Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 225. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Jaffe und Rademacher. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Schmid ({0}), Reimann, Rische, Dr. Orth, Grundmann, Huth, Langer, Dr. Pünder, Wagner, Bazille und Frau Brauksiepe.
Danke schön! - Meine Damen und Herren, ich habe mitzuteilen, daß der Abgeordnete Dr. Arndt unter dem 12. Juli 1952 mitgeteilt hat, daß er auf seine Wahl als Wahlmann für das Bundesverfassungsgericht verzichtet und aus
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dem Wahlmännergremium ausscheidet. Als nächster aus der Reihe der nicht mehr Gewählten aus der Liste der Fraktion der SPD tritt an seine Stelle Herr Abgeordneter Eichler. Ich bitte, davon Kenntnis zu nehmen.
Ich habe eine Bitte zur Technik der Beratungen dieses Hauses. Es hat sich gestern wieder herausgestellt, daß der Verbrauch an gelesenem Papier bei den Abgeordneten sehr groß ist und daß es in die Gänge geworfen wird. Es sind gehbehinderte Abgeordnete gestern darüber gefallen. Ich bitte doch, freundlichst darauf Rücksicht zu nehmen, wenn schon nicht aus ästhetischen, dann jedenfalls aus Gründen der Nächstenliebe.
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Meine Damen und Herren, wir fahren in der Beratung der Punkte der gestrigen Tagesordnung fort. 1ch rufe auf:
Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb ({2}),
des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung
der Wirtschaft ({3}),
des Entwurfs eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben ({4}), ({5});
Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({6}) ({7}).
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Das Betriebsverfassungsgesetz ist gestern abend in der zweiten Beratung bis zu § 53 gefördert Worden.
Ich rufe nun den § 54 auf. Dazu liegen unter den Ziffern 38 und 39 des Umdrucks Nr. 617 zwei Änderungsanträge der Fraktion der SPD vor.
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Böhm.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Fraktion der SPD gestellte Antrag zu § 54 Abs. 1 hat folgenden Wortlaut:
c) bei der Aufstellung und Bearbeitung von
Haushalt- und Stellenplänen in dem Betrieb mitzuwirken.
Mein Kollege Professor Dr. Preller hat in längeren Ausführungen gestern abend über die Bedeutung der Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Betrieben gesprochen. Ich darf mich darauf berufen, daß ich anfangs der Beratungen in grundsätzlichen Ausführungen zum Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrecht in den öffentlichen Betrieben eine Anzahl Erklärungen abgegeben habe. Wenn ich mir den § 54 besehe und darin die Aufgaben des Betriebsrats, die in den Buchstaben a bis d aufgezählt sind, dann bin ich persönlich der Meinung, daß die Aufzählung dieser Aufgaben als allgemeine Aufgaben gerade nicht so erhebend und so erschöpfend ist, als daß sie nicht eine Ergänzung erfahren könnte. Der von uns gestellte Antrag entspricht aber auch unserer grundsätzlichen Einstellung zu einem einheitlichen Gesetz und zu der einheitlichen Aufgabe.
Ich möchte zur Erläuterung unseres Antrages auf folgendes hinweisen. Es heißt bei dem von uns gestellten Antrag ausdrücklich:
bei der Aufstellung und Bearbeitung von Haushalts- und Stellenplänen in dem Betrieb mitzuwirken.
Damit hier nicht etwa falsche Schlußfolgerungen gezogen werden, möchte ich darauf hinweisen, daß dieser Antrag bezweckt, die Betriebsvertretungen bei der Aufstellung der einzelnen Haushaltspläne hinzuzuziehen und mit ihnen die Notwendigkeit nicht nur der Bereitstellung von Haushaltsmitteln, sondern auch der Bereitstellung von Mitteln für die Stellenpläne selbst zu klären. Die Entscheidung über Haushalts- und Stellenpläne muß nach unserer Auffassung und auch nach dem, was ich in der ersten Begründung gesagt habe, selbstverständlich den gesetzgebenden Organen bzw. den Stellen überlassen bleiben, die in den öffentlichen Betrieben zur Verabschiedung von Haushalts- und Stellenplänen gewählt werden. Wir können uns aber vorstellen - besonders in den Betriebsverwaltungen, bei Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerken, bei Straßenbahnen und sonstigen Verkehrsbetrieben-, daß die Betriebsvertretungen bei der Aufstellung der Stellenpläne eine ganze Reihe von Anregungen über Durchführung bestimmter Maßnahmen auf dem Gebiet der betrieblichen Sozialpolitik oder der sozialen Betriebspolitik geben können. Ich glaube, man sollte diese Aufgabe der Betriebsräte als allgemeine Aufgabe mit in dieses Gesetz aufnehmen.
Ich bitte Sie also im Auftrage meiner Fraktion, dem von uns gestellten Antrag zuzustimmen. Die bisherigen Buchstaben c und d werden Buchstaben d und e. Die neue Einfügung in den § 54 würde also lauten:
c) bei der Aufstellung und Bearbeitung von Haushalts- und Stellenplänen in dem Betrieb mitzuwirken.
Sie sehen also auch hieraus, daß wir lediglich eine Mitwirkung im Interesse der sozialen und betrieblichen Belange verlangen, und wir bitten Sie, diesem von uns gestellten Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Abgeordneter Böhm, wollen Sie auch den Antrag zu Abs. 2 gleich begründen, oder wollen Sie das zurückstellen?
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Wird das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Paul!
Meine Damen und Herren! Schon seit 1945 fordern die Arbeiter und die Gewerkschaften in allen Betrieben und in der Wirtschaft ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht auf personellem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet Der § 54 entspricht nicht diesen Wünschen und Forderungen der Arbeiterschaft. Er umreißt nicht die Rechte der Betriebsräte auf wirtschaftlichem Gebiet, sondern er spricht nur von den Aufgaben Der Kollege Böhm hat ebenfalls nur - und das beinhalten auch die Änderungsanträge der SPD - in gewisser Beziehung ein Mitwirkungsrecht angemeldet. Wir sind der Meinung, schon im § 54 solle eindeutig festgelegt werden, daß die Betriebsräte bei den genannten Aufgaben nicht nur das Mitwirkungsrecht haben, auch nicht nur, wie es im Antrag der SPD-Fraktion heißt, bei der Bearbeitung der Stellenpläne bei den Behörden, sondern schon eingangs dieses Paragraphen soll das grundsätzliche Recht der Betriebsräte auf Mitbestimmung in allen personellen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen festgelegt werden. Das ist notwendig zur Wahrung der Interessen der Arbeiterschaft.
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Wir erlauben uns deshalb zu beantragen, dem jetzigen § 54 folgenden Wortlaut zu geben:
({1}) Der Betriebsrat ist mitverantwortlicher Träger des Mitbestimmungsrechts. Er ist berufen gleichberechtigt in allen sozialen, personellen und wirtschaftlichen Fragen mitzubestimmen und
({2}) alle Maßnahmen, die der Belegschaft dienen, beim Unternehmer zu vertreten;
({3}) dafür Sorge zu tragen, daß die zugunsten der Arbeiter, Angestellten und Beamten geltenden Gesetze, Verordnungen, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt und eingehalten werden;
({4}) alle Beschwerden der Belegschaft entgegenzunehmen und beim Unternehmer für ihre Abstellung einzutreten;
({5}) für die Einstellung Schwerbeschädigter und sonstiger schutzbedürftiger Personen sowie für die Wahrung der besonderen Interessen dieses Personenkreises einzutreten.
Der Abs. 2 des § 54 sollte dann die Fassung behalten, die in der Vorlage vorgesehen ist.
Meine Damon und Herren, es kommt nicht darauf an, in diesem Gesetz nur von Mitwirkung zu reden; denn unter „mitwirken" ist noch nicht der Rechtsanspruch der Betriebsräte auf ein echtes Mitbestimmungsrecht verankert. Wir sind auch der Meinung, daß man nicht einseitig nur die Aufgaben für die Betriebsräte festlegen darf, sondern daß man zugleich das gleichberechtigte Mitbestimmungsrecht gesetzlich verankern muß.
Wir bitten Sie, im Interesse der Arbeiter und der Gewerkschaften unserem Antrage zuzustimmen, den ich hiermit dem Präsidenten überreiche.
Zu § 54 Abs. 1 liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Den Antrag der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 39 zu Abs. 2 wünscht Herr Abgeordneter Lange zu begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 54 Abs. 2 wird ausgesagt, daß dem Betriebsrat auf Verlangen die zur Durchführung seiner Aufgaben nach Abs. 1 Buchstabe b erforderlichen Unterlagen vorzulegen sind. Ich kann mich auf das beziehen, was soeben mein Kollege Böhm hinsichtlich der Beurteilung der im. § 54 in der Form der allgemeinen Aufgaben festgelegten Befugnisse und Rechte des Betriebsrats ausgeführt hat. Wenn wir uns vergegenwärtigen, daß dieser § 54 im Ersten Abschnitt des Vierten Teils - Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer - steht, dann sollte man erwarten, nach dem, was auch gestern hier durch Herrn Kollegen Dr. Schröder in entscheidender Form angekündigt worden ist, daß nämlich dieses Gesetz ein entsprechender Fortschritt gegenüber den bestehenden Regelungen sei und daß es - da sprach er in Superlativen - eines der fortschrittlichsten oder das fortschrittlichste Gesetz sei,
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das in dieser Materie in irgendeinem Staat der Welt vorhanden sei, - ({1})
- Nun, wenn man so außerordentlichen Wert darauf legt, Herr Kollege Schröder, dem Gesetz wirklich diesen fortschrittlichen Geist zu geben,
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den es nämlich nach unserer Auffassung noch nicht hat, dann sollten Sie hier in § 54 verankern, daß der Betriebsrat - der ja immerhin auch in diesem Teil „Mitwirkung und Mitbestimmung" unter den allgemeinen Bestimmungen des Ersten Abschnitts aufgefordert ist, die daraus resultierende Verantwortung zu tragen - diese Verantwortung auch voll übernehmen kann dadurch, daß ihm die für seine Aufgabe insgesamt notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt und die Dinge nicht nur auf Abs. 1 Buchstabe b beschränkt werden. Denn zu dem, was unter Buchstabe a gegebenenfalls vom Betriebsrat gefordert werden kann, wird es auch notwendig sein, entsprechende Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Ich kann hier, ohne mich wiederholen zu müssen, auch das noch anziehen, was gestern hinsichtlich der nicht mehr vorhandenen Isolierung des einzelnen Betriebes innerhalb unserer Volkswirtschaft Kollege Preller ausgeführt hat. Und, Herr Schröder, Sie mögen vielleicht hinsichtlich der Tatsache, daß hier ein solches Gesetz vorliegt, bis zu einem gewissen Grade recht haben. Aber warum ist dieses Gesetz denn gemacht worden? Sie haben doch selbst in Ihrer damaligen Begründung, als Sie Ihren Gesetzentwurf unter der Nummer 970 der Drucksachen einbrachten, von der Notwendigkeit einer Neuordnung der Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern gesprochen, aus ganz bestimmten Erfahrungen heraus, die wir in der Weimarer Zeit und vielleicht in noch entscheidenderer Form während des „Tausendjährigen Reiches" gemacht haben. Und ebenso ist dann auch der Entwurf zu einem Betriebsverfassungsgesetz - der Entwurf eines Gesetzes über die Neuordnung der Beziehungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Betrieben, der Regierungsentwurf -- begründet worden; und aus diesen beiden Entwürfen ist dieser Gesetzentwurf durch die Mehrheit der Ausschüsse zusammengebaut worden. Darin drückt sich doch aus, daß in einem erheblichen Umfange gegenüber gewissen Kreisen des Unternehmertums hinsichtlich der Verwertung ihrer wirtschaftlichen Befugnisse auf politischer Ebene mit Recht Besorgnisse gegeben waren. Aus dieser Überlegung heraus sollte doch die Arbeitnehmerschaft hier in der Gestalt der betrieblichen Mitbestimmung in den Betriebsräten zu einer entsprechenden Mitbestimmung und - wenn ich mich auch recht erinnere nach der damaligen Begründung zu einer entsprechenden Verantwortung mit herangezogen werden.
Wenn man dieser Auffassung ist, dann sollte man den Betriebsräten auch die Möglichkeiten geben, die dann notwendigerweise hinsichtlich der Gesamtverantwortung gegeben werden müssen, und nicht diese einschränkende Bestimmung, die hier vorhanden ist, aufrechterhalten.
Ein anderes. Es gibt Länder - und hier darf ich mich vielleicht auf die Vereinigten Staaten beziehen -, in denen ohne gesetzliche Regelung auf dem Wege tarifvertraglicher Vereinbarungen viel weitergehende Bestimmungen getroffen sind, als das hier in diesem Gesetz der Fall ist, so daß also mindestens in diesem Zusammenhang gesagt werden darf - und hier erinnere ich an den 1950 abgeschlossenen Tarifvertrag der vereinigten Automobilarbeiter in der Automobilindustrie der Vereinigten Staaten -, daß in dieser Materie, selbst auch ohne gesetzliche Regelung, fortschrittlichere Vereinbarungen in anderen Ländern - und auch in dem von Ihnen so gern zitierten Amerika - getroffen worden sind, als es hier im Augenblick durch
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dieses Gesetz für die Arbeitnehmerschaft der Bundesrepublik geschehen soll. Wir haben - das sollten Sie, Herr Dr. Schröder, auch den Arbeitgebern einmal sagen - doch immer noch den Unterschied in der Mentalität eines wesentlichen Teiles unserer verantwortlichen Arbeitgeber gegenüber der Mentalität nicht zuletzt der von mir eben zitierten Arbeitgeber Amerikas festzustellen. Wenn hier ein entscheidender Wandel im Denken der deutschen Arbeitgeber eintreten würde, dann würde manches - das ist meine Überzeugung, und ich darf das auch im Namen meiner Fraktion aussprechen - sich anders anschauen, auch hinsichtlich notwendiger gesetzlicher Regelungen, und es würde manches im tarifvertraglichen Rahmen oder in Betriebsvereinbarungen geklärt werden können.
Das, Herr Kollege Schröder, was Sie hier mit Ihrer Mehrheit festgelegt haben, geht ja zu einem entscheidenden Teil wieder hinter das zurück, was gegenwärtig, auch auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 22 und der darauf aufgebauten Betriebsvereinbarungen, zuerst Muster-Betriebsvereinbarungen der Gewerkschaften mit den entsprechenden Arbeitgeberverbänden und dann betriebliche Vereinbarungen, besteht. Denn das, was hier nicht mehr gefordert ist, nämlich von Ihnen nicht mehr gefordert ist und von uns noch gefordert wird, den Betriebsräten die für ihre Gesamtaufgaben hinsichtlich der Mitwirkung und Mitbestimmung notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen, ist dort realisiert, so daß Sie also mit Fug und Recht nicht behaupten können, daß es sich hier um einen entscheidenden Fortschritt gegenüber dem bestehenden Zustand handle; im Gegenteil, auch in dieser Frage ist ein wesentlicher Rückschritt zu verzeichnen.
Ich möchte Sie fragen, ob Sie es ernst meinen mit der Aufrechterhaltung der Forderung nach der Zusammenarbeit auf der betrieblichen Ebene und der Möglichkeit, den Mißbrauch wirtschaftlicher Macht zu verhindern, den wir bei einem Teil der Arbeitgeberschaft durch die Unterstützung der Nationalsozialisten vor 1933 ja erlebt haben. Dieser wäre nicht möglich gewesen und müßte auch künftig ausgeschaltet werden durch entsprechende Einschaltung der Betriebsräte und insbesondere durch entsprechende Vorlage der Unterlagen, weil die Betriebsräte dann gegen bestimmte Machenschaften bestimmter Unternehmerkreise Protest einlegen könnten. Wenn Sie also darauf Wert legen sollten, sollten Sie sich ernsthaft überlegen, ob Sie nicht unserm Antrag entsprechen können, der in Ziffer 39 fordert, die Worte „nach Abs. 1 Buchstabe b" zu streichen und hier dem Betriebsrat die Möglichkeit zu geben, sich alle nach seiner Überlegung notwendigen Unterlagen von der Geschäfts- oder Unternehmensleitung vorlegen zu lassen. Dieses Recht soll hier verankert werden. Ich darf Sie also bitten, hinsichtlich dieser Erwägungen selbst entsprechende Überlegungen anzustellen und unserm Antrag im Hinblick auf die tatsächlichen Möglichkeiten der Mitbestimmung und Mitwirkung der Betriebsräte in den Betrieben zur Annahme zu verhelfen.
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Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag der kommunistischen Gruppe, der eine völlig neue Fassung des § 54 entsprechend dem von Herrn Abgeordneten Paul vorgetragenen Antrag vorsieht. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 38 zu Abs. 1 des § 54. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den von Herrn Abgeordneten Lange begründeten Antrag zu Abs. 2 von § 54, Umdruck Nr. 617 Ziffer 39. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 54 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 54 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist § 54 angenommen.
Ich rufe auf § 55. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck Nr. 617 Ziffer 40 vor. - Herr Abgeordneter Lange!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In § 55 der Vorlage heißt es:
Alle Mitglieder oder Ersatzmitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, über ihrer Natur nach vertrauliche Angaben oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekanntgeworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimzuhalten bezeichnet worden sind, Stillschweigen auch nach dem Ausscheiden aus dem Betriebsrat zu wahren.
Wie Sie aus dem Umdruck Nr. 617 ersehen, beantragt meine Fraktion hier, die Worte „ihrer Natur nach" zu streichen.
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- Herr Dr. Wuermeling, dieses „Hört! Hört!" können Sie sich sparen,
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oder Sie müßten mir und auch meinen Freunden erst einmal erklären, was Sie hier unter „ihrer Natur nach vertrauliche Angaben" verstehen.
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- Was soll das heißen, Herr Dr. Wellhausen: „Das könnte Ihnen so passen!"?
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Sie haben auch in den Ausschußverhandlungen nicht vermocht, diese Dinge klarzustellen. Denn mit dieser Formulierung „ihrer Natur nach" schaffen Sie nur die Grundlage für eine Fülle von Rechtsstreitigkeiten, wie das gestern auch bei anderen Gelegenheiten schon zum Ausdruck gebracht worden ist. Wenn man eindeutig erklärt, was als vertrauliche Angabe behandelt wird, braucht man nicht hinzuzufügen „ihrer Natur nach" und dadurch einen Auslegungsstreit zwischen den Beteiligten heraufzubeschwören, so daß die Beteiligten veranlaßt werden, wegen einer möglichen richterlichen Auslegung an das Arbeitsgericht zu gehen. Man kann auch in diesem Zusammenhang nur sagen, daß die hierdurch geschaffene Rechtsunsicherheit die
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Betriebsräte weitgehend hemmt und eine solche Formulierung hinsichtlich der Tätigkeit der Betriebsräte wirklich nicht geeignet ist, die Freude an den Aufgaben, die sie auch im Rahmen dieses Gesetzes zu übernehmen haben, zu steigern.
Es ist bisher in der ganzen Praxis der Betriebsräte nach 1945 auf Grund der verschiedenen Betriebsrätegesetze in den einzelnen Ländern der amerikanischen und französischen Zone und auch auf Grund der Tätigkeit der Betriebsräte nach Kontrollratsgesetz Nr. 22 ohne eine solche Formulierung verfahren worden. Das, was tatsächlich geheimhaltungspflichtig war, ist auch als geheimhaltungspflichtig bezeichnet worden, und zwar unstreitig bezeichnet worden. Man sollte jetzt nach unserer Überzeugung auch in diesem Zusammenhang nicht solche Erschwerungen hineinbringen. Sie sind sich - und das zeigen die Zwischenrufe des Herrn Kollegen Dr. Wuermeling und des Herrn Kollegen Wellhausen - wahrscheinlich selbst darüber klar, daß solche Formulierungen, wie das gestern morgen mein Kollege Odenthal zum Ausdruck gebracht hat, für die Juristen ein erhebliches Arbeitsfeld schaffen würden. Sie sind sich auch darüber klar, daß Sie das Ziel, das im Grunde im Interesse einer notwendigen Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung erreicht werden sollte, nicht erreichen können, sondern hier die Betriebsräte entscheidend in dei Ausübung ihrer Funktion hindern.
Aus diesem Grunde ist die sozialdemokratische Fraktion der Meinung, daß die Worte „ihrer Natur nach" gestrichen werden sollten, um ganz klare Formulierungen hinsichtlich der vertraulichen Angaben oder der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu bekommen. Ich bitte Sie also, diesem unserem I Antrag zuzustimmen, damit auch das, was ich eben schon zu § 54 Abs. 2 ausgeführt habe - was Sie allerdings abgelehnt haben -, möglicherweise hier in § 55 noch realisiert werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! In § 55 soll festgelegt werden, daß die Betriebsräte immer dann, wenn die Unternehmer es für richtig halten, darauf hinzuweisen sind, daß über den zu behandelnden Gegenstand Stillschweigen zu bewahren ist. Mit anderen Worten, die Betriebsräte sollen also gezwungen werden, selbst vor ihren Belegschaften über den internen Zustand mancher Betriebsleitungen und ihre Praktiken nicht zu reden. Was verstehen Sie denn unter „vertrauliche Angaben"? Wir haben in den letzten Monaten in verschiedenen Betrieben - ich denke z. B. an eine Firma in Solingen - etwas erfahren, was dann gemäß diesem Paragraphen vertraulich und mit Stillschweigen zu behandeln sein soll, nämlich die Erzeugung von Bajonetten und Maschinengewehrteilen.
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Sie wollen durch diesen Paragraphen sicherstellen, daß die Betriebsräte selbst vor ihren eigenen Belegschaften zum Stillschweigen gezwungen sind, wenn es sich bei den Handlungen der Firmen und der Geschäftsleitungen um eine Verletzung selbst der Kontrollratsbeschlüsse und des Potsdamer Abkommens handelt.
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Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: hier wird
ausdrücklich gesagt, daß der Unternehmer bestimmt,
über welchen Gegenstand Stillschweigen zu bewahren ist. Sie können nicht durch eine solche Festlegung in § 55 zu jenem Vertrauensverhältnis kommen, das Sie zwischen den Betriebsräten und den Unternehmern erreichen wollen. Die Betriebsräte sind sich sehr wohl ihrer Verpflichtung gegenüber der Arbeiterschaft und unserem Volke bewußt.
Wir wenden uns gegen diesen Paragraphen, weil er die Betriebsräte zu den Belegschaften und den Interessen unseres Volkes in Gegensatz bringen soll. Der § 55 wurde deshalb in dieses Gesetz eingebaut, damit Sie ungestörter jene Kriegsvorbereitungsmaßnahmen in der Wirtschaft durchsetzen können, die Ihnen durch den Generalvertrag und die amerikanischen Kriegstreiber aufgegeben sind.
Ich möchte den sozialdemokratischen Kollegen sagen: Es genügt nicht, wenn nur zwei, drei Worte aus diesem Paragraphen herausgenommen werden, sondern man muß sich dazu aufraffen, den § 55 ganz zu streichen, damit die Betriebsräte entsprechend ihrer Verantwortung, die sie gegenüber der Arbeiterschaft und der Wahrung der Interessen der Arbeiter tragen, ihren Verpflichtungen ungehindert nachkommen können.
Sie wollen aber die Betriebsräte mundtot machen, Sie wollen sie zum Schweigen verurteilen. Sie wollen dem Unternehmer alle Rechte geben, damit er jederzeit verlangen kann, daß die Betriebsräte über derart wichtige Dinge wie z. B. Durchführung von Rüstungsaufträgen usw. schweigen.
Wir beantragen deshalb, daß der § 55 gestrichen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Meinung, man soll an jedem Morgen, auch wenn der Abend noch so lange gedauert hat, neu anfangen und mit frischen Kräften. Daher sind bei mir die Worte unseres Kollegen Lange auf guten Boden gefallen. Ich erkläre unser Einverständnis mit Ihrem Antrag.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Es liegt vor der Antrag des Herrn Abgeordneten Paul, § 55 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 40. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ferner liegt der Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Besold vor, einen § 55 a einzufügen. Zur Begründung Herr Abgeordneter Besold!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Einfügung dieser Bestimmung bezweckt, daß das Mitbestimmungsrecht in diesen kleinen Betrieben auf soziale Angelegenheiten beschränkt wird. Wir sind der Ansicht, daß eine Mitbestimmung in so kleinen Betrieben auf personellem und wirtschaftlichem Gebiet wirklich keine
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Notwendigkeit ist und durch die Einfügung der beantragten Bestimmung der Gedanke des Betriebsverfassungsgesetzes als solcher in keiner Weise durchbrochen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten das Hohe Haus, den Antrag Umdruck Nr. 616 Ziffer 4 abzulehnen. Dieser Antrag bedeutet, daß in einer großen Zahl von kleineren und mittleren Betrieben, nämlich in allen Betrieben bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern - in der Textilindustrie, in der ziemlich viele jugendliche Arbeitnehmer beschäftigt sind, wären das Betriebe von vielleicht 50 oder 60 Beschäftigten -, vom Betriebsrat nur soziale Angelegenheiten behandelt werden dürfen. Das hatten wir im alten Betriebsrätegesetz von 1920 nicht. Auch damals hatte der Betriebsobmann das Recht, personelle Fragen und wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Unternehmer zu beraten. Der Betriebsobmann hatte nur nicht das Recht des Einspruchs bei Entlassungen gemäß § 84 ff. Das Betriebsrätegesetz von 1920 kommt im Betriebsverfassungsgesetz aber überhaupt nicht in Frage, sondern dazu ist das Gesetz über den Kündigungsschutz da. Die beantragte Bestimmung würde einen großen Rückschritt bedeuten.
Ich bitte Sie, meinem Antrag auf Ablehnung zuzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen? - Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Abgeordneten Dr. Besold und Genossen Umdruck Nr. 616 Ziffer 4 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt worden.
Ich rufe auf: Zweiter Abschnitt - Soziale Angelegenheiten - § 56.
Dazu liegen die Änderungsanträge der Fraktion der SPD Umdruck 617 Ziffern 41 und 42 vor. Bitte schön, Frau Abgeordnete Kipp-Kaule.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Zweiten Abschnitt des Vierten Teils über Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer finden Sie die Behandlung der sozialen Angelegenheiten. Aus der Vorlage können Sie ersehen, daß der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in den Angelegenheiten mitbestimmen soll, die unter a) bis h) aufgeführt sind.
Wegen der Bedeutung der Mitbestimmung in diesen Fragen legen wir Wert darauf, daß das Wort „insbesondere" eingefügt wird, und zwar deswegen, weil wir wollen, daß gerade die Fragen herausgehoben werden, nämlich unter a) Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen, b) Zeit und Ort der Auszahlung der Arbeitsentgelte - das spielt immer eine Rolle im Betrieb -, c) Aufstellung des Urlaubsplans - ganz besonders da soll der Betriebsrat mitbestimmen, also darüber, wann der Urlaub angetreten wird -, d) Durchführung der Berufsausbildung - das interessiert den Betriebsrat genau so gut wie die Eltern der Lehrlinge -, e) Verwaltung von betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen, f) Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb, g) Regelung von Akkord- und Stücklohnsätzen - diese ist heute im Zuge der Rationalisierung, des REFA-Systems usw. für den arbeitenden Menschen im Betrieb von außerordentlich großer, von eminenter Bedeutung - und h) Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und Einführung von neuen Entlohnungsmethoden, die im Zusammenhang damit auch eine Rolle spielen.
Deswegen das „insbesondere", eben um die Bedeutung und Wichtigkeit dieser Mitbestimmung herauszustellen.
Für den Buchstaben e) habe ich Ihnen namens meiner Fraktion folgende Formulierung vorzuschlagen:
Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb oder das Unternehmen beschränkt ist, unbeschadet ihrer Rechtsform.
Wenn Sie es bei der alten vom Ausschuß vorgeschlagenen Formulierung „Verwaltung von betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen" belassen, dann würde z. B., wenn ein Betrieb eine Pensionskasse errichtet - nehmen wir an, eine Aktiengesellschaft beschließt, für den Betrieb oder für das Unternehmen eine Pensionskasse einzurichten, die aber auf der Basis der GmbH. errichtet wird -, der Betriebsrat da kein Mitbestimmungsrecht haben. Man würde sagen: Wir sind eine Aktiengesellschaft, in unserem Rahmen hast du zwar das Mitbestimmungsrecht; die Pensionskasse aber haben wir auf der Basis der GmbH. errichtet, und da hast du nichts zu suchen.
Das gleiche oder ähnliches könnte bei der Einrichtung oder Verwaltung von Erholungsheimen passieren, worauf ja der Herr Berichterstatter, Kollege Sabel, in seinem Schriftlichen Bericht hingewiesen hat. Wir legen großen Wert darauf, daß der Betriebsrat gerade bei der Verwaltung dieser Wohlfahrtseinrichtungen d as uneingeschränkte Mitbestimmungsrecht bekommt. Lassen Sie mich hierzu einiges sagen. Erholungsheime und ihre Einrichtung von seiten der Betriebe haben wir nun seit der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, und ich will Ihnen sagen, warum. Die Schäden, die im Zuge der technischen Entwicklung, im Zuge der Rationalisierung im Betrieb an den Menschen verursacht worden sind, sind so groß, daß die Leistungen der gesetzlichen Versicherungsträger oft nicht ausreichen und hier und dort etwas Zusätzliches getan werden muß. Wir stellen uns dem nicht entgegen. Aber wir wollen als Betriebsräte wissen, was in diesen Erholungsheimen geschieht, und wir wollen wissen, von welcher Seite aus unsere Menschen betreut werden. Gerade deswegen schlagen wir Ihnen diese Formulierung vor, nach der der Betriebsrat bei der Verwaltung von Wohlfahrtseinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb oder das Unternehmen beschränkt ist, unbeschadet ihrer Rechtsform das Mitbestimmungsrecht erhält.
Ich darf gleich den § 56 Abs. 2 mitbehandeln. Für Abs. 2 haben die beiden Ausschüsse folgende Formulierung gefunden:
Ist eine Übereinstimmung über die vorstehenden Fragen nicht zu erzielen, so entscheidet die Einigungsstelle verbindlich, soweit eine Regelung nach § 50 Abs. 3 nicht zustandekommt.
Es dürfte vielleicht doch interessant sein, sich noch einmal den Abs. 3 in § 50 anzusehen. Nach
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diesem Absatz wird die Einigungsstelle erst tätig, wenn beide Seiten es beantragen oder mit ihrem Tätigwerden einverstanden sind. Und ihr Spruch, meine Herren und Damen, ist nur verbindlich, wenn beide Seiten sich der Entscheidung im voraus unterwerfen oder sie nachträglich angenommen haben. Selbst wenn im ersten Halbsatz des Abs. 2 des § 56 gesagt worden ist:
Ist eine Übereinstimmung über die vorstehenden Fragen nicht zu erzielen, so entscheidet die Einigungsstelle verbindlich,
müssen Sie mir schon zugeben, daß man doch lieber gleich sagen soll, welcher Satz in Abs. 4 nun für die hier zur Debatte stehenden Fragen bindend sein soll, wenn Übereinstimmung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat nicht erzielt wird. Deswegen schlagen wir Ihnen vor, die Formulierung wie folgt zu treffen:
({1}) Ist eine Übereinstimmung über die vorstehenden Fragen nicht zu erzielen, so kann von einer Seite die Einigungsstelle ({2}) angerufen werden. Wird der Spruch abgelehnt, so hat die Einigungsstelle auf Antrag einer Seite in der Frage endgültig zu entscheiden. Im übrigen gilt § 50 Abs. 4.
Ich glaube, ich kann es mir ersparen, den Abs. 4 den Herren und Damen dieses Hauses noch einmal vorzutragen. Denn wenn Sie mir gefolgt sind. werden Sie feststellen, daß zwischen der Formulierung der Absätze 3 und 4 des § 50 ein wesentlicher Unterschied besteht, und Sie werden mir zugeben müssen, daß die Formulierung, die wir Ihnen vorschlagen, alle Streitigkeiten aus dem Wege räumt. Vor allen Dingen wurde durch unsere Formulierung verhindert. daß. wenn eine Seite sich nicht
bereit erklärt. die Einigungsstelle anzurufen, dann eine Einigung nicht zustande kommt.
Ich bitte Sie namens meiner Fraktion. unteren Änderungsanträ gen auf Umdruck Nr. 617 Ziffern 41 und 42 Ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Im Namen der kommunistischen Fraktion beantrage ich, die §§ 56, 57 und 58 in der jetzigen Fassung zu streichen und durch einen neuen Paragraphen folgenden Inhalts zu ersetzen:
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates
in sozialen und personellen Fragen.
In Durchführung des Mitbestimmungsrechtes hat der Betriebsrat insbesondere folgende Aufgaben:
1. Kontrolle und Durchführung der Tarifverträge, Vereinbarungen und gesetzlichen Vorschriften, welche zum Schutze von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer bestehen.
2. Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen, Entlassungen, Versetzungen, Beförderungen, Berufsumschulungen und Berufsausbildung sowie Gestaltung privater Arbeitsverträge.
3. Mitbestimmungsrecht bei Regelung der Arbeitszeit, der Kalkulation und der Festlegung der Akkord- und Stücklohnsätze, der Einführung neuer Löhnungsmethoden sowie der Festsetzung des Urlaubsplanes, Abschluß von betrieblichen Arbeitsordnungen zur Regelung dieser und anderer betrieblichen Angelegenheiten.
4. Mitbestimmungsrecht bei der Organisation und der Kontrolle des betrieblichen Gesundheitsschutzes, der Beschäftigung von Körperbehinderten, Frauen und Jugendlichen. Insbesondere hat der Betriebsrat für die Gleichberechtigung der Frau im Betrieb zu sorgen.
5. Mitbestimmung bei der Schaffung und Leitung sozialer Einrichtungen, die der Wohlfahrt der Beschäftigten dienen sollen ({0}).
6. Zur Durchführung vorstehender Aufgaben muß dem Betriebsrat Einsicht in alle Unterlagen gegeben werden, die der Lohnzahlung, dem Arbeitsschutz, dem Urlaub, der Leitung sozialer Einrichtungen usw. dienen. Diese Unterlagen müssen dem Betriebsrat jederzeit zur Einsicht vorgelegt werden.
Wir stellen diesen Änderungsantrag, weil nach unserer Auffassung in einem § 56 eindeutig festgelegt werden soll, daß der Betriebsrat nicht nur mitwirken und nur zum Teil mitbestimmen soll, sondern in allen Fragen, die die Interessen der Arbeiter und der Belegschaften angehen, ein gleichberechtigtes Mitbestimmungsrecht erhalten soll. Das ist um so notwendiger, da in manchen Betrieben, z. B. auf dem Gebiete des Wohnungsbaues, sehr einseitig verfahren wird, daß z. B. werksverbundene Wohnungsgesellschaften gegründet werden, auf die die Betriebsräte in vielen Fällen keinen Einfluß haben. Das wirkt sich dann bei der Ausgestaltung der Wohnungen sowie der Festlegung der Mieten für die Arbeiterschaft nicht immer sehr erfreulich aus.
Ein solches Mitbestimmungsrecht ist weiter notwendig, weil man jetzt in den Betrieben dabei ist, im Zuge der verstärkten Produktionssteigerung
neue Kalkulationen vozunehmen, mit Stoppuhren durch die Betriebe geht, um neue Arbeitszeiten zu ermitteln, wie man so sagt, in Wirklichkeit aber, um bei den gleichen Lohnsätzen die Ausbeutung der Arbeiter zu erhöhen.
Wir sind weiter der Meinung, daß ein volles Mitbestimmungsrecht auf diesem Gebiet gegeben werden muß, weil auch in der Frage der Regelung des Urlaubs oft einseitig verfahren wird. Selbst in manchen entflochtenen Stahlwerken wird einfach oft ohne Mitwirkung und Mitbestimmung des Betriebsrats von oben herab bestimmt, daß diese oder jene Arbeitergruppen von dann bis dann in Urlaub zu gehen haben, was sehr oft bei den Arbeitern mit Recht große Verärgerungen auslöst.
Man soll also in diesem Paragraphen eindeutig festlegen, daß die Betriebsräte das Mitbestimmungsrecht und nicht nur hier und dort eine Mitwirkung haben. Wir bitten Sie darum im Interesse der Arbeiterschaft, und ich wende mich in diesem Falle vor allen Dingen an die Sozialdemokratische Partei, unserem Antrag zuzustimmen. Nach den Festlegungen, den Ausführungen und dem Verhalten der Koalitionsparteien am gestrigen Tage ist nicht anzunehmen, daß sie sich hier gemäß den Forderungen der Arbeiter und Gewerkschaften für die Änderung dieser Paragraphen aussprechen werden. Aber es soll hier vor der Arbeiterschaft durch unseren Antrag eindeutig klargestellt werden, daß die Koalitionsparteien mit diesem Gesetz nicht die Rechte der Arbeiter gesetzlich verankern wollen, sondern mit diesem Gesetz nur die Arbeiterschaft in ihre wirtschaftliche und politische Konzeption einspannen wollen, daß sie vor allen Dingen die Betriebsräte zu Durchführungsorganen
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der Unternehmerinteressen machen wollen. Das soll durch unseren Antrag gleichzeitig klargestellt werden, damit jene Phrase des Herrn Schröder, daß man den Arbeitern ihr Mitbestimmungsrecht nicht mehr vorenthalten wolle, vor der gesamten Arbeiterschaft klargestellt wird. Man kann nämlich bei diesem Gesetz nicht von einem fortschrittlichen neuen Gesetz reden, sondern man muß von einem reaktionären Betriebsverfassungsgesetz reden, wie es ja auch die Gewerkschaftskollegen bei den großen Demonstrationen deutlich zum Ausdruck gebracht haben.
Wir sind also der Meinung, daß es notwendig ist, bei diesem § 56 klar festzustellen, wer für die Forderungen der Arbeiter ist, wer sich entschlossen gemäß den Forderungen auch der Gewerkschaften für die gesetzliche Verankerung des Mitbestimmungsrechts einsetzt.
Ich unterbreite hiermit dem Präsidenten unseren Änderungsantrag.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Besprechung.
Meine Damen und Herren, ich darf zunächst über den Antrag, der von Herrn Paul eben begründet worden ist und der sich auf die §§ 56, 57 und 58 bezieht, abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage, an die Stelle der §§ 56, 57 und 58 einen neuen § 56 in einer anderen Fassung treten zu lassen, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag
der SPD zu Abs. 1 des § 56 auf Umdruck Nr. 617 Ziffer 41. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antr zuzustimmen wünschen, - ({0}) - Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen!
Ich bitte, getrennt zu den beiden Punkten abzustimmen, die in Ziffer 41 stehen.
Es ist getrennte Abstimmung verlangt. Dagegen bestehen keine Bedenken.
Ich komme also zur Abstimmung zunächst über den Antrag, im § 56 Abs. 1 hinter dem Worte „besteht" das Wort „insbesondere" einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag, eine neue Fassung des Buchstaben e vorzusehen. Ich bitte die Damen und Herren, die hier zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit des Hauses; dieser Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 617 Ziffer 42, dem § 56 Abs. 2 eine neue Fassung zu geben. Ich bitte die Damen und Herren, die hier zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 56 unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; § 56 ist angenommen.
Ich rufe auf § 57, Änderungsantrag Umdruck Nr. Nr. 617 Ziffer 43. Frau Abgeordnete Kipp-Kaule!
({0})
- Herr Dr. Wellhausen zur Geschäftsordnung!
Ich schlage vor, über diesen Antrag ohne Begründung abzustimmen.
Herr Dr. Wellhausen, ich kann den Antragstellern doch nicht versagen, den Antrag zu begründen, wenn sie es wünschen. - Herr Dr. Wellhausen zur Geschäftsordnung!
Aber ich darf vielleicht doch zur Geschäftsordnung erklären, daß die Begründung nur genau dieselbe sein kann wie die zu dem Antrag Nr. 41 zweiter Teil und daß es im Interesse der rationellen Erledigung der Arbeiten dieses Hauses doch wohl zweckmäßig sein dürfte, von einer Begründung abzusehen. Das kann nur eine Empfehlung sein, nachdem dieser Antrag mit großer Mehrheit angenommen worden ist.
({0})
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Schröder.
Ich schließe mich dem Antrag an, nur sollten die Worte „unbeschadet ihrer Rechtsform" durch eine etwas glücklichere Fassung ersetzt werden.
Herr Abgeordneter Schröder, darf ich vorschlagen, darüber vielleicht bis zur dritten Lesung eine Verständigung herbeizuführen zu versuchen. Das wird j a offenbar in diesem Falle möglich sein.
({0})
- Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Es ist nicht beabsichtigt, hier einen Kreis der unmittelbar Beteiligten zu schaffen. Ich werde etwas lauter sprechen.
({1})
- Schön! Herr Abgeordneter Schröder hatte vorgeschlagen, die Formulierung „unbeschadet ihrer Rechtsform" zu ändern, und ich habe vorgeschlagen, darüber vielleicht bis zur dritten Beratung eine Verständigung zu erzielen. Soll darüber noch gesprochen werden? - Nicht! Das Wort wird also nicht weiter gewünscht. Ich schließe die Besprechung zu § 57. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag Umdruck Nr. 617 Ziffer 43 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit des Hauses; dieser Antrag ist angenommen.
Ich rufe § 58, - § 59 auf. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die beiden Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit dieses Hauses; sie sind angenommen.
Ich rufe den Dritten Abschnitt, Personelle Angelegenheiten, auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD vor. Ich darf gleich die §§ 60 bis 66 aufrufen. Zur Begründung des Ände({2})
rungsantrages Umdruck Nr. 617 Ziffer 44 hat Herr Abgeordneter Richter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem der Zweite Abschnitt „Soziale Angelegenheiten" vom Hause verabschiedet ist, dürften die personellen Angelegenheiten sehr wichtig sein, denn dieses Gesetz soll ja, als Betriebsverfassungsrecht gedacht, zum Ausdruck bringen, daß es um die Mitbestimmung der Arbeitnehmer geht, wahrgenommen durch ihre Vertretung, und dabei ist gerade die Frage der Mitbestimmung auf personellem Gebiet von wesentlicher Bedeutung.
Es ist kein neues Problem, das wir heute behandeln. Bereits bei dem Betriebsrätegesetz von 1920 haben sich die damaligen Gesetzgeber mit dieser Frage befaßt. Damals hat man sich dahingehend geeinigt und in dem Gesetz festgelegt, daß der Betriebsrat berechtigt ist, mit dem Arbeitgeber Richtlinien über die Einstellung von Arbeitnehmern zu vereinbaren. Der Inhalt dieser Richtlinien war den beiden Kontrahenten dieser Vereinbarung vollständig freigestellt. Es bestanden hier keinerlei Vorschriften nach der einen oder andern Seite hin. Es herrschte eben der Grundsatz, daß die Betroffenen - der Betriebsrat und der Arbeitgeber eines Betriebes - die entsprechenden und für notwendig geh altenen Maßnahmen in den Richtlinien vereinbaren konnten.
Das Kontrollratsgesetz sagt hierüber auch nichts, sondern gibt den Betriebsvertretungen grundsätzlich das Recht, auch in personellen Angelegenheiten mitzubestimmen. Die Ländergesetze haben sich darum bemüht, diese Frage nun in Einzelheiten aufzugliedern und je nach ihrer Wertigkeit besonders zu regeln. Die Vorlage, die wir nun heute zur Beratung haben, besagt, daß als personelle Angelegenheiten Einstellungen, Umgruppierungen, Versetzungen und Entlassungen gelten.
Wir halten dies für zu eng. Wir sind der Auffassung, daß es noch wesentliche andere personelle Angelegenheiten neben den vier genannten gibt. Wir haben deshalb in unserem Antrag zu Abs. 1 des § 60 zum Ausdruck gebracht, daß die Eingrupierungen, die Versetzungen und Ernennungen, Beförderungen und Kündigungen noch mit angeführt werden müssen. Wir wissen aber auch, daß trotz dieser weitgehenden und detaillierten Aufführung die Aufzählung noch nicht erschöpfend ist, und wir wollen durch das Wort „insbesondere" klarstellen, daß hier eine beispielsweise Aufführung vorliegt, die mit eingeführt werden soll.
Wir sind weiter der Auffassung, daß eine besondere Bestimmung festgelegt werden muß über die Frage, was als Versetzung gilt. Wir stimmen hier grundsätzlich mit der Formulierung in dem Abs. 2 der Vorlage überein.
Wir glauben aber, daß dies nicht genügt. Es muß vielmehr festgelegt werden, daß der Betriebsrat personelle Maßnahmen beantragen kann. Man könnte ihm dies unter Umständen streitig machen. Man könnte sagen: Du hast abzuwarten, bis ich, der Arbeitgeber, dir von meiner personellen Maßnahme Mitteilung mache, und dann hast du erst das Recht nach Maßgabe dieser gesetzlichen Bestimmungen, dazu Stellung zu nehmen und dich zu äußern, zuzustimmen oder abzulehnen. Wir glauben, daß es so in der Praxis nicht gehen soll. Wir glauben, daß es nicht ausreichend ist, wenn wir nicht auch dem Betriebsrat das Recht geben würden, personelle Maßnahmen beim Arbeitgeber zu beantragen, - nicht zu bestimmen, nicht durchzuführen, sondern lediglich beim Arbeitgeber zu beantragen. Dieser Grundsatz sollte auch von Ihnen anerkannt werden.
Weiter sollte in dem Gesetz festgelegt werden, daß dem Betriebsrat vor Einstellungen und sonstigen personellen Änderungen der in § 4 Abs. 2 genannten Personen rechtzeitig Mitteilung zu machen ist. Wir glauben, es genügt nicht, wenn Sie diesen Personenkreis in § 4 Abs. 2 nur auf den Buchstaben c beschränken, sondern wir sind der Auffassung, daß auch über die Änderungen bei den anderen Personen des Personenkreises des § 4 Abs. 2 dem Betriebsrat Mitteilung gemacht werden soll. Es heißt ausdrücklich: „rechtzeitig Mitteilung zu machen". Das Unternehmen sollte verpflichtet sein, dem Betriebsrat über die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft oder über den Geschäftsführer, den man in einer GmbH. einstellen will, Mitteilung zu machen. Mehr bringen wir in unserem Antrag zu diesem Absatz nicht zum Ausdruck. Wir sollten uns aber nicht auf den Standpunkt stellen, daß das den Betriebsrat, daß das die Arbeitnehmerschaft nichts angeht. Es geht sie ungeheuer viel an, wer Geschäftsführer ist, wird oder werden soll. Es geht sie ebensoviel an, wer nun neues Vorstandsmitglied werden soll, sei es der Arbeitsdirektor, der technische Direktor oder der kaufmännische Direktor, das ist ganz gleich: denn schließlich hängen doch von diesen Persönlichkeiten mehr oder weniger wichtige Fragen des ganzen Betriebes ab. Unter Umständen kann sogar von der Tüchtigkeit oder Untüchtigkeit dieser Personen das weitere Wohlergehen, ja die Existenz des Betriebs und somit die Erhaltung des Arbeitsplatzes abhängen. Das sind, glaube ich, so schwerwiegende Argumente, daß der Betriebsvertretung, die vom Vertrauen der Arbeitnehmerschaft getragen wird - denn sie wird ja nach demokratischen Grundsätzen gewählt -, Mitteilung zu machen ist, wenn in der Leitung ein Wechsel vorgenommen werden soll.
Wir haben in Abschnitt 6 zu § 60 die personellen Angelegenheiten der Beamten erwähnt und sie einzeln aufgeführt, weil, wie Sie wissen, auf diesem Gebiet große Kompliziertheiten und Unterschiedlichkeiten zwischen den einzelnen Verwaltungen auf den verschiedensten Ebenen bestehen. Das halten wir für so wesentlich, daß es doch im einzelnen im Gesetz angeführt werden muß. Wir haben unter dem Buchstaben k angeführt, daß auch die entsprechenden Maßnahmen nach den landesrechtlichen Beamtengesetzen ihre Verankerung finden sollen. Die gleichen Maßnahmen, so wie sie in diesem Bundesgesetz für die Bundesbeamten ihren Niederschlag finden, sollen also auch für die Beamten der Länder gelten.
Nun könnten Sie einwenden, dies sei wiederum nicht möglich, weil in den Verwaltungen doch ganz andere Verhältnisse vorliegen. Schließlich kann nicht, wie das in diesem Gesetz geregelt ist, das Arbeitsgericht entscheiden, wer nun Beamter ist, wer befördert, wer pensioniert werden soll, wo ein Widerruf stattfinden soll usw. usw. Wir haben deshalb den Abs. 7 zum § 60 vorgesehen. In diesem Absatz 7 kommt klar zum Ausdruck: Kommt im Falle von Meinungsverschiedenheiten aus Abs. 6 eine Einigung zwischen dem Dienstgeber und dem Betriebsrat nicht zustande, so entscheidet für den Bereich der Bundesverwaltung die Bundesregierung, für den Bereich einer Landesverwaltung die Landesregierung und für die Verwaltungen der Gemeinden und Gemeindeverbände deren ge({0})
wählte Vertretungskörperschaften, die dieses Recht einem Ausschuß übertragen kann.
Sie sehen also, hier haben wir die Arbeitsgerichtsbarkeit nicht eingeschaltet. Hier lassen wir das Recht der endgültigen Entscheidung der obersten Dienstbehörde, wie bei den Bundesverwaltungen der Bundesregierung usw. Ich glaube, daß das eine vernünftige, eine zweckentsprechende, eine von allen vertretbare Regelung ist, und wir würden es äußerst begrüßen, wenn Sie dem § 60 Ihre Zustimmung geben wollten.
Sie gehen einen anderen Weg. Während im Arbeitskreis die Meinung vorherrschend war, daß der Arbeitgeber verpflichtet sein soll, dem Betriebsrat von jeder personellen Maßnahme rechtzeitig Mitteilung zu machen und der Betriebsrat zu dieser Mitteilung eine Meinung zu äußern hat, und wenn er keine Meinung äußert, dies als Zustimmung aufgefaßt wird, also in gewissem Sinne die Genehmigung einer personellen Maßnahme durch die Vertretung der Arbeitnehmerschaft dem Betriebsrat vorgesehen war, haben Sie in der Vorlage diesen Grundsatz verlassen. Sie haben statt des Genehmigungsrechts der Betriebsvertretung ein Einspruchsrecht festgelegt. Der wesentliche Unterschied ist der, daß zwar der Arbeitgeber der Betriebsvertretung nach wie vor von einer personellen Maßnahme Mitteilung zu machen hat, daß er aber gar nicht abzuwarten und zu fragen braucht: „Wie stehst Du, Betriebsrat, zu der von mir beabsichtigten personellen Maßnahme?" Er teilt ihm seine Absicht mit und tut, was er für richtig hält. Der Betriebsrat kann wiederum machen, was er will, d. h., er kann innerhalb von zwei Monaten gegen die personelle Maßnahme des Arbeitgebers Einspruch beim Arbeitsgericht einlegen. Wir halten dies grundsätzlich nicht für richtig. Wir halten dies nicht für eine Mitbestimmung, sondern das ist lediglich eine Regelung, die der Betriebsvertretung, also der Arbeitnehmerschaft, das Recht gibt, gegen eine Maßnahme Einspruch einzulegen.
Wie ist denn die Praxis? Wenn eine derartige Maßnahme einmal angeordnet und durchgeführt worden ist - sei es, daß der eine oder andere im Betrieb tätige Arbeitnehmer befördert worden ist; sei es, daß man von außen jemanden auf eine gehobene Stellung setzt und die jahrzehntelang im Betrieb treu und brav tätigen Arbeiter und Angestellten einfach übergeht und für diese leitende Stelle nicht berücksichtigt -, dann sind doch Tatsachen geschaffen worden! Wir wollen uns doch darüber klar sein, daß derartige Tatsachen äußerst schwer, wenn überhaupt, aus der Welt zu schaffen sind.
Deshalb vertreten wir die Auffassung, daß nicht das Einspruchssystem, wie Sie es in der Vorlage gegen unsere Stimmen festgelegt haben, sondern die Genehmigungsberechtigung des Betriebsrats den Vorzug erhalten sollte.
Sie haben aber dieses Einspruchsverfahren noch wesentlich eingeschränkt, ja, ich möchte sagen, durch § 61 Abs. 3 auf kaum denkbare Fälle beschränkt. Dort heißt es:
Der Betriebsrat kann die Zustimmung nur verweigern, wenn
a) die Einstellung einen Verstoß gegen ein Gesetz, eine Verordnung oder gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag oder in
einer Betriebsvereinbarung oder gegen eine
gerichtliche Entscheidung oder eine behördliche Anordnung darstellen würde.
Gut, das wäre noch zu ertragen;
({1})
denn das sind eigentlich Selbstverständlichkeiten.
Aber unter b) sagen Sie: Der Betriebsrat kann die Zustimmung nur verweigern,
wenn der durch bestimmte Tatsachen begründete Verdacht besteht, daß die Einstellung eines für den Arbeitsplatz nicht geeigneten Bewerbers nur mit Rücksicht auf persönliche Beziehungen erfolgen soll.
Wie soll der Betriebsrat in der Regel der Fälle den „durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht" zum Ausdruck bringen können, daß „die Einstellung nur mit Rücksicht auf die persönlichen Beziehungen" mit dem Arbeitgeber erfolgt?
Sie sagen unter c), daß „der durch bestimmte Tatsachen begründete Verdacht" vorliegen muß, daß die Einstellung des einen oder anderen „aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität, Herkunft, des Geschlechtes" usw. vorgenommen worden ist. Auch dies wird kaum, wenn überhaupt, zu beweisen sein.
({2})
- Ja, es gibt einzelne Fälle, Herr Kollege Dr. Wellhausen. Aber das Gros der Fälle schalten Sie damit aus, und das Mißtrauen bleibt bestehen, weil die Betriebsvertretung, also die Arbeitnehmerschaft, diese Voraussetzungen nicht erfüllen kann und weil Sie ihr durch diese Voraussetzungen die Möglichkeit, einen Einspruch einzulegen, erschweren.
Buchstabe d sagt, daß die „durch bestimmte Tatsachen begründete Besorgnis bestehen" muß, „daß der Bewerber den Betriebsfrieden durch unsoziales oder gesetzwidriges Verhalten stören würde". Auch das ist eine Bestimmung, die kaum realisierbar sein wird.
Aus all dem haben wir noch erheblich mehr Bedenken gegen das Einspruchsverfahren, denn Sie denken gegen das Einspruchsverfahren, denn Sie lassen es j a nicht generell zu. Es steht nicht im Belieben des Betriebsrats, ob er den einen oder anderen Einspruch beim Arbeitsgericht einlegen will oder nicht; sondern Sie machen es von diesen erschwerenden - j a, ich möchte sagen -, den Einspruch fast ausschließenden Voraussetzungen abhängig. Das ist letzten Endes mit der entscheidende Grund, warum wir diesen Anderungsantrag zu §§ 60 ff. gestellt haben.
Wir bringen mit unserem § 63 zum Ausdruck, daß auch in dringenden Fällen der Arbeitgeber berechtigt ist, jemanden einzustellen oder sonstige personelle Maßnahmen durchzuführen, und daß er dann verpflichtet ist, um die nachträgliche Zustimmung zu ersuchen. Aber damit wird doch dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben, daß er in dringenden Fällen handeln kann, daß also der Betrieb nicht stockt, daß keine Nachteile wirtschaftlicher oder technischer Art für den Betrieb in Frage kommen. All dies haben wir sehr wohl erwogen, und wir sind der Meinung, daß die in unserem § 63 vorgesehene Regelung für die dringenden Fälle, selbstverständlich als Ausnahmeregelung, ausreichend ist, um unsere Wirtschaft und den Betrieb in jeder Beziehung in Gang zu halten, so daß er seinen Verpflichtungen nachkommen kann.
Wir glauben, daß auch die Regelung des § 66 nicht ausreichend sein dürfte, in dem Sie dem Be({3})
triebsrat nur das Recht geben, daß er vor jeder Kündigung zu hören ist. Mit dem Hören allein ist es nicht getan. Wir glauben, daß ihm vor jeder Kündigung rechtzeitig Mitteilung zu machen ist, damit er in der Lage ist, Stellung zu nehmen. Wir sind der Meinung, daß bei jeder Kündigung die §§ 61 bis 64, also die Durchführung eines eventuellen Verfahrens, auch sinngemäß Anwendung zu finden haben mit der Maßgabe, daß der Betriebsrat bei seiner Stellungnahme, wie wir sagen, auch die Interessen der Belegschaft und des Betriebes zu berücksichtigen hat. Hier denken wir in erster Linie an die Gesamtinteressen der Belegschaft und an die Gesamtinteressen des Betriebes, und Sie können uns nicht nachsagen, daß wir Gesetzesvorschläge machen, bei denen uns das Interesse der Belegschaft und des Betriebes gleichgültig ist und bei denen wir nur das Interesse des einzelnen sehen.
Auch die Regelung über Massenentlassungen haben wir hier mit in Vorschlag gebracht. Wir glauben aber, daß der Arbeitgeber gerade in diesen schwierigen und tragischen Fällen so früh wie möglich dem Betriebsrat über Art und Umfang der Entlassungen oder gegebenenfalls Einstellungen Mitteilung zu machen hat.
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- Ich freue mich, das zu hören, und ich glaube, da Sie den Zwischenruf machen, Herr Kollege, daß Sie es auch in ihrem Betriebe tun.
({5})
Aber wir machen ja nicht die Gesetze für die Arbeitnehmer, Betriebsräte und Arbeitgeber, die bestens zusammenarbeiten, sondern wir müssen die
Gesetze, die ja Mindestrecht darstellen, so ausbauen, daß auch ein gutes, erfolgreiches, im Interesse beider liegendes Zusammenarbeiten in allen Betrieben, in allen Wirtschaftszweigen möglich ist, vor allem auch dann, wenn einmal in Krisenzeiten hart und scharf kalkuliert werden muß, wenn die Sorge auf allen Seiten liegt; und hier handelt es sich um die große Sorge der Massenentlassungen. Deshalb sind wir der Meinung, daß diese Sicherungen dringend notwendig sind.
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- Auch an das Kündigungsschutzgesetz, Herr Kollege Dr. Wellhausen, haben wir gedacht; denn im Abs. 3 des § 66 heißt es ja ausdrücklich: „Die Bestimmungen des Kündigungsschutzgesetzes vom 10. August 1951 bleiben unberührt."
({7})
- Ja, zu einer Fühlungnahme, aber es ist keine Verpflichtung!
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Auf Grund all dieser von mir vorgetragenen Argumente und vor allem angesichts der grundsätzlichen Bedeutung des personellen Mitbestimmungsrechts bitten wir Sie, unsere Anträge anzunehmen. Da Abs. 1 des § 60 die wichtigste Bestimmung enthält, beantrage ich im Namen meiner Fraktion namentliche Abstimmung über diesen Abs. 1 des § 60.
Herr Abgeordneter Paul
hat das Wort.
Meine Damen und Herren! In diesem Abschnitt soll, wie bereits gesagt, das Mitwirkungsrecht oder Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten bei Einstellungen, Entlassungen usw. festgelegt werden. Aber die §§ 60 bis 66 beinhalten ein wirkliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht. Wir sind deshalb der Meinung, daß eine Reihe dieser Paragraphen gestrichen werden und einige Paragraphen Änderungen erfahren sollten.
In § 60 sollten nach dem Wort „Umgruppierungen" Beförderungen einbezogen werden. Damit würde zugleich festgelegt, daß dieses Gesetz und dieser Paragraph auch für die Arbeiter, Angestellten und Beamten des öffentlichen Dienstes -Gültigkeit hat.
Abs. 2 des § 60 sollte bis auf den letzten Satz gestrichen werden, da der erste Satz dieses Absatzes für die Arbeiter große Gefahren enthält. Dort wird nämli.ch gesagt:
Als Versetzung gilt nicht die Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes innerhalb der gleichen selbständigen Betriebsabteilung oder des glenchen Betriebes am selben Ort, bei gleichen Arbeitsbedingungen, wenn damit eine Schlechterstellung des Arbeitnehmers nicht verbunden ist.
Man braucht auch bei den Versetzungen in andere Abteilungen oder in Teilbetriebe desselben Unternehmens am gleichen Ort nicht immer davon auszugehen, ob betriebstechnische Notwendigkeiten vorliegen. Wir haben mehr als einmal erlebt, daß man z. B. Gewerkschaftsfunktionäre, die einem Betriebsleiter in einer Abteilung unbequern wurden, in eine andere Abteilung versetzt hat, um so ihre gewerkschaftliche Tätigkeit indirekt einzuengen. Alle diese Gefahren sind in dem ersten Satz des Abs. 2 enthalten. Ich bin sogar der Meinung, daß die Formulierer dieser Bestimmung diese Absicht im Sinne hatten. In der Art einer Generalklausel wollte man den Unternehmern die Möglichkeit geben, von sich aus Versetzungen durchzuführen, um so Rechtsgrundlagen für Straf- und Behinderungsmaßnahmen gegenüber unbequemen Arbeiterfunktionären und Arbeitern zu besitzen.
Wir sind der Meinung, daß nicht generell festgelegt werden sollte, wie das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte im einzelnen aussehen soll und ob man eine betriebliche Schlichtungsstelle für Streitfälle einrichten soll oder nicht, sondern daß es genügt, in dem Gesetz zu sagen, daß das Nähere durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung bestimmt werden kann. In jedem einzelnen Betrieb könnten zwischen Betriebsrat, Belegschaft und Unternehmer in einer Betriebsvereinbarung die näheren Bestimmungen zur Durchführung dieses § 60 Abs. 1 gemäß unserem Änderungsantrag verankert werden. Wir sollten diese Möglichkeit offenlassen - und daher sollten wir den ersten Teil des Abs. 2 streichen. Auch könnte das Nähere in einem Tarifvertrag zwischen Gewerkschaften und Unternehmern geregelt werden. Das ist auch im Kontrollratsgesetz Nr. 22 so vorgesehen. Dort ist für viele Fragen nur ein Rahmengesetz gegeben worden. Es hat sich in der Folgezeit für die Arbeiter und die Gewerkschaften ergeben, daß das die bessere Regelung ist, als wenn man alles in engen Formulierungen festlegt.
Wir beantragen, daß in § 60 hinter „Umgruppierungen" das Wort „Beförderungen" eingefügt
Paul [Düsseldorf])
wird und daß der übrige Teil des Abs. 2 des § 60 bis auf den letzten Satz gestrichen wird.
Lassen Sie mich gleichzeitig zu den übrigen Paragraphen bis § 66 etwas sagen. Wir sind der Meinung, daß der § 61 in der jetzigen Fassung nicht angenommen werden kann, daß er vielmehr folgende Formulierung erhalten sollte:
({0}) Der Unternehmer kann Arbeiter und Angestellte nur mit Zustimmung des Betriebsrates einstellen. Er hat bei jeder geplanten Einstellung dem Betriebsrat rechtzeitig den für den Bewerber in Aussicht genommenen Arbeitsplatz mitzuteilen und Auskunft über die Person des Bewerbers zu geben.
({1}) Hat der Betriebsrat gegen eine Einstellung Bedenken, so hat er dies unter Angabe der Gründe unverzüglich dem Unternehmer mitzuteilen. Äußert sich der Betriebsrat binnen drei Tagen nach Zugang der Mitteilung nicht, so gilt seine Zustimmung als erteilt. Vorstehende Frist kann durch Betriebsvereinbarung gekürzt oder verlängert werden.
Wir sind der Meinung, daß das, was dann in dem § 61 in der Ausschußfassung folgt, in einer entsprechenden Betriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat, Belegschaft und Unternehmer verankert werden soll. Sie wollen in § 61 versuchen, alles festzulegen; der Kollege Richter sagte bereits, daß man dem Betriebsrat praktisch nur ein Einspruchsrecht gibt, daß der Unternehmer aber von sich aus fix und fertige Tatsachen schaffen kann.
Sie verweisen in dem übrigen Teil des § 61 auf die Möglichkeit, daß der Betriebsrat bei dem Arbeitsgericht auf Aufhebung des Beschäftigungsverhältnisses klagen kann. Wir wissen aber aus der Praxis, wie solche Dinge dann nachher aussehen, wenn einmal fix und fertige Tatsachen geschaffen sind. Es kann nicht Angelegenheit des Arbeitsgerichtes sein, in allen diesen Fragen zu entscheiden, sondern das muß in der Betriebsvereinbarung geregelt werden. Es soll der freien Entscheidung der Arbeiter und des Unternehmers überlassen sein, ob eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wird, die eine solche Schlichtungsstelle beinhaltet. Sie würden durch die in § 61 der Ausschußvorlage vorgesehene Bestimmung nur zusätzliche Arbeit für die Arbeitsgerichte schaffen. Es wird nämlich oft vorkommen, daß der Betriebsrat aus diesen oder jenen Gründen Einspruch gegen die Einstellung einlegt und daß dann die Arbeitsgerichte sich mit solchen Fragen in großer Zahl zu beschäftigen hätten. Es gehört zum Recht des Betriebsrates, daß er vor jeder Einstellung Stellung nehmen kann. Es geht nicht an, daß man einfach unter Bezugnahme auf dieses Gesetz über seinen Kopf hinweg fix und fertige Tatsachen schafft. Deshalb haben wir Ihnen die Änderung des § 61 vorgeschlagen.
Wir sind der Meinung, daß das Arbeitsgericht in diesen Fragen nicht tätig werden soll. Die Paragraphen, in denen festgelegt ist, wie und unter welchen Bedingungen das Arbeitsgericht tätig werden soll, sind zu streichen. Das sind die §§ 62, 63, 64.
Ich möchte jetzt noch etwas zu § 66 sagen. Dieser Paragraph beschäftigt sich mit der Möglichkeit der Durchführung von Massenentlassungen. Es war bisher immer so, daß es gerade in dieser Frage große Schwierigkeiten gab. Manche Betriebsräte standen dann bei Betriebseinstellungen usw. in einer äußerst kritischen Situation. Sie sollten entscheiden, ob diese oder jene Kollegen aus dem Betrieb zu entlassen waren. Es waren sehr oft personelle, soziale und andere Gründe maßgebend.
Da Sie hier in Westdeutschland eine Wirtschaftspolitik betreiben, die zwar in der Rüstungsindustrie Hochkonjunktur schafft, die aber in einer ganzen Reihe von Fertigwarenindustrien zum Niedergang führt - wie die Entwicklung in der Schuhindustrie, Textilindustrie usw. bereits zeigt -, ist dieser Paragraph unter diesen Gesichtspunkten Ihrer Wirtschaftspolitik der Kriegsvorbereitungen von großer Wichtigkeit. Wir sind der Meinung, daß der Betriebsrat seine Zustimmung zu den Entlassungen in jedem Falle, wenn er der Meinung ist, daß soziale Gründe dafür maßgebend sind, verweigern kann und verweigern muß. Wir sind auch der Auffassung, daß der § 66 in der jetzigen Fassung gestrichen werden und daß die Neufassung folgenden Wortlaut erhalten soll:
Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen, Kündigungen und Entlassungen. Der Unternehmer ist verpflichtet, den Betriebsrat frühzeitig über Art und Umfang von Einstellungen und Entlassungen zu informieren. Der Betriebsrat kann Entlassungen widersprechen, wenn er sie für sozial untragbar und mit den Interessen der Belegschaft nicht vereinbar hält.
Wir sind der Meinung, daß der Abs. 4 des § 66 nicht angenommen werden sollte. Wir haben die Streichung des gesamten Paragraphen beantragt. Genau so wenig, wie wir dem Arbeitgeber das Recht geben wollen, gegen einzelne Belegschaftsmitglieder oder Betriebsräte beim Arbeitsgericht vorzugehen, weil sie angeblich durch ihr Verhalten den Betriebsfrieden ernstlich stören oder gefährden, genau so wenig sind wir allerdings auch bereit, einem Betriebsrat das Recht zu geben, gegen unbequeme Kollegen vorzugehen. Ich könnte mir auch einen solchen Zustand vorstellen, daß es Kollegen und Kolleginnen gibt, die an der Amtsführung des Betriebsrats oder einzelner Mitglieder des Betriebsrats ernstliche Kritik zu üben haben, und daß solche ernstliche Kritiken einigen Mitgliedern von Betriebsräten dann unbequem werden könnten. Unter Bezugnahme auf eine solche Festlegung in § 66 könnten dann solche Betriebsräte - wir wollen es nicht hoffen, daß es geschieht; aber immerhin besteht die Möglichkeit -, die ihre Pflichten gegenüber der Arbeiterschaft nicht in der richtigen Weise wahrnehmen, unter Umständen gegen unbequeme Mahner und Kritiker vorgehen. Wir fordern, daß dieser Paragraph gestrichen wird und an seine Stelle unsere Neufassung tritt.
Jetzt möchte ich mir noch einige Worte zu den Änderungsanträgen der Sozialdemokratischen Partei erlauben. Für den Fall, daß unsere Änderungsanträge, die nach meiner Meinung weitgehender sind, der Ablehnung verfallen - wie bekannt, sind die Koalitionsparteien nicht bereit, von der Fassung dieses reaktionären Betriebsverfassungsgesetzes abzugehen -, werden wir den SPD-Anträgen zustimmen.
Ich möchte dem sozialdemokratischen Kollegen Richter sagen, daß wir uns keineswegs mit dem einverstanden erklären können, was er zu § 60 Abs. 7 beantragt hat. Wir sind nicht einverstanden damit, daß bei Meinungsverschiedenheiten die Bundesregierung, die Landesregierungen, die Landesverwaltungen oder Stadtverwaltungen einseitig, ohne Mitbestimmung der Betriebsräte oder der
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Personalvertretungen entscheiden. Dadurch würde das Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrecht der Betriebsräte, also der gesetzlichen Vertretungen der Arbeiter und Angestellten, eingeengt.
Ich sehe mich jedenfalls nicht in der Lage -und ich kann das auch für meine Freunde erklären -, dem Änderungsantrag der Sozialdemokratischen Partei zu Abs. 7 zuzustimmen. Ich bitte die sozialdemokratischen Kollegen, sich ernstlich zu überlegen, was ich gesagt habe. Ich möchte sie ersuchen, unseren Änderungsanträgen zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu den §§ 60 bis 66.
Es liegen vor die vom Herrn Abgeordneten Paul begründeten Änderungsanträge zu den §§ 60 bis 66, der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP, DP, Umdruck Nr. 612 Ziffer 9, betreffend neue Fassung des Abs. 1 des § 60 und der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 44 betreffend neue Fassung der §§ 60 bis 66. Zu Abs . 1 des § 60 hat der Abgeordnete Richter namentliche Abstimmung beantragt.
Ich lasse zunächst abstimmen über die Änderungsanträge der Gruppe der Kommunistischen Partei zu den §§ 60 bis 66, die vom Herrn Abgeordneten Paul vorgetragen worden sind. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Änderungsanträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Diese Anträge sind gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Der weitergehende Antrag ist der Antrag der Fraktion der SPD zu § 60 Abs. 1. Es findet namentliche Abstimmung statt. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
({0})
Meine Damen und Herren, darf ich zwischendurch eine technische Mitteilung machen. Es hat sich hier ein gewisses Gewohnheitsrecht herausgebildet, von dem ich feststelle, daß es noch nicht allgemein bekannt ist. Bei einfachen Abstimmungen wird nur geklingelt. Bei Hammelsprung ertönt nur der Hupton, bei namentlichen Abstimmungen ertönen der Hupton und die Klingel vereint, so daß jeder Bescheid weiß, worum es sich im einzelnen handelt.
({1})
- Daß es eben im Augenblick falsch gemacht wurde, Herr Dr. Hasemann, ist Ihnen peinlicher-weise sofort wieder aufgefallen. Deswegen sage ich es gerade, damit es in Zukunft klar und eindeutig ist.
Meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß die Einsammlung der Stimmzettel im wesentlichen beendet ist. Ich schlage Ihnen vor. daß wir die weitere Abstimmung über die §§ 60 bis 66 zunächst unterbrechen.
Ich darf aufrufen die §§ 67 bis 70. Zu diesen Paragraphen liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 617 Ziffer 45 vor. Wer wünscht, den Antrag zu begründen? - Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem schriftlichen Bericht, den der Herr Berichterstatter dem Hohen Hause vorgelegt hat, erwähnt Herr Kollege Sabel, daß zur Frage einer Errichtung von Wirtschaftsausschüssen zwisehen den Regierungsparteien und der Opposition Übereinstimmung nicht erzielt worden sei. Das ist richtig. Herr Kollege Sabel sagt in seinem Bericht aber weiter, daß die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion die Errichtung von Wirtschaftsausschüssen insbesondere deswegen abgelehnt hätten, weil die SPD die Errichtung von Wirtschaftsausschüssen nur im Zusammenhang mit einer paritätischen Besetzung von Aufsichtsräten und sonstigen Kontrollorganen vornehmen wollte. Diese Feststellung, meine Damen und Herren, entspricht nicht ganz unserer Auffassung, und sie entspricht auch nicht unserer Argumentation in den Ausschüssen. Herr Kollege Sabel hätte der Vollständigkeit halber hinzufügen müssen, daß wir die von den Vertretern der Koalitionsparteien vorgelegten Formulierungen insbesondere deswegen ablehnen mußten, weil sie, wie ich Ihnen noch im einzelnen nachweisen werde, eine wesentliche Beschränkung und damit eine Verschlechterung des geltenden Rechts bedeuten.
In unserem Vorschlag, den wir in Drucksache Nr. 1229 gemacht haben, war von uns in § 15 ausdrücklich verlangt worden, daß die Rechte der Betriebsräte durch die Errichtung von Wirtschaftsausschüssen n i c h t beeinträchtigt werden sollten. Der paritätisch besetzte Wirtschaftsausschuß sollte das Recht haben, die Geschäftsführung in allen technischen und wirtschaftlichen Fragen zu beraten.
Nun, die Aufgabe einer Beratung kann man nur dann erfüllen, wenn man über absolut ausreichende Informationen über alle gravierenden Betriebsvorgänge verfügt. Es war dabei auch unser Wunsch und unsere Vorstellung, daß sich die Informationserteilung und die Beratung der Geschäftsleitung in möglichst
vertrauensvoller Z sammenarheit vollziehen sollte.
Leider sind unsere Vorschläge nicht zur Grundlage der Diskussion in den Ausschüssen gemacht worden.
Aber auch der CDU-Entwurf, wie er in der Drucksache Nr. 970 dem Hohen Hause vorgelegt worden ist, enthält eine Reihe von Bestimmungen, über die man durchaus diskutieren könnte. So sagt beispielsweise der § 41 des CDU-Entwurfs, daß der Wirtschaftsausschuß sich neben den Fabrikations- und Absatzmethoden, neben der Aufstellung eines Produktionsprogramms, neben der Absatzregelung mit der Kalkulations- und Preisgestaltung, mit den Leistungen und der Wirtschaftlichkeit des Betriebes zu befassen habe, also mit einer Materie, die vertraulichste Informationen erforderlich macht. Wenn diese Informationen vorenthalten werden, dann sollte nach § 44 der CDU-Vorlage der Wirtschaftsausschuß sogar das Recht haben, im Wege der Klage beim Arbeitsgericht die Erteilung von Auskünften an den Wirtschaftsausschuß zu erzwingen.
Die Rechte des Betriebsrates blieben auch im CDU-Entwurf völlig unberührt. Diese Rechte, die also auch der CDU-Entwurf unberührt lassen wollte, sind, wenn wir uns das hessische und das württembergisch-badische Betriebsrätegesetz ansehen, sehr erheblich.
({0})
Herr Abgeordneter Dr. Bleiß, darf ich einen Augenblick unterbrechen wegen der Beendigung der namentlichen Abstim({0})
mung. Darf ich fragen, ob noch Abgeordnete vorhanden sind, die ihre Stimme zur namentlichen Abstimmung abzugeben wünschen? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. - Ich bitte um Entschuldigung.
Es heißt in diesen Gesetzen, also in dem hessischen und dem württembergischbadischen Betriebsrätegesetz, daß abgesehen von der Mitbestimmung in Fragen der Aufstellung des Produktionsprogramms, in Fragen der Fabrikation und Arbeitsmethoden, in Fragen der Kalkulationsund Preisgestaltung und in Fragen der Produktions-und Absatzregelung, darüber hinaus in vielen anderen wirtschaftlichen Vorgängen der Betriebsrat das Recht haben soll, sich die Handels- und Steuerbilanzen vorlegen zu lassen, in alle Geschäftsunterlagen Einblick zu nehmen, beeidete Sachverständige hinzuzuziehen. Es heißt weiter in den zitierten Gesetzen, daß die Betriebsleitung die Pflicht habe, vierteljährlich einen Bericht über alle wirtschaftlichen Vorgänge zu erstatten.
Nun, meine Damen und Herren, das hessische Betriebsrätegesetz ist in einer Zeit entstanden, als Herr Kollege Arndgen noch Arbeitsminister in Hessen war.
({0})
Herr Kollege Arndgen sagte damals in einem Vorwort zu diesem Gesetz - ich darf mir erlauben, mit Zustimmung des Herrn Präsidenten zu zitieren:
Es ist der Sinn und der Wille des Gesetzes,
die Sozialpartner im Wirtschaftsleben, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zu vertrauensvoller
Zusammenarbeit zusammenzuführen; eine
Zielsetzung, die der christlichen Sozialauffassung entspricht und die für die materielle
Lebensgrundlage unseres Volkes gerade in den
nächsten Jahren von Bedeutung sein wird. Was ist von allen diesen durchaus vernünftigen Vorstellungen übriggeblieben? In dem vorliegenden Gesetzentwurf ist von einer wirtschaftlichen Mit bestimmung keine Rede mehr; sie wird ersetzt durch die sehr eingeengte Formulierung des 5 67, daß der Wirtschaftsausschuß nur den Anspruch auf Unterrichtung über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens habe. aber nur insoweit, als dadurch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht gefährdet würden.
Meine Damen und Herren, wer in der Praxis steht, weiß, daß allein mit einer solchen Einschrinkung praktisch jede vernünftige Berichterstattung und Unterrichtung von vornherein unmöglich gemacht werden kann. Denn zu den Geschgftsgeheimnissen gehören - abgesehen von wichtigen Verträgen - die Kostenrechnung, der Betriebsabrechnungsbogen. vor allen Dingen aber die Bestandsbewertung, Unterlagen also, die unhedingt erforderlich sind, um die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens überhaupt beurteilen zu können.
Wenn es dem Ermessen der Geschäftsleitung überlassen bleibt, aus Gründen des erklärten Geschäftsgeheimnisses alle wichtigen Unterlagen zu verweigern, dann verstehen wir nicht, warum es in § 67 Abs. 2 der Vorlage heißt, daß die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses über Angelegenheiten, die die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens berühren können, Stillschweigen zu bewahren haben. Ich muß hier schon fragen: worüber sollen die Ausschußmitglieder denn reden, wenn sie nur wenig oder gar nichts erfahren?
Ist das Gesetz erst einmal verkündet, dann wird doch künftig ein Unternehmer nur noch insoweit informieren, als er nach diesem Gesetz zur Information verpflichtet ist. Die Auskunfterteilung wird doch gerade durch dieses Gesetz sehr wesentlich eingeschränkt werden.
Von Preis- und Kalkulationsmethoden, wie es im CDU-Vorschlag ursprünglich hieß, ist im Entwurf keine Rede mehr. Das Recht auf Vorlage von Handels- und Steuerbilanzen, das Recht auf Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen, das Recht auf die Heranziehung beeideter Sachverständiger ist völlig beseitigt worden.
Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten, in denen der Wirtschaftsausschuß in Zukunft noch zuständig sein soll, gehören lediglich die Fabrikations- und Arbeitsmethoden, das Produktionsprogramm, die Produktions- und Absatzlage, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und sonstige Vorgänge von allgemeinem Interesse. Ich darf zu den einzelnen Punkten nur kurz folgendes bemerken. Fabrikations- und Arbeitsmethoden sind in den meisten Betrieben so weitreichend bekannt, daß darin keine sehr große Zuständigkeit für den Wirtschaftsausschuß liegt.
Das Produktionsprogramm wird im allgemeinen in roher Schätzung aufgestellt. Über das Produktionsprogramm großer Betriebe wird man unter Umständen schon durch die Presse informiert, und man liest auch häufig Pressekommuniqués über Produktions- und Absatzlage großer Betriebe. Ich habe fast den Verdacht, daß die Informationen des Wirtschaftsausschusses künftig über derartige allgemeine Tatbestände nicht weit hinausgehen werden.
Die wirtschaftliche Lage des Unternehmens kann man, wie gesagt, nur dann beurteilen, wenn die Betriebsführung bereit ist, ihre Geschäftsgeheimnisse etwas zu lüften. Wenn sie das aber nicht tut, dann, meine Damen und Herren, sind die Diskussionen wenig fruchtbar und wir sehen uns einem Begriff gegenüber, der keinen Inhalt hat, solange die Wahrung der Geschäftsgeheimnisse die conditio sine qua non des § 67 ist. - Die sonstigen im § 67 behandelten Vorgänge haben im allgemeinen nur ein so formales Interesse, daß wir uns damit nicht zu beschäftigen brauchen.
Nichts ist aber in dem Entwurf, wie er jetzt in der Ausschußfassung vorliegt, darüber gesagt, ob und inwieweit das zur Zeit noch geltende wirtschaftliche Mitbestimmungs- und Informationsrecht des Betriebsrats durch das neue Gesetz unberührt bleibt. Wenn das im Gesetz nicht ausdrücklich gesagt ist, muß man annehmen, daß die bisherigen Rechte beseitigt oder eingeschränkt werden sollen. Dann aber ist doch die in § 67 vorgesehene Schweigepflicht nur so auszulegen, daß in den Ausnahmefällen, in denen Unternehmer wirklich aufgeschlossener sind und wirklich einmal im Wirtschaftsausschuß etwas über die betrieblichen Zusammenhänge, über Kostengestaltung usw. aussagen, daß in den Fällen die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses dem Betriebsrat gegenüber Stillschweigen bewahren müssen.
Damit wird doch das Recht des Betriebsrats in doppelter Weise eingeengt: einmal durch die Beschränkung der Auskunftspflicht des Unternehmers, zum anderen aber dadurch, daß jetzt zwischen den Unternehmer und den Betriebsrat als Puffer der Wirtschaftsausschuß eingeschaltet wird, der nach § 67 Abs. 2 der Ausschußfassung verhin({1})
dert ist, die empfangenen Informationen an den Betriebsrat weiterzugeben, wenn der Unternehmer die Vertraulichkeit seiner Angaben deklariert hat.
Nach dem ursprünglichen Vorschlage der CDU sollte der Wirtschaftsausschuß einen klagbaren Anspruch auf Auskunftserteilung haben. Nach § 71 des vorliegenden Gesetzentwurfes ist nur noch eine betriebliche Einigungsstelle vorgesehen. Die betriebliche Einigungsstelle hat verbindlich zu entscheiden; ein weiterer Rechtsweg ist ausgeschlossen. Herr Kollege Sabel sagt dazu in seinem schriftlichen Bericht - ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, den Passus verlesen zu dürfen -, daß dabei für die Mehrheit in den Ausschüssen ein wesentlicher Gesichtspunkt maßgebend war, nämlich der,
daß die Einsetzung einer außerbetrieblichen oder gar staatlichen Stelle als Schiedsstelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Direktionsrecht des Unternehmers darstellen würde und mit den Grundlagen der Wirtschaftspolitik nicht in Einklang gebracht werden könne. Zudem sei bei Einschaltung außerbetrieblicher Stellen die in der Wettbewerbswirtschaft notwendige Wahrung der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nicht genügend gesichert.
Ich bin der Meinung, daß es doch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle vom Unternehmer abhängt, seine doch relativ bescheidene Auskunftspflicht zu erfüllen; und wenn er es böswillig nicht tut, dann muß er es darauf ankommen lassen, gegebenenfalls die Unterlagen einer neutralen Stelle vorzulegen.
Das Argument der Unantastbarkeit des Direktionsrechts des Unternehmers halte ich nicht für
sehr beweiskräftig, und ich meine, daß besonders die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit doch nicht vorhanden zu sein braucht, wenn der Arbeitsminister eines Landes die Entscheidung zu fällen hat.
Nun das Direktionsrecht des Unternehmers! Sie gehen in Ihrer Wirtschaftsauffassung davon aus, daß der Unternehmer über eine Reihe von guten Eigenschaften verfügt, daß er fachlich, geistig und moralisch überlegen ist; daß dagegen der Arbeitnehmer über diese Qualitäten nicht verfügt und, wenn er zur Mitbestimmung herangezogen wird, seine Mitberatung wahrscheinlich zu einer Verschlechterung der Betriebsergebnisse führen könnte.
({2})
- Ich bin der Meinung, Herr Kollege Freudenberg, daß es vielleicht eine Reihe von Betrieben gibt, in denen die Geschäftsleitung über hervorragende, fachlich vorgeschulte Kräfte verfügt; aber ich glaube, daß in diesen Fällen einer wirklich verantwortlichen Betriebsführung diese auch versuchen wird, mit dem Betriebsrat zu einer vernünftigen Zusammenarbeit zu kommen.
Ich kenne aber aus meiner beruflichen Praxis eine Vielzahl von anderen Fällen, in denen die menschlichen und die fachlichen Qualitäten des Unternehmers nicht vorhanden sind, in denen der Unternehmer das Geld vergeudet
({3})
und sich überhaupt nicht um den Betrieb kümmert. Ein solcher Betrieb, der in den meisten Fällen mit Krediten hochgepäppelt ist, wird in Zeiten guter Konjunktur trotzdem bestehen bleiben, weil die Gewinnspannen in der Industrie im allgemeinen so erheblich sind, daß sie auch schlechte Unternehmereigenschaften vertragen.
({4})
Wenn aber Krisen kommen, Herr Wellhausen, wenn - wie beispielsweise jetzt in der holzverarbeitenden Industrie oder in der Textilindustrie - durch eine frühere falsche Preispolitik ein Abgabedruck vorhanden ist, dann ist das Unternehmen plötzlich überschuldet. Oft genug sieht der Arbeiter im Betrieb alle diese Schwierigkeiten kommen, aber, wenn er sich an seinen Unternehmer wendet und Abhilfe verlangt, wie oft wird ihm dann gesagt, daß ihn das nichts anginge. Er hat kein Mitwirkungsrecht, er hat nur seine Arbeit zu tun und zu warten, bis der Kurzschluß eingetreten ist.
({5})
- Ja, sehen Sie, ich verfüge über genügend Beispiele aus meiner beruflichen Praxis! Ich kenne leider viele Fälle des Kurzschlusses, wenn von einem Tag auf den andern oder von einer Woche zur andern mehrere Hundert Menschen entlassen werden müssen, um deren Schicksal sich dann der Unternehmer nur wenig kümmert.
Nun werden Sie mir sagen, wenn ein Arbeiter die verhängnisvolle Entwicklung seines Betriebes sieht, dann kann er j a kündigen und sich rechtzeitig andere Beschäftigung suchen. Das wird nicht immer möglich sein, denn es gibt doch in den kleinen und mittleren Städten eine Reihe von Betrieben, die dort die einzigen in der Branche sind. Der Arbeiter muß also mit ansehen, wie eines Tages der Betrieb zusammenbricht; die Sorge um seine Zukunft ist dann allein ihm überlassen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, gerade an die Krisenzustände denken Sie wohl auch bei § 72 Ihrer Vorlage; denn in diesem § 72 sind Sie etwas großzügiger, wenn es sich nämlich darum handelt, daß die Einschränkung und Stillegung des ganzen Betriebes oder von wesentlichen Betriebsteilen, daß die Verlegung des ganzen Betriebes und daß der Zusammenschluß mit anderen Betrieben zur Debatte steht oder wenn es sich um die Einführung neuer Arbeitsmethoden wahrscheinlich mit erheblichen Arbeiterentlassungen handelt.
In den Fällen also, in denen wesentliche Nachteile für die Belegschaft zu befürchten sind, soll sich der Betriebsrat einschalten. Dann sind Sie plötzlich auch bereit, neben der Einigungsstelle auch eine Vermittlungsstelle als Berufungsinstanz zu schaffen, dann sind Sie auch plötzlich bereit, einen betriebsfremden Vorsitzenden zu berufen. In einer Situation, in der der Betrieb in seiner Existenz bedroht ist, darf der Betriebsrat von sich aus Vorschläge machen. Ich bin der Meinung, daß in solchen Fällen - das habe ich in meiner Praxis vielfach erlebt - der Unternehmer auch plötzlich bereit ist, den Betriebsrat zu informieren, aber in der Hauptsache wohl deshalb, um ihn für die Einschränkung und für die Stillegung des Betriebes mitverantwortlich zu machen.
Wir halten es für richtiger, wenn die Betriebsvertretung nicht nur in Zeiten einer schlechten Betriebslage mitzureden hat, sondern wenn man sie in die Lage versetzen würde, rechtzeitig ihren Rat anzubieten, rechtzeitig ihre Bedenken geltend zu machen und rechtzeitig ihre Änderungsvorschläge vorzubringen.
({6})
Aus den verschiedenen von mir vorgetragenen Gründen sind wir der Meinung, daß die Fassung der §§ 67 bis 75 in der vorliegenden Drucksache Nr. 3585 in dieser Form für uns nicht annehmbar ist.
Wir haben uns in den Ausschüssen bemüht, zu einer Fortentwicklung des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts zu kommen. Diese Bemühungen sind an dem Widerstand der Regierungsparteien gescheitert. Wir unternehmen es jetzt, wenigstens das geltende Recht zu erhalten und eine Verschlechterung in dem betrieblichen Mitbestimmungsrecht zu verhindern. Deshalb stellen wir den Antrag, die §§ 67 bis 75 in der Ausschußfassung zu streichen und an deren Stelle die von uns neu formulierten §§ 67 bis '70 zu setzen.
Der von uns vorgeschlagene neue § 67 entspricht der Regelung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, wie sie sich aus dem hessischen und aus dem württemberg-badischen Betriebsrätegesetz ergibt. Wir wünschen, daß der Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht in wirtschaftlichen Angelegenheiten haben soll. Es soll sich besonders erstrecken auf Änderung des Betriebszwecks oder Veränderung in den Betriebsanlagen, Aufstellung des Produktionsprogramms, Fabrikations- und Arbeitsmethoden, Kalkulations- und Preisgestaltung - die wir für außerordentlich wichtig halten -, Regelung des Absatzes - die j a mit der Preisgestaltung eng zusammenhängt -, Änderungen des Betriebsumfanges, Verlegung von Betriebsteilen, Betriebseinschränkungen, Betriebsstillegung und Betriebsverschmelzung. Wir wünschen ferner die Mitbestimmung beim Zusammenschluß mit anderen Betrieben sowie beim Eingehen oder Ändern horizontaler und vertikaler Bindungen an andere Unternehmen, weil wir der Meinung sind, daß gerade durch Betriebsverschmelzungen sehr häufig größere Arbeiterentlassungen zu befürchten sind. In allen diesen Fragen muß der Betriebsrat mitbestimmend wirken. Weiter wünschen wir, daß eine betriebliche Mitbestimmung in sonstigen Vorgängen gegeben sein muß, welche die Interessen der Arbeitnehmer oder des Unternehmens berühren.
In § 68 haben wir Ihnen eine Formulierung vorzuschlagen, die sinngemäß und im wesentlichen auch wörtlich mit dem § 53 des hessischen Betriebsrätegesetzes übereinstimmt.
Damit nicht alle wirtschaftlichen Informationen vor dem Plenum des Betriebsrats behandelt werden müssen, machen wir mit unserer Fassung des § 69 den Vorschlag, daß der Betriebsrat berechtigt sein soll, einen aus drei bis fünf Mitgliedern bestehenden Wirtschaftsausschuß zu bilden. Die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses brauchen nicht alle Mitglieder des Betriebsrats zu sein. Wir wollen damit einen Schritt weitergehen auf dem Gebiet der Wirtschaftsdemokratie und auch fachlich besonders geeignete Belegschaftsmitglieder zur Mitarbeit im Wirtschaftsausschuß heranziehen.
Im § 70 sollen schließlich die Fälle behandelt werden, in denen Unstimmigkeiten zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung über die Ausübung des Mitbestimmungsrechts im Betriebe bestehen. In diesen Fällen ist zunächst - übereinstimmend mit dem Ausschußentwurf - eine betriebliche Schiedsstelle vorgesehen. Die Einzelheiten dieser betrieblichen Einigungsstelle ergeben sich aus § 50 des vorliegenden Gesetzentwurfs.
Wenn eine Einigung nicht erzielt wird, dann ist nach unserer Auffassung eine zweite Instanz erforderlich. Wir schlagen Ihnen deshalb einen Abs. 2 des § 70 vor, wonach, falls keine Einigung nach § 70 Abs. 1 möglich ist, der Betriebsrat oder der Unternehmer bei einer der Tarifvertragsparteien die Einberufung einer Schiedsstelle beantragen kann. Für die Schiedsstelle soll der § 50 unter Berücksichtigung einiger Änderungen, wie sie in Abs. 3 unserer neu vorgeschlagenen Formulierung des § 70 erläutert sind, gelten. In diesen beiden Instanzen wird sich die Mehrzahl aller Meinungsverschiedenheiten schlichten lassen. Sollten aber die Verhältnisse so kompliziert sein, daß auch beide Stellen nicht zu einer Einigung gelangen können, dann soll jede Partei das Recht haben, innerhalb einer Frist von einer Woche nach Zustellung des Schiedsspruchs den Arbeitsminister des Landes, in dem der Betrieb liegt, anzurufen.
({7})
und seine Entscheidung ist dann endgültig.
({8})
- Ja, es hängt doch immer vom Unternehmer ab, Herr Kollege Freudenberg. Wenn er nicht böswillig ist, braucht man nicht einmal die erste Instanz; ruft er sie aber aus grundsätzlichen Erwägungen an, dann wird man wahrscheinlich bei Gutwilligkeit schon in erster Instanz sehr schnell zur Einigung kommen. Aber leider spricht die Praxis dafür,
({9})
daß es häufig böswillige Beanstandungen sind. Auch in der Schlichtung von Meinungsverschiedenheiten soll mit diesen Vorschlägen im wesentlichen das bisher bestehende Recht beibehalten werden. Die Praxis der letzten Jahre hat, glaube ich, doch bewiesen, daß man den Instanzenweg nur in Ausnahmefällen zu gehen braucht.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen mit diesen kurzen Ausführungen
({10}) darzulegen versucht, daß die jetzige Fassung der §§ 67 bis 75 des vorliegenden Entwurfs eine wesentliche Einschränkung des Rechts der Betriebsräte bedeutet. Ich darf um die Genehmigung des Herrn Präsidenten bitten, noch einmal unseren Herrn Kollegen Ar n d g en zitieren zu dürfen. Er sagte damals - das ist sehr wichtig für Sie, Herr Kollege Sabel - bei der Einführung zu seinem Gesetzentwurf:
Diese neue Stellung des Arbeitnehmers im wirtschaftlichen Leben ist besonders geeignet, die geschichtlich gewachsenen Spannungen zwischen Kapital und Arbeit zu überbrücken, den Druck, der bisher auf der Arbeitnehmerschaft infolge ihrer schwachen sozialen Lage, der Unsicherheit ihrer Existenz und der Abhängigkeit vom Willen des wirtschaftlich Stärkeren
- Herr Freudenberg! im Wirtschaftsleben lastete, herabzumindern und damit zu einer Steigerung an den Interessen ihres Betriebes beizutragen. Darüber hinaus könnte dieses Gesetz geeignet sein, Kräfte und fachliches Können der Arbeitnehmerschaft in verstärktem Sinne zu aktivieren.
Nach dem bisherigen Verlauf der Debatte besteht bedauerlicherweise auf Ihrer Seite wenig Neigung, vor dem Plenum des Bundestags sach({11})
lieh zu diskutieren. Trotzdem möchte ich die Frage an die Vertreter der Regierungsparteien stellen: Warum wollen Sie das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht im Betrieb so, wie es das hessische Betriebsrätegesetz vorsieht, wieder beseitigen? Hat sich denn Ihre Einstellung gegenüber der Arbeitnehmerschaft, wie sie damals im Herzen von Herrn Arndgen umrissen worden ist, um so viel und in so entscheidender Weise zuungunsten des Faktors Arbeit geändert? Ich bin der Meinung, daß Sie, wenn Sie überhaupt die Absicht haben, das Betriebsverfassungsgesetz sachlich zu diskutieren, uns auf diese Fragen hier. im Hause eine klare Antwort geben sollten.
({12})
Wir halten die Paragraphenfolge des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht für so wichtig, daß wir insbesondere für die beiden entscheidenden Paragraphen, - 67 und 68 - wegen ihrer Grundsätzlichkeit die namentliche Abstimmung beantragen.
({13})
Meine Damen und Herren, ich darf die Besprechung über die §§ 67 ff. zunächst unterbrechen. Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über § 60 Abs. 1 bekannt. Für den Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 617 Ziffer 44 haben gestimmt 136 Abgeordnete, dagegen 196 Abgeordnete, bei drei Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten haben mit Ja 8 und mit Nein 6 gestimmt. Insgesamt haben sich 349 Abgeordnete an der Abstimmung beteiligt. Damit ist der Antrag der Fraktion der SPD zu § 60 Abs. 1 abgelehnt worden.
Ich komme zur Abstimmung über den weiteren Teil des Änderungsantrages der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 617 Ziffer 44, betreffend §§ 60 bis 66. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, der FDP und der DP, Umdruck Nr. 612 Ziffer 9, betreffend einen neuen Abs. 1 des § 60. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die 'Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; dieser Änderungsantrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 60 bis 66 unter Berücksichtigung der eben angenommenen Änderung zuzustimmen wünschen,
({0})
- über § 66 wünschen Sie eine besondere Abstimmung? -, also zunächst bis § 65 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die §§ 60 bis 65 sind angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über § 66. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 66 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe!
({1})
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10156, 1. Abstimmung. - Bitte? Es ist keine Änderung bei § 66 beantragt. Der § 66 ist in der Ausschußfassung angenommen worden.
Meine Damen und Herren, wir kehren zurück zu den §§ 67 bis 75. Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
({2})
Meine Damen und Herren! In diesem Teil der Gesetzesvorlage wird das wirtschaftliche Mitwirkungsrecht von Wirtschaftsausschüssen behandelt. Es ist notwendig, sich etwas mit der Rolle und mit den Aufgaben solcher oder ähnlicher Wirtschaftsausschüsse zu beschäftigen. Die Wirtschaftsausschüsse, ob sie begründet werden auf betrieblicher oder, wie es in Presseverlautbarungen hieß, auf Bundesebene, haben nichts zu tun mit der Wahrnehmung der Interessen der Arbeiterschaft und der Gewerkschaften. Die Wirtschaftsausschüsse in der heutigen Zeit würden gemäß der Fassung dieses § 67 weiter nichts sein als Hilfsorgane zur Durchführung der kapitalistischen Produktion, zur Steigerung der Produktion und damit zu einer vermehrten Ausbeutung der Arbeiter.
Sie gewinnen aber über diese Tatsachen hinaus noch eine größere Bedeutung. Sie sollen dazu dienen, die Rüstungswirtschaft vorwärtszutreiben gemäß den Forderungen des Leiters des Amtes für gemeinsame Verteidigung, des Amerikaners Harris, der eine wesentliche Erhöhung der Kohlenförderung und der Stahlproduktion proklamierte. Diese Wirtschaftsausschüsse sollen also helfen, die Arbeiterschaft zu gewinnen, zu irritieren und einzuspannen für eine politische Konzeption auf der Grundlage des von dem Bundeskanzler Adenauer unterzeichneten Generalkriegsvertrages.
Man will zugleich durch die Bildung solcher Wirtschaftsausschüsse in der Arbeiterschaft Illusionen erzeugen, als hätten die Arbeiter und die Gewerkschaften die Möglichkeit, entscheidend auf die kapitalistische Rüstungswirtschaft einzuwirken. Das trifft doch keineswegs zu. Wir hatten ähnliche Gremien während der Weimarer Zeit. Ich möchte nur an den damaligen Reichswirtschaftsrat erinnern. Auch der Reichswirtschaftsrat, der nach 1918 geschaffen wurde, war nur ein Aushängeschild dafür, daß die Großkapitalisten ihre wirtschaftliche und politische Macht unter dem Schirm dieses Wirtschaftsrates wieder festigten. Damals gab es auch Gewerkschaftsführer, die der Meinung waren: Durch unsere Mitarbeit in diesem Wirtschaftsrat werden wir die Möglichkeit haben, den Sozialismus zu verwirklichen. Ich möchte daran erinnern, daß man in diesen Wirtschaftsrat unter der Devise hineinging: Der Sozialismus marschiert. Aber herausgekommen ist bei dieser Arbeitsgemeinschaftspolitik, bei dieser Zusammenarbeit in den Wirtschaftsgremien der Weimarer Zeit die Wiederbebefestigung der Macht der alten Konzernherren und Kriegsinteressenten, und die Arbeiterschaft wurde vom entscheidenden Kampf um die Demokratisierung der Wirtschaft, um die Umgestaltung des gesellschaftlichen Lebens im Sinne einer gesellschaftlichen Neuordnung, im Sinne des Sozialismus abgehalten. Schon aus diesen grundsätzlichen Erwägungen heraus sollten die Arbeiterschaft und die Gewerkschaften mit der Arbeitsgemeinschaftspolitik Schluß machen und sich an solchen wirtschaftlichen Gremien, die den Interessen der Arbeiterschaft nicht dienen, nicht beteiligen.
({0})
Am gestrigen Abend gab es in diesem Hause Zwischenrufe zu Ausführungen über die Rechte der Arbeiter und der Gewerkschaften in der Wirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik. Ich habe Ihnen gestern bereits gesagt, daß ich darauf zurückkommen werde. In der Deutschen Demokratischen Republik
({1})
haben die Arbeiter und ihre Gewerkschaften in der gesamten Wirtschaft und vornehmlich in den volkseigenen Betrieben die Führung der Wirtschaft in der Hand. Nach dem Bericht, den der Generalsekretär der SED, Walter Ulbricht, auf der zweiten Parteikonferenz der SED gegeben hat, produzieren heute die volkseigenen Werke bereits 80 % der gesamten Industriegüter der Deutschen Demokratischen Republik. Dort haben sich die Arbeiter nicht mehr über das Mitbestimmungsrecht zu streiten.
({2})
- Lachen Sie ruhig! Dort sitzen die Arbeiter heute in der Führung der Betriebe.
({3})
Dort sind Schlosser, Dreher, Mechaniker heute Betriebsdirektoren! Sie bestimmen im Einvernehmen mit den Gewerkschaften, wie die demokratische Produktion gesteigert werden soll und wie jetzt nach den neuen Beschlüssen in der Deutschen Demokratischen Republik auf der Basis der gesellschaftlichen Veränderungen der Sozialismus aufgebaut wird.
({4})
- Wir können Ihr Schreien sehr wohl verstehen. Sie sind die Vertreter der Reaktion und eines untergehenden Systems.
({5})
In der Deutschen Demokratischen Republik wird unter Führung der Arbeiterschaft und ihrer Gewerkschaften nunmehr die kapitalistische Ausbeutung endgültig beseitigt
({6})
und der Sozialismus verwirklicht.
({7})
Damit wird das, was an der Wiege der deutschen Gewerkschaftsbewegung gesagt wurde, verwirklicht, das, was Marx und Engels bei der Gründung der Gewerkschaften erklärten: es komme nicht allein darauf an, daß die Gewerkschaften für die Verbesserung der Lage der Arbeiter ständig kämpfen, sondern es sei eine wesentliche Aufgabe der Gewerkschaften, dafür einzutreten, daß die kapitalistische Ausbeutergesellschaft durch eine planvolle, dem ganzen Volk dienende sozialistische Gesellschaftsordnung abgelöst würde.
({8})
Im Rahmen dieser Entwicklung zum Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik sehen wir auch die wachsende Volksinitiative, sehen wir, wie die Arbeiter ihr ganzes Können in die Waagschale des demokratischen, sozialistischen Aufbaus werfen.
({9})
In der Deutschen Demokratischen Repblik wird das ermöglicht, was die Arbeiterschaft seit hundert Jahren erträumt. Die Arbeiter Westdeutschlands können sich jetzt täglich in der Deutschen Demokratischen Republik überzeugen, wie das Leben der werktätigen Massen sich verbessert. Sie können sich dort überzeugen, daß die Wirtschaft nicht der Rüstung, nicht zur Steigerung der Riesengewinne der Unternehmer dient,
({10})
sondern daß der Wert, den die Arbeiter schaffen, dazu dient, die Lebenslage der Werktätigen zu verbessern
({11})
und die Volkswirtschaft zu entwickeln.
({12})
- Mögen Sie darüber schreien, wie Sie wollen; ich kann Ihren Schmerz verstehen.
({13})
August Bebel hat schon gesagt: Wenn mich meine Feinde loben, dann weiß ich, daß ich eine Dummheit gemacht habe. - Solange Sie brüllen und hetzen, solange ist die Arbeiterschaft unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands in der Deutschen Demokratischen Republik auf dem richtigen Wege.
({14})
Wir sind der Meinung - und jetzt will ich mich mit den weiteren Paragraphen beschäftigen -, daß die Arbeiterschaft gegen die Bildung solcher wirtschaftlichen Gremien auftreten sollte. Man will durch die Verankerung von Gewerkschafts- und Betriebsratskollegen in solchen wirtschaftlichen Ausschüssen die Betriebsräte und die Gewerkschaftler dafür einspannen, daß die Rationalisierung durchgeführt wird, daß die Produktion auf Kosten der Arbeiter erhöht und damit das Rüstungsprogramm der Amerikaner in Westdeutschland erfüllt wird.
Wir schlagen Ihnen an Stelle des § 67 eine Neufassung vor, die folgenden Wortlaut hat:
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten
({15}) Die Mitbestimmung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Fragen soll mit dazu beitragen, daß die Wirtschaft dem Wohle des Volkes dient und das Wiederaufkommen jeder Rüstungsproduktion verhindert wird. Zur Erfüllung dieser Aufgaben erstreckt sich das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht insbesondere auf folgende Aufgaben:
a) Art der Produktion,
b) Entscheidungen über Anschaffung, Verwendung und Veräußerung von Betriebsanlagen,
c) Einführung neuer Fabrikations- und Arbeitsmethoden,
d) Änderung des Betriebsumfangs bei Produktionseinschränkungen, Betriebserweiterungen, Betriebszusammenlegungen
und Betriebsstillegungen,
e) Kontrolle der Produktion und des Warenabsatzes.
({16}) Zur Durchführung dieser Aufgaben muß der Betriebsrat in alle Unterlagen Einsicht nehmen können. Die Betriebsleitung ist verpflichtet, ihm regelmäßig Geschäftsübersichten sowie die Bilanzen mit den erforderlichen Erläuterungen auszuhändigen.
({17})
({18}) Der Betriebsrat hat das Recht, bei Prüfung der Geschäftsvorgänge, soweit das erforderlich ist, vereidigte Sachverständige hinzuzuziehen. Die Kosten der Sachverständigen hat der Unternehmer zu tragen.
Wir wollen durch unseren Änderungsantrag das Recht der Betriebsräte verankern und dadurch erreichen, daß z. B. Kohlengruben, Stahlwerke und andere westdeutsche Betriebe nicht weiter, wie es bisher geschieht, an amerikanische Konzerne und Banken ausgeliefert werden. Deshalb sagen wir: die Betriebsräte müssen ein Mitbestimmungsrecht haben, wie die Betriebsanlagen vergrößert, veräußert usw. werden sollen.
({19})
Außerdem sind wir der Meinung, daß der Betriebsrat dringend ein Mitbestimmungsrecht in den Fragen der Fabrikations- und der Arbeitsmethoden braucht, weil hier unmittelbar die Interessen der Arbeiter angesprochen sind. Die heutigen Fabrikations- und Arbeitsmethoden bedeuten nicht eine Erleichterung der Arbeit für den werktätigen 1Vlenschen und bringen auch keine Erhöhung seiner Löhne, sondern man geht den umgekehrten Weg: man will die Produktion auf Kosten des Arbeiters, auf Kosten seiner Gesundheit und zu Lasten seines Lohnes steigern. Das haben wir z. B. in den Kohlengruben des Ruhrgebiets ganz deutlich vor uns, wo mittels des von mir gestern schon behandelten Erfolgsanteilsystems nicht die Löhne wesentlich gesteigert, dafür aber die Produktion hochgetrieben wurde. Eine solche Politik liegt wahrlich nicht im Interesse der Arbeiterschaft.
({20})
Sie erkennen aus unserem Änderungsantrag zu § 67, daß wir das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht nicht irgendwelchen fragwürdigen Ausschüssen übertragen wollen. Das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht muß vielmehr den Betriebsräten gegeben werden. Was Sie von den Koalitionsparteien in diesem § 67 verankern wollen, das ist Rückschritt, das ist reaktionär gegenüber den schon in den Betrieben vorhandenen Rechten der Betriebsräte. In der Tat ist es doch so, daß in zahlreichen Betrieben seit 1945 die Betriebsräte wesentliche Rechte durch Abschluß von Betriebsvereinbarungen oder kraft der Macht, die die Arbeiterschaft darstellt, erhalten haben. Sie wollen durch die Formulierung in § 67 diese Rechte beseitigen. Sie wollen, wie mein Vorredner schon sagte, auch die Paragraphen des hessischen Betriebsrätegesetzes und des Betriebsrätegesetzes von Württemberg-Baden außer Kraft setzen. Damit wird ganz deutlich, daß es Ihnen {gar nicht darauf ankommt, die Rechte der Arbeiter zu erweitern und gesetzlich zu verankern, sondern daß es Ihnen darauf ankommt, die Arbeiter in ihren Rechten zu beschneiden und auf wichtigen Gebieten die Rechte vollständig aufzuheben.
Ich will mich jetzt den anderen Paragraphen zuwenden.
({21})
Es wurde bereits gesagt, daß der Wirtschaftsausschuß nur sehr beschränkte Möglichkeiten der Unterrichtung hat. Es wird ganz deutlich gesagt, daß er nur über „sonstige Vorgänge" unterrichtet werden soll, soweit die Interessen der Arbeitnehmer wesentlich berührt werden. Nach meiner Meinung ist ein solcher Wirtschaftsausschuß nur eine Dekoration, um den Arbeitern weiszumachen, sie hätten ein Mitbestimmungsrecht.
Wir beantragen ferner, daß die übrigen Paragraphen gestrichen werden, weil sie mit dem § 67 im wesentlichen Zusammenhang stehen. Durch die Annahme unseres Antrags zu § 67 würde ein anderer rechtlicher Tatbestand über das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte auf wirtschaftlichem Gebiet geschaffen.
Zu § 72. Bisher haben Sie die Rechte der Arbeiter und der Betriebsräte auf allen Gebieten
eingeschränkt; aber in § 72 wollen Sie auf einmal
dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht geben.
Die Koalitionsparteien wollen das, wenn es darum
geht, Fabriken und Industriewerke stillzulegen,
oder wenn es darum geht, aus strategisch-militärischen Gründen in der Zukunft Werke aus einem
gefährdeten Gebiet in ein anderes, nach ihrer
Meinung strategisch ungefährdetes Gebiet zu verlegen. Man will weiter den Betriebsrat mit verantwortlich machen bei Massenentlassungen. Er
soll sagen, welche Arbeiter z. B. in der Fertigwarenindustrie zur Entlassung kommen. Er soll
z. B. für die Zwangsverschickung von Arbeitern in
andere Gegenden mitverantwortlich sein, wenn sie
durch die Verlegung von Betrieben verursacht ist.
({22})
Wir werden unter keinen Umständen eine solche Entwicklung mitmachen. Das sage ich auch im Interesse der Arbeiterschaft und der Gewerkschaften. Wir wenden uns deshalb mit aller Entschiedenheit gegen die Fassung des Vierten Abschnitts.
Ich stelle deshalb die Anträge, die ich bereits dargelegt habe. Alle diese Paragraphen sind zu streichen. An die Stelle der Fassung des § 67 ist diejenige zu setzen, die ich vorgelesen und erläutert habe.
({23})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Walter.
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der § 37 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages lautet:
Die Redner sprechen grundsätzlich in freiem Vortrag.
({0})
Sie können hierbei Aufzeichnungen benutzen. Im Wortlaut vorbereitete Reden sollen eine Ausnahme sein
({1})
und dürfen nur mit Genehmigung des Präsidenten vorgelesen werden.
({2})
Jetzt haben wir uns hier zwei Tage lang Vorlesungen der Heloten einer fremden Macht anhören müssen,
({3}) Vorlesungen von willfährigen Werkzeugen einer feindlichen Macht,
({4})
({5})
die keinen Anspruch darauf machen können und
dürfen,
({6})
im Namen auch nur eines einzigen deutschen Arbeiters zu sprechen.
({7})
Herr Abgeordneter, Sie hatten sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Ich möchte Sie bitten, nun zur Geschäftsordnung zu sprechen.
({0})
Ich möchte, um zur Geschäftsordnung zu sprechen, fortfahren und folgendes sagen.
({0})
Wenn wir gezwungen sind, diese Vorlesungen Moskaus
({1})
von diesem Parlament aus weiter anzuhören, dann gehen wir sicher den Weg, der dazu führt, daß die Demokratie tödlich untergraben wird.
({2})
Wir sollten daher mit aller Schärfe darauf achten, daß diese Vorlesungen Moskaus unterbleiben, und wir sollten den Herren das Recht absprechen, im Namen deutscher Arbeiter zu reden.
({3})
Meine Damen und Herren! Ich habe dazu keine weiteren Feststellungen als nur die eine zu machen, daß bisher die Geschäftsordnung in dieser Hinsicht so angewandt worden ist, wie es den Vereinbarungen und Besprechungen im Ältestenrat entspricht.
({0})
- Ja. meine Herren, ich möchte Sie doch bitten
- ich habe hier pflichtgemäß zu handeln -, ich möchte doch bitten, daß die Feststellungen, die ich mache, hier so respektiert werden, wie es dem Vorsitzenden des Hauses zukommt.
({1}) Außerdem möchte ich darauf aufmerksam machen, daß sich die Tribünenbesucher nicht an irgendwelchen Kundgebungen des Beifalls oder Mißfallens zu beteiligen haben; ich muß im andern Falle die Tribüne räumen lassen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache zu den aufgerufenen §§ 67 bis 75 beendet.
Wir kommen nun zur Abstimmung, zunächst über § 67. Dazu liegt ein Änderungsantrag des Abgeordneten Paul vor. Ich bitte diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Änderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 45. Dazu ist namentliche Abstimmung beantragt. Dieser Antrag ist ausreichend unterstützt.
Ich bitte die Herren Schriftführer, mit dem Einsammeln der Stimmkarten zu beginnen.
({2})
Meine Damen und Herren, ich werde von den Antragstellern darauf aufmerksam gemacht, daß sie damit einverstanden sind, daß die namentliche
Abstimmung sich gleichzeitig auf die beiden Änderungsanträge zu § 67 und zu § 68 erstreckt, so daß wir also mit dieser namentlichen Abstimmung gleichzeitig zu § 67 und zu § 68 abstimmen.
Meine Damen und Herren, sind noch Stimmkarten nicht abgegeben? - Dann kann die Auszählung beginnen. Damit ist die Abstimmung geschlossen.
Ich glaube, meine Damen und Herren, bevor das Resultat der Abstimmung über die §§ 67 und 68 vorliegt, können wir uns mit § 69 usw. beschäftigen. Dazu liegt zunächst vor ein sehr summarischer Antrag des Herrn Abgeordneten Paul, der die Paragraphen von 68 bis 75 streichen will. Diesen Antrag können wir wohl für alle Paragraphen gleichzeitig abstimmen. Ich bitte diejenigen, die diesen Streichungsanträgen zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Wir kommen zu den §§ 69 und 70. Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Ich bitte diejenigen, die den §§ 69 und 70 in der Fassung der Ausschußbeschlüsse zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 71 auf. Ist der Antrag der Koalitionsfraktionen zu diesem Paragraphen - Umdruck Nr. 612 Ziffer 10 - aufrechterhalten, Herr Abgeordneter Schröder?
({3})
Dann bitte ich diejenigen, die diesem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte nun diejenigen, die dem § 71 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Das erste war die Mehrheit; § 71 ist angenommen.
Ich gehe zurück zu den §§ 67 und 68. Das vorläufige Ergebnis *) der namentlichen Abstimmung zu diesem Paragraphen ist folgendes: mit Ja haben gestimmt 129, mit Nein 209 Abgeordnete. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt. Von den Berliner Abgeordneten haben 7 mit Ja und 7 mit Nein gestimmt.
Nun bitte ich diejenigen, die die §§ 67 und 68 in der Fassung der Ausschußbeschlüsse anzunehmen bereit sind, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Zu § 72 liegt ein Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/DPB auf Umdruck Nr. 612 Ziffer 11 vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? -- Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf die §§ 73, - 74, - 75. - Dazu liegen Änderungsanträge nicht vor.
({4})
-- Ja, es muß noch über § 72 in der eben beschlossenen Fassung abgestimmt werden. Wer den § 72 mit der eben beschlossenen Änderung annimmt, den bitte ich, die Hand zu heben. - Gegenprobe!
- Das erste war die Mehrheit; angenommen.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10156, 2. Abstimmung.
({5})
Zu den §§ 73, 74 und 75 liegen keine Änderungsanträge vor. Ich bitte diejenigen, die diesen Paragraphen in der Fassung des Ausschusses zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; mit zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit ist der Abschnitt erledigt.
Wir kommen zu § 76. Dazu liegt ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck Nr. 617 Ziffer 46 vor. Begründung: Herr Abgeordneter Wönner.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Auf Umdruck Nr. 617 Ziffer 46 hat Ihnen meine Fraktion einen Änderungsantrag vorgelegt, der im wesentlichen eine Gesamtneufassung dieses Paragraphen vorsieht. Ich darf mir erlauben, die Begründung zu diesem Änderungsantrag absatzweise zu geben:
Zu Abs. 1 darf ich zunächst bemerken, daß außer der Tatsache, daß die paritätische Besetzung der Autsichträte im Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei Kohle und Eisen auch von diesem Hause akzeptiert worden ist, insbesondere im Hinblick auf die allgemein anerkannte zentrale Bedeutung dieser beiden Industrien, doch nicht darauf verzichtet werden kann, auch einiges in bezug auf den generellen Gesichtspunkt in der Frage des Mitbestimmungsrechts in der oberen Betriebsführung, also in den Aufsichtsräten, darzustellen. Um eine gewisse zeitliche Verknüpfung der jüngeren Vergangenheit mit der Gegenwart herzustellen, wird es wohl am zweckmäßigsten sein - und ich darf den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis dazu bitten -, einige Zitate aus der Vergangenheit zu bringen, damit wir uns darüber klarwerden, inwieweit sich der Standort in dieser Frage speziell geändert hat.
Ich vermag nichts Besseres zu tun, als den, wie ich glaube, in diesem Hause insgesamt und allgemein hochverehrten leider verstorbenen früheren Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Dr. Hans Böckler, zu zitieren, der zu diesem Thema auf dem Ersten Ordentlichen Bundeskongreß, dem Gründungskongreß des Deutschen Gewerkschaftsbundes, im Jahre 1949 folgendes ausgeführt hat:
Es geht zunächst darum, den entscheidenden Grundsatz zu kennen und anzuerkennen, nach dem die Gewerkschaften die volkswirtschaftliche und soziale Ordnung aufgebaut haben wollen. Dieser Grundsatz ist, daß der arbeitende Mensch als der weitaus wichtigste Produktionsfaktor inmitten allen wirtschaftlichenGeschehens zu stehen hat und daß ihm gesellschaftlich der Platz eingeräumt wird, auf den er Anspruch hat. Es ist immer und einzig die menschliche Arbeit, durch welche die Gemeinschaft lebt. In dem Maße, in dem es uns gelingt, die Arbeitskraft und den Leistungswillen aller zum Einsatz zu bringen, wird ein optimaler volkswirtschaftlicher Ertrag und die bestmögliche Versorgung der Gesellschaft gewährleistet sein. Die reine Unternehmerwirtschaft hat ökonomisch und sozial versagt; denn es ist ihr nicht gelungen, die Vollbeschäftigung aller und damit die bestmögliche volkswirtschaftliche Leistung herbeizuführen, und es ist ihr ebenso unmöglich gewesen, eine gerechte Verteilung der Produktion zu erreichen.
Das ist die Grundvorstellung, von der auch wir
heute bei unserem Begehren auf paritätische Besetzung der Aufsichtsräte, wie sie in Abs. 1 unseres § 76 gefordert wird, ausgehen, und es sollte in diesem Zusammenhange nicht ohne Interesse sein, daß auch der Herr Bundeskanzler zu einem früheren Zeitpunkt bereits sehr nachdrücklich praktisch genau denselben Standpunkt vertreten hat, den ich eben als denjenigen meines Freundes Böckler herausgestellt habe. Ich darf mir erlauben, mit gütiger Erlaubnis des Herrn Präsidenten auch dieses Zitat zu verlesen.
Der Herr Bundeskanzler hat im Februar 1947 auf der Tagung der Sozialausschüsse der CDU in der britischen Zone folgendes ausgeführt:
Der Sozialismus ist eine Auffassung, eine Konstruktion der Wirtschaft, wie es der Kapitalismus gewesen ist. Ich sage ausdrücklich: „gewesen ist". Wir in der CDU stehen auf dem Standpunkt, daß die kapitalistische Wirtschaftsform der Vergangenheit angehört.
({0})
Wir haben eine ganz andere Weltanschauung, die uns trägt und die uns befähigt, auch das wirtschaftliche Leben unseres Volkes zu gestalten, wie es nötig ist im Hinblick auf den Menschen, der der Mittelpunkt der Wirtschaft ist und bleiben muß.
({1}) - Ich freue mich darüber, Herr Wuermeling,
({2})
das auch heute noch von Ihnen anerkannt zu hören. Dann darf ich wohl hoffen, daß Sie den in Abs. 1 des § 76 niedergelegten Paritätsvorstellungen Gehör zu schenken bereit sind.
({3})
Ich darf, um damit das Bild abzurunden, nochmals um die Erlaubnis des Herrn Präsidenten bitten, damit auch die FDP gebührend zu Worte kommt, diejenigen Ausführungen zu verlesen, die der Herr Vizekanzler Blücher auf dem Zweiten Parteitag der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands in Eisenach vom 4. bis 7. Juli 1947 von sich gegeben hat:
Den Arbeitern und Angestellten der breiten Masse unseres Volkes muß ein Mitbestimmungsrecht, also die letzte soziale Gerechtigkeit gegeben werden.
({4})
Ja, das war damals. Da war noch einiges Dunkel mehr in Deutschland als heute. Damals waren die Erinnerungen an die Vergangenheit noch frisch, und man schien bereit zu sein, aus den Erfahrungen dieser dunklen Vergangenheit einige sehr brauchbare Nutzanwendungen für künftige Entwicklungen abzuleiten. Heute haben wir einen Abstand von nur fünf Jahren davon, und obwohl auch von seiten der Regierung in diesem Hause oft genug betont worden ist. daß die deutsche Arbeitnehmerschaft seit 1945 höchst anerkennenswerte Leistungen vollbracht habe,
({5})
ist uns der Ausschußentwurf, der von der Mehrheit der Regierungskoalition getragen wird, ein Beweis dafür, daß man heute nicht mehr bereit ist, die Konsequenzen aus den damals gegebenen Zusagen abzuleiten.
({6})
({7})
- Ja, nun, wenn ich noch einmal den Herrn Vizekanzler Blücher zitieren darf, der festgestellt hat, „also die letzte soziale Gerechtigkeit muß den Arbeitnehmern gegeben werden", dann werden Sie wohl nicht umhin können, die Tatsache anzuerkennen, daß diese letzte soziale Gerechtigkeit dann nicht gegeben ist, wenn man den Arbeitnehmern in den Aufsichtsräten nur ein Teilrecht und nicht das gleiche Recht wie den Unternehmern einzuräumen bereit ist.
({8})
- Ja, ich kann mir denken, Herr Dr. Wellhausen, daß die volle Anerkennung des sozialen Anspruchs der Arbeitnehmerschaft von Ihnen anders gedeutet werden kann und gedeutet wird.
Abs. 1 des § 76 der von uns vorgeschlagenen Fassung gibt aber heute die Möglichkeit, zu den damals gegebenen Versprechungen zu stehen. Ich glaube nicht, daß es Aufgabe des Hauses bzw. der Regierungsmehrheit sein kann, etwa erneut in der Arbeitnehmerschaft die Vorstellungen wachwerden zu lassen und sie noch weiter zu vertiefen, daß der arbeitende Mensch bestenfalls nur Werkzeug, das man unter dem Ertragsgesichtspunkt einsetzt, sein kann, das man aber dann - so wie es durch Jahrzehnte hindurch geübt worden ist - beiseite stellt, wenn man es nicht mehr braucht.
Der Kollege Sabel hat leider darauf verzichtet, seinen Bericht hier mündlich vorzutragen, so daß an dieser kritischen Stelle eine Nachholung unbedingt erforderlich erscheint, damit auch aus diesem Bericht insbesondere deutlich werde, daß nach der Vorlage des Ausschusses den früher gegebenen Versprechungen nicht Rechnung getragen werden soll.
Bei der Behandlung dieses Problems
- so sagt Kollege Sabel in seinem Bericht-waren folgende Hauptpunkte zu erörtern: Zunächst war der Umfang der Beteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat festzulegen, wobei seitens der Opposition eine paritätische Besetzung der Aufsichtsräte mit Vertretern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer gewünscht wurde, während die Regierungsparteien der Ansicht waren, daß die Vertretung zu einem Drittel angemessen erscheine. Weiter war die Frage zu klären, in welchem Verfahren die Vertreter der Arbeitnehmer bestellt werden sollten. Die Opposition wünschte die Nominierung durch die zuständige Spitzenorganisation der Gewerkschaften unter Beteiligung der Betriebsvertretungen, während die Regierungsparteien die Auffassung vertraten, daß die Bestimmung der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsräten ausschließlich Angelegenheit der Arbeitnehmer des Unternehmens sein müsse. Schließlich war strittig, auf welche Arten von Unternehmungen die Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes über den Aufsichtsrat und die Beteiligung der Arbeitnehmer Anwendung finden sollten.
Weder die Parität noch die ausreichende Einbeziehung aller in Frage stehenden Unternehmen ist gewollt. Mit echter Wirtschaftsdemokratie und mit voller Anerkennung des sozialen Anspruchs der Arbeitnehmerschaft hat eine solche Vorstellung schlechterdings nichts zu tun. Wir aber, die wir echte Wirtschaftsdemokratie in wirklichem Übereinstimmen mit den Gewerkschaften und, wie ich bemerken möchte, praktisch mit der Gesamtheit aller
Arbeitnehmer anstreben, können natürlich solchen Vorstellungen nicht folgen.
Aus meiner persönlichen Erfahrung darf ich Ihnen vielleicht einiges sagen, was Sie dazu veranlassen könnte, das offenbar vorhandene Mißtrauen gegen breite Kreise der Arbeitnehmerschaft zurückzustellen. Ich habe es nicht geprüft, aber möglicherweise bin ich einer der ganz wenigen auf der Arbeitnehmerseite in diesem Hause, der schon die Ehre hatte, nach dem Aufsichtsratsgesetz aus dem Jahre 1922 als Arbeitervertreter dem Aufsichtsrat eines Unternehmens mit 10 Millionen Aktienkapital und etwas über 1100 Arbeitern und Angestellten anzugehören. Mir, der ich damals aus einem Betriebe mit besten betriebsorganisatorischen Verhältnissen, technisch hoch rationalisiert, in diesen Betrieb kam, den ich eben erwähnte, war es ungewöhnlich interessant, dort im Aufsichtsrat eine Arbeit leisten zu können, von der dieser später selbst mit Stolz feststellte, daß sie wesentlich dazu beigetragen habe, die Entwicklung des Unternehmens so rasch wie möglich zu fördern und das Unternehmen in den Stand zu setzen, die später folgenden Schwierigkeiten zu einem guten Teil mit überwinden zu helfen.
({9})
Deshalb meine Frage nach der Vertrauensseite dieses Problems.
Ich glaube, es gibt heute eine ungewöhnlich große Zahl von Arbeitnehmervertretern in den Betriebsräten und in den Aufsichtsräten, die zu bilden sein werden, die sicherlich mit genau denselben Vorstellungen ihre Arbeit in den Aufsichtsräten und Betriebsräten auszuüben bereit sein werden. Ich habe mich damals im Aufsichtsrat - sicherlich, das muß nicht notwendig allenthalben so sein; das kann ein Einzelfall sein, der nicht generalisiert zu werden braucht -, oft genug in die Lage versetzt gesehen, die Vorstellungen des Vorstandes gegen nicht selten beachtliche Mehrheiten des Aufsichtsrats vertreten zu müssen; denn nicht immer, meine Damen und Herren, ist das Aktionärsinteresse absolut identisch mit dem Betriebsinteresse.
({10})
- Dann sollten Sie aber, Herr Dr. Wellhausen, auch bereit sein, wenn Sie die Richtigkeit einer solchen Darlegung anerkennen, zu sagen: Dann müssen auch in den Aufsichtsräten Verhältnisse geschaffen werden, die überall dort, wo etwa das Aktionärsinteresse zu überwiegen in der Lage wäre, eine gebührende Parität zur Darstellung gelangen lassen, damit die Vorstellungen des Vorstands einer solchen Gesellschaft, dem in der Regel mehr am Betriebsinteresse liegt als dem Aktionär, entsprechend gewahrt werden können. Sie sollten darüber hinaus bereit sein, anzuerkennen, daß ohne echte Parität nichts weiter verbleibt als zwar die Mitverantwortung, aber ohne echte Mitbestimmung.
Bezogen auf das, was ich eben ausgeführt habe, darf ich wohl auch den allgemeinen Schluß daran knüpfen, daß wir bezüglich der künftigen Entwicklung in diesen Dingen gar nicht so pessimistisch zu sein brauchen; denn Sie werden den Arbeitnehmer wahrscheinlich fortschrittsfreudiger finden, als im allgemeinen angenommen wird. Ich glaube, die deutsche Wirtschaft ist angesichts ihrer besonderen Position im europäischen und weltwirtschaftlichen Rahmen ganz besonders dazu angehalten, dem
({11})
Fortschritt zu dienen, damit das gesamtdeutsche Interesse entsprechend gewahrt werden kann.
Dann, meine Damen und Herren, möchte ich nicht darauf verzichten, hier doch noch ein etwa übergeordnetes Prinzip ganz kurz mitanzusprechen. Halten Sie sich bitte dessen versichert, daß auch ein übergeordnetes allgemein politisches Gebot zwingend dafür spricht, der Arbeitnehmerschaft im westdeutschen Raum - und wir hoffen auf eine Fortentwicklung darüber hinaus - die gebührende Anerkennung für ihre bisherige Leistung nicht zu versagen. Es wird in unserem gemeinsamen Interesse erforderlich sein, ein Stück Freiheit - und sei es auch ein solches im materiellen Bereich - freiwillig zu opfern, um die Freiheit als Prinzip zu retten.
({12})
Zu diesem Hinweis veranlaßt mich insbesondere auch das, was wir heute hier zu diesem Thema wieder von den Abgesandten Moskaus gehört haben. Denn wenn wir uns drüben die Verhältnisse in der Ostzone betrachten, dann müssen wir unseren verehrten Kollegen auf der äußersten Linken des Hauses doch wohl empfehlen, erst einmal dort zu versuchen, auch nur die bescheidensten Ansätze für die Durchsetzung von Menschenrecht Wirklichkeit werden zu lassen.
({13})
Erst dann, wenn man in seinen eigenen Bereichen darum bemüht war, das Erforderliche zu tun, hat man das Recht und die Legitimation, in anderen Bereichen ein gleiches Streben irgendwie kundzutun.
In Würdigung all dieser Umstände darf ich Sie, meine Damen und Herren, darum bitten, dem Antrag meiner Fraktion zu § 76 Abs. 1 Ihre Zustinmung nicht zu versagen. Ich habe namens meiner Fraktion hierzu gleichzeitig darum zu bitten, daß darüber namentlich abgestimmt werden möge.
({14})
- Ja nun, meine Damen und Herren, die Frage der paritätischen oder nichtparitätischen Besetzung der Aufsichtsräte, der vollen Anerkennung der sozialen Leistung der Arbeitnehmerschaft oder nur ihrer Teilanerkennung dürfte doch wohl auch von Ihnen als von so grundsätzlicher Bedeutung erkannt werden, daß die namentliche Abstimmung hierzu ohne weiteres gerechtfertigt erscheint.
({15})
Und nun zu § 76 Abs. 2. Unser Vorschlag lautet: Die Betriebsräte benennen von jeder der im Betriebsrat vertretenen Gruppen denjenigen, welcher in einer vorher erfolgten geheimen Abstimmung sämtlicher anwesender Mitglieder der Betriebsräte des Unternehmens die höchste Stimmenzahl auf sich vereinte. Sind in den Betrieben in der Regel die Hälfte der Arbeitnehmer Frauen, so soll unter den vom Betriebsrat benannten Vertretern eine Frau sich befinden.
Das steht zunächst einmal zu dem, was der Ausschuß dem Hause zur Annahme empfiehlt, insoweit in einem grundsätzlichen Widerspruch, als der Ausschuß glaubt, dem Hause empfehlen zu sollen, daß die Arbeitnehmerschaft in ihrer Gänze jeweils die Wahl der Mitglieder aus den Betriebsräten in den Aufsichtsrat vornehmen soll. So sehr wir uns auch sonst für eine Breitenwirkung der Demokratie einzusetzen uns bemühen, gibt es doch gewisse Bezirke im wirtschaftlichen und allgemeinen Leben, die eine andere Betrachtungsweise - insbesondere
unter dem Gesichtswinkel der Qualität - unbedingt erforderlich machen. Wir haben bereits vor dem zweiten Weltkrieg bis zum Jahre 1939 eine nicht unbeachtliche Erfahrung auf diesem Gebiet machen können.
Mir scheint es insbesondere bedeutsam, darauf hinzuweisen, daß die Ausschußvorlage grundsätzlich auch den schon seit dem 15. Februar 1922 gesetzlich fixierten Vorstellungen nicht entspricht. Auch hier ein Zurückgehen zum Vorgestern anstatt ein Fortschreiten zum Morgen! Bereits im Gesetz über die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat vom 15. Februar 1922 war - ich darf mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten § 5 dieses Gesetzes zitieren - festgestellt:
Wahlkörper für Entsendung von Betriebsratsmitgliedern ist bei Körperschaften mit einem Einzelbetriebsrat oder einem Gesamtbetriebsrat dieser, in solchen mit mehreren Einzelbetriebsräten die Gesamtheit dieser, auch wenn sie zum Teil zu einem Gesamtbetriebsrat zusammengeschlossen sind.
Damals ist man bewußt und absichtlich diesen Weg gegangen und hat sehr gute Erfahrungen damit gemacht.
({16})
Es mag richtig sein, daß man in kleineren und mittleren Betrieben, soweit dort überhaupt Aufsichtsräte bestehen, unter Umständen genügend Übersicht von der Belegschaft erwarten kann, daß sie jeweils den fähigsten, den besten, den ihre Interessen am sichersten wahrnehmenden Mann zu entdecken vermag. In dem Augenblick aber, wo sie in größere Betriebsbereiche kommen, wird die Lösung dieser Frage von der Belegschaft her ungemein schwierig. Die Betriebsräte jedoch, die sich gegenseitig kennen und ihre Qualitäten gegenseitig abzuschätzen vermögen, die immer wieder betonen, daß sie fortschrittsbereit sind, daß sie bereit sind, dem gemeinen Besten zu dienen, daß sie das Betriebsinteresse wahrzunehmen bereit und in der Lage sind, werden sich aus ihren Reihen den Mann oder die Männer und die Frauen küren, von denen sie glauben, daß sie die befähigtsten wären, um der hier gestellten Aufgabe gerecht zu werden.
({17})
- Ja, Herr Dr. Wellhausen, Sie wissen so gut, wie ich es weiß, daß es nicht selten vorkommt, - -({18})
- Ja nun, die allgemeine Betriebsrätepraxis liegt vielleicht mehr auf unserer Seite. Aber ein Betriebsunternehmer, der sich um seine Gesamtbelegschaft und auch um seinen Betriebsrat ausreichend kümmert, müßte von solchen Wahrnehmungen ja auch irgendwie beeinflußt werden; und die Wahrnehmungen gehen irgendwie dahin, daß nicht selten ein solches Belegschaftsmitglied gar nicht in den Betriebsrat kommt aus Gründen, die tausend-und vielfältig sind und hier im einzelnen nicht erörtert werden können. Aber nicht selten passiert es tatsächlich, daß gerade der Beste, der Fähigste, der Tüchtigste aus irgendwelchen Gründen keine Chance hat, in den Betriebsrat gewählt zu werden; und dann muß eine Korrekturmöglichkeit bestehen, auf die ich allerdings in einem anderen Zusammenhang noch zurückkommen werde.
Wir haben auch die Tatsache zu verzeichnen, daß nicht nur das Betriebsrätegesetz von 1922 bzw.
({19})
das Gesetz betreffend die Entsendung von Betriebsräten in den Aufsichtsrat von 1922 schon diesen Vorstellungen gerecht geworden sind, sondern daß auch die Ländergesetze, die heute die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat kennen, sich durch die Bank auf der gleichen Ebene bewegt haben und es weiterhin tun werden, bis sie durch bundesgesetzliche Vorschriften abgelöst werden. Ich möchte nicht darauf verzichten, darauf hinzuweisen, daß die direkte und die indirekte Wahl der Aufsichtsratsmitglieder in jüngerer Vergangenheit genau so mit Vorteilen - und ausschließlich mit Vorteilen - behaftet ist, wie es in der Vergangenheit gewesen ist. Es ist bei den Beratungen im Ausschuß oft genug darauf hingewiesen worden, daß eine direkte Wahl nicht immer eine ausreichende Sicherheit für die Auswahl der geeignetsten Personen für die auch von Ihnen als so wichtig anerkannte Funktion ermöglicht. Dies ist der wesentliche Grund, der uns bestimmt, diese unsere Forderung hier zu wiederholen. Auf der einen Seite sind Sie angereichert mit einer Fülle von Besorgnissen, die Arbeitnehmervertretungen in den Aufsichtsräten könnten ihre Funktion zu irgendwelchen betriebs- oder wirtschaftsschädigenden Maßnahmen mißbrauchen. Wir hegen diese Befürchtungen nicht, halten aber dafür, daß die beste Qualität nur in der Wahl der Betriebsratsmitglieder selbst gesichert werden kann.
Ich darf Sie aus diesem Grunde bitten, auch dem Änderungsantrag meiner Fraktion zu § '76 Abs. 2 Ihre Zustimmung zu geben.
Zu § 76 Abs. 3, der nach unseren Vorschlägen lauten soll:
An der Abstimmung über die Vertreter der Arbeitnehmer für den Aufsichtsrat eines Unternehmens nehmen auch die Mitglieder der Betriebsräte der dazu gehörenden Unternehmen teil.
Diese Materie ist ebenfalls im Gesetz von 1922 entsprechend geregelt gewesen und im Grundsatz auch in der Ausschußvorlage anerkannt, so daß es darüber irgendwelche wesentlichen Meinungsverschiedenheiten nicht geben kann. Ich darf Sie bitten, diesem unserem Vorschlag Ihre Zustimmung zu geben.
§ 76 Abs. 4 soll nach unserem Vorschlag lauten: Die nach der gemäß Absatz 2 erfolgten Benennung noch verbleibenden Vertreter der Arbeitnehmer für den Aufsichtsrat werden von den in den Betriebsräten des Unternehmens vertretenen Gewerkschaften benannt. Sind mehrere Gewerkschaften in den Betriebsräten vertreten und mehrere Vertreter zu benennen, so werden dieselben auf die Gewerkschaften im Verhältnis der Mitgliederzahl, die diese in den Betrieben haben, aufgeteilt.
Die Forderung, daß betriebsfremde Personen einem Aufsichtsrat angehören können, ist in der Ausschußvorlage ebenfalls im Grundsatz anerkannt. Hier besteht also eine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit ebenfalls nicht. Bezüglich der Zahl der zu entsendenden Aufsichtsratsmitglieder wird ohnehin zu § 84 das Erforderliche noch zu sagen sein. Aber eines möchte ich bei dieser Gelegenheit bemerken. Selbst die nach Abs. 4 des § 76 möglichen Vorschläge der Gewerkschaften müssen nicht notwendig auf betriebsfremde Personen bezogen sein. Die Praxis wird vielfach auf Betriebsangehörige Bezug nehmen können und wird es auch tun. Der Minderheitenschutz ist entsprechend gewährleistet; denn für den Fall, daß mehrere Gewerkschaften in den Betriebsräten vertreten sind, sollen die Vertreter im Verhältnis zur Zahl der Mitglieder, die diese Gewerkschaften in den Betrieben haben, aufgeteilt werden.
Abs. 5 des § 76 soll nach unseren Vorstellungen folgenden Wortlaut haben:
Die Bestellung erfolgt für die Zeit, die im Gesetz oder in der Satzung für die von der Hauptversammlung zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder bestimmt ist.
Dies bedarf keiner weiteren Begründung.
Abs. 6 des § 76 soll folgendermaßen lauten:
Die Bestellung von Vertretern der Arbeitnehmergruppen im Aufsichtsrat ist vor Ablauf der Amtszeit zu widerrufen, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Betriebsräte des Unternehmens demgemäß beschlossen hat. Das gleiche gilt auf Ersuchen der in Betracht kommenden Gewerkschaften für die gemäß Abs. 4 benannten Aufsichtsratsmitglieder.
Wir glauben, daß alle demokratischen Schutzbedürfnisse durch den Hinweis auf die Zweidrittelmehrheit für das Rückberufungsrecht unter allen Umständen gewährleistet erscheinen. Insbesondere in der Übergangszeit mag es da und dort ein gewisses Austauschbedürfnis geben, und noch haben wir die Röntgenapparate ja nicht erfunden, die uns jede Persönlichkeit bis in die letzte Faser hinein erkennen lassen. Ich glaube, es sollte auch aus diesem Grunde das Austauschbedürfnis anerkannt werden, und Sie sollten bereit sein, dieser Bestimmung Ihre Zustimmung nicht zu versagen.
Es handelt sich, wie ich zu Abs. 1 bereits bemerkt habe, tatsächlich um einen Schlüsselpunkt des gesamten Gesetzes; denn wie die Beschickung der Aufsichtsräte durch die Arbeitnehmer geregelt wird, so wird das ganze Gesetz letzten Endes im wesentlichen Teile beurteilt werden müssen. Ich habe die Aufgabe, Sie namens meiner Fraktion wiederholt darum zu bitten, unseren Vorschlägen Ihre Zustimmung zu geben, und darf auch darum bitten, daß über Abs. 1 namentlich abgestimmt wird.
({20})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Harig.
Meine Damen und Herren! § 76
der Vorlage sieht die Beteiligung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat vor. Es heißt in Abs. 1: Der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien muß zu einem Drittel aus Vertretern der Arbeitnehmer bestehen.
Vor mir hat ein Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion einen Antrag begründet, wonach im Aufsichtsrat Parität herrschen soll. Wir Kommunisten haben keinen eigenen Antrag vorbereitet; wir schließen uns in der Abstimmung dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion an. Wenn die Mitglieder der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat die Interessen der Arbeiter und Angestellten würdig vertreten, dann kann für den Arbeitnehmer etwas dabei herauskommen; dann würden auch die Anträge auf Entsendung von möglichst vielen Vertretern der Arbeiter und Angestellten in den Aufsichtsrat bei den Arbeitern auf größeres Verständnis stoßen.
Wenn wir auch erklärt haben, daß wir uns bei der Abstimmung dem Antrag der sozialdemokra({0})
tischen Fraktion anschließen, so muß doch einiges zur Klarstellung gesagt werden; denn wir haben bestimmte Vorstellungen von den Aufgaben der Vertreter der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Was bisher in dieser Beziehung praktiziert wurde, hat die Arbeiterschaft nicht befriedigen können. Befriedigt waren alle diejenigen, die sich heute noch sträuben, die Parität im Aufsichtsrat den Gewerkschaften und den Belegschaften zuzugestehen. Die bisherige Praxis hat gezeigt, daß da, wo die Parität im Aufsichtsrat besteht, genau so die Arbeiter ausgebeutet werden, genau so die Rationalisierungsbestrebungen in den Betrieben verfolgt werden, genau so eine möglichst hohe Profitrate im Aufsichtsrat festgelegt wird wie in den Aufsichtsräten, in denen keine Arbeitnehmervertreter vorhanden sind. Ich habe da persönliche Erfahrungen.
({1})
Es gibt in diesem Hause Abgeordnete, die ein Mitglied des Aufsichtsrats, das von der Belegschaft in dieses Organ entsandt war, aus dem Aufsichtsrat entfernt haben, weil es ja sagte zu berechtigten Forderungen -in diesem Falle Lohnforderungen - der Arbeiter. Das wäre nicht so tragisch, wenn es sich um Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitgeberseite handelte. Aber da es sich in diesem Falle um Aufsichtsräte der Arbeitnehmerseite oder der Gewerkschaften handelt, kann dieses Beispiel nicht gerade anziehend auf die Arbeiterschaft und auf die Gewerkschaftler wirken, die von der Mitbestimmung im Aufsichtsrat anderes erwarten und andere Vorstellungen von ihr haben.
Vor einigen Wochen habe ich gelesen, daß die Mannesmann-Röhrenwerke ihr Kapital 1 zu 2 umgestellt haben und daß zudem noch eine anständige Dividende ausgezahlt werden sollte. Ich kenne eine ganze Anzahl von Mannesmann-Arbeitern, die nicht wissen, von heute auf morgen zu kommen, weil sie eine Entlohnung erhalten, die zum Himmel schreit. Zweifellos gibt es bei den Arbeitern der Mannesmann-Röhrenwerke Lohnforderungen, zweifellos gibt es einen Betriebsrat, der in Verbindung mit dem Vorstand und mit dem Aufsichtsrat dieser Gesellschaft steht und der diese Lohnforderungen auch vorgetragen hat. Aber obwohl der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Dr. Potthoff, als Mitglied des DGB dafür sorgen müßte, daß die Forderungen der Arbeitnehmer, die in diesem Falle auch Gewerkschaftler sind, erfüllt werden, wird in dieser Beziehung nichts getan. Damit sind die Arbeiter und die Gewerkschaftler nicht einverstanden, und daher haben sie auch kein Vertrauen zu denjenigen, die bisher in den Aufsichtsräten praktizierten. Daher sind sie anläßlich der Kundgebungen unter der Parole ,,Mitbestimmungsrecht jawohl! Mitbestimmung den Betriebsräten!" aufmarschiert.
({2})
Es sind mir Fälle bekannt, wo sich Beauftragte der Aufsichtsräte, Arbeitsdirektoren, gegen die Interessen der Belegschaft wenden. So ist z. B. in einem Betrieb, wo es eine solche „Mitbestimmung" gibt, die Arbeiterschaft dazu übergegangen, einen Kampfausschuß zu bilden mit dem Ziele, der Werksleitung Vorschläge zur Lohnerhöhung zu unterbreiten. Der Arbeitsdirektor dieses Werkes hat dem Betriebsrat schriftlich mitgeteilt, daß die Bildung solcher Ausschüsse, die zur Durchsetzung der Lohnforderungen der Arbeiter geschaffen werden, gewerkschaftschädigendes Verhalten sei. Muß man sich dann wundern,
({3})
wenn die Arbeiter von einer solchen Mitbestimmung nichts wissen wollen? In der Praxis ist kein Unterschied zu sehen zwischen dem, was in den Aufsichtsräten und Betrieben, in denen die Gewerkschaftler nicht vertreten sind, geschieht, und dem, was in denen geschieht, wo sie vorhanden sind.
({4})
Es gibt da einen Betrieb, in dem die amerikanischen Anreizsysteme - ähnlich wie das Erfolgsanteilsystem im Kohlenbergbau, in der eisenschaffenden Industrie - angewandt werden. Gerade die Vertreter der Gewerkschaften dieses Betriebes waren es, die gegen den Willen der Belegschaft den sogenannten gleitenden Sonntag eingeführt haben. Dabei ist es doch den Arbeitern bekannt, daß diese Methoden nur zur Vermehrung der Ausbeutung führen. Es ist den Arbeitern bekannt, daß nicht nur die Ausbeutung vermehrt, nicht nur die Produktion gesteigert wird, sondern daß, je höher die Produktion in der Vergangenheit angestiegen ist, der Reallohn gesunken ist. Also trotz steigender Produktion auch in diesen Betrieben, wo bisher die Arbeitsdirektoren praktizierten, sinkender Reallohn!
Das verschärft selbstverständlich die Widersprüche zwischen Kapital und Arbeit und führt dazu, daß sich die Auseinandersetzungen zwischen Arbeitern und Gewerkschaftsvertretern in den Betrieben immer mehr verschärfen und mehren. Das aber führt dazu, daß das Ansehen der Gewerkschaft in der Arbeiterschaft schwindet. Das führt zur Schwächung der Kraft der Gewerkschaften. Aus dem Grunde sind wir der Ansicht, daß die Interessen der Arbeitnehmer in der Praxis anders als bisher vertreten werden müssen.
({5})
Der DGB vertritt die Ansicht, daß zur Abwendung der Krisenerscheinungen des Kapitalismus die Parität in den Aufsichtsräten von Nutzen sei. Ich bin nicht dieser Ansicht. Wir glauben nicht, daß durch die Arbeitsgemeinschaftspolitik das Wesen des kapitalistischen Systems geändert werden könnte. Bisher führte sie zur Erstarkung der Reaktion. Wir sind nicht der Meinung, daß durch die Arbeitsgemeinschaftspolitik die Krisenerscheinungen beseitigt werden können. Diese haben andere Ursachen, auf die ich heute nicht eingehen will. Ich möchte aber daran erinnern, daß schon im Jahre 1918 von der Sozialdemokratischen Partei die Parole verkündigt worden ist: der Sozialismus marschiert. Der Sozialismus marschierte über die Arbeitsgemeinschaft zur Stärkung der Reaktion bis zum 30. Januar 1933. So marschierte der Sozialismus nach dem ersten Weltkrieg. Nach diesem Krieg wurde im Jahre 1945 von der Seite wiederum verkündigt: die Reaktion liegt geschlagen am Boden.
({6})
Daraus mußte man Konsequenzen ziehen.
({7})
Diese Konsequenz wäre nicht Arbeitsgemeinschaft
gewesen, sondern mußte Entmachtung der reak({8})
tionären Kräfte sein, die so viel Unglück über unser Volk gebracht haben.
({9})
Herr Abgeordneter, ich mache Sie darauf aufmerksam, daß der § 76 der Vorlage zur Debatte steht, und ich bitte Sie, sich doch an diesen Gegenstand zu halten.
({0}) Harig ({1}): Der § 76 behandelt
({2}) die Mitbestimmung der Gewerkschaften und der Belegschaften in den Aufsichtsräten, und ich habe mir gestattet, über die Aufgaben der Aufsichtsräte etwas zu sagen.
({3})
Ziehen Sie die Bilanz der Politik, die nach 1918 betrieben wurde, und der Politik, die seit 1945 betrieben wurde. Was steht dann unter dem Strich? Das Erstarken der Reaktion, weiter gar nichts. Das sind Ihre Erfolge. Es bleiben höchstens noch einige Theorien über den organisierten Kapitalismus übrig, von denen der Arbeiter und der Angestellte nichts hat. So liegt es in Wirklichkeit.
({4})
Die Arbeitervertreter im Aufsichtsrat haben die Pflicht, dort die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten.
({5})
Sie haben die Pflicht, zu verhindern,
({6})
daß die Produktion, die auf Kosten und durch den Schweiß der Arbeitnehmer entsteht, für kriegerische Zwecke Verwendung findet; sie haben die Rüstungsbestrebungen - die offenen und die versteckten - zu bekämpfen, sie haben sich dafür zu interessieren, daß eine Vollbeschäftigung garantiert ist, indem planend andere Verhältnisse geschaffen werden und uns vor allen Dingen die Freiheit gegeben wird, mit allen Völkern in der Welt Handelsbeziehungen aufzunehmen.
({7}) Dazu kommt man aber nur, wenn man diese Regierung beseitigt.
Herr Abgeordneter, ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, daß Sie zum Gegenstand zu reden haben. Sie können doch nicht in der ganzen Weltgeschichte herumfahren.
({0})
Ich mache Sie zum letztenmal darauf aufmerksam.
Bei § 76 handelt es sich darum, daß sich die Betriebsräte und Belegschaften auch im Aufsichtsrat dafür einsetzen, zu diesen Dingen Stellung nehmen zu können.
({0})
Aber die Leute, die im Aufsichtsrat sind, sind nach
dem Aktienrecht
({1})
an keine Weisungen gebunden. Es ist daher notwendig, daß diese Bestimmung im Aktienrecht geändert wird. Die Leute, die aus der Arbeitnehmerschaft in die Aufsichtsräte und in diese Organe entsandt werden, müssen gebunden sein
({2})
an die Vertretung der Interessen derer, die sie dort hineinschicken. Es ist notwendig, auf unsere Meinung in diesen Fragen aufmerksam zu machen. Wir sind der Meinung, daß erstens die Belegschaft allein entscheiden muß, wen sie in den Aufsichtsrat entsendet, daß zweitens die Aufsichtsratsmitglieder an die Weisungen und die Beschlüsse der Belegschaft gebunden sind, daß sie drittens regelmäßig auf Verlangen der Belegschaft zu berichten und Rechenschaft abzulegen haben, daß sie viertens bei Verstößen gegen die Beschlüsse der Belegschaft durch Mehrheitsbeschluß jederzeit abberufen werden können, fünftens daß sie sich angesichts der Aufrüstung und der Kriegsgefahr mit aller Entschiedenheit gegen die Aufrüstung und die Remilitarisierung einzusetzen haben und sechstens im Aufsichtsrat die wirtschaftlichen und sozialen Belange der Belegschaft wahrzunehmen haben. Das sind die Vorstellungen, die wir von den Aufgaben haben, die die Aufsichtsräte oder die Vertreter der Arbeitnehmer in den Organen, die Aufsichtsräte genannt werden, haben. Wir sind der Meinung, daß da, wo die Mitglieder der Gewerkschaften oder der Belegschaften in den Aufsichtsräten so handeln, auch die Belegschaften hinter ihnen stehen. Wir sind der Meinung, daß den Unternehmern auf diesem Wege im Interesse der Belegschaften maßgebliche Rechte genommen werden könnten. Wir sind der Meinung, daß, wenn so praktiziert würde, die Vertreter in den Aufsichtsräten und auch die Gewerkschaften weitaus mehr Rechte in der Wirtschaft haben könnten. Wenn aber so weitergemacht wird wie bisher, dann wird sich die Reaktion noch mehr festigen, dann werden die Unternehmergewinne noch weiter steigen, und dann wird eines Tages die Arbeiterschaft selbst zum Nutzen der Gewerkschaften zu Aktionen gegen solche Vertreter schreiten müssen.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache zu § 76 ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt vor der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 46. Zu dem Änderungsantrag zu Abs. 1 des § 76 ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Antrag ist ausreichend unterstützt. Ich bitte die Herren Schriftführer, das Einsam-mein der Stimmkarten vorzunehmen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich darf mitteilen, daß vorgesehen ist, nach der Durchführung dieser namentlichen Abstimmung eine Pause eintreten zu lassen. Diese Pause wird eine einstündige Dauer haben. Mit der Unterbrechung der Sitzung tritt gleichzeitig der Ältestenrat zusammen. Die Abstimmung über § 76 wird natürlich vorher durchgeführt.
({1})
Meine Damen und Herren, ich bitte, noch Platz zu behalten. Wir haben ja nicht nur die namentliche Abstimmung über den Abs. 1 durchzuführen, sondern wir haben, ehe die Pause beginnen kann,
({2})
auch noch über die übrigen Absätze des Paragraphen abzustimmen. Haben Damen oder Herren ihre Stimmkarte noch nicht abgegeben? - Das scheint nicht der Fall zu sein; dann ist das Einsammeln der Stimmkarten beendet.
({3})
In der Zwischenzeit können wir die übrigen Abstimmungen zu den weiteren Absätzen des § '76 vornehmen. Ich glaube, wir können im ganzen abstimmen und brauchen hier nicht mehr absatzweise abzustimmen. Es geht also um die Absätze 2 bis 6 des § 76. Ich bitte diejenigen, die den entsprechenden Änderungsanträgen der Fraktion der SPD auf Umdruck 617 Ziffer 46 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Die Gesamtabstimmung über § 76 muß ich zurückstellen, bis die Auszählung zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD zu Abs. 1 des § '76 vollzogen ist. Ich glaube, wir können die Bekanntgabe und diese Schlußabstimmung bis nach der Mittagspause zurückstellen.
Die Mitglieder des Ältestenrates werden gebeten, sofort zu einer Ältestenratssitzung zu kommen.
Der Vermittlungsausschuß tritt ebenfalls um
13 Uhr zusammen.
Wir unterbrechen also jetzt die Sitzung bis
14 Uhr.
({4})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 617 Ziffer 46, zu § 76 Abs. 1 bekannt. Für den Antrag haben gestimmt 136 Abgeordnete, dagegen 200 Abgeordnete, bei 6 Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten haben mit Ja 7, mit Nein ebenfalls 7 gestimmt. Insgesamt 356 Abgeordnete haben sich an der Abstimmung beteiligt. Damit ist der Antrag der SPD betreffend Abs. 1 des § 76 abgelehnt.
Über die Absätze 2 bis 6 des Änderungsantrags der Fraktion der SPD war bereits abgestimmt.
Ich komme zur Abstimmung über § 76 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 76 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Meine Damen und Herren, bei dieser Besetzung des Hauses ist es mir zu meinem Bedauern nicht möglich, festzustellen, wo die Mehrheit liegt. Ich bitte, im Wege des Hammelsprungs die Entscheidung herbeizuführen. Ich bitte Sie, das Haus zu räumen, damit wir in die geordnete Arbeit wieder eintreten können.
({0})
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
({1})
- Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen.
Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen. - Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Abstimmung ist geschlossen.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10156, 3. Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über § 76 bekannt. Mit Ja haben 164 Abgeordnete, mit Nein 104 Abgeordnete gestimmt; keine Enthaltungen. § 76 ist angenommen.
Ich rufe § 77 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 617 unter Ziffer 47 vor. Frau Abgeordnete Döhring, bitte.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In § 77 der Gesetzesvorlage ist in den näher bezeichneten Betrieben, Versicherungsvereinen und Genossenschaften die Bildung von Aufsichtsräten vorgesehen, aber erst von einer Arbeitnehmerzahl von mehr als 500 an.
Die sozialdemokratische Fraktion kann einer solchen Regelung nicht zustimmen. Wir beantragen deshalb in Übereinstimmung mit der Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die Zahl von 500 auf 300 zu ermäßigen, wie es auch dem alten Recht des Betriebsrätegesetzes aus dem Jahre 1920 entspricht. Es dürfte hinreichend bekannt sein, daß die Zahl der Gesellschaften mit beschränkter Haftung, die über 500 Arbeitnehmer beschäftigen, verhältnismäßig klein ist. Wenn ich von unserm südwestdeutschen Raum ausgehe, in dem bekanntlich die Veredelungs- und die weiterverarbeitende Industrie vorherrscht, in der die Belegschaftsziffern zumeist niedrigere sind, so sind die Möglichkeiten zur Bildung von Aufsichtsräten nach diesem Gesetzentwurf wahrlich sehr gering.
Auch die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, die zahlenmäßig im gesamten Versicherungsgewerbe gar nicht ins Gewicht fallen, werden selbst dann, wenn wir die Zahl auf 300 ermäßigen, in den wenigsten Fällen dieses Gesetz einbezogeng weil sie kaum über 300, geschweige denn über 500 Arbeitnehmer haben. Bei den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ist die Lage ähnlich.
Deshalb halten wir es für notwendig, daß schon in Betrieben mit mehr als 300 Arbeitnehmern ein Aufsichtsrat gebildet wird, weil das Wirtschaftsvolumen insbesondere bei den Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften so umfangreich ist, daß uns die Mitwirkung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat dringend notwendig erscheint. Besonders aber scheint uns bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung und vor allem bei den bergrechtlichen Gewerkschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit die Bestellung eines Aufsichtsrats nicht erst bei einer Belegschaftsziffer von 500, sondern schon von 300 notwendig zu sein; denn in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle handelt es sich hier um echte Produktionsbetriebe, und wenn man - im Durchschnitt gesehen - annimmt. daß je Arbeitnehmer mit einem Umsatz von 15 000 DM pro Jahr zu rechnen ist, dann kommt für Betriebe mit 300 Beschäftigten ein Jahresumsatz in einer Größenordnung von mindestens 41/2 Millionen DM in Betracht. In Betrieben mit derart erheblichen Umsätzen haben nach unserer Auffassung - und ich sollte annehmen dürfen, daß zumindest auch die gewerkschaftlich orientierten Vertreter der Regierungskoalition unsere Auffassung teilen - die Arbeitnehmer ein unbedingtes Recht darauf, mitbestimmend zu wirken. Dieses Verlangen ist um so berechtigter, nachdem gerade bei den Gesellschaften mit beschränkter Haftung die verschärften Bestimmungen des Handelsrechts hinsichtlich einer Veröffentlichung der Bilanzen nicht in Betracht kommen.
({0})
Alle diese Gründe veranlassen die sozialdemokratische Fraktion, zu beantragen, daß bei den Unternehmensformen des § 77 des Gesetzentwurfs ein Aufsichtsrat bereit von einer Beschäftigtenziffer von 300 an bestellt werden muß. Meine Herren und Damen, wenn der § 77 dieses Gesetzes nur einigermaßen einen Sinn haben soll, dann stimmen Sie bitte dem vorliegenden Antrag zu, den Ihnen meine Fraktion unterbreitet hat, in § 77 in den Absätzen 1 bis 3 das Wort „fünfhundert" durch das Wort „dreihundert" zu ersetzen.
Ich darf gleichzeitig auch noch auf den zweiten Absatz - unter der Ziffer 47 im Umdruck Nr. 617
eingehen. Ich bitte jeweils um getrennte Abstimmung, Herr Präsident. - In diesem zweiten Abänderungsantrag schlagen wir Ihnen vor, in den Absätzen 2 und 3 des § 77 jeweils das Wort „drei" durch „zwei" zu ersetzen. Wenn ich diesen Antrag kurz begründe, obwohl Sie den § 76 nicht in unserer Fassung angenommen haben, so gebe ich mich dabei der Hoffnung hin, daß Sie vielleicht in der dritten Lesung bereit sind, den Arbeitnehmern die letzte soziale Gerechtigkeit, von der mein Parteifreund Wönner hier in so überzeugender Weise gesprochen hat, also die Parität in den Aufsichtsräten zu geben.
Ich bitte also noch einmal, diese beiden Absätze getrennt zu behandeln und unseren Anträgen Ihre Zustimmung zu geben, insbesondere die Zahl ,.fünfhundert" durch „dreihundert" zu ersetzen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 47, den Frau Abgeordnete Döhring begründet hat, und zwar zunächst zu den Absätzen 1, 2 und 3, wo das Wort „fünfhundert" durch „dreihundert" ersetzt werden soll. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einer der Herren Schriftführer hält das Ergebnis der Abstimmung für zweifelhaft. Ich bitte. die Abstimmung zu wiederholen. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag unter Ziffer 47 des Umdrucks Nr. 617 sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Sitzungsvorstand ist einmütig der Auffassung, daß das zweite die Mehrheit ist. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag für die Absätze 2 und 3. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das gleiche Ergebnis; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 77 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herdie zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; § 77 ist angenommen.
Ich rufe auf den Fünften Teil, Strafvorschriften, § 78. Dazu liegt ein Änderungsantrag unter den Ziffern 48 und 49 des Umdrucks Nr. 617 vor. Zur Begründung hat der Abgeordnete Preller das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Strafvorschriften, an die wir jetzt kommen, haben in ihrem ersten Paragraphen gegenüber der Arbeitskreisfassung eine entscheidende
Änderung erfahren, die bisher in keinem Betriebsrätegesetz enthalten war; denn in jedem der Gesetze, sei es dem Gesetz von 1920, sei es den Landesgesetzen, ist in den Strafzumessungen zwischen dem Arbeitgeber bzw. Unternehmer und den Arbeitnehmern unterschieden. So war es auch noch im Arbeitskreis, und erst in den kombinierten Ausschußberatungen in den letzten Monaten ist hier eine Änderung eingetreten, und zwar in dem Sinne, daß die Bestimmungen, die zunächst gegen die Arbeitgeber gerichtet waren, jetzt so formuliert worden sind, daß allgemein alle, die gegen dieses Gesetz verstoßen, von diesen Paragraphen auch erfaßt werden sollen.
Ich erwähnte bereits, das ist erstmalig in einem Gesetz dieser Art. Im Ausschuß ist darauf hingewiesen worden, es sei ein Ausfluß des Grundgesetzes, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder sonst mit dem Betriebsverfassungsgesetz in Berührung Kommende gleichermaßen von den gleichen Strafen erfaßt würden. Ich muß mit Nachdruck noch einmal darauf hinweisen, daß dies ein Irrtum ist; denn hier wäre eine Gleichheit stipuliert, die praktisch keine ist. Es wäre die Gleichheit, von der der Franzose sagt: Es ist dem Armen und dem Reichen gleichermaßen gestattet bzw. verboten, unter Brücken zu schlafen und Brot zu stehlen. Hier tritt das gleiche ein; denn die Wirtschaftsmacht, die hinter dem Unternehmer steht, ist selbstverständlich eine andere als die Macht, die hinter dem Arbeitnehmer steht bzw. stehen kann. Aus diesem Grunde ist es in den bisherigen Gesetzen dieser Art wohl begründet gewesen, daß eine verschiedenartige Strafmöglichkeit für die Behinderung der Durchführung eines Gesetzes, das sich mit Betriebsratsfragen befaßt, vorgesehen war und diese Behinderung dann schärfer geahndet wird, wenn sie von dem, der zugleich die Wirtschaftsmacht hat, also vom Arbeitgeber, durchgeführt wird, als wenn sie von einem Arbeitnehmer oder von seiner Organisation durchgesetzt wird.
Wir bitten deshalb, nach unserem Vorschlag so zu verfahren, daß im Abs. 2, in dem Absatz, der davon spricht, welches Strafmaß gegeben wird, die Worte „dem Unternehmen, dem Betrieb oder" gestrichen werden. Das würde bedeuten, daß damit eine Strafe und - in Verbindung mit dem Abs. 5, den ich gleichzeitig mitbegründen darf - auch der Strafantrag nur so gestellt werden kann, daß ein Arbeitgeber getroffen werden kann, sofern er sich gegen das Gesetz vergeht. Das ist ja die Voraussetzung. Damit würde erreicht sein, daß nur der, der eine Handlung in der Absicht begeht, der Belegschaft Schaden zuzufügen, der Strafmöglichkeit des § 78 unterliegt, und daß nur derjenige einen Antrag stellen kann, der durch die im Abs. 1 genannten Bestimmungen verletzt worden ist oder von der zuständigen Gewerkschaft ein entsprechender Antrag gestellt werden kann. Dies allein scheint uns im wohlverstandenen Interesse des Gesetzes zu liegen; dies allein gibt die Möglichkeit, daß Gerechtigkeit walten kann; denn derjenige, der die Durchführung dieses Gesetzes zu hindern vermag, ist im Zweifel der Arbeitgeber, während die Arbeitnehmerseite ja gar nicht das Interesse haben kann, die Durchführung dieses Gesetzes zu hindern. Aus diesem Grunde bitten wir Sie, unserem Antrage zuzustimmen.
Wie ist es mit der Begründung von Antrag Umdruck Nr. 617 Ziffer 49,
({0})
Herr Abgeordneter Preller?
({1})
- Ist begründet! - Weitere Wortmeldungen? ({2})
- Zu 49! Ich bitte Herrn Abgeordneten Agatz!
({3})
-- Ich hatte 49 verstanden und nahm an, es bezog sich auf die Ziffer des Umdrucks. Es geht etwas durcheinander. § 79 ist noch nicht aufgerufen.
Zu § 78 liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Besprechung. Ich lasse zunächst abstimmen über Änderungsantrag Umdruck Nr. 617 Ziffer 48. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 617 Ziffer 49. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 78 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. § 78 ist angenommen.
Ich rufe § 79 und § 80 auf. Herr Abgeordneter Agatz zu § 79!
Meine Damen und Herren! Wer die gestrige und heutige Debatte verfolgt hat, der muß, so ihm die Dinge bekannt sind, nicht nur den Eindruck gewonnen, sondern sich sogar davon überzeugt haben, daß hier ein Gesetz geschaffen wird, das dazu dienen soll, die Unternehmerherrschaft in der westdeutschen Wirtschaft zu festigen und unantastbar zu machen. Die Arbeitnehmer sollen wieder auf den Stand von Wirtschaftsuntertanen zurückgeschraubt werden.
({0})
Sie sollen wieder dem Gesetz der Unternehmerherrschaft unterworfen werden.
({1})
Mit diesem Gesetz soll eindeutig der Herrim-Hause-Standpunkt aufgerichtet werden.
({2})
Darum gibt es auch Gesetzesbestimmungen, die Strafvorschriften für die Arbeitnehmer enthalten. So wird in § 79 gesagt:
Wer vorsätzlich oder leichtfertig der Vorschrift des § 55, auch soweit sie in § 68 Abs. 1 Satz 2 und § 76- Abs. 2 Satz 5 als anwendbar erklärt ist, zuwiderhandelt, wird mit Geldstrafe oder Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft.
Es handelt sich darum, daß ein Bruch der Schweigepflicht, die man den Betriebsräten auferlegen will,
bestraft werden soll.
Nun müssen wir uns überlegen: Was ist Schweigepflicht? Der Unternehmer kann es bestimmen! Wenn ein Betriebsrat der Meinung ist, daß sein Betrieb sich in durchaus guter Lage befindet und Gewinne macht, die ach eine Lohnerhöhung rechtfertigen, wenn der Unternehmer hingegen diese Lage als Betriebsgeheimnis erklärt aus Gründen seiner eigenen Interessen, und wenn der Betriebsrat dann in einer Belegschaftsversammlung die günstige wirtschaftliche Lage des Betriebs darstellt - schon kann er nach diesem Paragraphen belangt werden; denn der Unternehmer fühlt sich dann in seinen Interessen geschädigt.
Wir meinen, daß angesichts der Realität dieser ganze Absatz nicht nur überflüssig, sondern im höchsten Grade schädlich ist, und sind der Auffassung, daß er gestrichen werden muß.
Wir wissen darüber Bescheid, daß in der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte nach dem Grundsatz verfahren wird: Der Unternehmer hat die Fürsorgepflicht, und der Arbeitnehmer hat die Treuepflicht. Die ganze bisherige Praxis sieht aber so aus, daß bei Bruch der Treuepflicht, die der Unternehmer so auffaßt, der Arbeiter seine Existenz verliert. Es gibt aber kein Urteil gegen einen Unternehmer, der seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen ist. Daran kann man ermessen, wie sehr auch das Arbeitsrecht Klassenrecht ist, wie sehr auch in das Arbeitsrecht selbst die Klassenjustiz ganz automatisch auf Grund unserer gesellschaftlichen Realität hineinwirken muß.
Wir stellen deswegen den Antrag, den § 79 zu streichen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu den §§ 79 und 80.
Der Abgeordnete Agatz hat die Streichung des § 79 beantragt. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über die §§ 79 und 80 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit des Hauses; beide Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf: Sechster Teil, Schluß- und Übergangsbestimmungen.
Hier liegt zu dem ersten Paragraphen, zu § 81, ein Änderungsantrag der SPD, Umdruck Nr. 617 Ziffer 50, vor. Herr Abgeordneter Dr. Preller zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der erste Paragraph der Schluß- und Übergangsbestimmungen befaßt sich mit den sogenannten Tendenzbetrieben, und wir haben hier gegenüber dem Gesetzestext und der Begründung einen eigenartigen Widerspruch festzustellen. In der Begründung ist nämlich auf Seite 18 gesagt, daß in diesem § 81 festgelegt sei, daß die sogenannten Tendenzbetriebe, d. h. diejenigen Betriebe, die überwiegend politischen, gewerkschaftlichen usw. Bestrebungen dienen, nicht unter die Vorschriften hinsichtlich des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechtes fallen. Aber dieses „überwiegend", meine Damen und Herren, fehlt eben im Gesetzestext; es ist dort nicht vorhanden. Ich weiß nicht, wie es in die Begründung hineingekommen ist. Aber es ist ein entscheidender Unterschied, ob jeder Betrieb dieser Art, wie im Gesetzestext tatsächlich gesagt, auch dann, wenn er nur zu einem kleinen Teil derartigen Bestrebungen dient, bereits nicht mehr unter das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht fallen soll.
({0})
Wir haben aus diesem Grunde beantragt, daß dieses Recht der Mitbestimmung in wirtschaftlichen Fragen keine Anwendung findet auf Betriebe, die „im wesentlichen" diesen Tendenzen dienen. Ob „überwiegend" oder „wesentlich", ist nicht entscheidend. Wir haben uns an den Text gehalten, den wir während der Ausschußsitzungen selbst vorgelegt hatten.
Wenn man von diesem „wesentlich" ausgeht, dann fallen Betriebe dieser Art unter diese Bestimmungen auch dann, wenn ein Teil anderen Zwecken, nämlich Erwerbszwecken, dient. Wir möchten aus diesem Grunde eine Ergänzung dazusetzen, daß dann, wenn der Betrieb in der Hauptsache auf einen Erwerbszweck gerichtet ist, dieser Betrieb nicht aus dem wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht herausfallen soll.
Meine Damen und Herren! Die Dinge werden erst deutlich, wenn man sie einmal an Hand von drastischen Beispielen erläutert. So würde etwa eine Buchhandlung, die sich einige wissenschaftliche Bücher zulegt, nach dem Gesetzestext völlig außerhalb der Bestimmungen der §§ 67 bis 77 fallen; oder, was noch viel wesentlicher ist: viele Wohlfahrtseinrichtungen, karitative Einrichtungen verschiedener Art und verschiedener Tendenz haben sich, wie Sie ja alle wissen, zum Teil zur Stützung ihrer eigenen Einnahmen, zum Teil aber auch zu reinen Erwerbszwecken, Landwirtschaft oder eine Schreinerei oder ähnliches mehr beigelegt. Wenn diese Nebenbetriebe in der Hauptsache wirtschaftlichen Zwecken bzw. Erwerbszwecken dienen, dann besteht ja keine Veranlassung, daß für diese Erwerbs- oder Wirtschaftszwecke auch die Arbeitnehmer der Nebenbetriebe das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht haben. Denken Sie doch daran, daß es in diesen Betrieben, die gegebenenfalls mehrere hundert Arbeitnehmer umfassen können, Schreiner, Tischler und Schlosser gibt, daß es eine große Reihe verschiedenartiger Arbeitskräfte einschließlich der Angestellten gibt, die durch die vorliegende Fassung vollkommen vom wirtschaftlichen Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen werden sollen.
Das alte Betriebsrätegesetz von 1920 kannte eine derartige Bestimmung nur mit einer Einschränkung. Die dort vorgesehene Mitwirkung in wirtschaftlichen Fragen bei Tendenzbetrieben sollte nämlich nur eingeschränkt sein, soweit die Eigenart des Betriebes es bedingte. Da waren also die Nebenbetriebe, die ich eben genannt habe, herausgenommen. In der Ausschußvorlage findet sich aber im Satz 2 des Abs. 1 die Formulierung, daß das Gesetz dann nicht Anwendung finden solle, wenn die Eigenart des Betriebes dem entgegenstehe. Hier ist auf etwas ganz anderes abgestellt, nämlich auf die „sonstigen Bestimmungen dieses Gesetzes", praktisch also auf das personelle und soziale Mitbestimmungsrecht. Damit wird diese Einschränkung auf Bestimmungen des Gesetzes erstreckt, die nach dem alten Betriebsrätegesetz 20 Jahre lang unangefochten gelten konnten. Meine Damen und Herren, nach den praktischen Erfahrungen liegt gar keine Veranlassung vor, so zu verfahren, und wir bitten Sie infolgedessen, diesen Satz 2 des Abs. 1 zu streichen.
Nun zu Abs. 2 der Ausschußvorlage. Er sieht vor, daß das gesamte Gesetz einschließlich der Bestimmung über die Bildung von Betriebsräten auf Religionsgemeinschaften keine Anwendung zu finden habe. Wir stimmen dem zu. Wir möchten es so ausgedrückt haben: „auf Einrichtungen von
Religionsgemeinschaften, die seelsorgerischen
Zwecken dienen". Es erscheint uns selbstverständlich, daß in diesen Gemeinschaften diese Bestimmungen nicht zur Anwendung kommen sollen. In Abs. 2 heißt es in der Ausschußvorlage aber weiter, daß das gesamte Gesetz auch für die karitativen und erzieherischen Einrichtungen eben dieser Religionsgemeinschaften ausgeschaltet werden soll.
Man muß sich einmal klarmachen, was das eigentlich bedeutet. Das bedeutet nichts anderes, als daß die Schulen, die Wohlfahrtseinrichtungen, die Krankenhäuser, die in irgendeiner Form von Religionsgemeinschaften unterhalten werden, daß alle diese karitativen und erzieherischen Zwecken dienenden Anstalten vollkommen aus dem Gesetz ausgeschaltet werden.
Ich habe hier eine Aufstellung aus der Stadt Essen, wieviel Personen in zwölf Waisenhäusern, Altersheimen, Hospitalen und ähnlichen Einrichtungen dieser Art an rein weltlichem Personal beschäftigt werden. In diesen zwölf Häusern gibt es 745 Menschen, die dort rein weltliche Funktionen ausüben und in keiner Weise irgendwelche karitativen, seelsorgerischen oder religiösen Funktionen ausüben. Rund 560, d. h. die weit überwiegende Zahl davon sind Frauen. Wir wissen doch alle, -daß es in Krankenhäusern - auch in den Krankenhäusern nicht karitativer Art - immer eine besondere Schwierigkeit bedeutet hat und heute noch bedeutet, einigermaßen soziale Verhältnisse zu schaffen. Wir haben dort eine besondere Regelung der Arbeitszeit, und selbst diese Regelung wird noch überschritten. In den Krankenhäusern karitativer Art sollen nun die vielen Schwestern, aber auch die Chauffeure und die Pförtner, die Schreibkräfte und die Gärtner, kurz alle, die dort beschäftigt sind, ohne jeden Schutz durch einen Betriebsrat bleiben.
Wir glauben, daß das viel zu weit geht, denn soweit Sie hier an dieses aus karitativen oder aus religiösen Gründen beschäftigte Personal etwa gedacht haben, so ist ja dieses Personal durch den § 4 Buchstaben d) und e) ausdrücklich von der Geltung dieses Gesetzes ausgenommen. Die Bestimmung, die Sie hier treffen, entzieht also all denen die Möglichkeit eines Betriebsratsschutzes, die rein weltliche Funktionen ausüben. Wir glauben, daß gerade dieses Personal einen besonderen Schutz notwendig hat, und zwar, so möchte ich sagen, nicht nur in diesen karitativen Anstalten, sondern zweifellos auch in den kommunalen Anstalten dieser Art. Wir dürfen aber hier keinen Unterschied machen und müssen diesem weltlichen Personal diesen Schutz gewähren. Aus diesem Grunde bitten wir Sie, dem § 81 in der von uns vorgelegten Fassung zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst mit den ersten Ausführungen meines verehrten Herrn Vorredners befassen, soweit sie Tendenzbetriebe angehen. Ich darf darauf verweisen, daß der von der SPD eingebrachte Änderungsantrag mit Recht einen Entrüstungssturm in der gesamten deutschen Presse hervorgerufen hat und vor allen Dingen die Zeitungsverlegerverbände sich sehr energisch dagegen verwahrt haben, daß hier der Versuch gemacht wird, auf mittelbare Art die Pressefreiheit in Deutschland zu beeinträchtigen. Ich möchte hier
({0})
mit allem Nachdruck im Namen meine Freude und, wie ich glaube, auch im Namen der ganzen Regierungskoalition feststellen, daß wir uns jedem derartigen Versuch, indirekt oder mittelbar die deutsche Pressefreiheit zu beeinträchtigen, widersetzen werden.
Ich glaube nicht, daß es möglich ist, hier eine Definition in der Art einzufügen, wie sie von seiten der Opposition gewünscht wird, ohne daß sofort der Mißerfolg eintritt, daß hier in irgendeiner Form auf die redaktionelle Gestaltung publizistischer Erzeugnisse Einfluß genommen wird. Wir haben bereits Beweise dafür vorliegen. Wir wissen bereits, daß es in einzelnen Orten vorgekommen ist, daß Setzer sich geweigert haben, in Druckereien bestimmte Texte zu drucken. Nun, wir wollen uns hierauf nicht näher konzentrieren, aber ich möchte noch eine Gefahr aufzeigen, die hier besteht. Wenn in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eröffnet werden sollte, daß verhindert oder beeinträchtigt werden kann, daß z. B. Redakteure oder Personen, die für die Gestaltung von publizistischen Erzeugnissen verantwortlich sind, frei oder je nach dem vertraglichen Verhältnis zum Verleger arbeiten können, dann wäre das ein wesentlicher Einbruch in die Bestimmungen des Grundgesetzes, und darüber hinaus wäre es auch schon eine Präjudizierung eines kommenden Bundespressegesetzes. Aus diesen Gründen und weil es unmöglich ist, hier eine nähere Definition zu finden, werden wir uns gegen cine derartige Neufassung des § 81 aussprechen.
Ich darf noch auf etwas anderes hinweisen. Einer der ältesten Leute der Zeitungswissenschaft, der verstorbene Professor Bücher in Leipzig, hat in den Anfangsgründen der deutschen Zeitungswissenschaft den Versuch gemacht, zu definieren, was eine Zeitung ist. Er ist damals in der absolut materialistischen Auffassung hängengeblieben, indem er so definierte: „Eine Zeitung ist ein Anzeigenraum, der durch Text verkäuflich gemacht wird." Wenn wir uns dieser seit vielen Jahren längst als völlig überholt betrachteten rein materialistischen Anschauung anschließen wollten, dann müßten wir der Neufassung des § 81 der Opposition folgen. Wir werden das nicht tun.
Ich möchte jetzt noch auf einen zweiten Punkt zu sprechen kommen, der nicht in den § 81 der Ausschußvorlage hineingekommen ist, der aber eigentlich hier einen Platz haben sollte. Ich vermisse hierin eine Ausnahmebestimmung für die Mitbeteiligung. Hier ist ganz offensichtlich eine Lücke vorhanden; denn in dem gesamten Gesetz wird davon nicht gesprochen. Gerade in meinem Wahlkreis Aalen ist aber dieses Mitbeteiligungsrecht in Form von festen Verträgen, d. h. also in einer echten Partnerschaft, in einer ganzen Reihe von Betrieben mit großem Erfolg verwirklicht worden. Ich glaube, daß sehr viele meiner Freunde mit mir auf dem Standpunkt stehen, daß dies wahrscheinlich der ideale Weg ist, der Arbeiterschaft überhaupt das Maß an sozialer Sicherheit zu geben,
({1})
dessen sie wirklich bedarf, und hier einen Ausweg aus einer Sackgasse zu finden, in die wir vielleicht hineingeraten sind oder hineingeraten werden. Um in den Betrieben, die weitergegangen sind, als dieses Gesetz jemals gehen könnte, eine Möglichkeit offen zu lassen und um diesen Betrieben auch eine Ermutigung zu geben, hätte es einer erweiterten Fassung des § 81 bedurft. Ich hoffe, daß dies noch in irgend einer anderen Form einmal der Fall
sein wird; denn das Kapitel ist ja mit diesem Ge-. setz noch längst nicht abgeschlossen.
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Ich gebe hiermit der Erwartung Ausdruck, daß alle diejenigen Betriebe, in denen es in einer wirklich echten Übereinstimmung zwischen dem Unternehmer und seiner Arbeiterschaft zu einer echten Partnerschaft gekommen ist, und alle Betriebe, die wirklich gerade die großen Ziele auch der päpstlichen Enzykliken verwirklicht haben, nun nicht entmutigt, sondern ermutigt werden. Ich hoffe, daß es später einmal möglich sein wird, einen Gesetzentwurf auszuarbeiten, der diesem unserem Wunsche klaren Ausdruck verleiht.
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Herr Abgeordneter Preller!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf darauf hinweisen, daß die Ausführungen, die der Herr Abgeordnete Dr. Vogel eben gemacht hat, an einem entscheidenden Punkte vorbeigeredet haben. Es handelt sich nämlich nicht darum - wie er sagte -, daß durch unsere Fassung etwa einem Setzer die Möglichkeit gegeben werden soll, sich zu weigern, einen bestimmten Satz zu drucken.
({0})
Sie haben übersehen, Herr Abgeordneter Dr. Vogel, daß es sich hier nur um Beschränkungen des wirtschaftlichen Mitbestimmungsrechts handelt, nicht aber um andere Beschränkungen. Sie werden mir zugeben, daß das Beispiel, das Sie angeführt haben, aus diesem Grunde nicht stichhaltig ist, ebensowenig aber auch das, was Sie sonst sagten. Sie glauben, daß unser Antrag die Pressefreiheit beeinträchtigen wird. Meine Damen und Herren, wenn wir davon ausgehen, daß auf Betriebe, die im wesentlichen politischen - es handelt sich ja hier in erster Linie um die politischen Bestrebungen - Bestrebungen dienen, das wirtschaftliche Mitbestimmungsrecht keine Anwendung zu finden habe, so ist allen berechtigten Belangen gedient. Ich darf von dieser Tribüne aus, um irgendwelchen falschen Auffassungen entgegenzutreten, mit aller Deutlichkeit sagen, daß selbstverständlich auch die Sozialdemokratie in keiner Weise daran denkt, die Pressefreiheit zu beschneiden.
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Ich darf mich auf die Abmachungen beziehen, die eben auch der Deutsche Gewerkschaftsbund mit dem Verlegerverband abgeschlossen hat und in denen ja auch vom Verlegerverband festgestellt worden ist, daß auch der Deutsche Gewerkschaftsbund nicht daran denkt, die Pressefreiheit zu beschneiden.
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Meine Damen und Herren, ich kann hier für die Sozialdemokratie diese Erklärung abgeben und beziehe mich auf die Erklärung des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Aus diesem Grunde sind die Auffassungen, die der Abgeordnete Vogel vorgetragen hat, nach unserer Ansicht in keiner Weise stichhaltig. Wir plädieren nach wie vor dafür, daß der § 81 in der von uns vorgeschlagenen Fassung angenommen wird.
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu § 81.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 50, über beide Absätze gemeinsam; oder wollen Sie getrennte Abstimmung, Herr Abgeordneter Preller?
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- Getrennte. Wir stimmen dann ab über den Änderungsantrag zu Abs. 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag betreffend Abs. 2 des § 81. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. -- Enthaltungen? - Dieser Antrag ist ebenfalls abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 81 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. § 81 ist angenommen.
Ich rufe auf §§ 82, - 83. - Keine Wortmeldungen. - Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 82 und 83 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit. Sie sind angenommen.
Ich rufe § 84 auf.
Zur Begründung des Antrags der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 51 Herr Abgeordneter Wönner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu § 84 Abs. 1 beantrage ich namens meiner Fraktion die im Umdruck Nr. 617 unter Ziffer 51 wiedergegebene Fassung:
Der Aufsichtsrat besteht aus sechs Mitgliedern.
Die Satzung kann eine höhere Zahl festsetzen;
sie muß durch zwei teilbar sein. Die Höchstzahl der Aufsichtsratsmitglieder beträgt . . . . Das folgende bezieht sich dann im wesentlichen nur mehr auf die Änderung, daß die Zahl nicht durch drei, sondern durch zwei teilbar sein muß.
Ich darf mir erlauben, dazu einige Bemerkungen zu machen. Ich weise darauf hin, daß die Erhöhung der Mindestzahl der Betriebsratsmitglieder gegenüber der Ausschußvorlage von drei auf sechs wohl begründet erscheint. Ist sie zunächst auch Ausfluß des Strebens nach paritätischer Zusammensetzung des Aufsichtsrats, die eine durch zwei teilbare Zahl erforderlich macht, so ist der Änderungsantrag doch wesentlich auch durch den Wunsch verursacht, die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat ebenfalls so ausreichend und so hochqualifiziert vertreten sein zu lassen, daß das Betriebsinteresse von den Gesamtbetriebsvorstellungen her, die also das Belegschaftsinteresse mit einschließen sollen, gewahrt bleiben kann.
Zunächst ist es der Wunsch, daß wenigstens zwei Belegschaftsmitglieder jeweils dem Aufsichtsrat angehören; denn es wird nur selten Unternehmungen oder Betriebe geben, in denen nur Arbeiter und nicht auch Angestellte oder umgekehrt beschäftigt werden. Arbeiter und Angestellte sollen aber in gleicher Weise die Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen im Aufsichtsrat zu Gehör zu bringen. Darüber hinaus ist es wohl auch nicht nur ein berechtigter Wunsch, sondern gleichzeitig eine sachliche Notwendigkeit, den Betriebsräten die Möglichkeit zu geben, im Minimum ein drittes Mitglied hinzuzuwählen zum Aufsichtsrat, um so etwa die fachliche Qualifizierung zu erreichen, die erforderlich ist, um der gestellten Aufgabe gerecht zu werden.
Auch hierzu ist die Feststellung notwendig, daß der dritte Mann in der Mindestbesetzung der Aufsichtsräte von sechs nicht unbedingt eine betriebsfremde Person sein muß. Die Gewerkschaften werden häufig genug Anlaß haben, ihr Vorschlagsrecht in der Weise auszuüben, daß ein Betriebsangehöriger als dritter Mann in den Aufsichtsrat einzieht, nämlich jener dritte Mann - ich habe dazu bei § 76 schon einiges bemerkt -, der aus irgendwelchen Gründen nicht in den Betriebsrat gewählt worden ist. Soweit es sich hierbei - nicht nur bezogen auf den dritten Mann bei sechs Mitgliedern, sondern bezogen auf die Aufsichtsratsmitglieder von Arbeitnehmerseite schlechthin, soweit ihre Zahl mehr als zwei übersteigt - um das Vorschlagsrecht der Gewerkschaften handelt, möchte ich Sie, meine Damen und Herren, darum gebeten haben, von überkommenen Vorstellungen doch endlich ablassen zu wollen und einmal grundsätzlich bereit zu sein, es anzuerkennen, daß auch die Grundhaltung der Gewerkschaften zum allgemeinen wirtschaftlichen Geschehen eine wesentlich andere geworden ist, als sie vor Jahrzehnten war.
({0})
Sie haben oft genug davon gehört, und ich glaube, es ist aus dem Munde der Gewerkschaften oft genug betont worden, daß sie ihre Aufgabe nicht mehr nur darin sehen, die sozialen Belange der Arbeitnehmerschaft wahrzunehmen. Vielmehr haben sie erkannt, daß es notwendig ist, auf das wirtschaftspolitische Geschehen im allgemeinen Einfluß zu nehmen, um von der Ausweitung des Sozialprodukts her die gestellte Sozialaufgabe besser lösen zu können. Diesen Vorstellungen in weitestem Umfang gerecht zu werden, wird sicher von der Betriebsebene her versucht werden.
Im übrigen ist die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder nach dem Vorschlag meiner Fraktion nur insoweit verändert worden, als es die Teilbarkeit durch zwei erforderlich macht, also anstatt 9 10, die 12 sind bei mehr als 3 Millionen DM Aktienkapital geblieben, während es bei mehr als 20 Millionen anstatt 15 16 sein sollen.
Ich darf Sie angesichts dieser Umstände bitten, dem Änderungsvorschlag meiner Fraktion Ihre Zustimmung zu geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag zu § 84, Umdruck Nr. 617 Ziffer 51, den Herr Abgeordneter Wönner eben begründet hat. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 84 in derAusschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- § 84 ist angenommen.
Ich rufe auf § 85. - Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 85 zuzustimmen wünschen, um ein
({0})
Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; § 85 ist angenommen.
Zu § 86, Änderungsantrag Umdruck Nr. 617 Ziffer 52, Herr Abgeordneter Wönner zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu § 86 hat meine Fraktion einen Änderungs- bzw. Ergänzungsantrag insoweit eingebracht. Dieser Paragraph soll einen Abs. 2 folgenden Wortlauts erhalten:
Soweit Mitglieder von Betriebsräten auf Grund einer Vereinbarung oder nach Landesrecht bereits Mitglieder eines Aufsichtrats sind, behalten die betreffenden Personen diese Funktion so lange, bis ein neuer Aufsichtsrat zu wählen ist.
Es handelt sich hier offenkundig um irgendeine Lücke in den Gesetzesbestimmungen, die der Ausschußvorlage entsprechen; denn es muß ja irgendeine gesetzliche Vorschrift bestehen, die den bisher schon in die Aufsichtsräte gewählten Betriebsratsmitgliedern die Möglichkeit gibt, ihr Mandat so lange auszuüben, bis der Aufsichtsrat, dem sie angehören, neu gewählt wird, wenn nicht anders Gefahr gelaufen werden soll, einen unbequemen, da und dort vielleicht sogar gefährlichen Interimszustand zu schaffen.
Vielleicht, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist dieser Antrag der einzige von den Anderungs- oder Ergänzungsanträgen der Sozialdemokratie, dem Sie Ihre Zustimmung nicht versagen können.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 52. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 86 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- § 86 ist angenommen.
Ich rufe auf § 87. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; § 87 ist angenommen.
Ich rufe auf § 88, Änderungsantrag Umdruck Nr. 617 Ziffer 53. Wer wünscht, ihn zu begründen? -- Herr Abgeordneter Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt, daß die Absätze 1 und 2 des § 88 gestrichen werden. Der § 88 Abs. 1 besagt:
Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf die Betriebe und Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts. Die Regelung für diesen Bereich bleibt einem besonderen Gesetz vorbehalten.
Die damit zusammenhängenden Fragen wurden bereits bei den einzelnen Paragraphen diskutiert. Im Ausschuß wurde wiederholt behauptet, man sei in Zeitnot, man müsse doch baldmöglichst ein Bundesbetriebsverfassungsgesetz verabschieden; man sei nicht in der Lage, in relativ kurzer Zeit die notwendigen Bestimmungen in die einzelnen Paragraphen einzuarbeiten, die die öffentlichen Verwaltungen und Betriebe und die öffentlich- rechtlichen Körperschaften behandeln sollen. Wir haben Ihnen bewiesen, daß man dazu sehr wohl in der Lage ist, daß es nur eine Frage des guten Willens ist. Wir haben zu den in Frage kommenden Paragraphen die entsprechenden Änderungs- bzw. Ergänzungsanträge gestellt. Wir könnten nun am Schlusse der zweiten Lesung eines Betriebsverfassungsgesetzes sein, das sowohl die private Wirtschaft wie auch die öffentlichen Verwaltungen und Betriebe umfaßt. Es ist also nicht so, wie dies nicht nur in den Ausschüsen - sonst würde ich nicht davon reden -, sondern auch wiederholt in der Öffentlichkeit dargestellt worden ist.
Es kommt aber noch hinzu, daß auch das alte Recht von 1920 vorgesehen hat, die öffentlichen Betriebe und Verwaltungen mit in das Betriebsrätegesetz einzubeziehen; nur die Beamten konnten ausgeschaltet werden. In dem alten Betriebsrätegesetz gab es eine Bestimmung, wonach die Möglichkeit bestand, daß die Beamten gemeinsam mit den übrigen Bediensteten Betriebsräte bilden konnten. Das hat man hier nicht vorgesehen. Man hat aber nicht nur die öffentlichen Verwaltungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden, sondern darüber hinaus auch alle öffentlich-rechtlichen Körperschaften herausgenommen. Man hat also sämtliche Sozialversicherungsträger, die Krankenkasssen, die Landesversicherungsanstalten, alle Arbeitsämter der Bundesanstalt, herausgenommen. Ja, es gibt noch eine ganze Menge öffentlich- rechtlicher Körperschaften der verschiedensten Art, die man hier herausgenommen hat. Also man hat aus diesem Gesetz eine wesentliche Zahl von Arbeitnehmern, von Betrieben und Verwaltungen ausgeklammert. Man hat die Elektrizitätswerke usw., die in kommunalem Besitz oder in Landesbesitz sind, herausgenommen; aber die Elektrizitätswerke, die gemischtwirtschaftliche Betriebe sind oder die sich in privatem Besitz befinden, hat man in das Gesetz einbezogen. Ein und denselben Wirtschafts-und Berufszweig hat man verschieden behandelt.
Das veranlaßt uns, nochmals an Sie zu appellieren, diesen Abs. 1 des § 88 aufzuheben. Das ist eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Hier ist die letzte Möglichkeit, daß Sie den Forderungen der Arbeitnehmer dieser Betriebe und Verwaltungen entsprechen. Wir beantragen deshalb namentliche Abstimmung.
({0})
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung zu § 88.
Über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 53 ist namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln.
({0})
Meine Damen und Herren, die Einsammlung der Stimmkarten ist im wesentlichen beendet. Ich unterbreche zunächst die Abstimmung zu § 88.
Ich rufe § 89 auf. - Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 89 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -- Das ist die Mehrheit; § 89 ist angenommen.
({1})
Von der SPD-Fraktion ist in Ziffer 54 des Umdrucks Nr. 617 beantragt worden, einen § 89 a einzufügen. Zur Begründung Herr Abgeordneter Richter, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zur vorigen Ziffer des Umdrucks Nr. 617 den Antrag meiner Fraktion begründet, daß alle Arbeitnehmer, alle Wirtschaftsgruppen und auch die Betriebe und Verwaltungen der öffentlichen Hand unter dieses Gesetz fallen sollen. Wir sind aber der Meinung, daß dieses Gesetz nicht eine erschöpfende Regelung des Betriebsverfassungsrechts bringen kann und bringen soll; wir sind der Auffassung, daß dieses Gesetz, wie grundsätzlich alle Gesetze, Mindestrecht darstellen soll. Von diesem Gedankengang ausgehend, hat bereits der Wirtschaftsrat den Tarifvertragsparteien, also sowohl den Gewerkschaften wie den Arbeitgebern, das Recht gegeben, Betriebsverfassungsfragen durch Tarifvertrag, also durch beiderseitige Vereinbarungen, zu regeln. Wir beantragen deshalb, einen § 89 a einzufügen, der lautet:
Das Recht der Tarifvertragsparteien zur Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen durch Tarifvertrag bleibt unberührt.
Daß dies auch gut und zweckmäßig ist, ist ja in einzelnen Bestimmungen von Ihnen selbst anerkannt worden, und man war schon immer der Auffassung, daß man insbesondere beim Baugewerbe und bei ähnlichen besonders gelagerten Berufen vom Gesetz abweichende Regelungen hinsichtlich des Aufbaues zulassen sollte. Wir glauben aber, daß die Starrheit, die Bindungen, die dann eintreten, wenn dieses Gesetz die Materie des Betriebsverfassungsrechts erschöpfend regelt, jeglicher Fortentwicklung Schwierigkeiten bereiten, ja sie unterbinden wird. Man soll aber das Leben nicht fesseln, man soll der Freiheit auch auf diesem Gebiet Bahn geben. Deshalb unser Antrag. Ich bitte um Zustimmung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag, den Herr Abgeordneter Richter begründet hat, Umdruck Nr. 617 Ziffer 54, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf § 90, dazu der Änderungsantrag des Umdrucks Nr. 617, nämlich Ziffer 55. Zur Begründung Herr Abgeordneter Richter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach § 90 der Vorlage sollen mit Inkrafttreten dieses Bundesbetriebsverfassungsgesetzes alle landesrechtlichen Vorschriften über Betriebsräterecht und Betriebsrätewahlrecht außer Kraft treten. Wir glauben nicht, daß dieses Gesetz alle Fragen erschöpfend regelt, und wir alle sind davon überzeugt, daß die Ländergesetze auf wesentlichen Gebieten dieses Betriebsverfassungsrechts entschieden bessere, weitergehende, fortschrittlichere Bestimmungen haben, als Sie sie gegen unsere Stimmen mit Ihrer Mehrheit im Bundestag in dieser zweiten Lesung beschlossen haben.
({0})
Weiter müssen wir feststellen, daß nach § 90 zweiter Satz alle Betriebsvereinbarungen vor Ablauf von sechs Monaten nach Inkrafttreten dieses
Gesetzes mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden können. Meine Damen und Herren, die Betriebsvereinbarungen wurden von den Betriebsräten und den Arbeitgebern freiwillig abgeschlossen. Es lag kein Zwang vor, eine Betriebsvereinbarung abzuschließen; keine Seite wurde gezwungen, einer Betriebsvereinbarung diesen oder jenen Inhalt zu geben. Deshalb sind wir der Auffassung, daß die Frage, ob und wann eine bestehende Betriebsvereinbarung von den Arbeitgebern oder den Betriebsräten gekündigt wird, Sache der Beteiligten ist und daß es gar keinen Grund dafür gibt, daß der Gesetzgeber auch hier von Kündigungsfristen spricht, auch hier quasi eine Anordnung, einen indirekten Befehl oder einen Hinweis - ganz gleich, wie Sie es nennen wollen - erläßt: Kündigt die Betriebsvereinbarung! Ihr habt die Möglichkeit, sie mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schluß des Kalendervierteljahrs loszuwerden! Das liegt nicht im Interesse des Betriebsfriedens. Das liegt nicht in dem gemeinsamen Interesse, von dem der Kollege Vogel vorhin zu einem anderen Paragraphen gesprochen hat, sondern das zeugt typisch von dem Mißtrauen und von der Absicht der Mehrheit dieses Hauses, Verschlechterungen auf dem Gebiet des Betriebsverfassungsrechts auch hinsichtlich der Betriebsvereinbarung herbeizuführen oder zu ermöglichen.
({1})
Herr Abgeordneter Agatz wünscht das Wort. Bitte!
Meine Damen und Herren! Über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion hinaus stellt die kommunistische Fraktion den Antrag:
Der § 90 erhält folgende neue Fassung:
Die Betriebsrätegesetze der Länder und Betriebsvereinbarungen bleiben in Kraft. ({0})
Darf ich Sie einmal unterbrechen, Herr Abgeordneter Agatz. Ich frage: Sind noch Abgeordnete vorhanden, die in der namentlichen Abstimmung zu § 88 ihre Stimme abzugeben wünschen? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung.
Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Hier ist ein Betriebsverfassungsgesetz vorgelegt worden, das gestern schon mit vollem Recht als „Gesetz zur Verhinderung der Mitbestimmung" bezeichnet worden ist.
({0})
Es gibt bereits eine fünfjährige Betriebsrätegraxis.
({1})
Diese Betriebsrätepraxis und alle ihre Lehren sind hier völlig unberücksichtigt geblieben. Es wird hier ein Gesetz gemacht, das die Betriebsräte praktisch entmachtet, das die Betriebsräte, die bisher Organe zur Vertretung der Interessen der Belegschaften waren, zu Organen der Betriebe, d. h. also zu Organen der Unternehmer macht. An der alten Betriebsrätepraxis, Kollege Sabel, haben auch die christlichen Gewerkschaftskollegen mitgewirkt!
({2})
Ich hätte erleben mögen, ob jemand von Ihnen nach 1945, als die Ländergesetze geschaffen wurden und als die Betriebsvereinbarungen abgeschlossen wurden, den Mut gehabt hätte, das zu bean({3})
tragen, was hier von Ihnen jetzt durchgesetzt werden soll.
({4})
Sie haben damals mit uns auf der gleichen Linie
gelegen, daß die Betriebsräte Organe ihrer Belegschaften zu sein haben. Ihre Kollegen haben mit
uns gemeinsam Betriebsvereinbarungen, die den
Betriebsräten volle Rechte gaben, abgeschlossen.
({5})
Und nun wollen Sie das alles beseitigen. Sie wollen vor allem auch die Ländergesetze beseitigen. Sicherlich sind die Ländergesetze nicht in jedem Fall so, wie sie die Arbeiter gefordert haben; aber sie enthalten doch eine ganze Fülle von Regelungen, die durchaus den Forderungen der Arbeiter entsprachen.
Da ist z. B. das Mitbestimmungsrecht im Betriebsrätegesetz in Hessen. Nun, wir wissen, daß das Betriebsrätegesetz in Hessen lange Zeit von den Amerikanern suspendiert war. Das hatte seinen Grund. Wir wissen, daß den Amerikanern nicht an einer fortschrittlichen Entwicklung des Betriebsräte- und Arbeiterrechts in Westdeutschland gelegen war. Wir können uns vorstellen, daß die Herren Amerikaner und Herr McCloy mit großem Wohlgefallen Ihren jetzigen Gesetzentwurf beurteilen. In den Ländergesetzen aber gab es Bestimmungen, die den Betriebsrat in den Stand setzten, in allen Fragen, die die Rechte der Arbeiter betrafen, ein entscheidendes Wort mitzureden. Es gab Bestimmungen, daß keiner ohne die Zustimmung des Betriebsrats eingestellt wurde, und es gibt Betriebsvereinbarungen aus jener Zeit, die heute noch ganz eindeutig diesen Inhalt haben.
Es gab in den Ländergesetzen auch keine Gruppenwahl. Nach 1945 dachten auch die christlichen
Kollegen nicht daran, die Arbeitnehmer aufzuspalten in Angestellte und Arbeiter, sondern sie haben eindeutig in den Ländern mitgezogen, daß Arbeiter und Angestellte zusammengehören, daß sie gemeinsame Interessen haben, in einer Gewerkschaft vereinigt sein müssen und durch ihre gesamte Kraft dafür zu sorgen haben, daß eine Welt entsteht, die ihren Vorstellungen entspricht, die fortschrittlich sein muß, eine Welt, die demokratisch sein muß, und nicht eine Welt, in der wieder der Monopolkapitalismus regiert.
({6})
In den Ländergesetzen waren auch die öffentlichen Betriebe nicht herausgenommen, auch nicht im alten Betriebsrätegesetz. Was wollen Sie mit dem Personalvertretungsgesetz? Sie wollen die Beamten, die Angestellten hindern, daß sie zusammen mit ihrer Gewerkschaft ihre ureigensten sozialen und politischen Interessen vertreten. Sie wollen den treuen Beamten, wie Sie ihn verstehen, den Beamten, der nach unten tritt und nach oben buckelt. Das wollen Sie!
({7})
Wir wollen aber, daß die Beamten mit ihren Klassegenossen - ich möchte es hier aussprechen - ({8})
in einer Front ihre eigenen Interessen vertreten. Wir wollen, daß die Beamten
({9})
mit den Arbeitern in Einheitsgewerkschaften zusammen ihre Interessen vertreten. Das war in den
Ländergesetzen noch weitgehend erhalten. Sie wollen es jetzt beseitigen.
Angesichts der Tatsache, daß Sie in diesem Gesetz alle Rechte, die sich die Arbeitnehmerschaft erworben hat und die in vielen Betriebsvereinbarungen noch ihren Niederschlag gefunden haben, nun beseitigen wollen, können wir nur fordern, daß die bestehenden Ländergesetze und die Betriebsvereinbarungen aufrecht erhalten werden. Darum haben wir diesen Antrag gestellt.
({10})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich kehre zunächst zurück zu § 88. Die namentliche Abstimmung über § 88 hat folgendes vorläufige Ergebnis*) gehabt: Für den Anderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 617 Ziffer 53 haben gestimmt 132 Abgeordnete und 7 Berliner Abgeordnete; dagegen 211 Abgeordnete und 7 Berliner Abgeordnete. Ein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Insgesamt haben sich 358 Abgeordnete an der Abstimmung beteiligt. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 88 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 88 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. § 88 ist angenommen.
Wir gehen wieder über zu § 90. Der Abgeordnete Richter hat für die SPD den Antrag Umdruck 617 Ziffer 55 begründet, den § 90 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Der Abgeordnete Agatz hat eine Neufassung des § 90 beantragt. Er hat sie eben vorgetragen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Antrag gegen die Antragsteller abgelehnt worden.
Ich komme zur Abstimmung über § 90 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 90 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - § 90 ist angenommen.
Ich rufe auf die §§ 91, 92, Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen! Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 91, 92, Einleitung und Überschrift, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit. Die §§ 91, 92, Einleitung und Überschrift, sind angenommen.
Es liegt ein Antrag vor, der sich aus der einleitenden Erörterung über den Bericht bezüglich des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Wirtschaft ergeben hat. Herr Abgeordneter Sabel hat auf Umdruck Nr. 618 beantragt, Teil I dieses Gesetzentwurfs für erledigt zu erklären. Ich bin der Auffassung, daß dieser Antrag in die dritte Beratung des Gesetzes hineingehört und darf ihn bis zur dritten Beratung zurückstellen.
({0})
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10156, 4. Abstimmung.
({1})
- Wir sind darüber derselben Auffassung. Damit ist die zweite Beratung beendet.
({2})
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat sich darum bemüht, ein Einverständnis über den Zeitpunkt der dritten Beratung herbeizuführen. Das Einverständnis ist nicht erzielt worden. Herr Abgeordneter Krone, wünschen Sie, dazu einen Antrag zu stellen? Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe bereits gestern darauf hingewiesen, daß seitens der Koalition der Wunsch besteht, diese Gesetzesmaterie auch noch in der dritten Lesung zu beenden.
({0})
Wir bedauern selber, daß es nicht möglich gewesen ist, das morgen zu tun. So war es im Ältestenrat auch vorgesehen. Wir bedauern es um so mehr, als eine Reihe von Dispositionen vorliegen, sowohl privat - darauf kommt es aber nicht an - als auch von den Organisationen der SPD, aber auch der CDU/CSU, daß also diese Dispositionen nicht eingehalten werden können.
Ich beantrage, die dritte Lesung am Samstag um 9 Uhr zu beginnen.
({1})
Zunächst hat Herr Abgeordneter Mellies das Wort.
Meine Damen und Herren! Bereits bei der Festsetzung der Tagesordnung für diese Woche habe ich im Ältestenrat darauf hingewiesen, daß es zweckmäßig sei, dieses Gesetz nicht mehr auf die Tagesordnung zu setzen, weil es zeitlich nicht möglich sein würde, es angesichts der sonst so belasteten Tagesordnung zu verabschieden. Heute morgen und auch heute mittag habe ich im Ältestenrat darauf hinweisen müssen, daß die Sozialdemokratische Partei für Sonnabend eine Tagung ihrer zentralen Körperschaften, des Parteivorstandes und des Parteiausschusses, angesetzt hat. Diese Sitzung ist bereits seit vielen Wochen festgelegt. Es ist bisher ungeschriebenes Gesetz in diesem Hause gewesen, daß auf solche Tagungen der zentralen Körperschaften der Parteien Rücksicht genommen wurde.
({0})
Es hat bisher keinen einzigen Fall gegeben, in dem von dieser Übung bzw. von diesem ungeschriebenen Gesetz abgewichen wurde.
({1}) Wenn Sie diese Bemerkungen, die wir im Ältestenrat gemacht haben, nicht beachtet haben, dann gehen Sie damit nur weiter auf dem Weg, den Sie gestern beschritten haben.
({2})
Meine Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, daß diese Debatte über die Tagesordnung ohne Erregung und Zwischenrufe durchgeführt wird. Es fördert ja nichts, wenn Sie dazwischenrufen!
Sie haben gestern den Anfang damit gemacht, sich über getroffene Vereinbarungen einfach hinwegzusetzen, ohne daß die Opposition auch nur mit einem Wort unterrichtet wurde.
({0})
Sie haben wahrscheinlich selbst heute morgen festgestellt, daß Sie damit einen ziemlichen Scherbenhaufen angerichtet haben. Denn in welche Situation Sie sich selbst gestern hineingesteuert haben und in welche Atmosphäre Sie gekommen sind, beweist wohl am besten die Tatsache, daß ein Vertreter der größten Regierungspartei den nach hier beorderten Vertreter des Hohen französischen Kommissars angerempelt hat; offenbar weil er nicht ein so freundliches Gesicht zu den Absichten der Regierungsparteien gemacht hat, wie dieser Vertreter der Regierungspartei es für notwendig hielt.
({1})
Sie müssen sich darüber klar sein, daß Sie, wenn Sie jetzt dieses ungeschriebene Gesetz des Hauses verlassen und darauf bestehen, daß am Sonnabend die Sitzung angesetzt wird, damit das Gegenteil von dem tun, was Sie draußen immer wieder sagen. Denn Sie betonen draußen stets, daß es notwendig sei, im Parlament in gewissen grundlegenden Fragen eine Gemeinsamkeit zu haben.
({2})
Meine Damen und Herren! Wenn man von den Vereinbarungen, die getroffen sind, ohne jede Ankündigung abgeht und wenn man sich über bisher ungeschriebene Gesetze des Parlaments hinwegsetzt, dann verläßt man damit grundsätzlich den Boden der Gemeinsamkeit. Sie werden noch feststellen, daß der Scherbenhaufen, den Sie damit angerichtet haben, in seinen Auswirkungen für die Regierungsparteien und die Regierung viel unbequemer sein wird als für uns.
({3})
Herr Abgeordneter Paul hat sich gemeldet.
Meine Damen und Herren! Entgegen dem Willen der Arbeiterschaft und der Gewerkschaften haben Sie hier die zweite Lesung dieses Gesetzes durchgepeitscht.
({0})
Jetzt wollen Sie neue Tatsachen schaffen, indem Sie verlangen, daß entgegen den Gepflogenheiten und Vereinbarungen am Samstag oder schon morgen die dritte Lesung dieses reaktionären Betriebsverfassungsgesetzes stattfinden soll. Der Kollege von der Sozialdemokratischen Partei hat bereits auf den Zustand, der hier entstanden ist, und auf Ihr Vorgehen hingewiesen. Ich möchte den sozialdemokratischen Kollegen sagen, daß der hier herbeigeführte Zustand ein Ergebnis der Politik des Herrn Fette ist. - ({1})
Herr Abgeordneter Paul, ich muß Sie unterbrechen. Sie haben nicht die Aufgabe, die Politik des Herrn Fette zu behandeln, sondern Sie haben zu sprechen über den Antrag, diesen Punkt auf die Tagesordnung zu setzen.
Ich sage hier mit aller Deutlichkeit: Sie würden durch die Behandlung dieses reaktionären Gesetzes in dritter Lesung, wenn Sie so beschließen würden, der Arbeiterschart mit aller Deutlichkeit zeigen, daß man mit den Me({0})
thoden. wie sie vom Gewerkschaftsvorstand bisher praktiziert wurden, nicht mit Ihnen und mit der Adenauer-Regierung weiterkommt.
Ich wende mich von dieser Stelle aus an die Arbeiterschaft und die Gewerkschaftler.
Herr Abgeordneter Paul, ich rufe Sie zum zweitenmal zur Sache. Sie haben zu dem Punkt der Tagesordnung zu sprechen.
Ich sage Ihnen: Die Arbeiterschaft wird Ihr Verhalten zur Kenntnis nehmen. Sie wird gebührend antworten durch eine Verstärkung des Kampfes gegen das reaktionäre Gesetz und für den Sturz der Adenauer-Regierung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Kollege Mellies! Ich muß zu einem Wort Stellung nehmen, das Sie gebraucht haben, als ob getroffene Vereinbarungen nicht gehalten würden. Im Altestenrat war vorgesehen, die dritte Lesung dieses Gesetzes morgen abzuhalten.
({0}) Das ist nicht eingehalten worden, nicht durch unsere Schuld.
({1})
Ich habe mein Bedauern darüber ausgesprochen, daß wir uns gezwungen sehen, die Tagung für Samstag zu beantragen. Auch wir hatten eine größere Tagung vorgesehen, die wir leider absagen müssen. Im übrigen sind wir gern bereit, Ihrem Wunsche Rechnung zu tragen, wenn Sie wollen, daß die dritte Lesung morgen stattfinden soll.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu unserem Bedauern - insofern trage ich etwas zu dem Bericht über den Ältestenrat nach - hat Herr Mellies heute mittag im Ältestenrat die angebotene Vereinbarung, morgen die dritte Lesung abzuhalten, bereits abgelehnt.
({0})
Auch wir waren in der vorigen Woche, als wir das Programm für die zweite und die dritte Lesung machten, der Auffassung, daß die Sozialdemokratie zu ihrem Teil dazu beitragen würde, in den drei Sitzungstagen die zweite und dritte Lesung zu ermöglichen,
({1})
- Nein, das haben wir nicht geglaubt, daß Sie ja sagen würden; wir stehen hier fest auf dem Erdboden. Ich darf Ihnen aber folgendes sagen, Herr Mellies! Wenn Sie nun die „grundlegenden Fragen, über die dieses Parlament bisher einer Meinung gewesen" ist, angezogen haben und meinen, wir hätten einen Scherbenhaufen aufgerichtet, dann frage ich Sie: Wie wollen Sie den Mißbrauch, den Sie zu unserem großen Kummer mit dem Institut der namentlichen Abstimmung gestern und heute getrieben haben, vertreten?
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Es ist sehr freundlich von Herrn Dr. Krone und Herrn Dr. Wellhausen, nach den Vorgängen des gestrigen Tages noch von dem Angebot zu reden, das sie uns bezüglich der dritten Lesung am morgigen Tage gemacht haben. Im übrigen kann ich nur noch einmal darauf hinweisen, daß ich im Altestenrat bei der Festsetzung der Tagesordnung für diese Woche betont habe, daß man aus zwei Gründen - erstens, weil die Tagesordnung sowieso schon sehr belastet sei, und zweitens, weil offenbar die Verhandlungen noch nicht völlig abgeschlossen seien - diesen Punkt nicht auf die Tagesordnung nehmen solle.
({0})
- Ach, Frau Kalinke, ich liebe es nicht, Belehrungen zu erteilen, die völlig überflüssig sind. Solche Zurufe sollten Sie lieber unterlassen.
({1})
Herr Kollege Wellhausen, wenn Sie von dem Mißbrauch der namentlichen Abstimmung gesprochen haben, so darf ich doch zunächst darauf hinweisen, daß auch aus Ihren Reihen heraus gestern einige Male Mißbrauch - wenn Sie es so auffassen wollen - getrieben worden ist, nämlich dann, wenn Sie Wert darauf gelegt haben, daß das Haus beschlußfähig blieb; dann haben Sie, ohne daß es in der Sache begründet war, von sich aus namentliche Abstimmung beantragt.
({2})
Im übrigen meine Damen und Herren haben uns diese namentlichen Abstimmungen nicht allzu sehr aufgehalten. Sofort nach der Stimmabgabe sind wir in den Verhandlungen fortgefahren, und die Auszählung hat während der Verhandlungen stattgefunden. Aber Ihr Mißbehagen liegt ja auf einem ganz anderen Gebiet, und wenn Sie in Ihren Reihen gestern schon erwogen haben, die Geschäftsordnung zu ändern und die namentliche Abstimmung abzuschaffen,
({3})
dann ist das nur wieder ein Beweis dafür, daß diese Mehrheit des Hauses die Geschäftsordnung zurechtmacht und zurechtbiegt, wie es gerade in ihrem Interesse liegt.
({4})
Meine Damen und Herren, diese Debatte ist geschlossen. Es ist der Antrag gestellt worden, die dritte Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes - darf ich die Frage stellen: und die erste Beratung des Personalvertretungsgesetzes? ({0})
- ist das Ihre Überzeugung? Ich bitte, darüber zu entscheiden, weil die beiden Punkte auf der Tagesordnung zusammengefaßt waren.
({1})
- Meine Damen und Herren, ich bitte um einen klaren Antrag. Wir müssen beschließen, was behandelt werden soll.
({2})
({3})
- Es wird der Antrag gestellt, auch das Personalvertretungsgesetz in erster Beratung mit dem Betriebsverfassungsgesetz - -({4})
- Meine Damen und Herren, ich habe nicht die Möglichkeit, Ihre Anträge zu kommentieren. Ich bitte also, freundlichst die Anträge zu stellen, wie Sie sie für notwendig halten.
Herr Abgeordneter Wellhausen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle den Antrag, auf die Tagesordnung der Sitzung vom Samstag nur die dritte Lesung des Betriebsverfassungsgesetzes zu setzen und die erste Lesung des Personalvertretungsgesetzes in völliger Ruhe morgen vorzunehmen.
({0})
Das steht schon auf der Tagesordnung von Freitag.. Also bleibt es bei dem Antrag, am Sonnabend um 9 Uhr lediglich die dritte Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes vorzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Festsetzung dieser Sitzung mit dieser Tagesordnung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die 'Gegenprobe. -- Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung ist dieser Antrag mit Mehrheit angenommen. Es wird also diese Sitzung mit dieser Tagesordnung einberufen.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zu Punkt 6 der für Mittwoch gedruckten Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Ersten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 einschließlich Ergänzungsvorlage ({0});
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({1}) ({2}) in Verbindung mit der
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({3}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Bau einer Jugendherberge ({4});
dazu Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses ({5}).
Ich darf auf folgendes hinweisen - ich wäre dankbar, meine Damen und Herren, wenn Sie das in Ruhe anhören würden -: In den Mündlichen Berichten des Haushaltsausschusses zum Nachtragshaushalt 1951 sind einige Druckfehler in der Regierungsvorlage nicht richtiggestellt worden. Die Druckfehler 'und sonstigen redaktionellen Änderungen werden bei der Drucklegung berücksichtigt werden.
Wir kommen zunächst zur zweiten Beratung. Für die dritte Beratung schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. Berichterstatter ist insgesamt Herr Abgeordneter Schoettle. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen. Oder wünschen Sie, keinen Bericht zu erstatten?
({6})
- Bitte schön!
Schoettle ({7}), Berichterrstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, zum Punkt 6 der Tagesordnung den Bericht des Haushaltsausschusses über das Haushaltsgesetz zu erstatten.
({8})
Die Vorlage hat im Ausschuß insofern Veränderungen erfahren, als die Ergebnisse der Beratung der Ergänzungsvorlage der Bundesregierung in die ursprüngliche Vorlage eines Gesetzes über die Feststellung eines Ersten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan 1951 hineingearbeitet werden mußten.
({9})
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe und Aufmerksamkeit für den Herrn Berichterstatter.
Schoettle ({0}), Berichterstatter: Die Ziffern, die Sie unter der Überschrift „Beschlüsse des 10. Ausschusses" vorfinden, sind insofern von den Ziffern des Entwurfs verschieden, als eben tatsächlich die Erhöhungen, die die Ergänzungsvorlage brachte, noch hinzukommen. Genau so sind auch die Veränderungen der Termine oder die Ausfüllung der Lücken im ursprünglichen Regierungsentwurf lediglich das Ergebnis der inzwischen fortgeschrittenen Zeit und der Beschlüsse, die in der Zwischenzeit gefaßt worden sind. Das gilt für alle Paragraphen.
Eine Änderung hat die Vorlage der Regierung auch insofern erfahren, als nach dem Eingang der Ergänzungsvorlage der § 2 a eingefügt werden mußte, der besagt, daß der § 3 des Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 vom 7. Dezember 1951 mit Wirkung vom 1. April 1951 aufgehoben wird. Dieser Beschluß war notwendig, weil die Frage, die in diesem § 3 des Haushaltsgesetzes 1951 geregelt war, in der Zwischenzeit durch den Erlaß des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vom 6. Dezember 1951 gegenstandslos geworden ist. Das Haushaltsgesetz hat dann weiter in seinem § 3 noch eine Erhöhung des Anleiheplafonds erfahren, eine geringfügige Erhöhung, die sich ebenfalls aus der 'Ergänzung der Regierungsvorlage über den 1. Nachtrag ergibt.
Sonst ist zum Haushaltsgesetz nichts Besonderes hinzuzufügen. Nach der Tagesordnung der gestrigen Sitzung bin ich beauftragt, gleichzeitig über einen Antrag zu berichten, der dem Haushaltsausschuß überwiesen war und über den wir Beschluß gefaßt haben. Es handelt sich um den Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Drucksache Nr. 3031 betreffend den Bau einer Jugendherberge in Bonn. Dieser Antrag fordert, daß in dem Haushaltsplan des Bundestages für 1952/53 die Mittel für den Bau einer Jugendherberge in Bonn bereitzustellen seien'. Die Jugendherberge solle nach Fertigstellung dem Jugendherbergsverband übereignet werden. Der Haushaltsausschuß ist nach ernsthaften Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, dem Hause vorzuschlagen, in dem Nachtrag zum Haushaltsplan des Deutschen Bundestages für 1952/53 Mittel in Höhe von 800 000 DM für den Bau einer Jugendherberge in Bonn einzustellen.
Ich möchte dazu einige Bemerkungen machen, die zwar im Sinne der Beratungen des Haushaltsausschusses liegen, die aber doch etwas aus dem Rahmen fallen, weil sie eine Aufforderung an Be({1})
hörden und Instanzen enthalten, die außerhalb der Zuständigkeit des Bundestages liegen.
Meine Damen und Herren, wenn wir die Entwicklung des Interesses der Bevölkerung der Bundesrepublik an den parlamentarischen Einrichtungen in Bonn seit 1949 aufmerksam verfolgen, dann können wir feststellen, daß sich der Strom der Menschen in das Bundeshaus so vergrößert hat, daß man daraus ein wachsendes Interesse nicht nur an diesem Hause, an seinen Äußerlichkeiten, sondern auch an der Entwicklung unserer parlamentarischen Institution selber ablesen kann. Die Zeiten sind vorbei, in denen sich das Interesse darauf beschränkte, daß große Reisegesellschaften auf Dampfern den Rhein entlangfuhren und hier vor dem Hause den bekannten Faschingsschlager anstimmten. Insbesondere ist die Zahl der jugendlichen Besucher immer größer geworden, und die Notwendigkeit, für diese Menschen in Bonn nicht nur etwas zum Schauen, sondern auch Gelegenheiten zum Übernachten zu schaffen, ist gewachsen. Die Möglichkeiten der Unterbringung dieser jungen Menschen im Raume von Bonn sind ungenügend. Deshalb ist die Idee aufgetaucht, daß vom Bundestag, vom Parlament selber eine Tat gesetzt werden solle, die auf der einen Seite sehr praktische Bedeutung hat und die auf der andern Seite als ein Symbol für die wachsende Anteilnahme auch der jungen Generation an der parlamentarischen Demokratie gelten mag. Diesem Gedanken gab der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Ausdruck.
Nachdem die verschiedenen Fachausschüsse des Hauses gehört worden waren, nachdem sich auch der Herr Präsident selber um diese Frage bemüht hatte, ist im Haushaltsausschuß einstimmig be) schlossen worden, dem Hause den Vorschlag zu machen, 800 000 DM für den Bau einer Jugend= herberge in den Haushaltsplan des Deutschen Bundestags einzusetzen, nicht in den Einzelplan eines Ressorts, sondern in den Haushalt des Bundestags, weil das Parlament selber der Ausgangspunkt einer solchen Aktion sein sollte.
Man hat uns gesagt, dadurch werde der Einzelplan des Bundestags ungünstig beeinflußt. Der Haushaltsausschuß war aber der Meinung, daß eine solche Erhöhung der Ausgabenseite des Haushalts des Bundestags angesichts des Zweckes durchaus zu rechtfertigen sei. Wir haben uns auch überlegt, ob diese 800 000 DM ausreichen, um eine Jugendherberge in Bonn zu schaffen, die wirklich den Zweck in vollem Umfang erfüllt, den wir dabei im Auge hatten. Das Ergebnis dieser Überlegungen war, daß die 800 000 DM, die so schnell wie möglich zur Verfügung gestellt werden sollten, damit noch im Laufe dieses Sommers mit dem Planen und dem Bauen begonnen werden kann, zwar ausreichen, um eine Jugendherberge im Rohbau zu schaffen, daß aber die Ausstattung dieser Jugendherberge noch weit höhere Kosten verursachen wird. Teh habe im Namen des Haushaltsausschusses zu diesem Punkte zu sagen, daß es nach unserer Meinung zwar der Anregung durch das Parlament selber bedarf, eine solche Jugendherberge in Bonn zu schaffen, daß aber die Ausstattung dieser Jugendherberge ein gemeinsames Werk all derer sein sollte, die an der Entwicklung der parlamentarischen Demokratie in der Bundesrepublik interessiert sind.
({2})
Ich möchte im Auftrage des Ausschusses vor allem
an die Länderregierungen und die Länderparlamente appellieren, ihrerseits Mittel bereitzustellen, die zur Ausstattung dieser Jugendherberge notwendig sind. Wir glauben, daß gerade dadurch ein Symbol der Verbundenheit aller Demokraten, aller an der parlamentarischen Demokratie Beteiligten und Interessierten in Bonn geschaffen werden könnte und daß dadurch am besten dem Zweck gedient würde, den diese Jugendherberge hat, nämlich die Jugend an die demokratischen Institutionen heranzuführen.
({3})
Das ist der Antrag, den ich dem Hause im Namen des Haushaltsausschusses unterbreiten möchte. Sie finden ihn in der Drucksache Nr. 3573. Ich darf Sie herzlich bitten, in diesem Sinne zu beschließen.
Gleichzeitig darf ich Sie bitten, durch Ihren Beschluß den Appell zu unterstützen, den wir an die Länderregierungen und an alle anderen demokratischen Institutionen richten möchten, diesen Bau mit auszugestalten, so daß er tatsächlich ein Heim der Jugend im Zentrum der politischen Entscheidungen in der Bundesrepublik sein möge.
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Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Herr Abgeordneter Schoettle, es ist doch geplant, wie üblich zunächst die Einzelpläne zu erledigen - ({0})
- Und dann diesen Antrag, weil er zu einem Haushaltsplan vorgesehen ist.
Ich rufe also zunächst die Einzelpläne auf: Einzelplan I - Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes - ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der durch das Haushaltsgesetz für 1951 beschlossene Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes wird durch den Ersten Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 nur sehr geringfügig verändert. Die Änderung ist in erster Linie auf die Kosten der Beschaffung von Ordenszeichen für das Bundespräsidialamt zurückzuführen.
Der Haushaltsausschuß hat beantragt:
Der Bundestag wolle beschließen,
die Anlage ,Ergänzung zum Nachtrag zum Einzelnlan I - Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamtes für das Rechnungsiahr 1951 - mit den aus der Drucksache Nr. 3521 ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Ich darf Sie bitten, sich diesen Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 3521 zu eigen zu machen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag I des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 3521 zu({0})
zustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenstimmen? - Bei einigen Gegenstimmen ist dieser Einzelplan angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan II Haushalt des Deutschen
Bundestages - ({1}).
Berichterstatter ist an Stelle des verhinderten Abgeordneten Jaffé Abgeordneter Dr. Blank.
Dr. Blank ({2}) ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf auf Grund eines persönlichen Auftrages hier noch einmal den Kollegen Jaffé entschuldigen. Er hat es außerordentlich bedauert, den Bericht zum Einzelplan II nicht persönlich erstatten zu können, nachdem er sich in ganz besonders intensiver Weise mit dieser uns ja alle in gleicher Weise interessierenden Frage des Haushalts des Bundestags selbst befaßt hatte. Dazu war deshalb besonderer Anlaß, weil, wie vielen Mitgliedern dieses Hauses sicher bekanntgeworden ist, über die Frage der zweckmäßigen Organisation unserer ganzen Arbeit und der technischen und personellen Voraussetzungen sehr viel gesprochen worden war und der Haushaltsausschuß ein Gutachten des Bundesrechnungshofes über die zweckmäßige Organisation unseres ganzen Betriebes hier angefordert hatte. Dieses Gutachten ist Anfang des Jahres erschienen und dann im Haushaltsausschuß und in einem eigens dafür gebildeten Unterausschuß Gegenstand eingehender Beratungen gewesen. Diese Beratungen sind in weitem Umfang zusammen mit dem Vorstand des Bundestags und insbesondere mit dem Herrn Präsidenten gepflogen worden.
Es war also, wie ich sagte, Aufgabe des Ausschusses, anläßlich der Beratung der Ergänzung zum Nachtrag 1951 des Haushalts dieses Hauses auch dieses Gutachten des Bundesrechnungshofs in den Kreis der Beratungen einzubeziehen. Da der Bundesrechnungshof eine grundsätzlich von der jetzigen abweichende Organisation für zweckmäßig hielt, war zu entscheiden, ob der jetzigen Organisation der Vorzug zu geben sei oder ob die Vorschläge des Bundesrechnungshofs berücksichtigt werden sollten. Der schon von mir erwähnte Unterausschuß hat sich in drei sehr eingehenden Sitzungen mit den ganzen Fragen befaßt und ist - das darf ich vorwegnehmen - zu dem Ergebnis gekommen, daß eine fundamentale Änderung der ganzen Organisation zweifellos verfrüht sei, besonders auch im Hinblick darauf, daß der Unterausschuß und anschließend auch der Haushaltsausschuß der Meinung waren, daß sich die bisherige Organisation im ganzen durchaus bewährt hat.
({4})
Ferner ist im Haushaltsausschuß wie auch im Unterausschuß zum Ausdruck gekommen, daß bei dem Organisationsaufbau und dem Arbeitsapparat eines Parlaments die Wirtschaftlichkeit im strengen Sinne nicht allein entscheidend sein kann. Die Meinung ging vielmehr dahin, daß der grundsätzliche Unterschied zwischen einer Behörde und einem Parlament von seiten des Bundesrechnungshofs in seinem Gutachten weitgehend verkannt worden sei, daß auch Vergleiche mit Parlamenten anderer Länder in dieser Frage nicht weit führten und daß das Ergebnis solcher schematischen Vergleiche uns auch nicht weiterbringen könne. Es ist daher nach der grundsätzlichen Seite im wesentlichen für die Beibehaltung der gegenwärtigen
Organisation eingetreten worden, allerdings mit der Maßgabe, daß, dem Gutachten folgend, die bisher als Hauptabteilungen bezeichneten Untergliederungen der Verwaltung dieses Hauses als Abteilungen bezeichnet werden und die bisher als Abteilungen bezeichneten kleineren Gliederungen die Bezeichnung Referate erhalten. Ich darf die Damen und Herren darauf verweisen, daß dem Ihnen gestern vorgelegten Material der Organisations-und Stellenplan des Deutschen Bundestags beigefügt ist, aus dem Sie alle Einzelheiten entnehmen können.
Der Bundesrechnungshof hatte z. B. vorgeschlagen, die einzelnen Referate dem Direktor des Bundestags unmittelbar zu unterstellen. Das ist dem Haushaltsausschuß und dem Unterausschuß unzweckmäßig erschienen. Insofern soll es also nach dem Willen des Haushaltsausschusses bei der bisherigen Form bleiben.
Die bisherige Hauptabteilung I, in Zukunft Abteilung I, hat durchgreifende Änderungen nicht zu erfahren brauchen, abgesehen von dem Wunsch, der an den Präsidenten des Hauses gerichtet wurde, die Rechnungs- und Revisionsstelle unmittelbar dem Direktor zu unterstellen und die Presse-und Informationsstelle unmittelbar an die Verwaltung anzugliedern und sie aus der bisherigen Verbindung herauszunehmen.
Dem Unterausschuß und dem Ausschuß ist die bisherige Hauptabteilung II, in Zukunft also Abteilung II, die die Bezeichnung „Parlamentsdienst" trägt, bei weitem als die wichtigste für die Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit dieses Hauses erschienen. Übereinstimmend mit dem Bundesrechnungshof war der Ausschuß der Meinung, daß der Schwerpunkt der Parlamentsarbeit sich aus der Gesetzgebungsfunktion ergibt. Aus diesem Grunde glaubte er auch dieser Abteilung mit den Referaten „Geschäftsführung der Ausschüsse" und ..Stenographischer Dienst" bei der Prüfung der Vorschläge des Bundesrechnungshofs sein ganz besonderes Interesse zuwenden zu sollen. Dabei ist es ganz besonders über die Frage der Ausschußassistenz, über deren Beibehaltung in der jetzigen bewährten Form der Haushaltsausschuß sich einig war, zu sehr ausführlichen Erörterungen gekommen, weil gerade in dieser Frage der Bundesrechnungshof eine weitgehend abweichende Stellung eingenommen hatte.
Ich will es mir im Interesse der Zeitersparnis versagen, Einzelheiten aus diesem Gutachten des Bundesrechnungshofes zu zitieren. Ich darf nur darauf hinweisen, daß der Bundesrechnungshof der Meinung war, es genüge, die Ausschußassistenz, soweit es sich überhaupt um Beamte handeln müsse. mit Beamten im Range von Expedienten, also des gehobenen Dienstes, auszustatten und höhere Beamte hier überhaupt auszusparen. Diese Betrachtung haben sich der Unterausschuß, der Ausschuß und der Vorstand des Bundestages in keiner Weise zu eigen machen können. Die Befürchtung, die der Bundesrechnungshof ausgesprochen hatte, es könnte sich durch die Beschäftigung von höheren Beamten in der Funktion von Ausschlißassistenten ein besonderes Managertum, eine gewisse Nebenregierung der Verwaltung des Bundestages neben den Abgeordneten, insbesondere neben den Herren Ausschußvorsitzenden, entwickeln, ist von sämtlichen Mitgliedern des Bundestages - wie auch mir persönlich scheint, durchaus mit Recht - zurückgewiesen worden. ich darf hinzufügen, daß über diese Befürchtung des Bun({5})
desrechnungshofes eine gewisse Erregung bestanden hat, weil gerade die befragten Herren Ausschußvorsitzenden nicht der Meinung waren, daß sie sich von ihren Assistenten in irgendeiner Weise gängeln ließen. Wir haben also diese Kritik auch in den Berichten, die der Unterausschuß dem Haushaltsausschuß erstattet hat, mit entsprechender Deutlichkeit zurückgewiesen.
Die zukünftige Abteilung III - früher Hauptabteilung III -, der sogenannte Wissenschaftliche Dienst, schien dem Ausschuß auch im gegenwärtigen Zeitpunkt für eine endgültige Formung noch nicht vorgeschritten genug zu sein. Sie wissen, daß unsere Bücherei erst im Aufbau begriffen ist und daß in dieser Beziehung noch vieles zu tun bleibt, so daß gegenüber der bisherigen Form nach der Meinung des Haushaltsausschusses wesentliche Änderungen nicht vorgenommen zu werden brauchen. Wir halten sogar die gegenwärtig vorhandene Form für - den derzeitigen Umständen entsprechend - durchaus zweckmäßig. Der Ausschuß hat dann vorgeschlagen, gerade die Bücherei dem Herrn Präsidenten unmittelbar zu unterstellen. Dem hat der Herr Präsident zugestimmt.
Im Gutachten des Rechnungshofes sind bei der Betrachtung und Begutachtung der einzelnen Verwaltungsstellen Vorschläge gemacht, die hinsichtlich der Besetzung den endgültigen Zustand dieser Referate bzw. der ihnen nachgeordneten Stellen widerspiegeln. Da sich der Aufbau der Parlamentsverwaltung allmählich vollzogen hat, im Jahre 1952 aber zu einem vorläufigen Abschluß kommen wird, hält es der Ausschuß im Hinblick auf die Vergleichbarkeit mit den Vorschlägen des Rechnungshofes für die Stellenbesetzung im Haushaltsplan für richtig, die Vorschläge für Stellen
zu unterbreiten, die in der ursprünglichen Vorlage, wie sie durch das Kabinett genehmigt und durch den Bundesfinanzminister dem Hohen Hause vorgelegt worden ist, noch nicht enthalten sind und erst im Nachtrag zum Haushalt 1952 ausgebracht werden sollen. Da es voraussichtlich noch einige Zeit dauern wird, bis dieser Nachtrag dem Hohen Hause vorliegt, die Stellen sich aber schon jetzt als notwendig erwiesen haben, rechtfertigt sich das Verfahren der Vorwegbehandlung im Wege der Vorwegbewilligung. Ich komme darauf noch zu sprechen.
Die durch die Inbetriebnahme des Erweiterungsbaues des Bundestages bedingte Stellenvermehrung ist - darüber hatten wir uns mit der Verwaltung des Bundestages und dem Herrn Präsidenten geeinigt - in diesen Vorschlägen noch nicht enthalten. Ein entsprechender Nachtrag wird ebenfalls im Nachtragshaushalt 1952 enthalten sein.
Ich darf in diesem Zusammenhange nochmals auf den im Material Ihnen vorliegenden Organisations- und Stellenplan verweisen und als Abschlußziffer bezüglich des beschäftigten Personals nur angeben, daß nach dem neuen Voranschlag 564 Personen dem Bundestag angehören, während es bisher 508 Personen waren.
Nun darf ich Ihnen vielleicht vorschlagen, die Ihnen vorliegende Drucksache Nr. 3522 vorzunehmen. Aus dieser Drucksache ergibt sich die Stellenvermehrung, und zwar treten insgesamt - ich darf das abgekürzt behandeln - 31 Stellen hinzu. Im ganzen sind es, einschließlich der Angestellten, sogar 90 Stellen. Dagegen fallen aber infolge Umwandlung 39 Stellen weg, so daß sich ein Nettozugang von 51 Stellen ergibt. Die Einzelheiten darüber finden Sie in der Drucksache Nr. 3200, Einzelplan II, d. h. also der Ergänzung zum Ersten Nachtrag zum Haushalt des Bundestages. Ich erwähnte schon, daß im Hinblick auf die Notwendigkeit der Fortsetzung der Arbeit einige von diesen Stellen, auch von höheren Beamtenstellen, durch den Haushaltsausschuß vorweg bewilligt worden sind. Ausgespart worden sind bei dieser Gelegenheit die Spitzenstellen der Verwaltung des Bundestages, über die also heute zu beschließen wäre. Das ist geschehen, weil über die Bewilligung dieser Spitzenstellen, für die im Haushaltsausschuß zwar eine Mehrheit, über die aber keine Einigkeit bestand, nicht im Wege der Vorwegbewilligung entschieden werden sollte. Es bleibt dem Hohen Hause vorbehalten, diese Entscheidung heute bzw. in der dritten Lesung zu treffen. Es sollte gerade bezüglich dieser Punkte der Entscheidung des Plenums dieses Hauses nicht vorgegriffen werden.
Ich darf auch darauf hinweisen, daß, wie sich aus Drucksache Nr. 3522 ergibt, zwei Leerstellen, eine Regierungsratsstelle und eine Oberinspektorenstelle, ausgebracht sind. Ich komme in anderem Zusammenhang beim Einzelplan II b auf diese Angelegenheit zurück.
Was die finanzielle Seite insgesamt betrifft, darf ich darauf hinweisen, daß der Gesamthaushalt nach der ursprünglichen Vorlage 15,6 Millionen DM umfaßt und daß diese Ziffer durch die Ergänzung, die Ihnen der Haushaltsausschuß jetzt vorschlägt, eine Vermehrung um 715 200 DM erfährt, so daß insgesamt eine Summe von rund 16,3 Millionen DM entsteht.
Namens des Haushaltsausschusses habe ich Ihnen die Genehmigung gemäß der Drucksache Nr. 3522 vorzuschlagen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die Aussprache ein. Es liegt der Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 609 vor. Herr Abgeordneter Mellies zur Begründung!
Meine Damen und Herren! Jedes Parlament hat die Pflicht, auf sparsamste Verwendung der öffentlichen Gelder zu achten. Diese Aufgabe sollte das Parlament nicht nur tun angesichts der Bevollmächtigung, die es dazu durch die Verfassung und durch das Gesetz erhalten hat, sondern es sollte diese Aufgabe mit einigem Nachdruck erfüllen, und - das möchte ich in diesem Augenblick besonders hinzusetzen - es sollte Wert darauf legen, daß es sie auch mit gutem Gewissen tun kann. Wenn das der Fall sein soll, muß der Grundsatz der Sparsamkeit und der Einfachheit der Verwaltung zunächst im eigenen Hause beachtet und durchgeführt werden. Lassen Sie mich dazu nur zwei Gesichtspunkte herausstellen.
Ich will auf die Versuchung verzichten, den Haushalt des früheren Reichstages heranzuziehen. Wenn er herangezogen werden sollte, müßte ja gleichzeitig der größere Umfang der Aufgaben, den die Verwaltung des Bundestages heute im Vergleich zum früheren Reichstag hat, dargestellt werden. Aber ich möchte doch erstens einmal darauf hinweisen, daß die Verwaltung niemals Selbstzweck ist. Sie hat deshalb in ihrer Organisation und von allen Dingen in ihrer Stellenbewertung nichts mit dem Ansehen der Einrichtung, deren Arbeit sie ermöglichen soll, zu tun. Genau so wenig, wie das Ansehen einer Regierung oder auch eines Ministe({0})
riums von der Größe der Verwaltung des betreffenden Hauses oder der Stellenbewertung abhängt, ist das beim Parlament der Fall. Maßgebend für das Ansehen und die Würde dieser Einrichtungen sind immer nur die geleisteten sachlichen Arbeiten, die im Interesse des Volkes erforderlich sind.
Zweitens möchte ich betonen, daß natürlich die Verwaltung eines Parlaments immer in einer gewissen Gefahr schwebt. Man vergleicht sich in diesen Verwaltungen gern mit den Ministerien. Der einzig richtige Vergleich wäre aber in solchen Fällen der mit der Verwaltung des Ministeriums selbst, d. h. der Verwaltung im Hause des Ministeriums. Wenn ich diese Tatsache einer solchen Gefahr oder Versuchung feststelle, so soll das kein Vorwurf gegenüber der Verwaltung sein. Diese Krankheit - wenn ich so sagen darf -, sich mit den Ministerien zu vergleichen, soll übrigens nicht nur bei der Verwaltung des Bundestags vorhanden sein; die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuß wissen, wie oft wir uns darüber unterhalten mußten, in welchem Umfange nun Ministerialzulage gewährt werden sollte oder nicht. Aber es ist menschlich verständlich, daß in einem solchen Falle der Vergleich gezogen wird, weil mit einer höheren Stellenbewertung selbstverständlich auch ein entsprechender finanzieller Vorteil verbunden wäre.
Der Herr Berichterstatter hat auf das Gutachten, das der Bundesrechnungshof über die Verwaltung des Bundestags erstattet hat, hingewiesen. Dazu möchte ich sagen, daß dieses Gutachten meines Erachtens besser ist als sein Ruf. Gewiß, es hat an der Verwaltung des Bundestags in einem ziemlichen Umfange Kritik geübt, aber ich möchte nicht so weit gehen, wie der Herr Berichterstatter, der ausgeführt hat, daß in diesem Gutachten die Arbeit des Parlaments doch weitgehend verkannt worden sei. Gewiß, meine Damen und Herren, die Bemerkungen über den Stenographischen Dienst und auch die Bemerkungen über die Ausschußassistenten zeigen, daß man beim Rechnungshof nicht voll erkannt hat, welche Bedeutung diese Einrichtungen für das Haus haben.
({1})
Aber wir haben ja immer den Standpunkt vertreten und vielleicht darf ich für mich in Anspruch nehmen, daß ich der erste war, der das in Frankfurt im Wirtschaftsrat einmal ausgesprochen hat -, daß solche Gutachten für das Parlament keineswegs bindend und keineswegs eine unantastbare Angelegenheit seien. Was aber die Bemerkungen über die Verwaltung des Bundestags angeht, so sollten wir uns doch meines Erachtens diese Dinge sehr genau ansehen und noch einmal prüfen, wie weit sie beachtet und beherzigt werden sollten.
Unser Antrag, der Ihnen auf Umdruck Nr. 609 vorliegt, geht dahin, eine solche einfache Verwaltung zu gewährleisten.
Nun taucht eine Schwierigkeit auf: Wir können in der verhältnismäßig kleinen Verwaltung - Sie werden vielleicht etwas erschrecken, wenn ich angesichts ihres Umfanges von einer kleinen Verwaltung rede; aber angesichts der Aufrückungsmöglichkeit ist es tatsächlich eine kleine Verwaltung - den Beamten und Angestellten natürlich nicht jene Möglichkeiten bieten, auf die sie vielleicht einen Anspruch haben; aber es wird Aufgabe der verantwortlichen Stellen sein, hier entsprechende Auswege zu suchen. Ich glaube, wir sollten uns endlich einmal von der Auffassung freimachen, daß man in der Verwaltung, in der man nun einmal angefangen hat, auch seine Dienstjahre beenden müsse. Ein Austausch zwischen den Parlamenten und den Ministerien würde meines Erachtens dafür Sorge tragen, daß an vielen Stellen etwas frische Luft in die Verwaltung käme. Der Bundesrechnungshof steht - und ich glaube mit Recht - auf dem Standpunkt, daß jede Verwaltung mindestens alle fünf Jahre einmal überprüft werden müsse, weil sich sonst ein gewisser Leerlauf entwickelt, eine gewisse Beharrlichkeit eintritt und die Verwaltung nicht mehr rationell wirtschaftet. Man kann meines Erachtens auch den entsprechenden Erfolg haben, wenn man dafür sorgt, daß zwischen den einzelnen Dienststellen ein gewisser Austausch stattfindet.
In den ersten Vorschlägen, die uns vorlagen, war vorgesehen, daß der Direktor beim Bundestag nach der Besoldungsgruppe B 4 eingruppiert werden sollte. Es waren auch - wie der Herr Berichterstatter schon vorgetragen hat - eine Reihe von Hauptabteilungen vorgesehen. Ein solcher Aufbau würde aber den Vergleich mit einem Ministerium deshalb nicht aushalten, weil er über den Aufbau der Verwaltungsabteilung eines Ministeriums ganz erheblich hinausgeht.
({2})
Wir sollten uns bei der Bewilligung dieses Haushaltsplans immer darüber klar sein, daß wir uns nicht der Möglichkeit berauben sollten, bei den Haushaltsberatungen mit allem Nachdruck von allen Ministerien und Verwaltungen die größte Sparsamkeit zu fordern. Ich bitte die Mitglieder des Hauses, sich bei der Entscheidung über unseren Antrag besonders dieser Verantwortung bewußt zu sein. Ich glaube, die Sache ist so wichtig und von so ausschlaggebender Bedeutung, daß wir in diesem Falle namentliche Abstimmung vornehmen sollten. Ich stelle für die sozialdemokratische Fraktion einen entsprechenden Antrag.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ehlers.
Meine Damen und Herren! Ich fühle mich verpflichtet, im Rahmen der Beratung dieses Einzelplans etwas zu sagen, insbesondere zu dem, was Herr Abgeordneter Mellies vorgetragen hat, und auch etwas zu sagen im Interesse einer gewissen Verteidigung der Verwaltung und der Personen, die in dieser Verwaltung tätig sind. Ich kann das um so leichter tun, als der Vorschlag des Haushaltsplans ja nicht von mir persönlich stammt, sondern vom Vorstand des Bundestags entsprechend der Geschäftsordnung beschlossen worden ist, und zweitens, weil ich die Organisationsform dieses Hauses bereits vorgefunden habe, ich also damit auch nicht eine eigene Erfindung verteidige.
Mit Herrn Abgeordneten Mellies bin ich völlig einig darin, daß der Bundestag als Parlament in der Verwendung öffentlicher Gelder so sparsam wie nur möglich sein muß und für die übrige Verwaltung ein Vorbild sein muß. Ich muß aber feststellen, daß der Bundestag bisher dieser Aufgabe in ausgezeichneter Weise entsprochen hat. Der Bundestag ist, wenn ich recht sehe, die einzige oberste Bundesbehörde, die es bisher noch nicht zu einem Normalhaushalt gebracht hat, sondern die immer wieder nur den jeweils vorhandenen Stand des Aufbaus in den Haushaltsplänen und Nachträgen zur Darstellung gebracht, aber keinen normal entwickelten Haushalt vorgelegt hat. Der Herr Bun({0})
desfinanzminister weiß, daß wir über diese Frage mehrfache Verhandlungen gehabt haben und daß wir vom Vorstand mit einem gewissen Nachdruck verlangt haben, daß endlich im Nachtrag zu diesem Haushalt, der Ihnen augenblicklich vorliegt, überhaupt erst einmal das für die Arbeit des Bundestags erforderliche Gesamtbild der Verwaltung dieses Hauses dargestellt wird. Das ist geschehen. Ich halte das für nötig.
Weiterhin bin ich der Auffassung, daß es keineswegs vom Bundestag erwartet werden kann, ja daß der Bundestag sich sogar einer Pflichtverletzung schuldig machen würde, wenn er seine Verwaltung unter dem Gesichtspunkt einer Sparsamkeit so aufbaute, daß sie den dieser Verwaltung gestellten Aufgaben nicht gerecht werden könnte.
({1})
Die Verwaltung ist nicht Selbstzweck; die Verwaltung hat die Aufgabe, in allen ihren Teilen ihren
Beamten, Angestellten und Arbeitern die Arbeiten
dieses Hauses zu ermöglichen. Da ich Chef dieser
Verwaltung bin, muß ich an dieser Stelle einmal
aussprechen, daß die Gesamtheit der in diesem
Hause Beschäftigten in einer einsatzvollen Tagund Nachtarbeit dieser Aufgabe, die Arbeit des
Parlaments zu ermöglichen, gerecht geworden ist.
({2})
Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion bezieht sich im wesentlichen auf bestimmte Einstufungen leitender Beamter. Ich möchte der 'Versuchung widerstehen - die Herren Vorredner haben es zu meiner Genugtuung auch getan -, hier eine ausführliche Erörterung über das Gutachten des Bundesrechnungshofs anzustellen. Ich verstehe ein solches Gutachten genau so wie Herr Kollege Mellies, und wir haben uns in den verschiedenen Unterausschüssen und Ausschüssen darüber ja unser Bild gemacht. Daß es allerdings nicht immer das nach meiner Überzeugung notwendige Verständnis für die Funktion eines Parlaments gezeigt hat, möchte ich doch einmal aussprechen.
Das möchte ich an einem vielleicht für Sie etwas billigen Beispiel erläutern. Im Gutachten habe ich mit Genugtuung gelesen, daß ich die Funktionen eines Behördenleiters hätte und mein Vorzimmer entsprechend auszustatten sei.
({3})
Meine Damen und Herren, ich bin nicht ehrgeizig, aber den Präsidenten des deutschen Parlaments nun so etwa auf die Stufe eines Finanzamtsvorstehers zu stellen, scheint mir, bei aller Hochachtung vor Finanzamtsvorstehern, doch etwas zu billig zu sein.
({4})
Ich habe auch niemals die Meinung vertreten, daß die Verwaltung des Bundestags mit Ministerien zu vergleichen sei und die Einstufung von Beamten und die Organisation der Verwaltung des Bundestags ihr Bild und ihre Höhenlage von der Organisation der Ministerien bekommen müsse; wobei ich allerdings hier auch einmal aussprechen möchte, daß ich es begrüßen würde, wenn endlich einmal in der Öffentlichkeit - außerhalb und innerhalb der Verwaltung - die Vorstellung aufhörte, als ob alles wichtig sei, das Parlament und seine Organisation aber höchst überflüssig ist.
({5})
- Herr Kollege Schoettle, Sie werden mir nicht den
Vorwurf machen, daß ich in der Vertretung der
Würde und der Ansprüche des Parlaments in irgendeiner Weise zurückhaltend gewesen wäre.
({6})
- Nein, nein! Ich verstehe völlig. Der Hinweis ist mir sehr wertvoll.
Ich möchte aber zu der Einstufung der Beamten etwas sagen. Von Herrn Kollegen Mellies ist völlig richtig darauf hingewiesen worden, daß man, wie es im Gutachten des, Bundesrechnungshofs übrigens auch geschehen ist, den Deutschen Bundestag von heute mit dem Deutschen Reichstag in seiner Verwaltung und seiner Arbeit nicht vergleichen kann. Das wird insbesondere darin sichtbar, daß wir in der Assistenz und in anderen Bereichen eine Zahl von Beamten des höheren Dienstes haben und haben müssen, an die der Deutsche Reichstag überhaupt nicht gedacht hat. Von dort her ergibt sich selbstverständlich eine ganz andere Form des Aufbaus. Notwendigerweise ergibt sich aber daraus auch das Gesamtbild der Verwaltung und ihrer Beamten. Wenn ich 20 oder 30 höhere Beamte mehr habe, als sie im Reichstag notwendig waren, dann wirkt sich das aus, und dann kann man sich nicht auf den Standpunkt stellen, daß der leitende Beamte dieses Hauses nun so eine Art Bürodirektor sei und mit dem Leiter der Verwaltung oder der Zentralabteilung eines Ministeriums ohne weiteres verglichen werden könnte.
({7})
Die Funktionen gehen weit darüber hinaus. Ich bin weiterhin bereit, dafür zu sorgen, daß das deutlich wird, ohne daß daraus eine Rechtfertigung der Verwaltung aus sich selbst um ihres eigenen Schwergewichts willen wird, sondern es geht auch hier um die Förderung der Arbeit des Parlaments.
Wenn ich gesagt habe. daß ich nicht bereit wäre, die Beamten ohne weiteres mit entsprechenden Stellen im Ministerium zu vergleichen, dann muß ich aber einen Grundsatz herausstellen, den ich zu beachten gedenke. Die Beamten, die in diesem Hause ihre Pflicht tun, sollen nicht den peinlichen Eindruck haben. daß sie in der Einstufung und Beförderung nur darum schlechter gestellt sind, weil sie im Deutschen Bundestag tätig sind.
({8})
Ich habe diesen Eindruck im Vergleich zu manchen anderen Dienststellen - ich habe mir ein sehr umfangreiches und genaues Bild davon verschafft - manchmal gehabt. Ich möchte unsere Beamten nicht besser stellen, ich möchte sie aber auch nicht schlechter stellen als die anderen. Daher haben wir den Vorschlag gemacht, eine Einstufung vorzunehmen, die den Sinn hat. daß in diesem Hause eine bestimmte Arbeitsmöglichkeit auch mit der Möglichkeit des Vorankommens verbunden ist.
Ich bin nicht ganz der Meinung des Herrn Kollegen Mellies. wenn er gesagt hat, es sei notwendig, daß man möglichst oft wechsele, und es sei vielleicht ganz sinnvoll. daß die Beamten von einem Haus zum andern übergehen. Meine Damen und Herren! Wir haben ein außerordentlich geringes Interesse daran, daß gerade die tüchtigsten unserer Beamten hier verschwinden. weil ihnen in anderen Ministerien bessere Fortkommensmöglichkeiten geboten werden.
({9})
Daher habe ich den Vorschlag gemacht - und der
Vorstand ist mir im wesentlichen gefolgt -, daß
wir bei aller Zurückhaltung und bei aller Begren({10})
zung auf die insofern kleine Behörde den Beamten eine Aufrückungsmöglichkeit bieten, die ihnen die Chance gibt, daß sie, wenn sie sich bewähren und etwas Außergewöhnliches leisten, dann die Möglichkeit des Vorankommens auch in diesem Hause haben. Und ich meine, daß das dem Hause und seiner Arbeit zugute kommen wird.
Das ist, glaube ich, das Wesentliche, was ich zu diesem Thema zu sagen habe. Das, was wir Ihnen vorschlagen und was im Nachtrag gefordert wird, was also das Normalbild unserer Verwaltung darstellt, ist ein sparsamer Aufbau, der den Notwendigkeiten des Parlaments gerecht wird. Ich habe nur darauf hinzuweisen, daß wir die Anforderungen, die sich aus der Bewirtschaftung des Neubaus ergeben - das sind ja im wesentlichen TOB-Stellen -, im Haushalt 1952 ausbringen werden, da sie im Haushalt 1951 naturgemäß noch nicht eingesetzt werden konnten.
Ich bitte Sie also im Interesse des Hauses, dem Änderungsantrag der Fraktion der SPD nicht zuzustimmen und dem Antrag des Haushaltsausschusses zu entsprechen.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fink.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es zweckmäßig und sogar notwendig ist, zu dem vorliegenden Einzelplan II etwas zu sagen; nicht nur deshalb, weil es sich um finanzielle Angelegenheiten handelt, sondern weil es eine Sache ist, die uns als Parlament direkt und persönlich angeht, eine Sache, bei der nicht allein materielle und finanzielle Dinge zu beachten sind, sondern Dinge von grundsätzlicher und auch von politischer Natur.
Neben dem Haushaltsausschuß hat sich auch der Vorstand des Bundestages und eine von ihm hierfür eigens bestellte Unterkommission, der je zwei Mitglieder der CDU/CSU und der SPD und je ein Mitglied der FDP, DP und FU angehörten, sehr eingehend mit der Organisation und dem Stellenplan und im Zusammenhang damit auch mit dem schon erwähnten Gutachten des Bundesrechnungshofes zum Haushalt des Bundestags befaßt.
Vorwegnehmend darf ich sagen, daß, von wenigen Ausnahmen abgesehen, diesem Organisations- und Stellenplan sowohl in einer Vorstandssitzung im Oktober des vergangenen Jahres wie auch in verschiedenen Sitzungen im März, April und Mai dieses Jahres fast durchweg durch alle Fraktionen hindurch zugestimmt worden ist und daß bestimmte Kritiken daran und Änderungsvorschläge weitestgehende Ablehnung gefunden haben. Bei einzelnen Stellen stimmte auch der Vorstand Änderungsvorschlägen zu, entschied sich aber in seiner Mehrheit für Beibehaltung der im Haushaltsplan vorgesehenen Regelung und Einstufung. Ausgangspunkt für die Bewertung aller Positionen war dabei lediglich die Bedeutung, die der einzelnen Stelle innerhalb der Verwaltung des Deutschen Bundestags beizumessen ist, und der Umfang ihres Aufgabengebietes.
Auf Grund der Überprüfung durch die Unterkommission des Vorstandes ergab sich in Übereinstimmung mit der Auffassung des Präsidenten und im wesentlichen auch mit der des Haushaltsausschusses und seines Unterausschusses, daß einem Standpunkt, der dahin geht, die derzeitige Verwaltung sei in der Aufgabe der Bundesverwaltung nicht begründet und überschreite das notwendige Maß, in keiner Weise beigetreten werden könne. Zumal entbehrt eine Ablehnung der Gliederung der Verwaltung in drei Hauptabteilungen - das ist bereits erwähnt worden -, wie sie beispielsweise vom Bundesrechnungshof in seinem Gutachten erfolgt ist, jeder Grundlage. Wenn auch nicht an dem Wort bzw. der Bezeichnung „Haupt"abteilung festgehalten zu werden braucht - hierfür kann ohne weiteres auch der Passus „Abteilung" gesetzt werden -, so braucht man sich hierüber nicht in langen Diskussionen zu ergehen. Nach den bis jetzt gemachten Erfahrungen kann aber auf die Stellen der Abteilungsleiter I und II keinesfalls verzichtet werden.
Bezüglich der Einstufung dieser Positionen ist es wohl angebracht, daß sie so eingestuft werden, wie das vom Vorstand in seiner Mehrheit entsprechend beschlossen worden ist. Wenn man den Gesamtfragenkomplex ins Auge faßt, so steht zu erörtern, inwieweit überhaupt der Verwaltungsaufbau des Bundestages in einen Vergleich zu dem eines Ministeriums gesetzt werden kann, wie dies auch in dem Gutachten des Bundesrechnungshofes geschehen ist. Unter Hinweis auf die Tatsache, daß die Bundestagsverwaltung eine oberste Bundesbehörde ist, erhebt sich die Frage nach der Bewertung derselben. Und hier - das muß mit allem Nachdruck und mit einer jeden Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit gesagt werden - würde es der Würde des .Parlaments ins Gesicht schlagen und widerspräche der Aufgabenstellung der Bundestagsverwaltung als Hilfsorgan des Parlaments, wenn dieser nicht einmal der Rang einer Abteilung eines Ministeriums zugestanden würde. Der Präsident des Deutschen Bundestages, der zweite Mann im Staate, ist nicht ein „Behördenleiter"
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wie der irgendeiner anderen Ministerial- oder sonstigen Staatsbehörde. Die Aufgaben des Präsidialbüros stellen sehr wohl ganz andere als, wie es etwa im Gutachten heißt, „üblicherweise in dem Vorzimmer des Leiters einer Behörde anfallende" Arbeiten dar. Wenn man das verkennen würde, so schiene mir das nicht nur abwegig, sondern es wäre sogar eine sehr gefährliche Formulierung!
Hinsichtlich der Position des Direktors des Deutschen Bundestages, dessen Stellung in der Verwaltung der des Präsidenten im Parlament in etwa an die Seite gestellt werden kann, plädierte auch der Unterausschuß des Haushaltsausschusses mit Ausnahme der Vertreter der SPD in einer Kompromißlösung für den Rang eines Ministerialdirigenten, also für Besoldungsgruppe B 7 a. Ich darf dabei vielleicht bemerken, daß es Parlamente demokratischer Länder gibt, in denen diese Stelle, wie sie bei uns vom Direktor des Bundestages eingenommen wird, neben den Botschaftern rangiert oder der Stelleninhaber den Rang eines Staatssekretärs hat. So anspruchsvoll sind wir gar nicht.
Bei dem Bericht über die Prüfung des Haushaltsplans durch die genannte Unterkommission des Vorstandes, wie er nun in der Sitzung am 20. Mai unter Zustimmung der Mitglieder aller Fraktionen vom Abgeordneten Müller [Hessen] erstattet wurde, kam deshalb auch die Kritik an der Kritik eindeutig und offen zum Ausdruck. „Das Ziel der Prüfung war", wie das Sitzungsprotokoll dartut, „festzustellen, ob die vorhandene Organisation der Verwaltung zweckentsprechend und wirtschaftlich aufgebaut sei. Dabei waren die Bedürfnisse des Parlaments Ausgangspunkt, d. h. es war also nicht
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allein die Kostenfrage ausschlaggebend". Das I Resümee des Berichts des Herrn Kollegen Müller [Hessen] gipfelte darin, daß er ausführte, daß sich „der Unterausschuß in der grundsätzlichen Billigung der Richtlinien, die der Präsident in seiner Stellungnahme zu dem Gutachten des Bundesrechnungshofes gegeben hat, einig war". In der Stellungnahme des Bundesrechnungshofes komme in wesentlichen Punkten eine Unterbewertung des Parlaments zum Ausdruck. Daß auch rein arbeitsmäßig die Verwaltung des Bundestages nicht ohne weiteres mit anderen Behörden zu vergleichen ist, sollte eigentlich gar keine Frage sein. Herr Kollege Mellies hat vorhin mit Recht betont, daß die für das Volk geleistete sachliche Arbeit des Parlaments maßgebend sei.
Meine Damen und Herren! Wir als Parlamentarier, als Abgeordnete, könnten diese sachliche Arbeit nicht leisten, wenn wir nicht in der Verwaltung des Parlaments die starke Stütze hätten, die wir brauchen. Was in dieser Verwaltung geleistet und gearbeitet wird, davon macht sich der Mann draußen keinen Begriff. Vielleicht herrscht auch hier im Hause noch nicht die richtige Klarheit. Wenn auch auf den Fragenkomplex nicht in seiner Gesamtheit eingegangen werden kann, so erlauben Sie mir doch - es ist sehr interessant, und ich glaube, es sollte auch draußen gehört werden -, ein paar Einzelheiten als Ausschnitte aus dem zu geben, was hier an Arbeit anfällt. Nur einige ganz kurze Zahlenangaben!
Zu betreuen sind nach dem derzeitigen Stand insgesamt 585 Verwaltungsangehörige. In der Hausdruckerei wurden in der Zeit eines Jahres Abzüge in einer Auflagenhöhe von 2 112 579 Stück mit einer Gesamtzahl von 10 562 899 Seiten hergestellt. Von der Drucksachenabteilung wurden
3 898 000 Drucksachen verteilt.
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Die Arbeit im Tagungsbüro hat sich im vergangenen Jahr etwa um das Dreifache erhöht. Der Postanfall hat einen enormen Umfang angenommen; der Durchschnitt der eingehenden Briefpost beläuft sich auf rund 15 000 Sendungen pro Tag.
Vom Organisationsbüro wurden in der gleichen Berichtszeit 281 290 Einladungen für Ausschußsitzungen und 59 940 Einladungen für Unterausschußsitzungen herausgegeben. Die Anlage des Fernsprechamts umfaßt 100 Amts- und Fernleitungen mit 1 000 Nebenstellen sowie Querverbindungen mit einer Durchschnittszahl von 8 000 Verbindungen täglich.
Ein vollgerütteltes Maß an Arbeit hat die Ausschußassistenz zu leisten, von der schon gesprochen worden ist. Die Zahl der Ausschußsitzungen seit Bestehen des Bundestags bis zum 31. Mai 1952 beträgt 3 173. Die Tätigkeit der Ausschullassistenten ist ohne eingehende Kenntnis der Gesetzesmaterie und ohne Eindringen in sie nicht möglich. Dazu aber ist wissenschaftliches Fachwissen akademisch vorgebildeter Kräfte oder solcher, die auf Grund ihrer Leistungen diesen gleichstehen, erforderlich. Dementsprechend hat jedoch auch die Einstufung zu erfolgen.
Das ist, wie gesagt, nur ein ganz kleiner Ausschnitt aus der immensen Arbeit der Verwaltung des Bundestags. Vielleicht gibt das doch etwas zum Nachdenken Anlaß. Vor allem wir selbst aber, die Mitglieder des Parlaments, müssen hier Einsicht und Anerkennung walten lassen und dürfen es auch an einer bestimmten und durchaus gesunden, notwendigen Selbstachtung nicht fehlen lassen. Meine Damen und Herren, niemand denkt an eine willkürliche Höhergruppierung bestimmter Positionen über den Rahmen dessen hinaus, was diesen Stellen an sich zusteht. Jede Position muß der Kritik standhalten können. Ebensowenig kann aber auch einer Unterbewertung zugestimmt werden.
Man darf dabei, wie ich anfangs schon betont habe - und damit möchte ich meine Ausführungen schließen -, auch die politische Seite dieser Frage nicht übersehen. Wir wissen, daß ohne ein gutes Beamtentum, ohne eine gut funktionierende und integre Ministerialbürokratie, ohne die Exekutive auch der demokratische Staat nur ein Rumpfwesen wäre, dem wichtige und höchst notwendige Glieder fehlen würden. Das Herz eines demokratischen Staates aber, von dem aus sein ganzer Organismus durchblutet wird, ist und bleibt das Parlament, und hier sollten keine Verwischungen in den Kompetenzen eintreten. Wir haben es schon einmal erlebt, daß die Demokratie bei uns Schiffbruch erlitten hat, nicht durch eine plötzlich von heute auf morgen ausgebrochene Revolution, sondern infolge einer Jahre und Jahre dauernden progressiven Zersetzung, die sich nicht nur in oft sehr massiven, offenen antidemokratischen Kampfmethoden gezeigt hat, der vielmehr auch diese und jene latenten Fakten zugerechnet werden müssen, die manchen vielleicht als Imponderabilien erscheinen mochten und dennoch ihr nicht zu verkennendes Gewicht gehabt haben. Zu diesen Fakten gehörte auch die Minderbewertung oder Unterbewertung der parlamentarischen Demokratie und ihres Parlaments selber. Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, deshalb bitten, dem Haushalt des Deutschen Bundestages dementsprechend zuzustimmen und im Zusammenhang damit dem Änderungsatrag der SPD auf Umdruck Nr. Umdruck Nr 609 Ihre Zustimmung nicht zu geben.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht über die Zahlen reden, die uns in dem Haushaltsplan unterbreitet sind, aber über die Dinge, die vielleicht diese Zahlen verursachen. Ich rede für mich persönlich, aber ich glaube, daß ich dem einen oder andern doch aus dem Herzen sprechen werde.
Wir sprechen soviel vom Ansehen des Parlaments. Wir tun gut daran, nicht nur davon zu sprechen, sondern auch entsprechend zu handeln. Ich nehme niemanden von uns aus; ich schließe alle, auch mich, ein. Wir wollen die Repräsentanz des souveränen Volkes sein. Wenn wir das sein und so geachtet sein wollen, dann, meine Damen und Herren, müssen wir uns zu jeder Minute einer jeden Verhandlung so verhalten, daß bei einer Rundfunkübertragung zu jeder Minute das deutsche Volk feststellen kann: in der Tat, sie benehmen sich so. Dazu eine ganz kurze Bemerkung, bitte, nehmen Sie sie nicht übel: Souveräne brüllen z. B. nicht.
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- Ich gebe zu, daß die sehr schlechte Akustik
dieses mehr breiten als tiefen Saales oft dazu verleitet, Zwischenrufe, die recht nützlich und witzig
sein könnten, dann bis zum soundso vielten Male
zu wiederholen, weil man glaubt, in der anderen
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Ecke seien sie nicht gehört worden. Wie wäre es, wenn wir versuchten, diese Zwischenrufe bis zu einem gewissen Grade dadurch einzudämmen, daß wir einen Brauch des amerikanischen Parlaments, den wir auch im Europarat übernommen haben, einführten, daß nämlich der Präsident auf Ersuchen eines Mitglieds des Hauses diesem zu einer Zwischenfrage an den Redner das Wort gibt? Der Zwischenfrager könnte sich wie bei der Fragestunde hierher bemühen, und nun wäre es Sache des Redners, die Zwischenfrage zu beantworten. Ich glaube, wir sparten uns dadurch eine Menge Zwischenrufe, und wir ersparten uns unter Umständen auch eine Ausdehnung der Debatte. Es ist nun jedem überlassen, sei es dem Zwischenfrager, sei es dem, der gerade als Redner das Wort hat, seinen Geist nach allen Richtungen hin auszubreiten.
Ich hatte im vergangenen Herbst einmal ein ausländisches Parlament besichtigt. Als ich mich dahin äußerte. daß die Zahl der Ausschußzimmer so sehr gering sei, wie sie das möglich machten, bekam ich die Gegenfrage: Wieviel Ausschüsse haben Sie denn? Ich antwortete damals aufs Geratewohl: 36 oder 37; das war wohl damals der Stand der Dinge. Da bekam ich die weitere Frage zu hören: Um Gottes willen. haben Sie denn auch 36 Minister? Die Leute dort leben noch in dem naiven Glauben, naiv in Gänsefüßchen, daß zu jedem Ministerium ein Ausschuß und dementsprechend auch zu jedem Ausschuß ein Minister gehören müßte. Das war der Rückschluß also, nichts weiter. Sollten wir nicht einmal den Versuch machen, zu überlegen. ob wir nicht doch die Zahl der Ausschüsse reduzieren können?
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Ich kann mir durchaus folgendes vorstellen - nehmen wir einmal das Fach an, das mich angeht, die Justiz -: es wäre möglich, einen großen Justizausschuß zu schaffen, und dieser Justizausschuß würde ieweils aus seiner Mitte ad hoc für jedes Spezialgesetz Unterausschüsse berufen, wenn z. B. auf dem Gebiete des Patentrechts oder auf dem Gebiete des Arbeitsrechts oder, sagen wir einmal. des Bau-und Bodenrechts die Beratung eines einschlägigen Gesetzes dies notwendig macht. Ich glaube, wir könnten aus unseren Erfahrungen mit den anderen Ausschüssen vielleicht die gleichen Schlüsse ziehen.
Wir müssen uns in einem engeren Kreis auch einmal über die Frage der Untersuchungsausschüsse unterhalten, d. h. über die Kompetenzen, über die Frage, was bei Beweisaufnahmen zu geschehen hat, zu welchem Ergebnis sie zu kommen haben usw. Es wird sich vielleicht aus akutem Anlaß in einigen Wochen des Näheren eine Aussprache darüber entspinnen, aber ich möchte es auch hier schon einmal angeregt haben.
Dann komme ich zu der Frage unserer Plenarsitzungen und zur Frage unserer Arbeitszeit.
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Wir als Parlament haben eine Gesetzesinitiative,
d. h. wir sind in der Lage, von uns ausgearbeitete
Gesetzesvorschläge von uns aus einzubringen. Geschieht das? Ja, das geschieht zuweilen, und ich
mache der Opposition das Kompliment, daß sie
in besonderem Maße davon Gebrauch macht. Ich
erkenne das sehr an. Was ich in diesem Zusammenhang, adressiert an uns alle, einmal anregen
möchte, ist folgendes: Da kommen Anträge,
die dahin lauten: „Die Regierung wird ersucht,
einen Gesetzentwurf" - sagen wir mal - „über das Überhandnehmen der Kartoffelkäfer" - oder was weiß ich sonst - „demnächst einzubringen." Dann werden hier von neun Fraktionen und Gruppen die Kartoffelkäfer neunmal des Wohlwollens der betreffenden Fraktion oder Gruppe versichert oder auch nicht, und dann geht die Geschichte in zwei oder drei Ausschüsse. Daraufhin kommt ein Bericht zurück, es wird dann noch einmal darüber geredet, und was ist dabei herausgekommen? Das Volk draußen denkt: „Jetzt ist was geschehen!" Nein, es ist gar nichts geschehen. Es ist nur ein Beschluß gefaßt worden, daß die Regierung ersucht wird, einen Gesetzentwurf über die Kartoffelkäfer vorzulegen. Und wenn das geschehen ist und dieser Entwurf noch nicht so bald kommt, dann kommt eine große Interpellation: „Wann gedenkt die Regierung usw.?" Und daraufhin reden wir wieder über die Kartoffelkäfer.
Könnte man das nicht durch einen gemeinsamen Entschluß einmal abstellen; könnte man einen solchen „Antrag" nicht als eine Kleine Anfrage - via Ältestenrat - frisieren, also so, daß dieser Antrag als Kleine Anfrage an die Regierung geht, und die Regierung dann mitteilt: „Wegen der Kartoffelkäfer können wir nicht in zwei, aber hoffentlich in fünf Monaten einen Gesetzentwurf bringen!" Dann wäre die Frage nämlich auch geklärt.
Was die Arbeitszeit hier im Parlament angeht, so habe ich schon ewig,
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d. h. seit den drei Jahren, die ich diesem Hause angehöre, dafür plädiert, man möge doch durchlaufende Arbeitszeiten von etwa zehn Tagen schaffen und dann eine Freizeit von wiederum zehn bis zwölf Tagen, in der entweder die Ausschüsse ebenfalls arbeiten oder auch Ferien machen können. Ich denke an die Zeiten zurück - Herr Präsident Löbe wird mir das bestätigen können -, in denen der alte Reichstag von Ende Mai, Anfang Juni seine Pforten schloß, wenn nötig im Juli oder August für zwei Wochen nochmals zusammenkam und dann erst im übrigen seine regelmäßigen Sitzungen im Oktober wieder begann. Gewiß, wir haben eine ganze Menge hier zu tun, nicht nur wegen der eben erwähnten Kartoffelkäfer, sondern auch wegen ernster Aufgaben. Ich möchte Sie aber auf eines aufmerksam machen. Wir brauchen in einem Parlament natürlich Herren, die sich praktisch nur der parlamentarischen Arbeit widmen; aber der Großteil unter uns sollte nicht zum Berufspolitiker werden,
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sondern der sollte draußen auch noch in einem Beruf stehen; denn dann hat er die Möglichkeit, das, was er hier an Gesetzesparagraphen zusammenschaffen und -schustern will, selber in seiner Wirkung zu beobachten. Dann hat er die Möglichkeit, mit seinen Wählern in Verbindung zu treten; dann hat er die Möglichkeit, das praktische Leben auch an sich wieder einmal zu erleben und draußen wieder einmal rezeptiv tätig zu sein.
Ich möchte dringend bitten, daß insbesondere vielleicht diesem Wunsche Rechnung getragen wird. Im übrigen schließe ich mich zwei Wünschen, die geäußert worden sind, an. Den Antrag des Herrn Schoettle, daß die Jugend, die hierher kommt, Unterkunft finden möge, möchte ich gern unterstützen, und ich schließe mich insbesondere auch dem Dank an, den der Herr Präsident der
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Beamtenschaft und Angestelltenschaft dieses Hohen Hauses ausgesprochen hat.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin nicht der Ansicht, daß Herr Kollege Becker soeben mit der Erörterung des gar nicht vorhandenen Kartoffelkäfer-Entwurfs einen besonders glücklichen Griff getan hat. Mir ist so ein Fall nicht bekannt, und das Haus hat mit derartigen Artikeln niemals seine Zeit vertrödelt. Wenn wir aber schon einmal von so etwas sprechen - Herr Kollege Becker hat sicher nicht die Absicht gehabt, uns lächerlich zu machen; aber es kommt fast darauf hinaus -, dann möchte ich daran erinnern, daß es seine Partei gewesen ist, die unseren Entwurf zu Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes aufs Eis gelegt hat, über den wir, nachdem er zwei Jahre schon eingebracht war, bis heute noch immer nicht haben verhandeln können. Aber das nur nebenbei.
Als der Herr Bundestagspräsident soeben davon sprach, daß man ihn offensichtlich sehr geringschätzig mit einem Behördenchef wie z. B. dem Vorsteher eines Finanzamts verglichen habe, da fiel mir ein - ob ich wollte oder nicht -: was sind denn das für Herren, die das gemacht haben? Das sind nämlich zu 90 % dieselben, die seinerzeit den Etat von Hermann Göring kritisiert und gutbefunden haben.
({0})
Das sind zu 90% dieselben Herren, die im Rechnungshof des Deutschen Reiches den Reichstag in der Nazizeit kritisiert haben.
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Haben sie dort auch geglaubt, daß der Etat eines
Finanzamts- oder Landesfinanzamtsvorstehers für
den Präsidenten des Parlaments, den zweiten Mann
im Staat, ausreichend sei? Es zeigt sich also, daß
diese Herren in puncto Sparsamkeit gelernt haben.
Ich möchte Sie - namentlich aber auch die Regierung und alle Stellen, die mit der Auswahl solcher Personen befaßt sind - bitten, darauf zu
achten, daß wir nicht solche Leute wählen, die
erst noch lernen müssen, die Demokratie zu verstehen und zu wissen, welch eine Rolle der Bundestagspräsident und das Parlament in ihr spielen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren, nur noch ein paar Bemerkungen, um irrigen Auffassungen vorzubeugen.
Der Herr Bundestagspräsident hat darauf hingewiesen, daß er auch die Verwaltung verteidigen wolle. Ich nehme an, daß das nicht im Hinblick auf meine Ausführungen gemeint war; denn ich habe dazu nach dieser Richtung hin wohl keinen Anlaß geboten. Aber, Herr Präsident, ich möchte doch bemerken, daß der Hinweis auf die 20 oder 30 höheren Beamten, die heute hier sind, was eine gewisse höhere Eingruppierung des Direktors rechtfertigen soll, wohl nicht ganz zutreffend ist. Schließlich haben diese höheren Beamten - es handelt sich in erster Linie um die Ausschußassistenten - eine wesentlich andere Aufgabe innerhalb dieses Parlaments und stehen deshalb auch in einem anderen Verhältnis zu dem Direktor des Bundestags, als das sonst bei irgendeiner Verwaltung der Fall ist.
Im übrigen habe ich nicht den Grundsatz vertreten, daß möglichst oft, wie Sie gesagt haben, gewechselt werden soll, sondern ich habe bemerkt, daß man die Möglichkeit schaffen soll, wenn jemand entsprechend seinen Fähigkeiten aufrücken will und kann und ihm dazu in einer Dienststelle nicht die Gelegenheit geboten ist, daß er das in einer anderen Stelle tut.
({0})
Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal sagen: wir sollten diese Frage keineswegs von dem Standpunkt der Würde und des Ansehens des Parlaments aus diskutieren; sie hat damit nichts zu tun. Wir kommen sofort auf eine schiefe Ebene, wenn wir das machen.
Im übrigen, Herr Kollege Fink, ist es doch so, daß nach Ihrem Vorschlag der Direktor des Bundestags jetzt auch einem Botschafter gleichgestellt ist. Sehen Sie sich einmal den Haushalt des Auswärtigen Amts an. Sie werden das sehr bald feststellen.
Herr Kollege B e c k e r, wenn Sie gesagt haben, Souveräne brüllten nicht, muß ich c. widern, daß das geschichtlich nicht ganz richtig ist. Ein Blick in ein Geschichtsbuch würde Ihnen jederzeit zeigen, daß die Souveräne schon sehr oft und sehr laut gebrüllt haben, namentlich dann, wenn es darum ging, das kleine Volk zu kujonieren und zu schikanieren.
Dann, meine Damen und Herren, zur Frage einer Änderung der Parlamentsdebatten. Diese wünschen wir alle sehr. Aber bei diesem Aufbau und dieser Einrichtung des Hauses können wir doch unmöglich einen anderen Stil und eine andere Debatte einführen. Der Herr Präsident hat inzwischen sicher das Notwendige veranlaßt und sich mit dem Ältestenrat darüber unterhalten, ob man nicht wenigstens den Versuch machen sollte, Mikrophone an jeden Platz zu stellen, damit ein solches lebendiges Zwiegespräch möglich wäre. Denn wenn der Redner erst hierherlaufen und sich neben den andern Redner stellen soll, dann ist der inzwischen schon an einem andern Punkt seiner Betrachtungen angelangt.
Was die Zahl der Ausschüsse anlangt, meine Damen, und Herren, so haben wir schon die ganzen Jahre darüber gesprochen. Ich erinnere mich, daß meine Fraktion damals bestimmte Vorschläge gemacht hat, wenn auch in einem kleinen Umfang. Aber diese Vorschläge haben bei der Mehrheit des Hauses keine Gegenliebe gefunden. Es nützt also nichts, daß man über diese ganzen Dinge hier schön deklamiert, sondern entscheidend ist, daß man praktische Vorschläge macht und dann auch bereit ist, gegen all die Widerstände, die ja zum Teil im Menschlichen, im allzu Menschlichen begründet sind - wir wollen uns da gegenseitig nichts verschweigen -, eine wirkliche Reform durchzuführen.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Dann ist die Aussprache geschlossen.
({0})
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3522. Dazu liegt der Änderungsantrag Umdruck Nr. 609 vor.
({1})
- t ber den Antrag Umdruck Nr. 609 ist namentliche Abstimmung beantragt. Dieser Antrag ist ausreichend unterstützt. Wir stimmen also über den Antrag Umdruck Nr. 609 in namentlicher Abstimmung ab.
Ich bitte die Herren Schriftführer, mit der Einsammlung der Stimmkarten zu beginnen.
({2})
Falls Damen und Herren sich noch an der Abstimmung beteiligen wollen, bitte ich, die Stimmkarten abzugeben, weil wir sonst die Sammeltätigkeit einstellen. - Das Einsammeln der Stimmkarten ist damit beendet.
({3})
Meine Damen und Herren, damit wir nicht unnötig Zeit verlieren, möchte ich Ihnen vorschlagen, daß wir die weiteren Abstimmungen zu Einzelplan II zunächst zurückstellen und zur Beratung von Einzelplan II b übergehen. Wir könnten inzwischen immerhin schon die Berichterstattung durchführen, während die Zählung der Stimmkarten erfolgt. Ich rufe also auf:
Einzelplan II b - Haushalt der deutschen Vertreter in der Beratenden Versammlung des
Europarats ({4}) in Verbindung mit der
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({5}) über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr.
von Campe und Genossen betreffend Einrichtung eines kleinen ständigen Sekretariats beim Bundestag für die deutsche Delegation für den Europarat ({6}).
Ich erteile zur Berichterstattung das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Blank.
Dr. Blank ({7}) ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch in diesem Falle vertrete ich wieder den verhinderten Kollegen Jaffé. Die Einrichtung eines neuen Einzelplans II b - ich darf daran erinnern, daß der Einzelplan II a der Bundesversammlung vorbehalten ist, und infolgedessen nicht in jedem Haushaltsplan in Erscheinung tritt - geht zurück auf einen Beschluß dieses Hohen Hauses. Das Auswärtige Amt, das bisher im Einzelplan IV b einen entsprechenden Ansatz verwaltete, hat gegen die Einrichtung eines neuen Einzelplans II b keine Bedenken erhoben. Ich darf Sie bitten, in die Ihnen vorliegende Drucksache Nr. 3523 Einblick zu nehmen. Hier kehren die Beamtenstellen wieder, auf die ich vorhin im Bericht über den Einzelplan II schon zu sprechen gekommen bin, und die beiden Leerstellen für die Einrichtung eines Sekretariats für die deutschen Vertreter in der Beratenden Versammlung des Europarats. Besondere Bemerkungen sind zu den einzelnen Positionen nicht zu machen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt Ihnen die Annahme des Vorschlages so, wie er aus dem Haushaltsausschuß hervorgegangen ist, bei gleichzeitiger Streichung des entsprechenden Tit. 34 beim Einzelplan IV b.
Auch der Antrag der Abgeordneten Dr. von Campe und Genossen betreffend Einrichtung eines kleinen ständigen Sekretariats beim Bundestag für die deutsche Delegation für den Euronarat, Umdruck Nr. 205, findet durch diese Beschlußfassung seine Erledigung. Ich habe Ihnen deshalb im Namen des Haushaltsausschusses gemäß Drucksache Nr. 3601 vorzuschlagen, diesen Antrag Umdruck Nr. 205 für erledigt zu erklären. Im übrigen bitte ich Sie namens des Haushaltsausschusses, der Vorlage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort ist nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag Drucksache Nr. 3523 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Wir haben dann weiterhin über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3601 abzustimmen, den Antrag auf Umdruck Nr. 205 für erledigt zu erklären. Ich bitte diejenigen, die diesem Ausschußantrag zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist ebenfalls die Mehrheit; angenommen.
Damit ist Einzelplan II b erledigt, und ich kann nunmehr
Einzelplan III - Haushalt des Bundesrates Nr. 3524 der Drucksachen)
aufrufen.
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Bausch.
Bausch ({0}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Im Haushalt des Bundesrates sollen vier vom Bundesrat neu geforderte Beamtenstellen zusätzlich bewilligt werden. Es sollen jedoch dann zwei Stellen, die bisher schon bewilligt waren, wegfallen. Durch diese Änderungen soll der personelle Aufbau der Verwaltung des Bundesrates abgeschlossen werden.
Der Haushaltsausschuß hat sich dem Antrag des Bundesrates und dem Vorschlag der Regierung angeschlossen und beantragt von sich aus:
Der Bundestag wolle beschließen,
die Anlage Ergänzung zum Nachtrag zum Einzelplan III - Haushalt des Bundesrates für das Rechnungsjahr 1951 - mit den aus Drucksache Nr. 3524 zu ersehenden Änderungen, im übrigen unverändert nach der Vorlage anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort ist nicht gewünscht, die Aussprache damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses auf Umdruck Nr. 3524 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen mit großer Mehrheit angenommen.
Damit ist auch Einzelplan III erledigt.
Ich rufe auf:
Einzelplan IV - Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes - ({0})
in Verbindung mit der
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Personalanforderungen für die Dienststelle Blank ({2}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Blank.
Dr. Blank ({3}) ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan IV - Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes - bzw. die Ergänzung und der Mündliche Bericht des Haushaltsausschusses zu diesem Einzelplan liegen Ihnen als Drucksache Nr. 3525 vor. Der Haushaltsausschuß hat diese Ergänzungsvorlage, die dem Hohen Hause als Drucksache Nr. 3200 seinerzeit unterbreitet worden war und dem Haushaltsausschuß überwiesen wurde, im wesentlichen unverändert angenommen. Die Änderungen gegenüber der Ergänzungsvorlage, die aus Drucksache Nr. 3525 hervorgehen, ergeben sich aus der Anpassung der Ansätze in den einzelnen Titeln an die tatsächliche Lage. Da diese Ergänzung erst nach Abschluß des Haushaltsjahres verabschiedet wurde, war es möglich und zweckmäßig, die Ist-Zahlen für das abgelaufene Haushaltsjahr einzusetzen.
Neu und erwähnenswert ist in Kap. 3 der Dispositionsfonds für den Bundespressechef. .Dieser Dispositionsfonds ist nach eingehenden Beratungen geschaffen worden. Da es sich um das Ende des Haushaltsjahrs handelte, ist er nur mit einem Betrage von 1000 DM für das Haushaltsjahr 1951 eingesetzt worden. Vorgesehen ist für ein volles Haushaltsjahr der Betrag von 9000 DM.
Die Ergänzungsvorlage des Einzelplans IV brachte in erster Linie Personalvermehrungen für die drei Kapitel dieses Einzelplans, nämlich Bundeskanzleramt, Dienststelle Blank - um mich abgekürzt auszudrücken - und Bundesamt für Presse und Information. Die Vermehrungen sind nicht unerheblich. Sie entsprechen aber der von der Mehrheit des Ausschusses anerkannten Notwendigkeit. Alle Vermehrungsvorschläge sind durch den Haushaltsausschuß sehr eingehend überprüft worden, und er hat dann so, wie es in der Drucksache zum Ausdruck kommt, mit Mehrheit beschlossen.
Das gleiche gilt auch für die sächlichen Ausgaben in den drei Kapiteln, die sich nach den tatsächlichen Ergebnissen nun mit dem wirklichen Ist einsetzen ließen. Die Erhöhungen sind zum wesentlichen Teil eine Folge der bereits erwähnten Personalvermehrungen.
Bei Kap. 3 ist der Dispositionsfonds des Beauftragten des Bundeskanzlers um 84 000 DM auf 364 000 DM erhöht worden. Bei den einmaligen Ausgaben erklärt sich die Erhöhung, soweit es sich nicht um gewisse Neuanlagen handelt, auch aus der bereits erwähnten Personalverstärkung.
Ich darf im Namen des Haushaltsausschusses dem Hohen Hause vorschlagen, der Vorlage in der durch den Haushaltsausschuß geschaffenen Form die Zustimmung zu erteilen, und darf als Berichterstatter gleichzeitig auch die Drucksache Nr. 3602 erwähnen, mit der der Haushaltsausschuß Ihnen vorschlägt, den Antrag der SPD über Stellenschaffung im Wege der Vorwegbewilligung bei der Dienststelle Blank - Drucksache Nr. 2936/ - ebenfalls durch die inzwischen erfolgte Beschlußfassung des Plenums für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Bevor wir in der Beratung des Einzelplans IV fortfahren, bitte ich, nochmals zu dem Einzelplan II zurückzuschalten. Dazu hatten wir einen Änderungsantrag der SPD, über den namentlich abgestimmt worden ist. Das vorläufige Ergebnis*) der
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 10156, 5. Abstimmung. namentlichen Abstimmung war folgendes: insgesamt wurden 335 Stimmen abgegeben. Mit Ja haben gestimmt 127, mit Nein 198 Abgeordnete gestimmt; der Stimme enthalten haben sich 10 Abgeordnete. Von den Berliner Abgeordneten haben insgesamt 14 gestimmt, von ihnen 7 mit Ja, 6 mit Nein, und enthalten hat sich einer. Der Änderungsantrag ist also abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3522 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist also auch der Einzelplan II erledigt.
Wir kommen nun wieder zu Einzelplan IV, Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts, zurück. Nach der Berichterstattung eröffne ich die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte die-diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3525 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltung? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag des Ausschusses ist angenommen.
Wir haben nun noch über den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 3602 abzustimmen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Damit ist auch dieser Einzelplan erledigt. Wir kommen nun zum
Einzelplan IV a - Haushalt des Auswärtigen Amts - ({0}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Dr. Blank ({1}).
Dr. Blank ({2}) ({3}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ergänzungen zum Haushalt des Auswärtigen Amts und die Beschlüsse des Haushaltsausschusses dazu liegen Ihnen in der Drucksache Nr. 3526 vor. Dieser Mündliche Bericht, den ich hier vorzutragen habe, bringt im wesentlichen nur die stellenmäßigen Veränderungen, die zwischenzeitlich, d. h. seit der Einbringung der Ergänzungsvorlage, erforderlich geworden sind. Eine Erhöhung der Ausgaben haben diese Änderungen nicht zur Folge gehabt. Die Ergänzungsvorlage selber, Drucksache Nr. 3200, Einzelplan IV, zeigt eine Reihe von Personalanforderungen beim Auswärtigen Amt selber sowie bei den Vertretungen des Bundes im Auslande.
Im Zuge des langsam fortschreitenden Aufbaus der auswärtigen Vertretungen der Bundesrepublik mußte natürlich auch die Zentrale selbst verstärkt werden. Die Anforderungen für die auswärtigen Vertretungen sind nicht so hoch, wie es den Anschein haben könnte; denn den neuen Anforderungen steht ein beträchtlicher Abgang gegenüber, der sich aus der Umwandlung der Generalkonsulate in echte diplomatische Vertretungen ergibt. Die sächlichen, die allgemeinen und die einmaligen Ausgaben spiegeln den fortschreitenden Aufbau wider. Einige neue Ausgaben für neue Aufgaben sind außerdem hinzugetreten.
Aus der Drucksache Nr. 2526 ist vielleicht bemerkenswert auf Seite 3 der besondere Vermerk für den ersten Stelleninhaber der Stelle des deutschen Gesandten in Bern. Während das Besoldungsgesetz vorsieht, daß Gesandte nach B 7 a be({4})
soldet werden, ist für den Inhaber dieser Stelle, da er schon beim Rechtsvorgänger der Bundesrepublik Stellen innehatte, die nach B 4 besoldet wurden, mit Mehrheit im Haushaltsausschuß beschlossen worden, daß er für seine Person die Bezüge nach Besoldungsgruppe B 4 erhält.
Ich habe Ihnen im Auftrag des Haushaltsausschusses die Bitte vorzutragen, der Vorlage zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Zu diesem Antrag des Ausschusses liegt ein Änderungsantrag der SPD vor. Das Wort hat Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat den Gegenstand des Änderungsantrags bereits angesprochen. Wir beantragen, im Kap. 2, Vertretungen des Bundes im Ausland, Tit. 1, in der Position der festen Gehälter bei der Zeile „Schweiz: Bern" die Bemerkung „Der erstmalige Stelleninhaber erhält für seine Person die Bezüge der Gruppe B 4" zu streichen, und zwar aus folgendem Grund: Dieser Vermerk befand sich in der ursprünglichen Regierungsvorlage nicht. Er ist erst im Haushaltsausschuß beschlossen worden. Der Sinn unseres Antrags geht also auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage. Das möchte ich einmal vorab feststellen.
Zum zweiten. Dieser Vermerk hat eine sehr ungewöhnliche Form. Es ist die Rede von dem erstmaligen Stelleninhaber. Das ist neu. Im allgemeinen wird sonst doch sprachlich eine andere Form für diesen Vermerk gewählt. Darüber hinaus ist die Darstellung des Herrn Berichterstatters über das zugrunde liegende Rechtsverhältnis nach meiner Kenntnis der Dinge nicht ganz zutreffend. Der betreffende Beamte ist nicht unmittelbar aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis in dieses Dienstverhältnis übergetreten. Er war in der Zonenverwaltung für die britische Besatzungszone tätig und ist dort unter Aufgabe aller beamtenrechtlichen Ansprüche ausgeschieden, so daß irgendein Rechtsanspruch auf Gewährung einer bestimmten Besoldungsgruppe im Bundesdienst nicht besteht.
Wir haben im Haushaltsausschuß häufig an der Überzahl dieser sogenannten „Kästchenvermerke" Kritik geübt und haben uns immer nur dann mit einem solchen Vermerk abgefunden, wenn der Bund eine Rechtsverpflichtung gegenüber den Beamten hatte, ihm ohnehin diese Besoldungsgruppe zu gewähren. Dann sollte die Verwendung auf einem bestimmten Platz und an einem bestimmten Ort nicht dadurch unterbunden werden, daß dort keine Stelle der entsprechenden Besoldungsgruppe vorhanden ist. Dann hat man dem betreffenden Beamten für seine Person die entsprechende Gruppe zu gewähren. Dieser Fall liegt hier also nicht vor.
Darüber hinaus ist im Haushaltsausschuß erwähnt worden, daß der betreffende Beamte, der vor seinem Eintritt in den Bundesdienst kein Beamter war, eine sehr gute wirtschaftliche Position aufgibt. Ich möchte hier nicht untersuchen, ob die betreffende Position, die der Beamte aufgibt, wirtschaftlich wirklich einen derartigen Vorsprung gegenüber der Position des Gesandten in Bern bedeutet; das ist nicht Gegenstand unserer Untersuchungen. Dann macht aber der Unterschied zwischen B 4 und B 7 a wirtschaftlich nun auch nicht mehr soviel aus. Wir müssen doch daran denken: Wenn wir schon gewissermaßen Konkurrenz gegenüber der privaten Wirtschaft betreiben wollen, wenn wir sagen wollen: Jemand, der in der privaten Wirtschaft dank seiner Kenntnisse und Fähigkeiten mehr verdient und mehr verdienen kann, soll für den öffentlichen Dienst dadurch geworben werden, daß wir ihm auch die entsprechenden Bezüge bieten, dann müßten wir dieses Prinzip überhaupt in die Besoldungsordnung hereinbringen. Das können wir doch nicht an einem Einzelfall regeln, sondern das muß Gegenstand einer Regelung für alle sein. Es ist also ausgeschlossen, daß wir das in diesem Falle hier tun.
Nun hat die ganze Sache noch eine besondere Bedeutung beim Auswärtigen Amt. Aus einer großen Zahl von Fällen ist mix bekannt, daß es sich der Beamte, der sogar als aktiver Bundesbeamter oder Landesbeamter in den Dienst des Auswärtigen Amtes übertritt, gefallen lassen muß, dort nicht die gleiche Besoldungsgruppe zu erhalten, die er bisher gehabt hat. Mit Rücksicht auf die Besonderheiten des auswärtigen Dienstes ist das durchaus üblich. Danach können Sie sich beim Herrn Staatssekretär und beim Herrn Minister erkundigen. Ich könnte Ihnen einige Dutzend Fälle aufzählen, in denen es so ist, weil die Verwendung im Ausland zur Folge hat, daß die Besoldung, die sich unmittelbar aus der Besoldungsgruppe ergibt, in Wahrheit nur einen Teil der ganzen Entschädigung darstellt, die dem Auslandsbeamten zufließt.
Nun bitte ich Sie, als letzten Punkt - und ich glaube, das ist der wesentliche - zu beachten: In welchen Ruf kommt der Bundestag, wenn er unter Verlassen der Grundsätze, die wir für die Zuerkennung derartiger Sondervermerke für den öffentlichen Dienst selber aufgestellt haben, und unter Schaffung einer Sonderregelung im Einzelfall, unter Abweichung von dem, was sonst in der Besoldungsordnung gilt, nun einem Bundestagsabgeordneten das als Abfindung mit auf den Weg gibt. Diesen Ruf dürften wir uns nicht zuziehen. Gerade, weil es sich um einen Kollegen handelt, müssen wir besonders vorsichtig sein, und deshalb bitte ich Sie, der nach unserer Auffassung hier wirklich zutreffend formulierten Regierungsvorlage in der alten Fassung zuzustimmen. Das tun Sie, indem Sie unseren Antrag annehmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat bereits darauf hingewiesen, daß der Gesandte in der Schweiz, um den es sich hier handelt, früher in der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets als Direktor des Amtes für Wirtschaft in Minden tätig und dort nach Besoldungsgruppe B 3 b besoldet war. Richtig ist, daß er, ohne irgendwelche Ansprüche zu erheben, aus diesem Amte ausgeschieden ist. Die Dinge liegen daher so, daß kein Rechtsanspruch auf Wiedereinstufung in die frühere Besoldungsgruppe geltend gemacht werden kann. Aber ganz ohne Zweifel sprechen doch Billigkeitsgründe dafür, daß auf diese Tatsache Rücksicht genommen und dieser Beamte in die Stufe eingestuft wird, in der er schon früher war.
Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, ich will Ihnen keineswegs unterstellen, daß Sie Ihren Antrag deshalb gestellt haben, weil es sich hier um einen CDU-Mann handelt;
({0})
({1})
das wäre unbillig. Herr Kollege Erler, Sie schütteln mit Recht den Kopf.
({2})
- Ja, warten Sie doch, ich bin noch nicht am
Ende! Ich will das nur feststellen. Ich denke gar
nicht daran, Ihnen das in die Schuhe zu schieben.
Aber es gibt ein Rezept, das meiner Ansicht nach in diesem Fall nützliche Anwendung finden kann: „Meidet auch den bösen Schein!" Deshalb hätte ich es begrüßt, wenn Sie davon abgesehen hätten, diesen Antrag zu stellen.
({3})
Jedenfalls möchte ich namens meiner Fraktion darum bitten, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion abgelehnt wird.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur meinem verehrten Kollegen Bausch sagen, ,daß die Argumentation, die er uns soeben vorgetragen hat, die sachlichen Gründe, die ich Ihnen darlegte, nicht im geringsten erschüttern konnte.
({0})
Es besteht wirklich kein Rechtsanspruch; das hat er selbst zugegeben. Den bösen Schein zu meiden, daß wir einem Abgeordneten, wenn er Beamter des Auswärtigen Dienstes wird, hier eine privilegierte Stellung verschaffen wollen, - diesen bösen Schein zu meiden, das ist Ihre Aufgabe.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 610, der Ihnen vorliegt. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
({0})
Ich bitte diejenigen, die den Ausschußbeschlüssen auf Drucksache Nr. 3526 mit der soeben beschlossenen Änderung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das war zu unklar. Wir stimmen ab über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3526, geändert durch den angenommenen Änderungsantrag. Ich bitte diejenigen, die dieser Vorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Angenommen. Damit ist Einzelplan IV a verabschiedet.
Ich rufe auf
Einzelplan IV b - Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete - ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Blank ({2}).
Dr. Blank ({3}) ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Der Einzelplan IV b - Haushalt für Angelegenheiten des Europarats und verwandter Gebiete - hat ebenfalls eine Ergänzung erfahren. Die Beschlüsse des Haushaltsausschusses liegen Ihnen im Mündlichen Bericht Drucksache Nr. 3527 vor. In diesem Haushalt sind nur drei Titel von größerem Interesse:
1. Der Zuschuß zum Deutschen Rat der Europabewegung;
2. Ausgaben für Teilnahme deutscher Delegierter an den Sitzungen des Europarats;
3. Zuschuß zu den Kosten des Europa-Kollegs in Brügge.
Zum ersten Punkt - Zuschuß zum Deutschen Rat der europäischen Bewegung - hat der Haushaltsausschuß festgestellt, daß auf die Dauer der Zuschuß aus Bundesmitteln wenig erwünscht ist. Der Haushaltsausschuß erwartet, daß der Deutsche Rat sich in steigendem Maße selbst finanzieren wird. Schon für das laufende Haushaltsjahr kommt nach den, Erklärungen des Vertreters des Auswärtigen Amtes, das auch diesen Einzelplan verwaltet, ein wesentlich verminderter Bundeszuschuß in Betracht.
Zu Punkt 2 - Ausgaben für Teilnahme deutscher Delegierter an den Sitzungen des Europarats - darf ich auf das verweisen, was ich zum Einzelplan II b in Vertretung des Kollegen Jaffé hier ausgeführt habe. Dieser Titel verschwindet hier und erscheint, wie vorgetragen und von Ihnen bereits genehmigt, im Einzelplan II b.
Zu Punkt 3 - Zuschuß zu den Kosten des Europa-Kollegs in Brügge ({5}) - hat der Haushaltsausschuß zunächst die Frage erwogen, ob es nicht möglich sei, die Kosten für dieses Kolleg aus dem Zuschuß an den Deutschen Rat der europäischen Bewegung zu decken. Das hat sich als nicht durchführbar erwiesen. Der Haushaltsausschuß hat nach eingehender Prüfung den Ansatz mit nicht ganz 30 000 DM für das abgelaufene Haushaltsjahr mit Mehrheit als gerechtfertigt anerkannt. Im Auftrage des Haushaltsausschusses habe ich persönlich besonders sachverständige Kollegen aus verschiedenen Fraktionen dieses Hohen Hauses über die Zweckmäßigkeit dieses Zuschusses an das Europa-Kolleg in Brügge befragt. Sie haben sich übereinstimmend für eine Beibehaltung dieses Titels und des Ansatzes ausgesprochen, damit auch von deutscher Seite die Arbeit des Europa-Kollegs in Brügge in einem angemessenen Ausmaß gefördert wird und dementsprechend dann auch deutsche Studierende an diesem Europa-Kolleg teilnehmen können.
Im Auftrage des Haushaltsausschusses bitte ich Sie, dem Einzelplan IV b in der nunmehr erreichten Form zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Es liegt ein Änderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 611 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort hat der Abgeordnete Heiland.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Umdruck Nr. 611 beantragen wir, den Zuschuß zu den Kosten des Europa-Kollegs in Brügge in Höhe von 29 500 DM zu streichen. Es geht hier nicht um die Frage, ob dieses Kolleg, wie der Herr Berichterstatter sagt, eine segensreiche Tätigkeit ausübt, sondern es geht hier um die Grundsatzfrage des Haushaltsrechts ({0})
man kann diese Grundsatzfrage bei einem so geringen Posten, glaube ich, viel ernster und tiefer diskutieren, als wenn es sich um irgendwelche großen Positionen handelt -, um die wirklich klare Haushaltsführung, um die wir als Parlament sehr ernst kämpfen sollten.
Dieses Europa-Kolleg bekommt seine Zuschüsse durch eine rechtsverbindliche Erklärung der Regierung - die sie bereits abgegeben hat, ohne das Parlament gefragt zu haben -, und die Oberaufsicht über dieses Kolleg und über die Verwendung der Mittel hat nicht irgendein Organ des Staates, sondern die Europäische Bewegung, die eine Privateinrichtung ist. Ich glaube, wir sollten, wenn wir solche internationalen Einrichtungen für notwendig halten, diese durch klare Staatsverträge schaffen, bei denen die Garantie dafür gegeben ist, daß der Staat die Mittel, die er in solche Organisationen hineinsteckt, auch auf ihre zweckmäßige Verwendung hin überprüfen kann.
Der Regierung muß bei dieser Gelegenheit doch eines gesagt werden: die Dinge werden auf keinen Fall so dringend sein, daß solche Fragen nicht, bevor derartige Einrichtungen bezuschußt werden, durch das Parlament beraten und die Zuschüsse dann ordnungsmäßig durch das Parlament beschlossen werden.
Aus dieser Grundsatzerwägung heraus, weil das Haushaltsrecht des Parlaments nicht gewahrt worden ist - und wir selbst sollten es wahren -, beantragt meine Fraktion, diesen Zuschuß zu streichen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; dann ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst der Änderungsantrag der SPD auf Umdruck. Nr. 611 vor. Ich bitte diejenigen, die ihm zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3527. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Damit ist der Einzelplan IV b ebenfalls erledigt.
Wir kommen nun zum
Einzelplan V - Haushalt des Bundesministeriums für den Marshallplan ({0}).
Meine Damen und Herren, der Herr Berichterstatter ist durch eine Reise verhindert. Nachdem aber ein ausreichend schriftlicher Bericht vorliegt, kann, glaube ich, auf die mündliche Berichterstattung verzichtet werden. - Das Haus ist damit einverstanden. Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall.
Auf Umdruck Nr. 608 liegt ein Ergänzungsantrag vor. Wird dazu das Wort gewünscht? - Das ist auch nicht der Fall.
Dann kommen wir zur Abstimmung, zunächst über den Ergänzungsantrag auf Umdruck Nr. 608. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Wir stimmen dann über den Antrag des Aus- schusses auf Drucksache Nr. 3528 ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen. Damit ist Einzelplan V in zweiter Lesung verabschiedet.
Ich rufe nun auf
Einzelplan VI - Haushalt des Bundesministeriums des Innern ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Steinhörster.
Steinhörster ({2}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Bei der Berichterstattung habe ich es nur mit dem Nachtrag und den Ergänzungen zum Nachtrag zu tun. Zum eigentlichen Nachtrag ist nur zu berichten, daß er lediglich den Zuschuß für die Berliner Polizei in Höhe von 10 Millionen DM enthält. Was die Ergänzungen zum Nachtrag betrifft, so ist zu den Einnahmen zu sagen, daß hier Ansätze entfallen, wie Sie das aus dem Ihnen vorliegenden Bericht ersehen mögen. Bemerkenswert wäre vielleicht noch der Hinweis auf den Bundespaßkontrolldienst. Hierüber werde ich aber noch in einem anderen Zusammenhang sprechen.
Was sonstige Veränderungen betrifft, so scheint es mir wesentlich zu sein, auf eine Veränderung hinsichtlich der Erläuterungen zu Kap. 2 Tit. 15 hinzuweisen. Hierbei handelt es sich um den Zuschuß an die Stiftung „Hilfswerk 20. Juli 1944". Die Mittel sind erhöht worden. Während die Vorlage 150 000 DM vorsah, hat der Ausschuß nunmehr einen Betrag von 400 000 DM beschlossen. Wichtig sind die Erläuterungen, die der Ausschuß geändert hat. Es heißt nunmehr:
Ein großer Teil der Angehörigen der Opfer des 20. Juli 1944 wird durch das Bundeswiedergutmachungsgesetz für Angehörige des öffentlichen Dienstes vom. 11. 5. 1951 erfaßt. Es bleibt aber noch die Sorge für die übrigen Hinterbliebenen. Ihr Kreis ist verhältnismäßig klein. Die Wiedergutmachung ist für diese Fälle bisher nicht durch Gesetz geregelt, sondern erfolgt durch die Stiftung „Hilfswerk 20. Juli 1944" auf Grund einer entsprechenden Zuwendung des Bundes.
Meine Damen und Herren, Sie ersehen also, daß die erwähnte Änderung einer ganz bestimmten Absicht und Notwendigkeit entspringt. Ich bitte Sie, dies zur Kenntnis zu nehmen.
Die übrigen Veränderungen in den Tit. 23, 27 und 62 sind lediglich textlicher Natur. Einige weitere Änderungen sind gleichfalls nur textlicher Art oder in den zahlenmäßigen Auswirkungen so gering, daß sich ein besonderer Hinweis darauf nach meiner Meinung erübrigt.
Anders ist es jedoch beim Bundespaßkontrolldienst. Sie werden feststellen, daß der Haushaltsausschuß ganz anders verfahren ist, als die Vorlage es vorgesehen hat. Ich darf einige Worte zu diesem Thema sagen. Der Bundespaßkontrblldienst wurde am 1. Oktober 1951 vom Bund in der britischen Zone als eine Einrichtung der britischen Zone übernommen. Der Bund hatte die Aufgabe, nunmehr auch in der französischen und amerikanischen Zone eine gleiche Einrichtung zu schaffen. Die Ergänzungsvorlage die dem Haus bekannt ist, sah zunächst 1 002 Mann Personal vor. Der Haushaltsausschuß hat gewünscht, daß sich der Bundesrechnungshof mit diesem Fragenkomplex befaßt, was auch geschehen ist. Der Bundes({3})
rechnungshof ist auf eine völlig andere Zahl gekommen. Er hat in seinem Bericht dem Haushaltsausschuß mitgeteilt, daß eine Zahl von 697 Kräften ausreichen müßte, um die Aufgaben durchzuführen. Bei dieser großen Differenz haben sich natürlich Verhandlungen als nötig erwiesen. Bei diesen Verhandlungen hat man sich, wie dem Haushaltsausschuß mitgeteilt worden ist, auf eine Stellenzahl von 873 geeinigt.
Der Ausschuß hat das gesamte Thema eingehend debattiert, ja, er hat sogar aus seinen eigenen Reihen Mitglieder an die Bundespaßkontrolldienststellen entsandt, um sich an Ort und Stelle ein Bild von der Arbeit und von der Organisation dieser Einrichtung zu verschaffen. Ich selbst hatte Gelegenheit, mich an der deutsch-dänischen Grenze davon zu überzeugen.
Als die Berichte im Ausschuß gegeben wurden, war sich der Ausschuß nicht darüber klar, wie die endgültige Organisationsform dieser Einrichtung beschaffen sein müßte, und auch heute ist es noch so, daß eine endgültige Klarheit hierüber nicht besteht. Ein Teil der Ausschußmitglieder war der Meinung, daß der Bundespaßkontrolldienst in seiner jetzigen Form eine außerordentlich nützliche und zweckentsprechende Einrichtung sei, die man nicht verändern solle, während ein anderer Teil des Ausschusses die Auffassung vertrat, es sei möglich, die Aufgaben des Bundespaßkontrolldienstes dem Zoll zu übertragen. Und dann gibt es am Ende noch eine dritte Version, die so aussieht, daß man die Aufgaben unter Umständen den Landespolizeidienststellen übertragen könne. Der Ausschuß ist nicht zu einer übereinstimmenden Meinung gekommen und hat aus diesem Grunde auch keine Möglichkeit gesehen, der Vorlage in der alten Form zuzustimmen, sondern geglaubt, um dem Ministerium die Fortsetzung der Ausgaben zu ermöglichen, zunächst einen Globalbetrag bewilligen zu sollen, aus dem alle persönlichen, sächlichen und allgemeinen Ausgaben geleistet werden können. Aber das gilt nur für das jetzt in Frage stehende Haushaltsjahr. Dieser Globalbetrag beträgt 1 693 900 DM, und es wird sich erst bei den Beratungen des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 1952 zeigen müssen, wie die endgültige Form dieser Einrichtung auszusehen hat.
Meine Damen und Herren, damit ein Gesamtbild entsteht, darf ich vielleicht noch einmal die Zahlen zusammenfassen, die sich nunmehr beim Einzelplan VI insgesamt ergeben. Der Gesamtzuschußbedarf dieses Ministeriums beträgt im Überrollungshaushalt 241 491 800 DM. Dazu kommen die Anforderungen und der Zuschußbedarf aus dem Nachtrag, von dem ich schon gesprochen habe, in Höhe von 10 Millionen DM, und die sich aus der Ergänzung ergebenden Zuschußbeträge, von denen ich einige wenige etwas näher erläutert habe, von insgesamt 22 451 800 DM, so daß also nunmehr der Gesamtzuschußbedarf dieses Ministeriums 273 943 600 DM beträgt. Ich glaube aber, daß es notwendig ist, darauf hinzuweisen, daß dieser Zuschußbedarf erheblich größer sein würde, wenn nicht bei einer Reihe von Ansätzen sowohl im Überrollungshaushalt als auch im Ergänzungshaushalt die Ansätze dadurch geringer geworden wären, daß Ausgaben in der angeforderten Höhe nicht getätigt werden konnten. Das trifft beispielsweise beim Bundesgrenzschutz zu - und ist aus dem etappenweisen Aufbau zu erklären -, und das trifft z. B. auch bei der ganzen Bundesverwaltungsgerichtsbarkeit zu. Auch diese Organe befinden sich im Aufbau.
Vielleicht interessiert es das Hohe Haus noch, wie nunmehr der Personalbestand aussieht. Im Überrollungshaushalt 1951 hatte dieses Ministerium einen Stellenplan von insgesamt 12 472 Mann. Der Ergänzungshaushalt sah eine Vermehrung um 2 317 Stellen vor. Hiervon absetzen müssen wir die Stellen des Paßkontrolldienstes, nämlich 1145, so daß sich eine Zahl von 1 172 ergibt. Dazu kommen etwa 50 Mann Personal, die ständig bei diesem Ministerium abgeordnet sind, so daß sich also eine Stellenvermehrung von insgesamt 1 222 ergibt. Die dann entstehende Gesamtzahl von 13 694 ist also der letzte Stand des Personalbestandes bei diesem Ministerium.
Ich darf vielleicht noch die von mir genannte Zahl der Vermehrung im einzelnen etwas aufgliedern. Von diesen 1 222 Mehrstellen entfallen auf das Ministerium 205 Stellen, auf das Statistische Bundesamt 342 Stellen, auf das Bundesgesundheitsamt 324 Stellen, auf den Bundesgrenzschutz 160 Stellen, auf die Sicherungsgruppe Bonn des Bundeskriminalamtes 40 Stellen und auf kleinere Dienststellen 151 Stellen.
Meine Damen und Herren, ich habe den Auftrag, Sie im Namen des Haushaltsausschusses zu bitten, der Anlage Nachtrag zum Einzelplan VI und der Anlage Ergänzung zum Nachtrag zum Einzelplan VI zuzustimmen.
Ich habe aber weiter eine vom Haushaltsausschuß gefaßte Entschließung vorzutragen. Ich bitte, daß auch das Hohe Haus sie annehmen möge. Sie lautet:
Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, zu veranlassen, daß die weitere Ausfüllung der im Auftrag des Travel Board-Office von den deutschen Zollgrenzdienststellen auszustellenden Kontrollkarten CTB 111 für die Ein- und Ausreise von Personen deutscher Nationalität mit sofortiger Wirkung eingestellt wird.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich bin noch einmal gebeten worden, darauf hinzuweisen, daß der Vermittlungsausschuß seit 17 Uhr im Zimmer 03 Erdgeschoß tagt.
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Meine Herren! Zu dem von dem Herrn Berichterstatter vorgetragenen letzten Satz der Ihnen vorgeschlagenen Entschließung möchte ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß es im Benehmen mit dem Travel Board-Office gelungen ist, die Zustimmung zu erhalten, daß mit Wirkung vom 1. August ab die Kontrollkarten in der Nr. CTB 111 für die Ein- und Ausreise von Personen deutscher Nationalität wegfallen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3529 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? ({0})
Das erste war die Mehrheit; Einzelplan VI ist angenommen.
({1})
- Ich danke Ihnen sehr. Diese Abstimmung bezog sich also lediglich auf die Ziffern 1 bis 3.
Wir haben noch über die Entschließung, über den Antrag des Ausschusses unter Ziffer 4, abzustimmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen?
- Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist Antrag Drucksache Nr. 3529 ebenfalls erledigt.
Ich rufe auf:
Einzelplan VII - Haushalt des Bundesministeriums der Justiz ({2}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Beratung des vorigen Haushaltsplans ist Ihnen eine eingehende Darstellung der Organisation des Bundesministeriums der Justiz und der nachgeordneten Dienststellen und der Obersten Bundesgerichte gegeben worden. Ich kann mich heute darauf beschränken, die wesentlichen Veränderungen, die dieser Erste Nachtrag gegenüber den alten Plänen ,aufweist, im Zusammenhang auch mit der Ergänzung zum Ersten Nachtrag vorzutragen.
Die Einnahmen sind wie bei den anderen Haushalten nun dem tatsächlichen Eingang im Anschlag angepaßt worden. Es handelt sich im wesentlichen um erhöhte Einnahmen aus Veröffentlichungen, Gebühren und dergleichen mehr. Es ist für uns interessant zu wissen, daß der Hauptposten dabei in Kap. 5 in der Höhe von über 2 Millionen DM auf das Bundespatentamt entfällt.
Damit komme ich zu den Ausgaben. In Kap. 1 sind für das Bundesjustizministerium 12 neue Stellen ausgebracht, die auf den wesentlich vermehrten Anfall der Geschäfte zurückzuführen sind. Eine Reihe von Einzelposten kleinerer Art, Geschäftsbedürfnisse, Ausstattung usw., machen zusammen den Betrag von 210 000 DM aus. Bei Kap. 2 sind für das Bundesverfassungsgericht höhere Ansätze für Hilfeleistungen durch Angestellte und abgeordnete Beamte erforderlich. Auch ist ein höherer Bedarf in bezug auf Geschäftsbedürfnisse entstanden. Insgesamt sind 31 600 DM mehr veranschlagt.
Eine erhebliche Mehrsumme ist für den Bundesgerichtshof gefordert. Er hat seine Tätigkeit doch erst im Laufe der Jahre als oberstes Organ der Zivil- und Strafrechtspflege übernommen. Im Zusammenhang damit ist eine Ausweitung des erforderlichen Richter- und Beamtenkörpers um insgesamt 47 Stellen erforderlich gewesen. Besonders hinweisen möchte ich auf einen Posten, der um über 400 000 DM erhöht werden mußte, für die Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken und Diensträumen. Insgesamt erfordert der Bundesgerichtshof einen Mehraufwand von 490 500 DM.
Nun kommt der zahlenmäßig am meisten zu Buch schlagende Posten, wie es auch im vergangenen Jahr war. Das ist das Deutsche Patentamt. Ich habe bereits auf die Bedeutung des Patentamts bei den Einnahmen hingewiesen. Wie sehr die Aufwendungen für das Patentamt eigentlich werbenden Charakter haben, können Sie der Tatsache entnehmen, daß dem Mehr von 1 240 600 DM an laufenden Ausgaben für das Patentamt ein Mehr an laufenden Einnahmen von Tiber 2 Millionen DM gegenübersteht. Es handelt sich hier also um Investitionen, die im wahrsten Sinne des Wortes ihre Früchte tragen, auch für den Bund und nicht nur für die Nutznießer, für die Wirtschaft und für all diejenigen, die die Institution sachlich in Anspruch nehmen müssen. Dieser Mehraufwand von 1 240 600 DM ist nur zu einem Teil auf einen vermehrten Personalaufwand zurückzuführen. Es hat sich als erforderlich erwiesen, 22 neue Stellen zu schaffen. Aber 7 Stellen sind weggefallen. Es handelt sich also zum Teil um Stellenumwandlungen, so daß insgesamt netto nur 15 Stellen hinzugekommen sind. Die übrigen erheblichen Barmehraufwendungen sind für Anschaffungen für die Bücherei, für Druckkosten und für Hilfeleistungen verschiedener Art entstanden.
Dann darf ich noch ein Wort zu den einmaligen Aufwendungen sagen, die bei allen Gerichten und auch beim Patentamt in Erscheinung treten. Es handelt sich hier um Aufwendungen für die Ausstattung von Dienstzimmern, Sitzungssälen, Kantinen, für die Anschaffung von Schreib- und Büromaschinen, eine neue Fernsprechanlage für das Bundesverfassungsgericht z. B. Diese Beträge verteilen sich auf die verschiedenen Kapitel in folgender Weise: Für das Ministerium selbst werden 23 000 DM gefordert, für das Bundesverfassungsgericht 69 900 DM, für den Bundesgerichtshof 72 000 DM. Und dann kommt der größte Posten von 225 000 DM wieder für das Patentamt. An derartigen einmaligen Aufwendungen ergibt sich also insgesamt ein Betrag von 389 900 DM.
Ich möchte feststellen, daß entgegen der ursprünglichen optimistischen Annahme, die Nachtragsvorlage insgesamt werde sogar mit einem geringeren Zuschußbedarf abschließen, für jetzt nach den Veränderungen, die die Vorlage im Ausschuß erlebt hat, doch mit einem erhöhten Zuschußbedarf von 55 200 DM gerechnet werden muß. Das ist aber bei einer Einnahme von 2 307 600 und bei einer Ausgabe von 2 362 800 DM ein durchaus achtbares Ergebnis.
Der Haushaltsausschuß empfiehlt, die Vorlage in dieser Fassung anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort ist nicht gewünscht, die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3530 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; angenommen. Damit ist Einzelplan VII erledigt.
Wir kommen zu
Einzelplan VIII - Haushalt des Bundesministeriums der Finanzen - Nr. 3531 der Drucksachen -.
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Brandt.
Brandt ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Ausschusses, Drucksache Nr. 3531, liegt Ihnen vor. Wie Sie aus den Bemerkungen auf der Rückseite dieser Drucksache ersehen können, ist beim Ministerium selbst - Kap. 1 Tit. 1 - eine geringfügige
({1})
Ruduzierung der Planstell en eingetreten. Beim Ministerium, beim Bundesfinanzhof, beim Hauptamt für Soforthilfe, der Besatzungslastenabteilung und den verschiedenen Dienststellen, die zum Bereich des Ministeriums gehören, hatte sich ein außerordentlicher Aufgabenzuwachs ergeben, aus dem sich beträchtliche personelle Mehranforderungen als notwendig erwiesen haben.
Aus früheren Berichten wird dem Hause geläufig sein, welches Gewicht der Zollverwaltung im Etat des Bundesfinanzministeriums zukommt. Im vorliegenden Ergänzungshaushalt mußten 3 645 neue Stellen - das bedeutet eine Erhöhung um mehr als 10 % - eingesetzt werden. Die Erhöhung auf jetzt 32 657 Stellen beim Zoll beruht weitgehend auf der Notwendigkeit, Bedienstete der Zollverwaltung in das Beamtenverhältnis zu überführen. Es mußte auch dafür Sorge getragen werden, daß die Zollverwaltung neue Anwärter erhält.
Im Haushaltsausschuß ist allgemein und natürlich auch für das Bundesfinanzministerium der Meinung Ausdruck gegeben worden, daß bei Stellenanforderungen die gebotene Zurückhaltung geübt werden müsse. In diesem Zusammenhang ist im Ausschuß auch über die Abwanderung von Beamten in die freie Wirtschaft und über die Aufstiegsmöglichkeiten der Beamten in der Bundesverwaltung beraten worden. Das Ministerium wurde ersucht, eine Übersicht vorzulegen, aus der hervorgeht, welche Veränderungen bei den verschiedenen Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppen in den einzelnen Ministerien seit 1949 eingetreten sind.
Aus der Drucksache ist ersichtlich, daß bei Kap. 1 Tit. 32 eine redaktionelle Neufassung erfolgt ist, auf die ich aufmerksam machen darf.
Bei der Zollverwaltung ist in Kap. 5 ein neuer Tit. 33 eingesetzt worden. Dadurch werden der Abteilung Dienstkleidung bei der Beschaffungsstelle der Zollverwaltung, der sogenannten Zollkleiderkasse, Betriebsmittel in Höhe von 3 Millionen DM zugeführt.
Jetzt noch zwei ergänzende Bemerkungen. Die eine ist 'diese: Der Ausschuß hat sich noch einmal mit der hier schon wiederholt im vergangenen Jahr auch durch den Bericht des Kollegen Seuffert erörterten Frage der Abteilung V des Bundesfinanzministeriums „Banken, Geld und Kredit" befaßt und festgestellt, daß die Kompetenzen zwischen den entsprechenden Abteilungen des Bundesfinanzministeriums und des Bundeswirtschaftsministeriums jetzt ähnlich wie bei den früheren Reichsministerien abgegrenzt sind. Im Ausschuß ist berichtet worden, daß zwischen den Abteilungen ein enges Einvernehmen herrsche.
Das andere ist dies: Beim Kap. 6 hat im Ausschuß eine Erörterung wegen des Forstvermögens des Bundes stattgefunden. Der Haushaltsausschuß hat beschlossen, das Bundesfinanzministerium zu ersuchen, für die Beratung des Haushalts 1952 dem Ausschuß eine Übersicht über die Einnahmen aus der Verpachtung von Jagden früherer Jahre vorzulegen. Das Ministerium teilte dem Ausschuß mit, künftig solle die Aufsicht über die bei der Verwaltung des Bundesforstvermögens beschäftigten Beamten durch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ausgeübt werden. Auf die besorgten Fragen einer Reihe von Kollegen wurde durch das Ministerium die beruhigende Antwort erteilt, daß an die Schaffung der Stelle eines Bundesforstmeisters nicht gedacht sei. Es ist mir darum um so leichter, im Namen des
Ausschusses zu empfehlen, der Vorlage Drucksache Nr. 3531 die Zustimmung erteilen zu wollen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir 'können daher die Aussprache schließen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 3531. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag des Ausschusses ist angenommen. Damit ist die Beratung des Einzelplans VIII beendet.
Wir kommen nunmehr zu
Einzelplan IX - Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft - Nr. 3532 der Drucksachen -.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren, soweit ich sehe, ist vom Wirtschaftsministerium weder der Herr Wirtschaftsminister noch der Herr Staatssekretär im Hause. Ich glaube nicht, daß wir die Beratung des Haushaltsplans vornehmen können, ohne daß die Herren anwesend sind. Wenn sich das Parlament schon damit einverstanden erklärt, daß wir, um keine Zeit zu verlieren, ohne große Aussprache diese Dinge erledigen, dann können wir wenigstens verlangen, daß 'die Herren anwesend sind.
Ich beantrage deshalb, die Beratung dieses Haushaltsplans auszusetzen, bis der Herr Wirtschaftsminister im Hause erschienen ist.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Mellies gehört. Das Wort dazu ist nicht gewünscht. Es ist Aussetzung der Beratung bis zum Erscheinen des Herrn Wirtschaftsministers gefordert worden. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe also auf den
Einzelplan X - Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({0}),
in Verbindung mit der Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) über den Antrag .der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, DP betreffend Bau eines Fischereiforschungsbootes ({2}).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Brese.
({3})
- Der Herr Staatssekretär befindet sich im Vermittlungsausschuß. Durch diese Verschiebung ist er nun gerade nicht anwesend. Er ist schon benachrichtigt und gerufen.
({4}) Zunächst darf ich den Herrn Berichterstatter bitten.
Brese ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie bei den anderen Einzelplänen des Bundeshaushalts für 1951 ergibt sich auch bei dem Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten durch die sogenannte Überrollung des Haushalts des Rechnungsjahres 1950 die Notwendigkeit, diesen durch einen Nachtrag nebst Ergänzungen für das Rechnungsjahr 1951 den veränderten Verhältnissen anzupassen.
Der Nachtragshaushalt Drucksache Nr. 2620 enthält vor allen Dingen Mittel für Subventionen und Treibstoffverbilligungen, die Ergänzung Drucksache Nr. 3200 neben geringfügigen Erhöhungen der persönlichen und sachlichen Ausgaben eine Reihe von allgemeinen einmaligen und außerordentlichen Ausgaben. Die im ersten Nachtrag enthaltenen Erhöhungen der Subventionen finden Sie bei Kap. E 11 Tit. 20 mit 177 Millionen DM. Diese erklären sich vor allem dadurch, daß die Preisstützungsaktion für das Konsumbrot im Rechnungsjahr 1951 sich erstmalig finanziell voll auswirkt und hierfür 238,6 Millionen DM vorgesehen werden mußten. Ferner ist auf Grund des Gesetzes über Preise für Getreide inländischer Erzeugung für das Getreidewirtschaftsjahr 1951/52 und über besondere Maßnahmen in der Getreide-und Futtermittelwirtschaft für die Gewährung einer Frühdruschprämie für Weizen und Roggen ein Betrag von 31,5 Millionen DM veranschlagt worden. Die Verbilligung von Handelsdünger, für die 15 Millionen veranschlagt sind, bezieht sich nur auf die Zeit bis zum 30. Juni 1951. Darüber hinaus ist es möglich gewesen, die Verbilligung von aus ausländischen Rohphosphaten hergestellten Düngemitteln aus ERP-Mitteln auch im Wirtschaftsjahr 1951 durchzuführen. Für das kommende Jahr ist für Phosphorsäuredünger auch weiterhin eine Subvention erforderlich, wie es der Ernährungs-ausschuß und auch der Haushaltsausschuß festgestellt haben. Hier erwartet der Haushaltsausschuß einen entsprechenden Antrag des Bundesfinanzministers auf Vorwegbewilligung von Mitteln.
Gegenüber den erwähnten Erhöhungen konnten aber auch Herabsetzungen vorgenommen werden, so daß für 1951 eine Erhöhung um 177 Millionen DM erforderlich war.
Der Ansatz bei Kap. E 11 Tit. 22 in Höhe von 5 Millionen DM war notwendig, damit die deutschen Schiffseigner durch Verbilligung des Dieseltreibstoffs ihre Betriebe aufrechterhalten können und weil diese Form einer Betriebsbeihilfe auch gesetzlich festgelegt worden ist. Ebenfalls wird die Erhaltung und Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit für die kleine Hochseefischerei sowie für die Küstenfischerei und Binnenfischerei durch die Erhöhung des Ansatzes bei Kap. 1 Tit. 48 mit 9 Millionen DM gewährleistet. Die Verbilligung von Dieselkraftstoff für die Landwirtschaft sowie den Garten- und Weinbau wird durch den Ansatz bei Kap. E 11 bei Tit. 23 erreicht. Er ist in Höhe von 20 Millionen DM ausgebracht.
Die erwähnten Maßnahmen bedeuten eine Erhöhung des Haushalts um 202,9 Millionen DM. Die Ergänzung dagegen bringt eine Erhöhung des Zuschußbedarfs um 51 Millionen DM, wovon rund 2,1 Millionen DM auf den Ordentlichen und 48,9 Millionen DM auf den Außerordentlichen Haushalt entfallen. Beim Ordentlichen Haushalt sind es beispielsweise 346 500 DM bei Kap. 1 Tit. 33 für die Forschungsanstalt in Braunschweig-Völkenrode, 340 000 DM bei Kap. 1 Tit. 44 für die Förderung des Saatgutwesens, 184 600 DM bei Kap. 1 Tit. 52 für Landtechnik und landwirtschaftliches Bauwesen, und 150 000 DM bei den einmaligen Ausgaben für die Beschaffung einer Entmagnetisierungs- und Kursausgleichsanlage für das Fischereiboot Meerkatze sowie 560 000 DM für Gemeinschaftseinrichtungen anläßlich der gemeinsamen Unterbringung der Außenhandelsstelle der Dienststelle für besondere Versorgungsaufgaben und der Einfuhr- und Vorratsstelle in Frankfurt am Main.
Von der erwähnten Summe des Außerordentlichen Haushalts entfallen auf die Beschaffung und Haltung von Lebensmittelvorräten in Berlin 44 Millionen DM; weitere 3 Millionen DM sind zur Förderung besonderer Vorhaben auf dem Gebiete der Wasserwirtschaft und der Landwirtschaftskultur, beispielsweise Küstenschutz, notwendig, für die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche wurde zum Ausbau vorhandener sowie für die Errichtung weiterer Rohlymphe-Gewinnungsstätten ein zusätzlicher Betrag von 1,8 Millionen DM erforderlich.
Der Haushaltsausschuß beantragt, die Zustimmung zum Nachtrag sowie zur Ergänzung in der vorgeschlagenen Form zu geben.
Ferner hat sich der Haushaltsausschuß mit Drucksache Nr. 3198 - Bau eines Fischereiforschungsbootes -, mit Drucksache Nr. 2704 - Mittel für Wildbachverbauung - und mit dem Antrag Drucksache Nr. 3166 - Errichtung eines Instituts für die Erforschung arbeitsparender Methoden im Kleinbauerntum - beschäftigt. Der Haushaltsausschuß bittet, die Drucksache Nr. 3198 der Bundesregierung als Material zur Berücksichtigung für den Nachtrag zum Bundeshaushalt 1952 zu überweisen, den Antrag Drucksache Nr. 2704 abzulehnen, da die Wildbachverbauung Angelegenheit der Länder ist, und den Antrag Drucksache Nr. 3166 in Übereinstimmung mit dein federführenden Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Regierung als Material zu überweisen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort ist nicht gewünscht, die Aussprache damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3533. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dazu ist weiter abzustimmen über den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses und den Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 3572. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist damit angenommen.
Dann haben wir über den Ausschußantrag auf Drucksache Nr. 3613 abzustimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrage zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; auch dieser Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Beratung des Einzelplans X beendet.
({0})
- So, das gehört noch zu diesem Punkte: Umdruck Nr. 626, Änderungsantrag der Abgeordneten Matthes und Genossen. Da wird beantragt, einen Betrag von 2,3 Millionen DM für Steuerrückvergütung an die Imkerschaft einzusetzen. Wird das Wort gewünscht? - Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zu dem Antrag eine grundsätzliche Bemerkung machen, die an sich weder mit der Imkerei noch mit Zucker noch mit sonst etwas zu tun hat. Es handelt sich hier um einen Antrag, der für den Haushalt 1951/52 eine neue Ausgabeposition einsetzen will. Ich mache darauf aufmerksam, daß nach Art. 110 des Grundgesetzes der ordentliche Haushalt abgeglichen gehalten werden muß. Wenn ein Antrag zur Annahme kommt, der einen Ausgabeposten in der letzten Beratungsstufe neu einsetzt, ohne daß ein Ausgleich gleichzeitig genannt wird, ist die Abgleichung, die Art. 110 des Grundgesetzes vorsieht, nicht mehr vorhanden. Ohne Abgleichung ist ein solcher Antrag infolgedessen verfassungswidrig und unvollziehbar, weil die Bundesregierung ja durch die Beschlüsse über die übrigen Etatspositionen gar nicht mehr in der Lage ist, daran Änderungen vorzunehmen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich möchte zu dieser Sache etwas sagen. Dieser Änderungsantrag ist mir hier erst abgegeben worden, nachdem ich bereits über den Einzelplan X, Drucksache Nr. 3533, hatte abstimmen lassen. Es ist also in diesem Stadium der zweiten Beratung gar nicht mehr möglich, diesen Antrag zu behandeln. Ich würde den Antragstellern empfehlen, ihn in der dritten Beratung zu stellen; dann kann darüber befunden werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bausch.
Meine Damen und Herren! Einer der Antragsteller, der Herr Abgeordnete Horlacher, hat mir erklärt, er habe die Absicht, diesen Antrag zurückzuziehen und ihn in anderer Form einzubringen. Für das Jahr 1951 hat dieser Antrag ja ohnehin keine praktische Bedeutung mehr. Ich glaube, es wäre das beste, wenn man den Änderungsantrag Umdruck Nr. 626 der Regierung als Material für die Aufstellung des Nachtragshaushaltsplans für 1952 überwiese.
Meine Damen und Herren, es ist jetzt geschäftsordnungsmäßig etwas schwierig. Entschließungsanträge gibt es nur in der dritten Beratung. Ich würde also auch in diesem Falle empfehlen, Ihre Wünsche und Ihre Anträge bis zur dritten Beratung zurückzustellen. Wenn der Antrag als Entschließung gelten soll, müßte er sowieso in der dritten Beratung eingebracht werden.
({0})
Damit ist der Einzelplan X erledigt.
Der Herr Staatssekretär des Bundeswirtschaftsministeriums ist inzwischen eingetroffen. Ich rufe also auf:
Einzelplan IX - Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft ({1}).
Zur Berichterstattung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Dr. Vogel ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums zeichnet sich durch eine sehr bemerkenswerte Vermehrung der Stellen aus. Allein zum Ministerium selbst sind nicht weniger als 51 Beamte und 139 Angestellte, zusammen 190 neue Personen hinzugetreten. Damit wächst jetzt der Apparat an auf 425 Beamte und 810 Angestellte und Arbeiter, zusammen 1235 Bedienstete. Ich komme später noch auf die fast ebenso starke Vermehrung zu sprechen, die bei der Bundesstelle für Warenverkehr durch die Zunahme um insgesamt 436 neue Stellen eintritt,
({3})
wodurch der Apparat der Bundesstelle für Warenverkehr auf 976 Stellen insgesamt anwächst.
Die neu angeforderten Stellen, die zum eigentlichen Apparat des Ministeriums selbst hinzutreten, verteilen sich auf die Abteilungen II B und II C und dann vor allen Dingen auf die völlig neu hinzutretenden Abteilungen Geld und Kredit und die Schumanplan- oder, wie wir sie nennen, Rohstoffabteilung III.
Ich komme nun auf die einzelnen Abteilungen zu sprechen. Bei der Abteilung I ist das wesentliche Kennzeichen die Einrichtung des sogenannten internationalen Wirtschaftsausschusses, der aus einer Reihe von Wirtschaftlern besteht, die nur von Fall zu Fall, wenn sie für die Beschickung von internationalen Rohstoffkonferenzen gebraucht werden, in Erscheinung treten und im übrigen ihrer zivilen Beschäftigung nachgehen. Es handelt sich dabei um 13 Herren, deren Stellen als S-Stellen ausgewiesen sind. Immerhin erfordert gerade diese Abteilung einen erheblichen Aufwand an Reisekosten. Wir erfuhren übrigens weiter bei dieser Gelegenheit, daß das Ministerium an Schwerbeschädigten insgesamt 7,8 % der gesamten Belegschaft eingestellt hat.
Die Abteilung II hat eine sehr bemerkenswerte Ausweitung erfahren. Den sehr eingehenden Wünschen des Handwerks und des Handels ist hier zum ersten Mal Rechnung getragen worden, indem die beiden Unterabteilungen Handwerk und Handel in Erscheinung getreten sind, beide in einer Planstellenbesetzung, die den Wünschen des Handwerks und des Handels in ungefähr Rechnung trägt. Bei der Diskussion über diese neuen Stellen kam es allerdings zu einigen auseinandergehenden Ansichten. Die Opposition forderte, daß der Dirigent gleichzeitig auch noch das Referat 1 übernehmen sollte. Man hat sich schließlich zu dem Entschluß durchgerungen, wonach innerhalb der Handwerksabteilung die Ministerialratsstelle - A 1-Stelle - vom Referat 1, wo sie ursprünglich aufgestellt war, auf das Referat 2 übertragen werden soll.
Wir haben dann weiter eine eingehende Aussprache über die Abteilung II A 5 gehabt.
({4})
Wir haben zur Kenntnis genommen, daß die Abteilung Fremdenverkehr jetzt der ausschließlichen
Kompetenz des Bundeswirtschaftsministeriums
unterstellt ist und also die hier immer noch schwebenden Kompetenzstreitigkeiten mit dem Bundesverkehrsministerium ausgeschaltet sind. Beschlossen wurde ferner, im Rahmen der Abteilung II
das Referat II B 2 Berufsausbildung vorzuziehen
und zweckmäßigerweise in das Referat II A miteinzugliedern.
Was die Abteilung III anbetrifft, so handelt es sich hier um etwas zum Teil vollkommen Neues; denn hier wird sozusagen das deutsche Korreferat zu der Montanbehörde geschaffen, und zwar handelt es sich zunächst um sechs große Referate, die im Rahmen der Abteilung III D eingerichtet worden sind, während der übrige Rahmen aus der bisherigen Grundstoffabteilung herausgenommen wor({5})
den ist und in der neuen Abteilung Platz gefunden hat. Es ist vorgesehen, daß die Herren in diesen sechs Referaten die deutschen Interessen gegenüber der Montanbehörde wahrzunehmen haben. Dieser Abteilung wird also eine ganz außerordentliche Bedeutung zukommen, um so mehr, als gerade diese Abteilung für die Personalauswahl für die deutsche Beschickung der Montanbehörde mitverantwortlich zeichnen wird. Allerdings ist nicht vorgesehen, die neuen Referatsleiter später der Montanbehörde etwa in Bausch und Bogen sozusagen zu überstellen, sondern es ist im Gegenteil geplant, diese Abteilung mit sehr erfahrenen Fachleuten zu besetzen, um Deutschland die Möglichkeit zu schaffen, ein wachsames Auge auch auf diese Entwicklung zu haben.
Was die anderen Abteilungen IV, V und VI anbetrifft, so hat sich bei der Abteilung V ein neuer Zuwachs an Stellen ergeben, der aus der Ausweitung der Handelsvertragsverhandlungen mit einer Reihe von neuen Staaten herrührt. Heute umfaßt die Abteilung V, die im Grunde genommen selbst schon beinahe ein ausgewachsenes Ministerium darstellt, nicht weniger als 255 Beamte und Angestellte.
Die Abteilung VI ist die Abteilung. - mein Herr Vorredner, der den Haushalt des Bundesfinanzministeriums als Berichterstatter zu behandeln hatte, ging schon darauf ein - Geld und Kredit im Bundesfinanzministerium, die nach der erfreulicherweise eingetretenen Einigung zwischen den beiden Ministerien in das Bundeswirtschaftsministerium übergesiedelt ist, allerdings nicht ohne, wie der Ausschuß feststellen mußte, daß 23 Stellen dabei neu in Erscheinung getreten sind. Inwieweit die Kompetenzen zwischen Bundeswirtschaftsministerium und Bundesfinanzministerium in dieser Beziehung abgeklärt werden, ist Sache der beiden Häuser.' Wir haben uns jedenfalls sehr eingehend nach diesen Dingen im Haushaltsausschuß erkundigt und haben da auch befriedigende Auskünfte erhalten.
Die Bundesstelle für Warenverkehr, der ich mich jetzt zuwenden möchte, hat, wie ich vorhin anführte, eine Neuanforderung von 436 Stellen. Sie schwillt damit auf 976 Stellen für Angestellte und Arbeiter an. Allerdings erhebt sich hier das Problem, das wir im Ausschuß sehr ausführlich diskutiert haben, in welcher Art nun eigentlich ein derartig großer neuer Apparat dirigiert und beaufsichtigt werden soll und kann, und inwieweit Vorsorge getragen worden ist, um den sonst beinahe unvermeidlichen Begleiterscheinungen einer solchen Ausdehnung Einhalt gebieten zu können.
Vorweg war eine haushaltsrechtlich sehr interessante Frage zu klären. Es hatte sich herausgestellt, daß das Bundeswirtschaftsministerium einen wesentlichen Teil dieser 436 Stellen bereits im voraus besetzt hatte. Es ergab sich also hier die Fragestellung: War das jeweilige Ministerium berechtigt, frei über die Summe, die unter Tit. 4 ausgebracht war und die vorweg bewilligt worden war, zu verfügen, oder ist es an die unter Tit. 4 in den Erläuterungen aufgeführten TOA-Positionen gebunden?
Es war eine grundsätzliche und sehr weitreichende Diskussion, die sich hier entspann. Der Bundesrechnungshof hat dazu Stellung genommen. Auch das Bundesfinanzministerium hat sich dazu geäußert. Beide Stellen haben allerdings zugunsten des Bundeswirtschaftsministeriums Stellung genommen und dafür plädiert, daß man, nachdem erst einmal der Titel bewilligt wurde, den Personalreferaten eine gewisse Bewegungsfreiheit zubilligen müsse.
Der Haushaltsausschuß, der dieser Diskussion sehr aufmerksam gefolgt ist, hat sich dann schließlich dazu entschlossen, hier keine Anträge zu stellen; sondern er erwartet eigentlich, daß durch diese Diskussion ein guter Brauch geschaffen wird, der hoffentlich auf die Dauer auch in den zuständigen Ministerien seine Beachtung finden und durch das Gewohnheitsrecht zu einem befriedigenden Verhältnis für beide Teile - Haushaltsausschuß bzw. Bundesfinanzministerium und die anderen Ministerien - führen wird.
Von Seiten der Bundesstelle für Warenverkehr ist die dabei aufgetretene Frage, ob überhaupt mit einem so winzigen Bruchteil an Beamten eine so große Zahl von Angestellten dirigiert und geleitet werden könnte, dahingehend beantwortet worden, daß wir merkwürdigerweise dort keinen allzu großen Wechsel, wie er befürchtet worden ist, zu beobachten hatten. Die Befürchtung lag nahe, daß angesichts der sehr großen Machtvollkommenheit, die hier in die Hände neu eingestellter Angestellter gelegt werden würde, die Versuchung nahegelegen hätte, aus diesen nicht sehr gut bezahlten Stellen der Bundesstelle für Warenverkehr in die besser bezahlten Stellen der Wirtschaft her-überzuwechseln. Ein solcher von uns befürchteter großer Wechsel hat zum Glück nicht stattgefunden. Die Fälle, in denen sich Beanstandungen gegenüber dem Verhalten von Angestellten ergeben hätten, sind denkbar gering.
Durch die Ausweitung des Personals konnte man immerhin erfreulicherweise die Klagen der Wirtschaft abstellen. Fälle, deren Bearbeitung früher acht Wochen dauerte, werden jetzt in zwölf bzw. vier Tagen bearbeitet; also insgesamt eine sehr erfreuliche Entwicklung, die auch vom Standpunkt der Wirtschaft aus - das wurde 'ausdrücklich gesagt - sehr begrüßt worden ist.
Dabei taucht allerdings die mit Recht erhobene Frage auf, warum denn nicht bei einer solchen Behörde auch wiederum Gebühren erhoben werden, um diese Ausgaben für eine so große Stelle mit 976 Angestellten und Arbeitern abzudecken. Dabei ist uns in Aussicht gestellt worden - wir haben natürlich zur Kenntnis genommen, daß das Bundesfinanzministerium sich mit einer gewissen Befriedigung auf diese Möglichkeit gestürzt hat -, daß hier Gebühren erhoben werden und dadurch ein wesentlicher Teil dieser Ausgaben gedeckt werden kann und wird.
Kap. 3 - die Physikalisch-technische Bundesanstalt - ist durch einen Besuch des Ausschusses geprüft worden. Die dort neu hinzutretenden Stellen haben sich als absolut notwendig erwiesen. Dieses Institut, das eine so ganz außerordentliche Bedeutung für die Geltung der deutschen Wirtschaft im Ausland und Inland besitzt, ist noch im Aufbaustadium. Hier werden in den nächsten Jahren noch ganz erhebliche Summen in neue Gebäude und Geräte investiert werden müssen.
Ich bin damit im wesentlichen am Ende der hier neu zur Beratung stehenden Stellen angelangt und darf mich nur noch ein wenig mit der finanziellen Seite der Sache befassen. Dieses Ministerium hat ja die Eigentümlichkeit, daß es ungewöhnliche Einnahmen und ungewöhnliche Ausgaben ausweist. Auf der Einnahmenseite haben wir nicht weniger als 42,8 Millionen DM zu verzeichnen und beim außerordentlichen Haushalt nicht weniger als
({6})
139,9 Millionen DM. Hier sind zum ersten Male die Verkaufserlöse der STEG in Erscheinung getreten. Insgesamt weist also das Ministerium im ordentlichen und außerordentlichen Haushalt einen Überschuß von 26,1 Millionen DM aus.
Allerdings ist zu den Einnahmen in Höhe von 42,8 Millionen DM noch einiges zu sagen. Es handelt sich hier um die sich jetzt schon wie ein roter Faden durch die Beratungen des Haushaltsausschusses der letzten Jahre hinstreckende Behandlung der Frage, in welcher Höhe aus dem bis jetzt gesperrten Konto der Mineralöl G. m. b. H. in Hamburg in Höhe von 27,9 Millionen DM, zu denen noch 1,8 Millionen DM Zinsen hinzutreten, also insgesamt 29,7 Millionen DM, Beträge an das Bundesfinanzministerium oder überhaupt an ein Ministerium abgeführt werden. Es ist hier zu sehr langwierigen Verhandlungen zwischen den zuständigen Ministerien und der Mineralöl-Gesellschaft gekommen. Das Angebot der einen Seite lag zuerst bei 10 Millionen DM; heute liegt es bereits bei 22 Millionen DM. Der Bundesrechnungshof hielt allerdings 30 Millionen DM für gut und billig. Wie dieser Handel ausgehen wird, wissen wir zur Zeit noch nicht. Es ist nur zu hoffen, daß hier eine möglichst hohe Abschöpfung eintritt und daß infolgedessen die Einnahme, die mit 42,8 Millionen Dlvi ausgewiesen ist, tatsächlich auch diese Höhe erreichen wird.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung zu Einzelplan IX. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses, Drucksache Nr. 3532, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Das erste war die Mehrheit; der Einzelplan ist angenommen.
Der Abgeordnete Arndgen hat gebeten, den Einzelplan XI, Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit, eine kurze Zeit zurückzustellen, da er augenblicklich als Berichterstatter im Vermittlungsausschuß benötigt wird.
Ich rufe also zunächst auf den
Einzelplan XII - Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr ({0}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Bärsch. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Bärsch ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Nachtrag zum Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr, Einzelplan XII, sieht Mehreinnahmen beim Einnahmesoll in Höhe von 157 000 DM und Mehrausgaben von rund 29,2 Millionen DM im ordentlichen Haushalt und 15,3 Millionen im Extraordinarium vor. Er schließt demnach mit einem Zuschußbedarf von 44 336 000 DM ab.
Von den im Nachtrag des Verkehrsministeriums enthaltenen Ergänzungen bedarf zunächst der besonderen Erwähnung die Personalvermehrung im Kapitel des Ministeriums selbst, die im wesentlichen durch den Aufbau einer neuen Luftfahrtabteilung bedingt ist. Ferner enthält der Nachtrag im Kapitel 14, Deutscher Wetterdienst, eine Ausgabenvermehrung in Höhe von rund 2.2 Millionen DM für Aufgaben, die im Jahre 1951 von der Besatzungsmacht auf den Deutschen Wetterdienst zurückübertragen worden sind. Es handelt sich dabei um die Übergabe von fünf aerologischen
Stationen einschließlich Berlin-Tempelhof, Dienststellen, die im Rahmen internationaler Vereinbarungen meteorologische Messungen durchführen, sowie um den Flugwetterdienst in der britischen Zone und in Berlin-Tempelhof.
Weiter sind in einem neuen Kapitel 15 erste Ausgabemittel für Flugsicherungsaufgaben ausgebracht worden, die ebenfalls inzwischen auf den
Bund übergegangen sind.
Beim Kraftfahrbundesamt, Kapitel 9, das vor wenigen Wochen von Bielefeld in die Grenzstadt Flensburg verlegt worden ist, sind Mittel in Höhe von einer halben Million DM zusätzlich erforderlich geworden durch die Übernahme der bayerischen Sammelstelle für Nachrichten über Kraftfahrzeuge und durch die Einbeziehung Berlins in die Zuständigkeit des Amtes.
Schließlich ist bei den fortdauernden Ausgaben des ordentlichen Haushalts noch eine Verstärkung der Mittel bei den Unterhaltungstiteln der Bundeswasserstraßen in Höhe von rund 8,3 Millionen DM und bei den Unterhaltungstiteln der Bundesstraßen und Bundesautobahnen in Höhe von 1,7 Millionen DM zu erwähnen.
Unter den einmaligen Ausgaben des ordentlichen Haushalts befindet sich unter anderen die Betriebsbeihilfe für die See-, Küsten- und Binnenschiffahrt zur Verbilligung von Dieselkraftstoffen, die bei dem in der Dieselkraftstoffverordnung vom 6. Juni 1951 vorgesehenen Beihilfesatz von 22 DM für 100 kg einen Betrag von 14,7 Millionen ausmacht.
Im außerordentlichen Haushalt müssen die mittelfristigen verzinslichen Darlehen an die Hansestädte Hamburg und Bremen in Höhe von 12 Millionen DM zum Wiederaufbau ihrer Seehäfen und die Beteiligung des Bundes an der Erhöhung des Aktienkapitals der Rhein-Main-Donau-AG für die Gründung der Donaukraftwerk Jochenstein AG erwähnt werden. Das Jochenstein-Kraftwerk soll in der Donau unterhalb von Passau von der deutschen Bundesrepublik und der Bundesrepublik Österreich als Laufkraftwerk gemeinsam errichtet werden. Bei einem Bauaufwand von rund 150 Millionen DM wird das Kraftwerk durchschnittlich 920 Millionen kWh pro Jahr erzeugen.
In Kap. 14 Seewasserstraßenverwaltung sind erstmalig Mittel in Höhe von 400 000 DM für den Wiederaufbau der Wasserbau- und Seezeichenanlagen auf Helgoland sowie zusätzliche Mittel in Höhe von 400 000 DM für das Leda-Sperrwerk bei Leer vorgesehen.
Die übrigen Ansätze des außerordentlichen Haushalts gleichen sich in Mehrausgaben und Einsparungen aus. Es handelt sich um Ausgleiche, deren Notwendigkeit sich im Laufe des Jahres bei den einzelnen Bauvorhaben ergeben hat.
Die in den Beratungen des Haushaltsausschusses gegenüber der Vorlage vorgenommenen Änderungen sind im wesentlichen redaktioneller Natur. Änderungen der in der Vorlage enthaltenen Ansätze sind nicht vorgenommen worden.
Der neugeschaffene Einnahmetitel 10 bei Kap. 9 und die Ergänzung des Ausgabetitels 32 bei dem gleichen Kapitel stehen in einem Zusammenhang. Durch die Ergänzung soll dem Kraftfahrzeugbundesamt die Möglichkeit eröffnet werden, Sonderermittlungen des Bestandes an Kraftfahrzeugen bestimmter Größenordnung, Typen usw. im Auftrage und auf Kosten der Kraftfahrzeugindustrie anzustellen. Die Kraftfahrzeugindustrie ist an sol({2})
chen Erhebungen vielfach sehr interessiert, weil sie daraus schließen kann, welche Tendenz der Kraftfahrzeugmarkt bei dem einzelnen Kraftfahrzeugtyp vermutlich in der Zukunft zeigen wird.
Schließlich hat sich die Ergänzung der Zweckbestimmung des Tit. 5 in Kap. E 11 des außerordentlichen Haushalts, der die Darlehen an die Handelsschiffahrt betrifft, durch die Worte „und unter sonstigen Bedingungen" als zweckmäßig erwiesen. Da sich die betriebswirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Verhältnisse der Seeschiffahrt in den letzten Jahren zum Teil bereits spürbar verbessert haben, ist es in vielen Fällen nicht mehr notwendig, den Darlehensnehmern die erleichterten Bedingungen des Wiederaufbaugesetzes zu gewähren. Der Zusatz zur Zweckbestimmung stellt sicher, daß in diesen Fällen Darlehen aus diesem Haushaltstitel auch zu kommerziellen Bedingungen gewährt werden können.
Der Ausschuß hat sich des weiteren mit vier Anträgen befaßt und schlägt dem Plenum vor, die beiden Anträge Drucksachen Nr. 2149 und Nr. 2206 der Bundesregierung als Material zu überweisen, damit sie im Rahmen kommender Etatplanungen Berücksichtigung finden können. Bezüglich der beiden anderen Anträge Drucksachen Nr. 2179 und Nr. 3124 schlägt der Ausschuß vor, sie als erledigt zu erklären, da bereits im Haushalt 1952 entsprechende Mittel eingeplant sind.
Insgesamt schlägt der Haushaltsausschuß dem Hause die Annahme des Nachtrags zum Einzelplan XII in unveränderter Form und die Annahme der Ergänzung zum Nachtrag mit den Veränderungen auf der Drucksache Nr. 3535 vor.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Erörterung eines Etats gibt auch Gelegenheit, Wünsche anzubringen, und in diesem Sinne möchte ich mich hier an den Herrn Verkehrsminister wenden. Es handelt sich um eine Angelegenheit, über die zu klagen ich schon oft Veranlassung gefunden habe und die trotzdem gar nicht abgestellt wird. Bei dem Zustand der deutschen Straßen fällt einem eins auf. Die große Zahl der Verkehrsunfälle wird so oft beanstandet, und man hat bisher seine Aufmerksamkeit nie dem Umstand geschenkt, daß sich auf einer ungewöhnlich großen Zahl von Straßen bei uns ein Pflaster befindet, das, wenn es auch sonst gut ist, jedenfalls einen verhältnismäßig großen Prozentsatz der Unfälle für sich allein schon verursacht. Das ist das abscheuliche Rutschpflaster, das man hier im Rheinland. wo wir Basalt haben. unbearbeitet einfach der Abnutzung und dem Gebrauch überläßt. Nun kommt 01 darauf, und der normale Verschleiß trägt dazu bei, daß es eisglatt wird. Dann kommt es vor -- sehr häufig z. B. bei uns in Westfalen -, daß sich an einem Sonntag an einer Straße, an einer Stelle, an der es Jahr für Jahr immer weiter so geht, vier schwere Autounfälle mit zwei oder drei Toten ereignen, weil es nach einer längeren Trockenperiode gerade einmal geregnet hat.
Und es geschieht nichts! - Doch, es geschieht etwas: der Staatsanwalt erhebt Anklage gegen den Fahrer, weil er nicht die entsprechende Sorgfalt walten ließ. Der Mann weiß gar nicht, wie das Unglück geschah. Er kommt von auswärts, ist vielleicht ein rheinischer Fabrikant, der gar nicht ahnt, auf welche Straße er geriet, und der nicht versteht, warum er trotz Beachtung der nötigen Sorgfalt ins Rutschen geriet. Aber an den Straßenbauer, der, am Schreibtisch sitzend, sich mit aller Überlegung ausdenken könnte, was für Gefahren ein solcher Straßenzustand heraufbeschwört, hat bislang noch kein Staatsanwalt gedacht. Ich habe jetzt in Münster dem Staatsanwalt gesagt: Lieber Herr, das muß aufhören, jetzt nehmen Sie sich bitte einmal die Straßenbaumeister vor, die heute noch solche Straßen bauen.
({0})
Wir können natürlich nicht alle Straßen neubauen oder umbauen, aber denken Sie einmal an die vorhandenen Methoden, die Straßen stumpf zu machen. Ich habe mit Ihnen, Herr Bundesverkehrsminister, darüber korrespondiert. Man fängt damit an, aber es hat sich bis unten noch längst nicht herumgesprochen, dieses Hitze-Aufrauhverfahren. In der Nähe von Bonn hat man andere Methoden angewandt, die gar nicht so teuer sind. Man spritzt die Straßen von Zeit zu Zeit, dann sind sie wenigstens etwas stumpfer. Im großen und ganzen aber geschieht nichts, als daß man Schilder mit der Aufschrift anbringt: „Vorsicht! Rutschgefahr!", und dies meistens in einer so kurzen Entfernung, daß man kaum noch in der Lage ist, sich rechtzeitig auf diese Sache einzurichten. Das Merkwürdige bei der Sache ist, daß man solche Straßen in diesem mörderischen Zustand nur hier, in Westdeutschland findet. Man kann Tausende von Kilometern in anderen Ländern herumfahren, und man wird nie auf Schilder „Achtung! Rutschgefahr!" stoßen. Hier glauben die Behörden, sie hätten genug getan, wenn sie Warnschilder aufrichteten, während man anderswo dem Unheil zu Leibe rückt.
({1})
- Wir sind wirklich rückständig in dieser Hinsicht. Es sollte etwas geschehen. Wenn ein Unfall vorkommt, hat immer einer die Schuld. Es ist ja immer ein Fahrer dabei beteiligt, und den kriegt man dran. Dann führt man diesen Unfall auf eine Ursache zurück, auf Alkohol, Ermüdung oder mangelnde Sorgfalt. Dabei ist aber, wenn man es in Prozenten ausdrücken könnte, der bedeutend wichtigste Prozentsatz der liederliche Zustand der Straßen.
Ich möchte den Herrn Verkehrsminister bei dieser Gelegenheit mit allem Nachdruck darauf aufmerksam machen, daß hier mehr als bisher geschehen muß. Das mag man unter Umständen auf Kosten der Neuanlegung von Straßen tun. Dies ist eine wichtige Reparatur, bei der jeder aufgewandte Tausendm arkschein ein Menschenleben sparen kann. Ich lege Ihnen dieses Anliegen dringend ans Herz!
Herr Abgeordneter Dr. Reismann, darf ich Ihnen vorschlagen, vielleicht auch den Änderungsantrag Umdruck Nr. 619 zu begründen?
({0})
Dann der Herr Bundesminister für Verkehr!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Reismann geben mir Veranlassung, einige Klarstellungen zu treffen. Zunächst einmal: Wenn Herr Abgeordneter Reismann in anderen Ländern keine Basalt({0})
straßen findet, so liegt das daran, daß dort keine Basaltvorkommen sind. Sie wissen, daß die Basaltvorkommen im Westerwald sehr wesentlich für die Arbeitsmöglichkeiten dieses Gebietes und damit für die Bevölkerung sind. Wir haben in früheren Zeiten, gerade weil in diesen Gebieten immer eine gewisse Notlage herrschte, einen sehr starken Hang zu beobachten gehabt, weitgehend Basalt für Kleinpflasterung und Straßenbau zu verwenden, um dort Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Wer heute gegen diese Basaltstraßen grundsätzlich auftritt, der wird sich nicht eines großen Wohlwollens in diesen sehr armen und auf die Steinindustrie angewiesenen Gebieten erfreuen.
({1})
Wir können den Basalt, der dort gebrochen wird, sonst nur noch bei der Befestigung der Kanäle und der Küsten - in großen Säulen - verwenden. Was aber an Nebenmaterial abfällt, ist eben für die Straßenbefestigung geeignet, geeignet in jenem Sinne, wie man früher die Straßenbefestigung vorzunehmen pflegte. Basaltstraßen sind außerordentlich haltbar. Sie haben gegenüber den Straßen mit Granitpflaster, wie wir sie in Ostdeutschland und Mitteldeutschland hatten, weil dort eben keine Basaltvorkommen, sondern Granitvorkommen anstehen - ich erinnere an die großen Granitvorkommen von Schlesien und Sachsen - allerdings Nachteile. Wir haben bei den Granitstraßen natürlich wegen der Körnigkeit des Gesteins, das sich nicht abschliff, eine wesentlich bessere Griffigkeit. Aber auch auf diesen Straßen war es so, daß, wenn bestimmte Verhältnisse vorlagen, etwa durch Ölflecke oder durch eine nur geringe Feuchtigkeit, auch diese Kleinpflasterstraßen rutschig wurden. Bei dem Basalt handelt es sich bekanntlich geologisch um ein Ergußgestein und nicht, wie beim Granit, um ein Tiefengestein; infolgedessen ist die Struktur des Gesteins glasig mit relativ wenigen Kristalleinschlüssen.
Daher besteht die Notwendigkeit, wenn dieses Gestein abgeschliffen ist, es wieder aufzurauhen. Die Aufrauhmethoden, die entwickelt worden sind. sind in den letzten Jahren geprüft worden. Wir haben daneben auch Überzugsdecken und wir haben neuartige Vergußmethoden angewendet. Aber man muß , da diese Methoden nicht unerhebliche Aufwendungen pro Quadratmeter erfordern, zunächst einmal die notwendigen Dauerversuche machen, um sich über die Bewährung der verschiedenen Methoden zu unterrichten. Wir haben in großem Umfang solche Basaltstraßen gerade in Schleswig-Holstein und in der Hamburger Gegend, wo es sie auch gibt, obwohl dort keine derartigen Vorkommen in der Nähe sind, und zwar mit recht gutem Erfolg überarbeitet.
Der Nachteil, den die Basaltstraßen haben, liegt vor allen Dingen darin, daß sie, vor allem im Gehiet von Rheinland-Westfalen, oft in gewölbter Form angelegt worden sind. Diese gewölbte Form ist es eigentlich, die im wesentlichen die mit den Basaltstraßen verbundenen Schwierigkeiten hervorruft. Im großen und ganzen darf man aber sagen. daß die Fahrer auf diesen Straßen die besonderen Gefahren auch kennen. Wir haben sehr eingehende Statistiken gerade in den letzten Jahren über die Verkehrsunfälle auf den Straßen
aufgestellt und müssen feststellen, daß von den Unfällen nur 20 % auf den Zustand der Straßen und der Fahrzeuge, 80 % hingegen auf die Unzulänglichkeit der Menschen entfallen.
Herr Abgeordneter Dr. Reismann!
Nur 20 Prozent entfallen auf die Unzulänglichkeit der Straßen, meint der Herr Minister. „Nur jeder fünfte Tote" entfällt also auf die Unzulänglichkeit der Straßen. Seine Familie jedenfalls würde mit dieser Antwort - so wie ich - nicht zufrieden sein. Denn das „nur" stimmt nicht bei dieser großen Zahl.
Aber darin steckt noch ein Fehler; ich deutete das eben schon an. Hätten die 80 % Fehler, die die Fahrer begangen haben, oder die 80 % - oder wieviel es sein mögen -, die an den Fahrzeugen liegen, hätten die dann auch zu Unfällen geführt, wenn nicht der miserable Zustand dieser Straßen dazugekommen wäre? Ganz offensichtlich doch nicht oder in vielen Fällen doch nicht. Nicht in allen Fällen, das will ich nicht behaupten; aber in vielen Fällen ist der Zustand der Straßen mit ursächlich und gibt den letzten Anstoß, daß überhaupt ein Unfall zustande kommt, während sonst nichts passieren würde.
Ja, die Straßendecken sind gewölbt, sagt der Herr Minister. Das ist natürlich ein zusätzlicher Mangel. Aber ich bin selbst Autofahrer und fahre selber stets am Steuer. Ich weiß, daß selbst wenn die Straßen nicht gewölbt sind, die Rutschgefahr auf ,den Basaltstraßen außerordentlich groß ist.
Nun sagt der Herr Minister: Damit macht man sich nicht zum Freund der Leute, die auf die Produktion von Basalt angewiesen sind. Da muß man zweierlei unterscheiden. Zunächst ist folgendes zu fragen. Wenn der Basalt in „nur" 20 % aller Fälle plus der Prozentzahl, in denen er m i t ursächlich ist, die Ursache für Todesfälle und schwere Unfälle gibt, ist es dann ein Grund, dieses ungeeignete Material weiter zu verwenden, da es sonst keine Verwendung finde? Keineswegs! Es ist aber auch nicht richtig, daß man eine Verwendung von Basalt schlechthin ausschließen müßte; denn es gibt ja die Möglichkeit, auch bei ,dem Basalt die Rutschgefahr zu vermeiden, also doch Basalt zu verwenden. Man geht jetzt dazu über, die Straße mit Basalt zu belegen, weil er außerordentlich haltbar und dauerhaft ist, darüber aber eine andere Decke zu legen, die griffiger ist, die das Ausrutschen verhindert; oder man rauht das Basaltpflaster auf, was bisher fast überhaupt nicht geschehen ist.
Ich habe wegen der Vergangenheit dem Herrn Minister keinen Vorwurf gemacht. Die Verfahren sind, wie ich weiß - ich habe mit ihm darüber korrespondiert -, zum Teil erst in den letzten Jahren entwickelt worden. Worauf ich aber hinweisen möchte, das ist, daß für die Zukunft in dieser Hinsicht mehr geschehen muß, meinetwegen ruhig unter Verwendung von Basalt; aber dann muß der Basalt so behandelt werden, daß die Griffigkeit, die bisher gefehlt hat, nunmehr kommt und die Basaltstraßen nicht mehr ein Moloch sind, der täglich, wöchentlich und monatlich Hunderte von Menschenleben fordert.
({0})
Der Herr Bundesminister für Verkehr.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir würden sehr gern in größerem Umfang diese Straßen aufrauhen und verbessern, wenn wir entsprechende Mittel im Haushalt hätten. Es liegt an Ihnen, meine
({0})
sehr verehrten Damen und Herren, uns diese Mittel zu bewilligen.
({1})
Zur Begründung des dahingehenden Antrags hat das Wort der Abgeordnete Dr. Decker.
Dr:lng. Decker ({0}): Die Behandlung dieses Antrags macht haushaltstechnisch Schwierigkeiten. Der Herr Bundesfinanzminister hat sie bereits dargelegt. Wir ziehen deshalb diesen Antrag zurück und werden ihn unabhängig von der heutigen Tagesordnung später wieder stellen.
Herr Abgeordneter Mellies.
Dem Herrn Bundesverkehrsminister möchte ich auf seine letzte Bemerkung nur sagen, daß er sich zunächst einmal an die zuständige Stelle wenden muß, das ist nämlich der Herr Finanzminister und dann das Bundeskabinett. Wir haben uns ja voriges Jahr im Haushaltsausschuß darüber unterhalten. Im Bundestag haben wir zunächst über die Vorlagen des Kabinetts zu beschließen. Sorgen Sie dafür, daß Sie mit Ihren Kollegen soweit kommen, daß uns eine andere Kabinettsvorlage unterbreitet wird. Dann wird auch hier die Geschichte viel leichter gehen.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Besprechung ist geschlossen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3535. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Einzelplan ist angenommen.
Der Abgeordnete Dr. Bärsch hat bereits über den Inhalt der Drucksache Nr. 3571 berichtet. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3571 zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Er ist angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan XIII - Haushalt des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen ({0}).
Auch hier ist der Abgeordnete Dr. Bärsch Berichterstatter.
Dr. Bärsch ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich brauche auch zum Einzelplan XIII, Haushalt des Bundesministeriums für das Post- und Fernmeldewesen, nur ein kurzes Wort zu sagen. In diesem Haushalt sind im Extraordinarium Mittel in Höhe von 1 Million DM zusätzlich eingestellt worden, um das Umlaufs-vermögen der Bundesdruckerei zu erhöhen. Diese Erhöhung ist infolge des gesteigerten Umsatzes einerseits und der Papierverknappung andererseits notwendig geworden und mußte in dieser Form als Kapitaleinlage erfolgen, weil die Reichshaushaltsordnung und die Reichswirtschaftsbestimmungen eine andere Form nicht ermöglichen.
Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen vor, dieser Erhöhung zuzustimmen und die Vorlage unverändert anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3536 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf den
Einzelplan XIV, Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau ({0}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hoffmann ({1}). Bitte schön!
Hoffmann ({2}) ({3}) Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Ersten Nachtrag und Ergänzungshaushalt zum Bundeshaushaltsplan 1951, Einzelplan XIV - Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau - sind folgende Punkte besonders erwähnenswert. Die im Nachtragshaushalt 1951 gestrichenen 91 Millionen DM für den Sozialen Wohnungsbau sind in denselben wieder eingesetzt worden und fallen somit aus dem Ergänzungshaushalt 1951 wieder weg. Diese 91 Millionen waren vom Bundesfinanzminister gestrichen worden, weil er mit den Ländern über den Anteil des Bundes an der Einkommen-und Körperschaftsteuer der Länder nicht einig geworden war. Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat in der 200. Sitzung des Deutschen Bundestages am 20. März 1952 bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs über den Ersten Nachtrag und die Ergänzung zum Haushalt für 1951 ausgeführt, daß auf Grund der in der Zwischenzeit eingetretenen Steigerung der Einnahmen aus der Umsatzsteuer und den Verbrauchsteuern die ursprünglich beabsichtigte Streichung von 91 Millionen DM nicht vorgenommen zu werden brauche. Dafür müßten aber die im Ergänzungshaushaltsplan im Abschnitt „Außerordentlicher Haushalt" vorgesehenen 100 Millionen DM in Fortfall kommen. Somit stehen für den Sozialen Wohnungsbau und für den Wohnungsbau für Bundesbedienstete Beträge in der gleichen Höhe wie im Rechnungsjahr 1950, also 400 Millionen DM, zur Verfügung.
Neu hinzugekommen sind im ordentlichen Haushalt folgende wesentlichen Ausgaben. Erstens die Beträge zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus, Tit. 35, in Höhe von 68 750 000 DM. Diese Ausgaben werden durch die Einnahmen aus der Kohlenbergbauabgabe gedeckt. Aus der Kohlenbergbauabgabe gehen zur Zeit ca. 17 bis 18 Millionen DM monatlich ein. Zweitens die Grundsteuerbeihilfe, Tit. 37, auf Grund des § 29 des Grundsteuergesetzes in Höhe von 15 Millionen DM. Es handelt sich hier um Erstattungen an die Gemeinden, die durch den Ausfall von Grundsteuern entstanden sind.
Bezüglich der Änderungen bzw. Erhöhungen bei Kap. 1 und Kap. 2, sächliche und Verwaltungsaufgaben, darf ich auf die letzte Seite des vorgelegten Materials verweisen. Hier ist noch folgendes zu bemerken. Der Stellenanteil ist um 88 Personen gestiegen. Davon sind 30 aus dem Etat für das Amt Bundeszone übernommen worden. Es ist also eine Vermehrung um 58 Stellen eingetreten. Dies wird damit begründet, daß eine starke Arbeitsvermehrung im Ministerium für Wohnungsbau erfolgt sei. Bereits während der Haushaltsberatungen 1950 kam der Haushaltsausschuß übereinstimmend zu
({4})
der Auffassung, daß das Amt Bundeszone zum überwiegenden Teil eine ministerielle Tätigkeit ausübe und daß infolgedessen eine Überführung dieser nachgeordneten Dienststelle in das Ministerium angebracht sei. Der Ausschuß gab der Bundesregierung zu verstehen, daß im nächsten Haushaltsjahr eine Bereinigung dieser Frage notwendig sei. Dies konnte aber zunächst nicht erfolgen, da der Haushalt 1950 auf das Jahr 1951 überrollt wurde. Eine Bereinigung mußte also dem Nachtrag 1951 vorbehalten bleiben. Das ist auch insofern erfolgt, als das Bundesfinanzministerium in der Ergänzungsvorlage vorgeschlagen hat, das Amt Bundeszone mit Wirkung vom 1. Oktober 1951 in das Wohnungsbauministerium zu überführen. Diesem Zeitpunkt konnte der Haushaltsausschuß aber nicht zustimmen, da er die Auffassung vertreten mußte, daß eine Überführung zum 1. April 1950 zu erfolgen habe. Dagegen wurde eingewandt, daß die Verzögerung der Vorlage des Haushalts eine fristgemäße Bereinigung der Angelegenheit zu diesem Zeitpunkt noch nicht ermöglicht habe.
Die Personalvermehrung Tit. 1 und 4 ist weiterhin durch den Ausbau des Wohnungsrechtsreferats und durch die Einrichtung eines Luftschutz- und Frauenreferats erfolgt.
Im übrigen verweise ich auf die vorliegende Drucksache Nr. 3537 und auf den Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses. Namens des Haushaltsausschusses bitte ich das Hohe Haus, entsprechend dem Antrag Drucksache Nr. 3537 zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage Drucksache Nr 3537 zuzustimmen wünschen,
eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende
Mehrheit. Der Einzelplan ist angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan XV - Haushalt des Bundesministeriums für Vertriebene ({0}).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Probst. Bitte schön!
Frau Dr. 'Probst ({1}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der Ergänzung zum Ersten Nachtrag zum Haushalt des Bundesministeriums für Vertriebene - Einzelplan XV - für das Rechnungsjahr 1951 kommt das Anwachsen der Aufgaben des Bundesministeriums für Vertriebene zum Ausdruck. Die Ausweitung der internationalen Diskussion spiegelt sich wider bei den sächlichen Verwaltungsausgaben des Kap. 1 in Tit. 30, in dem gegenüber dem bisherigen Ansatz ein Mehr von 10 000 DM für „dienstliche Reisen ins Ausland" veranschlagt ist. In Tit. 32 - kulturelle und sonstige Betreuung - tritt eine Erhöhung des Haushaltsansatzes um 350 000 DM ein, so daß in diesem Titel im abgelaufenen Jahr insgesamt 600 000 DM zur Ver- Fügung standen. Neben der Bezuschussung der zentralen Aufgaben der Vertriebenenorganisationen mit 235 000 DM sind 365 000 DM ausgewiesen zur Erhaltung und Auswertung des kulturellen Heimaterbes des deutschen Ostens sowie der wissenschaftlichen Flüchtlingsforschung. Der Tit. 36 - Unterstützung der Kriegsgefangenen, Straf-und Untersuchungsgefangenen und Internierten - wir d um 900 000 DM erhöht, insbesondere im Zusammenhang damit, daß seit 1. Oktober 1951 durch die Aufhebung der Postsperre die Möglichkeit besteht, die deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion und in Polen in die laufende Betreuung einzubeziehen. Die Titel 37 und 39 des Kap. 1 - Dokumentation des Schicksals der Kriegsgefangenen und der Zivilverschleppten - wurden um 158 500 DM bzw. 562 000 DM erhöht, auch im Zusammenhang mit der Dokumentation für den Ausschuß für Kriegsgefangenenfragen der Vereinten Nationen. Im Überrollungshaushalt 1951 waren nur Teilbeträge der erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt worden.
In diesem Zusammenhang wurde von mehreren Mitgliedern des Ausschusses betont, daß es notwendig sei, den Flüchtlingssuchdienst möglichst funktionsfähig zu gestalten. Eine haushaltsmäßige Zusammenfassung der für die Dokumentation und für den Flüchtlingssuchdienst ausgeworfenen Mittel ist von mehreren Abgeordneten empfohlen worden.
Ebenso spiegelt sich das Anwachsen der besonderen Aufgaben des Ministeriums bei den persönlichen Verwaltungsausgaben wider. Es sind im Ergänzungshaushalt in Kap. 1 neu geschaffen worden: eine Oberregierungsratsstelle für die Umsiedlung sowie eine Oberregierungsratsstelle, eine Oberinspektorstelle und eine Angestelltenstelle nach TOA II für die Notaufnahme, eine A 2c2-Stelle für Personalien und Haushalt sowie eine Arbeiterstelle.
In der Ergänzung sind in Kap. 2 erstmalig Mittel für persönliche, sächliche und allgemeine Ausgaben für die Notaufnahmelager Gießen, Uelzen und Berlin entsprechend der Übernahme dieser Ausgaben durch- den Bund veranschlagt worden. Es sind für Gießen und Uelzen für die Zeit vom 13. Juni 1951 bis 31. März 1952 und für Berlin für die Zeit vom 1. Februar 1952 bis 31. März 1952 insgesamt 1 242 500 DM veranschlagt worden. Die Errichtung eines Notaufnahmelagers in Berlin führte im Haushaltsausschuß zu einer besonderen Debatte, wobei die Notwendigkeit der Bereitstellung entsprechender Mittel betont wurde.
Der Abschluß des Ersten Nachtrags des Haushalts des Bundesministeriums für Vertriebene sieht in Einnahmen und Ausgaben vor: Kap. 1 1 743 900 DM, Kap. 2 1 245 500 DM. Davon gehen ab 12 700 DM Einnahmen. Der Zuschußbedarf beläuft sich demnach auf 2 976 700 DM.
Die vorliegende Ergänzung zum Ersten Nachtrag zum Haushalt des Bundesministeriums für Vertriebene für das Rechnungsjahr 1951 wurde vom Haushaltsausschuß des Bundestages unverändert angenommen. Ich bitte das Hohe Haus, dem Ausschußantrag zuzustimmen.
Ich danke der Frau Berichterstatterin. Wird das Wort dazu gewünscht? Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Drucksache Nr. 3538 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses; der Einzelplan XV ist angenommen.
Ich rufe auf den
Einzelplan XVI - Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen ({0}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Heiland. Bitte!
Heiland ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Nachtrag des Haushaltsplans XVI für das Jahr 1951 sieht eine Stellenvermehrung bei den persönlichen Ausgaben um 19 Beamtenstellen, 17 Angestelltenstellen und 7 Arbeiterstellen vor. Bei den sächlichen Ausgaben ist die Vermehrung geringfügig, während der Tit. 31 von 11,5 auf 13 Millionen DM erhöht wurde. Die sachliche Notwendigkeit der Erhöhung dieses Titels wurde im Ausschuß mit Mehrheit beschlossen.
Die Stellenvermehrung ergibt sich zu einem Drittel daraus, daß die Vertretung der Bundesrepublik in Berlin bei ,dem Haushaltsplan des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen etatisiert ist und ,die Stellen für die Berliner Vertretung ausgeworfen wurden.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen mit Mehrheit, den Haushaltsplan anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses - Drucksache Nr. 3539 - zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zu
Einzelplan XX - Haushalt des Bundesrechnungshofs ({0}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling.
Dr. Wuermeling ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, der Chronistenpflicht des Berichterstatters in diesem Falle in aller Kürze genügen zu dürfen. Es werden durch den Nachtragshaushaltsplan angefordert an Personalkosten ein Mehr von 82 400 DM und an Sachkosten ein Mehr von 153 900 DM, außerdem außerordentliche Ausgaben zur Einrichtung des erweiterten Bereichs des Bundesrechnungshofs 90 000 DM, insgesamt 326 300 DM. Die Personalkosten, die mehr angefordert werden, sind bestimmt für 33 zusätzliche Beamte, 16 zusätzliche Angestellte und 3 zusätzliche Arbeiter, insgesamt 52 zusätzliche Stellen, so daß die Zahl der Bediensteten sich von bisher 301 auf 353 erhöht.
Mit Rücksicht auf die derzeitige Beanspruchung des Hauses darf ich hinsichtlich der Begründung der Mehrforderung auf die Erläuterung zu Titel 1 der Drucksache Nr. 3200 des Einzelplans XX verweisen und entsprechend dem Beschluß des Ausschusses die unveränderte Annahme der Regierungsvorlage vorschlagen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3540. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Einzelplan XX zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; Einzelplan XX ist angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan XXI, Haushalt der Bundesschuld, Nr. 3541 der Drucksachen.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Wacker. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Wacker ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der erste Nachtrag und die Ergänzung 1951 zum Einzelplan XXI, Haushalt der Bundesschuld, bringen gegenüber dem Hauptplan Erhöhungen insbesondere bei der Verzinsung und bei der Anleihe und eine Ermäßigung bei der Tilgung.
Die in der Ergänzung vorgesehene Erhöhung der Zinsen für die schwebende Schuld um den Betrag von 1,2 Millionen DM auf 71,2 Millionen DM konnte gestrichen werden, da dieser Betrag nicht benötigt wird, wie sich bei der Beratung herausgestellt hat.
In der Ergänzung mußte der Ansatz für Anleihen um 100 Millionen DM gekürzt werden, weil die Ausgaben zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus, dessen Finanzierung zunächst durch Anleihemittel vorgesehen war, jetzt auf den Ordentlichen Haushalt übernommen werden. Die Anleiheermächtigung für 1951 beträgt einschließlich der im Hauptplan enthaltenen Ermächtigung nunmehr 2 143,7 Millionen DM.
Nun noch ein kurzes Wort zur Verschuldung! Die fundierte Schuld enthält bisher im wesentlichen nur Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder und aus der Währungsumstellung von Berlin. Diese Schulden betragen insgesamt rund 6000 Millionen DM. Sie haben sich gegenüber dem Vorjahr unwesentlich geändert. Hinzugekommen sind im Laufe des Rechnungsjahres 1951 die Prämienschatzanweisungen - Baby-Bonds genannt - und die Rentenausgleichsforderungen. In der Schuldenübersicht vom 31. März 1952 sind die Baby-Bonds mit rund 36 Millionen DM und die Rentenausgleichsforderungen mit 1 300 Millionen DM ausgewiesen, für deren Verzinsung durch den Nachtrag 1951 Haushaltsmittel in Höhe von rund 30 Millionen DM angefordert werden.
Die schwebende Schuld hatte am 31. März 1952 gegenüber dem Vorjahr um knapp 100 Millionen DM zugenommen, nämlich von 1157 Millionen DM auf 1253 Millionen DM. Eine Änderung gegenüber dem Vorjahr ist vor allen Dingen dadurch eingetreten, daß sich die kurzfristigen Betriebskredite von 500 Millionen DM auf rund 200 Millionen DM ermäßigt, die unverzinslichen Schatzanweisungen dagegen von rund 200 Millionen DM auf rund 600 Millionen DM erhöht haben.
Der Haushaltsausschuß hat dem ersten Nachtrag unverändert und der Ergänzung mit den vorhin genannten beiden Änderungen, die in der vorliegenden Drucksache aufgeführt sind, zugestimmt. Der Ausschuß bittet um die Zustimmung des Hohen Hauses.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall; ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3541 und bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit des Hauses; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan XXII, Haushalt der finanziellen
Hilfe für Berlin ({0}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Mellies.
Bitte schön!
Mellies ({1}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren, der Bericht kann sehr kurz sein. Sie erinnern sich, daß wir vor Weihnachten das Dritte
({2})
Überleitungsgesetz beschlossen haben. Damit sind die finanziellen Beziehungen zwischen dem Bund und Berlin geklärt und auf eine neue Grundlage gestellt. Vor wenigen Wochen hat auch der Berliner Landtag dieses Gesetz angenommen. Damit sind jetzt wohl die gesetzlichen Voraussetzungen für die Neuregelung voll in Kraft. Sie sehen die Auswirkungen dieser neuen Regelung in den ausführlichen Erläuterungen, die in dem Einzelplan XXII zu Kap. E 1 Tit. 11 gegeben worden sind. Dadurch änderte sich einiges bei dem ursprünglich vorgesehenen Haushaltsplan für die Berlin-Hilfe. Weggefallen ist jetzt das Kap. 4, Zuschuß für die Berliner Polizei, in Höhe von 10 000 DM. Sie sehen, daß der Betrag jetzt im Haushaltsplan des Bundes Einzelplan VI Kap. E 34 veranschlagt worden ist. Die Berlin-Hilfe, die jetzt außerhalb des dritten Überleitungsgesetzes noch vom Bund geleistet wird, besteht in dem Zuschuß zum Berliner Landeshaushalt. Dieser Betrag wird bekanntlich aus dem Aufkommen Notopfer Berlin gedeckt. Ursprünglich war dieser Betrag im Haushalt mit 600 Millionen DM festgesetzt worden. Es hat dann eine Einigung zwischen dem Bundesfinanzministerium und dem Senat in Berlin stattgefunden. Der Betrag, der 1951 an Berlin gegeben worden ist, ist auf 550 Millionen DM festgesetzt worden.
Namens des Haushaltsausschusses bitte ich Sie, dem vorgeschlagenen Einzelplan XXII Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. - Das Wort wird nicht gewünscht.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Bucerius!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist interfraktionell vereinbart - und ich bitte den Herrn Präsidenten und das Haus um Genehmigung -, daß wir den Punkt 18 der Tagesordnung vom Donnerstag bei dieser Gelegenheit mit behandeln. Wenn die Genehmigung erteilt wird, erbitte ich kurz das Wort zu diesem Punkt.
Meine Damen und Herren,
darf ich fragen, ob das Haus einverstanden ist? ({0})
Es ist Punkt 18 der Tagesordnung von heute, Donnerstag:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP/DPB, FU({1}) eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ({2}) ({3}).
({4})
- Bitte!
Meine Damen und Herren! Zunächst eine Druckfehlerberichtigung für das Protokoll. In Art. 1 siebente Zeile sind einige Worte ausgelassen. Hinter den Worten „und des Zweiten Gesetzes" soll es nunmehr zusätzlich heißen „zur Änderung des Gesetzes", und dann geht es im Text weiter „zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ({0}) . . .".
Es ist ferner eine Unterlassung nachzutragen. Das Gesetz erhält einen neuen § 6 g mit folgendem Inhalt:
Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung bestimmen, daß die Steuerfreiheit nach § 6 a Ziffer 1 auf die Lieferung von Gegenständen bestimmter Art keine Anwendung findet, wenn die Steuerbefreiung der Lieferung von Gegenständen dieser Art zu einer Gefährdung der Existenz derjenigen Wirtschaftszweige im Bundesgebiet führen würde, die Gegenstände gleicher Art liefern.
Dem Protokoll gebe ich nachher ein Exemplar. - Auch diese Ergänzung ist interfraktionell vereinbart worden.
Zu diesem Gesetz, das der gegenwärtigen besonderen wirtschaftlichen Lage von Berlin Rechnung tragen soll, ist weiter nichts zu sagen, da der Inhalt interfraktionell vereinbart worden ist. Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich darf, nachdem Sie diese Anträge und den Bericht des Herrn Abgeordneten Dr. Bucerius zur Kenntnis genommen haben,. zunächst über den von Herrn Abgeordneten Mellies vorgetragenen Bericht, den Antrag des Haushaltsausschusses, Drucksache Nr. 3542, abstimmen lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit des Hauses. Der Einzelplan XXII ist angenommen.
Entsprechend Ihrem Wunsch erledigen wir dann den Punkt 18 der Tagesordnung von heute, Donnerstag, die Drucksache Nr. 3612, Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ({0}) unter Berücksichtigung der Änderung und der Ergänzung. Ich darf annehmen, daß diese Änderung und Ergänzung von den Antragstellern gemeinsam eingebracht wird. - Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf eine Besprechung vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist die erste Beratung dieses Gesetzes erledigt.
Ich komme zur
zweiten Beratung.
Ich rufe auf Art 1, Art. 2, Art. 3, Art. 4, Einleitung und Überschrift. Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die ganz überwiegende Mehrheit des Hauses. Diese Artikel, Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Aussprache entfällt, Einzelberatungen ebenfalls, da Änderungsanträge nicht gestellt sind. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin ({1}) - Drucksache Nr. 3612 - in der Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich darf annehmen, daß die Damen und Herren, die nicht aufgestanden sind, dagegen stimmen. - Danke schön! Das Ge({2})
setz ist gegen wenige Stimmen angenommen worden urid damit erledigt.
Ich rufe auf den
Einzelplan XXIII - Allgemeine Finanzverwaltung ({3}).
Berichterstatter ist ebenfalls Herr Abgeordneter Wacker. Bitte, wollen Sie das Wort nehmen, Herr Abgeordneter.
Wacker ({4}) Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für den Einzelplan XXIII - Allgemeine Finanzverwaltung -, der, wie bekannt, die Aufgabe hat, den Zuschußbedarf der übrigen Etats zu decken und den Ausgleich des Haushalts zu bringen, hatte ich bei der Beratung des Hauptplans 1951 in der Sitzung des Bundestags vom 17. Oktober 1951 berichtet, daß der Ausgleich des Haupthaushaltsplans noch keine besonderen Schwierigkeiten bot, weil es sich damals im wesentlichen um einen Überrollungshaushalt handelte. Die Deckung der im Hauptplan 1951 enthaltenen Mehrausgaben gegenüber 1950 erfolgte lediglich durch das konjunkturell bedingte Mehraufkommen der Bundessteuern auf Grund der bei Beginn des Rechnungsjahres, also am 1. April 1951 geltenden Sätze. Einnahmen aus der Erhöhung der Sätze der Umsatzsteuer oder aus der Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und der Körperschaftsteuer spielten noch keine Rolle, ebenso nicht Einnahmen aus neuen Steuerarten.
Im vorliegenden Nachtrag einschließlich Ergänzung ist, zum Ausgleich der Mehrausgaben nunmehr das Mehraufkommen auf Grund von Gesetzen veranschlagt, die inzwischen, d. h. seit dem 1. April 1951, vom Bundestag verabschiedet sind und dem Bund erhöhte Einnahmen zuführen. Hierzu gehören in erster Linie das Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes vom 28. Juni 1951, ferner das sogenannte Dritte Überleitungsgesetz vom 4. Januar 1952, das die finanziellen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin regelt.
Hier darf ich in Erinnerung bringen, daß nach dem letzten Gesetz alle Steuereinnahmen aus Besitz- und Verkehrsteuern und aus Zöllen und Verbrauchsteuern, soweit sie nach Art. 108 des Grundgesetzes dem Bund zustehen, nunmehr auch im Lande Berlin erhoben werden und dem Bund zufließen. Dies ist im Nachtrag 1951 äußerlich dadurch kenntlich gemacht, daß bei den Einnahmen jeweils ein besonderer sogenannter B-Titel aufgeführt ist, bei dem die im Lande Berlin erhobenen Besitz- und Verkehrsteuern, Zölle und Verbrauchsteuern veranschlagt sind. Außerdem gehört hierher das Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommen- und Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 vom 23. Oktober 1951, nach dem, wie Ihnen bekannt, 27 v. H. des Aufkommens im Rechnungsjahr 1951 von den Ländern an den Bund abzuliefern sind. Auch das Land Berlin hat auf Grund des erwähnten Dritten Überleitungsgesetzes diese 27 v. H. abzuführen.
In Auswirkung dieser Gesetze - außerdem für andere Steuern auf Grund von neuen Schätzungen - sind nunmehr im Nachtrag Beträge an Mehraufkommen bei Einnahmen veranschlagt, und zwar - wie sich ergeben hat - sind diese Mehreinnahmen unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Wirtschaftsentwicklung und des bisherigen Aufkommens sorgfältig veranschlagt worden.
Ich gebe einige Summen der im Nachtrag 1951 veranschlagten Mehreinnahmen nur für die wichtigeren Steuern wieder. Ich nenne hier die Umsatzsteuer im Bundesgebiet mit 950 Millionen DM, die gleiche Steuer für Berlin mit 249 Millionen DM; die Umsatzausgleichsteuer im Bundesgebiet 75 Millionen DM, für Berlin 5,7 Millionen DM; die Beförderungsteuer im Bundesgebiet 5 Millionen DM und für Berlin 1,9 Millionen DM; die Zölle im Bundesgebiet 140 Millionen DM und für Berlin 20 Millionen DM; die Tabaksteuer in Berlin 110 Millionen DM; die Kaffeesteuer im Bundesgebiet 15 Millionen DM und für Berlin 14 Millionen DM; die Zuckersteuer im Bundesgebiet 15 Millionen DM und für Berlin 19 Millionen DM; die Mineralölsteuer für Berlin 12 Millionen DM. Ein Mehraufkommen aus dem Branntweinmonopol im Bund 25 Millionen DM und für Berlin 18 Millionen DM.
Für das Rechnungsjahr 1951 sind im Hauptplan einschließlich Nachtrag und Ergänzung bei den Hauptsteuern folgende Beträge insgesamt veranschlagt, und zwar einschließlich Berlin: Umsatzsteuer 6 599 Millionen DM; Umsatzausgleichsteuer 280 Millionen DM; Beförderungsteuer 306 Millionen DM; Tabaksteuer 2 310 Millionen DM; Kaffeesteuer 399 Millionen DM; Zuckersteuer 434 Millionen DM; Branntweinmonopol 518 Millionen DM; Zölle 1 060 Millionen DM.
Hierzu ist noch in Kap. 12 der Einnahmen in Erwartung von Mehrerträgen aus Besitz- und Verkehrsteuern und Verbrauchsteuern ein Globalbetrag als „Mehrertrag aus Steuern" in Höhe von 225 Millionen DM veranschlagt worden. Weiterhin konnte im Nachtrag für die Abgabe Notopfer Berlin ein Mehrbetrag von 25 Millionen DM gegenüber dem Ansatz von 600 Millionen DM im Hauptplan angesetzt werden.
Für den Anteil des Bundes am Reingewinn der Bank Deutscher Länder ist gegenüber dem Ansatz von 80 Millionen DM im Hauptplan ein Mehrbetrag von 60 Millionen DM veranschlagt. Diese Steigerung ist damit begründet, daß durch Beschluß des Zentralbankrats vom 11. Oktober 1951 der Diskontsatz und der Lombardsatz der Bank Deutscher Länder im Verkehr- mit den Landeszentralbanken mit Wirkung vom 1. Juli 1951 erhöht worden sind.
Von besonderer Bedeutung ist im Nachtrag der Einnahmeansatz für den Anteil des Bundes an der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Höhe von 27 v. H. mit 1 863 Millionen DM im Bundesgebiet und für Berlin mit 56 Millionen DM. Dabei ist ein Aufkommen an Einkommen- und Körperschaftsteuer der Länder im Gesamtbetrag von 6 900 Millionen DM zugrunde gelegt. Infolge Ansatzes dieses Betrages mit 1 863 Millionen DM mußte allerdings der Ansatz des Hauptplans „Vorauszahlung der Länder auf Beitragsverpflichtungen an den Bund" in Höhe von 1 200 Millionen DM abgesetzt werden.
Als Beitrag der Länder finden wir noch unter den Einnahmen einen Betrag von 205,7 Millionen DM, den die Länder zur Deckung des Fehlbetrages des Bundeshaushalts aus dem Rechnungsjahr 1949 in Höhe von 244 Millionen DM auf Grund des Gesetzes über die Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1949 vom 7. Juni 1950 für rückständige Beträge aus der zweiten Subventionsperiode für 1949 und für rückständige Steuerablieferungen aus dem Rechnungsjahr 1949 zu zahlen haben.
Schließlich sind noch veranschlagt gewesen je 100 Millionen DM für die geplante Aufwandsteuer
({5})
und für Gebühren für die Benutzung der Bundesautobahnen. Da die hierfür vorgelegten Gesetzentwürfe von der Bundesregierung wegen der bekannten Schwierigkeiten nicht weiter verfolgt wurden, sind im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister diese beiden Beträge von je 100 Millionen DM vom Haushaltsausschuß gestrichen und der schon erwähnte Globalansatz „Mehrertrag an Steuern" im Hinblick auf die günstige Entwicklung der Steuereinnahmen um 200 Millionen DM erhöht worden. Dieser Globalansatz konnte schließlich neben einem Betrag von 3 Millionen DM zur Deckung eines Betriebsmittelvorschusses für die Zollkleiderkasse noch um den Betrag von 91 Millionen DM erhöht werden zugunsten des Wohnungsbaues infolge Wiederübernahme des hierfür vorgesehenen Ansatzes im außerordentlichen Haushalt in den ordentlichen Haushalt. Der Ansatz im Kapitel 12 der Einnahme des Nachtrags, Mehrertrag an Steuern, beträgt demnach nunmehr entsprechend dem Antrag des Haushaltsausschusses 519 Millionen DM.
Vergessen möchte ich nicht, den Einnahmebetrag von 112 Millionen DM für rückständige Interessenquoten der Länder aus dem Jahre 1950 zu erwähnen, der im wesentlichen im Jahre 1951 auch eingegangen ist, und schließlich den Minderansatz von 50 Millionen DM für Ablieferung der Bundesbahn. Im Hauptplan war dieser Betrag noch als Einnahme veranschlagt, weil bis zur Verabschiedung des Bundesbahngesetzes eine rechtliche Grundlage für die Leistung der Bundesbahn noch vorlag, obwohl sie tatsächlich in den beiden vorhergehenden Jahren ihre Verpflichtung zur Ablieferung nicht mehr erfüllen konnte. Nach dem inzwischen mit Wirkung vom 1. April 1951 ergangenen Bundesbahngesetz ist aber eine Ablieferung der Bundesbahn der nun nicht mehr vorgesehen.
In der Ergänzung zum Nachtrag ist als Einnahme lediglich die Kohlenabgabe in Höhe von 68,7 Millionen DM neu veranschlagt. Sie ist eine zweckgebundene Einnahme und ein durchlaufender Posten. Sie muß ausschließlich zur Deckung der Ausgaben nach dem Gesetz zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaues im Kohlenbergbau vom 23. Oktober 1951 verwendet werden. Der entsprechende Ausgabeposten ist in der Ergänzung zum Nachtrag zum Einzelplan XIV - Wohnungsbauministerium - veranschlagt.
Wie uns im Haushaltsausschuß von dem Vertreter des Bundesfinanzministeriums berichtet worden ist, entsprechen die veranschlagten Einnahmen im wesentlichen dem tatsächlichen Ist-Ergebnis, wenigstens für die ordentlichen Einnahmen aus Steuern und Zöllen. Das ist immerhin ein ganz erfreuliches Ergebnis vorsichtiger und richtiger Schätzung der Steuereinnahmen.
Was nun die Ausgaben betrifft, so sind im Nachtrag im ordentlichen Haushalt als wesentlich- ster Ausgabeposten veranschlagt die Mittel zur Deckung des Fehlbetrags aus dem Rechnungsjahr 1949 in Höhe von 244 Millionen DM, und zwar auf Grund des § 75 der Reichshaushaltsordnung, der vorschreibt, daß der Fehlbetrag eines Rechnungsjahres spätestens in den Plan für das zweitnächste Rechnungsjahr als ordentliche Ausgabe einzustellen ist. Ich hatte schon bei der Darstellung der Einnahmen erwähnt, daß diese Ausgabe durch den Beitrag der Länder auf Grund des Bundeshaushaltsgesetzes für 1949 im wesentlichen gedeckt wird.
Weiter ist bei Kap. 9 ein Betrag von 26 Millionen DM zur Verstärkung der Mittel für persönliche Verwaltungsausgaben zu finden, der durch die 20%ige .Grundgehaltserhöhung für Beamte und Angestellte erforderlich geworden ist.
Im außerordentlichen Haushalt des Nachtrags ist lediglich das Darlehen an das Land Schleswig-Holstein zur Steigerung seiner Wirtschaftskraft in Höhe von 40 Millionen DM veranschlagt.
In der Ergänzung zum Nachtrag sind bei den fortdauernden Ausgaben neben gewissen Erhöhungsbeträgen für Versorgungsbezüge an Ruhegehältern, Wartegeldern, Witwen- und Waisengeldern infolge Neuberechnung der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge nach Erhöhung der Grundgehälter um 20 v. H. und für Beihilfen in Notfällen 65 000 DM für außergewöhnlichen Aufwand deutscher Delegationen und Dienststellen im Verkehr mit dem Ausland veranschlagt. Hier schlägt Ihnen der Haushaltsausschuß die Herabsetzung des Betrages von 65 000 DM auf nur 35 000 DM vor, da der Ausschuß der Ansicht war, daß dieser Betrag zusammen mit der im Hauptplan vorgesehenen Summe von 100 000 DM für das Rechnungsjahr 1951 ausreichend sei.
Bei den einmaligen Ausgaben ist neu ein Ansatz für den Zuschuß an die Kurhessische Kupfer-und Schieferbergbau G.m.b.H. in Höhe von 1,7 Millionen DM. Der Haushaltsausschuß schlägt hier eine Erhöhung des Zuschusses um 200 000 DM auf 1,9 Millionen DM vor. Die Geschäftsanteile der Kurhessischen Kupfer- und Schieferbergbau G.m.b.H. in Sontra in Hessen befinden sich im Besitz des Bundes. Der Betrieb der Gesellschaft ist zwar nicht gerade rentabel und verlangt verlorene Zuschüsse, weil die Kupferergiebigkeit nicht so groß ist, daß die laufenden Unkosten gedeckt werden können. Die Aufrechterhaltung des Betriebes ist jedoch aus arbeits- und wirtschaftspolitischen Gründen dringend notwendig, zumal auch ein erheblicher Mangel an Kupfervorkommen in der Bundesrepublik besteht.
Für die Zahlung an Länder auf Grund des Gesetzes über Reichsmarkverbindlichkeiten zwischen Gebietskörperschaften vom 15. August 1950 mußte ein Betrag von 1,1 Millionen DM eingesetzt werden. Die Forderungen der Länder gegen den Bund als Rechtsnachfolger des Vereinigten Wirtschaftsgebiets ergeben sich daraus, daß vor der Währungsumstellung die Länderkassen bei der auftragsweisen Erledigung von Kassengeschäften für bitonale Verwaltungseinrichtungen in Vorlage getreten sind.
Schließlich finden wir noch einen Ausgabeposten von 10 Millionen DM für die Zahlung an Nordrhein-Westfalen für Ersteinrichtung der Bundesverwaltungen in Bonn. Nordrhein-Westfalen hat für den Ausbau der ersten Einrichtungen des Bundeshauses und der Dienstgebäude für die verschiedenen Bundesdienststellen in Bonn im Laufe des Jahres 1949 Aufwendungen in Höhe von über 15 Millionen DM gemacht, deren Erstattungsfähigkeit vorläufig jedoch nur bis zur Höhe von rund 10 Millionen DM anerkannt werden kann. Die Verhandlungen hierüber zwischen dem Bundesfinanzministerium und Nordrhein-Westfalen sind aber noch nicht abgeschlossen. Im Zusammenhang hiermit steht auch die Übertragung des Eigentums am Bundeshaus auf den Bund. Hier macht NordrheinWestfalen immer noch Vorbehalte und Schwierigkeiten. Der Haushaltsausschuß ist daher der Ansicht gewesen, daß vor Auszahlung des Betrages an Nordrhein-Westfalen diese Angelegenheit bereinigt werden muß, und schlägt deshalb dem
({6})
Hohen Hause vor, daß der Betrag von 10 Millionen DM mit einem Sperrvermerk versehen wird.
Bei den Ausgaben des außerordentlichen Haushalts der Ergänzung erscheinen für Beteiligungen des Bundes durch ein weiteres Darlehen an die Aktiengesellschaft für Berg- und Hüttenbetriebe Watenstedt-Salzgitter ein Betrag in Höhe von 2,5 Millionen DM, außerdem als neuer Posten für die Erhöhung der Beteiligung des Bundes an der tisterreichisch-Bayerische Kraftwerke AG, Simbach, und für ein Darlehen an die Deutsche Werke Kiel AG je 5 Millionen DM. Bei der Österreichisch-Bayerische Kraftwerke AG soll das Grundkapital auf 40 Millionen DM erhöht werden. Von diesem Betrag sollen Österreich 20 Millionen DM und das Land Bayern und die Inn-Werke AG je 10 Millionen DM übernehmen. Bei der Deutsche Werke Kiel AG, die im Besitze des Bundes ist, sollen mit dem Darlehen die Verluste durch Bombenschäden und Demontage wieder ersetzt werden, die zu decken die Gesellschaft selbst nicht in der Lage ist.
Schließlich hat der Haushaltsausschuß auch wieder die weiterhin veranschlagten Ausgaben für Neu- und Umbau von Dienstgebäuden in Bonn - Kap. 14 - geprüft. Der Haushaltsauschuß schlägt Ihnen vor, den veranschlagten Ergänzungsbetrag von 1,6 Millionen DM zu genehmigen. Er ist im wesentlichen bestimmt für die Fortsetzung des Erweiterungsbaus für das Bundesfinanzministerium, für die Erweiterungsbauten für die in der Ermekeilkaserne untergebrachten Dienststellen und für die Kosten des Erweiterungsbaus des Bundeshauses.
Das sind die wesentlichen Ausführungen, die ich als Berichterstatter zum Einzelplan der Allgemeinen Finanzverwaltung zu machen habe. Ich darf zum Abschluß vielleicht noch die Abschlußzahlen des Gesamtplans für den Nachtrag einschließlich Ergänzung anführen, wie sie sich durch den Ausgleich der Einnahmen und Ausgaben des Einzelplans XXIII ergeben. Die Regierungsvorlage schloß im ordentlichen Nachtragshaushalt und Ergänzungshaushalt ab mit 3477,8 Millionen DM, im außerordentlichen Haushalt mit 2240,8 Millionen DM, zusammen mit 5718,6 Millionen DM. Nach den Änderungsanträgen des Haushaltsausschusses ergeben sich nunmehr für Nachtrag und Ergänzung zusammen folgende Zahlen: ordentlicher Haushalt 3571,7 Millionen DM, außerordentlicher
Haushalt 2140,8 Millionen DM, zusammen 5712,5 Millionen DM. Die wesentliche Änderung liegt her im außerordentlichen Haushalt angesetzte Betrag von 100 Millionen DM auf den ordentlichen Haushalt verlagert worden ist.
Der Abschluß des gesamten Bundeshaushalts 1951 - also Hauptplan zuzüglich Nachtrag einschließlich Ergänzung - ergibt alsdann im ordentlichen Haushalt den Betrag von 17 363,4 Millionen DM, im außerordentlichen Haushalt den Betrag von 3709,6 Millionen DM, zusammen 21 073 Millionen DM.
Der Haushaltsausschuß hat den Ihnen vorliegenden Nachtrag zum Einzelplan XXIII und die Ergänzung hierzu mit den von mir angeführten Anderungen gebilligt und bitte das Hohe Haus, den Vorlagen zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3543. Ich bitte die Damen und Herren, die ihm zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Einzelplan XXIII ist angenommen.
Ich rufe auf
Einzelplan XXVI - Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten ({0}).
Berichterstatter ist Abgeordneter Gengler.
Gengier ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushalt der sozialen Kriegsfolgelasten - Einzelplan XXVI - und vom Einzelplan XI die Kapitel 1 a - Arbeitslosenhilfe - 1 b - betriebliche Altersfürsorge - und 1 c - Sozialversicherung - bilden zusammen den Sozialhaushalt, dessen Aufwendungen nach Art. 120 des Grundgesetzes vom Bund zu tragen sind.
Im Hinblick darauf, daß es sich hier um entscheidende hohe Summen des Bundeshaushalts handelt, ist es angezeigt, in Ergänzung der Anträge des Haushaltsausschusses auf Drucksache Nr. 3544 auch die Zahlen bekanntzugeben, wie sie sich nach dem ersten Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan einschließlich Ergänzungsvorlage nunmehr ergeben.
Einzelplan XXVI Haushaltsansatz Mit Nachtrag Mehraufwand
Kap. 1951 zus.
1 Kriegsfolgenhilfe 479,7 Mill. DM 562 900 000
2 Umsiedlung und Auswanderung 26,3 „ „ 26 500 000
3 a Versorgung von verdrängten Angehörigen 300,0 „ 561 250 000
({2})
3 b Versorgung der Berufssoldaten der früh. 150,0 „ „ 284 000 000
Wehrmacht ({3})
4 Kriegsopferversorgung 3033,7„ „ 3 378 387 200
Einzelplan XXVI 3959,7 „ „ 4 813 037 200 + 853 337 200
Einzelplan XI
Kap.
1 a Arbeitslosenhilfe 987,2 Mill. DM 972 551 000
1 ib Betriebliche Altersfürsorge 10,0 „ „ 10 000 000
1 c Sozialversicherung 861,3 „ „ 1 606 040 000
Einzelplan XI 1 858,5 „ „ 2 588 591 000 + 730 091 000
Sozialhaushalt insgesamt: 5 818,2 „ „ 7 401 628 200 + 1 583 428 200
({4})
Dieser Mehraufwand gegenüber dem Ansatz im Hauhaltsplan 1951 ergibt sich vorwiegend aus der Steigerung der Kosten der individuellen Fürsorge, aus dem Gesetz zur Versorgung der Personen nach Art. 131 des Grundgesetzes, dem Kriegsopferversorgungsgesetz und dem Rentenzulagengesetz für die Rentner in der Invaliden- und Angestelltenversicherung.
Bezüglich der Beträge im einzelnen darf ich noch bemerken, daß es im Rahmen des Nachtragsplanes und der Ergänzungsvorlage möglich wurde, die bisher vorliegenden Rechnungsergebnisse in den Ansätzen weitgehend zu berücksichtigen. Im außerordentlichen Haushalt steht als Tit. 41 b ein Zuschuß zu den Kosten der Erweiterung der Tbc-Heilstätte Lippoldsberg um 100 Betten für tbckranke Kriegsbeschädigte aus dem Land Berlin.
Zu dem aufgeführten Sozialaufwand von über 7,4 Milliarden DM kommen noch hinzu die ihrem Charakter nach als Sozialleistungen anzusprechenden Aufwendungen für die Finanzhilfe Berlin mit 550 Millionen DM, Sozialer Wohnungsbau 400 Millionen DM, Subventionen 746,6 Millionen DM, zusammen weitere 1 696 600 000 DM. Mit diesen beträgt der Sozialaufwand 9 098 228 000 DM. Als große Sonderleistung sozialer Art tritt weiter noch der Lastenausgleich mit 2,5 Milliarden DM hinzu.
Diese Riesenbeträge - das kann ich wohl mit Zustimmung des ganzen Hauses aussprechen - sind ein Ruhmesblatt an sozialen Leistungen der Bundesrepublik.
({5})
Sie zeigen aber auch den Umfang der wirtschaftlichen Belastung. Diese über 111/2 Milliarden sozialer Leistungen müssen zuerst erarbeitet und verdient werden. Dem Steuerzahler zeigen sie, wohin
zu einem sehr wesentlichen Teile sein Geld kumint.
Namens des Haushaltsausschusses erbitte ich Ihre Zustimmung zu den Anträgen auf Drucksache Nr. 3544.
Präsidert Dr. Ehlers: Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird das Wort gewünscht? -- Das ist nicht der Fall.
Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 3544 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Haushalt ist angenommen.
Ich rufe auf:
Einzelplan XXIV - Haushalt der Verteidigungslasten einschließlich Besatzungskosten und Auftragsausgaben -,
Einzelplan XXV - Haushalt der Auslaufzeit 1950 hinsichtlich der Verteidigungslasten einschließlich der Besatzungskosten und Auftragsausgaben -,
Einzelplan XXVII - Haushalt der Sonstigen Verteidigungslasten ({6}).
({7})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Horn.
Horn ({8}), Berichterstatter, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der in diesen drei Einzelplänen enthaltene Nettogesamtaufwand beziffert sich auf 3 042 669 200 DM.
Ich darf mich nur mit ein paar Sätzen auf die Entschließung beziehen, die das gesamte Haus anläßlich der Etatberatung im Vorjahre in der 139. Sitzung am 26. April 1951 gefaßt hat. Damals hat der Bundestag seinem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß ihm auf dem Gebiet der Besatzungslasten das Grundrecht aller parlamentarischen Demokratie, das Bewilligungsrecht vorenthalten worden ist. Es ist in dieser Entschließung zum Ausdruck gekommen, daß der Haushaltsausschuß damals in eine Einzelberatung dieser Pläne nicht hat eintreten können, weil die sachlichen Voraussetzungen, die Einsicht und die Möglichkeit einer Prüfung der Unterlagen für diese Ausgaben nicht gegeben waren. Aus diesem Grunde hat sich der Bundestag im vorigen Jahre darauf beschränkt, diese Aufwendungen, auf deren Zustandekommen, wie ich noch einmal sage, er keinen Einfluß hatte, zur Kenntnis zu nehmen. Der Haushaltsausschuß empfiehlt dem Flohen Hause, in diesem Jahre gleichermaßen zu verfahren.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Darf ich unterstellen, daß das Haus entsprechend dem Antrag des Haushaltsausschusses die Drucksache Nr. 3545 zur Kenntnis nimmt? - Das ist der Fall.
Ich rufe, nachdem Herr Abgeordneter Arndgen eingetroffen ist, auf:
Einzelplan XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit ({0}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Arndgen.
Arndgen ({1}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das wesentlichste Merkmal des Einzelplans XI - Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit -, d. h. Erster ter Nachtrag und Ergänzungsvorlage für das Haushaltsjahr 1951 ist die Vermehrung der Planstellen um 30 Beamte, 50 Angestellte und 4 Arbeiter. Die Vermehrung war notwendig, weil durch die Vermehrung der Beziehungen zum Ausland der Anfall der Arbeiten im Bundesarbeitsministerium angestiegen ist. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß mit den Nachbarländern zwischenstaatliche Vereinbarungen bezüglich der Sozialversicherung, bezüglich ausländischer Gastarbeiter getroffen werden müssen und daß die Deutsche Bundesrepublik auch dem Internationalen Arbeitsamt beigetreten ist und wir in der Bundesrepublik eine Zweigstelle des Internationalen Arbeitsamts unterhalten müssen. Hinzukommt, daß die Bearbeitung des Arbeitsschutzes und der Gewerbeaufsicht vom Bundeswirtschaftsministerium zum Bundesarbeitsministerium verlagert wurde. Diese organisatorische Umstellung hat ebenfalls eine Vermehrung der Planstellen im Bundesarbeitsministerium notwendig gemacht.
Auf der anderen Seite ist durch das Gesetz über die Errichtung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ein Teil der Aufgaben, die bis dahin im Bundesarbeitsministerium erledigt worden sind, auf diese Bundesanstalt übergegangen. Es wird Aufgabe der Bundesregierung und Aufgabe des Bundesarbeitsministeriums sein, zu überprüfen, ob die Planstellen, die bisher für die Abteilung II dieses Ministeriums notwendig waren, künftig noch in derselben Anzahl benötigt werden.
Weiter ist, soweit die Abteilung IV des Bundesarbeitsministeriums, „Sozialversicherung", in Frage kommt, damit zu rechnen, daß sich dort die Zahl
({2})
der Planstellen noch erhöhen wird. Denn das Bundesarbeitsministerium hat, soweit die ganze Arbeitsweise in der Sozialversicherung in Frage kommt, noch eine ganze Reihe Vorbereitungen zu treffen, die mit dem gesamten Verfahrensrecht in der Sozialversicherung zusammenhängen, weiter mit der Sozialgerichtsbarkeit usw. Ich glaube, daß Sie mit dem Haushaltsausschuß darin einig gehen, daß wegen der Mehrarbeit, die nun im Bundesarbeitsministerium geleistet werden muß, auch diese Planstellen zusätzlich zur Verfügung gestellt werden müssen.
Ich bitte Sie daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, der Drucksache Nr. 3534 zuzustimmen, die auch eine Entschließung enthält, die sich mit der Überprüfung der Planstellen in der Abteilung II dieses Ministeriums beschäftigt. Ich stelle also den Antrag, dieser Drucksache zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3534. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Antrag des Ausschusses angenommen worden.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Bericht des Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses über das Gesetz über die Feststellung eines Ersten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 einschließlich Ergänzungsvorlage gehört. Ich rufe aus der Druksache Nr. 3520 auf § 1, - § 2, - § 2a,-§ 3, - § 4, - § 5, - § 6, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zuzustimmen wünschen eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Offenbar keine. Dieses Gesetz ist in der zweiten Beratung mit Mehrheit angenommen.
Sie haben ebenfalls den Bericht des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses über den Bericht des Ausschusses Drucksache Nr. 3573 über die Einsetzung von Mitteln für den Bau einer Jugendherberge gehört. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3573 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist einstimmig vom Hause angenommen worden.
Damit ist die zweite Beratung beendet. Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Der Ältestenrat hatte eine Gesamtaussprachezeit von 90 Minuten vorgeschlagen. Bin ich richtig unterrichtet, daß ein Interesse daran besteht, diese Aussprachezeit zu kürzen, oder legen Sie Wert darauf, - ({0})
- Ja, meine Damen und Herren, sind Sie mit 60 Minuten einverstanden? - Offenbar ist das Haus mit 60 Minuten einverstanden.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der dritten Beratung. Wer wünscht das Wort? - Ich stelle fest: niemand.
({1}) Ich bitte um Entschuldigung: Herr Abgeordneter Niebes!
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es dürfte wohl etwas vermessen sein, von einem Haushaltsplan zu sprechen.
({0})
Meiner Meinung nach sollte man hier von einer Wahrscheinlichkeitsrechnung reden. Denn wenn wir uns die einzelnen Posten der vorgelegten Pläne ansehen, dann müssen wir feststellen, daß hier mit fiktiven Zahlen gearbeitet wird, und man muß sagen, daß weder die Einnahmen, die hier vorgesehen sind, in ihrer vollen Höhe zu erwarten sein dürften,
({1})
noch daß die Beträge, die ausgegeben werden, sich wirklich auf dieser Höhe halten werden.
„Es geht um 51", sagen Sie.
({2})
Aber wenn man sich die Einnahmen ansieht, dann
erkennt man zweifelsfrei, daß aus den Steuereinnahmen, die Sie zu erhalten wünschen, höchstwahrscheinlich nicht die vollen Beträge kommen.
({3})
- Sicher haben Sie das; aber Sie haben auch viel mehr ausgegeben und Sie haben auch noch die Aussicht, wesentlich höhere Beträge auszugeben. Wenn Sie sich einmal den Finanzvertrag des Generalvertrages ansehen,
({4}) dann haben Sie ja darin bereits Andeutungen, die darauf hinauslaufen, daß jeden Monat 850 Millionen ausgegeben werden müssen. Das sind ja schon fürs Jahr rund 10 Milliarden.
({5})
- Das hat mit dem Etat wohl etwas zu tun, meine Damen und Herren!
({6})
Denn wenn Sie mit einer Schuldenlast aus diesem Etat in den neuen Etat hineingehen, müssen Sie dafür sorgen, daß im neuen Etat die fehlenden Beträge gedeckt werden.
Der Finanzvertrag sieht in Art. 3 Position 1 vor, daß die Bundesrepublik verpflichtet ist, sich an fortlaufenden jährlichen Beiträgen zu den Verteidigungskosten zu beteiligen. Es steht aber absolut nicht fest, daß die Höhe dieses Anteils so nominiert werden kann, daß man mit einer festen Zahl rechnen könnte. Wenn die übrigen Anteilhaber dieses Generalvertrages beispielsweise in ihren kolonialen Gebieten höhere Ausgaben haben, dann wird sich auch der Anteil der Bundesrepublik an diesen Aufbringungsziffern proportional erhöhen. Ich erinnere noch daran, es steht in Aussicht. - was uns Herr Blank verkündet hat, als er am 18. Juni vor Bonner Studenten gesprochen hat -, daß beispielsweise für die Aufstellung von 12 Divisionen ein Betrag von 40 Milliarden erforderlich ist;
({7})
und da er die Absicht hat, im Laufe der Jahre insgesamt 60 Divisionen aufzustellen, würde sich
daraus eine Summe von 200 Milliarden ergeben.
({8})
Sie ersehen also, daß die Zahlen, die in den Haushaltsplänen genannt werden, absolut nicht verbindlich sind und daß fortwährend mit Erhöhungen gerechnet werden muß. Der Haushalt 1951 war ja auch aufgestellt. Heute stehen wir vor der dritten Beratung. Wir bekommen Zuschläge an Nachträgen und zu den Nachtragen wieder neue Nachträge vorgelegt. Wir können wirklich gespannt sein, wann das Ende dieser Nachträge einmal kommen wird. Höchstwahrscheinlich gar nicht!
({9})
Die Folge wird sein, daß man gezwungen ist, den Lebensstandard der arbeitenden Menschen dauernd zu verringern, indem man ihnen immer mehr an Steuern abnimmt,
({10})
daß man die Steuern fortwährend erhöhen muß, um die gesteigerten Ausgaben im Rahmen der Bundeshaushalte aufzubringen.
Herr Abgeordneter, der Schluß Ihrer Redezeit ist aber inzwischen bestimmt gekommen. Ich bitte, zum Schluß zu kommen.
Ich werde mich kurz fassen, selbstverständlich. In fünf Minuten kann man das, was nötig ist, nicht so ausführlich sagen. Sie können sich aber wohl denken, daß nach dieser Sachlage - wenn Sie selbst eine ernsthafte Prüfung dieser Zahlen vornähmen, dann würden Sie nicht die Haltung einnehmen, die Sie jetzt zum Ausdruck bringen -, unter Berücksichtigung dieser Umstände die Entscheidung meiner Fraktion zu dieser Vorlage nicht zweifelhaft ist.
({0})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Damit nicht alte Irreführungen immer wieder neue Nahrung finden, sei zu den letzten Ausführungen kurz folgendes gesagt.
Der Haushaltsplan 1950 schloß ab mit 16,2 Milliarden DM, der Haushaltsplan 1951 mit 21 Milliarden, und der Haushaltsplan 1952 schließt voraussichtlich mit 23,2 Milliarden DM ab. Ganz besonders wichtig bei der Beurteilung dieser Ziffern ist die Tatsache, daß die Erhöhung des Haushaltsvolumens, insbesondere der Einnahmen, nicht entscheidend durch Steuererhöhungen oder Strukturänderungen unseres Steuerwesens bedingt ist, sondern dadurch, daß infolge des Aufstieges unserer Wirtschaft und der Erhöhung der Zahl unserer Beschäftigten
({0})
die Einnahmen des Bundes von selbst ganz erheblich gestiegen sind.
({1})
Das ist ja das positive Ergebnis der Finanzpolitik der Bundesregierung, daß es möglich war, ungeheuer gesteigerte Ausgaben zu bewältigen, ohne entscheidende zusätzliche Einbrüche in die Steuerkraft der Steuerzahler vornehmen zu müssen; und all diese Thesen, die die KPD so gern verbreitet, als wenn der Verteidigungsbeitrag zusätzliche
Steuern, also Steuererhöhungen erforderlich machte, sind völlig irrig.
({2})
Der Herr Finanzminister hat uns kürzlich erklärt: Verteidigungsbeitrag: j a, Inflation: nein, neue Steuern: ebenfalls nein.
({3})
Meine Damen und Herren, um diese Dinge noch einmal ganz klar herauszustellen: Die Besatzungskosten würden bei Fortdauer des jetzigen Zustandes und Nichtratifizierung der Verträge etwa 9 Milliarden DM im Jahre 1952/53 erfordern. Hingegen erfordert der Verteidigungsbeitrag nach den getroffenen Vereinbarungen etwa 8,8 Milliarden DM, so daß, wenn man die Dinge etwa nur unter finanziellen Gesichtspunkten betrachten wollte, der Verteidigungsbeitrag immer noch billiger wäre als die Fortsetzung des bisherigen Besatzungskostensystems.
({4})
Das muß einmal ganz 'deutlich herausgestellt werden, um eine bewußte Irreführung der Öffentlichkeit zu unterbinden.
Bei dieser Gelegenheit darf ich zur Frage des Verteidigungsbeitrags einmal einen Hinweis auf die Stellungnahme der englischen Trade-Unions, der englischen Gewerkschaftsbewegung, zur Frage des Verteidigungsbeitrags und der englischen Aufrüstung geben. Der Hinweis scheint mir im Augenblick deshalb besonders erwünscht zu sein, weil die SPD es in der letzten Zeit anscheinend für notwendig befunden hat, propagandapolitische Auslandsanleihen bei der englischen Labour-Party für die Neuwahlen zum Deutschen Bundestag aufzunehmen, Die englischen Trade-Unions haben in einem sehr beachtlichen Verantwortungsbewußtsein zur Frage des Verteidigungsbeitrags vor wenigen Wochen in einer Entschließung gesagt, der Verteidigungsbeitrag sei „eine bedauerliche, aber unumgängliche Notwendigkeit". Es heiße nicht zu wählen zwischen Aufrüstung und Lebenshaltung, sondern zwischen Frieden auf der Grundlage menschlicher Freiheit 'und ständiger Angst vor einer Aggression sowie unaufhörlicher weltpolitischer Spannungen. Wir würden es sehr begrüßen, wenn sich die geistigen oder propagandistischen Auslandsanleihen der Opposition auch einmal auf dieses Gebiet bezögen.
Meine Damen und Herren, im übrigen nochmals in aller Klarheit folgendes: Es ist gar kein Gedanke daran, daß der soziale Status in der Bundesrepublik infolge des Verteidigungsbeitrags gegenüber dem jetzigen Stand irgendwie herabgedrückt wird. Im Gegenteil steht nach der Gestaltung der Einnahmen und Ausgaben für ,das kommende Jahr fest, daß wir allein für Sozialausgaben neben den höheren Ausgaben für Besatzungskosten oder den Verteidigungsbeitrag über 600 bis 800 Millionen DM mehr zur Verfügung haben werden als 1951/52.
({5})
- Das sind Ziffern, die aus Darlegungen des Herrn Finanzministers ersichtlich sind, dessen Glaubwürdigkeit 'in Zweifel zu ziehen wir unsererseits nach den bisherigen Erfahrungen keine Veranlassung haben.
({6})
Wenn wir zum Haushaltsplan überhaupt sonst noch einiges sagen, so möchte ich wegen der Kürze
({7})
der Redezeit nur stichwortartig noch folgende drei Punkte herausheben.
Neben der Notwendigkeit, bei allererster Gelegenheit die Versorgungsbezüge der Kriegsopfer und die Renten in der Sozialversicherung zu erhöhen, müssen wir die Notwendigkeit anerkennen, daß für die Bediensteten im öffentlichen Dienst, für die öffentlichen Beamten und Angestellten, nun endlich das geschieht, was erforderlich ist, um sie einigermaßen mit den übrigen Berufsschichten unserer Bevölkerung gleichzustellen.
Weiter liegt uns im besonderen Maß an der Erhöhung des Notstandsfonds, wobei wir vor allem an die westlichen Grenzgebiete denken.
Dann möchten wir mit besonderem Nachdruck herausstellen, daß der Ersatzwohnungsbau für Besatzungsverdrängte, nachdem diese nun viele Jahre aus ihren Wohnungen verdrängt sind, eine besonders wichtige Aufgabe unter ,dem Gesichtspunkt der gerechten Verteilung der Kriegsfolgelasten ist.
({8})
Aber nun noch einige wenige allgemeine Bemerkungen wirtschafts- und sozialpolitischer Art, nachdem wir uns auch im vergangenen Jahr bei der endgültigen Verabschiedung des Haushaltsplanes über einige allgemeine Fragen unterhalten haben.
Meine Damen und Herren, im vergangenen Jahre stellten wir mit Bedauern fest, daß auf der Seite der Opposition immer noch von einer „Katastrophenpolitik" der Bundesregierung die Rede war. Wir sind sehr befriedigt darüber, daß unsere Aufklärungsaktionen im Lande inzwischen dazu geführt haben, daß dieses Wort in der Öffentlichkeit eigentlich nicht mehr zu hören ist, da die Bevölkerung der Opposition dieses Schlagwort angesichts der Tatsachen einfach nicht mehr abnimmt. Lassen Sie mich einige wenige Stichworte und schlaglichtartig einige Zahlen anführen, um daran zu prüfen, ob seit dem vergangenen Jahr unser wirtschaftlicher und sozialer Aufstieg weitergegangen ist, oder ob etwa die Thesen, daß es im Hinblick auf die Korea-Verhältnisse, die Welt-Aufrüstung usw. schlechter geworden ist, richtig sind. Sie wissen, daß wir im Jahre 1948 eine durchschnittliche Produktion von 61 % des Jahres 1936 hatten; 1949 waren es 87 %; 1950 110 %; 1951 130 %, und im Mai 1952 erreichten wir den Höchststand von 141 %. Dabei ist festzustellen, daß besonders die Investitionsgüterindustrie, die eine der wichtigsten, wenn nicht die wichtigste Industrie ist, von 1948 bis 1951 folgende Zahlen aufzuweisen hat: 53 -88 121 und 159, letzteres im Durchschnitt des Jahres 1951. Also der Durchschnitt der Produktion der Investitionsgüterindustrie ist noch wesentlich höher als der Gesamtdurchschnitt der Wirtschaftsproduktion.
Ein Seitenblick auf den Wohnungsbau, eine unserer wichtigsten Aufgaben! Tausend Wohnungen werden jetzt täglich beziehbar, seit Jahren schon, unter Finanzierung durch die Politik und Arbeit unserer Bundesregierung und der Koalitionsparteien, so daß täglich tausend deutsche Familien wieder in ein geordnetes Heim einziehen können.
({9})
Bei einem Blick auf den Außenhandel ergibt sich folgendes - es ging ja um den Ausgleich der Handelsbilanz -: Während wir im Jahre 1950 noch einen Fehlbetrag in der Handelsbilanz von 3 Milliarden DM hatten, ist er im Jahre 1951 auf ganze 0,15 Milliarden DM herabgesunken, so daß wir lange vor Beendigung des Marshallplans entgegen allen Erwartungen der Sachverständigen des In- und Auslandes im Jahre 1951 eine fast ausgeglichene Handelsbilanz hatten. Wenn wir nach den letzten Ergebnissen vom Juni 1952, die heute bekanntgeworden sind, feststellen, daß in den ersten sechs Monaten 1951 noch ein Fehlbetrag von 400 Millionen DM in der Handelsbilanz vorlag und in den ersten sechs Monaten 1952 schon ein Oberschuß von 160 Millionen DM in der Handelsbilanz erzielt worden ist, dann haben wir allen Anlaß zu dem Vertrauen, daß wir im Jahre 1952 erstmals seit 1945 wieder mit einer aktiven Handelsbilanz abschließen können.
({10}) Meine Damen und Herren, das danken wir
({11}) der sonst nicht überall dankbar empfundenen Liberalisierung des Außenhandels unter der Führung des Herrn Bundeswirtschaftsministers, dem wir bei dieser Gelegenheit unseren Dank für seine erfolgreiche Arbeit aussprechen wollen.
({12})
Diese Ergebnisse des Außenhandels haben noch ganz andere Konsequenzen, die sich in Tatsachen niederschlagen, die leider in der Bevölkerung viel zu wenig bekannt sind. Weiß man draußen im Lande, daß die Bundesrepublik heute schon wieder über einen Goldbestand von 440 Millionen DM, also fast eine halbe Milliarde DM bei der Bank deutscher Länder verfügt - ein Ergebnis unserer Außenhandelspolitik -?! Weiß man, daß der Devisenbestand der Bundesrepublik heute 2,7 Milliarden DM beträgt, also mehr als das Doppelte des monatlichen Einfuhrbedarfs der Bundesrepublik, so daß wir nahezu schon zu einem normalen Devisenbestand gekommen sind?!
({13})
Wenn Sie dazu hören, daß wir Anfang 1951 eine Devisenschuld von 1,9 Milliarden DM hatten und heute ein Devisenguthaben von 2,7 Milliarden DM, dann können Sie daraus ein Herausholen von 4,6 Milliarden DM aus unserer Handelspolitik und unserer Handelsbilanz errechnen, ein Ergebnis, das noch vor ein, zwei Jahren kaum jemand für möglich gehalten hätte.
({14})
Das sind einige ganz wenige Zahlen aus dem wirtschaftlichen Sektor. Noch wichtiger erscheint uns - als Auswirkung dieser wirtschaftlichen Maßnahmen - die Entwicklung im sozialen Sektor. Dazu darf ich einen Hinweis auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten im letzten Jahr geben. Im Sommer 1951 stand der Lebenshaltungsindex auf 167, im Mai 1952 auf 173, aber von Mai auf Juni 1952 haben wir erfreulicherweise zum, ersten Mal in nennenswertem Umfang seit Korea eine Senkung der Lebenshaltungskosten von 173 auf 170 zu verzeichnen. Nach der normalen Entwicklung, wie sie im Sommer stattzufinden pflegt, haben wir die Hoffnung, daß sich diese sinkende Tendenz des Lebenshaltungsindex jedenfalls noch im Juli und August fortsetzen wird. Das ist besonders für die Gestaltung der Kaufkraft der breiten Massen unserer Arbeitnehmerschaft und nicht zuletzt der Millionen von Rentnern erfreulich, von denen wir genau wissen, wie sehr sie auf eine Erhöhung ihrer Kaufkraft warten, die natürlich am besten und am günstigsten durch eine Senkung der Lebenshaltungskosten hergestellt wird.
({15})
Wenn wir darüber hinaus die Löhne betrachten, dann dürfen wir feststellen, daß die Wochenverdienste der Industriearbeiterschaft, die im Juni 1948 durchschnittlich 40 DM, im Juni 1951 70 DM betrugen, nun im Mai 1952 auf 73 DM angestiegen sind, obschon zwischenzeitig keine nennenswerte Erhöhung des Lebenshaltungsindex eingetreten ist; also obwohl
({16})
in allen anderen Ländern noch eine Steigerung der Teuerung ohne entsprechende Lohnerhöhung zu verzeichnen ist, haben wir in der Bundesrepublik erfreulicherweise eine Erhöhung der Kaufkraft der Industriearbeiterschaft zu verzeichnen.
In 'dem Zusammenhang sei eine kurze Widerlegung eines Flugblattes der Opposition gegeben, der diese Tatsachen natürlich nicht in ihr politisches Konzept passen, weil es eben Erfolge der Arbeit der Bundesregierung sind, zu der man in Opposition steht. Gegenüber dieser Steigerung der Kaufkraft ist
({17})
von der SPD „festgestellt" worden, daß angeblich über 6 Millionen Deutsche - das wären 21 °/o der Erwerbstätigen - mit weniger als 100 DM Monatseinkommen vegetieren müßten.
Dazu ist folgendes zu sagen: Nach einer Erhebung verdienten 1950 1,6 Millionen - das sind 8,9 % - unter 100 DM im 'Monat. Aber 'dabei handelt e3 sich durchweg um Gelegenheitsarbeiter, um Hilfskräfte, Halbtagearbeiter, Lehrlinge usw., die zum Teil außerdem einen Naturallohn empfangen. Diese Zahlen beweisen also nicht das mindeste gegen die Richtigkeit der im übrigen ja auch vom Deutschen Gewerkschaftshund selbst verbreiteten Lohnziffern, wie ich sie eben nannte.
Um die Zahl dann aber in die Höhe zu bringen, hat man es sich sehr leicht gemacht und einfach Millionen von Rentnern, die gar nicht mehr arbeiten, dieser Zahl der Gelegenheitsarbeiter und Hilfskräfte hinzugezählt,
({18})
um auf diese Weise dann die Behauptung aufstellen zu können,
({19})
daß über 20 % der Beschäftigten in der Bundesrepublik unter 100 DM verdienten. Diese Brunnenvergiftung muß hier einmal gebrandmarkt werden. Ich würde es begrüßen, wenn sich nicht nur der Deutsche Gewerkschaftsbund, sondern auch die Sozialdemokratische Partei einmal die Mühe machten, in ihrer Propaganda herauszustellen, wie sich die Löhne - aud auch die +Reallöhne - der Industriearbeiterschaft in Wirklichkeit entwickelt haben.
Ein weiteres. Ich sprach schon über die Millionen Rentner. Für sie ist im vergangenen Jahre ein wesentlicher Schritt - gewiß kein ausreichender, wir wissen das - getan worden, indem die durchschnittliche Invalidenrente um 25 % mit einem Mehraufwand von einer Milliarde DM aus Mitteln des Bundeshaushaltsplans erhöht wurde.
({20})
- Sie schätzen es nicht, diese Zahlen zu hören, weil sie der restlos überzeugende Beweis für die Unrichtigkeit Ihrer These von dem „unsozialen" Wollen der Bundesregierung sind. Wir werden aber diese Zahlen solange in das Land hinaus
bringen, bis Sie nicht mehr in der Lage sind, Ihre unwahrhaftige Gegenpropaganda aufrechtzuerhalten.
({21})
Meine Damen und Herren, meine Redezeit läuft ab.
({22})
Nur noch eines. In diesen Tagen haben wir eine neue Zahl über die Beschäftigten in der Bundesrepublik erfahren. Wir können mit Freude feststellen, daß, nachdem die Beschäftigtenzahl im Raum der Bundesrepublik im Jahre 1936 11,2 Millionen betrug, wir jetzt Ende Juni mit 15,16 Millionen zum erstenmal die 15-Millionen-Grenze überschritten haben. Während es also 1936 11,2 Millionen Beschäftigte waren, haben wir heute 15,1 Millionen;
({23})
also fast 4 Millionen mehr als im Jahre 1936 und 1,7 Millionen mehr als im Jahre 1948. Diese 1,7 Millionen mehr müssen noch dahin erläutert werden, daß in der Landwirtschaft, in den öffentlichen Diensten und den häuslichen Diensten die Zahl der Beschäftigten um etwa 800 000 abgesunken ist, so daß effektiv im Raum der Wirtschaft nicht nur 1,7 Millionen, sondern 2,5 Millionen neue Arbeitsplätze durch unsere politische Arbeit haben geschaffen werden können.
({24})
Das mag uns die Opposition mit ihrer Planwirtschaft erst einmal nachmachen! Unsere soziale Marktwirtschaft hat sich jedenfalls in diesem Sinne bestens bewährt.
({25})
Meine Damen und Herren! Meine Redezeit ist abgelaufen; ich will deshalb zum Schluß kommen; ich möchte 'die Debatte auch nicht länger hinziehen, als unbedingt erforderlich ist. - Es scheint uns wichtig zu sein, daß die Tatsachen unserer Entwicklung draußen in der Bevölkerung bekannt werden, und darum erwähne ich diese Dinge. Als wir voriges Mal hierüber sprachen, hatte vorher die Opposition von der „Katastrophenpolitik" gesprochen, und als ich diese Ergebnisse entsprechend dem Stand des Vorjahres dargelegt hatte, da hatte es Herr Kollege Schoettle sehr eilig, den Anteil der SPD an den Auswirkungen unserer „Katastrophenpolitik" für die Opposition zu reklamieren. Wir buchen es sehr erfreut und dankbar, daß man daran mitgewirkt hat, und möchten hoffen, daß man sich auf diesem Wege sogar von der Unrichtigkeit der Planwirtschaft und der Richtigkeit unserer sozialen Marktwirtschaft überzeugt.
Sollte man sich zu sachlicher Opposition nicht entschließen können, dann möchte ich den Überkritikern den Vers zurufen:
Und wenn ihr auch mit euren Reden dareinhaut just als wie mit Flegeln,
ihr macht kein Sternlein heller flimmern, ihr macht kein Röslein röter schimmern, ihr bleibt doch Kritiker nur eben,
die allen nehmen, aber keinem geben.
({26})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Schoettle.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was den Gebrauch von Flegeln betrifft, so hat, glaube ich, Herr Kollege Wuermeling hier ein treffliches Beispiel gegeben. Ich habe mir eine parlamentarische Diskussion über den Haushaltsplan - ({0})
- Sie waren höflich in 'den Ihnen gesetzten Grenzen, Herr Kollege Wuermeling! Aber es hat ja keinen Sinn, sich auf dieser Ebene mit Ihnen auseinanderzusetzen. Sie produzieren hier Statistiken.
({1})
- Ich habe Sie eben auch nicht unterbrochen, Herr Kollege Wuermeling! Lassen Sie sich einmal in aller Freundschaft folgendes sagen: Sie sind ein Spezialist und Liebhaber von Statistiken. Aber daß dabei gelegentlich Ihre Ausgangspunkte nicht ganz stimmen und dann falsche 'Ergebnisse herauskommen, das kann man erst nachprüfen, wenn man die Geschichte schwarz auf weiß vor sich sieht. Wir werden also Gelegenheit nehmen, die Rede, die Sie eben gehalten haben, einmal unter dem Gesichtspunkt der statistischen Kunststücke zu betrachten, in denen Sie ja Meister sind.
Wir könnten Ihnen hier eine Reihe von Ihren Flugblättern zitieren. Ich habe sie nicht hier, weil ich nicht die Absicht hatte, eine polemische Rede zu halten. Aber wir könnten Sie Ihnen gelegentlich zitieren, und dann würden wir feststellen, daß Sie vor allem mit dem Ansetzen von Daten und dem Heranziehen von Vergleichen geradezu ein Meisterwerk der Irreführung - ich muß dieses harte Wort gebrauchen - vollbringen.
Ich will mich nicht auf diese Ebene begeben. Ich hatte ja die Absicht, über die Stellung der sozialdemokratischen Fraktion zum Haushaltsplan zu reden, und ich will das auch tun, nachdem ich einige Bemerkungen zu der soeben vom Zaun gebrochenen Polemik des Herrn Kollegen Wuermeling gemacht habe.
Zunächst eine andere Bemerkung. Ich bedaure eigentlich, daß die kommunistische Gruppe etwas unfair gegenüber ihrem Sprecher gehandelt hat. Es ist ja nicht ganz einfach, wenn jemand zwei oder drei Tage hier im Parlament ist, ihn gleich auf die Bühne zu schicken und ihm dann den Etat in die Hand zu drücken, damit er über etwas redet, wovon er offenbar keine Ahnung hat.
({2})
Wenn Herr Niebes, den ich noch aus den Zeiten des Frankfurter Wirtschaftsrats kenne und von dem ich damals manche sehr viel klügere Rede gehört habe, als er sie heute gehalten hat, Gelegenheit gehabt hätte, den Entwicklungsgang der jetzt zu beratenden Vorlage kennenzulernen, dann wäre er sich darüber klar geworden, daß wir jetzt über eine Sache reden, die eigentlich am 31. März dieses Jahres bereits konsumiert war.
Natürlich sind eine Reihe von Dingen in dieser Vorlage enthalten, über die man sehr viel Kritisches sagen kann, und wir haben das, was kritisch dazu zu sagen war, ja nicht nur einmal, sondern mehrmals gesagt. Es war auch eine derÜberlegungen die meine Freunde und ich angestellt haben, als wir uns überlegten, wie wir in dieser dritten Lesung verfahren sollten. Wir waren der Meinung, daß das, was man zumindest schon zwei-, dreimal
hier im Hause gesagt hat, nicht bei der dritten Lesung dieses Nachtrags noch einmal gesagt werden müßte.
({3})
Daß man sich nicht auf allen Seiten an diese eigentlich sehr naheliegende Überlegung gehalten hat, ist nicht meine Schuld; und wenn ich jetzt etwas hinter dem Feuerwerk von Zahlen zurückhänge, das der Kollege Wuermeling hier entwickelt hat, dann liegt es - ich will es ganz kurz und schlicht sagen - daran, daß wir uns auf diese Art der Auseinandersetzung in diesem Augenblick eigentlich nicht eingerichtet haben.
Aber eine Bemerkung, Herr Kollege Wuermeling! Sie haben hier noch einmal die ganze De-hatte über den Generalvertrag heraufbeschworen mit einigen Bemerkungen über die nach Ihrer Meinung nicht eintretenden finanziellen und sozialen Belastungen. Wir werden darüber reden, wenn sich die Wirkungen zeigen. Im Augenblick bewegen Sie sich genau so auf dem Gebiet der Prophezeiungen, wie wir uns auf dem Gebiet der Spekulation darüber bewegen, was eintreten wird. Es gibt aber einige konkrete Dinge, über die man nicht einfach hinweggehen kann. Es ist ja bezeichnend, Herr Kollege Wuermeling, daß der Herr Bundesfinanzminister in seiner Replik auf meine Rede zu den Verträgen sehr, sehr vorsichtig gerade um die Zahlen herumgegangen ist, die ich genannt habe und die über den Augenblick hinaus die wirkliche Belastung aus diesen Verträgen darstellen. Da ist der Herr Bundesfinanzminister - ich kann es ihm nicht übelnehmen - etwas drumherumgegangen wie - wie man zu sagen pflegt - die Katze um den heißen Brei.
({4})
- Ja, das macht nichts; wir sind ja dazu da, uns zu unterhalten, aber nicht mit einer propagandistischen Dampfwalze übereinander wegzurollen, wie Sie es vorhin versucht haben.
({5})
- Na, Tatsachen in Ihrer Interpretation!
({6})
Herr Kollege Wuermeling, Sie haben gesagt, es sei alles nicht eingetreten, was die Opposition vorausgesagt hat, es sei keine Katastrophe eingetreten. Wir hätten die Parole von der Katastrophenpolitik der Bundesregierung aufgegeben, alles die Wirkung Ihrer Aufklärungspropaganda. Nun, wir werden ja sehen, wie diese Wirkung Ihrer Aufklärungspropaganda sich am Ende in Nettoziffern bei den Abstimmungen, bei den Wahlen, zeigen wird.
({7})
Da werden einige Leute mehr mitreden als nur die, die gerade auf Ihre Propaganda hereingefallen sind.
({8})
- Ich bin gar kein Freund von Prophezeiungen, Herr Kollege Schütz! Aber immerhin gab es so einige Anhaltspunkte in den letzten Jahren über die Wirkungen, die die Politik der Bundesregierung da und dort gehabt hat. Und Sie sollten sich nicht etwa darüber täuschen lassen, weil im Augen({9})
blick Ihre massive Propaganda gewisse Wirkungen, gewisse - sagen wir einmal - Stimmungserfolge bei Ihnen erzielt. Sie sollten sich auch einmal an gewisse Tatsachen halten, die Sie nicht aus der Welt schaffen können.
Herr Wuermeling, Sie haben vorhin davon geredet, daß die sozialdemokratische Propaganda mit den 20 % der Bevölkerung operiere, die unter einer gewissen Einkommensgrenze liegen, und Sie haben so getan, als ob es eigentlich ein bitterböses Unrecht gegen Sie und gegen Ihre Freunde sei, wenn man zu den ungelernten Arbeitern auch die Rentner rechnet. Ja, sehr verehrter Herr Wuermeling, glauben Sie denn, daß die Rentner nicht auch leben wollen? Und wenn man - ({10})
- Nein, Sie haben so getan, als ob das eine ganz besondere Sorte von Menschen sei, die man nicht im Zusammenhang mit den anderen armen Teufeln nennen dürfe, die auch über ein Einkommen von unter 100 DM verfügen.
({11})
Das ist doch, um es einmal gelinde auszudrücken, sehr billig. Wir sind der Meinung, daß diese Menschen eben mit den anderen Leuten, die über ein sehr geringes Einkommen verfügen, zu jener Kategorie von Einwohnern der Bundesrepublik zählen, die von den Segnungen Ihrer Konjunktur und Ihrer Politik sehr, sehr wenig, um nicht zu sagen gar nichts, verspüren.
({12})
- Es ist richtig, daß der Sozialhaushalt gestiegen ist. Aber vielleicht überlegen Sie sich einmal, was alles in dieser Steigerung enthalten ist. Wir haben das Gesetz für die 131 er gemacht.
({13})
Wir haben das Bundesversorgungsgesetz gemacht.
({14})
Wir haben eine Reihe von solchen Gesetzen gemacht. Sie werden nicht leugnen können, daß auch die sozialdemokratische Fraktion sehr positiv an diesen Gesetzen mitgearbeitet hat.
({15})
Es wäre also falsch zu sagen, daß es lediglich der sozialen Gesinnung der Bundesregierung zu verdanken sei, daß das und das Gesetz dazu beigetragen hat, den Sozialhaushalt zu steigern.
({16})
- Herr Kollege Wuermeling, Sie haben im Grunde genommen gar nichts geschaffen, sondern Sie haben nur die propagandistische Begleitmusik dazu gemacht.
({17})
Geschaffen haben Sie gar nichts; geschaffen haben es die Millionen Menschen, die in diesem Lande fleißig arbeiten und mit dazu beitragen, daß eine solche Konjunktur überhaupt möglich ist.
({18})
Vergessen Sie doch das eine nicht, Herr Kollege Wuermeling: auch heute noch läuft die deutsche Wirtschaft zum Teil auf den Krücken der Auslandshilfe und auch heute noch ist ein erheblicher Teil der Konjunktur, von der wir im Jahre 1951 profitiert haben, auf weltpolitische Ereignisse (i zurückzuführen, wie auch die negative Seite dieser Konjunktur - nämlich Preissteigerungen - diejenigen am meisten betroffen hat, die ein geringes Einkommen haben. Wenn wir gesagt haben und es noch sagen -- der Gegenbeweis ist auch jetzt noch nicht erbracht -, daß die Politik der Bundesregierung am Ende dazu führen werde, daß zwangsläufig neue Belastungen eintreten werden, dann denken wir in erster Linie an die Menschen, die bei allen Entwicklungen in der Wirtschaft, bei denen vielleicht die Handarbeiter, die Facharbeiter, die Angestellten von der Konjunktur noch etwas abbekommen, auf jeden Fall immer die Dummen sind. Und das sind die Menschen, die entweder über sehr kleine Einkommen aus Lohnarbeit verfügen oder die als Rentner immer zum Schluß kommen.
({19})
Ja, wir machen Ihnen noch nicht einmal einen Vorwurf daraus, daß Sie so denken; aber wir bedauern die Menschen und kämpfen für die Besserung ihres Schicksals, und wir freuen uns, wenn wir da an einem Strang ziehen.
({20})
Sie haben natürlich wohlweislich übersehen, daß man im Augenblick in den Kreisen, die über die Finanzierung der künftigen großen Aufgaben der Bundesrepublik sprechen, bezüglich der nächsten Zukunft sehr viel weniger optimistisch ist, als man bezüglich der Vergangenheit war. Sie haben von den gestiegenen Steuereingängen gesprochen. Man kann nicht leugnen, daß die Steuereingänge gestiegen sind. Ich will die Ursachen jetzt gar nicht untersuchen. Aber es ist kein Geheimnis, daß der Herr Bundesfinanzminister bei den Überlegungen, woher er die Mittel bekommt, um die großen Aufgaben der Bundespolitik zu finanzieren, bezüglich der künftigen steuerlichen Entwicklung sehr vorsichtig war. Ich habe selber an den Beratungen des Vermittlungsausschusses teilgenommen, und was uns da gesagt worden ist, klang nicht nach Optimismus. Man kann auch davon sprechen, daß in gewisser Hinsicht eine Stagnation in unserer wirtschaftlichen Entwicklung eingetreten ist. Ich glaube, man sollte bei den Prognosen, die wir auf diesem Gebiet stellen, sehr vorsichtig sein.
Ich möchte mich nicht mit allen Einzelheiten Ihrer Polemik beschäftigen. Aber wenn Sie sagen, daß sich die sozialdemokratische Propaganda an der Stellungnahme der englischen Trade Unions zum englischen Verteidigungsbeitrag ein Beispiel nehmen solle, dann darf ich Sie doch auf einige Unterschiede hinweisen, die in der politischen Situation der Bundesrepublik einerseits und Englands andererseits bestehen. Wenn die englischen Trade Unions in einem Staat, der bereits über einen sehr beträchtlichen militärischen Apparat verfügt, die Frage aufwerfen: Wie verhält sich das, was wir da an neuen Rüstungsaufwendungen machen müssen, zu dem gesamten Lebensstandard unserer Bevölkerung, dann gehen sie von einer ganz anderen Voraussetzung aus, als wenn wir in Deutschland dieselbe Frage debattieren.
({21})
- Das stimmt, und ich darf Ihnen sagen, Herr Kollege Wuermeling, daß manche Leute noch nicht
Schoettle)
einmal sehr froh darüber sind, daß ein Teil unserer Bevölkerung sehr, sehr viel besser lebt, als er eigentlich leben sollte, wenn man alle Dinge miteinander in Rechnung stellt, unter anderem auch den verlorenen Krieg, den wir erlebt haben.
({22})
Man kann darüber geteilter Meinung sein, ob der englische Zustand erwünscht ist. Wir sind nicht die Verteidiger der englischen Politik, und was die englische Labour-Party - darüber läßt sich sehr viel reden - am Ende des zweiten Weltkrieges aus der Not des englischen Weltreiches heraus an einschränkenden Maßnahmen treffen mußte, das ist eine Frage, die die Engländer ganz allein für sich zu entscheiden hatten. Es darf auch schließlich hinzugefügt werden, daß es die Politik der englischen Arbeiterregierung war, die England in die Lage versetzt hat, die Jahre nach dem Kriege im Gegensatz zu den Jahren nach dem ersten Weltkrieg ohne eine nennenswerte Arbeitslosigkeit zu bestehen
({23})
und den Menschen mindestens das zum Leben garantiert hat, was sie zu beanspruchen haben.
({24})
- Herr Kollege Wuermeling, ich bin nicht ganz so uninformiert, wie Sie annehmen. Ich weiß, daß die Zahl der Arbeitslosen, die es in England während der Amtszeit der Labour-Regierung gab, die Zahl der nicht mehr vermittlungsfähigen Arbeiter im wesentlichen nicht überschritt. Das ist eine Tatsache, über die man nicht hinweg kann.
({25})
- Es hat keinen Sinn, auf dieser Ebene mit Zahlen um sich zu schmeißen.
({26})
- Das sind eben Tatsachen, die sich nach jeder Richtung hin interpretieren lassen, und wenn man ehrlich sein will, Herr Kollege Wuermeling, dann darf man diese Zahlen nicht hier von diesem Pult aus verkünden oder in einem Zwischenruf, dann muß man bereit sein, sich an Hand aller erreichbaren Materialien zusammenzusetzen und zu prüfen, was das für unser eigenes politisches Urteil über einen Vorgang in einem anderen Land bedeutet. Wenn man das nicht tut, sondern einfach einmal eine Zahl in die Bevölkerung hinauspfeffert oder in einen Kreis, der gar nicht in der Lage ist, sie zu beurteilen, dann macht man sich eines Vergehens schuldig, das ich außerhalb des Hauses mit einem wenig schmeichelhaften Wort bezeichnen würde.
({27})
Hier kann und muß ich es mir mit Rücksicht auf die Ordnungsgewalt des Herrn Präsidenten ersparen.
({28})
- Aber Herr Kollege Wuermeling!
Nun lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zum Haushalt machen. Die Polemik, in die Sie mich hier verwickelt haben, nimmt mir etwas mehr von meiner Redezeit, als ich eigentlich gerechnet habe.
Ich glaube, daß bei der Beurteilung der gegenwärtigen Vorlage vor allem eines zu sagen ist. Es ist hier der Abschluß des Haushaltsplans 1951 erreicht. Es ist eine schwere, mühselige und für viele von uns außerordentlich nervenraubende und ärgerliche Prozedur gewesen. Man kann froh sein - ich nehme an, die Herren des Bundesfinanzministeriums sind auch froh -, daß es endlich so weit ist und daß sie damit die Grundlage für den bereits beschlossenen Wiederholungshaushalt 1952 haben. Das dicke Ende kommt dann mit dem Nachtrag 1952, über den wir in absehbarer Zeit, wie ich hoffe, noch zu reden haben. Dann werden alle die Dinge wieder auftauchen, die heute nur am Rande berührt worden sind. Das können wir in aller Ruhe abwarten. Wenn man diese Vorlage im einzelnen betrachten wollte, käme man vom Hundertsten ins Tausendste, ohne an der Tatsache etwas ändern zu können, daß eine Reihe von wesentlichen Fragen sich eben bis jetzt noch nicht in diesem Haushaltsplan niedergeschlagen hat. Ich denke da an die großen Fragen, die wir in der vergangenen Woche hier debattiert haben und deren finanzielle Seiten wir erst noch zu verdauen haben werden.
Ich darf aber vielleicht in diesem Zusammenhang auf einen Punkt hinweisen, der mir und meinen Freunden als außerordentlich dringend erscheint und von dem ich überzeugt bin, daß er bewältigt werden muß, wenn wir auf dem Gebiete der Verwaltung einen Zustand erreichen wollen, bei dem die Menschen in der Verwaltung, und zwar nicht nur die Leute, die oben auf dem Fett schwimmen, sondern die Leute ganz unten, nämlich alle öffentlichen Bediensteten, ihre Arbeit, ihre Leistungen dem Staat, der öffentlichen Hand wirklich mit Freuden zur Verfügung stellen sollen. Wir haben in den vergangenen Monaten ein paar Mal an den Besoldungen der Beamten herumgeflickt. Wir haben mal eine 20 Mark-Zulage im vergangenen Haushaltsplan gegeben, wir haben eine 20 %ige Zulage zu den Beamtengehältern beschlossen, wir haben dasselbe bei den Pensionären getan. Schließlich haben wir ein halbes Monatsgehalt bewilligt. Aber, wenn man sich die Lage eines großen Teiles der Angehörigen des öffentlichen Dienstes einmal ansieht - ich denke da an die unteren und mittleren Besoldungsgruppen -, dann muß man einfach sagen, daß das auf die Dauer völlig unmöglich ist.
({29})
Ich glaube, es wäre die allerhöchste Zeit - ich will das, was ich zu sagen habe, mit dieser positiven Note abschließen -, es wäre die allerhöchste Zeit, daß wir zu einer wirklichen Reform der Besoldungsordnung kommen, die etwas mehr als nur das Anflicken da und dort ist, sondern die wirklich der Tatsache Rechnung trägt, daß die Gehälter im öffentlichen Dienst im Grunde genommen noch immer auf der Grundlage des Jahres 1927 aufgebaut sind.
({30})
Das ist ein Zustand, der auf die Dauer einfach unhaltbar ist. Ich glaube, hier muß sich der Herr Bundesfinanzminister auch einmal mit seinen Herren sehr, sehr den Kopf zerbrechen, damit wir eine Lösung bekommen, die wir alle miteinander gegenüber den Menschen wirklich verantworten können, von denen wir erwarten, daß sie für jede Art politischer Konstellation die Dienste im öffentlichen Dienst loyal verrichten.
({31})
({32})
Das ist eine Sache, die uns allen ebensosehr am Herzen liegt wie die Fragen der großen Politik, über die wir uns hier die Köpfe heiß reden. Ich weiß um die Verdrossenheit der Beamten, nicht nur der kleinen, sondern auch der, die bereits in etwas höhere Kategorien eingerückt sind und die anläßlich der Bewilligung eines halben Monatsgehalts gesagt haben: „Was habe ich denn davon? Am Ende geht doch mehr als die Hälfte wieder an den Herrn Bundesfinanzminister oder an die Herren Länderfinanzminister zurück!" Die eigentlichen Dummen bei dieser Art von Gehaltsreparaturen sind ja letzten Endes die Gemeinden, die auch irgendwie nachziehen müssen und bei denen die Steuereinnahmen aus Löhnen und Gehältern nicht wieder zurückfließen; sie gehen nämlich an die Länder und im Wege der Aufteilung an den Bund. Ich glaube, so kann man auf die Dauer nicht weitermachen. Und wenn ich anläßlich der Beratung dieser Vorlage nichts sonst gesagt hätte - dann dies: Sorgen wir dafür, daß gerade auf diesem Gebiete einmal Ordnung und im echtesten Sinne des Wortes Gerechtigkeit eintritt.
Ein letztes Wort, meine Damen und Herren. Ich glaube, daß die Art, in der die sozialdemokratische Fraktion in den Ausschüssen und hier im Plenum an der Gestaltung dieser Vorlage mitgearbeitet hat, der beste Beweis gegen die Behauptung ist, daß wir nur negativ eingestellt seien. Sie können uns alles Mögliche nachsagen, aber eines können sie uns nicht sager': daß wir an der Gestaltung dieser Dinge, die die Grundlage jeder ordentlichen Verwaltung sind, nicht sehr ernsthaft und positiv mitgearbeitet hätten!
({33})
Wenn wir in der letzten Entscheidung politisch Stellung nehmen, meine Damen und Herren, dann tun wir das aus den Gründen, die wir in zahllosen Debatten in diesem Hause immer wieder dargelegt haben. Weil wir nicht in politischer Übereinstimmung mit der Regierung sind, die auf der Grundlage dieser Vorlage ihre politische Zielsetzung verfolgt, weil wir uns in einem schweren, ich möchte beinahe sagen: in einem unlösbaren Widerspruch zu den allgemeinen Vorstellungen dieser Politik befinden, deshalb lehnen wir diese Vorlage ab, - obwohl wir wissen und es durch unsere praktische Mitarbeit bewiesen haben, daß in soundso vielen Positionen Dinge enthalten sind, die jeder von uns machen müßte und die einfach unerläßlich sind für den Weitergang des Lebens.
({34})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoffmann ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Nachtragshaushalt einschließlich der Ergänzungsvorlage ist ein Teilstück von zwei Etatsjahren. Ich habe schon bei der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes für 1952 namens meiner Fraktion starke grundsätzliche Bedenken wegen der Art des Verfahrens bei der Behandlung des Haushalts zum Ausdruck gebracht.
Es ist praktisch eine Situation entstanden, die es den Abgeordneten unmöglich macht, die Kontrolle über den Haushalt auszuüben. Den Abgeordneten wird laufend eine Fülle von Einzelplänen und Vorwegbewilligungen präsentiert. Nur nach Durchführung umfangreicher Rechenarbeiten ist es den Abgeordneten möglich, einen Überblick zu gewinnen. Hinzu kornmt, daß das Schema des Etats kein klares und vollständiges Bild über die Verwendung der Mittel für bestimmte Zwecke ermöglicht, weil sich die Aufwendungen für die verschiedenen Ressorts überschneiden. Das jetzige Schema des Etats entspricht in keiner Weise mehr den heutigen Anforderungen. Unseres Erachtens muß in Zukunft neben der Aufteilung nach Ressorts auch eine klare Aufteilung nach Aufgabengebieten eingeführt werden. Als Beispiel nenne ich die Ausgaben für Kraftfahrzeugbeschaffung und -unterhaltung, die jetzt mühselig aus den einzelnen Etats zusammengezogen werden müssen. Im Haushaltswesen der Gemeinden, der Kreise und Städte ist man darin häufig schon viel weiter.
Es ist zu begrüßen, wenn sich führende Finanzwissenschaftler mit einer Reform des Etatschemas beschäftigen. Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß sich der Bundesfinanzminister den notwendigen Reformen nicht verschließt und sie schon bei der Vorlage des Etats für 1953 soweit wie möglich berücksichtigt.
Es wird immer wieder betont, daß zu den wichtigsten Rechten und Pflichten der Abgeordneten das Budgetrecht gehört. Die Entwicklung hat aber dazu geführt, daß die Stellung der Exekutive ständig stärker, die der Abgeordneten dagegen ständig schwächer wird.
({0})
- Herr Kollege Lücke, wenn Sie als Amtsdirektor in Engelskirchen solche Etats zu beraten hätten, würde es Ihnen dort schlecht ergehen.
({1})
Der Bundesfinanzminister weist bei jeder Gelegenheit auf die schwierige Lage des Bundes hin; andererseits werden aber seitens des Ministeriums laufend Vorwegbewilligungen von uns gefordert, rlie vermuten lassen. daß gewisse stille Reserven doch vorhanden sind.
Man ist sich sicherlich auch in den Kreisen der Regierung darüber klar, daß die jetzige Situation im Haushaltswesen unerfreulich ist und so schnell pis möglich durch die rechtzeitige Vorlage des Haushalts für 1953 Ordnung geschaffen werden rnuß. Wir hoffen, daß der Bundesfinanzminister sein gegebenes Versprechen einhält und den Haushalt für 1953 dem Parlament rechtzeitig vorlegt.
Neben den erwähnten sachlichen Bedenken sind es auch politische Gesichtspunkte, die es uns nicht möglich machen, dem Nachtragshaushalt für 1951 und der Ergänzungsvorlage unsere Zustimmung zu geben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Blank.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Leben ist. wie mir scheint, auch im Deutschen Bundestag - und viele von uns werden das gerade heute wieder festgestellt haben - eine Kette von Enttäuschungen. Die Berichterstattung über die Einzelpläne und das Gesetz selbst war, wie mir schien und wie wir das im Haushaltsausschuß gewöbnt sind. außerordentlich glatt, ruhig, vernünftig und sachlich abgelaufen.
({0})
- Das war bisher auch keine Enttäuschung: so war
das auch nicht gemeint, gnädige Frau. - Ich hatte
({1}))
aber die Idee und hatte das auch mit den Kollegen aus dem Haushaltsausschuß besprochen, wie schön es wäre, wenn man am Schluß von zwei immerhin einigermaßen aufregenden Tagen nun diese Sache, die schon so lange vorbei ist, wie dieser Haushalt 1951, möglichst schnell und glatt erledigt worden wäre. Wir könnten erheblich weiter sein, wenn es nicht irgend jemandem notwendig erschienen wäre, nun doch noch hier Dinge zu besprechen, die mit dem Bundeshaushalt doch nur verhältnismäßig bedingt etwas zu tun haben. Allein diese Tatsache veranlaßt mich, hier auch noch einmal das Wort zu ergreifen.
Es sind natürlich eine ganze Menge von hochinteressanten, wichtigen und sachlich entscheidenden Punkten auch in dieser nunmehr ausgebrochenen Generaldebatte zur dritten Beratung vorgebracht worden. Ich möchte insbesondere den Punkt, den beide Herren Vorredner, sowohl der Kollege Wuermeling wie der Kollege Schoettle, berührt haben, nämlich die Besoldung der im öffentlichen Dienst stehenden Menschen, auch meinerseits noch einmal nachdrücklich unterstreichen. Ich möchte aber hinzufügen, daß es nach meinem Gefühl - wenn man sich einmal die Ziffern und die Erhöhungen seit 1927 ansieht - unter allen Umständen erforderlich ist, daß nicht etwa nur von unten angehoben wird, so notwendig das ist. Es ist nach der Überzeugung meiner Freunde dringend erforderlich, daß auch die höheren Beamten auf die Dauer in der Lage bleiben, ihre Kinder so zu erziehen und ausbilden zu lassen, daß diese selbst wieder höhere Beamte werden können. Das ist zur Zeit in weiten Kreisen nicht der Fall. Also ich glaube, man sollte da keine Sparte ausschließen, sondern sollte unter Umständen unter Anbringung erforderlicher Änderungen und Verschiebungen doch eine Gesamthebung zu dem frühesten Zeitpunkt in Aussicht nehmen, zu dem es überhaupt möglich ist:
Im übrigen glaube ich, meine Damen und Herren, daß wir heute zum Haushalt 1951 kaum noch Wesentliches werden sagen können. Ich habe den Auftrag von meinen Freunden, Ihnen mitzuteilen, daß meine Fraktion in der dritten Beratung zustimmen wird.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
({0})
Loritz ({1}): Ja, meine Damen und Herren, um anzuknüpfen an einen der letzten Sätze meines Herrn Vorredners Blank: es wäre ja doch viel, viel einfacher für Sie, meine Herren von den Regierungsparteien, wenn es gar keine Haushaltsdebatte mehr gäbe, wenn es nur noch so eine Abstimmungsmaschine gäbe, die zu allem Ja und Amen sagt, was die Regierungsbank beschlossen hat. Das wäre Ihnen ja das Angenehmste. Sie haben es schon sehr weit gebracht auf dem Wege zu dieser Ausschaltung des Parlaments, die sich am klarsten dadurch manifestiert, daß man diese wichtigen Haushaltsplandebatten an den Schluß dieser Sitzungsperiode vor den Ferien setzt, daß man sie auf eine späte Abendstunde setzt, daß man sie ansetzt, nachdem bereits ein oder zwei Tage einer großen Debatte vorangegangen sind, so daß sich die Haushaltsplandebatte vor beinahe leeren Bänken abspielt. Und doch ist das die wichtigste Debatte im politischen Leben einer wahren Demokratie. Aus Haushaltsplandebatten heraus hat sich überhaupt erst die Institution des Parlaments in den Demokratien entwickelt.
({2})
Hier aber findet man es ja schon kaum der Mühe
wert, auch nur hinzuhören, was Leute von der
Opposition zu sagen haben.
({3})
Sie sind j a schon so weit gekommen, daß Sie bedingungslos mit all dem mitlaufen, was diese Regierung wieder tut, statt in innenpolitischer, wirtschaftspolitischer und außenpolitischer Beziehung die Haushaltsplandebatte zum Anlaß zu nehmen, um der Regierung die Meinung zu sagen, und nicht bloß ihr die Meinung zu sagen, sondern ihr auch konkrete Vorschläge zu geben, wie man es anders zu machen hat, Vorschläge, um die Volkswirtschaft endlich in den Zustand zu bringen, in den sie schon lange hätte gebracht werden müssen und können, nämlich eine Verbesserung des Lebensstandards, nicht bloß für ein paar hunderttausend Leute, die die Nutznießer des Regimes Adenauer sind, die heute wieder schamlose Gewinne machen, während die Millionen der breiten Bevölkerungsschichten bis jetzt noch keine Besserung gesehen haben. Alles was Sie von der Regierungsseite da an Ziffern zu Ihren Gunsten anführen, ist ja eine Spiegelfechterei. Sie sagen, Sie hätten soundso viel Millionen Leute mehr in Arbeit und Brot gebracht. Sie haben ganz vergessen, hinzuzufügen, daß durch die Zunahme der Bevölkerung in Westdeutschland, die allein schon durch die Millionen der Heimatvertriebenen verursacht wurde, an sich schon größere Produktionsmöglichkeiten und Anstellungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für weitere Schichten der Bevölkerung gegeben sein mußten.
({4})
Das ist kein Verdienst der Regierung, sondern der deutschen Arbeiter!
Da kommen dann Regierungserklärungen, in denen drinsteht, man solle doch die Qualität des Brotes--durch Zusatz von Milcheiweiß verbessern, eine Denkschrift des Herrn Ernährungsministers, erst vor wenigen Wochen herausgekommen, in der wortwörtlich drinsteht, daß ungefähr 17 Prozent der Bevölkerung heute noch sich nicht einmal so viel kaufen können, daß sie auch nur einigermaßen genügend ernährt würden.
({5})
Sehen Sie, s o sieht das Regime Adenauer aus!
({6})
- Und jetzt schon wiederum die Lampe, als Zeichen, daß meine Redezeit zu Ende ist! Diese Geschäftsordnung, diese unerhörte Beschränkung der Redezeit ist nämlich der Dreh gewesen,
({7})
den Sie gemacht haben, um die Leute, die Ihnen unbequem sind, mundtot zu machen. Über diese Beschränkung der Redezeit wird sich vielleicht der Bundesverfassungsgerichtshof auch noch einmal auszusprechen haben.
({8})
Jedenfalls, in wirtschaftspolitischer Beziehung hat die Regierung Adenauer nichts anderes erreicht als eine Besserstellung, eine sehr wesentliche Bes({9})
serstellung, einer sehr kleinen gehobenen Schicht in diesem Lande. Die geht natürlich durch dick und dünn mit der Regierung Adenauer. Ja, Sie werden mit dieser Regierung solange gehen, bis wir wiederum im Dreck drinnen sitzen. Das haben wir alles schon einmal gehabt in diesem Lande!
({10})
Millionen von Menschen in diesem Lande aber müssen eine Wirtschaftssituation an ihrem eigenen Leibe erdulden, die so aussieht, daß sie nicht mehr wissen, wie sie sich notdürftig durchbringen sollen. Das sind die Tatsachen. Die letzte Denkschrift des Herrn Bundesernährungsministers, die von 17 Prozent unterernährten Menschen in Westdeutschland spricht, bestätigt diese Tatsache nur.
({11})
Meine Damen und Herren, außenpolitisch genauso eine völlig falsche Politik, eine Politik, die uns glatt in eine neue Katastrophe hineinbringen wird. Auch da machen Sie bedingungslos mit, statt diese Dinge durchzudiskutieren. sie könnten sich, meine Herren von den Regierungsparteien und meine Herren von der Ministerbank, ein Beispiel nehmen am kleinen Österreich. Früher, zur Zeit des ersten Weltkrieges noch, da hat man doch manchmal ganz zu Unrecht so mit ein bißchen Hochmut herabgesehen auf den „Kamerad Schnürschuh". Er sei halt doch nicht so ein vollwertiger Deutscher wie die anderen, hat man in gewissen Kreisen fälschlicherweise gesagt. Jetzt konnten Sie sich ein Beispiel an der österreichischen Regierung nehmen, die es fertiggebracht hat, die Einheit ihres Landes zu retten, obwohl dieses Land auch in vier Zonen zerrissen und zerstückelt ist, mit genau denselben Schwierigkeiten, wie das für Deutschland der Fall ist. Osterreich hat seine Einheit gerettet. Herr Figi hat vor wenigen Wochen erst in Washington gesagt, er bedanke sich für eine Allianz mit den Westmächten, er wolle überhaupt nichts wissen von einer Festlegung - ({12})
Herr Abgeordneter Loritz, Ihre Redezeit ist bereits überschritten. Ich bitte Sie, zum Schluß zu kommen.
({0})
- Nein, Herr Abgeordneter Loritz, Sie müssen jetzt schließen!
Loritz ({1}): Dann muß ich leider den Satz zu Ende sprechen und schließen. Um den Satz zu enden, wo ich unterbrochen wurde
({2}) durch den Herrn Präsidenten und Sie: Die Regierung Adenauer könnte sich ein Beispiel nehmen, was die außenpolitische Haltung betrifft, an der österreichischen Regierung, die trotz derselben Schwierigkeiten, wie wir sie in Deutschland hatten, es vermieden hat, sich in den Rivalitätenwettkampf zwischen den zwei Weltmächten irgendwie festzulegen.
Die Regierung Adenauer hat in außenpolitischer Beziehung genau so versagt wie in innenpolitischer und wirtschaftspolitischer, und aus diesem Grunde wird eine zukünftige deutsche Geschichtsschreibung es nicht verstehen können,
({3})
daß wiederum Jasager bedingungslos zu jedem Haushaltsplan hier ihr Ja lispeln - ({4})
Vizeprdsident Dr. Schäfer: Herr Loritz, ich bitte, zum Schluß zu kommen. Ich habe Ihnen so viel
Zeit zugegeben; jetzt müssen Sie schließen, sonst muß ich Ihnen das Wort entziehen.
Loritz ({5}): - zu einem Haushaltsplan. der die übelsten Sachen bringt,
({6})
Etats bringt, von denen Sachverständige behaupten, daß sie in dieser Ausdehnung überhaupt nicht begründet sind. Und nun, um zum Schluß zu kommen, - ({7})
Nein, nicht „um zum
Schluß zu kommen". Ich entziehe Ihnen das Wort!
({0})
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft und die Aussprache geschlossen.
Zu den einzelnen Teilen der Vorlage liegen Änderungsanträge nicht vor; infolgedessen erübrigt sich eine Einzelberatung der einzelnen Haushalte.
Wir kommen also zur Abstimmung über Drucksache Nr. 3520. Ich rufe auf die §§ 1 bis 6, Einleitung und Überschrift und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; die Vorlage ist angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die der Vorlage im ganzen zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit.
Damit ist das Gesetz über die Feststellung eines Ersten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 einschließlich Ergänzungsvorlage in dritter Beratung verabschiedet.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erhöhung der Einkommensgrenzen in der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({2}) ({3}).
({4})
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Horn.
Horn ({5}) Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Haus befindet sich in erheblicher Zeitnot. Ich glaube deshalb Ihren Wünschen zu entsprechen, wenn ich mich bei meiner Berichterstattung nicht so ausführlich zu der Vorlage äußere, wie ich das unter normalen Verhältnissen hätte tun müssen, sondern nur die wirklich wesentlichen Punkte der Vorlage besonders erläutere und die anderen nur andeute.
Die Vorlage geht in dem Teil, der die Krankenversicherung betrifft, auf einen Beschluß des Hohen Hauses zurück, den wir Anfang Dezember vorigen Jahres gefaßt haben und in dem die Bundesregierung beauftragt wurde, dem Bundestag einen Gesetzentwurf vorzulegen, der beinhaltet, die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung auf 500 DM zu erhöhen. Die Bundesregierung
({6})
hat es für richtig gehalten, ihre Gesetzesvorlage nicht nur auf die Krankenversicherung zu beziehen, sondern in einer gemeinsamen Vorlage die Einkommensgrenzen für die Krankenversicherung, die Angestelltenversicherung und die Knappschaftsversicherung zu regeln und gleichzeitig auch die sich daraus ergebenden Folgerungen für die Arbeitslosenversicherung zu ziehen.
Die Ausschußvorlage Drucksache Nr. 3600 enthält in den Formulierungen einzelner Paragraphen gewisse Abweichungen von der Regierungsvorlage. Soweit solche Abweichungen - in § 2 und einigen anderen Paragraphen - vorhanden sind, sind sie lediglich darauf zurückzuführen, daß der Ausschuß es für richtig gehalten hat, die einzelnen Bestimmungen nicht lediglich anzusprechen, wie es in der Regierungsvorlage geschehen war, sondern gleichzeitig die betreffenden Paragraphen der Reichsversicherungsordnung in ihrem Wortlaut diesen neuen Erfordernissen anzupassen.
Bezüglich der Krankenversicherung sind die Vorlage und auch die Beschlüsse des Ausschusses dem damaligen Beschlusse des Bundestags gefolgt, und infolgedessen 'ist in § ,1 der Vorlage die Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung auf 6000 DM im Jahre erhöht worden. Wenn Sie in Art. 1 § 1 in der drittletzten Zeile lesen: „jeweils die Worte ,3600 Reichsmark durch die Worte ,6000 Deutsche Mark' ersetzt", so könnte es den Anschein haben, als ginge die Vorlage an der Tatsache vorbei, daß die Versicherungspflichtgrenze durch das Sozialversicherungsanpassungsgesetz des Wirtschaftrats vom Jahre 1949 bereits auf 4500 DM erhöht worden war. Aber damals sind die entsprechenden Paragraphen der Reichsversicherungsordnung, die §§ 165, 165 a und 166, nicht entsprechend geändert worden; und um die Reichsversicherungsordnung wieder dem Tatsächlichen anzupassen, empfiehlt die Vorlage, jetzt diese Paragraphen entsprechend zu ändern.
Der § 2 hat keinerlei besondere Änderung gegenüber der Regierungsvorlage erfahren. Ich darf hier nur folgenden Vorgang aus dem Ausschuß erwähnen. In Ziffer 1 des § 2 heißt es:
im § 180 Abs. 1 Satz 3 der Reichsversicherungsordnung die Worte „zehn Reichsmark" durch die Worte „16,67 Deutsche Mark" ersetzt.
Hier handelt es sich um die Festlegung des Grundlohns. Im Ausschuß war die Anregung gegeben worden, zu prüfen, ob man solche krummen Zahlen wie 16,67 nicht auf 16,70 aufrunden solle. Das hätte praktisch bedeutet, daß sich auch die tatsächlich festzulegende Jahresarbeitsverdienstgrenze im Wege der Multiplikation um die entsprechenden Beträge erhöht hätte. Der Ausschuß ist bei seiner Beschlußfassung dieser Anregung nicht gefolgt, weil er es für notwendig hielt, es bei einer runden Summe, also bei 6000 DM, zu belassen.
Zu § 2 Abs. 3 ist keine besondere Bemerkung zu machen, desgleichen auch nicht zu § 3, der der Regierungsvorlage entspricht.
Mit dem § 4 hat sich der Ausschuß sehr eingehend beschäftigen müssen. Ich darf daran erinnern, daß bei dem Beschluß des Bundestags vom Dezember des vergangenen Jahres die Regierung des weiteren beauftragt wurde, zu prüfen, ob bzw. inwieweit der § 178 der Reichsversicherungsordnung wieder in Kraft gesetzt werden soll. Bei diesen Paragraphen handelt es sich um die Vorschrift, daß das Recht zur freiwilligen Weiterversicherung dann erlischt, wenn das Jahreseinkommen des Versicherten die Grenze von 7200 DM übersteigt. Diese Vorschrift ist durch einen Erlaß des Reichsarbeitsministers vom 4. Februar 1941 suspendiert worden; er hat also zur Zeit keine rechtliche Geltung. Infolge der Auswirkungen dieser Suspendierung ist seit langem, insbesondere von der Arzteschaft, die Forderung erhoben worden, diesen § 178 wieder in Kraft zu setzen. Die Bundesregierung ist bei der Prüfung, ob bzw. inwieweit das geschehen solle, zu der Entscheidung gekommen, in § 4 der Vorlage zu sagen, daß die Grenze für die Aufrechterhaltung der Versicherungsberechtigung auf 8400 Deutsche Mark im Jahr festgesetzt werden solle, daß dementsprechend der § 178 der RVO usw. entsprechend zu ändern sei. Die Bundesregierung ist also nach ihrer Vorlage der Meinung, daß dieser Paragraph wieder vollinhaltlich in Geltung kommen soll. Sie sehen aus der Vorlage des Ausschusses, daß der Ausschuß schließlich und endlich den Betrag „8400 Mark", durch „9000 DM" ersetzt hat.
Ich muß dazu, weil, wie ich annehme, diese Dinge in der Diskussion behandelt werden, in meinem Bericht noch folgendes sagen. Es herrschte Übereinstimmung im Ausschuß darüber, daß man einen gewissen Personenkreis, der bei der Inkraftsetzung dieser Vorschrift zwangsläufig aus der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheiden müßte, dann nicht einfach ohne Schutz belassen könne. Es handelt sich zweifellos in der Vielzahl der Fälle auch um solche Menschen, die ihres Alters wegen normalerweise von der privaten Krankenversicherung nicht mehr aufgenommen würden, bei denen, wenn sie noch aufgenommen werden könnten, dann auch - wie es in der privaten Krankenversicherung rechtens ist - die bestehenden oder früheren Krankheiten von der Leistungspflicht ausgenommen würden, daß auch die private Krankenversicherung berechtigt wäre, von ihren Kündigungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen, und was vielleicht sonst noch an Vorschriften in den verschiedenen Bedingungen steht. Es lagen und liegen zwar gewisse Garantieerklärungen der privaten Krankenversicherung vor, die auch durch Erklärungen des Präsidenten des Bundesaufsichtsamtes für Privatversicherung eine gewisse Erhärtung erfahren haben, daß einmal die Bestimmung über die Altersgrenze nicht beachtet wird, daß zweitens bestehende oder frühere Leiden nicht ausgeschaltet werden, daß insbesondere auch vom Kündigungsrecht kein Gebrauch gemacht werden soll und was vielleicht im einzelnen noch hinzukommt.
Im ersten Stadium der Verhandlungen des Ausschusses war die Meinung vertreten, solche Erklärungen seien letzten Endes nicht ausreichend, weil ihnen eine gesetzliche Festlegung mangle und die private Krankenversicherung schließlich von solchen Erklärungen wieder zurücktreten könne, wenn sie glaube, daß das Risiko nicht getragen werden könne. Deshalb ging eine andere Anregung im Ausschuß, die schließlich auch zu einem Antrag erweitert wurde, dahin, man solle es den Versicherten, die hier in Frage kommen, freistellen bzw. ihnen die Berechtigung zuerkennen, auch in ihren bisherigen Krankenversicherungsgemeinschaften zu verbleiben; sie sollten jedoch kein Recht mehr haben, auf Krankenschein behandelt zu werden. Art und Umfang der Leistungen seien durch die Satzung der jeweiligen Kasse festzulegen. Im Endstadium der Verhandlungen hat sich jedoch eine Mehrheit des Ausschusses zu der Auffassung bekannt, man könne die Erklärungen der privaten Krankenversicherung
({7})
als ausreichend ansehen. Sie hat dann den Beschluß gefaßt - wie ich eben schon sagte -, die 8400 Mark durch 9000 DM zu ersetzen.
§ 4 a, der in der Ausschußvorlage eingesetzt ist, beinhaltet lediglich eine notwendige Anpassung in bezug auf die Unfallversicherung, die sich aus der Erhöhung des Jahresarbeitsverdienstes zwangsläufig ergibt. Die Regierungsvorlage hat bezüglich der Rentenversicherung der Angestellten --- der Angestelltenversicherung - eine Erhöhung auf 8400 DM vorgesehen. Der Ausschuß ist über diese Begrenzung hinausgegangen und hat einem Antrag zugestimmt, der besagt, daß in der Angestelltenversicherung die Pflichtgrenze auf 9000 DM, also auf 750 DM Monatseinkommen, erhöht werden soll. Die übrigen Vorschriften, die Sie in den §§ 5, 5 a, 5 b, 6, 7, 8 und 8 a finden, sind notwendige Schlußfolgerungen aus den neuen Erhöhungen. Ich will der Zeit wegen nicht näher darauf eingehen.
Im Art. 4 der Ausschußvorlage, der die Knappschaftsversicherung betrifft, ist die Versicherungspflichtgrenze durch einen Mehrheitsbeschluß des Ausschusses auf 12 000 DM im Jahr oder auf 1000 DM im Monat erhöht worden. Ich muß korrekterweise vor Ihnen berichten, daß auch über diesen Punkt im Ausschuß sehr ausgedehnte Debatten geführt worden sind und sich auch ein Unterausschuß vor der endgültigen Beschlußfassung mit der Frage noch einmal beschäftigt hat. In der Knappschaftsversicherung, in der mit Rücksicht auf die besonderen Verhältnisse im Bergbau schon stets höhere Versicherungspflichtgrenzen gegolten haben, ist folgender Tatbestand zu verzeichnen.
Seit Mai des Jahres 1951 ist vor allen Dingen im Ruhrkohlenbergbau bereits so verfahren worden, als ob die Versicherungspflichtgrenze schon auf 10 200 DM erhöht gewesen sei, und die Arbeitgeber haben den betreffenden Angestellten auch die Arbeitgeberanteile, wie an Pflichtversicherte, ausgezahlt. Die Regierungsvorlage hatte vorgesehen, diese Sachlage jetzt durch unsere Beschlußfassung zu legalisieren.
Es ist darauf hingewiesen worden, daß eine Gruppe von Angestellten verbleibt, die Reviersteiger, über deren prozentualen Anteil von den Arbeitgebern und von den Gewerkschaften bzw. der Knappschaft in den Verlautbarungen an den Ausschuß keine übereinstimmenden Angaben gemacht wurden. Es ist betont worden, daß diese Versicherten, wenn sie aus der Versicherungspflicht herausfallen, dann nicht mehr in der Lage seien, die enorm höheren Beiträge in der Knappschaft aus eigenem Vermögen aufzubringen. Deshalb ging ein Antrag der IG-Bergbau an uns dahin, § 28 des Knappschaftsgesetzes dahin zu ändern, die Versicherungspflichtgrenze zwar auf 10 200 DM festzusetzen, es aber denen, die über diese Grenze hinauskommen, zu gestatten, freiwillig in der Versicherung zu bleiben, und gleichzeitig die Arbeitgeber zu verpflichten, dann diesen Personen auch die Anteile weiterhin auszuzahlen.
Diese Auseinandersetzungen sind schließlich damit beendet worden, daß eine Mehrheit des Ausschusses, wie ich schon sagte, die Grenze auf 12 000 DM festgesetzt hat. Dabei ist hinzugefügt worden, laß dann der gesamte Personenkreis durch diese höhere Festsetzung erfaßt würde und sich jede weitere Diskussion über diesen Gegenstand wahrscheinlich erübrige. Aus dieser Höherfestsetzung auf 12 000 DM haben sich naturgemäß auch einige notwendige Anpassungen für die Vorlage ergeben,
Nach § 9 a, der die Weiterversicherung in der Krankenversicherung der Knappschaft betrifft, soll die Versicherungsberechtigung erlöschen, wenn das regelmäßige jährliche Gesamteinkommen 12 000 DM übersteigt.
Ich muß der Ordnung halber noch nachtragen, daß der Bundesrat seinerseits beantragt hatte, § 4 der Vorlage, der § 178 der RVO, also die Weiterversicherung in der Krankenversicherung, betrifft, völlig zu streichen und jede Begrenzung der freiwilligen Weiterversicherung auszuschalten. Der Ausschuß ist, wie die Vorlage zeigt, dieser Anregung nicht gefolgt.
§ 10 bringt die notwendigen Angleichungen auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung. § 10 a bedarf keiner besonderen Erwähnung; ebenso können die §§ 11, 12, 12 a und 12 b an dieser Stelle übergangen werden. Die §§ 12 und vor allem 12 a beinhalten Vorschriften, die den Menschen entgegenkommen sollen, die in der Angestelltenversicherung entweder wieder oder erstmalig versicherungspflichtig werden, die aber vielleicht die Anwartschaft nicht mehr in vollem Maße zu erfüllen in der Lage sind oder die auf andere Weise bei privaten Versicherungseinrichtungen Vorsorge getroffen haben. Hier sind entsprechende Befreiungsmöglichkeiten für diesen Fall vorgesehen.
Ich darf zum Schluß noch auf § 15 hinweisen, der die Berlin-Klausel enthält, und zwar eine eingeschränkte Berlin-Klausel.
Hier wird der Tatsache Rechnung getragen, daß wir vor kurzem bei der Novelle zum Selbstverwaltungsgesetz die Berlin-Klausel ebenfalls ausgeschaltet haben, und hier ist berücksichtigt, daß für die Krankenversicherung im Lande Berlin noch keine Rechtsangleichung an das Recht des Bundes vorgenommen worden ist. Infolgedessen sind die §§ 1, 4, 11 und 12 dieser Vorlage von der Berlin-Klausel ausgenommen worden. Im übrigen aber soll das Gesetz, soweit es also die Angestelltenversicherung, die Rentenversicherungen, betrifft, ebenfalls auf das Land Berlin Anwendung finden.
Meine Damen und Herren, damit möchte ich meine Berichterstattung schließen. Sollte die Debatte es erforderlich machen, dieses oder jenes vielleicht noch nachzutragen, dann darf ich mir das vorbehalten.
({8})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten ein in die zweite Beratung. Ich rufe auf Art. 1 § 1, - § 2, - § 3. Dazu liegen Änderungsanträge und Wortmeldungen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe nun auf § 4. Dazu liegen mehrere Änderungsanträge vor, einer von der SPD auf Umdruck Nr. 613 Ziffern 1 und 2, einer von der FDP auf Umdruck Nr. 614 Ziffer 1, einer von der DP auf Umdruck 615 Ziffer 1 und einer von der Abgeordneten Frau Kalinke und Genossen auf Umdruck Nr. 625.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Korspeter.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Herr Berichterstatter hat vorhin schon darauf hingewiesen, daß durch den § 4 des uns vorliegenden Gesetzentwurfs der Erlaß des früheren Reichsarbeitsministers vom 4. Februar 1941, der die Einkommensgrenze für die Aufrechterhaltung der freiwilligen Weiterversicherung in der sozialen Krankenversicherung beseitigte, aufgehoben und gleichzeitig der § 178 der RVO wieder in Kraft gesetzt werden soll; allerdings mit der Änderung, daß statt der Höchstgrenze von 7200 DM jetzt eine Höchstgrenze von 9000 DM festgelegt werden soll, so daß nunmehr die Versicherungsberechtigung laut §§ 176 und 313 der RVO in allen Fällen erlöschen soll, wenn das jährliche Gesamteinkommen 9000 DM übersteigt.
Durch diese Regelung werden Angestellte und auch Selbständige, z. B. die Handwerksmeister, die nunmehr jahrelang in der sozialen Krankenversicherung versichert gewesen sind, ihrer Leistungsansprüche beraubt, weil ihr Einkommen einen bestimmten Betrag übersteigt.
({0})
Bei der Behandlung dieser Frage müßten wir uns wohl einige wesentliche Gesichtspunkte vor Augen führen. Wir müßten sehen, daß vom sozialen Gesichtspunkt her die Versicherungsgrenze allein niemals ein gerechter Maßstab sein kann. Wir müßten weiter sehen, daß die Wiedereinführung einer Grenze für die Versicherungsberechtigung nach über zehnjährigem Fehlen einer solchen Begrenzung die bestehenden Rechte der Versicherten wesentlich beeinträchtigen würde.
Bereits bei den Beratungen im Ausschuß haben wir darauf hingewiesen, daß dieser davon betroffene Personenkreis eine solche Regelung als unbillige Härte empfinden müßte, und die Zuschriften, die wir bekommen haben, und die wahrscheinlich auch Sie bekommen haben, beweisen, daß man so denkt. Es handelt sich bei diesem Personenkreis im allgemeinen um Personen in höherem Alter, und es ist ganz selbstverständlich, daß sie ihre in der sozialen Krankenversicherung erworbenen Rechte nicht aufgeben wollen, zumal die Erklärungen der privaten Krankenversicherung keine absolute Gewähr dafür bieten, daß diese Menschen auf Grund ihres Alters und eventuell bestehender Leiden dort so gut aufgehoben sein werden, wie sie es bis jetzt in der sozialen Krankenversicherung gewesen sind.
Wir hatten deshalb bereits im Ausschuß verschiedene Anträge und Vorschläge eingebracht, weil wir der Ansicht sind, daß wir diese bislang Versicherten nicht ohne inneren Grund derart benachteiligen sollten. Der Herr Berichterstatter hat in seinem Bericht - ich nehme an, weil ihm nicht sehr viel Zeit zur Verfügung stand - nicht darauf hingewiesen, daß die sozialdemokratische Fraktion im Ausschuß eine Reihe von Vorschlägen und Anträgen eingebracht hatte. Einer unserer Vorschläge lief auf die völlige Streichung des § 178 RVO hinaus, um den augenblicklichen Zustand zu erhalten. Ich möchte betonen, daß wir auch heute einem solchen Antrag mit Freuden zustimmen würden, wenn, wie in Gesprächen mit Vertretern der Regierungskoalition mitgeteilt wurde, von den Mitgliedern der Regierungskoalition ein solcher Antrag gestellt werden sollte. Wir schlugen, nachdem unserm ersten Antrag nicht stattgegeben wurde, vor, die Höchstgrenze der Versicherungsberechtigung auf 12 000 DM heraufzusetzen, um dieselbe Relation zur Versicherungspflichtgrenze zu erreichen, wie es früher in § 178 RVO der Fall war. Als auch dieser Vorschlag abgelehnt wurde, stellten wir den Antrag, diejenigen Versicherten aus der Vorschrift des § 178 herauszunehmen, die bereits bei Inkrafttreten dieses Gesetzes drei Jahre freiwillige Mitglieder der Kasse waren. Auch dieser Antrag verfiel der Ablehnung, so daß wir heute nochmals mit einem Kompromißvorschlag -- es ist wirklich ein echter Kompromißvorschlag -- ins Plenum kommen, der Ihnen auf Umdruck Nr. 613 vorliegt.
Damit würden wir erreichen, daß die Versicherungsberechtigung nicht erlischt, wenn jemand über 45 Jahre alt ist, und sie würde auch nicht erlöschen, wenn jemand bei Inkrafttreten dieses Gesetzes mindestens fünf Jahre freiwilliges Mitglied einer Kasse war. Diese letzte Einschränkung, meine Herren und Damen, ist keineswegs neu. Schon durch eine Verordnung vom 26. Juli 1930 hatte der Gesetzgeber bei einer Änderung der RVO diejenigen Versicherungsberechtigten von der Maßnahme des Ausscheidens ausgenommen, die mindestens fünf Jahre Mitglieder einer Krankenkasse waren. Würde dieser unser Antrag angenommen, so kämen wir den Wünschen des betroffenen Personenkreises weitestgehend entgegen. Wir bitten Sie deshalb, unserm Antrag zuzustimmen, und bitten Sie weiter, dem Antrag der Fraktion der Deutschen Partei, der in dieser Beziehung eine wesentliche Einschränkung bringt, nicht zuzustimmen. Wir sollten in dieser Frage sozialpolitisch fortschrittlich und nicht rückschrittlich entscheiden. Darüber hinaus bitte ich, unsern Antrag lediglich um der Klarheit willen dahingehend zu ergänzen, daß in Abs. 2 hinter das Wort „Versicherungsberechtigung" in Klammern gesetzt wird: „§§ 176 und 313 RVO".
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sowohl der Antrag Umdruck Nr. 625 der Frau Kalinke und Genossen wie auch der Antrag Umdruck Nr. 613 der SPD-Fraktion heben in der praktischen Auswirkung den § 4 in der Ausschußvorlage auf, d. h. wenn diese Anträge angenommen werden, haben wir keine Begrenzung der Versicherungsberechtigung mehr. Wenn das aber der Fall ist, bin ich der Meinung, daß man den ganzen § 4 der Ausschußvorlage streichen kann.
({0})
Ich habe daher den Auftrag, den Antrag zu stellen:
1. § 4 der Ausschußvorlage wird gestrichen.
2. In § 17 Abs. 2 wird die Ziffer 3 gestrichen.
Ich bitte, meine sehr verehrten Damen und Herren, diesen Antrag anzunehmen.
Darf ich bitten, Herr Abgeordneter, mir den Text dieses Antrags herzureichen? Es liegen keine Unterlagen für diesen Antrag vor.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Frau Kaianke ({1}): Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich begründe zunächst den Antrag Nr. 615 der Fraktion der Deutschen Partei
({2})
zum § 4 und begründe dann den weiteren Antrag, Sammelantrag Schäfer, Horn, Kalinke, Umdruck Nr. 625.
Zum Antrag Umdruck Nr. 615, Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei: Die Deutsche Partei hat so, wie es ursprünglich in der Koalition nicht nur vereinbart und besprochen, sondern auch in der Regierungsvorlage vorgesehen war, die Versicherungspflichtgrenze mit diesem Antrag wieder auf den Stand herabzusetzen gewünscht, der in der Drucksache Nr. 3350 enthalten ist. Wir sind der Auffassung, daß die Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze, wie sie die Regierungsvorlage vorsieht. ein wohlabgewogenes Maß hat, nämlich etwa dem entspricht, was an Lohnerhöhungen in Wirklichkeit erfolgt ist. Um in der vorgeschrittenen Nachtstunde nicht über dieses Thema noch eine ausführliche Diskussion zu entfachen, möchte ich mich darauf beschränken, zu erklären, daß wir beim § 4 und allen folgenden Paragraphen wieder die Regierungsvorlage hinsichtlich der Höhe der Versicherungspflichtgrenze herstellen wollen.
({3})
Uns liegt daran, festzustellen, daß bei der Berichterstattung über die Beratungen im Sozialpolitischen Ausschuß, bei der zum Teil sehr ausführlich auf die Problematik hingewiesen worden ist, ein Punkt nicht dargelegt wurde: daß nämlich über das echte Schutzbedürfnis und über die Frage des Versicherungsbedürinisses keine Klarheit weder im Ausschuß, noch innerhalb der Koalition, noch zwischen Koalition und Opposition bestanden hat. Es ist in dieser so wesentlichen Frage der Versicherungspflichtgrenze notwendig und erscheint meinen politischen Freunden unerläßlich, darauf hinzuweisen, daß in der Diskussion unserer Zeit der Mensch ein besonderes Schutzbedürfnis empfindet, dem er mit Hilfe des Versicherungsbedürfnisses und der Verantwortung, sich aus eigener Kraft gegen die Wechselfälle des Lebens zu schützen, entspricht. Daß aber das Schutzbedürfnis, das die Grundlage für die Festsetzung einer Zwangsversicherung durch den Staat ist, eine andere Grenze hat als etwa das Versicherungsbedürfnis, das derjenige empfindet, der in freier Selbstverantwortung sich zu schützen bestrebt ist, versteht sich wohl von selbst. Und deshalb, weil diese Frage so wenig erkannt und weil die Diskussion so wenig frei von großen sozialpolitischen Grundsätzen hier geführt worden ist, bedauern wir sehr, daß bei der Diskussion um die Versicherungspflichtgrenze nicht erkannt wurde, daß ein Mensch, der 1000 DM monatlich verdient - und um diese Zahlen, um diese Einkommensverhältnisse hat es sich gehandelt -, ein Schutzbedürfnis nicht mehr hat und eine Schutzbestimmung des Staates durch einen Versicherungszwang in keiner Weise mehr gestatten und auch nicht mehr dulden sollte.
({4})
Wir sind der Auffassung, daß das, was die Grundlage der Erhöhung der Versicherungspflicht in der Angestellten- und Knappschaftsversicherung war, in gar keinem Verhältnis zu der echten sozialen Situation unseres Volkes steht.
({5})
Als die Arbeiter in die Zwangsversicherung und damit in die Sozialversicherung einbezogen wurden, standen sie weitestgehend unter sozialem Druck und waren weitestgehend schutzbedürftig. Das war um die Jahrhundertwende.
({6})
- Heute sind ganz andere Personenkreise schutzbedürftig! Herr Kollege Winkelheide, wenn Sie das Beispiel, das Sie uns immer wieder vorgetragen haben, meinen - die Obersteiger und die höheren Bergbauangestellten -, so sind diese Personenkreise durchaus in der Lage - und haben das bisher vorbildlich getan -, ihren Versicherungsschutz da zu finden, wo sie aus freier Verantwortung diesen Schutz - entweder freiwillig versichert in ihrer Knappschaft oder freiwillig versichert in einer privaten Versicherung - finden können. Die Frage der Erstattung der Versicherungsbeiträge und Anteile durch die Arbeitgeber ist über die gesetzliche Regelung hinaus durchaus der freien Vereinbarung in Tarifverträgen, der Fürsorgepflicht des Betriebes und der eigenen Verantwortung überlassen.
Darüber hinaus muß ich trotz der Kürze der Zeit darauf aufmerksam machen, daß eine Fülle von damit zusammenhängenden sozialpolitischen Problemen leider weder diskutiert worden noch daß überhaupt der Versuch gemacht worden ist, sie einer echten Lösung entgegenzuführen. Ich habe im Ausschuß immer wieder darauf hingewiesen, daß die deutschen Arbeiter, die keine Versicherungspflichtgrenze kennen und bei denen Einkommen weit über 700 DM monatlich heute nicht selten sind, auch heute weiterhin in der Versicherung bleiben und - Herr Dr. Hammer wird es nachher sicher sehr temperamentvoll vortragen - auch weiterhin mit dem Krankenschein der Krankenkasse zum Arzt gehen können. Meine politischen Freunde sind der Auffassung, daß die Frage der Versicherungspflichtgrenze, wie sie hier diskutiert wird, nicht nur eine Gruppe betreffen sollte, sondern daß sie alle deutschen Arbeitnehmer gleichermaßen da angeht, wo die Fürsorgepflicht des Staates und das Schutzbedürfnis wie die Verantwortung des einzelnen ihre Grenzen haben. Deshalb bedauern wir, daß im Sozialpolitischen Ausschuß die so wichtige sozialpolitische Frage überhaupt nicht diskutiert worden ist, ob heute noch mit Berechtigung gefordert werden kann, daß alle Arbeiter ohne Rücksicht auf ihre Einkommensverhältnisse der Versicherungspflicht unterliegen.
Wir bedauern auch - und damit komme ich zu dem hier schon besprochenen § 4 -, daß bei der Diskussion um die Wiederinkraftsetzung des § 178 der Reichsversicherungsordnung - dem wir im Grundsatz aus voller Überzeugung zustimmen -, die Aussprache leider nicht von dem echten sozialpolitischen Bedürfnis nach einer sozialen Reform, die der gegenwärtigen Situation entspricht, geführt worden ist. Was ist denn tatsächlich eingetreten? Wenn § 178 wieder in Kraft gesetzt wird, dann werden sämtliche Arbeiter und alle hochverdienenden Facharbeiter weiter mit einem Krankenschein zum Arzt gehen, für den dann der Arzt den nicht ausreichenden Lohn - wie es Herr Dr. Hammer Ihnen sicher erklären wird - empfängt. Es werden weiter alle Selbständigen mit dem Krankenschein zum Arzt gehen, soweit sie als Versicherungsberechtigte und Weiterversicherte nachweisen werden, daß sie monatlich unter 700 DM verdienen. Weiter werden alle Knappschaftsangehörigen in ihrer Versicherung bleiben. Dagegen werden Sie keine Möglichkeit haben zu verhindern, daß eine einzige Gruppe, nämlich die Angestellten, an einem Tage - den Sie hier mit dem 1. Januar 1953 ansetzen - aus der Versicherungspflicht ausscheiden müssen, wenn sie 700 DM im Monat verdienen.
({7})
Hier, meine Herren und Damen, sind zwei Probleme, die uns alle im Ausschuß ernsthaft beschäftigt haben. Es handelt sich um das Problem des Angestellten, der über 45 Jahre alt ist und sich ernste Sorge darüber macht, aus seiner Kasse, der er zwanzig Jahre und länger angehört hat, ausscheiden und Mitglied einer privaten Krankenversicherung werden zu müssen. Es trifft nicht zu, was Frau Kollegin Korspeter gesagt hat, daß die Erklärung der privaten Krankenversicherung keinen Schutz gewährleistet.
({8})
Ich muß zur Steuer der Wahrheit sagen, daß die private Krankenversicherung und ihr zuständiger Verband dem Sozialpolitischen Ausschuß weitgehende Zusicherungen gemacht und das Aufsichtsamt der privaten Krankenversicherung die Erklärung abgegeben hat, daß sie bereit sei, alle die Einschränkungen nicht gelten zu lassen, die sonst im privaten Krankenversicherungsvertrag üblich sind. Trotzdem haben wir sehr große Bedenken dagegen, mit einem Fedèrstrich eine Zwangslösung vorzunehmen. Wir hätten es glücklicher gefunden, wenn diesem Personenkreis eine echte Freiheit der Wahl zwischen der Sozialversicherung und der Privatversicherung gegeben würde.
Ich habe mich im Ausschuß mit einer Fülle von Vorschlägen darum bemüht - wir waren sogar in einem gewissen Zeitpunkt weitgehend einig -, dafür zu sorgen, daß dieser Personenkreis die Wahlfreiheit erhält und darüber hinaus garantiert wird, daß die Versicherungsberechtigten nach § 176 RVO und die Weiterversicherten nach § 313 RVO ihr Recht auf kassenärztliche und kassenzahnärztliche Versorgung verlieren, d. h., daß dieser Personenkreis nicht mit einem Krankenschein zum Arzt geht, sondern die Möglichkeit hat, seinen besonderen Verhältnissen entsprechend weiter versichert zu sein, wenn er die eine oder die andere Form wählt. Wir haben das nicht zuletzt aus einem echten sozialpolitischen Anliegen getan. Das könnte für die künftige Reform von großer Bedeutung sein.
Ich habe im Ausschuß berichtet, daß in der deutschen Knappschaft bereits seit 1927 eine solche auf Freiwilligkeit aufgebaute Regelung für die höheren Knappschaftsbeamten und -angestellten-über die allgemeine Regelung der Krankenversicherung hinaus - besteht. Auch habe ich festgestellt und dem Ausschuß davon Kenntnis gegeben, daß die Regelung, die im § 16 des Reichsknappschaftsgesetzes und in der Satzung verankert ist, so vorzüglich ist, daß die Angehörigen dieser Versicherung privat zum Arzt gehen können, einen Krankenschein nicht in Anspruch nehmen und die Leistungen satzungsgemäß so erhalten, wie sie den Bedürfnissen dieses Kreises entsprechen. Es wäre eine wahre sozialpolitische Tat gewesen, wenn man bei der Neuregelung des § 178 RVO einen Weg gefunden hätte, auf dem mit diesem Versichertenkreis hätte ausprobiert werden können, welche für die Zukunft vorbildlichen Lösungen sich auf dem Gebiet der Selbstverantwortung und Selbstbeteiligung finden lassen.
Wir sind in der heutigen Auseinandersetzung über dieses Problem weit von dem abgegangen, was die Bundesregierung in ihrer Begründung Drucksache Nr. 3350 gesagt hat. Darin heißt es nämlich, „daß die deutsche Sozialversicherung bewußt nur Personen erfassen will, die wegen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage eines Schutzes gegen die Wechselfälle des Lebens bedürfen".
({9})
Es steht weiter darin, daß die Grenze für die Versicherungspflicht dort liegen soll, wo dieses Schutzbedürfnis nicht mehr vorhanden ist, und daß weitere Personenkreise nicht in die Versicherung einbezogen werden sollen.
Der Antrag Umdruck Nr. 615 der Deutschen Partei dient dem Zweck, die Regierungsvorlage, die im Arbeitsministerium mit allen Organisationen abgesprochen und wohl ausgewogen ist, wiederherzustellen. Außerdem bezweckt er, Klarheit zu schaffen, daß man in der Rentenversicherung Übergangslösungen geschaffen hat, die wir außerordentlich begrüßen, besonders im Hinblick auf den Kreis der Lebensversicherten, die jetzt etwa pflichtmäßig in die Sozialversicherung kommen und die Möglichkeit zur freien Entscheidung haben müssen. Wir begrüßen auch die Übergangslösung für die Knappschaft und bedauern nur, daß eine Übergangslösung für die Krankenversicherung nicht gefunden ist. Da wir Wert darauf legen, daß die dritte Lesung nach Möglichkeit noch am Sonnabend stattfindet, werden wir den Antrag, den wir gemeinsam gestellt haben, in Übereinstimmung mit den Kollegen Horn, Schäfer und Genossen heute zurückziehen unter dem Vorbehalt, in der dritten Lesung einen anderen Antrag zu stellen. Außerdem wird die Fraktion der Deutschen Partei in der zweiten Lesung dem § 4 der Regierungsvorlage zustimmen unter der Voraussetzung, daß wir uns für die dritte Lesung, die wir noch in dieser Woche erhoffen und, mit der wir das Gesetz verabschieden möchten, alle Entscheidungen vorbehalten.
({10})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Wir gingen am Anfang dieser Woche von der Voraussetzung aus, daß dieses Gesetz mit seinen sozial erwünschten Folgen und der notwendigen Erhöhung der Versicherungsgrenze am Ende der Sitzungswoche verabschiedet sei. Die Verhandlungen sind in dieser Woche anders gelaufen, als ursprünglich geplant und als es im Laufe der Woche erwartet war. Ich habe den Eindruck, daß die Verhandlungen heute abend dazu führen werden, daß unter allen Umständen Änderungsanträge gestellt und angenommen werden. Ich selbst bin gar nicht in der Lage, dadurch, daß ich einen Teil meiner Anträge oder alle meine Anträge zurückziehe, den Lauf dieser Dinge zu verhindern. Ich halte es deshalb bei dieser gegebenen Situation für richtig, daß das Gesetz dem Ausschuß zurückverwiesen wird, und beantrage so.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Steinbiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 4 hat uns im Ausschuß sehr stark beschäftigt. Ich bin eigentlich ganz unglücklich darüber, daß heute eine solche Welle der Uneinigkeit durch das Haus geht. Wir müssen uns doch auch darüber klar _sein, daß wir hier eine Gesetzesvorlage schaffen wollen, die nach verschiedenen Seiten hin endlich Lösungen bringen soll,
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die lange erwartet werden. Der § 4 war das Ergebnis langwieriger Verhandlungen, und wir hatten uns in der Ausschußfassung auf die Erhöhung der Grenze von 7200 auf 9000 DM geeinigt. Ich bedauere, daß wir es nicht bei dieser Ausschußfassung lassen wollen.
Die sozialen Überlegungen, die hin und her angestellt worden sind, verstehe ich durchaus. Wir müssen aber auch einmal den Gedankengängen zu folgen versuchen, die den Arzt und den Gegner dieser Ansichten bewegen. Ich spreche hier nicht für die wirtschaftlichen Belange der Ärzte. Der Arzt muß helfen und wird auch immer zu helfen bereit sein, ganz gleich, welche materiellen Bezüge ihm winken. Aber er darf und muß von uns erwarten können, daß wir wenigstens bereit sind, seine ärztliche Hilfe nicht unter Gebühr zu bezahlen. Ich glaube daher, daß man dort, wo es möglich ist, die durch Krankheit gegebene wirtschaftliche Belastung aus eigenen Kräften zu überwinden, nicht von Staats wegen eingreifen sollte, so sehr die sichere und schnelle Hilfeleistung in jeder Not jedem Staatsbürger geleistet werden muß, so sehr wir das Einstehen der Allgemeinheit für die Notleidenden als Grundlage sozialer Ordnung ansehen und so sehr wir die deutsche Sozialversicherung in allen ihren Zweigen als Großtat bejahen. Ebenso-sehr möchten wir aber auf der anderen Seite das selbstverständliche Einstehen dort, wo es möglich ist, pflegen und stärken.
Hier bei dem § 178 der RVO. stehen wir in der Tat vor einer grundsätzlichen Entscheidung, die wir nicht hinausschieben sollten. Ich bedaure daher, daß der § 4 gestrichen werden soll, so daß die Unsicherheit und die Diskussion wieder beginnen. Bleibt es bei dieser Streichung, so bitte ich der bestimment Erwartung Ausdruck geben zu dürfen, daß nach den Parlamentsferien ohne Zeitverlust daran gegangen wird, eine endgültige Lösung für diese Frage zu finden.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Ich habe soeben den Eindruck gewonnen, daß mein Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß nicht die entsprechende Mehrheit findet. Deshalb mache ich von meinem Recht Gebrauch, hier noch einmal zu Ihnen zu reden; denn auch ich habe die Absicht, Ihnen meinen Standpunkt zu der Problematik des § 178 vorzutragen.
Frau Abgeordnete Kalinke hat vorhin ausgeführt, daß sich der Ausschuß nicht genügend oder nicht erschöpfend oder nicht hinreichend genug mit der sozialen Problematik dieses Paragraphen befaßt habe. Nun, den Eindruck habe ich nicht gehabt, daß irgendeiner der Abgeordneten, der im Ausschuß gewesen ist, leichtsinnig oder oberflächlich oder nicht tiefschürfend genug an die Dinge herangegangen ist. Wenn einer der Ansicht ist, bitte ich ihn, sich zu melden. Wir haben die Dinge schon besprochen, wir sind aber zu einer Entscheidung gekommen, die nicht einstimmig war.
Darf ich Sie kurz auf die Problematik dieses Paragraphen aufmerksam machen. Bis zum Jahre 1941 ist es so gewesen, daß der Personenkreis, der in seinem Einkommen über 7200 Mark lag, nicht mehr das Recht gehabt hat, sich in der sozialen Krankenversicherung, also nach der Bestimmung des Zweiten Buches der RVO, zu versichern. Dann hat ein Erlaß des nationalsozialistischen Reichsarbeitsministers diese Bestimmung für nicht mehr anwendbar erklärt. Das hat dazu geführt, daß heute in den deutschen Krankenkassen Hunderttausende Versicherte sind, bei denen von einem Schutzbedürfnis nicht mehr die Rede sein kann Selbstverständlich ist der größere Teil der freiwillig Versicherten schutzbedürftig, und niemand denkt daran, deren Rechte zu beschneiden.
Unterstellen wir, daß die jetzt vorgeschlagene Höchstgrenze von 9000 DM Wirklichkeit würde, dann haben Leute, die ein Einkommen bis zu 9000 DM haben, das Recht, sich nach den Auflagen behandeln zu lassen, die den Krankenkassen und Ärzten im Zweiten Buch der RVO. auferlegt worden sind. Bestritten wird, daß ein Anspruch auf diese Form der Hilfe im Falle von Krankheit bei Beziehern höherer Einkünfte noch vertreten werden kann oder muß. Es ist nicht so, daß die Auskünfte, die der Herr Arbeitsminister oder der Herr Wirtschaftsminister von der privaten Krankenversicherung eingeholt hat, und die Verpflichtungen, die dort angeboten worden sind, etwa nicht ausreichen würden, das Krankheitsrisiko eines Mannes, der ein Einkommen von über 9000 DM hat, zu tragen. Es ist erklärt worden, daß die private Krankenversicherung in diesen Fällen auf ihr Kündigungsrecht und auf die Minderung ihrer Verpflichtungen auf Grund alter Risiken, vergangener Krankheiten usw. verzichten würde.
Es war im Ausschuß jedenfalls einmal so gewesen, daß ein sehr großer Teil der Ausschußmitglieder davon überzeugt war, daß der Schutz, den die private Krankenversicherung angeboten hat, ein respektabler Schutz sei. Daß er niemals der Schutz sein kann, den die soziale Krankenversicherung bietet, ja, meine Damen und Herren, das hat jeder im Ausschuß gewußt. Sie können also diesen Staatsbürgern, wie auch Frau Kalinke ausgeführt hat, durchaus die Möglichkeit bieten, sich zu versichern.
Es ist im Ausschuß erörtert worden, ob man einen Versicherungstyp der Erstattung der Krankheitskosten an den Versicherten an Stelle des Krankenscheines in die deutsche soziale Krankenversicherung hineinkonstruieren solle. Man hat das nur in diesem Augenblick für zwecklos gehalten, weil der Zweck dieses Gesetzes die Behebung der augenblicklichen Notlage und die Anpassung der Versicherungspflichtgrenzen ist und nicht etwa eine Generalreform der deutschen Krankenversicherung, und weil der Versuch, die deutsche Krankenversicherung an Haupt und Gliedern zu reformieren, unter keinen Umständen unter Zeitdruck erfolgen kann. Deshalb - und nicht, weil ich mich in meinen Vorstellungen über die deutsche Krankenversicherung von den Vorstellungen der Frau Kalinke unterscheide - halte ich es für notwendig und verantwortbar, den § 178 jetzt wiederherzustellen.
Meine Damen und Herren, der geringste Teil von Ihnen hat sich überlegt, was das Bestehen des § 178 bedeutet oder was es bedeutet, wenn man ihn streicht. Wenn § 178 wegfällt, hat jeder Versicherte mit einem Einkommen von 10-, 20-, 30 000 Mark das Recht, zu jedem deutschen Kassenarzt zu gehen und zu ihm zu sagen: „Greif mit Deinem Gummihandschuh in meinen Mund oder in eine abgelegene Körperöffnung, dafür bekommst du 91 Pfennig." Das ist Betrug, und seit 1941, dem Jahre
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der Suspendierung des § 178, ist so gegen Treu und Glauben verstoßen worden.
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Man weise mir nach, daß es unmöglich ist im Augenblick, diesen Tatbestand zu ändern und das Gesicht einer Gesetzgebung, die nach Recht und Billigkeit verfährt, wiederherzustellen, und daß man nicht trotzdem in einigen Wochen mit einem Initiativantrag an die anderen Probleme der Versicherung herangehen kann.
Es wundert mich außerordentlich, daß ausgerechnet Frau Kalinke diese Tendenz verfolgt. Meine Damen und Herren, der Antrag Kalinke und Genossen ist doch nur unter einer Voraussetzung sinnvoll - ich sage das für die Kollegen in diesem Hause, die den Antrag im Vertrauen auf die Bonität der drei obersten Unterschriften unterschrieben haben.Persönliche Bonität ja; politische wohl auch! - Aber, meine Damen und Herren und Frau Kalinke. Sie haben diese Taktik doch früher nicht sehr geliebt. Die Spekulation dieses Antrages war, zusammen mit der SPD die Regierungsvorlage oder die Ausschußfassung abzuändern. Das haben Sie in einem Augenblick getan, in dem man gerade in Ihrer Partei manchmal Bemerkungen über Stuttgarter Politik macht. Ich glaube, Sie fangen an zu „maiern".
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Wir haben doch jetzt seit drei Jahren hier erlebt daß nach der Art der Shakespeareschen Königsdramen die Vertreter der Ersatzkrankenkassen und die Vertreter der VAB. gegeneinander auf diesen Brettern angetreten sind zum Kampf auf Tod und Leben. Der Kampf fällt also aus, wenn man gemeinsam verhindern kann, daß der deutschen Ärzteschaft endlich nach elf Jahren ein ganz klein wenig Respektierung ihrer berechtigten Forderungen zugesagt wird.
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Wir haben es erlebt, daß trotz einer wirtschaftlichen Entwicklung, die Sie kennen, die Gebührenordnung für deutsche Ärzte bis zum heutigen Tage noch nicht um ein Prozent geändert worden ist.
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Warum? - Weil die Verbände in Deutschland, die sich Versicherungsträger nennen, viel stärker sind als jedes Ministerium in diesem deutschen Bund Und, meine Damen und Herren, Sie erleben nun wieder von denselben Verbänden Argumentation an Argumentation, um die Gewährung eines anderen primitiven Rechts an die Ärzteschaft unmöglich zu machen. Wir sind bereit, jedem Initiativgesetz, das in der deutschen Krankenversicherung die notwendigen Reformen bringen könnte, unsere Mitarbeit und unsere Unterstützung zu gewähren Wir sehen aber nicht ein, warum im Augenblick solche Pläne mit der Streichung des § 178 gekoppelt werden sollen - es sei denn, man hätte etwa die Idee, die deutsche Ärzteschaft so lange am Boden herumzuschleifen, bis sie bereit ist, bedingungslose Gefolgschaft zu leisten.
Meine Damen und Herren, bei dieser Methode glauben Sie doch selbst nicht, daß die notwendige Arbeitsgemeinschaft zwischen Ärzten und Krankenkassen in Deutschland zustande kommt. Überlegen Sie sich doch, wie die Ablehnung dieses § 178 wirkt. In 70 000 deutschen Arzt- und Zahnarztfamilien wird man vermutlich sagen: „Dieser Staat ist unseriös, dieser Staat ist ein Betrüger, diese
Gesellschaft ist nicht unsere, und wir werden die Konsequenzen ziehen!"
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Mulert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß hier im Hause eine große Unsicherheit der Auffassungen über die wichtige Materie, über die Sie hier entscheiden sollen, Platz gegriffen hat, und ich bin der Meinung, daß das eine sehr schlechte Voraussetzung dafür ist, zu einem Problem, das doch immerhin von weittragender Bedeutung ist, in so vorgerückter Stunde eine Entscheidung zu treffen. Ich möchte Sie bitten, auf den Vorschlag meines Kollegen und Fraktionsfreundes Dr. Hammer zurückkommen zu dürfen, um hier irgendwelche falschen und übereilten Entscheidungen zu vermeiden: die Materie an den Ausschuß zurückzuverweisen, damit dort dann eine wirklich wohlfundierte Entscheidung getroffen werden kann. Ich stelle also den Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß.
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Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Verabschiedung dieser Vorlage, die hier zu einer solchen Atmosphäre geführt hat, hat ja im Grunde genommen schon außerordentlich lange auf sich warten lassen, eigentlich zu lange.
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Aber, meine Damen und Herren, so, wie die Dinge im Augenblick liegen, möchte ich zunächst einmal sagen, daß der Bundestag natürlich die Aufgabe hat, eine Lösung herbeizuführen, die allen Beteiligten einigermaßen gerecht wird, soweit das im Rahmen des Möglichen liegt. Er hat dabei sicherlich auch das Anliegen der Ärzteschaft zu berücksichtigen, das wir im Grunde genommen als durchaus berechtigt anerkennen. Er hat aber auch die mindestens ebenso wichtige Aufgabe, in erster Linie den versicherten Menschen zu sehen, um den es bei diesen Dingen geht. Und Herr Dr. Hammer, lassen Sie mich Ihnen das in aller Kollegialität sagen:
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Einen Grund, sich so aufzuregen, wie Sie es eben hier getan haben, kann ich Ihnen wirklich nicht zubilligen. Ich weiß auch nicht, ob es gerade richtig ist - und das sage ich an die Adresse derjenigen, die es veranlaßt haben; ich weiß nicht, wer es war -, uns heute im Laufe des Tages mit Telegrammen und Zuschriften zu bombardieren.
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Aber so, wie die Situation im Augenblick ist, scheint sie mir so verfahren zu sein, daß ich persönlich es verantworten zu können glaube - sosehr ich die Eilbedürftigkeit der Vorlage im übrigen einsehe -, im Interesse einer möglichst einheitlichen, befriedigenden Lösung mich dem Antrag auf Rückverweisung an den Ausschuß anzuschließen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin überrascht, ja, ich bin erschüttert über den Verlauf der Diskussion dieses Gesetzentwurfes.
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Ich kann es nicht verstehen, daß gerade über diesen Gesetzentwurf eine derartige Meinungsverschiedenheit besteht. Die SPD-Fraktion hat, wenn ich nicht irre, im Sommer vorigen Jahres einen Antrag eingebracht, worin der Bundestag gebeten wurde, die Versicherungspflichtgrenze von monatlich 375 DM auf 600 DM zu erhöhen. Bei der Begründung dieses Antrags haben wir Ihnen nachgewiesen, daß die Versicherungspflichtgrenze von 300 Mark pro Monat im Jahre 1927, glaube ich, festgesetzt wurde. Sie alle wissen, daß gegenüber 1927 auf dem Gebiet der Löhne, der Gehälter und Preise wesentliche Veränderungen eingetreten sind und daß eine hundertprozentige Erhöhung sicherlich nicht als ein überspitzter oder übersetzter Antrag, der mit der Wirklichkeit nichts zu tun habe, anzusehen ist.
Sie haben sich bei der Diskussion unseres Antrags im Ausschuß nicht bereit erklärt, für diese 600 DM zu stimmen. Wir haben uns verständigt, die Grenze auf 500 DM festzusetzen, und wir als SPD-Fraktion haben diese Verständigung bis jetzt nicht nur im Ausschuß, sondern auch hier im Plenum des Bundestages eingehalten. Wir haben deshalb den ersten drei Paragraphen, die diese Materie regeln, zugestimmt, ohne ein Wort der Kritik oder des Bedauerns darüber, daß unser ursprünglicher Antrag nicht berücksichtigt wurde, zum Ausdruck zu bringen.
Die Festsetzung der Krankenversicherungspflicht-grenze betrifft lediglich die Angestellten und nicht die Arbeiter. Sie können in dieser Frage entscheiden, wie Sie wollen; ich glaube aber, daß die Angestellten und ihre Angehörigen einen ganz wesentlichen Wählerstamm darstellen. Die Arbeiter sind - ganz gleich, wie hoch ihr -Einkommen ist - versicherungspflichtig schon seit Bestehen der Krankenversicherung.
Wir haben weiter einen Antrag auf Erhöhung der Angestelltenversicherungspflichtgrenze und einen dritten Antrag auf Erhöhung der Knappschaftsversicherungspflichtgrenze eingebracht. Es ist gar nicht so angenehm, wenn dies die Oppositionspartei dieses Hohen Hauses tun muß. Wir hätten eigentlich erwartet, daß dieses Problem von der Bundesregierung angeschnitten worden wäre,
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und das schon vor mehr als zwei Jahren. Ja, es hätte eine ihrer ersten Aufgaben sein müssen. Diese Angelegenheit wurde in den sozialpolitischen Gremien sowohl der SPD als auch der CDU diskutiert. Das ist mir bekannt. Aber es ist nichts geschehen, und so waren wir gezwungen, die Initiative zu ergreifen.
Und was hat die Bundesregierung nun gemacht auf Grund der Beschlüsse des Hohen Hauses, in denen sie ersucht worden war, ein Gesetz für die Versicherungspflichtgrenzen in der Krankenversicherung, Angestelltenversicherung und Knappschaftsversicherung vorzulegen? Ich glaube, sie wurde sogar ersucht, dies unverzüglich zu tun. Was hat sie gemacht? Sie hat diese drei Anträge, die ganz verschiedene Versicherungszweige umfassen, zu einem Gesetz zusammengefaßt und hat als viertes noch die Arbeitslosenversicherung hinzugefügt. Wir mußten warten, warten und nochmals warten, und die Angestellten mußten ihren Beitrag als freiwillig Weiterversicherte allein aus ihrer Tasche zahlen.
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Das haben sie eben der Bundesregierung zu verdanken, und hoffentlich vergessen sie es nicht, wenn der Tag der Entscheidung kommt.
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Wir werden Sie daran erinnern - nicht nur an diese Frage - und feststellen, wie die soziale Gerechtigkeit aufgefaßt wird und was Sie unter sozialem Fortschritt verstehen. Wir werden noch andere Probleme in aller Offenheit und in aller Objektivität behandeln und -diskutieren, und dann werden Sie Rede stehen müssen, wie es heißt: Rede stehen vor dem jüngsten Gericht.
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- Verehrter Kollege Winkelheide, wir wollen uns in dieser Beziehung nichts vorwerfen. Jeder wird seine Last zu tragen haben, und wir wollen uns Mühe geben, so weit wie möglich wenigstens auf dem Gebiet, das wir hier zu bearbeiten haben, auf dem Gebiet der Sozialpolitik, -gute Arbeit zu leisten
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und vor allen Dingen schnelle Arbeit zu leisten.
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Denn es heißt ja: Wer schnell gibt, gibt doppelt.
Deshalb können meine politischen Freunde und ich Ihrem Antrag auf Vertagung nicht zustimmen Wenn ein Gesetz - Kollege Horn und Kollege Hammer, das werden Sie und die anderen Damen und Herren des Sozialpolitischen Ausschusses zugeben - -gewissenhaft und mit Liebe und Geduld behandelt worden ist, so war es dieses Gesetz. Sie können alle Paragraphen dieses Gesetzes annehmen, hinsichtlich der Krankenversicherung, der Knappschafts-, der Angestellten- und der Arbeitslosenversicherung! Darüber braucht's doch keinen Streit zu geben!
Sie brauchen sich doch nicht, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, nach dieser Tabelle der Frau Kalinke von der Fraktion der Deutschen Partei in Umdruck Nr. 615 zu richten. Sehen Sie, es ist doch kein Kunststück, wenn ich die Zahlen vorn hinschreibe, dann 10 oder 20 % abziehe und dementsprechend geringere Zahlen hinten hinschreibe. Wir von der SPD hätten umgekehrt taktieren können. Die Zahlen hier vorne sind ein Kompromiß Unsere Anträge lauteten auf höhere Zahlen. Sie können's nachprüfen. Wir hätten die Zahlen unserer Anträge hier hinten wieder einsetzen können. Das hat doch keinen Sinn. Papier ist geduldig und nimmt so was auf. Aber der Sache ist doch damit nicht gedient, d. h. unseren Versicherten! Wir können's doch nicht verantworten, daß diese Frage - nachdem wir uns doch alle im Ausschuß versprochen haben, sie müsse vor den Parlamentsferien in zweiter und dritter Lesung verabschiedet werden - bis nach den Parlamentsferien und dann
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sicher noch einige weitere Monate verschoben wird. Das ist doch unmöglich.
Ich bitte Sie deshalb - damit kommen wir über alles hinweg -, den § 178 der RVO auszuklammern, und ich stelle deshalb im Namen meiner Fraktion den Antrag, diesen Paragraphen zu streichen. Jedenfalls erreichen wir dadurch, daß das Problem des § 178 weiter diskutiert und, wenn notwendig, in ein besonderes Gesetz gebracht wird. Dann werden wir uns hier raufen oder verständigen. Aber verabschieden Sie doch heute die Versicherungspflichtgrenze, ich bitte Sie darum! Ich will Sie nicht länger aufhalten, hoffe aber, daß Sie meinem Antrag zustimmen und den § 178 der RVO streichen. Dann gehen wir nach den Ferien erneut mit gestärkten Kräften qnd besseren Nerven an dieses Problem heran. Aber verabschieden wir heute dieses Gesetz in dritter Lesung!
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Herr Abgeordneter Richter, ich darf fragen: soll das als ein § 4a eingefügt werden, oder wie ist das gedacht?
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-Also, meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Richter beantragt, dem § 4 die Fassung zu geben: „Der § 178 der Reichsversicherungsordnung wird gestrichen".
Zunächst gebe ich nun der Frau Abgeordneten Kalinke das Wort.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe weder die Absicht, in den Ton des Herrn Dr. Hammer zu fallen noch mich in der gleichen Form über die Meinungsverschiedenheiten, die man sachlich durchaus haben kann, auseinanderzusetzen. Ich bin nur verpflichtet, im Namen der Antragsteller, die mit mir ihre Namen auf den Antrag Umdruck Nr. 625 gesetzt haben, zu erklären, daß es sich bei diesem Problem doch um eine Angelegenheit handelt, die die Angestellten angeht. Die Namen, die hier stehen, sind in der Hauptsache, soweit sie die drei Fraktionen der Regierungsparteien angehen, die Namen von Angestellten, die sich auch verantwortlich als Sprecher der Angestellten in diesem Hause fühlen.
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Als solche haben sie für die Angestellten gesprochen.
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- Wenn Sie dieser Auffassung sind, meine Herren von der Opposition, dann lesen Sie bitte die Reichsversicherungsordnung! Außerdem werden Sie feststellen können, daß im Antrag Umdruck Nr. 625 die Angestelltenersatzkassen, die Sie meinen, nicht einmal enthalten sind. Sie würden, wenn er in Kraft träte, nicht einmal davon betroffen sein, weil sie unter die Regelung des § 313 der RVO nicht fallen.
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- Auch nicht! Das ist ein Irrtum! Herr Dr. Preller, Sie sollten das als Sozialpolitiker sehr genau wissen. Auch Sie werden sich davon überzeugen!
Im übrigen bin ich der Meinung - und das ist an die Fraktion der FDP gerichtet -, daß wir alle in diesem Hause bei sozialpolitischen Dingen weder als Vertreter der kassenärztlichen Vereinigung noch einer Krankenkasse sprechen sollten, sondern immer nur für die Versicherten, die es hier angeht!
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Ich nehme für mich in Anspruch, daß ich in diesem Hause die großen sozialpolitischen Gesichtspunkte immer über die Meinungen der Interessenvertretungen gesetzt habe.
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- Wenn die Kollegen von der SPD auch etwas schreien, so würde ich trotzdem mit ihnen stimmen, wenn wir eine gemeinsame vernünftige Lösung finden würden.
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Daß wir eine solche Lösung nicht finden können, ist unser Unglück. Aber das schließt nicht aus, daß man die Hoffnung nicht aufgeben soll.
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Zum Schluß möchte ich mit den Worten des Herrn Kollegen Richter, der uns hier so humorvoll, aber auch mit erhobenem Zeigefinger auf das „Jüngste Gericht" hingewiesen hat, sagen: Ich glaube, daß wir bei dieser Auseinandersetzung bestehen werden wegen des Ernstes, mit dem wir um die Probleme um der Menschen willen, die davon betroffen sind, gerungen haben; um der Menschen willen, die wir vor Unsicherheit und den Wechselfällen des Lebens schützen wollen. Dieses Bestreben ist r. ach meiner Auffassung durch alle Fraktionen gegangen und kein Anliegen nur der einen oder der anderen.
Ich bin nicht der Auffassung, daß man das Gesetz an den Ausschuß zurückverweisen sollte,
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weil die Problematik des § 178 im Ausschuß, wie die Situation steht und wie sich die Dinge leider durch diese Debatte verhärtet haben, kaum gelöst werden wird. Ich bin aber der Meinung, daß wir um des Inkrafttretens der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze willen heute die zweite Lesung und am Sonnabend die dritte Lesung vornehmen sollten, um dann über das Problem des § 178, wie es Herr Kollege Richter richtig ausgesprochen hat, in ruhiger und sachlicher Form weiter zu diskuteren.
Das Wort hat der Abgeordte Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Daß der § 178 allein die Ersatzkassen beträfe, habe ich nicht gesagt. Er betrifft im wesentlichen die RVO-Krankenkassen, die ihrem Umfang nach ja viel bedeutender sind. Deshalb meine scharfen Ausführungen. Ich bitte Sie trotzdem, den Antrag auf Ausschußüberweisung anzunehmen. Denn der Ausschuß, der jetzt existiert, wird auch in vier und in sechs Wochen derselbe Ausschuß sein, und ich glaube nicht, daß er zur Diskussion sozialpolitischer Fragen unfähig ist. Ich habe das bisher noch bei keinem Mitglied irgendeiner Fraktion festgestellt.
Wenn ich vorhin etwas laut geworden bin, meine Damen und Herren - ({0})
Hier ist schon öfter aus Vischers „Auch Einer" zitiert worden. In diesem berühmten Buch steht ein Vers, der mir immer außerordentlich gefallen hat. Wenn man sehr lange sehr gut behandelt wurde, und es geht einem dann so schlecht, wie es mir gestern und heute ging, dann fällt einem dieser
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Vers ein. Er lautet: „Erst den Kuß und dann die Kralle, so sind sie alle!"
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Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Ich bitte um Ihre freundliche Unterstützung bei der Klärung, welche Anträge nun vorliegen. Zunächst der Antrag von Frau Dr. Mulert auf Rückverweisung an den Ausschuß.
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- Herr Abgeordneter, nach meiner Meinung ist ein Antrag auf Überweisung an einen Ausschuß immer der weitestgehende.
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- Schön, dann sind wir uns ja einig. Dann hat weiter - nur um es zu klären - der Abgeordnete Arndgen, wenn ich recht unterrichtet bin, den Antrag gestellt, den § 4 zu streichen. Der Antrag der SPD zu § 4 ist durch den Antrag von Herrn Abgeordneten Richter überholt.
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Der Antrag des Herrn Abgeordneten Richter besagt, daß die Neufassung des § 4 den Wortlaut haben soll: „§ 178 der RVO wird gestrichen".
Dann liegt vor der Antrag der Fraktion der FDP, Umdruck Nr. 614, auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage und der Antrag der DP, die Zahl 9 000 durch die Zahl 8 400 7u er setzen Das sind sämtliche Anträge, die vorliegen.
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- Ich will das nur feststellen, damit ich kein Monitum bekomme; ich fürchte mich jetzt auch! ({4})
Also, meine Damen und Herren, zunächst der Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Mulert auf Rückverweisung des Gesetzentwurfes an den Ausschuß. Ich bitte die Damen und Herren, die für diese Rückverweisung sind, eine Hand zu erheben.
- Ich sehe es schon kommen, wie es kommt. Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist sehr zweifelhaft.
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- Ja, meine Damen und Herren, durch den Zuruf einer Schriftführerin, daß das die Mehrheit sei, sind wir nicht zu beeinflussen.
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Ich muß Sie trotz der späten Stunde bitten, es im Wege des Hammelsprungs zu entscheiden. Wer für die Rückverweisung ist, geht durch die Ja-Tür. Ich darf im Interesse aller bitten, möglichst schnell den Saal zu räumen.
({7}) Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen. ({8})
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. - Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. - Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt.
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- Ich möchte nicht weiter zitieren, sonst würde ich sagen: „Laßt alle Hoffnung fahren!" - ({10})
Mit Ja haben gestimmt 123, mit Nein 140 bei 3 Enthaltungen. Der Antrag auf Rücküberweisung ist abgelehnt.
Der nun weitestgehende Antrag scheint mir der des Herrn Abgeordneten Arndgen zu sein, der auf Streichung des § 4 abzielt.
Herr Abgeordneter Richter!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Abstimmung über die beiden vorliegenden Anträge, und zwar den Antrag des Herrn Kollegen Arndgen und den Antrag, den ich im Namen meiner Fraktion gestellt habe, erscheint im ersten Augenblick etwas kompliziert. Herr Kollege Arndgen hat, wenn ich es richtig verstanden habe, beantragt, daß § 4 der Vorlage und von § 17 Abs. 2 die Ziffer 3 gestrichen werden. Das besagt also, daß § 178 RVO in seinem bisherigen Wortlaut bestehen bleibt und daß der Erlaß des Reichsarbeitsministers von 1941 ebenfalls bestehenbleibt, und das könnte für die Praxis - dies haben wir schon auf Grund der heutigen Ausführungen des Herrn Kollegen Hammer fetsstellen müssen - zu Schwierigkeiten führen.
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Wir glauben daher, daß es für unsere zukünftigen Verhandlungen dienlicher ist, wenn wir einen Paragraphen in dieses Gesetz einfügen - ganz gleich, welche Nummer er bekommt; er muß nicht die freiwerdende Nummer 4 bekommen -, der entsprechend dem Antrag meiner Freunde besagt: § 178 der Reichsversicherungsordnung wird aufgehoben.
Meine Damen und Herren, ich glaube, ohne Fachmann zu sein, daraus entnehmen zu sollen, daß die beiden Anträge nebeneinander bestehenbleiben können, so daß es nicht darum geht, ob einer der Anträge weiter geht als der andere. Da wir von einem Gesetz ausgehen, muß ich im Augenblick den Antrag, einen Paragraphen des Gesetzentwurfs zu streichen, als den zunächst zur Abstimmung stehenden ansehen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrage des Herrn Abgeordneten Arndgen, § 4 und Ziffer 3 des Abs. 2 des § 17 zu streichen, zustimmen wollen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war ohne Zweifel die Mehrheit. Dieser Antrag des Herrn Abgeordneten Arndgen ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Abgeordneten Richter, einen Paragraphen - ob als § 4 oder als anderen Paragraphen, spielt keine Rolle - einzufügen, der besagt: § 178 der RVO wird gestrichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das zweite war die Mehrheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.
Mit der Streichung des § 4 erledigen sich die Anträge, die zur Fassung des § 4 gestellt worden sind.
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Ich komme zum § 4a, zum Antrag der Deutschen Partei, Umdruck Nr. 615 Ziffer 2. Soll er begründet werden? - Offenbar nicht.
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- Ist schon. Sie haben den Antrag vor sich. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Deutschen Partei Umdruck Nr. 615 Ziffer 2, die Zahl „9 000" durch die Zahl „8 400" zu ersetzen, zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 4a in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. § 4a ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 2 § 5. Hier liegt wieder ein Antrag der Fraktion der Deutschen Partei vor, Umdruck Nr. 615 Ziffer 3. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zuerheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Der Paragraph ist angenommen.
Ich rufe die Anträge der Deutschen Partei zu § 5a Umdruck Nr. 615 Ziffern 4, 5 und 6 auf. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gege probe. - Das ist die Mehrheit. Sie sind abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 5a in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Angenommen. I Zu § 5b liegen die Änderungsanträge der Fraktion der Deutschen Parted. Umdruck Nr. 615 Ziffern 7 und 8 vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 5b in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. § 5b ist angenommen.
Ich rufe § 6 auf. - Ich darf die Abstimmung über den Antrag zu diesem Paragraphen auf Umdruck Nr. 615 Ziffer 9 durch die vorhergehenden Abstimmungen als erledigt ansehen.
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Ich bitte die Damen und Herren, die § 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zu § 7 wieder der Änderungsantrag der Deutschen Partei. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 615 Ziffer 10 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 7 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Die Abstimmung über den Antrag der Deutschen Partei Umdruck Nr. 615 Ziffer 11 darf ich durch die vorangegangene Abstimmung als ,erledigt ansehen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 8 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
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- Zur Geschäftsordnung Frau Dr. Mulert!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich leider genötigt, das ganze Abstimmungsergebnis anzufechten. Es besteht offenbar keine Einigkeit darüber, ob die Berliner Abgeordneten mitstimmen. Ich stelle fest, daß ein Teil der Berliner Abgeordneten - auf der Seite der Sozialdemokratie - mitgestimmt hat,
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während wir anderen Berliner uns der Stimme zu enthalten pflegen, es sei denn, daß es um namentliche Abstimmungen geht. Ich fechte also das Ergebnis der jetzigen Abstimmungen an.
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Meine Damen und Herren, eine Anfechtung ist nicht möglich. Es ist selbstverständlich, daß die Berliner Abgeordneten kein Stimmrecht haben. In keinem Falle ist aber eine Abstimmung durch die vielleicht versehentliche 'Beteiligung von Berliner Abgeordneten an der Abstimmung in irgendeiner Weise im Ausgang beeinflußt worden. Ich sehe mich nicht in der Lage, irgend etwas zu veranlassen.
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- Frau Abgeordnete Schroeder, ich glaube doch nicht, daß es sich lohnt, abends um 22 Uhr 45 noch eine Auseinandersetzung darüber zu führen!
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Ich rufe auf Art. 3a § 8a. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 4 § 9. Dazu die Änderungsanträge der Fraktion der Deutschen Partei Umdruck Nr. 615 Ziffern 12, 13 und 14. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Anträgen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ichbitte um die Gegenprobe. - Das ist abgelehnt.
Der Antrag der Freien Demokratischen Partei deckt sich inhaltlich mit diesem Antrag?
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Er ist damit also sachlich erledigt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 9 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - § 9 ist angenommen.
Ich rufe auf § 9a. Wiederum die Änderungsanträge der Deutschen Partei und der Freien Demokratischen Partei. Sind die Antragsteller damit einverstanden, daß die Abstimmung als durch die vorhergehende erledigt angesehen wird? - Das ist der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die § 9a zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 5 § 10, - Abschnitt Ia Art. 5a § 10a. - Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln und Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist annähernd einmütig angenommen.
Ich rufe auf Abschnitt II Art. 6 § 11, - § 12, - Art. 6a § 12a, - Art. 6b § 12b, - Art. 7 § 13, - Art. 8 § 14. - Ich bitte Sie, soweit Sie diesem Abschnitt, diesen Artikeln und Paragraphen zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Das ist angenommen.
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Ich rufe auf Art. 9 § 15.
({4}) - Frau Abgeordnete Kalinke!
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Wir haben beantragt, zum Schluß dieses Gesetzes in § 15 die Berlinklausel gemäß dem Dritten Überleitungsgesetz uneingeschränkt einzusetzen. Im Ausschuß ist, wie Sie feststellen werden, gegen die Stimmen meiner Fraktion die Berlin- Klausel beschlossen worden, wobei man die Bestimmungen über die Krankenversicherung und die Versicherungspflichtgrenze ausgenommen hat. Ich bin davon überzeugt, daß sich in diesem Hause eine Mehrheit finden wird, die wünscht, so wie es die Berliner selber wünschen,
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daß die Regelung hinsichtlich der Versicherungspflichtgrenze in Berlin mit der des Bundesgebiets übereinstimmt.
Ich möchte wegen der vorgeschrittenen Zeit darauf verzichten - es ist nicht leicht -,
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hier zu beweisen, daß sich Ihre Auffassung nicht mit der Meinung der Berliner deckt.
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Das wird aber an Ort und Stelle in Berlin zu gegebener Zeit diskutiert werden.
Ich bitte Sie, dem Antrag der Deutschen Partei zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Auch wir haben die Berlin-Klausel zu diesem Gesetz beantragt. Ich verzichte auf eine Begründung, weil wir hier vor vierzehn Tagen unseren Standpunkt ausgiebig dargestellt haben.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bedauere sehr, daß sich der Bundestag in dieser späten Abendstunde noch einmal durch eine Angelegenheit belästigt fühlen muß, die wir schon so oft hier besprochen haben.
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Ich will mich aber ganz kurz fassen und nur auf die Worte des Herrn Berichterstatters Bezug nehmen, daß die Einbeziehung Berlins in die Umänderung der Krankenversicherung bereits bei der Novelle zu der Sozialversicherung ausgeschaltet worden ist. Ich will daran erinnern, daß es geschehen ist, weil sich Berlin gegenüber dem Bundesgebiet in einer vollkommen anderen wirtschaftlichen und sozialen Lage befindet. Ich rufe Ihnen allen, meine Herren und Damen, ins Gedächtnis, daß Sie heute nachmittag einstimmig den von allen Fraktionen - mit Ausnahme der kommunistischen - eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Förderung der Wirtschaft von Berlin angenommen haben. Sie haben das dochdeshalb getan, weil Ihnen die Notlage Berlins klar ist. Es ist deshalb unverständlich, daß jetzt neue Schwierigkeiten gemacht werden sollen; andernfalls sagen Sie bitte nicht, daß Sie helfen wollen.
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Ich habe ja früher an die Erklärung des Regierenden Bürgermeisters erinnert, daß wir in dem Augenblick, in dem die wirtschaftliche und soziale Lage Berlins der des Bundes angeglichen ist, selbstverständlich bereit sind, uns auch in der Frage der Krankenversicherung anzugleichen.
Wie wenig die wirtschaftliche und soziale Lage Berlins der des Bundes gleich ist, dafür nur ganz wenige Ziffern. Sie - wenigstens die Herren und Damen, die im Berlin-Ausschuß sind - haben die Zahlen erhalten. Aus dem Monatsbericht Mai 1952 ersehen Sie, daß die Zahl der Arbeitslosen in der ersten Hälfte des Monats Juni gegenüber Mai um 11 000 zugenommen hat. Wenn wir aber die Zahlen vom April heranziehen, sehen wir, daß es fast 30 000 sind. Meine Herren und Damen, das ist eine Folge der großen neuen. Krise, an der nicht Berlin schuld ist, sondern Berlin leidet unter den politischen Schwierigkeiten, die den Frieden und die Freiheit nicht nur Berlins, sondern Deutschlands bedrohen.
Ich bitte Sie, machen Sie dieser Bevölkerung und dieser Stadt nicht immer wieder neue Schwierigkeiten.
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Meine Damen und Herren, ich schließe die Besprechung zu § 15. Es liegen die übereinstimmenden Anträge der Deutschen Partei und der FDP Umdruck Nr. 615 Ziffer 16 und Nr. 614 Ziffer 4 vor. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Fassung des § 15 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bit um die Gegenprobe. - Das letzte ist die !Mehrhelt. Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 15 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. - Angenommen.
Ich rufe auf §§ 16, - 1.7 in der durch den Antrag des Herrn Abgeordneten. Arndgen vorhin abgeänderten Form, - Einleitung und Überschrift. - Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen, Einleitung und Überschrift, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Bei Enthaltungen angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die zweite ,Beratung dieses Gesetzes beendet.
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- Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Richter wirft die Frage auf, ob die dritte Lesung unmittelbar angeschlossen werden soll.
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- Herr Abgeordneter, Sie widersprechen? Sie werden aber hoffentlich nicht widersprechen, wenn wir die dritte Lesung, wie vereinbart, morgen auf die Tagesordnung setzen.
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- Ich weiß nicht, meine Damen und Herren - wir hatten uns dahin verständigt, daß wir es morgen auf die Tagesordnung setzen -, ob es sinnvoll wäre, heute abend noch darüber zu diskutieren. Das ist aber Auffassungssache. Herr Abgeordneter Richter wünscht, den Antrag zu stellen, die dritte Lesung unmittelbar anzuschließen.
Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist in seinen einzelnen Bestimmungen von diesem Hause in zweiter Lesung mit so großer Mehrheit angenommen worden, daß ich glaubte, es wagen zu dürfen, die dritte Lesung sofort anschließend zu beantragen. Ich hatte angenommen, Herr Kollege Dr. Hammer, daß Sie sich trotz Ihrer Gegnerschaft hinsichtlich des § 178 RVO, der ja nun aus diesem Gesetz draußen ist, und ich hatte angenommen, daß sich die anderen Damen und Herren mit diesem Gesetz einverstanden erklären könnten. Meine Damen und Herren, es versteht kein Versicherter, wenn er am nächsten Ersten wieder den doppelten Beitrag von seinem Lohn abgezogen bekommt, während sonst der Arbeitgeber, wozu sich die Arbeitgeber im großen und ganzen erfreulicherweise bereiterklärt haben, die Hälfte beizutragen hätte. Ich würde es begrüßen, wenn Sie keinen Widerspruch einlegten und wir heute die dritte Lesung hätten. Wenn nicht, müßte ich vorsorglich beantragen, daß die dritte Lesung am Sonnabend erfolgt.
Meine Damen und Herren, es ist der ' Antrag gestellt worden, die dritte Lesung unter Nichtwahrung der in § 85 der Geschäftsordnung normalerweise vorgesehenen Frist stattfinden zu lassen. Ich frage: wird dem widersprochen? - Ja, meine Damen und Herren, wenn einie Damen und Herren ihre Hand hochheben und dann wieder herunternehmen, kann ich nicht zehn auszählen; das ist sehr schwierig. - Ja, jetzt sind es aber mehr als zehn.
({0}) - Herr Abgeordneter Arndgen!
Ich stelle den Antrag, die dritte Lesung dieses Gesetzes am Samstag morgen als zweiten Punkt der Tagesordnung vorzunehmen.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört, dieses Gesetz am Sonnabend auf die Tagesordnung zu setzen.
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- Hat Herr Abgeordneter Richter auch schon beantragt. Die Sitzung am Sonnabend wird offenbar langsam populär.
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Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Ich frage: wer ist dafür, diesen Punkt als zweiten Punkt auf die Tagesordnung vom Sonnabend zu setzen? - Das ist die große Mehrheit, Es ist also beschlossen.
Meine Damen und Herren, sind Sie einverstanden, daß wir eben noch zwei Punkte an die Ausschüsse überweisen, die nach der Vereinbarung des Altestenrates ohne Aussprache an die Ausschüsse gehen sollten? - Ich rufe zunächst auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst ({2}).
Das Gesetz ist schriftlich begründet.
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- Ich bitte Sie noch einen Augenblick um Ihre Aufmerksamkeit! Ich kann ja hier nicht allein beschließen. ({4})
Ich schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen vor. Sie sind damit einverstanden?
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Weiterhin:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Untersuchung der Rheinschiffe und -flöße und über die Beförderung brennbarer Flüssigkeiten auf Binnenwasserstraßen ({6}).
Ich schlage Ihnen ebenfalls Überweisung an den Ausschuß für Verkehrswesen vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Damit sind wir am Ende - nein, noch nicht ganz am Ende der gestrigen Tagesordnung.
Ich berufe die 226. Sitzung auf Freitag, den 18. Juli, 9 Uhr, und schließe die 225. Sitzung.