Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 216. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Massoth, Dr. Friedensburg, Lemmer, Dr. Fricke, Mensing, Reimann, Vesper, Frau Thiele, Rische, Agatz, Cramer, Bromme, Grundmann, Dr. Zawadil, Dr. Kather, Dr. Bartram ({0}), Funcke, Dr. Kreyssig, Seuffert, Dr. Mende, Dr. Bertram ({1}).
Zur heutigen Tagesordnung habe ich noch folgendes bekanntzugeben.
Gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat wird die heutige Tagesordnung erweitert um die zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/DPB, FU ({0}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Errichtung neuer Apotheken - Nr. 3374 der Drucksachen -, Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({1}), Nr. 3413 der Drucksachen. Ich habe die Frage an den Herrn Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses zu richten, ob der Titel des Gesetzes so richtig ist. Es scheint mir, daß das „vorläufige" an einer falschen Stelle steht.
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- Also: „Entwurf eines Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken". Das scheint mir ein sinnvollerer Titel zu sein! Die Änderung steht auf Drucksache Nr. 3413 unter den Beschlüssen des 32. Ausschusses. Damit ist das in Ordnung.
Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß dieser Punkt als erster erledigt wird.
Ich habe dann mitzuteilen, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität bittet, den Punkt 11 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({3}) betreffend Neubesetzung der Ausschüsse ({4}),
heute abzusetzen und ihn an den Geschäftsordnungsausschuß zurückzuverweisen. - Ich_ darf annehmen, daß das Haus auch damit einverstanden ist. Dann ist Punkt 11 der Tagesordnung weggefallen.
Wir beginnen dann mit Punkt 1 der ergänzten Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP/DPB, FU ({5}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken ({6});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({7}), ({8}).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Heiler. Ich bitte sie, das Wort zu nehmen.
Frau Heiler ({9}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Titel des vorliegenden Gesetzentwurfes ist, wie eben schon erwähnt worden ist, in der gestrigen Beratung des Ausschusses für das Gesundheitswesen korrigiert worden. Außer dieser kleinen redaktionellen Änderung des Titels sind zwei kleine Korrekturen an der Vorlage vorgenommen worden, die ich Ihnen kurz zu nennen mir erlaube. Ich
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brauche auf den Gesetzentwurf nicht weiter einzugehen, weil er Ihnen ja von gestern her noch in Erinnerung sein wird.
Nach § 1 ist der Stichtag nicht mehr der 7. Mai 1945, sondern der 1. Oktober 1945, weil beim Stichtag '7. Mai eventuell noch die Möglichkeit bestanden hätte, nationalsozialistisches Gut in diesen Bestimmungen mitzuschleppen. Das sollte vermieden werden. Der 1. Oktober ist deswegen gewählt worden, weil das ein Termin ist, an dem die neuen Gesetze der amerikanischen Besatzungszone noch nicht in Kraft waren, die die Gewerbefreiheit auch auf die Apotheken ausgedehnt haben.
In § 3 ist die Geltungsdauer des Gesetzes auf sechs Monate verkürzt worden, weil wir hoffen, in dieser Zeit den Entwurf des Apothekengesetzes verabschiedet zu haben.
Der Ausschuß für das Gesundheitswesen hat diese Änderungen einstimmig beschlossen. Ich bitte darum auch das Hohe Haus, dem Entwurf mit diesen Änderungen zuzustimmen.
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Ich danke der Frau Berichterstatterin und gebe Ihnen davon Kenntnis, daß der Ältestenrat vorschlägt, dieses Gesetz ohne Aussprache zu verabschieden.
Ich darf zur zweiten Beratung aufrufen: § 1, -§ 2, - § 3, -- Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das scheint mir einstimmig zu sein.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Eine allgemeine Besprechung soll nicht stattfinden. Eine Einzelbesprechung entfällt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz über die vorläufige Regelung der Errichtung neuer Apotheken zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einer Enthaltung angenommen.
Ich rufe Punkt 1 der gedruckten Tagesordnung auf:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Steigerung des Trinkmilchverbrauchs ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor, falls eine Aussprache gewünscht wird.
Herr Abgeordneter Müller-Hermann zur Begründung der großen Anfrage!
Müller-Hermann ({1}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich bei Einbringung der Großen Anfrage betreffend Steigerung des Trinkmilchverbrauchs sowohl von volkswirtschaftlichen als auch von volksgesundheitlichen Erwägungen leiten lassen. Wir haben im Plenum des Bundestages bereits verschiedentlich heftige Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit den Fragen der Buttereinlagerung, der Ernährungspolitik und Zollpolitik gehabt. Ich glaube, daß es bei der Frage „Steigerung des Milchkonsums" sowohl bei den Landwirten als auch bei den Vertretern der Industrie und der Verbraucherschaft nur Zustimmung geben wird, weil hier tatsächlich ein gemeinsames Interesse aller
beteiligten Berufs- und Bevölkerungsschichten vorliegt, abgesehen von all den Vorteilen für die Volksgesundheit.
Meine Damen und Herren, die Landwirtschaft hat die Leistungen der deutschen Milchwirtschaft in den letzten Jahren auf etwa 110 °/o der Friedensleistung steigern können. Die Produktion erreicht damit in der Pro-Kuh-Leistung annähernd den Stand der Leistungen von Dänemark und Holland. Man kann also wohl feststellen, daß die Landwirte und die Kühe in der Bundesrepublik ihre Pflicht erfüllt haben.
Die Landwirte beanspruchen nun für ihre Produktion einen Schutz durch Zollmaßnahmen, denen von seiten der Industrie heftiger Widerstand geleistet wurde, weil die Industrie ein natürliches Interesse daran hat, gerade auch nach den Ländern zu exportieren, die nur dann bereit sind, deutsche Waren aufzunehmen, wenn auf der andern Seite ihre landwirtschaftlichen Produkte nach Deutschland abgesetzt werden können. Hier liegt ein Widerstreit vor, der unseres Erachtens am besten aus der Welt geschafft werden kann, wenn
es gelingt, den deutschen Milschverbrauch nur um
einiges zu steigern.
Der Trinkmilchverbrauch in Deutschland lag 1951 bei 75 bis 80 kg, wenn man den städtischen Verbrauch berücksichtigt, bei 115 kg pro Kopf der Bevölkerung, wenn man den Eigenverbrauch und den Abholverkauf mit einkalkuliert. Der Trinkmilchverbrauch in den Vereinigten Staaten ist doppelt so hoch wie in Deutschland. Ein ähnlicher erheblicher Mehrverbrauch liegt in England, in Dänemark, in Holland, in Schweden und in der Schweiz vor. Wenn es gelänge - ich glaube, diese Zahlen sind doch sehr eindrucksvoll -, den Trinkmilchverbrauch in Westdeutschland von 0,2 Liter pro Kopf und Tag nur um 1/10 Liter pro Tag zu steigern, würden hiermit 70 000 t Butter jährlich vom Markt genommen werden. Auf diesem Wege wären wir in der Lage, den nordischen Ländern ihren gesamten Butterüberschuß abzunehmen und so unserer eigenen Industrie für ihren Export ein erweitertes Absatzgebiet zu schaffen.
Diese Steigerung des Trinkmilchverbrauchs und die damit mögliche Exportsteigerung sind eine Aufgabe, die zweifellos nicht von der Landwirtschaft allein bewältigt werden kann, eine Aufgabe, bei der Bundesregierung, Landwirtschaft, Industrie und Verbraucherschaft gemeinsam die notwendigen Schritte unternehmen müssen. Ich glaube feststellen zu können, daß die finanziellen Mittel, die eingesetzt werden sollten, um eine Werbung für Trinkmilch zu veranstalten, sich wohl sehr bezahlt machen werden, wenn man auch die positiven Folgen, die sich für die Volksgesundheit daraus ergeben, nicht mit irgendwelchen Zahlenwerten messen kann. Wie kann das geschehen? Das ist die Frage, die wir auch an die Bundesregierung richten. Wir kennen alle die wunderbaren Plakate, wo ein schönes Mädchen, mit einem Glas Milch bewaffnet, für einen Mehrkonsum von Milch wirbt. Sicher wird sich mit diesen Plakaten nicht sehr viel und nicht sehr Entscheidendes erreichen lassen. Sie haben heute alle - wie ich auch - mit den Posteingängen ein umfangreiches Material von dem Verein zur Förderung des Milchverbrauchs in Frankfurt erhalten, der sich offensichtlich alle erdenkliche Mühe gegeben hat, mit Plakaten sowie Werbungs- und Aufklärungsschriften für eine Steigerung des Milchkonsums zu werben. Aber diese Maßnahmen haben nicht den gewünschten
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Erfolg erzielt, auch nicht erzielen können, weil die Zahl der hergestellten Werbungsschriften nicht ausreichend ist. Dieser Verein muß mit so geringfügigen Mitteln arbeiten, daß er es einfach nicht schaffen kann. Ich glaube, man sollte hier vielleicht einmal entsprechende Maßnahmen, aber auch Ausgaben z. B. der Margarineindustrie als Richtschnur heranziehen, um einen Vergleichsmaßstab für die Mittel zu haben, die man für die Steigerung des Milchkonsums einsetzen sollte.
Die Landwirtschaft und die Verteilerorganisationen werden sich jedoch nicht darauf beschränken dürfen, nur auf den Staat und auf die Mittel zu gucken, die von seiner Seite zur Verfügung gestellt werden können. Alle Maßnahmen zur Werbung werden nutzlos bleiben, solange nicht von allen Beteiligten gemeinsame Maßnahmen zur Qualitätssteigerung der Milch und für einen verbesserten Kundendienst ergriffen werden. Auf beiden Gebieten ist Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern zweifellos erheblich zurück. Ich erinnere vor allem für die Damen und Herren auch dieses Hauses, die Gelegenheit hatten, sich in den Vereinigten Staaten einmal mit ähnlichen Problemen zu beschäftigen, an die drakonischen Qualitätsbestimmungen, die z. B. in den Vereinigten Staaten getroffen worden sind, an den Kundendienst, der dort herrscht, und an die vorzügliche, schmackhafte, gekühlte und Appetit anregende Weise, in der die Milch zum Angebot kommt. Die Bevölkerung muß die Gewähr dafür haben - ich glaube, hier sind in der Öffentlichkeit zum Teil noch Bedenken vorhanden -, daß wirklich nur einwandfreie Milch auf den Markt kommt, d. h. daß der Pasteurisierungszwang, soweit es sich nicht um Vorzugsmilch handelt, auf jeden Fall auch durchgeführt wird. Dazu kommen einwandfreie Gewinnung innerhalb der landwirtschaftlichen Betriebe, eine bessere Bezahlung und Ausbildung der Melkkräfte, eine Bezahlung der Milch in den Molkereien nach ihrer Güte und eine Steigerung des Fettgehalts, die, wie ich hörte, jetzt auch bereits durchgeführt werden soll.
Entscheidenden Einfluß auf die Steigerung des Milchkonsums kann der Milchhandel selbst nehmen, wenn er sich endlich dazu bequemt, einen verbesserten Kundendienst, vor allem auch eine freie Hauszustellung durchzuführen, wenn es ihm gelingt, den heute erforderlichen hygienischen Anforderungen in bezug auf die Läden, Berufskleidung, Fahrzeuge usw. gerecht zu werden.
Ich glaube aber, daß es - abgesehen davon, daß der Staat Mittel für die Milchwerbung zur Verfügung stellt - auch noch andere Möglichkeiten für den Staat gibt, den Milchkonsum in Deutschland nicht unerheblich zu fördern. Ich denke z. B. an die Durchführung der Schulmilchspeisungen, die zum Teil nur sehr zögernd behandelt werden, an den Milchausschank im Bergbau und an die Förderung des Milchausschanks in den Industriebetrieben. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß z. B. auch heute noch bei direkter Lieferung von Milch an die Schulen für die Schulmilchspeisung von den Molkereien eine Umsatzsteuer von 4 % für Trinkmilch und 7 % für Kakao gefordert wird.
Ein weiteres, entscheidendes Hindernis, das einer Steigerung des Milchkonsums offensichtlich entgegensteht, sind die Gemeindegetränkesteuer, die noch immer auf die Milchmischgetränke erhoben wird, und die Speiseeissteuer. Ich möchte darauf hinweisen, daß die Milchmischgetränke, die sich offensichtlich zunehmender Beliebtheit erfreuen, zu 90 % aus Milch hergestellt sind und daß nur der Rest aus Früchten und Zucker besteht. Dabei liegen hier noch ganz ungeahnte Möglichkeiten, einen gesteigerten Milchabsatz in Deutschland zu erzielen.
Dazu gibt es noch von Staatsseite her Möglichkeiten, den Milchabsatz durch geeignete Verkaufsmöglichkeiten zu fördern, z. B. auf den Bahnsteigen der Bundesbahn, in den Speisewagen der Mitropa, durch Einrichtung von Milchtrinkhallen auf den Bahnsteigen der Bundesbahn zu günstigen Pachtbedingungen, den ambulanten Verkauf in und an den Zügen und durch entsprechende Maßnahmen gerade auch auf den Autobahnen.
Meine Damen und Herren, wenn wir uns so bemühen, gerade auch den Milchkonsum in Deutschland zu fördern, so können wir vielleicht damit auch eine gute Konkurrenz gegen den übermäßigen Genuß von alkoholischen Getränken aufbauen,
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womit nicht gesagt sein soll - Herr Dr. Horlacher sieht mich schon so strafend an -,
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daß man ja auch am Abend ein gutes Glas Bier vertragen kann. Es läßt sich beides sehr gut miteinander vereinbaren, Herr Dr. Horlacher!
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Ich glaube aber, daß es bei der umfassenden Bedeutung dieses - so nebensächlich erscheinenden - Problems für unsere Volkswirtschaft und für unsere Volksgesundheit richtig ist, daß sich der Bundestag einmal mit diesem Problem beschäftigt und von der Bundesregierung Auskunft darüber erhält, wie sie sich eine Förderung des Milchkonsums in der Bundesrepublik vorstellt und welche Maßnahmen von ihr auf diesem Gebiete bereits ergriffen worden oder geplant sind.
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Zur Beantwortung der Großen Anfrage der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Sachlage! Die Milcherzeugung in der Deutschen Bundesrepublik ist seit dem Wirtschaftsjahr 1947/48 von 8,4 Millionen t auf 15,2 Millionen t im Kalenderjahr 1951 gestiegen.
Zur Aufgliederung des Milchverbrauchs! Zur Butterherstellung gelangten 60 bis 65 % der Anlieferung, zu Trinkmilchzwecken 25 bis 30 %, zur Käseherstellung 7 bis 8 %, zur Dauermilchherstellung 2 bis 3 %.
Der Herr Interpellant hat auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die dadurch entstehen, daß aus handelspolitischen Gründen immer noch gewisse Buttermengen eingeführt werden können, obwohl wir heute in der Lage sind, unseren Butterbedarf fast selbst zu decken. Ergebnis unserer Berechnungen: Butterkonsum in Deutschland im laufenden Jahre 300 000 t, Eigenerzeugung 290 000 t; es würde also eine Einfuhr von rund 10 000 t genügen, um das Gleichgewicht herzustellen.
Die Misere auf dem Buttergebiet, daß die inländische Butter nicht mehr absetzbar ist, weil aus handelspolitischen Gründen zuviel Butter aus dem Ausland hereingebracht werden muß, wäre zu vermeiden, wenn man einen entsprechend größe({0})
ren Teil der anfallenden Milch für Trinkzwecke verwenden würde.
Es ist richtig, daß im Interesse der Volksgesundheit der Milchkonsum gesteigert werden muß. Es sind ja nicht nur die Eiweißkörper in der Milch nach ihrer Zusammensetzung mit die biologisch hochwertigsten Eiweißkörper
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- und die billigsten! -, sondern auch das Milchfett ist für das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Menschen von hohem Wert.
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Weiterhin enthält die Milch sämtliche Vitamine in idealem Zusammenwirken.
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Nicht zuletzt ist Vollmilch als Spender von kalk-und phosphorsauren, leicht resorbierbaren Salzen anzusehen.
Zusammengefaßt kann also gesagt werden, daß die Milch nach dem Urteil der namhaftesten Ernährungsphysiologen in der ganzen Welt dem Ideal eines vollkommenen Lebensmittels am nächsten kommt.
Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist die Milch - Herr Dr. Horlacher hatte mit seinem Zuruf vorher recht - auch heute noch das preisgünstigste Nahrungsmittel. Leider greift man heute immer noch nicht in dem Umfange nach der Milch, wie es wünschenswert wäre. In Deutschland wurden in der Vorkriegszeit 1935/38 im Durchschnitt etwa 0,3 Liter Milch je Tag und Kopf der Bevölkerung verbraucht. Zur Zeit liegt der Durchschnittsverbrauch in der Bundesrepublik, nachdem er in der Nachkriegszeit stark heruntergegangen war, wiederum bei 0,3 Liter. Das zeigt, daß in Deutschland der Friedensverbrauch von 1935/38 erreicht ist, ja sogar überschritten wird, wenn der erhöhte Verbrauch an Kondens- und Sterilmilch hinzugerechnet wird. In anderen Ländern wie Dänemark und Schweden liegt der Verbrauch bei 0,6 - doppelt so hoch -, in der Schweiz bei 0,65 und in Nordamerika annähernd bei rund 1 Liter. Daß wir aber noch viel nachzuholen haben, wenn wir uns den Verbrauchszahlen der anderen europäischen Völker nähern wollen - von Amerika gar nicht zu sprechen -, ist klar. Es ist zu hoffen, daß hierin auch bei uns ein Wandel eintritt. Wenn der Milchverbrauch in der Bundesrepublik je Tag und Kopf der Bevölkerung auf 0,4 Liter gesteigert werden könnte - man ist sich darin einig, daß das durchaus im Interesse der allgemeinen Volksgesundheit liegen würde -, dann wären unsere ganzen Milchabsatzsorgen beseitigt.
Zunächst soll einmal untersucht werden, worauf der immer schon im Verhältnis zu anderen Ländern geringe Milchverbrauch zurückzuführen ist:
1. Der Milchverbrauch wird stark durch Verbrauchsgewohnheiten bestimmt. Diese werden ihrerseits beeinflußt durch die Einstellung der Verbraucher zur Milch und durch die Art und Weise und die Qualität, in der die Milch den Verbrauchern angeboten wird. In Deutschland hat die Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg vor dem Kriege einmal den prozentualen Anteil der verschiedenen kalten Getränke am Gesamtkonsum ermittelt. Er betrug: alkoholische Getränke 69 %, alkoholfreie Getränke 18,7 % und Trinkmilch 12,2 %. Bei der Aufgliederung zeigt sich, daß die jüngste Lebensgruppe mit 25 bis 30 Jahren, die erfaßt wurde, wie auch die Frauen einen überdurchschnittlichen Verbrauch von 16,25 % ausweisen. Hier muß eine Maßnahme einsetzen, um eine Verbrauchswandlung zu erzielen, d. h. es ist durch Aufklärung dafür zu sorgen, daß Milch in Zukunft nicht mehr als Getränk, sondern als hochwertiges Nahrungsmittel angesehen wird. Meines Erachtens ist bereits eine geistige Umstellung der Bevölkerung, besonders der Jugend, festzustellen. Die Anschauung jedenfalls in jugendlichen Kreisen, daß das Milchtrinken unmännlich sei, ist schon stark zurückgegangen.
2. Man darf folgendes nicht vergessen. Seit 1933 bis weit nach 1945 mußte die Butterproduktion gefördert werden. Diese Maßnahmen haben das sogenannten „Milchbewußtsein" in der Bevölkerung, besonders bei der jungen Generation, unterdrückt.
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Man hat das Milchtrinken etwas verlernt.
3. Die Qualitätsbestrebungen sind durch die Mangellage im Krieg und in den Nachkriegsjahren vernachlässigt worden, weil die Milch den Molkereien und Händlern ohne Rücksicht auf die Güte buchstäblich aus der Hand gerissen wurde. Aber schon nach der Währungsreform wurde wieder die Bedeutung eines gesteigerten Milchkonsums im Interesse der Milchwirtschaft und der Verbraucher erkannt. Deshalb wurde im Frühjahr 1950 in Fortsetzung der Arbeiten des ehemaligen Reichsmilchausschusses, der bis 1933 wirkte, der Verein zur Förderung des Milchverbrauchs ins Leben gerufen mit dem Ziel, die Bemühungen um die Steigerung des Milchverbrauchs zu verstärken.
Die deutsche Gesundheitswissenschaft setzt sich aus den bekannten guten Gründen für einen weitgehenden Verbrauch von Milch ein. Sie erhebt damit aber eine unabwendbare Gegenforderung: die Forderung nach einer hygienisch einwandfreien Milch. Es gehört zu den Pflichtaufgaben der Ärzte und Gesundheitsverwaltungen, sich um die Hygiene des Milchkonsums zu kümmern. Ich will nicht verschweigen, daß die Hygiene und die Qualität der Trinkmilch noch vor einigen Jahren zu wünschen übrig ließ. Folglich mußte ich, bevor ich mit einer durchschlagenden Propaganda einsetzen konnte, die erste Voraussetzung für die Steigerung des Trinkmilchverbrauchs schaffen, und zwar die Verbesserung der Hygiene und Qualität der Milch.
In den letzten Jahren sind verschiedene Maßnahmen auf diesem Gebiete eingeleitet worden mit dem Ziel, eine qualitativ hochwertige und vollmundige Milch in den Verkehr zu bringen. Im einzelnen darf ich folgendes erwähnen:
1. Gewinnung einer gesunden und keimarmen Milch a) durch Bekämpfung gewisser Rinderseuchen, insbesondere der Tuberkulose - der Bund hat in zwei Etappen jeweils 5 Millionen, insgesamt also 10 Millionen aus ERP-Mitteln für diese Aktion beigesteuert -; b) durch saubere, gut gelüftete und belichtete Ställe; saubere Milchgewinnung, gepflegte Melkgerätschaften, Melkmaschinen, sofortige Kühlung der Milch nach dem Melken. Der land- und hauswirtschaftliche Auswertungs und Informationsdienst bringt zur Zeit eine Schrift für die Erzeuger heraus, die als Wegweiser für eine einwandfreie Milchgewinnung und -kühlung dienen soll.
2. Für den Transport der Milch vom Erzeuger zur Molkerei werden nur noch verzinnte oder Aluminiumkannen oder Kannen aus nichtrostendem Stahl benutzt. Die im Krieg eingeführten rot lackierten Kannen sind durch Erlaß der Länder aus dem Verkehr gezogen.
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3. In den Molkereien kommt eine Bearbeitung der Milch zur Anwendung, die einmal krankheiterregende Keime tötet und zum anderen den Rohmilchcharakter, insbesondere den Geschmack der Milch, erhält, d. h. eine Dauer- oder Kurzzeiterhitzung.
4. Die Überprüfung der Molkereien, insbesondere der Erhitzungsanlage, ist durch die zuständigen Veterinärräte und Amtsingenieure für das Molkereiwesen verstärkt worden. Ich habe in meinem Rundschreiben an die Länder vom 26. September 1950 die notwendigen Anregungen gegeben. Automatisch arbeitende Umschaltventile mit Temperaturregistrierinstrumenten sind auf meine Initiative entstanden. Damit soll erreicht werden, daß unerhitzte Milch wieder in den Annahmebehälter zurückgeführt wird und nicht zur Ausgabe gelangt.
5. Die Abgabe einer hochwertigen Flaschenmilch nimmt immer breiteren Raum ein. ERP-Kredite sind und werden bereitgestellt, um in größeren Verbrauchszentren Spezialflaschenmilchbetriebe zu errichten, die als Beispiel für die anderen Molkereien im Bundesgebiet dienen sollen. Wir haben für diese Maßnahmen und zur Verbesserung der Molkereien bisher aus ERP-Mitteln 15,294 Millionen DM aufgewendet. Es ist zu erhoffen, daß aus der dritten Tranche der ERP-Mittel weitere fünf Millionen - also insgesamt 20,294 Millionen DM - zur Verfügung stehen.
6. Weiterhin wird zur Zeit der Entwurf einer Güteverordnung für Milch auf Grund von § 9 des Milch- und Fettgesetzes von 1951 mit den Ländern beraten. Diese Güteverordnung regelt im ersten Teil die Prüfung der Milch durch amtliche Stellen, dann die Eigenkontrolle in den Molkereien und schreibt ferner die Bezahlung der Anlieferungsmilch an die Molkereien nach Gehalt und Güte vor. Werden auf Grund dieser Prüfungen Beanstandungen festgestellt, so trifft die oberste Landesbehörde entsprechende Maßnahmen, d. h. sie kann auch eine Molkerei, die minderwertige Trinkmilch liefert, von dem Markt ausschließen.
7. Fernerhin hat das Bundeskabinett eine neue Preisverordnung für Milch, Butter und Käse verabschiedet, die vorsieht, daß Milch mit einem Fettgehalt von 3 °/o statt 2,8 °/o für höchstens 38 D-Pfennig verkauft wird. Ich betone, daß die Landwirtschaft dadurch ein Opfer bringt, daß sie für die höherwertige Milch, 3 %, nur den gleichen Preis erhält wie' für die niederprozentige, 2,8 %. Für Flaschenmilch mit 3 % Fett kann ein entsprechender Zuschlag gewährt werden.
Ferner ist nunmehr die Möglichkeit gegeben, daß je nach der Einstellung der Bevölkerung, je nach den gegebenen Absatzmöglichkeiten auch im Fettgehalt höher stehende Milch wiederum in den Verkehr gebracht werden kann. Ich möchte hier nicht die Debatte über das sogenannte ungeteilte Gemelke allzusehr erwähnen
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- ich höre schon die ablehnenden Rufe -; es ist aber so, daß wir zweifellos den in den verschiedenen Teilen des Bundesgebiets gegebenen örtlichen und biologischen Verschiedenheiten Rechnung tragen müssen. Ich erinnere daran, daß unsere deutschen Höhenschläge im Durchschnitt 3,7 bis 3,9 % Fett geben, während die Schwarzbunt- und Rotbuntniederungsschläge 3 bis 3,2 % Fett haben.
Damit ist der Weg zur Vollmilch für diejenigen, die es wünschen, wieder geöffnet.
Nachdem nunmehr die materiellen Voraussetzungen - also Hygiene, Qualität, Flaschenmilchpreise - gegeben sind, ist jetzt der Zeitpunkt für die Großwerbung gekommen, wobei aber auf die Initiative aller Wirtschaftsgruppen nicht verzichtet werden kann. Vor allen Dingen muß ein zusätzlicher Absatz geschaffen werden durch: Hauszustellung der Flaschenmilch durch den Milchhandel oder, wenn dieser versagt, direkt durch die Molkereien; energische Förderung der Schaffung von Gelegenheiten für den direkten Milchverzehr bei der Bundesbahn, auf der Autobahn, in den Parks, auf den öffentlichen Plätzen im Stadtinnern, in Trinkstuben oder in Milchgaststätten; Förderung des Milchvertriebs in Industriewerken, Büros seitens der Wirtschaft - Unternehmerschaften und Gewerkschaften -; großzügige Werbung in den Schulen. Der junge Mensch muß bereits in den Entwicklungsjahren an den Milchverzehr gewöhnt werden.
Eine Broschüre „Ernähren wir uns richtig", die im Auftrage des Verbraucherausschusses meines Ministeriums zur Zeit in 200 000 Exemplaren herausgegeben wurde, läßt einen breiten Raum für die Milchwerbung. Für die Wanderausstellung sind zwölf Tafeln in fünffacher Ausfertigung hergestellt worden. Auf diesen Tafeln setzen sich Ernährungswirtschaftler und Ernährungswissenschaftler mit der Frage des Ausgleichs - mehr Milch, mehr Fisch usw. - auseinander.
Die Geldmittel, die bisher dem Verein zur Förderung des Milchverbrauchs gegeben wurden, stammen aus der Umlage, die auf Grund des § 20 des Milch- und Fettgesetzes von 1951 erhoben wurde. Die bisherigen Mittel waren - das muß offen ausgesprochen werden - unzureichend. Ob sie in Zukunft überhaupt zur Verfügung stehen werden, ist noch ungewiß. Der Ernährungsausschuß des Bundestags hat bei der Beratung zur Novelle des Milch- und Fettgesetzes den § 20 gestrichen. Angesichts der angespannten Finanzlage des Bundes können in absehbarer Zeit Haushaltsmittel für diesen Zweck nicht freigemacht werden. Soll also ein vermehrter Trinkmilchverbrauch erzielt werden, so bedarf es anerkanntermaßen ausreichender Geldbeträge zur Durchführung einer großangelegten Propaganda, wobei nach meinem Darfürhalten nicht allein die Landwirtschaft, sondern auch die an der Hebung der Milchwirtschaft stark interessierten Industrien ihr Scherflein beitragen müßten. Ich hoffe daher zuversichtlich, daß der Ernährungsausschuß des Deutschen Bundestages dieser Zielsetzung zustimmt und den bisher gestrichenen § 20 des Milch- und Fettgesetzes wiederherstellt.
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Meine Damen und Herren, ich bin dankbar, daß diese Große Anfrage einmal Gelegenheit gab, über diese unendlich wichtige Frage zu reden. Wenn ich darauf hinweise, daß die Verkaufserlöse der deutschen Landwirtschaft zu 40 % aus Milchverkaufserlösen bestehen, so spreche ich als Landwirtschaftsminister. Wenn ich betone, welches Fundamentum für die menschliche Ernährung und Gesundheit die Milch darstellt, so rede ich als Ernährungsminister.
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Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage gehört. Ich frage: wird die Besprechung der Großen Anfrage gewünscht? Ich bitte um ein Hand({0})
zeichen, wenn das der Fall ist. - Das sind inzwischen mehr als 30 Abgeordnete.
Ich darf darauf hinweisen, daß bei dem Vorstand des Deutschen Bundestags Vorlagen zur Veränderung von Räumen beim Restaurant vorliegen, die hoffentlich eine Steigerung des Verbrauchs der Milch durch die Abgeordneten erreichen lassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann im Rahmen der Aussprachezeit von 90 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Müller-Hermann hat, als er die Große Anfrage begründete, gesagt, es sei Zeit, daß man sich einmal im Deutschen Bundestag mit diesem Problem befasse. Wenn ich recht gesehen habe, wäre es um ein Haar nicht einmal zu einer Aussprache über die Große Anfrage gekommen. Ich habe jedenfalls bei dem Bemühen, diese Aussprache durch Erheben der Hand zustande zu bekommen, einige Damen und Herren vermißt, als ich mich umgesehen habe.
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Es ist dem Herrn Kollegen Müller-Hermann wahrscheinlich entgangen, daß sich der Ernährungsausschuß aus Anlaß der Beratung einer Novelle zum Milch- und Fettgesetz nun schon einige Monate mit diesem Problem befaßt, und ich bedaure sehr, daß er nicht Mitglied dieses Ausschusses ist und seine genauen Kenntnisse der Materie nicht in die dortigen Beratungen einfließen lassen kann. Ich bedaure das deshalb, weil es nämlich ganz gut wäre, wenn man auf allen Seiten des Hauses das Problem der Steigerung des Trinkmilchabsatzes nun auch einmal mit neuen Ideen und mit neuen Wegen zu bewältigen versuchen würde.
Ich begrüße die Gelegenheit zu einer solchen Aussprache in diesem Augenblick auch, und zwar gerade unter dem Eindruck der Beratungen im Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft. Ich möchte also ein wenig hier aus der Schule plaudern und etwas aus der Arbeit dieses Ausschusses sagen, in der Überzeugung, daß das geschehen muß, wenn wir mit diesem Problem fertig werden wollen. Es reicht nämlich zur Bewältigung der jährlichen Milchschwemme und des in jedem Jahr verstärkt auftretenden Problems wahrlich nicht aus, daß man sich darüber streitet, wieviel Butter nun in diesem Jahr eingelagert werden soll. Was gestern im Ernährungsausschuß in Form einer Abstimmung beschlossen worden ist, ist der Versuch, auf dem Umweg, nun, sagen wir einmal, einer Beeinflussung der Margarine und des Margarineverbrauchs zu einem Mehrverbrauch an Butter und damit zu einer Bewältigung des Milchproblems zu kommen. Das scheint mir erstens nicht neu zu sein, außerdem auch völlig vergeblich zu sein und völlig falsch zu laufen. Wenn man sich aber nun über das, was man uns heute wieder einmal mit einem verhältnismäßig großen Aufwand nicht nur an Papier und Porto, sondern auch an Geld über die Milchwerbung mitgeteilt hat, über diese landläufigen und sehr naheliegenden Formen der Propaganda hinaus bemühen will, muß man sich entschließen, nicht nur so ganz allgemeine Forderungen aufzustellen, sondern hier ein paar sehr heiße Eisen anzufassen. Dann muß man sich mit all den Dingen auseinandersetzen, die neben aller Milchwerbung, die so lockend betrieben wird, geradezu auf eine Behinderung der Steigerung des Milchkonsums hinauslaufen.
Wem ist denn eigentlich bekannt, woran es scheitert, daß dem Verbraucher die Milch nicht auf jede nur denkbare Weise zugänglich gemacht wird? Es ist ja doch nicht so, daß einem nun plötzlich einfallen müßte: Das und das sollte man in dieser Richtung einmal tun! Wir haben doch ein Milchverteilungssystem, das -den Verbraucher zwingt, an ganz bestimmte Verkaufsstellen zu gehen, die unter dem Gesichtspunkt eingerichtet sind, daß den Verkaufsstellen ein Mindestabsatz garantiert ist. In dem Fall, in dem es etwa der kauf enden Hausfrau nicht behagt, nun gerade bei dem für sie zuständigen Milchhändler zu kaufen, muß sie sich entscheiden, ob sie nun in ein anderes Milchverteilergebiet vordringen will oder ob sie vielleicht auf den Milchverbrauch überhaupt verzichtet. Ich begreife nicht ganz, warum es so viel Leute gibt, die geradezu stolz darauf sind, daß in absehbarer Zeit jede Form des ambulanten Milchverkaufs endlich vorbei sein soll. Erwarten z. B. auch diejenigen, die in Bonn einen Milchwagen um cien Hofgarten herumfahren sehen, von dem aus einem für meinen Geschmack absolut ausreichenden Gefäß Milch an die Hausfrauen verkauft wird, daß alle diese Hausfrauen demnächst, wenn der Wagen nicht mehr fahren wird, irgendwohin in einen Milchladen laufen werden? Ich fürchte vielmehr, daß sie, wenn sie nicht überhaupt auf den Milchverbrauch verzichten, zum Verbrauch von Büchsenmilch übergehen werden.
Aber alle unsere Bemühungen - die Bemühungen meiner Freunde und einiger anderer Mitglieder dieses Hauses -, dieses „Milchmarktordnung" genannte System so aufzulockern, daß da nicht nur ein bißchen Bewegung hineinkommt, sondern auch ein bißchen Leistungssteigerung durch das sonst sosehr beliebte Mittel der Konkurrenz, sind j a doch bisher immer nur einer Ablehnung verfallen.
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Das sage ich nicht, um in unsere Ausschußberatungen eine Schärfe hineinzutragen. Ich stelle hier aber Tatsachen fest, und ich stelle sie in der Hoffnung fest, daß die öffentliche Behandlung dieses Problems uns vielleicht doch ein bißchen weiter bringt, als es durch die Ausschußberatungen bisher geschehen ist. Man kann sich über Steuern unterhalten, man kann sich über alles mögliche unterhalten und spricht dabei Probleme an, die durchaus dazugehören. Aber solange man die Dinge nicht bei ihrer Wurzel anpacken will, ist all das andere überflüssig und wird genau so Makulatur bleiben, wie es meiner Überzeugung nach die schönen oder weniger schönen Märchenbücher und Malbücher und all das andere, am Zweck der Sache doch vorbeigehende Propagandamaterial ohne jeden Zweifel tun. Sie haben ja heute Gelegenheit, das zu sehen. Im vergangenen Jahre sind den Erzeugern nach Mitteilungen, die uns im Ausschuß amtlicherseits geworden sind, von ihrem Milchauszahlungspreis 25 Millionen DM unter der Überschrift „Förderung des Milchabsatzes" einbehalten worden,
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und wenn jetzt eine Ausschußmehrheit beschlossen hat, diesen § 20, um dessen Wiederherstellung der Minister hier eben ersucht hat, zu streichen, dann aus Protest dagegen, daß dem Erzeuger hier solche Beträge weggenommen werden, ohne daß man davon eine Wirkung sieht.
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Eine Reihe von Molkereien - und das sind wahrscheinlich die tüchtigsten - haben zusätzlich zu
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dieser amtlich verordneten Abgabe auf freiwilliger Basis eine weitere Umlage bei den Erzeugern ihrer Einzugsgebiete veranstaltet, um Mittel in die Hand zu bekommen, die sie selber in ihrem Absatzgebiet einsetzen können. Wir glauben, daß es, wenn in Zukunft nicht sehr zuverlässige Garantien für eine bessere Verwendung der Mittel gegeben werden, wahrscheinlich gescheiter ist, auf die amtliche Erhebung zu verzichten, um die private und lokale Initiative der einzelnen Molkereien nicht zu beeinträchtigen.
Aber es ist nicht nur die Frage der Verteilung an den Letztverbraucher, die unserer Meinung nach mit der heutigen Regelung hemmend auf die Steigerung des Milchabsatzes wirkt; es ist z. B. auch das ganze übrige System, das wir Milchmarktordnung nennen und das, gelinde gesagt, in eine Starrheit hineingekommen ist, die aufgelockert werden muß, wobei ich mit Entschiedenheit etwa die Unterstellung ablehne, als beabsichtigten wir mit solchen Vorschlägen eine Rückkehr in irgendein Chaos. Aber der Umstand, daß der Erzeuger gezwungen ist, an eine bestimmte Molkerei zu liefern, und daß es ihm, wenn überhaupt, dann nur unter außerordentlich schwierigen Umständen möglich ist, von dieser Molkerei wegzukommen - selbst in Fällen, in denen er über eine gleiche Entfernung durch Lieferung an eine andere Molkerei einen höheren Auszahlungspreis bekommen würde -, und daß das gleiche System für die Lieferung von Molkereien an Milchhändler da ist, das schaltet nun einmal den gesunden Wettbewerb und das Bemühen aller Beteiligten um eine Steigerung der Leistungen zum Zwecke der Erzielung eines besseren Preises und eines vernünftigen und größeren Absatzes praktisch aus. Wir müssen hier auf neuen Wegen vorgehen, auf die Gefahr hin, daß dabei in eine Ordnung störend eingegriffen wird, die bei vielen Leuten nur deshalb so beliebt ist, weil sie eben so bequem ist. Es ist j a menschlich durchaus verständlich, daß der Verwalter einer Molkerei, dem man die Lieferanten zuweist und dem man auch die Kunden zuweist, sich nun nicht so fürchterlich den Kopf darüber zerbricht, was er noch alles tun könnte. Wenn die Leute mit ihm nicht zufrieden sind, ist das ihr Pech. Sehen Sie sich doch einmal an, wie die Geschichte da funktioniert oder nicht funktioniert; dann kommen Sie auf eine Seite des Problems, die hier heute leider nicht angesprochen ist. Wenn Sie nicht von dieser Seite her etwas Praktisches tun, nutzt es gar nichts, daß wir öffentliche Mittel ausgeben oder über Mittel der Erzeuger verfügen und damit eine Werbung betreiben, die doch nicht erreicht, daß derjenige, der sich für Milch interessiert, so leicht und zügig und immer wieder an die Milch herankommt, wie er es vielleicht gern möchte. Denn die Menschen parieren nicht so, und es ist auch sehr gut, daß sie so nicht parieren.
Wir werden uns meiner Überzeugung nach sehr bald, und zwar anläßlich der Behandlung der Novelle zum Milch- und Fettgesetz, in diesem Hause mit solchen praktischen Maßnahmen beschäftigen müssen. Das wird der Sache sehr viel mehr dienen als heute hier noch so feurig vorgetragene Proklamationen. Wenn etwas erreicht werden kann, dann nicht durch Appelle und schon gar nicht durch moralische Appelle, die dem Verbraucher einreden, er solle mehr Milch verbrauchen, sondern dann kann das nur durch praktisch wirksame Maßnahmen erreicht werden. Dazu ist mit dieser Novelle zum Milch- und Fettgesetz
Gelegenheit. Ich hoffe sehr, daß wir dann nicht nur in der Beteuerung übereinstimmen, daß sowohl im Interesse der Erzeuger wie im Interesse der Verbraucher und der Volksgesundheit wie auch im Interesse unserer Außenhandelsbeziehungen überhaupt zur Steigerung des Milchabsatzes etwas getan werden muß, sondern daß wir dann auch in diesen praktisch wirksamen Maßnahmen übereinstimmen, die sehr viel näher liegen als alle diese Märchenbücher, die Sie heute hier auf den Tisch gelegt bekommen haben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Eichner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem, welches heute mit der Drucksache Nr. 3323 aufgeworfen worden ist, berührt nicht bloß die Erzeuger, sondern auch die Verbraucher. Wir wissen, daß zur Zeit zwischen dem Trinkmilchverbrauch und dem Werkmilchverbrauch eine ungesunde Relation besteht. Es ist ja so, daß zur Zeit im Bundesgebiet im Durchschnitt nur 35 bis 40 % der erzeugten Milchmenge als Trinkmilch abgesetzt werden können. Die als Werkmilch bestimmte Milch hat selbstverständlich nicht den Erfolg in finanzieller Hinsicht wie die Trinkmilch, und zwar infolge des bekannten ungleichen Preisverhältnisses zwischen Butter und Margarine, das naturgemäß dadurch entstehen muß, daß die Rohstoffe für die Margarine weit billiger zu stehen kommen als das Urprodukt Milch für die Butter.
Nun ist es ja so, daß schließlich intensiv bewirtschaftete landwirtschaftliche Betriebe, die allein auf Milchwirtschaft eingestellt sind, und auch gemischte Betriebe in die Gefahr geraten, in die extensive Wirtschaftsform gedrängt zu werden. Man weiß aber auch aus Erfahrung, daß es mehrerer Jahre bedarf, bis diese Betriebe dann wieder in die intensive Wirtschaftsform überführt werden können.
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Wir alle wissen, daß die einheimische Erzeugung die sicherste Ernährungsgrundlage auch in Notzeiten darstellt. Ich glaube, wir haben das besonders in den letzten Jahren am eigenen Leib verspüren müssen.
Herr Kollege Kriedemann hat von dem Milchabsatz in den Städten, in den Verbrauchszentren gesprochen. Er hat unter anderem auch darauf verwiesen, daß hierbei eine gewisse Lockerung stattfinden müsse. Ich bin selbst demokratisch durch und durch, und es soll auch eine gesunde Konkurrenz gerade auf diesem Sektor bestehen; aber eins ist notwendig: die Ordnung, die aus bestimmten Gründen auf diesem Gebiet aufgebaut worden ist, muß erhalten bleiben. Wir können es uns natürlich nicht leisten, daß, wie früher möglich war, die Milch - dafür sorgen schon die städtischen Gesundheitsämter, die staatlichen Gesundheitsbehörden - unüberwacht in den Verkehr kommt.
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- Ich habe Sie nicht verstanden, Herr Kriedemann. - Es ist so, daß auf diesem Gebiet für den
Trinkmilchabsatz auch werbungsmäßig etwas geschehen muß, und zwar mehr als bisher. Wir können uns ein Beispiel nehmen an der Werbung für
Coca-Cola oder dergleichen. Wir hätten es gar
nicht so nötig, darauf hinzuweisen, welche Vorzüge
({2})
die Milch hat. Ich möchte aber hier gewissen Journalisten etwas auf die Zehen treten
({3})
- ja, ja, es ist so! -, und zwar deswegen, weil immer wieder darauf verwiesen wird, wieviel Bakterien, menschentötende Bakterien usw. sich in der Milch befinden. Es wird auf die Tbc hingewiesen. Ich habe selbst ein Beispiel erlebt. Ich hatte im ersten Weltkrieg eine schwere Gasvergiftung und kam schwerkrank nach Hause. Ich habe einen oder zwei Monate lang nichts anderes als kuhwarme Milch genießen können, und die stand ja zur Verfügung. Ich wurde auf diese Weise wiederhergestellt und habe meine Gesundheit wiedererlangt.
({4})
Gerade Milch ist, wie wir schon gehört haben, das billigste, das gesündeste und das beste Nahrungsmittel in jeder Form. Ich möchte, daß gerade die städtischen Verbraucher immer wieder in die Betriebe geführt werden, nicht bloß in die neuzeitlichen Molkereibetriebe, wo man ihnen vor Augen führen kann, wie dieses Produkt mit allen Neuerungen hergerichtet wird, sondern vor allem auch in die Erzeugerbetriebe.
Selbstverständlich müssen die Preise auch dem angepaßt sein, so daß hierdurch die Möglichkeit besteht, weiter Milch in bester Qualität zu produzieren, nicht bloß mit föderativen Maßnahmen in Wort und Schrift für den Absatz von Milch zu werben, sondern auch dadurch zu werben, daß den Verbrauchern immer wieder vor Augen geführt wird, auf welche Weise die Milch gewonnen wird und daß man dieses kostbare Nahrungsmittel wirklich mit Appetit genießen kann.
Ich möchte auch darauf verweisen, daß gerade die Behörden, unter anderem auch die Bundesbahn, es ermöglichen könnten, sich auf diesem Gebiet Verdienste dadurch zu erwerben, daß man auf den großen und auch auf den kleinen Bahnhöfen Milchbars einrichtet, die zur Einkehr einladen. Ich glaube, wenn alle diese Momente zusammengefaßt werden und wenn immer wieder darauf verwiesen wird, was dem Menschen eigentlich am ehesten zu Nutz und Frommen gerade in der Ernährung ist, dann kann auch der Erfolg nicht ausbleiben.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits bei früheren Agrardebatten haben wir zu wiederholten Malen auf die überragende Bedeutung der Milchwirtschaft für die gesamte deutsche Landwirtschaft hingewiesen. Auch im Ernährungsausschuß ist dieses Thema immer und immer wieder angeschnitten worden, wie Herr Kollege Kriedemann bereits zum Ausdruck gebracht hat. Mit der Rentabilität der Milchwirtschaft steht und fällt unsere gesamte Landwirtschaft in der Westzone. Volkswirtschaftlich gesehen nimmt die Milchwirtschaft deswegen eine so überragende Stellung ein, weil allein der Verkaufserlös der deutschen Milchwirtschaft mit 3 Milliarden DM im Jahre annähernd denselben Wert wie die gesamte Steinkohlenförderung erreicht, die etwa den Betrag von 3,6 Milliarden DM ausmacht.
Ich sagte vorhin schon: die Eigenart unserer klein- und mittelbäuerlichen Betriebe mit der vorherrschenden Veredelungswirtschaft steht und fällt mit einer ausgedehnten, aber auch finanziell sich günstig auswirkenden Milchwirtschaft. Gleichzeitig ist unsere Milchwirtschaft aber auch die wichtigste Fettquelle, die wir überhaupt haben. 60 % des gesamten Fettbedarfs führen wir heute noch aus dem Ausland ein, gegenüber 40 % vor dem Kriege. Wir haben - auch von unserem Standpunkt aus - nichts gegen die Einfuhr von Margarinerohstoffen, gegen die Einfuhr von Plattenfetten und von Ölen schlechthin. Wir wissen nur zu gut, daß allein über die Butter und über die Milch der Fettbedarf des deutschen Volkes nicht gesichert werden kann. Wogegen wir uns aber in der Vergangenheit sehr stark haben wehren müssen und wogegen wir uns auch in Zukunft immer wieder werden wehren müssen, das ist die einseitige Bevorzugung - auch in finanzieller Hinsicht - der Einfuhren von Rohstoffen für die Margarineindustrie, während man auf der andern Seite seitens des Staates bisher nicht gewillt war, auch nur irgendeinen nennenswerten Betrag zur Förderung der Milchwirtschaft, ja nicht einmal einen nennenswerten Betrag für die notwendige Einlagerung der anfallenden Butter auszugeben.
Wir sind der Überzeugung, daß der Milchverbrauch in Deutschland noch erheblich gesteigert werden kann. Der Herr Minister hat in seinen Ausführungen dargelegt, daß die benachbarten Staaten das Zweifache, zum Teil das Dreifache des Trinkmilchverbrauchs haben wie wir in den Westzonen. Er hat darauf hingewiesen, daß seitens des Ministeriums Maßnahmen ergriffen werden sollen, um in Zukunft die Qualität der Milch zu steigern. Wir sind uns darüber klar, daß mit der bicherigen Trinkmilch mit einem Fettgehalt von 2,8-Prozent - einer Trinkmilch, die man so gern mit „blauem Heinrich" bezeichnet - keineswegs eine Milchwerbung betrieben werden kann. Die Landwirtschaft ist auch bereit, nach dieser Richtung hin eine Qualitätsverbesserung durchzuführen; ja sie ist sogar bereit, bei einer Erhöhung des Fettgehalts auf 3 % auf die ihr zusätzlich zustehenden Einnahmequellen zu verzichten. Aber, meine Damen und Herren, das darf nicht die einzige Maßnahme in dieser Beziehung sein. Wir werden auch über die dreiprozentige Milch hinausgehen und werden uns das Endziel setzen müssen, die Trinkmilch weitestgehend als Flaschenmilch in den letzten Haushalt hineinzubringen.
Ich bin auch mit Herrn Kollegen Kriedemann der Auffassung, daß man nicht ganz stur an der bisherigen Fassung des Milch- und Fettgesetzes festhalten sollte. Es muß zwar auf diesen Gebieten eine Ordnung sein; aber dabei sollte auch 'der Bauer eine größere Freizügigkeit bei der Auswahl der Molkereien haben. Dasselbe Recht sollte gleichzeitig auch der Hausfrau bei der Auswahl des Milchhändlers zugestanden werden. Wir sind jetzt im Ernährungsausschuß dabei, Wege zu suchen, die diesen berechtigten Forderungen entsprechen sollen.
Der Herr Minister hat in seinen Ausführungen bemängelt, daß der Ernährungsausschuß den § 20 gestrichen hat. Ja, weswegen haben wir den § 20 gestrichen? Nicht etwa deswegen, weil wir der Meinung sind, daß dieser § 20 überflüssig sei, sondern aus der ganz nüchternen Erkenntnis heraus, daß in der Vergangenheit dieser § 20 in vielen Fällen mißbraucht worden ist
({0})
und weil wir nicht die Gewißheit haben, daß das
Geld, das ja letzten Endes nur von der Landwirt
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schaft aufgebracht worden ist, in die Kanäle fließt, in die wir diese Mittel gern hineingeschleust haben möchten.
Wir sind auch weiter der Meinung, daß nicht nur die Landwirtschaft allein verpflichtet ist, etwas zur Verbesserung der Milchqualität zu tun. Wenn schon die Landwirtschaft in § 20 verpflichtet wird, ganz namhafte Beträge - und zwar nahezu 0,5 Pfennig je Kilogramm Milch - aufzubringen, dann soll der Staat keineswegs davon befreit werden, seinerseits ebenfalls namhafte Beträge aufzuwenden. Der Herr Minister hat uns hier einen Betrag genannt, der bisher zur Verbesserung der Milchqualität und für die Werbung ausgegeben worden ist. Das wollen wir dankbar anerkennen. Er hat zum Schluß jedoch zum Ausdruck gebracht, daß es unwahrscheinlich sei, ob für die Zukunft derartige Mittel überhaupt bereitgestellt werden könnten. Ja, meine Damen und Herren, für eine derartige Auffassung haben wir kein Verständnis. Wenn man nicht bereit ist, für das billigste und zugleich wichtigste Nahrungsmittel von Staats wegen wesentlich mehr zu tun, als es bisher der Fall gewesen ist, dann soll man sich nicht darüber beschweren, wenn die Ausgabe von Devisen, die für die Einfuhr von Nahrungsmitteln notwendig sind, in Zukunft noch mehr ansteigen wird.
Wir müssen uns auch dagegen verwahren, daß - wie es leider in der Vergangenheit geschehen ist - eine Bevorratung von Butter deswegen nicht durchgeführt werden kann, weil der Bundesfinanzminister nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung stellt oder weil die Bank deutscher Länder nicht bereit ist, die Gelder in dem Augenblick zur Verfügung zu stellen, in dem sie dringend notwendig sind, um einen vorübergehenden Überhang von Butter vom Markt wegzubringen, - nicht etwa, um hier eine Preisstützung zugunsten der Landwirtschaft durchzuführen, sondern um eine genügende Fettversorgung des deutschen Volkes für die Monate zu sichern, in denen wir aus eigener Erzeugung nicht genügend Fett haben. Ich bin daher der Meinung, daß hier eine Agrarpolitik - wie überhaupt in der Agrarpolitik - getrieben werden muß und daß sie nicht von drei oder vier Seiten betrieben werden kann. In der Agrarpolitik kann nur einer bestimmen, hier kann nur einer führend sein. Für alle anderen Gebiete geben wir ohne weiteres zu, daß die Fachexperten das letzte Wort sprechen. Nur wenn es sich um Fragen der Nahrungsmittelversorgung des deutschen Volkes handelt - reine agrarpolitische Probleme --, dann glauben alle Stellen entsprechend mitreden zu können, dann glaubt jeder unbedingt das letzte Wort haben zu müssen.
Ich möchte abschließend zum Ausdruck bringen - das haben die bisherigen Erfahrungen im Ernährungsausschuß ganz klar gezeigt -, daß wir alle der Auffassung sind, daß einmal etwas geschehen muß, um eine gewisse Ordnung durchzuführen, daß etwas geschehen muß, um die Einfuhr auf die deutsche Erzeugung abzustimmen. Wir sind aber weiter der Auffassung - und damit stimme ich, das möchte ich ausdrücklich betonen, den Ausführungen des Kollegen Kriedemann zu -, daß auf manchen Gebieten etwas Neues geschehen muß, eine gewisse Auflockerung erfolgen muß, um das Endziel zu erreichen: den Trinkmilchverbrauch des deutschen Volkes zu steigern.
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Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn von dieser Stelle zu wirtschaftspolitischen Fragen Stellung genommen wird, dann können wir zur Freude nicht nur des Hohen Hauses, sondern zur Freude des deutschen Volkes immer berichten, daß die Erzeugung in zunehmendem Maße steigt und daß damit die Leistungen des deutschen Volkes den Vorkriegsstand nicht nur erreicht, sondern ihn zum Teil überschritten haben. Die heutige Debatte ist eigentlich durch Fragen ausgelöst, die eigenartig wirken. Es ist so, als ob der deutschen Landwirtschaft die in der Milchwirtschaft innerhalb von zwei Jahren um 100 O/o gesteigerte Leistung zum Verhängnis werden sollte. Tatsächlich ist sie im vergangenen Jahr der deutschen Landwirtschaft zum Verhängnis geworden, weil neben dieser Eigenerzeugung Einfuhren - nicht etwa in Form von Milch, sondern von Milchprodukten - erfolgen mußten, die über das Maß des Absetzbaren hinausgingen. Hier zeigen sich auch die Verquickungen, die der Fragesteller bei seiner Begründung erwähnt hat. Es scheint mir deshalb notwendig zu sein, immer wieder darauf hinzuweisen, daß es sich hier darum handelt, die Interessen einer aufwärtssteigenden Landwirtschaft in Deutschland mit den Exportwünschen der Industrie zu verbinden.
Wir müssen, wenn wir von der Leistungssteigerung sprechen, auch einmal daran erinnern, daß in den nahezu 13/4 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben, die sich mit der Milchwirtschaft befassen, die Landarbeiter- oder Bauersfrau tagtäglich, schon bevor der nach sozialen Grundsätzen festgelegte Achtstundentag beginnt, und abends, wenn der heute von allen Völkern anerkannte Achtstundentag längst beendet ist, an die Arbeitsstätte geht. Dieser Arbeitsvorgang wiederholt sich täglich, einerlei ob Werktag oder Feiertag ist, und er wiederholt sich, einerlei ob gutes oder schlechtes Wetter ist. Mir scheint es deshalb falsch, bei Behandlung dieses Problems allein nüchterne Geldrechnungen aufzumachen. Es handelt sich gleichzeitig um ein soziales Problem. Ich bedaure es sehr, daß es bis heute keine Fraktion fertiggebracht hat, eine Sprecherin dieser Landarbeiter- oder Bauersfrauen hierherzubringen. Woher kommt das? Die Antwort ist nicht schwer zu finden. Die deutsche Landwirtschaft hat es ja auch bis zur Stunde, wie zugegeben werden muß, nicht verstanden, die nötige Reklame für ihre Produkte zu machen. Ebenso haben wir es auch nicht verstanden, dafür zu sorgen, daß wir unbekümmert um die sich täglich wiederholende Arbeit diese Frauen auch in das Parlament bringen, damit hier mit dem nötigen Verständnis an die Behandlung solcher Fragen herangegangen wird.
Ich bin weiter der Meinung, daß die Zahlen, die der Herr Kollege Kriedemann hier angegeben hat, falsch sind. Es stimmt nicht, daß etwa 25 Millionen DM für die Absatzwerbung zur Verfügung gestellt worden sind, sondern die Mittel für die Absatzwerbung machen nur einen bescheidenen Teil dieses Betrages aus. Diese Beträge sind von der deutschen Landwirtschaft eingesetzt worden, um die Produktionsbedingungen zu verbessern, die Arbeit zu erleichtern und die Qualität zu verbessern.
Die Zeiten, daß in Deutschland die Milch nur nach Menge bezahlt wird, sind längst vorbei. Nebenbei sei bemerkt, daß auch nicht nur nach dem Fettgehalt bezahlt wird, sondern - hierfür wird die vom Herrn Bundesfinanzminister angekündigte
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Bundesgüteverordnung die Voraussetzung schaffen - daß generell im Bundesgebiet auch nach Güte und nach Qualität bezahlt wird. Es ist selbstverständlich, daß diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen, wenn der Absatz von Trinkmilch in dem von uns für nötig gehaltenen Ausmaß gesteigert werden soll. Es darf aber nicht verschwiegen werden, daß in vielen Ländern diese Dinge heute schon Tatsachen sind.
In einem Punkt, Herr Kollege Kriedemann, stimme ich Ihnen zu. Wir müssen bei der Beratung des Gesetzes überall da, wo in dieser Hinsicht gewisse Hemmungen vorhanden sind, dafür sorgen, daß die Frau, wenn sie es wünscht, die Milch frei Haus bekommt; selbstverständlich kostet sie dann mehr. Wir müssen die Voraussetzungen für die Sicherstellung des ambulanten Handels in Streusiedlungen, in Stadtrandsiedlungen, wie sie heute zur Auflockerung der Städte neu entstehen, schaffen. Wir können also die Novelle nicht etwa stur behandeln, als ob alles genau so bleiben müsse wie bisher. Eines muß ich dabei allerdings einschränkend sagen. Man darf die Verhältnisse in Deutschland nicht ohne weiteres mit denen in anderen Ländern vergleichen. Wenn sich in Deutschland der Milchhandel als Zwischenstufe zwischen Erzeuger und Verbraucher herausgebildet hat - im Gegensatz, meinetwegen, zu den Vereinigten Staaten, wo es ihn nicht gibt -, dann können wir uns nicht etwa dazu hergeben, einfach über eine solche Entwicklung hinwegzugehen. Wir müssen den Milchhändler, der den Dienst am Kunden richtig auslegt, auch weiterhin in Schutz nehmen. Genau so bin ich aber mit Ihnen der Ansicht, daß dort, wo diese Voraussetzungen nicht gegeben sind, die entsprechenden Beschlüsse gefaßt und in der Novelle zum Ausdruck gebracht werden müssen, damit einem Übelstand abgeholfen wird.
Ich darf nun, Herr Bundesminister, noch einiges zu Ihren Ausführungen am Schluß Ihrer Antwort sagen. Sie haben davon gesprochen, daß 15 Millionen DM ERP-Kredite in die deutsche Milchwirtschaft geflossen sind. Wenn ich die wirtschaftliche Bedeutung der Milchwirtschaft etwa mit der des Kohlenbergbaus vergleiche, so ist dieser Vergleich ganz interessant. Die deutsche Milchwirtschaft kommt dann nicht etwa erst hinterher, sondern hat zumindest den gleichen Umfang. Schon mit Rücksicht auf einen solchen Vergleich möchte ich den Schluß ziehen, daß die bisher gegebenen ERP-Kredite keineswegs ausreichen, um die deutsche Milchwirtschaft auf den Stand zu bringen, den sie in umliegenden Ländern oder in Übersee hat. Die deutsche Milchwirtschaft muß darauf bestehen, daß ihr die entsprechenden Kredite zum entsprechenden Zinssatz zur Verfügung stehen, genau so wie der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft.
Ich bin weiter der Meinung, daß wir in Verhandlungen mit dem Herrn Bundesfinanzminister in gewissen Fragen weiterkommen müssen. Ich denke hier an die Steuerbegünstigung. Nach meinem Dafürhalten muß jegliche Schulmilchspeisung steuerfrei sein, damit wir dieses wertvolle Nahrungsmittel in die Schulen hineinbringen. Es muß möglich sein, daß neben den Ländern und Gemeinden, die sich erfreulicherweise für diese Dinge schon interessieren und finanzielle Beiträge leisten, auch der Bund hierfür Mittel zur Verfügung stellt, damit die Milch in die Schulen, Universitäten usw. zum richtigen Preis kommt. Hier sind verlorene Zuschüsse durchaus zu verantworten.
In diesem Punkte möchte ich besonders auch die Linke des Hauses ansprechen. Herr Kollege Kriedemann, ich weise auf den § 15 des Milchgesetzes hin, bei dem wir im Ausschuß die Einbeziehung der Margarinerohstoffe in die Einfuhrschleuse beschlossen haben. Ich bin mir darüber im klaren, daß hier noch alles mögliche in Bewegung gesetzt wird, um diesen Beschluß zunichte zu machen. Aber eins darf nicht verschwiegen werden: als im vergangenen Jahr die Preise für die Margarinerohstoffe am Weltmarkt - und unsere Margarine-Industrie ist zu über 90 % von der Einfuhr dieser
Rohstoffe abhängig - eine gewisse Höhe überschritten,war der Herr Finanzminister in der Lage,
täglich annähernd 1 Million DM an Subventionen in die Margarinefabrikation hineinzustecken.
({1})
Zur Zeit sind nun die Weltmarktpreise für die Margarinerohstoffe einmal sehr verlockend. Nun stelle ich die Frage: Ist die Bundesregierung bereit, jetzt nicht etwa die gleichen Beträge, sondern die unumgänglich notwendigen Beträge zur Verfügung zu stellen, um die Erhaltung der annähernd
2 Millionen bäuerlichen Familienexistenzen zu garantieren?
({2})
Die Umlage wurde angesprochen. Was ist die Umlage? Sie ist ein Abzug von Geld unter dem Strich, welches der Bauer zahlt. Herr Bundesminister, ich halte es nicht für richtig, daß Sie mit diesem den Bauern abgezogenen Geld in Frankfurt einen Verein zur Förderung der Milchwirtschaft unterhalten. Dieser Verein muß aus Bundesmitteln bezahlt werden!
({3})
Diese bescheidenen Beträge dürfen beim Bundeshaushalt absolut keine Rolle spielen. Ich bin der Auffassung, die Beträge, die dem deutschen Bauern von seinem Geld abgezogen werden, soll man ihm auch selbst überlassen, damit er sie nach eigenen Vorstellungen und Beschlüssen wieder einsetzt.
({4})
Die Buttereinlagerung ist zu einem Politikum ersten Ranges gemacht worden. Dabei hat sie im Rahmen unserer Marktordnungsgesetze lediglich den Zweck, die Versorgung sicherzustellen und zu verhindern, daß die Preise so wie am Weltmarkt auf und ab schwanken.
({5})
- Herr Kollege Greve, Sie meinen, sie sollen immer hoch bleiben. Sie werden diesen Standpunkt von keinem Vertreter der deutschen Landwirtschaft jemals gehört haben. Er ist auch- von dieser Stelle nie vertreten worden. Wir haben uns nur immer dafür ausgesprochen, die Preise stabil zu halten.
({6})
Das ist etwas ganz anderes. Wenn die deutsche
Landwirtschaft beim Getreide an Höchstpreisen
von 12 und 13 DM festgehalten hat, als der Weltmarkt 20 DM brachte, wenn der Brotpreis jahrelang - auch während der Jahre, in denen die Industrie den gewaltigen Aufschwung nehmen konnte
- auf 50 und 60 % des Weltmarktpreises gehalten
worden ist und wenn dies von der Landwirtschaft
nicht nur hingenommen, sondern damals für richtig gehalten worden ist, dann müssen Sie im Interesse dieser deutschen Landwirtschaft auch in den
Zeiten, in denen es umgekehrt ist, dafür sorgen,
daß eine gewisse Stufe nicht unterschritten wird.
({7})
({8})
- Sie haben es anscheinend noch gar nicht begriffen, daß die deutsche Agrarpolitik nach anderen Gesetzen bestimmt wird.
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Ihre Fraktion hat ja doch die Marktordnungsgesetze selbst mitbeschlossen. Es scheint mir auch besser zu sein, daß man diese Dinge denen überläßt, die sich mit der Agrarpolitik zu beschäftigen haben.
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Zum Schluß möchte ich die Ausführungen des Kollegen Dannemann unterstreichen und feststellen: die auf die Marktordnungsgesetze aufgebaute Agrarpolitik wird in der Bundesrepublik nur dann den nötigen Erfolg zeitigen, wenn man sie nicht nur in einer Zeit anwendet, in der die Weltmarktpreise uns davonlaufen, sondern wenn man diese Gesetze und die in diesen Gesetzen verankerten Einfuhr- und Vorratsstellen auch in einer Zeit wirksam werden läßt, in der es einmal umgekehrt ist.
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Die sich aus diesen Gesetzen ergebende Stabilität ist nach wie vor das, was uns als Ziel einer beständigen und stetigen Agrarpolitik vorschwebt. Hoffen wir, daß man die entsprechenden Konsequenzen zieht. Hoffen wir, daß man nicht mit legalen Mitteln der Marktordnung, wie sie die Einlagerung, auch eine Buttereinlagerung, darstellt, weiterhin eine der Landwirtschaft schädliche Politik betreibt. Die Agrarpolitik hat keinen anderen Zweck, als auf der einen Seite die Quelle deutschen Bauernfleißes und deutschen Landarbeiterfleißes zu erhalten und auf der anderen Seite die Versorgung in Deutschland sicherzustellen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Tobaben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir würden zur Förderung des Milchabsatzes beitragen, wenn wir die hier gehaltenen Reden direkt durch den Rundfunk übertragen ließen. Es ist zwar in dieser Richtung von einem Verein zur Förderung des Milchabsatzes auch einiges getan worden. Wir haben vor einiger Zeit schon zum Teil und heute, glaube ich, alle so ein Paket erhalten, in dem in einer ordentlichen und teilweise sehr aufschlußreichen Weise die Bedeutung des Milchverbrauchs dargestellt wurde. Mir wäre es allerdings lieber gewesen, wenn ich diese Plakate und Zuschriften irgendwo draußen im Lande gefunden hätte. Da hat man sie leider bisher nur in ganz wenigen Ausnahmefällen einmal entdeckt. Es gibt allerdings auch Leute, die meinen, daß eine Milchwerbung in diesem Sinne überflüssig oder nicht notwendig sei oder doch keinen Erfolg verspreche. Solchen Leuten möchte man nur sagen: sie mögen sich einmal von den Fachleuten der Zigaretten-Industrie oder der Margarine-Industrie belehren lassen, die immer wieder selber erhebliche Mittel - und die Leute denken gewiß privatwirtschaftlich, kaufmännisch - zur Werbung für ihre Erzeugnisse aufbringen. Ich bin auch der Meinung, daß, wenn im vergangenen Jahr vom Bund erhebliche Mittel für die Margarine-Subvention aufgebracht und davon sicher auch entsprechende Summen zur Werbung abgezweigt worden sind, der Staat durchaus zum gleichen Zweck auch der Landwirtschaft einige Mittel auf dem Subventionsweg zur Verfügung stellen könnte.
Die Verbilligung des Milchverbrauchs für die Speisung von Schulkindern wird auch von mir und meinen Freunden begrüßt. Aber nun muß ich doch einmal ein einigermaßen deutliches Wort sagen. Die Werbung allein nützt nichts,
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die Milch muß auch zu erhalten sein!
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Meine verehrten Freunde, Coca Cola können Sie in jeder Kneipe kaufen, aber wenn irgendwo auf dem Bau oder sonstwo die Leute zusammen sind und Milch trinken wollen, können sie meist keine kriegen oder sie müssen erst den weiten Weg bis ins nächste Milchgeschäft zurücklegen, um sich dort die Milch zu besorgen. Ich bin der Meinung, daß das nicht geht. Paragraphen, die man einmal geschaffen hat, mögen ganz ordentlich sein, dürfen aber doch nicht Selbstzweck werden. Wenn sie dem Milchabsatz hindernd im Wege stehen, ist es höchste Zeit, sie zu ändern.
Von der Landwirtschaft - das ist hier bereits zum Ausdruck gebracht worden, ich brauche es daher im einzelnen nicht zu wiederholen - ist zur Förderung des Milchabsatzes Erhebliches getan worden in der Qualitätssteigerung, in der Produktionssteigerung, aber auch in der Werbung. Der Herr Minister hat darüber geklagt, daß wir in der Sitzung, in der diese Dinge behandelt worden sind, den § 20 abgelehnt haben. Nun, doch aus dem Grunde, weil auf die Frage, wieviel Geld denn nun zusammengekommen sei, in der Tat erklärt wurde, es seien etwa 20 Millionen. Es mag sein, daß der größte Teil in andere Kanäle geflossen ist. Wir haben seinerzeit gewünscht, daß mit diesen Geldern der Milchabsatz gefördert werde, nicht aber, daß damit etwa Bürostuben eingerichtet werden oder sonst etwas. Wenn wir in Zukunft wieder einmal über diese Dinge beschließen müssen, bin ich durchaus dafür, daß auch von der Landwirtschaft besondere Mittel zum Zwecke der Milchwerbung zur Verfügung gestellt werden. Aber dann wollen wir, wenn wieder einmal zwei Jahre ins Land gegangen sind, einen besseren Erfolg sehen, als es bisher der Fall ist.
Abschließend dazu möchte ich noch sagen: wenn die Herren in den Bürostuben nicht wissen, wie man so etwas macht, dann mögen sie sich einmal von tüchtigen Kaufleuten oder Werbefachleuten einige Hinweise geben lassen, damit das Geld dann so angelegt wird, daß man es gegenüber den Bauern, die es ja aufbringen sollen, auch verantworten kann!
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das angesprochene Problem hat eine gewaltige Bedeutung für Verbraucher und Erzeuger. Ein Drittel des Einkommens der westdeutschen Landwirtschaft beruht auf der Milcherzeugung. Da diese ein wesentlicher Produktionszweig der bäuerlichen Betriebe ist., ist es nur angebracht, nach Mitteln und Wegen zu suchen, um die Produktion und den Absatz der Milch zu steigern.
Herr Minister Professor Dr. Niklas hat uns nun das Geheimnis enthüllt, warum der Absatz nicht hinreichend ist. Er ist der Meinung, die Werbung sei schuld, und Herr Eichler ist gar der Meinung, die Journalisten und die Presse seien schuld. Ich könnte
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jetzt sagen: nein, die Radfahrer sind schuld. In Wirklichkeit ist es dem Herrn Minister doch so gegangen wie dem französischen General, der seinem Oberkommando gemeldet hat: Armee marschbereit, Geschütze aufgefahren. Feind nicht da! Denn weder die Werbung noch die Presse ist an dem geringen Absatz schuld.
Es wurde hier heute mit Recht gesagt, daß die Milch einen hohen Nährwert habe und das billigste Getränk sei. Aber was haben wir in Westdeutschland zu verzeichnen? 6 Millionen Menschen müssen mit einem Einkommen von unter 100 Mark leben, und 7 Millionen Menschen müssen mit einem Einkommen von unter 200 Mark leben. Es ist selbstverständlich, daß diese Menschen Blümchenkaffee und schwarz trinken müssen, da sie sich die Milch nicht kaufen können, obwohl sie für die Volksgesundheit so wichtig ist. Die Ursache des geringen Milchverbrauchs in Westdeutschland ist also die geringe Kaufkraft von Millionen Menschen. Wenn man den Milchverbrauch erhöhen will, muß man diesen Menschen ein höheres Einkommen geben.
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Der Herr Minister sagt: es sind keine Mittel vorhanden, um den Absatz zu steigern! Das ist ja altbekannt, das ist ja doch selbstverständlich, wenn man das Geld für andere Zwecke ausgibt wie z. B. für die Aufrüstung.
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Dann hat man natürlich dafür nichts zur Verfügung.
Auf der anderen Seite hat diese Politik der Bundesregierung doch dazu geführt, daß die Steuerschraube ständig schärfer angezogen wird, daß die Preise für die Produktionsmittel und Bedarf s-artikel der Bauern steigen, was sich in einem erheblichen Ansteigen der Produktionskosten der Landwirtschaft auswirkt. Darüber hinaus sind wir aber der Meinung, daß es auch notwendig ist, die Handelsspannen zu verringern, denn auch die Handelsspannen sind zu einem Teil daran schuld, daß die Dinge heute so liegen.
In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, daß es nicht der Bauer ist, der den Nutzen aus der Milchpreiserhöhung zieht. Der westdeutsche Bauer erhält für Vollmilch 25 bis 26 Pfennig. Für die Anfuhr zur Meierei wird ihm hiervon noch 1 Pfennig pro Kilo in Abzug gebracht, und für den Rindergesundheitsdienst muß er pro Kilo einen weiteren halben Pfennig abgeben. Außerdem wird ihm noch ein halber Pfennig pro Kilo für den Buttereinlagerungsfonds, der 25 Millionen DM aufbringen soll, abgezogen. Die verbleibenden 24 Pfennig liegen unter dem Herstellungspreis. Der Bauer erhält somit den Herstellerpreis von 24 Pfennig pro Kilogramm, der Konsument muß aber 38 Pfennig für das Kilogramm oder den Liter bezahlen und für Flaschenmilch sogar einen Preis von 60 bis 70 Pfennig. Die überaus hohe Handelsspanne kommt besonders bei einem Vergleich mit den dänischen Verhältnissen zum Ausdruck. In Dänemark erhält der Bauer beispielsweise pro Kilogramm Milch mit 4 % Fettgehalt 22 Oere, der Konsument zahlt dort selbst für Flaschenmilch mit 3,8 % Fettgehalt nur 33 Oere anstatt 60 bis 70 Pfennig wie hier in Westdeutschland für Milch mit einem Fettgehalt von 3 % oder neuerdings von 3,2 oder 3,4 %.
Im Interesse der Ernährung und der Landwirtschaft wenden wir uns gegen die Überschwemmung Westdeutschlands mit Milchprodukten wie Butter und Käse und fordern den notwendigen Schutz für unsere deutsche Landwirtschaft.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erwarten Sie nicht von mir, daß ich Ihnen den Vorschlag mache, einen Milchwerbefilm drehen zu lassen, oder daß ich hier eine Rede über die Einwirkungen von Radiomusik auf die Steigerung der Milchleistungen halte. Nachdem eben mein sehr verehrter Vorredner das Kunststück fertiggebracht hat, die arme Milch auch noch mit der Wiederaufrüstung in Zusammenhang zu bringen, müssen wir hier doch irgendwie einmal nüchtern und ganz sachlich vom Standpunkt der Milchverbraucher zu dem Problem etwas sagen.
Ich will meinen verehrten Freunden von der Landwirtschaft keineswegs bestreiten, daß auch die Städter, vor alien Dingen diejenigen, die ein gutes Glas Wein oder auch einen Steinhäger lieben, ein sehr starkes Interesse daran haben können, am Abend nach einem solchen Genuß ein gutes Glas Milch zu sich zu nehmen, dieweil dies die beste Medizin ist. Aber das ist nicht das Entscheidende, sondern etwas ganz anderes. Wenn wir uns in anderen Ländern einmal umsehen und dort feststellen können, daß man z. B. in den Vereinigten Staaten, selbst in dem entferntesten Bauerndorf, daß man in Dänemark, in der Schweiz und überall, wo man sich um diese Dinge seit Jahrzehnten etwas energischer als bei uns gekümmert hat, eine wirklich gute, trinkbare Milch und keinen „blauen Heinrich" vorgesetzt bekommt, dann sagen wir uns doch, daß da in Deutschland bis jetzt etwas nicht richtig gelaufen ist.
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Was wir bei uns brauchen, ist eine gute, hygienisch verpackte Milch, in der gleichen Qualität, mit der gleichen Temperatur an allen Orten Deutschlands unter demselben Gütezeichen geboten. Ich glaube, der Zustand in diesem Hause ist doch ein schlagender Beweis dafür, daß die Dinge bis jetzt nicht richtig gelaufen sind. Versuchen Sie doch, in unserem Bundeshauslokal einmal ein gutes Glas Milch zu bekommen: Sie werden vielleicht nach einigem Zögern und mit einiger Nachsicht des wohlwollenden Kellners dazu gelangen, daß er Ihnen etwas hinstellt, was ein Fachmann nur entfernt als Milch bezeichnen kann.
Die Dinge bedürfen keiner großen Reklamewerbung allein, sondern sie bedürfen einer konzentrischen Anstrengung von Regierung und Molkereigenossenschaften zusammen. Denn das, worauf wir draußen bei unseren Freunden und den Bauern immer wieder stoßen, ist folgendes: Es gibt heute eine Kluft zwischen dem Erzeuger und den Molkereigenossenschaften; die kann nicht geleugnet werden. Die Molkereigenossenschaften haben vielleicht in der Sicherheit ihrer staatlich gehegten Domäne etwas versäumt: nämlich sich rechtzeitig industriell umzustellen und dafür zu sorgen, daß in Deutschland nach einheitlichen Gesichtspunkten - ich möchte einmal sagen: auf rein industrieller Basis - überall ein gleichmäßig gutes Milchprodukt geboten wird. Darüber nachzudenken, wie das Versäumte nachgeholt und dem Schaden ab({1})
geholfen werden kann, das ist, glaube ich, die vornehmste Aufgabe, die wir uns hier zu stellen haben.
Wenn diese Debatte uns dabei einen Schritt weiterbringt - an Stelle von Deklamationen und anderen Dingen -, dann war sie nicht ohne Nutzen.
({2})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zwei der Herren Vorredner haben auf die Notwendigkeit hingewiesen, auch in Zukunft die Speisung von Schulkindern mit Milch vom Bund her zu fördern. Ich möchte darauf hinweisen, daß diese Förderung bis vor kurzem stattgefunden hat und daß aus Mitteln des Bundes bisher etwa 10 Millionen DM für solche Zwecke verwendet worden sind. Seit einiger Zeit aber hat das Bundesministerium des Innern die Auszahlung der Mittel für die Förderung der Schulspeisung mit Milch eingestellt.
({0})
Ich will hier nicht erörtern, welches die Gründe waren, die das Bundesministerium des Innern zu diesem Schritt veranlaßt haben.
({1}) Zweifellos hat es Gründe dafür gehabt, sich so zu verhalten. Aber die Klärung dieser Frage werden wir an anderem Ort vornehmen.
Ich möchte jedoch die Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, meine Meinung zu der Frage kundzutun. Ich bin der Auffassung, wir sollten auf alle Fälle dafür sorgen, daß diese Kinderspeisung mit Milch nicht eingestellt, sondern fortgesetzt wird, nicht nur im Interesse der Kinder, die diese Speisung auch heute noch bitter nötig haben - es gibt heute noch viele arme Kinder, die eine solche Speisung sehr, sehr wohl brauchen können -,
({2})
sondern auch im Interesse der Bauern, deren Vertreter heute für den Milchkonsum plädiert haben. Wenn man nämlich die Kinder auch noch in der Schule dazu anhält, Milch zu trinken, dann werden sie auch später Milch trinken.
({3})
- Das ist doch eine Binsenwahrheit!
({4})
- Na ja, Herr Kollege Greve, Sie sind vielleicht von dem Gebrauch abgekommen.
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Sie haben sicherlich in Ihrer Jugend auch Milch getrunken, und wenn Sie es jetzt nicht mehr tun, dann ist das bedauerlich.
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Was ein Häkchen werden will, das krümmt sich beizeiten!
({7}) Jedenfalls werden die Kinder, wenn sie schon in der Jugend und noch in der Schule Milch trinken, auch später eher geneigt sein, das zu tun, als wenn sie in der Jugend keine Milch getrunken haben.
({8})
- Man kann natürlich darüber streiten; die Meinungen darüber gehen auseinander. Es wäre jedenfalls falsch, wenn nicht versucht würde, durch die Schulspeisung auch erzieherisch auf die Kinder
im Sinne des Milchkonsums einzuwirken. Keinesfalls aber kann man darüber streiten, daß es gut und nützlich ist, wenn diese Kinderspeisung fort-gesetz wird.
Wir werden demnächst bei der Beratung des Einzelplans XXVII - Soziale Kriegsfolgelasten - Gelegenheit haben, auch im Plenum über diese Frage zu debattieren. Ich möchte Sie jetzt schon bitten, meine Damen und Herren, daß Sie unsere Bemühungen unterstützen, dafür zu sorgen, daß die Kinderspeisung nicht eingestellt, sondern fortgesetzt wird und daß der Bund auch in Zukunft dieselben Mittel wie bisher für Kinderspeisung auswirft.
({9})
Herr Abgeordneter Kriedemann wünscht noch einmal das Wort.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist nun einmal ein sehr wichtiges Problem. Deswegen muß man uns schon gestatten, daß wir es ausdiskutieren oder wenigstens versuchen, es auszudiskutieren. Es hat keinen Sinn, wenn man einen solchen Antrag hier nur mal erörtert und es dann dabei bleibt. Ich hätte gern gehört, daß jemand von der Regierung oder ein Sachverständiger aus den Reihen der Regierungsparteien einmal die Zusammenhänge zwischen unserer Landwirtschaft, unserer Ernährungswirtschaft und unserer Gesamtwirtschaft einschließlich der Außenwirtschaft auseinandergesetzt hätte. Die dauernden Darstellungen, die darauf hinauslaufen, daß unsere Einfuhren an Lebensmitteln sozusagen leichtfertig und ohne Rücksicht auf die Interessen der Landwirtschaft gemacht werden, sind zwar durchaus geeignet, draußen eine gewisse Begeisterung, nicht für die Regierung, sondern für diejenigen, die diese Argumente verwenden, hervorzurufen. Aber sie führen uns nicht zu einer Lösung des Problems und nicht zum Erkennen der Dinge, die nun wirklich einmal angepackt werden müssen. Ich hätte auch gern gehört, daß jemand, vielleicht der Herr Bundesminister für Ernährung selber, die Versorgungspolitik verteidigt hätte, die hier als eine einseitige Bevorzugung der Einfuhr von Margarine und Margarinerohstoffen angegriffen worden ist.
Wenn wir uns mit dem Buttereinlagerungsproblem auseinandersetzen - nicht heute und nicht hier, aber ganz bestimmt noch sehr gründlich auseinandersetzen -, dann nicht, um auf irgendeinem, nicht gerade sehr angenehmen Thema herumzureiten, sondern um an diesem sehr praktischen Beispiel mit allem Nachdruck zu demonstrieren, daß jeder Versuch, .das Milchproblem über die Butter zu lösen, eben von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.
({0})
Ich bin überzeugt, erst wenn das auf allen Seiten erkannt ist, wird man sich wirklich ernsthaft daranmachen, einen Ausweg, den einzigen Ausweg, nämlich den über die Steigerung des Trinkmilchverbrauchs zu suchen. Nur wenn man diese Zwangslage begreift und nicht immer wieder versucht, irgendwo rechts oder links rauszurutschen, wird man zum Schluß auch die heißen Eisen anpacken, auf die ich vorhin hingewiesen habe.
Es ist nun einmal so, daß wir zu dem Preis, zu dem der deutsche Bauer seine Milch verkaufen
({1})
muß, und zu dem Preis, der sich daraus für die Butter ergibt, den Fettbedarf einer sehr großen Mehrheit unserer Bevölkerung nicht decken können. Es hat ja schließlich keinen Sinn, nur den Margarineverbrauch einzuschränken, da die Leute dadurch noch nicht in die Lage versetzt werden, nun mehr Butter. zu verbrauchen. Es würde außerdem sehr wenig zum besseren Verständnis für die Probleme der Landwirtschaft beitragen, wenn man in dieser Richtung versuchte, die Verbraucher für einen Minderkonsum an Butter zu bestrafen, für den sie wirklich nichts können. Ich finde, es ist auch nicht eine völlig zutreffende Darstellung, wenn gesagt wird: „Da hat man in den vergangenen Jahren pro Tag 1 Million an Subventionen für die Margarine herausgeworfen!" Kein Mensch, nicht einmal der Herr Bundesfinanzminister, hat die Subventionen für die Margarine herausgeworfen. Diese Mittel sind aufgewendet worden, um einen Margarinepreis zu halten, von dem angenommen werden konnte, daß er der Kaufkraft angepaßt war.
({2})
Und aus öffentlichen Mitteln etwas für die Fettversorgung derjenigen Schichten zu tun, die nun einmal auf Margarine angewiesen sind, das kann nicht einmal der Bundesregierung angekreidet werden, vor allen Dingen nicht aus Ihren eigenen Reihen.
({3})
- Auf einmal sind es die Reklamekosten. Ich bin gern bereit, mit Ihnen und mit allen Ihren Freunden einmal über den Zusammenhang zwischen Reklameaufwand und Preis zu reden. Wir werden vielleicht bei der Behandlung des Kartellgesetzes usw. auch darüber einiges sagen können.
Wir haben hier eine Debatte erlebt, die beweist, wie sehr das Milch-Bewußtsein mindestens in diesem Hause wach geworden ist.
({4})
Vielleicht ist das auf den starken Gebrauch der aufgefetteten Milch zurückzuführen, die hier im Hause verkauft wird, wenn auch nicht im Restaurant. Da habe ich wahrhaftig auch schon Milch bekommen oder etwas bekommen, was man Milch genannt hat und was sich dann bei energischem Befragen des Geschäftsführers als mit Wasser verdünnte Kondensmilch herausgestellt hat. Auf die Milchbar in diesem Hause hat auch noch niemand hingewiesen. Ich möchte es immerhin am Rande tun, weil es nämlich ein Zeichen dafür ist, welche Möglichkeiten der Absatzsteigerung durchaus gegeben sind und auf welch geradezu fahrlässige Weise man an der Ausschöpfung dieser Möglichkeiten vorbeigeht. Denn was wir da erleben - ich sage das auf die Gefahr hin, daß ich jetzt da nicht mehr hinkommen darf -, ist wohl wirklich nicht etwas, auf das wir hier in unserem eigenen Hause sehr stolz sein können. Ich bin nur froh, daß ich dafür nicht die Verantwortung tragen muß.
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- Ja, das weiß ich. Deswegen fahre ich ja so gern nach Bayern, obwohl die Milch, die ich mir da am liebsten kaufe, nicht einmal aus der Molkerei, sondern so direkt aus den Händen der Sennerin kommt, die da nicht nur auf dem Plakat abgebildet ist, aber dafür auch so ganz nett ist.
Wir haben heute eine Reihe von Äußerungen gehört, die mir geradezu Mut machen. Hier ist von verschiedenen Seiten gesagt worden, daß an der bisherigen Ordnung so stur nicht festgehalten werden kann, daß man auch hier eine größere Auflockerung durchsetzen will. Das hat mir Mut gemacht. Wir werden im Ausschuß alle unsere Anträge wiederholen und hoffen sehr, daß sie nun im Lichte dieser Debatte mindestens eine günstigere Aufnahme finden werden, sowohl die Anträge, mit denen wir den Bauern eine größere Freiheit geben wollen, seine Milch bei der Molkerei zu verwerten, die ihm à conto ihrer besseren Leistungen einen besseren Preis zahlt, wie auch die Anträge, mit denen wir dem Milchhandel helfen wollen, seine Kunden bestens zu beliefern, also auch auf Qualität zu achten, wie ferner die Anträge, mit denen wir den Milchabsatz im allgemeinen fördern wollen, z. B. den Antrag, daß man wenigstens die Flaschenmilch von allen Verkehrsbeschränkungen ausnehmen soll. Ich hoffe sehr, daß das, was wir heute an Anerkennungen gewisser Notwendigkeiten gehört haben, so lange vorhält, bis unsere Anträge dann von Ihnen angenommen werden.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Leonhard.
Meine Damen und Herren! Von dieser Stelle aus wurde heute sehr viel darüber geredet, daß man die Milch verbessern müsse. Für diese Sache möchte ich mich keinesfalls einsetzen. Aber ich möchte mit allem Nachdruck darum bitten, daß die Milch nicht verschlechtert wird, wie das heute bei unseren Milchgenossenschaften üblich ist.
({0})
Leider ist es heute so, daß der Milch ein großer Teil des Fettes entzogen wird. Mit den Keimen gehen uns leider auch sehr viel wertvolle Fettstoffe verloren. Geben Sie unseren Frauen und Kindern die Milch in einer Form, die wirklich alles enthält, was notwendig ist! Es ist hier noch sehr viel gutzumachen.
Ich möchte noch auf eines hinweisen. Man redet immer davon, daß die Milch in reinem Zustande nicht zu verbrauchen sei. Würden Sie uns die Milch in dem ursprünglichen Zustande mit dem richtigen Fettgehalt geben, dann könnten unsere Frauen im Sommer eine gute Sauermilch stehenlassen, damit der Mann am Abend dann auch einmal eine Sauermilch trinken könnte. - Es ist der Fluch der bösen Tat -- unsere Bauern haben deshalb so viel Sorge mit dem Milchabsatz -, weil unseren Frauen und Kindern die Milch oft sehr frisiert geboten wurde.
({1})
- Es ist tatsächlich so!
Halten Sie sich an ein altes Wort, das ich in einer Abwandlung benützen möchte: Was Gott zusammengefügt hat
({2})
- wenigstens soweit es die Frischmilch betrifft, Herr Minister -, soll der Mensch nicht scheiden. Geben Sie uns die Milch mit dem Fett!
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich freue mich, daß die heutige
I Debatte eine so große Einmütigkeit in diesem Hause
({0})
ergeben hat. Es ist vielleicht ganz gut, festzustellen, daß die Anregung zu dieser Großen Anfrage nicht von der Landwirtschaft, sondern gerade von den Normalverbrauchern ausgegangen ist.
Der Herr Bundesernährungsminister hat sich die Debatte mit großer Geduld angehört. Ich habe noch die Bitte, daß er ein ernstes Wort mit dem Herrn Verkehrsminister und mit dem Herrn Finanzminister spricht. Ich glaube, es ist eindeutig festgestellt worden, daß gerade bei der Bundesbahn, auf den Bahnhöfen und in den Speisewagen und auf den Autobahnen, Erhebliches für den vermehrten Milchabsatz getan werden könnte.
Mit dem Herrn Finanzminister muß auch einmal ein ernstes Wort gesprochen werden. Wir wissen, daß es ihm sehr schwerfällt, Mittel aus der Hand zu geben. Hier ist von den neuen Ideen gesprochen worden, mit denen die Milchwerbung betrieben werden muß. Vollkommen richtig! Aber diese neuen Ideen erfordern zu einem großen Teil eben auch neue Gelder, und da muß er auch einmal in seinen Geldbeutel greifen. Ich bin überzeugt, daß sich die Mittel sehr rentieren und ihre günstigen Auswirkungen auf die Zahlungs- und die Devisenbilanz haben werde.
Vor allem noch ein Wort, auch an den Herrn Finanzminister gerichtet, wegen der Milchmischgetränke! Wir haben - gerade auch hier im Bundeshaus an der Milchbar - die Erfahrung gemacht, daß sich diese Milchmischgetränke größter Beliebtheit erfreuen. Es ist nicht einzusehen, daß ein halber Liter Milch, wenn ihm noch eine zerquetschte Zitrone oder Apfelsine zugesetzt wird, auf einmal mit 15 °/o Getränkesteuer belegt werden soll. Hier sind also auch noch einige Maßnahmen zu treffen, die sicherlich ohne große Schwierigkeiten getroffen werden können. Ich würde mich freuen, wenn diese Maßnahmen recht bald getroffen würden, damit die Milch, die wir heute hier so eingehend besprochen haben, nicht sauer wird!
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Anträge sind nicht gestellt. Ich schließe die Besprechung zu dieser Großen Anfrage.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({0}) zu dem Entwurf eines Gesetzes über das landwirtschaftliche Pachtwesen ({1}) ({2}).
Berichterstatter ist der Abgeordnete Dr. Greve.
Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Greve ({3}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in der 203. Sitzung am 2. April 1952 das sogenannte Landpachtgesetz verabschiedet, auf dessen einzelne Bestimmungen ich hier nicht einzugehen brauche. Der Deutsche Bundesrat hat in seiner 83. Sitzung vom 25. April 1952 beschlossen, die Einberufung des Vermittlungsausschusses zu verlangen mit dem Ziele, die Streichung von § 1 Abs. 4, § 4 Abs. 2 und die Änderung von § 18 Abs. 2 in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung des Gesetzes herbeizuführen. Sinn und Inhalt des Antrags des Deutschen Bundesrats ist, eine Änderung im Hinblick auf die Zuständigkeit zur Gesetzgebung auf dem Gebiete des sogenannten Heuerlingswesens zu erreichen.
In dem Landpachtgesetz ist die Zuständigkeit des Bundes zur Regelung des Heuerlingswesens, das es im wesentlichen nur in Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen gibt, niedergelegt worden. Das Heuerlingswesen soll, dem Wunsche des Bundesrats entsprechend - da es nur von regionaler Bedeutung ist -, aus der legislatorischen Zuständigkeit des Bundes herausgenommen und den Ländern - insbesondere den betroffenen Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen - zur gesetzgeberischen Zuständigkeit überwiesen werden.
Der Vermittlungsausschuß hat beschlossen, dem Bundestag und dem Bundesrat zu empfehlen, dem Ersuchen des Bundesrats Rechnung zu tragen, und zwar in der Form, daß in Abschnitt I des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes § 1 Abs. 4 und weiter in Abschnitt I § 4 die Vorschrift des Abs. 2 gestrichen werden; die Absätze 3 und 4 sollen dementsprechend Absätze 2 und 3 werden.
Die wichtigste Bestimmung, die in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung geändert werden soll, ist die des § 18 Abs. 2. Nach der bisherigen Fassung dieses Paragraphen sollten die Länder nur bestimmen können, in welcher Form Heuerlingsverträge unter Wahrung des Zusammenhangs zwischen Arbeits- und Pachtverhältnis abzuschließen sind und welche Gegenstände in ihnen geregelt werden müssen. Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses geht dahin, diesen Abs. 2 in § 18 zu streichen und an seiner Stelle einen neuen Absatz einzufügen, der lautet:
Das Heuerlingswesen unterliegt der Landesgesetzgebung. Damit wird das erreicht, was der Bundesrat wünscht, daß nicht nur die Zuständigkeit auf dem Gebiete der Form von Heuerlingsverträgen den Ländern überlassen wird, sondern daß auf dem Gebiet des Heuerlingswesens die volle Zuständigkeit der Gesetzgebungsorgane der Länder hergestellt wird.
Ich wiederhole, der Vermittlungsausschuß empfiehlt die Änderung des Landpachtgesetzes in der in Drucksache Nr. 3395 niedergelegten Form.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Eine Aussprache findet nicht statt. - Zu einer Erklärung hat Herr Abgeordneter Dr. Glasmeyer das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie, daß ich eine kurze Erklärung verlese.
Im Auftrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und FU beantrage ich, dem Antrag des Vermittlungsausschusses zum Gesetz über das landwirtschaftliche Pachtwesen nicht zuzustimmen.
Gegen den Antrag des Vermittlungsausschusses bestehen große Bedenken, weil nach dem Antrag des Ausschusses das Wesen des Heuerlingsvertrags, d. h. die Koppelung des Arbeits- und Pachtverhältnisses Gefahr läuft, in einzelnen Ländern aufgehoben zu werden. Wir sind uns bewußt, daß alle arbeitsrechtlichen, sozialen und wohnungshygienischen Fragen von den Landtagen der einzelnen Länder geregelt werden müssen; aber das Wesen des Vertrags soll im Landpachtgesetz festgelegt werden.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung gehört. Weitere Erklärungen werden nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 3395, über den gemeinsam abzustimmen ist. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag des Vermittlungsausschusses sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist abgelehnt.
({0})
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({1}) zu dem Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln ({2}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Jaeger. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Jaeger ({3}) Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat in der 205. Sitzung vom 23. April 1952 den Entwurf eines Gesetzes über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln angenommen. Der Bundesrat hat in der 84. Sitzung vom 9. Mai dieses Jahres den Vermittlungsausschuß angerufen. Er hat hierbei den Antrag gestellt, den Sie aus der Drucksache Nr. 3396 entnehmen können. Der Vermittlungsausschuß hat in der 35. Sitzung vom 23. Mai dieses Jahres mit 14 Stimmen gegen 1 Stimme bei einer Enthaltung diesen Antrag angenommen.
Durch die Änderung, die in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Bundesregierung erfolgt ist, wird neben den bisher schon aufgeführten Vorschriften der § 2 Buchstabe a der Polizeiverordnung über die Abgabebeschränkung für weibliche Geschlechtshormone und andere Arzneimittel vom 13. März 1941 in der Fassung der Polizeiverordnung zur Abänderung der Polizeiverordnung über die Abgabebeschränkung für weibliche Geschlechtshormone und andere Arzneimittel vom 27. Februar 1942 aufgehoben. Bei den von § 2 Buchstabe a der genannten Verordnung betroffenen Stoffen und Zubereitungen sind nach Auskunft von Herrn Staatssekretär Bleek im Ausschuß bisher keine schädlichen Wirkungen festgestellt worden. Es erscheint deshalb unbedenklich, sie von der Rezeptpflicht freizustellen. Das Verbot der Herstellung, Einführung, Ankündigung und des Verkaufs antikonzeptioneller Mittel durch die Polizeiverordnung über Verfahren, Mittel und Gegenstände zur Unterbrechung und Verhütung von Schwangerschaften vom 21. Januar 1941 wird hierdurch nicht berührt. Einer Anregung, auch diese Polizeiverordnung aufzuheben, konnte aus staatsrechtlichen Gründen im Zusammenhang mit dem hier zur Beratung stehenden Gesetz seitens des Vermittlungsausschusses nicht nähergetreten werden.
Der Ausschuß empfiehlt Ihnen deshalb, seinem Antrag zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Das Wort wird nicht gewünscht.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses Drucksache Nr. 3396.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist gegen wenige Stimmen ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Mannschaftsrolle und Bordliste auf Binnenschiffen ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, daß eine mündliche Begründung durch die Regierung angesichts des Vorliegens einer schriftlichen Begründung nicht stattfindet; eine allgemeine Aussprache in der ersten und dritten Beratung auch nicht. Ich darf die erste Beratung damit als beendet ansehen.
Zur
zweiten Beratung
liegt ein Antrag der Herren Abgeordneten Rümmele Cramer. Dr. Hoffmann ({1}) und Walter vor. der sich lediglich auf die Berlin-Klausel bezieht. Ich glaube nicht, daß eine besondere Begründung erforderlich ist.
Zunächst bitte ich die Damen und Herren, die dem § 1 des Gesetzes zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Soweit sich die Abgeordneten an der Abstimmung beteiligt haben, war das die Mehrheit.
({2})
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 565. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist ein wesentlich positiveres Bild. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf 2, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die dem 2, Einleitung und Überschrift, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Eine allgemeine Aussprache der
dritten Beratung
entfällt; eine Einzelberatung angesichts des Nichtvorliegens von Änderungsanträgen ebenfalls. Ich hitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zur Aufhebung der Mannschaftsrolle und Bordliste auf Binnenschiffen in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen. sich von ihren Plätzen zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Dieses Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 5:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Notenwechsel zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Kuba vom 7. September 1951 betreffend die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern ({3}).
Es wird auf die schriftliche Begründung verwiesen. Der Ältestenrat schlägt Ihnen Verzicht auf eine Aussprache vor. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
({4})
Ich rufe auf den Punkt 6:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen über Meistbegünstigung vom 16. November 1951 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Libanon ({5}).
Hier wird ebenfalls auf die schriftliche Begründung verwiesen. Eine allgemeine Aussprache soll nach dem Vorschlag des Ältestenrats nicht stattfinden. Ich bitte, mit der Überweisung an den Ausschuß für Außenhandelsfragen einverstanden zu sein. - Das Haus ist einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf den Punkt 7:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1952 ({6}) ({7});
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses ({8}) ({9}).
({10})
Berichterstatter ist der Abgeordnete Schoettle. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine allgemeine Aussprache in der dritten Lesung von 60 Minuten Dauer vor. - Das Haus ist mit dieser Begrenzung einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter Schoettle!
Schoettle ({11}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages hat sich mit dem ihm überwiesenen Gesetzentwurf über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1952 beschäftigt. Ich habe Ihnen über die Beratungen des Ausschusses folgenden Bericht zu erstatten.
Das Gesetz ist in den Beratungen des Ausschusses in einigen Punkten verändert worden. Ein Teil der Änderungen ergibt sich einfach aus der Tatsache, daß der im Entwurf erwähnte Nachtrag für den Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 noch nicht verabschiedet ist, so daß die Bezugnahme auf diesen Nachtrag im endgültigen Text des Gesetzes geändert werden mußte. Das betrifft die §§ 1 und 2 des Gesetzes.
In § 3 hat der Ausschuß eine strikte Ermächtigung des Bundesministers der Finanzen in eine Kann-Bestimmung umgewandelt, wie überhaupt die Meinung vertreten wurde, daß in dem Gesetz zu oft von Ermächtigungen die Rede war. Das ist aber angesichts der Zweckbestimmung des Gesetzes kaum in allen Fällen zu vermeiden. In § 3 ist ferner eine Änderung insofern vorgenommen, als die Einnahmen ebenfalls einbezogen worden sind. Danach kann der Bundesfinanzminister Änderungen der Zweckbestimmungen und Erläuterungen vornehmen, wenn sich dies aus der Notwendigkeit der Anpassung an die im Rechnungsjahr 1952 bestehenden Verhältnisse als notwendig erweist. Es ist ganz klar, daß bei der Methode der Wiederholung eines Haushaltsplans im folgenden Haushaltsjahr in einer Reihe von Punkten die Zweckbestimmung des vorhergehenden Haushaltsjahrs nicht mehr zutrifft und daß deshalb in irgendeiner Weise eine Anpassung vorgenommen werden muß, ohne daß dadurch wesentliche Teile des Haushaltsplans in ihrem Charakter geändert werden. Eine solche redaktionelle Änderungsmöglichkeit ist also in § 3 vorgesehen. Der Ausschuß stützte sich dabei ausdrücklich auf die Begründung, die die Regierung in ihrem Entwurf diesem Paragraphen gegeben hatte, eine Begründung, die ausschließt, daß auch materielle Änderungen auf diesen § 3 gestützt werden können.
Eine wesentliche Änderung ist in § 4 durch die Ausschußberatung erfolgt. Hier ist die Ermächtigung des Bundesfinanzministers, Ausgaben bis zu 500 000 DM in eigener Zuständigkeit ohne Zustimmung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags vorzunehmen, auf 300 000 DM beschränkt worden. Ich darf hinzufügen, daß dieser Beschluß einstimmig gefaßt worden ist. Schließlich hat sich auch das Bundesfinanzministerium der höheren Einsicht des Haushaltsausschusses gefügt und zugestimmt, daß seine Ausgabeermächtigung etwas stärker begrenzt wird, als es ursprünglich in dem Entwurf der Regierung vorgesehen war. Es ist ja kein Geheimnis, daß die Methode der Wiederholung des Haushaltsplans nicht allseitige Zustimmung gefunden hat. Es hat sich im Ausschuß gezeigt, daß man einstimmig der Auffassung war, die Gefahr, die in dieser Methode liege, solle wenigstens insoweit eingedämmt werden, daß man die Ermächtigung des Herrn Bundesfinanzministers nicht allzu üppig in die Halme schießen läßt. Der Haushaltsausschuß ist nach dem jetzigen Wortlaut des § 4 außerdem in jedem Fall heranzuziehen, wo eine Ausgabe über 300 000 DM sich als notwendig erweist. Der Vorschlag im Regierungsentwurf, die Zustimmung des Haushaltsausschusses in Fällen erst nachträglich einzuholen, wo sich eine dringende Notwendigkeit ergibt und wo ein Aufschub nicht zu rechtfertigen ist, ist ebenfalls durch einstimmigen Beschluß des Ausschusses gestrichen worden, weil sich in der Praxis ergeben hat. daß das Bundesfinanzministerium in jedem Fall in der Lage sein wird, den Haushaltsausschuß des Bundestags anzurufen, und daß sich keine zeitlichen Schwierigkeiten ergeben müssen, wenn das innerhalb der vernünftigen Frist getan wird.
In § 7 Abs. 2 des Gesetzes ist dann ein Vorschlag des Bundesrats aufgenommen worden, der eine gesetzliche Verpflichtung festlegen soll, den Haushaltsplan, wie er sich aus dem Haushaltsplan 1951 und dem dazugehörenden Nachtrag sowie aus dem Nachtrag für 1952 insgesamt ergibt, bekanntzugeben. Das ist an sich eine Selbstverständlichkeit und ist immer geschehen. Der Bundesrat war aber der Meinung, daß diese Bestimmung am besten im Gesetz enthalten sei, damit gar kein Zweifel darüber entstehen kann, daß dieser Wiederholungshaushalt zusammen mit seinen Annexen - ein neuerdings beliebtes Wort - auf alle Fälle auch tatsächlich in vollem Umfang der Öffentlichkeit und dem Parlament zugängig gemacht wird.
Einen anderen Vorschlag des Bundesrats konnte der Haushaltsausschuß nicht berücksichtigen. Der Bundesrat wollte nämlich in § 4 Abs. 2 einen Halbsatz eingefügt wissen, wonach nicht nur der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages, sondern auch der Finanzausschuß des Bundesrats zustimmen sollte oder wenigstens angehört werden sollte, wenn der Bundesfinanzminister Ausgaben über 500 000 und nun 300 000 DM tätigen will. Wir waren im Ausschuß der Meinung, daß keinerlei Begründung dafür gegeben werden kann, daß der Bundesrat in diesem Stadium der Abwicklung eines Haushaltsplans mit entscheiden oder daß irgendeines seiner Organe herangezogen werden soll, weil der Bundesrat seine gesetzliche Möglichkeit der Mitwirkung an der Festlegung des
({12})
Haushaltsplans dadurch erschöpft, daß er erstens im Vorstadium der Einbringung eines Gesetzes drei Wochen Zeit hat und bei der endgültigen Verabschiedung wieder drei Wochen, um seine eigene Stellungnahme zu erarbeiten. In der Zwischenzeit ist eine Mitwirkung des Bundesrats bei der Erledigung eines Haushaltsplans nicht möglich. Infolgedessen hat der Haushaltsausschuß diesem Vorschlag nicht beitreten können.
Ich habe die Aufgabe, als Berichterstatter des Haushaltsausschusses dem Hause die Annahme dieses Gesetzentwurfs in der vom Ausschuß beschlossenen Form zu empfehlen. Als Redner meiner Fraktion werde ich nachher einen anderen Standpunkt vertreten.
({13})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich rufe auf zur zweiten Beratung: §§ 1,- 2,- 3,- 4,- 5,- 6,- 7, - 8, -Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ich darf unterstellen, daß das erste die Mehrheit war. Ich glaube, der Vorstand ist sich darüber einig. Wir kommen ja noch zur Schlußabstimmung, und ich nehme an, daß sich das Haus inzwischen dann noch füllen wird.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache der
dritten Beratung.
Ich darf dem Redner der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei, dem Herrn Abgeordneten Schoettle, zunächst das Wort im Rahmen der Aussprachezeit von 60 Minuten geben.
Zuvor darf ich noch darauf hinweisen, daß der Herr Vorsitzende des Rechtsausschusses mich gebeten hat, den Rechtsausschuß zu informieren, daß die vereinbarte Sitzung um 16 Uhr in Zimmer S 206 stattfinden soll.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß bereits bei der ersten Lesung dieses Gesetzes über die Fragwürdigkeit der Methode so viel gesagt worden ist, daß ich mich in diesem Stadium der Beschlußfassung auf einige wenige Bemerkungen beschränken kann. Die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion haben bei den Ausschußberatungen in einer Reihe von Fragen die Mehrheit des Ausschusses davon überzeugen können, daß ihre Vorschläge richtig sind. Infolgedessen ist die Beschlußfassung in allen Punkten, wo Änderungen des Gesetzes vorgenommen wurden, in der Regel einstimmig erfolgt. Wir haben damit gezeigt, daß es uns bei unserer Arbeit im Ausschuß darauf ankommt, ein Gesetz so zu formulieren, daß es unter sachlichen Gesichtspunkten und nach seinem materiellen Inhalt hin vertreten werden kann.
Wir sind indessen nicht in der Lage, dem Gesetz zuzustimmen, einmal, weil wir glauben, daß die Methode anfechtbar ist. Ich will mich hier nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen die hier angewandte Art der Verabschiedung eines Haushaltsplans für ein ganzes Haushaltsjahr sprechen, nämlich die Art der einfachen Wiederholung eines Haushaltsplans aus dem bereits abgelaufenen Haushaltsjahr. Das Bundesjustizministerium soll über diese Frage ein Rechtsgutachten erstattet haben, das dem Haushaltsausschuß noch nicht vorgelegen hat. Ich kann mich zum Inhalt dieses Gutachtens nicht äußern, aber vielleicht wird sich noch Gelegenheit geben, auch die verfassungsrechtliche Seite der Frage zu erörtern.
Andererseits sind wir nicht nur auf Grund der sachlichen Bedenken gegen die Methode außerstande, dem Gesetz zuzustimmen, sondern auch aus den Ihnen hier im Hause sehr oft dargelegten politischen Gründen. Wir glauben, daß die Politik, die letzten Endes auch hinter der Haushaltsgesetzgebung steht, bedenklich, ja gefährlich ist und daß wir der Regierung, die diese Politik vertritt und die wir auf allen Gebieten der politischen Auseinandersetzung bekämpfen, nicht dadurch ein Vertrauensvotum aussprechen können, daß wir ihrem Haushaltsplan zustimmen.
Es handelt sich auch nicht nur um ein einfaches Gesetz. Das Gesetz hat zwar nur acht oder neun Paragraphen; aber hier wird doch tatsächlich eine Sache übers Knie gebrochen, die das Leben des gesamten Staates, das gesamte öffentliche Leben, ja sogar das Leben jedes einzelnen Bürgers im Staate berührt. Eine Haushaltsberatung, wie wir sie hier vorgenommen haben, ist doch eigentlich im Grunde genommen eine Farce und nicht das, was man von einer solchen Beratung erwarten sollte.
Ich nenne Ihnen in diesem Zusammenhang nur einige Zahlen. Sie mögen daraus ersehen, zu welchem Punkt uns die anomale Lage in der Haushaltsgesetzgebung der Bundesrepublik bis jetzt geführt hat. In diesen Tagen wird den Mitgliedern des Hohen Hauses eine Vorlage unterbreitet - ich glaube, sie ist sogar schon ausgegeben worden -, die Drucksache Nr. 3351. In dieser Drucksache finden Sie eine Zusammenstellung der Vorwegbewilligungsbeschlüsse, die der Haushaltsausschuß auf Grund des Gesetzes über die vorläufige Haushaltsführung der Bundesverwaltung im Rechnungsjahr 1950 und auf Grund der drei Änderungsgesetze zu diesem ersten Gesetz über die vorläufige Haushaltsführung gefaßt hat. Das Ergebnis ist: Für das Rechnungsjahr 1950 hat der Ausschuß, der im Grunde genommen nur ein Instrument des Hohen Hauses sein soll, Vorwegbewilligungen im Gesamtbetrag von dreieinhalb Milliarden DM beschlossen!
({0})
Ich glaube, daß eine Ermächtigung an einen Ausschuß, die solche Konsequenzen hat, viel, viel weiter geht, als das Parlament es verantworten kann. Wenn ich hinzufüge, daß vom Haushaltsausschuß für das Rechnungsjahr 1951 inzwischen erneut 2,6 Milliarden DM vorweg bewilligt werden mußten, können Sie sehen, was dieser Ausschuß im Laufe des Zeitraumes vom September 1950 an bis heute an Verantwortung auf sich geladen hat. Er hat mehr als 6 Milliarden DM Ausgaben des Bundes, die Einrichtung von Planstellen, die Schaffung von neuen Behörden, Ausgaben für alle möglichen sächlichen und persönlichen Zwecke beschlossen, ohne daß das Parlament im wesentlichen dabei wirklich mitsprechen konnte. Ich glaube, meine Damen und Herren, Sie werden mir zustimmen, daß eine solche Methode auf die Dauer zu unmöglichen Zuständen führt und das Haushaltsrecht des Parlaments geradezu zu einer Komödie macht. Wir sind auch aus diesem Grunde nicht in der Lage, dem Gesetz, das jetzt zur Abstimmung steht, zuzustimmen.
Ich darf im übrigen im Namen meiner Fraktion namentliche Abstimmung beantragen, weil es
({1})
sich hier nicht um eine Bagatelle, sondern um das
wichtigste Gesetz handelt, das das Parlament im
Laufe eines Haushaltsjahres zu beschließen hat.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Meine Damen und Herren! Die Feststellungen, die soeben Kollege Schoettle bezüglich der Methode, die man mit dieser Art der Haushaltsgesetzgebung angewendet hat, getroffen hat, sind absolut zutreffend. Ich möchte sie durch die Frage ergänzen: Aus welchen Gründen geht die Bundesregierung dazu über, in dieser Form, in der Form des Überrollungshaushalts, in der Form der Übernahme der Etatsansätze des Haushalts 1951 auf das Haushaltsjahr 1952 zu verfahren? Ich glaube, man wird sofort zu einer Schlußfolgerung kommen, die eigentlich jeden in diesem Hause und draußen in der Öffentlichkeit bedenklich machen müßte. Mit dieser Methode wird praktisch nämlich eine Verschleierungspolitik durchgeführt.
({0})
Der Herr Bundesfinanzminister und die Bundesregierung wären verpflichtet, dem Bundestag einen ordnungsmäßigen Haushaltsplan für das Rechnungsjahr 1952 vorzulegen und dabei nicht allein über die gesamte Finanz- und Steuerpolitik, nicht nur über die Frage Aufschluß zu geben, wie die Mittel für diesen Haushalt aus dem Volk aufgebracht werden, sondern auch darüber Aufschluß zu geben, wofür sie Verwendung finden sollen. Es ist eines der primärsten Rechte und eine der vornehmsten Pflichten des Bundestages, in einer eingehenden Prüfung der einzelnen Haushalte sich selbst und dem Volk über die Frage der Aufbringung und der Verwendung der Mittel Rechenschaft abzulegen und Aufschluß darüber zu geben, in welcher Form unser Volk steuerlich belastet wird und inwieweit den Forderungen der breiten Kreise unserer Bevölkerung hinsichtlich der Verwendung dieser Mittel Rechnung getragen wird. Einer solchen Rechnungslegung und Darlegung der Finanz- und Steuerpolitik will diese Regierung entgehen.
Aber dieses Gesetz hat noch eine andere Bedeutung. Es bedeutet praktisch eine Ermächtigung für die Bundesregierung. Herr Kollege Schoettle hat über die Summen gesprochen, die auf dem Wege der Vorwegbewilligungen 1950 und 1951 durch den Haushaltsausschuß der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden sind. Diese Methode soll weitestgehend unter Ausschaltung des Bundestages weiterverfolgt werden. Wir werfen in diesem Zusammenhang die Frage an die Bundesregierung auf, warum sie dem Bundestag und der Öffentlichkeit keinen Aufschluß darüber gibt, wie sie die Mittel, die sie durch die Steuergesetze aus der Bevölkerung herausholt, verwendet. Wir haben ja in den letzten 8 bzw. 14 Tagen hier im Bundestag gehört, welche Pläne der Bundesfinanzminister nicht nur hinsichtlich der Belastung der Länder, sondern auch hinsichtlich neuer Steuern für die Massen hat. In allen diesen Ausführungen ist immer wieder zum Ausdruck gekommen, daß die Direktive, von der sich die Bundesregierung bei ihrer Finanz- und Steuerpolitik leiten läßt, ausschließlich die ist, die vom Volk auf zubringenden Mittel für die sogenannte Verteidigung zu verwenden.
({1})
- Jawohl, meine Damen und Herren, das ist das
oberste Gesetz, das die Bundesregierung beherrscht I und das auch die Regierungsparteien unterstützen.
({2})
In der bekannten Freitagsitzung ist durch das Verhalten der Regierungsmehrheit praktisch dem Bundeskanzler eine Ermächtigung erteilt worden, ohne das Volk zu befragen - seit 1945 ist das wohl der schwärzeste Tag in der Geschichte des deutschen Volkes -, den berüchtigten, verbrecherischen Generalvertrag und den sogenannten Verteidigungsvertrag zu unterschreiben. Die Finanzpolitik der Bundesregierung besteht nun darin, für die in diesem Generalvertrag liegenden Angriffsabsichten die entsprechenden Milliardenbeträge zur Verfügung zu stellen. Das ist die Grundlage auch für das Haushaltsgesetz, das heute zur Verabschiedung steht.
({3})
Gegen eine solche Politik der Ausschaltung des Bundestages und dagegen, daß das Volk selbst nicht darüber befragt wird - aber Sie werden die Antwort dafür vom Volk selbst bekommen! -, wenden wir uns mit aller Entschiedenheit.
({4})
Wir wenden uns dagegen, einem solchen Gesetz die Zustimmung zu geben. Und Sie selbst müßten in Ihrer eigenen Verantwortung die Maßnahmen ergreifen, die geeignet sind, eine solche Politik der Bundesregierung zu verhindern.
({5})
Deswegen ist das auch für uns der Anlaß, mit aller Entschiedenheit dieser Regierung den Kampf anzusagen, die mit ihrer gesamten Politik unser Volk nur ins Verderben stürzen wird.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben zu dem vorliegenden Gesetz bereits in der ersten Lesung Stellung genommen. Wir haben klar und eindeutig erklärt, daß wir diesem Gesetz unsere Zustimmung geben werden. Wenn wir diese Erklärung abgegeben haben und sie auch heute wiederholen, so tun wir dies in erster Linie deshalb, weil wir gewillt und entschlossen sind, die Situation, die Kollege Schoettle hier geschildert hat, nicht länger andauern zu lassen.
({0})
Wir sind entschlossen, dafür zu sorgen, daß wir mit unserer Haushaltsgebarung, mit der Schaffung einwandfreier rechtlicher Grundlagen für die Haushaltsgebarung des Bundes in aller Bälde aufs laufende kommen. Ich weiß aber keinen besseren Weg, der es uns ermöglicht, dieses Ziel sofort zu erreichen, als den, den dieses Gesetz vorschreibt. Wenn wir diesen Weg gehen, werden wir eine einwandfreie und unanfechtbare Grundlage für die Haushaltsgebarung des Bundes haben.
({1})
Man soll nicht behaupten, wie Herr Schoettle das getan hat, durch dieses Gesetz werde das
({2})
Budgetrecht des Bundestages irgendwie tangiert oder in Frage gestellt.
({3})
- Davon kann gar keine Rede sein, Herr Kollege Heiland. Das Budgetrecht des Bundestages wird auch nicht laufend tangiert. Was tun wir denn den ganzen Tag im Haushaltsausschuß? Kürzlich sind wir eine ganze Woche im Haushaltsausschuß zusammengesessen. Wir haben von morgens bis abends die Nachträge zum Haushaltsplan für 1951 beraten
({4})
- ja, für 1951 , wir sind uns dabei aber alle voll und ganz darüber im klaren gewesen, daß wir mit dieser Beratung des Nachtrags für 1951 zugleich den Haushaltsplan für 1952 beraten und ihm die endgültige Gestalt geben.
({5})
- Was wollen Sie denn, Herr Kollege Mellies, was wollen Sie denn anders haben? Sie wollen die Dinge rein formal anders gestalten.
({6})
Sie hätten es gern, daß an Stelle des Nachtrags, den wir im Haushaltsausschuß beraten, und an Stelle dieses Gesetzes, das wir vor uns haben, die Zahlen, die in diesen Entwürfen stehen, in einem besonderen, in aller Form aufgestellten Haushaltsentwurf für 1952 nochmals abgedruckt werden. Sie wollen mehr Papier haben.
({7})
Uns liegt aber nichts an Formalitäten. Uns liegt an einer schnellen, klaren, sachlichen Entscheidung. Auch uns liegt daran, daß das Parlament einen Einfluß auf die Gestaltung des Haushalts hat. Aber Sie werden doch nicht ernsthaft behaupten wollen, daß dem Parlament dieser Einfluß entzogen wird. Davon kann j a kar keine Rede sein!
({8})
Jede einzelne Ziffer der Haushalte für 1951 und für 1952 unterliegt der Beschlußfassung dieses Parlaments. Deshalb ist die Behauptung, das Budgetrecht des Parlaments werde tangiert, voll und ganz unzutreffend. Sie sind nicht in der Lage, uns einen besseren Weg zu zeigen, wie man mit der Haushaltsbeschlußfassung schneller aufs laufende kommen kann, als den, den wir zu gehen vorschlagen.
({9})
Das ist ein Weg, meine Damen und Herren,
({10})
den auch andere Parlamente schon gegangen sind und nach meiner Unterrichtung auch zur Zeit gehen. Ich habe schon in früheren Jahren in dem Parlament meines Landes bei der Beschlußfassung über ein Gesetz mitgewirkt, das fast wörtlich genau gleichlautend war wie das Gesetz, das wir Ihnen jetzt zur Beschlußfassung vorlegen.
({11})
Gestern habe ich gehört, daß von der Regierung des Südweststaates vorgeschlagen wird, ein ähnliches Gesetz wie das zu machen,
({12})
das dem Hohen Hause zur Entscheidung vorliegt.
({13})
Ich kann nicht nachprüfen, ob diese Nachricht richtig ist;
({14})
aber wenn sie richtig ist, dann bitte ich Sie - ({15})
- j a nun, ich sage' Ihnen, was ich gehört habe -, ({16})
dann bitte ich Sie, sich daran zu erinnern, daß in der Regierung des Südweststaats sechs ausgewachsene sozialdemokratische Minister sitzen!
({17})
- Das ist gar nicht wehleidig; ich stelle nur Tatsachen fest; das heißt, ich gebe nur Berichte weiter,
({18})
die mir zugegangen sind, und ich halte diese Berichte deshalb für durchaus richtig und der Wirklichkeit entsprechend, weil man es bei Anwendung
dieses Verfahrens - wie ich schon bemerkte - in
unserem Lande schon früher zuwege gebracht hat,
mit der Haushaltsgebarung in Ordnung zu kommen.
({19})
Das ist ein guter, sauberer und anständiger Weg. Deshalb werden wir diesen Weg gehen, und ich bitte Sie, meine Damen und Herren, zuzustimmen, wenn wir Ihnen vorschlagen, dieses Gesetz anzunehmen, das im übrigen bei der Bearbeitung im Haushaltsausschuß in einigen Punkten wesentlich geändert worden ist, und zwar so geändert worden ist, daß sich der Haushaltsausschuß einstimmig entschlossen hat, Anträge der verehrlichen Opposition gutzuheißen.
({20})
Wir sind Ihren Wünschen weit entgegengekommen. Sie glauben, daß dieses Gesetz dadurch eine Verbesserung erfahren hat.
({21})
Wir haben uns dieser Auffassung angeschlossen. Um so weniger haben wir einen Anlaß, Ihrer jetzigen Auffassung nachzugeben. Um so mehr haben wir einen Anlaß, Sie zu bitten, bei der nun folgenden namentlichen Abstimmung dieses Gesetz möglichst einstimmig gutzuheißen.
({22})
Das Wort hat der Abgeordnete Hoffmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es muß bitter beklagt werden, daß die Bundesregierung dem Bundestag zumutet, ohne ausreichende Unterlagen den Haushalt des Vorjahres mit seinen Nachträgen zu übernehmen,
({0})
mit anderen Worten eine budgetäre Entscheidung ins Ungewisse zu treffen
({1}) und nicht nur dem Bundesfinanzminister, sondern auch dem Haushaltsausschuß Ermächtigung zu Vorwegbewilligungen in wachsender Zahl und in zunehmendem Umfange zu geben. Eine solche Verantwortung kann weder der Bundesfinanzminister, noch der Haushaltsausschuß, noch der Bundestag tragen. Tatsächlich wird durch ein solches Verfahren der Bundestag seines vornehmsten Rechtes, des Budgetrechtes, beraubt.
({2})
- Stimmt teilweise!
({3})
- Sie haben andere Ansichten darüber!
({4})
Auch wenn man die bei der rechtzeitigen Aufstellung und Einbringung des Haushaltsplans entstehenden Schwierigkeiten ermißt und würdigt, kann man das hier geübte Verfahren nicht billigen.
Die Föderalistische Union - Bayernpartei-Zentrum - sieht sich aus diesen Gründen und auch aus anderen Bedenken nicht in der Lage, dem vorliegenden Entwurf eines Haushaltsgesetzes 1952, das praktisch die Genehmigung eines dazu noch nicht ausgeglichenen Wiederholungshaushalts bedeuten würde, die Zustimmung zu erteilen. Wir können es um so weniger, als keine Gewähr dafür- vorliegt, daß es in Zukunft besser sein wird.
({5})
Meine Damen und Herren, wir sind in einer geregelten Aussprache. Ich darf die Unterhaltungen dadurch unterbrechen, daß ich Herrn Dr. Blank das Wort gebe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich wirklich ernstlich gefragt, ob es notwendig und zweckmäßig wäre, zu dieser - ich möchte fast sagen „arg ausgekauten" - Angelegenheit auch meinerseits noch das Wort zu ergreifen. Aber nachdem nun die von uns allen, wie ich glaube, im Haushaltsausschuß kameradschaftlich und ernsthaft betriebene Arbeit vom Vorsitzenden dieses Ausschusses teils als Komödie, teils als Farce bezeichnet worden ist, bin ich doch der Auffassung, daß man das einigermaßen richtigstellen sollte.
({0})
Die Sache ist doch einfach so, daß wir alle gemeinsam der Ansicht sind - und daraus haben wir uns die sehr positive Mitarbeit der SPD-Vertreter im Haushaltsausschuß erklärt -, daß wir aus diesem entsetzlichen Schlamassel heraus müssen.
({1})
- Den Beweis müssen Sie dann gelegentlich noch führen, Herr Kollege Heiland, daß wir das konnten!
Die Bummelei, die auf seiten der Regierung eingerissen war - ich will das gar nicht bestreiten - und die sich dann auf seiten des Haushaltsausschusses, selbst als die Vorlage schließlich vorlag, anzudeuten schien,
({2})
muß ein für allemal aufhören. Wir sind ja nun eifrig dabei und wir freuen uns über jede sitzungsfreie Woche, da wir dann allein und ungestört hier sitzen können. Die Maschine muß doch weitergehen. Das wollen ja auch die Herren von der Opposition, sonst hätten sie nicht mitgewirkt. Wenn sie nun jetzt in namentlicher Abstimmung ablehnen, dann ist das for the record wunderbar. Aber darum nun von - ich möchte sagen - Lebensgesetzen zu reden, oder von Vertrauensvoten, bei einer Sache, die in allererster Linie technisch ist
({3})
und dem Zweck dient, uns endlich dahin zu bringen, wohin wir alle kommen wollen, ist verfehlt.
({4})
- Meine Herren, Sie haben uns das ja schon im Haushaltsausschuß erzählt. Es ist sehr nett, daß Sie das noch einmal wiederholen.
({5})
Ich will nicht noch einmal alles sagen, ich will nur meine Freunde und die Angehörigen des Haushaltsausschusses, soweit sie sich unseren Argumenten anschließen wollen, dazu auffordern - ebenso wie es der Kollege Bausch eben getan hat -, nun mit aller Schnelligkeit und Vollständigkeit zu diesem Gesetz ja zu sagen, damit wir weiterkommen und schon für 1953 einen vorher verabschiedeten Haushaltsvoranschlag haben, wie sich das gehört.
Ich halte es nicht für notwendig, auf die Ausführungen des Abgeordneten Müller einzugehen. der ja - wie der bekannte Unteroffizier beim Knöpfeputzen in der Instruktionsstunde - schließlich beim Generalvertrag landen mußte. Daß in diesem Haushalt 1951/52, der nun zunächst einmal durch dieses Gesetz wiederholt werden soll, noch nichts von Kriegsvorbereitungen drin sein kann, das müßte sogar der Kollege Müller wissen, wenn er sich mit der Materie wirklich befaßt hätte.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Jaffé.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem von den Herren Vorrednern der Koalitionsparteien über den Gesetzentwurf in der dritten Lesung das gesagt worden ist, was gesagt werden mußte, kann ich mich ganz kurz fassen, insbesondere auch deswegen, weil ich im Auftrage meiner Fraktion bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfes unsere Einstellung ausreichend dargelegt habe.
Ich habe damals betont, daß das Gesetz keine Ideallösung ist. Ich wiederhole das auch heute ausdrücklich. Es ist nur aus dem Bestreben der Bundesregierung zu verstehen, rechtzeitig Anschluß an die fristgemäße Aufstellung des Haushaltsplans für 1953 und seine Verabschiedung zu finden. Im Grunde genommen erklärt es sich ja aus der rapid fortschreitenden Entwicklung des öffentlichen Lebens in der Bundesrepublik, mit der die Haushaltsgebarung in den ersten beiden Jahren einfach nicht Schritt gehalten hat.
({0})
Bei sorgfältigster Prüfung haben auch wir keine andere Methode finden und nachweisen können, die uns diesem Ziel nahebringt. Wir stimmen deshalb dieser Methode auch in der dritten Lesung zu, wobei wir besonders betonen, daß wir nicht feststellen können, das vornehmste Recht des Hauses, das Budgetrecht, sei dadurch wesentlich eingeschränkt oder gar, wie behauptet wird, aufgehoben.
Ich bitte Sie daher, dem Gesetzentwurf endgültig Ihre Zustimmung zu erteilen.
Als letzter wünscht Herr Abgeordneter Schoettle noch für zwei Minuten das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß ich es in zwei Minuten tun kann. Ich möchte nur einige Bemerkungen zu dem machen, was der Herr Kollege Bausch hier gesagt hat.
({0})
Zunächst aber einen Satz gegenüber meinem sehr verehrten Kollegen und Stellvertreter Dr. Blank. Das Haushaltsgesetz als eine rein technische Angelegenheit zu bezeichnen, scheint mir doch eine Abwertung der Tatsachen zu sein, die man eigentlich nicht versuchen sollte. Daß das Haushaltsgesetz, das wir jetzt vor uns haben, einen scheinbar so belanglosen Eindruck macht, ist ja gerade ein Zeichen des anomalen Zustandes, in dem wir uns befinden.
Nun zu Herrn Bausch. Er hat versucht, hier historische Analogien heraufzubeschwören. Daß er im Jahre 1928 im damaligen Land Württemberg an einem solchen Experiment mitgemacht hat, mag sein; ich kann es nicht nachprüfen. Ich erinnere mich nur aus meiner eigenen politischen Vergangenheit dunkel daran, daß das damals unmittelbar nach einem Regierungswechsel stattfand, als eine Rechtskoalition zwischen Deutschnationalen und Zentrum zustande kam, die offenbar das Bedürfnis hatte, möglichst schnell und möglichst ohne allzu breite parlamentarische Erörterungen ihren Haushaltsplan unter Dach und Fach zu bringen.
({1})
Ob das eine politisch zuträgliche und richtige Methode ist, lasse ich in diesem Augenblick dahingestellt.
({2})
-- Wir reden gleich von heute, Herr Kollege
Bausch; gleich, im Augenblick reden wir von heute.
Was nun die augenblicklichen Vorgänge bei der Budgetvorbereitung im neuen Bundesland Baden-Württemberg betrifft, von denen der Herr Kollege Bausch vom Hörensagen gesprochen. hat, so darf ich doch darauf hinweisen, daß für die Haushaltsgesetzgebung dieses neuen Bundeslandes im zweiten Neugliederungsgesetz einige bindende Vorschriften enthalten sind, nach denen die Haushalte der Länder, die jetzt das neue Bundesland bilden, in irgendeiner Weise die Grundlage des neuen Haushalts für das Bundesland werden sollen. Ja, Herr Kollege Bausch, beim Übergang von einem überlebten Rechtszustand in einen neuen wird es immer gewisse Notlösungen geben müssen; aber darf ich Sie darauf hinweisen, daß der „Übergang", in dem w i r uns bewegen, nun schon seit dem Sommer 1949 andauert!
({3})
Daß es möglich ist, mit den Mitteln des Bundesfinanzministeriums sehr viel schneller zu arbeiten, als es in diesem Fall geschehen ist, das hat der Herr Bundesfinanzminister mit seinem Ministerium in 'dankenswerter Weise gezeigt, als er für die Beratungen im Vermittlungsausschuß über die Inanspruchnahme der Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Zwecke des Bundes Vorlagen unterbreitet hat, die im Grunde genommen eine Vorwegnahme eines echten Haushaltsplans für das Jahr 1952 darstellen.
({4})
Wenn man das in einem Fall kann, weiß ich eigentlich nicht, warum es dann bei rechtzeitiger Vorbereitung und auch bei Berücksichtigung der politischen Schwierigkeiten, die der Deckung des Haushalts entgegenstanden, nicht möglich gewesen sein sollte, auch dem Bundestag selber solche Vorlagen zu unterbreiten.
Das wollte ich nur gesagt haben. Und im übrigen, meine Damen und Herren, wissen Sie so gut wie ich, daß die Entscheidung über den Haushaltsplan auch eine politische Entscheidung und nicht
mir eine Frage danach ist ob man mit den einzelnen Positionen einverstanden ist oder nicht. ({5})
Meine Damen und Herren! „Preisend mit viel schönen Reden" im innerwürttembergischen Bereich. Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine Damen und Herren! Ich habe sehr genau gehört, was der Herr Kollege Schoettle jetzt gesagt hat.
({0})
Ich habe aber kein Wort aus seinem Munde darüber gehört, wie man schneller, besser und zuverlässiger zu soliden haushaltsrechtlichen Grundlagen für den Bund kommen kann als auf dem Wege, den wir vorschlagen.
({1})
Meine Damen und Herren, es wünscht niemand mehr das Wort zu nehmen.
Ich schließe die allgemeine Besprechung der dritten Beratung.
Namens der Fraktion der SPD ist namentliche Abstimmung beantragt. Es geht um die Schlußabstimmung über das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1952. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einsammeln zu wollen.
({0})
Meine Damen und Herren, ich wiederhole die Bitte, während des Einsammelns der Zettel auf Ihren Plätzen zu bleiben. Sie erleichtern den Herren Schriftführern die Arbeit und Übersicht. - Ich bitte auch die Einwohner freier Hansestädte, sich dieser Übung anzuschließen.
({1})
Darf ich bitten, mit der Auszählung zu beginnen, und Ihnen vorschlagen, daß wir während der Auszählung, bevor wir die Abstimmung schließen, schon mit der Erledigung der Tagesordnung fortfahren.
({2})
Ich rufe auf den Punkt 8 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer von Vorschriften auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft ({3});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({4}) ({5}).
({6}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Naegel. Für die allgemeine Besprechung der dritten Beratung schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Zeit von 40 Minuten vor. Bitte, Herr Abgeordneter!
Naegel ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Behandlung der Drucksache Nr. 3275, die nach der ersten Lesung hier im Bundestag dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Beratung überwiesen wurde, handelt es sich darum, eine Verlängerung der Geltungsdauer von Vorschriften auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft, und zwar in drei Fällen, zu prüfen und zu beschließen. Die Regierungsvorlage sah zunächst vor, daß sowohl das Gesetz für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft als auch das Gesetz über die Errichtung einer Bundesstelle für den Warenverkehr der gewerblichen Wirtschaft und drittens der § 1 des Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft verlängert werden sollten. Diese drei Gesetze bzw. Vorschriften laufen am 30. Juni 1952 aus, und es muß nun geprüft werden, inwieweit ihre Geltungsdauer noch verlängert werden muß, weil sie wichtige Funktionen im Rahmen der Ordnung der Wirtschaft zu erfüllen haben.
Ich darf zunächst mit dem Punkt 3 anfangen und Ihnen berichten, daß wir uns in der Beratung mit dem Wirtschaftsminister dahingehend verständigt haben, daß dieser seinen Antrag zurückgezogen hat, so daß also eine Verlängerung des § 1 des Gesetzes zur Aufhebung und Ergänzung von Vorschriften auf dem Gebiete der Mineralölwirtschaft nicht mehr zu erfolgen braucht. Die Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage auf diesem Gebiet hat diese Vorschrift entbehrlich gemacht. Wir haben deshalb geglaubt, dem Wirtschaftsminister darin zustimmen zu sollen, daß auch die gesetzliche Grundlage dafür verschwinden soll.
Als zweites steht dann das Gesetz für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft zur Diskussion. Wir haben uns im Ausschuß eingehend damit befaßt und sind zu dem Entschluß gekommen, daß, obwohl seit dem Erlaß dieses Gesetzes im Frühjahr des Jahres 1951 eine wesentliche Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Situation eingetreten ist, doch noch einige Engpässe und vor allen Dingen einige Schwierigkeiten in der kontinuierlichen Versorgung mit Rohstoffen sowohl auf dem Gebiete der Exportförderung als auch auf dem inneren Markt vorhanden sind und man deshalb auf gewisse Vorschriften in diesem Gesetz heute noch nicht verzichten kann. Wir sind zu dem Entschluß gekommen, mit Rücksicht auf die unklaren Verhältnisse, die sich gegenwärtig zeigen, wenigstens einer kurzfristigen Verlängerung dieses Gesetzes zuzustimmen. Wir sind allerdings von dem Vorschlag abgewichen, der zunächst vom Bundeswirtschaftsminister gemacht worden war, nämlich eine Verlängerung bis zum 31. März 1954 zu beschließen.
Wir haben uns entschlossen, das Hohe Haus zu bitten, einer Verlängerung bis zum 31. März 1953 zuzustimmen.
Das dritte hier zur Diskussion stehende Gesetz behandelt die Bundesstelle für den Warenverkehr. Sie wissen, daß wir seinerzeit in Anlehnung an die Vorarbeit, die noch aus dem Wirtschaftsrat stammt und damals unter dem Namen Fachstellengesetz bekanntgeworden ist, eine Bundesoberbehörde eingerichtet haben, die gewisse Funktionen auszuüben hatte, die Lenkungs- und Sicherungsmaßnahmen betrafen. Diese Maßnahmen haben letzten Endes ihren rechtlichen Grund in dem eben von mir zitierten Gesetz über die Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft gefunden. Diese Bundesoberbehörde hatte ihre Funktionen neben dem Wirtschaftsministerium auszuüben. Ich darf daran erinnern, daß wir uns seinerzeit sehr lange darüber unterhalten haben, wie dieses Gesetz ausgestaltet und wie diese Bundesstelle für den Warenverkehr funktionieren sollte. Wir haben uns eingehend damit beschäftigt, ob diese Bundesstelle in der heutigen allgemeinen wirtschaftlichen Situation noch voll in dem Umfang aufrechterhalten werden muß, den sie inzwischen angenommen hat. Wir sind der Meinung, daß es wohl notwendig ist, eingehend zu prüfen, welchen Umfang die Funktion sowohl als auch der Personalbestand dieser Behörde haben müßte, glauben aber nicht erwarten zu können, daß das Ergebnis dieser Prüfung bereits bis zum 30. Juni dieses Jahres vorliegt. Deshalb haben wir uns entschlossen, das Hohe Haus zu bitten, auch dieses Gesetz bis zum 31. März des Jahres 1953 zu verlängern. Gleichzeitig aber haben wir keinen Zweifel darüber gelassen, daß es unserer Ansicht nach notwendig ist, daß der Bundeswirtschaftsminister sofort eine Überprüfung des Umfangs der Aufgaben und des Bestandes dieser Behörde vornimmt und dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß bis zum 1. Oktober dieses Jahres darüber berichtet.
Ich möchte annehmen, daß ich damit im wesentlichen das aufgezeigt habe, was Gegenstand der Beratungen war. Wir haben uns also entschlossen, das Hohe Haus zu bitten, der Verlängerung der beiden Gesetze bis zum 31. März 1953 zuzustimmen, und wir haben uns weiter entschlossen, das Hohe Haus zu bitten, folgende Entschließung anzunehmen:
Der Bundesminister für Wirtschaft wird ersucht, die der Bundesstelle für den Warenverkehr übertragenen Aufgaben zu überprüfen und festzustellen, welche Aufgaben die Bundesstelle für den Warenverkehr in Zukunft zu erfüllen hat. Hierüber ist dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik des Deutschen Bundestages bis zum 1. Oktober 1952 erstmalig zu berichten.
Ich darf abschließend noch bemerken, daß der Bundesrat gegen die Verlängerung der Gesetze keine Einwendungen erhoben hat. Ich bitte das Hohe Haus, entsprechend unserem Vorschlag zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, darf ich zunächst zur Abstimmung zu Punkt 7 der Tagesordnung fragen: Wünscht noch ein Abgeordneter, seine Stimme abzugeben? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung zu Punkt 7 der Tagesordnung.
({0})
Ich komme zur Fortsetzung der zweiten Beratung des Punktes 8 der Tagesordnung. Ich rufe auf § 1, - § 2, - § 3, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wünscht in der allgemeinen Aussprache jemand, das Wort zu nehmen? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Besprechung. Eine Einzelberatung findet nicht statt.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer von Vorschriften auf dem Gebiet der gewerblichen Wirtschaft. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das Gesetz ist gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich hitte die Damen und Herren, die der vorgelegten Entschließung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Diese Entschließung ist bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich komme zu Punkt 9 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({2}) ({3}).
({4})
Berichterstatter ist auch hier Herr Abgeordneter Naegel. Auch hier schlägt der Ältestenrat Ihnen eine Aussprachezeit von 40 Minuten vor.
Naegel ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Deutschen Bundestag hat in seiner 192. Sitzung am 13. Februar dieses Jahres der Entwurf eines Gesetzes über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen -Drucksache Nr. 3033 - in erster Lesung vorgelegen; er wurde dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß zur Beratung überwiesen. Es handelt sich hierbei zunächst um ein technisches Gesetz, das praktisch den Rechtszustand wiederherstellen soll, wie er vor 1945 im Deutschen Reiche bestanden hat. Nach dem Gesetz zur Änderung des Genossenschaftsgesetzes vom 30. Oktober 1934 war die Einrichtung von genossenschaftlichen Wirtschaftsprüfern geschaffen worden. Art. 4 dieses Gesetzes hatte bestimmt, daß die öffentliche Bestellung von Wirtschaftsprüfern und von genossenschaftlichen Wirtschaftsprüfern auf gemeinsamer Grundlage durch Vorschriften geregelt wird, die vom Reichswirtschaftsminister im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz und den sonstigen zuständigen Reichsministern erlassen werden. Auf Grund dieser Bestimmung ist die Verordnung über öffentlich bestellte Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen vom 7. Juli 1936 ergangen.
Diese Verordnung ist formal noch in Kraft, aber praktisch nicht mehr anwendbar, weil die zentralen Zulassungs- und Prüfungsstellen für Wirtschaftsprüfer in Berlin fortgefallen sind. Dadurch sind seit 1945 im gesamten Bundesgebiet keine Wirtschaftsprüfer für das Genossenschaftswesen mehr zugelassen worden mit Ausnahme, glaube ich, des Landes Rheinland-Pfalz, das durch ein Landesgesetz eine Sonderregelung getroffen hat. In allen übrigen Ländern des Bundesgebietes ist eine Lücke entstanden. Diese rechtliche Lücke in der Zulassung von Wirtschaftsprüfern im Genossenschaftswesen soll durch dieses neue Gesetz geschlossen werden.
Sowohl bei der Beratung im Wirtschaftspolitischen Ausschuß des Deutschen Bundestages als auch bei der Beratung dieses Gesetzes im Bundesrat war bereits die Frage aufgetaucht, ob die Gesetzeszuständigkeit des Bundes in diesem Falle eindeutig gegeben sei. Der Bundesrat hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Zuständigkeit des Bundes unbestritten ist, und hat auch keine Einwendungen erhoben. Der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Bundestages konnte sich dieser Stellungnahme ohne weiteres anschließen. Auch die an der Durchführung des Gesetzes beteiligten Genossenschaftsverbände, der Raiffeisen-Verband, der Deutsche Genossenschaftsverband und der Verband des gemeinnützigen Wohnungswesens sowie das Institut der Wirtschaftsprüfer hat den vorliegenden Entwurf gebilligt.
In den Einzelberatungen bei der Behandlung des Entwurfs im Ausschuß wurde der Wunsch laut, in § 2, in welchem auf die materiellen Rechtsvorschriften über die Durchführung von Prüfung und Bestellung von Wirtschaftsprüfern in den einzelnen Ländern Bezug genommen ist, diese einzelnen Länderverordnungen und -gesetze als einen Anhang zu diesem Paragraphen bzw. zu diesem Gesetz wörtlich mit aufzunehmen. Aber im Hinblick auf die damit verbundenen Schwierigkeiten wurde davon Abstand genommen, zumal für die Zwischenzeit die Rechtsbefugnis der Länder zum Erlaß entsprechender Gesetze über die Ordnung der Prüfung und Zulassung nicht bestritten werden kann.
Wir konnten uns auch einer Anregung der DAG hinsichtlich der Anrechnungsfähigkeit von Berufstätigkeit vor der Zulassung zum Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen in einem höheren Maße, als das Gesetz vorsah, nicht anschließen. Mit Rücksicht auf die Spezialkenntnisse im Genossenschaftswesen, die man nun einmal bei jedem, der die Wirtschaftsprüfung bei den Genossenschaften durchführen will, fordern muß, konnten wir uns nicht dazu entschließen, die in anderen Berufszweigen verbrachte Berufstätigkeit zu drei Vierteln anzurechnen. Das Gesetz sieht nur eine Anrechnung von zwei Dritteln vor.
Der Ausschuß hat dem Gesetz ohne Abänderung zugestimmt. Ich habe deshalb in seinem Auftrage das Hohe Haus zu bitten, auch seinerseits dem Gesetz seine Zustimmung zu geben.
({6})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Hat der Ausschuß keinen Vorschlag über das Inkrafttreten des Gesetzes zu machen, Herr Abgeordneter Naegel? In § 19 ist bezüglich des Inkrafttretens eine Lücke.
Naegel ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich ergänzen: „Das Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft."
({1})
Es soll also in § 19 heißen: „Dieses Gesetz tritt mit seiner Verkündung in Kraft."?
({0})
Naegel ({1}), Berichterstatter: Am Tage nach seiner Verkündung!
Sie nehmen freundlichst davon Kenntnis: „ ... am Tage nach seiner Verkündung ... "
Darf ich zwischendurch das Ergebnis der Schlußabstimmung zu Punkt 7 der Tagesordnung - Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für 1952 - bekanntgeben. Mit Ja haben gestimmt 169, mit Nein 116 Abgeordnete, Enthaltungen 6. Von den Berliner Abgeordneten haben '7 mit Ja, 5 mit Nein gestimmt. Ich stelle fest, daß dabei eine Nein-Stimme doppelt und damit ungültig ist, eine Enthaltung des Herrn Abgeordneten Lampl ebenfalls doppelt abgegeben, also auch ungültig ist. Es handelt sich um das vorläufige Ergebnis*), das in der vorgesehenen Form überprüft wird. Damit ist der Gesetzentwurf über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1952 in dritter Beratung angenommen.
Ich kehre zurück zu Punkt 9 der Tagesordnung, über den Herr Abgeordneter Naegel eben Bericht erstattet hat. In der
zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen
rufe ich auf die §§ 1 bis 19, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; das ist angenommen.
Ich komme zur allgemeinen Besprechung der
dritten Beratung.
- Ebenfalls keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Das Gesetz ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Dritte Beratung des Entwurfs eines Bundes-Jagdgesetzes ({0});
Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung ({1}).
({2})
Ich hoffe auf eine waidgerechte Behandlung.
({3})
Ich schlage Ihnen namens des Ältestenrates für die allgemeine Besprechung der dritten Beratung eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat der Abgeordnete Ruhnke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Überschrift „Bundes-Jagdgesetz" bewirkt, daß in der Öffentlichkeit und vielleicht auch in diesem Hause manche vorhanden sind, die dafür kein Interesse haben. Sie glauben, es sei
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 9493. ein Gesetz für eine feudale Klasse und es sei für Menschen geschaffen, die sich nur der Jagd widmen.
({0})
- Ja, auch dieser Ausdruck ist bereits in der zweiten Lesung gebraucht worden, daß es sich um ein Vergnügen handle; ich komme noch darauf zu sprechen.
({1})
Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren, die lebhaften Zwischenrufe beweisen schon, welches Interesse für dieses Gesetz bei einzelnen Mitgliedern dieses Hauses besteht. Aber ich glaube, die Überschrift des Gesetzes müßte ganz anders heißen. Es müßte genannt werden: „Gesetz zur Erhaltung der freilebenden Tierwelt". Auch dieses Gesetz ist ein Teilstück der Gesetzgebung für den gesamten Naturschutz. Wenn Sie die Dinge von dieser Seite aus betrachten, bekommen Sie doch ein anderes Bild, als es ursprünglich der Fall ist. Durch das Vordringen der Zivilisation wird die freilebende Tierwelt immer mehr zurückgedrängt. Auf der Welt leben jetzt zweieinhalb Milliarden Menschen, und täglich haben wir einen Geburten-überschuß von rund 68 000 Menschen. Es ist ganz eindeutig, daß sich die Zivilisation immer mehr in das Land und immer mehr in den Wald hineinfrißt und daß kaum noch Raum für freilebende Tiere vorhanden ist. Wir laufen, wenn wir diese Dinge nicht ganz klar sehen, Gefahr - und Anzeichen dafür sind schon vorhanden -, Kultursteppe zu werden und unsere Landschaft langsam veröden zu lassen. Es ist eine unbestrittene Tatsache, daß schon ganze Wildarten ausgestorben sind. So geht z. B. auch der Bestand an Fasanen und Rebhühnern zurück. Das sind eben Erscheinungen der Zivilisation. Darüber besteht auch bei den Wissenschaftlern gar kein Streit.
Für dieses Jagdgesetz haben sich berechtigterweise die Jäger und die Landwirtschaft besonders interessiert. Es soll hier keinesfalls bestritten werden, daß die Land- und Forstwirtschaft an dieser Frage ein vordringliches Interesse hat und daß dieses vordringliche Interesse auch Berücksichtigung finden muß. Aber auch die Jäger müssen dafür ein Interesse haben, die ja auf diesem Gebiet auch etwas zu leisten haben. Dem Herrn Kollegen Kriedemann möchte ich auf seinen Zwischenruf antworten, daß das Vergnügen bei der Jagd, wie es einstmals gewesen ist, vorüber ist. Hörnerklang, Pferdegetrappel und Hundegebell der, Jagdmeute haben aufgehört. Die Jägerei ist eine sehr ernste und, ich glaube, auch eine ethische Aufgabe. Man kann der Auffassung sein, daß jemand nur schießt, um Fleisch zu haben. Ich glaube, die deutsche Jägerei ist anderer Auffassung. Sie ist der Auffassung, daß sie das Gewehr nehmen muß, um das auszugleichen, was wir an der Natur versündigt haben.
({2})
- Herr Kollege, vielleicht verstehen Sie nicht soviel davon und haben sich mit diesen Dingen noch nicht befaßt. Es ist doch klar, daß das Gewehr diese Dinge ausgleichen muß und der Jäger eine gewichtige Aufgabe zu erfüllen hat und bisher auch erfüllt hat. Das sei hier an dieser Stelle vermerkt. Das Überhandnehmen der Wildschweine liegt nur daran, daß der deutsche Jäger kein Gewehr hatte. Die Wildschweinbejagung ist schon
({3})
eine anstrengende Sache und kein Vergnügen, Herr Kollege Kriedemann. Die Besatzungstruppen hatten kein Interesse daran, Wildschweine zu bejagen, das war ihnen zu anstrengend. Der deutsche Jäger wird aber im Interesse der Land- und Forstwirtschaft wieder dafür sorgen, daß dieser Wildbestand entsprechend reduziert wird.
({4})
Lassen Sie mich nun zu dem Gesetz selber etwas sagen. Ich weiß genau, daß der Punkt, auf den ich jetzt zu sprechen komme, bei den Herren des Agrarausschusses Widerspruch finden wird. Die Bestimmungen der §§ 21 und 37 sind unmöglich, sie sind einfach nicht tragbar.
({5})
Ich weiß, daß es sehr schwierig gewesen ist, hier zu einem Kompromiß zu kommen. Es fragt sich, ob man einen solchen schlechten Kompromiß hinnehmen soll oder ob man nicht versuchen soll, hier Besseres zu schaffen. Das Reichsjagdgesetz ist soviel gelästert worden. Es ist leider mit der Reminiszenz an den Nationalsozialismus behaftet. Man sollte sich aber darüber klar sein, daß es Bestimmungen enthalten hat, die viel beser waren
als das Bundesjagdgesetz, das uns heute vorgelegt wird.
Der Abschußplan in der vorgeschlagenen Form des § 121 ist also meines Erachtens unmöglich. Es besteht keine jagdliche Aufsicht, keine jagdliche Instanz, die die Möglichkeit hat, diesen Abschußplan zu korrigieren. Es besteht auch keine staatliche Lenkung. Eine Vereinbarung zwischen Pächter und Verpächter mit der Möglichkeit, daß ein Jagdbeirat später eine endgültige Entscheidung fällt, ist keine Lösung. Ich will Ihnen ein praktisches Beispiel sagen: zwei Privatjagden, dazwischen eine Staatsjagd; die beiden Privatjagden gehören verschiedenen Landkreisen an. Da wird es so weit kommen, daß 'in jeder dieser Jagden verschiedene Bedingungen für den Abschußplan gelten, also daß hier geschossen und dort geschont wird. Dann entsteht ein völliges Durcheinander, weil man ja dem Wild nicht ein Schild umhängen kann, wozu es gehört.
Der § 37 scheint mir verfassungswidrig zu sein.
({6})
Er greift in die Behördenorganisation der Länder ein und ist einseitig dahingehend aufzufassen, daß gewissen Interessen gedient werden soll. Wir hätten durchaus den Wunsch, ein wirkliches Rahmengesetz zu schaffen. Hier handelt es sich nicht um ein Rahmengesetz. Meines Erachtens ist man viel zu sehr in Einzelheiten gegangen und hat den Begriff des Rahmengesetzes verlassen.
({7})
Ich hätte noch sehr viele Dinge zu erörtern, möchte mich jedoch nur auf einige Punkte beschränken. In der Jagdgenossenschaft scheint mir z. B. die Behandlung des Kleinbesitzers völlig ungerecht zu sein. Hier müßte bei den Ländern noch ein Ausweg gefunden werden, um Möglichkeiten einer gerechten Lösung im Verhältnis zu den Großlandbesitzern zu finden. Auch die Frage 'der Mehrheitsbeschlüsse in 'der Jagdgenossenschaft hinsichtlich der Verteilung der Jagdnutzung scheint mir insofern unmöglich geregelt zu sein, als hier die Minderheit nicht zuzustimmen braucht. Ich weiß nicht, welche Gründe hierzu geführt haben. Auch die Regelung der Gebühren für die Jagdscheine dürfte Ländersache sein. Es ist nicht Angelegenheit des Bundes, dies zu regeln.
Ich möchte noch kurz erwähnen, daß man hätte Gelegenheit nehmen müssen, den § 19 Ziffer 10, der schon im Reichsjagdgesetz vorhanden gewesen ist und 'der Tierquälerei darstellt, dahingehend abzuändern, daß die Tiere in einer Weise getötet Werden, die human angebracht ist. Auch die Frage der Fanggeräte - eine sehr wichtige Frage - ist nicht zufriedenstellend gelöst worden. Sie können mit einem Tellereisen auf einer Stange oder auf einem Stab auch Vögel fangen. Dessen sollte man eingedenk sein und von seiten des Staates hier entsprechende Bestimmungen treffen.
Wir haben in einem Lande ein vorbildliches Jagdgesetz: in Bayern.
({8})
-- Sie sehen, es ist schon oft aus Bayern etwas Gutes gekommen! Dieses Jagdgesetz ist wirklich vorbildlich. Auch Hessen hat ein gutes Jagdgesetz. Ich bin überrascht, daß nun dieses Bundesjagdgesetz, 'das weit schlechter als die erwähnten Ländergesetze ist, erlassen werden soll.
({9})
Ich kann mir nicht denken, daß dieses Bundesgesetz bei den Ländern Eingang finden kann
({10})
Da so viele Änderungen vorgenommen werden sollen und so viele Bedenken - auch rechtlicher Art - gegen die Bestimmungen vorhanden sind, beantrage ich die Zurückverweisung an den Agrar-ausschuß und die Überweisung an den Rechtsausschuß.
({11})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich mich - vielleicht im Widerspruch zu manchem. Kollegen dieses Hohen Hauses - „auf der Jagd" auf das Bundesjagdgesetz befinden muß. Ich werde nicht mehr so lange sprechen!
Das Bundesjagdgesetz ist in den Kreisen der Länder - insbesondere auch bei Besprechungen mit allen Ländervertretern - eingehend erörtert worden. Dabei hat es sich ergeben, daß bei der Mehrheit der Ländervertreter durchaus keine Geneigtheit für das Bundesjagdgesetz besteht, und zwar einmal wegen verfassungsrechtlicher Bedenken, dann aber auch aus Zweckmäßigkeitserwägungen. Die Tatsache ist nicht zu bestreiten -ich könnte Ihnen aus dem Protokoll manches vorlesen -, daß insbesondere auch Hessen sehr schwere Bedenken gegen das Bundesjagdgesetz zum Ausdruck gebracht hat. Das gleiche ist sogar von Niedersachsen geschehen. Der niedersächsische Vertreter hat dabei ausgeführt: Wir sind an sich nicht gegen einen größeren Rahmen, haben aber jetzt erhebliche fachliche Bedenken und können daher wahrscheinlich nicht zustimmen.
Ebensolche Stimmen kommen auch aus Württemberg-Baden. Eine ganze Reihe von Ländern hat sich ja selber schon Jagdgesetze gegeben. Warum können das die Länder der britischen Zone nicht? Wer hindert sie daran, sich eigene Jagdgesetze zu schaffen? Sie haben hierzu in dem Gesetzentwurf, der dem Bundestag zur Verabschiedung vorliegt, ein gutes Muster. An der Einführung solcher Gesetze hindert die Länder niemand. Die ganze süddeutsche Front - das hat mit der Auffassung von
({0})
Föderalismus und Zentralismus wirklich nichts zu tun - steht, soweit sie nicht dem britischen Besatzungsgebiet angehört, auf einheitlichem Boden. Von Hessen sind verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden.
Ich darf darauf hinweisen, daß Art. 75 Ziffer 3 des Grundgesetzes ausdrücklich mit der Absicht, es beim Jagdwesen bei einem Rahmengesetz zu lassen, seinerzeit so stipuliert worden ist, weil man sich gesagt hat, daß die Verhältnisse in den einzelnen Ländern und Jagdgebieten so unterschiedlich seien, daß man sie einfach nicht auf einen Nenner bringen könne.
Der Herr Kollege Ruhnke hat schon einiges zu technischen Dingen angeführt; ich brauche das nicht mehr zu wiederholen. Ich könnte an manches erinnern. Sie können doch die Hochgebirgsjagd nicht mit der Robbenjagd vergleichen!
({1})
- Sie können das unter keinen Umständen tun. Sie können auch die Mittelgebirgsjagd nicht mit der Hochgebirgsjagd vergleichen.
Ich habe einmal mit jemandem gesprochen, der sich da oben bewegt hat - es herrschen dort andere Naturverhältnisse als hier bei uns -, der hat doch da gesagt: Sie haben einen wunderbaren Gamsbart auf Ihrem Hut. - Der war in ganz Norddeutschland auf der Jagd. Ich habe ihn gefragt: Wo wächst denn überhaupt der Gamsbart? Am Barte wächst der Gamsbart, hat er gesagt. Ich habe darauf geantwortet: Sie wollen Jäger sein; der Gamsbart wächst am Rücken der Garns!
({2})
Sie sehen also, daß man hier schon genaue Kenntnisse der einzelnen Landesteile braucht, wenn man in den verschiedenen Landesteilen auf die Jagd gehen will.
({3})
- Das ist nicht so einfach.
Außerdem sind die klimatischen und sonstigen Naturverhältnisse - die Witterungsverhältnisse - durchaus verschieden. Hinzu kommen die Verschiedenheiten des Abschußplans. Sie können einen Abschußplan im Hochgebirge nicht so aufstellen wie einen Abschußplan im Flachlande.
({4})
Das muß jedem einleuchten. Wenn im Norden auf dem Gebiete der Jägerei eine solche Vernunft Platz griffe wie im Süden, dann wären wir sehr glücklich miteinander. Jeder soll das tun, was er für zweckmäßig erachtet.
Außerdem sind ja in Art. 72 des Grundgesetzes noch einige Grundsätze aufgeführt, die auch nicht außer acht gelassen werden können, nämlich Grundsätze darüber, unter welchen Gesichtspunkten man überhaupt hier zu einem Rahmengesetz kommen soll. Darin heißt es:
({5}) Der Bund hat in diesem Bereiche das Gesetzgebungsrecht, soweit ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, weil
1. eine Angelegenheit durch die Gesetzgebung einzelner Länder nicht wirksam geregelt werden kann . . .
In den meisten Ländern ist es schon wirksam geregelt. Dafür sind Beispiele vorhanden.
... oder
2. die Regelung einer Angelegenheit durch ein Landesgesetz die Interessen anderer Länder
oder der Gesamtheit beeinträchtigen könnte ...
Das trifft hier auch nicht zu.
... oder
3. die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, insbesondere die Wahrung der Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse über das Gebiet eines Landes hinaus sie erfordert.
Das trifft hier auch nicht zu, sondern die Lebensverhältnisse des Wildes erfordern eine eigene Behandlung in den einzelnen Ländern. So ist die Lage!
Das Bundesjagdgesetz ist kein Rahmengesetz mehr, sondern ein vollständiges Gesetz. Herr Kollege Ruhnke hat schon darauf hingewiesen, daß in dem Katalog alles aufgeführt ist. Das soll man doch den einzelnen Ländern überlassen. Lassen Sie doch die Verhältnisse so regeln, wie es der Bundesrat gesagt hat. Die Ländervertreter haben hier folgendes zum Ausdruck gebracht:
Angesichts der verfassungsmäßigen und rechtlichen Bedenken sowie der sachlichen und technischen Mängel, die der Entwurf des Bundesjagdgesetzes in seiner jetzigen Fassung aufweist, erscheint es wünschenswert, daß der Entwurf vor seiner Verabschiedung durch das Plenum des Bundestags zur Beratung an den Rechtsausschuß und gegebenenfalls zur nochmaligen Beratung an den Ernährungsausschuß des Bundestags verwiesen wird.
Sie werden kaum eine Zustimmung des Bundesrats zu dem Gesetz in der jetzigen Form finden.
({6})
Der Vermittlungsausschuß wird sowieso angerufen werden. Das können wir uns vielleicht aber ersparen, wenn wir den letzten Versuch machen, aus diesem Gesetzentwurf ein wirkliches Rahmengesetz zu machen.
Deswegen beantrage ich, den Gesetzentwurf zur nochmaligen Beratung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten - federführend - und gleichzeitig auch an den Rechtsausschuß des Bundestags zurückzuverweisen. Ich bitte Sie dringend, aus Gründen der Sachlichkeit und wegen der Notwendigkeit der regionalen Regelung durch die Ländergesetzgebung, diesem Antrag zuzustimmen.
({7})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmidt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedauere, den Anträgen meiner beiden Herren Vorredner widersprechen zu müssen. Wir haben seit dem Januar 1950 das Gesetz in Bearbeitung. Ich kann heute schon voraussagen, daß aus weiteren Beratungen im Ernährungsausschuß nichts, aber auch gar nichts herauskommen wird. Der Ernährungsausschuß ist in seiner überwiegenden Mehrheit der Auffassung, daß die jetzige Vorlage vernünftig und sachlich begründet ist.
Mich wundert es gar nicht, daß bei der Behandlung von Jagdfragen die Leidenschaften so sehr aufgewühlt werden, und wo die Jagdleidenschaften, insbesondere, wenn sie Jäger erfassen, zu Hause sind, da hört bekanntlich jede Vernunft und vor allen Dingen auch jede Einsicht auf.
({0})
({1})
Bevor ich auf Einzelheiten dieses Gesetzes eingehe, gestatten Sie mir vorweg einige Bemerkungen, und zwar deshalb, weil es einige Jagdverbände gerade in letzter Zeit für nötig befunden haben, sich Dinge zu leisten, die man nicht so ohne weiteres hinnehmen kann.
({2})
Man hat uns nicht nur in Briefen und Zeitungsartikeln, sondern auch in Reden darauf aufmerksam gemacht, wir hätten hier parteipolitischen Unverstand walten lassen, wir seien rückschrittliche Politiker und hätten das Wild zu einem Schacherobjekt der Wirtschaft gemacht;
({3})
darüber hinaus sei das jetzige Gesetz, die Vorlage Drucksache Nr. 3240, ein Rückschritt gegenüber dem Reichsjagdgesetz. Es kommt aber noch etwas Schlimmeres: Man hat uns vorgeworfen, mit der jetzigen Vorlage würde das Ansehen der deutschen Jäger im Ausland gefährdet.
({4})
Nun, meine Damen und Herren, was den parteipolitischen Unverstand anbelangt, so kann ich wohl sagen, daß die Meinungsverschiedenheiten quer durch alle Fraktionen gegangen sind.
({5})
Was das Ansehen der deutschen Jäger im Ausland anbelangt, so möchte ich den deutschen Jägern doch raten, das Vertrauen wiederzugewinnen, das sie bei den deutschen Bauern und Forstwirten verloren haben. Ich glaube, das ist wertvoller als das Vertrauen der deutschen Jäger im Ausland.
({6})
Wenn man die Vorlage betrachtet, dann ist man gezwungen, auf zwei Vorgänge in der neueren Geschichte näher einzugehen. Vor rund 100 Jahren gab es schon einmal ein Aufbegehren der Bauern gegen die übermäßige Wildhege und Jagdausübung. Damals entstand das neue Jagdrecht, und in seiner Auswirkung wurden die Rotwild- und auch die Schwarzwildbestände ganz erheblich reduziert. Wir haben zwar heute nicht die gleiche Situation, aber fest steht doch, daß wir in vielen Gebieten - im Harz, im Soiling, in der Eifel, im Sauerland und im Schwarzwald - eine ähnliche Situation haben wie damals.
Der zweite größere Vorgang, den man in der neueren Geschichte verzeichnen und beachten muß, ist das Reichsjagdgesetz vom Jahre 1934 mit all dem Quatsch, dem Unsinn von Kreisjägermeister, Gaujägermeister usw. mehr und dem ungeheuren Papierkrieg, der damit verbunden war. Ich muß mich mit dem Reichsjagdgesetz schon deshalb etwas auseinandersetzen, weil nicht nur das Bundesernährungsministerium in seiner Begründung der Drucksache Nr. 1813 damals gesagt hat, es sei ein gutes Gesetz gewesen, sondern weil auch einige Kollegen unter uns der Meinung sind, das alte Reichsjagdgesetz sei wesentlich besser als unsere jetzige Vorlage.
Nun, ich werde Ihnen das Gegenteil beweisen! Ich gebe zu: das Reichsjagdgesetz war ideal gedacht, und wenn man es nur unter rein jagdlichen Gesichtspunkten betrachtet, war es auch ein wirklich gutes Gesetz. Wenn Sie jetzt aber die Durchführung und die Auswirkungen dieses Reichsjagdgesetzes ansehen und beurteilen, dann müssen Sie feststellen, daß mit dem Reichsjagdgesetz der Rückschritt in Deutschland eingeführt worden Ist, der durch die ungeheuer verheerenden Folgen in der Landeskultur gekennzeichnet ist.
({7})
Ich weiß, woran das lag. Das lag daran, daß die Jägerschaft, als allein interessierte, die absoluten Vollmachten in der Behandlung des Wildbestandes hatte und die Landeskultur keinen Einfluß auf die Ausübung der Jagd gehabt hat.
({8})
Die Folgen dieses Reichsjagdgesetzes oder seiner Durchführung waren doch die beträchtlichen Zunahmen der Rotwildbestände in Gebieten, wo sie früher überhaupt nicht gewesen waren, insbesondere aber auch der Schwarzwildbestände. Und das alles, obwohl ein Abschußplan und eine Buchführung für den Abschußplan vorgeschrieben waren. Damit steht doch fest, daß dieser Abschußplan zu einer Schwindelangelegenheit geworden war. Vor allen Dingen hatte man auch das Vermehrungspotential des Wildes unterschätzt. Die Folgen der übermäßigen Zunahme waren grauenhafte Schäl- und Verbifischäden in den Wäldern. Dic Höhe dieser Schäden in unseren Wäldern ist
kaum feststellbar. Man schätzt sie auf 100 bis 200 Millionen Mark jährlich. Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, daß z. B. im normalen Wald im Bundesgebiet im Durchschnitt eine Zuwachsminderung von einem Festmeter pro Jahr und Hektar eintritt bei einem Gesamtzuwachs von 4 bis 5 Festmetern. Ein erheblicher Prozentsatz geht also auf diese Art und Weise verloren.
Es interessiert uns hier die Frage, warum man bisher vor allem im Staatsforst keine Erhebungen über den Schaden angestellt hat. Ich weiß, wenn man den Schaden feststellen würde, dann käme man zu Erkenntnissen, die Veranlassung geben würden, Maßnahmen zur Bekämpfung der übermäßigen Rot- und Schwarzwildbestände einzuleiten. Es wäre meines Erachtens eine Aufgabe der Landtage, einmal in diese Dinge hineinzuleuchten. Ich könnte mir vorstellen, daß sogar die Finanz-und Wirtschaftsminister der Länder an diesen Dingen außerordentlich interessiert sind. Die Aufwendungen zur Verhütung der Schäden in den Forsten finden Sie doch immer in den Ausgaben für Kulturkosten enthalten. Sie können also niemals erkennen, was eigentliche Kulturkosten in unseren Forsten sind und was Kosten für die Verhütung von Wildschäden sind. In der Feldflur sieht es ähnlich aus. Auch hier haben wir die Schäden im größten Ausmaß zu verzeichnen. Es war höchste Zeit, daß auch die Schadenersatzfrage eindeutig und klarer geregelt wurde, als es beim Reichsjagd-gesetz der Fall war.
Die Vorlage, die uns die Regierung in der Drucksache Nr. 1813 vorgelegt hat, hat ganz erhebliche Veränderungen erfahren. Praktisch gesehen sind nur 5 Paragraphen unverändert geblieben. Daraus mögen Sie ersehen, daß der Ernährungsausschuß und sein Unterausschuß ein erhebliches Stück Arbeit daran geleistet haben. Was war unsere Aufgabe? Unsere Aufgabe, unser Ziel war, das Gleichgewicht der Kräfte wiederherzustellen. Wir waren bemüht, den Haushalt der Natur wieder in Ordnung zu bringen. Niemand von uns hat daran gedacht, ein sinnloses Abschlachten des Wildes zu verlangen. Jeder von uns sieht ein Stück Wild gern. Jeder ist daran interessiert, daß das Wild nicht ganz von der Bildfläche verschwindet. Aber wir sind andererseits auch daran interessiert, einen gesunden Wald wachsen zu sehen. Wir wissen, daß
({9})
das Wild ein Bestandteil der Natur ist und daß es die Aufgabe war, ein tragbares Verhältnis zwischen Wald, Landwirtschaft und Wildbestand zu schaffen. Ich weiß, daß die Wiederherstellung des biologischen Gleichgewichts der Natur nicht ganz leicht ist und daß wir noch andere Aufgaben bewältigen müssen, um es wiederherzustellen.
Die Vorlage ist ein Kompromiß. Ich selbst habe versucht - das wissen die Mitglieder des Ausschusses -, die Interessen der Land- und Forstwirtschaft allein in den Vordergrund zu stellen.
({10})
Ich habe mich bemüht, hier die Dinge klarer zu fassen, als sie gefaßt sind. Wenn dies auch nicht überall gelungen sein mag, so muß ich Ihnen dennoch empfehlen, dieser Vorlage zuzustimmen, einfach deshalb, weil die Kompromisse von jedermann, der es ernst nimmt, zu vertreten sind und vertreten werden können. Meine Fraktion wird daher als Fraktion keine Änderungsanträge stellen. Wir werden dem Gesetz zustimmen. Wir sehen in der Vorlage einen unverkennbaren Fortschritt gegenüber dem Reichsjagdgesetz.
Ich will hier auf die einzelnen Paragraphen nicht näher eingehen. Es wäre besonders der § 1 zu erörtern, ebenfalls der § 9 über die Jagdgenossenschaft. Sehr wichtig scheinen mir auch die §§ 21 und 37 zu sein, und nur dazu gestatten Sie mir einige Bemerkungen. Es geht hier um die Abschußregelung. Die jetzige Formulierung halte ich im Gegensatz zu meinem Kollegen Ruhnke für annehmbar, und zwar deshalb, weil die eigentlichen Jagdberechtigten, nämlich die Eigentümer an Grund und Boden, an dem Abschuß beteiligt werden, was früher nie der Fall war. Früher wurde der Abschußplan durch einen Kreisbeauftragten, durch einen Kreisjägermeister festgelegt. Jetzt endlich haben die Bauern das Recht, sich an der Aufstellung des Abschußplans zu beteiligen. Es bedarf der freien Vereinbarung zwischen dem Pächter und dem Bauern. Ich glaube, das wird nicht zum Schaden des Wildes sein. Im Gegenteil, ich bin felsenfest davon überzeugt, daß das zum Nutzen aller sein wird.
Die Wildschadensregelung hätte ich persönlich mir etwas einfacher und besser vorstellen können. Wir haben aber immerhin erreicht, daß das Verfahren besser geworden ist. Wir haben weiter erreicht, daß es hier kein Ausweichen durch die Jagdpächter mehr gibt.
Ich habe schon gesagt: die Vorlage ist das Beste, was in der Gegenwart zu erreichen gewesen ist. Das Gesamturteil darüber müßte als durchaus gut zu bezeichnen sein.
({11})
Ich darf zum Schluß einen Appell an die Beteiligten richten. An die Jägerschaft möchte ich die Bitte richten, sich in ihren Forderungen Mäßigung und Begrenzung aufzuerlegen.
({12})
Jagen heißt auch Verzichtenkönnen, und die Jäger sollten auf ihre früheren Vorteile im Interesse der Allgemeinheit verzichten. Eine weitere Bitte an die Land- und Forstwirtschaft: Die Land- und Forstwirtschaft sollte ihre Chancen, die in diesem Gesetz liegen, nützen. Sie sollte sich ihr Recht suchen. Sie sollte dafür Sorge tragen, daß die Jagdvorstände möglichst bald gewählt werden und dann auch funktionieren, daß die Abschußregelung im Sinne der Allgemeinheit getroffen wird und
daß sie auch bei der Bildung des Jagdbeirats ihre Gesichtspunkte zur Geltung bringen kann.
Die letzte Bitte richte ich an die Länder, und zwar deshalb, weil die Länder die Durchführung und die Ausfüllung des Rahmengesetzes als Aufgabe haben. Ich möchte sie bitten, nicht wieder Institutionen zu schaffen, die in der Vergangenheit schon einmal bestanden haben.
({13})
Was ihren Forstbereich anlangt, so möchte ich sie bitten, für eine Verringerung der ungeheuren Rotwildbestände Sorge zu tragen und ebenso im Kampf gegen das Schwarzwild führend zu sein. Sie sollten nicht nur den Jägern Gehör schenken - was leider oft der Fall ist -, sondern sie sollten auch nicht die Flüche und Verwünschungen der Bauern und Landwirte überhören, die von den durch das Rot- und Schwarzwild angerichteten Schäden betroffen werden.
({14})
Ich weiß, daß das Rotwild und Schwarzwild außerordentlich schwer zu jagen ist und daß es eine wirkliche Anstrengung des Jägers ist. ein Stück zu erlegen. Aber ich bin der Meinung, hier sollte man keine Mühe und Kosten scheuen, und ich bin der Überzeugung, daß das hundertfältig zurückgegeben wird.
Mein letzter Appell geht an das Hohe Haus, diesem Gesetz nach Möglichkeit einstimmig zuzustimmen. Denken Sie immer daran, daß Deutschland zwei Kriege verloren hat und daß wir ein armes Deutschland sind.
({15})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gibbert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es angebracht ist und Aussicht auf Erfolg hat, sich mit den beiden ersten bayerischen Rednern auseinanderzusetzen.
({0})
--- Die beiden ersten bayerischen Redner! - Die Gedanken, die hier vorgetragen worden sind, sind nicht neu. Sie sind mehrfach hin- und hergewälzt worden; aber ich kann den Bayern zu ihrer tröstlichen Beruhigung sagen, daß auch im Bundesjagdgesetz der bayerische Löwe nicht in den Katalog der jagdbaren Tiere aufgenommen worden ist.
({1})
Für die CDU habe ich zu erklären, daß wir dem Bundesjagdgesetz in der Fassung der zweiten Lesung unsere Zustimmung geben werden. Ich gebe dabei der Hoffnung Ausdruck, daß dieses Gesetz mit dazu beitragen wird, das jahrelange jagdliche Interregnum zu beendigen, das nicht nur der Jagd, sondern auch besonders der deutschen Land- und Forstwirtschaft so schwere Wunden geschlagen hat. Weiter gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß diese bundeseinheitliche Regelung des Jagdrechts in den Grundsatzfragen einen Rückfall in größte jagdrechtliche Verschiedenheiten in den einzelnen Ländern verhindert, wie wir sie vor dem Bundesjagdgesetz hatten und wie sie damals der Jagd unermeßlichen Schaden zugefügt haben. Wir schaffen also tatsächlich mit diesem Gesetz einen Rahmen für die jagdrechtliche Entwicklung in den Ländern.
Sicherlich, Herr Kollege Schmidt, wir wissen auch, daß der Gesetzentwurf ein Kompromiß ist. Wenn wir trotz der scharfen Kritik, die von allen
({2})
Seiten geübt wird, diesem Kompromiß unsere Zustimmung geben, dann weiß ich, daß wir uns über die Mängel, die ein Kompromiß an sich hat, hinwegsetzen müssen.
Es handelt sich übrigens nur um einen Kompromiß scheinbar unvereinbarer Gegensätzlichkeiten von Forderungen derjenigen, die einer Erhaltung und Hege des Wildes das Wort reden, und derjenigen, die die besonderen Forderungen von Land- und Forstwirtschaft und ihren Schutz vor Wildschaden betonen und verfechten. Es ist zweifellos ein unbefriedigender Kompromiß insofern, als überspitzte Forderungen auf übertriebene Hege oder auf übertriebenen Abschuß nicht erfüllt werden. Insofern aber ist es ein befriedigender Kompromiß, als die vernünftigen Forderungen in dieser Beziehung zu ihrem Recht kommen.
Wir sind davon überzeugt, daß 'den berechtigten Forderungen von Land- und Forstwirtschaft, die von den Vorrednern stark herausgestellt worden sind - Schutz vor Wildschäden -, Rechnung getragen und daß der Vorrang der Landeskultur in diesem Gesetz absolut gesichert und garantiert ist. Wir wollen nur hoffen und wünschen und fordern auch seitens der Land- und Forstwirtschaft, daß das Gesetz in ,diesem Sinne gehandhabt und ausgelegt wird.
Die Frage der Wildschäden hat bei der Diskussion dieses Gesetzes eine berechtigt große Rolle gespielt. Das Gewicht der Argumente der Land-und Forstwirtschaft war um so schwerer, als die Wildschäden in der Vergangenheit abnorm hoch waren. Damit ist nicht gesagt, daß diese Fragen heute geklärt und die Verhältnisse zufriedenstellend wären. Nach wie vor hören wir Klagen in dieser Beziehung, und ich darf sagen, daß kürzlich in diesem Hohen Hause auf eine Frage meines Kollegen Junglas, die diese Angelegenheit betraf, von dem Finanzministerium eine vollkommen unbefriedigende Antwort in bezug auf Ersatz des Wildschadens in den Besatzungsjagden gegeben werden ist. Die Schuld an diesen Verhältnissen liegt aber nicht in Ursachen, die wir zu vertreten haben, oder vielleicht in der falschen Fassung der Länderjagdgesetze; sie liegt eben an dem bisher bestehenden Jagdverbot für deutsche Jäger und an der Tatsache, daß die paar Lizenzträger und Jagdkommandos das Schadenwild nicht kleinhalten konnten. Daher die starke Vermehrung des Schwarzwildes und die Schäden in der Landwirtschaft und daher die starke Vermehrung des Rotwildes und 'die Schäden in der Forstwirtschaft! Die Wiederausübung der Jagd durch deutsche Jäger hat schon eine merkliche Besserung gebracht und wird in Bälde wieder normale Verhältnisse schaffen. Da aber, wo künftig ausländische Jäger jagdberechtigt sind, sind bei der künftigen Regelung deren jagdrechtliche Verhältnisse so zu regeln, daß sie dem deutschen Jagdrecht unterstehen und daß sie bei gleichen Rechten, so wie das ja nun Gott sei Dank im Generalvertrag vorgesehen ist, auch die gleichen Pflichten haben, daß sie also ebenso wie die deutschen Jäger verpflichtet sind, in ihren Revieren Wildschaden zu bezahlen.
In das Gesetz sind zu unserer Befriedigung und durchaus im Einklang mit den Interessen der Landeskultur Hegerecht und Hegepflicht eingebaut. Beide bilden einen wesentlichen Bestandteil des Gesetzes, und das ist gut so. Die Erhaltung des Wildes - auch darauf ist schon hingewiesen worden - ist ein Gesamtanliegen des Volkes, das einen Anspruch auf Erhaltung dieses Kulturgutes hat, nachdem soviele Kulturgüter leider bei uns verlorengegangen sind. Es hat Anspruch auf die Freude an dem lebenden Wild, soweit es nicht völlig materialistisch geworden ist und sich überhaupt noch an der Natur freuen kann und freuen will. Aber denjenigen, die mehr materiell denken, sei gesagt, daß die Jagd durch das Wildpret, durch die Pachterträge, durch die Steuern und Abgaben und durch die Aufträge an Handel und Industrie auch sehr große materielle Vorteile bietet. Nun ist es eine Selbstverständlichkeit, daß bei den besonderen Verhältnissen in der Bundesrepublik - denken Sie an die Bevölkerungsdichte, denken Sie an den starken Verkehr, denken Sie an das Vordringen der Industrie aufs Land, denken Sie an die Intensität unserer Land- und Fortstwirtschaft - besondere Hegemaßnahmen notwendig sind, anders als in den großen Gebieten Amerikas. Hier nun gehen die Meinungen auseinander. Dem einen gehen die vorgesehenen Hegemaßnahmen zu weit; dem andern genügen sie nicht. Wir glauben, daß die notwendigen und vertretbaren Maßnahmen im Rahmen des Möglichen in das Gesetz eingebaut sind.
Zu dem meistumstrittenen § 21 in Verbindung mit § 37 nur folgendes. Man mag ihn formulieren, wie man will, und mag mit der Festsetzung, Kontrolle und Aufsicht beauftragen, wen man will - ich glaube ja, daß sich der Bundesrat mit diesem Paragraphen noch befassen wird -: im guten Sinne wird sich der Abschußplan nur auswirken, wenn er im guten Sinne angewendet wird, wenn in den Wildbeständen mit der Büchse wirklich Auslese gehalten wird und Überbestände wirklich reduziert werden, wenn aber auch dort, wo Wildarten im Bestand bedroht sind, der Finger geradegehalten wird. Hier die den Verhältnissen entsprechende richtige Entscheidung zu treffen und den Paragraphen allen berechtigten Interessen dienstbar zu machen, ist dankbare, aber nicht leichte Aufgabe der dazu berufenen Personen.
Schließlich verpflichtet das Gesetz - und das befriedigt uns besonders - den Jagdausübungsberechtigten zur Waidgerechtigkeit. Es ist hier schon gesagt worden: dieser Begriff hat nichts mit einer verschwommenen Romantik, mit Uniform und Hörnerklang zu tun; es ist eine Verpflichtung zur Sauberkeit in der Gesinnung und Haltung dem wehrlosen Wild gegenüber, auch und gerade dann, wenn die Waffe gegen dieses Wild gebraucht wird; es ist eine Verpflichtung zur Respektierung des Wildes als eines Geschöpfes des Schöpfers. Liegt auch hier - das soll nicht verschwiegen sein - eine wesentliche Erziehungsaufgabe der Jagdverbände vor, so müssen doch im Gesetz die Grundlagen gelegt werden, und sie sind gelegt. Große Vergehen sind in den einzelnen Paragraphen verboten und mit scharfen Strafen bedroht. Eine unmenschliche Behandlung des wehrlosen Wildes - man denke an den Abschuß führender Stücke oder an Schlingenstellen durch jagdunwürdige Schießer und Fleischhyänen - soll durch die entsprechenden Bestimmungen des Gesetzes verhindert oder zumindest gesühnt werden.
Meine Damen und Herren, die Forderungen, die nach unserer Auffassung an Formulierung und Zielsetzungen des Gesetzes zu stellen sind, sind unseres Erachtens im Rahmen des Möglichen erfüllt. Neue Anträge und eine neue Behandlung im Ausschuß können das Gesetz noch unserer Auffassung nicht verbessern, höchstens verschlechtern. Wir stimmen deshalb dieser Fassung zu und hoffen,
({3})
daß wir mit diesem Gesetz dem deutschen Volke
deutsches Wild und deutsches Waidwerk erhalten.
({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fassbender.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, bloß ein paar kurze Worte. Ich will mich hier nicht mit Herrn Ruhnke auseinandersetzen, der uns über ausgestorbene Tierarten unterrichtet hat; ich möchte auch nicht wie Herr Kollege Horlacher auf Gamsbärte und dergleichen oder auf die Bauernkriege des Herrn Schmidt zurückkommen. Aus all den Dingen, die hier vorgetragen worden sind, werden Sie ersehen haben, wie außerordentlich schwierig das Problem ist, hier beiden Kontrahenten, den Jägern auf der einen Seite und dem Landvolk auf der andern Seite, gerecht zu werden. Über ein Jahr lang haben wir im Unterausschuß und im Ausschuß um die Dinge gerungen. Wir sind zu einem Kompromiß gekommen. Wir geben zu, daß es ein Kompromiß ist; aber ich glaube sagen zu dürfen, wenn man genau abwägt, kein schlechter Kompromiß.
Ich bitte Sie, diesem Gesetz zuzustimmen, so wie es im Ausschuß verabschiedet ist. Überweisen Sie es nicht zurück an neue Ausschüsse. Das gibt reue Verwirrungen. Machen Sie endlich Schluß! Machen Sie auch Schluß mit den sehr unterschiedlichen Ländergesetzen! Ich darf darauf hinweisen, daß es Ländergesetze gibt, deren einzelne Paragraphen, davon bin ich überzeugt, einer Nachprüfung, ob sie dem Grundgesetz der Bundesrepublik in allem entsprechen, nicht standhalten würden. Ich darf darauf hinweisen, um Neugierige zu warnen,
({0})
die nicht in diesem Hause sitzen, die aber außerhalb dieses Hauses versuchen, an den Dingen zu drehen.
Wir wollen mit diesem ganzen Dilemma Schluß machen. Nehmen Sie das Jagdgesetz so an, wie der Ausschuß es Ihnen vorlegt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Eichner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FU schließt sich der Auffassung des Kollegen Horlacher hundertprozentig an.
({0})
Ich möchte darauf verweisen, daß wir zu Beginn der Beratungen seinerzeit ausdrücklich bemerkt haben, daß wir ein Bundesgesetz nicht brauchen, da wir in den verschiedenen Ländern bereits gute Jagdgesetze haben.
Und nun ein Wort über den Begriff des Rahmengesetzes. Es hat anfangs geheißen, es solle ein Rahmengesetz werden. Ich stelle aber fest, daß es bereits weit über den Begriff eines Rahmengesetzes hinausgewachsen ist.
({1})
Wenn vielleicht dieses oder jenes Land noch kein solches Gesetz hat, so soll es sich dem Vorbild und Beispiel des
({2}) bayerischen Jagdgesetzes anschließen.
({3})
Im übrigen hat es sich in den Beratungen immer
wieder gezeigt, daß die Verhältnisse so individuell
gelagert sind, daß man ein allgemeines Gesetz überhaupt nicht schaffen kann. Ich erinnere an den Ausspruch - wenn er gemacht worden ist - unseres verehrten Landwirtschaftsministers Niklas, die Jägerschaft lehne das Gesetz als zu jagdfeindlich ab, während die Land- und Forstwirtschaft es als Wildschutzgesetz betrachte. Und wenn ich recht gehört habe, so sagte er, es müsse dann etwas Gutes werden, weil es ein Gesetz der Mitte werde.
Wir sind - ich möchte das noch einmal betonen - für die Rückverweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten federführend
({4})
und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf ist draußen nicht nur auf den Widerstand reaktionärer Kreise gestoßen,
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sondern es sind auch fortschrittliche Kreise, die sich gegen diesen Entwurf wenden.
So sehr wir es auch begrüßen, daß als Mindestgröße für landwirtschaftliche Jagdbezirke 150 Hektar gegenüber früher 250 Hektar festgelegt wurden, so lehnen wir doch die Mindestpachtdauer von 9 Jahren ab. Wir lehnen es auch ab, daß die Länder die Möglichkeit haben sollen, diese Grenze noch nach oben zu verschieben. Wir sind der Meinung, daß das Privileg zur Jagd nicht nur einer kleinen Schicht vorbehalten sein darf, sondern daß alle jene Menschen jagen sollen, die an einer sachgemäßen Jagd interessiert sind. Wir wissen, daß großgrundherrliche Jagdkreise daran interessiert sind, ihr altes Privileg in dem neuen Jagdgesetz wieder aufzurichten. Wir fordern, daß die Höchstgrenze für gemeinschaftliche Jagdbezirke bei 150 Hektar verbleibt. Wir fordern die Herabsetzung der Mindestpachtdauer von 9 Jahren auf 3 Jahre. Das Jagdausübungsrecht darf dem Großgrundbesitzer auf seinem Boden nur insoweit gewährt werden, als seine Ausdehnung 150 Hektar nicht übersteigt. Wir sind dagegen, daß Inhaber des Jagdrechtes nur sein darf, wer bereits 3 Jahre die Jagd ausgeübt hat oder eine Jagdscheinberechtigung hat. Der neue Jagdinhaber darf nach unserer Auffassung gegenüber den alten nicht schlechter gestellt werden.
Besonders wenden wir uns aber gegen den § 15 Abs. 5: „Bei der Erteilung von Ausländerjagdscheinen können Ausnahmen zugelassen werden." Welchen Grund haben wir, Ausländern größeres Recht zu geben als deutschen Bürgern?
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Sollen die Ausländer besser behandelt werden als wir Deutsche? Wir sind deshalb für die Streichung dieses Satzes, um so mehr, als uns laut Generalvertrag jede Jagdhoheit genommen ist.
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- Durch Ihr Lachen zeigen Sie nur, daß Sie noch
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nicht einmal den Generalvertrag studiert haben! - Wie die Auswirkung aussieht, zeigt uns am besten Rheinland-Pfalz,
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wo die Franzosen ein Gebiet in der Größe von mehr als einer halben Million Hektar als ihr Jagdgebiet betrachten, so daß ein Deutscher in diesem Gebiet überhaupt kein Recht hat.
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Wir fordern des weiteren die Streichung der Wildkaninchen von der Liste der jagdbaren Tiere. Die Wildkaninchen sind in einer solchen Anzahl vorhanden, daß es jedem Bauern gestattet sein muß, den Kampf gegen die Wildkaninchen zu führen. Ein Jagdschein oder eine Erlaubnis zum Jagen von Wildkaninchen ist deshalb nicht notwendig.
Weiterhin meinen wir, in § 13 Satz 2 sollte hinzugefügt werden: „soweit es sich nicht um Strafen politischer Natur handelt".
Ferner verlangen wir eine Sicherung dafür, daß,
wenn der Ertrag einer genossenschaftlichen Jagd bisher zugunsten der Gemeinde verwendet wurde, es auch in Zukunft dabei bleibt. Nach unserer Auffassung darf der Abschluß von Pachtverträgen nur mit dem Bodenbesitzer, dem Bauern, auf freiwilliger Basis nach Übereinkunft erfolgen.
Nach dem Entwurf sollen zur Unterstützung der zuständigen Jagdbehörden die Verbände der Jäger und die berufsständischen Organisationen hinzugezogen werden. Wir sind der Ansicht, daß man auch die Gemeinden hinzuziehen muß. Wir fordern die Einbeziehung der Gemeinden, damit sie die Möglichkeit haben, in allen diesen Fragen ein entscheidendes Wort mitzuprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Die Fraktion der Deutschen Partei versteht die Bedenken der Jäger, der Bauern und auch der Länder gegenüber dem vorliegenden Gesetzentwurf; aber sie weiß, daß Forderungen und Wünsche niemals hundertprozentig zu erfüllen sind. Sie ist mit diesem Gesetz einverstanden. Dem Kompromiß, der hier getroffen ist, werden wir zustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Aussprache geschlossen.
Wir kommen nun zur Einzelberatung. Da Änderungsanträge zu einzelnen Paragraphen nicht gestellt sind, bin ich auch nicht in der Lage, einzelne Paragraphen zur besonderen Einzelaussprache aufzurufen.
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- Das ist kein Änderungsantrag; ein Überweisungsantrag ist wieder etwas anderes. - Ich rufe also keine Einzelparagraphen, sondern die §§ 1 bis 46, Einleitung und Überschrift auf.
Es ist nun zunächst ein Antrag auf Rücküberweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und an den Rechtsausschuß von den Abgeordneten Ruhnke und Horlacher gestellt. Zunächst muß ich in der dritten Beratung feststellen, ob dieser Antrag von der notwendigen Zahl von Abgeordneten unterstützt wird. Ich bitte diejenigen, die den Antrag Ruhnke, Horlacher unterstützen, eine Hand zu erheben. - Das sind mehr als 15 Mitglieder.
Deshalb wird zunächst der Rücküberweisungsantrag zur Abstimmung gestellt. Ich möchte heute nicht die Frage präjudizieren, ob in der dritten Beratung eine Rücküberweisung möglich ist. 82 der Geschäftsordnung sieht es nicht vor; aber es ist wiederholt gemacht worden. Ohne daß diese Frage also präjudizierend entschieden werden soll, frage ich jetzt das Haus, ob es die Rücküberweisung an die eben genannten Ausschüsse wünscht. Ich bitte diejenigen, die für die Rücküberweisung sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({1})
Ich bin leider nicht in der Lage, das Stimmenverhältnis klar zu beurteilen. Wir müsen Auszählung durch Hammelsprung vornehmen. Es handelt sich also um die Frage der Rücküberweisung an den Agrarausschuß und den Rechtsausschuß. Wer für die Rücküberweisung ist, stimmt mit Ja.
Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, ihre Plätze an den Türen einzunehmen. Die Mitglieder des Hauses bitte ich, den Saal schnellstens zu verlassen.
({2}) Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen. ({3})
Die Abstimmung ist beendet. Ich bitte, die Türen
zu schließen.
Meine Damen und Herren, das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes. Mit Ja haben 92, mit Nein 164 Abgeordnete gestimmt; 5 haben sich enthalten. Der Antrag auf Rücküberweisung ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den vorliegenden Entwurf. Aufgerufen habe ich bereits §§ 1 bis 46, Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Die aufgerufenen Paragraphen, die Einleitung und Überschrift sind angenommen.
Ich bitte nun diejenigen Abgeordneten des Hauses, die in der Schlußabstimmung dem Gesetzentwurf als ganzem zustimmen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist in dritter Beratung angenommen.
Ich rufe Punkt 12 der Tagesordnung auf: Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({4}).
- Das Wort dazu ist nicht gewünscht. Ich bitte diejenigen, die der Vorlage zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Die Überweisung ist beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich habe noch bekanntzugeben, daß die Abgeordneten geheten werden, vor Verlassen des Hauses ihre Fächer im Tagungsbüro zu entleeren. Darin befinden sich die Tagesordnungen für die nächsten Plenarsitzungen sowie der Wochenplan.
Damit, meine Damen und Herren, stehen wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Die nächste, die 217. Sitzung des Deutschen Bundestages findet am Dienstag, dem 10. Juni 1952, 13 Uhr 30, statt.
Die 216. Sitzung ist geschlossen.