Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 227. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte zunächst den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Wittmann, Dr. Henle, Frau Arnold, Dr. Horlacher, Dr. Meitinger, Dr. Reif, Müller ({0}), Dr. Tillmanns, Dr. Miessner, Jahn, Wallner, Jaffé, Dr. Greve, Hoppe, Dr. Leuze, Dr. Friedensburg, Jacobs, Lemmer, Dr. Menzel.
Weiter gelten die für drei Tage Entschuldigten, auch für heute als entschuldigt.
Ich danke vielmals, Herr Schriftführer.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18. Juli 1952 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Gesetz zur Regelung der Besteuerung des
Kleinpflanzertabaks im Erntejahr 1952,
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Abkommen über den Internationalen Währungs-Fonds ({0}) und über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung ({1}),
Gesetz über den Lastenausgleich,
Gesetz zur Einführung eines Art. 120 a in das Grundgesetz,
Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952,
Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft,
Gesetz über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken.
Meine Damen und Herren, ich darf noch auf folgendes hinweisen. Ich bitte um Ihre Zustimmung, daß etwa um 10 Uhr zum Zwecke der Vereidigung des Herrn Bundesministers Neumayer die Beratungen kurz unterbrochen werden.
Dann bitte ich den Ausschuß zur Mitberatung des EVG-Vertrages und der damit zusammenhängenden Abmachungen zur Konstituierung auf 12 Uhr in das Zimmer 210 im Südflügel, falls nicht gerade in diesem Augenblick besondere Abstimmungen zu erwarten sind, damit die Konstituierung in Kürze vorgenommen werden kann.
Entsprechend der Geschäftsordnung ist der
Einspruch des Abgeordneten Stücklen gegen den ihm am 16. Juli erteilten Ordnungsruf
auf die Tagesordnung gesetzt worden. Der Einspruch ist auf dem Umdruck Nr. 630 verteilt worden. - Eine Aussprache findet nicht statt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Einspruch stattzugeben wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte urn die
({2})
Gegenprobe. - Ja, meine Damen und Herren, ich kann bei der verschiedenartigen Besetzung des Hauses nicht sehen, was die Mehrheit ist. Ich bitte zunächst, die Abstimmung zu wiederholen. Ich bitte diejenigen, die dem Einspruch stattzugeben wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, der Sitzungsvorstand ist sich zu seinem Bedauern über das Ergebnis der Abstimmung nicht einig. Ich bitte, das im Wege des Hammelsprungs zu erledigen. Wer dem 'Einspruch stattzugeben wünscht, möge sich durch die Ja-Tür wieder hereinbegeben.
({3}) Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.
({4})
Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. - Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Einspruch haben gestimmt 129, dagegen 139, bei 20 Enthaltungen. Der Einspruch ist zurückgewiesen.
({5})
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb,
des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Wirtschaft,
des Entwurfs eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben ({6}) ({7});
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung ({8}).
({9}).
Der Ältstenrat schlägt Ihnen für die Gesamtbesprechung der dritten Beratung, eine Redezeit von 120 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich eröffne die allgemeine Besprechung der dritten Beratung. Das Wort hat der Abgeordnete Even.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutigen Beratungen zum Betriebsverfassungsgesetz stehen unter keinem glücklichen Stern. Wir würden es uns leicht machen, wollten wir für diese bedauerliche Tatsache Schuldige suchen oder schuldig sprechen. Jedes Gesetz, das die Interessen der Partner berührt, löst Gegensätze aus; und ein solches weittragendes Gesetz wie das hier zur Beratung stehende muß natürlich bestehende Gegensätze vertiefen. Daß es zu dieser leidenschaftlichen Auseinandersetzung geführt hat, die wir in den letzten Wochen erlebt haben, ist zu bedauern. Wir sollten uns jedoch bemühen, unsere heutigen Verhandlungen von dieser Leidenschaftlichkeit frei zu machen. Wir alle wissen, daß manche Wünsche offenbleiben. Niemand der Beteiligten ist zufrieden, weder die Arbeitnehmer, noch das Handwerk, noch der Mittelstand. Ich glaube, daß das Gesetz in dem gleichen Maße, in dem es den Arbeitnehmern nicht weitgehend genug ist, den Arbeitgebern weit über die Grenzen dessen hinauszugehen scheint, was sie zu gewähren bereit waren.
({0})
In dem gleichen Maße, in dem die Forderungen des
einen erfüllt werden, werden natürlich die des anderen geschmälert. Doch es ist falsch, das ganze Gesetz negativ zu beurteilen, denn das Positive dieses Gesetzes ist bei weitem größer als seine Mängel und Fehler.
({1})
Versuchen wir doch einmal, das echt Positive dieses Gesetzes zu sehen und dieses als einen weiteren Baustein der Neuordnung unserer Wirtschaft zu werten. So schlecht, wie dieses Gesetz im leidenschaftlichen Kampf der Meinungen dargestellt wurde, ist es keinesfalls. Sein fortschrittlicher und sozialer Geist übertrifft bei weitem seine relativ geringen Lücken und Mängel. Dort, wo der Ausgleich unter allen Umständen gesucht werden muß, werden immer Wünsche offenbleiben. Keineswegs, meine Damen und Herren, haben die Verneiner dieses Gesetzes Anspruch darauf, durch diese ihre Ablehnung als sozial fortschrittlicher zu gelten als jene, die das Gesetz heute bejahen.
({2})
Ich erinnere daran, daß vor eineinhalb Jahren durch unsere Initiative, durch unseren vollen Einsatz und unser Ja ein Gesetz für Kohle und Stahl zustande kam, wie es fortschrittlicher in der Welt nicht mehr zu finden ist.
({3})
So soll auch dieses Betriebsverfassungsgesetz keineswegs ein Abschluß, keineswegs die Erfüllung der letzten Wünsche und Forderungen bedeuten, sondern wir sehen in seiner Bejahung nur das Erreichen einer weiteren Etappe auf dem Wege zur echten Neuordnung.
Wir alle wissen, daß die Wirtschaft nicht Selbstzweck sein darf, sondern ihrer Menschen wegen wirken muß. Die erste und dringlichste Forderung, die wir an diese Wirtschaft zu stellen haben, ist die der Schaffung von Existenzmöglichkeiten für die Millionen arbeitswilliger und arbeitsfähiger Menschen. Und gerade in unserem übervölkerten Vaterland muß das unser primärstes Anliegen bleiben.
Sichere Existenz ist die zweite Forderung, die der Arbeitnehmer zu stellen hat. Gute und kaufkräftige Löhne, das sind die weiteren berechtigten Wünsche der Arbeitnehmer.
Die Voraussetzungen dieser berechtigten Forderungen für das Leben der Arbeitnehmer sind nur zu erfüllen in einer geordneten, in einer leistungsfähigen, in einer konkurrenzfähigen, modernen und rentablen Wirtschaft. Durch Qualität und Preis müssen wir im In- und Ausland höchste Leistungen erzielen. Hiervon hängen Existenzschaffung und Existenzsicherheit, Lohnhöhe und soziale Leistungen ab. Ja mehr als das, unser Sozialprodukt muß erhöht werden, um allen berechtigten Ansprüchen unseres Volkes gerecht werden zu können.
({4})
Der Neuaufbau unserer Wirtschaft und ihre Intensivierung liegen auch im Interesse der arbeitenden Menschen und müssen von diesen bejaht werden. Nicht dagegen bejahen können wir,' daß sich die neugeschaffenen und neu zu schaffenden Kapitalwerte wieder in den Händen weniger hundert Menschen zusammenballen. Notwendige Investierungen sind nur möglich durch Einschränkung oder wenigstens Nichtausdehnung des Konsums. Das darf aber nicht bedeuten, daß der Arbeitnehmer seinen ihm zustehenden Anteil am Sozialprodukt nicht erhält. Das, was er nicht als Konsumlohn er({5})
halten kann, muß dem Arbeitnehmer in Form von wertbeständigem Miteigentum gewährt werden.
({6})
Mitbesitz, Eigentum des Arbeiters, das sind Forderungen, die wir nicht erst in dieser Stunde erheben.
({7})
Vor Jahren schon und immer wieder haben wir zum Ausdruck gebracht, daß diese Schaffung von Eigentum für den arbeitenden Menschen ein dringliches Anliegen wirklich sozialer Wirtschaftsordnung ist.
({8})
Ich erinnere an die Forderung des Katholikentages in Bochum und der „Sozialen Woche" der evangelischen Kirche; ich erinnere an die Forderung des Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens, Karl Arnold, ,und an die des Kardinals Frings. Aber es ist nicht damit getan, daß wir die Forderung allein erheben - sie ist auch von anderer Seite erhoben worden -, sondern es müßten doch endlich einmal die Anfänge einer solchen Eigentumsordnung gemacht werden, und dies Eigentum ist nicht dadurch geschaffen, daß man dem Arbeitnehmer zu Weihnachten eine kleine oder größere Gratifikation gibt.
({9})
Eigentum schaffen für den Arbeiter, - hier liegt die große Aufgabe für die Gewerkschaften und für die Unternehmerverbände. Wollen wir die Millionen Arbeiter gleichberechtigt in unsere Volksgemeinschaft einbauen, so müssen wir ihnen Eigentum schaffen. Gerade für Notzeiten, für Krisen und für das Alter bedarf der arbeitende Mensch des Eigentums. Wir sind nüchtern und real genug, zu wissen, daß diese Eigentumsbildung ein Mühen langer Jahre sein wird. Wir wissen auch, daß hier der Gesetzgeber allein die Lösung nicht finden kann. Wollen wir das vorliegende Betriebsverfassungsgesetz ergänzen, ja wollen wir diesem Gesetz seine eigentliche, richtige Grundlage und Fundamentierung geben, so bemühen wir uns, dem schaffenden Menschen dieses Eigentum zu geben! Erst dieses Miteigentum führt zu einer echten Mitverantwortung und Mitbestimmung.
({10})
- Sie meinen ja nicht Mitbestimmung; Sie meinen ja Diktatur!
({11})
Wir beschließen hier Paragraphen, die gewiß nicht unwesentlich sind und die einen großen Wert haben; aber, meine Damen und Herren, wichtiger als diese Paragraphen ist gerade bei diesem Gesetz der gute Wille zu einem gegenseitigen Vertrauen,
({12})
und wenn dieses Gesetz vom Willen zum gegenseitigen Vertrauen getragen wird, wenn wir bestrebt sind, es weiter auszubauen und zu ergänzen, dann können wir ihm alle unsere Zustimmung geben. Wir sollten heute, am Vortage des 20. Juli, versuchen, das Gemeinsame zu finden.
({13})
Das Wort hat der Abgeordnete Ollenhauer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich jetzt zu Ihnen spreche, dann nicht aus dem Grund, den man der
Sozialdemokratie in den letzten Tagen aus Anlaß unserer Diskussion zur zweiten Lesung dieses Gesetzes unterstellt hat. Es geht uns hier nicht um Obstruktion. Wenn wir in diesem Hause Obstruktion treiben wollten, dann gäbe es noch viele andere und für Sie sehr ermüdende Möglichkeiten im Rahmen unserer Geschäftsordnung.
({0})
Aber wir haben seit einiger Zeit den Eindruck, daß Sie die zufällige und vorübergehende Machtverteilung in diesem Hause ausnutzen möchten,
({1})
um bestimmte sehr weittragende Tatsachen zu schaffen.
({2})
Wir warnen Sie. Die Robustheit in der Ausnutzung dieser Möglichkeiten erschreckt uns nicht. Wir sind bereit, den Kampf auch auf dieser Ebene zu führen, und was Sie heute glauben, sich in diesem Hause leisten zu können, werden wir morgen für uns in Anspruch nehmen, wenn Sie es so haben wollen.
({3})
Unser hartnäckiger Kampf um die Gestaltung des Mitbestimmungsrechts der arbeitenden Menschen im Zusammenhang mit diesem Gesetz hat eine viel tiefere Ursache. Für uns geht es um das neue Gesicht der Wirtschaft in der deutschen Demokratie. Es geht um ein fundamentales Prinzip. Sie wissen es genau so gut wie wir: für uns Sozialdemokraten ist ein echtes Mitbestimmungsrecht der Arbeitenden in der Wirtschaft die notwendige, gerechte und zeitbedingte Eingliederung der Arbeitenden in die Führung von Betrieb und Wirtschaft in Deutschland. Der Gegensatz zwischen Ihnen und uns bei diesem Gesetz ist, daß Sie diesen Grundsatz nicht anerkennen wollen.
({4})
Sie wollen keinen grundsätzlichen Wandel und Sie wollen die beherrschende Position des Großunternehmertums im Grunde nicht antasten lassen.
({5})
Sie sind bereit, die Kosten für eine neue Fassade zu zahlen, aber Sie sind nicht bereit, das Haus aus der wilhelminischen Periode abzureißen und in Gemeinschaft mit den Arbeitenden das neue Haus der Mitte des 20. Jahrhunderts aufzubauen.
({6})
Hier geht es nicht um Taktik, hier geht es eben um diese neue Ordnung. Dabei steht nicht die Frage zur Diskussion, ob es nicht eine Gefahr für eine echte und freie private Unternehmerinitiative geben könnte. Auch in der sozialistischen Gesellschaft, auch bei der Verwirklichung unserer Vorstellungen über das Mitbestimmungsrecht, über die wirtschaftliche Demokratie wird ein breiter Raum für diese Initiative bleiben. Nur in der Greuelpropaganda gegen die Sozialdemokratie
({7})
ist noch Raum für die Vorstellung, daß wir den letzten Friseurladen, den ehrlich selbständig Schaffenden sozialisieren wollen.
({8})
Wir wollen im Zusammenhang mit dieser Frage
nur eines: das Recht der Mitbestimmung des arbei({9})
tenden Lohn- und Gehaltsempfängers an der Gestaltung seines und seines Volkes wirtschaftlichen Schicksals.
({10})
Hier in dieser Diskussion haben Sie in der Argumentation gegen die sozialdemokratische Fraktion in der Regel die Kleinen vorgeschoben, um die Großen zu schonen.
({11})
Hier beginnt der eigentliche politische Teil. Sie
machen mit diesem Gesetz ein Gesetz über die Betriebsverfassung, das in seinem Zweck und in seiner Begrenzung die Interessen der Großen in der
Wirtschaft nicht nur schützen, sondern durch die
Legislative der Demokratie erneut verankern soll.
({12})
Dazu sagen wir nein. Es gibt in Ihren Reihen sehr viele, die die Fragwürdigkeit der heutigen gesellschaftlichen Ordnung durchaus ebenso sehen wie wir; aber es fehlt in allen entscheidenden Punkten auf Ihrer Seite der Mut zum Bekenntnis und der Mut zum Handeln.
({13}),
Denn hier war ein Punkt, an dem wir im Interesse des Aufbaues der neuen Demokratie hätten handeln müssen. Hier geht es um die Frage: politische u n d wirtschaftliche Demokratie - ja oder nein, und Sie sagen durch dieses Gesetz nein. Sie verweigern die Fundierung der deutschen Demokratie auf wirtschaftlichem Gebiet.
Es kommt noch etwas anderes hinzu, und ich will es hier am Beginn der dritten Lesung sagen. Es geht hier nicht nur um den materiellen Inhalt, es geht auch um die Art und Weise, in der Sie die Verabschiedung dieses Gesetzes zu erzwingen versuchen. Die überstürzte Verabschiedung dieses Gesetzes unmittelbar vor den Ferien des Parlaments ist ohne in der Sache liegende Gründe von Ihnen erzwungen worden.
({14})
Es hat noch niemand gesagt und es wird in der heutigen Debatte niemand von Ihnen uns sagen können, warum in diesem Zeitpunkt diese Entscheidung gefällt werden muß,
({15})
meine Damen und Herren; denn diese Entscheidung in der letzten Woche haben Sie jetzt für richtig gehalten, nachdem Sie eineinhalb Jahre und mehr Zeit gehabt haben, in den Ausschüssen über diese Gesetzentwürfe zu verhandeln.
({16})
- Auf Ihre Geduld komme ich noch, Herr Schröder, warten Sie noch einen Augenblick. Die Situation ist nach Ihrer Meinung für Sie erst brenzlig geworden, als die arbeitenden Menschen in Deutschland sich auch öffentlich und demonstrativ für ein echtes Mitbestimmungsrecht einsetzten.
({17})
In dem Augenblick, in dem die Betroffenen und die unmittelbar Beteiligten sich selbst rührten, da wurden Sie merkwürdig nervös.
({18})
Da haben Sie eine ganze Theorie entwickelt, hier im Hause und noch mehr in der Presse, daß solche Demonstrationen ein unzulässiger Druck auf die Arbeit der gesetzgebenden Körperschaften in einer Demokratie seien.
({19}) Es ist bemerkenswert, wie empfindlich Sie werden,
wenn die Arbeiter demonstrieren, und wie stillschweigend Sie noch vor zwei Jahren die Androhung gewisser Kreise in der deutschen Bauernschaft hingenommen haben, die aus rein materiellen Gründen mit einem Lieferstreik an die Städte gedroht hatten.
({20})
Meine Damen und Herren! Sie haben dann weiter darüber gesprochen, man könne über alle Fragen diskutieren, aber nicht unter dem Druck der Straße, ja, Sie haben sogar den Herrn Bundeskanzler selbst bemüht, der von einem Verstoß gegen das Grundgesetz und einer gefährlichen Störung der inneren Ordnung unseres Staatswesens sprach. Ich wünsche Ihnen, meine Damen und Herren, die Demokratie in Deutschland käme niemals in eine ernstere Gefahr als durch die Demonstrationen demokratisch eingestellter, gewerkschaftlich organisierter Arbeiter und Angestellten.
({21})
Als dann - wir wollen das hier in diesem Augenblick festhalten, denn über die Geschichte dieses Gesetzes wird auch morgen noch gesprochen - von Ihrer Seite direkte Verhandlungen mit den Gewerkschaften angeboten wurden, haben die Gewerkschaften ihre Aktionen in voller Loyalität gestoppt.
({22})
Und was war das Resultat? Am letzten Montagnachmittag, als die Partner wieder an einen Tisch gebracht worden waren, hat man von Ihrer Seite die Verhandlungen abgebrochen
({23})
- entschuldigen Sie, Sie wissen das genau so gut wie ich, Herr Sabel ({24})
- ich weiß, daß es stimmt - trotz der Bereitschaft der Leitung der Gewerkschaften zu weiteren Besprechungen. Und Sie haben die zweite und dritte Lesung in dieser Woche vor den Parlamentsferien erzwungen! Glauben Sie denn, daß wir Ihnen abnehmen, daß in dieser Methode aus der Sache hervorgehende Gründe stecken? Nein, hier ging es für Sie darum, unter allen Umständen und in dieser Form ohne Rücksicht auf die Wünsche der gewerkschaftlich organisierten arbeitenden Menschen das Gesetz jetzt zur Realität werden zu lassen.
Ich will Ihnen noch etwas sagen, meine Damen und Herren: In dieser Auseinandersetzung zwischen den Gewerkschaften und Ihnen über das Verhältnis von Demonstration und demokratischer Legislative ging es im Grunde überhaupt nicht in erster Linie um die Frage der Staatsräson, um die Frage der Wahrung der Rechte der verfassungsmäßigen Institution der Demokratie. In diesem Fall hier ging und geht es in erster Linie doch um etwas anderes, nämlich um ein politisches Geschäft innerhalb Ihrer Regierungskoalition.
({25})
Und glauben Sie wirklich, daß die Menschen draußen nicht wissen, daß es einen inneren Zusammenhang gibt zwischen der Frage der Ratifizierung des Generalvertrags und des EVG-Vertrags
({26})
und der von Ihnen erzwungenen Verabschiedung
dieses Gesetzes am letzten Tage vor den Ferien?
({27})
({28})
Es ist Ihre Angelegenheit, wie Sie die inneren Schwierigkeiten in der Koalition in Ihrer nicht einfachen Lage aus der Welt schaffen. Aber Sie dürfen nicht annehmen; daß wir Ihnen Vorwände abnehmen, wo es um solche politischen Geschäfte geht.
({29})
Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, dann haben Sie ihn durch die Art und Weise, wie Sie in der zweiten Lesung reagiert haben, selbst erbracht.
Herr Dr. Schröder hat hier vorgestern von der „großen Geduld" gesprochen, mit der man die Reden der Opposition angehört habe.
({30})
Herr Dr. Schröder, in einem demokratischen Parlament gehört es dazu, daß man die Geduld hat, die Argumente der anderen anzuhören.
({31})
Das ist keine besondere Tugend, die Sie entwickelt haben.
({32})
Und das ist gar nicht das Entscheidende. Wissen Sie, was das wirkliche Merkmal der zweiten Lesung war? Das war nicht Ihre von Ihnen selbst gepriesene Geduld, sondern es war Ihre Weigerung, sich mit den sachlichen Anträgen der Opposition auseinanderzusetzen.
({33})
Meine Damen und Herren, Sie können dasselbe auch heute betreiben; aber täuschen Sie sich nicht, es gibt j a eine Welt außerhalb dieses Hauses,
({34})
es gibt j a ein öffentliches und politisches Bewußtsein in diesem Volk.
Ihr Verhalten in der zweiten Lesung über eines der wichtigsten Gesetze der Bundesrepublik, über alle Anträge der Opposition durch Schweigen hinwegzugehen, ist eine glatte und beleidigende Brüskierung
({35})
des Teils des deutschen Volkes, den die Sozialdemokratische Partei zu Ihrem Leidwesen nun einmal in diesem Hause verkörpert.
({36})
Meine Damen und Herren, es ist noch mehr: es ist eine einfache und in dieser Art auch in diesem Hause noch nicht dagewesene Herausforderung der Arbeiterschaft und ihrer gewerkschaftlichen Organisationen.
({37})
Wissen Sie eigentlich, was Sie mit Ihrem Verhalten vorgestern und heute, wie ich annehme, getan haben und tun werden? Hier steht auf der Tagesordnung nicht nur ein Gegenvorschlag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion. Sie sollten sich einen Augenblick daran erinnern, daß dieser Gegenvorschlag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion in allen entscheidenden Punkten übereinstimmt mit den Vorschlägen der größten Organisation der Arbeitnehmer in Deutschland, des Deutschen Gewerkschaftsbundes.
({38})
Meine Damen und Herren, ich weiß, daß Ihnen das peinlich ist.
({39})
Aber diese Peinlichkeit haben Sie sich selber geschaffen.
({40})
Ich will Ihnen noch etwas sagen, damit Sie sich keinem Zweifel darüber hingeben, wie wir die Dinge ansehen. Es kam Ihnen auf der politischen Ebene darauf an, sozusagen ohne Rücksicht auf Verluste dieses Gesetz in einer Form durchzubringen, bei der Ihre Koalition zusammenhält, weil die Koalition ja auch übermorgen noch für Ihre Politik zusammenhalten muß.
({41})
Sie wollen noch etwas anderes, meine Damen und Herren. Sie haben in diesem Kampf seit Monaten ja noch eine andere Hoffnung gehabt. Sie haben sich in der Hoffnung gewiegt, daß es vielleicht doch zu einem offenen Zwiespalt zwischen der Sozialdemokratie und den Gewerkschaften in einer der wichtigsten wirtschaftspolitischen Fragen unserer Zeit kommen könnte. Denn Sie haben es sehr bedauert, daß darin bisher eine sehr weitgehende Übereinstimmung bestand. Sehr oft, wenn bie von der Neutralität der Gewerkschaften gesprochen und sie gepriesen haben, meinten Sie doch praktisch damit eine Politik gegenüber der Arbeiterschaft nach dem Grundsatz: Teile und herrsche!
({42})
Das war doch Ihre Vorstellung. Meine Damen und Herren, lassen Sie sich heute morgen eines sagen: dieser Versuch ist gescheitert und er wird auch in (' Zukunft scheitern!
({43})
Der Kampf um das Mitbestimmungsrecht führt uns an eine zentrale Frage unserer Zeit. Für uns ist er nicht eine Auseinandersetzung der einen Interessengruppe mit der anderen. Die Forderung nach Mitbestimmung, d. h. nach Gleichberechtigung der Arbeitnehmer in Betrieb und Wirtschaft ist die Forderung nach Ausweitung und Vertiefung der Demokratie und der demokratischen Selbstverwaltung des Volkes auf dem Gebiet der Wirtschaft.
({44})
- Ich wünschte, manche auf Ihrer Seite hätten in den vergangenen Jahren der Not gerade auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Pflichterfüllung so viel Einsicht und Verantwortungsbewußtsein bewiesen wie die Millionen von einfachen namenlosen arbeitenden Menschen in Deutschland!
({45})
Lassen Sie uns doch endlich im Jahre 1952 nach allem, was wir erlebt haben, in Ruhe mit solchen Ladenhüterschlagworten !
({46})
Hier geht es doch um wesentlich mehr. Hier geht es, wenn dieses Haus das Haus der deutschen Demokratie, die oberste Instanz ist, um die zentrale Frage, ob wir die politische Demokratie in Deutschland endlich untermauern wollen durch ein System der wirtschaftlichen Demokratie, der wirtschaftlichen Gleichberechtigung, der gleichen Rechte und der gleichen Pflichten aller Arbeitenden ohne Rücksicht auf ihre gesellschaftliche Position.
({47})
({48})
In der Weimarer ,Demokratie - wir haben es nicht vergessen - haben wir dieses Ziel nicht durchsetzen können - zum Schaden von uns allen!
({49})
Denn das Versagen der Weimarer Demokratie in bezug auf die wirtschaftliche Neuordnung hat es doch mit sich gebracht, daß die Alleinherrschaft eines Teils der Träger der Wirtschaft, nämlich der Unternehmer, zu den gefährlichsten Konsequenzen geführt hat. Es gibt viele Gründe dafür, daß 1933 der Nationalsozialismus zur Macht kam. Aber niemand kann bestreiten, daß einer der entscheidenden war, daß es in Deutschland einer kleinen Gruppe von Menschen möglich war, wirtschaftliche Macht zu politischen Zwecken gegen die Demokratie zu mißbrauchen.
({50})
Einen solchen Mißbrauch müssen wir in Zukunft unterbinden.
Aber das ist nur eine Seite.
({51})
- Seien Sie nicht nervös! - Ebenso wichtig ist nach unserer Meinung, daß das Mitbestimmungsrecht auch das entscheidende Mittel zur Herbeiführung eines neuen Verhältnisses zwischen dem arbeitenden Menschen und seiner Arbeit ist. Ja, meine Damen und Herren, es ist nach unserer Meinung der einzig mögliche Weg, um die unerläßliche freiwillige Mitarbeit der arbeitenden Menschen in Betrieb und Wirtschaft in Realität durchzuführen. Wenn der arbeitende Mensch das Recht erhält, auch an der Gestaltung der Produktionspolitik seines Betriebes, an der Gestaltung der Wirtschaftspolitik seines Wirtschaftszweiges verantwortlich mitzuarbeiten, wenn Lohn- und Preispolitik, wenn Produktions- und Arbeitsmethoden, wenn die allgemeinen Arbeitsbedingungen auch das Resultat seiner verantwortlichen Mitwirkung werden, dann und nur dann allein öffnen sich die Wege zu einem neuen Verhältnis zwischen dem Arbeitenden und seiner Arbeit, zwischen dem Arbeitenden und der Wirtschaft. Die Demokratie ist erst dann vollkommen, wenn der arbeitende Mensch nicht nur die vollen `staatsbürgerlichen Rechte hat, sondern wenn auch auf der wirtschaftlichen Ebene die Ungleichheit von heute abgelöst wird durch eine Ordnung, die den arbeitenden Menschen zum 'gleichberechtigten, freien Wirtschaftsbürger macht, wie er freier Staatsbürger sein soll.
({52})
- Ja, Sie sollten sich wirklich Ihr Schulgeld wiedergeben lassen!
({53})
In unserer heutigen Lage ist die Demokratisierung der Wirtschaft durch die gleichberechtigte Mitwirkung der Arbeitenden eine staatspolitische Notwendigkeit erster Ordnung. Die Sicherheit und die Krisenfestigkeit der deutschen Demokratie hängen auf innerpolitischem Gebiet von zwei Faktoren entscheidend ab: erstens von der sozialen Ordnung in der Demokratie und zweitens von der verantwortlichen Mitwirkung der arbeitenden Menschen in der Wirtschaft.
Was wir Ihnen zum Vorwurf machen, meine Damen und 'Herren, die Sie in diesem Hause die Mehrheit haben, ist, daß Sie diesen beiden Notwendigkeiten in Ihrer bisherigen Politik nicht gerecht geworden sind. Auf sozialem Gebiet ist das bewiesen worden durch die Verweigerung eines echten Lastenausgleichs. Der Beweis für die Solidarität des ganzen Volkes in der Überwindung einer großen nationalen Not ist in diesem Hause durch Ihre Entscheidung ausgeblieben.
({54})
Auf wirtschaftlichem Gebiet haben wir dieselbe Situation. Dabei handelt es sich hier nicht nur um einen sozialen Ausgleich der Lasten aus der Vergangenheit. Hier geht es um die Neugestaltung der Wirtschaft, die in die Zukunft hineinwirkt. Es geht darum, daß in Deutschland jede Neugestaltung der Wirtschaft und der Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber von dem Grundsatz ausgehen muß, daß die Ausübung wirtschaftlicher Funktionen und wirtschaftlicher Macht nur verstanden werden darf als eine treuhänderische Aufgabe gegenüber der Volksgemeinschaft.
({55})
Der Herr-im-Hause-Standpunkt muß abgelöst werden von einem System der gemeinsamen Verantwortung aller in Betrieb und Wirtschaft Tätigen, ob Unternehmer oder Arbeiter.
Eben von diesem Geist ist in Ihrem Gesetz nichts zu spüren. Im Gegenteil, dieses Gesetz geht zum Teil zurück hinter die alte Ordnung, die das Betriebsrätegesetz des Jahres 1920 geschaffen hat.
({56})
Es geht vor allem zurück hinter eine ganze Reihe von Bestimmungen in Ländergesetzen, die wir heute haben.
({57})
- Herr Kollege Wellhausen, wir kommen im Laufe der dritten Lesung darauf zurück!
({58})
Diese Tendenz und dieser materielle Inhalt dieses Gesetzes sind auch deshalb für uns so bemerkenswert, weil hier ja nach Ihrem Willen die Neuregelung der Wirtschaft überhaupt abgeschlossen werden soll, weil man hier ja den Kampf um die Neuordnung in der Wirtschaft von seiten der Arbeiter einfrieren lassen möchte.
({59})
Das bedeutet: man möchte zum zweiten Male in der Geschichte der deutschen Demokratie die Neuordnung der Wirtschaft verhindern. Das liegt hinter diesem Gesetz und hinter dieser Taktik. Darum sage ich Ihnen für die sozialdemokratische Fraktion, daß Sie mit der Verabschiedung dieses Gesetzes eine der ernstesten Tatsachen auf dem Gebiet der deutschen Innenpolitik seit 1945 schaffen. Sie vollziehen damit einen tiefen Bruch zwischen Ihrer Mehrheit und der Opposition und den gewerkschaftlich organisierten Arbeitern in einer der Lebensfragen der deutschen Politik. Ihr Vorgehen, meine Damen und Herren, ist nach Form und Inhalt ein schwerer Schlag gegen eine Politik, die die arbeitenden Menschen in ein näheres und inneres Verhältnis zur Demokratie zu bringen versucht,
({60})
und Sie verhalten sich gerade in einer Zeit so, in der Sie immer wieder von der Notwendigkeit eines Zusammengehens in den großen nationalen Fragen sprechen. Hier war eine und ist eine der großen nationalen Fragen!
({61})
({62})
Hätten Sie doch hier konkret bewiesen, daß Sie bereit gewesen wären, eine wirkliche erträgliche Lösung für alle Teile des Volkes zu schaffen! Haben Sie einen Augenblick überlegt, was es bedeutet hätte, wenn Sie durch die Schaffung eines fortschrittlichen Mitbestimmungsrechts in der Bundesrepublik eine sehr, sehr starke und positive Wirkung auch auf die arbeitenden Menschen in der Sowjetzone ausgelöst hätten,
({63})
auf 18 Millionen Menschen, die unter einem System der Unterdrückung ein Leben der Zwangsarbeit zu führen haben? Sie sprechen so gern von den Alternativen. Meine Damen und Herren, hier war eine echte Alternative der Demokratie gegenüber der totalitären Diktatur.
({64})
Aber wenn es um Alternativen geht, die Geld und Macht kosten, dann lassen Sie lieber den alten Zustand, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen.
({65})
Die große Bedeutung dieser ganzen Frage und einer großzügigen und grundlegenden Neuregelung der Stellung der arbeitenden Menschen in der Wirtschaft möchte ich hier nur durch ein einziges Zitat unterstreichen. Es ist kurz; ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, es vorzulesen. Einige Sätze:
Ich bin mir völlig klar darüber, daß wir in dieser Frage 1945/46 vielleicht eine größere Aufgeschlossenheit gezeigt hätten. Ich kann mir jedenfalls denken, daß es hier viele unter uns gibt, für die es 1945/46 unter dem Eindruck des damaligen Schocks - der Schock hat j a das Ergebnis, plötzlich Erkenntnisse aufzuzeigen, die jahrelang verschüttet waren - sehr viel leichter gewesen wäre, auf diesem Gebiet zu einer Lösung zu kommen, die wir jetzt so schwer_ erkämpfen müssen. Inzwischen haben
sich die Kräfte der trägen ,Beharrung des Gestrigen längst wiedergefunden, etwa unter dem Motto: „Wir sind noch einmal davongekommen!", in der Absicht, möglichst wenig zu tun und nicht etwa den Blick darauf gerichtet zu halten, daß nur in einer Überwindung der Verhältnisse, wie wir sie gehabt haben, eine Aussicht auf die Zukunft gegeben ist. Wir sind zutiefst davon überzeugt, daß nur die totale Regenerierung und der Mut zu grundsätzlich neuen Entscheidungen Katastrophen verhindern kann.
Meine Damen und Herren, das ist ein Zitat aus der Rede unseres Kollegen Dr. Schröder,
({66})
als er im Bundestag am 27. Juli 1950 in der ersten Lesung dieses Gesetzes den Gesetzentwurf der CDU begründet hat.
({67})
Das war vor knapp zwei Jahren, Herr Dr. Schröder,
und inzwischen, meine Damen und Herren von der
Koalition, haben die Kräfte des Gestrigen Sie alle
übermannt, und Ihr, Gesetzentwurf steht unter
dem Motto: Wir sind noch einmal davongekommen!
({68})'
Ich möchte zum Schluß kommen. Sie werden sicher das Gesetz annehmen. Aber ich möchte Ihnen eines sagen: Die Frage der Mitbestimmung, die Frage der Demokratisierung der Wirtschaft bleibt auf der Tagesordnung;
({69})
denn sie ist durch die geschichtliche Entwicklung auf die Tagesordnung gestellt worden.
({70})
So wie vor mehr als drei Jahrzehnten das Koalitionsrecht der Arbeiter als erster Schritt auf dem Wege zur Partnerschaft der arbeitenden Menschen in der Wirtschaft nach schweren Kämpfen verwirklicht wurde, so wird auch das Mitbestimmungsrecht in Deutschland Wirklichkeit werden. Hunderttausende von arbeitenden Menschen haben in den vergangenen Wochen in Deutschland in vorbildlicher Disziplin für ihre Rechte demonstriert. Was hat man nicht alles in der deutschen Presse und in der Öffentlichkeit über diese demonstrierenden Arbeiter gesagt! Da standen sie alle mit erhobenem Zeigefinger vor diesen Arbeitern. Da waren sie alle bessere Demokraten als die Arbeiter, die ihren Arbeitsplatz verließen.
Zum ersten Mal seit 1945 haben die organisierten Arbeiter in Deutschland von diesem elementaren demokratischen Recht Gebrauch gemacht. Und wofür? Für nichts anderes, als ein neues demokratisches Recht in einer Demokratie zu verankern.
({71})
Mit wieviel Hochmut, mit wieviel Blasiertheit hat das deutsche Bürgertum in den vergangenen Wochen auf diese Arbeitenden herabgeblickt!
({72})
Sie können es nicht bestreiten. Und das alles geschah in eiher Zeit,
({73})
als jeder in Deutschland wissen mußte, daß es ein Spiel gegen die Demokratie war, in einer Zeit so schwerwiegender außenpolitischer Entscheidungen, wie Sie sie treffen wollen, auch noch die arbeitenden Menschen in einen Gegensatz zur Demokratie zu drängen.
({74})
Wie glücklich wären die Regierungen in Frankreich und in Italien, den Partnerländern Ihrer Europaarmee, wenn sie in ihren Ländern
({75})
eine Arbeiterschaft mit der Loyalität gegenüber der Demokratie hätten, wie es in Deutschland der Fall ist.
({76})
In den vergangenen Wochen haben Hunderttausende für die 61/2 Millionen gestreikt. Die 61/2 Millionen können auch alle zusammen ihren Willen in dieser Form zum Ausdruck bringen.
({77})
- Das ist keine Drohung!
({78})
- Aber meine Damen und Herren, Sie müssen sich damit abfinden, daß es in Deutschland 61/2 Millionen Menschen gibt,
({79})
die freiwillig und ohne Zwang aus innerer Überzeugung in den Gewerkschaften die Repräsentanten ihrer sozialen und wirtschaftspolitischen Forderungen sehen.
({80})
Und nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch etwas anderes sagen: Bitte, zeichnen Sie sich
({81})
nicht durch diese Zurufe aus, die sich ja gegen die Menschen draußen richten!
({82})
- Ich kann es tragen. - Diese 61/2 Millionen Menschen sind ja nicht in der Lage, ihre eigene Sache hier unmittelbar zu vertreten.
({83})
Meine Damen und Herren auf der Rechten, ich hätte es sehr gerne gesehen, daß bei der zweiten Beratung dieses Gesetzes auf Ihrer Seite wenigstens einer gewesen wäre, der den Forderungen des DGB für ein echtes Mitbestimmungsrecht zugestimmt hätte.
({84})
Dieser Kampf um das Mitbestimmungsrecht bleibt auf der Tagesordnung, auch wenn Sie dieses Gesetz in dieser unmöglichen Form annehmen. Sie haben hier die Mehrheit, und Sie haben es für richtig gehalten, die Willenskundgebungen der Gewerkschaftler beiseite zu schieben und zu mißachten. Aber in der Demokratie kann das Volk durch demokratische Entscheidungen, nämlich durch allgemeine Wahlen, seinen Willen zur Geltung bringen. Und verlassen Sie sich darauf: Die Entscheidung, die Sie heute erzwingen, wird korrigiert werden.
({85})
Sie wird in der Geschichte des deutschen Volkes
B) als der letzte Versuch fortleben, eine überholte wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung zu galvanisieren und den arbeitenden Menschen ihr demokratisches Recht auf Mitbestimmung und Mitgestaltung in der Wirtschaft zu verweigern.
({86})
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir wäre es lieber gewesen, wenn ich in der Debatte über dieses Gesetz nicht das Wort hätte zu nehmen brauchen.
({0})
Aber die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Ollenhauer zwingen mich, einmal ein sehr ernstes Wort zu sprechen.
({1})
Nach dem ersten Weltkriege befanden wir uns in Deutschland in sehr gefährlichen politischen Umständen. Damals haben sich die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände durch ihre führenden, verantwortungsbewußten Leute zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengefunden, und diese Arbeitsgemeinschaft ist durch das politische Treiben Ihrer Partei damals zerschlagen worden.
({2})
Und genau so haben sich die Dinge in den zwei letzten Jahren entwickelt.
({3})
Als in Hattenheim die Sozialpartner aus freiem Wollen zusammengetreten waren und im großen die Linie festgelegt haben, wie auf übergebietlicher Ebene eine paritätische Zusammenarbeit in einem Wirtschaftsrat, in den Betrieben eine Beteiligung der Arbeitnehmer auf der Basis 2 : 1 vereinbart werden kann, da war es Herr Schumacher, der in Hannover in der Hanomag die Betriebsräte zusammenholte und den Leuten gesagt hat: Ich garantiere euch das volle Mitbestimmungsrecht in den Betrieben!
Der alte Hans B ö c k 1 e r hat mir damals gesagt: Sieh dir hier die Waschkörbe von Entschließungen an, die mir von der politischen Seite - und zwar von der euren - hierher gezaubert worden sind.
({4})
So liegen die Dinge. Einem wirklichen Ausgleich, einer wirklichen Zusammenarbeit der Sozialpartner haben Sie immer Schwierigkeiten gemacht, weil Sie eben ohne Ihren Klassenkampf keine Existenzberechtigung haben.
({5})
Meine Damen und Herren! Wir hatten vorgesehen, daß wir um 10 Uhr eine kurze Unterbrechung der Besprechung eintreten lassen zur Vornahme der
Vereidigung des Herrn Bundesministers
für Wohnungsbau Neumayer.
Ich bitte Sie, daß wir diese Vereidigung jetzt vornehmen dürfen.
({0})
Meine Damen und Herren! Gemäß Art. 64 des Grundgesetzes leisten die Bundesminister bei der Amtsübernahme vor dem Bundestag den in Art. 56 vorgesehenen Eid. Der Bundeskanzler hat mir mitgeteilt, daß der Herr Bundespräsident den Bundestagsabgeordneten Minister a. D. Fritz Neumayer am 15. Juli zum Bundesminister für Wohnungsbau ernannt hat.
Herr Bundesminister, Ihnen ist der Wortlaut des Eides bekannt. Sind Sie bereit, den Eid zu leisten?
Ja!
Ich darf Sie bitten, mir die Eidesformel nachzusprechen:
Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.
({0})
Herr Bundesminister, Sie haben den Eid geleistet. Sie treten Ihr Amt als Nachfolger eines Mannes an, dessen der Deutsche Bundestag und das deutsche Volk auch heute in herzlicher Dankbarkeit gedenken. Ich wünsche Ihnen, daß Sie Ihr Amt
({1})
so führen können, daß Sie eines der wichtigsten sozialen Probleme für unser Volk zu einem guten Ende bringen können. Ich wünsche Ihnen Gottes Segen für Ihre Arbeit.
Ich danke sehr.
Meine Damen und Herren, wir fahren fort in der allgemeinen Besprechung der
dritten Beratung der Gesetzentwürfe über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb, über die Neuordnung der Wirtschaft und des Betriebsverfassungsgesetzes.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es sehr gut und sehr richtig und sehr notwendig gewesen ist, daß der Kollege Ollenhauer sich der Mühe unterzogen hat, das, was das Thema des heutigen Tages ist, in einen größeren, allgemeinen, politischen Zusammenhang zu stellen. Wir teilen in vielen Punkten durchaus seine Auffassung von der grundsätzlichen Wichtigkeit der Entscheidung, die heute hier zu treffen ist. Sie werden uns nicht verübeln, daß wir trotz mancher Übereinstimmung im Grundsätzlichen doch vieles etwas anders sehen. Ich werde mich bemühen, das in aller Kürze darzustellen.
Sehen Sie, es gehen jetzt etwa drei Jahre Gesetzgebungsarbeit des Deutschen Bundestages zu Ende, etwa in diesen Tagen, gerade vor den Ferien. Meine Freunde und ich sind zutiefst von der Überzeugung durchdrungen, daß es notwendig ist, diesen ersten großen Dreijahresabschnitt unserer Gesetzgebungsarbeit
({0})
mit einem Gesetz zu krönen - möchte ich geradezu sagen -,
({1})
das von einer tiefgreifenden sozialpolitischen und ebenso großen allgemein-politischen Bedeutung ist. Wenn Sie, Herr Kollege Ollenhauer, in diesen Zusammenhang, wie ich glaube, ganz richtigerweise auch das Lastenausgleichsgesetz einbezogen haben, so sehen wir in dem Aufeinanderfolgen zweier so großer, wichtiger und einschneidender Gesetze geradezu einen symbolischen Akt. Wir sind mit Ihnen, wenn auch in anderer Wertung, der Auffassung, daß hier ein Markstein sozialpolitischer und allgemein-politischer Entwicklung gelegt wird.
({2})
Sie haben gerügt, daß wir in der zweiten Lesung viel geschwiegen haben. Sie werden uns heute weniger schweigsam als in der zweiten Lesung finden. Aber wir schmeicheln uns nicht, daß es heute möglich sein würde, das, was in mehr als zweijähriger Ausschußarbeit in vielen Dutzenden von Sitzungen diskutiert und behandelt worden ist, nun noch einmal in allen Einzelheiten in das öffentliche Bewußtsein zurückzubringen. Dieses Gesetz ist viel zu umfassend, es ist viel zu kompliziert und detailliert, als daß es möglich wäre, das noch einmal zu tun, was Sie in der zweiten Lesung versucht haben. Herr Kollege Richter, den wir als einen intensiven und zähen Arbeiter sehr schätzen, hat in der Fülle von Änderungsanträgen, die gestellt worden sind, eigentlich noch einmal den ganzen, Strauß von Änderungsanträgen zusammengefaßt, der in zwei Jahren behandelt worden ist,
- im Grunde ein Unterfangen, das schon rein technisch an den gegebenen Notwendigkeiten scheitern mußte. Soviel ich selber von theoretischer Bemühung halte und so wichtig sicherlich die Diskussion, auch die theoretische Diskussion von Grundsätzen, ist, glaube ich doch, daß hier ein Gesetz vorliegt, bei dem allein die praktische Bewährung den Ausschlag wird geben können. Ich glaube aber
- und das ist etwas, was ich in den letzten Wochen der „Demonstrationen" als sehr schmerzlich empfunden habe -, daß eine Voraussetzung für eine vertiefte Diskussion einmal die sein würde, daß die breiten Massen, die dieses Gesetz in allererster Linie angeht, auch tatsächlich einen Text davon in den Händen hätten und nicht nur einer Fülle von Parolen folgen müßten, die sie auf ihren Gehalt ja in, keiner Weise kontrollieren können.
({3})
Meine Damen und Herren, ich habe in Versammlungen der letzten Zeit sehr oft den Vorschlag gemacht, wie folgt zu verfahren: der Deutsche Gewerkschaftsbund könnte sich ein großes Verdienst erwerben, wenn er bereit wäre, das Gesetz von 1920 und daneben das Gesetz, das wir hoffentlich heute verabschieden werden, abzudrucken
({4})
und dieses Gesetz mit einem doppelten Kommentar zu versehen. Ich würde als die eine Kommentatorseite jemanden aus Ihren Reihen empfehlen - Sie können dafür nehmen, wen Sie wollen -, Sie müssen uns nur erlauben, daß wir unsererseits den anderen Kommentar schreiben würden, - bitte, mit der gleichen Zeilenlänge, von gleichem Umfang und unverändert abgedruckt. Ich glaube, auf dieser Basis würde sich in der Arbeiterschaft eine wesentlich bessere und vertieftere Diskussion dieses Problems ermöglichen lassen.
({5})
Nun noch wenige Worte zu dem, was Sie über die Methoden der zweiten Lesung gesagt haben, Herr Kollege O 11 e n h a u e r. Wir stehen dicht vor dem Ferienabschied, vor den Ferien, nach. denen wir uns hoffentlich alle gut erholt hier wieder einfinden werden, und deswegen möchte ich das in aller Freundlichkeit tun. Aber wenn Sie meinen, daß wir dabei seien, eine „robuste Ausnutzung vorübergehender Macht" vorzunehmen, dann möchte ich Ihnen dazu doch einmal eins sagen: Über das Thema des Vorübergehens dieser Macht wolle wir uns nicht streiten. Das ist eine Entscheidung, die wir getrost dem deutschen Volk überlassen.
({6})
Aber zu dem anderen Punkt möchte ich doch etwas sagen. Was die robuste Ausnutzung einer Machtposition angeht, - nun ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, meine Freunde und ich werden noch sehr viel von Ihnen zu lernen haben, was die robuste Ausnutzung politischer Macht angeht.
({7})
Sie haben die Freundlichkeit gehabt, Herr Kollege Ollenhauer, meine Ausführungen in der Sitzung am 27. Juli 1950 - also vor beinahe zwei Jahren - zu zitieren. Ich will Ihnen darauf ant({8})
worten: Das ist heute Wort für Wort und Satz für Satz ebenso richtig wie damals,
({9})
und ich stehe zu diesen Ausführungen von damals und zu jedem Wort, was ich in der damaligen Debatte gesagt habe, heute noch völlig unverändert. Sehen Sie, wir haben damals gesagt - und Sie können das in unserer Begründung nachlesen -, daß dieses Gesetz folgenden Zweck haben soll: Die Lösung muß dem Arbeitsfrieden und der Zusammenarbeit der Sozialpartner dienen und die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft im allgemeinen Interesse steigern. Das ist eine Formulierung, auf deren Boden Sie sicher heute wie damals zu treten bereit sind. Ich bin seit jenen Tagen, in denen wir zuerst im engeren Kreis, dann in der Fraktion und schließlich in der Regierungskoalition diese Dinge diskutiert haben, immer von der Hoffnung beseelt gewesen, daß dieses Gesetz in diesem Hause eine Mehrheit finden möge, die so breit wie nur irgend möglich ist. Sie werden nicht bestreiten können, daß wir uns in den Ausschüssen, daß wir uns in allen Verhandlungen bis in die letzten Minuten des vergangenen Montags hinein um eine solche Lösung bemüht haben. Wenn heute unsere Hoffnung darauf, daß die Mehrheit hier im Hause eine ganz breite werden möge, auch nur noch schwach sein mag, so vertrauen wir aber doch auf eins, und darauf vertrauen wir in der Tat sehr entschieden, daß nämlich die Zustimmung draußen - vielleicht nicht morgen, aber übermorgen, Herr Kollege Ollenhauer - eine absolut positive und eine sehr, sehr breite sein wird.
({10})
Wenn wir heute dieses Gesetz zum Abschluß bringen, so sind wir uns völlig klar darüber, daß damit erst ein Kapitel behandelt ist. Wir sind uns völlig klar darüber, daß der große Sektor des öffentlichen Dienstes nachfolgen muß, und Sie wissen aus vielen Ausführungen, die wir teils in diesem Hause, teils außerhalb dieses Hauses gemacht haben, daß unsere Absicht ist, auch den öffentlichen Dienst in der weitest vertretbaren Art diesem Gesetz entsprechend zu behandeln. Aber in der Frage des wesentlich größeren und entscheidenderen Ringens, die Sie auch gerade angesprochen haben, der Frage einer außerbetrieblichen Mitbestimmung, Herr Kollege Ollenhauer, glaube ich, daß wir es dabei nicht als einen sehr verheißungsvollen Auftakt buchen können, wenn Sie meinen, daß die Theorie der Wirtschaftsdemokratie, wie sie etwas verstaubt in den Kisten der zwanziger Jahre gelegen hat, heute wieder voll aufgezäumt werden könnte.
({11})
Wir sind in vielem der politischen Entwicklung weit über solche Auffassungen hinausgekommen, die auch damals selbst in Ihren eigenen Reihen keine breite Unterstützung gefunden haben. Ich empfehle allen hier im Hause, zur Vorbereitung auf dieses kommende große Ringen um dieses große Thema doch das nachzulesen, was Professor Böhm vor wenigen Wochen in seiner großen Arbeit zu dieser Frage ausgeführt hat, damit wir endlich einmal 'zu einer modernen theoretischen Betrachtung dieses Problems kommen. Meine Damen und 'Herren, ich bin mir völlig klar, daß wir in unserer gesamten Politik, auf etwas längere Sicht gesehen, mit 'der Zusammenarbeit aller stehen oder fallen werden. Deswegen werde ich nicht ablassen in dem Bemühen - und etwas davon hat ja gerade der Herr Bundesarbeitsminister seinerseits angesprochen -, tatsächlich alle verantwortlichen Kräfte zu einem Höchstmaß von Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu führen. Ich wiederhole im Namen meiner Freunde die Anregung an die Bundesregierung, von sich aus wenigstens vorläufig einen nationalen Wirtschafts- und Sozialrat zu schaffen und einzuberufen, um damit auch eine Demonstration des guten Willens zur Zusammenarbeit mit allen zu geben, die 'zu dieser Zusammenarbeit bereit sind.
({12})
Meine Damen und Herren, ich möchte die heutige dritte Beratung nicht vorübergehen lassen, ohne hier ganz nachdrücklich im Namen meiner Freunde einem Dank Ausdruck zu geben, der mir schuldig zu sein scheint, nämlich einem Dank an den Kollegen Sabel,
({13})
der diese schwierigen Ausschußarbeiten zwei Jahre lang geführt hat. Er, ein Mann aus der Arbeiterschaft, ist wie kein anderer, glaube ich, berufen gewesen, hier der geborene Vermittler zwischen den verschiedenen Auffassungen zu sein, und ich bin der Überzeugung, daß er dabei eine sehr bewundernswerte Leistung vollbracht hat.
({14})
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend sagen: hier geht es nicht um ein politisches Geschäft innerhalb der Regierungskoalition.
({15})
Dieser Gedanke mag in den Hirnen irgendwelcher Menschen entstehen können, die krampfhaft nach ' der ausgefallensten Erklärung suchen müssen. Sehen 'Sie, das, was wir heute hier sagen, das, was wir in den Ausschüssen gesagt haben, das, was wir in den Verhandlungen mit den Vertretern des Deutschen Gewerkschaftsbundes gesagt haben, das sagen wir seit zwei Jahren mehr oder weniger unverändert, jedenfalls in der Substanz unverändert.
({16})
Wir sind der Überzeugung, daß das, was wir heute versuchen, eines der kühnsten sozialen Experimente in der ganzen Welt ist,
({17})
und ich warte auf denjenigen, der mir nachweisen wird, daß es in Europa oder außerhalb Europas ein Gesetz gibt, das über das hinausgeht, was hier in Deutschland der Arbeiterschaft durch dieses Gesetz an Rechten neu errungen wird.
({18})
Meine Damen und Herren, wir werden der Erörterung dieses Problems hier im Hause und weiter draußen in voller Ruhe entgegensehen, und ich will Ihnen sagen, aus welchem Grunde. Wir vertrauen dabei auf den Arbeiter wie auf den Unternehmer, und ich bin der Überzeugug, daß sie beide, wenn sie so zusammenarbeiten, wie es unserer Vorstellung entspricht, dieses Gesetz, in die deutsche Wirklichkeit umgesetzt, 'zu einem vollen Erfolg werden lassen.
({19})
Das Wort hat der Abgeordnete Imig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einige Worte an die Adresse des Herrn Bundesarbeitsministers richten, der einmal dartut, wie wesentlich es gewesen wäre, wenn man hier in irgendeiner Form zu irgendeiner Arbeitsgemeinschaft geschritten wäre, und auf der andern Seite nichts Besseres zu tun weiß, als alles zu zertöppern, was irgendwie dazu führen könnte.
({0})
Es fehlte in seinen Äußerungen nur noch, daß er die SPD beschuldigt hätte, die NSDAP aufgezogen zu haben!
({1})
- Aber, meine Damen und Herren von der Rechten, nun werden Sie doch nicht immer gleich wild,
wenn Sie einen Gewerkschaftler hier stehen sehen!
({2})
Herr Kollege Schröder, Sie haben sich so sehr dagegen gewehrt, daß mein Parteifreund Ollenhauer gesagt hat, der vorliegende Gesetzentwurf sei ein Produkt dieser Koalition - ich will's auf einen Nenner bringen -, in dem nicht nur die innen-. sondern auch 'die außenpolitischen Verhältnisse einen Ausdruck gefunden hätten.
({3})
Sehen Sie, meine Damen und Herren, wie wäre es denn sonst überhaupt zu verstehen, daß so mancher Abgeordnete dieses Hohen Hauses seine Meinung hat ändern müssen, und nicht nur so mancher Abgeordnete dieses Hohen Hauses? Ich könnte auch den Herrn Bundeskanzler selbst, auch den Herrn Vizekanzler und auch den Herrn Bundesminister Kaiser benennen. Ich erkenne die Bemühungen des Herrn Bundesminister Kaiser, die er sich gegeben hat, um hier zu einem Ausgleich zu kommen, ohne weiteres an. Dafür sprechen wir unsere Anerkennung aus.
({4})
- Ihre Äußerungen zeigen doch, wie weit Sie schon abgesunken sind.
({5})
Ich weiß auch, daß er eine sehr weitgehende Erkenntnis hatte, indem er einmal zum Ausdruck gebracht hatte, die Christlich-Demokratische Union wird eine Partei wirklichen sozialen Fortschrittes sein,
({6})
oder sie wird nicht sein.
({7})
Aber wenn sie das ist, dann können Sie das heute in die Praxis umsetzen.
({8})
Die Forderung der Gewerkschaften auf Mitbestimmung ist doch nicht neu. Sie besteht doch schon
seit Jahrzehnten. Dann muß es doch geradezu auffallen und uns nicht nur mit Erstaunen erfüllen,
sondern auch das Mißtrauen bei uns wecken,
warum das Betriebsverfassungsgesetz gerade jetzt
in drei oder vier Tagen verabschiedet werden muß.
({9})
Herr Dr. S c h r ö d er hat es damit begründet, daß
den Arbeitern endlich die Vorteile dieses Gesetzes gewährt werden müßten; mein Kollege Ollenhauer hat auch schon darauf hingewiesen. Herr Dr. Schröder, haben Sie dann eine Erklärung dafür, warum Hunderttausende von Arbeitern gegen die „Vorteile" in dieser Form protestiert haben?
({10})
- Augenblick, Herr Doktor, ich komme ja schon darauf. Sie können mir sagen, 'daß die im DGB organisierten Arbeiter nur einen Teil der gesamten Arbeiterschaft vertreten. Das stimmt, Herr Kollege.
({11})
Aber sie sind der Teil, der erkannt hat, daß nur
auf Grund von Kenntnissen und Macht erlassene
Gesetze in Anspruch genommen und zur Durchführung gebracht werden können. 'Sie wissen sehr
genau, wie ein Gesetz aussehen muß, wenn es
seinen Zweck erfüllen soll; denn wir wissen, daß
auch das 'beste Gesetz den Arbeitnehmern nichts
nützt, wenn sie nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügten, 'dieses Gesetz auch durchzuführen.
Sie fußen dann darauf, die Leute kennen ja 'dieses Gesetz gar nicht. Herr Dr. Schröder, erkundigen Sie sich bei jedem Funktionär der IG-Bergbau, er hat 'das Gesetz - ({12})
- Ja, mein Gott, Ihre ganzen Äußerungen zeigen doch, daß Sie von dem Aufbau und der Organisation einer Gewerkschaft überhaupt nichts verstehen.
({13}) Warum wird um dieses Gesetz so erbittert gekämpft? Weil 'die 'Gewerkschaften Macht ausüben wollen?
({14})
Es geht bei diesem Gesetz gar nicht um die Macht der Gewerkschaften,
({15})
es geht ja nicht einmal um die Gewerkschaften selbst, sondern hier geht es um die sozialen Belange der deutschen Arbeitnehmer und damit des deutschen Volkes.
({16})
Wenn die Gewerkschaften nur Macht ausüben wollten, dann wäre es nicht mehr um 'das Betriebsverfassungsgesetz gegangen. Von Machtgelüsten kann doch nur derjenige reden, 'der in diesen Ideengängen befangen ist und der 'darauf erpicht ist, Macht auszuüben.
({17})
Revidieren Sie sich! Finden Sie sich doch damit ab, daß es den Gewerkschaften gar nicht mehr möglich sein wird, sich nur auf ;die Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen 'zu beschränken! Ob die Gewerkschaften wollen oder nicht, sie werden gezwungen sein, ihre Tätigkeit und ihren Einfluß auf die Faktoren auszuüben, von denen Lohn- und Arbeitsbedingungen abhängig sind.
({18})
Es kann keine Lohnpolitik ohne Einfluß auf die Preisgestaltung geben. Beide Vorgänge in eine vernünftige Relation zu bringen, wird und muß Aufgabe 'der Gewerkschaften sein. Was nützen die besten Arbeitsbedingungen, wenn die Menschen
({19})
arbeitslos sind! Glauben Sie, das damit beheben zu können, daß Sie idem Betriebsrat die Mitbestimmung geben, wenn das Werk vor dem Bankerott steht? Damit wollen Sie ihn doch nur für Verhältnisse verantwortlich machen, auf deren Entstehung er überhaupt keinen Einfluß gehabt hat.
({20})
Wenn der Betriebsrat unter Berücksichtigung dieser wirtschaftlichen Probleme ,mitbestimmen und mitverantworten soll, 'dann können Sie seine Rechte und Pflichten nur unter diesen weitgehenden Gesichtspunkten betrachten, dann können Sie aber auch nur ein Gesetz verabschieden, das ihm volle Gleichberechtigung gibt. Ich will hier nicht auf die Gleichstellung von Kapital und Arbeit eingehen. Darüber ist genug geredet worden. Es gilt heute, alle diese -schönen Worte in die Tat umzusetzen. Es geht darum, dem arbeitenden Menschen die Gewißheit zu verschaffen, daß er einen gerechten Anteil am Sozialprodukt erhält und daß seine Existenz gesichert ist.
Sehen Sie, Herr Kollege Even, von diesem Gesichtspunkt aus unterscheiden wir uns schon im wesentlichen 'in der Zielsetzung. Aber die Gewerkschatten haben auch einen anderen Grund. In Deutschland ist jahrzehntelang von seinenBurgern um die politisch-demokratischen Rechte gerungen worden. sie mußten errungen werden, um Staat und Volk 'zu sichern. Was es bedeutete, wenn sie beseitigt wurden, das haben war am eigenen Leibe erlebt. the Vergangenheit hat uns gelehrt, daß die Erhaltung der politisch-demokratiscnen Rechte nicht gewahrleistet ist, wenn sie auf der wirtschaftlichen Ebene keine Untermauerung finden.
Der größte Teil der Mitglieder dieses Hauses hat die Zelt von 1918 bis 1945 mitgemacht. Man hat über die Anlange der NSDAP damals vielleicht genau so mitleidig gelächelt, wie es heute manch einer hier in diesem Hohen Hause auch tun wird, aber sie ist zu einer unheilvollen Macht geworden, die Deutschland in das tiefste Elend gestürzt hat. Und wie ist es dazu gekommen? Indem man Methoden verwandte, die das gesamte öffentliche Leben, ob Personen oder Institutionen, diffamierten, verleumdeten und beschmutzten. Die Geldaufwendungen für den Aufzug dieser Partei kamen nicht aus den Reihen ihrer Mitglieder. Sie ist gefördert und begünstigt worden, und die Partei ist zu einer Macht geworden, die Deutschland an den Rand ides Abgrundes gebracht hatte. Als ihr unheilvoller Einfluß erkannt wurde, konnte man die Geister nicht mehr loswerden. Glauben Sie, daß das hätte geschehen können, wenn man schon zu dieser Zeit über ein ausreichendes und weitgehendes Mitbestimmungsrecht in der Wirtschaft verfügt hätte?
({21})
Die Arbeiter selbst hätten diesem Spuk sehr bald ein Ende gesetzt; aber so 'waren ihnen die Hände gebunden.
Wir fordern das Mitbestimmungsrecht, weil wir uns nicht noch einmal in die Gefahr begeben wollen,, daß ;die Werte, die der Arbeiter schafft, dazu benutzt werden, seine Kerkeraufseher wieder großzuziehen.
({22})
Sie können mir nicht sagen, daß diese Gefahr heute
nicht besteht. Ich wünschte nur, Sie hätten recht.
Heute werden teilweise schon wieder dieselben
Wege beschritten, die zur Katastrophe von 1945
geführt haben. Das geht über Schwarz-Weiß-Rot, über geschickt lancierte Pressemeldungen, die Stimmungen erzeugen sollen, die man glaubt vorbereiten zu müssen;
({23})
das geht über die Gewerkschaftsführer, die in Aufsichtsräten sitzen. Ja, meine Damen und Herren, letzten Endes ist das doch eine Selbstverständlichkeit. Oder wollen Sie damit dartun, daß die Wirtschaft dadurch belastet ist? Wenn die Gewerkschaftsführer nicht da säßen, säßen sehr wahrscheinlich andere Leute 'da. Man hat sich nicht gescheut, sogar eine Pressemeldung herauszugeben, daß eine sozialdemokratische Abgeordnete in einer Ausschußsitzung Erdbeeren mit Schlagsahne gegessen hat. Es werden Flugblätter mit Hakenkreuzen verteilt, die 'in genau denselben Tönen von der Judenrepublik und von den Judensöldlingen reden, wie das vor 1933 der Fall war. Allerdings mit einem Unterschied: im Falle eines Krieges fordert man die Etappe für sich. Diese Flugblätter kosten Geld. Meine Damen und (Herren, wo kommt es her?
({24})
Wir haben nicht nur im politischen Raum Sicherheiten für die Demokratie zu schaffen. Auch auf der wirtschaftlichen Ebene müssen diese Garantien geschaffen werden.
({25})
Ich halte das letzte noch für vordringlicher als das erste. Wir sind sehr wohl in der Lage, heute einen guten Schritt in dieser Richtung zu tun, wenn Sie unseren Anträgen zustimmen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund beginnt bereits am Montag damit, zu 'diesem Gesetz Stellung zu nehmen. Der Herr Bundeskanzler hat in seinem Schreiben vom 9. Mai an den Vorsitzenden des DGB darauf hingewiesen, daß die kommenden Neuwahlen 'zum Deutschen Bundestag die Möglichkeit böten, eine fortschrittliche Betriebsverfassung 'durchzusetzen. Das würde doch, wenn ich es verdeutsche, nichts anderes bedeuten, als daß der DGB aus dem Verhalten 'der Parteien und ihrer Bundestagsmitglieder seine Konsequenzen zu ziehen habe.
({26})
Nach dieser Auffassung des Herrn Bundeskanzlers verletzt 'der DGB damit die Grenzen auch der parteipolitischen Neutralität nicht.
({27})
Der DGB wird diesen Schritt auch tun.
Eines hat sich in aller Deutlichkeit gezeigt. Bisher hat nur eine Fraktion dieses Hohen Hauses geschlossen für die Forderungen ides Deutschen 'Gewerkschaftsbundes gekämpft, 'und 'das ist die SPD.
({28})
Sie mögen darin nun wieder eine Verbindung zwischen SPD und DGB sehen, aber - ({29})
- Herr Kollege Sabel, die SPD wird immer auf der Seite derjenigen stehen,
({30})
die sich im Kampf befinden um Volk und Staat, um eine gerechte Sozialordnung!
({31})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, daß ich, meiner Gewohnheit gemäß, ohne Schlagworte zu gebrauchen, zu der Angelegenheit Stellung nehme und etwas mehr als manche meiner Vorredner auf die Sache eingehe.
({0})
Ich bin der Meinung, daß Schlagworte nicht nur dann Ladenhüter sind, Herr Kollege Ollenhauer, wenn der alte Seemann Walter, den nichts erschüttern kann, sie gebraucht,
({1}) sondern daß es nicht anders ist, wenn Sie uns hier eine ganze Ahnenreihe von Schlagworten vorführen.
({2})
Sie sind verstaubt - ich meine die Schlagworte ({3})
und sie sind leicht verschmutzt und sie sind nur dann von Bedeutung, wenn sie geeignet sind, in einen neuen Büchmann „Geflügelte Worte" überzugehen; und ich glaube nicht, daß vieles von dem, was Sie gesagt haben, dazu geeignet ist. Machen Sie dem Verlag oder dem seligen Büchmann ein Angebot! Sie werden ein schlechtes Geschäft machen.
({4})
Diese Aneinanderreihung von Schlagworten hat aber die Reihe der Enttäuschungen fortgesetzt, die ich in den letzten Wochen erlebt habe.
({5})
Ich sage ganz offen, daß meine größte Enttäuschung darin bestanden hat, daß ich als einer des sogenannten Achter-Ausschusses es erleben mußte, daß in einmal vier und einmal acht, zusammen zwölf Stunden über den Gegenstand des Betriebsverfassungsgesetzes auch nicht ein einziges Wort verloren wurde,
({6})
sondern daß ausschließlich über das Personalvertretungsgesetz und eine Koppelung gesprochen wurde, obwohl die verehrten Gesprächspartner ganz genau wußten, daß dieses Gesetz überhaupt noch nicht das Parlament, sondern nur den Bundesrat beschäftigt hat. Sie haben allen Anlaß, zu glauben, daß auch wir uns mit diesem Personalvertretungsgesetz noch sehr intensiv und nicht in jedem Punkte zustimmend beschäftigen werden.
({7})
Die Entwicklung in der zweiten Lesung war nicht befriedigend. Es ist auch vorher schon viel gesagt worden. Von uns ist sehr wenig gesagt worden, und es würde mich keine Mühe kosten, nun alles mögliche in dieser Beziehung nachzuholen. Ich glaube aber nicht, daß Sie dadurch bereichert würden.
Wie in solchen Dingen immer, ist dann irgendwann in unseren Beratungen der Moment gekommen, in dem man sagen mußte: Der Worte sind genug gewechselt!
({8})
Es ist dann aber die Frage gestellt worden: Ist es überhaupt richtig, daß man Taten sehen will? Ich gebe Ihnen zu, daß die Entwicklung, die die Materie des Betriebsverfassungsgesetzes in der Zeit
nach dem Zusammenbruch genommen hat, nicht geradezu danach schreit, daß im Juli 1952 ein neues Gesetz gemacht wird. Denn es haben sich bisher nicht alle Hoffnungen, die an die Ländergesetze geknüpft wurden, erfüllt. Es haben sich auch nicht alle Prophezeiungen über schlechte Auswirkungen dieser Gesetze, sagen wir des hessischen Gesetzes, erfüllt. Aber warum ist 'das so? Das ist so, meine Damen und Herren, weil diese Gesetze ja erst seit ganz kurzer Zeit in Kraft sind und weil sie sich überhaupt erst seit der Währungsreform auswirken konnten. Es hat sich, auch bei den Gegnern der Adenauer-Regierung herumgesprochen, daß wir, von ganz kleinen Einbrüchen abgesehen, seit der Währungsreform eine unentwegte Wirtschaftsbelebung gehabt haben. Es ist auch kein Geheimnis - selbst wer von diesen Dingen nur wenig versteht, wird das wissen -, daß in Zeiten einer aufsteigenden Wirtschaft die Gelegenheit für Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten über das Gebiet des Betriebsverfassungsgesetzes nicht gerade gegeben ist.
Aber ,ich meine, dieser Gesetzgeber, also wir, kann so bequem nicht argumentieren. Nach meiner Auffassung muß die Frage, ob es sich hier um eine von der Republik einheitlich zu regelnde Angelegenheit handelt, unbedingt bejaht werden. Daher müssen wir uns zum Erlaß eines Gesetzes entschließen.
Ich tue, glaube ich, auch niemandem unrecht, wenn ich sage, daß diese Frage, ob man ein neues Gesetz schaffen soll oder nicht, erst in dem Augenblick aufgekommen ist, in dem man sich vor außerordentlichen Schwierigkeiten bezüglich des Inhalts des Gesetzes sah, und ich finde, daß diese Zurückhaltung ein wenig auf den besseren Teil der Tapferkeit zurückgeht.
Ich bitte Sie, auch zu bedenken, meine Damen und Herren, daß wir eine Tradition haben. Wir haben schon vor mehr als 30 Jahren ein Reichsgesetz erlassen. Ich zweifle nicht, daß dieses Gesetz der inzwischen eingetretenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung nicht mehr in allen Punkten entspricht. Das ist nicht verwunderlich. Wer sich, wie wir Älteren, einen Überblick über diese 30 Jahre verschaffen kann, weiß, welches Geschehen, welches zum Teil fürchterliche Geschehen diese 30 Jahre umschließen; der weiß auch, daß die Reaktion auf dieses Geschehen und die Folgen dieses Geschehens auch in einem Betriebsverfassungsgesetz beachtet werden müssen.
Ganz nebenbei: eine ganz andere Frage ist es, ob Deutschland richtig gehandelt hat, daß es als erstes Land der Welt ein Betriebsrätegesetz erlassen hat.
({9})
Ich bin dieser Meinung, wenn ich auch glaube, daß bei den Motiven ein wenig unser manchmal schädlicher Hang mitgespielt hat, möglichst alles in Gesetze zu fassen. Die sozialpolitische Organisation. also die Betriebsverfassung, ist schwer in Paragraphen zu fassen, und man sollte sich davor hüten, sie in spanische Stiefel einzuschnüren. Vor allen Dingen sollte man sich davor hüten, bei jeder Gelegenheit irgendwelche unwiderlegbaren Dogmen durchscheinen oder -schimmern zu lassen. Das ist aber geschehen. Wir haben das Gesetz von 1920 gemacht, und wir müssen es fortsetzen und erweitern; das habe ich schon gesagt. Aber wir sollten uns doch davor hüten, nun allzu minutiös zu sein. Was wurden nicht alles für Eventualitäten im Einzelfall in den Ausschüssen erörtert und was
({10})
hat nicht alles dann seinen Niederschlag gefunden in Gesetzesbestimmungen! Ich habe mich dabei öfter gefragt - übrigens nicht ich allein -, ob man des Guten nicht zuviel getan hat. Sie werden vielleicht sagen: Des Guten kann man nie zuviel tun. Ich glaube aber, es hätte Fälle gegeben und gibt sie auch heute noch, in denen es besser wäre, die Regelung mancher Einzelfragen den Sozialpartnern in eigener Zuständigkeit zu überlassen. Diese Sozialpartner bestehen ja doch nach unser aller Meinung überwiegend aus verständigen Leuten. Warum sollte man denen nicht langsam etwas mehr zutrauen, warum sollte man in einem Maße, wie wir es im Begriff sind zu tun, Vorsehung spielen? Ich halte es für ein gesundes Ziel der Zukunft, Sorge zu tragen, daß ein solches Gesetz in gewissen Teilen überflüssig wird, weil seine Bestimmungen selbstverständlich sind.
Wir haben in den Aktionen der letzten Wochen manche Behauptungen gehört, die das Gegenteil aussagen. Sie sind für mich nicht beweiskräftig; sie sind für meine Begriffe vielmehr ein Zeichen übersteigerter Regie, ohne die Aktionen auf dem Erdball anscheinend nicht gestartet werden können. Am Ende - ja, am Ende steht dann sehr leicht die Totalität; und was wir damit für Erfahrungen gemacht haben, das sollte auf keiner Seite dieses Hauses vergessen werden.
({11})
Ich habe mit einigen Bemerkungen, vielleicht zwischen den Zeilen, schon angedeutet, daß ich glaube, eine spätere Zeit - vielleicht dauert es gar nicht lange - wird bezeugen, daß es -einer Demokratie vom Schlage der Deutschen Bundesrepublik schlecht ansteht, daß es ein schlechter Stil ist, die nun aus dem Gedanken, den ich genannt habe, also aus dem Gedanken der Fortentwicklung des Betriebsrätegesetzes entstandenen Verhandlungen und Beratungen in Parlament und Ausschüssen von außen zu beeinflussen oder zu stören.
({12})
Ich betrachte es als ein erfreuliches Anerkenntnis dieser Auffassung und auch als Eingeständnis eines bis dahin leider schlechten Stils - aber das will ich gern vergessen! -, daß eine große und sehr beachtliche Körperschaft diese Aktionen eingestellt hat und mindestens zugesehen hat, wie die parlamentarischen Erörterungen sich in voller Freiheit abwickelten. Ich hoffe nicht, aus der Rede des Kollegen Ollenhauer annehmen zu müssen, daß diese Einsicht im Begriff ist, wieder verlassen zu werden.
Erlauben Sie mir, daß ich über den parlamentarischen Stil - nachdem ich schon über den Stil spreche - nichts sage. Gutes könnte ich nicht sagen, und daher schweigt des Sängers Höflichkeit.
Meine Damen und Herren, nur übergroße Toren können annehmen, daß ein Gesetz wie das, was wir verabschieden wollen, ohne Kompromisse zustande kommen kann.
({13})
Keiner kann mit dem Kopf durch die Wand.
({14})
Ich freue mich, feststellen zu können, daß nicht wenige solcher Kompromißlösungen auch, gefunden sind.
({15})
Es wären mehr möglich gewesen - zum Nutzen der deutschen Wirtschaft und darüber hinaus -, wenn nicht grundsätzliche Einstellungen das gehindert hätten. Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich glaube, daß diese Kompromisse durch einen grundsätzlichen „Herr-im-HauseStandpunkt" - mit dessen schlagwortartiger Darstellung uns die linkeste Seite dieses Hauses in den letzten Tagen allmählich schon gelangweilt hat -, wenn ich sage, daß diese Kompromisse durch einen starren Herr-im-Hause-Standpunkt verhindert worden sind; und es ist mir sehr unangenehm - aber man muß auch unangenehme Dinge sagen -, hinzufügen zu müssen, daß ich glaube, weitere Kompromisse sind verhindert worden durch eine Übersteigerung der Begriffe über die Aufgaben der Gewerkschaften. Ich habe oft in Ausschüssen und gelegentlich der Beratung des Kohle- und Eisengesetzes - kurz gesagt - auch hier ausgeführt, daß ich die Hauptaufgabe der Gewerkschaften nicht in der eines Vormunds sehe, eines Vormunds, dessen Begriff nicht das geringste Diskriminierende an sich hat, sondern aus dem Vierten Teil des Bürgerlichen Gesetzbuches stammt. Ich bin der Meinung, daß sich in der überwiegenden Mehrzahl der deutschen Betriebe inzwischen Männer und Frauen befinden, die es verstehen - und auch den richtigen Ton finden -, ihre eigenen Interessen und die ihrer Arbeitskameraden wahrzunehmen und durchzusetzen, und dabei die Interessen der Nährmutter, also des Betriebes selbst, nicht vergessen oder gar verletzen.
Wenn Sie, meine Herren von der SPD, das auch sehr oft bejaht haben, so haben Sie doch hinzugefügt, so weit sei es noch nicht überall, und daher müsse man überall mit den Gewerkschaften eingeschaltet bleiben. Das finde ich unlogisch. Wenn Sie gesagt haben: Wir wollen ja gar nicht Vormund spielen, und später ist das vielleicht auch nicht mehr nötig, so haben Sie in mir einen wirklich sehr gutgläubigen - das kann man ja natürlich nur von sich selbst aus beurteilen; erlauben Sie diese Überheblichkeit -, dann haben Sie einem sich für sehr gutgläubig haltenden Manne leider in den letzten Wochen diesen guten Glauben genommen, den Glauben nämlich, daß Sie später, wenn alle Betriebe, alle minderjährigen Kinder volljährig geworden sind, von Ihrer Vormundtätigkeit zurücktreten. Das wäre vielleicht auch mit den menschlichen Eigenschaften schwer in Einklang zu bringen; das gebe ich zu. Versicherungen, daß es anders kommt, nützen demgegenüber nicht viel.
Bleiben denn nicht, wenn Sie diese Vormundstelle - ich behalte diesen Ausdruck, nachdem ich ihn besonders erläutert habe, bei - nun nicht mehr einzunehmen brauchen, hinreichend Aufgaben für Ihre, für die gewerkschaftliche Organisation, die groß und nützlich ist? Bleibt nicht das große, den Gewerkschaften geradezu auf den Leib geschriebene Gebiet der Tarifverträge? Bleibt nicht die Unterrichtung und die Weiterbildung der ihnen anvertrauten Millionen oder derer, die sich ihnen anvertraut haben, auf den verschiedensten Gebieten? Meinetwegen brauchen Sie dafür das etwas in schlechten Geruch gekommene Wort Schulung. Bleibt nicht die große Aufgabe der Fürsorge? Bleiben nicht auch die kulturellen Aufgaben, denen sie sich zur allgemeinen Freude nicht nur ihrer Mitglieder in zunehmendem Maße widmen? Ich kann hier nicht alles aufzählen, aber nach meiner Überzeugung bleibt sehr vieles und ganz bestimmt genug.
({16})
Wenn Sie aber auf dem Wege fortfahren, den Sie - ich will jetzt nicht von Kleinigkeiten aus den ersten 50 Paragraphen des Betriebsverfassungsgesetzes sprechen; das würde der Bedeutung der dritten Lesung auch nicht entsprechen - z. B. hinsichtlich des verlangten Vorschlagsrechts der Gewerkschaften für die Vertretung der Arbeitnehmer im Betrieb beschritten haben, dann bekommt man einen unangenehmen Geschmack auf der Zunge, nicht weil man sich als Arbeitgeber - als solcher spreche ich nicht - nicht sicher fühlt, sondern weil man findet, Sie haben den Wunsch oder sogar das Ziel, den einzelnen Betrieb durch die Funktionäre der Gewerkschaften beeinflussen zu lassen; etwas deutlicher gesagt: den eigentlichen Ablauf des wirtschaftlichen Geschehens in einem solchen Betrieb, der doch wohl zum Nutzen der Wirtschaft sein Eigenleben hat und haben muß, durch die Funktionäre der Gewerkschaften beeinflussen zu lassen. Darum bemühen Sie sich, dieses Geschehen von Ihrer Zustimmung abhängig zu machen. Es sollte genügen - wenn ich von der Industrie sprechen darf -, den wirtschaftlichen Ablauf des Geschehens technisch, kaufmännisch hervorragenden Leuten anzuvertrauen. Heute spricht j e d e Vermutung dafür - heute! vielleicht vor 30 Jahren noch nicht -, daß diese Helfer der Betriebsführer diese Aufgaben zum Nutzen des einzelnen Arbeitnehmers wahrnehmen.
Nun gibt es aber schon heute darüber hinaus eine Fülle von Bestimmungen, die, wenn die Einsicht durch Bestimmungen schon erzwungen oder unterstrichen werden soll, sicherstellen, daß der Arbeiter in allen seinen Bedürfnissen gefördert wird: Er soll unterrichtet werden, er soll informiert werden, er soll gegen Unsinn, gegen Unverstand, gegen Schikane und - wenn Sie diese Reihe fortsetzen wollen - selbstverständlich auch gegen noch Schlechteres als das geschützt werden. Ich finde - wenn ich das in Parenthese bemerken darf -, daß jeder Arbeitgeber zu loben ist, der in dieser Beziehung nicht auf der Ochsentour daherreitet oder auf der ausgetretenen Straße geht, sondern der sich individuell und von mir aus auch von ganzem Herzen temperamentvoll bemüht, etwas auf die Eigenart seines Betriebes Zugeschnittenes zu leisten zum Wohle seiner Arbeiter.
Also, meine sehr verehrten Herren von den Gewerkschaften, ich halte keine Predigt, aber ich bin der Meinung, wir sollten doch das Bewußtsein der uns allen eigenen Unvollkommenheiten und Unzulänglichkeiten und - um mit Herrn Ollenhauer zu sprechen - der Fragwürdigkeit der menschlichen Gesellschaft nicht außer acht lassen. Wir sollen doch nicht glauben, daß eine noch so betriebsnahe Gewerkschaft das kann, was ein sozial und wirtschaftlich eingestellter Arbeitgeber in guter Verbundenheit mit seiner ebenso eingestellten Belegschaft - repräsentiert durch seinen Betriebsrat - erzielen und nach meiner Ansicht allein besser machen kann; und man soll im Leben nie Dinge machen, die andere besser machen können. Gewisse Schwierigkeiten gibt es j a für die Betriebsnähe einer Gewerkschaft. Auch ich würde mich als Funktionär sehr hart tun, in einem größeren Kreise diese Betriebsnähe wirklich zu erzielen. Das ist tatsächlich und sachlich schwierig.
Das ist keine Überheblichkeit auf der - von Ihnen aus gesehen! - anderen Seite; denn es ist ja nicht die andere Seite. Ich habe Ihnen j a ausdrücklich gesagt: m i t dem Betriebsrat. Und es ist auch kein Syndikalismus, vor dem manche Leute
Angst haben, sondern es ist die natürliche Lösung unserer Frage, mit der man nach meiner Ansicht niemandem zu nahe tritt.
Was geschieht nun aber über alles das, was, wie ich Ihnen dargelegt habe, schon heute im deutschen Wirtschaftsleben üblich ist, hinaus durch dieses Gesetz zusätzlich? Wenn auch das Wort „sozial" hier zu Tode geritten worden ist, so bin ich doch insofern in einer guten Lage, als ich von dem Kapitel des Gesetzes über die sozialen Angelegenheiten gar nicht zu sprechen brauche; denn über diese sozialen Dinge besteht ja Einigkeit. Man sollte das gelegentlich einmal erwähnen. Sie haben es in zweiter Lesung nicht erwähnt, und wir haben nicht gesprochen. Deswegen hole ich es in dieser Lesung nach: über den Abschnitt Soziale Angelegenheiten besteht Einigkeit zwischen der Regierungskoalition und der Opposition, und das ist schon etwas,
({17})
wenn man sachlich an die Dinge herangeht.
Darüber hinaus, d. h. in personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten, handelt es sich nun entscheidend - und hier greife ich einen Ausdruck auf, den wir in ganz anderem Zusammenhang hier gebraucht haben - um eine Mißbrauchsgesetzgebung; und das halte ich für richtig.
({18})
Wenn der schlechte oder der unfähige Arbeitgeber, den es auf dieser Welt immer geben wird, der aber bei uns zu der verschwindenden Minderheit gehört, in -Ausübung seiner Funktionen - um nun ein Beispiel aus dem personellen Mitbestimmungsrecht hier vorzubringen - Vetterleswirtschaft - ein bayerischer Ausdruck - treibt und diese Vettern für die Stellen, für die sie vorgesehen sind, offenbar ungeeignet sind, dann ist ein Fall des § 63 da, und dann soll dem allerdings entgegengetreten werden, und zwar durch das Gericht. Mehr können Sie nicht verlangen. Dieses Gericht soll end- gültig entscheiden, wer recht hat; also Mißbrauchs-gesetzgebung. Aber so weit zu gehen, wie es Ihr Änderungsantrag tut, nun jede Einstellung eines Arbeitnehmers in der Schwebe zu halten oder so lange unmöglich zu machen, bis sich herausgestellt hat, ob ein solcher ausgefallener - das war nur ein Beispiel mit der Vetternwirtschaft; es sind eine Menge anderer Beispiele da - und daher abzulehnender Gesichtspunkt vorliegt, das scheint uns erstens einmal ungemein unpraktisch zu sein und nach dem Grundsatz zu handeln: Warum einfach, wenn es kompliziert auch geht?
Es gibt aber außerdem eine Unsicherheit für den Arbeitnehmer, und ich möchte ihn davor bewahren; er verdient sie nicht. Denn wenn ich sage, daß die Arbeitgeber in der überwiegenden Mehrzahl verständig und einsichtig sind, dann gilt das in gleichem Maße von den Arbeitnehmern, wenigstens nach meiner Ansicht. Es war infolgedessen kein Trick und kein Schachzug, wenn von unseren Freunden, gerade von meinen Freunden, die Ansicht vertreten worden ist, daß auf dem Wege, den wir nun beschritten haben und zur Annahme empfehlen, dem sehr gesunden und förderungswürdigen Wunsch des Arbeitnehmers, mehr Geld zu verdienen, größere Aufgaben zu erfüllen, weiterzukommen - und das kann man sehr oft nur erreichen durch einen Arbeitsplatzwechsel -,
({19})
aus ganz klaren Gründen nachgekommen werden soll.
({20})
Wir haben für die Möglichkeit des Einspruchs eine Aufzählung der Tatbestände hergebracht, und bedanken sollte sich in erster Linie bei uns der Arbeitsrichter, der schließlich diese Dinge erledigen muß. Denn wie soll dieser arme Mann nach dem Gesichtspunkt oder der Tatbestandsbestimmung entscheiden, die Sie vorschlagen und die wörtlich aus dem hessischen Gesetz stammt, daß nämlich ein Einspruch möglich ist, wenn die Einstellung dem wohlverstandenen Interesse des Betriebes und der Arbeitnehmerschaft zuwiderläuft? Ich war auch einmal Jurist; ich stelle es mir sehr schwierig vor, das zu beurteilen.
Das ist also der Grund, meine Damen und Herren, diese Förderung des Aufstiegsstrebens unserer Arbeitnehmer, aus dem heraus wir - wenn ich mich so ausdrücken darf - umgekehrt vorgegangen sind,
({21})
als Sie es uns vorgeschlagen haben.
Ich kann bei der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit auf das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht, hinsichtlich dessen wir, Herr Imig, wie ich glaube, gar nicht so weit auseinander sind, nicht eingehen; denn dann kriegen Sie ja. was ich sehr gut verstehe, in gewissem Sinne kalte Füße. Auch hinsichtlich dieser Frage glauben wir, daß Mißbräuche, die den schutzbedürftigen, schwachen Arheitnehmer - und das ist der ausschlaggebende Punkt - in Gefahr bringen können, auf dem Wege, wie das Gesetz vorsieht, verhindert werden.
Ich komme zum Schluß. Es ist selbstverständlich, daß jeder, der, wie z. B. ich, nun fast auf den Tag genau zwei Jahre lang sich mit diesen Problemen beschäftigt, und zwar intensiv beschäftigt, sich zwei Gefahren aussetzt. Die eine haben wir überwunden; das ist nämlich die, daß man mißmutig wird. Anwandlungen in dieser Beziehung haben wir, glaube ich, alle gehabt. Die andere ist die, daß man einseitig wird. Ich nehme mir aber die Freiheit, darauf hinzuweisen, daß viele derienigen, die diese Dinge in den Ausschüssen beraten haben, vor den anderen Abgeordneten des Parlaments das Prae oder den Vorzug haben, wenn Sie so sagen wollen, einen großen Teil der Fragen, die in Rede stehen, im täglichen Leben eines großen Betriebes viele Jahre lang kennengelernt und exerziert zu haben, und nicht von Anfang an nur von oben herab, wie das so gern behauptet wird.
Bei dieser Sachlage und bei der Wichtigkeit der Angelegenheit und im Vollgefühl der Verantwortung. die auf jedem einzelnen liegt. kann ich - und ich bitte, mir zu gestatten, in diesem Fall von mir persönlich zu sprechen - nicht mehr tun, als auch unter Beachtung der weltanschaulichen Bedeutung, die diese Dinge haben und die vielleicht in einer gewissen Überspitzung hier vorgetragen wird. sagen. daß ich glaube, daß wir diesem Hause in den Mehrheitsbeschlüssen der beiden großen Ausschüsse ein fortschrittliches Gesetz vorgelegt haben. das bei einem Vergleich mit dem Gesetz von 107.0 dieses weit hinter sich läßt. Denken Sie bitte als Beweis für diese meine Behauptung nur an ein einziges Kapitel, nämlich an die Teilnahme der Arbeitnehmer am Aufsichtsrat.
({22})
ich finde es eine schlechte Journalistik, wenn der
Bonner ,.Neue Vorwärts" heute schreibt: „Man
hatte einfach nicht den Mut, offen zu bekennen,
daß man die Rechte der Arbeiterschaft schmälern
will." Meine Damen und Herren, Sie sollten Ihre
Presse etwas mehr im Sinne der Befriedung und der Fortentwicklung des Betriebsrätegesetzes beeinflussen!
({23})
Damit würden Sie der Wahrheit sehr viel näherkommen!
({24})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wohl bei keinem Gesetz hat bei der Abstimmung jeder einzelne Abgeordnete so die Möglichkeit gehabt, seine persönliche Meinung durch die namentliche Abstimmung kundzutun, wie es bei dieser Gesetzesvorlage der Fall war, so daß ich mich auf einige grundsätzliche Äußerungen für die Mehrheit der Fraktion der Föderalistischen Union - Bayernpartei/Zentrum - beschränken kann.
Gestatten Sie, daß ich den Eindruck hier ganz deutlich ausspreche, daß die Politisierung und die propagandistische Überdimensionierung des Kampfes um das Mitbestimmungsrecht - und die heutigen Stunden haben das teilweise auch wieder gezeigt - oft den klaren Blick und die freie, gesunde Entscheidung genommen, zumindest getrübt haben für das, was politisch realisierbar und sachlich zweckmäßig ist. Ich denke nur - und das ist für uns eine Kardinalfrage - an die Bestimmung des S 8, nach der Betriebsräte in den mittelständischen Betrieben bereits von 5 Arbeitnehmern an gefordert werden.
Das Gesetz und die Handhabung des Gesetzes werden in der Zukunft beweisen müssen, ob der aus den modernen und den Nachkriegsverhältnissen erwachsene richtige und notwendige Gedanke des Mitbestimmungsrechts, auf dessen Verwirklichung sich die Arbeiter und Angestellten gerade durch ihren opferbereiten Einsatz beim Wiederaufbau unseres Vaterlandes einen Anspruch erwirkt haben, wegen propogandistischer und parteipolitischer Überforderungen in der Vergangenheit und wahrscheinlich auch in der Zukunft nicht so platt gewälzt wird, daß er seine Tragfähigkeit verliert und die Belastungsprobe der Praxis und des politischen Kapitalschlagens nicht aushält. Es ist sehr die Frage, ob dieser vorliegende Versuch mangels ausreichender praktischer Erfahrung - wobei das Problem noch völlig unausgereift ist und die Besorgnisse der Überbürokratisierung sehr gerechtfertigt sind - nicht eher ein Schritt hach rückwärts als ein Schritt nach vorwärts ist.
Wenn ich von Überbürokratisierung spreche, so erinnere ich mich einer Betriebszeitschrift eines sehr großen Betriebs, der mehrschichtig arbeitet, in der ausgeführt ist, daß für die Wahrnehmung aller Tagungen, Besprechungen - angefangen von den Betriebsversammlungen, von monatlichen Besprechungen zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat, von den Tagungen des Wirtschaftsausschusses bis zu den Aufsichtsräten - in diesem Betrieb auf Grund seiner Vielgestaltigkeit im Jahr 100 Tage bei 300 Arbeitsagen, in Anspruch genommen werden, so daß also in etwa 100 Tagen jeweils etwas los ist. Es ist sehr bezeichnend, was dann noch als Schlußfolgerung in dieser Betriebszeitung angeführt worden ist. Hier steht:
({0})
Dies alles sieht verdächtig nach fetter Weide für den von der Bürokratie aufgezäumten Amtsschimmel aus.
Den rein politischen Verfechtern des Mitbestimmungsrechts möchte ich sagen, daß politische und soziale Vorteile der Arbeiterschaft beim betrieblichen Mitbestimmungsrecht, die das Gesetz bringt, durch die Verschärfung politischer und sozialer Reibungsflächen aufgehoben oder vermindert werden können. Insoweit der Versuch gemacht wird, durch das Mitbestimmungsrecht ein Instrument zu "schaffen, um Betriebsentscheidungen zu beeinflussen, und wenn womöglich hierdurch den außerbetrieblichen Faktoren gar die Möglichkeit eröffnet werden soll, eventuell sogar die Produktion im ganzen zu steuern, müßte die Politisierung der Betriebe und damit eine vorwärtsschreitende Umwandlung unserer Wirtschaftsordnung im Sinne eines kollektivistischen Wirtschaftssystems besorgt werden.
Im ganzen möchte ich diesem Gesetz die Hoffnung und den Wunsch mitgeben, daß nicht durch politischen Druck und politische Vorteilssucht neuer Klassenkampf in neuen Formen entsteht, sondern bei kluger und zurückhaltender Fortentwicklung für unsere Arbeitnehmer ein Weg zu wirklichem Arbeitsfrieden durch dieses Gesetz gefunden wird.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Determann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für einen Teil der FU habe ich den Standpunkt darzulegen. Ich kann das sehr kurz machen. Ich glaube sowieso, daß Worte genug ge- wechselt sind, und ich bin nicht der Meinung, daß der eine den andern noch überzeugen kann. Ich bin auch der Meinung, daß sich keiner - das betrifft sowohl die Jasager wie die Neinsager - bei der Verabschiedung dieses Gesetzes wohlfühlt. Vor allen Dingen bin ich der Meinung, daß sich die deutsche Arbeiterschaft über dieses Gesetz nicht freuen wird. Ich bin nicht der Ansicht, daß durch dieses Gesetz der soziale Friede wiederhergestellt werden soll oder- hergestellt werden kann, sondern ich bin der Meinung, daß die Arbeiterschaft mit diesem Gesetz nicht zufrieden ist, weil man eben den Standpunkt der Arbeiterschaft, der durch die Gewerkschaften vertreten wurde, nicht genug berücksichtigt hat. Meine Damen und Herren, ich muß ganz offen sagen, daß ich erstaunt bin, daß man hier immer wieder, wenn die Gewerkschaften an dieses Haus herantreten, sofort einen Widerstand findet. Es ist tragisch, daß das so ist. Ich finde gar nicht, daß man, wenn sich andere Organisationen an dieses Haus wenden, dann auch diesen Widerstand bemerkt.
({0})
Ich bin deshalb nicht der Meinung, daß durch dieses Gesetz eine Befriedung der Arbeiterschaft herbeigeführt werden kann. Es wird interessant sein, abzuwarten, wie die Herren der Regierungskoalition es fertigbringen werden, in Zukunft den Arbeitern klarzumachen, wie und wann sie das kriegen sollen, was sie ihnen versprochen haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich einige Bemerkungen zu der Kritik am materiellen Inhalt
des Gesetzes mache. Herr Kollege 011enhauer und Herr Kollege Imig haben hier ein Bild dieses Gesetzes gezeichnet, das nicht richtig ist. Ich möchte sagen: das Bild, das hier von ihnen aufgezeigt worden ist, ist wirklich ein Zerrbild. Ich nehme es dem Kollegen Ollenhauer nicht übel. Er weiß ja letztlich nicht in allen Dingen Bescheid, die sämtliche Verhandlungen der letzten zwei Jahre betreffen; das kann er wegen seiner andern Tätigkeit nicht. Aber es scheint mir doch notwendig zu sein, einmal den Versuch zu machen, das richtigzustellen, was hier in der Kritik hervorgetreten ist. Es wird ganz generell behauptet, das Betriebsverfassungsgesetz sei schlechter als das Gesetz von 1920, und es sei schlechter als die Ländergesetze. Wie ist es in Wirklichkeit? Ich glaube, mit dem ersten Vorwurf brauche ich mich nicht länger zu beschäftigen; denn jeder, der im Arbeitsrecht einigermaßen Bescheid weiß, weiß, daß dieser Vorwurf völlig unbegründet ist und daß das, was wir heute verabschieden wollen, tatsächlich weit über das hinausgeht, was 1920 geschaffen worden ist.
Aber lassen Sie mich zu dem andern Vorwurf etwas sagen, das Gesetz sei schlechter als die Länderregelungen. Wie sieht es da in Wirklichkeit aus? Wir haben acht Ländergesetze in der Bundesrepublik; aber diese Gesetze sind doch zum Teil nur Fragmente eines Gesetzes und keine umfassenden Regelungen dieser Materie. Das ist verständlich. Wir müssen uns der Zeit erinnern, in der diese Gesetze geschaffen worden sind. Also sie stellen bestimmt nichts Vollkommenes dar, und wir haben auf der andern Seite drei Länder, die noch keine gesetzliche Regelung haben. Nun sagt man, hier seien auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 Betriebsvereinbarungen geschaffen worden, die über das hinausgehen, was im Betriebsverfassungsgesetz festgelegt werden soll. Darf ich daran erinnern, daß wir diese Betriebsvereinbarungen doch nur für einen Teil der Betriebe haben. Darf ich daran erinnern, daß in diesen Ländern weithin noch ein Vakuum vorhanden ist, das ausgefüllt werden muß und das in Wirklichkeit gerade die Klein- und Mittelbetriebe betrifft. Das sollten wir doch sehen, wenn wir zu einem objektiven Urteil kommen wollen.
Der materielle Inhalt der Ländergesetze und ihr Aufbau sind sehr differenziert. Wir hatten eine Koordinierungsaufgabe, wir sollten ein einheitliches Gesetz schaffen. Es war nicht möglich, alles, was in den Ländergesetzen steht, in dieses einheitliche Bundesgesetz zu übernehmen, schon allein deshalb, weil der Aufbau nach einem ganz differenzierten Schema vorgenommen wurde.
({0})
Wir haben versucht, diese uns gestellte Koordinierungsaufgabe so gut zu lösen, wie es möglich war. Sie sind zweifellos in der Lage, aus jedem Ländergesetz etwas herauszupicken, was in diesem Bundesgesetz nicht enthalten ist; das gebe ich ohne weiteres zu. Aber wenn wir zu einer Wertung kommen wollen, dann müssen wir uns bemühen, einmal den ganzen materiellen Inhalt der Ländergesetze dem materiellen Inhalt des Bundesgesetzes, über das wir diskutieren, gegenüberzustellen. Dann wird jeder objektive Beurteiler sagen müssen, daß der generelle Vorwurf, wie er hier erhoben wird, unberechtigt ist, der Vorwurf, daß wir etwas generell Schlechteres gemacht hätten als die Ländergesetze.
({1})
({2})
Eine andere Frage! Wer die Diskussion dieser i Tage erlebt hat, der mußte zu der Auffassung kommen, als seien die Gegensätze zwischen den beiden Fronten riesengroß. Meine Damen und Herren, ich hatte bei den Verhandlungen nicht diesen Eindruck. Herr Kollege Ollenhauer sagt: „Was wir an Gegenvorschlägen vorgelegt haben, entspricht den Wünschen der Gewerkschaften." Ich hatte mir nach dem ersten Tag der zweiten Lesung die Mühe gemacht, einmal Ihre Änderungsvorschläge zu vergleichen mit den Ergebnissen unserer Beratungen, die wir mit führenden Leuten des Deutschen Gewerkschaftsbundes gehabt haben. Eine Reihe von Freunden aus diesem Hause hatte an diesen Beratungen vor wenigen Wochen teilgenommen. Da mußte ich feststellen, daß für etwa 25 Paragraphen in der ersten Hälfte des Gesetzes von der SPD Änderungsanträge gestellt worden waren, während uns die Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes gesagt haben, daß sie keine Bedenken hätten.
({3})
Das ist doch immerhin eine Feststellung, die meines Erachtens zeigt, daß man die Gegensätze schärfer profiliert, als dies notwendig wäre. Sie werden mir sagen: Wir sind durch die Zusagen oder die Besprechungen, die ihr mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund gehabt habt, nicht gebunden. Das ist richtig; die SPD-Fraktion ist souverän und kann darüber entscheiden. Ich wollte nur damit deutlich machen, daß manchmal wirklich die Gegensätze hier schärfer aufgezeigt werden, als sie in Wirklichkeit sind.
Wir haben uns weithin bemüht, Ihnen entgegenzukommen. Bitte, Sie mögen aus den Verhandlungen der letzten Tage zu einer anderen Schlußfolgerung gekommen sein; aber wir verhandeln ja über dieses Gesetz seit zwei Jahren, und in diesen zwei Jahren haben wir in wesentlichen Punkten Entgegenkommen bewiesen.
({4})
Sie müssen uns aber gestatten, daß wir dort hart bleiben, wo wir Ihnen aus grundsätzlichen Erwägungen nicht zustimmen können. Ich will Ihnen einen Kardinalpunkt herausstellen: Wir sind nun einmal der Meinung, daß das Mitbestimmungsrecht auf der betrieblichen Ebene von den Kräften des Betriebs getragen werden muß;
({5})
da stehen wir in einem Gegensatz zu Ihnen. Wir sind der Meinung, daß, soweit es sich um das Mitbestimmungsrecht auf der betrieblichen Ebene handelt, die Organisationen der Arbeiter und der Unternehmer lediglich eine Beratungsfunktion haben, weil wir meinen, daß diese Dinge von den am Betrieb Beteiligten getragen werden müssen.
Lassen Sie mich einiges sagen, um Ihnen deutlich zu machen, daß der Vorwurf: „Schlechter als die Ländergesetze" nicht berechtigt ist. Eine Bemerkung zunächst, die als Antwort auf eine Äußerung des Kollegen Richter in der zweiten Lesung zu werten ist. Ich habe in der zweiten Lesung darauf hingewiesen, daß die Ländergesetze allgemein das Alter für das aktive Wahlrecht auf 18 Jahre festgelegt haben. Herr Kollege Richter hat dem widersprochen. Er sagte, das stimme nicht. Ich habe es noch einmal überprüft. In sieben Gesetzen ist das Wahlalter. auf 18 Jahre festgelegt. Lediglich in der Wahlordnung von Württemberg-Baden, die noch vom Länderrat festgelegt worden ist, ich möchte einmal sagen: nicht den anderen Gesetzen gleichwertig ist, ist man zu einer anderen Regelung gekommen.
Ich darf darauf hinweisen, daß zum umstrittenen Problem der Verhältniswahl Vorbilder im Betriebsrätegesetz von 1920 gegeben sind und daß man mit dem neuen Gesetz in Bayern gute Erfahrungen gemacht hat, und zwar gute Erfahrungen deshalb, weil jetzt auch die Möglichkeit gegeben ist, daß auch Minderheiten bei der Wahl zum Betriebsrat zum Zuge kommen können.
Ich darf nachholen, daß wir beispielsweise in bezug auf das Alter für das passive Wahlrecht den Wünschen wesentlich entgegen gekommen sind und daß wir im Gegensatz zum Betriebsrätegesetz von 1920, im Gegensatz zum Hessischen Betriebsrätegesetz und zum Gesetz in Württemberg-Hohenzollern nun das Alter für das passive Wahlrecht auf 21 statt auf 24 Jahre festgelegt haben.
Ich möchte nicht im einzelnen auf das Problem Personalvertretungsgesetz eingehen. Wir werden nach den Parlamentsferien die erste Lesung des Personalvertretungsgesetzes haben und uns dann auch über die Frage hier unterhalten müssen, was denn eigentlich auf der Länderebene auf diesem Gebiet vorliegt. Dabei werden Sie dann feststellen, daß auch die Regelungen auf der Länderebene, die diese Materie betreffen, reichlich unvollkommen sind.
Zum personellen Mitbestimmungsrecht darf ich sagen, daß ja die Tatsache, daß wir im vorigen Jahr ein Kündigungsschutzgesetz geschaffen haben, das in keinem Industriestaat seinesgleichen findet, uns die Möglichkeit gab, nun auf die Regelung dieses Problems im Betriebsverfassungsgesetz zu verzichten. Es bestand keine Veranlassung, diese Materie an zwei Stellen zu regeln. Ich bin auch der Meinung, daß die Formel, die die SPD vorgetragen hat, nicht tragbar ist, die besagt, daß ein Verstoß gegen die wohlverstandenen Interessen der Betriebe und Belegschaften nun hier die Handhabe geben müßte, um auch über das individuelle Recht, gegen die Kündigung Einspruch zu erheben, hinaus noch Rechte der Belegschaft zu statuieren. Ich bin der Meinung, daß das falsch ist, denn all die Tatbestände, die nun zur Begründung angeführt werden, werden ja dadurch getroffen, daß solche Kündigungen immer wieder sozialwidrig sein werden, also durch das Kündigungsschutzgesetz angegriffen werden können und die Möglichkeit zu einem Einspruch geben.
Ich darf noch sagen, daß das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht, wie es in diesem Gesetz enthalten ist, auch wirklich ohne Vorbild in irgendeinem anderen Lande ist. Es ist falsch, wenn man uns hier vorwirft, wir wären gegenüber den Vorlagen zurückgewichen. Ich bitte Sie ernstlich, prüfen Sie die Vorlage der SPD, dann werden Sie sehen, daß wir uns doch immerhin ,bemüht haben, hier Regelungen zu finden, die einen echten Fortschritt bedeuten.
Von meinem Kollegen Dr. Wellhausen ist darauf hingewiesen worden, daß bezüglich des Mitbestimmungsrecht in sozialen Fragen keine Meinungsverschiedenheiten bestanden haben. Niemand wird bestreiten können, daß wir noch in der letzten Zeit gerade in dieser Beziehung einige wesentliche Verbesserungen angebracht und inzwischen auch in zweiter Lesung angenommen haben.
Und nun noch das Problem der Beteiligung der Arbeiter an den Aufsichtsräten. Ja, meine Damen und Herren, wie ist da die Situation in den Länder({6})
gesetzen? Zum Teil haben wir lediglich die Zuziehung von beratenden Mitgliedern. Ich komme aus Hessen. Dort haben wir die Möglichkeit, zwei Arbeitnehmervertreter als beratende Mitglieder in den Aufsichtsrat zu schicken; also ein Entscheidungsrecht haben sie nicht. Nun wollen wir den Aufsichtsrat zu einem Drittel mit Arbeitnehmern besetzen, die diesem Aufsichtsorgan als vollberechtigte Mitglieder angehören. Die Regelungen in anderen Ländern liegen ähnlich. Sie sind untereinander verschieden. Generell kann man sagen: entweder war keine Regelung dieser Frage vorhanden oder sie war wesentlich geringwertiger. Das sollte man nicht übersehen.
Ich möchte auch kurz zu der Frage Stellung nehmen, die von dem Herrn Kollegen Ollenhauer heute angeschnitten worden ist: Haben die Gewerkschaften oder Organisationen im allgemeinen das Recht zu solchen Aktionen, wie wir sie in-den letzten Wochen erlebt haben? Ich möchte dazu folgendes sagen. Zweifellos muß das Parlament ein offenes Ohr für die Wünsche der einzelnen Gruppen haben. Wir haben uns doch weithin bemüht, die Wünsche der verschiedensten Gruppen, der Arbeitnehmer und der Unternehmer in allen ihren Einzelorganisationen kennenzulernen und auf ihren wirklichen Gehalt und ihre Durchsetzbarkeit zu überprüfen. Das muß festgestellt werden. Auch ich bin mir darüber im klaren, daß es schwer ist. die Grenze der Beeinflussungsmöglichkeit eines Parlaments festzustellen. Aber ich habe doch den Eindruck, daß hier diese Grenze wesentlich überschritten worden ist. Ich darf Sie einmal auf eine Äußerung hinweisen, die vor wenigen Wochen der sozialistische österreichische Bundespräsident Körner getan hat. Er sagte nach einer dpa-Meldung am 9. Mai:
Parlament und Parlamentarier sollten stets bereit sein, widerstreitende Meinungen Außenstehender anzuhören und sich von Sachverständigen beraten zu lassen. Die Entscheidung aber und die eigentliche gesetzgeberische Arbeit darf sich das Parlament weder von einer politischen oder wirtschaftlichen Körperschaft noch von einem Gremium einzelner Stände, Berufe oder Schichten aus der Hand nehmen lassen.
({7})
Ich habe dieser Erklärung nichts hinzuzufügen. Ich glaube, sie trifft den Nagel auf den Kopf. ({8})
Eine kurze Schlußbemerkung. Das Gesetz ist ein Kompromiß. Kollege Wellhausen hat das deutlich gemacht. Es kann nichts anderes sein als ein Kompromiß. Ich gestehe ohne weiteres zu: es bleiben manche Wünsche offen. Ich sage Ihnen ehrlich: auch manche persönlichen Wünsche von mir, aber auch Wünsche von vielen meiner Freunde sind offengeblieben. Das ist die Situation. Wir können die Wünsche aller Gruppen nicht restlos erfüllen, sondern müssen uns ehrlich um einen Ausgleich bemühen. Ich möchte sagen. daß wir hier eine Form gefunden haben. die dem einzelnen wohl nicht alles, aber das Mögliche gibt.
({9})
Das Wort hat der Abgeordnete Kuhlemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es freut mich außerordentlich, daß
ich nach den Worten meines Kollegen Sabel sprechen und genau dasselbe betonen kann, was dieser eben gesagt hat. Herr Sabel hat hier die Worte des Herrn Ollenhauer sehr vorsichtig kritisiert und die Beeinflussung des Parlaments von einer gewissen Seite vornehm, aber doch klar zurückgewiesen. Ich halte die Art, in der wir über diese 'Dinge denken, doch für richtiger. Es ist, glaube ich, hier doch unbedingt klarzustellen, daß das Parlament in solchen Situationen seine Entscheidung absolut frei von irgendeiner Beeinflussung von außen treffen, muß. Die Bewegung, die wir auf der Straße gesehen haben, hat uns mit großer Sorge erfüllt. Gott sei Dank ist sie aber nun doch eingedämmt worden.
({0})
In diesen Zeiten, in denen wir hier derartig schwerwiegende Gesetze beraten, muß die Arbeit des Parlaments unbeeinflußt von irgendeiner Seite vonstatten gehen können. Ich als Arbeitgeber habe auch meinen Kollegen gegenüber immer betont, daß sie ohne weiteres das Recht haben, ihre Meinung uns gegenüber klar auszusprechen, daß aber dann die weitere Entwicklung dem Parlament überlassen bleiben muß.
Nach Abschluß der zweiten Lesung möchte ich nun vor der dritten Lesung noch die Gründe bekanntgeben, aus denen die Deutsche Partei dieses Gesetz bejaht. Es besteht die Notwendigkeit, im Bundesgebiet den Betrieben eine Verfassung zu geben, die die Grundlage für Ordnung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern schafft. Wir wissen ja alle, daß in einigen Ländern augenblicklich die verschiedensten Gesetze Gültigkeit haben und daß andere Länder noch ohne irgendeine Regelung weiterarbeiten. Diese Situation muß durch uns nun irgendeiner Lösung zugeführt werden. Daher muß nach meiner Meinung die hier geleistete Arbeit unbedingt schnell zu Ende gebracht werden.
Nun ist hier gesagt worden, wir legten in dieser Angelegenheit zur Zeit eine besondere Eile an den Tag. Dazu kann ich nur erklären: diese Eile wäre etwas früher angebracht gewesen. Denn wir haben an diesen Fragen zwei Jahre gearbeitet, und die einzelnen Ausschüsse, die sich mit ihnen befaßt haben, haben wirklich gründliche Arbeit geleistet. Wäre diese Arbeit schneller geleistet worden, so wäre diese letzte Eile vielleicht nicht nötig gewesen. Aber die Angelegenheit ist augenblicklich so akut, daß wir es für vollkommen falsch halten würden, sie noch über die Ferien hinaus anstehen zu lassen. Infolgedessen haben wir auch die dritte Lesung und die Verabschiedung des Gesetzes am heutigen Tage bejaht.
Eine derartige Gesetzgebung, wie wir sie hier augenblicklich vornehmen, muß nach den Grundsätzen unserer Kultur- und Sittenordnung erfolgen, und dem muß dieses Betriebsverfassungsgesetz auch besonders Rechnung tragen. Deshalb haben wir drei Punkte herausgestellt, die für uns von besonderer Wichtigkeit waren: Erstens die Wahrung der unternehmerischen Verantwortung im Betrieb als eine unabdingbare Voraussetzung für den wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt des ganzen Volkes. Zweitens die Anerkennung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers als Mitarbeiter im Betrieb und damit die Anerkennung seines berechtigten Wunsches, nicht Werkzeug, sondern Mitarbeiter im Betrieb zu sein.
({1})
({2})
Drittens die Ablehnung aller kollektivistischen Einflüsse auf das innerbetriebliche Verhältnis zwischen dem Unternehmer und seinen Arbeitern durch Entsendung nichtbetrieblicher Angehöriger der Gewerkschaftsseite in die Aufsichtsorgane des Betriebes.
Zu diesen drei Grundsätzen sind wir aus folgenden Überlegungen gekommen. Die Deutsche Partei geht von der Unteilbarkeit der unternehmerischen Verantwortung aus, die unbedingt erhalten bleiben muß. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dem Unternehmer, der für jede Entwicklung des Betriebes verantwortlich ist, diese Freiheit dadurch zu nehmen, daß man ihn Einflüssen von außen her unterwirft. Eine derartige Demokratisierung der wirtschaftlichen Betätigung der einzelnen Unternehmen lähmt jede weitere Initiative und führt schließlich zu einer völligen Stagnation im Betrieb. Das Betriebsverfassungsgesetz muß unbedingt klar darüber entscheiden, ob wir in der Demokratisierung des Betriebes soweit gehen wollen, wie es in der Ostzone bereits geschehen ist, oder ob wir nicht im Westen der Unternehmerinitiative noch eine Chance geben wollen.
Die Deutsche Partei bejaht in ihrer Einstellung zum Arbeiter den Grundsatz, daß der Arbeiter in der betrieblichen Umgebung ein Mitbestimmungsrecht und ein besonderes Anrecht auf Einflußnahme in allen sozialen Fragen haben soll. Der soziale Bereich in der innerbetrieblichen Zusammenarbeit zwischen Unternehmer und Arbeitnehmer, das soziale Mitbestimmungsrecht, muß. nach unserer Auffassung völlig anders definiert werden. In der Gemeinschaftsarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden die sozialen Bedingungen ohne Frage geschaffen werden. Aber, meine Herren, wir betrachten den Betrieb in der
3) Hauptsache im Blick auf die einzelnen Menschen des Betriebes. Nach unserer Meinung wird eine gute Zusammenarbeit innerhalb des Betriebes am besten dadurch gewährleistet, daß wir den Betriebsangehörigen die Möglichkeit geben, an dem wirtschaftlichen Aufbau und der weiteren Gestaltung ihres Betriebes teilzunehmen. Infolgedessen lehnen wir jegliche Einflußnahme von außen ab. Nur die Zusammenarbeit mit unseren Arbeitskollegen im Betrieb gewährleistet ein gutes Arbeiten auch für die Zukunft.
Die Deutsche Partei hat an den Gesetzentwürfen mitgearbeitet und in den Ausschußsitzungen alle diese Gesichtspunkte immer wieder betont. Sie hält an der Grundkonzeption der jetzigen Vorlage fest und ist bereit, das Gesetz in dritter Lesung anzunehmen. Infolgedessen werden wir unsere Stimme für dieses Gesetz abgeben.
({3})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere sehr, mich eines Auftrages der Koalitionsparteien entledigen und Sie bitten zu müssen, die Sitzung um eine Stunde zu unterbrechen.
Ist das Haus einverstanden?
({0})
- Dann wird die Sitzung unterbrochen. Das Haus versammelt sich wieder um 13 Uhr.
({1})
Die Sitzung wird um 13 Uhr 6 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.
Meine Damen und Herren! Unter Mißachtung des Willens und der Forderungen der Arbeiter und der Gewerkschaften auf ein Mitbestimmungsrecht in den Betrieben und in der Wirtschaft hat die reaktionäre Abstimmungsmaschine dieses Hauses alle Änderungsanträge - ({0})
Herr Abgeordneter, hier läuft keine reaktionäre Abstimmungsmaschine, sondern ein geschäftsordnungsmäßiges Verfahren. Ich rufe Sie zur Ordnung!
- - automatisch niedergestimmt. Die Durchpeitschung des reaktionären Betriebsverfassungsgesetzes steht in engem Zusammenhang mit dem Generalkriegsvertrag und den verstärkten Kriegsvorbereitungen in Westdeutschland.
({0})
Die gewaltigen Demonstrationen und Proteststreiks der Arbeiter, der 6 Millionen Gewerkschaftler in den letzten Wochen haben gezeigt, daß die Arbeiterschaft der Kriegspolitik der Bundesregierung entschiedenen Widerstand entgegensetzt.
Mit dem Betriebsverfassungsgesetz unternimmt die Regierungskoalition den Versuch, den Widerstand der Arbeiter zu brechen. Um ohne Störungen die Rüstungsproduktion durchführen zu können, sollen die Rechte der Betriebsvertretungen, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Belegschaften weitgehend eingeschränkt und die Rechte, die sich die Arbeiterschaft seit 1945 errungen hat, beseitigt werden.
Das vorliegende Betriebsverfassungsgesetz ist schlechter als das Betriebsrätegesetz der Weimarer Zeit, schlechter als die Betriebsrätegesetze in den verschiedensten Ländern und als das Kontrollratsgesetz Nr. 22. Daran ändern auch die Bemerkunger des Abgeordneten Sabel am Vormittag nichts.
Der reaktionäre Charakter dieses Gesetzes kommt in folgenden Punkten zum Ausdruck:
1. Die Arbeiterschaft soll durch dieses Gesetz aufgespalten werden. Den Arbeitern, Angestellten und Beamten der öffentlichen Dienste will man ein Sondergesetz aufzwingen.
2. Allen Jugendlichen bis zu 18 Jahren wird das Wahlrecht zum Betriebsrat genommen. Nur mit 21 Jahren ist der Betriebsangehörige wählbar. Nur bei zweijähriger Tätigkeit in einem Betrieb kann ein Arbeiter oder Angestellter in den Betriebsrat gewählt werden.
({1})
Durch die Annahme der Änderungsanträge der Koalitionsparteien wurde das Gesetz weiter verschlechtert.
({2})
({3})
In allen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben soll- gemäß Ihrem Änderungsantrag - nur ein Betriebsrat gewählt werden, wenn mindestens 10 wahlberechtigte Arbeitnehmer vorhanden sind. Entgegen dem Willen der Arbeiter und auch zum größten Teil entgegen dem Willen von Gewerkschaftseinheiten wird die Amtsdauer der Betriebsräte in diesem Gesetz auf zwei Jahre festgelegt.
3. Die Arbeitsgerichte werden nach diesem Gesetz zu der wichtigsten Entscheidungsinstanz. Jeder Unternehmer hat die Möglichkeit, unter Bezugnahme auf dieses Gesetz gegen konsequente Gewerkschafts- und Betriebsfunktionäre, die sich entschlossen für die Rechte der Arbeiterschaft einsetzen, vorzugehen. Er kann unter Berufung darauf, daß der Betriebsrat den Arbeitsfrieden gefährdet habe, die Auflösung des Betriebsrates beim Arbeitsgericht beantragen.
4. Der Betriebsrat soll alles unterlassen, was geeignet ist, die Arbeit und den Frieden im Betrieb zu gefährden. Was verbirgt sich hinter dieser Forrmulierung? Der Betriebsrat soll an der Wahrnehmung der Interessen für seine Belegschaft durch eine solche Festlegung behindert, und jeder Kampf gegen verschärfte Ausbeutung und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen soll dadurch zunichte gemacht werden.
5. In § 55 wird festgelegt, daß der Betriebsrat gegenüber der Öffentlichkeit und sogar gegenüber seiner eigenen Belegschaft Verschwiegenheit üben muß, wenn der Unternehmer diese Schweigepflicht ganz besonders verlangt. Verletzt der Betriebsrat diese Forderung des Unternehmers, dann wird er gemäß den Strafbestimmungen mit schweren Geldstrafen oder mit Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu einem Jahr bedroht.
6. Nur in geringen sozialen Fragen soll der Betriebsrat mitbestimmen können. Bei Einstellungen ist der Betriebsrat nur zu unterrichten. Gibt der Betriebsrat zur Einstellung seine Zustimmung nicht, dann ist er auf das Arbeitsgericht verwiesen. Der Unternehmer kann einseitig nach eigenem Gut-d Linken Einstellungen vornehmen. Die AdenauerKoalition hat durch dieses Gesetz festgelegt, daß der Betriebsrat nur bei Massenentlassungen und bei Betriebseinschränkungen, -stillegungen und -verlagerungen angehört werden soll. Ohne Zweifel wurde dabei an die Festlegungen des Schuman-plans gedacht, in dem bereits gesagt wurde, daß unrentable Zechen und Stahlwerke stillgelegt werden, und an den Generalvertrag, der besagt, daß unter Umständen ganze Fabrikanlagen aus strategisch gefährdeten Gebieten in andere Gebiete verlegt werden können.
7. Durch die Bildung von Wirtschaftsausschüssen mit beratender Funktion in den Betrieben will man die Mitglieder der Betriebsräte mitverantwortlich machen für die Durchführung der gesteigerten Ausbeutung, der Rationalisierung und von Rüstungsaufträgen.
8. Der Betriebsrat soll nach diesem Gesetz „vertrauensvoll" - wie es heißt - mit dem Unternehmer zusammenarbeiten. Das heißt aber in Wahrheit, daß der Betriebsrat zum Handlanger für die Unternehmerinteressen gemacht und daß er mitverantwortlich sein soll z. B. bei der reibungslosen Durchführung von Rüstungsaufträgen. In den Betrieben will man durch dieses Gesetz jede Kampfhandlung der Arbeiter für ihre Interessen unterbinden und den Burgfrieden zur Durchsetzung der Kriegspläne des amerikanisch-deutschen Monopolkapitals durchsetzen.
9. Durch dieses Gesetz haben die Unternehmer die Möglichkeit, alle Betriebsvereinbarungen zu kündigen. Ebenso werden durch dieses Gesetz alle Ländergesetze aufgehoben. Es ist nicht so, wie der Kollege Sabel heute morgen sagte, daß dieses Gesetz im wesentlichen auch die Formulierungen der Ländergesetze beinhalte. Die Betriebsvereinbarungen bei Krupp und anderen Fabriken gehen viel weitet als die Formulierungen in diesem Gesetz. Durch die rücksichtslose Durchpeitschung dieses Betriebsverfassungsgesetzes will man erreichen, daß die Arbeiter in Zukunft praktisch nur noch zu kleinen sozialen Fragen Stellung nehmen können. Dieses Gesetz wäre gar nicht möglich gewesen, es wäre gar nicht zur Debatte um dieses Gesetz gekommen, wenn Fette und vom Hoff die Kampfaktionen der Arbeiter nicht abgebrochen hätten. Die Arbeiter haben recht behalten, als sie in den Gewerkschaften sagten, man dürfe mit der Adenauer-Regierung und mit der Koalition nicht weiterverhandeln, sondern man müsse das ganze Gewicht der Gewerkschaften zur Durchsetzung der Forderungen der Arbeiter in die Waagschale werfen.
Ich möchte dem Kollegen Ollenhauer, der heute morgen auf die Methoden hinwies, die hier die Regierungskoalition in den letzten Tagen angewandt hat, sagen: Herr Kollege Ollenhauer, wenn Ihre Partei und der DGB die Arbeiter zur Weiterführung der Kampfaktionen aufgerufen hätten, dann wäre dieses provokatorische Vorgehen in diesem Hause gegenüber der Arbeiterschaft unterblieben.
({4})
Was haben Sie zu sagen? - Sie schreiben im „Neuen Vorwärts" diese Woche, daß die Sozialdemokratische Partei . in diesem Hause weitgehend Widerstand geleistet habe. Aber Sie schreiben weiter im „Neuen Vorwärts", mit dem Stimmzettel werde eines Tages auch entschieden werden, ob die Reaktion im Sattel bleibt oder eine fortschrittliche Mehrheit ein wirkliches Mitbestimmungsrecht schaffen kann. Ich wende mich hier ganz besonders an die sozialdemokratischen Kollegen. Denken Sie zurück an den 20. Juni 1932 beim Papen'schen Staatsstreich. Auch damals hat Ihre Parteiführung auf die kommenden Reichstagswahlen verwiesen. Haben Sie und die Arbeiter durch Reichstagswahlen den weiteren Vormarsch der Reaktion und den Sieg des Hitlerfaschismus verhindern können?
Ich möchte den Kollegen Ollenhauer doch daran erinnern, wenn er heute morgen auf die gefahrvolle Entwicklung der Wiedererstarkung der Reaktion in Westdeutschland hinwies, daß, wenn seine Parteiführung und seine Partei seit 1945 aus der Vergangenheit die richtigen Lehren gezogen hätte und den konsequenten Kampf mit der gesamten Arbeiterschaft für die Errichtung einer wirklich demokratischen Ordnung in ganz Deutschland geführt hätte, er sich heute nicht hierherzustellen und sich zu beschweren brauchte über das Vorgehen der Regierungskoalition, wie wir es in den letzten Tagen erlebt haben.
Ich wende mich an dieser Stelle besonders an meine Gewerkschaftskollegen. Zur Frage steht jetzt: Was soll jetzt geschehen? Glauben Sie denn, daß man mit papierenen Entschließungen und Resolutionen diesen Zustand in Westdeutschland beenden oder ändern könnte? Ich sage: mit solchen Methoden kommt man gegen diese Regierungskoalition und gegen diese Regierung nicht weiter. Deshalb
({5})
sage ich den Gewerkschaftskollegen und allen Arbeitern in den Betrieben: Nehmt sofort in allen Betrieben zur Lage Stellung und verhindert, daß irgendwelche Verschlechterungen eintreten. Tretet dafür ein, daß die Aktionseinheit der Arbeiter hergestellt wird.
({6})
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, zum Schluß zu kommen.
Denn nur durch den gemeinsamen Kampf aller Arbeiter wird es möglich sein, dieses reaktionäre Gesetz zu Fall zu bringen, wird es möglich sein, zu verhindern, daß dieses Gesetz in der Praxis angewandt wird.
Ich wende mich ganz besonders an die sozialdemokratischen Kollegen. Sie haben jetzt erlebt, wohin die Burgfriedenspolitik führt.
({0})
Führen Sie einen konsequenten Kampf im Interesse der Arbeiterschaft! Reden Sie nicht bloß oppositionell, sondern handeln Sie jetzt! Dann, das sage ich Ihnen, leisten Sie der Arbeiterschaft den größten Dienst.
({1})
Meine Damen und Herren! Bevor ich weiter das Wort erteile, will ich folgendes bekanntgeben. Der Herr Vorsitzende des Ausschusses für Heimatvertriebene hat mir mitgeteilt, daß die für die nächste Woche vorgesehene Sitzung
I) des Ausschusses nicht stattfindet, daß aber der Unterausschuß 4 am Montag, dem 21. Juli, um 16 Uhr, der Unterausschuß 3 am 21. und 22. Juli um 16 Uhr und am 23. Juli um 9 Uhr 30 tagen. Der Vorsitzende des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen hat mich beauftragt, im Plenum bekanntzugeben, daß der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen heute um 15 Uhr 30 zu einer kurzen dringenden Besprechung zusammentritt.
Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich einige ganz kurze grundsätzliche Ausführungen mache, und zwar nicht im Namen meiner Fraktion, sondern für mich selbst. Ich darf zunächst sagen, daß ich die Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer sehr bedauert habe. Denn in ihrem sachlichen Teil waren sie allenfalls eine Diskussionsgrundlage für das Problem ides überbetrieblichen Mitbestimmungsrechtes. Aber dem innerbetrieblichen Mitbestimmungsrecht haben Sie, Herr Ollenhauer, in seiner künftigen Entwicklung einen sehr schlechten Dienst geleistet. Ich glaube, daß weder die Sozialdemokratie noch wir - jedenfalls ich für meine Person - wünschen, daß dieses Betriebsverfassungsgesetz zur Grundlage eines neuen Klassenkampfes gemacht wird. Wir sollten vielmehr alles tun, den entgegengesetzten Weg zu gehen. Und da bekenne ich mich für meine Person weitgehend zu den Ausführungen, die der Herr Kollege Even gemacht hat. Wenn man schon ein innerbetriebliches Mitbestimmungsrecht haben will - und ich bekenne mich dazu -, dann kann ein solches echtes Mitbestimmungsrecht nur 'auf dem Wege des Miteigentums gegeben werden. Einen anderen logischen Weg gibt es doch überhaupt nicht.
Dann ein zweites, meine Herren von der Sozialdemokratie. Sie betonen immer gerade wieder, die soziale Sicherheit werde für die weitere politische Entwicklung in Deutschland entscheidend sein. Jawohl, sie wird es sein; aber gibt es denn eine andere soziale Sicherheit, als die, daß man dem Menschen, der heute noch sozial unsicher ist, Eigentum gibt?
({0}) Es gibt doch kaum andere Möglichkeiten.
Und noch ein weiteres. Herr Kollege Ollenhauer hat hier von der Festigung der Demokratie gesprochen. Ja, nur der Mensch, der in sozialer Sicherheit ein Freiheit seine Entscheidungen fällen kann, ist doch in der Lage, den Grundstein für eine Demokratie zu bilden. Herr Kollege Even hat sich zu diesem Prinzip des Eigentums als Grundlage der sozialen Sicherheit bekannt. Ich frage ihn aber: Warum hat er den Gedanken angeschnitten und nicht zu Ende geführt? Wenn wir uns hier schon zu einem Betriebsverfassungsgesetz bekennen, dann sollten wir uns zu einer Magna Charta einer neuen sozialen Ordnung bekennen. Ich glaube, das wäre der richtige Weg gewesen.
Wenn Herr Kollege Even sagt, dieses Gesetz werde den Weg zum Miteigentum bringen, dann sage ich ihm: er täuscht sich; dieses Gesetz wird den Weg zum Miteigentum verbauen. Und wenn Herr Kollege Even weiterhin sagt, es werde noch ein langer Weg in dieser Richtung zu gehen sein, dann bitte ich ihn und die anderen Kollegen dieses Hauses, einmal die Aufmerksamkeit auf die soziale Entwicklung der übrigen freien Welt zu richten. Dort wird dieser Weg schon lange gegangen.
Herr Kollege Schröder sagte hier, in keinem der umliegenden Länder werde man ein ähnliches Gesetz finden. Sicherlich wird man dort kein solches Gesetz finden; aber nicht, weil die soziale Ordnung
dort schlechter zu werden beginnt als bei uns, sondern weil man in anderen Ländern nicht dazu übergeht, immanente menschliche Beziehungen - wie Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - durch Gesetze zu regeln.
({1})
Wir haben uns in Deutschland langsam an diese Gesetzesmethode gewöhnt, daß keine Lebensregelung ohne Gesetz mehr möglich ist. Wir sollten von diesem Weg abgehen. Es waren gerade wieder Herren von der Sozialdemokratie, die gesagt haben, das, was dieses Gesetz enthält, ließe sich in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen genau so gut regeln. Das ist auch mein Standpunkt. Die Materie läßt sich auf diese Weise sogar noch viel besser regeln. Denn dieses Gesetz hat noch einen anderen großen grundsätzlichen Fehler. Es geht von Erwägungen des Großbetriebes aus; und es wird mir jeder recht geben, der die Wirtschaft kennt, daß die Verhältnisse des Großbetriebes mit etwa 5000 Arbeitern nicht die gleichen sind wie die eines Betriebes mit 500, 50 oder 5 Arbeitern. Das Gesetz sieht aber nur ganz geringe Differenzierungen vor. Hier hätte sich die Regelung über Tarifverträge und über Betriebsvereinbarungen sehr viel elastischer den Betriebsgrößen anpassen können.
Leider verbietet mir die kurze Redezeit, die ich habe, nähere Ausführungen zum Grundsätzlichen zu machen. Ich glaube aber, es sollte unsere Aufgabe sein. bei den großen Anforderungen, die an uns gestellt werden, wirklich daran zu denken, eine erfolgreiche Wirtschaft aufzubauen, die durch einen Arbeitsfrieden und eine Vertrauensbasis
({2})
zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer fundiert ist. Diese Aufgabe erfüllt das vorliegende Gesetz nach meinem Begriff nicht. Ich werde dem vorliegenden Gesetz meine Zustimmung deshalb nicht geben.
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden.
von Thadden ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wir sind der Auffassung, daß das innerbetriebliche Mitbestimmungsrecht ausgebaut und erweitert werden sollte, und zwar in Richtung auf Gewinnbeteiligung, die unseres Erachtens die beste Grundlage für einen dauerhaften Frieden zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite sein wird. Wir glauben auch, daß die Gewerkschaften im Rahmen ihrer sozialpolitischen Aufgaben durchaus ihre Bedeutung und ihre absolute Existenzberechtigung haben. Aber das, was in den letzten Wochen vor sich gegangen ist, ist unseres Erachtens ein Alarmsignal, und wenn die Gewerkschaften in Zusammenarbeit miit der Sozialdemokratie und mit der KPD politische Streiks anzetteln - um nach den Worten des Herrn Kollegen Imig die Macht zu erringen -,
({1})
dann ist der Boden des Rechts ziemlich durchlöchert.
Alles in allem: das 'Gesetz in 'der Ausschußfassung ist ganz leidlich, und zwar weniger deswegen, was drinsteht, als deswegen, was nicht hineingekommen ist, obwohl sich die SPD im Auftrag des DGB die größte Mühe gegeben hat. Wir freuen
uns auch, daß die Regierungskoalition inzwischen begriffen hat, daß Kompromißlereien auf diesem Gebiete wenig nützlich sind und man hier eine klare Stellung beziehen muß. Wenn das Gesetz so aussehen würde, wie es - Gott sei Dank ist das nicht der Fall - DGB und SPD vorhatten, dann würde die Befugnis zur Kontrolle der gesamten deutschen Wirtschaft praktisch in die Hand einer großen Organisation gegeben werden, die in .Wirklichkeit aber nur einen Teil der Arbeitnehmerschaft umfaßt.
In diesem Zusammenhang sollten sich einige Unternehmer, die immer über die Gewerkschaften klagen, fragen, ob es richtig ist, die Gewerkschaften zu stärken, indem sie freiwillig die Gewerkschaftsbeiträge vom Lohn abziehen, anstatt das dem Hauskassierer des DGB zu überlassen.
Die Wünsche des DGB und der SPD bedeuten nur eine besonders raffinierte Form der Sozialisierung. In England hat man nicht nur die Machtmittel der Wirtschaft sozialisiert, sondern man hat auch das Risiko sozialisiert, das Risiko des Defizits, indem man das auf den Steuerzahler ,abgewälzt hat. Hier macht man es ganz anders. Man will die Machtmittel sozialisieren und das Risiko beim Unternehmer belassen. Wir glauben, daß dies unzweckmäßig ist, und wir hoffen, daß bei den Abstimmungen, die jetzt vor uns stehen, die Änderungsanträge Euler, Preusker und Genossen angenommen werden. Wir glauben, daß sie den Charakter dieses Gesetzes wesentlich verbessern könnten, so daß auch wir dem Gesetz dann zustimmen könnten.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Raestrup.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will hier nicht als Rufer im Streit das Wort ergreifen und will nicht auf 'die erregten Auseinandersetzungen, auf die Demonstrationen und die Redensarten, die hier gefallen sind und die Behandlung dieses 'Gesetzes begleitet haben, eingehen. Ich will aber doch auf meinen Standpunkt zurückkommen, den ich heute vor zwei Jahren vertreten habe, als der 'Gesetzentwurf der CDU zur Beratung stand. Der Gesetzentwurf 'der CDU ist nicht aus politischen Gründen eingebracht worden, sondern aus einer ausgesprochen sozialen Einstellung heraus. Auf Grund dieser Einstellung habe ich damals in bejahendem Sinn zu diesem Betriebsverfassungsgesetz Stellung genommen, habe aber gesagt, daß manches mich mit Bedenken erfüllt, nämlich, daß die kleineren Betriebe - seien es Handwerksbetriebe, seien es mittelständische Betriebe - nicht genügend berücksichtigt worden sind. In zweijähriger Ausschußarbeit haben wir uns bemüht, dem Mittelstand und dem Handwerk entgegenzukommen, und ich glaube, das ist uns auch gelungen, namentlich wenn wir noch die letzten Änderungsanträge der CDU berücksichtigen. Wenn jetzt noch weitere Änderungsanträge vorliegen, wollen wir sie 'diskutieren und 'darüber abstimmen; aber ich möchte hoffen, daß diese Anträge, gleichgültig, ob sie angenommen oder abgelehnt werden, nicht 'zur Folge haben, daß daran das Gesetz scheitert. Denn, meine 'Damen und Herren, ich stehe .auf dem Standpunkt, daß das Gesetz unbedingt angenommen werden muß.
({0})
Ich verfüge über eine fünfzigjährige Erfahrung als selbständiger Unternehmer und habe manchen 'Strauß auch mit den 'Gewerkschaften ausfechten müssen; aber ich weiß auch, daß heute die Einstellung zwischen den 'Unternehmern und den Arbeitnehmern wesentlich besser geworden ist als gegenüber der Zeit vor 50 Jahren.
Wenn ich heute feststelle, daß der ganze Gesetzentwurf selbstverständlich - das liegt in der Natur der Sache - ein Kompromiß ist, so möchte ich doch eins hinzufügen. Alle Paragraphen sind tote Buchstaben, und mit diesen toten Buchstaben kann Unheil angerichtet werden. Wenn wir aber diese Paragraphen mit echtem sozialen Geist versehen
({1})
und mit dem ehrlichen Willen erfüllen, hier zum Ausgleich der Gegensätze innerhalb des Betriebs zu kommen, dann, meine Damen und Herren, glaube ich, daß dieses Gesetz ein wertvoller Fortschritt ist in unseren Bemühungen, zu einer Neuordnung auf sozialem Gebiet 'zu kommen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich habe das feste Vertrauen zu beiden Vertragspartnern, und ich spreche auch von dieser Stelle aus - und mein Alter berechtigt mich vielleicht dazu - die Bitte und den Wunsch aus, daß, wenn das Gesetz verabschiedet ist und die Wogen der Erregung sich wieder gelegt haben, dann sowohl die Arbeitgeber wie die Arbeitnehmer vorurteilsfrei an diese Paragraphen herantreten, daß sie sie in einer echten sozialen
({3})
Gesinnung handhaben und daß dann aus diesem Gesetz etwas Gesundes für den weiteren sozialen Fortschritt im Interesse unseres Volkes und unseres Vaterlandes wird.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Loritz ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist kein Fortschritt, weder in sozialer Beziehung noch, was ebenso wichtig erscheint, in wirtschaftspolitischer Beziehung noch irgendwie sonst. Dieses Gesetz ist ein Rückschritt und wird sich zum wirtschaftlichen Nachteil des gesamten Volkes auswirken, und deswegen ist es unmöglich, diesem Gesetz die Zustimmung zu geben.
({1})
Es ist mir bei der geringen Redezeit, die mir von Ihnen eingeräumt ist, leider nicht möglich, Ihnen im einzelnen an Hand einer Erörterung der einzelnen Paragraphen zu sagen, was alles in dieses Gesetz hineingearbeitet ist, was meines Erachtens nicht bloß zu einer Kette juristischer Streitigkeiten vor den verschiedenen Ämtern führen wird, sondern darüber hinaus zu einem Hemmschuh für die volkswirtschaftliche Weiterentwicklung unseres Landes werden wird.
({2}) - Selbstverständlich, Herr Hilbert!
Meine Damen und Herren, nur eines möchte ich Ihnen kurz sagen: Dieses Gesetz trägt allzu offensichtlich auf seiner Stirn den Stempel eines meines Erachtens geradezu schamlosen politischen Kuh' handels, eines faulen Kompromisses, der auch dazu führen wird, daß die Bestimmungen des Gesetzes je nachdem sehr verschieden angewandt werden können. Was den gesamten Geist des Gesetzes betrifft, so kann ich Ihnen nur eines versichern: Sie werden damit Tausende und aber Tausende von Prozessen züchten, Sie werden aber weder für die Interessen der Arbeiter noch für die Interessen des gesamten Betriebes und der gesamten Volkswirtschaft auch nur das Geringste mit diesem Gesetz erreichen können. Rückschrittlich, volkswirtschaftlich falsch, - das ist die Charakterisierung, die man diesem Gesetz geben muß. Aus diesem Grunde muß jeder, der die Materie einigermaßen beherrscht - und das sollten doch wenigstens die Juristen in diesem Hause -, dieses Gesetz so, wie es uns heute vorgelegt wurde, ablehnen.
Herr Abgeordneter Freudenberg hat sich noch zum Wort gemeldet.
({0})
- Er verzichtet. Damit ist die allgemeine Besprechung beendet.
Ich komme zur Einzelbesprechung. Ich rufe die Paragraphen auf, zu denen Änderungsanträge gestellt sind.
Zu § 1 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffer 1 vor.
Herr Abgeordneter Böhm zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung, die bis jetzt durchgeführt wurde, hat mit aller Deutlichkeit bewiesen, daß es sich hier um ein Politikum allerersten Ranges handelt. Wenn
wir als sozialdemokratische Fraktion nun bei der Einzelberatung den Versuch machen, zu den wesentlichsten Bestimmungen dieses Gesetzes unsere Meinung noch einmal in den gestellten Anträgen zum Ausdruck zu bringen, dann lassen wir uns auch jetzt nicht davon leiten, in einer großen Diskussion die Arbeit zu erschweren, sondern unsere Stellung zu diesem Gesetz ist getragen von der Verantwortung, die wir einmal gegenüber der geschichtlichen Entwicklung zu tragen haben, aber auch gegenüber der Entwicklung, die sich draußen in den Betrieben in den letzten sieben Jahren vollzogen hat.
Die sozialdemokratische Fraktion hat sich in der zweiten Lesung bemüht, die einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzes in durchaus sachlicher Weise zu behandeln, um eine Reihe von Änderungen dieses Gesetzes herbeizuführen. Wenn ich hier noch einmal die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes behandle, dann weiß ich, daß ich damit bei Ihnen in der Regierungskoalition - mit wenigen Ausnahmen - einen Begriff in die Diskussion hineinbringe, der bei Ihnen nicht besonders beliebt ist.
Ich möchte bei der sachlichen Beratung der einzelnen Paragraphen und insbesondere des § 1 einmal von mir aus, als Sprecher meiner Fraktion, darüber hinaus aber auch als verantwortlicher Funktionär des Deutschen Gewerkschaftsbundes drei Fragen an Sie richten. Es ist über die Stellung des Deutschen Gewerkschaftsbundes im Laufe der letzten Wochen und Monate eine ganze Reihe von Diskussionen geführt worden. Ich will nicht an die vielen Flugblätter erinnern, die verteilt worden sind - auch in den Betrieben von den Arbeitgebern -;
({0})
ich will nicht daran erinnern, daß dieses Gesetz,
seine Behandlung und seine Handhabung mit dazu beigetragen hat, eine - gelinde gesagt - Verzerrung und Verrohung der politischen Begriffe und des politischen Anstands herbeizuführen.
({1})
Es ist hier bei der Betrachtung unserer gestellten Anträge zunächst einmal die Frage aufzuwerfen: Besteht für den Deutschen Gewerkschaftsbund eine sachliche Berechtigung zu seinen Forderungen? Wenn heute der Deutsche Gewerkschaftsbund und mit ihm die sozialdemokratische Fraktion die Einbeziehung des gesamten öffentlichen Dienstes in dieses Gesetz fordern, dann hat die deutsche Gewerkschaftsbewegung, insbesondere der Deutsche Gewerkschaftsbund, nicht nur auf Grund der geschichtlichen Entwicklung seit 1945 eine Berechtigung dazu, sondern ich glaube, es ist auch auf der andern Seite aus staatspolitischen Gründen notwendig geworden, die sachliche Berechtigung hierzu anzuerkennen.
Lassen Sie mich dazu einiges sagen. Abgesehen von der parteipolitischen Einstellung des einzelnen Abgeordneten, abgesehen von den politischen Rücksichtnahmen innerhalb der Koalition werden Sie uns zugeben müssen, daß die Arbeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes 1945, 1946 und 1947 eine Arbeit gewesen ist, die heute dem gesamten Staatswesen zugute kommt. Wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund heute verlangt, den öffentlichen Dienst mit in diese gesetzliche Regelung einzubeziehen, dann veranlassen ihn dazu nicht nur staatspolitische, sondern auch außenpolitische Gründe. Ich will es Ihnen mit einem Satz erklären. Es wäre für die deutsche Gewerkschaftsbewegung, d. h. für den Deutschen Gewerkschaftsbund, im Jahre 1945 leicht
({2})
gewesen, den Forderungen des Kontrollrats in Berlin nachzugeben und an Stelle des hergebrachten Berufsbeamtentums den Vertragsangestellten zu setzen, so wie es vom Kontrollrat und den Besatzungsmächten verlangt worden war. Es ist ja nicht unbekannt, daß zur damaligen Zeit von den Besatzungsmächten die Frage gestellt wurde, ob auf Grund der geschichtlichen Entwicklung und auf Grund der Katastrophe, vor der Deutschland 1945 stand, der deutsche Staat in seinem Neuaufbau es sich noch leisten könne, das Berufsbeamtentum mit seiner Entwicklung und mit seiner Auswirkung zu bejahen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat zur damaligen Zeit diese administrative Erledigung des Berufsbeamtentums abgelehnt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat aber weiterhin - das möchte ich hier ganz besonders betonen - zum Ausdruck gebracht, daß in der Schaffung eines neuen, eines besseren und eines demokratischen Beamtenrechts der Beamte mit dazu berufen ist, am Aufbau einer neuen sozialen Ordnung mitzuwirken.
Ich glaube, diese Stellung des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat nicht ungeteilten Beifall beim deutschen Volk gefunden, und ich spreche gar kein Geheimnis aus, wenn ich sage, daß die Sympathie für und die Antipathie gegen die Beamten auch hier im Parlament quer durch alle Parteien geht. Wenn der Deutsche Gewerkschaftsbund gegen den Widerstand der Besatzungsmächte in den schweren Jahren die Rechtsgrundlage für die Beamten gelegt hat, dann, glaube ich, hat er sich moralisch und sachlich die Berechtigung erworben, den öffentlichen Dienst in die Front derjenigen einzureihen, die zum Aufbau einer sozialen und demokratischen Ordnung berufen sind.
Meine Damen und Herren, vergessen Sie eins nicht! Wenn es in verhältnismäßig kurzer Zeit gelungen ist, Deutschland und der deutschen Verwaltung draußen in der Welt wieder so etwas wie Ansehen und Geltung zu verschaffen, dann ist das nicht zuletzt auf die Haltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes zurückzuführen. Jeder einzelne, der heute glaubt, der Deutsche Gewerkschaftsbund würde mit seinen Forderungen Machtansprüche anmelden, die nicht begründet sind, wird sich die Frage überlegen und entscheiden müssen, ob die Arbeit, die von der Deutschen Gewerkschaftsbewegung geleistet worden ist, ein Anlaß dafür sein könnte, daß sich der einzelne im öffentlichen Betrieb, daß sich die öffentliche Verwaltung oder der Staat dieser Arbeit zu schämen brauchte.
Eine zweite Frage, die bei der Betrachtung dieser Probleme auftritt, ist die, ob es eine Möglichkeit gibt, die öffentlichen Betriebe oder den öffentlichen Dienst in seiner Gesamtheit in die gesetzliche Regelung einzubeziehen. Vergegenwärtigen wir uns einmal die Entwicklung. Das Betriebsrätegesetz von 1920 ist heute oft angesprochen worden. Wir werden feststellen können, daß sich gegenüber dem Jahre 1920 eine Vermehrung nicht nur der Aufgaben, sondern auch der Belegschaften in einem großen Ausmaße bemerkbar macht. Wir werden gleichzeitig feststellen müssen, daß dabei die Zahl der Arbeiter und Angestellten im Hinblick auf die Gesamtvermehrung einen unverhältnismäßig großen Prozentsatz beträgt. Wer einmal sachlich und ohne Ressentiments die Dinge prüft, wird feststellen können, daß sich die Aufgaben der inneren Verwaltung - ich rede noch nicht einmal von den Verkehrs- und Energiebetriebsverwaltungen - zwischen Beamten und Angestellten vielfach überschneiden. Gerade darin liegt ein wesentlicher
Grund, die Einheitlichkeit mit der übrigen Wirtschaft herbeizuführen.
Mich veranlaßt aber noch etwas anderes. Ich habe von der mühevollen Arbeit gesprochen, die die Gewerkschaftsbewegung bei der demokratischen Neuordnung geleistet hat. Es war einer der wesentlichsten Erfolge, die auch Sie im Interesse der öffentlichen Betriebe nicht bestreiten können, daß durch das einheitlich geltende Gesetz Nr. 22 die den Beamten so oft nachgesagte Mentalität, der Standesdünkel, der Kastengeist zum weitaus größten Teil überwunden werden konnte. Es war damit die Möglichkeit gegeben, daß das Ansehen, das die Leute draußen im öffentlichen Dienst genießen müssen, zum großen Teil wiederhergestellt wurde. Die Beamten, die Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst legen den allergrößten Wert darauf, daß diese Einheitlichkeit auch für die Zukunft gewahrt bleibt. Diese Forderung wird ja nicht nur von der sozialdemokratischen Fraktion oder vom Deutschen Gewerkschaftsbund erhoben. Ich bin im Besitz von Zuschriften, Rundschreiben und Erklärungen von Leuten, die nicht zum Deutschen Gewerkschaftsbund, sondern zum Deutschen Beamtenbund und anderen Verbänden gehören und die gerade diese Einheitlichkeit begrüßen und den größten Wert darauf legen, diese Einheitlichkeit auch für die Zukunft zu erhalten.
Die dritte Frage, die staatspolitische Notwendigkeit für das Zusammengehen und das Zusammenwirken unter einem einheitlichen Gesetz, ergibt sich auch aus verfassungsrechtlichen Gründen. Ich habe bei der Beratung des Treuepflichtgesetzes bereits darauf hingewiesen, daß meine Fraktion mit großer Sorge die Absicht verfolgt - die von seiten der Bundesregierung an den Tag gelegt wird -, die gesamten Arbeiter, Angestellten und Beamten im öffentlichen Dienst unter Staatskontrolle zu stellen und somit ein Sonderrecht für den öffentlichen Dienst zu schaffen. Ich möchte hier nicht noch einmal auf diese Bestimmungen unseres Grundgesetzes hinweisen. Das Bestreben der Regierung ergibt sich aber auch noch aus folgendem. Aus der Tatsache, daß man den Entwurf des Personalvertretungsgesetzes aus den Händen des Bundesarbeitsministeriums genommen und in die Hände des Bundesinnenministeriums gelegt hat,
({3})
geht die politische Bedeutung dieses Gesetzentwurfs ganz klar hervor.
({4})
Wir wenden uns also aus rein sachlichen Gründen gegen die Nichthineinnahme der Betriebe des öffentlichen Dienstes in dieses Betriebsverfassungsgesetz.
Nun ist im Laufe des heutigen Vormittags in einer Reihe von Hinweisen die Stellung der Gewerkschaften behandelt worden. Mein Kollege Ollenhauer hat in nicht mißzuverstehenden Ausführungen auf das Recht des Deutschen Gewerkschaftsbundes zur Willensäußerung in diesen Dingen hingewiesen. Ich will nicht darauf verweisen,
({5})
daß das deutsche Kraftfahrgewerbe und die Vertriebenenorganisationen von dem Mittel der Demonstration,
({6})
zur Kundgebung ihres Willens weitestgehend Gebrauch gemacht haben. Ich will keinen Vergleich ziehen; denn wenn ein Vergleich nicht paßt, wird er moniert. Aber bleiben wir einmal bei der augen({7})
blicklichen Situation - ich bedaure, daß der Herr Bundeskanzler und der Herr Bundesinnenminister nicht anwesend sind -:
({8}) andere Organisationen haben in Telegrammen an den Kanzler, in Eingaben an die Abgeordneten und in besonderen Interventionen versucht, ihren Einfluß geltend zu machen. Das erwähnt man, nebenbei bemerkt, nicht!
({9})
- „Einzelberatung"? Nun, ich will Ihnen etwas sagen: nehmen Sie sich mal die „Neue Zeitung" aus München! Darin bringt der Deutsche Beamtenbund als Kundgebung seines Bundesvorstandes in München ganz offen zum Ausdruck: Wenn den Forderungen der Gewerkschaften Rechnung getragen wird, dann werden wir die Dienstanweisungen, die Verwaltungsvorschriften in der Anwendung so überspitzen, daß die Durchführung einer Verwaltungsarbeit unmöglich gemacht wird!
({10}) Weiterhin wird erklärt, man sehe im Geiste schon die Schlangen vor den Geschäften, Verwaltungsstellen und Betriebsstellen stehen.
({11})
Meine Damen und Herren, das ist nach meiner Auffassung - gelinde gesagt - eine Aufforderung zur Sabotage der Dienstleistung.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat während
der gesamten Aktion weder in der Durchführung
noch in der Publizierung solche Kampfmaßnahmen,
3) die unser staatliches Leben und unsere Verwaltung
sehr stark beeinflussen, je in die Debatte geworfen.
({12})
- Die Anständigkeit des Deutschen Gewerkschaftsbundes
({13})
werden Sie doch wohl nicht in Zweifel ziehen.
({14})
Der Antrag, den ich nun hier zu stellen habe, - ({15})
- „endlich", ja! -, der Antrag ist ja nicht erst heute, sondern schon vor zwei Jahren gestellt,
({16})
und wenn Sie heute in Zeitnot sind, meine Herren,
({17})
ich sage, wenn Sie in Zeitnot sind, - ({18})
- Meine Damen und Herren, wenn Sie in Zeitnot sind, - ({19})
- Die Gewerkschaften auch!
({20})
Die Gewerkschaften kämpfen schon seit 80 Jahren um die Gleichberechtigung; dann kommt es uns auf einen Monat mehr oder weniger auch nicht an.
({21})
Meine Damen und Herren, Sie werden eines nicht aus der Welt schaffen können: vor der geschichtlichen Entwicklung, vor dem deutschen Volk und vor den schaffenden Menschen in Deutschland tragen Sie die Verantwortung für dieses Gesetz!
({22})
Unsere Anträge sollten dazu beitragen, die Differenzen, wenn möglich, zu beseitigen und ein Gesetz zu schaffen, das für alle tragbar war, das aber auch den staatspolitischen Notwendigkeiten Rechnung trägt im Sinne einer anständigen und demokratischen Verwaltung. Ich bitte Sie also, dem von uns gestellten Antrag Ihre Zustimmung zu geben, und zwar den § 1 folgendermaßen zu fassen:
In den Betrieben und Verwaltungen
({23})
des privaten und öffentlichen Rechts werden Betriebsräte nach Maßgabe dieses Gesetzes gebildet.
Damit wir aber auch hier volle Klarheit schaffen,
beantrage ich auch hier namentliche Abstimmung. ({24})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Herren Schriftführer. die Stimmzettel einzusammeln. Es wird abgestimmt über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffer 1.
Meine Damen und Herren, die Stimmzettel sind im wesentlichen eingesammelt. Ich darf die Beratung des § 1 bis zur Auszählung unterbrechen.
Ich rufe § 7 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Umdruck Nr. 634 Ziffer 2 - vor. Herr Abgeordneter Keuning zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Schröder hat heute morgen hier erklärt, daß eine kommentierte Gegenüberstellung des Betriebsrätegesetzes von 1920 mit der heutigen Vorlage leicht die Behauptung des DGB zerstreuen würde, die heutige Vorlage sei schlechter als das Betriebsrätegesetz von 1920. Einmal stimmt es nicht, daß diese Behauptung in dieser allgemeinen Form gemacht wurde,
({0}) sondern es wird gesagt
({1})
und in der Öffentlichkeit ist immer wieder darauf hingewiesen worden, Herr Dr. Wellhausen, daß dieses Gesetz teils schlechter sei als das Betriebsrätegesetz von 1920. Außerdem, Herr Dr. Schröder, sind von 1920 bis 1952 immerhin 32 Jahre vergangen, und in diesen 32 Jahren ist allerlei geschehen, so daß selbstverständlich ist, daß wir erwarten können, daß dieses Gesetz wesentliche Fortschritte bringen müßte. Aber was tun Sie denn mit diesem Gesetz? Sie übersehen doch einfach das, was in den Ländern seit dem Zusammenbruch schon Recht geworden ist. Es wäre sicherlich sehr interessant, Herr Dr. Schröder, einmal eine Gegenüberstellung der heutigen Vorlage mit dem, was in den Ländern Recht ist, zu machen. Daran ändern auch die Worte des Kollegen Dr. Wellhausen nichts,
({2})
der darauf hinwies, daß in Hessen nun eine gewisse Neuordnung begonnen habe, aber nicht genügend Erfahrungen vorlägen, um schon Endgültiges zu sagen. Bitte, wenn nicht Erfahrungen im ungünstigen Sinne vorlegen, warum wollen Sie denn dann nicht das in Hessen bereits verankerte Recht mit diesem Gesetz auf das Bundesgebiet übertragen? Wir brauchten nicht nur Hessen zu erwähnen, auch in anderen Ländern des Bundesgebiets ist man weit über das hinausgegangen, was jetzt im vorliegenden Gesetz der Arbeitnehmerschaft angeboten werden soll.
Wenn ich das hier anführe, dann deshalb, weil mit unserem Antrag zu § 7 - Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 634 - eine Frage aus dem alten Betriebsrategesetz angesprochen wird. Im alten Betriebsrategesetz war testgelegt, 'daß es genügt, b Monate Mitglied des Betriebs zu sein, um gewahrt werden zu konnen. Schauen Sie sich die Landergesetze an. In allen Landergesetzen ist diese Frage in der gleichen Form geregelt. Schauen Sie sich aas Gebiet an, in dem das Kontrollratsgesetz 22 heute noch Gültigkeit hat, die britische Lone. Dort ist ebenfalls eine Regelung gefunden worden, daß eine sechsmonatige Betriebszugehörigkeit genügt. Das ist ja das Bemerkenswerte an dem Gesetz und an diesem Punkt ist es klar offensichtlich, :dab Sie rückwartsschrauben. Es besteht doch einfach ein far die Arbeitnehmer günstigeres Recht. Sie wollen nun festlegen, daß auf Bundesebene eine Betriebszugehörigkeit von zwei Jahren Voraussetzung sein soll.
Übersehen Sie doch bitte nicht die große Wanderungsbewegung in der Bundesrepublik, die vielen Menschen, die nun umgesetzt werden sollen. Wir haben vorgestern hier das Umsiedlungsgesetz beraten. Man erwartet bis Mitte 1953 die Umsiedlung von noch über 200 000 Menschen. Das sind doch überwiegend Menschen, die an :den neuen Plätzen Arbeit und Brot finden sollen, neue Arbeitsverhältnisse aufnehmen und teils mit guten Erfahrungen aus ihren früheren Arbeitsplätzen hierher kommen. Warum wollen Sie 'dem entgegenstehen?
Herr Kollege Sabel sagte: Die Ländergesetze sind teils Fragmente, und man kann hier und da etwas herauspicken. Ja, Herr Kollege Sabel, wenn wir schon anfangen zu picken, dann haben wir festgestellt, daß Sie nun nicht das herausgepickt haben, was 'das Fortschrittlichste in diesen Gesetzen war.
({3})
Denn es ist doch festzustellen, daß in den Ländergesetzen einige Dinge wesentlich 'über das hinausgehen, was hier in dem Gesetz verankert werden soll.
({4})
Das kann doch von Ihnen nicht bestritten werden, selbst wenn es Fragmente sind.
({5}) - Ich habe Sie verstanden, wenn Sie sagen, die wirtschaftliche Mitbestimmung sei ohne Vorbild. In der in diesem Gesetz festgelegten Form, ja aber doch nicht in ihrem Ausmaß.
({6})
Ich erwähne das darum, weil Sie eine zweijährige Betriebszugehörigkeit fordern. Sie haben heute ein Jahr vorgeschlagen. Ich freue mich, daß Sie uns etwas entgegenkommen. Aber das genügt nicht. Warum wollen Sie die alten Rechte nicht bestehen lassen? Was spricht dagegen? Was sagen Sie dagegen? Sie sagen, Sie gäben den Arbeitnehmern
neue Rechte. Die Rechte, die in diesem Gesetze verankert sind, waren nach 1945 hier und dort in den Gesetzen irgendwelcher Länder schon längst enthalten und überschritten.
({7})
- Aber nicht das, was in den einzelnen Ländern erreicht wurde. Ich bin darum beauftragt, Sie im Namen meiner Fraktion zu bitten, der Zitier 2 des Antrags Umdruck Nr. 634 zu § 7 zuzustimmen. wenn Sie ihm nicht zustimmen, glaube ich sagen zu können, daß Sie dann doch sehr rigoros über das hinweggehen, was bisher in unserem Bundesgebiet Recht und Übung war, und daß Sie auch sehr rigoros über die Gefühle hinweggehen, die die Arbeitnehmerschaft haben muß, wenn ihr mit dieser heutigen Vorlage bisheriges Recht genommen werden soll.
({8})
Meine Damen und Herren, weiter liegt vor der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP, Umdruck Nr. 636 Ziffer 1.
({0})
- Auf die Begründung wird verzichtet. ({1})
- Herr Abgeordneter Harig, ich habe Ihnen das Wort noch nicht erteilt.
Wir kommen zurück zur Abstimmung über § 1 des Gesetzes. Sind noch Abgeordnete vorhanden, die ihre Stimme noch nicht abgegeben haben und das noch zu tun wünschen? - Das ist nicht der Fall; dann schließe ich die Abstimmung und gebe ihr vorläufiges Ergebnis*) bekannt. Für den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei haben gestimmt 131 Abgeordnete, dagegen 206 Abgeordnete bei einer Enthaltung. Von den Berliner Abgeordneten haben mit Ja sechs, mit Nein fünf Abgeordnete gestimmt. Insgesamt haben sich 349 Abgeordnete an der Abstimmung beteiligt. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 1 in der Fassung zweiter Lesung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren. Ich darf zur Klärung nur darauf hinweisen, daß der Antrag der CDU/ CSU zu § 7, auf dessen mündliche Begründung verzichtet wurde, zur Folge haben würde, daß auch in Satz 2 die Worte „zweijährigen Betriebsangehörigkeit" durch „einjährigen Betriebsangehörigkeit" und in Abs. 2 die Worte „zweijährige Betriebszugehörigkeit' durch „einjährige Betriebszugehörigkeit" ersetzt werden müßten.
({2})
- Das ist eine redaktionelle Änderung. Ich wollte nur darauf hinweisen.
Herr Abgeordneter Harig wünscht, das Wort zu nehmen.
({3})
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 10295, 1. Abstimmung.
Herr Sabel, ich habe eine Bitte an Sie. Sie haben sich bei allen meinen Ausführungen zur zweiten Beratung so verhalten, wie es sich unter Abgeordneten dieses Hauses nicht gehört,
({0})
um keinen schlimmeren Ausdruck zu gebrauchen. Wenn wir draußen in der Öffentlichkeit wären, würde ich sagen: Flegelhaft haben Sie sich betragen.
({1})
Herr Abgeordneter Harig, da wir uns hier in der Öffentlichkeit befinden, rufe ich Sie zur Ordnung.
({0})
Meine Damen und Herren! Der § 7 sieht nach Verabschiedung in der zweiten Lesung noch die zweijährige Zugehörigkeit zum Betriebe vor. Es ist heute morgen ein Antrag der CDU auf dem Umdruck Nr. 636 vorgelegt worden, der diese Zeit auf ein Jahr beschrankt. Es mag Betriebe geben, in denen es keine Rolle spielt ob jemand ein Jahr, zwei Jahre oder fünf Jahre im Betriebe tätig ist. Aber darum geht es doch nicht. Es geht doen hier um eine grundsätzliche Frage. Es geht darum, ob alle Belegschaftsmitglieder oder Beschäftigten in einem Betriebe die gleichen Rechte haben. Und was ist der Grund dafür, daß man einem Teil der Belegschaftsmitglieder Rechte abspricht? Dafür gibt es gar keine Begründung. Die sozialdemokratische Fraktion hat den in der zweiten Lesung gestellten Antrag,. die Zeit auf sechs Monate zu reduzieren, jetzt wiederholt. Ich kann nur sagen, daß wir diesem Antrag zustimmen werden. Aber warum ich hier heraufgekommen bin, das will ich Ihnen sagen.
({0})
Herr Dr. Schröder, Sie haben sich heute morgen hierhergestellt und haben erklärt: Stellen wir das Betriebsrätegesetz von 1920 in seinem materiellen Inhalt dem, was jetzt vorgelegt wird, gegenüber, kommentieren wir das und gehen wir hinaus, und dann wollen wir einmal sehen; das ist viel besser, fortschrittlicher! Herr Dr. Schröder, ich bin schon vor 1933 Betriebsrat gewesen. Ich kenne das Betriebsrätegesetz von 1920. Ich kenne die Praxis der Betriebsratstätigkeit von 1945 an. Ich habe unter dem Kontrollratsgesetz die Funktion des Betriebsrats innegehabt. Es gibt eine ganze Reihe von Betriebsvereinbarungen, die auch den Paragraphen über die Dauer der Zugehörigkeit und über die Wählbarkeit enthalten. Herr Dr. Schröder, für diesen Paragraphen trifft das, was Sie hier behaupten, nicht zu, ebenso wie es für eine ganze Menge entscheidender Paragraphen, die noch folgen, nicht zutrifft. Es hat doch keinen Zweck, Herr Dr. Schröder, hier in Agitation zu machen. Wir wollen doch die Dinge so sehen, wie sie sind.
({1})
Es ist keiner hier heraufgekommen, es hat sich keiner hierher gestellt und eine Begründung dafür gegeben, daß jemand zwei Jahre im Betrieb tätig sein muß. Kein Mensch hat eine solche Begründung gegeben. Die Begründung habe ich in der zweiten Lesung schon vorgetragen, nämlich jene Begründung, die mir durch einen der Ihren aus einer Ausschußsitzung zu Gehör kam. Ich will sie nicht wiederholen, Herr Dr. Schröder, aber ich bin
der Meinung, daß jemand doch nicht 25 Jahre im
Werk sein und Jubiläum gefeiert haben muß, bevor er einmal Rechte im Betrieb bekommt. Ich erinnere daran, daß einer der Ihren fünf Jahre vorgeschlagen hat.
({2})
Und wenn davon gesprochen wird, daß die vorgesehene Regelung eine Verbesserung des Gesetzes sei, dann möchte ich noch einmal ganz ernst auf den Inhalt des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 hinweisen. Das Kontrollratsgesetz Nr. 22 sieht in dieser Frage nur vor, daß demokratisch gewählt werden muß. Das ist alles, es muß demokratisch gewählt werden. Es stellt in dieser Hinsicht gar keine Bedingungen, wie Sie sie hier stellen.
in der Empfehlung, die der DGB für die Durchführung der Betriebsrätewahlen herausgegeben hat, ist ein halbes Jahr empfohlen worden, und viele Belegschaften haben das gutgeheißen, haben das in ihren Belegschaftsversammlungen angenommen und haben danach gehandelt. Ich kann Ihnen sagen, daß ich das damals nicht getan habe, und zwar deshalb nicht, weil ich darin schon eine Einengung der Rechte gesehen habe. Aber das spielt keine Rolle. Bleiben wir einmal bei dem Vorschlag des DGB. Wenn der DGB diesen Vorschlag macht, dann entspricht dieser Vorschlag dem Willen derer, die es angeht, entspricht dem Willen der Belegschaften. Was für einen Grund haben Sie denn dafür, gegen den Willen der Arbeiter und Angestellten in Ihren Betrieben nun einen solchen Vorschlag hier durchzusetzen? Welche Gründe liegen denn da vor? Ich kann nur sagen, Sie stoßen auf kein Verständnis bei der Arbeiter- und Angestelltenschaft mit diesem Vorschlag. Sie haben sich mit diesem Vorschlag bei den Arbeitnehmern wirklich sehr in Mißkredit gesetzt. Er bedeutet eine Einengung der
demokratischen Rechte. Was wollen denn die Arbeiter und Angestellten? Die Arbeiter und Angestellten wollen denjenigen wählen, von dem sie annehmen, daß er ihre Interessen wahrnimmt. Die Arbeiter und Angestellten schlagen daher den vor, den sie als ehrlichen und anständigen und ordentlichen Kerl kennen. Sie sehen gar nicht darauf, wie lange er schon beschäftigt ist. Und wenn jetzt eine Belegschaft so einen vorschlagen will, - warum will man ihr denn nun das Recht nehmen, solche Leute, die ihr Vertrauen haben, vorzuschlagen? Das stößt wirklich bei den Arbeitern und Angestellten auf kein Verständnis. Wenn man sich aber dann hierherstellt und davon spricht, dieses Gesetz sei fortschrittlicher, es bedeute eine Verbesserung gegenüber dem alten Gesetz und gegenüber den Ländergesetzen, die in keinem einzigen Fall eine längere Zeit als ein halbes Jahr vorsehen, dann ist das nur eine Täuschung der Öffentlichkeit.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei zu § 7, Umdruck Nr. 634 Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/DPB Umdruck Nt. 636 Ziffer 1 unter Berücksichtigung der sich daraus ergebenden redaktionellen Änderung in § 7. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem
({0})
Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Dann komme ich zur Abstimmung über die übrigen Sätze des Abs. 1 und über Abs. 2 - also § 7 in seiner Gesamtheit - unter Berücksichtigung der eben beschlossenen Änderung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 7 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; § 7 ist -angenommen.
Meine Damen und Herren, ich werde noch auf eine redaktionelle Änderung aufmerksam gemacht. In § 4 ist in der zweiten Beratung ein Buchstabe f eingefügt worden:
Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Unternehmer leben.
Ich werde darauf hingewiesen, daß es sinngemäß „Arbeitgeber" heißen müsse. Sind Sie damit einverstanden, daß wir das kurzerhand ändern?
({1})
- Es bestehen keine Bedenken dagegen.
Ich rufe § 8 auf. Dazu liegen übereinstimmende Änderungsanträge der Abgeordneten Stücklen und Genossen Umdruck Nr. 637 Ziffer 1, der Abgeordneten Euler und Genossen Umdruck Nr. 635 Ziffer 1 und der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 638 Ziffer 1 vor. Soll der Antrag begründet werden? - Herr Abgeordneter Besold!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir freuen uns, daß der in der zweiten Lesung von uns gestellte Antrag nun auch auf Umdruck Nr. 637 aus Kreisen der Koalition eine Unterstützung gefunden hat.
({0})
Das Betriebsverfassungsgesetz soll doch nicht schematisch, sondern organisch aufgebaut werden, Dazu gehört, daß neben der Wahrung der Interessen der Arbeitnehmer auch die Struktur der mittelständischen Wirtschaft in ihren sozialen und wirtschaftlichen Besonderheiten berücksichtigt wird. Aus diesen Gründen, denen ich noch diejenigen anfügen möchte, die ich bereits in der zweiten Lesung ausgeführt habe, ohne sie hier nochmals zu wiederholen, stellen wir diesen Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 638.
Ich möchte darauf hinweisen, daß für uns die Entscheidung dieser Frage von fundamentaler Bedeutung ist und daß wir uns bewußt hier zum Sprecher des Handwerks und der mittelständischen Wirtschaft machen, zumal diese Kreise schon bei der seinerzeitigen Entscheidung über das Investitionshilfegesetz und über das Kündigungsschutzgesetz nicht die entsprechende Berücksichtigung gefunden haben. Wir sind der Überzeugung, daß die Arbeitnehmer durch die übrigen gesetzlichen Bestimmungen in ihren Rechten auch gesichert sind, wenn die Betriebsräte erst von einer Zahl von 10 Arbeitnehmern an gebildet werden.
Wir beantragen namentliche Abstimmung, und ich bitte den Herrn Präsidenten, das Haus zu fragen, ob dieser Antrag Unterstützung findet.
Meine Damen und Herren, ich frage: wer unterstützt den Antrag auf namentliche Abstimmung? - Das sind keine 50 Abgeordnete; der Antrag ist nicht hinreichend unterstützt.
Der Herr Abgeordnete Richter hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat seine Ausführungen mit der Erklärung begonnen, er freue sich, daß diese Anträge, die er eben begründet hat, gestellt wurden. Ich habe dazwischen gerufen: „Warum freuen Sie sich?" Er ist mir die Antwort schuldig geblieben. Das sieht doch so aus, als ob die Betriebsräte in den Kleinbetrieben, in denen sie nun mit diesen Anträgen ausgeschlossen werden sollen, Feinde des Arbeitgebers wären. Wir haben doch bis jetzt immer die Worte gehört, daß dort zwischen Arbeitnehmern und Handwerksmeister bestes Einvernehmen herrsche. Warum will man denn da, wo es die Belegschaft will - es ist ja kein Muß, es ist ja kein Zwang, Betriebsvertretungen zu bilden -, der Belegschaft nicht das gesetzliche Recht geben, einen Betriebsrat zu bilden? Warum soll man sich freuen, daß dieser Betriebsrat untersagt ist? Das sieht nicht so aus, als ob dort die besten Verhältnisse herrschten.
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte Sie, bevor Sie abstimmen, auch darauf aufmerksam machen, um welche große Zahl von Arbeitnehmern und von Betrieben des Handwerks und der Landwirtschaft es sich hier handelt. Meine Zahlen sind nicht vollständig, sie sind geschätzt; ich kann also nicht für die Richtigkeit garantieren, aber sie entsprechen ungefähr den tatsächlichen Verhältnissen. Es sind innerhalb des Gewerbes und der Landwirtschaft bei einer Beschäftigtenzahl von 6 bis 10 Personen rund 400 000 Betriebe mit rund 3 Millionen Beschäftigten. Die schalten Sie aus. Da außerdem in anderen Fällen noch Anträge gestellt sind, die Beschäftigtenzahl auf 20 zu erhöhen, würde sich bei Annahme auch dieser Anträge die Zahl sogar auf ungefähr 6 Millionen Beschäftigte und zirka 1 Million Betriebe erhöhen. Das bedeutete also fast die Hälfte der in der Bundesrepublik Beschäftigten. Diesen Beschäftigten in den Klein-und Mittelbetrieben wollen Sie diese Rechte vorenthalten?
Ich bitte Sie, die Anträge abzulehnen.
Herr Abgeordneter Harig!
Gestatten Sie noch wenige Worte. Es ist nur allzu natürlich, daß diese Gesetzesvorlage in den Gewerkschaftseinheiten und in den Betrieben diskutiert worden ist. Das Ergebnis der Diskussionen, der Untersuchungen des Inhalts dieses Gesetzes drückte sich dann in den Demonstrationen und Kundgebungen aus. Ich will damit sagen: das Gesetz ist von der Arbeiterschaft wegen seines Inhalts abgelehnt worden. Aber der Inhalt, der ihm jetzt gegeben werden soll, war den Belegschaften nicht einmal bekannt. Der Inhalt des Gesetzes, der diskutiert worden ist, ist noch wesentlich verschlechtert worden.
Hier handelt es sich um den § 8. In § 8 der alten Vorlage heißt es:
In allen Betrieben, die in der Regel mindestens fünf ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigen, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gebildet.
Darüber ist in den Betrieben diskutiert worden. Nun sind Sie in der zweiten Lesung dazu übergegangen, eine ganze Anzahl derer, die Anspruch auf eine Vertretung durch dieses Gesetz erheben, auszuschließen. Sie haben die Land- und Forstarbeiter ausgeschlossen - unter 10 wahlberechtigten Arbeitnehmern -; Sie sind in der zweiten Lesung - ohne daß es draußen in den Betrieben und Ge({0})
werkschaften diskutiert worden war - dazu übergegangen und haben es verschlechtert. Und dann stellen Sie sich hin und sagen: Es ist nun einmal so, daß man, wenn man etwas aushandelt, Konzessionen machen muß. Das sind mir nette Konzessionen, die Sie der linken Seite dieses Hauses machen, wenn Sie das Gesetz noch verschlechtern!
Nun kommen Sie heute mit Ihrem Antrag Umdruck Nr. 635, und dieser Antrag sieht eine weitere Verschlechterung vor. Er sieht vor, daß die Metzger-, die Bäcker- und sonstige Handwerksbetriebe sowie außerdem der ganze Handel genau wie die Land- und Forstwirtschaftsbetriebe auszuschalten sind, wenn sie nicht mindestens 10 ständige wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigen. Sehen Sie, da können Sie sich doch nicht mit gutem Gewissen, ohne rot zu werden, hier hinstellen und von einer Verbesserung sprechen. Das können Sie doch nicht, wenn Sie anständige Menschen sind,
({1})
sondern dann müssen Sie doch zugeben, daß der Inhalt der Vorlage für die Arbeitnehmer besser war als die heutige Fassung. Geben Sie das zu und sagen Sie das auch draußen, dann sind wir mit Ihnen einig!
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über die übereinstimmenden Änderungsanträge der Umdrucke Nm. 635, 637 und 638, jeweils Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe! - Meine Damen und Herren, das zweite ist die Mehrheit; die Änderungsanträge sind abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 8 in der Fassung der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die ganz überwiegende Mehrheit; angenommen. Mit dieser Abstimmung haben sich die Änderungsanträge zu § 9 sachlich erledigt.
Ich rufe auf § 13, Änderungsantrag Umdruck Nr. 634 Ziffer 3.
Herr Abgeordneter Ludwig!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem am Mittwoch und Donnerstag unsere Anträge ohne Debatte abgelehnt worden sind, so daß es uns nicht möglich gewesen ist, Ihre Argumente kennenzulernen, halte ich es für zweckmäßig, diesen Antrag noch einmal zu begründen. Die Ausführungen des Herrn Dr. Schröder haben auch mir heute früh einen kleinen Hoffnungsschimmer gegeben; denn er hat erklärt, er stehe zu seinen Worten vom 27. Juli 1950. Ich werde sie nachher zitieren.
Einige Formulierungen sollten wirklich noch einmal überlegt werden, auch wenn man festgelegt, ist, wie es hier scheint. Zu § 13 Abs. 3 beantragen wir also noch einmal, die Verhältniswahl fallenzulassen und sich für die Mehrheits- oder Personenwahl zu entscheiden. Ich bitte Sie, zu bedenken, daß z. B. schon im nächsten Paragraphen, in § 14, die Berücksichtigung der verschiedenen Beschäftigungsarten vorgesehen ist. Wie soll man die Beschäftigungsarten oder die Sparten berücksichtigen, wenn sie nicht die Möglichkeit haben, Einzelvorschläge oder Vorschläge der Sparten zu unterbreiten? Nur wenn jeder frei wählen kann, kann das berücksichtigt werden, was hier vorgesehen ist, können die besten Leute in den Vordergrund kommen. Die Praxis hat gezeigt, daß die Arbeiter und Angestellten in loyaler Weise, wenn in Betriebsversammlungen darauf hingewiesen wird, Vertreter der einzelnen Sparten wählen, und im allgemeinen waren die Betriebsräte tatsächlich auch entsprechend zusammengesetzt. Die Verhältniswahl macht dies einfach unmöglich. Es könnte z. B. sein, daß die Spitzenkandidaten aller Listen aus derselben Abteilung sind. Dann ist das, was in § 14 vorgesehen ist, schon nicht möglich.
Ich möchte die Frage aufwerfen: Wer soll denn Listen einreichen? Gewiß, infolge des Industriegewerkschaftsprinzips wird es in der Regel so sein, daß eine Liste kommt, und da ist es ja auch nach dem vorliegenden Gesetz, wenigstens nach der bisherigen Fassung, möglich, die Mehrheitswahl durchzuführen. Ich möchte aber auch auf die Gefahr hinweisen, daß, wenn die Verhältniswahl möglich ist, selbstverständlich sehr bald Listen zunächst von antidemokratischen extremen 'Gruppen kommen werden. Wir haben ja in Bayern gewisse Erfahrungen und die Feststellung gemacht, daß ungefähr 1000 Betriebsräte - das ist nicht die ganz genaue Zahl, sie wird aber ungefähr stimmen - unorganisiert, d. h. unkontrollierbare Elemente sind. Es ist gar nicht zu vermeiden, daß dann, wenn die extremen Gruppen erst einmal den Vorstoß gemacht haben, auch die übrigen Parteien kommen werden und wir dann in den Betrieben den schönsten Parteienkampf, d. h. die Politisierung der Betriebe bekommen. Ich glaube, das wollen weder Sie noch wir.
Im politischen Leben ist es verständlich, wenn I von den Parteien die Verhältniswahl verlangt worden ist. Ich selbst war auch immer Anhänger der Verhältniswahl im politischen Leben. Sie wissen aber auch, daß das heute schob sehr umstritten ist und daß wir uns auch bei der Bundestagswahl für eine Kombination von Persönlichkeitswahl und Verhältniswahl entschieden haben.
Nun möchte ich alber noch eine andere Frage aufwerfen. Wie kommt man dazu, wenn man im öffentlichen Leben die Persönlichkeitswahl verlangt, ausgerechnet für die Betriebe ,die Verhältniswahl zu verlangen? Da uns weder im Ausschuß noch bei den Beratungen 'der zweiten Lesung Argumente geboten worden sind, habe ich auch einmal das Protokoll von 1950 nachgeschlagen und festgestellt, was damals Herr Dr. Schröder gesagt hat. Er erklärte:
. . ., daß wir weitgehend an die Stelle der Listenwahl eine Persönlichkeitswahl gesetzt zu sehen wünschen
({0})
und uns damit auch in Übereinstimmung mit unseren grundsätzlichen Forderungen zum Wahlrecht halten, . . .
Sie sehen also, daß es auch in der Linie prominenter Leute der Regierungsparteien liegt, unserem Antrag stattzugeben. Gerade aus diesen Ausführungen und aus der Erklärung Dr. Schröders von heute früh, daß er zu seinen Worten steht, schöpfe ich die Hoffnung, daß Sie unserem Antrag doch noch zustimmen und damit eine zeitgemäße und vernünftige Entscheidung fällen. Im größten Teil des Bundesgebiets ist bis jetzt in dieser Weise gewählt worden. Dieses Wahlsystem, die Persönlichkeitswahl im Betrieb, ist also eine Art Ge({1})
wohnheitsrecht geworden. Es wäre sehr wünschenswert, wenn das nun auch im neuen Gesetz für das ganze Bundesgebiet festgelegt würde.
Ich appelliere deshalb noch einmal an Sie, meine Damen und Herren, diese Sache außerordentlich ernst zu nehmen, sie noch einmal reiflich zu überlegen, denn auch Sie wollen, daß nur die Besten in den Betriebsrat gewählt werden, und wollen bestimmt auch nicht die Politisierung der Betriebe. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Agatz.
Meine Damen und Herren! Nachdem schon in § 1 entschieden wurde, daß dieses Gesetz nicht für die Betriebe des öffentlichen 'Dienstes und der Verwaltungen Geltung hat, nachdem dort also schon eine Aufspaltung der Arbeitnehmerschaft in Arbeitnehmer der privaten Industrie und solche der öffentlichen Dienste vorgenommen wurde, soll nunmehr hier in § 13 eine weitere Aufspaltung erfolgen. Das ist der Sinn der Fassung dieses Paragraphen, darum will man hier einmal auf Verhältniswahl und, ein anderes Mal auf Gruppenwahl hinaus. Es ist sehr richtig gesagt worden, daß die Verhältniswahlen dahin führen müssen, daß sich in den Betrieben die Arbeiter aufgesplittert gegenübertreten, und das soll ja auch wohl der Zweck dieses Gesetzes sein. Das wollen Sie ganz ohne Zweifel erreichen. Sie 'wollen die Einheitlichkeit, die Solidarität der Arbeiterschaft zerstören. Sie wissen, Ihr Prinzip heißt: Teilen und dann herrschen! Sie meinen, daß Sie mit einer aufgespaltenen Arbeiterschaft eben besser fertig werden können. Wir können 'deswegen nur 'den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion unterstützen, weil es uns leider infolge der Geschäftsordnung nicht möglich ist, noch eigene Anträge zu stellen. Wir wollen von 'hier aus den Arbeitern sagen, sie sollen unter allen Umständen an ihrer Einheitlichkeit festhalten. 'Dieser Paragraph ist ein sehr gefährlicher Anschlag auf ihre Interessen, er soll sie 'durcheinander- und gegeneinanderbringen, er soll sie somit wehrlos machen und den Unternehmern ausliefern.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die idem Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffer 3 zu § 13 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 13 in der Fassung der zweiten Beratung zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 13 ist angenommen.
Ich rufe § 20 mit 'den Änderungsanträgen der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffern 4 und 5 auf. Sollen die Anträge begründet werden? - Herr Abgeordneter Keuning!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir messen der Jugendvertretung und ihrem Funktionieren in den Betrieben solch große Bedeutung zu, daß wir 'den Punkt auch heute in der dritten Lesung nochmals aufgreifen.
Ich will aber im wesentlichen auf die Begründung in der zweiten Lesung hinweisen.
({0})
- Ich habe gesagt: im wesentlichen!
({1})
Ich habe Ihnen in der zweiten Lesung die Zahlen meines Wahlkreises bekanntgegeben und darauf 'hingewiesen, daß in meinem Wahlkreis mit dem Inkrafttreten 'dieses Gesetzes ca. 50 % der heutigen Jugendsprecher nicht mehr Jugendsprecher sein könnten, weil Sie ja nun in diesem Gesetz festgelegt haben, daß Jugendsprecher höchstens ein Alter von 21 Jahren haben dürften.
({2})
- Herr Kollege 'Sabel, Sie wissen, daß wir im Ausschuß 'bereits das vollendete 30. Lebensjahr festgelegt hatten. Die erste Fassung des Arbeitskreises hat das auch der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Ich habe mich erkundigt und möchte Ihnen sagen, wie es nun im Wahlkreis des Herrn Bundeskanzlers aussieht. Ich hoffe, daß Sie ihm das nicht antun werden, mit der Annahme der Vorlage in der von Ihnen vorgeschlagenen Form auch hier 50% der jetzt tätigen Jugendsprecher außer Amt zu setzen. Ich glaube auch, daß es nicht zufällig ist, daß in meinem Wahlkreis und ' im Wahlkreis 'des Kanzlers die Zahl so um 50 % liegt. Ich habe im Ausschuß ähnliche Ausführungen gemacht. Ich nehme an, daß es so etwa im ganzen Bundesgebiet aussehen wird, daß also etwa die Hälfte aller Jugendsprecher zwischen 21 und 24 Jahren alt ist. Ich möchte nicht, daß plötzlich die ganze Jugendbewegung in den Betrieben von heute auf morgen vor der Frage steht, wie nun den notwendigen Nachwuchs schaffen. 'Die meisten von Ihnen wissen, wie schwer das in den Betrieben ist.
Ich hoffe, mit 'der Bekanntgabe 'dieser Zahlen Sie doch ein wenig nachdenklich gemacht zu haben und gebe mich der Hoffnung hin, daß Sie unserem Antrag zustimmen werden.
({3})
Das ist die Begründung für Abs. 2. Wie ist es mit Abs. 3? Herr Abgeordneter Preller!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon in der zweiten Lesung über die Frage gesprochen, wie es mit den Betrieben besonderer Art ist, die Betriebsräte anderer Art haben müssen. In jedem Betriebsrätegesetz ist diese Frage geregelt gewesen, weil es gar nicht strittig ist, daß für solche Gewerbezweige wie etwa das Baugewerbe das Recht geschaffen werden muß, daß sie eine Betriebsvertretung entsprechend ihrer Eigenart schaffen. Das ist ein sachliches Erfordernis. Die Schwierigkeit bemerkt man erst dann, wenn man diesen Grundsatz durchführen will; denn dann muß die Frage entschieden werden - und das ist der Grund, weshalb ich hier noch einmal unseren Antrag begründe -, ob die dazu erforderliche tarifvertragliche Regelung völlig frei sein oder unter irgendeiner behördlichen Aufsicht stehen soll.
Meine Damen und Herren, wer sich mit Arbeitsrecht beschäftigt, weiß, daß das eine sehr grundsätzliche Frage des Arbeitsrechts ist, die hier angesprochen wird, eben die Frage, wieweit die Selbständigkeit des Tarifabschlusses gehen soll, also die Frage der tarifvertraglichen Autonomie. Das L ist nicht nur eine wissenschaftliche, sondern, wie
({0})
mein Kollege Wönner das leite Mal auf Grund seiner Lebenserfahrung in den Betrieben ausgeführt hat, eine eminent praktische Frage. Wem es mit der Gestaltungsfreiheit der Tarifparteien ernst ist, der muß ihnen auch ein freies Spiel der Tarifgestaltung in den Fragen der Betriebsverfassung gewähren. Diese freie Gestaltung auch hinsichtlich der Betriebsverfassung ist vor drei Jahren in dem Tarifvertragsgesetz festgelegt worden. Damals hatte man den Mut, wenn man so sagen will, zu einer freien Tarifgestaltung. Ich darf auch daran erinnern, daß sich in Hattenheim die Arbeitgeber noch eindeutig für die Autonomie ausgesprochen haben, nämlich in der Selbstverwaltung der Bundesanstalt und im Schlichtungswesen. Um so schwerer erscheint es mir und uns verständlich, warum sich die Herren, die Arbeitgebervertreter in den Ausschüssen sind,
({1})
bzw. die Vertreter von Arbeitgeberinteressen sind, die über die Parteien in die Ausschüsse gekommen sind,
({2})
nun der Skepsis gegenüber den Tarifparteien angeschlossen haben, also eigentlich der Skepsis gegenüber sich selbst. Diese Skepsis ist, wie wir uns erinnern, in den Ausschuß im Grunde erst durch die Bürokratie hineingetragen worden.
Wenn ein solcher Tarifvertrag von der Zustimmung von Behörden abhängig gemacht wird, tut man etwas, was, abgesehen von dem „Sündenfall" der Verbindlicherklärung, in der Weimarer Republik niemals gutgeheißen worden ist, weder von der Praxis noch von der Wissenschaft. Man hat vielmehr stets die völlig ungehinderte Gestaltung durch die Tarifparteien als die Grundvoraussetzung des kollektiven Arbeitsrechts angesehen. Ich frage: Hat man denn eigentlich Angst, daß die Tarifparteien für die hier in Frage kommenden Betriebe etwas Fortschrittlicheres schaffen könnten, als in dem Gesetz steht? Man könnte beinahe auf diese Idee kommen, wenn man sich Ihre Ablehnung unseres Antrags auf Streichung der behördlichen Zustimmung in der zweiten Lesung noch einmal vor Augen hält. In der Begründung der Vorlage heißt es, daß man solche Abweichungen vom Gesetz nicht ohne Mitwirkung staatlicher Stellen will und streicht dabei plötzlich deren parlamentarische Verantwortung heraus. Da frage ich mich, warum man in diesem Gesetz und an dieser Stelle so vorsichtig ist, während man in der Weimarer Republik eine so wichtige Abweichung vom Gesetz wie die tarifliche Regelung der Mehrarbeit den Tarifparteien völlig überlassen hat ohne einen behördlichen Eingriff. Hat man in der Frage der Überstunden das Vertrauen in die Tarifparteien. daß sie die ihnen gegebenen Möglichkeiten nicht in gefährlicher Weise ausnutzen, so sollte man das gleiche Vertrauen auch hinsichtlich der Betriebsverfassung haben. zumal ein Tarifvertrag doch nur entstehen kann, wenn Gewerkschaften und Arbeitgeber übereinstimmen.
({3})
Sie haben unseren Antrag in der zweiten Lesung abgelehnt. Wir machen Ihnen nunmehr aus diesem Grunde einen Kompromißvorschlag. der Ihnen aus den Ausschußberatungen bekannt ist. Wir bitten Sie dabei, die Hemmungen zu überwinden, die Sie damals im Ausschuß gegen diesen
Vorschlag hatten und denen dort insbesondere von behördlicher Seite Ausdruck gegeben worden ist. Wenn nämlich von Ihnen eine gewisse Überwachung durch die Behörde durchaus für erforderlich gehalten wird, dann möchten wir Sie bitten, doch wenigstens den Tarifparteien die Tarifautonomie zu bewahren. Geben Sie entsprechend unserem Vorschlag den Arbeitsministerien nicht mehr Rechte als das Recht, Bedenken gegenüber den Tarifparteien dann zu erheben, wenn die Behörde etwa glaubt, daß das von den betreffenden Arbeitgebern gemeinsam mit den Gewerkschaften gefundene andere Betriebsvertretungsrecht zu irgendwelchen Anständen Anlaß gibt. Ich kann mir gar nicht vorstellen, welche Anstände das überhaupt sein sollten. Aber bewahren Sie, meine Damen und Herren, auf diese Weise den Tarifparteien das Recht der eigenen Gestaltung und nähern Sie diese Tarifverträge nicht in so gefährlicher Weise den früheren Tarifordnungen. Es geht hier wirklich um eine grundlegende Entscheidung. Sollten Sie politische Bedenken haben, dann stellen Sie sie zurück hinter dem Gedanken, der uns gemeinsam bewegt, dem Gedanken der Freiheit der Gestaltungsmacht der Tarifparteien.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Freudenberg.
Freudenberg ({0}): Meine Damen und Herren! Aus praktischer Betriebserfahrung heraus bitte ich, dem sozialdemokratischen Antrag, die Wählbarkeit der Jugendvertreter statt bis zum 21. bis zum 24. Lebensjahr auszudehnen, die Zustimmung zu geben.
({1})
Herr Abgeordneter Harig!
Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß es in diesem Hause bisher wenigstens einen gegeben hat, der eingesehen hat, daß man noch etwas ändern muß, und es ist erfreulich, festzustellen, daß es sich hierbei um den Abgeordneten Kollegen Freudenberg handelt.
({0})
Aber dieser Punkt ist nicht der einzige, der Veranlassung gibt, darauf hinzuweisen. daß das, was heute morgen gesagt worden ist, nicht stimmt, daß das nicht in Ordnung ist und daß dieses Gesetz keine Verbesserung darstellt. Man könnte das Paragraph für Paragraph nachweisen. Das veranlaßt mich, jedesmal hier heraufzukommen. Denn heute morgen ist hier ziemlich dreist, für die Öffentlichkeit bestimmt. gesagt worden: dieses Gesetz ist besser als das vorhergehende. Sehen Sie, die Jugend ist durch dieses Gesetz vollkommen ausgeschaltet. Es handelt sich ja nicht nur darum. daß jemand bis zu 24 Jahren gewählt werden darf, wie es jetzt vorgeschlagen worden ist, sondern es handelt sich auch darum: wo kann iemand gewählt werden, wieviel können gewählt werden? Der sozialdemokratische Vorschlag sieht so. wie es im § 9 für die älteren Arbeiter vorgesehen ist. vor, daß in Betrieben mit fünf bis zwanzig jugendlichen Arbeitnehmern ein Jugendvertreter gewählt werden kann, während Sie in der Ausschußvorlage schreiben. daß in Betrieben mit fünf bis fünfzig jugendlichen Arbeitnehmern ein Jugendvertreter gewählt werden kann. Sehen Sie, dagegen muß man sich wehren. Es gibt doch Betriebe - stellen
({1})
Sie sich das vor -, in denen 40 oder - seien wir einmal ganz genau - 49 junge Menschen arbeiten. Da soll ein einziger Jugendvertreter die Interessen dieser 49 wahrnehmen! Es gibt doch so vielseitige Interessen der Jugendvertretung, gerade heute, wo die Jugend so gefährdet ist. Da hat es doch keinen Zweck, den Kopf in den Sand zu stecken und sich vor den Tatschen zu verschließen.
Außerdem möchte ich darauf hinweisen, daß die Jugend dadurch besonders benachteiligt worden ist, daß man ihr in § 35 nur das Recht gibt, mit beratender Stimme an den Sitzungen des Betriebsrats teilzunehmen. Dagegen muß man sich wehren. Dagegen sträubt sich die gesamte Jugend. Darüber hat sich die Jugend unterhalten, und daher war die Jugend auch so sehr aktiv bei den Aufmärschen, die aus Protest gegen dieses Gesetz durchgeführt worden sind. Jugend ist nun einmal Jugend, und die Jugend soll Nachfolger sein, Nachfolger für die vielen, die während des Dritten Reiches durch die Schuld der Nazis ausgefallen sind aus dem gewerkschaftlichen Funktionärkörper. Diese Jugend vernachlässigt man jetzt noch weiter. Man nimmt ihr die Rechte, die sie seit 1945 bis jetzt, verbrieft oder unverbrieft, gehabt hat, vielenorts unverbrieft, oft aber auch verbrieft, durch betriebliche Vereinbarungen festgelegt. Diese Rechte nimmt man ihr jetzt. Kollege Keuning hat vollkommen recht: eine ganze Reihe von Jugendsprechern müssen einfach abdanken, weil sie das im Gesetz vorgeschriebene Alter überschritten haben. Ich kenne Jugendsprecher, die 25 und 26 Jahre alt sind, die im Mittelpunkt der Jugend stehen und nur die Interessen der Jugend bisher vertreten haben und noch weiter vertreten wollen, die das Vertrauen der Jugend besitzen. Die sollen nun einfach entrechtet werden. Ich halte das für ein großes Unrecht. Die Jugend wird Ihnen darauf wohl auch etwas zu sagen haben.
({2})
- Bitte? Stimmt's nicht, was ich sage?
({3})
- Überprüfen Sie das, was ich Ihnen gesagt habe, und Sie werden sehen, daß ich recht habe!
Aber ich will Ihnen noch etwas anderes sagen: Gerade die Regierungskoaliton, gerade diese Regierung stellt doch jetzt große Ansprüche an die Jugend! Sie erklärt doch ganz offen, daß sie die Remilitarisierung durchführen und die Jugend zu Kanonenfutter benutzen will. Das erklärt sie doch ganz offen! Die Jugend soll zum Totschießen alt genug sein, wenn sie 17 Jahre alt ist. Soll ich Sie daran erinnern? Gerade Sie, Herr Majonica, Sie waren es doch auch selber, Sie waren doch vielleicht auch mit 14 Jahren Flakhelfer, dazu waren Sie gut genug! Aber jetzt will man dieser Jugend das demokratische Recht absprechen. Ich kann Ihnen nur eins sagen: bei jedem Paragraphen, der hier behandelt wird, sind wir in der Lage, nachzuweisen, daß all das, was Sie hier sagen, nur ein Täuschungsmanöver darstellt.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Herr Abgeordneter Freudenberg, ich habe Ihren Antrag dahin verstanden, daß Sie in Abs. 2 in der Fassung der zweiten Beratung an die Stelle der
Worte „21. Lebensjahr" die Worte „24. Lebensjahr" setzen wollen. Ist das richtig?
({0})
Es liegen also vor der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck Nr. 634 Ziffer 4, der Antrag des Herrn Abgeordneten Freudenberg und der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu Abs. 3, Umdruck Nr. 634 Ziffer 5.
Ich darf zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffer 4 abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Freudenberg, im letzten Satz des Abs. 2 an die Stelle der Worte „21. Lebensjahr" die Worte „24. Lebensjahr" zu setzen. Ich bitte die 'Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. -Das ist die ganz überwiegende Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Ich bitte nunmehr die Damen und Herren, die dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu § 20 Abs. 3 - Umdruck Nr. 634 Ziffer 5 - zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die 'Gegenprobe. - Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 29. Dazu liegt der Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Umdruck Nr. 634 Ziffer 6 vor.
Herr Abgeordneter Wönner zur Begründung.
({1})
Ist bereits abgelehnt worden!
Meine Damen und Herren, ich bitte um Entschuldigung. Nachdem die Änderungsanträge erledigt sind, muß ich noch über § 20 in der geänderten Fassung abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 20 insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -Das erste war die Mehrheit; § 20 ist angenommen. - Ich bitte um Entschuldigung, Herr Abgeordneter Wönner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben es für zweckmäßig und notwendig erachtet, auch zu § 29 Abs. 3 unseren schon in der 'zweiten Lesung eingebrachten Ergänzungsantrag wieder einzubringen. Zwar mag zunächst das gestellte Teilproblem die Sache nicht bedeutsam genug erscheinen lassen; aber es ist nichts, was über die Tatsache hinwegtäuschen könnte, 'daß es im Rahmen der Gesamtfrage doch ein Grundproblem der Entwicklung modernen Betriebsverfassungsrechts berührt - nämlich die Mitwirkung der Gewerkschaften auch bei der Einberufung von Betriebsratssitzungen -, des modernen Betriebsverfassungsrechts, so wie wir es begreifen; dessen Erfordernisse von der Erkenntnis bestimmt sind, daß es gilt, den mechanisierten und entseelten Arbeitsalltag im Betrieb aus der Sphäre der Entpersönlichung dadurch herauszuführen, daß der Persönlichkeitswert auch des arbeitenden Menschen durch Mitverantwortung, d. h. durch Mitbestimmung wieder- und weiterentwickelt werde. Dies ist um so mehr erforderlich, als der Arbeitsraum des arbeitenden Menschen in einem hohen Grade gleichzeitig auch sein Lebensraum ist
({0})
Nicht nur die nicht ausreichende Berücksichtigung des berechtigten materiellen Anspruchs des Arbeitenden, sondern vor allem auch die fehlende Anerkennung seines Anspruchs auf die Würde als Mensch schafft jene psychischen Spannungen, die in der Regel ihren Niederschlag nicht nur im Betriebe finden, sondern auch in die allgemeine gesellschaftliche Sphäre hinüberschlagen. Alle syndikalistischen und in ihrer letzten Konsequenz nihilistischen Vorstellungen haben ihre Wurzel in der Tatsache, daß Arbeits- und Betriebserlebnis den arbeitenden Menschen nicht mehr voll zu erfüllen vermögen und ihn in einer immer größeren Leere zurückgelassen haben. So war schon immer der Betrieb Ursache und Ausgangspunkt sozialer Störungen, die im Gesellschaftsganzen sichtbar geworden sind.
Nur wer diese ständige Wechselwirkung zwischen Betrieb und allgemeinem gesellschaftlichen Sein anzuerkennen bereit ist, wird die Notwendigkeit erkennen, daß auch im Betriebsverfassungsrecht nicht nur das Betriebserlebnis in seinen Wirkungen nach außen seinen Niederschlag finden kann, daß gesellschaftspolitische Gesamtvorstellungen notwendig in den Betrieb zurückwirken müssen. Auf dieser Grundtatsache ist die Forderung aufgebaut, daß innerhalb des Betriebsverfassungsrechts auch den Gewerkschaften der ihnen gebührende Raum zugewiesen werde. Und wenn der Betriebsrat von der Arbeitnehmerseite her zentraler Mittelpunkt betriebverfassungsrechthchen Geschehens ist, dann muß den Gewerkschaften notwendig das Recht eingeräumt werden, ihrerseits an der innerbetrieblichen Gestaltung dieses Betriebsverfassungsrechts teilzuhaben.
Wenn so vom Allgemeinen her der Anspruch der Gewerkschaften auf das geforderte Antragsrecht ausreichend begründet erscheint, so ist er nicht minder begründet auch aus dem innerbetrieblichen Geschehen heraus; und zwar sind es hier, wie ich persönlich glaube, zwei parallel laufende Vorstellungen, die die Anerkennung der gewerkschaftlichen Ansprüche und Forderungen nicht nur als berechtigt, sondern auch als notwendig erscheinen lassen. Zunächst wird der Betriebsrat selbst, und zwar in der Regel, das sei gern zugegeben, das Bedürfnis haben, Vertreter der Gewerkschaften in der Betriebsratssitzung anwesend zu sehen, ganz besonders dann, wenn schwierige Materien zur Beratung stehen, zu deren Bewältigung er sich des Rates der Gewerkschaften bedienen möchte. Es kann aber auch - das ist der bedeutsame Teil - .der Umstand eintreten, daß der Betriebsrat einen zunächst nur betriebsbezogen in Erscheinung tretenden sozialen Unruheherd nicht ausreichend zu erkennen und seine Wirkungen in den allgemeinen gesellschaftlichen Raum hinein nicht ausreichend abzuschätzen vermag. Ehe nun aber von einem Betrieb her Spannungsfelder erzeugt werden, die zu leicht den Funken in andere Betriebe überschlagen lassen, muß die Möglichkeit zur Bereinigung solcher Spannungen bestehen, und sie ist nur dann gewährleistet, wenn der Generalbeauftragte in der Arbeitnehmerbewegung, nämlich die Gewerkschaft, die Möglichkeit hat, rechtzeitig in dieses interne Betriebsgeschehen einzugreifen.
Dazu kommt, daß eine mehr oder minder große Zahl der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ihrerseits den Wunsch haben, daß eine bestimmte Materie rechtzeitig und ausreichend im Betriebsrat behandelt werde. Dann muß die Gewerkschaft
- und das scheint eine demokratische Grundsatzfrage zu sein - die Möglichkeit haben, die Abhaltung einer Betriebsratssitzung mit einer bestimmten Tagesordnung zu beantragen. Ja, im Interesse der Wahrung des Betriebsfriedens und der Auflösung etwa bereits vorhandener innerbetrieblicher Spannungen ist die Möglichkeit eines solchen Vorgehens eine absolute Notwendigkeit.
So ist also von der Belegschaft, vom Betriebsrat, vom Gesamtbetrieb und von seinen möglichen Wirkungen auf das allgemeine soziale Geschehen her der von meiner Fraktion angemeldete Gewerkschaftsanspruch wohl begründet. Ich darf Sie aus diesem Grunde bitten, dem Ergänzungsantrag zu § 29 Abs. 3 meiner Fraktion Ihre Zustimmung zu geben.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 zu Ziffer 6. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 29 in der Fassung der zweiten Beratung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 29 ist angenommen.
Ich rufe auf § 39 a, Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffer 7. - Frau Abgeordnete Döhring zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Namens der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich Sie bitten, sich die Zweckmäßigkeit und die Notwendigkeit des Antrags zu Ziffer 7 im Umdruck Nr. 634 noch einmal zu überlegen. Nach diesem Antrag sollen die Betriebsratsmitglieder beurlaubt und ihnen der Verdienstausfall vom Arbeitgeber bezahlt werden, wenn sie an Veranstaltungen der Gewerkschaften teilnehmen, die von diesen zur Unterrichtung oder zur Information der Betriebsräte veranstaltet werden.
Bei unserem Antrag handelt es sich nicht etwa um eine neue Forderung, sondern vielmehr darum, bereits bestehendes Länderrecht in dem Bundesgesetz zu verankern. Schon auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 konnten sinngemäße Vereinbarungen betrieblich abgeschlossen werden. Vor allem aber enthalten die Landesgesetze von Südbaden und Württemberg-Hohenzollern in den §§ 11 bzw. 35 jene positiven Verpflichtungen durch die Arbeitgeber, die unser Antrag beinhaltet. Herr Dr. Schröder, nachdem Sie und Ihre Koalition dieses bereits seit Jahren praktizierte Recht in dem vorliegenden Bundesgesetz-Entwurf nicht aufgenommen haben, können Sie doch wahrlich nicht davon sprechen, wie Sie es heute hier getan haben, daß tiefgreifende sozialpolitische Verbesserungen geschaffen seien.
({0})
Gehen Sie doch einmal in die Betriebe im südwestdeutschen Raum und hören Sie sich dort den Unwillen und die Empörung der Arbeiter an, die jetzt ihres Rechtes verlustig gehen sollen!
Ich will es mir ersparen, die in Frage stehenden Bestimmungen noch einmal zu zitieren. Sie können
({1})
sich ja an Hand der Landesgesetze selbst davon überzeugen, daß es sich bei unserem Antrag um bereits bestehendes Recht handelt. Dieses Recht wurde in jenen Ländern in Südwestdeutschland geschaffen, in denen Ihre Parteifreunde, meine Herren und Damen von der CDU, die Regierung stellten. Ich darf hinzufügen, daß sich diese Bestimmungen nur zum Guten ausgewirkt haben. Fragen Sie einmal - und das ist an die Adresse des Herrn Bundesarbeitsministers gerichtet - Ihren seitherigen Amtskollegen, Herrn Arbeitsminister Wirsching; er wird Ihnen bestätigen können, daß sich das bis zur Stunde dort noch bestehende Betriebsräterecht durchaus bewährte und gute positive Auswirkungen in den Betrieben hat. Gerade Sie, Herr Dr. Wellhausen - er ist leider nicht da -, haben 'doch in den Ausschußberatungen immer betont - und auch andere von Ihrer Fraktion -, wie sehr auch Ihnen daran gelegen ist, es mit gutgeschulten und verständnisvoll handelnden Betriebsräten zu tun haben zu wollen. Gewiß bringt ein vernünftiger Mensch mit gesundem Menschenverstand von Hause aus das mit, was er zur Erfüllung von Betriebsräteaufgaben braucht. Aber Sie werden mir doch zugeben müssen, daß es schon in Anbetracht der Aufgaben und der Pflichten, die den Betriebsräten durch das Bundesgesetz auferlegt sind, aber auch ganz allgemein im Interesse einer guten Zusammenarbeit im Betriebe sowie zum Wohle des Betriebsganzen und darüber hinaus der Volkswirtschaft notwendig und unerläßlich ist, die Betriebsräte laufend zu unterrichten und weiterzubilden. Das wird und muß geschehen. Die Gewerkschaften werden deshalb - ihrer Aufgabenstellung entsprechend - die Betriebsräte nach wie vor laufend unterrichten. Sie, meine Herren und Damen von der Regierungskoalition, können doch nicht etwa den Standpunkt vertreten, daß die Betriebsräte hierzu ihre Urlaubszeit verwenden sollten, die sie doch genau so dringend wie Sie und ich zum Ausspannen und zur Erholung brauchen.
Es ist verständlich, wenn die Tatsache, daß es sich bei diesem unserem Antrage um bereits bestehendes Recht handelt, auch auf Seiten 'der Regierungskoalition nicht allen bekannt ist. Sie alle haben aber wohl vorgestern die Erklärung des Herrn Dr. Schröder gehört, die er namens der Regierungskoalition hier abgegeben hat, es handle sich bei diesem Bundesbetriebsverfassungsgesetz um ein fortschrittliches Gesetz. - Nun, bis zum Augenblick habe ich noch eine ganz kleine Hoffnung, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, daß Sie 'dieses bereits bestehende Recht den Arbeitnehmern zu erhalten bereit sind.
Meine Freunde von der sozialdemokratischen Fraktion beantragen deshalb, einen zusätzlichen § 39 a zu schaffen.
({2})
- Diese Auffassung, Herr Sabel, könnten Sie wirklich für sich behalten. - Sollten Sie auch diesen Antrag ablehnen, dann haben Sie eben einmal mehr das Recht verwirkt, von diesem Platze aus von einem fortschrittlichen Gesetz für die Arbeitnehmerschaft zu sprechen.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der SPD, den § 39 a einzufügen, Umdruck Nr. 634 Ziffer 7, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - 'Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 54, Umdruck Nr. 634 Ziffer 8. - Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch diese Sache hat unsere Fraktion noch einmal für die dritte Lesung aufgegriffen, weil durch diese Formulierung des § 54 Abs. 2 nach unserer Meinung draußen einige bedenkliche Erscheinungen sichtbar werden. Ich darf daran erinnern, daß wir in der zweiten Beratung einige wesentliche Gründe für die Streichung der Worte „nach Abs. 1 Buchstabe b" gebracht haben, und möchte mich jetzt für meine Fraktion auf 'die Ausführungen in 'der zweiten Beratung beziehen und nur noch einige kurze ergänzende Bemerkungen machen.
In der zweiten Beratung habe ich gesagt, daß es einen bestimmten Kreis von Unternehmern gibt, der zum Teil aus Kurzsichtigkeit, zum Teil aber auch aus Böswilligkeit bestimmte Dinge einfach nicht will. 'Hierzu gehören diejenigen - und da darf ich bitten, Herr Dr. Schröder, daß auch Sie, der Sie ja von Ihrem Verantwortungsbewußtsein in der Begründung Ihrer eigenen Vorlage gesprochen haben, der Sie auch heute wieder dieses Verantwortungsbewußtsein herausgestellt haben, sich in Ihrem politischen Verantwortungsbewußtsein, das Sie auch namens Ihrer Fraktion hier zum Ausdruck gebracht haben, sich das einmal vergegenwärtigen -, die sich als politische Rückversicherer nach der einen oder anderen radikalen Seite hin zu binden versuchen. Und gerade all diesen Leuten würde hiermit Tür und Tor geöffnet, und sie würden jeder möglichen Kontrolle entzogen. Haben Sie aber in diesem Zusammenhang einen Betriebsrat - und die Betriebsräte sind in 99 v. H. der Fälle in Ordnung; 'das wird wohl von Ihrer Seite aus nicht bestritten -, 'dann haben Sie im Betriebsrat selbst die Gewähr einer demokratischen Kontrolle für antidemokratische Tendenzen, die gegebenenfalls von den Betriebsleitungen und Unternehmensleitungen verfolgt werden. Das sind die entscheidenden Gründe, die uns veranlaßt haben, diesen Punkt noch einmal aufzunehmen. Ich glaube, wenn Sie ernsthaft Wert darauf legen, neben der politischen Demokratie als der Stütze gesellschaftlicher Demokratie auch auf 'diesem Wege die 'Ergänzung über die wirtschaftliche 'Demokratie zu schaffen. dann machen Sie unsere gesellschaftliche Demokratie überhaupt erst lebensfähig.
Hinzu kommt noch eins, was ich als Beispiel anführen möchte. In der Märznummer des „Deutschen Handwerksblattes" hat eine Veröffentlichung gestanden, die besagt, daß die Sozialistische Reichspartei - wer das ist, brauche ich hier im einzelnen nicht zu erläutern - sich im Niedersächsischen Landtag für den Großen Befähigungsnachweis in Form eines Antrages eingesetzt habe. Ohne irgendwelchen Kommentar hat das „Deutsche Handwerksblatt" das abgedruckt. Das ist nicht das einzige Symptom und bezieht sich jetzt nicht nur auf das „Deutsche Handwerksblatt", sondern das bezieht sich auf einen ganz bestimmten Kreis von Unternehmern überhaupt. Wenn das so kommentarlos den Handwerkern gegeben wird, dann bedeutet das bis zu einem bestimmten Grade wieder die
({0})
Salonfähigmachung der Nachfolger der Faschisten,
die uns ja in dieses Elend hineingebracht haben.
({1})
- Das hat insoweit etwas mit dem Gesetz zu tun: wenn Sie nicht über diese Dinge hinaus, die Sie hier vorgesehen haben, in der Form, wie wir es Ihnen vorschlagen, die Möglichkeit schaffen, daß solche antidemokratischen Unternehmer, die die Bindungen auch nach der andern Seite suchen, daran durch die Betriebsräte gehindert werden können, dann schaffen Sie von dieser Seite aus das, was wir in der Weimarer Republik schon einmal erlebt haben und was praktisch zum Ruin der Demokratie geführt hat. Das sind die Gründe, die uns veranlassen, diese Dinge hier noch einmal aufzunehmen. Sie sollten sich ernsthaft überlegen, daß Sie auch hinsichtlich der Sicherung der politischen Demokratie, wenn Sie gegen die Rückversicherer - ob gegenüber dem Bolschewismus oder gegenüber dem Neofaschismus - nichts unternehmen, dann unter Umständen wieder eine Entwicklung mit heraufbeschwören, die Sie nach Ihren eigenen Darlegungen ebensowenig wie wir wiederhaben wollen. Aus diesem Grunde dürfen wir, glaube ich, erwarten, daß Sie sich hinsichtlich dieser Argumente und der Formulierung des Abs. 2 in § 54 überlegen, welcher Weg zu gehen ist,, um solche politischen Tendenzen, wie sie sich schon wieder bemerkbar machen, unmöglich zu machen.
Wir bitten deshalb, unserem Antrag die Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Agatz.
Meine Damen und Herren! Mit
dem vorliegenden Antrag der sozialdemokratischen Fraktion, dem wir unsere Zustimmung geben werden, wird noch einmal der ganze Fragenkomplex der Mitbestimmung berührt. Ganz ohne Zweifel wird das vorliegende Gesetz den Anspruch der Arbeiterschaft auf Mitbestimmung nicht nur nicht erfüllen, sondern es muß noch einmal klar gesagt werden, daß, wenn man von den Forderungen und den Vorstellungen der Arbeiter, der Angestellten und der Gewerkschaften ausgeht, das hier vorliegende Gesetz ein 'Gesetz zur Verhinderung der Mitbestimmung genannt werden muß.
({0})
- Ich will Ihnen mal etwas sagen. In § 61 wird gesagt:
Der Arbeitgeber hat bei jeder geplanten Einstellung dem Betriebsrat rechtzeitig den für den Bewerber in Aussicht genommenen Arbeitsplatz mitzuteilen und Auskunft über die Person des Bewerbers zu geben.
({1})
- Das gehört zu dem ganzen Komplex.
({2})
Ich spreche zu den Aufgaben der Betriebsräte; und die regelt der § 54!
Wie war das nach 1945 mit den Einstellungen und Entlassungen? Wer Betriebsrat oder, besser noch, Betriebsratsvorsitzender oder maßgeblicher Gewerkschaftsfunktionär gewesen ist, der weiß doch noch ein Lied davon zu singen, wie die Herren gekommen sind, sich die Türklinke bei uns in die Hand gegeben und gewimmert haben: „Wollen Sie denn nicht bedenken, daß wir vollkommen unschuldig sind an dem ganzen Chaos, das da besteht; wir haben doch nur unsere Pflicht getan; können Sie nicht ein Wörtchen für uns einlegen, damit wir wieder eingestellt werden?" Das waren die Herren Direktoren, das waren die Herren, die wesentlich an dem Elend, das da heraufgeführt worden war, mit schuld waren. Heute kommen sie und dürfen den Betriebsräten wieder mitteilen, wen sie einzustellen gedenken. So haben sich die Dinge gewandelt. Und da sagen Sie, daß Ihr Gesetzentwurf kein reaktionärer Gesetzentwurf sei?!
({3}) Jeder wird doch wohl wissen, wie die Arbeiter die Frage der Mitbestimmung aufgefaßt haben. Sie wollten eine demokratische Wirtschaft, und ihre Betriebsräte sollten die Aufgabe haben, diese Demokratisierung der Wirtschaft herbeizuführen. Das war die Vorstellung der Arbeiter nach 1945.
({4})
Zudem gab es eine mächtige Sozialisierungsbewegung. Auch die christliche Arbeiterschaft hat mit auf dem Boden der Forderung nach Überführung der Grundstoffindustrie in die Hände des Volkes gestanden. Ich möchte da nicht an Ihr Ahlener Programm erinnern,
({5})
das eine wesentliche Rolle auch in den Gewerkschaften gespielt hat. Aus dieser Einstellung - daß es eine Wirtschaft geben könne ohne diese reaktionäre Geisteshaltung, die so unendliches Elend über uns heraufgeführt hat - forderte die Arbeiterschaft Mitbestimmung. Daraus ergab sich, daß die Arbeiter und Angestellten sehr energisch auf die Bestimmung des Kontrollnatgesetzes Nr. 22 gepocht haben, worin es hieß, daß der Betriebsrat seine Aufgaben selber bestimme. Die Betriebsräte und die Arbeiter haben nach 1945 gewiß ihre Pflicht getan.
Ich will Ihnen eines sagen. Sie können hier beschließen, was Sie wollen; Sie können eine Entwicklung hemmen, aber verhindern können Sie sie nicht. Auch hier wird sich erweisen, daß unsere Arbeiterschaft sehr bald begreifen wird. daß es durchaus eine Welt ohne Kapitalisten gibt, eine Welt. in der der schaffende Mensch tonangebend ist, in der e r das Gesetz bestimmt. Diese Welt wird fortschrittlich sein, sie wird auch eine sozialistische Welt sein - trotz Ihres reaktionären Betriebsverfassungsgesetzes!
({6})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 634 Ziffer 8. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über § 54 in der Fassung der Vorlage abstimmen. Wer 'dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; § 54 ist in der Fassung der Beschlüsse zweiter Beratung angenommen.
§ 55. Wer § 55 nach den Beschlüssen zweiter Beratung annehmen will, den bitte ich, eine Hand zu erheben. ({0})
({1})
Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 56. Hier ist ein Änderungsantrag der CDU/ CSU Umdruck Nr. 639 angekündigt. Wer begründet ihn?
({2})
- Das Wort hat Frau Kipp-Kaule.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich - ganz richtig, wie Herr Dr. Schröder eben dazwischengerufen hat - um eine redaktionelle Änderung. Laut unserer Absprache stimmen wir dieser zu.
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir stimmen ab. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 56 in der nunmehr festgestellten Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen einige Enthaltungen angenommen
§ 57.
({0})
Das ist Ziffer 2 des Umdruck Nr. 639. --= Auch hier gilt Ihre Erklärung, Frau Kipp-Kaule.
Wer für die Änderung nach Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 639 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wir stimmen ab über § 57 in der neu festgestellten Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 58, - § 59. - Keine Änderungsanträge, keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme dieser beiden Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen! - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§ 60. Hierzu sind eine Reihe von Änderungsanträgen angekündigt, und zwar Umdruck Nr. 636 Ziffer 2 - ein Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP, DP/DPB -, Umdruck 634 Ziffer 9 - ein Antrag der Fraktion der SPD -, Umdruck Nr. 635 Ziffer 3 - ein Antrag Euler und Genossen -, Umdruck 637 Ziffer 3 - Antrag der Abgeordneten Stücklen und Genossen.
Zunächst der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/DPB. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
Ich beantrage zu diesem Antrag namentliche Abstimmung und bitte den Herrn Präsidenten, die Unterstützung feststellen zu lassen.
Sind 50 Mitglieder des Hauses bereit, diesen Antrag zu unterstützen?
- Das sind zweifellos weniger als 50 Abgeordnete. Dem Antrag auf namentliche Abstimmung kann daher nicht stattgegeben werden.
Wer begründet den Antrag Umdruck Nr. 636 Ziffer 2?
({0})
- Ohne Begründung! Wer begründet den Antrag
- Umdruck Nr. 634 Ziffer 9? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Kipp-Kaule.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Das personelle Mitbestimmungsrecht hat in den Ausschußberatungen einen großen Raum eingenommen, und ich beziehe mich auf die Ausführungen meines Kollegen Richter in der zweiten Lesung. Aber ich bin doch etwas erstaunt darüber, daß sich in der Zwischenzeit - d. h. zwischen der zweiten und dritten Lesung - eine weitere Verschlechterung in § 60 Abs. 1 nach dem Willen der Regierungskoalition abzeichnet. Während wir zuerst bei fünf Arbeitnehmern standen, fand eine weitere Verschlechterung statt, indem man die Zahl auf zehn Arbeitnehmer heraufsetzte, und nun sehen wir auf dem Umdruck Nr. 636, daß jetzt erst bei mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern das Recht gegeben werden soll, in personellen Fragen und Angelegenheiten mitzuwirken und mitzubestimmen. Sie können sich vorstellen
- und das ist des öfteren in den vergangenen Tagen von den verschiedensten Rednern meiner Fraktion betont worden, oder zumindest haben sie es durchblicken lassen -, daß wir der Auffassung sind und daher fordern, daß das soziale, personelle und wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht als ein unteilbares Ganzes angesehen werden muß. Wir können auch nicht zugeben, daß sich das personelle Mitbestimmungsrecht im Betrieb nur auf die untere Ebene der Fach- und Hilfsarbeiter oder der angelernten und gelernten Arbeiter beschränken kann, sondern wir sind der Auffassung, daß gerade bei den leitenden Angestellten im Betrieb das personelle Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gegeben werden soll. Die Meinungen sind geteilt. Ich brauche weitere Ausführungen in dieser Frage nicht mehr zu machen, nachdem mein Kollege Richter das Für und Wider des Mitbestimmungsrechts in personellen Fragen herausgestellt hat. Aber wir sind doch der Auffassung, daß Sie, wenn Sie den betrieblichen Frieden wollen, von dem Sie soviel geredet haben, und ihn garantiert sehen wollen, auch dem Betriebsrat die Möglichkeit zugestehen müssen, daß er gerade in der Frage der Personalpolitik des Betriebs auf der höheren Ebene der leitenden Angestellten mitbestimmt. Deswegen schlagen wir Ihnen noch einmal auf Umdruck Nr. 634 eine entsprechende Formulierung der §§ 60 bis 66 vor. Ich habe den Auftrag, Sie namens meiner Fraktion zu bitten, diesen Paragraphen in unserer Formulierung Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
({0})
Zu Änderungsantrag Umdruck Nr. 635 Ziffer 3 wird auf Begründung verzichtet. Zu Umdruck Nr. 637 Ziffer 3 wird ebenfalls auf Begründung verzichtet. Zu Umdruck Nr. 636 Ziffer 2 wird gleichfalls auf Begründung verzichtet. Wortmeldungen? - Abgeordneter Harig!
({0})
Ja, ich verstehe Ihre Erregung.
({0})
Sie täten besser daran, sich ruhig zu verhalten;
({1}) denn man kann nichts Besseres zur Entlarvung Ihrer - ich will mir den Ausdruck jetzt versagen, um mir einen Ordnungsruf zu ersparen - ({2})
Herr Abgeordneter, es ist nicht Ihre Aufgabe, das Haus zu zensieren.
({0})
Die sozialdemokratische Fraktion hat einen Änderungsantrag eingebracht, und die Kollegin Kipp-Kaule hat in ihrer Begründung eben vorgetragen, daß die Frage des Mitbestimmungsrechts ein unteilbares Ganzes darstellt. Auf diesem Standpunkt stehen wir auch, und auf diesen Standpunkt kann_ sich nur derjenige stellen, der etwas von den Dingen in der Praxis versteht.
({0})
- Jawohl, darum eben, und ich glaube, daß es in der Regierungskoalition eine ganze Menge von Menschen gibt, die von diesen Dingen einfach nichts verstehen und die hier die Hand nur heben, weil vorne einer sitzt, der j a sagt.
({1})
Ich bin von meinen Freunden beauftragt, hier zu erklären, daß wir den Vorschlägen der sozialdemokratischen Fraktion mit einer Ausnahme zustimmen. Diese Ausnahme betrifft den Abs. '7, und wir machen sie aus den - ich unterstelle das - bekannten Gründen grundsätzlicher Art.
Aber ich benutze gern die Gelegenheit, zu diesem Paragraphen etwas zu sagen, um wiederum das zu entlarven, was heute ganz besonders betont in den Vordergrund gestellt worden ist. In dem Entwurf, der, wie ich heute morgen schon einmal gesagt habe, draußen diskutiert worden ist, steht in dem Abschnitt ,,Personelle Angelegenheiten": „Personelle Angelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind", und dann geht es weiter. Da wird gar nicht gesagt, daß diejenigen, die einem Betrieb mit weniger als 10 Beschäftigten angehören, bei diesen personellen Angelegenheiten gar nichts zu sagen haben.
Worauf ich hinweisen möchte, ist folgendes. Das, was draußen diskutiert worden ist, ist von Ihnen, der Sie doch angeben, Konzessionen machen zu wollen, um sich mit der Gegenpartei zu einigen, in der zweiten Lesung verschlechtert worden. Herr Dr. Schröder, es ist nicht besonders freundlich und nett von Ihnen, wenn Sie das zu leugnen versuchen. Herr Dr. Schröder, hier ist in der zweiten Lesung entschieden worden: in Betrieben mit in der Regel mehr als zehn wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Betriebsrat usw. Sehen Sie, Sie haben das in der zweiten Lesung schon verschlechtert. In dieser zweiten Lesung hat die Fassung noch gelautet: „mitzubestimmen". Aber zwei Ihrer Freunde wurden heute beauftragt, Anträge einzureichen, in denen diese Mitbestimmung einfach in Mitwirkung umgewandelt worden ist. Mitbestimmung und Mitwirkung sind jedoch zweierlei.
({2})
Ich brauche heute über diese Begriffe nichts zu sagen. In Umdruck Nr. 635 von Herrn Euler und in Umdruck Nr. 637 steht das Wort „Mitwirkung" drin; also eine weitere Verschlechterung. Man kann sich schlecht hier hinstellen und erklären, daß dieses Gesetz eine Verbesserung gegenüber dem
bisherigen Zustand bedeutet, wenn jeder in der Lage ist, nachzuweisen, daß das nicht der Fall ist. Ich will selbst noch einmal an die Ausführungen erinnern, die ich in der zweiten Lesung zu der Frage der Betriebsversammlungen gemacht habe. Sie können nicht abstreiten, daß es Unsinn ist, dem Betriebsratsvorsitzenden zuzumuten, die Versammlung zu leiten, d. h. sie zu eröffnen, sich selber das Wort zu erteilen, ein Referat zu halten. Sie haben aber zur dritten Lesung keinen Antrag gestellt, das abzuändern. Lesen Sie § 48 nach, da werden Sie das finden. Das ist doch Unsinn, und draußen werden Sie von den Betriebsräten nicht für voll angesehen.
In einer ganzen Reihe von Betrieben - ich will nicht immer auf das Kontrollratsgesetz Nr. 22 hinweisen - gab es Betriebsvereinbarungen, wo das personelle Mitbestimmungsrecht ganz konkret festgelegt worden ist. Ich will nicht von den Betriebsvereinbarungen sprechen, bei denen ich mitgewirkt habe, so z. B. bei der Demag, bei den Vereinigten Stahlwerken und auch bei den entflochtenen Werken. Ich gehe hier einmal auf eine Vereinbarung ein, die bei Krupp abgeschlossen worden ist, und zwar am 28. Juli 1947. Dort wird in § 13 gesagt: Einstellungen, Entlassungen, Beförderungen, Versetzungen usw. erfolgen mit Zustimmung des Betriebsrats. - Das, was bei Krupp vereinbart ist, wo man nicht sagen kann, daß die Kommunisten die Majorität im Betriebsrat haben, wollen Sie jetzt aus der Welt schaffen. Und dann stellen Sie sich hin und sagen, es sei keine Verschlechterung gegenden früheren Gesetzen. Es bedeutet eine wesentliche Verschlechterung. Ich biete mich an, kommen Sie zu mir oder kommen Sie zu irgendeinem meiner Freunde; wir setzen uns zusammen und gehen Paragraph für Paragraph durch. Ich weise Ihnen nach, daß in jedem Paragraph und in der Hauptsache in den Paragraphen, in denen das sogenannte Mitbestimmungsrecht niedergeschrieben steht, Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Praxis in den Betrieben vorhanden sind, wobei es selbstverständlich Betriebe gibt, die jetzt auf Grund dieses Gesetzes mehr Mitbestimmung haben, vielleicht Betriebe, die weit draußen liegen, oder kleinere Betriebe. Das mag alles wahr sein, ich will das nicht bestreiten. Aber in der weitaus größten Zahl der entscheidendsten Betriebe, im Kohlenbergbau, in der Metallindustrie und in den öffentlichen Diensten, sind doch Verhältnisse, die zurückgeschraubt werden müssen, wenn dieses Gesetz Wirklichkeit wird. Wesentlich ist, daß Betriebsräte trotz dieser weitergehenden Mitbestimmung mit den Unternehmern zurechtgekommen sind. Das hat sich eingespielt, und das, was sich eingespielt hat, wollen Sie beseitigen. Ich frage mich nur immer: warum wollen Sie das beseitigen?
Wir haben in der zweiten Lesung den Antrag gestellt, § 90, glaube ich, zu streichen, der vorsieht, die Betriebsvereinbarung muß oder kann sofort innerhalb von drei Monaten gekündigt werden, wenn dies oder das und das vereinbart ist. Sie wissen, wir haben das beantragt. Ich frage mich nur immer: Warum wollen Sie das, was sich eingespielt und zur Zufriedenheit gearbeitet hat, beseitigen? Diese Frage stelle ich mir immer wieder, und da komme ich auf einen Nenner: Sie verfolgen damit einen Zweck. Es steht etwas bevor, was aus dem Schumanplan und aus dem Generalvertrag abgeleitet wird. Das steht bevor, und Sie treffen schon jetzt Vorsorge, denjenigen Fesseln anzulegen, die in den Betrieben bisher etwas zu sagen hatten.
({3})
Aus all diesen Gründen sind wir gegen Ihre Gesetze, gegen Ihre Paragraphen, und aus dem Grunde stimmen wir auch mit Ausnahme des Absatzes 7 für den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion.
({4})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung. Am weitesten geht der Antrag der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffer 9, der die §§ 60 bis 66 deckt. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
({0})
Die nächsten Anträge Euler und Stücklen, Umdruck Nr. 635 Ziffer 3 und Umdruck Nr. 637 Ziffer 3, sind ja wörtlich identisch. Wer für die Annahme dieser Änderungsanträge ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Es bestehen Zweifel.
({1})
Wir müssen durch Hammelsprung entscheiden. Ich bitte, den Saal rasch zu räumen, und die Herren Schriftführer bitte ich, sich an die Türen des Saales zu begeben.
({2})
Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich zu beeilen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung ist Mit Ja haben gestimmt - ich wiederhole: zu den Anträgen Umdruck Nr. 635 Ziffer 3 und Umdruck Nr. 637 Ziffer 3 - 117 Mitglieder des Hauses. Mit Nein haben 197 gestimmt. Damit sind diese Anträge abgelehnt.
({4})
Wir stimmen nunmehr über den Antrag Umdruck Nr. 636 Ziffer 2 ab. Das ist der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/DPB. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Dieser Antrag ist angenommen.
Ich lasse jetzt über den § 60 in der nunmehr festgestellten Fassung abstimmen. Wer für die Annahme ist: den bitte ich. die Hand zu erheben - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. § 60 ist in der eben beschlossenen Fassung in. dritter Lesung angenommen.
§§ 61 bis 66. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen in der Fassung der zweiten Beratung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
§ 67. Hier ist ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 634 Ziffer 10 angekündigt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir beschlossen, Ihnen den gleichen Antrag über das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht zu unterbreiten, glaubten wir noch der Auffassung sein zu können, daß vielleicht die Möglichkeit gegeben wäre, für diesen wichtigsten Abschnitt dieses Gesetzes eine Mehrheit zu erhalten für eine Regelung, die man als fortschrittlich bezeichnen könnte. Nach dem Verlauf der heutigen Debatte müssen wir alle Hoffnung sinken lassen. Und wenn man bei Ihnen mit Engelszungen redete, Sie sind einfach nicht bereit, der Arbeitnehmerschaft ein gleichberechtigtes Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Fragen zu geben. Sie erkennen nicht an, daß der arbeitende Mensch im Mittelpunkt unseres wirtschaftlichen Geschehens stehen muß. Sie wollen den arbeitenden Menschen weiterhin als Wirtschaftsuntertan und Sie wollen ihn nicht zum Wirtschaftsbürger werden lassen. Wir beantragen, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Die Behandlung des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts durch die Koalitionsmehrheit während der zweiten Beratung hat gezeigt; daß man lediglich bereit ist, Wirtschaftsausschüsse in den Betrieben zuzulassen, die in Wirklichkeit nur eine Dekoration darstellen. Diesen Wirtschaftsausschüssen sollen nicht einmal alle betrieblichen Unterlagen ausgehändigt werden. Diese Wirtschaftsausschüsse sollen lediglich bei der Arbeiterschaft die Illusion erzeugen, sie habe ein wirtschaftliches Mitbestimmungsrecht. Man will Gewerkschafts-
und Belegschaftsmitglieder zur Durchführung der kapitalistischen Produktion ausnutzen. Man will sie für die Interessen der Großkapitalisten, für die Vorbereitung eines neuen Krieges und die Steigerung der Rüstungsproduktion einspannen.
({0})
Die Regierungskoalition bleibt mit ihrer Fassung weit hinter der Betriebsvereinbarung zurück, die z. B. am 28. Juli 1947 zwischen dem Betriebsrat und der Nachfolgegesellschaft der Firma Krupp abgeschlossen wurde. Dort wurde im § 2 ganz deutlich gesagt, daß der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zur Verhinderung des Wiedererstehens einer Rüstungsindustrie und in allen wirtschaftlichen Angelegenheiten des Betriebes hat. Heute morgen haben Sie hier behauptet, daß durch dieses Gesetz die wesentlichsten Bestimmungen der Betriebsvereinbarungen, die abgeschlossen worden seien, übernommen worden seien. Ich habe Ihnen schon an Hand der Betriebsvereinbarung der Firma Krupp bewiesen, daß das nicht der Fall ist.
Was die Arbeiter wollen, geht auch klar hervor aus dem Beschluß der zweiten Generalversammlung der IG Bergbau, die sich in Recklinghausen mit dem wirtschaftlichen, sozialen und personellen Mitbestimmungsrecht beschäftigte. Dort wurde ganz deutlich gesagt, was die Arbeiter wollen: Mitbestimmungsrecht in allen wirtschaftlichen Fragen. Die gleichberechtigte Mitbestimmung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Fragen soll den Aufbau der gesamten Wirtschaft auf demokratischer Grund1age zum Wohle des ganzen Volkes und zur Befriedigung seines Bedarfs sichern und jede Rüstungsproduktion verhindern. Es wird dann in einer Reihe von Punkten aufgezeigt, wie die Gewerkschafter und die Arbeiter sich das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht denken. Sie wollen den Arbeitern das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht vorenthalten. Sie wollen im Gegenteil die
({1})
Rechte, die die Arbeiter in den Betriebsvereinbarungen und in einigen sonstigen Vereinbarungen zwischen Betriebsräten und Unternehmern erreicht haben, nehmen. Ich sage das, damit die Arbeiterschaft klar sieht, daß wir es hier nicht mit einem fortschrittlichen Betriebsverfassungsgesetz zu tun haben, sondern mit einem Gesetz zur Durchführung der Kriegspolitik der Adenauer-Regierung.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Abschnitt schafft im deutschen Recht das Institut der Wirtschaftsausschüsse. Ich vertrete hierzu die Auffassung, daß diese Wirtschaftsausschüsse eine unnötige Komplizierung des Verfahrens sind und nur geeignet, die unmittelbare Fühlung zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmer zu verschleiern oder schwieriger zu gestalten. Ich habe in allen Ausschüssen die Ansicht vertreten, daß es besser sei, es bei dieser unmittelbaren Fühlung zu belassen, damit sich der Arbeitgeber und vielleicht auch hier und da der Betriebsrat nicht hinter den Wirtschaftsausschüssen verstecken. Es ist mir bekannt, daß ich mit dieser Ansicht allein stehe. Ich stelle daher keine Anträge, hielt mich aber für verpflichtet, meine Ansicht diesem Hause zur Kenntnis zu bringen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 634 Ziffer 10. Wer für diesen Änderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über die §§ 67 bis 71 abstimmen. Wer für die Annahme in der Fassung der zweiten Beratung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Die Bestimmungen sind angenommen.
Zu § 72 sind Änderungsanträge angemeldet, Antrag Stücklen Umdruck Nr. 637 Ziffer 4 und Antrag Euler Umdruck Nr. 635 Ziffer 4. Die Anträge sind identisch. Verzichten Sie auf Begründung?
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
Zur Abstimmung über Umdruck Nr. 635 Ziffer 4, Antrag zu § 72 Abs. 1 des Gesetzes, beantrage ich namentliche Abstimmung.
Wird dieser Antrag unterstützt? Ich bitte um Handzeichen. - Offensichtlich mehr als 50 Mitglieder des Hauses. Wir stimmen namentlich ab. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln.
({0})
Herr Abgeordneter Stücklen, darf ich annehmen, daß damit auch Ihr Antrag erledigt ist?
({1})
Meine Damen und Herren, hat ein Mitglied des Hauses seinen Stimmzettel noch nicht abgegeben? Meine Damen und Herren, haben Sie alle Ihre Stimmzettel abgegeben? - Dann bitte ich, mit der Auszählung der Stimmzettel zu beginnen.
({2})
Meine Damen und Herren! I
Ich bitte, die Sitzung einen Augenblick unterbrechen -zu dürfen. Ich erhalte eben die Nachricht,
({0})
daß die Gattin des Herrn Bundespräsidenten vor wenigen Minuten heimgegangen ist. Ich darf den Gefühlen des Deutschen Bundestages Ausdruck geben, wenn ich sage, daß wir dem Herrn Bundespräsidenten unser aufrichtiges und herzliches Beileid aussprechen und in Dankbarkeit alles dessen gedenken, was die Heimgegangene in ihrer politischen Arbeit, in ihrer sozialen Arbeit, als Lebensgefährtin unseres Bundespräsidenten und menschlich für das deutsche Volk, für ihre Freunde und alle, die mit ihr in Berührung gekommen sind, bedeutet hat. - Sie haben sich zu Ehren von Frau Elly Heuss-Knapp erhoben; ich danke Ihnen. Meine Damen und Herren, die namentliche Abstimmung ist noch nicht ausgezählt.
Ich rufe auf den § 76, dazu Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffer 11. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß in Abs. 6 des § 76 in der fünftletzten Zeile vor den Worten „Ziffer 2 bis 5" die Worte „§ 10" versehentlich weggeblieben sind. Ich darf Sie bitten, das kurzerhand in Ihrem Text zu ergänzen und zu verbessern.
Zur Begründung des Antrags Herr Abgeordneter Bergmann.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist nach wie vor der Auffassung, daß die Arbeitnehmer neben den Anteilseignern im Aufsichtsrat paritätisch vertreten sein müssen. Die Sozialdemokratische Partei ist mit der Mehrheit der Arbeitnehmer einer Meinung, daß die Fehler der privatkapitalistischen Wirtschaftsform, die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in der Hand von wenigen, nur durch die gleichberechtigte Mitbestimmung verhindert werden kann.
In der zweiten Lesung haben Sie unseren Antrag abgelehnt. Schon das christlich-demokratische Blatt „Die soziale Ordnung" bringt in der Sondernummer „Betriebsverfassungsgesetz" zum Ausdruck, daß die Formulierungen des „Arbeitskreises Mitbestimmung" gegenüber dem Entwurf der CDU/CSU-Fraktion nicht tragbare Einschränkungen erfahren haben. Dabei wurde die Wiedereinführung der „mindestens-ein-Drittel-Formel" gefordert. Wenn Sie noch zu dieser Formulierung stehen, dann müssen Sie heute unserem Antrag zustimmen. Dadurch hätten die Arbeitnehmer die Möglichkeit, durch freie Vereinbarung oder Tarifvertrag mit der Kapitalseite über das Drittel hinaus ihre Mitarbeit zu verstärken und die Parität festzulegen.
Bei der kritischen Betrachtung der Gründe für die Ablehnung der berechtigten Forderung der Arbeitnehmer, paritätisch im Aufsichtsrat vertreten zu sein, hört man das Argument, die Arbeitnehmer würden im Aufsichtsrat nicht genügend zum Wohle des Unternehmens wirken. Gerade umgekehrt ist es richtig. Jeder Beschäftigte, ob Arbeiter oder Angestellter, ob Hilfsarbeiter, Facharbeiter oder leitender Angestellter, sie alle wollen einen guten und gesicherten Arbeitsplatz, dazu ein Einkommen, um sich und ihren Familien ein anständiges Leben zu sichern. So ist der Arbeitnehmer schon von Natur aus daran interessiert, daß sein Werk, sein Unternehmen rationell arbeitet und eine gute Beschäftigungslage sichert. Er wird sich nicht auf Spekulationsgeschäfte einlassen und damit letzten Endes seine Eixstenz noch gefährden.
({0})
Sehen Sie sich das Ergebnis der jahrelangen Erfahrungen in den entflochtenen Werken an! Sie selbst waren dabei, die Mitglieder des Arbeitsausschusses, bei der Besichtigung und Aussprache im Hüttenwerk Oberhausen. Dort hat Herr Dinkelbach - einer Ihrer Leute! - klar und deutlich ausgesprochen, daß der Aufbau und die Erfolge nur mit den Gewerkschaften und den Arbeitnehmern erreicht werden konnten. Er forderte von den Parlamentariern, die damalige Arbeitsgrundlage auch gesetzlich festzulegen. Wir befürworten die Wahl der Aufsichtsräte durch die gewählten Betriebsräte. Darin sehen wir eine weitaus größere Gewähr dafür, daß persönlich geeignete Arbeitnehmer und sachlich und fachlich geeignete Personen in die Aufsichtsräte gewählt werden.
Auch die Frage, ob es nur Betriebsangehörige sein sollen, ist umstritten. Aber da sagt die Zeitschrift „Soziale Ordnung":
Der Wahlmodus ist nach unserer Auffassung eine reine Zweckmäßigkeitsfrage.
Sie sagt dann weiter:
Wenn die Belegschaft die Entsendung von Betriebsfremden wünscht, so soll diesem Wunsche stattgegeben werden.
Meine Damen und Herren, wenn Sie zu diesem Grundsatz heute noch stehen, dann stimmen Sie unserem Antrag auf Umdruck Nr. 634 Ziffer 11 zu. Für Ziffer 1 unseres Antrages beantragen wir namentliche Abstimmung.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Besprechung.
Meine Damen und Herren, ich komme zur Abstimmung über den Antrag der SPD .Umdruck Nr. 634 Ziffer 11, und zwar zunächst über Abs. 1 des Antrags. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln.
({0})
Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, sich auf Ihre Plätze zu begeben. Ich frage, ob noch Abgeordnete vorhanden sind, die zur namentlichen Abstimmung zu den Anträgen betreffend § 72 ihre Stimme abzugeben wünschen, also zur vorigen namentlichen Abstimmung. - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.
({1})
- Herr Loritz, ich bin bei der v o r i g en namentlichen Abstimmung. Ihre Stimme kann jederzeit noch abgegeben werden.
({2})
Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der Abstimmung über die Anträge der Herren Abgeordneten Stücklen und Genossen und Euler und Genossen zu § 72 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 130 Abgeordnete, mit Nein 203 Abgeordnete bei 6 Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten haben 4 mit Ja und 8 mit Nein gestimmt. Insgesamt haben 351 Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Die Anträge sind abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den § 72 in. der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 72 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. -- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. § 72 ist angenommen.
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 10295, 2. Abstimmung.
Bis zur Auszählung der letzten namentlichen Abstimmung treten wir ein in die Beratung des letzten vorliegenden Änderungsantrages der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 634 Ziffer 12, auf Einfügung des § 89 a. Herr Abgeordneter Wönner zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erfahrungen, bezogen auf die Behandlung unserer Anträge, die wir heute auch in der dritten Lesung machen mußten, lassen es als außerordentlich schwierig erscheinen, nun auch noch in einem grundsätzlichen Punkt Ihre Meinung in etwa zu ändern, wenngleich es nichts weiter bedürfte als nur der Wiederauffrischung Ihrer Erinnerung, insbesondere in der Mitte des Hauses, bezogen auf diesen § 89 a. Denn in der ersten Lesung des Gesetzes am 27. Juli 1950 war es der heute schon mehrfach zitierte Herr D r. Schröder , der damals zum Ausdruck brachte, die Gestaltung der Verhältnisse im Betrieb mache eine ständige und gute Zusammenarbeit der Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer notwendig.
({0})
- Aber eben bezogen auf die Gestaltung der Verhältnisse im Betrieb! Die Gestaltung der Verhältnisse im Betrieb ist Betriebsverfassungsrecht, an dessen Gestaltung also die Organisationen der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber ihren Anteil haben sollen.
Genau das gleiche gilt auch hinsichtlich des Art. 9 des Grundgesetzes, der ja den Vereinigungen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer nicht nur das Recht zur Wahrung der Arbeitsbedingungen, sondern auch der Wirtschaftsbedingungen gibt und der nicht nur formalen Charakter haben kann, sondern der selbstverständlich mit effektiver Wirksamkeit ausgestattet sein muß. So gesehen kann Betriebsverfassungsrecht nichts anderes als ein Teil der sozialen Selbstverwaltung sein. Sie brauchten diesen Grundsatz nur anzuerkennen, um auch im Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich die Tatsache herauszustellen, daß im Zuge der Entwicklungsmöglichkeiten und der Entwicklungsnotwendigkeiten den beiden Sozialpartnern die Möglichkeit erschlossen werden muß, im betriebsverfassungsrechtlichen Raum die Dinge nach eigenen Gestaltungsvorstellungen weiter zu entwickeln. Das ist der Grund, aus dem wir Sie darum bitten, unserem Ergänzungsantrag zu § 89 a Ihre Zustimmung zu geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffer 12 auf Einfügung eines § 89 a. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich frage, ob noch Abgeordnete vorhanden sind, die zur namentlichen Abstimmung betreffend § 76 ihre Stimme abzugeben wünschen? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung zu § 76.
Ich bitte Sie einen Augenblick um Geduld bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses der Abstimmung.
({0})
({1})
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 634 Ziffer 11 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 147 Abgeordnete, mit Nein 190 bei 2 Enthaltungen; von den Berliner Abgeordneten 6 mit Ja, 6 mit Nein; insgesamt 351 Abgeordnete. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 76 in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Paragraphen zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Paragraph ist mit Mehrheit angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Einzelbesprechung der dritten Beratung beendet.
Vor der Schlußabstimmung wünschen einige Abgeordnete kurze Erklärungen abzugeben.
Herr Abgeordneter Dr. Preusker!
Meine Damen und Herren! Seit zwei Jahren, seitdem dieses Gesetz beraten wird, hat sich durch die Reden der Opposition als Hauptanliegen wie ein roter Faden immer das eine hindurchgezogen: der Wunsch nach einer „Gleichberechtigung" von „Kapital" und „Arbeit". Wir haben uns von Anfang an mit aller Entschiedenheit gegen diese antiquierte These gewehrt und haben sie abgelehnt, weil sich für uns in den einzelnen Unternehmen und Betrieben nicht „Kapital" und „Arbeit", sondern nur Menschen gegenüberstehen.
({0})
Das „Kapital" ist und bleibt für uns nur die Arbeitsleistung früherer Perioden, die auch nur wieder von Menschen eingesetzt werden kann. Deshalb hat es sich für uns bei der Beratung dieses Gesetzes über die Betriebsverfassung immer nur um die Herstellung wirklich menschlicher und gesunder sozialer Beziehungen zwischen den an den verschiedenen Arbeitsplätzen eines Unternehmens Tätigen - ob Unternehmer, ob leitender Angestellter oder Arbeitnehmer an der Werkbank - gedreht.
({1})
Deshalb war für uns das Ziel nicht eine Gleichberechtigung von totem Kapital und menschlicher, lebender schöpferischer Arbeit, sondern für uns ist immer das Ziel die Herstellung einer echten Partnerschaft aller im Betrieb tätigen Menschen gewesen.
({2})
In dieser echten Partnerschaft von Menschen kann es sich aber immer nur um die Mitwirkung nach dem Maß der einzelnen Leistung und der einzelnen Verantwortung handeln. Diese Partnerschaft im Betrieb schließt für uns naturnotwendig jedes Hineinwirken dritter oder betriebsfremder Personen in irgendeiner Eigenschaft aus.
({3})
Für uns wird diese Partnerschaft aber durchaus nicht etwa mit dem Gedanken der Mitwirkung und Mitberatung nach dem Grad der Verantwortlichkeit beendet, sondern für uns steht das Ziel dahinter, daß auch dem Mitarbeiter im Betrieb, die Möglichkeit der Übernahme der vollen Verantwortung und des vollen Risikos durch Miteigen-
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 10295, 3. Abstimmung.
turn, durch Beteiligung am Aktienbesitz oder sonst irgendwie - das kann nach der Rechtsform verschieden sein - eröffnet wird.
({4})
Das Gesetz, das hier vorliegt, stand leider für uns von Anbeginn an noch zu sehr unter der antiquierten Vorstellung des Gegeneinanders von totem Kapital und lebendiger Arbeit. Wir haben unsere ganze Anstrengung in den Ausschüssen darauf angelegt, diese materialistischen, antiquierten Züge des Gesetzes zu beseitigen und es überzuleiten in die neue vom Menschlichen her bestimmte Ordnung zur Partnerschaft.
({5})
Das ist uns leider nicht ganz gelungen. Wir haben es auf dem Gebiet des „Personellen" zum Teil erreicht. Wir haben es auf dem Gebiet des „Wirtschaftlichen" zum größeren Teil erreicht.
({6})
Wir haben es ferner auf dem Gebiet der Ausklammerung von solchen Betrieben, bei denen die unmittelbare menschliche Beziehung nicht erst eines Vormundes bedarf, noch nicht ganz erreicht; aber .wir sind der Meinung, daß so wesentliche Fortschritte auf dem Wege der Neuordnung der sozialen Beziehungen im Sinne der Partnerschaft erreicht worden sind - das hat uns insbesondere auch die heftige Ablehnung von seiten der Opposition gezeigt -, daß wir glauben, daß die Chance eröffnet ist, diejenigen Verbesserungen, die wir in dieser Richtung noch für nötig halten, gerade erst durch das Wirksamwerden dieses Gesetzes in den Betrieben vollends zum Tragen zu bringen.
Unter diesem Gesichtspunkt sind wir bereit, einem auch noch unvollkommenen Gesetz, das gerade durch unsere Mitwirkung weitgehend in die notwendige Richtung der menschlichen Partnerschaft gebracht worden ist, unsere Zustimmung zu geben.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Richter.
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Im Auftrag der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion habe ich folgendes zu erklären: Alle wesentlichen Änderungsanträge der SPD-Fraktion zu dem Entwurf eines Betriebsverfassungsgesetzes wurden von der Regierungskoalition abgelehnt. Damit ist auch ,das gleichberechtigte Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte insbesondere in den personellen Fragen und in den wirtschaftlichen Angelegenheiten von der Mehrheit des Hauses verneint worden. Die Vertreter des Kapitals, die Gesellschafter oder die Aktionäre entscheiden über alle wesentlichen Fragen, ohne die gewählten Vertreter der Arbeitnehmer mitbestimmen zu lassen. Kapital und Arbeit sind also nicht gleichberechtigt, sondern die Kapitalinteressen stehen über den Interessen der arbeitenden Menschen.
In vielen Bestimmungen ist der vorliegende Gesetzentwurf in der von Ihnen beschlossenen Fassung ungünstiger als das Betriebsrätegesetz von 1920 und gewährt den Betriebsräten weniger
({0})
Rechte, als ihnen nach den Ländergesetzen jetzt schon zustehen.
({1})
Die SPD-Fraktion hat in den Ausschüssen und im Plenum des Bundestages durch Einsetzen der ihr zu Gebote stehenden Mittel alles getan, um die Verwirklichung der berechtigten Forderungen der deutschen Arbeitnehmerschaft und ihrer Gewerkschaften durchzusetzen. Die Regierungskoalition hat diese Bemühungen zunichte gemacht. Die Arbeiter, Angestellten und Beamten sowie deren Angehörige werden der Regierungskoalition für ihre rückschrittliche Haltung die gebührende Antwort geben. Die sozialdemokratische Fraktion lehnt den Gesetzentwurf ab und beantragt namentliche Abstimmung.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich zu erklären, daß wir trotz der schwerwiegenden Bedenken, die bei uns bestehen, diesem Betriebsverfassungsgesetz unsere Zustimmung erteilen werden. Unsere Bedenken beruhen darauf, daß der Grundgedanke des Gesetzes nicht von der Basis der Betriebsgemeinschaft ausgegangen ist,
({0})
sondern daß den Organisationen, die unserm Staat ein völlig anderes Gesicht zu geben bereit sind, ein immer noch sehr spürbarer und vielleicht überwiegender Einfluß eingeräumt worden ist.
({1})
Wir wenden uns dagegen, daß in der Zukunft und bei der Verwirklichung dieses weittragenden Gesetzes Formen, die für die politische Demokratie gedacht sind, in einer formalen Weise auch auf andere Lebensgebiete übertragen werden. Auf diese Weise besteht die Gefahr, daß die Demokratie, die auf der persönlichen Freiheit aufgebaut ist, sich in ihr totalitäres Gegenteil verkehrt.
Wir haben Bedenken gegenüber dem Gesetzentwurf im Hinblick darauf, daß den wichtigen Bedürfnissen des Mittelstandes nicht in dem Maße Rechnung getragen werden konnte, wie wir es wollten. Wir erwarten auch hier, daß die Praxis und der Wille zu einem wirklich friedlichen Zusammenarbeiten eine neue Sozialordnung entstehen lassen, die allen Teilen ihr Recht im Sinne der sozialen Befriedung zu geben vermag. Wir wenden uns dagegen, daß wir bei der Beratung dieses Gesetzes - auf dessen Verwirklichung im rechten Geist es entscheidend ankommen wird - in gewissen Abschnitten unter Druck von außen gesetzt worden sind. Wir sind fest entschlossen, dafür zu sorgen, daß in aller Zukunft die letzte Entscheidung beim Staate liegt, und daß unsere Verfassung in ihrem freiheitlichen Wesen voll und ganz gewahrt wird. Wir wenden uns dagegen, daß der Wille des Parlaments von der einen oder anderen Seite präjudiziert wird.
Das Gesetz ist eine Kompromißlösung. Wir stimmen zu, weil es im Wesen des parlamentarischen Systems liegt, Verständigung zu suchen, wenn das vollkommene Ziel zur Zeit unerreichbar ist.
Wir sagen „ja", weil mit dem Erlaß dieses Gesetzes Frieden im sozialen Leben hergestellt werden soll und hergestellt werden kann. Wir werden uns aber mit aller Schärfe dagegen zur Wehr setzen, wenn dieses Werk des Friedens von außerparlamentarischen Einflüssen, sei es von der einen, sei es von der andern Seite, gestört werden sollte.
({2})
Herr Abgeordneter Agatz!
Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens der kommunistischen Fraktion
({0})
zu erklären: Dieses Gesetz wird von der ganzen Arbeiterschaft als ein Gesetz zur Verhinderung der Mitbestimmung aufgefaßt werden.
({1})
Mit diesem Gesetz wollen die Koalitionsparteien die Arbeiterschaft zu dem Pferd machen, das sie vor den Kriegskarren der amerikanischen und deutschen Imperialisten spannen wollen, das sie beliebig reiten wollen, auf dem sie als Herren sitzen wollen.
({2})
Die Arbeiterschaft wird Ihnen, meine Herren von
der Adenauer-Koalition, die gebührende Antwort
erteilen. Sie weiß, daß dieses Gesetz den Zweck hat,
die Voraussetzungen für die Durchführung des
Generalvertrags, für die Durchführung Ihres Rustungsprogramms zu schaffen. Die Arbeiterschaft
wird den Kampf führen gegen Ihr Rüstungsprogramm, gegen Ihren Generalvertrag, gegen Ihre
Kriegspläne. Sie wird den Kampf um die Mitbestimmung vor allem führen als einen Kampf zur
Sicherung des Friedens. Wir werden alles tun, dafür zu sorgen, daß die Arbeiterschaft diesen Kampf
mit Erfolg führt. Deswegen werden wir dieses Gesetz nicht nur ablehnen, sondern auch bekämpfen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Lenz.
Meine Damen und Herren! Die vorliegende Fassung des Gesetzes entspricht in wesentlichen Punkten nicht den Ansprüchen, die meine Freunde und ich an ein solches Gesetz stellen müssen.
({0})
Wir bedauern, daß es trotz aller Bemühungen, die Abgeordnete des Hauses und andere verantwortliche Persönlichkeiten unternommen haben, nicht zu einer Verständigung zwischen den Gewerkschaften und dem Gesetzgeber gekommen ist.
({1})
Wenn wir dennoch die Hoffnung haben, daß die praktische Durchführung dieses Gesetzes zu jener Zusammenführung der Vertreter verschiedener Auffassungen im sozialen Leben führen wird, die wir im Interesse der Arbeiterschaft dringend wünschen und befürworten werden, so stützt sich diese Erwartung auf den Wirklichkeitssinn und die tiefe Verantwortung, die die Gewerkschaftsbewegung in der Vergangenheit und in der Gegenwart an den Tag gelegt hat.
({2})
({3})
Die Gewerkschaftsbewegung hätte in Ansehung
ihrer Verdienste auf eine bessere Berücksichtigung
ihrer Wünsche rechnen dürfen, als es geschehen ist.
({4})
Diese Tatsache kann uns jedoch nicht veranlassen, den Blick vom Ganzen nur auf den Teil zu lenken. In der Erkenntnis, daß die alsbaldige Verabschiedung eines Gesetzes, das die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, das die Atmosphäre im Betrieb rechtlich neu gestaltet, wird ein Teil meiner Freunde dem Gesetz zustimmen. Ein Teil meiner Freunde wird sich der Stimme enthalten.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Teil meiner Fraktionskollegen hat sich redlich bemüht, die Bestimmungen dieses Gesetzes, soweit sie die mittelständische Wirtschaft betreffen, zu verbessern. Wir haben das nicht vom egoistischen Standpunkt eines Interesses aus getan, sondern weil wir der Meinung sind, daß die Verhältnisse in der mittelständischen Wirtschaft anders sind als in der Großwirtschaft. Wir haben Bedenken gegen dieses Gesetz. Aber wir sehen auch die politischen Notwendigkeiten; deswegen werden wir diesem Gesetz unsere Zustimmung geben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schröder.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
({0})
In wenigen Minuten werden wir über dieses Gesetz in seiner vorliegenden Form namentlich abgestimmt haben und das Ergebnis dieser Abstimmung kennen. Wir vertrauen auf die Entscheidung dieses Hohen Hauses und sind sicher, daß es das kühne soziale Experiment, das das neue Betriebsverfassungsgesetz darstellt, billigen wird.
({1})
Wir knüpfen daran eine Hoffnung, nämlich die, daß dieses Gesetz gemeinsam durch Arbeiter und Unternehmer zu einem Erfolg gebracht wird.
({2})
Meine Damen und Herren! Weitere Erklärungen zur Abstimmung sind nicht gewünscht worden.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb,
({0})
das Betriebsverfassungsgesetz. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln und bitte Sie, meine Damen und Herren, möglichst auf Ihren Plätzen zu bleiben.
({1})
Meine Damen und Herren! Darf ich fragen, sind noch Abgeordnete vorhanden, die ihre Stimme
zur Schlußabstimmung abzugeben wünschen? Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung.
({2})
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der Schlußabstimmung über das Betriebsverfassungsgesetz bekannt. Mit Ja haben gestimmt 195 Abgeordnete, mit Nein 140 Abgeordnete, bei 7 Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten hab-en mit Ja 6, mit Nein 6 gestimmt. Insgesamt haben sich 354 Abgeordnete an der Abstimmung beteiligt. Damit ist das Betriebsverfassungsgesetz in der Schlußabstimmung angenommen.
({3})
Meine Damen und Herren, wir haben noch abzustimmen über den Antrag des Herrn Abgeordneten Sabel, den er in der zweiten Beratung bereits zur Kenntnis gebracht hatte, durch die Beschlußfassung zur Drucksache Nr. 3585 den von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Wirtschaft hinsichtlich seines Teiles 1 für erledigt zu erklären.
({4})
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Bevor ich den nächsten Punkt der Tagesordnung aufrufe, darf ich bekanntgeben, daß nach dem Plenum die Fraktion der CDU/CSU eine kurze Fraktionssitzung abhält.
Ich rufe auf den Punkt 3 der Tagesordnung: Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung ({5});
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung ({6}).
({7}) . ,
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von höchstens 60 Minuten für die allgemeine Besprechung der dritten Beratung vor.
({8})
Das Haus ist damit einverstanden. Wird das Wort gewünscht?
({9}) Der Herr Bundesminister für Arbeit!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hält die Verabschiedung dieses Gesetzes für dringend erforderlich, da es sich um eine überragend wichtige sozialpolitische Frage handelt. Sie bittet daher, das Gesetz in der Fassung der zweiten Lesung anzunehmen. Das Problem des § 178 der Reichsversicherungsordnung ist zwar durch die Fassung der zweiten Lesung dieses Gesetzes nicht gelöst. Ich halte es aber für richtig, daß diese wichtige Frage während der Parlamentsferien noch einmal genauer überprüft und dann vom Hohen Hause an Hand einer Vorlage der Bundesregierung nach den Ferien abschließend verhandelt wird.
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 10295, 4. Abstimmung.
Meine Damen und Herren! Wird das Wort zur allgemeinen Besprechung weiter gewünscht?
({0})
- Zur allgemeinen Besprechung Herr Abgeordneter Dr. Hammer?
({1})
- Frau Abgeordnete Kalinke auch zu den Einzelbestimmungen.
({2})
- Meine Damen und Herren, wir haben doch noch keine Mehrheitsabstimmung über die Wortmeldungen. Das geht doch nun zu weit.
({3})
- Also Sie wünschen das Wort nicht, Frau Abgeordnete Kalinke.
Die allgemeine Besprechung ist beendet.
Änderungsanträge liegen vor zu § 4, § 9 und § 15. Soll zu § 4 das Wort genommen werden? - Frau Abgeordnete Kalinke.
({4})
- Meine Damen und Herren, es wird nur kurze Zeit aufhalten. Ich bin schon unterrichtet, daß es nur kurze Zeit dauert.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach der Erklärung des Herrn Bundesministers für Arbeit ziehen wir unseren Antrag zum § 4 zurück unter der Voraussetzung, daß eine entsprechende Vorlage nach der Sitzungspause vorgelegt wird.
({0})
Ich rufe dann auf § 9.
({0})
- Zu § 4 Herr Abgeordneter Dr. Hammer!
Meine Damen und Herren! Ich freue mich über die Erklärung der Frau Abgeordneten Kalinke.
({0})
Auch wir ziehen unsere Anträge zurück und sind damit einverstanden, daß - wie der Herr Arbeitsminister versprochen hat - uns in ganz naher Zeit eine endgültige Regelung dieser Materie vorgelegt wird.
§ 9. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.
({0})
- Zu § 4.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine Minute. Auch ich möchte der Befriedigung Ausdruck geben, daß der Herr Arbeitsminister erklärt hat, der § 4 betreffend den § 178 der Reichsversicherungsordnung habe eine außerordentlich große Bedeutung. Ich hoffe, daß eine Lösung gefunden wird, die nicht nur den Versicherten, sondern auch den Ärzten dient.
Zu § 9 sind Änderungsanträge der Fraktion der DP angekündigt, Umdruck Nr. 628.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beziehe mich auf die Begründung, die ich in der ersten und zweiten Lesung namens der Fraktion der Deutschen Partei hier abgegeben habe, und bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Kann über die Ziffern 2, 3, 4 und 5 durch eine Abstimmung abgestimmt werden, oder soll ich ziffernweise abstimmen lassen?
({0})
- Also eine Abstimmung.
Wir stimmen ab über die Anträge Ziffern 2, 3, 4 und 5 auf Umdruck Nr. 628. Wer für die Annahme dieser Änderungsanträge ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! Das zweite ist die Mehrheit; die Anträge sind abgelehnt, die §§ 9 und 9 a in der Fassung der zweiten Beratung angenommen.
§ 15. Auch hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei vor.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch hierzu haben wir bei der Begründung unseres Antrags in der zweiten Lesung erklärt, warum wir die uneingeschränkte Einbeziehung Berlins wünschen. Wir bitten Sie, um der Einführung des einheitlichen Rechtes willen, den § 15 in der vorgeschlagenen Fassung des Umdrucks Nr. 628 anzunehmen.
Weitere Änderungsanträge liegen nicht vor. Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Auch ich beziehe mich auf das, was ich in der zweiten Lesung gesagt habe. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß es, nachdem der § 4 gefallen ist, statt §§ 1 bis 4 heißen muß: §§ 1 bis 3.
Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß die Vorlage entsprechend geändert wird. - Keine weiteren Wortmeldungen.
Dann zunächst in einer summarischen Einzelabstimmung Art. 1 bis 9, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme der Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Wer für die Annahme des Gesetzes als Ganzes ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! ({0})
- Zur Geschäftsordnung hat das Wort Frau Abgeordnete Kalinke.
Über unseren Antrag zu § 15 - Ziffer 6 des Umdrucks - ist noch nicht abgestimmt; oder habe ich das überhört?
Ja, darüber haben wir noch nicht abgestimmt; ich bitte um Entschuldigung. Wir müssen das nachholen. Wer für die Annahme des Änderungsantrags der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck Nr. 628 Ziffer 6 ist; den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
- Das letzte ist die Mehrheit; damit ist der Antrag abgelehnt. Die vorher vorgenommene Abstimmung bedarf keiner Korrektur.
({0})
Damit, meine Damen und Herren, ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
({1})
- Ich habe Sie übersehen? Ich bitte um Entschuldigung! Unter so vielen kann es passieren, daß man als einzelner nicht bemerkt wird.
({2})
Meine Damen und Herren, vor Aufruf des Punktes 4 erteile ich das Wort dem Abgeordneten Hedler zu einer persönlichen Erklärung.
Hedler ({3}): Meine Damen und Herren! Nachdem ich wegen des Inhalts zweier Reden, die ich im Wahlkampf 1949 und unmittelbar danach im Herbst 1949 gehalten habe, schwer bestraft bin, fühle ich die Verpflichtung, folgende Erklärung vor dem Bundestag abzugeben:
Nach den Feststellungen des Gerichts im zweiten Rechtszug soll ich eine Anzahl einzelner Widerstandskämpfer gegen die Hitlerherrschaft persönlich beleidigt, das Andenken verstorbener Widerstandskämpfer geschmäht und die Ehre der gesamten in Deutschland lebenden Juden verletzt haben. Bei meinen politischen Ausführungen im Jahre 1949 lag mir jede persönliche Beleidigung oder Schmähung und eine Ehrverletzung der Juden fern.
({4})
Wenn dies aber nach den rechtskräftigen Feststellungen im zweiten Rechtszug aus meinen Worten gefolgert werden kann, so stehe ich nicht an zu erklären, daß ich es ernstlich bedaure, Worte gesprochen zu haben, die zu unbeabsichtigten Wirkungen geführt haben. Ich erkläre ausdrücklich, daß ich damals niemanden persönlich kränken und daß ich nur in kritischer Form zu historischen Vorgängen Stellung nehmen wollte.
Das Haus hat diese Erklärung zur Kenntnis genommen.
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf. Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({0}) betreffend
Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den Abgeordneten Hedler gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 2. Juli 1952 ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Gengler.
Gengler ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits in seiner 25. und 104. Sitzung hatte der Deutsche Bundestag die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Hedler wegen Beleidigung, übler Nachrede und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener in dessen Reden am 29. 7. 1949 in Westensee und am 26. 11. 1949 in Einfeld erteilt. In seiner 147. Sitzung hatte der Bundestag beschlossen, die Aufhebung der Immunität dahin zu erweitern, daß auch die Genehmigung für die Verhaftung und für alle strafprozessualen Maßnahmen gemäß Art. 46 Abs. 2 des Grundgesetzes erteilt wird. Nachdem Hedler nunmehr durch rechtskräftiges Urteil der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts in Kiel vom 20. 7. 1951 verurteilt ist, hat der Bundesminister der Justiz durch Schreiben vom 2. 7. 1952 gebeten, eine Entscheidung des Bundestages auch darüber herbeizuführen, ob die Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den Abgeordneten Hedler erteilt wird. Eine derartige Entscheidung ist erforderlich, nachdem der Bundestag in seiner 72. Sitzung entschieden hatte, daß die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gegen einen Abgeordneten der besonderen Genehmigung des Bundestages bedarf. Im Reichstag war eine Beschlußfassung darüber nicht erforderlich. Nach der Praxis des Reichstags bezog sich die Aufhebung der Immunität zur Durchführung des Strafverfahrens auch auf die Durchführung der Strafvollstrekkung. Nachdem der Bundestag zur möglichsten Sicherung der Immunität diese Praxis des Reichstags nicht aufrechterhalten hat, bedarf es somit einer neuen Beschlußfassung des Hohen Hauses.
Ich darf zunächst den Prozeßverlauf kurz in Ihr Gedächtnis zurückrufen.
({3})
- Ich verstehe, daß verschiedene Abgeordnete gern ihre Züge erreichen wollen. Aber Sie brauchen nicht Angst zu haben, daß ich mich bei dieser Schilderung lange aufhalten werde. Zum Verständnis der Sachlage
({4})
und nach Auffassung des Ausschusses ist es aber erforderlich, daß das noch kurz vorgetragen wird. Wenn Sie es nicht wünschen, - ({5})
- - Ja. die Meinungen darüber sind sehr geteilt.
({6})
Meine Damen und Herren, der Herr Berichterstatter hat allein zu bestimmen, was zu berichten ist!
Gengler ({0}), Berichterstatter: Ich darf feststellen, daß ich pflichtgemäß einem Auftrag des Ausschusses nachzukommen habe und eine sachliche Darstellung an sich erforderlich ist.
Ich darf anführen: Herr Hedler war ursprünglich
durch Urteil einer nach Neumünster detachier ten Strafkammer des Landgerichts in
Kiel freigesprochen worden. Auf Revision der
Staatsanwaltschaft hatte das Oberlandesgericht
in Schleswig dieses Urteil aufgehoben und
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Durch Urteil der Ersten
Großen Strafkammer des Landgerichts in Kiel vom
20. 7. 1951 ist Hedler alsdann wegen öffentlicher
Beleidigung in Tateinheit mit öffentlicher Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener und mit
öffentlicher entwürdigender übler Nachrede nach
der Verordnung des Reichspräsidenten vom 8. 12.
1931 zu neun Monaten Gefängnis verurteilt worden.
({1})
Die Verurteilung ist erfolgt, weil das Gericht als erwiesen angesehen hat, daß sich Hedler durch seine Äußerungen in der Westenseer und Einfelder Rede 1. der öffentlichen Beleidigung und der öffentlichen Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener zum Nachteil der Widerstandskämpfer des 20. 7. 1944 schuldig gemacht hat; 2. wegen öffentlicher Beleidigung der Juden dadurch vergangen hat, daß er äußerte: „Wir können Deutschland alleine aufbauen. Dazu brauchen wir die Juden nicht."
({2})
3. Der öffentlichen entwürdigenden üblen Nachrede zum Nachteil des Landesvorsitzenden der SPD
({3})
in Bayern und Fraktionsvorsitzenden der SPD im bayerischen Landtag, Waldemar von Knoeringen, dadurch schuldig gemacht hat, daß er von ihm als „Major in englischen Diensten" sprach.
({4})
Weitere tatsächliche Feststellungen hat das Gericht nicht getroffen. Alle übrigen gegen Hedler erhobenen Vorwürfe haben somit nicht zur Verurteilung geführt. Dieses Urteil des Landgerichts in Kiel ist durch Urteil des Fünften Berliner Strafsenats des Bundesgerichtshofes vom 8. 5. 1952 bestätigt worden.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich anläßlich dieses Falles erstmals mit der Frage der Erteilung der Genehmigung zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe gegen einen Bundestagsabgeordneten befaßt. Der Ausschuß hat 'sich hierbei auf den Standpunkt gestellt, daß die Grundsätze des Bundestags, wonach die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens bei Beleidigungen politischen Charakters nur erteilt werden soll, wenn es sich um Verleumdungen oder schwere Fälle von Beleidigungen handelt, bei denen der Ehrenschutz auf andere Weise nicht hinreichend sichergestellt werden kann, bei Anträgen auf Aufhebung der Immunität zur Strafvollstreckung jedenfalls dann nicht der Entscheidung zugrunde gelegt werden können, wenn es sich um eine verhältnismäßig schwere Strafe handelt. Darüber hinaus sollte im Fall Hedler dem Interesse der Rechtspflege gegenüber dem Interesse des Parlaments an der Erhaltung seiner Arbeitsfähigkeit der Vorzug gegeben werden. Der Ausschuß schlägt daher vor, die Genehmigung zur Strafvollstreckung gegen den Abgeordneten Hedler zu erteilen.
Unabhängig hiervon wird sich der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität mit der Frage des Diätenbezugs für Abgeordnete, die eine Freiheitsstrafe verbüßen, befassen und gegebenenfalls dem Bundestage hierüber Vorschläge vorlegen.
Der Abgeordnete Hedler hat sich durch ein Schreiben vom 10. 7. 1952, das an die Abgeordneten verteilt worden ist, zur Freigabe der Strafvollstreckung geäußert und dabei mitgeteilt, daß er Anfang Juli 1952 Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe wegen Verletzung des Grundgesetzes erhoben hat. Eine Stellungnahme zu dieser Verfassungsbeschwerde steht dem Hohen Hause nicht zu. Es muß dem Bundesverfassungsgericht überlassen bleiben, gegebenenfalls eine Aussetzung der Strafvollstreckung anzuordnen, falls es der Ansicht ist, daß der Abgeordnete Hedler in seinen Grundrechten verletzt ist.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Ritzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich unterstreiche die Tatsache, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität in der fraglichen Sitzung in dieser Frage einen einstimmigen Beschluß gefaßt hat. Es ist mir bekannt, und ich habe es gestern bereits hier zum Ausdruck gebracht, daß die Fraktionen 'des Hohen Hauses von der Erwägung 'geleitet werden, evtl. die Abstimmung über den Antrag ides Ausschusses zu verschieben. Ich halte es - und ich spreche im Namen der sozialdemokratischen Fraktion - aus diesem Grunde für notwendig, daß noch wenige
Sätze zum Sachverhalt und Tatbestand in Ergänzung des Berichts, den der Herr Berichterstatter hier gegeben hat, hinzugefügt werden.
Ich stelle fest, daß der Fall Hedler deutsche Gerichte in vier Fällen befaßt hat: einmal ein Oberlandesgericht und einmal sogar den höchsten Gerichtshof der Bundesrepublik. Ich stelle mit den Worten des Herrn Berichterstatters fest, daß eine Entscheidung oder auch ein In-den-Arm-fallen gegenüber der Verfassungsbeschwerde, die Herr Abgeordneter Hedler an das Bundesverfassungsgericht gerichtet hat, idem Bundestage nicht zusteht. Ich stelle aber weiterhin folgendes fest und darf bitten zu verstehen, daß ich das tue.
Wir schreiben heute den 19. Juli und morgen den 20. Juli. Das ganze Hohe Haus hat heute Gelegenheit gehabt, von der Extraausgabe Kenntnis zu nehmen, die die Zeitschrift „Das Parlament" im Andenken an die Opfer des 20. Juli 1944 herausgegeben hat. Sie haben Gelegenheit gehabt, dort festzustellen, was zu dieser Frage vom Standpunkte der Ehrung jener gesprochen wurde und gesprochen werden mußte, die von Herrn Hedler laut Gerichtsurteil mit folgenden Worten charakterisiert worden sind. Dort heißt es, daß er sie als Lumpen, Deserteure und Vaterlandsverräter bezeichnet, von Verrat und Dolchstoß durch diese sowie davon gesprochen habe, daß Deutschland von diesen Männern unterminiert worden sei.
Meine Damen und Herren! Aus diesen Ausführungen, die 'Herr Hedler in zwei Reden gemacht hat und die zu einem wesentlichen Bestandteileiner Mentalität im deutschen Volk geworden sind, deren Rache und Auswirkung zu befürchten ist, sind Dinge entstanden, die der Vergessenheit nicht anheimfallen dürfen.
Vor mir habe ich als 'Gedächtnisstütze die von dem Herrn Bundesminister des Innern für den Bundesgrenzschutz herausgegebene Zeitschrift. Drei Punkte in drei Sätzen daraus!
7. Februar 1952: Neuer Sprengstoffanschlag auf das Bundesverfassungsgericht; der Täter wollte der derzeitigen Staatsform entgegentreten!
26. März 1952: Bombenanschlag auf
Bombenanschlag auf den Leiter der deutschen Delegation" bei den Verhandlungen im Haag auf Schloß Wassenaar.
Meine Damen und Herren, aus diesem Geist ist die Entwicklung gewachsen, an deren Ende das deutsche Volk dann an Bahren gestanden hat.
({0})
Ich möchte daran erinnernd ein wahres Wort zitieren, das der Herr Bundesinnenminister in der Zeitung „Das Parlament" geschrieben hat:
In Ehrfurcht und Dankbarkeit wollen wir der-j enigen gedenken, die ihr Leben und ihre Ehre eingesetzt haben zur inneren und äußeren Rettung ihres Vaterlandes.
Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat es in der Hand, darüber zu entscheiden, ob ein rechtskräftig gewordenes Urteil nun der Vollstrekkung entgegengeführt wird, oder ob das Hohe Haus durch eine Verschiebung der Entscheidung oder gar durch eine Verweigerung der Strafvollstrekkung eine Mitverantwortung für eine Entwicklung übernimmt, die wir bereits in anderen Maßstäben und unter anderen Vorzeichen einmal genossen
({1})
und erlebt haben. Ich bitte Sie dringend, dem Recht nicht in den Arm zu fallen, sondern dafür zu sorgen, daß Recht Recht bleibt.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoogen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben vom Herrn Berichterstatter die Geschichte des Prozesses des Abgeordneten Hedler gehört. Wir haben vom Abgeordneten Hedler selbst in seiner Erklärung und in der Zuschrift, die im ganzen Hause verteilt worden ist, gehört, daß er das Urteil kritisiert. Ich spreche im Namen der Koalition und erkläre, daß das Urteil gegen den Abgeordneten Hedler feststeht und nicht kritisiert wird. Ich lehne es aber auch weiterhin ab, aus irgendwelchen Gründen, die mit Stimmungsmache zusammenhängen könnten, zu der Frage Stellung zu nehmen. Ich betrachte die Angelegenheit nach den Grundsätzen, nach denen der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität nach unserer Geschäftsordnung und nach dem Grundgesetz vorzugehen hat.
Nach § 114 Abs. 2 der Geschäftsordnung hat der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität Grundsätze über die Behandlung von Ersuchen auf Aufhebung der Immunität von Abgeordneten des Bundestages aufzustellen und diese Grundsätze zum Ausgangspunkt seiner zu erarbeitenden Anträge zu machen. Ich habe aus dem Bericht des Herrn Berichterstatters nicht gehört, wie diese Grundsätze lauten. Der Herr Berichterstatter hat wohl berichtet, daß von Grundsätzen ausgegangen
worden sei. Wenn damit die Grundsätze gemeint sein sollten, die im Herbst 1949, als der Bundestag sich erstmalig mit Immunitätsangelegenheiten zu befassen hatte, erarbeitet wurden, dann darf ich bemerken, daß diese Grundsätze damals für Immunitätsangelegenheiten in einer sehr eingehenden Aussprache im Hohen Hause, nicht nur im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität, erarbeitet worden sind und nach idem Willen dieses Hauses für die Urteilsverfahren gelten. Denn wie der Herr Berichterstatter mit Recht berichtet hat, ist im Gegensatz zur Praxis des Reichstages von uns unterschieden worden zwischen der Aufhebung der Immunität in Verfahren bis zum rechtskräftigen Urteil und der Aufhebung der Immunität für die Zwecke der Strafvollstreckung.
'Mit dem heutigen Fall wird das Hohe Haus erstmalig mit der Aufhebung der Immunität zum Zwecke der Strafvollstreckung befaßt. Es ist mir gesagt worden - ({0})
- Herr Kollege Ritzel, das stimmt nicht. Wir haben bereits zweimal die Immunität aufgehoben, um die Inhaftnahme zum Zwecke der Durchführung von Untersuchungsverfahren, also die Untersuchungshaft, zu ermöglichen.
({1})
- Herr Abgeordneter Ritzel, weil der Abgeordnete Reimann sich damals der Vernehmung und der Durchführung des Erkenntnis-. des Urteilsverfahrens entzog, ohne daß wir damals das Urteil kannten!
Unser grundlegender Beschluß war jedenfalls der, daß die Aufhebung der Immunität - und
deswegen werden wir heute mit der Angelegenheit befaßt - nicht für das Vollstreckungsverfahren galt. Für dieses Verfahren haben wir auch Grundsätze zu erarbeiten, und diese sind im Ausschuß nicht erarbeitet worden und stehen bis heute nicht fest. Wenn es die alten Grundsätze sein sollten, dann verstehe ich nicht, daß wir das Verfahren aufgeteilt haben nach Erkenntnisverfahren und nach Vollstreckungsverfahren. Wir sollten uns daran halten.
Ich persönlich muß ferner ganz offen sagen, daß es mich befremdet, daß in diesem Falle von heute auf morgen der Fall auf die Tagesordnung gesetzt wird, während in anderen Verfahren, die ich hier nicht namentlich nennen will,
({2})
manchmal der Ausschuß ein ganzes Jahr braucht, um die Sache zu behandeln.
Mit einem solchen Verfahren kann ich mich nicht befreunden,
({3})
und deswegen beantrage ich namens der Koalition, die Angelegenheit an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zurückzuverweisen, damit dort die Grundsätze erarbeitet werden können,
({4})
nach denen wir in Zukunft in allen Fällen vorzugehen beabsichtigen. Das darf jedenfalls nicht in der überhasteten Form, in der bei dem uns heute vorliegenden Fall verfahren werden soll, geschehen.
({5})
- Frau Kollegin, wir haben diese Grundsätze nicht erarbeitet; das Hohe Haus hat diese Grundsätze bisher nicht gutgeheißen. -
Im übrigen darf ich Sie um folgendes bitten: Es wird in diesem Hohen Hause so oft gesagt, man müsse einer großen Fraktion die Gelegenheit geben,
({6})
die Grundsätze und die Sache 'in der Fraktion zu besprechen. Diese Sache wird hier von gestern auf heute verhandelt.
({7})
Meine Fraktion hat nicht die 'Gelegenheit gehabt, diesen Fall, in dem erstmalig die Immunität zum Zwecke der Durchführung der Strafvollstreckung aufgehoben werden soll, zu besprechen. Sie hat auch nicht die Gelegenheit gehabt, die Grundsätze zu besprechen. Deswegen und aus den anderen von mir vorgetragenen Gründen bitte ich Sie, dem Antrag auf Zurückverweisung der Angelegenheit an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zu entsprechen.
({8})
- Zu diesem Antrag auf Zurückverweisung? - Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gehöre nicht dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität an, aber ich meine, wir sollten außer unserer Geschäftsordnung, die wir alle vor uns haben und deren § 114 uns bekannt ist, auch ein bißchen den gesunden Menschenverstand sprechen lassen.
({0})
({1})
Ich meine, daß die Erarbeitung von Grundsätzen für die Aufhebung der Immunität doch zweifellos nur dann einen Sinn hat, wenn es sich um eine Vielzahl von Fällen handelt, d. h. also im allgemeinen für die Anordnung des rechtlichen Verfahrens, für die Anordnung der Untersuchung überhaupt. Jetzt haben wir es nun einmal, nachdem die ganze Sache drei Jahre geht, mit dem ersten Fall zu tun, in dem ein Abgeordneter der Strafvollstrekkung zugeführt werden soll. Da, meine ich, ist es an der Zeit, daß das Hohe Haus doch nun nicht vom Geschäftsordnungsausschuß verlangen sollte, für einen Einzelfall vorher noch Grundsätze aufzustellen. Wieviel Abgeordnete wollen Sie denn im Laufe unserer Legislaturperiode noch einsperren, daß Sie Grundsätze aufstellen müssen?
({2})
Ich meine, die Sache ist entscheidungsreif; das sagt uns der gesunde Menschenverstand.
({3})
Zu diesem Rückverweisungsantrag? - Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es würde mich außerordentlich reizen, auf die völlig unnötig erregten Worte des Herrn Ritzel, vielleicht mich im Lauf der Rede zu ähnlicher Erregung steigernd, zu antworten. Er hat Dinge gesagt, die ich sehr ungern unwidersprochen lasse.
Was die Zurückverweisung anlangt, so halte ich
sie entsprechend den Worten meines verehrten Vorredners Herrn Hoogen für geboten; denn es steht fest, daß wir es hier mit dem politischen Delikt katexochen zu tun haben. Es gibt nichts Nur-Politischeres als einen Wahlkandidaten, der eine Wahlrede hält, und als einen Abgeordneten, der in seinem heimatlichen Kreise seinen Anhängern das vorträgt, was er politisch für nötig hält. Wenn man sich bei dieser Gelegenheit vergeht, so ist das ein typisches, aber ganz und gar typisches politisches Vergehen, und sonst gar nichts.
({0})
Wenn wir schon bei gröblichen Beleidigungen persönlicher Art die Strafverfolgung wegen politischer Vergehen in ach wie vielen Fällen, oft gegen mein Votum, nicht aufgehoben haben, dann kommt es doch für die Strafvollstreckung in diesem rein politischen Fall überhaupt nicht in Betracht! Das möchte ich hier nur gesagt haben, und das alles durchzuarbeiten und um klare Grundsätze zu beraten, sollte der Ausschuß noch einmal Gelegenheit haben. Aber Herr Erler, das wäre ja ein sehr komisches Recht, wenn Sie heute, wenn ein Fall von rechts da ist, ohne Grundsätze arbeiten wollen, und morgen bei einem Fall von links ebenso ohne Grundsatz. Für eine solche unklare Praxis muß ich mich namens meiner Freunde bedanken.
({1})
Keine weiteren Wortmeldungen. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! Es bestehen Zweifel über das Abstimmungsergebnis. Wir müssen durch Hammelsprung entscheiden. Ich bitte, den Saal zu räumen.
({0})
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({1})
- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich zu beeilen.
Ich bitte, 'die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet. Meine Damen und Herren, dies ist das Ergebnis der Abstimmung: Mit Ja haben gestimmt 116 Abgeordnete, mit Nein 168;
({2})
11 haben sich der Stimme 'enthalten. Damit ist der Antrag auf Zurückverweisung an den Ausschuß abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung.
({3})
- Herr Abgeordneter Ewers, wir sind in der Abstimmung. Wollen Sie zur Abstimmung sprechen?
({4})
- Zur Abstimmung der Abgeordnete Ewers!
Herr Präsident, ich wollte nicht zur Abstimmung sprechen. Wir haben eben über einen Geschäftsordnungsantrag wegen Zurückverweisung abgestimmt. Der ist abgelehnt, und jetzt haben wir hier die Sache zu behandeln. Bisher habe ich noch kein Wort zur Sache gesprochen, weil wir eben eine Geschäftsordnungsdebatte hatten. Ich möchte jetzt zur Sache sprechen.
({0})
- Die Aussprache war nicht geschlossen, in keiner Weise, sondern zum Geschäftsordnungsantrag haben hier drei Redner 'gesprochen, und dann ist über den Geschäftsordnungsantrag - Zurückverweisung - abgestimmt worden. Das ist abgelehnt worden. Folglich ist hier jetzt über 'die Sache zu entscheiden. Zu dieser Sache bitte ich um Idas Wort.
Herr Abgeordneter Ewers, ich bitte um Entschuldigung. Eine Abstimmung über einen Antrag auf Zurückverweisung ist keine Abstimmung über einen Geschäftsordnungsantrag.
({0})
Na nu, was ist denn das? Das war doch bisher keine Sachentscheidung? Oder? Dann bitte ich, nach Hause zu gehen; dann ist die Sache also entschieden. Danke schön!
({0})
Dann wären wir hier ja fertig. Ich meine, eine Ablehnung der Zurückverweisung - eine geschäftsordnungsmäßige Behandlung - bezog sich auf eine Unterbrechung der Behandlung der Sache bis zum nächsten Male. Sie wollen doch heute hier die Sache zu Ende behandeln. Das soll also geschehen. Dazu bitte ich mir das Wort zu erteilen.
Das Wort ist Ihnen erteilt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte, sich wieder hinzusetzen. Es ist nicht gerade das Übliche, daß so viele stehen. Denn ich möchte etwa ebenso lange sprechen, wie Herr Ritzel gesprochen hat, und möchte bitten, erstens diese Angelegenheit nicht wegen der Tatsache, daß morgen der 20. Juli ist, irgendwie ins Pathetische zu erheben
({0})
und zweitens bei allen juristischen Betrachtungen den Charakter der Zeit in Rechnung zu stellen. Die Dinge, die wir hier heute behandeln wollen, liegen drei Jahre und mehr zurück.
({1})
Das ist nicht ganz unwichtig; denn warum das Verfahren so verschleppt ist, das ist vielleicht, ohne die politischen Hintergründe zu kennen, kaum zu erklären; denn so schwierig war die Sache ja nicht.
({2})
Deshalb lassen Sie mich möglichst in Ruhe und - möglichst mit tolerantem Gehör - hier einige Worte sagen.
Der 20. Juli. Ob Herr Hedler ausgerechnet die Widerstandskämpfer dieses Datums überhaupt genannt hat, steht dahin. Er hat im ganzen von Saboteuren gesprochen und darin den 20. Juli möglicherweise eingeschlossen.
({3})
Ich möchte aber nur eines betonen. Die 20.-JuliLeute sind außer dem mir persönlich gut bekannten Herrn D r. Leber, -den ich tief beklage; im wesentlichen Personen d-es militärischen Adels gewesen,
({4})
und das sind unsere Freunde, und w i r sind auch auf Herrn Hedler politisch böse, weil er nicht ganz klar eine Sonderung zwischen Schweinehunden und Widerstandskämpfern aus Idealismus vorgenommen hat. Darüber sind wir uns alle im Hause einig. Lassen Sie uns hier doch nicht so reden und so tun, als ob der 20. Juli eine SPD-Angelegenheit gewesen wäre.
({5})
Das vorweg. Also, wenn er jemanden beleidigt hat, dann sind es ebenso gut unsere Freunde gewesen, wie etwa Herr Goerdeler, der ja kein SPD-Mann gewesen ist,
({6})
dessen Nachkommen ebenso beleidigt sind wie irgendein Freund der SPD.
Was das Verfahren selbst anlangt: Wir haben hier keine Urteile zu kritisieren; aber wenn es sich um Tatsachenfeststellung handelt, -die ja immer nur dem menschlichen Irrtum unterworfene Richter treffen können, dann wollen wir doch nicht ganz vergessen, -daß die erste Strafkammer sich anscheinend geirrt haben muß, denn sie hat ja Herrn Hedler aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Der zweite Richter hat etwas anderes festgestellt.
({7})
- Von Dummheit ist gar nicht die Rede. Urteile zu lesen bin ich vermutlich fähiger als mancher andere, der noch nicht so alt ist wie ich;
({8})
denn dafür habe ich ja mein Leben lang gelebt.
Und nun die Grundsätze! Meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen Sie mal eines vorweg bedenken: Die Aufhebung der Immunität zur Durchführung eines Strafverfahrens bedeutet, wenn es sich nicht gerade um Untersuchungshaft handelt, -daß der Abgeordnete einen Tag oder mehrere Tage von seinen Geschäften in Bonn ferngehalten wird.
({9})
Die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, hier von neun Monaten, bedeutet, daß Sie das Haus um eines seiner Mitglieder dezimieren.
({10})
- Dazu braucht es gar keiner Schreierei.
({11})
Wenn wir schon das Palladium dieses Hauses hüten wollen, müssen wir uns darüber klar sein, daß bei einer Strafvollstreckung die Interessen des Hauses ganz anders berührt sind als lediglich bei einer Strafverfolgung.
Und nun, welche Grundsätze? Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie davon abweichen wollen, daß alle diejenigen Delikte, in denen ein Abgeordneter besonders Gelegenheit hat, zu brillieren - nämlich durch Worte begangene strafbare Handlungen im politischen Kampf -, durch das Palladium der Immunität geschützt sind, wenn Sie nicht an dem Verhalten der Linken dieses Hauses erkennen, wie sehr dieses ganze Verfahren von politischen Leidenschaften getragen ist, wenn Sie nicht wahrnehmen, daß hier politischer Druck und Gegendruck eine Rolle spielen, daß wir in solchen Fällen aber eben die Immunität grundsätzlich nicht aufheben wollten, dann müssen Sie mit Blindheit geschlagen sein. Dieser Fall ist ein politischer Fall, und ich sage Ihnen ganz offen, vom ersten Tag der Behandlung in diesem Hause an bis über ach so bedauerliche Vorgänge, sowohl hier im Saale wie draußen am Eingang, ist es ein Fall, der dem Bundestag weiß Gott nicht zur Ehre gereicht! Das ist tief bedauerlich, denn an sich gibt es hier im Hause keinen - selbst, glaube ich, heute Herr Hedler nicht mehr -, der seine Erklärungen in den damaligen Versammlungen billigt. Wir könnten darüber vollkommen einmütig zu einem Beschluß kommen. Aber die politischen Konsequenzen, die Sie hier ziehen, die politischen Rachegelüste, denen Sie frönen, - das hat mit objektiver Sachbehandlung aber auch gar nichts mehr zu tun.
({12})
Ich halte die Herren der SPD nicht für beeinflußbar; das ist genau so wie bei der großen Vorlage, die wir in den letzten Tagen zu behandeln hatten, nur umgekehrt. Aber ich glaube, daß ich den Freunden der CDU, die bisher noch zweifelten, gewisse Herzschläge berühren könnte. Denn die Dinge sind doch hier so, daß die politische Leidenschaft - - einige winken schon ab, schön; aber andere mögen nachdenklich sein.
({13})
({14})
Wir sind jedenfalls der Ansicht, daß Sie, wenn Sie hier in diesem Saal überall der politischen Leidenschaft folgen, schon damit gegen den heiligsten Grundsatz der Immunität, nämlich, die Ehre dieses Hauses vor Angriffen politischer Kräfte zu schützen, verstoßen.
Ich möchte im Gegensatz zum Vorschlag des Ausschusses beantragen, die Immunität nicht aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Frau Kalinke.
Um der Grundsätze willen, die hier zur Frage der Aufhebung der Immunität erörtert worden sind, beantrage ich namentliche Abstimmung. _
({0})
Ich frage das Haus: Wird dieser Antrag von 50 Mitgliedern des Hauses unterstützt? - Das sind zweifellos weniger als 50 Mitglieder des Hauses. Der Antrag kann nicht zugelassen werden.
Wir stimmen ab. Wer für den Antrag des Ausschusses ist, der auf Aufhebung der Immunität geht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einige Enthaltungen. Das erste war zweifellos die Mehrheit. Der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe noch bekanntzugeben, daß die Fraktion der Deutschen Partei nach Schluß der Sitzung eine Fraktionssitzung abhält,
Es bleibt mir am Ende dieser letzten Sitzung des Sommers noch übrig, meine Damen und Herren, Ihnen gute und erholsame Ferien zu wünschen. Ich glaube, daß wir - wir alle miteinander - sie redlich verdient haben, und ich glaube, daß wir sie sehr nötig haben.
({1})
Wir haben sie, glaube ich, insbesondere nötig, um Distanz von den Dingen und vielleicht auch Distanz voneinander zu gewinnen.
({2})
Es könnte sein, daß wir dann nachher um so enger zusammenrücken möchten.
({3})
Ich berufe die nächste, die 228. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Mittwoch, den 10. September 1952, 13 Uhr 30, und schließe die 227. Sitzung.