß eine Unterbringung „dringend erforderlich" ist, scheint mir auch kein ausreichender Schutz dafür zu sein - angesichts der einzelnen Tatbestände, die uns aus der jüngsten Vergangenheit bekanntgeworden sind -, daß dem einzelnen seine Freiheit nicht nur dann entzogen oder beschränkt wird, 'wenn dies wirklich aus allgemeinen Gründen und möglicherweise auch in seinem eigenen Interesse, wie bei Kranken, erforderlich ist.
Der besondere Fall des § 12, ob nur die Polizei nach Art. 104 bis zum nächsten Tage die richterliche Entscheidung herbeizuführen hat oder auch die anderen zur Festnahme berechtigten Behörden, scheint mir in der Vorlage des Gesetzentwurfs richtig geregelt zu sein. Richtig ist auch, daß darüber im Grundgesetz keine genügend präzise Anweisung an den Gesetzgeber gegeben worden 'ist. Aber es kann unter 'keinen Umständen der Sinn des Grund({2})
gesetzes und demnach auch nicht dieses Gesetzes sein, daß die Polizei bei der Entziehung oder Beschränkung der Freiheit zu mehr verpflichtet ist als andere Behörden, die neben der Polizei zur Entziehung oder Beschränkung der Freiheit berechtigt sind. Ich begrüße insoweit auch die Fassung, die dem Gesetz in § 12 gegeben ist.
Über die Vorschläge des Bundesrats wird sich der Rechtsausschuß im einzelnen klarzuwerden haben, insbesondere darüber, ob dieses Gesetz der Zustimmung des Bundesrats bedarf oder nicht.
Abschließend möchte ich nur noch allgemein zum Ausdruck bringen: meine Freunde und ich wünschen, daß die Handhabung dieses Gesetzes in demselben Geiste erfolgen möge, der den Grundrechtsnormen ,des Grundgesetzes eigen ist, zu denen nach meiner Auffassung auch der Art. 104 gehört. Ich habe es außerordentlich begrüßt, daß der Herr Staatssekretär des Bundesjustizministeriums sich offiziell auf den Standpunkt gestellt hat, der Art. 104 sei geltendes Recht und müsse demzufolge auch unmittelbar angewendet werden. Es ist meines Erachtens bedauerlich und bedeutet auch schon einen Rückfall in die nationalsozialistische Ideologie und die unrechtsstaatliche Ordnung des nationalsozialistischen Staates, wenn man dem Art. 104 nur proklamatorische Bedeutung zuerkennen will, wie das weithin schon wieder geschieht, und ihn als unmittelbar geltende Rechtsnorm ablehnt. Was in diesem Zusammenhang als bedauerlich zu erwähnen ist, ist, daß auch ein höchstes Gericht wie z. B. das Oberlandesgericht in Schleswig diesen Standpunkt teilt.
Meine Freunde und ich stimmen der Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu. Aufgabe des Rechtsausschusses wird es sein, 'zu prüfen, ob die Freiheit des einzelnen in diesem Gesetz in genügender Weise geschützt ist, und darauf zu achten, daß keine Freiheitsentziehung und -beschränkung in größerem Umfange erfolgt, als unbedingt notwendig ist.
Ob auch der Gesundheitsausschuß an dieser Frage beteiligt werden soll, möchte ich persönlich dem Hohen Hause selbst zur 'Entscheidung überlassen. Die Entziehung der Freiheit dient ja allerdings nicht immer der 'Schädigung, sondern auch der Förderung der Gesundheit. Man braucht ja nur, Frau Kollegin Steinbiß, an die Unterbringung in einer Heilanstalt für Trunksüchtige zu denken.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vorlage dieses Gesetzes entspricht einer Verpflichtung aus dem Grundgesetz. Abgesehen davon ist aber auch die Wichtigkeit der Sache selbst so evident, daß man in dieser Frage nicht wie sonst denken könnte, das Haus wird mit soviel Gesetzesvorlagen überschüttet, man könnte vielleicht auf dem einen oder anderen Gebiet doch etwas sparen, und etwas weniger wäre mehr. Hier ist es also in der Tat notwendig, ein Gesetz vorzulegen.
Aber wenn man nach der Ratio der Vorlage vorgeht, so ist es doch die: Schutz der Freiheit der Persönlichkeit gegen eine unberechtigte Entziehung oder Beeinträchtigung überhaupt. Auf den Unterschied zwischen der Freiheitsbeschränkung und -beeinträchtigung komme ich gleich noch. Dieses
Gesetz sollte eigentlich nicht eine Handhabe dazu bieten, eine Freiheitsentziehung in solchen Fällen vorzunehmen, wo das nicht bisher auch schon möglich gewesen wäre. Wenn man den Namen liest, so kommt man auf den Gedanken, es handelt sich nur um eine Regelung des Verfahrens. Befaßt man sich aber mit dem Inhalt, so stellt man doch fest, daß verschiedene Möglichkeiten neu geschaffen werden oder wenigstens die Bestimmungen des Gesetzes so ausgelegt werden können, daß es sich um die Neuschaffung von Freiheitsentziehungsmöglichkeiten handelt. Damit würde meine Fraktion nicht einverstanden sein. Es entspricht weder der Notwendigkeit, die vorhandene Zahl der möglichen Freiheitsentziehungen 'zu vergrößern, noch dem Zweck des Gesetzes, in dieser Zeit nach 'den vorausgegangenen politischen 'Erfahrungen so zu verfahren.
Wenn ich gerade in diesem Zusammenhang und aus diesen Überlegungen heraus in der Begründung den Punkt 2 ansehe, so fällt mir dabei auf, daß .die Bundesregierung glaubt, aus polizeilichen Gesichtspunkten könnten z. B. krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen auch gegen ihren Willen unter Umständen längere Zeit interniert werden. Dazu muß man auch den § 4 des Gesetzes lesen, wonach unter Umständen dann nicht einmal eine richterliche Anhörung erforderlich ist. Ohne richterliche Anhörung mit der Behauptung, daß eine Krankheit vorliege, jemanden einzusperren, halten wir gegen Sinn und Grund dieses Gesetzes verstoßend und für völlig unmöglich.
Wir sehen also, daß trotz der an sich harmlosen Überschrift und trotz der offenbar wohlmeinenden Absicht schon allein in diesem Punkte sich eine ganz erhebliche Gefahr in der Vorlage befindet, mit der wir uns nicht einverstanden erklären werden. Ich habe wegen der Kürze 'der Redezeit, die mir zur Verfügung steht, nicht die Möglichkeit, noch auf andere 'Bedenken ähnlicher Art hinzuweisen. Wir möchten aber von vornherein gerade auf diesen wichtigen Punkt aufmerksam machen. Das Gesetz darf auf keinen Fall zu irgendeiner Zeit irgendeiner Regierung als Vorwand oder Handhabe dazu dienen, Leute einzusperren, wenn nicht schon nach den bisher vorliegenden Gesetzen Veranlassung, ja sogar die Notwendigkeit dazu besteht.
Mit der Verweisung an die beiden Ausschüsse ist die Fraktion der Föderalistischen Union einverstanden. Wir haben nichts dagegen, daß sich auch der Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens damit befaßt, obwohl es sich eigentlich nur am Rande um eine Frage der Gesundheitspflege handelt. Aber diese Gesichtspunkte sollen dabei nicht übersehen werden. Deswegen sind wir damit einverstanden. Federführend müßte aber der Rechtsausschuß sein; denn in erster Linie kommt es auf den Schutz der Freiheit der Person an.
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Flüchtig besehen enthält dieser Gesetzentwurf über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen keine politischen Motive. In der Begründung ist sehr viel die Rede von medizinischen Sachverständigen, von seuchenpolizeilichen Vorschriften, von der Unterbringung in Heilanstalten und derartigem mehr. Wenn man aber die Sache genauer betrachtet, sieht man, daß mit dieser Vor({0})
lage sehr bedeutsame politische Motive und politische Absichten verknüpft sind.
({1})
Man muß sich nur fragen, aus welchem Grunde die bisherigen Redner so bescheiden gewesen sind, daß sie diesen bedeutsamen Komplex so sorgfältig umgangen haben. Insbesondere aber muß man sich fragen, welche Absichten dem Vorgehen der Verfasser des Entwurfs zugrunde liegen, die auf eine solche Weise scheinbar medizinische Komplexe mit rein politischen verknüpft und in einer einzigen Vorlage verbunden haben. Offenbar haben sie dies doch wohl nur darum getan, um bestimmte politische Absichten einschmuggeln, um sie legalisieren zu können, und zwar in einer auf den ersten Blick äußerlich harmlos erscheinenden Form.
In dieser Vorlage wird tatsächlich, das System
der willkürlichen Festnahme festgelegt, wird der
Begriff der Schutzhaft zum ersten Mal offiziell legalisiert. Ich möchte Sie auf die Begründung des
§ 12 hinweisen. Darin heißt es ausdrücklich:
Das Grundgesetz regelt das Recht der vorläufigen Festnahme in Art. 104 Abs. 3 nur für das Strafverfahren. Es kann sich aber auch außerhalb des Srafverfahrens die Notwendigkeit ergeben, eine Person zu ihrem Schutze oder zum Schutze der Allgemeinheit alsbald festzunehmen und in eine Anstalt zu verbringen.
Dieser Begriff „zu ihrem Schutze oder zum Schutze der Allgemeinheit" hat doch wohl seinen Ursprung in der Praxis des nationalsozialistischen Regimes. Auf diese Weise soll er wieder eingeführt werden.
Mit Rücksicht auf die Kürze meiner 'Redezeit möchte ich nur noch auf zwei besondere Punkte ) dieses Entwurfs hinweisen. Erstens: es gibt keine klare Abgrenzung zwischen dem Begriff des Freiheitsentzugs, für den hier bestimmte rechtliche Normen festgelegt sind, und dem Begriff der Freiheitsbeschränkung, die, wie aus der Begründung hervorgeht, offiziell der richterlichen Entscheidung entzogen bleiben soll. Dabei wird aber in der Begründung festgestellt, daß eine klare Abgrenzung zwischen diesen beiden Begriffen nicht zu ziehen sei. Man sagt, es gebe lediglich gewisse graduelle Unterschiede. Die Polizeiorgane können also jederzeit nach Willkür entscheiden, ob „Freiheitsbeschränkung" vorliegt, wobei also keine besondere richterliche Entscheidung benötigt wird, oder ob es sich um „Freiheitsentzug" handelt.
Zweitens, meine Damen und Herren, wird hier - und das ist wohl das Wesentlichste an der ganzen Vorlage - zum erstenmal der Begriff „Lagerhaft" eingeführt. Auf Seite 7 der Begründung heißt es zu § 1 ausdrücklich im Zusammenhang mit der Umschreibung der typischen Freiheitsentziehung folgendermaßen:
. . . die zwangsweise Unterbringung in einem Gefängnis, einem zum Vollzuge von Haft dienenden Raum ({2}), einem Arbeitshaus oder einer geschlossenen Anstalt der Fürsorge . . . Dem Sinn der Vorschrift entsprechend soll damit nicht nur die Unterbringung in festen Häusern, sondern auch die Unterbringung in Lagern erfaßt werden.
Es soll uns ja niemand kommen und sagen, es handle sich hier um „seuchenpolizeiliche Erwägungen", um Unterbringung in Baracken für gewisse Krankheiten. Davon kann keine Rede sein. Mir
scheint viel eher, der Herr Bundesminister des Innern stellt die Perspektive auf, daß bei der Durchführung seiner Pläne
({3})
die Zuchthäuser nicht mehr ausreichen. Mir scheint, daß hier eine Visitenkarte der sogenannten freiheitlichen demokratischen Ordnung vorgelegt wird, auf die man sich hier dauernd berufen möchte.
({4})
Wir fordern zu der Vorlage, die uns unterbreitet ist, eine genaue Auskunft: Was ist unter „Unterbringung in Lagern" beabsichtigt? Wir werden die Bundesregierung an diese Formulierung noch oft erinnern, und wir werden diese Vorlage, weil sie dazu geschaffen ist, im Sinne eines polizeistaatlichen Willkürregimes angewandt zu werden, ablehnen und auch ihre Behandlung in den Ausschüssen zurückweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, wie schlecht das Gewissen eines Politikers sein muß, wenn er hinter allem und jedem Politik wittert. Daß Herr Kollege Fisch den § 1 gründlich mißverstanden hat, ist klar. Gerade deshalb ist das „L a g e r" einbezogen, weil eben auch in Lagern nur auf Grund ausdrücklicher richterlicher Genehmigung einer gefangen-gesetzt werden soll. So ist die Meinung. Aber zum Gesetzeslesen gehört ein bißchen mehr als bloß politische Überzeugtheit.
Meine Freunde und ich begrüßen die Vorlage, allerdings nicht ohne jedes Bedauern, daß nicht doch gegenüber dem allzu buntscheckigen Länderrecht wenigstens der Versuch gemacht worden ist, hier auch die materielle Seite zu regeln, nämlich die Frage: Wann kann denn überhaupt außerhalb des Strafrechts Freiheit entzogen werden? Ich meine, dazu hat die Debatte das beigetragen, daß das Bedürfnis dafür größer als vorher geworden ist. Dazu wenige Bemerkungen.
Außer den jammervollen Erfahrungen der Nazizeit gibt es seit Jahrzehnten, wenn nicht seit Jahrhunderten die Beschwernis, daß bei der Unterbringung angeblich Geisteskranker in Heilanstalten immer wieder Dinge passieren, die, da die Öffentlichkeit sie selten- und meistens erst spät - erfährt, zu größten Erregungen Anlaß geben. Diese Tatsache ist vor allem der praktische Grund, weswegen jeder, der mit diesen Dingen befaßt ist, aus Gründen, die mit Politik gar nichts zu tun haben, der Meinung ist: hier ist eine Gesetzeslücke. Es geht nicht an, daß ein Irrenarzt oder ein Leiter einer Anstalt als Papst ganz allein über Freiheit entscheidet. Meine Herren Mediziner, bitte erkennen Sie insoweit eine Notlage an, die dieses Gesetz geradezu zwingend fordert.
Etwas ganz anderes ist es bei dem Schutz vor Infektionskrankheiten. Ich habe in all meinem Leben noch niemals gehört, daß irgend jemand sich beschwert habe, wenn er als Typhuskranker isoliert und wenn der Zutritt seiner Angehörigen zu ihm verboten wurde. Diese Isolierung ist eine Selbstverständlichkeit für jeden Kranken, der ja sowieso geschwächt ist, und ebenso für jeden An({0})
gehörigen, der gern will, daß sein kranker Angehöriger möglichst bald geheilt und insbesondere als Bazillenträger geheilt wird. Deswegen glaube ich: insoweit brauchten wir das Gesetz nicht. Und nun dazu die eigenartige Begründung der Vorlage: die Isolierung Kranker - das erfahren wir aus der Begründung, nicht aus dem Gesetzestext! - soll nur eine „Freiheitsbeschränkung" sein. - Entschuldigen Sie, Herr Staatssekretär, Sie haben als Freiheitsbeschränkung in der schriftlichen Begründung u. a. folgendes Beispiel gebildet: „Schulkinder, die in Behausungen leben, in denen ansteckende Erkrankungen vorgekommen sind, werden zeitweilig vom Schulbesuch ferngehalten". Vom Standpunkt der Schulkinder aus gesehen ist das das größte Geschenk der Freiheit; sie brauchen nicht in die Schule! Dann wäre j a auch dann eine Freiheitsbeschränkung gegeben, wenn für den Verkehr eine Brücke gesperrt ist, weil sie baufällig ist, und man sie auf dem Wege nach Hause nicht betreten darf. Das hat mit „Freiheitsbeschränkung" meines Erachtens gar nichts zu tun. Was Sie wollen, ist, daß bei Infektionskrankheiten eine isolierte Behandlung der Patienten, selbst wenn sie in einem Zimmer eingesperrt sind, weil wie beim Typhus Tobsuchtsanfälle möglich sind, das eben nur eine „Freiheitsbeschränkung", keine Entziehung sei.
Wenn Sie das wollen - und das wollen wir alle -, dann bitte ich, das doch in dem Gesetz klar auszusprechen. Ich bin durchaus mit den Herren und Damen der Medizin, mit denen man ja sonst als Jurist bei Freiheitsbeschränkungen ab und zu nicht ganz gleicher Meinung ist, in diesem Fall völlig einig. Wenn wirklich die Behandlung Infektionskranker in jedem einzelnen Falle eines Richterspruchs bedarf, wenn nach der Überzeugung
({1}) des Arztes die Grenze zwischen Freiheitsbeschränkung und -entziehung überschritten sein könnte, dann kommen wir mit dem Gesetz in eine Situation hinein, die keiner will. Und das muß meines Erachtens allerdings in den Ausschüssen sehr klar behandelt werden.
Ich möchte daher bitten, die Vorlage an den Rechtsausschuß als federführenden Ausschuß, aber auch an den Gesundheitsausschuß zu überweisen, um besonders diese Fragen zu klären.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Meine Damen und Herren, Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß ist gemeinsame Überzeugung des Hauses. Ich brauche nicht darüber abstimmen zu lassen.
({0})
- Sie sind auch dagegen?
({1})
Darf ich fragen, wer für die Überweisung als mitberatenden Ausschuß an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens ist? - Das ist die Mehrheit. Auch diese Überweisung ist erfolgt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Gebührenbefreiungen beim Wohnungsbau ({2}).
Die Regierung verweist auf die gedruckte Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
({3})
- Herr Staatssekretär Dr. Strauß bringt zum Ausdruck, daß nach seiner Meinung der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht federführend sein 'müßte, da Fragen des Kostenrechts und Gebührenrechts zur Erörterung stehen.
({4})
- Anders haben Sie es auch gar nicht aufgefaßt! Ist das Haus mit der Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen als mitbeteiligten Ausschuß einverstanden? - Das ist der Fall. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich ({5}).
Die Regierung verweist ebenfalls auf die gedruckte Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf eine Aussprache in erster Beratung vor. Ich schlage Ihnen vor Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten. - Das Haus ist einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Beratung des Mündlichen Berichts des Auschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({6})
über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Nowack, Neumayer, Dr. Atzenroth, Dr. Blank, Dr. Wellhausen, Dr. Oellers und Genossen betreffend Vereinheitlichung des Rückerstattungsrechtes,
über den Antrag der Abgeordneten Schmidt ({7}) und Genossen betreffend Abänderung des Gesetzes für Wiedergutmachung,
über den Antrag der Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. Horlacher, Bauereisen und Genossen betreffend Änderung des Rückerstattungsgesetzes,
über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vorlage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes,
über den Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Rückerstattung feststellbaren ehemals jüdischen Vermögens ({8})
({9})
({10})
- Berichterstatter dazu ist Herr Abgeordneter Dr. Weber ({11}) - und
b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anerkennung des deutschen Widerstandes und zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts ({12}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von zwanzig Minuten für den Antrag zu b) und eine Gesamtaussprachezeit von höchstens 90 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Darf ich den Herrn Berichterstatter Abgeordneten Dr. Weber bitten!
Dr. Weber ({13}) ({14}), Berichterstatter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 3583 behandelt zwei Probleme, die dadurch entstanden sind, daß der Nationalsozialismus auf weiten Gebieten den Boden von Recht und Gerechtigkeit verlassen hat, und will wenigstens zu einem Teil deren gerechte Ordnung wieder herbeiführen. Die im Eingang der Drucksache aufgeführten Anträge sollen diesem Zwecke dienen. Einmal behandeln sie -- dies ist der Antrag der SPD auf Vorlage eines Wiedergutmachungsgesetzes - das Entschädigungsproblem, die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus, und zum andern behandeln sie Probleme, die sich aus der Rückerstattung des noch feststellbaren Vermögens ergeben haben. Das sind zwei Sachgebiete, die zu scheiden sind, die in den Antragen aber
nicht immer geschieden wurden. Wiedergutmachung ist nach der heutigen Sprachregelung, die sich allgemein durchgesetzt hat, der Oberbegriff. Er umfaßt als Teilgebiete sowohl die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialismus wie auch die Rückerstattung. Das Rückerstattungsrecht ist nicht von deutscher Seite, von den deutschen Ländern geregelt, sondern durch die Besatzung erlassen worden. Ich werde darauf noch näher zu sprechen kommen.
Zunächst wende ich mich der Behandlung der Entschädigung zu, weil das eine Aufgabe ist, die den deutschen Parlamenten, insbesondere dem Deutschen Bundestag als eigene Aufgabe zusteht und deren Regelung zum mindesten in manchen Ländern allzulange hat auf sich warten lassen. In den Ausschußverhandlungen ist betont worden, daß es gut gewesen wäre, wenn der Grundgesetzgeber einen Art. 130 a in das Grundgesetz aufgenommen hätte, um damit auch die Regelung dieses Problems vor dem Problem der Wiedergutmachung bzw. Entschädigung derjenigen, die seinerzeit durch den Nationalsozialismus aus ihren Stellungen gekommen 'sind, herbeizuführen. Der Ausschuß hat sich insbesondere mit der Entschädigung sehr eingehend befaßt und es für notwendig gehalten, eine Reihe von Sachverständigen zu hören, die in diesen Fragen als besondere Experten angesehen wurden, so den Ministerialdirektor Küster in Stuttgart, den Regierungsdirektor Weißstein in Wiesbaden und schließlich auch den Leiter der Delegation im Haag, Herrn Professor Böhm. Ebenso sind auch Vertreter der Geschädigtenverbände gehört worden, und es ist auch mit der Konferenz der obersten Wiedergutmachungsbehörden in den Ländern Fühlung genommen worden.
In der amerikanischen und französischen Zone bestehen bereits seit einigen Jahren Entschädigungsgesetze, die allerdings - in dieser Hinsicht darf ich auf die Debatte in der 120. Sitzung vom 22. Februar 1951 verweisen, in der der Antrag der SPD an den Rechtsausschuß überwiesen worden ist - untereinander erheblich abweichen, insbesondere was Stichtage und Entschädigungshöchstbeträge angeht. Es erscheint schon aus diesem Grunde geboten, im gesamten Bundesgebiet eine gleichmäßige Ordnung herbeizuführen. Vor allem aber ist ein Eingreifen des Bundesgesetzgebers deshalb erforderlich, weil die britische Zone auf diesem Gebiet noch erheblich zurückliegt. Es bestehen dort lediglich Regelungen über Haftentschädigung und Körperschäden, aber noch keine Regelungen für die Entschädigung von Vermögensschäden und Existenzschäden.
Deshalb hatte sich der Ausschuß mit der Frage zu befassen, was angesichts dieser Lage zu tun sei. Ich betone: die Beratungen haben sehr lange gedauert. Dies ergab sich einmal aus der Schwierigkeit der Materie selbst und zum andern aus der Frage, wie die hier aufzuwendenden Mittel aufgebracht werden können. Damals bestand ja noch der § 48 der Geschäftsordnung. Von allen Fraktionen und allen an den Beratungen Beteiligten wurde die Verpflichtung zur Wiedergutmachung unbedingt anerkannt.
Eine Verzögerung ergab sich unter anderem dadurch, daß im Herbst des letzten Jahres bekannt wurde, daß in den Verhandlungen über das kommende Vertragswerk zur Ablösung des Besatzungsstatuts auch die Frage der Entschädigung angeschnitten wurde und die Alliierten insofern bestimmte Forderungen stellten. Des weiteren ergab sich eine Verzögerung daraus, daß in Verfolg der Erklärung der Bundesregierung vom letzten Herbst, in der sie grundsätzlich die Entschädigungspflicht anerkannt hatte, Verhandlungen in Den Haag aufgenommen wurden sowohl mit Israel wie auch mit den jüdischen Weltverbänden und daß auch diese im Wege der Verhandlungen gewonnenen Ergebnisse mit berücksichtigt werden mußten.
Die erste Frage, die der Ausschuß zu entscheiden hatte, war nun die, ob man ein eigenes Bundesentschädigungsgesetz schaffen wolle oder oh man sich darauf beschränken wolle, ein Bundesrahmen- und -ergänzungsgesetz zu schaffen. Der Ausschuß hat sich auf Grund der Auskünfte, die ihm die Sachverständigen gegeben haben, insbesondere auch angesichts der Lage, die dadurch geschaffen würde, daß sich voraussichtlich die Erledigung der Entschädigungsansprüche um Jahre verzögern würde, wenn ein neues Bundesgesetz geschaffen würde und dadurch die Ländergesetze nicht mehr ausgeführt würden, entschlossen, Ihnen vorzuschlagen, daß ein Bundesrahmen- und -ergänzungsgesetz geschaffen wird. Dadurch soll erreicht werden, daß die Entschädigung, die in einer Reihe von Ländern - wie ich bereits bemerkte, in der französischen und amerikanischen Besatzungszone - bereits angelaufen ist, auf der alten Grundlage fortgeführt wird und daß dann lediglich die Verbesserungen, die durch das Bundesrahmen- und -ergänzungsgesetz kommen sollen, in diese Entschädigung eingebaut werden. Deshalb lautet der erste Satz des Ausschußantrages unter I, Entschädigung:
Die Bundesregierung wird ersucht, alsbald den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, das die Entschädigung der Opfer des Nationalsozialis({15})
mus durch ein Bundesergänzungs- und Rahmengesetz regelt.
Der Ausschuß hat es auch für notwendig gehalten, in etwa die Gesichtspunkte darzulegen, aus denen heraus er eine derartige gesetzliche Regelung für notwendig und geboten hält. Es heißt deshalb weiter:
Dabei ist davon auszugehen, daß Personen, die wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer Rasse, ihres Glaubens oder ihrer Weltanschauung verfolgt wurden, Unrecht geschehen ist und der aus Überzeugung oder um des Glaubens oder Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistete Widerstand ein Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes und Staates war.
Insbesondere der letzte Halbsatz war es, der in Verbindung mit dem damals bereits vorliegenden Antrag der Sozialdemokratischen Partei auf Erlaß eines Bundesentschädigungsgesetzes und Anerkennung des deutschen Widerstandes - Drucksache Nr. 3472 - ausgedehnte Debatten im Ausschuß hervorrief. Der Ausschuß hat sich aber schließlich doch entschlossen, diese Formulierung anzunehmen. Gerade im Hinblick auf Vorgänge und Erörterungen der letzten Zeit erschien es notwendig und angebracht, daß der Deutsche Bundestag als Repräsentant des Deutschen Volkes den Frauen und Männern, die in trübster Zeit der Zwangsherrschaft das Banner der Freiheit zu entfalten versuchten und dabei ihr eigenes Leben und ihre eigene Freiheit mutig in die Schanze schlugen, wie es z. B. die Männer des 20. Juli 1944 getan haben, die Anerkennung des deutschen Volkes ausspricht.
Der Ausschuß war sich dabei bewußt, daß mit
der von ihm vorgeschlagenen Anerkennung des deutschen Widerstandes ein schwieriges Problem angeschnitten wird. Einmal ergeben sich Schwierigkeiten daraus, daß z. B. in den Konzentrationslagern rein Kriminelle neben den „Politischen" eingesperrt waren und im Jahre 1945 „befreit" wurden, die sich dann als „Verfolgte" und „Widerständler" ausgaben. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen, und es bestand auch allgemeine Einigkeit im Ausschuß darüber, daß solche Elemente und gemeine Verbrecher nicht unter diese Anerkennung fallen, auch wenn sie in der damals gesetzlich normierten, überscharfen Weise unter vielfach Menschenrechte und Menschenwürde verachtenden Methoden verfolgt wurden. Zur Beseitigung solcher Übergriffe und Härten sind die Gesetze und Anordnungen zur Beseitigung nationalsozialistischen Unrechts in der Strafrechtspflege da, wie sie auch in allen Ländern der Bundesre-. publik erlassen wurden.
Ebenso sollen damit nicht Handlungen anerkannt werden, bei denen der aus politisch entgegengesetzter Einstellung handelnde Täter auch Leben und Sicherheit anderer Mitmenschen gewissenlos aufs Spiel setzte. In diesem Zusammenhang wurde allerdings im Ausschuß betont, daß zwar von gewisser Seite viel von Sabotageakten geredet wird, um den Boden für eine neue Dolchstoßlegende zu bereiten, daß aber bis heute kein einziger Fall bekanntgeworden ist oder vorgebracht wurde, der eine solche Behauptung rechtfertigen könnte.
Der Antrag legt weiter klar, wer Entschädigungen erhält. Ich kann es mir wohl versagen, die Bestimmungen im einzelnen zu erläutern, und darf
nur betonen, daß wir die Punkte herausgegriffen haben, die nach unserer Ansicht die Ländergesetzgebung, die auf diesem Gebiet bereits besteht, ergänzen, Lücken schließen und Verbesserungen bringen, die für notwendig gehalten werden. Insbesondere hat dabei der Antrag bereits den damals bekannten Ergebnissen der internationalen Verhandlungen und Vereinbarungen Rechnung getragen. Inzwischen sind diese Verhandlungen weitergeführt worden. Wir haben gehört, daß es gestern in Luxemburg zum Abschluß von Verträgen gekommen ist, die auch diese Probleme behandeln. Die Einzelheiten sind noch nicht bekannt. Aber die Bundesregierung hat j a den allgemeinen Auftrag, in dem vorzulegenden Gesetz die in internationalen Vereinbarungen und Besprechungen erzielten Ergebnisse zu berücksichtigen.
Ferner haben wir es für notwendig gehalten, auch eine allgemeine Härteklausel für die Fälle nationalsozialistischer Verfolgung einzufügen, in denen aus formalen Gründen keine Entschädigung gewährt wurde oder gewährt werden kann. Schließlich haben es die Sachverständigen in Übereinstimmung mit dem Ausschuß für notwendig gehalten, daß der Rechtsmittelzug verbessert, insbesondere eine Revisionsinstanz und ein Rechtsmittelzug zum Bundesgerichtshof geschaffen wird.
Die Bundesregierung wird ersucht, die Finanzierung der sich nach diesem Gesetz ergebenden gesamten Entschädigungsleistungen sicherzustellen, insbesondere die Aufteilung der Entschädigungslasten zwischen Bund und Ländern sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit für die Bewirkung der nach dem Gesetz entstehenden Entschädigungsleistungen zu regeln. Manche Länder waren ja wohl deshalb in dem Erlaß von Entschädigungsgesetzen zurückhaltend, weil sie hofften, daß der Bund ein Entschädigungsgesetz erlassen würde und sie damit diese Last loswurden. Der Ausschuß hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Ländergesetze bestehen bleiben sollen, um wenigstens in diesen Ländern das Weitergehen der Entschädigung zu gewährleisten mit der Maßgabe, daß also die Länder zunächst die Leistungen aufzubringen haben, daß aber die Bundesregierung mit den Ländern einen Ausgleich suchen soll. Schließlich ist es j a gleichgültig, ob der Ausgleich hier in dieser gesetzlichen Regelung gefunden wird oder ob er etwa hinterher durch die Heranziehung eines Einkommensteueranteils von den Ländern her durch den Bund gesucht wird.
Das zweite Problem, das in dem Antrag behandelt wird, ist die Rückerstattung. Diese Rückerstattung ist in den Gesetzen Nr. 59 der amerikanischen und britischen Zone und in der Verordnung 120 der französischen Zone geregelt.
Die deutschen Länder hatten schon im Jahre 1946 Verhandlungen darüber geführt, die dahin gingen, daß sie eigene Rückerstattungsgesetze erlassen wollten. Diese Verhandlungen waren auch bereits recht weit gediehen, bis sie dann schließlich im November 1947 ziemlich abrupt abgebrochen wurden und die Besatzungsmächte mit eigenen Gesetzen dieses Problem zu regeln suchten.
Von deutscher Seite ist nie bestritten worden, daß auch dieser Fragenkomplex, der auf dem Boden des nationalsozialistischen Unrechts erwachsen ist, nach Recht und Gerechtigkeit geregelt würde. Meine Unterrichtung geht dahin, daß eine derartige gerechte Regelung auch in den deutschen Ge({16})
setzentwürfen der Jahre 1946 und 1947 vorgesehen war. Wenn man uns die Regelung dieses Problems selber überlassen hätte, dann wäre vielleicht manche Ungerechtigkeit vermieden worden.
({17})
Die Anfrage der CDU Drucksache Nr. 1455 vom 10. Oktober 1950 beleuchtete bereits einige dieser aufgetretenen Ungerechtigkeiten und wollte Auskunft darüber haben, ob die Bundesregierung ihrerseits etwas tun könne, um die Offenkundigen Härten dieser Rückerstattungsregelung zu beheben.
Bereits vorher lag der Antrag Drucksache Nr. 159 der Freien Demokratischen Partei vor, die auch eine Regelung des Problems von deutscher Seite erstrebte. Die Behandlung dieses Antrags im Herbst 1949 im Ausschuß ergab aber, daß zunächst nicht zu erreichen war, daß die Alliierten von dem im Besatzungsstatut gemachten Vorbehalt, dieses Sachgebiet selbst zu regeln, Abstand nehmen würden. Infolgedessen unterblieb die weitere Beratung dieses Antrages, der deshalb erst heute nach nahezu drei Jahren verabschiedet werden kann.
Inzwischen ist die Rückerstattung nach den besatzungsrechtlichen Gesetzen recht weit durchgeführt. Der Herr Bundesjustizminister hat damals in der Drucksache Nr. 1567 in seiner Antwort vom 4. November 1950 zu den in der Anfrage aufgeworfenen Fragen Stellung genommen und dabei besonders betont, daß nach den geführten Verhandlungen nicht erwartet werden könne, daß die Besatzungsmächte zu irgendwelchen Änderungen der Rückerstattungsregelung, wie sie sie in den Besatzungsgesetzen vorgenommen hätten, ihre Zustimmung geben würden, so daß also derartige Anträge aussichtslos seien. Der Herr Bundesjustizminister hat gleichzeitig damals bereits einen Überblick über den Stand der Rückerstattung in den einzelnen Ländern beigefügt. Auf diesen darf ich Sie verweisen.
Inzwischen sind natürlich die Dinge erheblich weiter gegangen, und man darf sagen, daß in den Ländern der französischen Zone die Rückerstattung wohl zu drei Vierteln durchgeführt ist und daß in den Ländern der amerikanischen Zone die Individualansprüche wohl auch zu etwa drei Vierteln geregelt sind, während die sogenannten IrsoAnsprüche noch etwas weiter zurückliegen. In den Ländern der britischen Zone ist die Rückerstattung wohl zu etwa 50 % geregelt, d. h. durch Urteil oder Vergleiche abgeschlossen.
Auch in den Ausschußberatungen wurde von den verschiedensten Seiten betont, daß man doch versuchen solle, und zwar mit Nachdruck, eine Regelung der Rückerstattung in deutscher Zuständigkeit zu erreichen. Es ist in der Öffentlichkeit, aber auch im Ausschuß, manches Mal der Ausspruch gefallen, die jetzige Regelung der, Rückerstattung führe dazu, daß altes Unrecht mit neuem Unrecht wiedergutgemacht würde, und das sei ein unerfreuliches Ergebnis. Es ist auch nicht zu leugnen, daß sich erhebliche Härten ergeben haben. Es mag dieser Ausspruch, wie vielfach Verallgemeinerungen, übertrieben sein, und ich mache ihn mir nicht zu eigen; aber ich wollte damit nur beleuchten, wie das Problem in der Öffentlichkeit angesehen wird. Wir müssen diesen Dingen - das ist auch betont worden - unsere Aufmerksamkeit schenken, damit nicht neue Stimmungen aufkommen, die politisch sehr unerwünscht wären.
Es wurde im Ausschuß, wie ich sagte, auch die Meinung vertreten, man solle mit Nachdruck nochmals einen Vorstoß machen, um die Regelung der Rückerstattung in deutscher Zuständigkeit zu erreichen. Zu diesem Zwecke und um den Willen zu einer gerechten Rückerstattung zu bekunden, solle man ein eigenes, ausgearbeitetes deutsches Gesetz zur Vorlage bringen. Davon ist man aber wieder abgekommen, nachdem bekannt wurde, wie die Dinge in den Vorverhandlungen zu dem Vertragswerk zur Ablösung des Besatzungsstatuts liefen. So sehen wir ja auch als Ergebnis, daß dieses Problem in dem Vertrag geregelt ist, und zwar im III. Teil der Annexverträge unter der Überschrift „Innere Rückerstattung". Es sind hier gewisse Fortschritte insofern erzielt worden, als auch in den Ländern der britischen und amerikanischen Besatzungszone nunmehr ein gemischtes Obergericht geschaffen wird, wie es in der französischen Zone bereits besteht. Das war j a eine Forderung, die von deutscher Seite stets mit Nachdruck erhoben wurde.
Auch diejenigen, die angesichts dieser Lage nun eine neues Gesetz nicht für durchsetzbar hielten, äußerten aber bestimmte Wünsche in der Richtung, daß doch zumindest versucht werden sollte, bei ' den Alliierten zu erreichen, daß der Richter, der mit diesen Verfahren befaßt ist, freier gestellt würde. Es war schon einmal im Ausschuß ein Vorschlag dahingehend gemacht worden, daß eine Ermächtigung an den Richter gegeben werden sollte, in Fällen der Zahlung eines angemessenen Kaufpreises durch Erwerber, die aus der Notlage des Verfolgten keinen Nutzen gezogen haben, statt der Rückerstattung eine angemessene Entschädigung zuzubilligen, sofern das Rückerstattungsverlangen berechtigt ist, oder eine angemessene Nachzahlung anzuordnen, wenn der Erwerber in einer dem Veräußerer günstigen Absicht gehandelt habe und nur durch das Eingreifen der Genehmigungsbehörden der vertragsgemäße Preis nicht gezahlt worden sei. Der Richter solle auch ermächtigt werden, eine der beiden vorbezeichneten Möglichkeiten zur Anwendung zu bringen, wenn eine solche Maßnahme aus sonstigen Gründen notwendig sei, um zur Vermeidung grober Unbilligkeit zu einer gerechten Regelung zu kommen. Eine allgemeine Regelung, wie sie in § 26 des Gesetzes Nr. 59 und in § 6 des saarländischen Gesetzes zur Ausführung der Verordnung 120 vom 30. 6. 1949 vorgesehen war, sei angebracht.
Ich habe eben schon betont, daß die Zonengesetze erheblich voneinander abweichen und daß Möglichkeiten günstigerer Regelungen, die in der einen Zone geboten sind, in der anderen Zone nicht bestehen. Die Vertragsregelung im Bonner Vertrag Teil III sieht allerdings vor, daß die bislang bestehenden besatzungsrechtlichen Regelungen zunächst vertraglich übernommen und garantiert werden.
Es erschien weiter notwendig, auch die rückerstattungsrechtlichen Verbindlichkeiten des früheren Deutschen Reiches zu regeln. Deshalb schlägt Ihnen der Ausschuß unter II seines Antrags vor, die Bundesregierung zu ersuchen, einen Gesetzentwurf über die Regelung der rückerstattungsrechtlichen Verbindlichkeiten des Deutschen Reiches und zur Behebung der durch die von der Besatzung vorgenommene Regelung der Rückerstattung entstandenen offenkundigen Härten vorzulegen.
Im Ausschuß ist - das will ich ebenfalls ausdrücklich betonen - auch die Meinung vertreten worden, es sei richtig, die Besatzungsgesetze aus({18}) laufen zu lassen und nicht durch Eingriffe von deutscher Seite Änderungen herbeizuführen. Es wurde mit Recht darauf hingewiesen, daß die Entnazifizierung entsprechend den Richtlinien der Besatzung schließlich in deutscher Zuständigkeit vorgenommen worden sei und daß dadurch erhebliche Mißstände und Mißverständnisse aufgetreten seien, die man auf diesem Gebiet der Rückerstattung vermeiden sollte. Der Vorschlag des Ausschusses geht angesichts der nunmehr vorgenommenen Regelung im Vertragswerk diesen Weg. Er schlägt zunächst vor, daß der Bund jetzt auch eine Regelung der rückerstattungsrechtlichen Verbindlichkeiten des Reiches, wie sie in II A im einzelnen aufgeführt sind, vornimmt. In B wird dann vorgeschlagen, daß sich diese Regelung auch auf die Regreßansprüche derjenigen Bewerber beziehen soll, die rückerstattungspflichtige Gegenstände vom Deutschen Reich erworben haben. Auch eine derartige Regelung erscheint notwendig, weil ja das Reich vielfach dazu übergegangen ist, selbst den Nutzen aus dem Raubzug zu ziehen und das, was es auf diese Weise an sich gerissen hatte, an dritte Personen weiter zu veräußern.
Eine ziemlich umfangreiche Debatte rief der nun unter C von II vorliegende Antrag hervor. Ihnen allen ist bekannt, daß die Rückerstattung mitunter zu recht groben Härten geführt hat. Wir alle haben doch in den drei Jahren unserer Tätigkeit jede Woche, ja fast täglich Briefe erhalten, in denen auf diese Härten und Unzuträglichkeiten hingewiesen und um Abhilfe gebeten wurde. Insbesondere liegen Härtefälle vor, wo Personen ihr Eigentum durch Enteignung für Truppenübungsplätze verloren haben. Man hat diese Personen in großem Umfang auf vorher enteignetes jüdisches Eigentum ausgewiesen. Diesen Leuten blieb gar nichts anderes übrig, als das zu nehmen, weil eine andere Entschädigungsmöglichkeit und eine andere Existenzmöglichkeit eben nicht geboten wurden. Es liegen auch viele Fälle vor, in denen Freunde von Verfolgten glaubten, diesen helfen zu sollen, und ihr Eigentum, das sie bereits besaßen, veräußerten, das Eigentum des Verfolgten unter Inanspruchnahme auch fremder Mittel erwarben und dadurch nun heute nach Durchführung der Rückerstattung so dastehen, daß sie ihr früheres eigenes Eigentum verloren haben und dazu das neu erworbene Eigentum auch noch zurückgeben müssen, also alles verlieren. Erhebliche Unzuträglichkeiten ergeben sich auch aus der Frage der Umstellung und daraus, daß das Reich j a vielfach den Erlös für das veräußerte Eigentum selber eingezogen hat.
Um alle diese Fälle erfassen zu können und wenigstens zu einer teilweisen Befriedigung und Behebung der auftretenden Härten zu kommen, schlägt der Ausschuß Ihnen vor, daß das Gesetz auch offenkundige Härten der durch die Besatzungsmächte angeordneten Rückerstattung mildern und den Rückerstattungspflichtigen unter den Voraussetzungen, wie sie im einzelnen unter Ziffer 1 bis 3 dargelegt sind, einen Ausgleichsanspruch gegen den Bund geben solle. Dabei möchte ich hervorheben, daß die Voraussetzungen der Ziffern 1 bis 3 insgesamt vorliegen müssen, daß aber die unter a), b) und c) der Ziffer 3 genannten Voraussetzungen nicht kumulativ vorzuliegen brauchen. Vielmehr genügt es, wenn eine dieser Voraussetzungen vorliegt, wie sie in a), b) und c) enthalten sind, um bei Vorliegen von Ziffer 1 und Ziffer 2 im übrigen dann diesen Härteausgleichsanspruch zu begründen.
Unter D ist vorgeschlagen, daß der gleiche Ausgleichsanspruch auch denjenigen gegeben wird, die wegen eines Rückgriffanspruchs auf Grund eines rechtskräftigen Urteils oder eines gerichtlichen Vergleichs einem Nacherwerber Schadensersatz geleistet haben, wenn die gleichen Voraussetzungen vorliegen. Nun ist es aber bekannt, daß in einer Reihe von Fällen - und das trifft insbesondere auf größere Fälle zu - Rückerstattungsverbindlichkeiten zu steuerlichen Begünstigungen insofern führen, daß sie in erheblichem Umfang abgeschrieben werden können. Deshalb ist es nach unserer Auffassung gerechtfertigt, daß diejenigen. die auf diese Weise bereits einen Ausgleich erhalten haben, nun nicht nochmals einen Härteausgleich verlangen können,
Dementsprechend habe ich Ihnen namens des Ausschusses vorzuschlagen, daß durch die nun erfolgende Beschlußfassung zu Ziffer I der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vorlage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes - Nr. 1828 der Drucksachen - und durch die Beschlußfassung zu II die unter IV aufgeführten Anträge für erledigt erklärt werden. Namens des Ausschusses bitte ich Sie, dementsprechend zu beschließen.
({19})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 3472 Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Dr. Arndt ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über Wiedergutmachung kann in diesem Hause nicht gesprochen werden, ohne an die denkwürdige Rede anzuknüpfen, die unter dem einmütigen Beifall aller Fraktionen Georg August Zinn am 16. März 1950 in der 47. Sitzung des Bundestages gehalten hat. Als das Vermächtnis des deutschen Widerstandes hat Zinn den Gedanken der Versöhnung aufleuchten lassen. Zinn, der von sich sagte, daß er das Schicksal derer, die ihrer politischen Überzeugung wegen eingekerkert wurden, aber auch das Schicksal derer teilte, die in der russischen Steppe als Soldat vor Stalingrad oder sonst irgendwo auf dem weiten Kontinent in den schwersten Konflikt, den Konflikt zwischen Vaterland und Menschheit, gestellt waren, Zinn hat damals ausgesprochen, daß der Opfergang des Widerstandes nicht herausgelöst werden kann und darf aus dem Opfergang des ganzen deutschen Volkes, insbesondere seiner in ihrer Gläubigkeit betrogenen Jugend und aller der Irrenden, die zunächst im blinden und später im zagenden Vertrauen jenen folgten, die sich ihre Führer nannten. Aus der Gemeinsamkeit dieses Schicksals, sagte Zinn, möge eine Brücke werden zwischen den Männern und Frauen des deutschen Widerstandes und denen, die durch die Soldaten von Stalingrad repräsentiert werden.
Allein in diesem sinne wird die erste freigewählte Volksvertretung der Deutschen das für den inneren Frieden der Nation notwendige Wort zu sprechen haben, daß sich um das Wohl des deutschen Volkes und Staates verdient gemacht und sich rechtmäßig verhalten hat, wer aus Überzeugung oder um seines Glaubens oder Gewissens willen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft Widerstand leistete, um die Menschenrechte zu verteidigen oder einem Verfolgten beizustehen oder der Zerstörung Deutschlands Einhalt zu gebieten oder sich gegen die Unterdrückung aufzulehnen.
({1})
Dieses Wort soll nicht gegen den einen oder anderen gesprochen sein; gegen keinen, der guten Willens oder guten Glaubens war. Insbesondere soll es niemandem, der sich um seine Pflicht als Bürger und Mensch redlich mühte, ein Recht absprechen. Die unselige Zeit, daß ganze Gruppen von Menschen ohne Ansehung des einzelnen rechtlos gemacht und um ihrer Gruppe willen mindergeachtet werden, muß abgeschlossen und vergangen sein. Dieses Wort der Anerkennung und Rechtfertigung soll vielmehr einzig eine Fürsprache sein, ein Wort für den Rechtsfrieden aller und darum für das Recht derer, denen Gewalt ihr Recht auf Menschsein und Bürgersein geraubt hatte und die als Zeugen des Rechts und der Freiheit grausames Leid und oft den Tod erduldet haben. Wir wollen nicht mehr zulassen, daß unser Volk weiterhin zerrissen wird durch Streit und Zank über Fragen, die nicht Gegenstand des Parteihaders sein dürfen, nicht Beute der Rachsucht oder des Unverstands Unbelehrbarer.
Die Gewissensnot und das Heldentum des deutschen Widerstands gehören der Geschichte an. Es kann darum nicht Aufgabe der Gerichte sein, über Geschichte zu urteilen.
({2})
Unsere Gerichte werden überfordert. Aber es ziemt ihnen auch nicht, einmal in Neumünster, einmal in Braunschweig und morgen wieder anderswo vor ihre Schranken zu ziehen, was ein bitteres und zugleich auch stolzes und verpflichtendes Erbe des ganzen Volkes ist.
({3})
Diese Fragen lassen sich nicht durch richterliche
Entscheidungen lösen, sondern allein auf politische
Weise dadurch, daß die Nation geistig überwindet,
sittlich gesundet und durch die selbstbestimmte Gestaltung ihrer Zukunft aus der Erfahrung des vergangenen Schicksals wieder zur geschichtlichen Gemeinschaft wird.
({4})
Darum soll dieses Gesetz, für alle Bürger und jedes Gericht bindend, ein Friedensspruch der Volksvertretung sein und unseren Willen zur Rechtfertigung des Widerstands kundtun, um von nun an diesen Streit aus unserer Mitte zu verbannen.
({5})
Was uns dann noch zu tun bleibt, ist, endlich die Wunden zu heilen oder zu lindern, die eine Gewaltherrschaft den Ausgestoßenen schlug. Ich komme damit zum zweiten Teil des Gesetzentwurfs, der mit seinem ersten Teil in einem allein moralischen Zusammenhang steht, sonst aber tatbestandsmäßig völlig davon zu trennen ist.
Widerstand ist weder erforderlich noch genügend, um wiedergutmachungsberechtigt zu sein. Ebensowenig allerdings ist eine Art der Wiedergutmachung überhaupt als angemessen denkbar für das, was die Frauen und Männer des Widerstands geopfert haben und was wir ihnen schulden. Einer Wiedergutmachung zugänglich sind nur Schäden, die heute als unbillige Nachteile fortwirken und von der Allgemeinheit zu tragen sind.
Wenn wir die Aufgaben des Bundestags überschauen, so stoßen wir allenthalben auf Notwendigkeiten einer Wiedergutmachung: an den Kriegsopfern, an den Heimatvertriebenen, an den Kriegs-und Besatzungsgeschädigten, an den verdrängten Beamten. Gegenüber diesen Opfern eines gemeinsamen Schicksals müssen jedoch d i e Menschen eine Sonderstellung einnehmen, die deshalb gelitten
haben, weil sie aus der Gemeinschaft ausgestoßen, weil sie durch Unrecht verfolgt wurden. In absichtlichem Unterschied zu den Landesgesetzen, die in der Ausführung zu groben Unzulänglichkeiten führten, knüpft deshalb unser Gesetzentwurf nicht an subjektive Merkmale des Geschädigten an, seine Rasse, seinen Glauben, seine politische Überzeugung, sondern an den objektiven Tatbestand des Unrechtes, das ihm durch eine nationalsozialistische Verfolgungs- oder Unterdrückungsmaßnahme zugefügt wurde, eines Unrechtes, das sich gegen die Menschen- und Bürgerrechte richtete. Denn es kann nicht genügen, die Menschenrechte durch unsere Verfassungen wieder zur Geltung gebracht zu haben und sie der Welt gegenüber in Anspruch zu nehmen. Die Rechtsgemeinschaft muß auch für das Verletzen der Menschenrechte in der Vergangenheit einstehen.
Wir begrüßen es deshalb, daß die Bundesregierung der Menschengruppe gegenüber, die nach Zahl und Maß am grausamsten in ihren Menschenrechten gekränkt wurde, den Weg des guten Willens beschritten hat: den Juden gegenüber. Unserem bereits am 24. Januar 1951 gestellten Antrag, den Staat Israel als Treuhänder für die verfolgten Juden in aller Welt anzuerkennen, ist dadurch in gewisser Weise Genüge geschehen. Wir halten es allerdings für erwünscht, daß die Bundesregierung in weit stärkerem Maße als bisher die deutsche Öffentlichkeit über den Sinn und die innere Rechtfertigung der vom Staate Israel erhobenen Ansprüche aufklärt, insbesondere darüber, daß es sich in der Hauptsache um eine Eingliederungshilfe für die durch rassenwahnsinnige Gewalt Heimatvertriebenen handelt, keineswegs dagegen um eine Art Ersatzleistung für die millionenfachen Blutopfer, vor denen wir nur in ohnmächtiger Scham verharren können. Wir Sozialdemokraten begrüßen von ganzem Herzen, daß die Bundesregierung gestern in Luxemburg mit dem Staat Israel ein Abkommen getroffen hat, das einen Beitrag unseres Volkes leisten will, um den Israelis beim Aufbau einer neuen Gemeinschaft zu helfen.
({6})
Allerdings wäre die Legitimation der Bundesregierung eine andere und bessere gewesen, hatte sie den politischen Gepflogenheiten der Demokratie entsprechend den Ausschuß des Bundestages für. auswärtige Angelegenheiten vor der Unterzeichnung beteiligt. Besonderen Dank wissen wir Sozialdemokraten den deutschen Unterhändlern Franz Böhm und Otto Küster, die sich mit ihrer ganzen Kraft dieser Aufgabe gewidmet haben.
Ich will aber auch nicht verschweigen, daß ich keinen Grund sehe, uns der jetzt von Deutschland versprochenen Leistungen zu rühmen oder gar zu meinen, dadurch eine Art Ausgleich geschaffen zu haben. Wir bleiben unter dem Schatten einer unermeßlichen Schuld und sollten wieder und wieder still werden im unvergeßlichen Gedenken an die Opfer des Rassenwahns, die ungesühnt uns eine bleibende Mahnung sein müssen. Wir dürfen uns der so bitteren Wahrheit nicht verschließen, daß es unserer menschlichen Kraft versagt ist, den Toten zu helfen. Um so mehr muß es unser Anliegen werden, den Überlebenden beizustehen.
Wir beklagen deshalb die Untätigkeit der Bundesregierung im Bereich der innerdeutschen Wiedergutmachung. Eine der peinlichsten Bestimmungen der umstrittenen Verträge mit den westlichen Besatzungsmächten ist die uns auferlegte Wiedergutmachung. Als ob es nicht unser ur({7})
eigenstes Anliegen sein müßte, diese gesetzgeberische Aufgabe selbst zu lösen!
({8})
Um der geschichtlichen Wahrheit willen darf ich feststellen, daß die Landesregierungen von Bayern, Hessen und Württemberg-Baden 1945 sofort aus freien Stücken die Arbeiten an deutschen Rückerstattungs- und Entschädigungsgesetzen aufgenommen haben. Wenige wissen, daß die Militärregierungen dann diese Arbeit lange Zeit hindurch ausdrücklich verboten haben,
({9})
und fast völlig unbekannt ist, daß der Süddeutsche Länderrat in Stuttgart nach Aufhebung dieses widersinnigen Verbots ein deutsches Rückerstattungsgesetz sogar beschlossen hatte, dem aber General Clay die Genehmigung versagte, obgleich das Länderratsgesetz sachkundiger und gerechter war als die späteren Besatzungsvorschriften.
({10}) Aber die Länder konnten diese gesamtdeutsche Aufgabe aus ihrer Kraft niemals befriedigend lösen - insbesondere fehlten ihnen dazu die Mittel -, selbst wenn der Wille besser gewesen wäre, als er sich leider inzwischen, da er auch erlahmte, gezeigt hat.
Bereits am 24. Januar 1951 haben wir deshalb die Bundesregierung interpelliert, wann sie ein Bundesgesetz vorlegen werde, um die Entschädigung der Verfolgten bundeseinheitlich zu regeln. In den anderthalb Jahren, die seitdem verstrichen sind, haben weder der Herr Bundesfinanzminister noch sein Staatssekretär es für nötig erachtet, in den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu kommen, um über die finanziellen Möglichkeiten Aufschluß zu geben, obgleich der Ausschuß durch Beschluß darum ersucht hatte.
({11})
Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands hat sich deshalb entschlossen, selbst einen Gesetzentwurf vorzulegen, der alle bisher erlassenen Landesgesetze sowie insbesondere die bei ihrer durchaus unbefriedigenden Ausführung gesammelten Erfahrungen berücksichtigt. Nach unserer Überzeugung duldet die Dringlichkeit dieser Aufgabe keinen Aufschub mehr. Die Alten sterben dahin, und die um ihre Jugend oder ihre Ausbildung Betrogenen stehen weiter im Schatten.
Allerdings hat ein westdeutsches Blatt als „Meinung des Auslands" berichtet - wenn ich das mit Genehmigung des Herrn Präsidenten vorlesen darf -:
„Was ist nun im Weltinteresse wichtiger, die Aufrüstung oder die Wiedergutmachungszahlungen? Die Westmächte sind weitaus mehr an der deutschen Aufrüstung interessiert; denn sie wissen, daß ohne deutsche Beteiligung keine Aussichten bestehen, den Osten in Schranken zu halten. Das Primäre ist daher die Aufrüstung."
Meine Damen und Herren, so zu lesen in der Pfingstnummer - Pfingstnummer! - des „Rheinischen Merkur".
({12})
Mir ist jedoch die Stunde zu ernst, um mich mit allen Widrigkeiten zu befassen, denen der Gedanke der Wiedergutmachung ausgesetzt war und ist. Ich bekenne mich zu dem Glauben, daß über Sein und Nichtsein eines Volkes zuerst und zuletzt entscheidet, ob es noch den Ruf der sittlichen Gebote hört.
Die Wiedergutmachung aber, und zwar endlich die unverzügliche Wiedergutmachung, ist ein sittliches Gebot. Ihre Regelung durch Bundesgesetz hat nicht nur den Sinn, die Rechtseinheit, sondern auch die tatsächliche und beschleunigte Erfüllung der Ansprüche zu gewährleisten.
Wir sind der Meinung, daß in der Rangfolge der öffentlichen Ausgaben die Wiedergutmachung mit an erster Stelle stehen muß. Die Amerikaner z. B. müssen 5,8 Milliarden Dollar jährlich für den Dienst ihrer Bundesschulden aufbringen, das sind also etwa 8 % ihrer gesamten Bundesausgaben. Die amerikanische Nationalschuld erreicht 260 Milliarden Dollar, also etwa eine Billion Deutsche Mark, mehr als das gesamte gegenwärtige Nationaleinkommen der. Amerikaner. Man hat deshalb Vergleiche zwischen der Staatsschuld anderer Länder und der der Bundesrepublik Deutschland gezogen. Wir halten solche Vergleiche für nicht möglich, da die Sachverhalte untereinander zu verschieden sind. Die scheinbare Geringfügigkeit der deutschen Staatsschuld erklärt sich daraus, daß unsere Schuldenlast noch weitgehend unsichtbar blieb. Die Londoner Schuldenkonferenz hat aber bereits eine erhebliche Schuldenlast erkennbar gemacht. Auch ist nicht zu verkennen, daß vordringliche Aufgaben ein Anwachsen der inneren Verschuldung notwendig machen werden. Gleichwohl wird es eine beachtliche Tatsache bleiben, daß die Währungsreform uns von einem bedeutenden Teil der inneren Staatsschuld entlastet hat. Wir stehen deshalb auf dem Standpunkt, daß zu den überkommenen Reichs- oder Bundesschulden in erster Linie die Verbindlichkeiten aus dem Unrecht der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gehören und daß es möglich ist, diese Schulden als Bundesschuld anzuerkennen, zu konsolidieren und zu tilgen. Wir werden darauf bestehen, daß Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden, um den Zahlungsdienst alsbald aufzunehmen.
Das Wesentliche an unserem Gesetzentwurf ist deshalb, daß er die Rechte auf Wiedergutmachung nicht bloß formell anerkennt, sondern eine praktische Regelung für die materielle Erfüllung bringt. Im einzelnen werden wir noch eine schriftliche Begründung zu unserem Gesetzentwurf nachreichen, um das Verständnis für die spätere Praxis zu erleichtern.
Namens der Fraktion der 'Sozialdemokratischen Partei beantrage ich, unseren Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Wir halten es jedoch für unerläßlich, daß die Beratung des Gesetzes in absehbarer Zeit durchgeführt sein muß. Sollte sich dies bei der Überlastung des Rechtsausschusses als undurchführbar erweisen, so müssen wir uns vorbehalten, die Einsetzung eines besonderen Ausschusses zu beantragen.
Meine Damen und Herren, ein letztes Wort. Unser Ziel muß sein, das Menschenmögliche an Wiedergutmachung zu -leisten. Denn Empfänger dieser Leistungen sind nicht allein die durch Unrecht Verfolgten, sondern ist die gesamte Rechtsgemeinschaft, weil es darum geht, Deutschland wieder ehrlich zu machen. Auch bleibt uns die schmerzliche Einsicht nicht versagt, wie klein selbst die größte Leistung leider sein wird angesichts des Übermaßes an Unmenschlichkeit, das geschehen ist. Nichts wird das Blut und die Tränen auslöschen können, die für immer diese Blätter der deutschen Geschichte trüben und verdunkeln. Aber wir wollen ein neues Blatt der Geschichte beginnen, das
({13})
die Aufschrift tragen soll: Helfen, um wiedergutzumachen! Durch dieses Parlament geht außen- und innenpolitisch ein Riß der fast unversöhnlichen Gegensätze. Um so herzlicher darf ich Sie alle rufen: Reichen wir uns zu diesem Werk der Versöhnung die Hand! Wir sind aufgefordert, hier allen Streit schweigen zu lassen und uns zu finden im Geist der Menschlichkeit.
({14})
Ich eröffne die Aussprache über den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht und den Gesetzesentwurf der Fraktion der SPD im Rahmen der vereinbarten Redezeit von 90 Minuten. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich auf eine kurze Bemerkung zum Abschnitt II des Mündlichen Berichts beschränken. So unerfreulich bei aller selbstverständlichen Bejahung einer loyalen Wiedergutmachung die in den Zusatzverträgen zum Generalvertrag vorgesehene Regelung der inneren Rückerstattung, die Versteinerung des wesentlichen bisherigen Rechts- und Organisationsstandes, besonders auch die Aufrechterhaltung des bisherigen Stichtages ist, so sehr kann der Tendenz des Antrages des Mündlichen Berichts in Abschnitt II C zugestimmt werden. Er zieht, indem er den Härteausgleich fordert, die Folgerung aus der Tatsache, daß die Restitution nicht selten dort auf dem Rücken der einzelnen Erwerber oder Nacherwerber durchgeführt worden ist, wo die öffentliche Gewalt die Verantwortung für eine Entziehung im vollen Umfange zu tragen gehabt hätte, wo eine echte Entziehung überhaupt nicht vorlag oder wo ein Rückerstattungsberechtigter infolge der besatzungsrechtlichen Regelung Gelegenheit zu einer ungerechtfertigten Bereicherung wahrnehmen konnte. Solcher anstößiger und ärgerniserregender Fälle gibt es eine ganze Menge. Eine Grundhaltung, wie sie auch in den Vorschriften der Annexe des Generalvertrags über das deutsche Auslandsvermögen zutage tritt, die nur die Bundesrepublik gegenüber den drei Besatzern zu einer Entschädigung im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit verpflichten, dem Eigentümer aber den ihm zustehenden Rechtsanspruch auf Entschädigung vorenthalten, kann nicht hingenommen werden.
Nach dem Antrag des 23. Ausschusses sollen offenkundige Härten behoben, gemildert oder beseitigt werden. Die Terminologie in dem einleitenden Satz des Abschnitts II und in den Absätzen C und E ist also nicht einheitlich. Beabsichtigt ist doch nicht nur die teilweise, sondern die vollständige Beseitigung einer offenkundigen Härte. Wir wollten daher auf Umdruck Nr. 656 anregen, das Wort „mildern" durch das Wort „beheben" zu ersetzen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Es ist beklagenswert, daß wir, behindert durch die Besatzungsmächte und durch die Zeitumstände, das schwere Unrecht des „Dritten Reiches" - sei es begangen, wo es wolle - immer erst mit einer unendlichen Verzögerung wiedergutmachen können und damit im deutschen
Volk Emotionen hervorrufen, die leider Gottes die schöne Einmütigkeit, die Herr Kollege Arndt hier mit seinen bewegenden Worten gefordert hat, außerhalb dieses Hauses zerstören. Man muß bedenken, daß weite Volksschichten im „Dritten Reich" in ihren jüngsten Jahren ein Ideal gefunden haben, das zerbrochen am Boden liegt, und daß es in den sieben Nachkriegsjahren, von denen ja vier elendiglich genug waren, nicht gelungen ist, diese Jugend, heute meinetwegen 25 bis 30 Jahre alt, zu überzeugen, daß wir, die wir hier im Hause eine einhellige Auffassung, wie ich hoffe, über das „Dritte Reich" haben, geschichtlich recht haben.
Denn, Herr Kollege Arndt - da weiche ich von Ihnen ab -, nicht wir sprechen hier Recht über die Vergangenheit, sondern das tut die Geschichte, insbesondere die Geschichtswissenschaft. Und ich sage ganz offen: Ich möchte nicht in der Haut eines heute noch lebenden früheren Naziführers stecken, der sich vorstellen kann, wie man einmal nach einem Jahrhundert über die Periode von 1933 bis 1945 wohl zu Gericht sitzen wird.
({0})
- Wie ich sie beurteile? Ich habe unter den zwölf Jahren seelisch gelitten und habe die Verfolgten des- Dritten Reiches gerichtlich vertreten und dabei Einblicke in die geheimen Zustände getan, die allerdings meine ganze 'Haltung beanspruchten, wenn ich von meiner anwaltlichen Schweigepflicht zum Schutze der Klienten Gebrauch machen wollte. Lassen Sie also bitte mich persönlich aus dem Spiele!
({1})
Wir sind uns weitgehend auf der Basis des Herrn Kollegen Arndt einig, mit der einen Einschränkung: Diese Gefühle sind leider heute nicht so im deutschen Volk verbreitet, wie er wohl und wie wir alle wünschen möchten. Und wir haben alle Veranlassung, die heute noch Dissentierenden nicht zu Staatsfeinden 'zu machen; und darin sehen wir unsere konservative Aufgabe. Nur im Sinne dieser Befürchtungen muß ich Ihnen erklären, daß meine politischen Freunde aus der Präambel zu den Bestimmungen, die vorgeschlagen werden und die wir durchweg 'billigen, die Worte, daß jedermann, der sich im Widerstand bewegt hat, sich „ein Verdienst erworben" habe, bedauern nicht annehmen zu können.
({2})
Wir sind gegen jede Kollektivschuld, aber auch gegen jedes Kollektivverdienst, sondern wir wollen im einzelnen prüfen. So sehr wir z. B. anerkennen, daß die erst nach 1945 bekanntgewordene Haltung der Opfer des 20. Juli 1944 gerade vor dem Gericht - ich erinnere auch an den Film, den die Nazis davon gemacht haben - das Ehrenhafteste und Heldischste ist, was man sich in dieser Gestalt vorstellen kann, sowenig kann ich einsehen, daß etwa der Kommunist, der nach 1945 in Buchenwald andere Leute einsperrte und dort einen Mann wie Heinrich George, den großen Menschen und Schauspieler, sterben ließ, durch 'seinen Widerstand sich ein Verdienst erworben habe. Ich kann das nicht anerkennen.
({3})
Wir sollen daher ja mit der Vorlage auch keinen
Orden verteilen. Wir wollen und sollen Ansprüche
regeln, und daher ist die Frage des „Verdienstes",
({4})
das doch ein ethischer Begriff ist, in diesem Gesetz oder in diesen Vorschlägen nach unserer Meinung fehl am Platze, weil wir uns dazu nicht zu äußern haben. Auch die Gerichte haben sich nicht zu äußern, Herr Kollege Arndt; ich gehe mit Ihnen in dieser Beziehung völlig einig. Unser Vorschlag geht dahin, den letzten Halbsatz des Satzes, den ja auch Herr Kollege Dr. Weber verlesen hat, zu ändern. Ich darf ihn des Zusammenhangs willen ganz verlesen, damit Sie die Einreihung sehen. Es heißt:
Dabei ist davon auszugehen, daß Personen, die
wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer
Rasse, ihres 'Glaubens oder ihrer Weltanschauung verfolgt wurden, Unrecht geschehen ist
- in Ordnung! und der aus Überzeugung oder um des Glaubens oder Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft geleistete Widerstand
- und nun die Änderung! in Notwehr begangen und daher als rechtmäßig anzuerkennen ist.
Denn eine Notwehrhandlung kann nie widerrechtlich sein. Wir wollen die Frage also nach der heutigen geläuterten Rechtsauffassung ansehen und sagen: die damalige Staatsgewalt hat den Widerstand als Staatsnotwehr hervorgerufen, und wenn man deswegen verfolgt wurde, so hat man Unrecht erlitten, wie es im ersten Satzteil ja auch lautet. Wir wollen also an der Tendenz nichts ändern; wir können nur ein Kollektivverdienst nichtanerkennen, getreulich unserer Grundhaltung, daß es ein Recht und ein Unrecht für eine Gesamtheit im Rechtsstaat überhaupt nicht gibt, sondern daß der Anspruch, den der einzelne hat, nach seinem persönlichen Verhalten gewürdigt und zuerkannt werden muß; genau das gleiche gilt auch für ein rein ethisches Verdienst.
Im übrigen bemerke ich - und ich freue mich, das anerkennen zu können -, daß Sie meine nicht sehr leichten Worte, die ich hier nach den eindrucksvollen Ausführungen des Herrn Kollegen Arndt vorbringen mußte, in dieser vorbildlichen Ruhe angehört haben, so daß wir nach außen hin bei dieser Beratung den geschlossenen Eindruck hervorrufen konnten, den wir allerdings als Parlament des deutschen Volkes alle wünschen müssen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, daß wir uns in diesem Hause mit dem Problem der Wiedergutmachung, sei es in der Form der inneren Wiedergutmachung, sei es in der Form der speziellen Restitution, beschäftigen. Ich selbst habe ja auch schon verschiedentlich dazu Stellung genommen. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß das Unrecht, das der Nationalsozialismus angerichtet hat, unter allen Umständen wiedergutgemacht werden soll und muß. Wir sind deshalb mit der vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorgelegten Drucksache Nr. 3583, die die Prinzipien darlegt, nach denen dieses Gesetz von der Bundesregierung gestaltet werden soll, 'durchaus einverstanden. Ich will die sehr heiße Frage, ob man hier moralische Wertungen in den Vordergrund stellen soll oder nicht, nicht mehr vertiefen. Ich würde mich persönlich lieber der Formulierung anschließen, die Herr Kollege Ewers eben vorgetragen hat; aber wir sind auch bereit, der andern Formulierung zuzustimmen, wobei wir natürlich den Einwand machen, den wir auch schon im Rechtsausschuß gemacht haben, daß nicht alles und jedes, was heute von dem einzelnen als Widerstand deklariert wird, von uns als solcher anerkannt wird, sondern daß es 'im jeweiligen einzelnen Fall der individuellen Prüfung des jeweils gegebenen Tatbestandes bedarf.
({0})
Diese Einschränkung möchte ich allerdings machen, damit es nicht so aussieht, als ob man alles über einen Kamm scheren könnte.
Aber ich muß einen materiellen Einwand machen, Herr Kollege Arndt, so leid es mir tut; ich bin von meiner Fraktion ausdrücklich dazu beauftragt. Sie gehen auch in Ihrem Entwurf davon aus, daß die materielle Wiedergutmachungsregelung für diejenigen, die Sie hier meinen, nämlich diese speziellen Opfer des nazistischen Regimes, aus der Gesamtregelung der Kriegsschäden insoweit herausgenommen werden müßte, als sie ein ganz besonders spezielles Unrecht erlitten haben, das durch eine Vollentschädigung, wenn ich einmal so sagen darf, wiedergutgemacht werden könnte. Meine Fraktion ist der Meinung, daß es sehr wünschenswert wäre, wenn das geschehen könnte. Sie ist aber des Glaubens, daß das leider nicht geschehen kann bei der Größe der Summen, die, wenn man die individuellen Ansprüche 'zusammenzieht, schließlich herauskommen müßten. Meine Fraktion Ist der Meinung, daß hier nicht grundsätzlich andere Entschädigungsvorstellungen Platz greifen können als für alle anderen Gruppen von 'Kriegsgeschädigten, die Sie ja auch erwähnt haben, nicht, weil wir meinten, daß hier nicht ein Sonderfall gegeben wäre, sondern weil wir der Auffassung sind, daß das andere einfach die Leistungskraft unseres Volkes übersteigen würde.
Insoweit möchte ich hier noch ein berichtigendes Wort sagen. Herr Kollege Arndt, Sie haben gesagt, wir hätten gar keine Staatsschulden durch den Währungsschnitt.
({1})
- Ich habe diesen Teil Ihrer Ausführungen nicht selbst gehört; natürlich nicht in diesem Sinne, wenn ich von den Staatsschulden absehe, die wir jetzt im Londoner Schuldenabkommen anerkannt haben. Aber wir haben ja auch im Innern Schulden, wenn auch nicht in der Gestalt der Anleihe; aber wenn Sie sich die Kriegsfolgelasten, die wir als Folge des Naziregimes und des Zusammenbruchs zu tragen haben und die beinahe an die 4 Milliarden herangehen - ich kenne die Zahl nicht ganz genau, aber in der Nähe dieser Summe liegt sie ungefähr -, kapitalisiert vorstellen, dann haben Sie gewissermaßen die innere Verschuldung in ihrer Größe, die schon heute infolge des Zusammenbruchs zu verzeichnen ist.
({2})
- Oder gar 7 Milliarden; ich kenne die Zahl nicht. Das braucht man sich nur. kapitalisiert vorzustellen, um zu wissen, was das für eine Schuldenlast ist. Denn das ist ja ein jährlich sich wiederholender Kostenfaktor, und es ist ganz genau so, als ob man eine Anleihe in ;gleicher Höhe aufgenommen hätte, die man jährlich verzinsen müßte.
Meine Fraktion ist also der Meinung, daß da andere Grundsätze Platz greifen müssen, Grundsätze, die einfach durch den Mangel an Möglichkeiten, wenn das Ganze nicht finanziell zusammen({3})
brechen soll, gezogen sind. Aber das sind Fragen der speziellen Einzelberatung, und ich bin deshalb auch der Meinung, daß Ihr Gesetzentwurf nicht allein an den Rechtsausschuß gehen sollte. Auch die Finanzierungsvorschläge, die Sie in den letzten Paragraphen Ihres Gesetzentwurfs machen, berühren sehr einschneidende Probleme, die unsere Währung unter Umständen sehr entscheidend tangieren, zumindest tangieren können. Deshalb bin ich der Meinung, daß neben dem Rechtsausschuß unter allen Umständen auch der zuständige Ausschuß - ich glaube, es ist der Ausschuß für Geld und Kredit - mitberatend tätig sein müßte. - Das zu dem ersten Teil der Drucksache Nr. 3583.
Nun komme ich zu dem zweiten Teil unter II. Auch da wissen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sie an den Arbeiten beteiligt waren, wie schwierig es war, diese ganzen Dinge zu behandeln und einer tragbaren Lösung zuzuführen. Unser Antrag, den wir schon im Jahre 1950 oder gar 1949 - ich weiß es gar nicht mehr - gestellt hatten und der hier miterwähnt ist, ging von der Voraussetzung aus, daß es möglich sein müßte, diese prekäre Gesetzesmaterie in die deutsche Hand zu bekommen. Wir haben dann einsehen müssen, daß das damals nicht möglich war. Sie wissen ja - und ich verrate Ihnen kein Geheimnis, Kollege Arndt hat es Ihnen auch schon ausdrücklich gesagt, es ist ja nun auch endlich so geblieben, leider, muß ich sagen -, daß auch jetzt noch diese Gesetzesmaterie nach den Prinzipien weiter gehandhabt werden soll, die uns in dem Besatzungsrecht auferlegt worden sind. Das einzige, was wir als Konzession bei den ganzen Verhandlungen erreicht ha- ben, ist, 'daß jetzt auch für die britische und amerikanische Zone nicht 'ein oberstes fremdbesetztes Gericht tätig ist, sondern ein gemischtes Schiedsgericht; und das ist ja auch nicht so ohne weiteres erreicht worden, auch dafür hat man bei den Verhandlungen noch ganz bestimmte Konzessionen machen müssen, die ich hier nicht im einzelnen darlegen will. Es ist wenig genug, was wir auf dem Gebiet erreicht haben. Denn die generelle Zwangsvermutung, wie sie die Besatzungsmächte aufgestellt haben, hat doch in der Praxis - das läßt sich gar nicht leugnen; diejenigen, die wie ich jahrelang täglich mit derartigen Dingen von Berufs wegen zu tun gehabt haben, wissen es genau - Tatbestande einfach heraufwachsen lassen, die man nach deutschen Rechtsbegriffen nicht mehr als Recht anerkennen kann, sondern die derartige Härtefälle darstellen, daß sie eben aus diesem Tatbestand heraus zu Unrecht werden. Ich will Einzelheiten da nicht anführen. Ich könnte eine ganze Reihe von solchen Tatbeständen aus Einzelfällen darlegen. Dazu reicht mir meine Zeit nicht.
Wir sind also der Meinung, daß da etwas geschehen muß, wenn schon nicht in der Gestalt, daß wir das gesetzliche Verfahren abändern können, dann in der Gestalt, wie sie der Ausschuß unter II C vorgeschlagen hat. Aber gerade gegen diesen Vorschlag haben wir entscheidende Bedenken und melden sie hier ausdrücklich an. Wir wollen den Antrag insgesamt annehmen, aber mit der Modifikation, die ich jetzt schon ausführe. Uns scheint nämlich, daß die Verklausulierung unter C 1, 2 und 3 viel zu weit geht, daß auch die Kumulierung viel zu weit geht, und wir lehnen es auch deshalb ab, weil wir der Meinung sind, daß hier wieder Vorstellungen dieses fremden Rechtes mitverarbeitet worden sind.
Wir wollen einfach - meine Fraktion hat es durch meinen Mund hier bei anderer Gelegenheit schon einmal vortragen lassen -, wenn ich mal ins Unreine sprechen darf, haben, daß in all den Fällen, wo auch nach deutschem Rechtsdenken ein wirklich gutgläubiger Erwerb - dieser Begriff müßte in den einzelnen Beratungen definiert werden - vorliegt, eine volle Entschädigung durch den Bund eintreten muß. Denn wir sind der Meinung: Wenn die Situation schon gegeben war, daß alle diejenigen, die heute rückerstattungsberechtigt sind, damals in einer Zwangslage handelten, dann hat diese Zwangslage nicht der einzelne verursacht, sondern der 'damalige Staat. Dia wir hier bei anderer Gelegenheit gesagt haben: wir sind das gleiche in einer anderen organisatorischen Form, nicht nur Rechtsnachfolger, sondern identisch, so ist es nicht mehr als recht und billig und rechtskonsequent, daß dieser Staat dann auch die Folgen trägt für das, was er in diesem speziellen Falle, wozu der einzelne nichts kann, angerichtet hat. Mit diesem Vorbehalt sind wir bereit, den Antrag Drucksache Nr. 3583 anzunehmen.
Ich brauche nun zu dem Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion im einzelnen nicht mehr Stellung zu nehmen. Die Prinzipien, die ich Ihnen dargelegt habe, gelten auch dort. Im Prinzip sind wir auch dort einverstanden.
President Dr. Ehlers: Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Es ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die Entwicklung seit 1945, daß man das Verhältnis des Staates zu den Widerstandskämpfern und den Opfern des Faschismus einer sachlichen kritischen Überprüfung unterziehen muß. Dabei handelt es sich doch um Hunderttausende von Deutschen, die getreu ihrer Verpflichtung gegenüber Volk und Vaterland in der härtesten und dunkelsten Periode unserer Geschichte beispielgebend ihre Pflicht als Deutsche taten. Es sind die Deutschen, die in der Erkenntnis der riesenhaften Gefahr des Nationalsozialismus und in dem Bewußtsein, daß der Faschismus zum Kriege führt, ihr Alles einsetzten, Freiheit und Gesundheit opferten und den Tod nicht scheuten, als es galt, unser Volk vor dem Untergang in Barbarei und Krieg zu bewahren. Zehntausende ließen im Widerstand gegen diese' Gefahr ihr Leben. Millionen - Sozialdemokraten, Kommunisten, Geistliche, Gewerkschaftler und Juden - wurden vergast, umgebracht und ein Opfer der Hölle des faschistischen Terrors. Wäre es nicht selbstverständlich, wäre es nicht eine politische und moralische Pflicht gewesen, den Widerstandskämpfern und Opfern des Nationalsozialismus nicht nur in weitestem Umfang eine materielle Wiedergutmachung zukommen zu lassen, sondern - und ich glaube, das ist das Entscheidende - im Bewußtsein der großen Verpflichtung, die sich aus dem Kampf und dem Tod der Widerstandskämpfer ergibt, gerade ihnen die Neugestaltung des deutschen Aufbaues zu übertragen? Denn das ist ja gerade der Sinn und das Vermächtnis der gewaltigen Opfer des Widerstandskampfes, zu verhindern, daß eine Wiederholung der Vergangenheit möglich gemacht wird.
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Es kann wohl nicht bestritten werden, daß an der Lösung dieser gewaltigen, dieser Friedensaufgabe die Widerstandskämpfer in den Ländern des Ostens einen hervorragenden Anteil haben.
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Auch in der Deutschen Demokratischen Republik stehen die Widerstandskämpfer an hervorragender Stelle in Staat, Wirtschaft, Sozial- und Kulturleben und tun alles, um den Kräften der Vergangenheit jedwede Möglichkeit des Wiedererstarkens zu nehmen.
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Auch in den westlichen Ländern, meine Damen und Herren, stehen zum Teil die Widerstandskämpfer, die Mitglieder der Résistance, die Partisanen, die Opfer der hitlerischen Barbarei an verantwortlicher Stelle.
Anders bei uns in Westdeutschland! Gewiß war war man kurze Zeit nach dem Zusammenbruch noch bereit, Widerstandskämpfer und Opfer des Nationalsozialismus in verantwortliche Funktionen einzusetzen, war man oftmals nur mit allzuviel Worten bereit, den Anspruch auf Wiedergutmachung anzuerkennen. Aber das änderte sich sehr schnell. In dem Maße, wie mit Hilfe der Besatzungsmächte die Verantwortlichen der Hitlerzeit wieder ihre Positionen einnahmen, die alten Wirtschaftsführer die Wirtschaft wieder beherrschten und mit dem Hinsteuern auf einen neuen Krieg die Kriegsverbrecher entlassen, ihnen ihr Eigentum wieder zurückgegeben und Hitler-Generale für die Kommandostellen deutscher Söldnerdivisionen vorgesehen wurden, in demselben Maße vergaß man nicht nur die Widerstandskämpfer und Verfolgten, sondern diffamierte sie, entrechtete sie und führte den Kampf gegen sie.
Wer den Krieg vorbereitet, muß den Faschismus und seine Terrorbanden organisieren und züchten und muß diejenigen bekämpfen, die entschlossen sind, mit unserem Volk. diesen verhängnisvollen
Weg zu verhindern.
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Von diesem Gesichtspunkt muß auch an die jetzt zur Behandlung stehenden Anträge herangegangen werden. Der Ausschußantrag verlangt von der Bundesregierung die Vorlage eines Rahmengesetzes für die Wiedergutmachung und stellt hierzu Richtlinien auf. Abgesehen von einigen Fragen, in denen ich grundsätzliche Bedenken vorzubringen habe und auf die in den späteren Verhandlungen noch einzugehen sein wird, könnte man mit den meisten Punkten dieser Richtlinien einverstanden sein. Aber hier werfe ich eine grundsätzliche Frage auf, die in weitesten Kreisen der Widerstandskämpfer und Verfolgten diskutiert wird: Kann man von der Bundesregierung und von der Mehrheit des Bundestages erwarten, daß sie ein den Forderungen der Widerstandskämpfer und Verfolgten entsprechendes Wiedergutmachungsgesetz verabschieden? Kann man das von einem Bankier Pferdmenges erwarten, der die SS finanzieren half, von einem Dr. Lehr, der Hitler bei seinem Empfang im Düsseldorfer Industrieklub die Tür öffnete, und kann man das von einem Finanzminister Schäffer erwarten, der alle nur erreichbaren Milliarden zur Finanzierung der Aufrüstung verwendet und für die Opfer des Krieges kein Geld zur Verfügung hat? Meine Meinung deckt sich mit der der Verfolgten und Widerstandskämpfer, die die Auffassung vertreten, daß dieser Bundestag und diese Bundesregierung ein solches Wiedergutmachungsgesetz zu verabschieden gar nicht bereit sind.
Gewiß - das möchte ich hinsichtlich des Antrages der sozialdemokratischen Fraktion sagen
- besteht eine Reihe von Unterschieden in den verschiedenen Ländergesetzen. Diese werden zu einem großen Teil, obgleich sie alle unzulänglich sind, in der Praxis noch verschlechtert.
Ich möchte nur ganz kurz auf die Verhältnisse und die Durchführung dieses Gesetzes in Hessen hinweisen, wo eine ganze Anzahl von Feststellungsbescheiden noch nicht ergangen ist, wo die Haftentschädigung nur tropfenweise ausgezahlt wird und wo man der Durchführung des Gesetzes von seiten der sogenannten Beauftragten zur Wahrung der Landesinteressen die größten Schwierigkeiten bereitet. Wenn ich dieses Beispiel anführe, so wirft sich trotzdem die Frage auf, ob die Schaffung eines Bundes-Wiedergutmachungsgesetzes im Interesse der Widerstandskämpfer und Verfolgten liegt. Nach der Einschätzung, die ich bereits gegeben habe, muß man doch annehmen, daß, wenn überhaupt ein Wiedergutmachungsgesetz zustande kommt, dies nach dem Willen der Regierungskoalition doch sicherlich nur auf der Ebene des schlechtesten Landesgesetzes erfolgen wird. Ich spreche dabei noch nicht einmal von dem Zeitpunkt, an dem es verabschiedet wird, und auch nicht davon, daß Finanzminister Schäffer die für eine wirkliche Wiedergutmachung erforderlichen Geldmittel nicht zur Verfügung stellen wird.
Wenn ich also gegen eine bundesgesetzliche Regelung meine schwerwiegenden Bedenken habe, so werden diese auch nicht durch den Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion aus der Welt geschafft. Ich weiß nicht, ob alle Mitglieder diesen Gesetzentwurf gelesen und durchgearbeitet haben. Ich möchte sie bitten, das noch zu tun; denn dieser Gesetzentwurf löst nicht nur von der rechtlichen Seite her sehr erhebliche Einwände aus. Er stößt auch auf schwerste Bedenken grundsätzlicher Art.
Ich möchte nur zwei Fragen berühren. Es wird zwar in der Einleitung von einem „Gesetz zur Anerkennung des deutschen Widerstandes und zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts" gesprochen. Aber ich möchte die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion darauf hinweisen, daß die Formulierung der Anerkennung des deutschen Widerstandes
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nichts anderes als eine Deklamation sein kann; denn im § 4, der die Frage des Ausschlusses vom Anspruch auf Wiedergutmachung behandelt, heißt es in Ziffer 2, daß auch derjenige ausgeschlossen ist, „der in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Handlung, die auch auf Grund des nach dem 23. Mai 1949 geltenden Rechtes zu bestrafen gewesen wäre, Unrecht erlitt oder der einer Wiedergutmachung unwürdig ist wegen seiner vor der Verfolgung für solche Handlungen verwirkten Vorstrafen".
Sind Sie sich darüber im klaren, daß Sie damit alle Widerstandskämpfer von der Wiedergutmachung ausschließen?
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Denn die auch nach dem 23. Mai 1949 geltenden Gesetze wie z. B. die gegen angeblichen Landfriedensbruch, Aufruhr, Hoch- und Landesverrat usw. waren auch während der Nazizeit gültig. Wer also aktiv handelnd, also als Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus auftrat und auf Grund der genannten Gesetze verurteilt wurde,
(Müller [Frankfurt]
würde nach dem Gesetzentwurf der sozialdemokratischen Fraktion von der Wiedergutmachung ausgeschaltet werden.
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Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Die Folge wäre, daß viele Sozialdemokraten, Kommunisten, christliche Widerstandskämpfer und Gewerkschaftler eben deshalb, weil sie gegen die damals und heute geltenden Gesetze verstoßen haben, von den Wiedergutmachungsansprüchen ausgeschlossen würden.
Genau so wird die Gefährlichkeit der Ziffer 2 dieses Paragraphen durch den § 2 untermauert, wo es heißt:
Wer durch nationalsozialistische Verfolgungsoder Unterdrückungsmaßnahmen . . .
und so weiter
. . . Unrecht erlitt, hat nach den Vorschriften dieses Gesetzes Anspruch auf Wiedergutmachung gegen die Bundesrepublik Deutschland.
Meine Damen und Herren, dieselbe Formulierung ist in dem Entschädigungsgesetz der französischen Zone enthalten,
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und die Gerichte in der französischen Zone haben auf Grund dieser Formulierung alle diejenigen, die sich aktiv handelnd gegen den Nationalsozialismus wehrten, die z. B. wegen behaupteten Landfriedensbruchs angeklagt worden sind, auch von der Wiedergutmachung ausgeschlossen.
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Ich glaube also, daß hier eine sehr große Gefahr vorhanden ist. Sehr ernste Bedenken haben die Bestimmungen dieses Gesetzentwurfs ausgelöst. Auf andere Fragen einzugehen, wird später Gelegenheit sein.
Wenn ich alles zusammenfasse, kann ich nur zu der Feststellung kommen, daß aus den von mir erwähnten Gründen eine bundesgesetzliche Regelung der Wiedergutmachung unzweckmäßig ist,
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weil sie nicht den Mindestforderungen der Verfolgten und Widerstandskämpfer auf Grund der Haltung der Regierung und der Bundestagsmehrheit gerecht werden kann.
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Aufgabe wird es sein, in den Ländern eine Verbesserung der Gesetze zu erreichen und dafür zu sorgen, daß die Anwendung dieser Gesetze so erfolgt, wie es im Interesse der Widerstandskämpfer und der Verfolgten notwendig ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Greve.
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, woher ausgerechnet der Herr Kollege Müller von der KPD das Recht nimmt,
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an uns, die wir irgend willens sind, Restitution zu leisten und auch Wiedergutmachung zu üben, Forderungen zu stellen und uns hier Belehrungen zu erteilen. Herr Kollege Müller, Sie fahren am besten in die von Ihnen so geliebten Gebiete östlich des Eisernen Vorhangs
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und halten dort die Rede, die Sie hier eben gehalten haben!
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Wo gibt es in den Gebieten der sowjetisch besetzten Zone eine Restitution? Was haben Sie mit dem jüdischen Vermögen in diesen Gebieten gemacht? Volkseigene Betriebe haben Sie aus diesen Vermögen gemacht!
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- Ja, halten Sie das für eine richtige Restitution?
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- Na ja, wenn Sie das für eine richtige Restitution halten, dann haben Sie nicht das Recht, sich hierher zu stellen und so zu tun, als ob Sie im Interesse von Recht und Gerechtigkeit etwas sagten!
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Wir wissen doch alle, die wir aus den Gebieten der sowjetischen Zone stammen, was man selbst mit unserem Vermögen gemacht hat, die wir nicht vom Nationalsozialismus betroffen sind. Das wissen wir doch auch!
({6}) Aber es ist das beste, daß man sich solcher Ausführungen, wie sie der Herr Kollege Müller hier gemacht hat, schämt und sie mit Schweigen übergeht.
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Meine verehrten Anwesenden! Die Frage der Rückerstattung, die uns alle schon ausgiebig beschäftigt hat, veranlaßt mich, zunächst dem Herrn Kollegen Dr. Weber außerordentlich zu danken für die Art und den Inhalt der Berichterstattung, die bestimmt keine leichte gewesen ist, wenn das wiedergegeben werden sollte, was das Ergebnis der vielfältigen, oft auch dramatischen Bemühungen und Arbeiten im Rechtsausschuß gewesen ist. Meine Freunde und ich stimmen im wesentlichen den Punkten zu, die Herr Kollege Dr. Weber hier erwähnt hat. Wir freuen uns, daß wir im Rechtsausschuß zu diesem Ergebnis gekommen sind.
Allerdings darf ich sagen, daß es sich gerade bei der Rückerstattung darum handelt, sich zu bekennen. Nirgends gilt mehr der Satz „Hic Rhodos, hic salta!" Jeder muß hier eben Partei ergreifen, ob er will oder nicht, entweder für den Geist der Rückerstattung, der, wie mein Freund Arndt das hier heute anläßlich der Begründung des Wiedergutmachungsgesetzes gesagt hat, aus Reue und Buße geboren sein muß, wenn er echt ist; oder aber, wenn jemand nicht für den Geist der Rückerstattung Partei ergreift, dann bleibt ihm nur die Möglichkeit, sich für die erbarmungslose Verfolgung der Gegner des Nationalsozialismus möglicherweise noch nachträglich einzusetzen.
Wir brauchen uns nur zu fragen: „Wer ist der Berechtigte?" In jedem Fall doch sowohl auf dem Gebiete der Rückerstattung wie auf dem Gebiete der Entschädigung der Verfolgte oder ein Erbe des
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Verfolgten, der meist selber auch Verfolgter gewesen ist. Und wer ist in den meisten Fällen - und da stimme ich nicht mit den Kollegen überein, die etwas anderes behauptet haben - der Entzieher? Der Entzieher ist eben in den meisten Fällen auch der Nutznießer. Es ist in manchen Fällen auch jemand, der aus Gefälligkeit gehandelt hat, und es gibt Nacherwerber - auch da stimme ich mit Ihnen weitgehend überein, Herr Kollege Dr. Weber -, die gutgläubig gewesen sind. Aber auch Sie stimmen darin mit mir überein, daß es Nacherwerber gibt, die sehr schlechtgläubig gewesen sind. Es wird darauf ankommen, im einzelnen zu untersuchen, wo gerade in den Fällen etwas getan werden soll, die vom sogenannten Härteausgleich betroffen werden. Ich darf für meine Person sagen, daß ich mich im Konfliktsfalle für den Berechtigten und nicht den Verpflichteten entscheide. Ich glaube auch, daß im Konfliktsfalle der Berechtigte den Vorrang vor dem Verpflichteten haben sollte.
Ich darf mich einigen Ausführungen meiner Vorredner zuwenden, weil ich mich für verpflichtet halte, ihnen zu widersprechen. Kollege Dr. Etzel meinte, daß die Erwerber bzw. die Nacherwerber, die im wesentlichen gutgläubig gewesen seien, die meisten der Leidtragenden, wie er es nannte, die Mehrheit der Verpflichteten ausmachen. Nun, das stimmt nicht. Wer selbst aktiv in der Arbeit der Rückerstattung tätig ist, der weiß, daß die meisten Rückerstattungsverpflichteten zu Recht Verpflichtete sind und auch zu Recht von den Bestimmungen der Rückerstattungsgesetze betroffen werden. Eine vollständige .Beseitigung ,offenkundiger Härten, wie sie vom Kollegen Dr. Etzel gefordert wird, ist einfach ausgeschlossen. Hier muß im Konfliktsfalle der Vorrang der Berechtigten gegenüber den Verpflichteten gelten.
Herr Kollege Ewers, es ist erstaunlich, daß gerade immer ein Vertreter Ihrer Partei uns bei der Erörterung solcher delikater Probleme zu gegensätzlichen Meinungen und gegensätzlichen Ausführungen herausfordert. Sie haben zwar zum Schluß Ihrer Ausführungen hier festgestellt, daß Sie im wesentlichen der Vorlage des Rechtsausschusses zustimmen und daß Sie auch weithin dem Inhalt der Gesetzesvorlage meiner politischen Freunde Ihre Zustimmung nicht versagen wollen. Aber der Vergleich, den Sie anläßlich der Erörterung dieser beiden Punkte hier zwischen dem „Dritten Reich" und der Bundesrepublik gerade im Hinblick auf die deutsche Jugend gezogen haben, ist doch in jeder Weise schief. Wir wissen, daß es der Bundesrepublik, die ja nur ein Teil Deutschlands ist - das bitte ich zu berücksichtigen; die Wiedervereinigung Deutschlands ist ja noch nicht Wirklichkeit geworden -, bisher nicht gelungen ist, die Jugend schwärmerisch an sich heranzuziehen und sie geradezu für die Ideale der Demokratie und des parlamentarischen Regierungssystems zu begeistern. Sie haben demgegenüber festgestellt, daß die Jugend damals weithin Ideale gehabt habe. Ich frage Sie: Waren denn das wirklich Ideale? Was die Jugend damals sah, das war ein System von Verbrechern. das uns dazu gebracht hat, daß wir uns heute mit diesen Gesetzesvorlagen und dem Bericht des Rechtsausschusses befassen müssen. Wir müssen uns doch nachträglich davon absetzen, daß diese Jugend überhaupt etwas Derartiges als Ideal haben konnte! Herr Kollege Ewers, auch wir sprechen die Jugend in keiner Weise schuldig, sondern sagen, daß sie weitgehend unschuldig war, daß es ihr vielleicht damals weithin nicht möglich war, anders zu sehen. Aber wir haben auch die Pflicht, der Jugend von heute zu sagen, was Wahrheit war und was heute Wahrheit ist. Unter diesem Gesichtspunkt kann man doch nicht zu der Auffassung kommen, daß die heute Dissentierenden zu Staatsfeinden werden - wenn man es auf den Gegensatz zwischen dem, was Sie „Drittes Reich" nannten, und der Bundesrepublik abstellt.
Auch die Argumentation ist falsch, wenn Sie sagen, daß Sie unsere Gesetzesvorlage nicht akzeptieren können, weil darin jeder Widerstand zu einer rechtmäßigen Handlung erklärt wird. Sie dürfen doch diesen Widerstand nur aus der damaligen und nicht aus der heutig en Schau sehen. Ich gebe Ihnen darin vollkommen recht, daß es einem schwer fällt, jemandem zuzuerkennen, er habe damals Widerstand geleistet, der heute zum Widerstand herausfordert, wie es in den Gebieten jenseits des Eisernen Vorhangs der Fall ist. Lassen Sie uns das im Rechtsausschuß miteinander besprechen, und da Sie Jurist sind und ich Jurist bin, werden wir vielleicht nach dem Grundsatz der compensatio lucri cum damno etwas weiterkommen, Herr Kollege Ewers. Aber das ändert an dem Grundsatz, daß jeder Widerstand gegen das nationalsozialistische System rechtmäßig war, nichts.
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Herr Kollege Schneider, einige Worte zu Ihren Ausführungen. Wenn Sie das, was wir mit unserer Gesetzesvorlage verlangen, als Vollentschädigung bezeichnen, dann haben die 131er mehr bekommen, als sie überhaupt zu beanspruchen gehabt hätten. Denn diese Sonderregelung, die wir allerdings für die vom Nationalsozialismus Geschädigten in einzelnen Fällen vorsehen, bleibt nicht nur soweit hinter dem tatsächlichen Schaden zurück, daß es sich heute praktisch oft nicht mehr um eine Entschädigung, um eine Wiedergutmachung handelt, sondern sie bleibt weit hinter dem zurück, was der Deutsche Bundestag auf anderen Gebieten getan hat. Ich erinnere in diesem Zusammenhang ausdrücklich an das Gesetz zur Ausführung des Art. 131 des Grundgesetzes. Da waren Sie nicht so sorgsam darauf bedacht, daß auch nicht zuviel gezahlt würde. Herr Kollege Wuermeling, Sie meinen - Kollege Wuermeling ist leider nicht da -, daß hier schon eine Schuld von 7 Milliarden DM anzunehmen sei, die den Haushalt der Bundesrepublik belaste. Ich muß Ihnen erwidern, daß diese Art der Argumentation uns zwingt, Sie zu fragen, ob Sie etwa auch die Lasten, die die Bundesrepublik für ihre Beamten und Pensionäre zu tragen hat, als Schulden ansehen, die so zu behandeln sind, wie Sie das in diesem Falle wünschen. Ich glaube, daß Sie uns auf dem Wege wohl nicht recht folgen können, aber eigentlich folgen müssen, wenn Ihre Ausführungen über 7 Milliarden DM Schulden der Bundesrepublik ernst genommen werden sollen.
Die Aufforderung, Herr Kollege Schneider, diese Gesetzesvorlage nicht nur an den Rechtsausschuß, sondern auch an den Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen, ist schon nach dem Wesensgehalt dieses Gesetzes unmöglich. Ich sage Ihnen ausdrücklich: meine Freunde und ich sind der Auffassung, daß die Beträge, die auf Grund dieses Gesetzes gezahlt werden müssen, unter allen Umständen mit Vorrang vor allen anderen Ausgaben in den Bundeshaushalt einzustellen sind
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und daß es völlig überflüssig ist, irgendeinen Ausschuß, der sich mit Finanzen oder Krediten oder Geld zu befassen hat, damit zu beschäftigen. Bei der ordnungsgemäßen Beratung des deutschen Bundeshaushalts im Haushaltsausschuß mag auch über diesen Posten gesprochen werden wie über jeden anderen. Für die Fragen des Entschädigungsgesetzes sollte ausschließlich der Rechtsausschuß zuständig sein.
Zum Abschluß meiner Ausführungen darf ich noch auf eins hinweisen. Ich vermag mich nicht ausschließlich auf den Standpunkt zu stellen, der vom Kollegen Weber vertreten worden ist, daß der Härteausgleich so gehandhabt wird, wie es vorgesehen ist, auch unter Berücksichtigung der Ziffer E. Es ist nicht notwendig, hier einzelne Ausführungen zu machen. Das ergibt sich aus dem, was ich Ihnen bereits im Hinblick auf den Vorrang der Berechtigten gegenüber den Verpflichteten im Konfliktsfalle vorgetragen habe. Aber auf eines möchte ich den Herrn Bundesfinanzminister aufmerksam machen, damit er möglicherweise auch die Herren Länderfinanzminister darauf hinweist. Das ist in der Öffentlichkeit nicht genügend bekannt, und im allgemeinen wissen es nur diejenigen, die als Praktiker mit diesen Dingen in Berührung kommen. Wenn sich z. B. jemand als Verpflichteter mit dem Berechtigten heute im Vergleichswege auf einen bestimmten Betrag einigt, dann glauben Sie nicht, meine verehrten Damen und Herren, daß der Verpflichtete das nun auch wirklich aus seinem Vermögen bezahlt! Nein, das bezahlen wir alle! Die Oberfinanzdirektionen haben nämlich in diesen Fällen das getan, was ein guter Steuereinnehmer eigentlich nicht zu tun pflegt. Im ersten Jahr können in erheblichem Umfange von den Beträgen, die die Verpflichteten an den Berechtigten zahlen, 30 % steuerlich abgesetzt werden und in den nächsten sieben Jahren je 10 %, so daß also die wesentliche Summe nicht aus dem Vermögen der Verpflichteten selbst, das sie an sich rückerstatten sollten, gezahlt wird, sondern über den Steuerhaushalt aus den Taschen der Steuerzahler entnommen wird. Wie lange noch, Herr Bundesfinanzminister, frage ich Sie, soll diese Handhabung der Oberfinanzdirektionen aufrechterhalten werden? Halten Sie es nicht für angebracht, daß in den Fällen, in denen wirklich auch restitutionsverpflichtetes Vermögen vorhanden ist, dieses restitutionsverpflichtete Vermögen selbst in Anspruch genommen und nicht der Steuerzahler zur Abdeckung der Restitutionsverpflichtungen herangezogen wird? Ich glaube, daß wir bei der Beratung des Gesetzes, das uns möglicherweise vorgelegt wird, auf diesen Punkt sehr genau eingehen müssen.
Zum Schluß, meine verehrten Anwesenden, möchte ich Ihnen sagen, daß ich Ausführungen zu dem Gesetz, das meine Fraktion vorgelegt hat, nicht zu machen habe.
Was die Restitution betrifft, die wir insbesondere gegenüber den durch den Nationalsozialismus geschädigten Juden zu leisten haben, so, glaube ich, hat mein Freund Arndt Worte gefunden, denen ich nicht viel hinzuzusetzen brauche. Ich glaube aber, daß es richtig ist, die Vertretung der Bundesrepublik an ein Wort zu erinnern, das der insbesondere den Juristen nicht unbekannte Max Hachenburg in seinem achten oder neunten Lebensjahrzehnt gerade im Hinblick auf die Restitution gesprochen hat. Er sagt: „Das Gewissen des Volkes spricht durch den Mund seiner Vertreter." Wir sind die Vertreter, die hier das Gewissen des Volkes sprechen lassen müssen. Auch dafür gilt, was
Hachenburg in einem weiteren Satz sagte: daß uns als Gewissenspflicht die „Reue über das Vorgefallene gestellt ist und sich aus ihr das Bestreben nach Wiedergutmachung natürlich ergeben sollte."
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Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur einige wenige Bemerkungen zu dem Bericht des Ausschusses und dem Antrag der SPD machen.
Ich halte es für notwendig, wie der Kollege Ewers gesagt hat, den § 4 des sozialdemokratischen Entwurfes, der j a bereits das große Mißfallen des Vertreters der KP erregt hat, doch noch präzise dahingehend zu erweitern, daß diejenigen, deren ganzer Widerstand darin bestand, daß sie ein totalitäres Regime durch ein totalitäres Regime anderer Prägung ersetzen wollten, nicht als Widerstandskämpfer anerkannt werden. Ich glaube, daß man nicht - wie es Kollege Greve eben tat - von einer „damaligen Schau" und von einer „heutigen Schau" sprechen kann. Irgendwelche durchlaufende Maximen sollte es wohl geben.
Dann noch ein weiteres Wort. Herr Kollege Greve hat eben gesagt, der Grundsatz müsse bleiben: „Jeder Widerstand war rechtmäßig". Zunächst einmal begrüße ich den Änderungsvorschlag der Fraktion der DP, den Herr Ewers eben vorgebracht hat. Aber lassen Sie mich ein Beispiel anführen. Wie wäre es in folgendem Falle? Ich habe vor einigen Tagen die Inhaltsangabe mit Bildern eines amerikanischen Filmes gesehen, worin es darum geht, daß ein Deutscher, nachdem er als Soldat gefangen geriet, von den Alliierten - in diesem Falle den westlichen Alliierten - in Deutschland zur Spionage eingesetzt wurde. Dieser Mann hat sich dann, wie aus dem Film hervorgeht, mit innerer Überzeugung für diese Sache verwendet. Er wurde in Ausführung seines ihm gegebenen Auftrags, den er aber auch mit einer inneren Berufung ausführen zu müssen glaubte, geschnappt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. Was wäre im Sinne dieser Anträge z. B. mit den Angehörigen dieses Mannes? Hätten die Angehörigen dieses Mannes einen Anspruch auf Leistungen im Sinne dieses Gesetzes? Ich glaube, um hier einen ganz konkreten Einzelfall anzuführen, der immerhin denkbar ist, - - ({1})
- Herr Kollege Dr. Arndt, dieser Einwand: „Wir machen keine Gesetze für amerikanische Filme", war ungemein töricht;
({2}) denn ich habe nur ein Beispiel angezogen, Herr Dr. Arndt, ein Beispiel für Fälle, wie sie in den Jahren 1945 bis 1951 generell und detailliert sehr hoch gepriesen worden sind, und zwar nicht unter Bezugnahme auf filmische Sujets, sondern auf Tatbestände.
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- Das ist eine Ansichtssache, Herr Dr. Arndt!
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Ich möchte hoffen, daß der Antrag, wie es bereits
Herr Dr. Schneider beantragt hat, auch an den
Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen wird.
In der Fragestunde der nächsten Woche werde ich mit einer Frage auf dieses Thema zurückkommen und die Bundesregierung fragen, um was für Ziffern es sich handelt. Wenn von Rückerstattungssummen von über 30 Milliarden Mark in Publikationen des Review Boards der britischen Zone gesprochen wird, dann bedeutet das doch, daß es sich um Ziffern handelt - sie sind in ähnlicher Höhe außerdem durch Feststellungen des hessischen und des bayerischen Finanzministeriums, allerdings schätzungsweise, ermittelt worden -, die uns doch erhebliche Bedenken machen sollten. Ich glaube deswegen, daß eine Verweisung dieser Anträge, so wie es eben Herr Dr. Schneider beantragt hat, auch an diesen Ausschuß gut und richtig wäre. Ich hoffe auch, daß die Festlegung, wer nun wirklich anspruchsberechtigt wird, doch etwas gründlicher vorgenommen wird, als das in den beiden Entwürfen der Fall ist.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Weber.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als im Jahre 1945 der Lärm der Waffen verstummte, waren Trümmerhaufen nicht nur in unsern Städten und Dörfern, sondern auch auf weiten Gebieten des Rechts vorhanden. Es haben sich - es war gut, daß der Herr Kollege Arndt das eben hervorgehoben hat - damals bereits mutige Männer gefunden, die an die Aufgabe herangingen, auch diese Trümmerhaufen beiseite zu schaffen und dem Recht und der Gerechtigkeit, die so lange Not gelitten hatten, wieder eine Gasse zu schlagen. Unsere Bemühungen auf diesem Gebiete waren zunächst leider nicht von Erfolg. Wir haben gehört, daß selbst die Besatzung damals so uneinsichtig gewesen ist, daß sie unseren deutschen Regierungen eine Bearbeitung von entsprechenden Gesetzentwürfen j ahrelang verboten hat und schließlich, als ausgearbeitete Gesetzentwürfe vorgelegt wurden, diese nicht genehmigt, sondern geglaubt hat, die Angelegenheit der Rückerstattung besser regeln zu können.
Man darf auch nicht vergessen, daß in den ersten Jahren nach dem Kriege eine Entschädigung insofern auf ganz besondere Schwierigkeiten stieß, als ja die Möglichkeiten, materiell zu helfen, durch die große Notlage, in der sich unser Vaterland befand, einfach gehemmt waren, ja, die Möglichkeit, zú helfen, überhaupt nicht gegeben war, weil die materiellen Dinge zu einer Wiedergutmachung fehlten. So ist es wohl zu erklären, daß auch die Ländergesetze zur Regelung der Entschädigung erst im Jahre 1949 erlassen werden konnten, als es durch eine Ordnung des Geldwesens wieder möglich war, den Geschädigten endlich etwas zu geben, womit sie auch etwas anfangen und wirklich eine Existenz wiederaufbauen konnten. Wir sind, das verkenne ich nicht, noch erheblich im Rückstand. Deshalb drängt es uns, das Problem der Entschädigung vorab zu regeln. Ich habe in den Ausschußverhandlungen stets betont, daß es
nicht angängig ist - das ist auch in meinem Bericht zutage getreten -, jetzt schon wieder für die Schäden, die durch die Rückerstattung entstanden sind, Entschädigung zu gewähren, ehe diejenigen, die durch den Nationalsozialismus selbst geschädigt worden sind, seine Opfer, entschädigt worden sind. Beide Anliegen, das verkenne ich nicht, sind dringend; aber in der Rangordnung scheint mir doch die Entschädigung an erster Stelle zu stehen.
Die heutige Beratung steht insofern unter einem glücklichen Stern, als gerade gestern - worauf Herr Kollege Arndt schon hingewiesen hat - sich in Luxemburg ein Ereignis abgespielt hat, von dem wir alle mit tiefster Befriedigung und innerster Anteilnahme Kenntnis genommen haben. Die Bundesregierung hat den Wechsel, den der Herr Bundeskanzler im Herbst letzten Jahres von dieser Stelle aus ausgestellt hat, eingelöst. Es wurden damals gerade im Ausland Pressestimmen laut, daß es mit platonischen Erklärungen nicht genug sei, sondern daß erst die Tatsachen beweisen würden, ob hinter diesen Erklärungen, die von dieser Stelle aus abgegeben würden, auch etwas stecke. Ich glaube - und das beweist j a auch das Echo, das dieser Vorgang im Ausland gefunden hat -, man muß in jeder Hinsicht anerkennen, daß die Regierung das Menschenmögliche getan hat, um eine Befriedung auf diesem Gebiet der Entschädigung Israels herbeizuführen.
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- Es darf dabei auch nicht übersehen werden, daß gleichzeitig ein Abkommen unterzeichnet worden ist, das hier stark einschlägig ist und das Mittel im Gesamtbetrag von 500 Millionen DM an die Weltverbände der Juden bereitstellt zur materiellen Entschädigung derjenigen, die in Not sind. Wir freuen uns außerordentlich darüber und danken unseren Unterhändlern in Den Haag, daß es gelungen ist, auf diesem Gebiet zu einer Einigung zu kommen, und daß wir damit unseren guten Willen und die Bereitschaft, das Äußerste zu tun, unter Beweis gestellt haben.
Ich sagte vorhin schon in meinem Bericht, ich hätte es begrüßt, wenn uns auch auf anderen Gebieten die gleiche Möglichkeit gegeben worden wäre, zu beweisen, daß es uns auch mit der Rückerstattung ernst gewesen wäre. Herr Kollege Arndt, Sie haben eben bemerkt, daß die Bundesregierung trotz des auch von Ihnen anerkannten guten Ergebnisses insofern gefehlt habe, als sie den Auswärtigen Ausschuß nicht unterrichtet habe. Ich habe mich inzwischen dahin unterrichten lassen, daß Herr Professor Böhm, der Leiter der Delegation, im Auswärtigen Ausschuß einen ganzen Tag lang zur Verfügung gestanden und über alle schwebenden Fragen Auskunft gegeben hat, ebenso wie er ja auch bei uns im Rechtsauschuß gewesen ist und auch uns auf alle Fragen, die wir in dieser Richtung an ihn- gestellt haben, Auskunft gegeben hat, so daß also die Möglichkeit einer Unterrichtung des Bundestages durchaus gegeben war.
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- Das paraphierte Abkommen ist, soweit ich unterrichtet bin, erst während der Parlamentsferien fertiggestellt worden und konnte infolgedessen, wenn uns an einer beschleunigten Verabschiedung der Vereinbarung lag, nicht nochmals dem Parlament vorher vorgelegt werden. Jedenfalls konnten
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die Wünsche des Parlaments vorgebracht und in
den Verhandlungen berücksichtigt werden.
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Sie begründen nun die Vorlage dieses Gesetzes damit, daß Sie sagen, es sei eine beschleunigte, ja eine sofortige Wiedergutmachung notwendig. Herr Kollege Arndt, ich darf Sie daran erinnern, daß gerade in dieser Hinsicht die 'Sachverständigen anderer Ansicht gewesen sind und betont haben, es sei die Befürchtung begründet, daß, wenn jetzt ein Bundesgesetz zur Regelung der Entschädigung erlassen würde, die Ausführung der Ländergesetze ins Stocken käme und daß es dann vielleicht anderthalb bis zwei Jahre dauern würde, bis das Bundesgesetz tatsächlich ausgeführt werden könne. Die Konferenz der Wiedergutmachungsbehörden hat wiederholt betont, sie lege größten Wert darauf, daß die Ländergesetze weiter in Funktion blieben und die Arbeiten der Länderentschädigungsbehörden nicht durch die Schaffung eines Bundesentschädigungsgesetzes ins Stocken kämen. Aus diesem Grunde sind sich meine Freunde und ich dahingehend schlüssig geworden, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen, der nach eingehender Beratung zu dem Ergebnis gekommen ist, daß die Ländergesetze grundsätzlich in Kraft bleiben sollen und daß ein Bundesergänzungs- und -rahmengesetz geschaffen wird, welches die in den Ländergesetzen enthaltenen Lücken schließt.
Was nun die vorliegende Gesetzesvorlage im einzelnen angeht, so bin 'ich glücklich feststellen zu können, daß Ihre Forderungen in dem Gesetz weitgehend mit den Vorschlägen, die in der Drucksache Nr. 3583 enthalten sind, übereinstimmen. Auch von dieser Stelle aus möchte ich 'betonen und -damit Ihren Anruf aufgreifen: es sollte gewisse Angelegenheiten geben, in denen trotz aller noch so tiefgehenden politischen Meinungsverschiedenheiten die Möglichkeit besteht, zu einer einheitlichen Auffassung zu kommen. Von dieser Stelle aus ist vor wenigen Tagen betont worden, daß es in der Frage Gesamtdeutschland keine Meinungsverschiedenheiten geben und daß diese Frage nicht zum Gegenstand von Parteigezänk und Parteianträgen gemacht werden sollte. Das gleiche gilt nach meiner Meinung - so habe ich es auch im Ausschuß stets betont - für die Frage der Entschädigung und das große Gebiet der Wiedergutmachung insgesamt. Ich war glücklich, Herr Kollege Greve, daß es gelungen ist, durch eingehende Beratung im Ausschuß in dieser Hinsicht zu einer einheitlichen Auffassung zu kommen. Wenn 'damit der Sache gedient wäre, dann hätte sich meine Arbeit, die ich in dieser Hinsicht geleistet habe, sehr wohl gelohnt. Ich wäre glücklich, wenn sie dazu beitragen würde, denjenigen, die Opfer der Verfolgung geworden sind, alsbald eine Entschädigung zu gewähren.
Wir stimmen auch dem Antrag und seiner Begründung insofern zu, als darin festgestellt wird, daß sich diejenigen, die aus Überzeugung oder um des Glaubens und Gewissens willen gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft Widerstand geleistet haben, ein Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes erworben haben. Ich habe bereits in meinem Bericht zum Ausdruck gebracht, auf welchen Kreis sich das bezieht und wer darauf keinen Anspruch erheben kann. Ich will es aber nochmals hervorheben: nach meiner Meinung kann diesen Anspruch nur derjenige erheben, der aus idealer Gesinnung und im Interesse des 'deutschen Volkes gehandelt 'hat, aber nicht derjenige, der wie es eben bereits einmal von Herrn Kollegen Ewers betont worden ist - dem System der Gewalt Widerstand geleistet hat, um ein anderes System der 'Gewalt an die Stelle zu setzen, ein Gedanke, der ja auch im § 4 des SPD-Entwurfs an- klingt. Wir sind der Meinung, daß zwar letzten Endes über diese Vorgänge die Geschichte ein Urteil sprechen wird - da stimme ich Ihnen, Herr Kollege Ewers, zu -; aber wir sind berufen und verpflichtet, 'denjenigen, die aus idealer 'Gesinnung heraus und im Interesse des 'deutschen Volkes Leben und Freiheit riskiert haben, hier die Anerkennung auszusprechen. Das soll mit der Annahme des vorliegenden Antrags geschehen. Diese Leute, die Männer vom 20. Juli, haben sich wirklich ein Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes erworben, zum mindesten 'insofern, wenn sie auch mit ihrem Unternehmen selbst gescheitert sind, als sie uns im Ausland wieder glaubwürdig gemacht haben,
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wenn wir betonen, daß wir alles getan haben, daß wir das Letzte getan haben, um der Gewaltherrschaft Widerstand zu leisten.
In § 1 des Gesetzentwurfes der SPD heißt es nun, daß dieses Verhalten rechtmäßig gewesen sei. Ich habe bereits im Ausschuß betont, daß wir Bedenken tragen, eine 'derartige Feststellung in einem Gesetz vorzunehmen. Die Feststellung der Rechtmäßigkeit ist Sache der Gerichte und nicht Sache eines Parlaments. Wir können, wie wir es tun, dem Widerstand die Anerkennung aussprechen; aber wir sollten uns enthalten, uns 'hier Aufgaben zuzumuten, die dem Parlament als solchem nicht zufallen, die nicht zu seiner Zuständigkeit gehören. Man hat - ich habe das damals auch betont - doch noch in Erinnerung, daß sich etwas Ähnliches auf einem andern Gebiet in fürchterlicher Weise 1934 ereignet hat, wo man auch Vorgänge gesetzmäßig schlechthin für Rechtens erklärt hat, die das gröbste Unrecht waren. Deshalb sollten wir in derartigen Formulierungen sehr vorsichtig sein. Ich melde jedenfalls unsere Bedenken in dieser Richtung an. Aus diesem 'Grunde, Herr Kollege Ewers, ergibt sich auch für uns nach den Ausführungen, die sich vorher gemacht habe, daß wir nicht in der Lage sind, Ihrem Änderungsantrag zuzustimmen.
Auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfs zur Anerkennung des deutschen Widerstandes und zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts einzugehen, halte ich nicht mehr für notwendig, nachdem ich festgestellt habe, daß dieser Gesetzentwurf die Forderungen, die der Rechtsausschuß in seinen Empfehlungen für den neuen Gesetzentwurf aufgestellt hat, weitgehend berücksichtigt. Ich habe nur zu § 7 Abs. 2 zu betonen, daß es uns zu weitgehend erscheint und von uns abgelehnt wird, daß als Ehegatte des Verfolgten auch eine Person angesehen wird, die mit dem Verfolgten in eheähnlicher Gemeinschaft lebte. Wir haben ein Gesetz geschaffen, um derartige Verhältnisse nachträglich zu legalisieren. Es könnte allenfalls' in Frage kommen, daß demjenigen, der damals wegen der Verfolgung nicht in der Lage war, vor den Standesbeamten zu treten, eine Entschädigung zugesprochen würde, so wie wir dies Unrecht auch an den noch Lebenden durch die Schaffung eines besonderen Gesetzes gutgemacht haben. Aber über diese Einzelheiten wird man später im Ausschuß sprechen können.
Was nun die Rückerstattung angeht, so gebe auch ich hier nochmals dem Bedauern Ausdruck, daß es
({5}) uns nicht möglich war, diese Materie in eigener Zuständigkeit zu regeln. Ich glaube, die Verfolgten hätten sich dabei nicht schlechter gestanden, und es wäre wohl eine Regelung herausgekommen, die nicht neues Unrecht geschaffen hätte, wie es jetzt leider der Fall ist. Das wissen wir alle, die wir mit diesen Dingen in der Praxis befaßt sind. Vor allen Dingen sollte man auch erkennen, daß viele Richter bei der Anwendung dieses Gesetzes in Gewissensnot kommen. Selbst das höchste Gericht der französischen Zone, das Obergericht in Rastatt, hat dieser Gewissensnot Ausdruck gegeben, als es kraft Gesetzes gezwungen war, die Umstellung 10 : 1 auszusprechen, und in einer Eingabe an den französischen Hohen Kommissar gebeten, eine Änderung des Rückerstattungsgesetzes in der französischen Zone herbeizuführen und dem Richter anheimzugeben, hier eine Regelung nach Recht und Billigkeit zu treffen. Wir haben das noch nicht erreichen können. Ich glaube aber, daß wir im Interesse der Befriedung, im Interesse dessen, daß wir das erneute Aufkommen einer antisemitischen Strömung verhindern wollen, alles tun sollten, um hier einen gerechten und billigen Ausgleich herbeizuführen, daß wir uns also auch weiterhin bemühen sollten, eine Änderung der Vereinbarung herbeizuführen im Sinne - das betone ich nachdrücklich - einer gerechten und billigen Lösung. Wir glauben aber, daß es im Augenblick nicht möglich ist, mehr zu tun, als es Ihnen im Vorschlag des Ausschusses vorgeschlagen wird. Auch das erfordert erneut von der Bundesrepublik erhebliche Mittel. Wir müssen uns bei dem, was wir tun, immer im Rahmen des Möglichen halten. Rechtsstaat ist eine kostspielige Sache, habe ich schon mehrfach betont; aber es geht ja nun nicht an, die Forderungen so zu überspannen, daß wir nicht in der Lage sind, sie zu erfüllen. Was wir hier vorgeschlagen haben, glauben wir verantworten zu können. Wenn das geschieht, werden die gröbsten Härten und Unbilligkeiten beseitigt werden können. Wir dürfen aber, wie ich betone, dabei nicht stehenbleiben, wir müssen weiter alles tun, um auch auf diesem Gebiet Recht und Gerechtigkeit wieder zum Durchbruch zu verhelfen.
({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst zu Punkt 4a. Das ist der Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3583. Dazu liegen zwei Änderungsanträge vor, zunächst der Änderungsantrag zu Ziffer I auf Umdruck Nr. 653. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben.
({0})
- Das ist der Antrag der Fraktion der Deutschen Partei, Umdruck Nr. 653. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Weiter liegt vor ein Änderungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union zu Ziffer II auf Umdruck Nr. 656. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Mehrheit waren die ablehnenden Stimmen; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Ausschußvorlage. Ich bitte diejenigen, die zustimmen,
die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Dann liegt vor unter 4 b das Initiativgesetz der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 3472. Dazu ist beantragt, die Angelegenheit an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß zu übergeben.
({1})
Außerdem ist im Laufe der Debatte die weitere Behandlung durch den Ausschuß für Geld und Kredit beantragt worden.
Wir stimmen zunächst über die Überweisung an den federführenden Ausschuß ab. Ich bitte diejenigen, die für die Überweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführenden Ausschuß sind, die Hand zu heben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; angenommen.
Wir stimmen nunmehr darüber ab, die Sache zusätzlich an den Ausschuß für Geld und Kredit zu geben. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit ist der Punkt 4 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes ({2}).
Der Ältestenrat schlägt für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vor. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Zur Begründung hat das Wort der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute liegt Ihnen ein arbeitsrechtliches Gesetz vor, das von sehr weitgehender Bedeutung ist. Es gibt wohl kaum ein Rechtsgebiet, auf dem die Gerichtsbarkeit so unmittelbar formend in die Rechtsgestaltung eingreift wie in der Arbeitsgerichtsbarkeit. Die Entscheidungen der Arbeitsgerichte haben in den letzten Jahrzehnten zur Entwicklung der Sozialpolitik maßgebende Beiträge geleistet. Ein Gesetz, das die Zuständigkeit, die Einrichtung der Arbeitsgerichte und das Verfahren vor ihnen regelt, verdient deshalb besondere Aufmerksamkeit.
Die Arbeitsgerichtsbarkeit hat sich als Sondergerichtsbarkeit entwickelt. Der Gedanke dieser Sondergerichtsbarkeit ist von Frankreich zu uns gekommen und hat später im rheinischen Arbeitsgerichtsgesetz und in der Errichtung und Bildung der Gewerbe- und Kaufmannskammern und -gerichte seine weitere Entwicklung gehabt. Ihren Abschluß hat diese Entwicklung in dem Erlaß des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 23. Dezember 1926 gefunden. Dieses Gesetz, das Arbeitsgerichte für die erste Instanz, Landesarbeitsgerichte als Berufungsinstanz und das Reichsarbeitsgericht als Revisionsspitze vorsah, hat sich unbedingt bewährt. In der für diese Gerichtsbarkeit charakteristischen engen Verbindung mit dem Arbeitsleben, die insbesondere durch die Mitwirkung der Beisitzer aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberkreisen gewährleistet ist, haben sich diese Gerichte durch ihre lebensnahe Rechtsprechung in weitem Maße das Vertrauen der werktätigen Bevölkerung erworben.
Wie Ihnen erinnerlich sein wird, ist die nach der Kapitulation zunächst zum Stillstand gekom({0})
meng Arbeitsgerichtsbarkeit durch das Kontrollratsgesetz Nr. 27 wieder ins Leben gerufen worden. Auf der Grundlage dieses Gesetzes sind dann in einer Reihe von Ländern eigene Arbeitsgerichtsgesetze erlassen worden, die zum Teil voneinander abweichen. Durch diese Entwicklung ist teilweise eine Zersplitterung des Rechts eingetreten. Darüber hinaus hat das Fehlen einer obersten Instanz für Arbeitssachen zur Folge gehabt, daß in wichtigen Fragen des Arbeitsrechts eine einheitliche Rechtsprechung innerhalb des Bundesgebietes nicht mehr gewährleistet war. Dies hat zu dem dringenden Wunsch nach einer bundeseinheitlichen Arbeitsgerichtsregelung und nach der Einrichtung eines Bundesarbeitsgerichts geführt, das die Krönung eines organischen Aufbaues der Arbeitsgerichtsbarkeit bilden soll. Diesem Wunsch soll durch die Verabschiedung des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfes entsprochen werden.
In den verfahrensrechtlichen Vorschriften sind die mit der Kleinen Justizreform vom 1. Oktober 1950 eingeführten Neuerungen auf dem Gebiet des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Zivilprozeßordnung berücksichtigt worden. Es kann nicht Sache dieser kurzen Einführungsworte sein, zu den Einzelheiten des Gesetzentwurfs Stellung zu nehmen. Die Begründung, die dem Gesetzentwurf beigegeben ist, gibt Ihnen Auskunft über die Motive der Neuregelung. Ich darf auf diese Begründung besonders verweisen. Im Streit der Meinungen darüber, ob gemäß Art. 96 des Grundgesetzes eine einheitliche oberste Instanz für die Gebiete der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit geschaffen werden oder ob eine Trennung der beiden Gerichtsbarkeiten erfolgen soll, ist im Entwurf ein besonderes oberstes Gericht vorgesehen. Für Arbeits) sachen soll also hier eine besondere oberste Gerichtsbarkeit entstehen. Der Entwurf folgt damit dem Beschluß des Bundestages vom 24. Oktober 1951, der sich in diesem Sinne ausgesprochen hat.
Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß dieses neue Gesetz unserer durch Jahrzehnte bewährten Arbeitsgerichtsbarkeit wieder eine feste Grundlage gibt und eine einheitliche, weiterhin fortschrittliche Rechtsprechung in Arbeitssachen sichert.
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Vizeprasident Dr. Schäfer: Das Wort hat Herr Abgeordneter Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bedeutung des vorliegenden Entwurfs eines Arbeitsgerichtsgesetzes ist, wie der Herr Arbeitsminister soeben zum Ausdruck gebracht hat, besonders dadurch gegeben, daß nunmehr die in der Arbeitsgerichtsbarkeit fehlende Revisionsinstanz geschaffen werden soll. Das Fehlen der Instanz hat dazu geführt, daß die Rechtsprechung in Arbeitsstreitigkeiten die notwendige Einheitlichkeit vermissen ließ. Aber über diese Frage der Schaffung der Revisionsinstanz hinaus enthält das Gesetz in Abweichung von dem bisher Üblichen einige Neuerungen, die in den beteiligten Ausschüssen zweifellos noch eingehend diskutiert werden müssen.
Ich möchte auf einige Fragen hinweisen, die in der Diskussion wohl im Mittelpunkt stehen werden. Bisher waren in der Arbeitsgerichtsbarkeit in der ersten Instanz Rechtsanwälte nicht zugelassen. Der gleiche Grundsatz galt auch bei den früheren Gewerbegerichten und bei den Kaufmannsgerichten. Auch das Kontrollratsgesetz Nr. 21 hat diesen Zustand belassen. Nunmehr wird eine Regelung vorgeschlagen, nach der auch in der ersten Instanz Rechtsanwälte in der Arbeitsgerichtsbarkeit zugelassen werden sollen. Die Bundesregierung stützt sich bei diesem Vorschlag auf den Art. 3 des Grundgesetzes und glaubt, daß dieser Art. 3 des Grundgesetzes die Ausschaltung der Rechtsanwälte nicht mehr zuläßt. Es wird Aufgabe der Ausschüsse sein, zu überprüfen, ob diese Auffassung richtig ist. Darüber hinaus wird auch geprüft werden müssen, ob diese Regelung zweckmäßig ist.
Ein weiterer wichtiger Diskussionspunkt ist in § 18 Abs. 3 des Gesetzes enthalten. Hier wird verlangt, daß die Vorsitzenden der Arbeitsgerichte auch in der ersten Instanz die Befähigung zum Richteramt im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes besitzen. Zur Zeit besteht in allen Ländern außer einem Land im Bundesgebiet die Praxis, daß neben den genannten Personen auch solche zu Vorsitzenden der Arbeitsgerichte erster Instanz bestellt
erden können, die, ohne die Befähigung zum Richteramt im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes zu besitzen, besonders sachverständig auf dem Gebiete des Arbeitsrechts sind. Im Kontrollratsgesetz Nr. 21 war ausdrücklich noch die Bestimmung enthalten, daß diese Richter nicht Berufs- richter zu sein brauchen, daß sie aber eine ausreichende Befähigung in Arbeitsangelegenheiten haben müssen. Die bisherige Regelung beruht nicht nur auf der Tatsache, daß ein gewisser Mangel an Arbeitsrechtlern vorhanden ist, sondern sie ist auch darin begründet, daß eben diese Personen gezeigt haben, daß sie umfangreiche praktische Erfahrungen haben und eine umfassende Kenntnis des Arbeitsrechtes besitzen, und daß darüber hinaus die Kenntnis des praktischen Lebens doch zu einer wirklichkeitsnahen Rechtsprechung geführt hat. Ich weiß, daß da und dort Kritik eingesetzt hat, und es ist zweifellos auch manchmal ein Versagen festzustellen gewesen; aber generell kann man nur sagen, daß sich diese Regelung wohl in den meisten Fällen bewährt hat. Die Möglichkeit, solche Personen auch in Zukunft als Vorsitzende der Arbeitsgerichte erster Instanz zu bestellen, sollte erhalten bleiben. Der Bundesrat hat zu diesem Problem bereits Stellung genommen und vorgeschlagen, daß Personen, die mindestens fünf Jahre hauptberuflich bei Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern mit der Rechtsberatung in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten und mit der Vertretung vor Arbeitsgerichten beschäftigt waren, gleichfalls als Vorsitzende eines Arbeitsgerichtes der ersten Instanz berufen werden können. Wir sind der Meinung, man sollte diesen Vorschlag des Bundesrats nun nicht total übernehmen. Ich bin nicht der Auffassung, daß man hier auf die Tätigkeit in bestimmten Organisationen abstellen sollte. Entscheidend müßte die Erfahrung in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten sein. Ich kann mir vorstellen, daß solche Erfahrungen auch noch in anderen Tätigkeiten gesammelt werden können, und zwar über den Rahmen hinaus, wie er hier vom Bundesrat abgesteckt wurde. Aber es wird hier wohl eine Kompromißmöglichkeit gegeben sein.
Ein weiterer Vorschlag des Bundesrats verdient Beachtung. Es ist richtig, daß es die Arbeitsgerichtsbarkeit notwendig macht, daß zwischen den federführenden Ministerien, also den Arbeits- und den Justizministerien, ein gutes Zusammenspiel erfolgt. Zuständig ist zunächst einmal das Arbeitsministe({0})
rium. Es ist nun vorgesehen, daß in einer Reihe von organisatorischen Fragen ein Einvernehmen zwischen den Arbeitsministerien und den Justizministerien herbeigeführt werden muß. Es ist zu prüfen, ob diese Vorschrift das Verfahren nicht kompliziert, ob es nicht zweckmäßiger ist, entsprechend dem Vorschlage des Bundesrates hier das Wort „Einvernehmen" durch das Wort „Benehmen" zu ersetzen.
Lassen Sie mich auch wenige Worte zu dem Problem des Sitzes des Bundesarbeitsgerichts sagen. Wir wissen, daß diese Sitz-Fragen hier immer mit größter Lebhaftigkeit erörtert werden. Das Gesetz sieht vor, daß Kassel Sitz dieses Bundesarbeitsgerichts werden soll. Sie können sich erinnern, daß dieses Hohe Haus einmal die Bundesregierung aufgefordert hatte, einen Plan über die Verteilung der obersten Bundesbehörden vorzulegen. Schon damals hat man Kassel in Vorschlag gebracht, und ich glaube, man sollte von diesem Vorschlag nicht ohne Not abweichen. Kassel bietet für das Bundesarbeitsgericht eine gute Unterbringungsmöglichkeit; auch die sonstigen Voraussetzungen für eine gute Arbeit der Revisionsinstanz sind in Kassel zweifellos gegeben. Darüber hinaus dürfen wir nicht übersehen, daß Kassel auch zu den am schwersten beschädigten Städten in Deutschland gehört und schon darum hier eine Unterstützung verdient. Ich empfehle, dieser Regelung, wie sie von der Bundesregierung vorgeschlagen wird, zuzustimmen.
Der Bundesrat hat dagegen Bedenken geäußert. Er glaubt, das Bundesarbeitsgericht sollte zweckmäßigerweise in eine Universitätsstadt verlegt werden, um die Verbindung zwischen Wissenschaft und höchster Rechtsprechung möglichst eng zu gestalten. Ich darf daran erinnern, daß über diese Frage wiederholt diskutiert worden ist, auch bei der Entscheidung über den Sitz des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe. Hier ist man auch zu einer anderen Regelung gekommen. Man hat den Bundesgerichtshof an einem Ort untergebracht, in. dem gleichfalls keine Universität vorhanden ist. Ich glaube, daß eine ausreichende Möglichkeit zur Zusammenarbeit mit benachbarten Universitäten gegeben ist. Ich darf daran erinnern, daß in Hessen immerhin drei Universitäten vorhanden sind. Wenn nun gesagt wird, gerade die Universitäten böten die beste Möglichkeit, um das notwendige Material für die praktische Arbeit zu erhalten, so darf ich doch darauf hinweisen, daß es auch in Kassel einige ganz beachtliche Büchereien gibt, die zweifellos für die Arbeit herangezogen werden können. Es besteht in Kassel die städtische Murhardbibliothek, und es besteht in Kassel weiterhin die sehr bekannte Landesbibliothek. Ich glaube also, daß auch in Kassel die Voraussetzungen für ein gutes Arbeiten gegeben sind. Ich würde nochmals empfehlen, daß man bei dem Vorschlag der Bundesregierung bleibt.
Im übrigen bitte ich, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Arbeit federführend und zusätzlich noch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hat die Drucksache Nr. 3516 begründet. Wer diese Begründung der Bundesregierung, die der
Drucksache beiliegt, sehr eingehend gelesen hat, findet, wie sich die Bundesregierung eigentlich die Entwicklung auf dem arbeitsrechtlichen Gebiet in der Zukunft denkt. Man soll mit aller Deutlichkeit feststellen, daß das Arbeitsministerium - und ich glaube, der Herr Bundesarbeitsminister wird dem nicht widersprechen können - hier etwas unter den Schlitten gekommen und der Einfluß des Bundesjustizministeriums bei der Ausarbeitung dieses Gesetzes ziemlich entscheidend gewesen ist. Denn man vermeidet es ängstlich, in diesem Gesetz überhaupt die Einflußnahme der Arbeiterschaft festzulegen und die jahrzehntealten Forderungen der Gewerkschaftsbewegung gerade auf diesem Sektor zu berücksichtigen. Bereits in dem alten Arbeitsgerichtsgesetz, das vom Nationalsozialismus mit einem Federstrich außer Kraft gesetzt worden ist, waren die seit Jahren erhobenen Forderungen der Arbeiterschaft nicht, wenigstens nicht in entscheidenden Teilen, berücksichtigt worden. Nach dem Zusammenbruch 1945 wurde in der amerikanischen Zone am 3. Dezember 1946 das neue deutsche Arbeitsgerichtsgesetz verabschiedet. Die Vorarbeit dazu wurde von den Arbeitsministerien der Länder dieser Zone geschaffen. Die alten Forderungen der Arbeiterschaft wurden in einigen entscheidenden Punkten in dieses Gesetz eingebaut. Der Bundesregierung, in diesem Fall dem Herrn Bundesarbeitsminister im Einvernehmen mit dem Justizministerium, blieb es vorbehalten, all das Fortschrittliche, das in diesem Gesetz vorhanden war, wieder auszumerzen. Dabei wird sich kein vernünftiger Mensch gegen eine Koordinierung wenden. Kein vernünftiger Mensch wird sich dagegen wenden, daß Landesarbeitsgerichte und ein Bundesarbeitsgericht geschaffen werden, um eine einheitliche Rechtsprechung auf diesem Sektor zu gewährleisten. Es ist aber eine etwas zu vage Behauptung von seiten des Herrn Bundesarbeitsministers, zu sagen, daß dieses Gesetz als fortschrittliches Gesetz anzusprechen sei, während demgegenüber ein wirklich fortschrittliches Gesetz außer Kraft gesetzt wird. Jeder, der aus der Praxis kommt, weiß, daß die Arbeitsgerichte an sich in der allgemeinen Justizverwaltung sehr wenig zu tun haben, sondern dort geradezu wesensfremd sind und deswegen aus der Justizverwaltung herausgenommen werden müßten. In dem uns vorliegenden Gesetzentwurf knüpft man dort an, wo man 1933 stehen geblieben ist, und man wiederholt die alten Fehler, die in der Vergangenheit in der Praxis der Arbeitsgerichte eine verheerende Auswirkung gezeigt haben. Man unterstellt hier - und das ist ein ziemlich starker Vorgang - erneut wieder die Arbeitsgerichtsbarkeit der Justizverwaltung in einem ziemlich entscheidenden Maße und schafft damit einen Zustand, der auf die Arbeiterschaft direkt provozierend wirken muß.
({0})
- Meine Herren, Ihre Gesetze wirken wirklich nicht beruhigend! - Jeder weiß aus der Vergangenheit, wie unsozial und wesensfremd die Urteile der Justizrichter gerade aus der Weimarer Zeit auf diesem Sektor gewesen sind. Jeder weiß auch, daß die Arbeitsgerichte Tummelplatz der Unternehmersyndizi gewesen sind. Diesen unheilvollen Zustand stellt man mit diesem Gesetzentwurf wieder her und mißachtet in allen grundsätzlichen Fragen die Forderungen der Gewerkschaften.
Die Praxis in der amerikanischen Zone zeigt mit aller Deutlichkeit, daß es wirklich nicht notwendig ist, daß der Vorsitzende des Arbeitsgerichts
({1})
- der Kollege Sabel hat das bestätigt - die Befähigung zum Richteramt hat, vielmehr befähigt die notwendige praktische Erfahrung auf dem Gebiete des Arbeits- und Sozialrechts auch den Arbeiter, Vorsitzender eines Arbeitsgerichts zu sein. Ich weiß aus meinem Land, aus Baden-Württemberg, in dem von insgesamt 18 Arbeitsrichtern nur 2 Juristen waren, daß das Vertrauen der rechtsuchenden Menschen zu diesen Gerichten im Gegensatz zu früher bedeutend stärker gewesen ist.
Als drittes wird erneut der Zustand wiederhergestellt, daß die Zulassung von Rechtsanwälten bereits im ersten Rechtszug sichergestellt ist, während das Arbeitsgerichtsgesetz der amerikanischen Zone im ersten Rechtszug die Zulassung von Rechtsanwälten untersagt. Kein ernsthafter Mensch wird bestreiten wollen, daß nun das Übergewicht der Unternehmer gegenüber der Arbeiterschaft auf Grund ihrer finanziellen Stärke vor den Arbeitsgerichten wiederhergestellt ist, ein Zustand, der zu schwersten Bedenken Anlaß gibt. Man schraubt mit dieser Gesetzesvorlage das Arbeitsgerichtswesen wieder auf den Zustand zurück, den es bis zum Jahre 1933 gehabt hat.
Das vorliegende Gesetz ist gegenüber dem jetzt in Kraft befindlichen Gesetz in der amerikanischen Besatzungszone kein Fortschritt, sondern ein gewaltiger Rückschritt und zeigt mit eindeutiger Klarheit die katastrophale reaktionäre Politik auf dem Gebiet des Arbeits- und Sozialrechts, für das der Bundesarbeitsminister verantwortlich zeichnet.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem Artikel 96 des Grundgesetzes ist unter anderem ein oberes Bundesgericht für die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit zu errichten. Drei Jahre hat es gedauert, bis die Bundesregierung nun endlich einen Entwurf für ein Arbeitsgerichtsgesetz eingebracht hat. Ja, es war notwendig, daß die sozialdemokratische Fraktion durch ihren Antrag Drucksache Nr. 2331 die Bundesregierung endlich auf diesen Weg brachte. Obgleich der Bundestag am 24. Oktober 1951 in seiner 170. Sitzung den Beschluß gefaßt hat, die Bundesregierung möge dem Bundestag unverzüglich je einen Entwurf eines Arbeitsgerichtsgesetzes und eines Sozialgerichtsgesetzes unterbreiten, ist dies zu unserem großen Bedauern erst heute geschehen; aber auch nur zum Teil, denn heute beraten wir in erster Lesung nur den Arbeitsgerichtsgesetzentwurf. Meine Fraktion erwartet aber dringend von der Bundesregierung, daß dem Bundestag umgehend auch der Entwurf für ein Sozialgerichtsgesetz unterbreitet wird, damit diese Angelegenheit ebenfalls baldigst ihre Erledigung findet. Sie ist für die Betroffenen genau so dringlich wie das Arbeitsgerichtsgesetz.
Nun zu dem Entwurf. Der Entwurf enthält eine Menge Bestimmungen, die mehr formaler Art sind, wie Bestimmungen über die Errichtung der Arbeitsgerichte, über etwaige Zweigstellen, über die Durchführung von Gerichtstagen, über die Errichtung der Landesarbeitsgerichte, über die Einrichtung von Kammern der verschiedensten Art usw.. Wir fragen uns: warum sollen über diese Fragen zwei Ministerien in den Ländern und beim Bund in Bewegung gesetzt werden? Warum soll bei all diesen Fragen das Bundesjustizministerium
oder, wenn es sich um Länderangelegenheiten handelt, die Länderjustizministerien, erst ihr Einvernehmen gegenüber dem federführenden Arbeitsministerium zum Ausdruck bringen müssen? Warum überläßt man diese Fragen nicht der alleinigen Zuständigkeit des Arbeitsministeriums, so wie es bei den anderen Sondergerichtsbarkeiten ja auch der Fall ist? Auch dort haben die Fachminister die Entscheidung über diese Fragen.
Auf der anderen Seite will ich gern zugeben, daß es auch Angelegenheiten gibt - wie die Berufung der Vorsitzenden oder wie die Festsetzung der Gebühren für die 'Beisitzer usw. -, in denen man sich mit dem Justizministerium der Länder oder des Bundes verständigen sollte. Aber da sollte man doch die gesetzliche Regelung 'derart gestalten, daß man sagt: das betreffende Arbeitsministerium hat die Angelegenheit im Benehmen mit dem Justizministerium zu regeln. Ich glaube, des genügt, um hier eine gegenseitig abgestimmte Regelung zu erreichen. Wir werden unsere Anträge in den Ausschußberatungen unterbreiten, und wir hoffen - nach der Diskussion dürfen wir diese Hoffnung aussprechen -, daß wir eine Zustimmung finden.
Nun sind noch andere wichtige Fragen in diesem Gesetz anders geregelt als in 'dem seither geltenden Recht. Das trifft insbesondere auf den § 11 Abs. 1 zu. § 11 Abs. 1 besagt
Die Parteien können vor den Arbeitsgerichten den Rechtsstreit selbst oder durch jede prozeßfähige Person als Bevollmächtigten führen.
Ich möchte ausdrücklich feststellen, daß dies gegenüber dem seither geltenden Recht eine Neuerung ist, gestützt auf 'das Kontrollratsgesetz, auf die Ländergesetze in Süddeutschland oder die früheren Arbeitsgerichtsgesetze. Das erste Arbeitsgerichtsgesetz vom 23. Dezember 1926 sowie das Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung vom 10. April 1934, das 'bereits von mir erwähnte Kontrollratsgesetz und die Ländergesetze enthalten eine derartige Bestimmung nicht. Sie sagen im Gegenteil, daß von der Vertretung in der ersten Instanz bestimmte Personengruppen ausgeschlossen sind, und sie meinen damit die Rechtsanwälte und die Rechtsbeistände. Als Vertretung für die streitenden Parteien lassen sie lediglich Angestellte oder Mitglieder von wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber zu.
Dieses Recht gilt für das gesamte Reichsgebiet - jetzt Bundesgebiet - seit 1926. Dieses Recht hat sich auch - das 'kann man doch allgemein sagen - bewährt. Es hat sich deshalb bewährt, weil eben Arbeitsgerichtsstreitigkeiten Streitigkeiten besonderer Art sind, die meistens die Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber regeln und die durch ein einfaches, schnell arbeitendes und wenig Kosten verursachendes Verfahren durchgeführt werden. Wir wollen gar keine Anklagen oder Vorwürfe gegen irgendeine Seite von Rechtsvertretern erheben. Aber eine einfache, schnelle und billige Durchführung läßt sich ohne Zweifel nur ermöglichen, wenn man das Verfahren, wie es seit 1926 angewandt wurde, auch in Zukunft in dem Bundesarbeitsgerichtsgesetz wieder festlegt. Wir haben nur das eine Interesse: daß die Betroffenen, ob es Arbeitgeber oder Arbeitnehmer sind, ihr Recht in einfacher Form möglichst 'schnell und billig erlangen können. Deshalb würden wir es sehr begrüßen, wenn bei den Ausschußberatungen eine Fassung gefunden würde, die den alten Rechtszustand aufrechterhält.
({0})
Eine zweite, auch schon von dem Herrn Kollegen Sabel angesprochene Frage ist die im § 18 Abs. 3 niedergelegte Bestimmung über die Vorsitzenden bei den Arbeitsgerichten erster Instanz. Nach dieser Bestimmung sollen Vorsitzende in der ersten Instanz nur Personen sein, die die Befähigung zum Richteramt nach den Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes haben. Wir glauben, daß wir im Gesetz das nicht so uneingeschränkt festlegen sollten. Seitdem seit 1945 wieder Arbeitsgerichte in der gesamten Bundesrepublik errichtet werden können, ist gesetzlich festgelegt, daß Personen, die auf Grund ihrer früheren Tätigkeit, ihrer Ausbildung oder den Obliegenheiten, die sie in Arbeitsangelegenheiten in Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberverbänden hatten, dazu befähigt sind, richterliche Aufgaben wahrnehmen können. Die Berufsrichter sind nicht ausgeschlossen, sondern man hat hier bewußt Personen, die auf Grund ihrer Tätigkeit in Arbeitsangelegenheiten Erfahrungen sammeln konnten und gesammelt haben, mit den Berufsrichtern gleichgestellt. Wir haben schon in der Diskussion gehört, daß sich diese Einrichtung bewährt hat. Wir sehen nicht ein, daß wir etwas, was sich bewährt hat, wieder beseitigen.
In der Begründung zu dem Regierungsentwurf Drucksache Nr. 3516 heißt es auf Seite 23, daß nach den Bestimmungen des Kontrollratsgesetzes Nr. 21 sowohl Personen mit der Befähigung zum Richteramt als auch Personen, die besonders qualifizierte Nichtjuristen sind, als Vorsitzende tätig sein können. Es heißt dann weiter:
Im Hinblick darauf, daß sich unter den nicht
juristisch vorgebildeten Vorsitzenden der Arbeitsgerichte, die zur Zeit im Amt sind, bewährte Kräfte befinden, die sich in langjähriger Tätigkeit in die Wahrnehmung richterlicher Aufgaben gut eingearbeitet haben, erscheint es billig, durch eine Übergangsregelung diesen Personen das Verbleiben in der Arbeitsgerichtsbarkeit als Vorsitzende von Arbeitsgerichten zu ermöglichen.
Ein besseres Lob und eine bessere Anerkennung der Tätigkeit dieser Nichtjuristen in den Jahren, in denen schwere Aufbauarbeit zu leisten war, konnte nichtausgesprochen werden. Es wäre ungerecht, wenn man trotz dieser Feststellungen und Erkenntnisse in Zukunft alle Personen, die die Befähigung zum Richteramt nicht haben, kraft Gesetzes ausschließen wollte. Hier sollte man gleiches Recht für alle gelten lassen, für diejenigen, die sich durch ihre praktische Arbeit bewährt haben, genau so wie für diejenigen, die studiert und ihre Prüfungen abgelegt haben.
Anders liegen 'die Verhältnisse natürlich bei den Berufungsinstanzen, den Landesarbeitsgerichten, und bei der Revisionsinstanz. Diese Feststellung gilt ausdrücklich nur für die erste Instanz. Wir hoffen, daß der zuständige Ausschuß; der Ausschuß für Arbeit, unserer Meinung in den vorstehenden Fragen beipflichtet, damit wir ein wirklich fortschrittliches Arbeitsgerichtsgesetz in kürzester Zeit möglichst einmütig im 'Bundestag verabschieden können.
Was die anderen Fragen anlangt, so werden sie im Ausschuß beraten werden und ihre Regelung finden. Auch die Frage des Sitzes dürfte im Ausschuß wohl im Sinne der Vorlage gelöst werden.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Wir haben stets den Grundsatz der Einheit der Justiz vertreten. Das Arbeitsgerichtsgesetz von 1926 hat diesem Grundsatz im großen und ganzen auch entsprochen. Es hat sich, wie von allen Seiten hier bekundet worden ist, bewährt und ein hohes Maß von Rechtssicherheit geschaffen. Im Gegensatz dazu haben die Kontrollratsgesetze nicht etwa nur, wie der Herr Arbeitsminister erklärt hat, Verwirrung geschaffen, sondern sogar sehr viel Schaden angerichtet.
Wir erkennen durchaus an, daß für die Arbeitsgerichtsbarkeit Sonderregelungen getroffen werden müssen. Die Arbeitsgerichte müssen auf die bei ihnen auftretenden Personenkreise zugeschnitten sein, die ihr Recht häufig nicht in der gleichen Form wahrnehmen können. Die Arbeitsgerichte müssen schnell und, wie Herr Kollege Richter mit Recht gesagt hat, billig arbeiten. Die schnelle Urteilsfindung ist hier besonders wichtig. Das läßt sich aber alles im Rahmen der allgemeinen Rechtsordnung regeln, und wir treten deshalb für eine Unterstellung auch dieser Gerichtsbarkeit unter das Justizministerium ein. Damit würden die Differenzen, die hier von den Herren Kollegen Sabel und Richter hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den beiden aufsichtsführenden Ministerien aufgezeigt worden sind, ohne weiteres oder jedenfalls viel leichter zu regeln sein.
({0})
- Ja, da sind wir verschiedener Meinung, Herr Sabel.
({1})
Deswegen entspricht auch die Regelung in dem Gesetzentwurf nicht unseren Wünschen.
Wir stimmen dagegen der Regelung, die in § 18 vorgesehen ist, voll und ganz zu. Wir sind der Ansicht, daß auch in der ersten Instanz allein der zum Richteramt befähigte Richter den Vorsitz führen soll. Die Interessen der beteiligten Sozialpartner sind ja durch die von ihnen zu stellenden Beisitzer gewahrt. Ich sehe keine Notwendigkeit ein, daß andere Personen, solche, die aus einem anderen Berufskreis kommen, nun plötzlich auch die Aufgaben des Vorsitzenden wahrnehmen. Man kann hier nicht von einem sogenannten Juristenmonopol sprechen. Auch ich bin der Ansicht, daß an manchen Stellen zu Unrecht die Forderung nach Volljuristen erhoben wird. Hier handelt es sich aber um die ureigenste Aufgabe des Juristen, Recht zu sprechen. Das trifft auch für das Arbeitsgericht zu, nicht nur für die ordentlichen Gerichte
Auch der Regelung des § 11, die der Gesetzentwurf gefunden hat, stimmen wir zu. Wir halten es für eine gute Fortentwicklung der bisherigen Regelung, daß sich auch in erster Instanz Rechtsuchende durch einen Anwalt vertreten lassen können. Es handelt sich ja nur darum, daß sie es „können". Die Vertretung durch die Angehörigen der Sozialpartner bleibt ja bestehen und wird die Regel bleiben; aber einem Rechtsuchenden, der nicht die Möglichkeit hat, sich von solchen Personen vertreten zu lassen, muß die Möglichkeit gegeben werden, sich auch in der ersten Instanz von einem Anwalt vertreten zu lassen.
Wir stimmen auch der hier vorgesehenen Tren- nung eines obersten Arbeitsgerichts von einem
({2})
obersten Sozialgericht zu. Das entspricht ja unserer alten Forderung.
Wir haben aber noch eine Reihe von besonderen Änderungswünschen, die zum Teil nur technischer Art sind und die ich hier nicht im einzelnen vortragen will. Alle diese Änderungswünsche haben nur das eine Ziel, eine objektive, unabhängige und unpolitische Rechtsfindung zu erreichen, die unparteiisch, lebensnahe und von wirtschaftlichem und sozialem Verständnis getragen ist.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schuster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf behebt, sofern er Gesetz wird, eine Reihe von Mängeln, die den zur Zeit gültigen Gesetzen anhaften. Eine baldige Verabschiedung des Gesetzes wäre um so begrüßenswerter, als doch der Arbeitsgerichtsbarkeit in Bälde, d. h. nach Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes, noch wesentlich mehr Bedeutung zukommen wird, als das bisher schon der Fall war.
Einer der Hauptmängel bisheriger gesetzlicher Regelungen wird unserer Ansicht nach dadurch behoben, daß es nach diesem neuen Gesetz - 'wenigstens dem Entwurf nach - keine Laienvorsitzenden mehr geben soll. Es ist uns nicht ganz verständlich, meine Damen und Herren, daß hier von einigen Rednern zwar die Bedeutung der Arbeitsgerichte ganz besonders hervorgehoben wurde - was wir voll und ganz unterstreichen -, man sich andererseits aber mit Laienvorsitzenden begnügen will. Man hat doch schon im Jahre 1926 den) Arbeitsgerichten solche Bedeutung beigemessen, daß man damals bereits im Gesetz festlegte, daß nur rechtsgelehrte Richter als Vorsitzende tätig sein können. Wir können doch nicht heute den Arbeitsgerichten weniger Bedeutung beimessen.
Ein anderer Punkt ist die Zulassung von Anwälten in erster Instanz. Zugegeben, für Parteien, die organisiert sind, seien es Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, erscheint das nicht so wichtig. Aber es sind bei weitem nicht alle Arbeitnehmer und auch nicht alle Arbeitgeber organisiert. Um diese handelt es sich hier ja in der Hauptsache; diese müssen doch die Möglichkeit haben, sich durch einen Anwalt vertreten zu lassen, wenn sie sich selber dazu nicht in der Lage sehen, da sie sonst doch einen ganz gewaltigen Nachteil_ haben.
Ebenso zu begrüßen ist die Schaffung einer Bundesinstanz. Über die Notwendigkeit braucht man nicht viel zu sagen; mehrere verschiedene Urteile in gleichgelagerten Fällen in verschiedenen Ländern in der letzten Zeit unterstreichen sie ganz besonders. Was uns aber nicht ganz gefällt, ist die Begrenzung der Berufungsmöglichkeit zur Bundesinstanz. Wenn man auch die Begrenzung der Berufung zum Landesarbeitsgericht auf 300 DM noch hinnehmen will und kann, so geht uns die Begrenzung der Berufungsmöglichkeit zur Bundesinstanz, wie sie im Entwurf vorgesehen ist, ein bißchen zu weit. Es ist hier doch sozusagen in das Ermessen des Landesarbeitsgerichts gestellt, ob die Berufung zugelassen werden soll. Und was die zweite Möglichkeit betrifft - den Fall, daß das Urteil des Landesarbeitsgerichts einer Entscheidung der Bundesinstanz widerspricht -, so wird es eine ganze Weile dauern, bis die Bundesinstanz entsprechende Entscheidungen überhaupt getroffen hat. - Hier wird also unserer Meinung nach im Ausschuß irgendeine andere Regelung gefunden werden müssen.
Im großen und ganzen sind wir der Meinung, daß die Arbeitsgerichtsbarkeit bei der ganz besonderen Bedeutung, die ihr zukommt, der ordentlichen und der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht nur möglichst angeglichen, sondern ihr möglichst gleichgestellt werden soll. Das Arbeitsgericht ist das einzige Gericht, das Zivilansprüche zu regeln hat, das nicht direkt den Justizbehörden unterstellt ist. Wir werden deshalb dafür plädieren oder wenigstens im Ausschuß den Versuch machen, zu erreichen, daß auch die Arbeitsgerichte direkt der Justizverwaltung unterstellt werden, nicht dem Arbeitsministerium. Es sind ja auch die übrigen Gerichte, z. B. das Jugendgericht, nicht dem Arbeitsministerium, es ist auch das Bauerngericht nicht dem Landwirtschaftsministerium unterstellt. Beim Arbeitsgericht liegt also die einzige Ausnahme vor.
Wir werden im Ausschuß die entsprechenden Änderungsanträge stellen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen. Es ist beantragt worden, die Vorlage dem Ausschuß für Arbeit federführend und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zuzuleiten. Ich bitte diejenigen, die dem Beschluß zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit. Dann ist es so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Ablauf der durch Kriegsvorschriften gehemmten Fristen in der Sozial- und Arbeitslosenversicherung ({0}).
Hierzu hat die Bundesregierung auf die schriftliche Begründung verwiesen. Der Ältestenrat war der Meinung, daß in diesem Falle auf eine mündliche erste Beratung verzichtet werden könnte und schlägt die Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik als federführenden Ausschuß und ferner an den Ausschuß für Arbeit vor. - Es wird nicht widersprochen. Ich nehme das als Zustimmung des Hauses an.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk ({1}).
Der Ältestenrat hat eine Gesamtaussprachezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Zur Begründung hat Herr Bundesarbeitsminister das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der Währungsumstellung im Jahre 1948 und durch die im Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz erfolgte Beitragserhöhung in der Angestelltenversicherung hat sich die Notwendigkeit einer Änderung des Handwerkerversorgungsgesetzes ergeben. Auch wird seit Jahren vom Handwerk eine Auflockerung der Versicherungspflicht für den einzelnen Handwerker gewünscht. Diesen Erfordernissen trägt ebenfalls der Beschluß des Deutschen Bundestages vom 17. Januar 1951 Rechnung, mit dem die Bundesregierung ersucht wird, den Entwurf zu
({0})
einem Änderungsgesetz im Sinne einer weitgehenden Auflockerung der Versicherungspflicht vorzulegen.
Von seiten des Handwerks sind der Bundesregierung und dem Bundesarbeitsministerium über die allgemein für notwendig gehaltenen Änderungen hinaus noch sehr weitgehende Forderungen unterbreitet worden. Hierbei handelt es sich erstens um eine Frage, die man sehr wohl erörtern kann, nämlich darum, ob man nicht auch die Invalidenversicherung in die Handwerksversorgung einbeziehen soll. Zweitens wird Befreiung von der Versicherungspflicht beim Vorhandensein einer aus eigenem Vermögen gegebenen ausreichenden Altersversorgung gefordert. Wir haben allerdings in unserer Generation zweimal erlebt, daß nicht immer eine Vermögenssubstanz auch eine unbedingte Sicherung für den Lebensabend gibt. Drittens wünscht das Handwerk Aufrechterhaltung der Versicherungspflicht nur bis zur Erfüllung einer fünfjährigen Wartezeit. Wenn man sich das richtig vorstellt, bedeutet es doch nichts anderes, als daß man sagt: Solange Pflichtversicherung, bis die Anwartschaft erworben ist, und dann keine Pflichtversicherung mehr; also die Möglichkeit, sich mit Beiträgen frei willig weiter zu versichern, die unter den eigentlichen Pflichtbeiträgen für den Pflichtversicherten liegen. Viertens wird vorgeschlagen, daß die Aufwendungen zur Lebensversicherung in ihrer Höhe nicht mehr den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung zu entsprechen brauchen. Also auch hier möchte man eine andere Regelung haben, als sie für den Pflichtversicherten im allgemeinen gegeben ist.
Die Einführung dieser Sonderrechte für die Handwerker im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung wäre nur möglich, wenn die Einnahmen und Ausgaben für Handwerkerversicherungen getrennt geführt würden, d. h. wenn wir für die Versorgung des Handwerks einen besonderen Versicherungsträger errichteten. Schon nach den bisherigen Erfahrungen kann festgestellt werden, daß bei der gegenwärtigen Rechtslage, die den Handwerkern die Möglichkeit der Befreiung von der Versicherungspflicht durch Abschluß eines Lebensversicherungsvertrages bietet, sowohl hinsichtlich der Einkommensgliederung als auch der Altersgruppierung sich eine Selbstauslese ergeben hat, welche die Angestelltenversicherung ungünstig beeinflußt. Es ist doch praktisch so, daß einen Lebensversicherungsvertrag nur derjenige abschließen kann, der auf Grund einer ärztlichen Untersuchung als gesund bezeichnet wird, während diejenigen, die bereits einen gesundheitlichen Knacks haben, in die Angestelltenversicherung übernommen werden müssen. Obwohl wir hier sehr große Bedenken haben, haben wir es doch in dem Gesetzentwurf dabei belassen, daß der Handwerker zwischen einer Lebensversicherung und einer Versicherung in der Angestelltenversicherung wählen kann.
Es sind auch Forderungen laut geworden, die darauf hinzielen, das Handwerkerversorgungsgesetz im Interesse der Angestelltenschaft ganz aufzuheben. Dem glaubt die Regierung nicht folgen zu können. Wenn die Handwerker auch zu den wirtschaftlich Selbständigen gehören, so wird doch nicht zu übersehen sein, daß es im Handwerk weite Kreise gibt, die eines Versicherungsschutzes dringend bedürfen.
Im einzelnen sieht der Gesetzentwurf folgende grundsätzlich neuen Regelungen für die Altersversorgung des Handwerks vor. Während bisher alle Handwerker ohne Rücksicht auf die Höhe und Art ihres Einkommens der Versicherungspflicht unterlagen, soll in Zukunft entsprechend dem Wunsch nach Auflockerung die Versicherungspflicht auf solche Handwerker beschränkt werden, deren Einkommen im Gewerbebetrieb die Jahresarbeitsverdienstgrenze in der Angestelltenversicherung nicht überschreitet. Wir wollen also nicht mehr, daß derjenige, der einen größeren Betrieb hat und ihn als Handwerksbetrieb bezeichnet, versicherungspflichtig sein soll, während die Versicherungspflicht nicht mehr besteht, wenn er ihn als Industriebetrieb benennt. Wir wollen hier den Wünschen des Handwerks entsprechen. Wenn das Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze in der Angestelltenversicherung liegt, sollen die Leute nicht mehr versicherungspflichtig sein.
Zweitens ist in dem Gesetzentwurf vorgesehen, daß, wenn der Handwerker an Stelle der Angestelltenversicherung eine Lebensversicherung abschließen will, die Mindestkapitalsumme nicht mehr 5000 DM, sondern 10 000 DM betragen soll. Wir sind der Meinung, daß eine Kapitalversicherung in Höhe von 5000 DM bei den heutigen Verhältnissen nicht als Altersversorgung angesprochen werden kann.
Drittens ist für ältere Handwerker und solche, deren Lebensversicherungen durch die Währungsreform abgewertet sind, eine Reihe von Auflockerungen und Erleichterungen vorgesehen. Es ist ganz klar, daß diejenigen Handwerker, die in der nationalsozialistischen Zeit an Stelle der Versicherung in der Angestelltenversicherung eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, durch die Abwertung bei den Lebensversicherungen heute in eine besonders große Notlage geraten sind. Der Gesetzentwurf versucht, dieser Gruppe zu helfen. Es wird noch einer sehr weitgehenden Aussprache in den Ausschüssen bedürfen, um hier die richtige Linie zu finden, die endgültig Gerechtigkeit schafft.
Mit dem Gesetz soll dem Handwerk bei möglichst weitgehender Auflockerung der bisherigen gesetzlichen Regelung eine Alters- und Hinterbliebenenversorgung geboten werden, die jedem einzelnen Handwerker bei durchaus zumutbaren Aufwendungen ein Mindestmaß an sozialer Sicherheit gewährleistet. Die Änderungsvorschläge des Bundesrats sind nicht wesentlich materiellen Inhalts. Ihnen konnte zum Teil zugestimmt werden. Auf die Stellungnahme der Bundesregierung zu den Vorschlägen des Bundesrats mache ich noch besonders aufmerksam.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Etzel ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, daß der lang erwartete Entwurf eines Änderungsgesetzes über die Alterversorgung des Handwerks nunmehr im Bundestag eingebracht und damit die in den beteiligten und betroffenen Kreisen wegen des künftigen Schicksals der Altersversorgung herrschende Unsicherheit und Unruhe beseitigt wird. Wenn er auch nicht alle berechtigten Hoffnungen des Handwerks und seiner Vertretungen erfüllt, so muß doch gewürdigt werden, daß er sich bemüht, den Wünschen des Handwerks Rechnung zu tragen, und daß er gegenüber der gegenwärtigen Rechtslage einen beachtlichen Fortschritt bedeutet.
({0})
So ist anzuerkennen, daß durch die Einführung einer Versicherungspflichtgrenze, durch Befreiung für 60jährige und durch die Ermöglichung einer Nachentrichtung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung für 50jährige eine beträchtliche Auflockerung der Versicherungspflicht erfolgt ist. Erfreulich ist auch die vorgesehene Übergangsregelung für die ursprünglich versicherungsfreien Handwerker, die infolge der Abwertung des Lebensversicherungsanspruchs oder infolge der Erhöhung der Beiträge der Angestelltenversicherung den Voraussetzungen für ihre Versicherungsfreiheit nicht mehr genügen. Durch sie wird die bisher von der Mehrzahl der Landesversicherungsanstalten nach Verwaltungsermessen geübte übergangsweise Freistellung auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
Dagegen ist zu bedauern, daß sich der Entwurf nicht dazu entschließen kann, den Handwerkern die volle Freiheit der Wahl zwischen der Lebens-, der Angestellten- und der Invalidenversicherung zu lassen, der sie schon als Lehrling und als Geselle angehört haben. Darum wäre auch die Aufhebung oder die Änderung des § 26 Abs. 1 Ziffer 1 der Ersten Durchführungsverordnung vom 13. Juli 1939 ins Auge zu fassen. Die Verdoppelung des Mindestbetrages der Lebensversicherungssumme von bisher 5000 auf 10 000 DM und bei Halbversicherung von 2500 auf 5000 DM geht meines Erachtens zu weit. Sie kann auch nicht mit der Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung begründet werden. Eine Heraufsetzung auf 8000 und 4000 DM erscheint ausreichend. An dem wichtigen Problem einer angemessenen Aufwertung der von den Handwerkern in Erfüllung der Versicherungspflicht nach dem 1. Januar 1939
eingegangenen Lebensversicherungen geht der Entwurf vorbei. Der Herr Bundesminister für Arbeit hat am 19. März, nachdem er auf die Mitzuständigkeit der Bundesminister der Finanzen und für Wirtschaft hingewiesen hatte, vor dem Hohen Hause erklärt:
Wenn sich bei der Behandlung des Gesetzes im Ausschuß herausstellt, daß die gesetzliche Regelung auf die Lösung dieser Frage ausgedehnt werden muß, müssen wir eben prüfen, ob für diesen Teil der Handwerkerversicherung ein besonderes Gesetz gemacht werden soll oder ob wir die Regelung in den vorliegenden Gesetzentwurf einbauen können.
Ich möchte annehmen, daß in den Ausschußberatungen die Notwendigkeit einer Aufwertung bejaht und diese dann ohne Seitenblicke auf den § 365 des Lastenausgleichsgesetzes in Angriff genommen wird.
Die Beratungen werden sich auch mit dem Antrag des Bundesrates zu beschäftigen haben, nach dem über die Vorschriften der Regierungsvorlage hinaus für alle bei dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes bereits 60 Jahre alten Handwerker die Möglichkeit einer Befreiung auf Antrag vorgesehen werden soll.
Es ist zu wünschen, daß die Beratung des Gesetzentwurfes alsbald nachdrücklichst aufgenommen und nachhaltig betrieben werden kann. Seine auf die Verhältnisse und berechtigten Wünsche des Berufsstandes Rücksicht nehmende Gestaltung wird einen wesentlichen Beitrag zur sozialen Befriedung und Existenzsicherung bedeuten und als Beweis des von der Bundesregierung und dem Bundestag wiederholt bekundeten Willens zur
Stützung und Förderung der Mittelschichten aufgenommen werden.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Eickhoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei steht diesem Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das Deutsche Handwerk mit einiger Skepsis gegenüber; sie ist nämlich der Meinung, daß es für das Handwerk besser wäre, von sich aus diese Altersversorgung in eigene Selbstverwaltung zu nehmen, weil sie es nicht ganz versteht, daß eine große Gruppe selbständiger Unternehmer zwangsweise in eine Pflichtversicherung gebracht wird, wogegen bei allen anderen selbständigen Berufsgruppen dieser Zwang nicht ausgeübt wird. Meine Freunde wissen allerdings auch, daß die Einkommensverhältnisse gerade im Handwerk sehr unterschiedlich sind und daß für die Altersversorgung namentlich der niedrigen Einkommensgruppen etwas getan werden muß.
In dem vorliegenden Gesetzentwurf sehen wir gegenüber dem alten Gesetz insofern eine bedeutende Verbesserung, als der Forderung des Handwerks nach einer Freigrenze für die Versicherungspflicht entsprochen ist. Alle besser verdienenden Handwerksmeister mit einem Einkommen, das auch die Angestellten versicherungsfrei läßt, sind also keinem Zwang mehr unterworfen.
Ob nun auch die übrigen Wünsche des Handwerks, die in dieser Vorlage noch nicht berücksichtigt sind, verwirklicht werden können, wird in den zuständigen Ausschüssen einer eingehenden Prüfung unterzogen werden. In der Begründung zu dem Gesetz wird gesagt, wie Herr Minister Storch eben auch ausführte, daß bei Berücksichtigung dieser Wünsche eventuell ein eigener Träger für die Handwerkerversicherung geschaffen werden müßte. Es wäre für das Handwerk zu überlegen, ob nicht für das Gesamthandwerk etwas Ähnliches geschaffen werden könnte, wie wir es z. B. bei den Bäckern mit der Pensionskasse des Bäckerhandwerks heute schon haben, die sich bekanntlich sehr segensreich ausgewirkt hat. Das Wertvollste an der jetzigen Vorlage sind zweifellos die Übergangsbestimmungen, die unter das bisher Gewesene bei Nichterfüllung der Beitragszahlung einen Strich ziehen. Durch das Vorgehen einiger Landesversicherungsanstalten ist eine Unruhe und Unzufriedenheit in weite Kreise des Handwerks getragen worden, die unerträglich wurde, die jetzt aber endgültig weichen wird und viele Handwerker wieder aufatmen läßt.
Ich habe vorher schon gesagt, daß diese Vorlage meine Fraktionsfreunde nicht ganz befriedigt. Wir sehen in ihr nur eine Notlösung der Nachkriegszeit, werden in den zuständigen Ausschüssen an diesem Gesetz aber intensiv mitarbeiten, ohne es als eine glückliche Lösung zu empfinden.
Ich bitte, dieses Gesetz an die Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Sozialpolitik zu überweisen, und hoffe, daß auch der Unterausschuß für Handwerkerfragen mit diesem Gesetz befaßt wird.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Becker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der Altersversorgung des deutschen Handwerks wird heute nicht zum erstenmal hier in diesem Hause behandelt. Ich darf insbesondere auf die Beratung vom 19. März dieses Jahres und die verschiedenen Eingaben verweisen, die von den verschiedenen Seiten dieses Hauses zu diesem Thema bereits gekommen sind.
Grundsätzlich möchte ich sagen, daß wir den vorliegenden Gesetzentwurf begrüßen, weil jetzt endlich Ordnung und Ruhe in Handwerkskreisen eintreten kann. Diese Ordnung, .glaube ich, ist eine sozialpolitische Notwendigkeit.
Im Jahre 1949 hat der damalige Wirtschaftsrat das Sozialversicherungsanpassungsgesetz geschaffen. Ich glaube, genau so notwendig war und ist ein Altersversorgungsanpassungsgesetz. Wir wissen zwar, daß in Handwerkskreisen keine einheitliche Auffassung über die Altersversorgung besteht. Das liegt nun einmal in der wirtschaftlichen, in der sozialen und sonstigen Verschiedenheit der einzelnen Berufssparten, aber auch der einzelnen Berufsangehörigen begründet. Wenn mein Vorredner, der Herr Kollege Eickhoff, angeführt hat, daß ein - ich möchte aber sagen kleinerer - Teil des Handwerks die völlige Freiheit und die Aufhebung des Gesetzes vom 21. Dezember 1938 wünscht, dann möchte ich von mir aus sagen, daß sich zu dieser Argumentation vielleicht manches sagen läßt. Auch unser Kollege Eickhoff weiß ja, daß wir uns gerade in den letzten Tagen unter uns Handwerkerabgeordneten über dieses Problem eingehend ausgesprochen haben.
({0})
Trotzdem läßt sich noch mehr gegen eine solche
Lösung sagen. Ich möchte aber hier in der ersten
Lesung dieses Problem nicht allzu sehr vertiefen.
Der Vorschlag einer eigenen Versicherung, d. h. in eigener Zuständigkeit und Verantwortlichkeit, findet wohl Befürworter im Handwerk, noch mehr aber in den Kreisen derer, die das Gesetz vom 21. Dezember 1938 als eine Belastung für die Angegestelltenversicherung ansehen. Ich möchte noch einmal wiederholen, es läßt sich manches dafür sagen, wenn ich nur an das Wort Solidarität des Berufsstandes oder aber an die Gefahr der Einheitszwangsversicherung denke, der ich durchaus nicht das Wort reden möchte. Aber all die vielfältigen Schwierigkeiten, die sich einer eigenen Versicherung entgegenstellen, sind wohl im Augenblick nicht zu überwinden.
Der überwiegende Teil des Handwerks hat die Notwendigkeit einer allgemeinen, auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Regelung der Altersversorgung des Handwerks erkannt, wie es auch in der Begründung des Gesetzentwurfs heißt. Aber alle im Handwerk sind sich wohl darüber einig, daß die starre, allzu zwangsmäßige Form des Gesetzes vom 21. Dezember 1938 gelockert werden muß. Wir wissen, daß von den einzelnen Handwerkern und auch von den Organisationen schon seit Jahren immer wieder - ich möchte sagen - an den Gitterstäben dieses allzu engen Gesetzes gerüttelt wird. Ich gebe gern zu und begrüße es, daß dieser Gesetzentwurf wertvolle Verbesserungen gegenüber dem bisherigen Gesetz bringt. Doch sind noch sehr viele berechtigte Wünsche offen geblieben. Sosehr
wir oder doch wenigstens viele Handwerker es begrüßen, daß die Versicherungspflichtgrenze gefallen ist, so müssen wir doch wieder fragen, wo die Erleichterung für einen großen Teil von Handwerkern bleibt, die auf andere Art und Weise für ihren Lebensabend vorgesorgt haben. Ich denke an den Teil unserer ländlichen Handwerker, die neben ihrem Handwerk Eigentum, Grundbesitz, Hausbesitz haben und die von jeher auf diese Art und Weise am besten für ihr Alter vorgesorgt haben. Dieser Menschenkreis hat zu leben, aber bei ihm wird das Wort „Geld" besonders groß geschrieben. Das gleiche gilt für diejenigen, die durch besondere Eigentumsverhältnisse oder sonstige Dinge für ihren Lebensabend vorgesorgt haben. Ich darf in dieser Beziehung nur auf meine Ausführungen anläßlich der Handwerkerdebatte am 19. März 1952 hinweisen. Ich möchte wiederholen, was ich damals sagte: Wir wollen doch die Schaffung und Erhaltung von Eigentum anerkennen und auch fördern.
Bei der Betrachtung dieses Gesetzentwurfs fragen wir uns: Warum keine Wahlfreiheit bezüglich der Invaliden- und Angestelltenversicherung, insbesondere bei denen, die schon Jahrzehnte als Lehrlinge oder Gesellen ihre Beiträge zur Invalidenversicherung entrichtet haben? Hierüber wird im Ausschuß noch manches zu sagen sein. Ich gebe gern zu, wie es auch meine beiden Herren Vorredner getan haben, daß insbesondere die Übergangsvorschriften Erleichterungen vor allem für unsere älteren Handwerkskollegen bringen. Nur möchte ich meinen, daß die Fristen, die in diesem Entwurf genannt sind, verlängert werden müssen, da ja in den nächsten Wochen doch noch nicht mit einer Verabschiedung zu rechnen ist.
Aber lassen Sie mich eines sagen: Wir bedauern es wohl alle lebhaft, daß die Aufwertung der Lebensversicherungen für die ab 1938 zwangsversicherten Handwerker nicht gleichzeitig mitangepackt wurde.
({1})
Ich möchte sagen, das ist ja die große Sorge, insbesondere unserer älteren Handwerkskollegen.
({2})
Jeder von Ihnen, ganz gleich, auf welche Seite dieses Hauses Sie sitzen, Sie alle haben doch schon mehr oder weniger Briefe mit den Klagen älterer Handwerkskollegen bekommen. Deshalb hätte ich es gern gesehen, daß gleichzeitig mit diesem Gesetzentwurf dieses Problem angeschnitten worden wäre.
Ich möchte nicht gerade den Lebensversicherungen das Wort reden. Manchmal bekomme ich sogar andere Gedanken, insbesondere wenn ich mir die ganzen schönen Neubauten ansehe oder auch mal Zahlen über Direktorengehälter bei den Lebensversicherungen höre. Dann möchte ich meinen, daß es vielleicht für diese Institutionen ganz gut gewesen wäre, wenn sie auch etwas für die Kreise getan hätten, die ihnen Jahre hindurch das Geld für die Versicherungen gebracht haben.
({3})
Ich spreche nicht gegen das Bauen, im Gegenteil, ich freue mich über jeden Stein, der auf den anderen gesetzt wird. Aber wenn jetzt über den Verwendungszweck des Geldes entschieden werden soll, und zwar entweder für Bauten oder für Menschen, dann möchte ich mich hier doch in erster Linie für die Menschen entscheiden.
({4})
Der Vorschlag im Entwurf zur Ablösung der Versicherungspflicht durch Erhöhung der Lebensversicherung von 5000 DM auf 10 000 DM ist, glaube ich, sehr hart, insbesondere für unsere älteren Kollegen. Ja, hier ist er nicht nur hart, hier ist er - ich möchte sagen - unmöglich; denn das Einkommen, insbesondere bei den älteren Handwerkern, schwankt sehr, und zwar nach unten, während die Prämien bleiben. Ich glaube, wir müssen uns im Ausschuß überlegen, ob es nicht wenigstens für die älteren Handwerker von einem bestimmten Lebensalter an oder meinetwegen für die, die in Verfolg des Gesetzes vom 21. Dezember 1938 eine Lebensversicherung abgeschlossen haben, bei der bisherigen Regelung verbleiben kann.
Lassen Sie mich noch sagen, daß wir uns durchaus der Schwierigkeiten bewußt sind, die das Problem Altersversorgung mit sich bringt. Ich möchte noch zusätzlich sagen, daß wir allein mit versicherungsmathematischen Berechnungen auch nicht mehr auskommen. Wir alle wissen, daß sich das Lebensalter des deutschen Volkes erhöht hat und daß darunter auch nicht wenige Handwerker fallen. Beispielsweise waren 1910 5 % der Bevölkerung über 65 Jahre alt, während es 1950 schon 9,3 % sind! Die Katastrophe des „Tausendjährigen Reiches" sehen wir täglich mehr. Wir müssen heute nämlich feststellen, daß wir genau soviel 65jährige wie 35jährige Menschen haben. Ich will damit nicht sagen, daß wir zuviel 65jährige haben, sondern wir haben zuwenig 35jährige; es fehlen die, die uns in dem Wahnsinn des „Tausendjährigen Reiches" genommen wurden.
Abschließend darf ich noch einmal darauf hinweisen, daß es immerhin 120 000 Handwerker sind, die mit über 65 Jahren noch als Betriebsinhaber im
Beruf tätig sind, weil sie es müssen. Viel größer ist, glaube ich, noch die Zahl derjenigen, die ihr Handwerk nicht mehr ausüben und die nun sehen müssen, wie sie ihre alten Tage verbringen. Vielfach ist es das Wohlfahrtsamt, das ihnen der letzte Rettungsanker sein muß, - und das oft nach einer Tätigkeit von 30 und 40 Jahren!
Trotz all dieser Schwierigkeiten, die das Gesetz mit sich bringen kann und auch bringen wird, möchte ich sagen, daß es psychologisch falsch wäre, wenn wir ein Gesetz verabschieden wollten, das den Widerspruch des gesamten Handwerks auslösen müßte. Deshalb bitte ich, daß wir unsere Aufmerksamkeit den Wünschen und den Problemen, die das Handwerk immer wieder vorträgt und vortragen muß, im Ausschuß eingehend widmen.
Ein Wort noch zu einem Problem, das mit diesem Gesetzentwurf direkt nichts zu tun hat. Immer wieder kommen Klagen an uns heran über rigorose und drakonische Maßnahmen bei der Beitragseinziehung zur Versicherung. Wir erinnern uns, daß der Herr Bundesarbeitsminister am 19. März 1952 für die LVA eine gewisse Stillhalteerklärung hier abgegeben hat. Wir müssen jetzt leider feststellen, daß einige Landesversicherungsanstalten noch kurz vor Torschluß beim Beitragseinzug mit Methoden vorgehen, die nicht unsere Billigung finden können. Diese Beschwerdebriefe kommen hauptsächlich aus Hamburg. Da darf ich vielleicht sagen, daß andere Landesversicherungsanstalten in dieser Beziehung vorbildlich handeln. Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht Hessen nennen, das auf diesem Gebiete eine vorbildliche Lösung gefunden hat. Deshalb richte ich die Bitte an unser Bundesarbeitsministerium, durch geeignete Maßnahmen auf die einzelnen Landesversicherungsanstalten einzuwirken. Sie mögen stillhalten und sich bis zur Verabschiedung dieses Gesetzes loyal verhalten.
Die zuständigen Ausschüsse bitte ich, diesen Gesetzentwurf möglichst bald zu verabschieden, damit in unserem Handwerk Beruhigung eintreten kann. Ich schlage vor, wie schon geschehen, diesen Gesetzentwurf dem sozialpolitischen Ausschuß als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung zu überweisen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Freidhof.
Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 111. Sitzung vor etwa eineinhalb Jahren einstimmig beschlossen, daß die Regierung dem Bundestag ein Gesetz über die Altersversorgung des Deutschen Handwerks vorlegen soll. Daß diese Vorlage so lange gedauert hat, ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß selbst in den Handwerkerkreisen sehr große Meinungsverschiedenheiten über die Durchführung einer Altersversorgung bestanden haben.
({0})
Durch das Erscheinen dieser Vorlage ist einem großen Teil des Handwerks der Wunsch erfüllt worden, eine neue Ordnung und eine neue Rechtsgrundlage für die Altersversorgung des Deutschen Handwerks zu schaffen. Ob alle Wünsche und alle Forderungen, die das Handwerk aufgestellt hat, erfüllt werden können, möchte ich bezweifeln. Das werden wir erst nach den Ausschußberatungen feststellen können, die wir gründlich durchführen müssen, um zu einer befriedigenden Regelung zu kommen.
Über das soziale Schutzbedürfnis des Deutschen Handwerks besteht, glaube ich, hier im ganzen Hause keine Meinungsverschiedenheit. Meinungsverschiedenheit dürfte nur über das „Wie" bestehen. Über das Wie bestehen auch unter der Handwerkerschaft selbst große Meinungsverschiedenheiten. Wir Sozialdemokraten sind bereit, eine befriedigende Lösung herbeizuführen. Wir werden im Ausschuß unsere Anträge stellen, um zu versuchen, mit diesem Gesetzentwurf zu einer wirklich befriedigenden Regelung zu kommen.
Nun hat das Handwerk eine Reihe von Forderungen aufgestellt. Ein Teil dieser Forderungen ist von der Regierung schon im Regierungsentwurf abgelehnt worden, weil zweifellos Forderungen aufgestellt worden sind, deren Erfüllung außerordentlich schwierig ist und über die erst in eingehenden Beratungen Klarheit geschaffen werden kann. Das ganze Problem ist schwierig. Dieser Gesetzentwurf knüpft an das während des „Dritten Reiches" im Jahre 1938 erlassene Gesetz an. Das Gesetz vom Jahre 1938 brachte keine echte Altersversorgung und keine befriedigende Lösung. Ich glaube auch, daß es den Gesetzgebern damals im „Dritten Reich" weniger auf die Altersversorgung des Deutschen Handwerks als vielmehr auf die Beiträge ankam, die man zur damaligen Zeit für bestimmte Zwecke notwendig brauchte.
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Zu der in dieser Vorlage enthaltenen Wahlmöglichkeit für den einzelnen Handwerker, sich entweder in der Lebensversicherung oder in der An({2})
gestelltenversicherung zu versichern, möchte ich doch einige Bedenken anmelden. Die Lebensversicherung ist nach meiner festen Überzeugung keine echte Altersversorgung.
({3})
- Die Lebensversicherung ist keine echte Altersversorgung, weil in dem Gesetz keine Bestimmung enthalten ist - nach dem jetzt bestehenden Rechtszustand kann jede Lebensversicherung bis zu 80 % der eingezahlten Beiträge beliehen werden -, nach der die Möglichkeit besteht, daß, wenn die Lebensversicherung beliehen ist, der Betreffende, wenn er 65 Jahre alt ist, einen Betrag herausbekommt, der ihm noch einigermaßen das Leben ermöglicht. Ob also hier die Möglichkeit besteht, eine geeignete Rechtsgrundlage zu finden, wird in den Ausschußverhandlungen zu prüfen sein.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß doch schon jetzt die Gefahr bestanden hat, daß die Leute nichts erhielten, und zwar durch die Währungsumstellung im Jahre 1948. Ich möchte hier also außerordentliche Bedenken anmelden und möchte sagen: die beste Versicherung auch für den Handwerker ist die Rentenversicherung. Das hat sich nach 1948 erwiesen, als die Umstellung 1 zu 1 stattfand. Alle diejenigen, die eine Rente bezogen, bekamen den vollen Betrag ohne Rücksicht auf die Währungsumstellung ausgezahlt.
Dem Wunsch der Handwerker, daß die Invalidenversicherung für diejenigen Handwerker, die früher in ihr versichert gewesen sind - und der größte Teil kommt ja aus der Invalidenversicherung - ebenfalls als Grundlage ihrer Versicherung anerkannt wird, hat die Regierungsvorlage nicht Rechnung getragen. Wir werden im Ausschuß feststellen müssen, warum das nicht geschehen ist, und wir werden dann die nötigen Schritte unternehmen, um zu prüfen, ob nicht die Möglichkeit besteht, das doch noch in die Regierungsvorlage hineinzubringen.
Außerordentlich schwierige Probleme bilden die Forderungen, die heute in der Angestelltenversicherung gesetzlich verankerte Wartezeit von 15 Jahren für Handwerker auf 5 Jahre herabzusetzen und für Handwerker, die das fünfzigste Lebensjahr überschritten haben, die Möglichkeit zu schaffen, die Beiträge für 10 zurückliegende Jahre nachzuzahlen. Diese Fragen können nicht ohne weiteres aus dem. Handgelenk mit Ja oder Nein beantwortet werden, sondern sie werden einer eingehenden Betrachtung unterzogen werden müssen. Die Regierung selber hat in ihrer Begründung zur Gesetzesvorlage darauf hingewiesen, daß es eine Ausnahme wäre und die anderen in der Angestelltenversicherung Versicherten sich zweifellos gegen eine solche Ausnahmeregelung wenden würden. Wir haben ja auch eine Reihe von Briefen von Rentenversicherungsträgern, von der DAG bekommen, die sich gegen eine Sonderregelung wenden. Wir müssen versuchen, bei dieser Regelung beide Teile zu einer befriedigenden Lösung zusammenzuführen.
Bei der Beratung des Gesetzes in der 199. Sitzung am 19. März dieses Jahres habe ich darauf hingewiesen: es besteht die Gefahr, daß die guten Risiken, nämlich diejenigen, die über ein höheres Einkommen verfügen, in die Lebensversicherung gehen und die weniger guten Risiken - ich will nicht sagen: schlechten Risiken - in die Angestelltenversicherung übernommen werden müssen.
Der Herr Arbeitsminister hat vorhin mit Recht darauf hingewiesen, daß die Lebensversicherung die Möglichkeit hat, kranke Leute abzuweisen, während die Angestelltenversicherung alle diese Kreise aufnehmen muß. Das sind Fragen, die im Ausschuß eingehend beraten werden müssen.
Das Grundproblem bei allem ist: wer soll die Mittel aufbringen? Wer bezahlt die ungeheuren Beträge, die notwendig sind, um die Altersversorgung durchzuführen? Zweifellos ist das ein schwieriges Problem, weil nämlich der Handwerksmeister, der kleine Schneider oder Schuster usw., den gesamten Beitrag zu zahlen hat, also auch den Arbeitgeberbeitrag. Nach der Statistik ist erwiesen, daß ein erheblicher Prozentsatz in den unteren Klassen der Angestelltenversicherung versichert ist. Das heißt mit anderen Worten, daß sie, wenn sie invalide werden, nicht viel höher als über die Mindestrente hinauskommen werden. Das sind alles Probleme, die besprochen und gelöst werden müssen.
Was die Aufwertung der Lebensversicherung anbelangt, so möchte ich mich den Ausführungen des Kollegen Becker anschließen. Wir werden zu prüfen haben, ob die Möglichkeit besteht, die Aufwertung der Lebensversicherung für die Handwerker durchzuführen, nachdem damals eine gesetzliche Verpflichtung bestanden hat, entweder nach der einen oder andern Seite eine Versicherung abzuschließen.
Ich möchte meine Betrachtungen schließen, mich noch einmal auf meine Ausführungen berufen, die ich in der 199. Sitzung gemacht habe, und sagen, daß wir bei der Bedeutung, die das Deutsche Handwerk in unserer Volkswirtschaft einnimmt, alles tun werden, um eine befriedigende Lösung auch für die Altersversorgung des Deutschen Handwerks herbeizuführen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Bei aller Skepsis, die wir jedem Vorschlag einer Zwangsversicherung gegenüber grundsätzlich aufweisen, begrüßen wir doch den Vorschlag des Herrn Arbeitsministers. Er scheint in dieser sehr problemreichen Situation doch die beste Diskussionsgrundlage zu geben, die man sich denken kann.
Es ist nicht Aufgabe der ersten Beratung, so weit in ein Gesetz einzusteigen, daß das fast eine Einzelberatung wird. Wir sind in der letzten halben Stunde beinahe so weit gewesen. Gestatten Sie mir deshalb, nur noch einige wenige noch nicht genügend berücksichtigte Dinge anzudeuten.
Es ist ganz bestimmt so, daß Hunderttausende von deutschen Handwerkern, fleißige und emsige Leute, die als Muster ihrer Nachbarn in staatsbürgerlicher Tugend und als Muster ihres Fleißes in der Arbeit Unerhörtes geleistet haben, in großer Not sind und auch noch in absehbarer Zeit in großer Not bleiben werden. Es ist auch zweifellos so, daß Hunderttausende dieser Leute nach dem Umfang ihres Betriebes Kleinstverdiener sind, daß ihre Bedürftigkeit so ist, daß man sie ohne weiteres in Parallele setzen muß zu einem großen Teil der Arbeitnehmer, oder wollen wir wegen der Lohnentwicklung lieber sagen: zu einem immer kleiner werdenden Teil der deutschen Arbeitnehmer, und daß sie zweifellos einer Alterssicherung in Form einer Rente oder in Form einer Leibrente bedürftig sind.
({0})
Es ist verführerisch, daran zu denken, die notwendigen Kapitalien für eine solche Rente auch gleichzeitig als Betriebsmittel in dem Betrieb anzuwenden. Ein Handwerksmann hat in einem solchen Falle immer zwei Herzen in seiner Brust. Das Betriebskapital ist für ihn eine außerordentlich wichtige Angelegenheit. Aber ich warne vor Illusionen. Wie wollen Sie in einer Betriebsgröße, in der der Umsatz minimal, der Ertrag vielleicht 180, 200 oder 220 DM im Monat ausmacht, die Kapitaldeckung zustande bringen, die Sie brauchen, um am Ende eine wirkliche Lebenssicherung zu haben?
Ich will nicht auf die weiter genannten Probleme eingehen. Die Diskussionsgrundlage ist gut. Wir werden uns Mühe geben, allen diesen Problemen, den Übergangsbestimmungen, vielleicht auch noch einmal der Ventilation der Eigenversicherung, bei den Beratungen nachzugehen, damit wir zum Segen des Deutschen Handwerks ein gutes und brauchbares Gesetz schaffen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Es ist der Antrag gestellt, die Vorlage an den Ausschuß für Sozialpolitik
({0})
- und Wirtschaftspolitik zu überweisen; federführend soll der Ausschuß für Sozialpolitik sein. Wer für die Überweisung an die beiden Ausschüsse ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe? - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Arbeit ({1}) über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ({2}).
Ich erteile das Wort der Abgeordneten Frau Kipp-Kaule als Berichterstatterin.
Frau Kipp-Kaule ({3}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Am 27. Juni dieses Jahres hat sich der Ausschuß für Arbeit mit der Drucksache Nr. 3135 beschäftigt. Herr Abgeordneter Becker von der CDU hat als Vertreter der antragstellenden Partei im Ausschuß noch einmal diesen Antrag begründet. Er hat auf die Notwendigkeit einer Gesetzesvorlage hingewiesen, um eine wirksame Bekämpfung der Schwarzarbeit zu erreichen.
Der Ausschuß hat sich in eingehender Diskussion mit diesem Antrag beschäftigt. Der Vertreter des Bundesministers für Arbeit wies die Ausschußmitglieder darauf hin, daß bereits verschiedene gesetzliche Vorschriften bestehen, die eigentlich zur Bekämpfung der Schwarzarbeit hätten ausreichen sollen, so z. B. in der Reichsversicherungsordnung, ferner in § 14 Abs. 1 der Gewerbeordnung betreffend die Verpflichtung zur Anmeldung eines bestehenden Gewerbes, in § 1 Abs. 1 des Güterfernverkehrsgesetzes betreffend die Güterfernverkehrsgenehmigungspflicht. In der Reichsversicherungsordnung haben wir die verschiedensten Bestimmungen, z. B. § 317 und § 521 Abs. 1, die Verpflichtung zur Anmeldung bei der Krankenkasse und dergleichen mehr. Nicht unerwähnt lassen möchte ich das Einkommensteuergesetz, die Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes und der Reichsabgabenordnung.
Die Ausschußmitglieder stellten fest, daß trotzdem alle diese Gesetzesvorschriften bis zum heutigen Tag nicht ausgereicht haben, die Schwarzarbeit wirksam zu bekämpfen. In der Zwischenzeit seit der Einbringung des Antrags der Deutschen Partei und der Beratung der Drucksache Nr. 3135 im Ausschuß für Arbeit haben die verschiedensten Bundesminister, so der Bundesminister für Arbeit, der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der Wohnungsbauminister und der Bundesminister für Wirtschaft sowie der Bundesminister der Justiz an die entsprechenden Landesminister und Senatoren Schreiben gerichtet, in denen sie darauf hinweisen, daß man alles tun möge, um die Durchführung der bestehenden gesetzlichen Bestimmungen zu sichern und die möglichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu treffen. Ferner hat man den Ländern den Vorschlag gemacht, Arbeitsausschüsse auf der Kreis- und Kommunalebene zu schaffen, um die Maßnahmen gegen die Schwarzarbeit zu aktivieren.
Der Ausschuß hat sich mit all diesen Fragen beschäftigt. Er hat in eingehender Diskussion festgestellt, daß die Schwierigkeiten hinsichtlich einer Abgrenzung der Schwarzarbeit sehr groß sind. Der Begriff der Schwarzarbeit - so sagte selbst der Vertreter des Bundesarbeitsministers - sei schwer zu definieren, und es könne nicht so sein, daß ein ungehemmtes Denunziantentum entstehe oder etwa Bagatellfälle vor den Richter gebracht würden; auch könne das Gesetz nicht so aussehen, daß man es der Entscheidung des einzelnen Richters überlasse, was nun als Schwarzarbeit anzusehen sei. Die Gegenseitigkeits-, Nachbarschafts-, Verwandtschaftshilfe und Gelegenheitsarbeiten seien doch wohl nicht als Schwarzarbeit anzusehen. Im Ausschuß wurde auch das Beispiel gebracht, daß sonntagsmorgens plötzlich der Elektroherd versagt, aus irgendeinem Grunde die Stromzufuhr nicht mehr gesichert ist und man zum benachbarten Freund oder dergleichen geht, um ein neues Kabel oder eine neue Sicherung einsetzen zu lassen. Es wurde gefragt, ob man das als Schwarzarbeit betrachten könne. Oder wie ist es, wenn der Hausfrau, die in der glücklichen Lage ist, eine elektrische Waschmaschine zu besitzen, daran plötzlich der Keilriemen reißt und sie zum Nachbarn geht, der Elektriker ist und einen neuen Keilriemen aufzieht? Sollte man das auch als Schwarzarbeit bezeichnen oder diese Sache unter den Begriff der Gelegenheits-, Verwandtschafts- oder Gegenseitigkeitshilfe bringen?
Sie sehen also an diesen Dingen, daß es dem Ausschuß gar nicht so leicht gemacht war und daß es der Ausschuß sich selbst in seiner Diskussion auch nicht so leicht gemacht hat, den Antrag der CDU/CSU-Fraktion eventuell so, wie er gestellt war, dem Plenum wieder vorzulegen, also den Antrag, der dahin geht, der Regierung die Auflage zu machen, ein Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vorzulegen, in dem auch der Auftraggeber des Schwarzarbeiters unter Strafandrohung gestellt wird.
Es ist auch nicht so - darauf möchte ich noch hinweisen -, daß wir etwa eine Möglichkeit hätten, aus einer Handhabung des AVAVG einheitliche Maßnahmen zu treffen. Wenn auch die Bundesanstalt unter ihrem Präsidenten Scheuble
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bereits in einigen Schreiben an die Arbeitsämter der örtlichen Instanz und die Landesarbeitsämter darauf hingewiesen hat, daß man alles tun solle, um auf örtlicher Ebene zu untersuchen, wie die bestehenden Mißstände beseitigt werden könnten, so sehen Sie daran, daß selbst diese Instanzen in der Zwischenzeit bemüht gewesen sind, die Schwarzarbeit zu bekämpfen.
Der Ausschuß ist, nachdem er sich in eingehender Beratung mit all diesen Fragen beschäftigt hat, zu der Auffassung gekommen, daß der Antrag der CDU/CSU so, wie er dem Hause vorgelegen hat, nicht wieder zurückgegeben werden kann. In Drucksache Nr. 3135 hatte die Fraktion der CDU/ CSU beantragt, daß die Bundesregierung ersucht werden solle, dem Bundestag ein Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vorzulegen, in dem auch der Auftraggeber des Schwarzarbeiters unter Strafandrohung gestellt werde. Herr Abgeordneter Richter hat dann angeregt, schon aus optischen Gründen heraus diesen Antrag nicht so wieder zurückgehen zu lassen, und dem Ausschuß das vorgeschlagen, was Sie in der Drucksache Nr. 3566 finden: daß die Bundesregierung ersucht werden solle, .dem Bundestag einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vorzulegen, in dem auch dem Auftraggeber die Vergebung von Aufträgen an Schwarzarbeiter untersagt wird.
({5}) Der Ausschuß hat die ihm vom Abgeordneten Richter vorgeschlagene Formulierung einstimmig angenommen, und ich habe die Aufgabe, Ihnen, meine Herren und Damen, vorzuschlagen, die Formulierung der Drucksache Nr. 3566 anzunehmen.
Ich danke der Frau 1) Berichterstatterin und eröffne die Aussprache.
Der Ältestenrat schlägt dem Hause vor, sich mit einer Aussprachezeit von 40 Minuten zu begnügen. - Es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die wirtschaftliche, soziale, finanzielle und moralische Verderblichkeit der Schwarzarbeit, gleichviel, ob sie im stehenden Gewerbebetrieb oder im Wandergewerbe stattfindet, ist kein Wort mehr zu verlieren. Auch über ihre wirtschaftlichen und sozialen Ursachen besteht im wesentlichen Klarheit. Die Schwarzarbeit ist in der Regel weder Kavaliersdelikt noch eine nachsichtig zu duldende soziale Notstandshandlung. Ihre Bekämpfung ist ein Problem von erheblicher Bedeutung und Dringlichkeit. Ihre gesellschaftliche Ächtung ist notwendig. Das geschieht am wirksamsten durch ihre Erklärung zur Straftat, die neben den sonstigen in der Debatte am 19. März 1952 eingehend erörterten Maßnahmen wahrscheinlich nicht entbehrt werden kann. Es ist allerdings zuzugeben, daß die gesetzgeberische Lösung, aber auch der praktische Vollzug einer solchen Strafvorschrift schwierig sein wird. Gleichwohl muß, wie die Verhältnisse liegen, der ernsthafte Versuch unternommen und einmal die Probe auf das Exempel der Wirksamkeit eines solchen Gesetzes gemacht werden
Da es rechts- und gesetzgebungspolitisch nicht ohne Bedenken ist, die an sich schon zu große Zahl der Sonderstrafgesetze ohne Not zu vermehren, könnte zunächst daran gedacht werden, entsprechende Bestimmungen in § 148 der Gewerbeordnung einzufügen. Dieser Weg ist aber wohl deswegen nicht gangbar, weil die Straftatbestände dieses Paragraphen nur Übertretungen sind, während die epidemisch grassierende Schwarzarbeit eine schwere Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und daher die Charakterisierung als Vergehen angebracht erscheint. Auch die Aufnahme von einschlägigen Strafvorschriften in den am 11. Juli dieses Jahres dem Bundesrat zugeleiteten Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes kommt kaum in Frage, da dadurch der Rahmen dieses Entwurfs als eines Strafrechtsbereinigungsgesetzes überschritten würde. Auf die große Strafrechtsreform aber zu warten, geht nicht an. So bleibt trotz berechtigter Bedenken gegen eine weitere Vermehrung der Sonderstrafgesetze wohl kein anderer Weg als der, der in dem Antrag auf Drucksache Nr. 3135 und im Mündlichen Bericht des 20. Ausschusses vorgeschlagen wird. Ein Strafgesetz gegen Schwarzarbeit wird nicht nur den Schwarzarbeiter selbst, sondern auch den Auftraggeber als Teilnehmer oder Begünstiger zu fassen haben. Da der Tatbestand, wie erwähnt, keine Übertretung, sondern ein Vergehen darstellen soll, wird die Frage des Verschuldens, ob auch fahrlässig oder wenigstens grob fahrlässig, besonders zu prüfen sein.
Neben der Hauptstrafe könnte auch die Frage der 'Einführung von Straffolgen erwogen werden, ob also etwa eine ein- oder mehrmalige rechtskräftige Verurteilung wegen Schwarzarbeit oder Teilnahme an ihr Konsequenzen für die Verneinung der Zuverlässigkeit im Sinne des § 35 Abs. 5 der Gewerbeordnung oder für ein Berufs- und Betriebsverbot nach Analogie der §§ 33 und 34 des Wirtschaftsgesetzes haben soll.
Mit Umdruck Nr. 655 haben wir zum Mündlichen Bericht einen Änderungsantrag eingebracht, der folgende Anregungen enthält. Der allgemeinere Begriff „untersagen" müßte durch die prägnante Hervorkehrung der Straffälligkeit ersetzt werden. Strafbar sind Schwarzarbeiter und Auftraggeber. Die Worte „dem Auftraggeber" im Antrag des Ausschusses sind überflüssig, ja sinnwidrig. Auch die Übernahme von Schwarzarbeit sollte einbezogen werden, da sich hier der strafbare Wille des Schwarzarbeiters bereits eindeutig äußert.
Die Föderalistische Union - Bayernpartei-Zentrum - wird dem Antrag des Ausschusses zustimmen. Wir bitten aber, ihm die Fassung des Umdrucks Nr. 655 geben zu wollen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag Drucksache Nr. 3135 ist mit einer geringfügigen textlichen Änderung, aber einstimmig, aus dem Ausschuß wieder herausgekommen. Wenn wir als Antragsteller trotzdem noch das Wort nehmen, so geschieht es, um dem Herrn Arbeitsminister auch hier im Plenum die Dringlichkeit unseres Anliegens noch einmal zu erläutern, aber auch um den Schwarzarbeitern draußen zu sagen, daß° sie sich langsam daran gewöhnen müssen, daß ihr gutes Geschäft zu Ende geht.
Bei der Diskussion um unseren Antrag stritt man sich darum, ob man Bagatellsachen zur Schwarzarbeit rechnen soll oder nicht. Ich darf, um mich nachher klar und präzise ausdrücken zu können, vorab sagen, daß die Gemeinschaftsarbeit, eine Nachbarschaftshilfe und Freundschaftsdienste, Aus({0})
hilfen usw. und auch das gelegentliche Reparieren von ausgerechnet sonntags kaputtgegangenen Waschmaschinen natürlich nicht zur Schwarzarbeit gehören. Wir rechnen dazu jede planmäßige und fortdauernde Arbeit, die außerhalb der Gewerbeordnung und auch außerhalb der steuerlichen Erfassung geschieht.
Ich will Ihnen einige Beispiele sagen; ich mache es sehr kurz. Ein Kollege aus diesem Hause erzählte mir, daß er vorletzte Woche die Maler gehabt habe. Am Freitag abend seien sie weggegangen. Mit Lehrlingen und allen Töpfen hätten sie das Haus verlassen. Auf seine Frage, warum sie es denn so eilig hätten, habe man ihm geantwortet: „Über Samstag/Sonntag arbeiten wir auf eigene Rechnung". Das ist Schwarzarbeit, diese Schwarzarbeit wollen wir unterbinden.
Wir dürfen vielleicht dabei noch erwähnen, daß man auf die Sonntagsarbeit auch etwas mehr achtgeben sollte, als das bisher geschieht; denn Sonntagsarbeit sollte nur geleistet werden, wenn sie unaufschiebbar und unvermeidbar ist. In den meisten Fällen ist sie Schwarzarbeit.
Ich will Ihnen einen weiteren Fall nennen. Nehmen wir eine Handwerkerin. Wir brauchen die Berufe ja gar nicht im einzelnen durchzugehen. Eine Frau hat geheiratet und übt ihren Beruf unangemeldet weiter aus. Wenn sie Schneiderin ist, dann ist es natürlich, daß sie für ihre Freundin hin und wieder einmal ein Kleid schneidert. Darüber sagt niemand etwas. Aber es gibt unzählige verheiratete Handwerkerinnen, die ohne Anmeldung ihren Beruf weiter ausüben und so dem ordentlichen Gewerbe großen Schaden zufügen.
Wir rechnen zur Schwarzarbeit jeden Belegschafts- und Behördenhandel, der planmäßig betrieben wird.
Wir wissen auch, daß unter den Erwerbslosen etliche Schwarzarbeiter sind, die kaum die Zeit zum Stempeln finden. Wir wollen dieses Gespräch nicht ad ultimum führen; aber ich meine, wir sollten in diesem Hause, bestimmt aber im Ausschuß, einmal den Mut finden, zum mindesten die Möglichkeit einer produktiven Gestaltung der Unterstützungen zu diskutieren. Ich glaube, daß wir damit eine neue Chance hätten, viele Menschen aus der Schwarzarbeit herauszuziehen.
Ich betone dabei ausdrücklich, daß sich die Schwarzarbeit nach unserer Meinung keineswegs auf Arbeitslose beschränkt. Sie hat ebenso viele Anhänger unter den Beschäftigten, und wir wissen auch, daß die Klagen über die Schwarzarbeit in allen Ländern verschieden sind. Sie brauchen ja nur daran zu denken, daß beispielsweise Baden-Württemberg den Vorteil besitzt, nur eine geringe Arbeitslosigkeit von 2,7 % zu haben. Dort sind die Auswirkungen natürlich nicht so schwer wie beispielsweise bei uns in Niedersachsen, die wir wesentlich schlechter daran sind, oder wie etwa in Schleswig-Holstein. Wir müssen anerkennen, daß, was ja auch in dem Bericht schon zum Ausdruck gebracht worden ist, die Bundesanstalt sich bemüht hat, die Schwarzarbeit zu bekämpfen. Sie hat - das darf ich wohl mit Dank und Anerkennung sagen - große Erfolge gehabt. Aber wenn sie diese Erfolge gehabt hat, dann müssen wir zugeben, daß die Schwarzarbeit zum mindesten dagewesen und, wie ich glaube, auch noch im Umfange vorhanden ist.
Die Schwarzarbeit ist doch nichts anderes als ein Diebstahl an denen, die ihre Pflicht tun, und wir meinen, daß ein Gesetz gegen sie notwendig ist. Es darf nicht nur der Ausführende - darauf legen wir das Schwergewicht -, sondern es muß auch der Auftraggeber gepackt werden können. Aber dieses Gesetz darf sich nicht darauf beschränken, langatmig festzulegen, wo die Grenze zwischen Bagatellsachen und den Dingen liegt, die bekämpft werden müssen. Dieses Gesetz verträgt keine Verniedlichung; es muß die nötige Zielstrebigkeit aufweisen. Ich glaube, wir alle wissen, wenn wir über Schwarzarbeit reden, was wir damit meinen und was nicht zu ihr gerechnet werden darf.
Der Ausschuß hat unsern Antrag umformuliert. Er hat unsere Forderung bezüglich der Strafandrohung nicht aufgenommen und gemeint, das Wort „untersagt" genüge. Wenn man etwas untersagt, muß man es wirkungsvoll untersagen, und wie man das tut, brauche ich wohl nicht weiter zu erläutern. Also „untersagen" Sie es aus optischen Gründen ruhig; die Hauptsache ist, daß dieses Untersagen nachher so wirkungsvoll geschieht, daß es auch Erfolg hat.
Wir bitten die Bundesregierung um die baldige Vorlage eines wirkungsvollen Gesetzes, indem wir dem Ausschußantrag zustimmen. Der Änderungsantrag, der hier eingereicht worden ist, widerspricht nicht unseren Auffassungen. Aber wir meinen, wenn schon im Ausschuß ein Antrag einstimmig angenommen worden ist, dann sollte man wegen redaktioneller Änderungen, wenn man sonst einer Meinung ist, nicht einen neuen Antrag bringen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kalbfell.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschußbericht nach Drucksache Nr. 3566 wird auch von meinen Freunden angenommen, und wir empfehlen der Bundesregierung, den geforderten Gesetzentwurf so schnell wie möglich dem Bundestag vorzulegen. Unser Standpunkt ist bereits in der März-Debatte im Plenum dieses Hohen Hauses dargelegt worden. Ich beschränke mich auf einige wenige grundsätzliche Fragen.
Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, daß jeder ordentliche Handwerksbetrieb, der seinen Verpflichtungen nachkommt, der seine Tariflöhne bezahlt, der die sozialen Erfordernisse erfüllt und seine Steuern an 'Gemeinde und Staat abführt, das Recht hat, vor unlauterem Wettbewerb geschützt zu werden. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, daß auch der Handwerksmeister die Gewährleistungspflicht übernimmt, die er dem Auftraggeber gegenüber zu erfüllen hat, daß er die Bestimmungen der Reichsverdingungsordnung beachtet. 'Der Auftraggeber, der einen Schwarzarbeiter beschäftigt, ist sich darüber klar, daß dieser ihm gegenüber die Gewährleistungspflicht gar nicht erfüllen kann. Denn morgen oder in den nächsten Wochen oder Monaten ist der Schwarzarbeiter gar nicht mehr ortsanwesend, und der Auftraggeber weiß auch nicht, wo er sich 'befindet, um sich an ihn zu halten. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, daß man nicht kleinlich verfahren, daß man die Selbsthilfe - etwa beim sozialen Wohnungsbau, bei Nebenerwerbssiedlungen - nicht unter den Begriff Schwarzarbeit stellen darf. Nachbarschaftshilfe darf nicht zu Denunziationen führen, so daß Handwerker sagen: Warum hilfst du dem bei seiner Arbeit? Dazu bist du nicht berech({0})
tigt! - Ich glaube, daß auch die ordentlichen Handwerker ein solches Verfahren ablehnen.
Wir sind weiter der Meinung, daß Hauseigentümer, die ihre Fensterläden oder Fenster selber streichen, die ihren Gartenzaun in Ordnung bringen, nicht unter den Begriff Schwarzarbeiter fallen, daß aber Hauseigentümer, die Mietgrundstücke haben und die Schwarzarbeiter zu sich holen, um Reparaturarbeiten ausführen zu lassen, bestraft werden müssen. Der Schwarzarbeiter und der Auftraggeber sollten zur Verantwortung gezogen werden. Es ist mir ein Fall bekannt, daß in einer Gemeinde der Handwerkerverein im Gemeinderat gegen die überhand nehmende Schwarzarbeit protestierte. Ein städtischer Arbeiter, der Gipser ist, hat Arbeiten außerhalb seiner Arbeitszeit über Samstag/Sonntag ausgeführt. Nach näherer Untersuchung des Bürgermeisteramtes ist festgestellt worden, daß Handwerker diesen Gipser als Schwarzarbeiter in ihrem eigenen Betrieb beschäftigt haben.
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Ich glaube, daß da mit ganz gehörigen Mitteln eingegriffen werden muß.
Wir bitten ferner, daß Behörden, Genossenschaften und Betriebe keinen Auftrag an einen Schwarzarbeiter oder an Handwerksbetriebe geben, die keinen ordentlichen Betrieb zu führen 'in der Lage sind. Das trifft auch auf die Handwerker zu, die ihre sozialen Verpflichtungen nicht erfüllen, die fortgesetzt Preise unterbieten, die den kalkulatorischen Preis nicht kennen und einfach über den Daumen hinweg Preiskalkulationen machen, die keine Grundlage haben, die dann den ordentlichen Handwerker in Permanenz schädigen. Sie stehen dann eines Tages vor dem Konkurs und haben damit soundsoviel Lieferanten, die Ortskrankenkasse, Versicherungsgesellschaften usw. - auch Berufsgenossenschaften - um ihr Geld gebracht. Ich glaube, 'daß solche Handwerker noch schlechter sind als ein gelegentlicher Schwarzarbeiter.
Ich habe noch einen anderen Berufsstand im Auge, der als Schwarzarbeiter angesehen werden muß: Die Herren Fernlastfahrer kommen vom Süden mit vollen Lastzügen, etwa Holz aus dem Schwarzwald, in das Rheinland, laden im Neuwieder Becken Bimsbaustoffe, kaufen sie auf eigene Rechnung und verkaufen sie an Bauherren und teils auch an Baugeschäfte unter Preis. Sie schädigen die Bundesbahn wegen des Tarifs, sie schädigen ihren Chef, sie treiben ein echtes Schwarzgeschäft.
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In dem neuen Gesetz sollte man diese Gesichtspunkte beachten, sollte zwar nicht kleinlich verfahren, aber dort, wo offensichtliche Schwarzgeschäfte gefördert werden, mit energischen Maßnahmen durchgreifen. Das ganze Problem wird aber nur dann gelöst, wenn wir etwas mehr Moral im Handwerk und bei seinen Beschäftigten finden. Das Ganze ist auch ein soziales Problem. Außerdem wird man den Feiertag mehr schützen müssen, als es heute geschieht. Dadurch werden wir dazu beitragen, den Samstag und Sonntag etwas mehr als bisher zu heiligen.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon mehrfach davon gesprochen worden,
daß wir uns bei der Debatte über die besonderen Hilfsmaßnahmen für das Handwerk mit der Frage der Schwarzarbeit bereits einmal ausführlich beschäftigt haben. Damals habe ich dem 'Hohen Hause gesagt, welche ungeheuren Schwierigkeiten zu überwinden sind, wenn man ein Gesetz der Art, wie es hier gefordert wird, tatsächlich erlassen will. Ich habe seinerzeit darauf hingewiesen, daß wir heute bereits eine ganze Reihe von gesetzlichen Bestimmungen haben, die sehr wohl geeignet wären, die Schwarzarbeit weitgehend zu unterbinden,
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wenn sie draußen nur ordentlich angewandt würden. Ich habe Ihnen damals gesagt, daß wir vor der Schaffung der Bundesanstalt ständen und diese Bundesanstalt vielleicht am allerehesten in der Lage wäre, den Unterbau für die Bekämpfung der Schwarzarbeit im ganzen Bundesgebiet abzugeben.
Denn wir wollen uns nicht darüber täuschen, die Schwarzarbeit ist in den meisten Fällen mit Versicherungsbetrug gekoppelt. Wenn Sie gerade vorhin von Niedersachsen gesprochen haben, so ist doch letzten Endes das Ausmaß der Schwarzarbeit im dortigen Gebiet hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß es eine ganze Reihe von Leuten gibt, die Arbeitslosenunterstützung beziehen und doch zur Arbeit gehen. Es ist praktisch so, daß sie teilweise sogar in Handwerkswerkstätten beschäftigt werden und nebenher zum Stempeln gehen. Ich bin der Überzeugung, wenn wir die Bundesanstalt ein Jahr früher bekommen hätten, wenn wir nicht alle die Schwierigkeiten zu überwinden gehabt hätten, wären wir in der Bekämpfung der Schwarzarbeit ein großes Stück vorwärtsgekommen.
Ich sehe aus dem einstimmigen Beschluß des Ausschusses, daß das Haus diesen Gesetzentwurf wünscht. Wir stehen zur Zeit auch mit den Vertretern vor allen Dingen der Handwerksorganisationen, die hier besonders interessiert sind, in sehr enger Verbindung, und ich will gern hoffen, daß es uns gelingt, Ihnen einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Schwarzarbeit bei denjenigen beseitigt, die große Schwindler sind, und der nachher nicht dazu führt, daß man kleinen Sündern oder 'Leuten, die einem anderen mal geholfen haben, ein Strafmandat auf den Hals lädt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schwarzarbeit ist ja nicht nur Versicherungsbetrug, sie ist auch Steuerbetrug. Ich bin überzeugt, daß 'die Herren Finanzminister und Stadtkämmerer des deutschen Bundes vom Norden bis in den äußersten Rosenheimer Zipfel, falls sie die Protokolle dieses Hohen Hauses lesen sollten, heute sehr erfreut aufblicken werden.
Aber so 'schwierig das Problem ist, man sollte doch immer daran denken, daß man 'hier nicht das zustande bringen darf, was vorhin von der Berichterstatterin so mit Recht dargestellt wurde, einen Anreiz zu ewiger Denunziation. Es kann nicht die Absicht dieses Gesetzes sein, daß der Nachbar Arbeitsinvalide der dem Nachbar Rechnungsrat die Apfelbäume schneidet, angezeigt wird. Es kann nicht Absicht sein, 'daß der andere Nachbar Arbeitsinvalide, der ein Furnier am alten Schreibtisch leimt, ebenfalls angezeigt werden kann. Es wird der Weisheit dieses Ausschusses bedürfen, das in
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Ordnung zu bringen, was ein ordentlicher Staat auch auf diesem Gebiete des Arbeitsmarktes notwendig hat. Wir stimmen der Beratung des Antrages im Ausschuß zu.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schuster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Notwendigkeit dieses Gesetzes wurde bisher schon von allen Rednern betont. Ich möchte das im Namen meiner politischen Freunde nur noch unterstreichen. Auch Herrn Dr. Hammer muß ich recht geben, wenn er von dem Erfreutsein der Stadtkämmerer usw. sprach. Nur muß ich hinzusetzen, daß sie das schon vor zwei Jahren hätten sein können, wenn damals das Hohe Haus dem Antrag der OP schon zugestimmt hätte. Er hat nämlich genau so gelautet wie der heute zur Debatte stehende Antrag. Die Verhältnisse haben sich inzwischen wohl kaum geändert; die Situation war damals wie heute. Damals wurde allerdings der Antrag völlig geändert. Die Regierung wurde ersucht, Maßnahmen zu ergreifen und dies mitzuteilen. Das ist auch geschehen. Daß diese Maßnahmen nicht ausgereicht haben, zeigt sich heute. Der Herr Bundesarbeitsminister hat damals in der Drucksache Nr. 2221 vom 25. April 1951 erwähnt, daß es zu schwierig sei, ein solches Gesetz zu schaffen. Wir waren uns damals schon im klaren, daß es sehr schwierig ist; denn die Vielfältigkeit, die Verschiedenheit der Schwarzarbeit und die Regelung, wie alles recht und gerecht zur Rechenschaft zu ziehen ist, ist sehr schwer. Aber es ist nicht unmöglich.
I) Heute sind es nicht nur die Finanzämter und die Arbeitsämter, die die Augen offenhalten. Man kann draußen von sehr vielen Steuerzahlern Beschwerden über diese Schwarzarbeiter hören, seien es nun diejenigen, die selbständige Schwarzarbeiter sind, oder diejenigen, die Unterstützungsempfänger sind und nebenbei noch verdienen. Der Steuerzahler hält heute die Augen offen und kritisiert sehr scharf. Wir bedauern deshalb, daß dieser Antrag nicht schon vor zwei Jahren angenommen wurde. Aber da es nun einmal passiert ist, können wir nicht umhin, zum Ausdruck zu bringen, daß wir froh sind, daß der Antrag wenigstens jetzt angenommen wird, auch wenn er nun von Antragstellern stammt, die damals unseren Antrag albgelehnt haben. Wir werden diesem Antrag heute zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union auf Umdruck Nr. 655 abstimmen. Wer für diesen Änderungsantrag zu dem Antrag des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nun über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3566 abstimmen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der
Deutschen Partei betreffend Angestellte und
Bamte in Berlin ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, sich mit einer Aussprachezeit von 60 Minuten begnügen zu wollen.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist bedauerlich, daß wir immer wieder von diesem Platze aus über sozialversicherungsrechtliche Dinge sprechen müssen, die noch nicht für alle Deutschen gleich und einheitlich geregelt sind. Bisher regelte sich die Versicherungspflicht der Angehörigen von Bundesdienststellen, also von Angestellten und Beamten, die bei Bundesbehörden in Berlin beschäftigt sind, nach der Verfügung des Berliner Magistrats vom 6. Juli 1950. Inzwischen ist durch eine Senatsverfügung vom 11. Juli 1952 mit rückwirkender Kraft vom 1. April in Berlin eine Neuregelung über die Versicherungspflicht erlassen worden, die für die Angehörigen der Bundesdienststellen in Berlin unerträgliches, zweierlei Recht schafft. Es ist für uns, die wir uns darum bemühen, Bundesstellen nach Berlin zu bekommen und möglichst allen Deutschen gleiches Recht zu schaffen, unverständlich, daß jetzt auch wieder in Berlin - angeblich in Übereinstimmung mit dem Herrn Bundesminister für Arbeit, wie der Berliner Senator mitgeteilt hat - Recht geschaffen ist, wonach die Versicherung aller nicht versicherungsfreien Angestellten und Arbeiter von den Trägern der Berliner Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung durchgeführt wird und wonach Angestellte von Bundesbehörden nur dann berechtigt sind, Mitglieder einer Ersatzkasse zu bleiben, wenn sie dieser vor der Sitzverlegung ihrer Dienststelle oder nach der Übernahme einer Berliner Dienststelle auf den Bund angehört haben. Der Senat von Berlin, der sich, angeblich im Einverständnis mit der Bundesregierung, mit dieser Regelung einverstanden erklärt hat, hat dabei zweierlei Recht für die Angestellten in Berlin geschaffen, und zwar für diejenigen, die von dem Bundesgebiet versetzt wurden, und für diejenigen, die neu oder aus dem Kreis der Berliner Angestellten eingestellt werden und die vorher eine freiwillige Entscheidung angesichts der besonderen Berliner Situation nicht treffen konnten.
Die beteiligten Bundesministerien hatten sich bei den Besprechungen mit den Vertretern Berlins immer wieder bemüht, auf die Schwierigkeiten hinzuweisen, die dadurch entstehen, daß, wenn Bundesbehörden nach Berlin gelegt werden, für die Angestellten und Beamten Ausnahmerecht geschaffen wird. Neulich hat sogar ein Betriebsrat eines Berliner Ministeriums eine Klage beim Verwaltungsgericht gegen die inzwischen erfolgte Verfügung des Berliner Senats erhoben. Ich möchte Sie nun nicht bemühen, indem ich Ihnen die einzelnen Senatsanordnungen vorlese. Ich meine aber, daß es unerträglich ist, daß trotz dieser Klagen der Betriebsräte der Bundesbehörden und trotz des Einspruches, den der CDU-Abgeordnete Schellin im Berliner Abgeordnetenhaus ausdrücklich begründet hat, in Berlin erklärt wurde, daß man diese Anordnung in Kraft setzen würde. Der Berliner Ausschuß für Arbeit hat meines Wissens auch so entschieden.
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Abgesehen von den Unklarheiten, die sich aus der Formulierung der Anordnungen ergeben, halten wir es für ganz unerträglich, daß diejenigen Angestellten des Bundes, die vom Bundesgebiet nach Berlin versetzt werden, einen Vorzug gegenüber denjenigen haben, die nun etwa neu aus dem Kreise der arbeitslosen Berliner Angestellten eingestellt werden und die sich nicht für eine Ersatzkasse nach dem Recht des § 517 der Reichsversicherungsordnung entscheiden können, obwohl doch immer wieder betont wird, daß Bundesrecht auch in Berlin und für Berlin gelten soll.
Wir fordern daher, daß die Bundesregierung mit dem Lande Berlin vereinbart, daß alle Angestellten des Bundes, die bei Bundesbehörden beschäftigt sind, auch ihre sozialversicherungsrechtlichen und die Beamten natürlich ihre beamtenrechtlichen Ansprüche nach den Bundesgesetzen unvermindert gewährleistet erhalten. Der Deutsche Beamtenbund und die Angestelltenorganisationen in Berlin haben sich in dieser Angelegenheit meines Wissens auch beim Arbeitsminister verwandt.
Wir haben unsern Antrag noch insofern vervollständigt, als wir hineinsetzen möchten, daß die in Berlin bei Bundesbehörden beschäftigten Angestellten und Beamten ihre sozialversicherungsrechtlichen und beamtenrechtlichen Ansprüche nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland garantiert erhalten. Nach einem Hinweis der Föderalistischen Union, die den Wunsch gehabt hat, daß in diesem Antrag keine Begründung steht, sind wir damit einverstanden, daß der letzte Halbsatz ,, ... um die Verlegung weiterer Bundesbehörden nach Berlin zu erleichtern und zu ermöglichen." gestrichen wird, weil wir es für selbstverständlich halten, daß erst die Voraussetzungen geschaffen werden müssen
und daß dann auch die Verlegung weiterer Bundesbehörden nach Berlin erleichtert sein wird.
Wir sind überzeugt, daß niemand in diesem Hohen Hause damit einverstanden sein kann, daß Beamte oder Angestellte bei Bundesbehörden nach zweierlei Recht behandelt werden sollen. Wir bitten Sie daher, unserem Antrage zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schröter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, das Hohe Haus wird es mir nachsehen, wenn ich die Ausführungen meiner verehrten Vorrednerin nicht so ernst nehme, wie sie sich eigentlich für Berlin auswirken. Ich würde sie nicht ernst nehmen, wenn es nicht der Antrag eines Mitglieds der Regierungskoalition wäre. Ein Mitglied einer Fraktion, die die Bundesregierung unterstützt, macht der Bundesregierung Vorwürfe darüber, daß sie die Rechte der Bundesbeamten nicht wahre.
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Eine genaue Analyse Ihres Antrags, den Sie nun ständig verbessern - jetzt schon wieder durch Einfügung des Wortes „Bundesbehörden" -, zeigt, daß er absolut ganz anderen Zwecken dienen soll. Er soll den Zwecken dienen, die Frau Kalinke nun schon solange in diesem Hause betreibt,
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nämlich ihr Versicherungstöpfchen am Kochen zu halten.
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Die Dame mit dem Versicherungskomplex will alles 1 in der Welt aus einem Punkt kurieren,
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und infolgedessen nutzt sie jede Gelegenheit, auch die Stunden, in denen es auf nationale Geschlossenheit ankommt, um dann ihr Töpfchen noch ans Feuer zu schieben. Deshalb müssen wir uns etwas ernstlicher mit ihr beschäftigen.
Frau Kalinke hat in ihren Ausführungen dauernd das Wort „unerträglich" gebraucht. Ich muß Ihnen sagen, wir Berliner finden es unerträglich: daß sie bei jeder Gelegenheit, ohne die Entwicklung in Berlin genau zu kennen, immer wieder versucht, ihr Feuerchen anzuzünden und hineinzupusten und Streit zu entfachen, wo die Dinge von uns Berlinern selber gemeistert werden.
Gestatten Sie mir deshalb einen kurzen Rückblick auf das, was geschehen ist, weil die Kunst des Vergessens hier in Westdeutschland ja besonders groß ist.
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- Was das heißen soll? Das will ich Ihnen ganz genau erklären! Nicht im Berlin-Ausschuß, dessen Arbeit wir anerkennen, aber in weiten Kreisen der Bevölkerung wird in der letzten Zeit vergessen, daß Berlin einen Start unter ganz anderen Umständen gehabt hat. Bei uns lagen die Rechte im wahrsten Sinne des Wortes auf den Schlachtfeldern. Wir als Berliner Beamte haben uns diese Rechtsgrundlage mühsam Schritt für Schritt auf einem anderen Wege, als es bei Ihnen möglich war, selber schaffen müssen. Aber statt daß man das anerkennt, werden immer wieder vorweg, ehe wir zu einem Endzug kommen, neue Streitobjekte hineingeworfen, die uns die Aufbauarbeit erschweren.
Ich darf feststellen, daß der Antrag, sofern er sich auf Bundesbeamte bezieht, offene Türen einrennt. Denn es steht fest, daß jeder Beamte und Angestellte, der nach Berlin kommt, unter den gleichen Bedingungen nach Berlin kommt, unter denen er hier im Bundesgebiet arbeitet. Diese Dinge sind ausdrücklich festgelegt, und der Ausschuß für Arbeit hat das noch einmal besonders unterstrichen, damit niemand in Berlin auf den Gedanken kommen kann, etwa noch nach einer anderen Lösung zu suchen.
In diesem Sinne muß festgestellt werden, daß der vorgelegte Antrag absolut überflüssig ist. Jeder, der in der Ersatzkasse ist oder war, kann in Berlin weiter in der Ersatzkasse bleiben. Die Angestellten sind versicherungspflichtig in demselben Rahmen und in derselben Höhe wie im Bundesgebiet. Sollte es sich ergeben, daß die Bundesregierung sich vielleicht in einigen Punkten - sagen wir einmal - nicht mit der nötigen Intensität einiger Bundeseinrichtungen annimmt, dann steht es ja bei Ihnen, darauf etwas stärker zu drücken. Ich erinnere nur an unsere ehemalige Reichsdruckerei. Die Verhältnisse der Angestellten an der Reichsdruckerei werden sehr bald so geregelt werden, daß damit klare und endgültige Rechtsverhältnisse da sind.
Im übrigen darf ich aber feststellen, daß das dafür verantwortliche Ministerium nach den Unterlagen, die mir vom Betriebsrat gegeben worden sind, von sich aus bereit ist, alle Härten zu mildern und das Ziel, die volle Übernahme und Überleitung zu erreichen, von sich aus in Angriff genommen hat. Die Kritik könnte sich also höchstens nach dieser Richtung hin auswirken. Aber darüber
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wird ja die Bundesregierung Aufklärung geben können.
Ich habe Sie vorhin darauf hingewiesen, daß wir uns unsere Rechtsgrundlage unter ganz anderen Umständen geschaffen haben, und zwar nicht zum wenigsten auch dank der Mitwirkung der Gewerkschaften. Vergessen Sie nicht, daß wir immer alle vier Besatzungsmächte bei uns hatten, die ihren Einspruch gemeinsam vorbrachten. Wir haben unter diesen Umständen unser gemeinsames Ziel, nämlich den allgemeinen Anschluß an den Bund, nie aus dem Auge verloren. Die Situationen sind oft sehr schwierig, und es ist oft schwer, das Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren, da Kräfte am Werk sind - auch von alliierter Seite -, die dafür sorgen, daß aus der de-facto-Eingliederung nicht eine de-iure-Eingliederung wird. Wir können das .einmal mit aller Deutlichkeit aussprechen. Deshalb sind die hier aufgestellten Behauptungen so störend.
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Sie unterstützen, Frau Kalinke, diese Kräfte - und die habe ich gemeint, nicht unsere Freunde, von denen wir uns eine ganze Menge gewonnen haben -, die Kräfte, die nur an ihre eigenen Interessen denken und alle Möglichkeiten suchen, um nicht nach Berlin gehen zu müssen. Der Antrag, der hier besondere Garantien für das Übersiedeln nach Berlin in einer Zeit verlangt, in der wir uns mit allen Mitteln bemühen, die Leute auf Berlin aufmerksam zu machen und die Verbindung nicht abreißen zu lassen, bedeutet doch glatt, daß man die Kräfte ermuntert, die sich unter allen möglichen Umständen einer Versetzung nach Berlin entziehen wollen. Abgesehen davon: wie Sie das mit Ihrer Auffassung von Beamtenpflichten vereinigen können, ist mir ein Rätsel! Das ist die andere Seite dieser Anträge.
Im übrigen darf ich Sie darauf verweisen, daß wir bereit sind, alle diese Dinge abzuwickeln, aber in dem Tempo, das unseren Lebensinteressen entspricht, die letzten Endes auch Ihre sind. Denn darüber müssen Sie sich doch klar sein, daß, wenn Berlin nicht mehr sicher ist, Sie hier auch nicht mehr sicher sitzen, Frau Kalinke!
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- Das hat sehr viel mit, diesen Dingen zu tun, weil die Propaganda in dieser Form sich so auswirkt. Und das ist das, was uns nachgerade unerträglich wird.
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Ich darf Ihnen dazu folgendes sagen. Ich habe vor mir ein Merkblatt des Verbandes der Berliner Lehrer und Erzieher liegen, das ganz genaue Anweisungen darüber herausgibt, wie die Betreffenden sich ihre Rechte bei der Lösung von der VAB bewahren sollen. Das geht doch aber nicht von heute auf morgen. Das braucht doch seine Zeit. Wir wären Ihnen sehr verbunden, wenn Sie viel mehr für Aufklärung nach dieser Richtung sorgten, daß die Menschen sich freiwillig nach Berlin melden sollten, um nicht erst durch irgendeinen Befehl nach Berlin versetzt werden zu müssen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn Sie uns darin unterstützten.
({9})
Aus diesem Grunde wenden wir uns gegen diesen Antrag. In Berlin brauchen wir keine besonderen Garantien. In Berlin brauchen wir nichts anderes als das Gefühl, daß man uns in dieser
Richtung unterstützt -- so wie auch wir freundlicherweise bei Ihnen Unterstützung erhalten - und uns die Möglichkeit gibt, unser Schicksal zu gestalten. Das brauchen wir in Berlin, Frau Kalinke! Ihre wohlmeinenden Ratschläge, vorzeitig Sonderinteressen zu verfolgen, können Sie für sich behalten. Ich sage das in aller Deutlichkeit.
Auch in Berlin war die Frage der Versicherungspflicht nicht in erster Linie die Frage eines Streites über Versicherungsprinzipien. Wir haben das selbst gemacht. Wir Beamte, die wir gegenüber der großen Zahl von Rentnern und Arbeitslosen das Glück hatten, zuerst wieder im Brot zu stehen, haben damit einen Beitrag der Solidarität geleistet.
({10})
Durch den Anschluß an den Bund ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, daß wir diese Dinge allmählich ablösen können. Wo aber wäre Berlin geblieben, wenn wir damals nicht diese Grundlage geschaffen hätten! Sie hat vielen Tausenden alten Arbeitern und Rentnern das Leben gerettet.
({11})
Dieser Pflicht hat sich auch die Berliner Beamtenschaft unterzogen, ohne ihre Grundinteressen aufzugeben. Das Ziel hat sie verfolgt.
Was die Berliner Beamten selbst angeht, so kommen Sie reichlich spät. In Berlin haben wir nämlich unser Beamtengesetz inzwischen fertig, und ich darf Ihnen sagen, es ist einstimmig von allen Parteien angenommen worden.
({12})
Und weil es einstimmig angenommen ist, werden wir auch in größter Einmütigkeit die Konsequenzen daraus ziehen. Die Beamtenrechte in Berlin brauchen Sie nicht zu verteidigen. Das überlassen Sie uns Berliner Beamten selbst.
({13})
- Warum haben wir diese Zeit gebraucht? Weil Verhältnisse geschaffen wurden von Leuten, die sich heute wieder melden, die uns in die Lage gebracht haben, daß wir in Berlin allein standen und uns jahrelang allein helfen mußten. Ich habe Ihnen erklärt: unsere Rechte ragen auf den Schlachtfeldern. Wir haben sie uns wiedergeholt, und deshalb wollen wir uns unsere Arbeit nicht stören lassen durch Anträge, die uns scheinbar helfen wollen. Dieser Antrag ist ein vergifteter Antrag, und deshalb bitten wir Sie, ihn abzulehnen. Er ist erstens sachlich nicht gerechtfertigt, zweitens unzweckmäßig und drittens schädlich.
Nun möchte ich Ihnen noch etwas sagen.
({14})
- Mein Herr, Parlament kommt bekanntlich von parlieren. Ja?
({15})
Mein Herr Kollege, immerhin ist es eine Regierungsfraktion, die diesen Antrag unterschrieben hat, und man muß sich mit ihr einmal ernsthaft auseinandersetzen, nachdem hier dauernd Propaganda gemacht wird mit dem Wort -;,unerträgliche Zustände in Berlin". Das können Sie uns nicht verdenken.
({16})
Dazu möchte ich Ihnen etwas sagen; vielleicht denken Sie mal darüber nach. Vor hundert Jahren hat sich Max von Schenkendorf auch einmal das
({17})
deutsche Volk betrachtet, als er von Süden nach Norden zog, und dabei hat er festgestellt:
Aber einmal müßt Ihr ringen
Noch in ernster Geisterschlacht
Und den letzten Feind bezwingen,
Der im Innern drohend wacht.
Haß und Argwohn müßt Ihr dämpfen, Geiz und Neid und böse Lust.
Dann, nach langen schweren Kämpfen, Kannst Du ruhen, deutsche Brust.
Vielleicht denken Sie in diesem Zusammenhang mal darüber nach!
({18})
Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die polemische Art, mit der mein Herr Vorredner seine Darlegungen eingeleitet hat, ist für die sachliche Behandlung dieses Antrags nicht gerade von Vorteil.
({0})
Es ist aber, glaube ich, niemand in diesem Hause, der die unter großen und schweren Opfern seit Jahren vollbrachten Leistungen der Berliner Bevölkerung auch nur im geringsten bezweifelt. Dieses Haus hat bereits mehr als einmal dieser Überzeugung und auch dem Dank gerade für diese Leistungen der Berliner Bevölkerung Ausdruck gegeben. Die Leidenschaftlichkeit, mit der der Herr Vorredner das gesamte Thema behandelt hat, wäre sehr wohl am Platze gewesen, wenn es sich in der
Tat um einen General- oder Großangriff gehandelt hätte, wie er ihn in diesen Antrag hineingelegt hat. Wir wollen in den Antrag nicht mehr hineinlesen, als tatsächlich drinsteht. Es handelt sich ja gar nicht um die Frage der Angleichung des Berliner Krankenversicherungsrechts an das Bundesrecht. Darüber haben wir vor einiger Zeit hier noch diskutiert und unsere vorläufigen Entscheidungen in dieser Frage getroffen. Worum es sich handelt, ist nach meiner Auffassung gar nichts anderes, als das wiederherzustellen, was in dieser Teilfrage in den vergangenen Monaten oder in den letzten zwei Jahren - ich weiß es nicht genau - laut einer Vereinbarung zwischen dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Berliner Senat bereits Praxis gewesen ist.
Lassen Sie mich zum Antrag selbst sagen: auch ich bin der Meinung - und es wäre vielleicht einiges an Leidenschaftlichkeit vermieden worden, wenn der Antrag darauf Rücksicht genommen hätte -, das, was in dem Antrag bezüglich der Beamten und der beamtenrechtlichen Ansprüche steht, gehört in der Tat nicht hinein. Denn die Bundesbeamten, die bei Bundesbehörden in Berlin ihre Funktionen ausüben, werden selbstverständlich beamtenrechtlich nach den Gesetzen des Bun' des betreut und sind in ihren Beamtenrechten in keiner Weise irgendwie gefährdet.
({1})
Das gehört meines Erachtens wirklich nicht hinein.
Was aber die sozialversicherungsrechtlichen Ansprüche der Angestellten angeht, so sind der Sachverhalt und die Rechtslage folgende. In der Rentenversicherung und in der Unfallversicherung ist inzwischen bekanntlich das Berliner Recht an das
Recht des Bundes angeglichen worden. Diese beiden Versicherungsträger stehen also nicht mehr zur Diskussion. Bezüglich der Krankenversicherung war damals zwischen dem Herrn Bundesarbeitsminister und dem Berliner Senat folgendes vereinbart. Die bei Bundesbehörden in Berlin tätigen Angestellten werden nach dem in der Bundesrepublik geltenden Sozialversicherungsrecht versichert. Das hieß also, daß in bezug auf die Krankenversicherung für diese bei Bundesbehörden tätigen Angestellten die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung so galten wie hier im Bundesgebiet. Auf Grund dieses Vorganges haben damals beispielsweise große Ersatzkassen in Berlin Geschäftsstellen errichtet, um in der Lage zu sein, die aus dem Bundesgebiet nach Berlin kommenden Mitglieder ihrer Kasse oder auch solche, die in Berlin in die Dienste einer Bundesbehörde treten und vielleicht auch die Mitgliedschaft zu einer derartigen Kasse erwerben wollen, dort zu betreuen.
Im Verlaufe dieses Jahres hat dann nach meiner Unterrichtung der Herr Senator für Arbeit in Berlin die Bundesregierung wissen lassen, daß man sich an diese Vereinbarungen in dieser Form nicht mehr halten könne. Und weshalb? Wenn ich recht unterrichtet bin, beinhaltet das Sozialversicherungsanpassungsgesetz des Landes Berlin vom Dezember 1950 die Vorschrift, daß der Senator für Arbeit im Einvernehmen mit der Versicherungsanstalt Berlin für den Kreis der Bediensteten bei Bundesbehörden durch eine Verordnung zu bestimmen habe, nach welchen Sozialversicherungsvorschriften sie zu versichern seien. Diese Verordnung ist am 11. Juni dieses Jahres erlassen worden. Ich glaube darüber unterrichtet zu sein, daß der Herr Senator für Arbeit gelegentlich darauf hingewiesen hat, daß es gar nicht leicht gewesen sei, die Verordnung so zu gestalten, wie sie aussieht, nämlich, daß die Bediensteten, die bereits Mitglieder einer Ersatzkasse sind, diese Mitgliedschaft beibehalten können. Was -aber unterbunden worden ist und einen Rückschritt gegenüber der vorher getroffenen Vereinbarung bedeutet, ist folgendes. Es können zur Zeit eben Leute, die in den Dienst einer Bundesbehörde treten, nicht neu Mitglied einer Ersatzkasse werden. Meine Damen und Herren, wenn für die Bediensteten bei Bundesbehörden das Sozialversicherungsrecht des Bundes gelten soll, dann ist nicht einzusehen - und ich hoffe, daß Sie sich dieser Auffassung anschließen werden -, warum man diese Kategorie von Menschen gegenüber denen, die aus dem Bund kommen, benachteiligt.
Das - und nur das - hat Frau Kalinke nach meiner Auffassung mit ihrem Antrag fordern wollen, daß der Herr Bundesarbeitsminister oder die Regierung das wieder sichern solle, was auf Grund der Vereinbarung bereits Rechtens war, nämlich daß alle Personen, die bei einer Bundesbehörde in Berlin tätig sind, auf Grund des in der Bundesrepublik geltenden Rechts auch Mitglied einer Ersatzkasse sein können. Ich möchte Sie bitten, meine Damen und Herren, sich gegen die Rechtsunterschiede dadurch zu wehren, daß Sie dem Antrag der Deutschen Partei in der abgeänderten Form zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, zu diesem Punkt der Tagesordnung zu sprechen; aber
({0})
nachdem der Kollege Schröter als gewählter Vertreter Berlins zu dieser Frage gesprochen hat, fühle ich mich auch bewogen, als Berliner zu seinen Ausführungen kurz Stellung zu nehmen. Ich betone' ausdrücklich: kurz Stellung zu nehmen, und zwar deshalb, weil sich der Kollege Schröter meiner Auffassung nach sehr wenig zu dem Sachverhalt des Antrags geäußert hat. Ich glaube jedenfalls - und das möchte ich in erster Linie herausstellen -, daß die Sonderstellung Berlins in der Fürsprache und Verteidigung ein Niveau verdient, das nicht durch Lautstärke, sondern durch Überzeugungsmerkmale bestimmt wird,
({1})
und vielleicht noch mehr sich in der eigenen Haltung der Berliner auszudrücken hat.
Meine Damen und Herren, wir wollen doch nicht vergessen, daß dieser wehmütige Nachruf, den der Kollege Schröter indirekt der VAB gewidmet hat, dadurch hervorgerufen ist, daß die Mehrheit der Berliner Bevölkerung das bisherige Sozialversicherungssystem abgelehnt hat und ablehnt.
Der Kollege Schröter hat gesagt, daß wir uns in Berlin die Stellung als Beamte errungen und uns zu dem Beamtentum durchgerungen haben. Demgegenüber möchte ich mit dem Hinweis darauf schließen, daß es sehr lange gedauert hat, bis sich die SPD in Berlin zu diesem Standpunkt bekannt und daß sie ebensolange den Standpunkt von Artur Pieck verteidigt hat, der einem Beamtentum feindlich gegenüberstand.
({2})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich hatte nur die Absicht, einen sachlichen Antrag sachlich zu begründen.
({0})
Ich möchte es mir ersparen, auf die temperamentvollen und etwas eigenartigen Ausführungen des Sprechers der Sozialdemokratischen Partei, die Sie so bejubelt haben, in denen er von Karl Marx bis zu Schenkendorf kam, einzugehen. Ich möchte auch nicht darauf eingehen, daß Sie es seltsam oder gar erstaunlich finden, daß eine Fraktion innerhalb der Koalition eine besondere Auffassung hat oder ein klares Gesicht zeigt.
({1})
Sie sollten in diesem Hause schon öfter bemerkt haben und als gute Vertreter der Demokratie wissen, daß in der Koalition durchaus die Möglichkeiten auch verschiedener Meinung und des Zusammenfindens in einer entscheidenden Meinungsbildung gegeben sind. Ich bin glücklich darüber, daß wir in dieser Koalition in sozialpolitischen Fragen im Grundsätzlichen - wenn auch nicht immer - einer Auffassung sind, auch wenn Sie versuchen, diese Dinge anders auszulegen. Sie
haben es sich ein bißchen billig gemacht, als Berliner Beamter ausgerechnet das verteidigen zu wollen, was dem Beamtenstand im Bundesgebiet wie in Berlin wohl am meisten weh getan hat, nämlich die Beseitigung des Beamtenrechts in Berlin. Ich möchte zur Frage der beamtenrechtlichen Bestimmungen auch dem Kollegen Horn erwidern, daß der Deutsche Beamtenbund in Berlin mich darauf hingewiesen hat, daß auch hinsichtlich der Anwendung der nach Art. 131 zu treffenden Regelungen für Berlin die Berliner Beamten dadurch besonders schlecht gestellt sind, daß sie in Berlin durch die Piecksche Verordnung über die Abschaffung der Beamtenrechte, die Sie von der SPD so bejubeln und die Sie auf den Barrikaden erkämpft haben,
({2})
und durch die Bestimmungen der VAB-Satzungen die Sie ebenfalls so verteidigen, so behandelt wurden, als wenn sie seit dem 1. Januar 1939 rentenversichert gewesen wären. Die Beamten wurden damals zwangsweise in die Versicherungspflicht einbezogen. Sie sind gleichzeitig beitragspflichtig geworden, ohne daß sie den gleichen Anspruch auf Altersversorgung haben wie ihre Kollegen im Bundesgebiet. Wir wollen eben nicht, daß nur Bundesbeamte von Bonn nach Berlin versetzt werden, sondern wir möchten, daß auch recht viele Berliner Beamte und Angestellte, die auf ihre Wiedereinstellung warten, in diese Bundesbehörden und in die anderen Betriebe, die nach Berlin gehen, hineinkommen. Dann sollen sie gleiches Recht haben wie alle Staatsbürger, auch wenn das der Sozialdemokratischen Partei und der KPD, die in dieser Sache die gleiche Auffassung vertreten, nicht gefällt.
({3})
- Das wissen wir, weil Sie das hier in jeder Debatte gemeinsam so verteidigt haben und weil man
es in den Bundestagsprotokollen nachlesen kann.
Ich bitte daher, diesem sachlichen Antrag, der nur der Wiederherstellung des einheitlichen Rechts dient, zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Monaten sind wir in diesem Hause bemüht gewesen, durch die Gesetzgebung das Sozialversicherungsrecht in Berlin dem des Bundes anzupassen. Durch eines der Gesetze, das wir vor nicht allzu langer Zeit verabschiedet haben, ist der erste große Schritt nach dieser Seite hin getan worden, indem die VAB in Berlin nach dem Gebiet der Rentenversicherung, dem Gebiet der Unfallversicherung und dem Gebiet der Krankenversicherung aufgegliedert wurde. Wir haben davon Abstand genommen, die Krankenversicherung noch weiter aufzuspalten, wie es hier im Bundesgebiet der Fall ist, und zwar aus ganz gewichtigen wirtschaftlichen und sonstigen Gründen, die in Berlin gegeben sind.
({0})
Wenn wir nun diesen ersten Schritt getan haben und wenn wir durch ,den Lauf der Entwicklung in der nächsten Zeit weiter versuchen wollen, im ganzen das Sozialversicherungsrecht gleich zu gestalten, dann bin ich der Auffassung, daß man
({1})
durch Anträge, wie sie heute hier begründet worden sind, diese Entwicklung nicht stören sollte.
({2})
Ich bin daher mit einem großen Teil meiner Fraktionsfreunde der Meinung, daß man diesen Antrag ablehnen sollte.
({3})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schröter.
({0}) - Die Wortmeldung wird zurückgezogen.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Dann schließe ich die allgemeine Aussprache.
Das Wort zu einer persönlichen Erklärung hat Herr Abgeordneter Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der 'Herr Abgeordnete Neumann hat in einem Zwischenruf zum Ausdruck gebracht, ich sei freiwillig in die Zone gegangen wegen der Pajokpakete. Ich muß diese Äußerung als eine unglaubliche Beleidigung herausstellen, die in keiner Weise den Tatsachen entspricht. Sie entspricht so wenig den Tatsachen, daß ich in der Lage bin, schriftlich das Gegenteil zu beweisen.
({0})
Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag Drucksache Nr. 3451 in der abgeänderten Form zustimmen will, den bitte ich, 'die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Bundesanstalt für Angestelltenversicherung in Berlin ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Begründung 10 Minuten und für die Aussprache 60 Minuten beschließen zu wallen.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Frau Kalinke ({1}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Als wir im Jahre 1949 zum ersten Mal und erneut 1950 mit dem Antrag der Deutschen Partei Drucksache Nr. 1609 in der Sitzung des Deutschen Bundestages am 13. Dezember 1950 die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt und die Schaffung der Grundlagen für die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt beschlossen haben, ist laut Protokoll des Deutschen Bundestages der Bundesregierung der Auftrag erteilt worden, Bericht zu geben über die finanziellen Verhältnisse der Angestelltenversicherung und bis ins einzelne Bericht zu erstatten über das Vermögen der früheren Reichsversicherungsanstalt für Angestellte, auch an Grundstücken, Hypotheken, Darlehn und Wertpapieren, und dieses Vermögen sicherzustellen. Trotz dieses Beschlusses haben wir dann Monate hindurch vom Bundesminister für Arbeit nichts gehört und am 17. Februar 1951 mit dem Antrag Drucksache Nr. 1948 der Deutschen Partei erneut daran erinnert, daß die treuhänderische Verwaltung des Vermögens der Sozialversicherungsträger gemäß Beschluß des Bundestages von der Bundesregierung übernommen werden soll. Auf unsere Anfrage hat der Arbeitsminister damals geantwortet und uns behutsam auf notwendige Arbeiten vertröstet, die im Bundesministerium für Arbeit noch erledigt werden müßten. In der Fragestunde des Deutschen Bundestages am 28. Mai 1952 habe ich die Bundesregierung erneut gefragt, wann sie das Gesetz über die Errichtung der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vorzulegen gedenke. Damals hat der Staatssekretär des Bundesministeriums für Arbeit erklärt, daß die Arbeiten abgeschlossen sind und das Gesetz sehr bald dem Kabinett vorgelegt werden wird.
Unser Antrag vom 10. Juni 1952, der erst heute zur Beratung kommt, geht in seinem ersten Teil dahin, daß die Bundesanstalt für Angestelltenversicherung in Berlin unverzüglich errichtet werden soll. Wir freuen uns, daß, nachdem wir drei Jahre hindurch für das Recht der Angestellten und die Erhaltung der Angestelltenversicherung hier gekämpft haben, beim Selbstverwaltungsgesetz ein Beschluß dieses Hauses gefaßt worden ist, wonach das Errichtungsgesetz für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte unverzüglich vorzulegen ist. Heute haben wir Ihnen einen neuen Antrag auf Drucksache Nr. 3452 vorgelegt, mit dem wir unsern Antrag deshalb ergänzen möchten, weil auf Grund unseres alten Antrags Drucksache Nr. 1609, von dem ich gesprochen habe, die notwendigen Maßnahmen, das Vermögen der deutschen Angestelltenversicherung sicherzustellen und zu schützen, nicht ergriffen worden sind. Ich weiß, daß die Opposition sagen wird, daß das eine unglaubliche Verleumdung derjenigen sei, die in den Landesversicherungsanstalten diese Vermögen treuhänderisch zu verwalten haben.
({2}) Ich bin mir der hohen Verantwortung bewußt,
({3})
wenn ich hier an diesem Platz zu dieser Frage noch kurz vor der Errichtung der Organe der Angestelltenversicherung spreche, weil ich fürchte, daß die Treuhänder die Treuhänderschaft nicht in allen Teilen so wahrgenommen haben, wie wir das für die deutschen Angestellten und ihre Rechte immer wieder gefordert haben.
({4})
Ich weiß nicht, warum sich die Opposition veranlaßt fühlt, schon jetzt zu schreien.
({5})
Sie wird Gelegenheit haben, das nachher ergiebig zu tun.
Wir haben Sorge, daß die Treuhänderschaft nicht in allen Fällen sorgfältig ausgeübt wird und daß sie 'bis zur Errichtung der Angestelltenversicherung so gehandhabt wird, 'daß das Vermögen und die wertvollen Heime der Angestelltenversicherung - und um die geht es uns ganz besonders -, nicht so erhalten werden, wie wir das im Interesse der Angestellten und darüber hinaus der Kriegsbeschädigten und aller derjenigen, die jetzt in ihnen Erholung finden, wünschen. Auch im Interesse der
({6})
Gesundheitspolitik wie der großen gesundheitspolitischen Aufgaben der Sozialversicherungsträger wünschen wir das.
Die Bemühungen der Landesversicherungsanstalt Berlin, jetzt in das Verwaltungsgebäude der RfA in Berlin zu kommen, obwohl in Berlin mit großen Mitteln ein besonderes Gebäude für die Landesversicherungsanstalt hergerichtet worden ist, geben uns zusammen mit anderen Ereignissen Anlaß zu 'besonderer Sorge. Wir befürchten auch, daß im Südzipfel unseres deutschen Vaterlandes eines der vorbildlichsten Heime der Angestelltenversicherung - die thoraxchirurgische Lungenheilstätte Wehrawald, die die 'deutsche Angestelltenversicherung 1926 erworben hat und die mit den vorbildlichsten und anerkennenswerten Leistungen der Schweizer Tuberkulosehilfe nach dem Kriege ausgestattet wurde - ,der Angestelltenversicherung nicht unverändert erhalten bleiben könnte. Der Tatbestand, daß das Heim der Angestelltenversicherung an der Nordseeküste in Utersum den Angestellten nicht zur Verfügung steht, während Kuren in Wehrmachtsheimen durchgeführt werden, die hinsichtlich der sanitären Einrichtungen und der sonstigen Zustände absolut nicht vergleichbar sind mit dem, was an Einrichtungen der Angestelltenversicherung vorhanden ist, macht uns ebenso besorgt. Weil der Träger der Angestelltenversicherung nicht aktionsfähig und die 'Selbstverwaltungsorgane noch nicht gewählt sind, haben wir Sorge um 'die Erhaltung dieser Heime und Anstalten und erneut Veranlassung, noch einmal den Bundesminister und die Bundesregierung zu bitten, dafür Sorge zu tragen, daß diejenigen, die die deutsche Angestelltenversicherung und ihr Vermögen treuhänderisch verwaltet haben, die Rechnung so legen, wie sie ein sorgfältiger 'Kaufmann in die Hände derjenigen zurückgibt, für die er die Verwaltung geführt hat. Ich weiß, daß die Mehrzahl der Präsidenten der Landesversicherungsanstalten das gerne tun werden und daß sie auch dazu in der Lage sein werden. Da aber. wo die Dinge nicht vollkommen in Ordnung sind, möge man sich bemühen, sie schnellstens in Ordnung zu bringen. Dia möge man sich verantwortlich fühlen nicht nur für die Erhaltung des Vermögens der deutschen Angestelltenversicherung, sondern auch gegenüber 'der Bundesregierung, die als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reiches für das bundesunmittelbare Vermögen der Versicherungsträger, 'die ihr unterstehen, verantwortlich ist. Ich möchte darüber hinaus wünschen, daß die große Leistung unserer Schweizer Freunde, 'die in großzügiger und uneigennütziger Weise geholfen haben, daß Heime der Angestelltenversicherung vorbildlich ausgestattet und erhalten wurden. auch 'der deutschen Angestelltenversicherung erhalten bleibt.
Ohne dieses Anliegen, dem wir noch sehr viel hinzufügen könnten, ins einzelne zu verbreitern, fühle ich mich verpflichtet, Ihnen die Gründe deshalb hier vorzutragen, weil in diesem Hause wahrscheinlich die Frage entstehen könnte und vielleicht auch schon ausgesprochen ist; Warum sprechen wir darüber noch, wenn doch eines Tages endlich das Errichtungsgesetz für die Angestelltenversicherung vorgelegt werden wird? Wir wissen, daß die Selbstverwaltungsorgane für die Angestelltenversicherung als erste und vornehmste Aufgabe die Feststellung darüber zu erledigen haben werden, was mit der deutschen Angestelltenversicherung und ihrem Vermögen geschehen ist. Wir wünschen, daß die Bundesregierung in der Lage ist, die Treuhänderschaft so wahrzunehmen, daß dieses Vermögen makellos und gemehrt statt vermindert zurückgegeben wird.
({7})
Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Deutschen Partei enthält zwei Forderungen: erstens das Ersuchen, das Errichtungsgesetz über die Bundesanstalt für die Angestelltenversicherung unverzüglich vorzulegen. Der Bundestag hat sich mit dieser Frage am 26. Juni dieses Jahres beschäftigt und hat den Beschluß gefaßt, daß ein derartiges Gesetz vorgelegt werden soll. Das Gesetz ist in Vorbereitung und wird, sobald es fertiggestellt ist, natürlich dem Kabinett und auf dem gegebenen Weg dem Hohen Hause vorgelegt.
Sodann ist in dem zweiten Teil des Antrags der Deutschen Partei allerdings gefordert worden, daß wir mit allen Mitteln die Vermögenssubstanz der Deutschen Angestelltenversicherung sichern sollen. Das zu tun, ist für mich meines Erachtens eine Selbstverständlichkeit,
({0})
und ich glaube nicht, daß wir einen einzigen Präsidenten der Landesversicherungsanstalten haben, der nicht in der Lage ist, über dieses Vermögen der Deutschen Angestelltenversicherung eine Vorlage zu machen, die beweist, daß er das Beste getan hat, um die Vermögenssubstanz dieses Versicherungsträgers auch in Wirklichkeit im Sinne der Versicherten zu verwalten.
({1})
Eine ganz andere Frage ist die, die ich dem ersten Antrag der Deutschen Partei entnommen hatte, nämlich der gemeinschaftlichen treuhänderischen Verwaltung des Vermögens der Anstalt in Berlin. Sie wissen, wir haben in diesem Hause mehrfach darüber gesprochen, welche Schwierigkeiten es gemacht hat, das Vermögen der in Berlin stillgelegten Sozialversicherungsträger in die Zuständigkeit der deutschen Instanzen zu bringen. Es ist nun einmal eine gegebene Tatsache, daß in einer Verfügung der Alliierten Hohen Kommission vom 3. Februar 1951 die Aufhebung der Sperre des Vermögens der in Berlin stillgelegten Sozialversicherungsträger von der gemeinschaftlichen Verwaltung dieser Vermögen durch die Bundesregierung und den Senat von Berlin abhängig gemacht worden ist. Wir haben dann durch eine Vereinbarung mit dem Berliner Senat die Institution geschaffen, die in Berlin erst einmal Inventur auf diesem Gebiete machen mußte, und leider hat die Sache länger gedauert, als es mir persönlich lieb ist. Aber ich nehme an, daß es uns im Laufe des Monats Oktober gelingt, den gesamten Vermögenskomplex der stillgelegten Sozialversicherungsträger aufzulösen und die Wertsubstanzen an die Träger zu geben, die heute die Versicherungen in Wirklichkeit durchführen.
Mehr konnte man meines Erachtens nicht machen, und ich möchte Fr au Kalinke folgendes sagen. Es gibt natürlich Leute, die heute gern über einen Teil des Vermögens verfügen möchten,
({2})
und es ist ja meistens so: wenn man irgendwo einen Treuhänder hinsetzt, dann versucht er, seine Zuständigkeit soweit wie möglich zu erweitern. Ich habe den Leuten ausdrücklich gesagt: Sie sind eingesetzt worden, um eine Inventur des vorhandenen Vermögens vorzunehmen, nicht um über die Vermögenssubstanz oder auch nur kleine Teile davon irgendwelche Verfügungen zu treffen. Ich habe es den Leuten ausdrücklich verboten, auch nur im geringsten Umfang über das von ihnen zusammenzustellende Vermögen irgendwelche Dispositionen zu treffen. Ich bin der Meinung, daß das die Versicherungsträger tun sollen, die heute die Versicherung durchführen. Deshalb sollen sie diese Vermögen bekommen. Wir werden doch nun hoffentlich recht bald dazu kommen, die Selbstverwaltungskörperschaften in der Sozialversicherung zu wählen. Dann haben wir ja für die Angestelltenversicherung einen besonderen Körper, der an allererster Stelle dazu berufen ist, gemeinschaftlich mit uns dafür zu sorgen, daß auch auf dem Gebiet der Angestelltenversicherung so bald wie möglich ein für die deutschen Angestellten günstiges neues Recht entsteht.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Schellenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Besprechung kommende Antrag betreffend Bundesversicherungsanstalt für Angestellte wurde in seinen wesentlichen Teilen bei Erörterung von Fragen der Berlin-Hilfe eingebracht und sollte nach den Darlegungen der Frau Kollegin Kalinke den besonderen Interessen Berlins dienen. Beim Studium des Antrags ist jedoch festzustellen, daß dabei nicht Maßnahmen der Berlin-Hilfe im Vordergrund stehen, sondern organisatorisch-technische Fragen der Sozialversicherung, mit denen dieses Haus schon sehr häufig beschäftigt wurde.
Der Antrag behandelt unter Ziffer 1 zwei Fragen: erstens die Vorlage eines Errichtungsgesetzes für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte. Der Herr Bundesarbeitsminister hat bereits darauf hingewiesen, daß diese Frage vor den Ferien hier erörtert wurde, nicht nur einmal, sondern wiederholt. Sie wurde in der Fragestunde am 28. Mai behandelt, als Frau Abgeordnete Kalinke an den Herrn Bundesarbeitsminister die Frage richtete, wann nun ein solches Gesetz vorgelegt würde. Es wurde seitens des Ministers erklärt, mit der Vorlage dieses Gesetzes könne nicht vor den Sommerferien gerechnet werden. Ein weiteres Mal wurde die Angelegenheit - der Herr Bundesarbeitsminister hat kurz darauf hingewiesen - bei der Erörterung des Selbsverwaltungsgesetzes besprochen. Die Mehrheit des Hauses hatte am 26. Juni einen Antrag angenommen, in dem um die Vorlage eines Errichtungsgesetzes ersucht wurde.
Heute wird nun nach den Ferien genau die gleiche Angelegenheit ein drittes Mal diesem Hohen Haus unterbreitet. Nach Ansicht meiner Fraktion wird das Thema Errichtung einer Bundesversicherungsanstalt für Angestellte etwas stark strapaziert. Dies ist um so bemerkenswerter, als ein Errichtungsgesetz für die versicherten Angestellten keinerlei sozialpolitische Vorteile bringen kann.
({0})
Keine Rente würde dann anders berechnet werden,
und keine Rente würde auch nur schneller berechnet werden,
({1})
sondern das Gegenteil muß eintreten.
({2})
Wenn, wie es jetzt geschieht, die Rentenfestsetzung dezentralisiert bei den Landesversicherungsanstalten erfolgt, so geht dies zweifellos schneller, als wenn es nach Erlaß eines Errichtungsgesetzes durch eine zentrale Bundesversicherungsanstalt geschieht. Jedenfalls wird es für die Zeiten des Übergangs sehr erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen.
({3})
- Und Kosten, selbstverständlich, Herr Kollege. Die damit verbundenen Komplikationen sind wohl auch der Grund, weshalb das Bundesarbeitsministerium die Angelegenheit nicht so schnell vorangetrieben hat, wie es von einem Teil des Hauses und insbesondere von Frau Kollegin Kalinke gewünscht wird.
({4})
- Herr Abgeordneter Horn, wir haben in Berlin die Rentenversicherung, wie Sie wissen, dezentralisiert durchgeführt. Was durch den Antrag bezweckt wird, ist eine zentralisierte Durchführung der Angestelltenversicherung durch eine Stelle des Bundesgebietes. Wir glauben, daß das eine Komplizierung gegenüber der bisherigen Lage bringt.
Die zweite Frage von Ziffer 1 des Antrages bezieht sich auf die Treuhandverwaltung über die Restanstalt der Reichsversicherung für Angestellte. Es wird beantragt, bis zur Errichtung der Bundesanstalt die Restanstalt in die Treuhandschaft der Bundesregierung zu legen. Der Herr Bundesarbeitsminister hat bereits darauf hingewiesen, daß dies dem Übereinkommen, das auf Ratschlag der Alliierten zwischen der Bundesregierung und dem Senat Berlin geschlossen wurde, widersprechen würde. Das Übereinkommen ist dem Hohen Haus bekannt. Es besteht, nachdem die Treuhandverwaltung seit Ablösung des Custodian und Übertragung in deutsche Hände gut funktioniert - das wird in diesem Hause wohl niemand bestreiten -, nicht der geringste Anlaß, diese Verwaltung heute zu ändern, zumal sie nach der gemeinsamen Auffassung dieses Hauses möglichst bald beendet werden soll.
Hinzu kommt, daß nach dem Übereinkommen zwischen der Bundesregierung und dem Senat von Berlin ein Treuhänderausschuß an der Durchführung der Verwaltung beteiligt werden soll, und zwar unter Beteiligung der Gewerkschaften, der Arbeitgeber und der Versicherungsträger. Es ist zu bedauern, daß dieser Treuhänderausschuß bisher keine sehr rege Tätigkeit entfaltet hat.
({5})
Ich wäre sehr dankbar gewesen, wenn sich der Herr Bundesarbeitsminister in seinen Darlegungen zur Tätigkeit dieses Treuhänderausschusses, der die Selbstverwaltung der Sozialversicherung repräsentieren soll, geäußert hätte. Auf keinen Fall sollte aber durch die Neuregelung der Treuhänderausschuß nunmehr etwa kaltgestellt werden; denn gerade bei Vorlage des Rechnungsabschlusses wird dieser Treuhänderausschuß als Ausdruck der Selbstverwaltung eine bedeutsame Funktion erfüllen müssen. Meine Fraktion kann deshalb einer
({6})
Änderung des Verfahrens bezüglich der Treuhandverwaltung nicht zustimmen..
Heute wurde uns nun eine Neufassung des Antrages vorgelegt, die das lebhafte Erstaunen meiner Fraktion hervorruft. Es wurde nämlich beantragt - der Herr Bundesarbeitsminister hat kurz dazu Stellung genommen -, die Bundesregierung möge die notwendigen Maßnahmen treffen, um das Vermögen der, Reichsversicherungsanstalt für Angestellte bis zur Errichtung der Selbstverwaltung sicherzustellen. Frau Abg. Kalinke hat eine Begründung zu diesen Fragen unter ihrer Betrachtungsweise gegeben. Sie hat aber nicht darauf hingewiesen, daß es die Landesversicherungsanstalten waren, die nach dem Zusammenbruch - also in einer Zeit, in der es unmöglich war, die Angestelltenversicherung in Deutschland von zentraler Stelle aus durchzuführen - die Interessen der versicherten Angestelltenschaft wahrgenommen haben,
({7})
die die Renten festgesetzt, die Heilverfahren durchgeführt und die alles Erforderliche zur Sicherung der Rechte der Angestelltenversicherung unternommen haben.
({8})
Als Antwort auf diese verantwortungsbewußte Arbeit, die unter schwersten Bedingungen durchgeführt wurde, fordert nun Frau Kollegin Kalinke die Sicherstellung des Vermögens der Angestelltenversicherung. Frau Kollegin Kalinke, Sie kommen auch damit ein wenig zu spät.
({9})
Es wäre vielleicht in den Jahren 1945 und 1946 notwendig gewesen,
({10})
Vermögenswerte sicherzustellen, und nicht jetzt sieben Jahre nachher, nachdem das Selbstverwaltungsgesetz erlassen und die Selbstverwaltung auch der Angestelltenversicherung vom Gesetzgeber sichergestellt ist. Meine Fraktion hält das beantragte Verfahren zur Sicherstellung der Vermögenswerte für eine Diffamierung all derer, die in den letzten Jahren im Interesses der Angestelltenversicherung gearbeitet haben.
({11})
Wir müssen deshalb diesen Antrag zurückweisen.
Im übrigen ist auch das beantragte Verfahren praktisch überhaupt undurchführbar. Es wird beispielsweise im letzten Absatz unter c) beantragt, an Vermögensstücken, so des Inventars, keine Veränderungen vorzunehmen. Das bedeutet doch praktisch eine Lahmlegung der laufenden Führung der Geschäfte, die auch im Interesse der versicherten Angestellten nicht verantwortet werden kann.
({12})
Meine Fraktion muß den Antrag ablehnen, weil er nicht den Interessen der Angestellten dient. ({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mir die größte Mühe gegeben, einmal einen sachlichen Grund zu finden, der die Deutsche Partei veranlaßt haben könnte, diesen Antrag dem Bundestag einzureichen. Man kann in der gesamten Frage der Angestelltenversicherung und der Invalidenversicherung absolut geteilter Meinung sein, man kann über all diese ' Probleme, die mit der Angestelltenversicherung und mit der gesamten Sozialversicherung verbunden sind, absolut sachlich diskutieren, aber, ich glaube, die Form dieses Antrags und vor allen Dingen die Form der Begründung durch die Frau Kollegin Kalinke fordert doch zu einem sehr ernsten Widerspruch heraus. Ich darf die Frau Kollegin Kalinke darauf aufmerksam machen, daß nach 1945, nach dem Zusammenbruch die Renten der Angestelltenversicherung nur aus den Mitteln der Invalidenversicherung bezahlt werden konnten, da die eingehenden Beiträge aus der Angestelltenversicherung bei weitem nicht reichten, um auch nur ein Drittel der Angestelltenrenten auszuzahlen. All die Dinge hat man vergessen, und man verlangt heute in einer ziemlich aggressiven Art, das schärfste Mißtrauen d e n Leuten auszusprechen, die sich seit 1945 die größte Mühe gegeben haben, die Sozialversicherung wieder auf die Beine zu stellen.
Was soll eine solche Behauptung, wie sie die Frau Kollegin Kalinke hier aufgestellt hat, die Heime der Angestelltenversicherung, die zwangsläufig durch die Invalidenversicherung mitbenutzt wurden, seien nicht in Ordnung gehalten worden? Frau Kollegin Kalinke, ich kenne eine ganze Reihe Heime - nicht nur in meinem Lande, sondern auch in anderen Ländern -, die früher der Angestelltenversicherung gehört haben und die gerade nach 1945 von den Vertretern der Invalidenversicherung, von den Präsidenten der Landesversicherungsanstalten in einer ausgezeichneten Form wieder aufgebaut worden sind und damit überhaupt die Möglichkeit zur Durchführung großer Heilverfahren gegeben haben. Vergessen Sie aber bitte auf der andern Seite nicht, daß auch die Landesversicherungsanstalten gar nicht in der Lage waren, die Dinge irgendwie aus dem hohlen Bauch zu machen, sondern daß die Landesversicherungsanstalten als ausgesprochene Landesmittelbehörden durch die Rechnungshöfe der einzelnen Länder zwangsläufig kontrolliert worden sind.
Was Sie in Ihrem Antrag verlangen, was Sie damit bezwecken und was Sie mit einer sehr verdächtigen Eile hier immer wieder vorbringen, das führt dazu, daß Sie der Sozialversicherung den schlechtesten Dienst erweisen. Auch der Angestelltenversicherung erweisen Sie den schlechtesten Dienst, indem Sie, vielleicht aus politischen Gründen, bewußt Mißtrauen dort säen, wo Dank am Platze wäre. Ich sage Ihnen offen, selbst auf die Gefahr eines Ordnungsrufes hin: Ihre Begründung und Ihr Antrag sind eine Unverschämtheit.
Herr Abgeordneter Kohl, ich erteile Ihnen in der Tat für diese Äußerung einen Ordnungsruf.
({0})
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.
({1})
- Ich habe mich geirrt: das Wort hat Frau Abgeordnete Wolff.
({2})
({3})
- Verzeihung, das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke!
({4})
- Woran soll ich mich nun halten? Wer hat sich zuerst gemeldet?
({5}) - Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke!
({6})
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Einen Gepäckträger aus d e r Fraktion brauche ich nicht, weil ich diese Unterlagen gern behalten möchte!
({0})
Es ist ein wenig peinlich, daß der Herr Kollege Schellenberg, der wieder zurückgekehrt ist, ausgerechnet seine erste Rede zur Verteidigung gegen die Angestelltenversicherung benutzt und zu diesem Thema spricht. Es ist deshalb peinlich, weil ich hier gerade ein Schreiben eines sozialdemokratischen Betriebsratsvorsitzenden der RfA vor mir liegen habe, in dem sich dieser am 22. Juni 1948 an den Kommandanten des britischen Sektors der Stadt Berlin um Schutz wenden mußte,
({1})
und weil ich ein Protokoll besitze, in dem Herr Schellenberg, der damals noch nicht bei der SPD, sondern wahrscheinlich noch bei seinen kommunistischen Freunden war ({2})
- sonst hätte er deren Maßnahmen nicht verteidigt - ({3})
- Herr Präsident, wollen Sie mir bitte Ruhe verschaffen.
Ich bitte, die Rednerin nicht zu unterbrechen.
({0})
Die deutschen Beamten und Angestellten, die die Reste der deutschen Angestelltenversicherung und ihrer Anstalt in Berlin unter unsagbarem Terror
({0})
und unter Bedrohung ihres Lebens verteidigt haben, haben damals von Ihnen keine Hilfe, sondern weitere Bedrohung erfahren.
({1})
Es ist traurig genug, daß ich Ihnen das hier antworten muß. Es wäre besser gewesen, Herr Schellenberg hätte einmal sehr sachlich über die Dinge gesprochen, die hier zur Diskussion stehen,
({2})
nämlich über die Tatsache, daß gerade die Errichtung und die Erhaltung der Angestelltenversicherungsanstalt in Berlin und nicht in Köln oder anderswo ein sehr wertvolles und sehr wichtiges Anliegen aller Berliner ist. Ich glaube, die Berliner werden es sehr vermissen, daß er dazu kein Wort gesagt hat.
Ich habe es aber auch vermißt - vielleicht tut es Frau Wolff noch -, daß aus dieser Fraktion, in der so viele Funktionäre der Gewerkschaften sitzen, kein Sprecher im Interesse der Angestellten, die im DGB und in der DAG doch genau so an der Errichtung der Angestelltenversicherung interessiert sind, ein Wort für das Vermögen der Angestelltenversicherung und ihr Anliegen gefunden hat, das eines der sachlichsten, saubersten und ehrlichsten Anliegen ist,
({3})
das je hier behandelt worden ist.
Ich möchte hier weiter feststellen, daß die Landesversicherungsanstalten nicht deswegen die treuhänderische Verwaltung der Angestelltenversicherung bekommen haben, weil die Angestelltenversicherung zusammengebrochen war, sondern weil es Ihre Freunde waren, die sie in Berlin damals daran hinderten, wieder genau so in Aktion zu treten, wie hier die Versicherungsträger in allen Zonen in Aktion getreten sind.
({4})
- Mit Ihnen spreche ich nicht, Herr Richter, sondern mit Ihrem Kollegen Schellenberg. Ich glaube nicht, daß Sie Ihre Freunde im gleichen Lager haben, Herr Richter!
Ich Möchte außerdem hier feststellen, daß es besser gewesen wäre, wenn Herr Schellenberg, der doch gerade in den letzten Wochen in dieser Angelegenheit auch in Berlin immer wieder versichert hat, daß man die Restanstalt schon noch in die LVA Berlin bekommen würde, hier so sachlich, wie die Dinge darzustellen sind, erklärt hätte, daß die Treuhänderschaft, die den Landesversicherungsanstalten auf Grund der Kriegsereignisse übertragen worden war, nicht nur darin bestand, Renten zu zahlen, sondern auch darin, die Beiträge einzuziehen. Schließlich hätten die Landesversicherungsanstalten die Renten nicht zahlen können, wenn die Beiträge nicht vorhanden gewesen wären.
Im übrigen hat der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei, weil er Berliner ist, versäumt, darauf zu antworten, warum denn das Haus der Landesversicherungsanstalt in Berlin, das mit so großen Mitteln hergerichtet wurde, nicht bezogen wurde, warum in dem Gebäude der Restanstalt der RfA eine große neue Fernsprechzentrale nötig ist, warum weitere Schwierigkeiten gemacht werden,
({5})
wenn die Angestelltenversicherungsanstalt doch kommt. Es wäre außerordentlich interessant - wenn er schon von den Leistungen spricht und wieder eine Verschlechterung an die Wand malt -, einmal festzustellen, daß die Angestelltenversicherung, gerade die zentrale Angestelltenversicherung,
({6})
die billigste Verwaltung von allen deutschen Versicherungsträgern hatte. Und was die Höhe der Verwaltungskosten bei der VAB anlangt, so weiß Herr Schellenberg darüber ja führend Bescheid.
Ich bedaure sehr, daß es nicht möglich war, heute dieses echte sozialpolitische Anliegen sachlich auszutragen. Ich sage hier ausdrücklich, daß sich kein einziger Präsident einer Landesversicherungsanstalt irgendwie diffamiert fühlen kann, wenn seine Dinge in Ordnung sind. Diejenigen aber, die mit dem Treuhänderauftrag nicht sorgsam verfahren sind, mögen die Zeit bis zur Wahl der Selbstverwaltungsorgane wahrnehmen, um dann das ihre noch zu tun.
({7})
({8})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wolff.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es gibt in der deutschen Sprache ein wunderbares Dichterwort:
Ehret die Frauen,
Sie flechten und weben
Himmlische Rosen
Ins irdische Leben.
({0})
Ja, das kann man am heutigen Abend wirklich sagen.
({1})
Ich bin noch nicht lange Mitglied dieses Parlaments; ich weiß die Ehre zu würdigen. Aber ich habe immer gefunden, daß in allen Parlamenten, denen ich in den langen Jahren meiner politischen Tätigkeit angehört habe, die Frauen stets das Element waren, das vergleichend, ausgleichend und versöhnend gewirkt hat.
({2})
Ich möchte nun als Berlinerin zu den Anwürfen Stellung nehmen, die uns als Berlinern immer von einer Seite gemacht werden. Auch jetzt hat man dem Kollegen Schellenberg vorgeworfen, daß nur der sich durch den Antrag getroffen fühlen könne, der sein Amt nicht ordentlich verwaltet habe. Ich weiß nicht, bei uns in Westfalen hat man früher immer gesagt: man sucht keinen hinter der Hecke, man hat denn selber mal dahinter gelegen.
({3})
- Ja, warten Sie nur, es wird vielleicht etwas teurer. Ich kann verstehen, daß Sie aus Kavalierspflicht die Dame Ihrer Fraktion verteidigen, wenn das auch gar nicht notwendig ist; die kann das ganz allein.
({4})
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn sich Berlin nicht so aktiv in den Kampf um die Demokratie gestellt . und das verlorengegangene Vertrauen des Auslandes nach 1945 durch seine tapfere Haltung wiedergewonnen hätte, dann hätten wir im Bundesgebiet heute weder eine Bundesregierung noch ein Bundesparlament und auch keine wirksam gewordene Deutsche Partei.
({5}) Ich kann verstehen, wenn jemand eine gradlinige Halting hat. Aber wenn man einmal föderalistisch und das andere Mal zentralistisch ist, dann fragt man sich doch, ob das nicht eine Zweckmäßigkeitsangelegenheit ist.
({6})
Aber eins hätte ich doch gewünscht, nämlich, daß das so kampfbereite Fräulein Kollegin
({7})
in den schweren Zeiten von 1945 bis heute in Berlin ihre Aktivität für den Kampf gegen die Demokratie zur Verfügung gestellt hätte. Dann würde sie - ({8})
- Für die Demokratie! Entschuldigen Sie bitte, es kann ja einem Menschen mal ein falscher Zungenschlag unterlaufen. Wir sind ja alle keine Päpste; fehlerlos sind wir nicht, und der liebe Herrgott sind wir auch nicht. Ich bitte das Hohe Haus, das zu entschuldigen. - Wenn man selber in diesem Kampf mitgewirkt hätte, würde man die Berliner mit etwas weniger Lautstärke dauernd kritisieren.
({9})
Ich kann sehr gut verstehen, wenn eine Mutter nur ein einziges Kind hat, dann hängt sie fanatisch an diesem Kind; sie präsentiert es bei jeder Gelegenheit. Und wenn es jahrelang dauert: sie sieht die Fehler dieses Kindes nicht, sie sieht nur seine Vorzüge. Deshalb kann ich die Kollegin Kalinke sehr gut verstehen. Sie sagt sich immer wieder: Ich habe nur dieses eine Kind,
({10})
mit dem ich eventuell meine Stellung in meiner Partei und woanders behaupten kann.
({11})
Aber ich möchte zur Sache - - ({12})
- Hören Sie zu! ({13})
- Sagen Sie das in Ihrer Fraktion, Ihre Dame möchte zur Sache reden!
({14})
- Chacun à son goût, sagt der Franzose; Sie werden mich wohl verstehen!
({15})
Ich habe mich, da ich Neuling bin, in die Reden der Frau Kalinke seit dem Tage, wo 1949 der Antrag aufgetaucht ist, vertieft. Da habe ich wunderbare Sätze gefunden. Sie spricht nämlich am 13. Dezember 1950 über den dunklen Flecken in der Geschichte der Sozialversicherung und davon, daß bereits zweimal
({16})
ein Hilfeschrei des Betriebsrats der RfA an sie herangekommen sei und sie sich deshalb bemüßigt gefühlt habe, in der Plenarsitzung am 13. Dezember folgendes anzuführen:
Es ist mir peinlich,
- also das steht fest, daß es auch noch Dinge gibt, die der Frau Kalinke peinlich sind ({17})
daß ich so etwas hier von der Tribüne des
Hauses sagen muß. Aber es ist zur Ehrenrettung jener aufrechten Männer und Frauen
({18})
notwendig, die unter sehr turbulenten Verhältnissen in Berlin die Angestelltenversicherung verteidigt haben.
Dafür danke ich Ihnen, Frau Kalinke. Ich bitte Sie, in der Frage der Angestellten Berlins, die seit 1945 unter den schwierigsten Verhältnissen, frierend, in zerbombten Gebäuden, mit verklammten Händen, ohne Heizung und Fenster ihre Pflicht getan haben, um die Demokratie zu halten, und in turbulenten Verhältnissen gearbeitet haben, auch so zu verteidigen und auch so gerecht zu beurteilen. Das wäre unbedingt notwendig, wenn Sie Demokratin sein wollten.
Ich möchte zum Schluß folgendes sagen. Wir alle, die wir seit Jahren im Kampf um die Erhaltung der Demokratie gestanden und die wir in den schwersten Jahren von 1933 bis 1945 und auch noch später unsere Haut gegen einen unerbittlichen Feind zu Markte getragen haben, werden bemüht sein, die Demokratie zu erhalten und zu fördern. Wir werden auch gewillt sein, alles das, was in diese Entwicklung störend hineinkommt, abzuwehren mit all der Kraft,
({19})
die uns zur Verfügung steht.
Zum Schluß möchte ich noch sagen: die Kollegin Kalinke bemüht sich immer wieder aus irgendwelchen Gründen, die SPD und die KP in einen Topf zu werfen. Das tut uns nicht weh, Frau Kalinke. Aber eines möchte ich Ihnen sagen: ich weiß nicht, wo die Trennungslinie stärker ist, bei der SPD zur KP oder bei der DP zur KP; das müßte erst noch einmal untersucht werden!
({20})
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Ziffer 1 des Antrages, der hier zur Debatte steht, werden tatsächlich offene Türen eingerannt. Denn wir haben vor noch nicht gar zu langer Zeit, als wir das Selbstverwaltungsgesetz für die Sozialversicherung verabschiedeten, eine Entschließung angenommen, die denselben Gegenstand betrifft, der hier in diesem Antrag vermerkt ist. Der Herr Bundesarbeitsminister hat schon darauf verwiesen, daß auf Grund dieser Entschließung ein Gesetz zur Wiedererrichtung der Bundesanstalt für die Angestelltenversicherung in Bearbeitung ist.
Betreffend die Ziffer 2 des Antrages ist darauf zu verweisen, daß wir schon am 13. Dezember 1950 einen ähnlichen Antrag hier behandelt und darüber Beschluß gefaßt haben, so daß auch nach dieser Seite hin dieser Antrag wirklich überflüssig ist. Darüber hinaus haben wir vor kurzem das Gesetz über die Wiedereinführung der Selbstverwaltung in der Sozialversicherung beschlossen. Am 1. September ist die Wahlordnung in Kraft getreten. Die Wahlvorbereitungen sind schon angelaufen. Es ist damit zu rechnen, daß in absehbarer Zeit die Organe der Sozialversicherung, auch die Organe der Angestelltenversicherung, stehen, so daß wir dann die gesetzlichen Gremien haben, die in der Lage sind, sich um das Vermögen der Angestelltenversicherung zu kümmern. Ich bin der Meinung, daß das Vermögen, soweit es der Angestelltenversicherung gehört - auch die Liegenschaften und Anstalten - genau registriert ist, so daß die Organe der Angestelltenversicherung, die in einigen Monaten stehen werden, genau wissen, was zur Angestelltenversicherung gehört, und dann dafür sorgen können, daß diese Einrichtungen und Liegenschaften auch in die Verwaltung der Angestelltenversicherung kommen.
Noch ein Schlußwort, bevor ich den Antrag stelle, den zur Beratung stehenden Antrag abzulehnen. Es liegt doch, glaube ich, im Interesse Berlins und der Zusammenarbeit dieses Hauses mit Berlin, daß über Berlin endlich einmal von anderen Gesichtspunkten als nur immer wieder von denen der Sozialversicherung aus gesprochen wird.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Darf ich fragen: Ist eine Ausschußüberweisung beantragt worden?
({0})
- Das ist nicht der Fall. Wenn keine Ausschußüberweisung beantragt ist, muß ich über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei abstimmen lassen.
({1})
- Frau Abgeordnete Kalinke beantragt Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Überweisung an den Ausschuß zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Überweisungsantrag ist abgelehnt.
({2})
- Meine Damen und Herren, wir haben viele Möglichkeiten, nicht nur die des Hammelsprungs!
({3})
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Deutschen Partei auf Drucksache Nr. 3452 ({4}) zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Frau Abgeordnete Kalinke wünscht das Wort zu einer persönlichen Bemerkung gemäß § 35 der Geschäftsordnung. Bitte, Frau Abgeordnete!
({5})
Ich verwahre mich gegen die bösartige Unterstellung, in einer sachlichen Auseinandersetzung um sozialpolitische Probleme die Berliner zu kritisieren. Ich wiederhole, was ich hier schon mehrmals gesagt habe, daß ich die Sozialdemokratische Partei und ihre Sprecher nicht mit Berlin identifiziere.
({0})
Meine Damen und Herren, damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe den Punkt 11 der heutigen Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der FU ({0}) betreffend Erhöhung der Posttarife ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten, eine Aussprachezeit von höchstens 40 Minuten vor.
Zur Begründung der Abgeordnete Mayerhofer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich verpflichtet gefühlt, den Antrag Drucksache Nr. 3630 einzubringen, damit vor der verlangten Erhöhung der Postgebühren auf die Gefahren im allgemeinen und auf dem wirtschaftlichen Sektor im Bundesgebiet hingewiesen werden kann.
Vor einigen Monaten ist im Ausschuß für Post-und Fernmeldewesen erstmalig der Gedanke einer Postgebührenerhöhung aufgetaucht. Ich habe sofort dagegen Stellung genommen und erklärt, daß es dem kleinen Mann nicht zugemutet werden kann, für einen Brief eine Viertel D-Mark zu bezahlen. Eine Erhöhung der Postgebühren könnte ich mir nur bei den Kategorien Drucksachen, Geschäftspapiere, Warenproben und Mischsendungen denken. Wenn die Postverwaltung bis zum Jahre 1951 einen beträchtlichen Überschuß erzielt hat und im Geschäftsjahr 1951 erstmals ein Fehlbetrag aufgetreten ist, so muß man sich fragen, ob die Verwaltung nicht über ihre finanzielle Möglichkeit hinaus Neuanschaffungen vorangetrieben hat. Wir können es unter keinen Umständen gutheißen, daß die Bundespost ihren gesamten Nachholbedarf innerhalb einer kürzeren Zeit zu erledigen versucht, auch auf die Gefahr hin, daß damit zur Deckung der Mehrausgaben beträchtliche Gebührenerhöhungen notwendig werden. Es müßte möglich sein, daß hier so lange an der bisherigen Praxis festgehalten wird, bis es möglich ist, auf dem Weltmarkt eine Anleihe aufzunehmen. Eine Erhöhung der Postgebühren würde auch die Preisschraube wieder um einen Gang höher drehen. Es ist Aufgabe und Pflicht der Bundesregierung, unter allen Umständen, auch unter Opfern, die Preisschraube endlich wenigstens zum Stillstand zu bringen. Wir
bitten daher das Hohe Haus, unserem Antrag zustimmen zu wollen.
Ich eröffne die Aussprache im Rahmen einer Redezeit von 40 Minuten. Herr Abgeordneter Cramer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich in den letzten zwölf Monaten der Mühe unterzog, festzustellen, ob die Bundespost ihre Gebühren erhöhen wolle oder nicht, dann mußte man schon Hellseher sein oder sonst irgendwie über Fähigkeiten verfügen. Am 14. März 1952 erklärte der Bundespostminister in Braunschweig vor der Presse, daß er nicht an eine Gebührenerhöhung denke. Er hatte allerdings acht Tage vorher, am 7. März 1952 in Frankfurt vor der Industrie- und Handelskammer erklärt, es sei unter Umständen möglich, daß die Post entweder ihre Gebühren erhöhen oder eine Anleihe aufnehmen müsse. Wenn wir nun gedacht haben, die große Bundespostkonferenz in Flensburg dieser Tage würde Aufklärung über die Absichten der Bundespost bringen, dann haben wir uns auch da geirrt; denn auf dieser Konferenz hat man andere Dinge zu tun gehabt, als über die Gebührenerhöhung zu sprechen. Da hat z. B. ein Professor Dr. A. Franzel von der Münchener Staatsbibliothek über die Problematik der deutschen Geschichte gesprochen, da hat Professor Wilhelm Grewe vom Auswärtigen Amt gesprochen und den Generalvertrag erläutert, und dann hat schließlich Freiherr von dem Busehe von der Dienststelle Blank über die Wehrpflicht gesprochen, - auf einer Konferenz, auf der die Präsidenten der Deutschen Bundespost beisammen waren, auf einer Konferenz, zu der man die Vertreter der auswärtigen Postverwaltungen eingeladen
hatte, auf einer Konferenz also, wo man erwarten konnte, daß hier über postalische Dinge gesprochen würde. Wir hatten angenommen, wir würden endlich auch etwas über die Gebührenerhöhung erfahren. Das war leider nicht der Fall. Statt dessen lesen wir jetzt in der Presse, daß die deutsche Bundespost beabsichtige, am 1. November 1952 ihre Gebühren zu erhöhen, und „Die Welt" schreibt sogar in einer Notiz, daß der Bundestag im Oktober diese Gebührenerhöhung verabschieden werde. Das kann natürlich nicht zutreffen, denn der Deutsche Bundestag hat bekanntlich mit der Verabschiedung von Gebührenverordnungen und dergleichen gar nichts zu tun.
Tatsache ist, daß die Gebührenerhöhung nun wirklich beabsichtigt ist, nachdem monatelang in der Öffentlichkeit darüber diskutiert wurde. Die Bundespost begründet ihren Anspruch auf Gebührenerhöhung mit dem erhöhten Bedarf für Investitionen. Wir wissen, daß die Bundespost einen unerhörten Nachholbedarf hat, und wir wissen auch, daß sie Aufwendungen zu machen hat, um auf dem Gebiete des Fernsprechwesens usw. mit den übrigen Ländern Schritt zu halten. Die Bundespost darf nicht zurückbleiben gegenüber der internationalen Entwicklung auf allen Gebieten des Fernsprech- und Fernmeldewesens. Wir wissen auch, daß aus den verschiedensten Teilen der Bundesrepublik Anforderungen an die Bundespost kommen, zerstörte Postämter, Fernmeldeämter und dergleichen wieder aufzubauen.
Die Frage, die sich uns hierbei stellt, ist die, ob es notwendig ist und ob es der einzige Weg ist, diesen Nachholbedarf aus den Betriebseinnahmen zu decken, oder ob nicht der andere Weg, den der Herr Minister selber am 7. März in Frankfurt angedeutet hat, zu gehen ist, nämlich der Weg der Anleihebeschaffung. Ich weiß, daß auch dort Schwierigkeiten bestehen. Ich weiß, daß diese Schwierigkeiten vor allem auch darin liegen, daß die Frage der Postanleihen aus der Vor-Nazi-Zeit und aus der Zeit vor 1945 noch nicht geklärt ist. Aber die Bundespost sollte wenigstens versuchen, diesen Weg zu gehen, bevor sie mit einer Gebührenerhöhung an die Öffentlichkeit herantritt.
Der Herr Bundespostminister hat im März erklärt, er fühle sich mit der Bundesregierung für die Stabilität unserer Währung verantwortlich, und deshalb sei er noch gegen eine Gebührenerhöhung. Ich glaube, unsere Währung ist heute noch genau so gefährdet, wenn wir den Weg der Preissteigerungen so weiter beschreiten, wie es heute noch der Fall ist. Gerade die Bundespost, auf die doch die Bundesregierung einen sehr starken Einfluß hat, sollte hier nicht Wegbereiter auf dem Wege der Preissteigerung sein, sondern sollte versuchen, Preissteigerungen - und Gebührenerhöhungen sind nun einmal Preissteigerungen - zu vermeiden.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, daß die Frage der Gebührenerhöhung ja letzten Endes von der Bundesregierung und dem Bundesrat entschieden wird. Aber nach unserer Auffassung sind das Fragen, welche die breiteste Öffentlichkeit angehen. Und in Zukunft sollte der Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost - der nun ja wohl hoffentlich bald kommen wird, wenn wir das Gesetz über die Postverwaltung verabschiedet haben - über derartige wichtige Dinge entscheiden. Die Diskussion über die Gebührenerhöhung beweist uns einmal mehr, wie notwendig die schnelle Schaffung des Verwaltungsrates ist.
({0})
Außerdem sollte der Herr Bundespostminister in der Situation, in der er sich heute befindet, doch auch versuchen, die Millionen - ich glaube, es sind 100 Millionen DM - wiederzubekommen, die er im vergangenen Jahr und im Jahr davor dem Bundesfinanzminister zur Verfügung gestellt hat.
({1})
Diese Millionen haben doch letzten Endes zu dem hohen Defizit beigetragen; denn sie sind ja abgeschrieben worden. Wenn man heute auch versucht, diese Rücklage wieder aufzulösen und einen Teil des neuen Defizits damit zu decken, dann sollte man sich auch bemühen, diesen Betrag ganz zurückzubekommen und damit den Etat der Bundespost wenigstens einigermaßen auszugleichen.
Meine Fraktion sieht sich nicht imstande, ihre Zustimmung zu irgendeiner Form der Gebührenerhöhung zu geben, zumal wir ja nach der neuen Tabelle feststellen, daß es sich nicht um eine 25% ige Erhöhung handelt, sondern teilweise sogar um eine 50%ige. Ich will es unterlassen, die einzelnen neuen Gebührensätze zu erwähnen. Sie haben sie wahrscheinlich selber in der Presse gelesen. Es sind Gebührenerhöhungen bis zu 50 %. Auch bei den Grundgebühren im Fernsprechdienst handelt es sich um ganz erhebliche Erhöhungen, z. B. von 4,50 auf 8 DM, von 5,25 auf 8 DM, von 6 auf 10 DM usw.
Wir können, wie gesagt, hierzu unsere Zustimmung nicht geben und stimmen dem Antrag der FU zu.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Leonhard.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem 'der vorangegangene Tagesordnungspunkt mit soviel Leidenschaftlichkeit behandelt wurde, haben wir uns jetzt wieder auf das Gebiet der Sachlichkeit zurückgezogen.
({0})
Dem Hohen Hause liegt ein Antrag der Fraktion
der Föderalistischen Union, Drucksache Nr. 3630,
betreffend die Erhöhung der Postgebühren zur Beratung vor. Die Frage der Erhöhung dieser Gebühren erhitzte die Gemüter schon sehr, dies um
so mehr, als die geplante Erhöhung zeitlich mit
sonstigen Preiserhöhungen zusammenfällt, von
denen wir gestern ja in diesem Hohen Hause sprachen. Wenn ich zu dieser Frage nun das Wort ergreife, dann stehe ich nicht an, ehrlich zu bekennen: Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.
({1})
Ich weiß, daß eine Gebührenerhöhung für die Wirtschaft eine sehr ins Gewicht fallende Belastung 'bedeuten würde, die im Zusammenhang mit all den anderen sonstigen Belastungen nicht ohne weiteres hingenommen werden kann. Diese Belastung träfe aber nicht nur die Wirtschaft, sondern nahezu alle Menschen in unserm Bundesgebiet.
Auf der andern Seite sind mir aber als Mitglied des Postausschusses die Probleme und Schwierigkeiten der Bundespost sehr genau bekannt, und außerdem gehöre ich zu d e n Abgeordneten, die als Vertreter einer zerstörten Stadt dem Herrn Postminister schon oft mit Wünschen und Bitten um diese oder jene Verbesserung im Post- und Fernmeldeverkehr in den Ohren lagen. Manches wurde schon erreicht; aber viele unserer Wünsche sind noch unerfüllt.
Leider sind wir allzuoft sehr vergeßlich. Wir denken kaum noch daran, wie schwierig es noch vor wenigen Jahren war, rasch eine Fernverbindung zu erhalten. Heute klingt es dagegen jedem Fernsprechteilnehmer selbstverständlich und lieblich in den Ohren, wenn er beispielsweise in meiner Heimatstadt Pforzheim das Fernamt anruft und Stuttgart oder Karlsruhe verlangt und .das Fräulein vom Amt in wirklich verbindlichem Ton flötet: Ich verbinde.
({2})
Sie sprechen nicht vom Bundestag, Herr Abgeordneter?
({0})
Man kennt also hier kein stundenlanges Warten mehr, bis diese Verbindungen hergestellt sind. Das darf ich anerkennend feststellen.
Bei der Bundespost liegen jedoch noch 300 000 Anträge auf Einrichtung eines Fernsprechanschlusses vor. Die Antragsteller warten bis heute mit Sehnsucht auf diesen Anschluß, der auch ihnen die Möglichkeit gibt, sich mit ihren Geschäftspartnern usw. in Verbindung zu setzen. Bei unseren Entscheidungen müssen wir auch an diese Leute denken. Ferner dürfen wir den internationalen Durchgangsverkehr auf allen postalischen Gebieten nicht übersehen; wir müssen ihn in unsere Erwägungen einbeziehen.
Nicht versäumen möchte ich, heute darauf hinzuweisen, daß die Post am 1. Oktober 1948 das Porto für einen Brief von 24 auf 20 Pfennig und das Porto für eine Postkarte von 12 auf 10 Pfennig gesenkt hat. Eine etwa zwanzigprozentige Lohnerhöhung ist seit jener Zeit bei der Post eingetreten, und für die Beamten ist eine halbes Monatsgehalt gezahlt worden, wobei bemerkt werden muß, daß über 70 % aller Ausgaben der Post auf Löhne und Gehälter entfallen. Dazu kommt die Belastung der Post für Berlin, die im laufenden Haushaltsjahr mit 53 Millionen veranschlagt ist, ferner die Abführung an den Bund mit 6 2/3 % der Roheinnahmen, also nicht etwa des Gewinns. Weiter muß die Preissteigerung berücksichtigt werden, welche seit 1948 auch von der Post in Kauf genommen werden muß.
Selbstverständlich möchte auch ich am liebsten jede Postgebührenerhöhung restlos und ohne Debatte ablehnen. Dadurch könnte man sich die Sympathie vieler Menschen erwerben. So einfach dürfen wir es uns jedoch im Bundestag nicht machen.
({0})
Allerdings liegt die letzte Entscheidung ja gar nicht beim Bundestag. Meines Erachtens müssen wir folgende Fragen klären, um zu richtigen Entscheidungen zu kommen: 1. Arbeitet die Bundespost bereits mit Verlust, oder ist noch ein Gewinn zu erzielen? 2. Welche Mittel braucht die Bundespost, um ihre Anlagen dem steigenden Verkehr laufend anzupassen? Diese zweite Frage ist auch deshalb notwendig, weil dem Bundestag der Entwurf eines Postverwaltungsgesetzes vorliegt, in dessen § 2 der Abs. 2 wie folgt lautet:
Die Anlagen der Deutschen Bundespost sind in gutem Zustand zu erhalten und technisch und betrieblich den Anforderungen des Verkehrs entsprechend weiter zu entwickeln unid zu vervollkommnen.
Wenn wir diese Forderung an die Bundespost stellen, dann müssen wir ihr auch die Möglichkeit
({1})
schaffen, in den Besitz der notwendigen Mittel für ihre Investitionen zu kommen. Versagen wir der Post diese Mittel, so wird das wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen, die nicht erwünscht sind, besonders nicht für Berlin, wohin die Post ja bekanntlich viele Aufträge gibt.
Obwohl nun soviel Positives über die Anstrengungen der Bundespost gesagt werden kann, muß ich namens der Fraktion der CDU/CSU deutlich zum Ausdruck bringen, daß alle Ausgaben der Bundespost auf ihre wirtschaftliche Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden müssen.
({2}) Außerdem stellen wir die Frage, ob an sich gewiß notwendige Vorhaben nicht auf einen längeren Zeitraum verteilt werden können,
({3}) um eben eine Gebührenerhöhung zu vermeiden.
({4})
Die Frage, ob schon alle Möglichkeiten von der Post ausgenützt worden sind, sich die erforderlichen Investitionsmittel anderweitig, also ohne Gebührenerhöhung 'zu beschaffen, oder ob eine Gebührenerhöhung etwa der letzte Ausweg ist, vermag ich heute nicht abschließend zu beurteilen. Diese Fragen müssen gründlich geprüft und alle sich bietenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Ich beantrage deshalb, den Antrag der FU auf Drucksache Nr. 3630 dem Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen zur Beratung zu überweisen. In diesem Ausschuß haben die Herren Antragsteller, von denen 'zwei dem Postausschuß angehören, die Möglichkeit, ihre Ansicht eingehend darzulegen, und die Ausschußmitglieder können das Für und 'Wider gründlich erörtern und alles tun, um gemeinsam eine alle befriedigende Lösung anzustreben und zu finden.
({5})
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da sich die Bundesregierung bisher noch nicht mit der Tarifreform der Bundespost beschäftigt hat, bin ich nicht in der Lage, heute Erklärungen für die Bundesregierung abzugeben. Ich kann hier lediglich die Auffassung des Herrn Ministers für das Post- und Fernmeldewesen vertreten. Wir sind allerdings der Auffassung, daß eine Gebührenerhöhung bei der gegen früher völlig veränderten Kostenstruktur, die in den letzten zwei Jahren - ich betone ausdrücklich: schon in den letzten zwei Jahren - eingetreten ist, unvermeidbar ist und daß sie in kürzester Zeit vom Bundesrat, der neben der Bundesregierung allein für die endgültige Entscheidung zuständig ist, verabschiedet werden muß, da die Bundespost weitere Verluste nicht ertragen kann. Wir rechnen allein bis zum Ende dieses Rechnungsjahres, also in etwas über einem halben Jahr, mit einem Verlust von 200 Millionen DM.
Es ist nun nicht so, daß 'wir das Geld etwa nur für Investitionen 'brauchen. Es 'ist gegenüber dem Jahre 1950 eine Verschlechterung der Gewinn- und Verlustrechnung um 400 Millionen DM eingetreten. Wie ist dies zustande gekommen? Lohn- und Gehaltserhöhungen 237 Millionen, Erhöhung der Versorgungsbezüge 49 Millionen, Erhöhung der Sozialbeiträge 13 Millionen,
Erhöhung der Trennungsentschädigung und Reisekosten 8 Millionen, im Jahre 1952 zu erwartende weitere Erhöhungen der Personalausgaben, die mit einiger Sicherheit schon zu übersehen sind, 77 Millionen, erhöhte Zinslasten infolge Steigens der Fremdfinanzierung 28 Millionen, Preiserhöhungen für Güter der gewerblichen Wirtschaft 60 Millionen und finanzielle Übernahme des Fehlbetrags der Senatsverwaltung Post- und Fernmeldewesen Berlin 50 Millionen. Das sind 522 Millionen. Darin sind keine Investitionen enthalten. Dazu kommt die Ablieferung an den Bund mit 173 Millionen, die wir immer treu und brav bezahlt haben - im Gegensatz zur Bundesbahn, 'woraus ich ihr gar keinen Vorwurf machen will, weil die Lage der Bundesbahn ja noch etwas schlechter ist als die unsrige, dann die anteilige Verzinsung der Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder, die uns der Finanzminister mit 22 Millionen DM aufgebürdet hat, und die Nichtverzinsung der eigenen Ausgleichsforderungen aus unserem 'Sparkassendienst mit 3 Millionen DM. Das sind rund 200 Millionen DM.
Ich will auf weitere Einzelheiten nicht eingehen. Ich wollte nur den Vorwurf 'zurückweisen, daß wir eine übermäßige Investitionspolitik treiben wollten. Wir müssen natürlich investieren. Wo bliebe denn die Fernmeldeindustrie, die zu 80 % von der Deutschen Bundespost lebt? Wo blieben die Zehntausende von Arbeitern? Die Fernmeldeindustrie, die ja zum Teil auch in Berlin ansässig ist, kann auch nicht exportieren ohne den Rückhalt an der Deutschen Bundespost. Darüber wird im Ausschuß noch einiges zu sagen sein.
Es ist nun auch nicht so, als ob wir jetzt wie der Blitz vom heiteren Himmel - verhältnismäßig kurz vor 'den Wahlen - mit einem Male mit unserer Vorlage hervorgetreten wären. Die Gebührenreform, die wir vorhaben, ist lediglich ein Nachholen dessen, was wir schon vor Jahresfrist hätten machen müssen. Wir haben unsere Absichten aus denselben staatspolitischen Gründen, die wohl jetzt die Antragsteller auch zu 'ihrem Antrag veranlaßt haben, immer wieder zurückgestellt. Lediglich die Paketgebühr ist vom 16. Oktober 1951 an in Anlehnung an die Tariferhöhung der Bundesbahn für Expreßgut heraufgesetzt worden. Dabei hat der Bundesrat uns auch noch die von uns gewünschte Erhöhung der Päckchengebühr abgelehnt. Wir haben damals schon gleich gesagt: Das nimmt kein gutes Ende.
({0})
Das Ende ist jetzt tatsächlich eingetreten.
({1})
Wir haben schon seinerzeit auf die finanzielle Situation warnend hingewiesen. Wir haben ferner im zuständigen Ausschuß dieses Hohen Hauses, dem Ausschuß für Post und Fernmeldewesen, vierteljährlich über die zunehmende Verschlechterung der finanziellen Lage Aufklärung gegeben, und der Ausschuß ist, wenn auch nicht durch förmlichen Beschluß, aber durch die Äußerungen der einzelnen Mitglieder, unserer Beweisführung damals beigetreten, daß bei den zur Zeit vorliegenden Gegebenheiten eine Gebührenerhöhung für uns nicht vermeidbar ist.
Ich komme auf die Anleihe und auf andere Vorschläge, die gemacht worden sind,
({2})
um uns aus der finanziellen Not zu helfen, noch zu
sprechen. Jetzt hat sich die finanzielle Lage der
({3})
Bundespost infolge der Erhöhung der Materialkosten und der Gehälter und Löhne, die ich vorhin schon skizziert habe, so verschärft, daß bald etwas geschehen muß. Wir können, auch um eine Anleihe zu erhalten, nur kreditwürdig bleiben, wenn wir
nicht mit Verlust arbeiten, und wir können auch solche Verluste, die durch Personalunkosten entstehen, nicht etwa auf eine Anleihe nehmen, selbst wenn wir eine solche Anleihe erhielten.
Auch der beim Bundeswirtschaftsministerium gebildete Preisrat sieht die Gebührenerhöhung für unerläßlich an. Er hat sich mit dem Projekt in zahlreichen Sitzungen, die die Sache sehr verzögert haben, eingehend befaßt und hat zu unseren Begründungen noch weiteres, wertvolles Material zur Stütze einer unbedingt notwendigen Gebührenerhöhung beigetragen. Die letzte, abschließende Beratung des Preisrates findet am nächsten Montag statt.
Auch der Industrie- und Handelstag hat sich grundsätzlich, wenn auch mit gewissen Einschränkungen, für die Gebührenreform ausgesprochen. Seine Bedenken, mit denen er uns auf eine bessere Zukunft und eine Erhöhung der Einnahmen verweist, sind nicht stichhaltig. Auch wir würden selbstverständlich gern für Investitionen, nicht etwa für laufende Personalausgaben, für Investitionen, die im Interesse des Verkehrs und der Wirtschaft dringend notwendig sind und dauernde Anlagen darstellen, die Deckung auf dem Anleihemarkt oder vielmehr auf dem Anleiheweg - einen Anleihemarkt haben wir überhaupt nicht - suchen. Bisher waren aber unsere Bemühungen, zu langfristigen Anleihen zu kommen, auch mit Unterstützung des Industrie- und Handelstags vergeblich. Mit kurzfristigen Krediten ist uns aber in der heutigen Situation nicht mehr geholfen, da unser Fernsprechnetz - ich will nur beispielsweise kurz auf diesen Punkt eingehen - keine Reserven mehr hat und wir für den Fernverkehr in erster Linie Kabel und eine Modernisierung der Ämter brauchen. Beides sind Maßnahmen, die sich nicht so kurzfristig rentieren wie die Anschließung von Fernsprechern an schon vorhandene Leitungen.
Auch wir würden gern eine fühlbare finanzielle Entlastung auf anderen Gebieten in Anspruch nehmen. Aber ich glaube nicht, daß solche Pläne wie z. B. die Herabsetzung der Ablieferung an den Bund bei der angespannten Lage der Bundesfinanzen auch nur die geringste Aussicht auf Verwirklichung haben. Sie werden auf den unüberwindlichen Widerstand des Herrn Bundesfinanzministers und auch wohl Ihres Haushaltsausschusses stoßen.
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Also mit solchen Vertröstungen ist uns nicht gedient.
In diesem Zusammenhang möchte ich nur auf ein einziges kleines Beispiel hinweisen. Ich möchte an die Beratung in diesem Hohen Haus vom 13. Dezember 1951 erinnern. Da handelte es sich um folgendes: Obwohl der Postbetrieb in Berlin ein Zuschußbetrieb ist und uns, der Post der Bundesrepublik, jährlich 50 Millionen DM kostet, sind wir durch den Beschluß dieses Hohen Hauses vom 13. Dezember 1951, der trotz der Einwendungen des verstorbenen Abgeordneten Kohl auf Befürwortung durch den Herrn Abgeordneten Dr. Bucerius gefaßt wurde, gezwungen worden, auch von den Roheinnahmen in Berlin, die für uns ein Verlustgeschäft darstellen, zusätzlich noch 6 2/3 % an die Bundeskasse abzuliefern. Beides, die 50 Millionen
DM und die 6 2/3 % von den Berliner Roheinnahmen - das sind 140 Millionen DM; 6 % davon sind rund 10 Millionen -, sind also zusammen 60 Millionen DM. Das sind Belastungen für uns, die unsere Lage weiter verschlechtert haben.
Auch für das Sondervermögen der Post gilt der immer von dem Herrn Bundesfinanzminister mit Recht betonte Grundsatz: „Keine Ausgabe ohne Deckung". Diese Deckung brauchen wir eben. Gewiß, ich gebe zu, Gebührenerhöhungen, auch wenn sie mit Reformen und technischen Fortschritten verbunden sind, sind keine populären Maßnahmen. Das wissen wir auch. Das gilt für die Bundesbahn genau so wie für die Bundespost. Aber ich glaube doch, daß das von uns beigebrachte Material - das Ihnen ja noch nicht bekannt ist und auch nicht bekannt sein kann, weil die Bundesregierung noch nicht das letzte Wort darüber gesprochen hat -, wenn es im Ausschuß geprüft wird, so durchschlagend ist, daß sich auch das Hohe Haus zu der Auffassung bekennen wird. Um die Gebührenreform der Post ist nicht herumzukommen.
Für die Post, die sich ja auch nach der heutigen Rechtslage, die nicht erst durch das Postfinanz-gesetz geschaffen zu werden braucht, selbst erhalten muß und die auf allgemeine Steuermittel nicht zurückgreifen kann, handelt es sich um eine Lebensfrage. Eine solche Sache kann man nicht, wie schon mein Herr Vorredner sagte, a limine ablehnen. Sie bedarf der eingehenden Prüfung. Diese kann nur in dem zuständigen Ausschuß vorgenommen werden. Ich befürworte daher den von dem Herrn Abgeordneten Leonhard eingebrachten Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Niebes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann gewiß die anstehende Frage von zwei Seiten aus betrachten, einmal vom Standpunkt der Post aus. Das ist ja hier recht eingehend geschehen; aber ich glaube, man darf dabei doch nicht übersehen, die Frage auch vom Standpunkt des Postteilnehmers aus zu betrachten. Jede Gebühren- und Tariferhöhung wird erfahrungsgemäß immer auf die Preise abgewälzt und setzt damit zwangsläufig die berüchtigte Schraube ohne Ende in Bewegung. Wenn sie einmal in Bewegung gekommen ist - und es sieht mir so aus, als ob das jetzt durch den Antrag der Bundespost wieder geschehen sollte -, dann werden wir uns ja in der Zukunft noch auf etwas gefaßt machen können. Man soll sich auch, nicht damit beruhigen, daß es sich hier im Einzelfalle nur um geringe Beträge handele. Solche Umstände werden immer gern dazu benutzt, die Preise nach oben hin aufzurunden. Sie wissen alle - das ist auch vorhin schon betont worden -, daß die Lebenshaltungskosten im Bundesgebiet in der letzten Zeit erneut beträchtlich in die Höhe gegangen sind. Dieser Auftrieb wird sich fortsetzen, wenn wir jetzt wieder mit einer erheblichen Gebührenerhöhung bei der Post beginnen. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung einer solchen Entwicklung Einhalt gebieten und sie nicht fördern sollte. Ich halte es für falsch, unter diesen Gesichtspunkten von Gebührenerhöhungen zu sprechen. Wir wenden uns von meiner Partei aus entschieden gegen eine Erhöhung der Postgebühren und sind durchaus mit dem Antrage der Föderalistischen Union einverstanden, aber nicht mit der
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Erweiterung, die hier von dem Begründer des Antrages vorgebracht worden ist, daß man einige Gebühren doch erhöhen könnte. Wir sind für eine bedingungslose Ablehnung jeglicher Gebührenerhöhung. Es hat auch noch nicht einmal richtig festgestanden, ob die Post tatsächlich notleidend ist. Der Vertreter des Postministeriums hat es zwar jetzt hier mit einigen Zahlen zu belegen versucht; aber einen genauen Überblick konnte man dadurch keineswegs gewinnen.
Ich möchte ihm aber empfehlen, wenn die Post wirklich bedürftig sein sollte, so daß sie für irgendwelche Zwecke neue Mittel braucht, daß sich der Herr Minister im Kabinett dafür einsetzt, daß die Bundesregierung ihre Zahlungen aus dem Generalvertrag einstellt.
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Wenn das geschehen ist, sind genügend Mittel vorhanden. Dann könnte auch die Post daraus ein
etwaiges Defizit, wenn sie es haben sollte, decken.
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Das Wort hat der Abgeordnete Hübner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion der FDP richtet ihr ganzes Augenmerk auf die Besorgnis, die hier insbesondere der Kollege Leonhard anklingen ließ, daß Gebührenerhöhungen wieder die Kette der Kostensteigerungen in Bewegung setzen könnten und damit das eben verkrustete Preisgefüge wieder aufreißen könnten. Nach den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs können wir uns aber den tiefgreifenden Schwierigkeiten doch nicht verschließen, denen eine große Betriebsverwaltung ausgesetzt ist, die ein großes Defizit aufweist. Der Herr Staatssekretär hat gesagt, die Ausgabeseite setze sich im wesentlichen aus Betriebsausgaben zusammen. Es erscheint uns doch wichtig, klar zu wissen, wie hoch die ausgewiesenen Posten für Anlagen sind. Hier stellt sich das Problem der Eigenfinanzierung bzw. der Fremdfinanzierung. Wir werden jedenfalls um die Frage einer finanziellen Deckung nicht herumkommen können. Soweit es sich um Anlagen handelt, beruhigt es uns höchstens, daß es sich bei diesen Anlagen ja fraglos um unbedingt notwendige Einrichtungen handelt - also nicht etwa um luxuriöse Anschaffungen oder um vermeidbare Ausgaben -, um Einrichtungen, an denen jeder Postbenutzer teilhat. Auch wir halten daher eine Prüfung der Ausgaben für erforderlich.
Diese Prüfung muß sich auch unserer Meinung nach darauf erstrecken, ob nicht doch ein Teil der Ausgabendeckung irgendwie auf dem Anleihewege möglich ist, soweit es sich um Ausgaben für Anlagen handelt. Wir halten weiter eine Prüfung bezüglich der Ablieferungen für erforderlich, die die Post an den Bund zu leisten hat. Wir glauben, daß die veränderte Sachlage bei der Post eine Änderung dieser Ablieferungen zum mindesten bezüglich der Höhe des Betrages erwägenswert erscheinen lassen sollte. Sehr wichtig ist für uns, daß diese Untersuchungen und Prüfungen von einem Organ vorgenommen werden, das der Öffentlichkeit Rechnung zu legen hat, weil die Öffentlichkeit auf die Ankündigung einer Tariferhöhung bei der Post ja sehr lebhaft reagiert hat. Deshalb glauben wir nicht, daß die Inanspruchnahme des Vereinfachungsgesetzes von 1934, das letzten Endes ein Ermächtigungsgesetz ist, eine befriedigende Regelung gegenüber der Öffentlichkeit zuläßt. Wir stehen doch bereits seit heute in der Ausschußberatung über das Postverwaltungsgesetz, das einen wesentlichen Teil der Befugnisse der Verwaltungsleitung auf den Verwaltungsrat übertragen soll, dem auch Vertreter der Wirtschaft angehören, die als wichtigste Postbenutzer die Lasten in erheblichem Maße zu tragen haben.
Unsere Meinung geht nun dahin, daß dieses Gesetz mit aller Beschleunigung durchgezogen und daß nach Möglichkeit die Gebührenfrage dem Verwaltungsrat übertragen werden sollte. Wenn diese Möglichkeit nicht besteht - und die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs deuten darauf hin -, halten auch wir allerdings den Vorschlag des Herrn Kollegen Leonhard für den richtigen. Wir glauben, daß wir der Angelegenheit am besten dienen, wenn wir das Material über die Finanzlage der Post vorsorglich dem Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen zur Beratung zugehen lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
Was der Herr Staatssekretär ausgeführt hat, hat sicher sein Gewicht, und wenn es sich bei diesem Problem nur um die Post handelte, könnte man einer Erhöhung der Gebühren wohl zustimmen. Aber es geht ja hierbei um eine Frage, die auf viel, viel höherer Ebene steht. Ausgerechnet von der Bundesregierung werden hier durch ein böses Beispiel die guten Sitten verdorben.
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- Wenn sie es durchführt! Die Regierung wird folgendes erreichen: Durch die Erhöhung der Postgebühren gibt sie den Impuls zu einer allgemeinen neuerlichen Preissteigerung. Dem können wir nicht zustimmen. Wir bitten deshalb, weil es sich hier um Interessen der ganzen deutschen Wirtschaft handelt, diesen Antrag auch dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zur Bearbeitung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen weiter nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Es ist beantragt, den Antrag erstens dem Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen und weiterhin dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen. Ich darf annehmen, daß der Ausschuß für Post- und Fernmeldewesen federführend sein soll. Ist das die gemeinsame Überzeugung des Hauses?
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Darf ich annehmen, daß diese Überweisung damit erfolgt ist? - Das ist der Fall.
Ich rufe auf den Punkt 13 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({1}) betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Goetzendorff gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 20. Juni 1952 ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Muckermann. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Muckermann ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 20. Juni 1952 bittet der Bundesminister der Justiz, eine Entscheidung des Bundestages über die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Goetzendorff wegen Beleidigung und übertretung der §§ 77 und 82 der Eisenbahn-Bau-
und Betriebsordnung herbeizuführen.
Die angeblichen Straftaten vollzogen sich in der Nacht zum 4. Februar 1952 im Wartesaal des Bahnhofs Koblenz. Die Eisenbahndirektion Mainz hat mit dem 3. März 1952 Strafantrag gestellt, der über das Ministerium der Justiz von Rheinland-Pfalz und den Bundesminister der Justiz vorgelegt wurde. Der 3. Ausschuß hat sich am 11. Juli 1952 mit den Akten beschäftigt, aus denen hervorgeht, daß weder parteipolitische noch allgemeinpolitische Motive vorliegen. Infolgedessen entschied der Ausschuß einstimmig, dem Hohen Hause zu empfehlen, die Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Goetzendorff zu erteilen.
Ich bitte das Hohe Haus, im Sinne dieses Beschlusses zu verfahren und die Immunität des Abgeordneten Goetzendorff aufzuheben.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist einverstanden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Geschäftsordnungsauschusses, den Abgeordneter Muckermann vorgetragen hat, zustimmen wollen, eine Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 14:
Beratung der Ubersicht Nr. 56 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({0}).
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Umdruck Nr. 641 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Es ist angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 230. Sitzung auf Mittwoch, den 17. September 1952, und zwar um 9 Uhr, ein, weil wir in der nächsten Woche wahrscheinlich nur einen Sitzungstag haben werden, und schließe die 229. Sitzung.