Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren Ich eröffne die 210. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für drei Tage - 9., 14. und 15. Mai - dem Abgeordneten Dr. Friedensburg.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Wellhausen, Imig, Dr. Nölting, Jahn, Wagner, Lausen, Vesper, Agatz, Dr. Doris und Fassbender.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Verkehr hat unter dem 18. April 1952 die Kleine Anfrage Nr. 259 der Abgeordneten Mellies und Genossen betreffend Eisenbahn-Ausbesserungswerk Paderborn Hauptbahnhof ({0}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3353 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren! Wir fahren fort in der
zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich ({1}).
Gestern ist die Beratung bis § 314 gediehen.
Wir kommen zu § 315. Dazu liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD Umdruck
Nr. 492 Ziffer 22 vor. Wer wünscht, den Antrag zu
begründen? - Herr Abgeordneter Heiland, bitte!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit dem § 315 des Gesetzes kommen wir an einen neuralgischen Punkt des Lastenausgleichs schlechthin. Wenn die 250 Millionen DM mit
diesem Paragraphen durch die öffentliche Hand der Einnahmeseite dieses Gesetzes zugute gebracht werden sollen, fragt man sich, ob die deutsche Sprache noch einen Sinn hat. Denn das Wort „Lastenausgleich" soll doch wohl sagen, daß die Lasten des Krieges von denen ausgeglichen werden sollen, die bisher an den Kriegslasten nicht teilgehabt haben. Es soll also eine echte Vermögensumschichtung auf die Seite derer durchgeführt werden, die bisher die Lasten des Krieges allein getragen haben.
Aber es sind ja nicht nur diese 250 Millionen DM, die durch die öffentliche Hand zum Lastenausgleich beigesteuert werden. Die kommunalen Spitzenverbände haben sich eine eingehende Arbeit gemacht und beweisen, daß außer diesen 250 Millionen DM, die nach § 315 durch die öffentliche Hand, nämlich durch den Bund, die Länder und die Gemeinden, aufgebracht werden sollen, durch den Fortfall der bisherigen Vermögensteuer den Ländern ein Ausfall von 250 Millionen DM entsteht, durch Aufbringung der Teuerungszulage 160 Millionen DM, durch Anrechnung eines Drittels der neuen Vermögensteuer bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer ein Ausfall von 180 Millionen DM, durch Belastung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens der Länder und Gemeinden 120 Millionen DM und durch Aufbringung der Verwaltungskosten auf der Länder- und Gemeindeebene 100 Millionen DM. Das ist zusammen eine ganze Milliarde, die durch die öffentliche Hand von den gut 2 Milliarden des Lastenausgleichsaufkommens überhaupt aufgebracht werden muß; davon entfallen auf die Länder und Gemeinden allein 670 Millionen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, die Richtigkeit dessen, was die Spitzenverbände der Kommunen schon häufiger gesagt haben, nämlich, daß sich diese Bundestagsmehrheit das Prädikat verdient hat, kommunalfeindlich zu sein, dürfte damit bewiesen sein.
({0})
Wir sollten aber auch noch bedenken, daß der Herr Kollege Kunze - ich bedaure es außerordentlich, daß er nicht anwesend ist ({1})
dieser Tage in der Debatte ein sehr häßliches Wort gesprochen hat. Herr Kunze hat folgenden Satz gesprochen: „Die Gemeinden haben die Leute nach Bethel abgeschoben." Wenn die Flüchtlinge nach 1945 auf die Mildtätigkeit von Bethel allein angewiesen gewesen wären, dann hätten sie ein sehr trauriges Schicksal vor sich gehabt.
({2})
Wenn sich die Gemeinden nicht mit ihrer ganzen Kraft hinter die Flüchtlinge gestellt hätten, dann wäre die Aufgabe gar nicht lösbar gewesen.
({3})
- Ich habe ein Wort des Herrn Kollegen Kunze zitiert.
({4})
- Dann sollte Herr Kollege Kunze seine Worte etwas vorsichtiger wählen.
({5})
- Es ist nur komisch, daß Sie immer so nervös werden, wenn mal °irgend etwas von Ihnen zitiert wird.
({6})
- Na ja, dann warten Sie es doch erst mal ab. Herr
Kunze hat sogar noch einen zweiten Halbsatz zu({7})
gefügt; er hat gesagt: „wenn sie nicht fertig geworden sind". Daß das Problem der Flüchtlinge in den ersten Krisentagen überhaupt lösbar war, war doch nur durch den selbstlosen Einsatz der Kommunen möglich.
Dazu ist noch einmal zu sagen, daß dieser Bundestag, wenn es darum geht, wirklich Bundeslasten zu tragen, nämlich die Kriegsfolgelasten, die ja nach dem Grundgesetz eine Bundeslast sind, immer wieder den Ausweg sucht, in die Kommunen und Länder auszuweichen. Ich brauche an das Beispiel des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes nicht noch besonders zu erinnern.
Es stellt sich wirklich die Frage, ob wir es hier mit einem echten Lastenausgleich zu tun haben oder ob hier nicht doch ein Kriegsschädensteuergesetz verabschiedet wird und die Lasten, die von den bisher vom Krieg nicht Betroffenen aufgebracht werden sollen, durch dieses Gesetz nicht noch letzten Endes auf die öffentlichen Haushalte und damit auf die Menschen verlagert werden, die zum Teil einen Anspruch an dieses Gesetz haben.
Es ist doch ein nicht zu bestreitender Tatbestand, daß die Flüchtlinge, die Kriegsgeschädigten und die Kriegsbeschädigten, vor allen Dingen in den dicht besetzten Gebieten an der Ruhr und in den Großstädten, zu diesem Ausgleich - nämlich über die öffentlichen Haushalte - zu einem sehr erheblichen Teil herangezogen werden; d. h. das, was sie nach diesem Gesetz auf lange Zeit bekommen sollen, müssen sie erst einmal selbst in Form von Steuern einzahlen.
({8})
Es ist wirklich zu fragen, ob wir mit diesem Gesetz das Problem, das uns durch den Ausgang des Krieges hinterlassen worden ist, zu einer gerechten Lösung geführt haben. Ich hatte Gelegenheit, am 1. Mai im Fuldaer Dom ein wirklich gutes Plakat zu sehen, und ich würde Ihnen empfehlen, sich dieses Plakat auch einmal anzusehen. Man könnte fast glauben, es sei für diese Debatte gemacht. Im Fuldaer Dom hängt ein Plakat des heiligen Sankt Martin, das zeigt, wie er seinen Mantel teilt, und darauf stehen zwei Worte - diese zwei Worte sollten ein Programm sein -, nämlich: Helft! Teilt! Von dieser Teilungsbereitschaft haben wir hier bei den Besitzenden, die Herr Atzenroth als der sogenannte Wirtschaftssachverständige in diesem Ausschuß vertreten hat, nichts gespürt.
({9})
- Herr Kollege Pelster, Ihr Abwinken beweist, daß Sie anscheinend die letzte Konsequenz nicht ziehen, daß Sie, wenn es wirklich einmal an die Grundlagen der christlichen Ethik und der christlichen Lehre herangeht, dann nicht den Mut haben, bis zum letzten zu gehen.
({10})
- Herr Pelster, ich will Ihnen mal eins sagen: Christentum kann man nicht nur damit beweisen, daß man das Wort sehr oft und sehr laut in den Mund nimmt, sondern Christentum soll man damit beweisen, daß man nach diesen sittlichen Grundsätzen lebt!
({11})
- Bin ich mit Ihnen einer Meinung, Herr Kollege Schütz!
({12})
- Ach, Herr Pelster, ich scheine den wunden Punkt bei Ihnen getroffen zu haben!
({13})
- Das hätte ich gern etwas deutlicher verstanden; Sie können sich darauf verlassen, daß ich Ihnen die Antwort nicht schuldig bleibe!
Aber ich will zum Lastenausgleich auch noch etwas anderes sagen. Die Bestimmungen des § 315 werden in der Vorlage damit begründet, daß ein Teil der Fürsorgeaufwendungen der Gemeinden in Zukunft wegfalle. Ich frage: haben die Gemeinden nicht schon durch den Flüchtlingsstrom und durch die Bombenschäden erhebliche zusätzliche Lasten auf sich genommen? Führen sie nicht praktisch bereits einen Lastenausgleich durch? Wer trägt denn die Lasten des Schulbaues für die hinzugekommenen Kinder? Nehmen nicht die Vertriebenen und nehmen nicht auch die Bombengeschädigten in den Gemeinden an den öffentlichen Einrichtungen
- Gott sei Dank, sage ich - in genau demselben Maße teil wie die nicht Kriegsgeschädigten? Wenn auf einer Ebene ein Lastenausgleich bereits durchgeführt worden ist, dann ist er auf der Ebene der öffentlichen Hand durchgeführt worden!
({14})
- Das wird nicht bestritten, Herr Kollege Schütz. Es muß natürlich positiv gesagt werden, daß von dieser einen Milliarde eventuell 200 oder 250 Millionen in Zukunft entfallen, weil in der Zwischenzeit aus dem Lastenausgleichsgesetz eine Belastung des Soforthilfegesetzes für die Versorgungs- und Verkehrsbetriebe herausgekommen ist.
Aus diesem Grunde sind wir von der Sozialdemokratischen Partei der Meinung, daß § 315 auf jeden Fall gestrichen werden muß. Da Sie bei anderer Gelegenheit so sehr bereit waren, die Einnahmeseite zu kürzen - ich denke nur an die 240 Millionen, die Sie auf der Vermögensteuerseite bereitwilligst verschenkt haben -, hätten Sie durchaus die Möglichkeit, auch dieses Loch zu schließen, wenn Sie den Besitz, der erhalten geblieben ist, in einer wirklich gerechten Form belasten wollten. Aber da Sie ja keinen Lasten ausgleich schaffen wollen, sondern da Sie nur ein Fragment eines Lastenausgleichs zustande zu bringen gewillt sind, um nach draußen hin so zu tun, als wollten Sie einen Teil Ihrer Pflicht erfüllen, und da Sie den Flüchtlingen, Vertriebenen und Bombengeschädigten gegenüber noch irgendeine Farce eines Lastenausgleichs aufrechterhalten wollen, deswegen müssen Sie jetzt diese Mittel, die Sie zahlen wollen, von der öffentlichen Hand eintreiben.
Einen echten Lastenausgleich gibt es nur dadurch, daß man das vom Kriege nicht betroffene Vermögen zu einem gerechten Ausgleich für das durch den Krieg vernichtete Vermögen heranzieht. Wenn Sie das wollen, wenn Sie einen wirklichen Lastenausgleich wollen, dann müssen Sie die erhebliche Belastung der öffentlichen Hand aus diesem Gesetz herausnehmen.
({15})
Herr Abgeordneter Renner zur Begründung des gleichlautenden Antrags!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bestimmung des § 315, daß an der Aufbringung der Mittel für den Lastenausgleich die öffentlichen Haushalte mit 250 Millionen DM für die ersten Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beteiligt werden sollen, wird im Gesetz selbst damit begründet, daß den Gemeindeverbänden und den Ländern durch die Einführung der Unterhaltshilfe eine finanzielle Entlastung entstehe. Nun haben wir gestern bei der Debatte über die Unterhaltshilfe - ohne auf Widerspruch in Ihren eigenen Reihen zu stoßen, meine Damen und Herren von der Koalition - hier festgestellt, daß die Unterhaltshilfssätze nach dem neuen Gesetz in ihrer Höhe mit den Sätzen der Soforthilfe, die auch bisher für denselben Personenkreis gezahlt worden sind, gleich sind. Nach Ihrer eigenen Erklärung treten also in den Gemeinden die Ersparnisse, von denen Sie reden, nicht ein, jedenfalls nicht in der Höhe, daß der Betrag von 250 Millionen DM auch nur annähernd gerechtfertigt ist. Der Ausgangspunkt zu diesem § 315 ist also falsch. Nach wie vor werden die Gemeinden für ein Gros dieser Berechtigten nach diesem neuen Gesetz zusätzlich Wohlfahrtsunterstützung zahlen müssen, ganz zu schweigen von den anderen Belastungen der Gemeinden und der Länder aus diesem Gesetz, von denen ja mein Vorredner, der Kollege Heiland, schon gesprochen hat.
Von der 1 Milliarde Belastung der öffentlichen Haushalte, von der er sprach, fallen 670 Millionen auf die öffentlichen Haushalte der Länder und der Gemeinden. Diese Feststellung entnehme ich einem Material, das der Deutsche Städtetag - keine kommunistische Einrichtung! - am 23. April dieses Jahres herausgegeben hat. Darin heißt es:
Die Länder beanstanden in dieser Bilanz - die, von der wir hier reden -insbesondere den Beitrag der öffentlichen Hand mit 250 Millionen DM und die Wegnahme der Vermögensteuer der Länder, die diesen bisher wesentlich mehr als das erwartete künftige Aufkommen, nämlich rund 200 Millionen DM gebracht hat. Verbleibt die Vermögensteuer bei den Ländern und zahlt die öffentliche Hand auch keine Beiträge, so verschlechtert sich die Bilanz um 380 Millionen DM. Auf der Ausgabeseite sind die Teuerungszuschläge noch nicht berücksichtigt, die mindestens 160 Millionen DM ausmachen werden und die nach den Plänen des Bundestags gegen den Widerspruch des Bundesfinanzministers auch noch die öffentliche Hand aufbringen soll. Es fehlen also dann 540 Millionen DM. Auch bei Berücksichtigung gewisser Änderungen, die der Bundesrat noch vorschlägt, und in Würdigung des Umstandes, daß in der Einnahmeseite wahrscheinlich gewisse „stille Reserven" gegenüber der Schätzung des Bundesfinanzministers stecken, verbleibt, wenn den Wünschen der Länder entsprochen wird, ein Fehlbetrag von 250 bis 300 Millionen DM, der nur gedeckt werden könnte, wenn die Aufwendungen für die Hausratshilfe auf eine längere Zeit verteilt werden und deshalb in den Anlaufjahren nicht eine so hohe Belastung, wie in der Bilanz vorgesehen, verursachen.
Der Ausweg, den Sie hier ins Auge gefaßt haben,
bedeutet also eine Hinauszögerung der Auszahlung
der Hausratshilfe. Das ist der Ausweg, den die
Mehrheit in diesem Hause sieht und zu gehen bereit ist.
Nun, wir haben uns noch vor kurzem hier über die derzeitige finanzielle Lage der Gemeinden unterhalten müssen. Ich weise im Zusammenhang mit diesem Problem auf die Tatsache hin, daß es im Parlamentarischen Rat wir Kommunisten allein waren, die die Forderung gestellt haben, daß die finanzielle Sicherung der Gemeinden durch das Grundgesetz gewährleistet wird. Alle damaligen Mitglieder des Parlamentarischen Rates haben sich über diese Notwendigkeit hinweggesetzt. Den Grund dafür werde ich am Ende meiner Ausführungen nennen.
Wie ist nun die Lage in den Gemeinden? Zu den Beträgen, die heute hier von dem Herrn Kollegen Heiland genannt worden sind, kommen u. a. noch die Belastungen aus dem Gesetz nach Art. 131 hinzu, die die Gemeinden zu tragen haben; es kommt die Verschlechterung der finanziellen Lage der Länder und der Gemeinden hinzu, die durch die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 27 auf 40 % eintritt, ein Ergebnis von rund 1,4 Milliarden DM Belastung der Gemeinden.
Was ist die Konsequenz dieser Politik? Die Konsequenz dieser Politik ist, daß die Gemeinden immer mehr zu einem Abbau aller bisherigen Leistungen auf dem Gebiete der öffentlichen Wohlfahrt, auf dem Gebiete der Kulturpolitik übergehen werden. Wir haben bei den letzten Haushaltsberatungen in den Gemeinden bereits überall die Feststellung treffen können, daß die Aufwendungen der Gemeinden zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus, zur Förderung des Schulbaus, zum Zwecke der Reparatur der durch den Krieg zerstörten Schulgebäude wesentlich reduziert werden mußten.
Aus dieser finanziellen Misere der Gemeinden gibt es nun einen Ausweg, den die in der Gemeinde regierenden politischen Kräfte einschlagen. Die Kriegsfolgelasten, die kraft Grundgesetzes durch den Bund getragen werden müßten, decken die Gemeinden infolge des Versagens des Bundes auf diesem Gebiet in der Form, daß sie die Aufwendungen, die in jeder Gemeinde unvermeidbar sind, durch eine ständige Erhöhung der kommunalen Gebühren finanzieren, durch Erhöhung der Preise für Gas, Wasser, Elektrizität, für die Verkehrsmittel usw. usw. Aus dem außerordentlichen Haushalt müßten die Ausgaben gedeckt werden, sie müßten durch öffentliche Anleihen gedeckt werden. Die stehen aber den Gemeinden nicht zur Verfügung. Auf den Gemeinden lastet jedoch die Verpflichtung, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, einen Haushalt, dessen Ausbalancierung immer mehr dadurch erschwert wird, daß den Gemeinden über die sogenannten Auftragsangelegenheiten hinaus unerträgliche Lasten auferlegt werden. Ich denke da z. B. nur an die Mehrbelastung der Gemeinden infolge des ständig anwachsenden Anteils an den Polizeikosten.
Nun meinte mein Vorredner, der Kollege Heiland, man müsse hier eine Kommunalfeindlichkeit feststellen. O nein: die Sache liegt etwas tiefer! Sehen Sie, Sie kommen doch auch aus der kommunalen Praxis. Was erleben wir unten in der Gemeinde? In der Hauptsache regieren ja dieselben politischen Kräfte, die hier oben die Politik der finanziellen Auspowerung der Gemeinden be({0})
treiben, auch unten in den Gemeinden bei uns in der Bundesrepublik.
({1})
- In der Hauptsache! Und diese Kräfte verteidigen sich, wenn in den Gemeinden die Bevölkerung gegen die dauernde Verschlechterung der sozialen und kulturellen Leistungen ankämpft, gegen diesen von Ihnen inaugurierten Kurs dadurch, daß sie ,sagen: Ja, wir haben ja keine Mittel, der böse Bund, der Bundestag, die Bundesregierung versagen uns die Mittel. - Sehen Sie, da liegt der Hund begraben.
Was hier an Verschlechterungen zu Lasten der Gemeinden durchgeführt wird, das decken politisch in der Gemeinde eben dieselben politischen Kräfte, die hier das Unheil verursachen. Das ist eine sehr raffinierte und eine sehr geschickte Verlagerung der politischen Verantwortung.
({2})
- Ja, ja, Ihre Freunde in der Gemeinde sind Blut von demselben Blute,
({3})
das etwa in dem Herrn Schäffer pulsiert! ({4})
Wie kann man, Herr Kollege Heiland, überhaupt hier den Vergleich zwischen Sankt Martinus und dieser Mehrheit anstellen!
({5})
Das ist doch wirklich ein bißchen zu stark, Herr Kollege. Hier regiert ja nicht der Geist des Sankt Martinus, sondern hier regiert der Geist des Herrn Pferdmenges.
({6})
Das ist ja nicht gerade ein Heiliger, der teilt. Hier mehr zu sagen, kann ich mir nicht erlauben, weil hinter mir der Herr Präsident steht.
({7})
- Lachen Sie doch nicht, meine Herren. Ich will Ihnen jetzt einmal ein Bild, einen Ausschnitt hier aus diesem Hause vom Mittwoch vortragen. Da ging es um die Einbeziehung der Aktien und Kuxe in den Lastenausgleich.
({8})
Da wurden von verschiedenen Sprechern des Hauses so stichhaltige, beweiskräftige Argumente für die Notwendigkeit und die Berechtigung der Einbeziehung der Aktien und der Kuxe in den Lastenausgleich vorgetragen, daß die Situation für Sie, die Verteidiger der großen Aktienpakete, etwas mulmig wurde.
({9}) Was geschah dann? - Sehen Sie, ich habe ein scharfes Auge. Was geschah? - Da trat auf einmal der Herr Pferdmenges in die Erscheinung, der Mann, der sonst nur immer hinter dem Vorhang arbeitet. Er ging zum Herrn von Brentano, und der Herr von Brentano ging zum Herrn Neuburger; und der Herr Neuburger meldete sich zum Wort und hielt dann eine Verteidigungsrede gegen die verruchten Pläne, der Einbeziehung der Aktien in den Lastenausgleich.
({10})
- Sehen Sie, das ist der Geist, der hier herrscht: nicht Sankt Martinus, sondern Sankt Pferdmenges, Sankt Adenauer herrschen hier bei uns!
({11})
- So liegen die Dinge. Sie mögen reden, wie Sie wollen.
({12})
- Sie mögen reden, wie Sie wollen. Was Sie selber im Wirtschaftsrat einmal proklamiert haben, daß dieser Lastenausgleich in einem wirksamen Eingriff in die Besitzsubstanz bestehen müsse, das machen Sie hier zu einer Farce. Sie lassen die Lasten sogar von den Geschädigten selber tragen. Sie legen die Lasten nicht denen auf, die nennenswerten Besitz aus dem Kriege gerettet haben oder nach der sogenannten Währungsreform neue Milliardenbeträge aufzuhäufen in der Lage waren; Sie legen die Lasten für diese Kriegsfolgen auf die Masse, auf die Schultern des gesamten deutschen Volkes. Das ist Ihre Politik. Für diese Politik werden Ihnen hoffentlich nicht nur die Berechtigten, sondern wird Ihnen hoffentlich bei der nächsten Wahl auch das ganze deutsche Volk die gebührende Antwort geben.
({13})
Es liegt ein weiterer Änderungsantrag vom Abgeordneten Dr. Kather und Genossen vor. Soll er begründet werden? - Herr Abgeordneter Kuntscher, bitte'
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine eigentliche Aufgabe war die Begründung des Antrages auf Umdruck Nr. 496 Ziffer 17. Aber ich kann nicht umhin, doch auf einige Ausführungen meiner beiden Herren Vorredner einzugehen. Herr Kollege Heiland hat sich besonders sehr stark gemacht, die Hilfe der Kirchen, die in den Jahren 1945 und 1946 im Zuge des Einströmens von Vertriebenen von diesen Stellen geleistet wurde, herabzusetzen. Es war damals keine staatliche Stelle da, die sich dieser Armen annahm; die erste Last ruhte auf den Schultern der Kirchen und ihren sozialen Einrichtungen.
({0})
Zur bleibenden Ehre der Kirchen und der kirchlich-sozialen Einrichtungen muß gesagt werden, daß sie zu jener Zeit ganz Großes an Hilfe geleistet haben und daß sich ihre Menschen im Rahmen dieser Situation bis zur letzten Aufopferung in den Dienst der Nächstenliebe gestellt haben. Es ist ein bitteres Unrecht, daß man diese Hilfe von damals heute so herabwürdigt,
({1})
weil heute Behörden da sind, die sich um das soziale Elend der Heimatvertriebenen kümmern, gesetzlich vieles geregelt wurde und heute auch ganz andere Quellen und Mittel zur Verfügung stehen.
Ich kenne auch aus eigener Erfahrung die großen Aufwendungen und Anstrengungen, die die Kommunen und Kreise gerade in den Gebieten, wo zuerst die Flüchtlingszüge in Massen einrollten, geleistet haben. Ich könnte Ihnen hier, weil ich, vom Jahr 1946 beginnend, in einer solchen Kreisvertre({2})
tung und einer Stadtvertretung tätig war, im einzelnen berichten, welche Sorgen wir gehabt haben. In dieser Stadt mit ihren 30 000 Einwohnern sind 50 % der Gesamtbevölkerung Heimatvertriebene. Welche Anstrengungen waren da notwendig! Aber ich kann Ihnen auch sagen, wie wir aufgeatmet haben, als das Soforthilfegesetz in Kraft trat, und wie wir durch das Soforthilfegesetz von vielen, vielen sozialen Verpflichtungen entbunden wurden und wie dann später durch die Bundesleistungen für die Kriegsfolgeschäden die sozialen finanziellen Belastungen der Gemeinden herabsanken.
Nun zur Begründung des Antrags, der auf Umdruck Nr. 496 unter Ziffer 17 gestellt ist. Hier handelt es sich um den § 315. Der § 315 besagt, daß die öffentlichen Haushalte für die Entlastung, die sie durch die Zahlung von Kriegsschädenrenten haben, eine Regreßleistung an den Soforthilfefonds in Höhe von 250 Millionen DM in der Zeit von 1952 bis 1956 bewirken sollen. Die Aufbringung dieser 250 Millionen DM soll nach Abs. 1 des § 315 durch die Haushalte der öffentlichen Hand erfolgen. Unser Antrag zielt dahin, daß der Sammelbegriff in Abs. 1 „Haushalte der öffentlichen Hand" durch die direkte Textierung „Haushalt des Bundes" ausgewechselt wird. Es ist Ihnen bekannt, daß diese 250 Millionen DM auf den Bund und die Kommunalverbände, die Länder und Gemeinden aufgegliedert werden. Und zwar sollen auf den Bund 150 Millionen und auf die anderen öffentlichen Haushalte 100 Millionen DM entfallen.
Es ist nicht Mißtrauen, das uns diesen Antrag stellen läßt, sondern wir halten es für sehr wichtig, daß zunächst einmal der Bund für diese 250 Millionen DM aufzukommen hat. In Abs. 2 ist ja dem Bund das Recht gegeben, seinen Regreßanspruch an die Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände zu stellen. Sollte die jetzige Fassung des Abs. 1 bestehen bleiben, befürchten wir, daß unter Umständen der ganze Betrag von 250 Millionen DM dem Ausgleichsfonds nicht zeitgerecht zur Verfügung steht, wenn nämlich Differenzen in der Aufteilung der restlichen 100 Millionen DM entstehen. Wir könnten uns vorstellen, daß die Aufschlüsselung nicht immer glatt vonstatten geht. Wir bitten deshalb, im Abs. 1 die Worte „Die Haushalte der öffentlichen Hand leisten" durch die Worte „Der Haushalt des Bundes leistet" zu ersetzen. In logischer Folge dieser Änderung in Abs. 1 ist im Abs. 2 in der zweiten Zeile der Begriff „des Bundes" zu streichen, so daß der zweite Absatz heißen würde:
An der Aufbringung des Betrages sind die Haushalte der Länder des Bundesgebiets, der Gemeinden und Gemeindeverbände nach dem Anteil derjenigen Ersparnisse an Fürsorgeaufwendungen zu beteiligen, die usw.
Wir bitten Sie, im Interesse einer Vereinfachung und zur Sicherung, daß der Ausgleichsfonds zeitgerecht in den Besitz dieser nach § 315 zugesicherten 250 Millionen DM kommt, diesem unserem Antrage zuzustimmen.
Herr Abgeordneter Heiland bitte!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst, Herr Kuntscher, Sie scheinen einiges grundsätzlich falsch verstanden zu haben, denn ich habe nichts gegen die Hilfstätigkeit der Einrichtungen z. B. Bethels - ich habe nur Bethel genannt - gesagt. Ich habe mich lediglich gegen eine unsachliche Äußerung des Herrn Kunze gewandt, der gegen die Gemeinden die Äußerung gebraucht hat - ich will sie noch einmal wörtlich wiederholen, vielleicht verstehen Sie dann -: Die Gemeinden haben die Leute nach Bethel abgeschoben.
({0})
- Abgeschoben! Ich habe wörtlich mitgeschrieben. Im Protokoll können Sie es nachlesen. Das Protokoll vom 6. ist ja bereits da. Gegen diese Art der Polemik gegenüber den 'Gemeinden vom Vorsitzenden des Ausschusses für den Lastenausgleich habe ich mich gewehrt, weil einmal in aller Deutlichkeit hier ausgesprochen werden muß, daß sie gegenüber den Leistungen der Gemeinden, die als erste staatliche Organe nach dem Zusammenbruch von 1945 endlich wieder ein staatliches Leben ermöglicht haben, einfach nicht zugelassen werden kann.
({1})
Herr Kollege Kunze, noch ein 'zweites Wort. Wir sollten doch auch endlich einmal sehen, daß nicht alle Menschen, die nach Bethel 'kommen, unbedingt „abgeschoben" worden sein müssen. Bethel ist ja eine Einrichtung besonderer Art. Daß eine gewisse menschliche Hilfe von dieser Einrichtung seit Jahrzehnten geleistet wird, wird jeder anerkennen, der diese Einrichtung kennt. Man sollte aber solche Einrichtungen nicht dazu benutzen, die politische Problematik, die wir in diesem Gesetz haben, zu verwischen.
({2})
Die politische Problematik in diesem Gesetz ist doch einzig die, wer die Lasten des verlorenen Hitler-Krieges trägt und daß nach dem Stande des Gesetzes, das jetzt von der Mehrheit des Ausschusses noch schlechter vorgelegt wird, als es ursprünglich nach der Vorlage der Regierung in diesem Hause war, doch der Großbesitz auf Kosten der Kleinen und in diesem Falle über die öffentliche Hand, über die öffentlichen Steuerkassen geschützt werden soll.
({3})
Herr Kuntscher, zu Ihrem Antrag ein Wort. Er ändert an der Problematik gar nichts.
({4})
Das einzige, was Sie machen wollen, ist, eine kassentechnische Maßnahme durchführen. Das heißt, Sie wollen die volle Belastung der öffentlichen Hand bestehen lassen.
({5})
Sehen Sie, unter Ihrem Antrag steht der Name Kather. Ich habe eine Diskussion mit Herrn Kather aus dem Kontrollausschuß beim Hauptamt für Soforthilfe in Erinnerung, in der Herr Kather die Meinung vertreten hat, daß die Verwendung der Mittel, die durch die Soforthilfe aufgebracht würden, für den Wohnungsbau gegen das Gesetz verstoße, weil er nämlich den Wohnungsbau in diesem Fall nicht für vermögensbildend hielt. Meine Damen und Herren und Herr Kather, hier kommt nämlich Ihr wahres soziales Gesicht zum Durchbruch. Wenn die Flüchtlinge und die Bombengeschädigten überhaupt eine Not gespürt haben und wenn eine Not für sie eine drückende ist, die schnell beseitigt werden muß, dann ist es die Wohnungsnot; denn diese quält sie am meisten.
({6})
Deswegen noch eins zu diesen 250 Millionen DM. Je mehr Sie für dieses Lastenausgleichsgesetz aus der öffentlichen Hand - und nicht von den Be({7})
sitzenden - nehmen, desto weiter wird die Wohnungsbaumöglichkeit eingeengt. Beim Soforthilfegesetz hatten wir ja für den Wohnungsbau erheblich höhere Mittel als die 300 Millionen DM, die jetzt beim Lastenausgleichsgesetz vorgesehen sind. Wenn Sie jetzt auch noch die Länder und die Gemeinden zur Aufbringung dieser Mittel heranziehen, dann wird ein erheblicher Teil der Leistungen für den Wohnungsbau, die bis jetzt in der Kommunal- und in der Länderebene immer noch erbracht worden sind, in Zukunft auch nicht mehr aufgebracht werden können, und Sie werden die Not für die Millionen, die sie am härtesten spüren, noch größer machen. Hier haben Sie die Problematik, um die es geht, und hier haben Sie das soziale Gesicht dieses Gesetzes. Hier - lassen Sie es mich noch einmal in aller Deutlichkeit aussprechen - haben Sie auch das christliche Gesicht dieses Gesetzes!
({8})
- Ja, ich komme zurück auf das Plakat „Helft! Teilt!". Von dieser Teilungsbereitschaft spüren wir bei einem groben Teil der Mehrheit dieses Hauses nichts. Vielmehr müßte es da nicht heißen „Helft! Teilt!", sondern „Rafft! Rafft!".
({9})
Meine Damen und Herren, ich beantrage namentliche Abstimmung über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion.
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Heiland zwingt mich doch zu einer ganz kurzen Replik. Es ist sehr einfach 'und gehört in das Rüstzeug, das in diesem Hause keinen Platz haben sollte, daß man irgendeinen Satz aus dem Zusammenhang herausgerissen zitiert und nun daraus Konsequenzen für den Redner zieht, obwohl man genau weiß, daß er das gar nicht gewollt hat.
({0})
- Ich habe nicht davon gesprochen - - ({1})
- Lesen Sie bitte das Protokoll demnächst nach, wenn Sie es morgen oder übermorgen kriegen! ({2})
Ich habe im Zusammenhang davon gesprochen, daß die Gemeinden, wo sie mit den Einzelschicksalen nicht fertig werden, sich in erster Linie an die großen freien gemeinnützigen Einrichtungen wenden. Da war es mir vielleicht doch erlaubt, das einmal auf Grund meiner Erfahrungen an dem Beispiel meiner Lebensarbeit, 'in 'der ich stehen darf, etwas zu beleuchten.
({3})
Mehr habe ich gar nicht getan.
({4})
- Das hatte gar nichts damit zu tun.
({5})
- Ja, geben Sie es mir eben her; dann will ich Ihnen den Zusammenhang klarlegen.
({6})
- Eine Sekunde! Sie müssen sich dann schon das
Ganze vorlesen lassen. Ich habe Ihnen gesagt:
Ich bitte Sie doch gütigst, meine Damen und Herren, sich einmal die Haushalte der Länder anzusehen, in welchem Milliardenumfang ordentliche Steuermittel für wirtschaftliche Kredite Verwendung finden und wie - ich sage das als Vertreter meiner Fraktion auf kaltem Wege Sozialisierungspolitik getrieben wird.
({7})
Dagegen wehren wir uns, meine Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, mit aller Entschiedenheit . . . Ich denke auch
- auf einen diesbezüglichen 'Zwischenruf des Kollegen Mellies habe ich das geantwortet an Nordrhein-Westfalen.
Ich habe dann dargestellt, daß die Haushalte aller Länder von mir einer sorgfältigen Überprüfung unterzogen worden seien und daß ich Ihnen das Material gern zur Verfügung stellen würde. Dann bin ich fortgefahren:
Ich sagte eben, daß nun die öffentliche Hand als das Gemeinnützigste von allen dargestellt wird. Und dann wird von idem Kollegen Priebe bei der Begrundung des Antrags ausgeführt, warum man die Kirchen und gemeinnützigen Träger genau so wie die öffentliche Hand belasten soll mit der Einschränkung, wie sie auch in dem Antrag des Kollegen Kather . . . gemacht wird.
Dann bin ich fortgefahren:
Was machen denn die gemeinnützigen Einrichtungen, was machen denn die stittungsgebundenen kirchlichen Vermögen anders, als des andern Last tragen?!
Und nun kommt's:
Meine Damen und Herren, ich wage für mich in Anspruch zu nehmen, daß ich auf diesem Gebiet durch meine Lebensarbeit eine große Erfahrung besitze. Die Zahl der Heimatvertriebenen, die bei mir zu Hause durchgegangen sind und Hilfe gesucht haben, liegt bei über 100 000.
- Hier kam dann der Zwischenruf ides Kollegen Kriedemann: „Und bei den Gemeinden?!"
- Die Gemeinden haben da, wo sie nicht fertigwerden konnten, ihre Leute weitestgehend nach Bethel - ({8})
- Ich habe das als Beispiel zu dem Punkt zitiert. Genau dasselbe gilt für die Einrichtungen der Caritas.
({9})
Ich habe dann weiter gesagt:
Ich darf zum zweiten darauf hinweisen, daß diesen Organisationen, von denen Sie reden, wenn Sie den § 15 Abs. 1 Ziffer 15 ändern wollen, ihr gesamtes Geldvermögen am Währungsstichtag plötzlich abhanden gekommen ist.
({10})
({11})
Damit ist von mir ganz klar und deutlich das gesagt worden, was ich heute morgen noch einmal genau bestätigen will,
({12})
daß die freie Wohlfahrtspflege, an der Spitze die kirchlichen Einrichtungen, den 'Gemeinden in ganz erheblichem Umfang Lasten abgenommen hat.
({13})
Wer das bestreiten will, geht an der Wirklichkeit des Lebens vorbei.
Ich wage es, Ihnen noch einen Satz zu -sagen: welches waren denn die Stellen, die die Ströme der Vertriebenen auffingen? Da hatten wir noch keine Gemeinden, sondern ein Chaos!
({14})
Am 8. Mai 1945 gab es noch keine Führung demokratischer Gemeinden, sondern gab es nur von der Besatzungsmacht eingesetzte Bürgermeister. Die ersten Stellen, die mit ihrer karitativen Hilfe an die Arbeit gegangen sind, waren die katholische Kirche und die evangelische Kirche, unterstützt von dem Strom der Mittel,
({15})
die dank der Verbundenheit der katholischen Welt und des ökumenischen Weltrats von den christlichen Kirchen der Welt kamen. 24 Stunden nach der Besetzung sahen die Vertreter der Kirchen bereits Beauftragte der Siegermächte bei sich, und sie konnten mit ihnen überlegen: Wie könnt ihr uns helfen, damit wir dem Strom der in Not geratenen Menschen helfen können? Das ist der Zusammenhang, in dem das gesprochen ist und aus dem der Kollege Heiland, so wie ich ihn verstanden habe, das wirklich herausgerissen hat.
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Heiland hat darauf Bezug genommen, daß ich diesen Antrag mitunterzeichnet habe, und hat das zum Anlaß genommen, zu sagen, daß dadurch mein wahres soziales Gesicht zum Vorschein gekommen sei.
({0})
Herr Abgeordneter Heiland, Sie erinnern sich vielleicht daran, daß der Entwurf der Bundesregierung bei der Kriegsschadenrente eine andere Lösung vorgesehen hat.
({1})
Der Entwurf der Bundesregierung hat vorgesehen,
daß die Leute, die bedürftig sind, Fürsorgeunterstützung und über den Lastenausgleich eine Aufstockung bekommen. Das hätte also zur Folge gehabt, daß die Grundzahlung zu Lasten der Länder
und Gemeinden gegangen wäre und nur die Aufstockung über den Lastenausgleich erfolgt wäre.
({2})
Herr Abgeordneter Dr. Kather, S i e haben das Wort, nicht Herr Abgeordneter Seuffert!
({0})
Herr Seuffert, weshalb bemühen Sie sich immer, unter Beweis zu stellen, daß Sie mir völlig voreingenommen gegenüberstehen?
({0})
Selbst wenn Sie - ({1})
- Hören Sie doch bitte einen Augenblick zu!
({2})
Ich wollte Ihnen sagen - ich hätte es in jedem Falle gesagt, und ich habe es schon oft gesagt -: weil wir das aus politischen und psychologischen Gründen nicht für tragbar hielten, weil wir es unseren Schicksalsgefährten nicht zumuten wollten, ihr ganzes Leben
({3})
mit dem Wohlfahrtsamt in Verbindung zu stehen, haben wir uns vom ersten Augenblick an gesagt: so geht das nicht,
({4})
sondern wir müssen einen Rechtsanspruch auf die volle Rente geben.
({5})
Wir haben aber dann - und da bin ich mir vollkommen sicher, meine Damen und Herren - hier eine Forderung zu vertreten, die von allen Vertriebenen ohne Unterschied der Partei, möchte ich sagen, vertreten wird, daß die Ersparnisse, die infolge dieser Neuregelung erzielt werden, wieder in den Topf zurückfließen.
({6})
- Meine Damen und Herren, wenn Sie sich gegen diese Forderung wenden oder wenn Sie sie nicht für richtig halten, so ist das Ihre Meinung. Ich will Ihnen diese Meinung nicht nehmen. Meine Meinung ist aber eine andere, und das ist die einstimmige Auffassung jedenfalls der Vertriebenenorganisationen,
({7})
daß diese 250 Millionen in den Topf zurückkommen müßten, weil es tatsächliche Ersparnisse sind.
({8})
Meine Damen und Herren, Sie haben ja gestern
- das hat unbedingt mit Kommunalpolitik nichts zu tun,
({9})
und deshalb braucht man kein Sachverständiger für Kommunalpolitik zu sein, um diesen Tatbestand sehr deutlich beurteilen zu können - einen Antrag gestellt, die Abzugsfähigkeit der Abgabe zu streichen. Obwohl das nicht zu den Forderungen gehört, die von dem Sachverständigenausschuß des BVD gestellt worden sind, habe ich, überzeugt von den Gründen, die Sie angeführt haben, für diesen Antrag gestimmt, wie ja die nament({10})
liche Abstimmung ergeben wird. Ich habe mich also durchaus nicht Ihren Gründen verschlossen. Aber hier kann ich Ihnen nicht folgen, und erst gar nicht besteht hier der Anlaß, meine soziale Haltung in Zweifel zu ziehen, so wie das der Abgeordnete Heiland getan hat.
Nun das Zweite, was der Abgeordnete Heiland zum Gegenstand der Erörterung gemacht und womit er praktisch schon die uns noch bevorstehende Debatte über die Wohnraumhilfe etwas antizipiert hat. Er hat darauf Bezug genommen, daß ich einmal oder vielleicht auch öfters - ich bestreite das gar nicht - im Kontrollausschuß beim Hauptamt für Soforthilfe gesagt habe, diese Mittel seien nicht immer zweckentsprechend verwendet worden.
({11})
Es ist eine alte Forderung von uns, daß Mittel des Lastenausgleichs auch für Zwecke des Lastenausgleichs verwendet werden, und ich habe ähnliche Ausführungen erst heute morgen in meiner Fraktion gemacht. Dies ist hier vorgebracht worden, um mich gewissermaßen in den Verdacht zu bringen, daß ich den Wohnungsbau für die Vertriebenen nicht fördern wollte. Frau Krahnstöver, die Vorsitzende des Kontrollausschusses, sitzt ja hier und weiß, daß ich immer letzten Endes diese große Bewegungen - ({12})
- Ja, verzeihen Sie, Frau Krahnstöver, ich stehe auch heute noch auf dem Standpunkt, daß mit den 2 Milliarden, die in den Wohnungsbau geflossen sind, mehr aus diesem Topf herausgenommen worden ist, als man eigentlich verantworten konnte. Meine Damen und Herren, die Dringlichkeit des Wohnungsbaues kann niemand verkennen.
({13})
Aber die Frage ist doch: Muß das immer auf dem Wege des schwächsten Widerstands aus diesem Topf genommen werden?
({14})
Wenn man sich auf der andern Seite vorstellt, daß diese Summe bei der Hausratentschädigung fehlt und daß wir diese Summe etwa noch über die 300 Millionen hinaus nehmen sollen, wo wir keinen Pfennig für die Eingliederung unserer Bauern, Handwerker und Gewerbetreibenden haben, wer will dann sagen, daß das eine unsoziale Haltung von mir ist oder daß ich diese Haltung nicht vor Gott und meinem Gewissen vertreten kann?!
({15})
Meine Damen und Herren, darf ich eine Bemerkung machen. Verschiedene Mitglieder des Hauses haben mich schon darauf hingewiesen, daß das heutige Wetter ein etwas explosives Klima schafft.
({0})
Ich bitte, daß sich das nach Möglichkeit nicht in der Debatte niederschlägt.
Das Wort hat der Abgeordnete Heiland.
Meine Damen und Herren, das liegt nicht am Wetter, sondern das liegt an dem Problem, das hier zur Diskussion steht. Es ist
nun einmal eine Lebensfrage, die bis in das Tiefste
der Menschen hineingeht und die es schon verdient,
daß man sich ernsthaft mit ihr auseinandersetzt.
({0})
- Herr Kollege Orth, man darf auch schon einmal etwas polemisch antworten. Sie sind gar nicht so empfindlich gewesen, als der Herr Kollege Kunz e seine Formulierung bezüglich der Gemeinden hier vorgebracht hat. Tausende von Ihnen sind selbst draußen in der Drecklinie der Gemeinde in der Zeit gestanden und haben sich von morgens bis abends um die primitivsten Dinge kümmern müssen, damit die Menschen draußen nicht den Mut am Leben verloren; Sie haben es mit selbstloser Hingabe getan, und trotz alledem ,lassen Sie sich sagen: Die Gemeinden haben in diesen Tagen die Dinge abgeschoben!
Herr Kunze hat nicht den Mut gehabt, den Satz, den er wirklich hier gesprochen hat, jetzt bis zu Ende zu lesen. Deswegen, Herr Kunze, bringen Sie mich in die Lage, es für Sie zu tun. Ich wollte es nicht tun, weil ich geglaubt habe, so ein bißchen Mannesmut hätte auch nichts geschadet.
({1})
Herr Kunze, Sie haben wörtlich gesagt:
Meine Damen und Herren, ich wage für mich in Anspruch zu nehmen, daß ich auf diesem Gebiet durch meine Lebensarbeit eine große Erfahrung besitze. Die Zahl der Heimatvertriebenen, die bei mir zu Hause durchgegangen sind und Hilfe gesucht haben, liegt bei über hunderttausend.
Dann kommt der Zwischenruf meines Kollegen Kriedemann: „Und bei den Gemeinden?!". Und jetzt gehen Sie den Gedankengang, den Sie gesprochen haben, wirklich einmal ernst mit:
Die Gemeinden haben da, wo sie nicht fertigwerden konnten, ihre Leute weitestgehend
nach Bethel abgeschoben, daß wir helfen
sollten.
Herr Kollege Kunze, Sie haben auf den Zwischenruf meines Kollegen Kriedemann, der gesagt hat: Und die Gemeinden, haben die nichts geleistet?! - denn das liegt in dem Satz „Und bei den Gemeinden?!" drinnen -, geantwortet: Nein, die haben abgeschoben!
,({2})
Herr Kollege Kunze, wenn man sich wirklich einmal im Ton vergriffen hat, hätte man sich gar nichts vergeben, wenn man gesagt hätte: Ich hätte es vielleicht etwas anders formulieren können. Dann wäre die Basis, die Sie heute haben, eine bessere gewesen.
({3})
- Herr Schütz, ich bestreite gar nicht, daß sich manche Leute vergreifen. Es vergreifen sich sehr viele Leute seit Generationen - wenn auch zum Teil auf gesetzlicher Basis - am Eigentum der anderen!
({4})
Zielen Sie aber auf ein konkretes Beispiel ab, dann will ich Ihnen sagen: es wäre dieses Parlaments und des demokratischen Aufbauwillens würdiger gewesen, wenn damals nicht nur zwei aufgestan9204
({5})
den wären, um die Würde des Parlaments gegen ein paar Nazistrolche zu verteidigen.
({6})
- Herr Kollege Müller, es hat einige Leute von Ihrer Fraktion gegeben, die einige Tage später, als die Episode mit dem Kollegen Reimann hier oben war, zu mir gekommen sind und gesagt haben: Herr Heiland, wenn Sie jetzt mit mir heraufgehen, dann helfe ich Ihnen beim Kollegen Reimann! ({7}) Da wollten Sie, wenn Sie einen starken Mann hatten, der auch noch den Mut hatte, für seine Meinung einzutreten, mitgehen, - ({8})
Herr Abgeordneter Heiland, kehren Sie bitte freundlichst zur Sache zurück!
Ich habe ja gesagt: von Ihren Freunden. Ich hoffe, Sie zwingen mich nicht dazu, Ihnen noch Namen zu nennen.
({0})
Herr Abgeordneter Heiland, darf ich Sie bitten, nun zur Sache zu kommen!
Herr Kollege Kather hat noch gesagt, die Mittel des Lastenausgleichs - gemeint waren die Soforthilfemittel - seien zweckentfremdet verwendet worden. Herr Kollege Kather, es ist bis heute von Ihnen noch in keinem Fall unter Beweis gestellt worden, daß die Soforthilfemittel zweckentfremdet verwendet worden sind. Wenn Sie der Meinung sind, daß die Verwendung der Mittel für den Wohnungsbau zweckfremd ist, dann wird es zumindest die Millionen Vertriebenen und Ausgebombten, die bis heute noch keine Wohnung haben, interessieren, was für eine Meinung Sie über den Wohnungsbau in dieser Frage haben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf den § 315 ist der Herr Kollege Kunze bedauerlicherweise mit keinem Wort eingegangen. Ich beschränke mich allein auf den § 315, nicht etwa, weil ich keine Veranlassung hätte oder keine Materialien hätte, mich auch in die andere Debatte einzulassen. Aber lassen wir das! Für mich ist die Frage, wessen Geist in diesem Haus regiert, längst geklärt, ohne diese Debatte.
({0})
Ich weiß das. Ich habe den Geist angesprochen; er fängt mit „Pf" an.
Der Streitpunkt, um den es hier geht, ist der: Erleben die Gemeinden und die Länder tatsächlich die Einsparung, die Ihnen als Grundlage dazu dient, von ihnen die 250 Millionen DM einzutreiben? Das ist der Kernpunkt. Ich habe vorhin schon aus einem Rundbrief des Deutschen Städtetages zitiert. Wessen Meinung kommt in diesem Rundbrief zum Ausdruck? Hören Sie das:
Mit Rücksicht auf die drängende Zeit erscheint es aber erforderlich, sowohl die Stellungnahme der Hauptgeschäftsstelle wie unserer Landesverbände und der übrigen kommunalen Spitzenverbände alsbald weiter vorzubereiten.
Hier spricht also die Gesamtheit der kommunalen Leitungen der deutschen Städte im Bundesgebiet. In diesen Leitungen sitzen Kommunalpolitiker, die j a in der Überzahl sogar zu den hier herrschenden Koalitionsparteien gehören. Wir haben also hier eine einhellige Meinung aller heute in den Gemeinden verantwortlichen Kommunalpolitiker.
Und was sagen sie zu Ihrer Behauptung? Sie sagen zu § 315:
„Die Länder sind keineswegs gewillt, dem in § 315 vorgesehenen Beitrag der öffentlichen Haushalte an den Fonds in der Höhe von 350 Millionen DM jährlich zur Finanzierung der Kriegsschadenrente wegen angeblicher Ersparnisse bei der Fürsorge zuzustimmen."
„Wegen angeblicher Ersparnisse" ! Hier wird Ihnen
also der Vorwurf gemacht, daß Ihre Behauptung,
es träten in den Gemeinden Ersparnisse ein, nicht
wahr ist; und das sagen doch Ihre eigenen Leute
in den Gemeindeleitungen und in den politischen
Leitungen der Gemeinde.
Es heißt dann weiter,
sie werden diese Fragen zu einem Hauptpunkt
der Erörterungen im Vermittlungsausschuß
machen; der Bundestag sei sich darüber klar,
daß er hier mit einem sehr erheblichen Widerstand der Länder zu rechnen habe. Sie haben
also die Front aller in den Gemeinden in der
politischen Leitung stehenden Persönlichkeiten
gegen die Behauptung von den angeblich eintretenden Ersparnissen und gegen die Politik,
die in § 315 ihren Niederschlag finden soll.
Zum Schluß noch ein anderes Zitat. Der Bundesrat, so heißt es hier, lehne grundsätzlich eine gesetzliche Festlegung einer Beitragspflicht der öffentlichen Haushalte in dem jetzt in § 315 vorgesehenen Ausmaß ab, und zwar mit der Begründung, die Richtigkeit der auf den Zahlen des Bundesfinanzministeriums beruhenden Bilanz lasse sich in keiner Weise überprüfen; es müsse aber angenommen werden, daß in ihr erhebliche stille Reserven enthalten seien. - Das ist Vorwurf Nr. 2, den wir schon anläßlich der Diskussion über die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer gehört haben, bei der ja auch dem Herrn Bundesfinanzminister vorgehalten wurde, daß seine Rechnungen, die er aufstellt, stille Reserven enthalten, daß sie also unverbindliche Milchmädchenrechnungen darstellen.
Es erschien mir notwendig, das zum Abschluß der Debatte noch auszusprechen. Wir erwarten, daß die Abgeordneten dieses Hohen Hauses, die eine solche Politik der finanziellen Auspowerung der Gemeinden nicht verantworten wollen, unserem Antrag auf Streichung des § 315, der sich mit dem der SPD-Bundestagsfraktion deckt, zustimmen.
Zum vorläufigen Abschluß der Debatte Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kunze hat vorhin von „einfachen Argumenten" gesprochen. Leider gibt es kein einfacheres und primitiveres Argument als das, sich einfach auf die Zahl seiner Stimmzettel zu verlassen, überhaupt nicht zu diskutieren und Befehle entgegenzunehmen, daß Anträge überhaupt nicht angenommen werden dürfen. Wir haben auch in dieser Debatte außer dem Kollegen Dr. Kather niemanden aus der Regierungskoalition gehört und gesehen, der die Vorlage des Ausschusses ernstlich verteidigen und sich mit den Argumenten überhaupt auseinandersetzen will. Man
({0})
kann „einfache Argumente", und man kann andere Argumente bringen; aber um eines muß doch immer gebeten werden: daß in einfachen und klaren Worten gesagt wird, worum es sich handelt, und daß der Kern der Sache einfach und verständlich dargelegt wird.
Sie haben soeben wieder einmal ein Beispiel dafür erlebt, Herr Kollege Kunze, wie es einem ergeht, wenn man mit allen möglichen Beispielen, Erwägungen usw. am Kern der Sache so gern vorbeireden möchte.
({1})
Der Kern der Sache ist doch folgendes. Diese 250 Millionen DM, die Sie von den Ländern und von den Gemeinden fordern
({2})
- und vom Bund -, können Sie leicht aufbringen,
wenn Sie die Vermögensteuer erheben. Die bringt
genau denselben Betrag, mehr als die sogenannte
Vermögensteuer, die Sie jetzt erheben. Diese Vermögensteuer und die Zuschüsse den Gemeinden
und den öffentlichen Haushalten aus dem Leib zu
reißen, werden Sie allerdings nicht fertigbringen;
denn Sie brauchen dazu eine Verfassungsänderung,
schon wegen der Vermögensteuer. Ich wiederhole
es immer wieder, damit die Situation ganz klar ist.
({3})
- Das scheinen Sie nicht zu wissen; denn mit einer Blindheit, die wirklich erstaunlich ist, machen Sie einfach keine Anstrengungen, diesen Lastenausgleich auf eine wirkliche Grundlage zu stellen. Sie wollen j a nur ein Alibi haben,
({4})
um jemand anderem dann die Verantwortung zuschieben zu können.
Ich will Ihnen einmal etwas sagen. Sie reden hier immer von Novellen. Aber das gehört ja schon nicht mehr in die Novellen-, das gehört in die Romanliteratur,
({5})
diese Fortsetzungsromane, die Romane von Fortsetzungen! Ich möchte Ihnen sagen, so schnell wie Sie können wir auch Novellen einbringen!
({6})
Was werden Sie aber sagen, wenn wir nach Verabschiedung dieses Gesetzes, damit die Diskussion nicht abreißt, unsere Novellen einbringen? Haben Sie eigentlich schon einmal an die Novellen gedacht, die die nächste Regierung an diesem Gesetz anbringen wird? Haben Sie denn gar kein Gefühl für die Notwendigkeit, einem Gesetz für 30 Jahre mit einer derartigen Aktion eine tragfähige Mehrheit zu geben?
Ich freue mich außerordentlich, daß es mit dem Kollegen Dr. Kather auf den Punkt gekommen ist, daß unsere Argumente ihn überzeugen.
({7})
Dem war nicht immer so, Herr Dr. Kather. Ich möchte es in diesem Punkt noch einmal probieren. Sie werden das hoffentlich nicht als ein Zeichen von Voreingenommenheit gegen Sie ansehen.
({8})
Ich habe eben den Kern dieser Sache berührt. Diese 250 Millionen DM, die Sie von den öffentlichen Haushalten und zu einem großen Teil von
den Gemeinden und von den Fürsorgeleistungen nehmen wollen, können Sie auf eine ganz andere Weise - und für diese Weise -haben wir gestern beide gestimmt, Herr Dr. Kather - durchaus holen, ohne dadurch die Bilanz des Lastenausgleichs zu schädigen; Sie können aber auch gleichzeitig auf diese Art und Weise die Voraussetzungen für diese Bilanz schaffen,
({9})
die tatsächlich, soweit diese Bilanz z. B. an der Zustimmung des Bundesrats hängt, Herr Dr. Kather, sonst nicht gegeben sind.
Herr Dr. Kather, Sie haben so argumentiert: Die ursprüngliche Vorlage, die Regierungsvorlage, hat die Leute, die Unterhaltshilfe beziehen, zum großen Teil auf die Fürsorge verweisen wollen; diese Fürsorgeleistungen werden den Gemeinden erspart, und diese ziehen wir mit den 250 Millionen DM wieder ein, nicht wahr.
({10})
Herr Kollege Dr. Kather, ich verstehe nicht, wie diese Argumentation bei Ihnen zustandekommt. Erstens einmal würden Sie ja damit die Konstruktion und die Absicht des Regierungsentwurfs als an und für sich richtig und jetzt nur auf eine andere Weise durchgeführt anerkennen, und vor allen Dingen sind Sie es doch, Herr Kollege Dr. Kather, der Sie von allem Anfang an den naturrechtlich gegebenen Rechtsanspruch der Geschädigten auf diese Leistungen aufs Papier geschrieben haben. Wenn nach Ihrer Auffassung vom Naturrecht her ein solcher Rechtsanspruch besteht, können Sie doch nicht annehmen und nicht vortragen und nicht akzeptieren, daß die Erfüllung dieses Rechtsanspruchs als ersparte Fürsorgeleistung zu werten ist.
Sie sprachen von einer Forderung der Vertriebenen, Herr Kollege Dr. Kather. Es handelt sich darum, ob diese 250 Millionen DM in der Bilanz des Lastenausgleichs durch eine Vermögensteuer oder durch die öffentlichen Haushalte, durch die Gemeinden und durch die Fürsorgeleistungen aufgebracht werden sollen. Ich glaube wirklich nicht, daß Sie sagen kannen, es sei eine Forderung der Vertriebenen, diese 250 Millionen DM auf diese Weise aufzubringen, nämlich durch Belastung der Länder und Gemeinden, und nicht auf die andere Weise, nämlich durch die Vermögensteuer.
Ich weiß, Herr Dr. Kather, Sie haben auch für die Vermögensteuer gestimmt; aber es geht nun einmal nicht, beides zugleich können wir nicht
haben. ({11})
- Weil wir dazu zweifellos nicht die verfassungsändernde Mehrheit kriegen werden.
({12})
Wir müssen doch, weiß Gott, auch im Bundesrat zu einer Grundlage kommen.
Ich glaube, Herr Dr. Kather, daß ich Ihnen, gar nicht voreingenommen, die Argumente noch einmal vorgetragen habe. Lassen Sie sie bitte auf sich wirken. Nun wollen wir bei der namentlichen Abstimmung einmal sehen, wo die Kommunalpolitiker und wo die Fürsorgeleute in diesem Hause sind.
({13})
Herr Dr. Kather, bitte.
Nur zwei Sätze, meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Seuffert, ich bin der Meinung, daß wir angesichts der Bilanz beide Beträge brauchen.
({0})
Wenn wir den einen durch den anderen auswechseln„ stehen wir doch wieder vor derselben Pleite, vor der wir jetzt stehen. Deshalb kann ich nur die Haltung einnehmen, daß wir sowohl den einen als auch den andern Betrag haben müssen.
Nun noch zu einem andern Argument. Sie sagen: Wenn Sie den Rechtsanspruch verfechten, können Sie auch nicht sagen, daß Sie einen Ersatzanspruch an die Gemeinden haben. Das Argument ist an sich richtig;
({1})
aber dabei ist nicht berücksichtigt, daß wir bei der Kriegsschadenrente vom quotalen Prinzip abgegangen sind
({2})
und auch den Leuten - ich brauche die Voraussetzungen hier nicht aufzuführen -, die volle Rente, d. h. die Mindestrente geben, die an sich keinen Anspruch auf den Lastenausgleich haben.
Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 250 Millionen DM für die öffentlichen Haushalte sind ein schönes Stück Geld, insbesondere, wenn man sich klarmacht, welche Folgen das für die armen Leute hat, für alle die hat, die auf Leistungen aus der öffentlichen Hand in jeder möglichen Form angewiesen sind und die in Zukunft eben auf diese Leistungen in diesem Umfang werden verzichten müssen.
Ich darf Sie auf eines aufmerksam machen, was meiner Ansicht nach die Begründung widerlegt, die immer unter der Überschrift gegeben wird: Wiederherstellung der Grundsätze des Fürsorgerechts. Die 250 Millionen DM Belastung der öffentlichen Haushalte waren ja schon in der Bilanz, als man die noch schriftlich in der Regierungsvorlage auf der letzten Seite nachzulesende Absicht hatte, die überaus große Mehrzahl der Alten und Armen unter den Geschädigten - mehrere Millionen Menschen, meine Damen und Herren! - ausdrücklich wieder in die Fürsorge hineinzuschieben. Man hat Ihnen ja doch einmal eine Tabelle vorgelegt, die von den Männern, deren Ressorts es betrifft und die Sie in diese Verantwortung hineingesetzt haben, unterschrieben ist, eine Tabelle, in der Beträge von 13, 14, 15, 16 Mark pro Monat drinwaren und wo der Höchstbetrag - ({0})
- Sie sagen, Sie haben das abgelehnt. Darf ich meine Meinung auch noch sagen! Da hat man ja die Leute ausdrücklich auf die Fürsorge abschieben wollen und trotzdem die 250 Millionen DM aus den öffentlichen Haushalten für die Sorte von Rechtsansprüchen in Anspruch genommen, um die sich ja nun leider Gottes auch Herr Dr. Kather so ausdrücklich bemüht hat, diese berühmten 12 000 Träger von Rechtsansprüchen. Sie wissen, was ich meine. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß sich erst durch unseren Antrag, die Leistungen aus dem Soforthilfegesetz unter gar keinen Umständen zu unterschreiten, die Notwendigkeit zur
Heranziehung der öffentlichen Haushalte ergeben hat. Bitte, bedenken Sie auch, was es heißt, wenn Sie sagen: Wir wollten die Leute nicht zu Fürsorgeempfängern machen, wir wollten sie in den Lastenausgleich einbeziehen, und wenn Sie die Kosten dafür dann doch hintenherum von den Fürsorgeämtern holen und die alten Geschädigten durch Ihre etwas verwickelten Wege doch zu Fürsorgeempfängern machen. Die Leute werden klug genug sein, das zu erkennen, und wir werden nicht nachlassen, es ihnen ganz klarzumachen.
({1})
Das Wort h at Herr Abgeordneter Loritz.
Loritz ({0}): Meine Damen und Herren! Ich glaube, durch die Debatte ist doch eigentlich manches verwischt worden, was eigentlich hier zur Diskussion stehen sollte. Wenn der Beitrag von je 250 Millionen DM im Jahre durch die öffentliche Hand dadurch gewonnen werden könnte, daß die Gemeinden, Länder usw. sich in ihren Haushalten einer größeren Sparsamkeit befleißigen, dürfte gegen eine solche Heranziehung der Länder und Gemeinden gar nichts zu sagen sein. Dann könnte man sich über die Mittel, die durch solche Sparsamkeitsmaßnahmen der Länder und Gemeinden zugunsten der Lastenausgleichsberechtigten gewonnen werden könnten, nur freuen. Üben Sie, meine Damen und Herren aus all den Fraktionen hier, deren politische Freunde draußen in den Gemeindeverwaltungen und in den Länderregierungen sitzen, doch einen heilsamen Zwang zu Sparsamkeitsmaßnahmen in den Länderregierungen und in den Gemeindeverwaltungen aus. Dann dürfte es diesen ein leichtes sein, diesen Beitrag von 250 Millionen DM zum Lastenausgleich zu leisten.
({1})
Ich bitte, anzugeben, wer den Ausruf „Sie spinnen ja!" getan hat.
({0})
- Ich weise ihn als nicht parlamentarisch zurück.
({1})
- Sie haben gehört, was ich gesagt habe, Herr Abgeordneter Loritz.
({2})
- Ich stelle anheim, Herr Abgeordneter Loritz.
Meine Damen und Herren, die Besprechung ist geschlossen. Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat über den Antrag zu § 315 namentliche Abstimmung beantragt. Wir stimmen über den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion und den Bleichlautenden Antrag der kommunistischen Gruppe gemeinsam ab. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmzettel einzusammeln.
({3})
Ich möchte Ihnen im Interesse der Ökonomie unserer Arbeit vorschlagen, daß wir während der Auszählung unsere Beratungen fortsetzen und den § 229 erledigen, den wir wegen des von Herrn Dr.
({4})
Trischler begründeten Änderungsantrags der Abgeordneten Dr. Kather und Genossen zurückgestellt haben. Sind Sie damit einverstanden?
({5})
- Beratung! Wir stimmen ab, nachdem wir mit der Abstimmung zu § 315 fertig sind.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über die Fragen, die mit dem § 229 des Gesetzentwurfs zusammenhängen, hat eine eingehende Aussprache mit Sachverständigen aus den verschiedensten Gegenden stattgefunden. Man hat sich dann auf die Formulierung, wie sie Ihnen hier vorliegt, geeinigt. Ich darf hier vielleicht im Namen der CDU/CSU und auch anderer folgende Ausführungen machen.
Wir sind an sich gern bereit - daran soll es nicht fehlen -, Land verfügbar zu machen, um möglichst viele Ausgewiesene darauf unterzubringen. Aber die Dinge sind leider Gottes in der deutschen Bundesrepublik angesichts unserer bäuerlichen Siedlung, wo nur ein ganz geringes Maß von größerem Besitz vorhanden ist, außerordentlich beschränkt. Deswegen ist hier leider Gottes nur eine langsame, organische Entwicklung möglich, wobei naturgemäß das, was möglich ist, so rasch wie möglich zur Verfügung gestellt werden soll. Ich will Sie mit Ziffern nicht behelligen. Ich habe schon wiederholt ausgeführt, wie die Schichtung hier ist. Ich habe auch volles Verständnis für den Antrag Dr. Kather und Genossen auf Umdruck Nr. 513, der das Land, das aus der Bodenreform herkommt, bevorzugt heranziehen will. Daran soll es nicht fehlen. Die Herren, die in dem Unterausschuß des Lastenausgleichsausschusses hier mitgearbeitet haben, haben auch daran gedacht, daß insbesondere der Abs. 2 des § 229 dahin auszulegen ist, daß die Bundesregierung das Recht hat, die Dinge durch Rechtsverordnung zu stipulieren, so daß derjenige, der Land aus der Bodenreform für die Zwecke der Ausgewiesenen zur Verfügung stellt, eine gewisse Anrechnung auf seine Lastenausgleichsabgabe erhält. Das ist sowieso schon in der Fassung des § 229 gesichert. Wir sind durchaus der Meinung, daß wir uns die Frage bis zur dritten Lesung noch einmal überlegen sollten. Aber der Paragraph sollte dann so gefaßt werden, daß wir in keinen Widerspruch zu den Bodenreformgesetzen der Länder kommen. Hier muß ich erst einen Überblick haben, um das sachverständig beurteilen zu können. Deswegen schlage ich vor, daß wir die Frage zunächst einmal zurückstellen, uns hier auf die Ausschußvorlage einigen und zwischen der zweiten und dritten Lesung in einer Sonderberatung mit den beteiligten Kreisen die Dinge noch einmal klarstellen.
Schwere Bedenken habe ich gegen die Formulierung des Abs. 3 auf Umdruck Nr. 513 bezüglich der Heranziehung der Ödländereien. Wenn Sie hier die verschiedenen Gesetze anschauen, dann wissen Sie alle miteinander, daß die Begriffsbestimmung, was Ödland ist und was nicht, außerordentlich schwierig ist.
({0})
Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß niemand mehr zu § 315 abzustimmen wünscht. Ich schließe die namentliche Abstimmung zu § 315 über den Antrag der SPD und den Antrag der KPD.
Diese Begriffsbestimmung muß also auch noch unter den Sachverständigen
weiter erörtert werden. Der Begriff „ Ödländereien" kann sehr verschieden ausgelegt werden. Allzuviel ist mit dem Begriff „Odländereien" für Siedlungszwecke nicht anzufangen. Sie wissen, daß der Grund und Boden ein organisches Gebilde ist. Wenn wir Ländereien, die vielleicht als Ödländereien zu bezeichnen sind, beispielsweise nicht mehr in so weitem Umfang aufforsten können, wie es eigentlich notwendig wäre, wird die ganze Bodenkrume in der weiteren Umgebung Schaden leiden. Das sind lauter Fragen, die sich nicht aus dem Handgelenk erledigen lassen.
Deswegen habe ich die dringende Bitte an Sie alle miteinander: Bleiben wir zunächst in zweiter Lesung bei der Fassung des Ausschusses. Ich verspreche Ihnen, daß wir gern bereit sind, besonders über die Frage der Heranziehung von Bodenreformland für Zwecke der Ausgewiesenen noch miteinander in Fühlung zu treten. Vielleicht können wir dem § 229 noch eine bessere, präzisere Form geben.
Ich würde Sie darum bitten, so zu verfahren und zunächst dem Antrag auf Umdruck Nr. 513 nicht die Zustimmung zu erteilen, was aber nicht bedeuten soll, daß wir die Grundgedanken des Umdrucks Nr. 513 etwa ablehnten.
Meine Damen und Herren, wollen wir § 229 erst zu Ende diskutieren und dann über § 315 abstimmen, oder wollen Sie jetzt erst § 315 erledigen?
({0})
- Dann schlage ich vor, daß wir § 229 zu Ende diskutieren und die Abstimmungen nachher zusammen vornehmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Eingliederung der heimatvertriebenen Landwirte handelt es sich zweifellos um ein spezielles Problem, und ich würde mit aller Entschiedenheit der Anregung des Herrn Kollegen Horlacher, so zu beschließen, wie es der Ausschußbericht vorsieht, widersprechen, wenn er uns auch hier auf die Novelle oder auf so etwas ähnliches Kommendes vertröstete.
({0}) Nachdem Kollege Horlacher aber gesagt hat, daß es ihm nur an der Zeit fehlt, sich jetzt mit dem Problem auseinanderzusetzen, daß wir also die Diskussion über den § 229 nicht heute, sondern im Rahmen der dritten Lesung in aller Ausführlichkeit haben werden, werde ich nicht widersprechen. Wir werden uns allerdings an der Abstimmung über diesen Paragraphen nicht beteiligen, damit nicht ein falscher Eindruck entsteht und damit nirgendwo gesagt werden kann - und sei es auch nur aus Versehen -, es sei in dieser Angelegenheit schon im Rahmen der zweiten Lesung definitiv beschlossen.
Herr Abgeordneter Dr. Kather.
Ich erkläre mich mit dem Vorschlag des Herrn Kollegen Horlacher einverstanden. Ich bin also damit einverstanden, daß wir zwischen der zweiten und dritten Lesung eine gemeinsame Formulierung suchen und dann bei der dritten Lesung noch einmal darüber diskutieren und abstimmen.
({0})
Das heißt also, Herr Abgeordneter Dr. Kather, daß auf Abstimmung über den Umdruck Nr. 513 zunächst verzichtet wird.
({0})
Herr Abgeordneter Goetzendorff, Sie haben auch zu § 229 einen Antrag gestellt. Wird der auch bis zur dritten Beratung zurückgestellt?
({1})
- Sie sind damit einverstanden. Dann, meine Damen und Herren, ist es vielleicht das einfachste, daß ich zunächst über § 229 in der Ausschußfassung abstimme und daß wir dann zu § 315 übergehen.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ausschußfassung des § 229 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Soweit ich sehe, ist die Ausschußfassung des § 229 unter den angegebenen Voraussetzungen angenommen.
Ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD und der Gruppe der KPD zu § 315 bekannt. Für den Antrag haben gestimmt 136 Abgeordnete, dagegen 192 Abgeordnete bei 9 Enthaltungen. Von den Berliner Abgeordneten haben mit Ja 8, mit Nein 8 bei 1 Enthaltung gestimmt. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Abgeordneten Dr. Kather und Genossen Umdruck Nr. 496 Ziffer 17 a und b. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Kather und Genossen zuzustimmen wünschen, eine Hand' zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist mit großer Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über die Ausschußfassung des § 315. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 315 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen ist der Paragraph mit Mehrheit angenommen.
Wir kommen zum Sechsten Abschnitt, Hausratentschädigung.
Der Berichterstatter Herr Abgeordneter Ohlig verweist auf den schriftlichen Bericht.**)
Ich schlage Ihnen vor, daß wir wie gestern jeweils am Ende der Abschnitte abstimmen.
Ich rufe zunächst auf § 316. Dazu liegt ein Antrag der Herren Abgeordneten Kather und Genossen auf Umdruck Nr. 496 Ziffer 18 vor. Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Kather zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch bei diesem Antrag handelt es sich um den Fortfall einer Höchstgrenze, ebenso wie wir das gestern schon hatten. In § 316 Abs. 3 ist bestimmt, daß Hausratsentschädigung nicht gewährt wird, wenn der Geschädigte im Durchschnitt der Jahre 1949 bis' 1951 ein Einkommen von mehr als 10 000 DM bezogen oder am 1. Januar 1949 ein Vermögen von mehr als 35 000 DM gehabt hat.
Es handelt sich hier um eine Angelegenheit, die nicht dieselbe Bedeutung hat wie die, die wir gestern verhandelten, wenigstens nicht zahlenmäßig. Der Betrag, den die Streichung dieser Beschränkung kosten wird, fällt nicht ins Gewicht.
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 9253
**) Siehe Stenographischen Bericht der 207. Sitzung Seite 9040.
Wenn man sich zu dem Gedanken des Rechtsanspruchs bekennt, muß man folgerichtig auch die Streichung dieser Höchstgrenze beantragen, und ich tue das hiermit. Ich kann mich bei der Begründung eigentlich sehr kurz fassen, da wir gestern über dieses Problem ausreichend diskutiert haben. Ich glaube, diese Bestimmung ist noch sehr viel weniger haltbar als die andere, nachdem die Höchstgrenze bei der Hauptentschädigung weggefallen ist. Es können auch Härten dadurch eintreten, daß vielleicht heute dieses Vermögen oder dieses Einkommen nicht mehr da ist und der Betreffende dann diesen Anspruch nicht mehr hat. Wir bitten deshalb, unserem Antrag stattzugeben.
Ich bitte, nun zunächst den Antrag der kommunistischen Gruppe zu begründen.
({0})
- Auf die Begründung wird verzichtet.
Herr Abgeordneter Reitzner, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der Hausratentschädigung ist innerhalb der Geschädigten sehr stark diskutiert worden. Ich habe heute vormittag - und wahrscheinlich auch eine Reihe anderer Kollegen - verschiedene Zuschriften aus Kreisen der Vertriebenen und außerdem eine Zuschrift des Kreisverbandes Detmold bekommen. Mit Zustimmung des Herrn Präsidenten möchte ich dem Hohen Hause einige der wesentlichsten Stellen aus dieser Zuschrift bekanntgeben. Dabei möchte ich erklären, daß ich mit der darin vertretenen Auffassung grundsätzlich einverstanden bin, wenn auch die Schlußfolgerungen nicht auf unserer Ebene liegen.
Der Kreisverband Detmold und wahrscheinlich auch viele andere Verbände des BvD sind der Auffassung, daß die Masse der Heimatvertriebenen die Hausratentschädigung als den ausschlaggebenden Teil ides Lastenausgleichsgesetzes, betrachtet. Es wird gesagt, daß nach dem jetzigen Entwurf mindestens 14 Jahre vergehen würden, ehe die letzten Antragsberechtigten in den Genuß der Hausratentschädigung gekommen seien.
Diese Tatsache
- sagt der BvD wird einen Schrecken und ein Erwachen unter den Vertriebenen zur Folge haben. Es ist zu erwarten, daß die Leerausgehenden als reife Frucht den kommunistischen Flüchtlingsbewegungen in die Hände fallen werden, die bereits in dieser Richtung fieberhaft tätig sind. Um diese Radikalisierung im Interesse ides ganzen deutschen Volkes zu verhindern, ist es unbedingt notwendig,
- sagt der BvD daß der Lastenausgleich gleich und die Hausratentschädigung sofort, und zwar in der dreifachen Höhe, in Kraft tritt.
({0})
- Nun, mit der letzteren Formulierung läßt sich manches sagen und nicht alles tun. Der politische Blick in die Zukunftskarten ist eine andere Angelegenheit. Ich möchte aber sagen, daß eine solche Gefahr im Zusammenhang mit der Verabschiedung eines schlechten Lastenausgleichsgesetzes besteht und daß man auch diese politischen Konsequenzen erwägen sollte, wenn sie auch nicht ausschlaggebend sein würden; denn unser Verhalten sollte ja von unserem sozialen Glaubensbekenntnis abgeleitet wer({1})
den und nicht allein von den politischen und psychologischen Folgen.
Aber, meine Damen und Herren, die bittere Wahrheit - und das will, glaube ich, noch :nicht jeder zur Kenntnis nehmen - ist doch die, daß es bei Hunderttausenden von Geschädigten und Vertriebenen noch an dem Notwendigsten fehlt. Es ist ja nicht nur die Sehnsucht nach einem eigenen Herd, die insbesondere bei den Frauen unerhört stark mitschwingt. Es ist nicht nur das unbestrittene ureigene Recht aller Personen, eine eigene Wohnung zu besitzen, sondern es handelt sich leider immer noch um die Befriedigung der .elementarsten Lebensbedürfnisse für Hunderttausende. Daher, glaube ich, sollten die Heimatvertriebenen offen bekennen, daß es natürlich innerhalb der Heimatvertriebenen auch schon eine starke soziale Differenzierung gibt. Aber man darf nicht nur die Gutgekleideten sehen. Es ehrt ja den Herrn Finanzminister, daß er „Die Elenden" gelesen hat. Dabei sollte er aber die Elenden im Bayerischen Wald nicht Übersehen,
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und ich würde ihn einladen, mit mir seine engere Heimat Passau unid Niederbayern einmal zu besuchen. Dann würde er sich davon überzeugen können, daß es die klassischen Elenden auch heute noch im Bayerischen Wald gibt.
Man kann über die Motive der Demonstration am 4. Mai verschiedener Auffassung sein. Man kann verschiedener Auffassung sein über die Zielsetzung, und man kann verschiedener Auffassung auch darüber sein, ob diese Demonstration notwendig, nützlich und erfolgreich war oder nicht. Aber man darf das Recht, zu demonstrieren, nicht von subjektiven Erwägungen abhängig machen.
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Der Herr Finanzminister war selbst nicht in Bonn anwesend. Er konnte also aus eigener Anschauung, nicht ermessen, ob die 50 000 oder 75 000 Vertriebenen gut angezogen waren oder nicht. Er war ja in Tuntenhausen und hat sich dort bemühen müssen, seinem Parteifreund Dr. Hundhammer begreiflich zu machen, daß es so etwas wie einen zentralistischen Föderalismus gibt!
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Aber wohin kämen wir denn, meine Damen und Herren, wenn wir jeden Sonntag einander vorrechnen würden, was so eine Demonstration kostet, und wenn wir jedem seinen Anzug nach der Qualität abgreifen würden!
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Ich glaube, das war politisch nicht sehr klug und auch nicht taktvoll. Das sollten wir nicht tun. Wenn ich das sage, so will ich damit kein Werturteil über die Zweckmäßigkeit oder Unzweckmäßigkeit dieser Demonstration abgeben.
Deshalb kann man aber, glaube ich, in aller Offenheit - unid ich tue das als Heimatvertriebener - folgendes sagen: Natürlich, der Verlust der Heimat ist ein schwerer Verlust. Aber auch der Verlust des Augenlichtes eines Kriegsgeschädigten, der unglücklicherweise Einheimischer ist, ist ein bitterer Verlust. Und wie tut man's oft? Wem tut man's zuerst recht in der Abgeltung von Kriegssachschäden? So also können wir, glaube ich, nicht operieren.
Daher möchte ich, was diesen § 316 und den Änderungsvorschlag des Kollegen Kather betrifft, sagen: Wir alle werden noch zur Kenntnis nehmen müssen - bei vielen ist diese Einsicht schon da -, daß die Leistungen dieses Lastenausgleichsgesetzes weder den Erwartungen noch der Notlage noch den naturrechtlichen und moralischen noch den politischen und rechtlichen Erfordernissen entsprechen werden. Deshalb müssen wir uns noch im letzten Augenblick vor der dritten Lesung und während der dritten Lesung bemühen, wenigstens den sozial Schwächsten - und das sind jene, die den Hausrat dringend brauchen - zu helfen unid hier eine Höchstgrenze festzusetzen. Wer in den letzten drei Jahren, 1949, 1950 und 1951, ein durchschnittliches Einkommen von 10 000 DM hatte, von dem kann man annehmen, daß er, sagen wir, mindestens optisch solidarisch wirkt und auf Hausratshilfe verzichtet.
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Ich glaube gar nicht, Kollege Kather, daß der größte Teil jener eine Hausratshilfe beanspruchen wird. Daher würde ich sagen: Der Kollege Kather sollte es sich überlegen, und sich heute zu dem Pluspunkt in der „Welt" von vorgestern einen wirklichen moralischen Pluspunkt erwerben und diesen Antrag zurückziehen, weil es nicht gut wirkt - wenn auch die materielle Konsequenz, darin stimme ich mit Ihnen überein, eine nicht sehr bedeutende ist -, wenn man hier noch nach außen hin jenen, die ein Durchschnittseinkommen über 10 000 DM hatten, zum mindesten theoretisch die Hausratshilfe zuspricht. Ich glaube, das wäre notwendig und nützlich, und der Kollege Kather sollte sich diese Angelegenheit überlegen. Meine Parteifreunde werden dem Änderungsantrag des Kollegen Kather nicht zustimmen, sondern für die Ausschußfassung stimmen, weil wir glauben, daß diese Fassung sozial gerecht ist.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Meine Damen und Herren! Es geht bei dieser Sache um die Grundsatzfrage. Herr Kollege Reitzner, ich habe vorhin vergessen, auf den § 275 zu verweisen, in dem ja gesagt ist, daß die Reihenfolge der Erfüllung der Ansprüche nach sozialen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten und nach der Dringlichkeit geht. Deshalb möchte ich betonen, daß ja keinem derer, die auf Hausratshilfe angewiesen sind, etwas weggenommen wird. Die wenigen Leute, um die es sich handelt, werden erst nach 15 Jahren drankommen. Weil es sich um eine so geringe Summe handelt, weil niemandem ein Schaden entsteht und weil die Sache so weit hinausgeschoben wird, möchte ich, daß wir solcher Dinge wegen nicht das Prinzip aufgeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Nöll von der Nahmer.
Meine Damen und Herren! Wer die Dinge objektiv beurteilt, wird den Ausführungen des Herrn Kollegen Kather, die er gerade eben hier gemacht hat, vollinhaltlich zustimmen müssen. Ich habe ja selber im Lastenausgleichsausschuß zusammen mit Herrn Kollegen Farke und meinen Freunden den Antrag gestellt, die Begrenzungen der Hausratentschädigung nach § 316 Abs. 3 zu streichen. Wir sind in der Minderheit geblieben. Ich habe mich bei diesem Antrag von den von Herrn Kather vorgetragenen Erwägungen leiten lassen, die für mich nicht widerlegbar sind. Es ist das Prinzip, die generelle Linie,
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deren Einhaltung mir unbedingt geboten erscheint. Für denjenigen, der auf dem Entschädigungsstandpunkt steht und darin ein tragendes Element des ganzen Gesetzgebungswerkes erblickt, ist es logisch und zwingend, nicht einem bestimmten Teil der Geschädigten, nur weil er zufällig schon rascher und besser eingegliedert ist als der andere, jede Entschädigung zu nehmen. Zum anderen ist es vollkommen richtig, daß der Prozentsatz derer, die Einkommen von über 12 000 DM haben, so gering ist - das kann man aus der Einkommenstatistik entnehmen -, daß er praktisch nicht ins Gewicht fällt, zumal ja die Entschädigungen selbst der dritten Stufe sehr gering sind. Wir stehen auf Grund der Entwicklung, die die Beratungen hier genommen haben, vor einer neuen Lage. In der dritten Lesung werden die Entscheidungen fallen müssen.
Meine Damen und Herren! Gerade dieser Abs. 3 zwingt nun aber doch noch zu einer anderen, sehr grundsätzlichen Erwägung. Neben der Hauptentschädigung, über deren schwerwiegende Problematik wir uns gestern auseinandergesetzt haben, liegt hier bei der Hausratentschädigung der zweite Schwerpunkt des Gesetzes, ja, für die Masse der Betroffenen ist die Hausratentschädigung vielleicht noch schwerwiegender, weil die Masse aller Geschädigten nur Hausratentschädigung erhält. Herr Kollege Reitzner hat mit Recht gesagt, daß an ihr vor allem die Frauen interessiert sind.
Nun stehen wir, wie Sie alle aus der Vorlage ersehen, vor der Tatsache, daß die Entschädigungen selbst, die wir geben können, gering sind. Dabei müssen wir berücksichtigen, daß der Index für Hausrat, der laufend von unserem Statistischen Bundesamt veröffentlicht wird, besonders stark gestiegen ist. Er steht augenblicklich ungefähr bei 200. Wenn Sie also hier Entschädigungen von 800, 1200 und 1400 DM vorgeschlagen finden, so bedeutet das hinsichtlich des Tauschwertes dieser Entschädigungen, daß sie - verglichen mit 1938 - ungefähr nur die Hälfte betragen. Wenn ich richtig unterrichtet bin, ist die Preisentwicklung gerade bei der Haus- und Leibwäsche, deren Wiederbeschaffung besonders vordringlich ist und die ja mit unter den Begriff des Hausrats im Sinne dieses Gesetzes fallen, noch ungünstiger.
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Die Preisentwicklung wirkt sich hier tauschwertmäßig besonders nachteilig aus.
({2}) - Das kommt gleich, Herr Kollege Reitzner.
Nun wissen Sie ja alle aus der Begründung, wie groß das Objekt ist, um das es hier geht. Trotz der Niedrigkeit der Entschädigungen im einzelnen erfordert die Hausratentschädigung über 7 Milliarden DM. Wir stehen sonach vor der Tatsache, daß wir das Problem mit Hilfe der unmittelbaren Entschädigungen nicht lösen können. Das muß hier ganz klar und deutlich ausgesprochen werden.
Mein Kollege Trischler hat vor mehreren Monaten schon einmal darauf hingewiesen - was bei vielen meiner Freunde durchaus Zustimmung fand -, daß man vor allen Dingen versuchen müsse, gerade die Selbsthilfe zu beleben. Ich habe schon gestern gesagt und unterstreiche das noch einmal, daß die Masse der Heimatvertriebenen und der Ausgebombten zum Glück für die deutsche Volkswirtschaft und für die Geschädigten persönlich eingegliedert ist. Wir hätten sonst den Wirtschaftsaufschwung, den wir zum Glück erreicht haben, nicht erzielen können. Bei den Beratungen über die verschiedenen Einkommensteuergesetznovellen habe ich wiederholt die Tendenz, die leider die Mehrheit des Hauses gebilligt hat, bekämpft, die besonderen Steuerermäßigungen, die der Frankfurter Wirtschaftsrat für die Geschädigten bewilligt hatte, immer mehr abzubauen, bis man dann schließlich zu dem jetzigen Pauschale des § 33 a des Einkommensteuergesetzes von 720 DM, für Steuerklasse II, das einheitlich gegeben wird, gekommen ist.
Diese Pauschalbeträge wirken sich selbstverständlich sehr verschieden aus. Je höher die Progression der Einkommensteuer, desto höher ist natürlich die tatsächliche Ermäßigung, die auf Grund dieses Pauschale den Geschädigten zugute kommt. Das bedeutet neben den hier vorgesehenen Entschädigungen eine zusätzliche Hilfe. Kann in dieser Richtung nun nicht ein weiterer Schritt vorwärts getan und den Geschädigten endlich die steuerliche Gleichberechtigung gewährt werden? Die Geschädigten haben die steuerliche Gleichberechtigung bisher nicht. Ein Geschädigter, der - sagen wir einmal, ein Werkmeister - 6000 DM Jahreseinkommen hat und seinen ganzen Hausrat verloren hat, ist in einer viel schwächeren wirtschaftlichen Position als der Kollege, der auch 6000 DM Einkommen hat, aber durch ein gütiges Geschick von Vertreibung und Bombenterror verschont geblieben ist und seine Wohnungseinrichtung erhalten hat.
Wir haben uns im Ausschuß nicht für den Gedanken der Hausratbesteuerung erwärmen können, weil wir darin in den Auswirkungen eine zusätzliche Einkommensteuer erblicken mußten. Für eine solche zusätzliche Einkommensteuer war verständlicherweise im Ausschuß keine Meinung. Aber wenn wir auf der einen Seite auf eine Besteuerung des geretteten Hausrats verzichten, und zwar aus guten Gründen, dann müssen wir doch auf der anderen Seite zweifellos sagen: Wenn der Geschädigte gegenüber dem Nicht-Geschädigten stark vorbelastet ist durch den Zwang, mehr oder minder große Teile seines Einkommens für die Wiederbeschaffung des Hausrates aufzuwenden, dann ist es ganz zweifellos notwendig - ich glaube nicht, daß da ein Finanzwissenschaftler anderer Ansicht sein kann -, ihm im Interesse der steuerlichen Gleichberechtigung eine entsprechende steuerliche Erleichterung zu geben, weil er eben besondere Lasten zu tragen hat. Dabei ist durchaus über die Kritik zu reden, die an den Regelungen des Frankfurter Wirtschaftsrates geübt worden ist. Es mußten für die Erlangung erhöhter Freibeträge Rechnungen vorgelegt werden. Das war verwaltungsmäßig unzweckmäßig, es bestand die Gefahr der Steuerhinterziehung. Aber man kann nicht auf der einen Seite im Einklang mit modernen Erkenntnissen bei den Abgaben die Steuerprogression in stärkstem Ausmaß durchführen und auf der andern Seite einen notwendigen Ausgleich durch ein für alle Steuerpflichtigen gleichbleibendes Pauschale durchzuführen versuchen, wie es jetzt im § 33 a des Einkommensteuergesetzes geschieht.
Gegen den Vorschlag zusätzlicher steuerlicher Entlastungen zur Ermöglichung von Hausratsersatzbeschaffungen kann der Einwand erhoben werden, daß ein Ausfall an Einkommensteuer eintrete, was nicht tragbar sei. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!", das geht natürlich nicht. Man muß irgendwo nun schon einmal „zur Kasse". Das ist nicht zu ändern. Ich will hier nicht
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mit der Ihnen allen ja bekannten Denkschrift des Finanzministers über „Die soziale Lage und Steuerleistung der Vertriebenen" polemisieren. Ich bin nicht so skeptisch wie der Herr Bundesfinanzminister, der bekanntlich die Einkommensteuer der Heimatvertriebenen außerordentlich gering geschätzt hat. Wenn die Zahlen des Ministeriums richtig sind, spielt es ja finanziell keine Rolle, bei der Einkommensteuer etwas entgegenzukommen. Allerdings kommen noch die Kriegssachgeschädigten hinzu, für die die Einkommensteuerermäßigung eine noch größere Bedeutung hat als für Heimatvertriebene.
Ich konnte während der Ausschußberatungen diese Frage leider nicht mehr zur Diskussion bringen. Die hier angeschnittenen Fragen bedürfen jedenfalls einer sorgfältigen Prüfung. Ich sehe keine andere Möglichkeit, wie man in der Frage der Hausratentschädigung anders helfen kann. Dazu kommt die Wahrung des Prinzips der steuerlichen Gleichberechtigung. Deswegen habe ich mich immer gegen die jetzige ganz unzulängliche Regelung des § 33 a des Einkommensteuergesetzes gewandt, nicht etwa, um Interessentenstandpunkte zu vertreten, sondern weil ich das Empfinden habe, daß hier der das moderne Steuerrecht beherrschende Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung schwer verletzt ist. Wo es um Fragen des Rechts, um prinzipielle Fragen geht, muß man um diese Dinge kämpfen.
Bei Hausratentschädigung sind im übrigen auch noch wirtschaftliche Auswirkungen zu berücksichtigen. Die Arbeitskraft des einzelnen schaffenden Menschen soll durch Schaffung eines wirklichen Heimes gestärkt werden. Ein Heim, das diesen Namen verdient, haben heute viele Geschädigte noch nicht. Aber auch die konjunkturellen Auswirkungen bedürfen der Beachtung. Es schweben die Ihnen allen bekannten Verhandlungen mit der Textilindustrie. Was wir an Hausratentschädigung auszahlen, dient ja auch zugleich dazu, große Teile unserer Wirtschaft mit entsprechenden Aufträgen zu versehen.
Mit den in der jetzigen Vorlage vorgesehenen Entschädigungen allein und bei der hohen Einkommensbesteuerung gerade der mittleren Einkommen - wenn das so bleibt und nicht geändert wird - kann die Millionenmasse der Geschädigten kaum wieder zu einem angemessenen Hausrat kommen, der ihnen ein wirkliches Heim gewährt und ihnen - und namentlich den Hausfrauen! - das Gefühl der Deklassierung und des widerfahrenen Unrechts nimmt.
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Bitte schön, Herr Abgeordneter Kinat.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht meine Absicht, Ihnen eine Vorlesung hier zu halten, wie sie eben mein Vorredner, der Kollege Nöll von der Nahmer gehalten hat. Dazu habe ich nicht das Zeug, und ich bin außerdem auch nicht Professor.
Ich möchte auf eines aufmerksam machen. Einst, Herr Kollege Nöll von der Nahmer, waren wir Heimatvertriebenen heimatlos, klassenlos, vermögenslos. Das hat sich im Laufe der Zeit etwas gewandelt. Heimatlos sind wir heute noch; aber viele sind nicht mehr vermögenslos und auch nicht mehr klassenlos. Sie versuchen auch in den Lastenausgleich eine Klassifizierung hineinzubringen, die letzten Endes für die Ärmsten der Armen immer einen Nachteil bringt. Noch vor wenigen Tagen, am Sonntag, hatte ich Gelegenheit, der Demonstration auf dem Marktplatz in Bonn beizuwohnen und meinen Landsmann Dr. Kather zu hören, wie er aus dem tiefsten Brustton vollster Überzeugung erklärte: Mag kommen was da wolle, dieser Lastenausgleich, wie er uns in diesem Entwurf präsentiert wird, befriedigt nicht und wird von uns nie anerkannt oder angenommen werden. Nun, mittlerweile hat auch Dr, Kather seine Positur wiedergewonnen.
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Er geht voll und ganz darauf aus, daß er ähnlich wie bei der Hauptentschädigung, wo man ja keine Begrenzung kennt, auch bei der Hausratentschädigung eine solche nicht für notwendig hält. Infolgedessen macht es bei ihm gar nichts aus - juristisch durchaus in Ordnung -, wenn man nur theoretisiert und das Recht nur abstrakt sieht. Dann könnte natürlich jeder Jurist kommen und sagen: Was dem einen recht ist, wenn er arm ist, ist auch dem andern, wenn er reich ist, billig.
Aber, verehrte Damen und Herren, so können die Dinge doch hier nicht betrachtet werden. Wir müssen den Heimatvertriebenen draußen sagen: Eure Schwestern und Brüder, die das gleiche Schicksal erlebt haben, sind im Laufe der Zeit durch Gewährung von Aufbaudarlehen oder sonstigen Vergünstigungen mittlerweile zu einem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stand gekommen, in dem sie sich distanzieren - wir sehen doch, daß sie nicht mehr in die Versammlungen kommen -, weil sie nicht mehr unter den Begriff Flüchtling oder Vertriebener fallen wollen. Das ist eine soziologisch - psychologische Angelegenheit. Demjenigen, der seit Jahr und Tag - drei Jahre sind hier genannt worden - wieder zu einem Vermögen von 35 000 DM und zu einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 10 000 DM plus 2000 DM für die Familienangehörigen gekommen ist, noch ein Recht - ein Recht, von dem in dem ganzen Lastenausgleich überhaupt keine Spur ist -zuzugestehen, um nach oben keine Begrenzung zu haben, das finde ich reichlich komisch. Das, lieber Herr Dr. Kather, ist nicht sozial. Das ist wohl juristisch in Ordnung; aber sozial kann das nicht genannt werden. Für uns Heimatvertriebene ist auch diese Angelegenheit letzten Endes eine Frage der Solidarität. Stellen wir uns einmal vor, die Millionen würden hier auf dem Marktplatz in Bonn stehen und der Betrag für die Hausratentschädigung käme zur Verteilung. Dann würde das nach Ihrer Meinung doch heißen: Alle, von unten angefangen, erhalten etwas; aber die obersten werden nicht vergessen, die bekommen natürlich den größeren Anteil. Da müßte doch jeder, der etwas auf Ehrgefühl hält und sich nicht in dieser Notlage befindet, sagen: Ich verzichte zugunsten meiner armen Brüder und Schwestern auf die mir nach dem Recht zustehende Entschädigung.
({1})
So möchten wir das auch haben. Sehen Sie, während Sie einerseits darauf pochen, lieber Herr Dr. Kather, daß hier ein Grundsatz zu verteidigen ist und ein Rechtsanspruch besteht, wollen Sie auf der anderen Seite das Recht auf Arbeit für unsere armen Schwestern und Brüder nicht anerkennen. Dazu haben Sie sich gestern auch nicht geäußert. Das Recht auf Arbeit ist für uns viel wichtiger
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als das Recht jener Bourgeois, die mitgeholfen haben, Hitler zu finanzieren und jetzt auch noch dabei sein wollen.
({3})
Herr Abgeordneter Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure selbst, daß ich noch einmal nach oben gehen muß. Aber schließlich muß man doch etwas zu dem sagen, was hier soeben von Herrn K in a t ausgeführt wurde. Ich wüßte nicht, Herr Kinat, was Ihnen die Berechtigung gibt, zu sagen, daß ich meine Haltung, die ich in der Kundgebung' zum Lastenausgleich eingenommen habe, aufgegeben habe. Meine Haltung, die ich auf der Kundgebung eingenommen habe, ist nach wie vor genau dieselbe. Wenn ich hier einen Antrag stelle - ({0})
- Verzeihen Sie, ich kann ja, wenn ich selbst einen Antrag stelle, nicht dagegen stimmen. Ich habe in allen Fällen, in denen ich nicht einverstanden war, dagegen gestimmt und habe mich sehr oft der Stimme enthalten. Aber entscheidend ist ja, was am Schluß geschieht, Herr Kinat. Da können Sie ruhig aufpassen, ob ich meine Positur verloren und wieder gefunden habe, wie Sie sich ausgedrückt haben.
({1})
Meine Damen und Herren, was Herr Kinat sagt, geht doch an den Tatsachen vorbei, vor allem an der Tatsache, daß durch diesen Antrag niemandem etwas weggenommen wird. Ich habe mit Recht darauf hingewiesen, daß die Leute ganz nach hinten rücken. Wenn einer verzichten kann, dann soll er verzichten. Aber es ist etwas anderes, wenn wir ihn in diesem Punkte rechtlos stellen.
({2})
Herr Kinat, Sie sind sogar so weit gegangen, zu sagen: Die bekommen dann den größeren Anteil. Wie sollte das wohl möglich sein? Wie sollte das wohl möglich sein im Einzelfall, wie sollte das wohl möglich sein im ganzen, wo Kollege Reitzner sowie Kollege Schütz und ich uns darüber einig sind, daß es sich hier um eine Sache dreht, die finanziell gar nicht ins Gewicht fällt?
({3})
Weitere Wortmeldungen liegen zu § 316 nicht vor. Die Abstimmung findet dann über den ganzen Abschnitt statt.
Wir kommen zu § 317. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
§ 318.
({0})
- Herr Abgeordneter Loritz!
({1})
- Dann darf ich zuerst Herrn Abgeordneten Müller bitten, den Antrag der Kommunisten zu begründen.
Meine Damen und Herren! Wir haben vorhin zwei Vertreter gehört, die sehr stark über Grundsätze und Prinzipien gesprochen haben, nicht nur Herrn Kollegen Professor Nöll von der Nahmer, sondern auch Herrn Dr. Kather. Vielleicht kann ich gerade im Zusammenhang mit diesem Paragraphen einige Bemerkungen zu den Grundsätzen und Prinzipien machen, die hier offenbart worden sind.
Herr Dr. Kather, wie sah es mit Ihren Grundsätzen aus, als die Frage der Nichtberücksichtigung der kleinen Sparer zur Entscheidung stand? Wie sah es mit Ihren Grundsätzen aus - und wie ist das mit Ihren Grundsätzen vereinbar -, als man hinsichtlich der Hauptentschädigung wiederum die kleinen Leute unberücksichtigt ließ?
({0}) Aber dann haben Sie einen Grundsatz, Herr Dr. Kather, wenn es sich darum handelt, durch eine ins Unendliche gehende Freigrenze, nämlich eine Anerkennung weit über 150 000 DM, die früheren Millionäre in die Hauptentschädigung einzubeziehen. Genau denselben Grundsatz hatten Sie bei § 316, als Sie den Antrag stellten, die Ziffern 3 und 4 zu streichen, die eine Begrenzung der Berechtigung auf Hausratentschädigung nach oben vorsahen.
({1})
Dagegen wandten Sie sich auch. Aber, Herr Dr. Kather, was haben Sie im Zusammenhang mit dem § 318 getan, um hier einem wirklich sozialen Grundsatz Rechnung zu tragen und den wirklich Minderbemittelten einen Anspruch auf Hausratentschädigung zukommen zu lassen, den die Betroffenen zwar nicht in vollem Umfang, aber wenigstens in etwa zur Wiederbeschaffung von Möbeln, Wäsche usw. realisieren können? Was ist hier? Sie legen in § 318 fest, daß die Gruppe bis zu einem Einkommen von 4000 RM oder einem Vermögen bis zu 20 000 RM nur 800 DM bekommen soll, die Gruppe mit einem Einkommen bis zu 6 500 RM 1200 DM und die Gruppe mit einem Einkommen über 6500 RM 1400 DM. Sie treffen hier also wiederum die Minderbemittelten, statt ihnen einen Betrag zuzuerkennen, der ihnen wenigstens einigermaßen die Anschaffung von Möbeln und Wäsche garantieren würde.
Ich glaube, Herr Kollege Professor Nöll von der Nahmer, Sie waren es, der heute bereits unter Hinweis auf die Veröffentlichung des Statistischen Amts in Wiesbaden von einem Index von 200 gesprochen hat.
({2})
Ich möchte das erweitern. - Für Hausrat! - Ich glaube, daß diese Indexziffer nicht zutreffend ist. Ich bin der Meinung, daß der Index für Möbel und für Hausrat wesentlich höher liegt. Man wird feststellen müssen, daß die Preise für Wäsche und für Textilien gegenüber damals etwa um das Dreifache gestiegen sind. Stellen Sie diese Tatsachen in Rechnung! Jeder einzelne wird dann nachrechnen können, daß die Geschädigten mit den ihnen hier in dem § 318 zugewiesenen Beträgen nicht imstande sein werden, sich auch nur in etwa einen Ersatz für den verlorengegangenen Hausrat, Textilien usw. zu beschaffen.
Deswegen fordern wir in unserem Antrag - und dieser Grundsatz müßte auch hier im Hause Anerkennung finden -, daß wir die für die Geschädigten zu zahlende Hausratentschädigung generell auf 3000 DM festsetzen. Wir sind dabei noch nicht einmal der Meinung, daß das hinsichtlich der Höhe in vollem Umfang dem genügt, was an Ansprüchen vorhanden ist. Aber ich bin der Meinung,
({3})
daß das das mindeste ist, was gewährt werden muß. Dazu fordern wir im Gegensatz zu der Ausschußvorlage, daß für die Ehefrau 500 und für jedes Kind noch 200 DM hinzuzufügen sind. Gerade im Hinblick auf die Preisentwicklung dürften diese Sätze keinesfalls übertrieben sein. Ebenso wollen wir den Geschädigten, die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes geheiratet haben, die Möglichkeit geben, daß sie für beide Teile zusammen 60 % der von mir eben genannten Beträge als Entschädigung erhalten, damit sie wenigstens eine gewisse Beihilfe für die Gründung des Hausstandes bekommen.
Nun die letzte Frage. Nach dem Gesetz liegt noch nicht fest, wann diese Hausratentschädigung zur Auszahlung kommt. Aber wir sind der Meinung, daß schnell geholfen werden muß, und deshalb verlangen wir, daß in Konsequenz der Notwendigkeit, schnell zu helfen, die Hausratentschädigung innerhalb einer Frist von zwei Jahren zur Auszahlung kommen muß. Die Einwände, die hinsichtlich der Mittel kommen könnten und vielleicht kommen werden, habe ich bereits gestern eingehend widerlegt. Die Voraussetzungen dafür sind vorhanden; die Mittel sind da. Es gilt zu helfen, und deswegen bitten wir um die Annahme unseres Antrags.
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Zur Begründung seines Antrags Herr Abgeordneter Goetzendorff!
Goetzendorff ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer hat vorhin sehr richtig die Hausratentschädigung als den zweiten Schwerpunkt des Gesetzes bezeichnet. Es will uns aber scheinen, daß es jetzt bei der Beratung nicht darum geht, auf künftige Maßnahmen hinzuweisen, die möglich sind, die aber vielleicht - wie so oft - wieder nicht erfüllt werden. Das gilt für die steuerliche Gleichberechtigung, so verdient sie ist; das gilt für den immer wiederkehrenden Hinweis auf eine künftige Novelle und für den Hinweis des Abgeordneten Preusker, der es sich leicht macht und von einer Steuerbefreiung bei nicht entnommenem Gewinn redet. Erst muß der Vertriebene einmal einen Gewinn h ab en, ehe er ihn entnehmen kann. Ich möchte mich hier in aller Entschiedenheit gegen die Sätze wenden, die in der Ausschußfassung des Gesetzes angegeben sind.
Meine Damen und Herren, die Hausratentschädigung ist für die meisten Heimatvertriebenen die einzige Entschädigung, mit der sie überhaupt rechnen können. Sie wird auf der einen Seite von gewissen Kreisen der Bevölkerung bekämpft und abgelehnt, und sie wird auf der andern Seite von den Vertriebenen dringend ersehnt. Gestern haben die Mitglieder dieses Hohen Hauses ein Schreiben der „Notgemeinschaft der Bodenständigen und Steuerzahler" zugestellt erhalten. Ich möchte mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige Sätze aus diesem Schreiben zitieren, das sich u. a. mit der Hausrathilfe befaßt. Hier heißt es:
Wir lehnen es ab, für Mitschuldige an dem Unglück als Bodenständige nun deren verursachten selbst zugefügten Schaden zu zahlen und diesen Leuten neue Vermögen zu schaffen, wenn sie schon allerorts bei uns eine auskömmliche Existenz gefunden haben, oder gar an ehedem vermögenslose Zugewanderte nun Hausratshilfe aus unseren sauer verdienten Steuergeldern leisten, wo der einheimische
Vermögenslose selbst nichts bekommt, und was zu handgreiflichen Ungerechtigkeiten alles sonst noch über uns ergehen soll. - Wir Bodenständige gefährden keinesfalls den sozialen Frieden, wie die Zugewanderten uns fälschlich bezichtigen. Aber wenn s i e etwa denselben gefährden wollen, was unschwer aus ihren Tiraden ersichtlich ist, so werden sie nicht nur damit ihr eigenes Grab schaufeln, sondern uns fest entschlossen finden, den sozialen Frieden im Notfall auch durch unsere Macht zu erhalten, denn „Lastenausgleich" in dem vorliegenden Entwurf ist ja nur legalisierter Raub an Stammesgleichen, wie nie zuvor in der Weltgeschichte vorgekommen.
({1})
Meine Damen und Herren, das hat ein gewisser Edelmann unterzeichnet. Er heißt nur so; er ist keiner!
Ich möchte mit diesem Auszug aus diesem Schreiben einmal die Tragik des Problems kennzeichnen. Während man im Regierungsentwurf die Entschädigung der Vermögen unbegrenzt nach oben vornimmt, speist man die Heimatvertriebenen hier mit Beträgen ab, die zu denken geben, und viele der Heimatvertriebenen werden glauben, daß aus dieser Gesetzesvorlage ein ähnlicher Geist spricht wie aus dem Schreiben der „Notgemeinschaft der Bodenständigen und Steuerzahler".
Meine Damen und Herren, ich habe in meinem Änderungsantrag zu § 318 Abs. 1 beantragt, die Beträge von 800 DM auf 1200 DM bzw. von 1200 auf 1500 und von 1400 auf 1600 DM zu erhöhen, und zwar angesichts der Erkenntnis, daß wirklich nur sehr, sehr wenig Mittel zur Verfügung stehen. Es könnten mehr sein, wenn die Regierungskoalition nicht so beharrlich auf ihrem Standpunkt verblieben wäre. Ich erinnere daran, wie vorgestern hier um die Aktienpakete der Besitzenden gerungen wurde, wie hier mit einem Temperament ohnegleichen in stundenlanger Debatte darum gekämpft wurde, den Aktienbesitzern um Gottes willen nicht weh zu tun, und man es dann bei einer fünfundzwanzigprozentigen Besteuerung beließ. Da wundert es mich nicht mehr, daß man bei dieser Haltung den Vertriebenen zumutet, mit diesen lächerlichen Beträgen auszukommen. Wir müssen es hier in diesem Rahmen sagen: Wenn man heute einer Familie, die beispielsweise über 6 Kinder verfügt, zumutet, sich mit einem Betrag von 1600 DM - 1600 DM! - abspeisen zu lassen, dann muß man sich darüber klar sein, daß sie damit nicht einmal in der Lage sein wird, auch nur für jedes Familienmitglied - ({2})
- Es stimmt sehr wohl, Herr Zwischenrufer! 800 DM, 200 DM für die Ehefrau und 100 DM für jedes weitere Kind.
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- Ich habe es sehr wohl gelesen, Herr Matzner!
({4})
Soll ich es noch einmal vorrechnen? Es geht darum, daß nach Abs. 2 Entschädigungsberechtigte mit einem jährlichen Einkommen bis 4000 RM 800 DM Grundentschädigung bekommen. Hinzu treten die Zuschläge für die Ehefrau in Höhe von 200 DM und für die Kinder in Höhe von 100 DM. Für das dritte und jedes weitere Kind - ({5})
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- Ich habe dann 100 DM unterschlagen.
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Für all diese Beträge, die hier für die Geschädigten ausgesetzt sind, können sie sich nicht ein Bettgestell mit einer primitiven Matratze und einem Federbett kaufen. Man überlege einmal, daß hier für ein Ehepaar als Grundbetrag 1000 DM ausgesetzt ist. Und dann berechnen Sie, was Sie bei den heutigen wahnsinnigen Preisen für diesen lächerlichen Betrag kaufen können. Die Regierungskoalition hätte Möglichkeiten über Möglichkeiten gehabt, die wahrhaft Reichen zu schröpfen. Sie hat am laufenden Band die Möglichkeiten außer acht gelassen, gewissen Besitz heranzuziehen. Die Vertriebenen werden es niemals verstehen können, daß sie mit ein paar lächerlichen hundert Mark abgespeist werden, die sie vielleicht, wenn sie Glück haben, im Laufe der nächsten 10 oder 14 Jahre erhalten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Loritz ({0}): Hochverehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 318 des Gesetzes wäre es wirklich wert, vor voll besetztem Hause diskutiert zu werden, statt, wie es tatsächlich leider der Fall ist, nur vor einem nicht einmal zu einem Drittel besetzten; denn der § 318 und das, was drinnensteht, ist gerade das, was heute für jeden Heimatvertriebenen und für jeden einheimischen Kriegsgeschädigten mit das Allerwichtigste ist. Wir haben in § 318 von seiten der Regierungskoalition Beträge in Vorschlag bekommen, die nur ein Hohn und Spott sind für jeden, der etwas auf dem Gebiet der Preisbewegung und auf den Gebiet der tatsächlichen Kosten versteht, die es heute macht, sich eine Wohnung oder wenigstens nur ein Zimmer ordentlich einzurichten.
Es ist vom Vorredner schon darauf hingewiesen worden, was heute irgendwelche Möbelstücke kosten. Er hat Summen genannt. Ich möchte Ihnen eines sagen: fragen Sie die Hausfrauen, hier unter uns! Sie mögen Ihnen vorrechnen, daß sie mit dem Betrag von 800 DM als Grundfixum - wobei dann die geringen Zuschläge für die Ehefrau und die Kinder hinzukommen - nicht einmal für ein einziges Zimmer die Betten, den Schrank, die Stühle und die notwendige Bettwäsche kaufen können. Nein, das können Sie nicht, meine Damen und Herren! Damit ist es völlig illusorisch geworden, wenn Sie so tun, als würden Sie den Kriegsgeschädigten und Heimatvertriebenen die Möglichkeit geben, wenigstens ein Zimmer für sich neu auszustatten. Sie sollten nicht Hausrathilfe als Überschrift dieses Gesetzesabschnitts daraufgeschrieben haben. Sie hätten etwas ganz anderes als Überschrift nehmen sollen. Das Ganze ist eine Verhöhnung der Berechtigten und nicht etwa eine Hausrathilfe.
({1})
- Sie verhöhnen das Parlament am meisten mit solchen Zwischenrufen und mit diesen Ihren Anträgen!
Meine Damen und Herren! Sie müssen den Berechtigten s o f o r t eine wirksame Hilfe angedeihen lassen. Wir können das ohne weiteres; die Deckungsmöglichkeiten wären vorhanden.
Als weiteren Umstand, der vielleicht auf die Herren von der Großindustrie und ihre Vertreter hier einigen Eindruck machen wird, möchte ich sagen: Gerade von einer vernünftigen Regelung der Sätze in § 318 hängt es ab, ob unsere Bekleidungsindustrie, ob die Möbelindustrie und alles, was damit zusammenhängt, in Zukunft ihre Arbeiter weiter auf dem bisherigen Stand beschäftigen können oder ob sie noch mehr zu Kurzarbeit und Arbeiterentlassungen übergehen müssen, wie das heute schon bei der Textilindustrie und der Möbelindustrie der Fall ist. Sie, meine Herren Regierungsvertreter, werden dann für diese Arbeitslosen in der Textilindustrie, in der Möbelindustrie und Hausratindustrie noch Beträge an Arbeitslosenunterstützung zahlen müssen, die in die vielen hundert Millionen gehen, zusammengerechnet auf längeren Zeitraum! Diese Beträge könnten Sie hier als produktive Fürsorge für die Arbeiter in allen diesen Industrien einbauen. Das geschieht aber nicht. Die Sätze, von denen man hier in § 318 zu sprechen wagt, sind dermaßen ein Hohn für alles, was Demokratie heißt, daß man sich wirklich zurückhalten muß, um Ihnen hier nicht ganz andere Worte ins Gesicht zu sagen!
Ich stelle den Antrag, den Abs. 1 dahingehend abzuändern, daß man den Grundbetrag auf 2500 DM festsetzt, und zwar ohne eine Staffelung. Denn für diejenigen, die alles verloren haben, kommt es hier nicht darauf an, eine Grenze machen zu lassen, ob der eine 4000 DM jährliches Einkommen hat und der andere bis zu 6500 DM, und eine Gruppe über 6500 bis zu 10 000 DM oder sonstwie zu schaffen. Das ist meines Erachtens ganz falsch am Platz. Das sind alles Kategorien von Mitmenschen, die zusammengehören, ihrer ganzen sozialen Einstellung und Haltung nach, auch ihrer menschlichen Haltung nach. Es sind wertvollste Teile der Bevölkerung. Man soll sie gleichmäßig behandeln. Der in meinem Antrag vorgeschlagene Grundbetrag von 2500 DM - zu dem die Kinderzulagen und die Frauenzulagen kommen, die an sich nicht groß sind - ist das Minimum dessen, was notwendig ist, um sich wenigstens ein oder zwei Zimmer einrichten zu können, die notwendige Wäsche und das Schuhwerk und den notwendigen Hausrat dazu kaufen zu können.
Ich bitte Sie dringend, diesen Antrag anzunehmen. Er ist sorgfältig durchgerechnet
({2})
und basiert auf den Mindestsätzen für preiswerte Möbel, wie sie mir durch die Verbände der betreffenden Wirtschaftszweige mitgeteilt worden sind. Die Summe ist aufs äußerste kalkuliert.
({3})
Ich möchte Ihnen gern höhere Anträge stellen,
({4}) aber ich habe mich beschränkt auf das,
({5})
was Sie sofort leisten können und was die Mindestsumme dessen ist, was die Ausgebombten und die Heimatvertriebenen brauchen, um sich wenigstens ein einziges bescheidenes Zimmer einrichten und die nötigsten Anschaffungen an Wäsche, Kleidern usw. zulegen zu können.
Bei diesen Paragraphen wird es sich hauptsächlich entscheiden, ob Sie den Namen „christlichsozial" und „christlich-demokratisch" für sich in Anspruch nehmen dürfen. Hier entscheidet sich's, ob Sie zu dem unvergleichlich großartigen Bibel({6})
wort stehen: zu einem Glauben, der durch die Liebe erst werktätig wird. Hier haben Sie die Möglichkeit, werktätig zu werden und für die Ärmsten der Armen unter uns wirklich etwas zu schaffen.
So bitte ich Sie, meine Herren von den Regierungsparteien, von ganzem Herzen: stimmen Sie wenigstens diesem Ihnen hiermit von mir überreichten Antrag zu! Er fordert wirklich das, was wenigstens nötig ist, um sich ein einziges Zimmer einrichten und die notwendige Wäsche anschaffen zu können.
Ich bitte, den Antrag Ihnen, Herr Präsident, überreichen zu dürfen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Dr. Kather ({0}) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Abgeordneten Müller auf seine sachliche Anfrage auch eine sachliche Antwort geben. Zunächst möchte ich Ihnen mitteilen, daß Sie meinen Einfluß bei der Gestaltung dieses Paragraphen etwas überschätzt haben. Ich möchte noch nachtragen, daß Ihre Kritik nicht im vollen Umfang unbegründet ist; es sind tatsächlich sehr geringfügige Sätze, die hier herausgekommen sind. Ich habe mich aber damit abgefunden - ich bitte Herrn Kollegen Kinat, das nicht als Umfall anzusehen -, und zwar aus der Erkenntnis heraus, daß bei der großen Zahl der Berechtigten jede hundert Mark so stark zu Buche schlagen, daß man doch vielleicht im Augenblick nicht weiter gehen konnte.
Aber, Herr Müller, es stimmt nicht, daß diese ganze Regelung asozial sei. Das wird durch die eine Tatsache schon widerlegt, daß bei den Einkommen z. B. bereits bei 6500 DM Schluß ist und alle höheren Schäden gleichbehandelt werden. Man kann also nicht sagen, daß die kleinen Leute schlecht behandelt worden sind. Ich kann vielmehr feststellen, daß aus den vielen Stellungnahmen und aus der Kritik, die letzten Endes j a auch meine Zustimmung ausgelöst haben, zu ersehen ist, daß gerade die Inhaber größerer Hausratvermögen mit dieser Regelung absolut unzufrieden sind.
Sie haben dann gefragt, Herr Müller: „Was haben Sie denn nun getan, um diese Sache zu verbessern?" Ich kann in diesem Zusammenhang auf den Abs. 4 des § 318 hinweisen. Darin ist bestimmt, daß das Gesetz, das nach § 269 Abs. 2 zu erlassen ist, darüber zu entscheiden hat, ob und in .welchem Umfang die Beträge der Hausratentschädigung erhöht werden, und ferner, ob und von welchem Zeitpunkt an eine Verzinsung erfolgen kann. Ich bin genau so, wie das schon mehrfach von verschiedenen Seiten zum Ausdruck kam, dagegen, diese Dinge auf eine Novellengesetzgebung zu verweisen. Aber hier ist der Tatbestand anders. Es ist anzuerkennen, daß es im Augenblick nicht möglich war, hierbei zu höheren Leistungen zu kommen; und ich habe zu meinem bescheidenen Teil dabei mitgewirkt, daß diese Bestimmung entstanden ist. Sie stellt keinesfalls eine leere Vertröstung dar, sondern es wird dadurch ein gesetzlicher Zwang auf den Gesetzgeber ausgeübt, bei dieser Gelegenheit zu entscheiden: Kannst du mehr geben, kannst du eine Verzinsung vornehmen? Im Augenblick war aber nicht mehr zu erreichen und durchzusetzen.
Weitere Wortmeldungen zu § 318? - Herr Abgeordneter Kriedemann!
Ich glaube, es braucht niemand hierher zu kommen und dem Hause mitzuteilen, die Sätze, die im Gesetz drinstehen, könnten, gemessen an dem Verlust, den die Geschädigten erlitten haben, und gemessen an den Preisen, die uns unsere Wirtschaftspolitik beschert, als ein ausreichender Ersatz nicht angesprochen werden. Aber die Herren, die sich so leicht tun mit ihren Anträgen auf Erhöhung um 400 DM pro Familie
({0})
- ja! - aus der Meinung, es seien der Wohltätigkeit hier keine Grenzen gesetzt, tun es sich eben ein bißchen leichter, als wir uns im Ausschuß getan haben. Wenn ich mir auch nur eine Spur von Aussicht davon versprechen würde, dann würde ich den Kollegen Loritz dringend bitten, uns doch einmal in die - wie hat er gesagt? - „sehr gründliche Berechnung" Einblick nehmen zu lassen.
({1})
- Moment, Herr Loritz, von hier aus hört man Sie viel lauter schreien, als wenn Sie von drüben sprechen. Es würde jedenfalls vielleicht ganz interessant sein.
({2})
Ich möchte aber auf folgendes hinweisen. Meine Freunde und ich haben von Anfang an ein großes Bedenken gegen die Regelung gehabt, die in ihren Grundzügen ja schon im Schadensfeststellungsgesetz festgelegt ist. Wir sind sehr froh, daß wir von den vielen Bemühungen, die wir um eine Verbesserung der Leistungen unternommen haben, wenigstens mit der einen durchgekommen sind, als die Mehrheit des Ausschusses unserem Antrag zustimmte, erstens das Verfahren wesentlich abzukürzen und zweitens aus vier Gruppen nur drei zu machen. Wir sind der festen Überzeugung, daß durch die Vereinigung der untersten beiden Gruppen zu einer Gruppe einer größeren Zahl von Menschen eine große Hilfe zugute kommt, als es bei dem anderen Verfahren der Fall gewesen wäre. Da es uns immer darauf ankommt, nicht irgendeinem Prinzip zum Siege zu verhelfen und aus Liebe zu einem Prinzip auf 12 000 Menschen, Herr Kollege Kather,
({3})
sehr viel mehr zu verteilen als auf 120 000 Menschen oder vielleicht gar auf 12 Millionen, so haben wir uns auch hier darum bemüht, einer größeren Zahl von Menschen zu einer größeren Leistung zu verhelfen. Es kommt uns in der Politik wie hoffentlich jedem vernünftigen Menschen auf das praktische Resultat und nicht auf das Prinzip der Rechthaberei und nicht auf die rechthaberischen Prinzipien an.
({4})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller.
Meine Damen und Herren, nur einige wenige Bemerkungen. Die Bescheidenheit des Herrn Dr. Kather hinsichtlich seiner Mitwirkung bei diesem Gesetz könnte ihn zwar persönlich ehren. Sie haben aber gestern selber zugegeben, daß es in der Frage der Hauptent({0})
schädigung Ihrer Initiative zu verdanken war, daß keine Begrenzung nach oben festgelegt wurde.
({1})
Ich glaube, das ist die entscheidende Frage. Damit wird zugleich noch einmal Ihre Haltung in all den von mir angeschnittenen Punkten bestätigt.
Herr Dr. Kather, es kennzeichnet auch Ihre Haltung, daß der Forderung der Geschädigten in dieser Gruppierung nicht einmal zu einem Minimum Rechnung getragen wird.
({2})
Sie haben zwar auf die Bestimmung in § 318 Abs: 4 verwiesen, die dahin lautet:
Durch das nach § 269 Abs. 2 vorbehaltene Gesetz wird bestimmt, ob und in welchem Umfang die Beträge der Hausratentschädigung erhöht werden und ferner, ob und in welcher Höhe vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens ab eine Verzinsung der Ansprüche auf Hausratentschädigung gewährt wird.
Die Geschädigten haben aber kein Interesse an einer Verzinsung der Ansprüche,
({3})
sondern sie haben ein Interesse daran, daß ihnen das Minimum für die Hausratentschädigung unmittelbar ausgezahlt wird.
Herr Dr. Kather, in § 269 Abs. 2 heißt es, daß spätestens bis zum 31. März 1957 eine gesetzliche Regelung erfolgen muß. Wir schreiben jetzt 1952. Also erst in fünf Jahren soll ein solches Gesetz kommen, das dann feststellen kann, ob überhaupt eine Erhöhung stattfindet bzw. ob eine Verzinsung eintritt. Das ist doch wirklich eine Verhöhnung der Geschädigten.
Nun die andere Frage, Herr Dr. Kather. Angesichts der Entscheidungen von gestern hat niemand in diesem Hause das Recht, zu behaupten, daß die Mittel für die Hausratentschädigung nicht bereitgestellt werden könnten. Sie haben sich gestern geweigert, den Topf so zu füllen, daß den Anforderungen der Geschädigten Rechnung getragen werden kann, und damit haben Sie sich selber Ihr Urteil gesprochen!
Das Wort hat der Abgeordnete Ehren.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß die Ostvertriebenen die Sprache der Kommunisten hier als eine Komödie betrachten müssen.
({0})
Es muß doch einmal festgestellt werden, daß dieses Problem hier gar nicht - oder wenigstens nicht in dem Ausmaße - zur Debatte stehen würde, wenn Sie nicht Ihre Zustimmung dazu gegeben hätten,
({1})
daß Millionen Menschen ihre Heimat verlassen mußten.
({2})
Und was noch viel trostloser ist:
({3})
Sie haben nicht nur nichts dagegen gehabt, daß Millionen Menschen ihre Heimat verlassen mußten, Sie haben Ihre Zustimmung zur Oder-Neiße-Linie gegeben, ehe ein Friedensvertrag diese Grenzen festlegte.
({4})
Nun ein paar Worte aus der Praxis zu der Höhe der Hausrathilfe. Selbstverständlich hätten die Ostvertriebenen und die Bombengeschädigten gern eine höhere Summe hier eingesetzt gesehen; aber Gott sei Dank müssen wir zum Ruhm aller Geschädigten sagen, daß sie die Dinge wirklich nüchtern betrachten. Meine Damen und Herren, wir haben insgesamt mehr als 6 Millionen Geschädigte,
({5})
die Anspruch auf Hausratentschädigung haben. Wenn wir nur eine Durchschnittssumme von 1000 Mark bei der Hausratentschädigung zugrunde legen, kommen wir dabei allein schon auf einen Betrag von mehr als sechs Milliarden.
({6})
- Aber, lieber Herr Loritz, es ist Ihnen vor einiger
Zeit in der „Welt" ja einiges bescheinigt worden,
({7})
und ich glaube, es hat gar keinen Zweck, das hier
noch einmal zu unterstreichen. Ich stelle als einer,
({8})
der praktisch in der Vertriebenenarbeit steht, folgendes fest: In soundso viel Versammlungen haben mir die Ostvertriebenen und Geschädigten immer wieder versichert: wenn das, was hier festgelegt worden ist, endlich bar in die Hände der Geschädigten gelegt wird, werden sie über diese Regelung nicht am unzufriedensten sein.
({9})
Herr Abgeordneter Müller hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Daß von dem Redner, der eben gesprochen hat, eine andere Haltung nicht zu erwarten war, ist selbstverständlich.
({0})
Immer dann, wenn diese Kreise, zu denen auch der Abgeordnete gehört, der eben hier gesprochen hat, vor Entscheidungen gestellt werden, bei denen sie sich dazu bekennen müssen,
({1})
ob sie für die Geschädigten in ihrer Gesamtheit auch etwas tun wollen
({2})
- die Ablehnung der Anträge meiner Fraktion durch Sie
({3})
beweist, daß Sie eben nichts tun wollen -, haben sie keine andere Antwort als eine Hetze.
({4})
Aber diejenigen, die schuld daran sind, daß es überhaupt zu der Notwendigkeit eines Lastenaus({5})
gleichsgesetzes gekommen ist, sitzen doch in Ihren eigenen Reihen.
({6})
Die Leute, die zu einem großen Teil hinter Ihren Parteien stehen, tragen doch die Verantwortung dafür, daß es überhaupt so weit gekommen ist. Die Dokumente liegen vor. Die Tatsachen sprechen ihre Sprache. Sie können mit dieser Propaganda jedenfalls bei weitem nicht mehr die Wirkung erzielen, die Sie anfänglich glaubten erzielen zu können.
({7})
Es ist heute gesagt worden, daß die Hausratentschädigung ein zweiter Markstein in diesem Gesetz ist. Es wurden schon eine Reihe von Tatsachen angeführt, die beweisen, daß die in § 318 der Ausschußvorlage festgelegten Leistungen ungenügend sind. Die Realität der Preisentwicklung, die Realität der Lage der Geschädigten und Anspruchsberechtigten zwingt dazu, eine Änderung dieser Sätze vorzunehmen.
Deswegen bitte ich Sie noch einmal, unserem Antrag zuzustimmen, wie wir auch unsererseits die Anträge unterstützen werden, die dem Geschädigten gegenüber den Sätzen der Ausschußvorlage wirklich eine Verbesserung bringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Loritz ({0}): Meine Damen und Herren! Ich lehne es ab, auf die Anrempelungen des Redners der CDU einzugehen.
({1}) Aber es ist sehr interessant, was er an Zahlen zugeben mußte. Er hat gesagt, bei 6 Millionen Lastenausgleichsberechtigten und bei einer Erhöhung der in § 318 festgesetzten Bettelsumme - oder ich will besser sagen: Hungersumme - um 1000 DM für jeden Berechtigten würde ein Gesamtbetrag von 6 Milliarden DM zusätzlich anfallen. Damit hat er sich selbst und seine Parteimitglieder gerichtet! Diese 6 Milliarden DM, die anfallen, noch dazu auf mehrere Jahre verteilt, sind weniger als das, was seine Freunde und die Koalitionsparteien den Alliierten für die deutsche Wiederaufrüstung in den Rachen zu werfen bereit sind. Diese 6 Milliarden DM insgesamt sind auch viel weniger als die Summe, die man sofort aufbringen könnte, wenn man die Großaktionäre entsprechend meinen diesem Hause schon oft gemachten Vorschlägen zur Abgabe ihrer Aktienpakete wenigstens in dem Maße heranzöge, daß die Großaktionäre nicht viel besser gestellt werden als diejenigen, die bei der Währungsumstellung die 6,5 % bekommen haben, und dazu die Vermögen der Großschieber erfassen würde. Sie haben heute mit der Nennung der Summe von 6 Milliarden DM die Katze aus dem Sack gelassen.
({2})
- Das wußte ich schon lange.
({3})
Aber die Öffentlichkeit hat das sehr interessiert. Sie müssen sich angewöhnen, mein Herr, wenn Sie schon einmal ein öffentliches Parlament haben, nicht nur für diejenigen, die hier unten sitzen und die vielleicht die Materie durchgelesen haben, Erklärungen abzugeben. Vielmehr sind Sie vor allem
dem deutschen Volk Rechenschaft schuldig und müssen das deutsche Volk hier aufklären, um welche Zahlen und Summen es sich in Wirklichkeit handelt. Nur diese 6 Milliarden DM würden sich ergeben, wenn Sie meinen Anträgen auf Abänderung des § 318 entsprächen. Diese 6 Milliarden DM aufzubringen, dazu sind die Gelegenheiten ohne weiteres gegeben. Sie wollen schon mehr - ich habe es Ihnen gesagt - für die Wiederaufrüstung aufbringen. Aber hier kneifen Sie. Schaffen Sie mindestens mal den jungen Rekruten, die Sie den Amerikanern anbieten, die Möglichkeit, sich zuerst in einem eigenen Bett ein bißchen auszuruhen, bevor sie eingezogen und wieder durch die Kasernenhöfe gejagt werden. Schauen Sie, daß die zuerst zu Hause ein richtiges Bett und einen Kleiderschrank sowie einen anständigen Zivilanzug bekommen - dasselbe für ihre Eltern -, bevor Sie diese Leute veranlassen, wiederum auf den Kasernenhöfen stramm zu stehen und später ihre Knochen hinzuhalten!
({4})
Weitere Wortmeldungen zu § 318 liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu § 318.
Ich rufe § 319 auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der KPD vor. Ich schlage Ihnen vor, daß wir § 320 damit gleich verbinden. Wir dürfen wohl in Aussicht nehmen, daß wir diesen Abschnitt noch bis zur Mittagspause erledigen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Müller.
Meine Damen und Herren! In § 319 der Vorlage, der die Anrechnung früherer Zahlungen für die Beschaffung von Hausrat behandelt, ist festgelegt, daß für bereits in Reichsmark geleistete Entschädigungszahlungen eine Verrechnung in Höhe von 10 % in Deutscher Mark erfolgen soll. Unser Antrag bezweckt, diesen Abwertungssatz nicht auf 10 %, sondern auf 61/2 % festzulegen. Ihnen allen ist bekannt, daß formal bei der Währungsreform am Stichtag X, am 20. Juni 1948, eine Abwertung von der Reichsmark zur D-Mark im Verhältnis von 10 : 1 oder von 100 : 10 erfolgt ist. In der Tat haben wir aber alle für 100 Reichsmark nur 6,50 DM bekommen. Sie können einwenden, daß der Rest gesperrt ist. Dieses Argument sticht nicht; denn Mer handelt es sich darum, daß bei der Auszahlung der in dem Gesetz vorgesehenen Hausratentschädigung die früheren Leistungen in Reichsmark angerechnet werden sollen. Dadurch würden in der Praxis, wenn dieser Abwertungssatz von 10 % bestehen bliebe, die Empfangsberechtigten erheblich benachteiligt werden. Wir sind infolgedessen der Meinung, daß dieser Verrechnungssatz von 10 % auf 61/2 % heruntergesetzt werden muß. Das macht für viele der Geschädigten, die ja mit jedem Pfennig rechnen müssen, keinen unwesentlichen Betrag aus. Ich bitte, diesem Antrag meiner Fraktion zuzustimmen.
Ich darf gleich auch zu § 320 sprechen. Unser Antrag zu § 320 war eigentlich nur in Verbindung mit unserem Änderungsantrag zu § 269 eingebracht worden. Wir haben in unserem Antrag zu § 269 einmal die Begrenzung der Festsetzung der Hauptentschädigung, vor allen Dingen aber auch verlangt, daß die Hauptentschädigung in ein bzw. zwei Jahren zur Auszahlung kommt. Unter dieser Voraussetzung hatten wir den Streichungsantrag
Müller ({0})
zu § 320 eingebracht. Nachdem aber unser Antrag zu § 269 abgelehnt worden ist, erübrigt sich unser Streichungsantrag zu § 320.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu den §§ 319 und 320.
Damit kommen wir zur Abstimmung über den Sechsten Abschnitt, zunächst zu § 316. Hierzu liegt der Antrag der Abgeordneten Dr. Kather und Genossen auf Umdruck Nr. 496 Ziffer 18 vor, Abs. 3 und 4 von § 316 'zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das ist gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Ich komme zu dem Antrag der kommunistischen Gruppe auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 28. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 316. Ich bitte die Damen und Herren, die § 316 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 317 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 318 liegt der Antrag der kommunistischen Gruppe vor, der weitergehend ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 29 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. ({0})
- Ich möchte nicht ausdrücklich feststellen, wer mit 'den Antragstellern auch dafür gestimmt hat. Der Antrag ist gegen die Antragsteller abgelehnt worden.
({1})
- Wenn Sie alle gleichzeitig reden, kann ich Sie leider nicht verstehen.
Es liegt weiter der Antrag des Herrn Abgeordneten Goetzendorff auf Umdruck Nr. 499 Ziffer 21 vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist gegen wenige Stimmen abgelehnt.
Weiterhin liegt der Antrag des Herrn Abgeordneten Loritz vor, den Abs. 1 dahingehend zu ändern: „Die Hausratentschädigung beträgt 2500 DM." Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 318 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 319 liegt der Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 30 vor, den Satz von 10 % auf 61/2% zu senken. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die den §§ 319 und 320 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die beiden Paragraphen sind angenommen.
Damit haben wir einigermaßen pünktlich unser Vormittagsziel erreicht.
Ich bitte für folgende Mitteilungen um Ihre Aufmerksamkeit. Um 14 Uhr tritt der Geschäftsordnungsausschuß zu einer 'Sitzung zusammen. Wir haben vorgesehen, von 1 bis 2 Uhr eine Pause zu machen und von 2 bis 3 Uhr keine Abstimmungen stattfinden zu lassen. - Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß wir in gleicher Weise wie bisher verfahren.
Ich unterbreche die Sitzung bis 14 Uhr.
({2})
Die Sitzung wird um 14 Uhr 7 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid wieder eröffnet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Sitzung fort.
Ich rufe auf § 325. Hier ist ein Antrag der KPD Umdruck Nr. 498 Ziffer 32 angekündigt. Wer begründet? - Sie verzichten?
({0})
Vielleicht können wir in der Zwischenzeit schon § 326 aufrufen, zu dem ein Antrag der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 495 Ziffer 14 angekündigt ist. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Lücke. Auch von Ihnen, Herr Lücke, ist ja ein Antrag angekündigt auf Umdruck Nr. 505.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Umdruck Nr. 505 sieht vor, dem § 326, der bei den Ausschußberatungen bereits eine wesentliche Rolle gespielt hat, einen Abs. 2 anzufügen. Nach diesem Absatz soll die Erstellung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Wohnungen in der Rechtsform des Wohnungseigentums oder des Dauerwohnrechts bevorzugt gefördert werden. Wir sind alle hier im 'Hohen Hause der Auffassung, daß gerade über den Lastenausgleich möglichst viele Vertriebene und Kriegssachgeschädigte wieder zu einem persönlichen Eigentum kommen sollen, und halten die Wohnraumhilfe hier für besonders geeignet. Wir bitten darum, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, wonach die Darlehen bevorzugt zur Erstellung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Wohnungen in der 'Rechtsform des Wohnungseigentums gewährt werden.
Ist niemand von der Föderalistischen Union imstande, den Antrag Umdruck Nr. 495 Ziffer 14 zu begründen? - Dann erteile ich zunächst das Wort dem Abgeordneten Paul zur Begründung des Änderungsantrags Umdruck Nr. 498 Ziffer 32 zu § 325.
Meine Damen und Herren! Neben der Beschäftigung der Flüchtlinge und der Ausgewiesenen ist die Frage der Unterbringung, d. h. der Wohnung für ,diese Menschen, von der größten Bedeutung. Bei der Beratung des
({0})
ersten Wohnungsbaugesetzes wurde der Wohnungsbau als die Aufgabe Nr. 1 proklamiert. Tatsache ist, daß es trotz bestimmter Anstrengungen der Gemeinden und auch der Länder heute noch Zehntausende, ich möchte sagen, Hunderttausende von Flüchtlingen und Ausgebombten gibt, die in Notunterkünften, in Kellern und in Bunkern leben. Die übrigen Fraktionen werden aller Wahrscheinlichkeit genau den gleichen Brief aus NeuWunstorf in Niedersachsen erhalten haben wie meine Fraktion. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich aus diesem Brief einige Sätze vorlesen. Darin wird mitgeteilt, daß 120 Familien mit 650 Personen in der Heide-Siedlung NeuWunstorf in Kellern und Baracken unter menschenunwürdigen Verhältnissen wohnen. Bei dem ersten Spatenstich zu dieser Siedlung, die im Juni 1950 auf einem Wehrmachtgelände errichtet wurde, habe der damalige Landrat erklärt: „Baut euren Keller fertig und zieht ein. Wo ein Keller steht, kommt auch bald ein Haus drauf. Dafür sorge ich schon." Heute noch warten diese Flüchtlinge auf den Bau ihrer Häuser. Sie hausen nach wie vor in Kellern und teilen mit, daß es ganz anders gekommen ist, als ihnen versprochen worden war. Heute klagt man gegen diese Flüchtlinge wegen der Errichtung von Kellern mit der Begründung, daß sie für ihre Bauten keine Baugenehmigung hatten!
({1})
In diesem Brief wird weiter gesagt:
Bisherige Eingaben beim Kreis Harburg sowie Eingaben an die Herren Bundesminister Hellwege und Lukaschek blieben ohne Erfolg. Vielmehr ist gegen die einzelnen Siedler, die einen Keller errichtet haben, Strafanzeige wegen unerlaubten Bauens gestellt worden.
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Das sind nur einige Beispiele dieser Art. Wir lesen diese Woche in der „Welt der Arbeit", daß es allein in Schleswig-Holstein noch 137 600 Männer, Frauen und Kinder gibt, die in menschenunwürdigen Verhältnissen wohnen. Es ist dringend erforderlich, daß alles getan wird, um diese Verhältnisse schnell zu ändern. In der Begründung zu diesen §§ 325 bis 327 wird gesagt, man wolle anstreben, daß die Flüchtlinge auch dort Wohnung erhielten, wo sie Beschäftigung fänden. Es gibt doch nichts Trostloseres, als wenn arbeitsfähige Männer und Frauen irgendwo auf den Dörfern in Schleswig-Holstein oder Bayern sitzen und dort keinerlei Beschäftigungsmöglichkeit haben, während sie an anderer Stelle vielleicht Beschäftigung finden könnten.
In diesem Hause wurde das sogenannte Umsiedlungsgesetz beschlossen. Wir wissen alle, wie es draußen zugegangen ist, wie die Länder sich gegen die Übernahme der Evakuierten und der Flüchtlinge gewehrt haben, wie unter den Ländern ein großer Streit entbrannt ist über die Aufnahmemöglichkeit und die -bereitschaft. Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen hat sogar eine Denkschrift herausgegeben, in der er zu beweisen versucht, daß das Land Nordrhein-Westfalen alles getan habe, um Flüchtlinge aufzunehmen usw. usw. Aber wir wissen weiter - und das wissen mit uns Hunderttausende von Flüchtlingsfamilien -, daß das Umsiedlungsgesetz nicht genügend wirksam wurde. Es ist deshalb dringend erforderlich, alles zu tun, damit diesen Menschen die Möglichkeit gegeben wird, dort eine Wohnung zu bekommen, wo sie auch Beschäftigung finden.
Es kommt hinzu, daß im letzten Jahr die Baukosten ungeheuerlich gestiegen sind. Keiner wird bestreiten, daß die Baukosten um 20 bis 25 % angestiegen sind. So wird z. B. in der „Welt der Arbeit" berichtet, daß, während im vergangenen Jahr von Staats wegen 6000 DM an öffentlichen Mitteln für die Erstellung einer Wohnung bereitgestellt werden mußten, die entsprechenden Mittel sich heute schon auf 7200 bis 8000 DM belaufen.
In dem zu den §§ 325 und 327 erstatteten schriftlichen Bericht wird mit aller Deutlichkeit gesagt, daß nicht damit gerechnet werden kann, daß in den nächstfolgenden Jahren genau so viel Geld für den Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden könne wie in den vergangenen zwei Jahren. Dafür gibt es auch Beweise. Die „Welt der Arbeit", das Organ des Deutschen Gewerkschaftsbundes, schreibt in dieser Woche, daß beispielsweise München für das laufende Baujahr nur 15 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung hat, während im vergangenen Jahre noch 27 Millionen DM bereitgestellt wurden. Die Bundesmittel, die Zuweisungen an Bayern, wurden vom vergangenen Jahre bis zu diesem Jahre um 40 % gekürzt. So wird berichtet, daß der soziale Wohnungsbau in Bayern von 1950 auf 1951 von 40 000 auf 20 000 Wohnungen zurückgegangen ist. Ähnliche Entwicklungen haben wir in allen Ländern.
Es ist dringend erforderlich, daß also von seiten des Bundes mehr Mittel an die Länder und Gemeinden überwiesen werden, um die Aufgabe Nr. 1, den Wohnungsbau, vorwärtszutreiben. Es ist Geld da! Man muß bloß den Mut haben, mit jener Politik zu brechen, die unser Volk verpflichtet, Milliarden und abermals Milliarden für den Grenzschutz und für die Aufrüstung bereitzustellen. Man sollte diese Mittel lieber für diese lebenswichtige, für manche Menschen sogar entscheidende Lebensaufgabe bereitstellen.
({3})
Heute wird in der Presse berichtet, daß der Innenminister Dr. Lehr beantragt habe, die Grenzpolizei von 10 000 auf 20 000 Mann zu erhöhen. Selbst die Blätter der CDU-Fraktion berichten, daß das eine Mehrausgabe von über 200 Millionen DM im Jahr ausmachen würde.
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Wir sind der Meinung, daß diese Gelder neben den ungeheuren Geldern für die Besatzung und den Summen, die als finanzieller Beitrag für den Generalvertrag bereitgestellt werden sollen, für die Unterbringung und die Umsiedlung der Flüchtlinge eingesetzt werden sollten.
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Ich möchte mich jetzt dem materiellen Inhalt der einzelnen Paragraphen zuwenden. In § 325 ist eine Kann-Vorschrift vorgesehen, nach der den Flüchtlingen und den Geschädigten eine Wohnraumhilfe gewährt werden kann; ich betone: kann. Aber diese Kann-Vorschrift hat es in sich; denn damit ist die Gewährung eines Darlehens eine Ermessensfrage. Die Entscheidung liegt einzig und allein in der Hand der Verwaltungsbürokratie. Wir haben deshalb einen Änderungsantrag zu § 325 gestellt. Wir wünschen im Interesse der Geschädigten und Flüchtlinge, daß man aus dieser Kann-Vorschrift eine Muß-Vorschrift macht, indem man erklärt: Den Geschädigten ist eine Wohnraumhilfe zu gewähren. Damit erhält der Personenkreis einen Rechtsanspruch auf die Wohnraumhilfe.
({6})
Wir sind mit der übergroßen Mehrheit des Hauses der Meinung, daß man selbstverständlich mit den zur Verfügung gestellten Mitteln soviel Wohnungen wie möglich schaffen sollte. Aber es darf nicht so sein, daß dadurch die kleinen Leute nicht zum Zuge kommen. Der § 327 berücksichtigt die kleinen Leute nicht in genügendem Maße. Dort heißt es, daß soviel Wohnungen wie möglich geschaffen werden sollen. Das kann aber auch so ausgelegt werden - und es wird dann in der Regel so ausgelegt -, daß die Gelder nur für große Baugesellschaften oder für Geschädigte bereitgestellt werden, die drei, vier oder noch mehr Wohnhäuser bauen wollen. Die kleinen Leute, die sich gern ein Eigentum schaffen möchten, kommen dann nicht zum Zuge, weil man sich einfach darauf beruft, daß eine möglichst große Zahl von Wohnungen geschaffen werden soll. Das bedeutet, daß man mit der Begründung. die Mittel müßten rationell eingesetzt werden, das Ersuchen der kleinen Leute auf Wohnungsbaudarlehen einfach abtut.
Eine weitere Frage, die nach unserer Meinung in § 327 gelöst werden sollte, ist die, welche Mieten für diese Wohnungen genommen werden dürfen. Sie wissen alle aus den Debatten um das erste Wohnungsbaugesetz, wie im Ausschuß und hier im Hause um die Miethöhe gerungen wurde. Tatsache ist auch heute noch, daß selbst für die Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus, für Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln gebaut werden, unter der Decke verlorene Baukostenzuschüsse oder langjährige Mietvorauszahlungen gefordert werden. Das ist eine feststehende Tatsache. Herr Lücke wird mir recht geben, wenn ich sage, daß solche ungerechte und unsoziale Fälle in großer Zahl vorkommen. Wir müssen in § 327 festlegen, daß die Wohnungen für die Geschädigten nur entsprechend den Bestimmungen des ersten Wohnungsbaugesetzes vermietet werden dürfen. Für diese Wohnungen dürfen nur Mieten gefordert werden, die diesen Bestimmungen entsprechen. Das heißt, es darf keine Kostenmiete, sondern es muß eine sozial tragbare Miete gefordert werden. Jeder kennt das Elend dieser Menschen. Sehr viele Flüchtlingsfamilien leben von Unterstützungen, zum größten Teil fehlen die Ernährer. Woher sollen diese Menschen das Geld für teure Wohnungen nehmen? In Düsseldorf haben wir einen solchen Zustand. Ich kenne eine Reihe solcher Familien, die die vom Wohnungsamt angebotenen Wohnungen nicht annehmen können, weil sie einfach das Geld nicht haben, um 70 und 80 DM Miete für eine Dreieinhalbzimmer-Wohnung zu bezahlen. Wie soll eine Flüchtlingsfamilie, die 60 oder 80 DM Unterstützung im Monat erhält, überhaupt das Geld für solche Mieten aufbringen? Deswegen muß man garantieren, und zwar durch eine gesetzliche Festlegung, daß nur sozial tragbare Mieten für diese Wohnungen gefordert werden können.
Des weiteren haben wir vermißt, daß in diesem Gesetz festgelegt wurde, daß auch die Kleinsiedler, die Leute, die in Selbsthilfe bauen wollen, zum Zuge kommen. Man kann mir entgegenhalten: Es wurde aber doch festgelegt, daß z. B. der Präsident dieser Institution dieses jederzeit durch eine Rechtsverordnung oder Durchführungsverordnung berücksichtigen kann. Ich mache Sie aber darauf aufmerksam, daß sich daraus nicht ein Rechtsanspruch herzuleiten braucht und herleiten läßt. Wir sind der Meinung, in § 327 sollte festgelegt werden, daß die Wohnraumhilfe Kleinsiedlern und kleinen Leuten, die sich jetzt wieder ein kleines
Eigentum durch Einsatz ihrer eigenen Kraft schaffen wollen, gewährt werden soll. Zwar gebe ich mich nicht großen Illusionen hin. Ich bin zutiefst davon überzeugt, daß wir das ganze Wohnungsproblem ohne die Änderung der Gesamtpolitik nicht lösen werden. Erst dann, wenn größere Mittel zum Einsatz kommen, wird es möglich sein, das große Wohnungselend, das die Bevölkerung bedrückt, in kürzester Zeit zu beheben. Aber dennoch sind wir der Meinung, daß das, was möglich ist, auch in diesem Gesetz festgelegt werden sollte.
Nun lassen Sie mich auch noch ein Wort über die sogenannte Zwischenfinanzierung sagen, d. h. über die Bereitstellung der Mittel überhaupt. Der Flüchtlingsminister hat z. B. erklärt, daß die bereitgestellten Mittel wohl von 300 Millionen auf 500 Millionen DM erhöht werden sollten, um einen Ausgleich zu schaffen. Er hat aber gleichzeitig gesagt, daß das dann wohl auf Grund der Kürzungen der Mittel für die Hausratshilfe usw, erfolgen würde. - Man könnte größere Mittel bereitstellen, und wir fordern, daß höhere Mittel für die Beschaffung von Wohnungen für die Geschädigten von seiten des Bundes eingesetzt werden. Herr Dr. Lukaschek hätte es gar nicht nötig, darauf hinzuweisen, daß man dann andererseits die Hausratsmittel kürzen müsse, wenn man hier den Mut gefunden hätte, das Großkapital schärfer anzufassen. Das wäre gar nicht untragbar gewesen; mir kann keiner begreiflich machen, daß das wirtschaftlich für die großen Unternehmungen nicht tragbar gewesen wäre. Sie von seiten der Koalitionsparteien haben sich diesen Argumenten allerdings verschlossen
({7}) und haben sich der Heranziehung der Großkapitalisten für die Lösung der Aufgaben im Rahmen des Gesetzes widersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie im Interesse der Geschädigtenkreise bitten, unsere Änderungsanträge zu den §§ 325 und 327 anzunehmen.
({8})
Das Wort zur Begründung des Antrages auf Umdruck Nr. 495 Ziffer 14 zu § 326 hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn am vierten Tage dieser Marathon-Debatte zu bestimmten Zeiten das Haus mal nicht so ganz besetzt ist, ist das nicht verwunderlich. Was aber mich und die ganze Opposition nicht bloß enttäuscht, sondern verbittert, das ist, daß während der ganzen Beratungen die Regierungsbank stets so gut wie leer gewesen ist.
({0})
Abgesehen von Herrn Lehr, den ich ab und zu hier gesehen habe, haben wir die Minister, die interessiert sein müßten, auf der Ministerbank vermißt, und außer Herrn Minister Lukaschek
({1})
- der jetzt aber auch nicht da ist -,
({2})
der als einzige Erklärung einmal von sich gegeben
hat, daß höhere politische Einsicht gegen sachliches
Interesse spräche, so daß er sich dem Zwange ({3})
seiner Fraktion, so heißt das praktisch ja - fügen müsse und nichts sagen dürfe.
({4})
Die Regierungskoalition hat zu Anfang der Debatte gesagt, daß sie ihre Beschlüsse gefaßt habe und daran nicht rütteln lasse. Es ist davon in dem einen oder andern Punkte kurz abgewichen worden. Nun sollte man eigentlich die Konsequenz ziehen und sagen: schön, Regierungskoalition, macht euren Lastenausgleich allein, und wir lehnen ihn ab. Dann heißt dieser Lastenausgleich demnächst "CDU-Lastenausgleich" und läuft als solcher dann durch die Weltgeschichte. Die CDU hindert praktisch sogar die übrigen Mitglieder der Koalition, etwas daran zu korrigieren, selbst wenn sie ihre bessere Einsicht hier zum Ausdruck bringen.
({5})
Wenn die Herren Minister nun glauben, daß sie ihren Teil zum Lastenausgleich beigetragen haben, wenn sie durch den Vorsitzenden des Ausschusses, Herrn Kunze, dafür sorgen lassen, daß kein Mitglied der Koalition abspringt, so nimmt das deutsche Volk dies zur Kenntnis. Das sei einmal vor der leeren Ministerbank gesagt.
({6})
- Besten Dank, Herr Kunze, für das Kompliment! Es sollten sich alle die, die mir diesen Vorwurf machen, angesichts des deutschen Volkes schämen, das seit sieben Jahren darauf wartet, daß hier um einen Lastenausgleich in echtem Kampfe gerungen wird.
({7})
Meine Damen und Herren! Um diesen Grad des Lärmens für erlaubt halten zu können, sitzen zu wenig Abgeordnete hier!
({0})
Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Kollege Ehren.
({0})
- Sie müssen nacheinander reden, wenn ich Sie verstehen soll.
({1})
Herr Abgeordneter Ehren, ich werde Ihnen nachher das Wort erteilen, das erspart Ihnen die Mühe, Zwischenrufe zu machen.
({0})
Sie müssen nacheinander sprechen. Ich bitte Sie, nacheinander zu reden.
({0})
Herr Abgeordneter Reismann, Sie begründen Ziffer 14 des Antrags auf Umdruck Nr. 495.
Wenn die Ruhe hergestellt ist, will ich damit beginnen, Herr Präsident.
Es ist ruhig. ({0})
Zu § 326 liegt ein Änderungsantrag der Föderalistischen Union vor. Es ist darin ein Druckfehler enthalten, den ich berichtige. Es steht dort geschrieben: ,,... Hausbesitz, Grundbesitz oder Betriebsvermögen verloren haben". Es muß heißen: ,,... Hausbesitz, Wohnraum oder Betriebsvermögen verloren haben". Ich bitte Sie also, an die Stelle des Wortes „Grundbesitz" das Wort „Wohnraum" zu setzen.
Es wäre vielleicht zweckmäßiger gewesen, an Stelle des Wortlauts von § 326 einen andern zu wählen, indem insbesondere hätte gesagt werden können: Wohnraumhilfe wird in der Weise gewährt, daß man dem Geschädigten Gelegenheit nicht zum Bezuge, sondern zum Bau einer Wohnung beschafft. Aber nun wollen wir uns an die Diktion halten, die nun einmal im § 326 vorgesehen ist, und haben deswegen vorgeschlagen, hinter „ . . . durch Darlehen des Ausgleichsfonds" die Worte zu setzen: „an solche Personen, welche durch Vertreibung oder Kriegssachschäden Hausbesitz, Wohnraum oder Betriebsvermögen verloren haben". Es ist im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes nicht gleichgültig, wer das Geld bekommt. Daß natürlich Wohnungen daraus gebaut werden sollen, ist einleuchtend. Aber wenn das Gesetz in diesem Punkt seinen Namen mit Recht trägt, dann muß doch das Geld denen zur Verfügung gestellt werden, deren Lasten ausgeglichen werden sollen. Dann genügt es nicht, daß das Geld zu billigen Zinsen solchen gegeben wird, die nichts verloren haben, damit dann hinterher die Geschädigten die neuen hohen Mieten bezahlen müssen. Deswegen erscheint uns diese Änderung des § 326 dringend erforderlich. Ohne diese Änderung würden wir auch zu diesem Punkt des Gesetzes unsere Zustimmung nicht geben können. Es muß sichergestellt werden, daß .das Geld, das für die Wohnraumhilfe verwendet wird, nur den Geschädigten an Hausbesitz, Wohnraum oder Betriebsvermögen zufließt. Auf den Ausdruck „Wohnraum" an Stelle des Ausdrucks „Grundbesitz" legen wir gesteigerten Wert. Wir verlangen keineswegs, daß das Geld nur den früheren Eigentümern gegeben wird; denn es soll ja Wohnraum für alle Geschädigten erstellt werden. Aber eine Entfremdung des Geldes für Zwecke, die nicht den Geschädigten dienen, werden wir nicht billigen, und ich bitte Sie, sich im gleichen Sinne zu entscheiden.
Damit sind die Änderungsanträge zu den §§ 325 bis 327 eingebracht und begründet. Wir kommen zur Aussprache.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Loritz,
Loritz ({0}): Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen doch als Jurist eines sagen:
({1})
§ 325 ist so formuliert, daß Sie den ganzen Absatz
„Wohnraumhilfe" ruhig streichen können, ohne
daß sich damit etwas Wesentliches ändern würde.
({2}) Es heißt nämlich in § 325:
Wohnraumhilfe kann Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten gewährt werden, wenn usw. usw.
Daraus geht für jeden Juristen eindeutig hervor, daß das Ganze lediglich eine Anregung ist und keinerlei Mußvorschrift, und daß aus diesen ganzen §§ 325 bis 327 überhaupt keine Rechtsansprüche für die Geschädigten hergeleitet werden können, daß das Ganze also ein Schlag ins Wasser ist oder eine Schaumschlägerei, oder wie Sie das nun nennen wollen, meine Herren von den Regierungsparteien,
({3})
statt daß Sie - wie ich beantrage - wenigstens eine klare, rechtlich festumrissene Muß vorschrift eingebaut haben, die dem Personenkreis, der hier in Frage kommt, wirklich einen Anspruch gewähren würde. Wenn es Ihnen um die Interessen der Wohnraumgeschädigten zu tun gewesen wäre, hätten Sie folgendermaßen formulieren müssen: „Wohnraumhilfe m u ß Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten gewährt werden, wenn sie nachweisen, daß" usw., und Sie hätten dann noch eine Klausel vielleicht anfügen können, ,daß diese Entschädigung noch bestimmten Voraussetzungen unterworfen ist, und zwar deswegen, damit nicht alles anfallende Geld nur für diesen Zweck verwendet wird. Das hätten Sie noch einschalten können. Aber eine Mußvorschrift hätten Sie einbauen müssen; und ich mache den Juristen der Regierungsparteien den Vorwurf, daß sie durch eine Formulierung, die von der Mehrheit des Hauses nicht verstanden wird, weil dieser der Unterschied zwischen Kann- und Mußvorschriften im einzelnen nicht ganz klar ist, falsche Hoffnungen haben entstehen lassen!
({4})
Sonst hätten Sie sich anders ausdrücken müssen, meine Herren Redner von den Regierungsparteien!
Herr Abgeordneter Loritz, Sie sollten die Gelehrsamkeit des Hauses nicht so unterschätzen.
({0})
Loritz ({1}): Tut mir leid, Herr Präsident, aber ich glaube, hier täuschen Sie sich! Wir haben es ja schon bei der Begründung der Anträge gesehen, daß immer so gesprochen wird, als ob dieser Paragraph den Wohnraumgeschädigten irgendwelche Rechte geben würde. Leider ist das nicht der Fall. Das Ganze ist eine Anregung, weiter gar nichts. Es liegt im Belieben irgendwelcher Leute in den Behörden, ob sie überhaupt Wohnraumhilfe geben wollen. Selbst dann, wenn diese Wohnraumhilfe der billigste Weg ist und der beste Weg, um dem Geschädigten einen Wohnraum zu verschaffen, selbst dann ist das nur eine Kannvorschrift und keine Mußvorschrift. Das ist der Grund, warum keiner, der die Dinge durchschaut, für diese Formulierung stimmen kann. Meine Damen und Herren, tun Sie doch bitte nicht solche Sachen ins Gesetz hineinschreiben, die den Geschädigten nicht einmal irgendein Recht gewähren, oder wenigstens, wenn Sie schon so etwas hineinschreiben, dann machen Sie keine Propaganda damit und sagen Sie draußen in Ihren Versammlungen nicht, was Sie angeblich alles für die Geschädigten getan hätten!
Das Wort hat der Abgeordnete Ehren.
({0})
- Sie haben sich gar nicht gemeldet? Ich bitte um Entschuldigung. Aus Ihren so lebhaften Zwischenrufen schloß ich, daß Sie auch von der Tribüne aus zum Hause würden sprechen wollen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Nöll von der Nahmer.
Meine Damen und Herren! Ich muß nur ein paar Worte zu den Ausführungen von Herrn Kollegen Reismann sagen. Als Angehöriger einer der beiden anderen Koalitionsparteien fühle ich mich verpflichtet, hier festzustellen, daß die Angriffe, die er hier gegenüber unserem Koalitionspartner, der CDU/CSU, geäußert hat, nun doch tatsächlich auf einer vollen Verkennung einmal des ganzen Koalitionsverhältnisses und außerdem auch der Persönlichkeiten unserer Koalitionsfreunde beruhen, mit denen wir die Freude haben, zusammen eine Koalition zu führen.
({0})
- Hoffentlich noch recht lange, meine Damen und Herren! Und was ich dazu tun kann, um diese Koalition zu kräftigen, das werde ich bestimmt tun, das können Sie mir glauben; und ich freue mich, daß auch bei der CDU/CSU viele Kollegen sind, die genau dieselben Ansichten vertreten. Wir haben j a gerade in Rheinland-Pfalz, wo ich herkomme, bewiesen, wie wir zu dieser Koalition stehen! - Das besondere Verfahren, das wir hier für die Beratungen vereinbart haben, ist aus wohlerwogenen Gründen und in gegenseitigem Übereinkommen zwischen der Mehrheit der Mitglieder der drei Fraktionen festgelegt worden. Ich möchte mich hier ganz entschieden vor unsere Koalitionsfreunde stellen und gegen die Angriffe wenden, nach denen es so aussieht, als ob sie uns hier irgendwie zu etwas gezwungen und wir diese Linie nicht in vollem gegenseitigen Einvernehmen festgelegt hätten.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Den juristischen Ausführungen des Kollegen Loritz kann ich mich nicht anschließen. Was den Antrag der Föderalistischen Union anlangt, so las er sich mit Druckfehler sehr erstaunlich, ohne Druckfehler ist er deswegen eigentlich auch nicht besser verständlich.
({0})
Der § 326 sieht vor, daß für Geschädigte gesorgt werden soll. Der Antrag spricht von solchen Personen, die durch Vertreibung oder Kriegssachschäden Hausbesitz, Wohnraum oder Betriebsvermögen verloren haben. Ja, welche Personen will
({1})
er denn eigentlich damit ausschließen? Leute, die bloß Hausrat verloren haben, haben doch meistens irgendwo gewohnt. Will er die Leute ausschließen, die noch Wohnraum haben? Für die wird sowieso niemand auf die Idee kommen, vordringlich Wohnungen zu bauen, solange noch andere ohne Wohnung dasitzen. Oder will er besonders diejenigen ausschließen, die deswegen nirgends gewohnt haben, weil sie eben sehr jung sind und erst in letzter Zeit geboren wurden? Es ist mir wirklich unverständlich, was hier mit diesem Antrag noch gemeint sein soll. Wir können ihm nicht zustimmen.
Was den Antrag der Kollegen Lücke und Genossen anlangt, so haben wir nicht den Eindruck, daß es dem Herrn Kollegen Lücke und seinen Freunden gelungen ist, eine Grundlage dafür zu schaffen, daß in diesem Gesetz für ausreichende Mittel zum Flüchtlingswohnungsbau gesorgt wird. Solange das aber nicht der Fall ist, meine Damen. und Herren, halten wir es für eine gefährliche und kostspielige Spielerei, die Verwendung der Mittel in diesem Sinne hier im Gesetz festzulegen. Wir sind uns im Ausschuß darüber klargeworden, daß Eigenheimen, wo sie am Platze sind, durchaus der Vorzug zu geben ist und daß die entsprechenden Maßnahmen vom Soforthilfeamt und vom Kontrollausschuß veranlaßt werden können, ohne daß dazu eine gesetzliche Festlegung notwendig ist. Eigenheime haben neben vielen unbestreitbaren Vorzügen jedenfalls im allgemeinen nicht den, daß ihre Bauweise absolut die billigste ist.
({2})
Solange wir so wenig Wohnungsbaumittel haben, wie jetzt vorgesehen sind - wir werden uns nachher über diese Frage unterhalten -, halten wir erst recht eine gesetzliche Festlegung für überflüssig und für gefährlich, genau wie wir sie ja auch schon im Ausschuß für überflüssig gehalten haben. Wir vermögen dem Antrag nicht zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen? - Abgeordneter Reismann!
Auf die Frage von Herrn Kollegen Seuffert will ich ganz kurz antworten. Ausgeschlossen damit soll nur e i n Kreis von Personen sein, nämlich die, die nichts verloren haben. Die sollen auch kein Geld zugewandt bekommen, damit sie damit 'bauen können. Aber alles Geld, was für - ({0})
- Also, alle Geschädigten sollen möglicherweise bedacht werden, nicht in dem Sinne von Zwang.
({1})
- Daß sie es auch sein können, nein! Aber wem das Geld zum Bauen zugewandt werden soll, das steht nicht drin. Da steht nur, daß sie Wohnungen beziehen sollen. Hinterher geht man her und finanziert große Wohnungsbaugesellschaften, die früher niemals Eigentum besessen haben, die vielleicht gar nicht einmal dagewesen sind. Und diese bauen irgendwo, und die Geschädigten sollen die Mieten für die Wohnungen aufbringen. Das soll verhindert werden. Das Geld zum Bauen soll den Geschädigten als Eigentümern zugewandt werden. Ich meine, das ist gar nicht so schwer zu verstehen. Es liegt Ihnen aber vielleicht daran, das Geld auf diese Art und Weise zur Finanzierung von Genossenschaften und Gesellschaften zu verwenden, die keine Verluste erlitten haben, die weder Vertriebene sind, noch aus Geschädigten bestehen. Uns
liegt aber daran, das Geld den Geschädigten zuzuwenden, damit sie damit bauen und nicht bloß hinterher die teuren Wohnungen beziehen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich fühle mich zunächst veranlaßt, dem Kollegen Reismann ein persönliches Wort zu seinen Ausführungen zu sagen. Während der ganzen Beratungen in diesen Tagen haben Sie und Ihr Kollege Bertram immer wieder mit mir überlegt, und wir haben geprüft, was wir in der dritten Lesung aus wertvollen Anträgen Ihrerseits zu übernehmen in der Lage sind. Und jetzt stellen Sie die Dinge so dar, als ob wir einfach über die ganzen Dinge zur Tagesordnung übergingen. Ich habe heute morgen noch Ihrem Kollegen gesagt: ich stimme Ihrem Antrag soundso völlig zu; aber Sie müssen Verständnis dafür haben, daß ich das zuvor meiner Fraktion vorlegen muß. Bei uns geht's nicht so autoritär zu, wie Sie es etwas merkwürdig dargestellt haben, als ob von der nichtbesetzten Ministerbank ein Kommando an mich erginge und ich dann die ganze Fraktion kommandierte. Dann ahnen Sie nichts von der Echtheit der Demokratie der Christlich-Demokratischen und der ChristlichSozialen Union.
({0})
Und wenn Sie von der Ministerbank reden, dann habe ich Ihnen zu sagen, daß Sie entweder nicht von dahinten bis nach vorn gucken können oder nicht hier drin gewesen sind, sonst hätten Sie gesehen, daß Stunden und Stunden und aber Stunden soundso viel Minister hier unter uns gesessen haben.
({1})
Sie haben aber, weil es um die Vorlage eines Ausschußberichts ging, hier unten gesessen und nicht als Minister auf der Ministerbank.
({2}) Wenn Sie den Herren jetzt einen Vorwurf machen, dann müßten Sie eigentlich wissen, daß freitags Kabinettssitzung ist, und wenn die Herren bis Viertel nach zwei Kabinettssitzung haben, werden Sie ihnen gestatten, daß sie auch noch einen Löffel Suppe essen, bevor sie sich wieder an die Arbeit begeben.
({3})
Ich bin der Meinung: in dieser Form sollten wir bei
einer so ernsten Materie nicht miteinander reden.
({4})
Nun zur Sache selbst. Es dürfte doch für das Hohe Haus interessant sein, einmal zu wissen, wie denn diese Paragraphen, die jetzt zur Debatte stehen, in der Endberatung im Ausschuß zustande gekommen sind. Darf ich Ihnen nur aus dem Protokoll der betreffenden Sitzung, nämlich der Sitzung vom 14. März, ganz knapp folgendes zitieren. § 325 wurde mit allen Stimmen bei zwei Enthaltungen - das waren zwei Mitglieder der Regierungsparteien, die erklärten: „Wir übersehen das noch nicht ganz." - angenommen. Zu § 326 wurde in einer eingehenden Aussprache beschlossen, daß der von dem Abgeordneten Seuffert gestellte Antrag anzunehmen sei; demgemäß ist zu § 326 unter
({5})
Streichung des Abs. 2 die jetzt vorliegende Fassung angenommen worden. Zu § 327 wurde ein Antrag des Kollegen Nöll von der Nahmer nicht gebilligt. Es wurde lediglich beschlossen, dem Paragraphen folgende Bestimmung anzuhängen: „Geschädigte", und dann lesen Sie bitte weiter, was im Text, der Ihnen vorliegt, steht. § 328 wurde ebenfalls einstimmig beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich erwähne das nicht aus irgendeinem optischen Grunde, sondern nur, damit Sie sehen, daß wir uns in diesen Dingen ohne Unterschied parteipolitischer Bindungen ernsthaft miteinander bemüht haben, gemeinsam das Beste zu finden, und es dürfte doch eine gewisse Beruhigung für das Hohe Haus sein, wenn Sie hören, daß hier in allen entscheidenden Punkten die Übereinstimmung auch mit der Opposition gefunden worden ist.
Ich beantrage, die gestellten Anträge abzulehnen und es bei der Ausschußvorlage zu belassen.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! An der Fehlkonstruktion der §§ 325 bis 327 ändern auch die Worte des Herrn Kunze nichts, der eben darauf hingewiesen hat, daß diese Paragraphen in Übereinstimmung mit der Opposition - damit meinte er wohl: mit der Sozialdemokratischen Partei - formuliert und im Ausschuß angenommen worden sind. In § 325 - und darauf machen wir in unserem Änderungsantrag aufmerksam - geht es um eine Kann-Vorschrift. Wir alle aber, die wir mit den Länderregierungen und mit den Kommunen schon sehr viel zu tun gehabt haben, wissen, daß eine Kann-Vorschrift noch keinen Rechtsanspruch darstellt. Infolgedessen muß man im Interesse der Geschädigten verlangen, daß aus dem „kann" ein „ist" gemacht wird. Es muß also heißen: „Wohnraumhilfe ist Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten zu gewähren, wenn sie nachweisen" usw.
Erlauben Sie mir jetzt noch, etwas zum Einsatz der Mittel zu sagen. Ich kann den Worten des Herrn Kollegen Seuffert nicht folgen. Zwar legen wir alle Wert darauf, daß mit den vorhandenen Geldern viele Wohnungen gebaut werden; aber ich sehe doch in den Formulierungen dieser Paragraphen eine Gefahr, nämlich die Gefahr, daß geschädigte Unternehmer oder Firmen, die sich bereit erklären, drei, vier, fünf Häuser mit soundso viel Stockwerken und Wohnungen zu bauen, dann doch bevorzugt - auf Grund dieser Paragraphen - die Wohnraumhilfe erhalten. Die kleinen Leute wird man fragen: Haben Sie ein Haus besessen? Dann wird der kleine Mann sagen: Das habe ich nicht; aber ich will mich jetzt bemühen, eine Kleinsiedlung aufzubauen. Ich habe Verhandlungen mit der Bausparkasse oder einer anderen Kasse aufgenommen, um etwas Geld zu bekommen; deshalb möchte ich eine Wohnraumhilfe haben. Ich kenne sehr viele Beamte, die dann sagen werden: Nein, das geht nicht; hier heißt es ausdrücklich, daß mit dem Geld soviel wie möglich Wohnungen geschaffen werden müssen. Ihr Antrag birgt die Gefahr in sich, daß Sie für die Erstellung einer einzelnen Wohnung oder einer Einliegerwohnung zuviel Geld verbrauchen; deshalb kann ich das Darlehn nicht gewähren, weil mir das Gesetz und die Durchführungsverordnung dies verbieten. Meine Damen und Herren, vielleicht kann man jetzt umgekehrt sagen: Also sind Sie dafür, daß für die Schaffung dieser Wohnungen mehr Geld aufgeboten wird! Man kann so und so argumentieren; aber ich bin mit meiner Fraktion der Meinung, daß es darauf ankommt, in erster Linie den kleinen Leuten zu helfen und nicht irgendwelche Leute zu begünstigen, die mit den Wohnungen wieder ein Geschäft machen wollen. Darauf kommt es nach unserer Meinung an.
Nun ist gesagt worden - auch Herr Kollege Seuffert hat es getan -: Ja, aber der Präsident hat doch die Möglichkeit, solche Verordnungen zu erlassen. Dann liegt die Entscheidung einzig und allein in den Händen des Präsidenten oder der Kontrollorgane. Wir sind der Meinung, daß damit noch kein Rechtsanpruch gegeben ist. Deswegen sollte man diesen Rechtsanspruch in den Paragraphen festlegen und bestimmen, daß den Kleinsiedlern und den kleinen Leuten die Wohnraumhilfe ebenfalls zu gewähren ist. Wir wünschen zum mindesten, daß die kleinen Leute mit den ehemaligen Hausbesitzern gleichgestellt werden.
In dem Antrag des Kollegen Lücke wird sogar gefordert, die Mittel bevorzugt für Eigentumswohnungen bereitzustellen. Ich weiß nicht, Kollege Lücke, ob wir so weit gehen sollten; aber zum mindesten sollte in dem Paragraphen festgelegt werden, daß die kleinen Leute den übrigen Geschädigtenkreisen gleichgestellt werden - ich denke hier an die Hausbesitzer, Unternehmer usw. usw. -, und das haben wir auch in unseren Änderungsanträgen dargelegt. Sollte unser Änderungsantrag in dieser Frage nicht die Zustimmung der Mehrheit des Hauses finden, werden wir dem Antrag des Kollegen Lücke zustimmen, weil wir der Meinung sind, daß die kleinen Leute in diesem Gesetz ihr Recht erhalten sollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Kollege Dr. Reismann hat es beklagt, daß die Ministerbank bei der Beratung dieses wichtigen Gesetzes dauernd leer ist. Ich glaube, meine Damen und Herren von den Koalitionsparteien, Sie beklagen das mit uns. Auch Sie werden genau wie wir wünschen, daß die Zusammenarbeit zwischen der Regierung einerseits und dem Parlament andererseits enger sein möge. In diesem Sinne, glaube ich, wäre es tatsächlich wünschenswert, wenn insbesondere der Herr Finanzminister unseren Beratungen häufiger folgen könnte.
({0}) Zahlreiche unserer Beschlüsse berühren gerade sein Ressort so eingehend - z. B. auch die Debatte heute morgen zu § 315 -, daß es wohl notwendig wäre, daß der Finanzminister aus zwingenden sachlichen Gründen diesen Beratungen hier folgt und nicht an irgendwelchen Ausschußsitzungen teilnimmt. Sind wir denn schon so weit, daß die Ausschüsse in den Ministerien wichtiger sind als die Beratungen hier im Hohen Hause?! Meine Damen und Herren, das ist doch wohl letzten Endes eine Frage der Selbstachtung auch dieses Parlaments. Ich glaube, wenn man die Frage einmal unter diesem Gesichtspunkt bedenkt, wird man der Forderung meines Fraktionskollegen zustimmen müssen.
Es kommt ferner hinzu: Wenn die Minister hier nicht erscheinen, so doch deshalb, weil das tat({1})
sächliche politische Gewicht im Laufe der letzten Jahre immer mehr von der Legislative zur Exekutive hinübergewandert ist. Die leere Ministerbank zeigt nur drastisch und deutlich, wie das tatsächliche politische Gewicht ist. In diesem Sinne müssen wir wünschen, daß die Minister, die doch auch Abgeordnete sind, aus der Erkenntnis der parlamentarischen Regierungsform heraus an unseren Beratungen teilnehmen, aktiv eingreifen und sich von den Beratungen hier auch beeinflussen lassen.
Wir stellen zum großen Bedauern fest, daß die Leere der Ministerbank ja auch einer weitgehenden Leere hier im Hause entspricht. Es ist auch im Hause so, daß während der Sitzungen - ({2})
- Von einer geistigen Leere habe ich bei mir persönlich nichts merken können, Herr Albers. Wenn Sie mir diesen Zwischenruf machen, dann denken Sie sicher an sich selber! - Es dreht sich hier doch um die Frage, ob es richtig ist, daß während der Beratung über das Lastenausgleichsgesetz die wichtigsten Ausschüsse dieses Hauses parallele Sitzungen abhalten. Heute morgen und gestern hat gleichzeitig getagt der Finanzausschuß - während des Plenums! -, hat gleichzeitig getagt der Außenpolitische Ausschuß - während des Plenums! -, hat gleichzeitig getagt der Außenhandelsausschuß - während des Plenums! Meine Damen und Herren, ist es auch von seiten des Bundestags aus überhaupt erträglich, daß diese Ausschüsse neben dem Plenum tagen und dadurch das Gewicht der Beratungen hier entwertet wird?
({3})
Das sind Dinge, die im Interesse der Achtung dieses Parlaments doch sehr wohl erwogen werden sollten.
({4})
- Herr Kollege Atzenroth, es handelt sich hier nicht nur um die Reden, es handelt sich hier tatsächlich um das politische Schwergewicht. Treffen Sie die Entscheidung oder soll sie in irgendwelchen verborgenen Gremien unter Ausschluß der Öffentlichkeit getroffen werden?
({5}) Das ist hier die Frage und nichts anderes.
Gestatten Sie mir bitte, daß ich über diese grundsätzliche Frage noch einige Worte sage. Wenn Herr Kollege Kunze darauf hinwies, daß wir eine gute Zusammenarbeit gehabt hätten, so will ich das durchaus zugeben. Ich habe mit Herrn Kollegen Kunze insbesondere über die Frage der Altspareraufwertung eine weitgehende Verständigung - wie ich hoffen darf - herbeiführen können. Aber das ändert doch nichts daran, daß allein durch die räumliche Anlage dieses Hauses ein echtes Gespräch kaum zustande kommt. Wenn wir von hinten sprechen wollen, dann sieht man dem Vordermann in den Nacken und sieht gar nicht, was sein Mienenspiel sagt. Wir sind zu einer echten Aussprache bei diesem merkwürdigen Adolf-HitlerGedächtnissaal überhaupt nicht in der Lage!
({6})
Herr Abgeordneter Dr. Bertram, diese Charakterisierung des Raumes, in dem der Deutsche Bundestag sich versammelt, war ungehörig. Ich rufe Sie zur Ordnung!
({0})
Herr Präsident, ich habe damit
die räumliche Anordnung treffen wollen.
Eine Frage zu dem Antrag meines Kollegen - - ({0})
Meine Damen und Herren, ich habe den Redner zur Ordnung gerufen. Damit sollte die Sache für Sie erledigt sein.
({0})
Nun zum Sachlichen des Antrags des Kollegen Reismann. Das Anliegen dieses Antrags ist vor allem, zu verhindern, daß auf dem Weg über die Wohnraumhilfe Kollektiveigentum statt Individualeigentum in der Hand der Geschädigten entsteht. Es ist bei der jetzigen Fassung der Bestimmungen betreffend die Wohnraumhilfe durchaus möglich und sogar höchst wahrscheinlich, daß der größere Teil der Mittel aus der Wohnraumhilfe Verwendung für Kollektiveigentum findet, zum großen Teil in der Hand von Nichtgeschädigten. Unser Anliegen dagegen ist es, Individualeigentum in der Hand von Geschädigten zu schaffen. Das entspricht auch dem Antrag des Herrn Kollegen Lücke. Auch Herr Kollege Lücke hat beantragt, die Schaffung von Individualeigentum vorzusehen. Er hat in seinem Antrag nur nicht hinzugefügt: Individualeigentum für Geschädigte. Unser Antrag hat in dem Antrag des Herrn Kollegen Lücke durchaus eine Parallele, dem wir deshalb unsere Zustimmung geben würden. Wir behalten uns vor, dazu noch einen Änderungsantrag zu stellen.
Wenn Herr Kollege Seuffert darauf hingewiesen hat, der Herstellungspreis für Einzelwohnungen liege höher als der Herstellungspreis für Gesamtwohnungen, so muß ich sagen, das ist eine außerordentlich umstrittene Frage. Auch der Vertreter des Wohnungsbauministeriums hat in dem zuständigen Ausschuß wiederholt erklärt, daß die Herstellungskosten für derartige Kleinwohnungen und Eigenheime nicht höher seien als die Herstellungskosten für mehrgeschossige Blockwohnungen. Unter diesen Umständen ist also der von Herrn Kollegen Seuffert angeführte Grund nicht stichhaltig und sollte Sie nicht hindern, diesem Antrag zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Lücke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß Kollege Seuffert die Behauptung aufgestellt hat, der Bau von Eigenheimen und Kleinsiedlungen sei schlechthin teurer. Ich muß dem, was Kollege Bertram gesagt hat, beipflichten. Wir haben die Frage doch volkswirtschaftlich zu sehen. Es kommt uns darauf an, daß der Vertriebene sein Eigengeld, seine Nachbarhilfe, seine manuelle Eigenleistung mit einsetzen kann. Ich bin erstaunt. daß Kollege Seuffert diesen Antrag, der ja lediglich eine bevorzugte Förderung
({0})
für den Eigenheim- und Siedlungsbau und für das Wohnungseigentum vorsieht, ablehnen will. Ich habe dafür kein Verständnis; denn es müßte ja auch Ihr Anliegen sein, in starkem Maße das Individualeigentum der Vertriebenen zu fördern. Darüber hinaus aber ist es unser sehr ernstes Anliegen, im Wohnungsbau - der es ja mehr denn je notwendig hat - die Bauwilligen anzuspornen, daß sie Hand ans Werk legen. Die öffentliche Hand wird auf die Dauer - das werden wir nachher noch hören - nicht in der Lage sein, dem Wohnungsbau in dem Maße, wie es notwendig ist, die Finanzierung zu ermöglichen. Wir haben vor einem Jahre einen gemeinsamen Antrag angenommen - einstimmig, betone ich -, in dem auf Grund einer Interpellation an die Bundesregierung die Bitte gerichtet wurde, mehr, als es geschehen ist, Einzeleigentum zu schaffen.
Um den Bedenken des Kollegen Seuffert noch entgegenzukommen, steht in dem Antrag auch: Die Rechtsform des Wohnungseigentums soll bevorzugt gefördert werden. Das sind mehrgeschossige Häuser; nur, daß die Kriegssachgeschädigten Eigentümer dieser Wohnungen werden.
Darum bitte ich, den Antrag, den ich zu § 326 Abs. 2 gestellt habe, anzunehmen. Es ist ein wichtiger Antrag; sonst würde ich ihn nicht entgegen der Vereinbarung, die die Fraktionen getroffen haben, als Mitglied der Koalition gestellt haben.
Weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat der Abgeordnete Meyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Parteifreund Abgeordneter Seuffert hat Ihnen ja schon gesagt, daß mit unserer Stellungnahme zu diesem Antrag keineswegs eine Stellungnahme zu der Frage der Eigentumsform verbunden sei, daß wir nach wie vor zu dem Gedanken ständen, daß wir im Wohnungsbau alles unternehmen müßten, um das Eigenheim und die Kleinsiedlung zu fördern. Wer aber diesen Antrag stellt, der muß die dort aufgeworfene Frage auch vorher beantworten, die darin liegt, daß man die entsprechenden Geldmittel zur Verfügung stellt. Diese Frage, über die wir Gelegenheit haben werden uns bei § 350 des Gesetzes zu unterhalten, ist nach unserer Kenntnis in keiner Hinsicht bisher befriedigend beantwortet. Wir werden dann unseren Antrag zu, vertreten haben. Bei der Beantwortung der Frage, die wir an Sie zu richten haben, wie Sie zu diesem Antrag stehen, wird sich ja ergeben, daß nach der bisherigen Konzeption des Gesetzentwurfs, wie er uns vorliegt, einfach die finanzielle Voraussetzung dafür fehlt, hier nun noch Bevorzugungen einzubauen.
Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung, weil ich das Wort habe. Es ist hier mit Recht davon gesprochen worden, daß man auf diesem Wege auch wieder echtes Eigentum für die Beteiligten schaffen wolle. Man hat das mit einigen Seitenhieben gegen die sogenannten .Kollektivgesellschaften getan. Wenn der Herr Kollege Dr. Bertram, der ja, soviel ich weiß, in NordrheinWestfalen seine Erfahrungen sammelt, diese Bemerkungen gemacht hat, dann muß ich annehmen, daß er diese Erfahrungen mit Freunden gesammelt hat, mit denen ich in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft zu tun habe, die ihm politisch näher stehen als mir.
({0})
Ich weiß nicht, wie er sie sonst begründen will.
Lassen Sie mich aber noch eines sagen. Dieser Angriff gegen die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen - und die sind gemeint - ist um so unqualifizierter, als feststeht, daß die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen 60 % ihrer Bauleistungen auch im vorigen Jahre den Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten zur Verfügung gestellt haben.
({1})
Wenn dabei der Gedanke des Eigenheims, den die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ja ebenfalls zu fördern in der Lage sind, in den Hintergrund gedrängt ist, dann aus der Eigenart der Finanzierungsbedingungen heraus. Das will ich Ihnen an einem Beispiel aus meiner Heimatstadt des Näheren erläutern. Bremen gilt ja im Gebiet der deutschen Bundesrepublik gewissermaßen als der Prototyp jener Städte, die vorzugsweise das Eigenheim gebaut haben. Wie werden nun seit 1948 in Bremen Eigenheime gebaut und finanziert? In das Erdgeschoß zieht der geschädigte Hausbesitzer. In Ordnung! Für das erste Obergeschoß - es handelt sich um das sogenannte Eigenheim, das aus zweieinhalb Geschossen besteht - sucht er sich einen Mann, der ihm ein entsprechend kräftiges Mieterdarlehen verschafft, und in das zweite Obergeschoß, das sogenannte ausgebaute Dachgeschoß, da darf der Kriegssachgeschädigte oder Vertriebene mit dem Soforthilfedarlehen ziehen, das ihm bewilligt worden ist,
({2})
Kollege Lücke, während die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen ihre vollausgebauten Wohnungen in allen Geschossen, soweit sie mit Mitteln aus dem Soforthilfefonds ausgestattet worden sind, restlos und rückhaltlos zur Verfügung gestellt haben. Das ist die tatsächliche Situation. Ich bedauere es außerordentlich, daß die Erörterung dieses wichtigen Punktes, über den wir im 18. Ausschuß nie einen Zweifel in dem Sinne gehabt haben, daß er seine vollgültige Berücksichtigung finden muß, hier mit Angriffen von Männern begleitet worden ist, von denen ich nur sagen kann, daß sie von den wirklichen Geschehnissen keine Ahnung haben; sonst könnten sie nicht so reden.
Nun, lieber Kollege Lücke, zu Ihrem Antrag. Wir würden zu Ihrem Antrag Stellung nehmen können, wenn wir wüßten, um wieviel es geht. Nach der bisherigen Dotierung des Wohnungsbaufonds mit 300 Millionen DM ist nichts damit zu machen, daß irgendeine Gruppe bevorzugt wird, zumal - das hat der Herr Kollege Kunze mit Recht gesagt - im Lastenausgleichsausschuß völlige Einmütigkeit darüber bestand, daß der heutige Gesetzestext alle Voraussetzungen dafür schafft, das Eigentum ebenso zu fördern wie die Mietwohnungen. Die Mietwohnung ist ein wichtiges Anliegen für alle die Menschen, die nicht in der Lage sind, sich aus eigener Kraft ein Eigentum zu verschaffen.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Wittmann.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir zu diesem Thema eine Bemerkung am Rande. Dazu veranlaßt wurde ich insbesondere auf Grund eines Teils der Anträge der kommunistischen Gruppe, insbesondere durch die Ausführungen des letzten Redners
({0})
von dieser Seite. Ich bestreite in keiner Weise und zweifle nicht im geringsten daran, daß das Wollen um die Bessergestaltung für die Ärmsten der Armen echt und zielstrebig ist, genau so wie von einer anderen Seite dort drüben, ich darf den Herrn Loritz auch nennen; auch dort bezweifle ich es nicht. Vielleicht besteht dort die Möglichkeit, sich um eine Auslandsanleihe zu bemühen. Er hatte ja früher dorthin gute Beziehungen.
({1}) Wir haben aber, glaube ich,
({2})
hier konkret und im allgemeinen folgendes zu beachten,
({3})
ob es sich um Wohnraumhilfe, Kleinsiedlungen und dergleichen handelt, - ({4})
- Herr Loritz, Sie waren es doch, der mir ({5})
brüllend einmal zugerufen hat - ich darf Ihnen antworten -: „Und heute nacht werde ich zu Gott beten, daß er Sie bestraft." Mich haben Sie damit gemeint.
({6})
Sie sind der letzte, der ein Recht hat, auf mich als katholischen Geistlichen hinzuweisen. Das nebenbei und am Rande, Herr Loritz!
({7})
Herr Abgeordneter
Loritz, haben Sie den Ausdruck Renegat gebraucht?
({0})
Lärm.)
- Haben Sie das Wort Renegat gebraucht? ({1})
- Haben Sie hinsichtlich des Redners das Wort Renegat gebraucht?
({2})
- Ich frage Sie nicht, w a rum Sie es gebraucht haben, sondern ob Sie es gebraucht haben.
({3})
Ich rufe Sie wegen dieses Worts zur Ordnung.
({4})
Bitte, fahren Sie fort.
Sehr geehrte Damen und Herren! Mir kommt es so vor: wir alle fühlen eine große Verpflichtung und arbeiten daran, hier zu handeln und vorzubeugen, damit sich nicht wiederhole, was Millionen deutscher Menschen und Christen über sich ergehen lassen mußten. Ich sage das hier konkret. Viele Sudetendeutsche und auch andere Kollegen aus anderen Heimatgebieten wissen, wie unsere einfachen aber schmucken Arbeiterwohnungen ausgeschaut haben.
({0}) Nun kam die rote Welle vom Osten,
({1})
und die einfachen Arbeiterwohnungen - ich weiß das aus eigenem Erleben -_wurde als Wohnungen der Kapitalisten bezeichnet,
({2})
die Menschen wurden beraubt, vergewaltigt, gemartert und gemordet und vertrieben.
({3})
Wir werden hier aufbauen.
({4})
Wir brauchen aber zugleich eine Sicherheit dafür, daß sich. nicht Ähnliches wiederholt. Diese Sicherheit gibt uns nicht vielleicht irgendeine Verfassung wie die des Freistaates Bayern, in der es heißt: Der Schutz nach außen wird durch das Völkerrecht gewährt. Ich will damit sagen: so notwendig die soziale Aufrüstung ist, so notwendig ist auch, was von dort ({5}) bestritten wird - die Schaffung der Sicherheit -, damit die Werke, die wir hier zur Linderung der Not schaffen wollen, geschützt werden und nicht durch eine Entwicklung über Nacht wieder zugrunde gehen.
({6})
Nun liegen keine Wortmeldungen mehr vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 498 Ziffer 32 abstimmen. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrags zu § 325 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun lasse ich abstimmen über den Antrag der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 495 Ziffer 14. Wer für die Annahme dieses Antrags ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Zum Antrag Lücke Umdruck Nr. 505 ist seitens der Abgeordneten Bertram und Reismann ein Änderungsantrag gestellt, der dahin geht, hinter das Wort „Dauerwohnrechts" die Worte „an Geschädigte" einzusetzen.
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- Einverstanden? Ändern Sie Ihren Antrag entsprechend ab?
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Dann lasse ich abstimmen über den nunmehr geänderten Antrag Lücke Umdruck Nr. 505. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Nunmehr lasse ich abstimmen über den Antrag auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 33. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres war die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Dann lasse ich abstimmen über die §§ 325 bis 327 in der nunmehr beschlossenen Fassung. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 328 auf und erteile das Wort zur Begründung des Änderungsantrages Umdruck Nr. 498 Ziffer 34 dem Abgeordneten Müller.
Meine Damen und Herren! Es wird sich bei den Geschädigten von selbst die Frage aufwerfen, wie es möglich ist, daß
({0})
aus den Mitteln, die nach den jetzigen Beschlüssen doch immerhin so beschränkt sind, nach diesem Paragraphen noch ein sogenannter Härtefonds abgezweigt werden kann. Wenn wir uns heute darüber unterhalten haben, daß in der Frage des Hausrats und in den anderen Fragen, in denen die Geschädigten einen Anspruch haben, so weitgehende Einschränkungen erfolgt sind, daß die Geschädigten mit einer solchen Regelung keinesfalls zufrieden sein werden, dann dürfte die Abzweigung dieses sogenannten Härtefonds erst recht eine Ungeheuerlichkeit darstellen. Aber ich glaube,, man muß die Einfügung dieses Paragraphen noch von einem anderen Gesichtspunkt aus beleuchten, nämlich die Frage stellen: Für wen sollen die Mittel des sogenannten Härtefonds zur Verfügung gestellt werden? Wir stellen doch heute folgendes fest: Denjenigen, die z. B. infolge der Hetzpropaganda von RIAS sich nach dem Westen abgesetzt haben,
({1})
wird dieser Härtefonds keine Möglichkeiten bieten und geben. Für die anderen, die sich auf Grund ihrer Taten gegen die demokratische Ordnung nach Westen abgesetzt haben,
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bestehen bereits andere Fonds, ob es sich um jene neue Nazi-Gruppe des sogenannten Kampfbundes handelt, oder den BDJ, der, wie es in Bamberg von einem Vertreter des BDJ selbst zugegeben worden ist, das Programm der NSDAP vertritt. Diese Gruppierungen werden gespeist, sei es aus dem Fünfzehn-Millionen-Fonds des kaiserlichen Propagandaministeriums oder mit den Millionen, die aus deutschen Steuergeldern von bestimmten Stellen der Besatzungsmächte
({3})
für die Zwecke solcher Agentengruppen ausgeworfen werden.
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Für wen also soll dieser Härtefonds Verwendung finden? Ich glaube, die Antwort darauf ist auch nicht sehr schwer;
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wenn wir uns nämlich einmal die Figuren ansehen, wie z. B.
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die, die sich auf dem Besitztum des früheren Vorsitzenden der Deutschnationalen Partei, des Herrn Hugenberg, aufhalten, oder wenn wir uns meinetwegen einmal die Figuren betrachten, die sich auf den Gütern und dem Besitztum der Fürsten von Büdingen oder von Isenburg oder auf den Rittergütern in Westfalen aufhalten. Das werden insonderheit diejenigen sein, für die dieser Härtefonds geschaffen werden soll bzw. die diesen sogenannten Härtefonds in Anspruch nehmen werden.
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Meine Damen und Herren, die Praxis beweist und wird beweisen, was ist, und Sie werden mit diesen außerordentlich geistreichen - Ihrer Qualifikation entsprechend geistreichen - Bemerkungen die Tatsache nicht aus der Welt schaffen können. Wir wenden uns dagegen und beantragen infolgedessen, daß ein solcher Korruptionsfonds aus diesem Gesetz verschwindet.
Keine Wortmeldungen. Dann lasse ich abstimmen. Wer für den soeben gestellten Streichungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen die Antragsteller abgelehnt.
Wer für die Annahme des § 328 ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf den Neunten Abschnitt, § 329. Hierzu liegt ein Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 35 vor. Erfolgen Wortmeldungen zur Begründung? - Ohne Begründung!
Zu § 330 hegt der Antrag Dr. Kather und Genossen auf Umdruck Nr. 496 Ziffer 19 vor. Soll der Antrag begründet werden? - Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In unserem Antrag wird die Hinzufügung eines zweiten Absatzes zu § 330 verlangt. Der Antrag wird im Interesse der Vertriebenenbank gestellt. Wie Sie wissen und der Presse entnommen haben, war beabsichtigt, daß das Hauptamt für Soforthilfe sich kapitalmäßig an der Vertriebenenbank beteiligt. Dieses Vorhaben hat sich nicht durchführen lassen, weil die gesetzliche Grundlage fehlt. Andererseits besteht ein großes Interesse daran, daß dieser Plan realisiert wird, zumal inzwischen die Umwandlung der Vertriebenenbank in eine „Bank für Vertriebene und Geschädigte - Lastenausgleichsbank" erfolgt ist. Es ist zu erwarten, daß die Vertriebenenbank demnächst zu einer öffentlich-rechtlichen Anstalt der Bundesrepublik umgewandelt wird. Deshalb haben wir nunmehr den Antrag gestellt, folgenden Abs. 2 einzufügen:
Zu gleichen Zwecken kann der Ausgleichsfonds sich an. öffentlich-rechtlichen Anstalten der Bundesrepublik Deutschland beteiligen.
Soweit ich unterrichtet bin, besteht gegen die Sache, die hier vertreten wird, im ganzen Hause wohl kaum ein Widerspruch. Es wird aber wohl eingewendet werden, daß zur Umwandlung der Bank in eine öffentlich-rechtliche Anstalt ein besonderes Gesetz erforderlich ist und daß es deshalb möglich und auch zweckmäßig ist, diese Bestimmung in das kommende Gesetz hineinzunehmen. Ich würde aber im Einvernehmen mit der Vertriebenenbank und auch mit dem Hauptamt doch bitten, diese gesetzliche Bestimmung schon heute einzufügen, weil damit schon ein gewisser Druck in Richtung dieser Entwicklung ausgeübt werden würde. Irgendwelche Schwierigkeiten oder Hindernisse bestehen nicht.
Ich bitte deshalb, dem von uns gestellten Änderungsantrag stattzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Mitglieder des Ausschusses haben sich in einer interfraktionellen Aussprache eingehend mit diesem Punkt befaßt. Sie stimmen diesem Gedanken grundsätzlich zu, auch der Entwicklung der Vertriebenenbank und ihrer Umwandlung in eine Lastenausgleichsbank. Sie sind auch damit einverstanden, daß, um die formal-rechtliche Grundlage für die Beteiligung zu schaffen, die Bank ein öffentlich-rechtliches Institut wird. Sie sind aber übereinstimmend der Meinung, daß man das tun soll, wenn uns das Gesetz über diese Bank hier vor({0})
gelegt wird. Darum würde ich vorschlagen, diesen Antrag nicht anzunehmen, sondern ihn der Regierung als Material für die Gesetzesvorlage, die sie uns noch unterbreiten muß, zu überweisen. Es hat nach unserer Auffassung keinen Zweck, die Bestimmung schon jetzt hineinzubringen, ohne daß wir die Bank in der Rechtsform haben, die wir schaffen wollen. Wir sind also materiell völlig einer Meinung. Das haben wir mit dem Kollegen Dr. Kather in diesen Tagen auch besprochen. Nur hinsichtlich des Prozedere waren wir nicht einer Meinung. Ich schlage vor, den Antrag der Regierung als Material zu geben, damit sie diese Bestimmung in das dann von uns zu verabschiedende Gesetz einbaut, über dessen Richtigkeit und Zweckmäßigkeit im Grundsatz zwischen allen Fraktionen Übereinstimmung besteht.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Herr Abgeordneter Dr. Kather, sind Sie mit diesem Vorschlag einverstanden?
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- Sie wollen eine Abstimmung haben.
Dann stimmen wir zunächst über den Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 35 ab. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Weiter lasse ich über den Antrag Dr. Kather und Genossen auf Umdruck Nr. 496 Ziffer 19 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Es ist nicht festzustellen, wo die Mehrheit liegt. Wir müssen das im Wege des Hammelsprungs entscheiden.
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Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
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Meine Damen und Herren, ich bitte, sich zu beeilen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. - Die Auszählung ist beendet.
Das Ergebnis der Abstimmung: Mit Ja haben gestimmt 150 Mitglieder des Hauses, mit Nein 136; enthalten haben sich 6. Damit ist der Änderungsantrag Umdruck Nr. 496 Ziffer 19 angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über die §§ 329 und 330 in der neuen Fassung. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen!
Meine Damen und Herren, ich bin von dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität gebeten worden, Sie darum zu bitten, die Beratung des Lastenausgleichsgesetzes kurz zu unterbrechen und einen weiteren Punkt auf die Tagesordnung zu setzen: die Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses soll abgeändert werden. Durch die Bildung des Südweststaates haben sich Veränderungen im Bundesrat ergeben. Statt 12 Bundesratsmitglieder haben wir nur noch 10. Wir müssen entsprechend die Zahl der vom Bundestag in den Vermittlungsausschuß zu wählenden Abgeordneten auf 10 herabsetzen. § 1 der Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses vom 19. April setzt die Zahl der Mitglieder fest; dieser Paragraph soll entsprechend abgeändert werden. Ich frage das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß ich diese Sache auf die Tagesordnung setze.
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Erhebt sich Widerspruch?
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- Mehr als 5 Mitglieder des Hauses widersprechen. Die Sache kann damit nicht auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gesetzt werden.
Wir fahren in der Beratung des Lastenausgleichsgesetzes fort.
§ 331. - Keine Wortmeldung. - Wer für die Annahme des § 331 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Der Paragraph ist angenommen.
Elfter Abschnitt, §§ 332, - 333, - 334. -§ 335. Hier ist ein Antrag der Gruppe der KP Umdruck Nr. 498 Ziffer 36 angekündigt. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Renner. - Ich schlage vor, daß Sie Ihre Anträge bis einschließlich § 342 begründen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu dem Abschnitt, der die Verwaltung, den Behördenaufbau und die Beteiligung der parlamentarischen Körperschaften bei der Verwaltung dieses Gesetzes regelt. Nach § 335 der Vorlage sind bei den Land- und Stadtkreisen sogenannte Ausgleichsämter zu bilden. Wir haben den Antrag eingereicht, diesem § 335 einen Abs. 6 anzuhängen, der folgenden Wortlaut haben soll:
Bei den Ausgleichsämtern der Land- und Stadtkreise ist ein aus Vertretern der verschiedenen Geschädigtengruppen zusammengesetzter Beirat mit beratender Funktion zu bilden. Diese Vertreter werden im Kreismaßstab durch die Anspruchsberechtigten in geheimer Wahl gewählt.
Also wir verlangen, bei diesen Kreisausgleichsämtern einen Ausschuß mit beratender Funktion einzusetzen, der aus gewählten Mitgliedern der Organisationen der Geschädigten besteht.
Zu § 336, in dem die Bildung von Ausgleichsausschüssen vorgesehen ist, beantragen wir, in Abs. 3 den zweiten Satz durch folgende Bestimmungen zu ersetzen:
Einer der beiden ehrenamtlichen Beisitzer wird in den Landkreisen und in den Stadtkreisen von den dort zuständigen Wahlkörperschaften bestimmt. Der Vertreter der Geschädigten in den Ausgleichsausschüssen ist von den Geschädigten selber in geheimer Wahl zu wählen.
Und nun das Entscheidende: Dieser aus drei Mitgliedern bestehende sogenannte Kreisausgleichsausschuß soll nach unserem Vorschlag entscheiden über alle beim sogenannten Kreisausgleichsamt eingegangenen Anträge.
Mit dieser Einfügung in § 336 Abs. 3 wollen wir erreichen, daß in dieser Körperschaft auf der Kreisebene ein Ausschuß gebildet wird, der besteht 1. aus dem Leiter des Amtes, 2. aus einem Beisitzer, der von der parlamentarischen Körperschaft zu wählen ist, und 3. einem Beisitzer, der von den Geschädigten selber in geheimer Wahl zu wählen ist. Diese Körperschaft soll Entscheidungsrecht über alle Anträge haben, die bei diesen Kreisausgleichsausschüssen eingehen.
In logischer Konsequenz dieser unserer Ansicht, daß den Berechtigten ein Mitbestimmungsrecht sowohl bei der Entscheidung über die Anträge als auch bei den Einsprüchen gegen ergangene Entscheidungen gegeben werden soll, verlangen wir, auf der Kreisebene eine Berufungsinstanz als Beschwerdeausschuß zu bilden. Dieser Beschwerde({0})
ausschuß soll sich zusammensetzen aus dem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Beisitzern, von denen der eine wieder durch die parlamentarische Körperschaft bestimmt, der zweite aber auf die Dauer von zwei Jahren durch die Bezugsberechtigten in geheimer Wahl gewählt werden soll. Wir wollen also, daß sowohl bei der Entscheidung über die Anträge als auch bei dem Einspruch gegen diese Entscheidung der Behörde die Berechtigten in der von uns vorgeschlagenen Form eingeschaltet werden.
({1})
- Herr Dresbach, ich denke, daß Sie diese meine Vergangenheit auch ein bißchen kennen,
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und ich bin überzeugt, daß das, was Sie sagen, nicht der wirklichen Erfahrung, die Sie damals mit mir gemacht haben, entspricht.
({3})
Ich darf darauf hinweisen, daß es theoretisch sogar heute noch in der Gemeindeordnung für die Gemeinden der britischen Zone steht, theoretisch - und dafür bin ich mein Leben lang eingetreten -, daß die Bürger in den Ausschüssen, in denen Belange dieser Art geklärt und entschieden werden, volles Mitbestimmungs- und Mitentscheidungsrecht haben sollen.
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Das ist eine primäre Forderung der alten Arbeiterbewegung, solange sie besteht, Herr Dresbach!
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Dann zum § 338! Bei dem in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehenen Ständigen Beirat bei den Landesausgleichsämtern fehlt vollkommen jede parlamentarische Kontrolle und auch jede Kontrolle im Sinne einer Beteiligung durch die Bezugsberechtigten selber. Wir haben also auf Landesebene den eigenartigen Zustand, daß dort ein Landesverwaltungsapparat arbeitet ohne jede öffentliche parlamentarisch-politische Kontrolle. Wie Sie zu dieser Mißgeburt kommen konnten, meine Herren, das ist selbst mir schleierhaft.
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- Ja, ich drücke mich vornehm aus.
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Den Damen traue ich so etwas nicht zu, das ist klar.
Zu § 338 möchte ich aber weiter noch sagen, daß wir nicht der Auffassung sind, es müsse auf der Landesebene eine Spruchinstanz gebildet werden. Wir sind vielmehr der Meinung, daß neben den Spruchinstanzen auf der Kreisebene im Bundesmaßstab eine oberste Spruchinstanz gebildet werden sollte.
§ 340 Ihres Entwurfs sieht die Schaffung eines Kontrollausschusses von 20 'Mitgliedern vor, von denen 10 durch den Bundestag, die übrigen 10 durch die Parlamente der Länder gewählt werden sollen. Der Entwurf besagt aber bezeichnenderweise überhaupt nichts über die Funktion dieses beim 'Bund zu bildenden Kontrollausschusses. Was soll der eigentlich? Soll der beratende Funktion haben oder was soll er? Wir stellen dieser Konzeption unseren Antrag entgegen, in dem wir fordern:
Die vom Bundestag und von den Parlamenten
der Länder in den Kontrollausschuß zu entsendenden Mitglieder müssen zur Hälfte aus
Geschädigten bestehen, die von den Organisationen der Geschädigten in Vorschlag gebracht sind.
Nun ein Wort zu dem § 342, dessen Streichung wir fordern. Das ist der Paragraph, nach dem, wie Sie vorschlagen, die zur Durchführung der Vorschriften des Dritten Teils dieses Gesetzes erforderliche rechtsprechende Tätigkeit durch die allgemeinen Verwaltungsgerichte der Länder und durch das Bundesverwaltungsgericht ausgeübt werden soll. Wir sind der Auffassung, daß die Rechtsprechung, soweit sie die Bezugsberechtigten, die in diesem. Gesetz erfaßt sind, angeht, durch zivile Spruchinstanzen analog den alten Spruchinstanzen bei der Sozialversicherung und bei dem alten Reichsversorgungsgesetz zu regeln ist. Wir sind also dafür, daß die Angelegenheiten der Bezugsberechtigten auch im Beschwerdezug, im Rechtszug, von diesen Körperschaften selbst erledigt werden sollen, in denen die Berechtigten Sitz und 'Stimme haben. Hier handelt es sich doch um öffentliche Gelder, hier handelt es sich um ein Vermögen, das als Bundessonderstockvermögen - wenn ich es einmal so sagen darf - verwaltet wird. Was spricht dagegen oder was hindert uns daran, die Rechtsprechung auf diese Art und Weise zu organisieren, wie wir sie doch aus der ganzen deutschen Sozialversicherungsgesetzgebung bereits kennen? Was hindert uns daran und wo ist die Notwendigkeit gegeben, daß man die Verwaltungsgerichte und das Bundesverwaltungsgericht in diesen Fragen einschaltet?
Etwas anderes ist es natürlich, wenn es sich um Rechtsauseinandersetzungen zwischen Zahlungspflichtigen handelt. Aber da haben wir ja schon die Rechts- und Berufungsinstanzen in der normalen Gesetzgebung.
Diese Forderungen sollten also, wie gesagt, verwirklicht werden. Ich darf darauf hinweisen, daß die Berechtigten selber - das ist doch auf der denkwürdigen Kundgebung am letzten Sonntag hier in Bonn recht eindeutig zum Ausdruck gekommen - dafür sind und die Forderung erheben, daß ihnen die Mitbestimmung, eine echte, eine richtige, eine volle Mitbestimmung, eingeräumt wird, und zwar sowohl bei der Entscheidung über ihre Anträge als auch in dem Rechtsverfahren, das nach unseren Vorschlägen geregelt werden soll.
Wir Kommunisten waren - das haben unsere Anträge ja bewiesen - für die Anerkennung aller Ausgleichsleistungen dieses Gesetzes im Sinne sogenannter Rechtsansprüche. Wir handeln deshalb durchaus konsequent, wenn wir auch hier in diesem Abschnitt, bei dem es um die Verwaltung geht, die Einschaltung der Bezugsberechtigten in der Form verlangen, daß sie mitbestimmend wirken sowohl bei der Entscheidung als auch im sogenannten Spruchverfahren.
({8})
Zu diesem Abschnitt sind drei Anträge des Abgeordneten Dr. Kather angekündigt. Können die nicht zusammen begründet werden, Herr Dr. Kather?
({0})
- Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Zawadil zur Begründung der Anträge auf Umdruck Nr. 496 Ziffern 20, 21 und 22.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu § 336 Abs. 4 ist nicht viel zu sagen. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung, einige Änderungen in der Form vorzunehmen, daß Abs. 4 wie folgt ergänzt wird:
Vor der Wahl der Beisitzer sind die von den Landesregierungen anerkannten Geschädigtenverbände zu hören.
({0})
- Doch, die Geschädigtenverbände sind anerkannt, Herr Renner, und zwar aus sehr gutem Grunde! Ich komme später darauf zu sprechen. Es ist eine Geste der Toleranz, und es ist nichts weiter damit gewollt, als daß man die Geschädigtenverbände hört; denn es gibt doch immerhin verschiedene Arten von Flüchtlingen oder besser gesagt: es gibt Flüchtlinge und es gibt Vertriebene, es gibt auch sogenannte Berufsflüchtlinge.
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Wir haben schon oftmals damit zu tun gehabt, und es hat sich im Laufe der Zeit gezeigt, daß dieser Umstand auch gewisse Krisenerscheinungen zur Folge hat, indem wir oftmals zu stark von Berufsflüchtlingen als von wirklich gesamtdeutsch denkenden Vertriebenen vertreten waren. Es wäre gut, wenn die Verbände, die sehr stark auf eine Säuberung ihrer Reihen bedacht sind und die die konstruktiv wirkenden Kräfte in den Vordergrund schieben und die Berufsflüchtlinge eliminieren wollen, auch in diesem Bestreben unterstützt würden.
({2})
Weiter bitten wir Sie, unserem Antrag zu § 340, den Kontrollausschuß betreffend, zuzustimmen, wonach dieser Kontrollausschuß beim Bundesausgleichsamt, der 20 Mitglieder umfassen soll, um 3 Mitglieder erweitert wird, und zwar derart, daß 2 Mitglieder von den vom Bundesministerium der Vertriebenen anerkannten Vertriebenenverbanden und 1 Mitglied von den vom Bundesminister des Innern anerkannten Fliegergeschädigtenverbänden gestellt werden. Auch hier handelt es sich im Wesen um dasselbe wie bei unserem Änderungsantrag zu § 336. Ich glaube nicht, daß Sie die Meinung vertreten werden, daß durch den Zugang dieser 3 Vertreter von Vertriebenen bzw. Sachgeschädigten irgendeine Majorität im Rahmen dieses sonst 20 Personen umfassenden Kontrollausschusses entstehen könnte.
Etwas ausführlicher möchte ich zu unserem Änderungsantrag zum § 341, den Ständigen Beirat betreffend, sprechen. Der Entwurf sagt, daß dieser Beirat aus je 2 Vertretern der Geschädigten, die von den Länderparlamenten entsandt werden sollen, besteht, wobei Vertriebene und Kriegssachgeschädigte im gleichen Verhältnis zu berucksichtigen sind. Wir sind der Auffassung, daß es gewissen Gepflogenheiten und auch gewissen bereits gehandhabten Gewohnheiten widerspricht, wenn man - und ich denke an die verschiedenen Beiräte, die von diesem Hause aus eingesetzt und konstituiert sind - zwei Vertreter nur nach Ländergesichtspunkten entsendet. Das sind im ganzen also zwei mal zehn gleich zwanzig Personen. Wir glauben, daß mit je einem Vertreter, die von den Parlamenten der Länder entsandt werden, der sachlichen Aufgabe, die dieser Beirat zu erfüllen hat, Genüge getan ist. Wir sind aber dafür - wir kommen damit auf dieselbe Zahl wie im Regierungsentwurf bzw in der Ausschußfassung - und bitten um Zustimmung, daß fünf Vertreter von den vom Bundesminister der Vertriebenen anerkannten Vertriebenenverbänden und fünf Vertreter von den vom Bundesminister des Innern anerkannten Kriegssachgeschädigten-Verbänden gestellt werden Die Bundesregierung - und da kommen wir wieder auf die Fassung des Ausschusses zurück - ernennt acht Sachverständige.
Meine Damen und Herren! Einige der Hauptgründe, aus denen wir diese Änderungen beantragen, sind optischer und auch psychologischer Natur. Ich glaube, daß diese Momente bei diesem Gesetz oftmals übersehen worden sind. Gerade, weil wir die Verbände zu einer Mitverantwortung heranziehen wollen, weil wir die Verbände verpflichten wollen, mit uns an der Durchführung des Gesetzes zu wirken, ist es erforderlich, daß wir sie in verstärktem Maße heranziehen. Sie wissen, wenn ein Verband außerhalb bleibt, dann ist es für den Verband auch sehr leicht - wir haben auf diesem Gebiet Erfahrungen genug -, in einer destruktiven Form Kritik zu üben und nicht nur die Arbeit der Regierung, sondern überhaupt die Arbeit mit dem Gesetz zu erschweren. Ich bitte daher, die psychologischen Momente bei unseren Änderungsanträgen nicht zu übersehen.
Es würde nützlich sein, über die -Verbände der Heimatvertriebenen etwas ausführlicher zu sprechen; aber ich möchte Ihre Zeit damit nicht in Anspruch nehmen. Doch einige Sätze muß ich sagen. Ich glaube, wir haben bei der ganzen Debatte über dieses Lastenausgleichsgesetz noch nicht darüber gesprochen. Die Verbände sind tatsächlich die Vertrauensträger der Heimatvertriebenen. Wenn hier vielleicht jemand den Einwand erheben sollte, er kenne sich in dem Wirrwarr der Verbände nicht aus, dann muß ich ihm eines entgegnen: Das waren aus den Verhältnissen der Länder und Zonen nach 1945 entstandene und bedingte, mehr örtlich zu sehende und erklärbare Entwicklungserscheinungen, die jedoch erfreulicherweise gerade im letzten Jahre zu einer Einheit geführt haben. Sie wissen, das ist der BvD. Im allgemeinen stimmen sämtliche Vertriebenenverbände mit den Grundsätzen des BvD überein. Organisatorische Vereinheitlichungen sind da und dort schon weit fortgeschritten, da und dort noch etwas im Entwicklungsstadium. Tatsache jedoch ist, daß der BvD quantitativ und qualitativ dieselbe Bewertung verdient wie alle übrigen Interessen- oder Berufsverbände, die in Deutschland existieren. Dazu möchte ich noch betonen, daß der BvD und somit die in ihm vereinigten Landsmannschaften unbedingt überparteilich sind. Ich glaube, daß man das nicht von allen Interessen- oder Berufsverbänden sagen kann. Das müssen Sie an dem Verband auch werten und schätzen. Der BvD ist auch Ideenträger jener Richtung, die ich vorhin charakterisiert habe, wonach in seinen Untergliederungen in Zukunft das sehr schädliche Berufsflüchtlingstum ausgemerzt werden soll. Wir wollen jedenfalls keine Verbände, die man als „Elendsverbände" ansprechen könnte. Wir wollen keine Verbände, die die Armut zur Doktrin ihres politischen Handelns machen, sondern wir wollen Verbände, die bestrebt sind, die in ihnen vertretenen Menschengruppen gesamtdeutsch zu orientieren und dem allgemeinen Niveau und der allgemeinen Entwicklung des deutschen Volkes anzupassen und einzugliedern.
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- Ich stimme mit Ihnen überein; Sie und wir wollen doch in dieser Richtung gemeinsam wirken. Sie werden uns Vertriebenen hier in diesem Hause jedenfalls nicht vorwerfen können, daß wir bisher irgendwelche Anzeichen einer destruktiven, defaitistischen Haltung oder Entscheidung haben erkennen lassen.
Wir bitten Sie daher, unseren drei Abänderungsanträgen zuzustimmen, von denen die beiden letzten besonders wichtig sind.
Das Wort zur Begründung des Änderungsantrags auf Umdruck Nr. 492 Ziffer 23 hat der Abgeordnete Heiland.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In § 340 ist der Kontrollausschuß geregelt; in der Vorlage sind 20 Mitglieder vorgesehen, von denen 10 Mitglieder durch den Bundestag und 10 Mitglieder durch die Landesparlamente gewählt werden sollen.
Wir schlagen Ihnen in unserem Änderungsantrag, den ich wörtlich verlese, vor:
Bei dem Bundesausgleichsamt wird ein Kontrollausschuß von 20 Mitgliedern gebildet. 10 Mitglieder wählt der Bundestag für die Dauer der Wahlperiode. Je ein Mitglied entsenden die Regierungen der Länder des Bundesgebiets und des Landes Berlin.
Wir sind der Meinung, daß dieser Kontrollausschuß, in dem die Milliardenbeträge verwaltet werden, unter eine strenge Verantwortung gestellt werden muß, das heißt, daß einmal die Mitglieder dieses Ausschusses hier dem Hause verantwortlich sein müssen und daß zweitens die durch die Länder entsandten Mitglieder ihren Kabinetten verantwortlich sein müssen.
Der Kollege Zawadil sprach vorhin von „uns Vertriebenen im Hause". Herr Kollege Zawadil, die Vertriebenen im Hause sind immer noch nicht so weit, daß Sie der alleinige Sprecher dafür wären.
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- Es hat auch keiner behauptet, daß ich das sein will. Ich wollte nur sagen, daß es auch unter den Vertriebenen im Hause noch verschiedene Meinungen geben kann und niemand für sich in Anspruch nehmen kann, für alle zu sprechen. Es gibt auch Vertriebene im Hause, die bisher nicht immer davon geredet haben und trotzdem für die Sache gearbeitet haben.
Ich bin also der Meinung, daß die Vertriebenenorganisationen schon dadurch ihre Vertretung haben werden, daß die Vertreter, die das Parlament entsenden wird, ja meist selbst vom Gesetz betroffen sind. Das hat sich ja auch beim alten Kontrollausschuß des Soforthilfegesetzes gezeigt, wie mir Herr Dr. Kather bestätigen wird. Mindestens zwei Drittel der Vertreter der großen Parteien waren vom Gesetz betroffen, und die FDP-Vertretung war, wenn ich nicht irre, ganz aus dem durch das Gesetz betroffenen Personenkreis genommen. Ich glaube also nicht, daß wir diesen Verband als eine Körperschaft besonderen Rechts ausstatten müssen, sondern ich glaube, es genügt, wenn die Organe dieses Hauses bei der Vertretung des Kontrollausschusses dafür Sorge tragen, daß ein bestimmter Prozentsatz der Vertreter des Bundestags und der Länderregierungen, die dorthin entsandt werden, vom Gesetz Betroffene sind.
Herr Abgeordneter Kunze hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Bei den vorliegenden Antragen handelt es sich um eine Grundsatzfrage. Im Ausschuß sind wir uns bis auf die Frage, die jetzt eben von dem Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion in Zusammenhang mit § 340 angesprochen wurde, bei allen übrigen Bestimmungen einig gewesen. Bei dieser Ordnung der Dinge handelt es sich für uns darum, jeden nicht unbedingt erforderlichen Eingriff in die Selbstverwaltung zu verhindern.
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Wir möchten nicht einem Parlament wie einem Kreistag oder einem Stadtrat vorschreiben, auf welchen Wegen es sich die Vertreter der Interessenten suchen soll. Wir trauen das denen schon zu, daß sie sich bei der Auswahl der Vertreter der Geschädigten an die Geschädigtengruppen halten, mit denen sie ernsthaft verhandeln konnen. Das sind ja praktisch - wenn ich an mein Gebiet zu Hause denke - bisher immer bei den Heimatvertriebenen die Interessengemeinschaften der Vertriebenen gewesen. Die hat man gefragt. Wir wollen das, aber im Gesetz nicht vorschreiben. Darum haben wir einmütig, wie ich sagen muß, diese Linie gezogen. Da greifen wir nicht weiter ein. Wir begnügen uns mit der Feststellung, daß auf jeder Ebene die Gruppe der Geschädigten am Verfahren, an seiner Durchführung und Entscheidung mitbeteiligt werden muß. Wir haben sehr sorgfältig überlegt, Herr Kollege, daß es nicht wünschenswert sein kann, jetzt wieder einen neuen Instanzenzug für die Durchführung der Rechtsverfahren zu schaffen, sondern diese Dinge sollen in die große allgemeine Verwaltungsgerichtsbarkeitsordnung hineingenommen werden, damit wir auch hier ein System hineinbringen.
Ich möchte darum vorschlagen, sämtliche Anträge abzulehnen und es bei der Ausschußfassung der Vorlage zu belassen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst ein paar Worte zu dem Änderungsantrag der SPD sagen. Es erscheint mir auch zweifelhaft, welches nun die bessere Lösung ist, ob man Vertreter der Landesregierung nimmt oder die Vertreter durch die Landesparlamente wählen läßt. Ich glaube, daß das Hauptamt doch in hohem Maße auf Zusammenarbeit mit den Landesregierungen angewiesen sein wird. Ich habe ja dem Kontrollausschuß von Anfang an angehört. Gewiß ist der Länderegoismus manchmal etwas in Erscheinung getreten. Aber das läßt sich nicht vermeiden. Dafür sind dann Spannungen beseitigt, die sonst vielleicht erst in der Praxis auftauchen und sich da hinderlich auswirken. Ich persönlich habe mich daher entschlossen, für diesen Änderungsantrag zu stimmen.
Ich gebe auch zu, Herr Kollege Heiland, daß die Zusammensetzung insbesondere der vom Bundestag gewählten Mitglieder durchaus zufriedenstellend war. Aber es ist j a nicht sicher, ob das immer so ist, und deswegen haben wir diesen Antrag gestellt.
Ich möchte aber besonderen Nachdruck auf die beiden anderen Anträge legen. Der erste verlangt
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ja nur eine Anhörung der Geschädigtenverbände und damit, glaube ich, weniger, als in der Praxis geübt wird. Der zweite bezieht sich auf den Beirat. Ich glaube, meine Damen und Herren, die Notwendigkeit, die Verbände stärker an den Staat heranzuziehen, ist doch wohl unbestritten. Hier würde es ja nicht so sein, daß man irgendwelchen Kreis- oder Landeskörperschaften die Wahl beschränkt, sondern ein Teil der Mitglieder würde von den Geschädigtenverbänden gestellt werden. Ich würde also insbesondere bitten, diesen beiden Anträgen stattzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Zawadil.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Heiland scheint mich sichtlich mißverstanden zu haben. Ich habe nicht die Anmaßung besessen, im Namen der Vertriebenen dieses Hauses zu sprechen, sondern ich habe erklärt, daß wohl niemand wird bestreiten können, daß die hier in diesem Hause befindlichen und seit Jahren mitwirkenden Vertriebenen es durch ihre Handlungsweise bewiesen haben, daß sie niemals gewillt waren oder sind, destruktiven oder radikalistischen - das sage ich jetzt dazu - oder defaitistischen Strömungen zu folgen, sondern daß sie immer bestrebt sind, konstruktiv und ehrlich - auch nicht mit Scheuklappen - bei der Lösung von Problemen mitzuwirken. So habe ich es gemeint. Sie haben mich anscheinend mißverstanden.
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Was die Körperschaften des öffentlichen Rechts anlangt, Herr Kollege Heiland, so gibt es Beispiele für die Mitwirkung von Berufs- und Interessenvertretungen auch auf anderen Gebieten. Ich zitiere bloß: Der VdK und verschiedene andere Verbände für das Bundesversorgungsgesetz beim Arbeitsministerium, ferner der Deutsche Gewerkschaftsbund beim Betriebsrätegesetz und bei der Mitbestimmung; auch das 50 bis 60 Personen umfassende Kuratorium für den Bundesjugendplan und schließlich der Erziehungs- und Bildungsbeirat beim Bundesinnenministerium. Die Vertreter, die in diesen Gremien mitwirken, sind keineswegs immer Vertreter von Körperschaften des öffentlichen Rechts, sondern Vertreter allgemeiner Berufs- und Interessenorganisationen.
Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Antrag der KPD zu § 335 auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 36. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich erteile das Wort zur Geschäftsordnung dem Abgeordneten Kunze.
Herr Präsident! Ich beantrage zu dem Änderungsantrag, über den jetzt abgestimmt werden muß, namens meiner Fraktion namentliche Abstimmung.
Sie meinen den Antrag Dr. Kather auf Umdruck Nr. 496 Ziffer 20?
Jawohl, weil damit eine Grundsatzfrage entschieden wird, die in den anderen Paragraphen wiederkehrt.
Ich lasse aber zunächst abstimmen - ohne namentliche Abstimmung - über den Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 37. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die große Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Nunmehr schreiten wir zur namentlichen Abstimmung über den Antrag auf Umdruck Nr. 496 Ziffer 20. Ich bitte die Herren Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.
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Haben Damen und Herren, die sich an der Abstimmung beteiligen wollen, ihre Stimme noch nicht abgegeben? - Dann bitte ich sie, sich zu beeilen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir während der Auszählung noch die Abstimmungen zu diesem Abschnitt vornehmen.
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- Kein Widerspruch. Dann lasse ich abstimmen über den Antrag auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 38.
({2})
- Ich bitte um ein wenig mehr Ruhe! - Ich lasse abstimmen über den Antrag der KPD, Umdruck Nr. 498 Ziffer 38. Es ist ein Antrag, der zu § 337 gestellt ist. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck Nr. 498 Ziffer 39. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 40. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Antrag der SPD Umdruck Nr. 492 Ziffer 23. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Antrag Dr. Kather Umdruck Nr. 496 Ziffer 21. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Antrag Umdruck Nr. 496 Ziffer 22. Es ist ein Antrag, der zu § 341 gestellt ist. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die große Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den Antrag Nr. 498 Ziffer 41. Wer für die Annahme ist, den bitte ich die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die große Mehrheit; auch dieser Antrag ist abgelehnt.
Die Abstimmung über die Paragraphen des Elften Abschnitts können wir erst vornehmen, wenn ausgezählt ist. -
Ich erkläre die namentliche Abstimmung über den Änderungsantrag Umdruck Nr. 496 Ziffer 20 für geschlossen.
Meine Damen und Herren, das vorläufige Ergebnis*) der Abstimmung ist: mit Ja haben gestimmt 147 Mitglieder des Hauses, mit Nein 141;
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 9253
({3})
Enthaltungen 7. Von den Berliner Abgeordneten haben 6 mit Ja und 5 mit Nein gestimmt. Damit ist dieser Änderungsantrag angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen über die §§ 332 bis 344 in der beschlossenen Fassung. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
§§ 345, - 346, - 347, - 348, - 349. -§ 350. Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 492 Ziffer 24 hat der Abgeordnete Meyer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind hier bei einem Kapitel des Lastenausgleichs, das für die beiden wichtigsten Geschädigtengruppen, die Vertriebenen und die Kriegssachgeschädigten, nach unserer Meinung eine gleichmäßig wichtige Bedeutung hat. Weil wir dieser Meinung sind und weil wir aus den Verhandlungen innerhalb des 18. Ausschusses des Deutschen Bundestages, der sich vor wenigen Wochen über die Fragen der Wohnungsbaufinanzierung für das Geschäftsjahr 1952 mit den Vertretern der Bundesregierung eingehend unterhalten hat, wissen, daß runde 700 Millionen an der Sicherung dieses Wohnungsbauprogramms fehlen, deshalb sind wir auch der Auffassung, daß es unerträglich wäre, wenn im Jahre 1952 die aus dem Soforthilfefonds, aus den Umstellungsgrundschulden und nach diesem Gesetz zur Verfügung stehenden rund 550 Millionen jene Verkürzung gegenüber den Dotierungen, die in den vergangenen Jahren erfreulicherweise aus Soforthilfemitteln gewährt worden sind, erfahren würden, die hier im Gesetzentwurf mit 300 Millionen DM ihren Niederschlag gefunden hat.
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Wir halten es für ein zwingendes Bedürfnis, wenn man die Forderungen des Ersten Wohnungsbaugesetzes und die Erwartungen der Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten nicht in der elementarsten Weise vernachlässigen will, daß man die an dieser Stelle eingesetzten 300 Millionen auf 600 Millionen DM erhöht. Dementsprechend lautet unser Antrag.
Wir haben in den letzten Jahren zweifellos erfreuliche. Leistungen insonderheit für den Wohnungsbau der Vertriebenen und Sachgeschädigten erbringen können. Wir haben im Baujahr 1951 nach den vorliegenden Berichten des Bundeswohnungsbauministeriums mehr als die Hälfte, wenn nicht nahezu zwei Drittel aller erstellten Wohnungen für Geschädigte im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes zur Verfügung gestellt. Dafür sind im Baujahr 1951 bis zu 1000 Millionen DM aus Soforthilfemitteln und Umstellungsgrundschulden bereitgestellt worden. Wenn nun diese tausend Millionen vielleicht, wie man uns sagen kann, eine einmalige Leistung waren gegenüber der anderen Konstruktion des Soforthilfegesetzes, dann meinen wir, daß es andererseits in der Zwischenzeit keine Erleichterung in der finanziellen Situation gegeben hat, die es zuließe, auf weniger als rund ein Drittel der Mittel zurückzugehen, die überhaupt zur Verfügung gestellt worden sind.
Sie haben nach unserer Auffassung bereits bei den Erörterungen, die wir zur Frage der Hausrathilfe gemacht haben, zu einem Teil den Willen bekundet - insbesondere der Herr Kollege Nöll von der Nahmer -, daß man nicht jene kollektiven Hilfen geben könne, die wir für erforderlich halten, wenn die Grundlagen des Lastenausgleichsgesetzes solche sein sollen, daß die Masse der Geschädigten, die nichts anderes verloren haben als Heim und Hausrat, aber mit Heim und Hausrat auch die Existenz verloren haben, wieder eine echte Lebensgrundlage erhält. Sie, meine Damen und Herren, geben mit den 300 Millionen DM weniger, als nach den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums aus den Umstellungsgrundschulden aufkommen; das sollen jetzt rund 445 Millionen DM sein. Sie geben also schon weniger als diese Summe.
Wir, die wir uns im Wohnungsbauausschuß mit der Frage der Deckung der Lücke zu beschäftigen haben, die angesichts der Baukostensteigerung nur aus öffentlichen Mitteln erfolgen kann, sind der Meinung, daß eben ein möglichst großer Anteil aus dem Lastenausgleich zur Verfügung gestellt werden muß, wenn wir die erste Voraussetzung für alle Menschen, die Heim und Hof und Existenz verloren haben, die Schaffung eines Wohnraums, sichern wollen. Denn ohne diesen Wohnraum werden auch alle weiteren Versuche, den Menschen wieder eine Existenz zu verschaffen, scheitern müssen. 75 % der Millionen von Vertriebenen brauchen eine Wohnung, um damit in der Nähe jener Produktionsstätten, wo sie Aussicht haben, produktive Beschäftigung zu erlangen, wieder ansässig gemacht zu werden. Nach den Verlautbarungen des Bundeswohnungsbauministeriums fehlen heute noch trotz der zweifellos großen Bauleistungen in den vergangenen Jahren rund 31/2 Millionen Wohnungen. Sie fehlen restlos für Vertriebene und Geschädigte. Zu diesen 31/2 Millionen kommt in absehbarer Zeit - und das ist kein Problem, das wir heute zu lösen haben - noch ein Neubedarf von rund 1,11 Millionen hinzu, den wir dann auch zu decken haben.
Wenn Sie hier also Abstriche vornehmen, die von erheblicher Bedeutung gegenüber dem sind, was bisher nach dem Soforthilfegesetz geleistet worden ist, dann geschieht das zu Lasten jener Menschen, die zwar kein Vermögen verloren haben, die auch keine Entschädigung zu erwarten haben, mit der sie sich irgend etwas selbst wieder schaffen können, die aber dennoch auf diejenige Hilfe warten müssen, die wir ihnen nur aus den Mitteln des Lastenausgleichs gewähren können. Wir meinen, der Lastenausgleich ist keine Aufgabe, um die Ansprüche derjenigen zu restaurieren, die ein Vermögen verloren haben. Sie sollen entschädigt werden; aber sie können nach unserer Auffassung erst in jenem Augenblick entschädigt werden, in dem die vordringlichen Ansprüche der Millionen befriedigt sind, die aus eigener Kraft und ohne die Hilfe der öffentlichen Hand, die im übrigen dafür zur Verfügung steht, sich nicht selbst wieder eine Existenz begründen können. Darum glaube ich, daß wir es bei dieser vielleicht letzten Station der materiellen Ordnung des Lastenausgleichs nicht versäumen dürfen, an Sie den dringenden Appell zu richten, sich darauf zu besinnen, welche wirtschaftspolitischen und sozialen Verpflichtungen die Bundesrepublik hat, auch um der Sicherung der parlamentarischen Demokratie willen.
Wenn wir mit diesem Gesetz und an dieser Stelle die Interessen der Lastenausgleichsberechtigten hinsichtlich des Wohnraums vernachlässigen, weil ein Teil dieses Hauses glaubt, die individuellen Ansprüche der einigen -zigtausend Berechtigten
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auf Gewährung von Entschädigungen, mit denen sie sich wieder eine echte unternehmerische Existenz zu begründen vermögen, müßten im Vordergrund stehen, dann legen Sie mit dieser Entscheidung nach unserer Auffassung eine Axt an den Lebensbaum der parlamentarischen Demokratie. Dann vernichten Sie die Hoffnungen in den Hirnen von Millionen Menschen, die sieben Jahre lang gewartet haben, die heute noch in Elendsquartieren, in Bunkern, Kellern und Barackenlagern hausen. Dann vernichten Sie für sie jede Aussicht, aus diesen unerträglichen Verhältnissen jemals wieder herauszukommen, und dann, glaube ich, vernichten Sie politische Werte, die auch Ihnen anvertraut worden sind, als bei der Wahlentscheidung des Jahres 1949 Ihre Wähler in Sie das Vertrauen gesetzt haben, Sie würden auch die berechtigten Interessen derjenigen Menschen, die kein Vermögen, die keinen Besitz verloren haben, bei der Beratung dieses wichtigen Gesetzes nicht vernachlässigen. Wir glaube", daß Sie mit dieser Vernichtung von Hoffnungen mehr als nur Ihren eigenen Wahlkredit zerstören.
Deshalb möchte ich meine Ausführungen mit dem Appell an Sie beenden, sich wie damals, als in diesem Hause im März 1950 das Erste Wohnungsbaugesetz von uns einmütig beschlossen worden ist, auch heute darüber Klarheit zu verschaffen - und dieser Klarheit gemäß Ihren Willen zu formen -, daß Ihnen, wenn Sie an dieser Stelle versagen, alle schönen Deklamationen nichts nützen, die Sie über das Problem Nummer eins, die Sicherung des Wohnungsbaues, in den vergangenen Jahren der deutschen Wählerschaft, der deutschen Bevölkerung dargeboten haben.
Ich möchte Sie, insonderheit die Damen und Herren des 18. Ausschusses, bitten, sich in dieser Frage mit uns und mit allen jenen Gutwilligen zu vereinen, die von den Notwendigkeiten der Hilfe für die große Zahl derjenigen Geschädigten, die zu den vermögensmäßig Nichtgeschädigten gehören, überzeugt sind, und für die Annahme unseres Antrags zu stimmen, daß aus Mitteln des Lastenausgleichsfonds 600 Millionen DM jährlich zur Verfügung zu stellen sind.
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Wer begründet den Antrag der KPD? - Herr Abgeordneter Paul!
Meine Damen und Herren! Ich habe bei der Behandlung der Wohnraumhilfe, §§ 325 bis 328, bereits auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, 'alles zu tun, um den Hunderttausenden von Flüchtlingen und Ausgebombten sehr schnell anständige Wohnräume zu schaffen. Die bisherige Bereitstellung von Bundesmitteln für den Sozialen Wohnungsbau war unbefriedigend. Die Lander haben erhebliche Klage geführt, daß sie nicht über genügend Mittel verfügen, um den Ansprüchen der Menschen zu genügen. Wir sind der Meinung, daß eine derart gewaltige Kürzung der Mittel, wie sie auf Grund dieses Gesetzes vorgesehen ist, die bisherige Leistung im sozialen Wohnungsbau gewaltig absinken lassen würde. ich habe bereits in meinen vorigen Ausführungen darauf hingewiesen, wie sich das z. B. in Bayern, in Hessen usw. auswirkt. Sie haben im Rahmen dieses Gesetzes weitere Belastungen für die Gemeinden durch zusätzliche Abgaben beschlossen. Auch im Rahmen der Bereitstellung des finanziellen Beitrags für den Generalvertrag ist eine weitere Belastung der Gemeinden durch die Erhöhung der Abgaben der Einkommen- und der Körperschaftsteuer vorgesehen. Das wird sich ebenfalls auf den sozialen Wohnungsbau wie auf alle sozialen Ausgaben auswirken.
Wir sind der Meinung, daß man im Rahmen dieses Gesetzes zumindest die Summe 'bereitstellen muß, die man bisher .bereitstellte, nämlich 900 Millionen DM. Es kann doch nicht angehen, daß die Erhöhung von 300 Millionen DM auf 500 Millionen DM, wie heute aus einer Pressemeldung hervorgeht, auf Kosten der Einschränkung der Hausrathilfe geschieht, sondern man soll die Mittel nehmen, die man für die. Wiederaufrüstung auszugeben gedenkt.
({0})
Man ist sehr wohl in der Lage, zugunsten der Geschädigten die von uns beantragten 900 Millionen
DM für den sozialen Wohnungsbau bereitzustellen.
Ich entsinne mich noch der großen Worte und Versprechungen, die in diesem Hause von seiten der Koalitionsparteien anläßlich der Debatte um das erste Wohnungsbaugesetz gegenüber den Wohnungsuchenden gemacht wurden. Diese damaligen Versprechungen wurden nicht gehalten. Wenn diese Regierungspolitik, die jetzt an anderer Stelle, nämlich in Geheimverhandlungen über den Generalvertrag fortgesetzt
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wird, ist es mit dem Wohnungsbau bald ganz zu Ende. Es wird an Ihnen liegen, an den Koalitionsparteien, ob Sie das Versprechen nun erfüllen wollen, welches Sie den Millionen Obdachlosen, in Notunterkünften unterbrachten Menschen gegeben haben.
Ich möchte Sie deshalb ersuchen, durch die Annahme unseres Antrags die bisherige Summe aufrechtzuerhalten durch die Erhöhung von 300 Millionen auf 900 Millionen DM.
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Nur durch die Bereitstellung solcher Mittel ist die Möglichkeit gegeben, die schwere Wohnungsnot zugunsten der Geschädigten, der Ausgebombten und Flüchtlinge zu lindern.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lücke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will heute nicht im einzelnen auf das Problem der Wohnungsbaufinanzierung eingehen, halte es aber als Vorsitzender des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen für meine Pflicht, dem Hohen Hause den ganzen Ernst der Finanzierungsschwierigkeiten, die in diesem Jahre im Wohnungsbau bestehen, bei der Beratung dieses Paragraphen vor Augen zu führen.
Meine Damen und Herren, es fehlen in diesem Jahre nach sehr vorsichtigen Berechnungen 400 Millionen nachstellige Mittel für den Wohnungsbau; Kollege Meyer schätzt sie auf 700 Millionen. Diese Mittel fehlen jetzt im Augenblick, d. h. bei Beginn der Bausaison, sie fehlen vor allem für die Flüchtlingsumsiedlung, sie fehlen sowohl für den allgemeinen Wohnungsbau als auch für den Wiederaufbau. Das Problem ist durch den Wegfall der
({0})
ECA-Gelder, durch die seit Korea eingetretenen Preissteigerungen erschwert worden. Nunmehr erschwert die bei § 350 angeschnittene Frage der Reduzierung der Soforthilfemittel und Umstellungsgrundschulden auf 300 Millionen DM jährlich dieses Problem noch mehr. Es ist nicht daran gedacht - vor allem nicht von uns daran gedacht -, diese Gelder unbedingt aus dem Lastenausgleich zu erhalten; nur müssen wir hier entscheiden, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß der Wohnungsbau im Bundesgebiet auch heute noch Sozialproblem Nr. 1 ist, von einer Bedeutung, die nur der richtig beurteilen kann, der sich gelegentlich der Mühe unterzieht, in die Bunker der zerstörten Stadt Köln oder in die Vertriebenenlager zu gehen, um dort zu erleben, wie noch Millionen deutscher Menschen hausen müssen.
Der Wohnungsbau ist Problem Nr. 1, d. h. die Finanzierung von jährlich 300 000 Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus muß - ich betone: muß - gesichert werden. Der Wohnungsbau verträgt seinem ganzen Wesen nach keine Experimente, vor allem keine Experimente in finanztechnischer Hinsicht, und er ist nicht haushaltsjahrmäßig abzugrenzen. Wenn wir jetzt die nachstellige Finanzierung durch 400 Millionen DM nichtöffentlicher Gelder nicht bekommen, bedeutet das, daß die Baugenehmigung für 70 000 bis 80 000 Wohnungen nicht erteilt werden kann.
({1})
Das bedeutet, daß mit dem Bau dieser Wohnungen, vorausgesetzt, daß erststellige Gelder vorhanden wären - und sie sind zum Teil heute vorhanden -, nicht begonnen werden kann, weil die Gesamtfinanzierung nicht gesichert ist.
Meine Damen und Herren, ich sagte, der Wohnungsbau verträgt keine Experimente. Ich meine damit, dab wir es uns nicht leisten können, dürfen und wollen, daß das Volumen des Wohnungsbaus absinkt. Ich habe als Ausschußvorsitzender diesbezügliche Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers persönlich erhalten. Wir haben auch bei Beginn dieser Beratungen eine Regierungserklärung gehört. Diese muß nach unserer Auffassung konkretisiert werden. Es genügt seitens der Regierung nicht die Feststellung, daß man allgemein bereit ist, alles zu tun, um den Wohnungsbau zu fördern und das Volumen zu halten; vielmehr müssen wir wissen, wann und unter welchen Umständen wir das Geld bekommen.
Ich sagte, das Geld fehlt jetzt. Es fehlt in diesem Augenblick. Es kann mit dem Bau nicht begonnen werden. Wenn Vorfinanzierung gelingen sollte oder wenn andere Wege gefunden werden sollten, so nützt es uns nichts, mit dem Geld erst im Winter den Bau beginnen zu können. Das Geld wird jetzt zu Beginn der Bausaison benötigt.
Ein Teil meiner Freunde der FDP-Fraktion und der CDU- und CSU-Fraktion haben darum einen Antrag erarbeitet, der vorsah, die Mittel der Wohnraumhilfe - § 350 - von 300 Millionen DM auf 500 Millionen DM zu erhöhen. Der SPD-Antrag, den Kollege Meyer vorgetragen hat, sieht eine Erhöhung dieser Mittel um 300 Millionen DM vor. Meine Damen und Herren, der Antrag trägt 80 Unterschriften. Er ist auch gedruckt, aber bis jetzt nicht verteilt worden.
({2})
Er ist deshalb bis jetzt nicht verteilt worden, weil
die ganzen Tage hindurch außergewöhnlich ernste
Verhandlungen von allen am Wohnungsbau interessierten Gremien, Kabinett und Fraktionen geführt worden sind. Es verdient wirklich hier einmal gesagt zu werden, mit welchem Ernst das ganze Haus, der zuständige Ausschuß und die Fraktionen - auch die Opposition -, die Regierung und die Länderminister sich um dieses Problem bemüht haben, vor allem aber die Kollegen, die besonders am Wohnungsbau interessiert sind. Der Antrag liegt gedruckt vor. Wir haben ihn nicht verteilt. Die Begründung will ich Ihnen geben.
Vorweg noch eines, meine Damen und Herren. Es wird hier so oft gesagt, wir dürften keine Meinung zum Lastenausgleich äußern. Ich möchte, da ich die Anträge, vor allem auch diesen, gestellt und unterzeichnet habe, den Vorwurf, etwa als Rebell zu erscheinen, von vornherein beseitigen. Wir haben diesen Antrag erst dann gestellt, als alle anderen Bemühungen und Verhandlungen nicht den gewünschten Erfolg erzielten. Nun sind inzwischen sehr ernste neue Verhandlungen mit den beteiligten Damen und Herren des Lastenausgleichs, mit den Fraktionen und der Regierung geführt worden, um bis zur dritten Lesung einen Ausweg zu finden. Meine Damen und Herren, ich betone noch einmal: es geht uns nicht um eine Reduzierung der Hausratshilfe oder der Eingliederungshilfe zugunsten des Wohnungsbaus, sondern es geht uns von der Wohnungsbauseite darum, das Volumen zu halten.
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Darum haben wir, da diese Verhandlungen sehr ernster Natur laufen und Aussicht auf Erfolg haben - Verhandlungen, entweder aus Bundeshaushaltsmitteln oder im Wege der Vorfinanzierung die Gelder zu bekommen -, diesen unseren Antrag zur zweiten Lesung zurückgezogen; - das heißt, wir haben ihn erst gar nicht eingebracht -, um diese Verhandlungen nicht zu stören. Die Verhandlungen müssen jetzt mit sehr viel Mühe und sehr viel Ruhe weitergeführt werden, damit das Ergebnis ein positives wird. Der Lastenausgleich darf nicht gefährdet werden; aber der Wohnungsbau darf ebenfalls nicht gefährdet werden.
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Beide Fragen müssen wir lösen; und darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, stellen wir den Antrag zu § 350 zur zweiten Lesung nicht. Wir behalten uns vor, wenn die Verhandlungen nicht
zum Erfolg führen, diesen Antrag - wenn es auch eine sehr schwere Debatte werden wird, und ich hoffe dann, daß es ein Koalitionsantrag wird! - zur dritten Lesung Pneu zu stellen.
Weil wir das vorhaben, sind wir in dieser Situation im Augenblick gezwungen, den Antrag der Opposition, der Sozialdemokratie, abzulehnen.
({5})
Ich darf auch meine Freunde, die die 80 Unterschriften unter diesem Antrag geleistet haben, bitten, heute, bei der zweiten Lesung, der Ausschußfassung zuzustimmen. Wir werden dann - ich hoffe das zuversichtlich - bis nächste Woche ein Ergebnis von der Regierung haben, das nachweist, daß wir jetzt - ich betone: jetzt- dieses Geld, diese fehlenden 200 Millionen DM, zur Verfügung haben werden. Ich hoffe, daß die Verhandlungen ein positives Ergebnis haben und daß wir nicht gezwungen werden, diesen Antrag zur dritten Lesung zu stellen.
Ich darf zum Schluß zum Ausdruck bringen, daß wir in diesem Hohen Hause in Fragen des Wohnungsbau einig bleiben sollten in dem Ziel, das
({6})
Volumen des Wohnungsbaus zu halten. Damit die Menschen, die jetzt noch, sieben Jahre nach Beendigung des Krieges keine Wohnung haben, baldmöglichst in den Genuß einer gesunden Wohnung kommen.
Ich bitte Sie deshalb, meinem Vorschlage zu folgen. Ich hoffe, daß wir bis zur dritten Lesung des Lastenausgleichsgesetzes die Zusicherung bekommen, daß 200 Millionen DM im Wege der Vorfinanzierung oder aus anderen Geldquellen zur Verfügung gestellt werden, damit wir nicht gezwungen sind, innerhalb des Lastenausgleichs eine Umschichtung vorzunehmen.
Ich würde es sehr begrüßen, wenn Sie meinem Vorschlage folgen könnten.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Es hat - vor allem wenn man vielen privaten Gesprächen in diesen Tagen zuhört oder sie selber führt - den Anschein, daß diejenigen Mitglieder dieses Hauses, die als Mitglieder des 18. Ausschusses sich zum Teil wenigstens für die Durchführung des Ersten Wohnungsbaugesetzes verantwortlich fühlen, als diejengen hingestellt werden, die gegen den Lastenausgleich operieren. Sie wissen ja, daß Kollege Lücke und ich mit einer Reihe von Freunden aus den beiden Fraktionen in diesen Tagen eine Reihe von Anträgen gestellt haben, die Sie freundlicherweise auch angenommen haben. Bei dem von Herrn Lücke erwähnten vorbereitenden Antrag, nämlich dem, die Mittel für den Wohnungsbau um 200 Millionen DM zu erhöhen, handelt es sich aber um eine so schwerwiegende Angelegenheit, daß wir, obwohl ungefähr 80 Kollegen den Antrag unterschrieben hatten, ihn nicht ohne weiteres hier hereingeben wollten, um darüber abstimmen zu lassen. Wir haben alles versucht. Wir haben versucht, vom Kabinett eine bindende Erklärung zu bekommen. Das ging in erster Linie den Herrn Finanzminister an. Der Herr Finanzminister erklärt: „Ich kann es nicht!" Aber warum haben wir uns denn mit dieser ernsten Frage hier zu beschäftigen? Der Grund ist doch die nackte Tatsache, daß bisher aus Mitteln der Soforthilfe, der Umstellungsgrundschulden etc. erhebliche Beträge in den Wohnungsbau geflossen sind, die jetzt weggenommen werden und in den Lastenausgleich gehen.
({0})
- Ja, darüber sind wir eben geteilter Meinung, Herr Kollege Nöll von der Nahmer. Was heißt „müssen"? Es ist für mich ein absolutes Muß, daß das Erste Wohnungsbaugesetz, daß dieses Haus einstimmig angenommen hat, auch durchgeführt wird.
({1}) Also müssen auch die Mittel dafür geschaffen werden.
({2})
Diese Frage ist ja seit Monaten bekannt. Wir stehen nicht vor einer neuen Situation. Seit Monaten ist bekannt, daß dieses Loch von mindestens 400 Millionen DM nachstelliger Mittel in diesem Baujahr vorhanden ist. Es ist bekannt, daß insgesamt ungefähr 700 Millionen DM fehlen, um das Programm des Bundeswohnungsbaugesetzes durchzuführen. Also müssen wir uns mit der Frage beschäftigen. Wenn wir als die Mitglieder des 18. Ausschusses bisher mit gesonderten Anträgen außerhalb der Beratungen des Lastenausgleichsauschusses nicht an das Haus herangetreten sind, so liegt das daran, daß wir bisher immer noch gehofft haben, es würde sich irgendeine Möglichkeit auftun. Wir haben nach den Besprechungen dieser Woche feststellen müssen, daß das anscheinend nicht möglich ist. Die Frage ist ernst. Es könnte den Anschein haben, daß sie plötzlich auftaucht. Ich habe Ihnen ausgeführt, daß das nicht der Fall ist. Ich möchte den Fraktionen des Hauses sagen, daß wir bisher den Wohnungsbau - und zwar, wie zugegeben wird, mit Erfolg - gemacht haben, ohne daß das Haus und die Fraktionen von uns erheblich behelligt worden sind.
({3})
Wir haben Ihnen bisher unsre Sorgen gar nicht vorzutragen brauchen, weil es ging, weil Lösungen gefunden wurden. Das ist heute nicht mehr der Fall. Das Haus hat die Verpflichtung, sich mit der ernsten Lage des Wohnungsbaus intensiv zu beschäftigen.
({4})
Wir werden uns darüber Gedanken machen müssen. Ich betone, daß diese Stellungnahme nichts mit der Stellungnahme zum Lastenausgleich zu tun hat. Ich schließe mich der von dem Kollegen Lücke geäußerten Auffassung an, daß wir über diese Frage endgültig in der nächsten Woche zu entscheiden haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind den Herren Kollegen Lücke und Wirths sehr dafür dankbar, daß sie die Bedeutung dieses Problems dem Hause mit derselben Eindringlichkeit vor Augen geführt haben, wie das soeben mein Freund Heinz Meyer getan hat. Wir freuen uns sehr, daß eine so breite Mehrheit im Hause sich in diesem Punkte einig ist. Wir wären auch ohne weiteres bereit gewesen, unseren Antrag zugunsten eines Antrags auf Erhöhung um 200 Millionen DM zurückzuziehen, wenn wir dadurch eine entsprechende Mehrheit gesichert hätten.
Ich habe dem, was in der Sache vorgetragen worden ist, jetzt wenig hinzuzufügen und möchte nur folgendes sagen. Es handelt sich hier einmal, wie die Vorredner mit Recht und mit allem Nachdruck gesagt ,haben, um die Durchführung des Wohnungsbaugesetzes und des Wohnungsbauprogramms in dieser Bundesrepublik. Zum zweiten handelt es sich um den angemessenen Anteil der Vertriebenen und Geschädigten an diesen Wohnungen. Das dürfen wir auch nicht vergessen. Wenn jemand der Ansicht ist, daß die hier geforderten Leistungen aus dem Lastenausgleich durch den Einsatz anderer Mittel für die Vertriebenen und Geschädigten ersetzt werden können, um so besser! Wenn aber jemand der Ansicht ist, daß die Bilanz des Lastenausgleichs, falls die notwendigen Mittel nicht anderweit beschafft werden könnten - und die Schwierigkeiten, die da offenbar bestehen, haben wir ja aus den Ausführungen der Vorredner deutlich genug herausgehört -, das, was wir fordern, nicht vertrage, so bin ich bereit, ihm das zu widerlegen. Ich habe, glaube ich, genug Aus({0})
führungen darüber gemacht. Bei Ausnutzung aller wirklichen Möglichkeiten des Lastenausgleichs, bei richtiger Einteilung der Mittel und wenn an der Vorfinanzierung, von der soviel gesprochen wird, etwas einigermaßen Ernsthaftes ist, ist es ohne Zweifel möglich, diese Mittel bereitzustellen.
Die Herren Kollegen Lücke und Wirths, die uns ihr Interesse und, ich hoffe, ihre Entschlossenheit in dieser Frage nachdrücklich bekundet haben, haben ihrerseits vor, die Frage bis zur dritten Lesung zurückzustellen, um das Ergebnis weiterer Verhandlungen abzuwarten. Wir sind unsererseits an diesen Verhandlungen nicht so innig beteiligt und vermögen das Ergebnis nicht abzusehen. Wir kennen auch noch nicht näher die Projekte und wissen nicht, aus welchen anderen Mitteln hier etwa Hilfe geschaffen werden könnte. Es wird uns niemand verdenken, wenn wir in dieser Situation unseren Antrag heute in der zweiten Lesung nicht zurückziehen, sondern bitten, darüber abzustimmen. Wir hatten an sich vor, namentliche Abstimmung zu beantragen, um die Wichtigkeit dieses Punktes zu unterstreichen. Wir möchten in dieser Situation darauf verzichten, nachdem eine so große Zahl von Abgeordneten durch ihre Vertreter und durch ihre Unterschriften, die in deren Händen sind, meine Herren Kollegen, ihre Meinung offenbar bereits offenkundig gemacht hat und nachdem außerdem die Bedeutung des Punktes genügend, scheint mir, durch die in diesem Hause gemachten Ausführungen unterstrichen ist. Die Entscheidung würde also dann notfalls in der dritten Lesung endgültig zu fallen haben. Wir bitten heute, über unseren Antrag abzustimmen.
Keine weiteren Wortmeldungen?
({0})
- Herr Abgeordneter Kunze zur Geschäftsordnung!
Herr Präsident! Ich möchte namens meiner Freunde beantragen, über den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion namentlich abzustimmen.
({0})
Es ist der Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt. Ich frage das Haus, ob der Antrag von 50 Mitgliedern unterstützt wird.
({0})
-- Herr Abgeordneter Kunze hat nur gesagt: „Ich".
({1})
- Dann wird namentlich abgestimmt.
Meine Damen und Herren, wir kommen zur Abstimmung. Es liegen insgesamt 3 Anträge vor. Ich gehe in der Reihenfolge der Vorlage vor. Das erste ist der Antrag der SPD Umdruck Nr. 492 Ziffer 24. Dazu ist im Namen der CDU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. ({2})
Bezweifeln Sie es doch nicht immer! Da unten ist doch der Fraktionsvorsitzende und bestätigt es. Meine Damen und Herren, Sie können es von der Rückseite doch nicht besser wissen wollen.
({3}) Also ich bitte die Herren Schriftführer, nunmehr die Stimmzettel einzusammeln.
({4})
Darf ich bei der inzwischen etwas gestiegenen Zahl der Anwesenden darauf aufmerksam machen, daß Sie gebeten werden, vor Verlassen des Hauses nochmals Ihre Fächer im Tagungsbüro zu entleeren. Es befindet sich darin der vorläufige Wochenplan für die Sitzungen in der kommenden Woche.
Haben alle Mitglieder des Hauses ihre Stimmzettel abgegeben?
({5})
- Ja, dann bitte ich, die Stimmzettelabgabe zu beschleunigen.
Die Abgabe der Stimmzettel ist nun beendet.
({6})
Das Abstimmungsergebnis.*): Mit Ja haben gestimmt 129, mit Nein 144; enthalten 21. Von den Berliner Abgeordneten: mit Ja 7, mit Nein 1, enthalten 2. Der Antrag ist also abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag Dr. Kather auf Umdruck Nr. 496 Ziffer 23. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über den Antrag der KPD Umdruck Nr. 498 Ziffer 42. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Damit ist die Aussprache zu § 350 beendet.
Ich rufe noch auf § 351. Das Wort ist nicht gewünscht. Dann ist dazu die Aussprache geschlossen.
Wir stimmen nun ab über die Paragraphen nach dem Text der Ausschußfassung. Zunächst § 345. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
§ 346. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ist die Mehrheit; so beschlossen.
§ 347. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Die Mehrheit; angenommen.
§ 348. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Mehrheit; angenommen.
§ 349. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Mehrheit; angenommen.
§ 350. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; angenommen.
§ 351. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen nun zum Dreizehnten Abschnitt. Ich rufe auf: §§ 352, - 353, - 354, - 355, - 356,
- 357 bis 359, - 360 bis 365, - 366 bis 370. - Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Angenommen.
Ich rufe auf § 371. Dazu liegt ein Änderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 498 Ziffer 43 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht?
({7})
- Auf die Begründung wird verzichtet. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über den Änderungsantrag der KPD. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Ent-
*) Vera das endgültige Ergebnis Seite 9253
({8})
haltungen? - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 371 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Angenommen. Ich rufe nun auf: §§ 372, - 373, - 374, - 375. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Angenommen.
§ 376. Dazu ist kein Änderungsantrag gestellt. - Keine Wortmeldungen. Dann ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem § 376 zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Angenommen.
Zu § 377 liegt ein Änderungsantrag der KPD vor. Auf die Begründung wird verzichtet. Das Wort wird weiter nicht gewünscht. Dann ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der KPD Umdruck Nr. 498 Ziffer 44. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die § 377 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu heben. -Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun auf: §§ 378 bis 383. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Angenommen.
Ich rufe nun auf § 384. Dazu liegt ein Änderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 492 Ziffer 25 vor. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit § 384 Ziffer 2 werden vom Lande Berlin die Leistungen gefordert, die denen entsprechen, über die wir bei § 315 schon ausführlich gesprochen haben. Eine Begründung unseres Antrags erübrigt sich daher.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Doch? - Herr Abgeordneter Kunze!
Nachdem wir den Änderungsantrag zum § 315 abgelehnt haben, beantrage ich, auch diesen Antrag abzulehnen. Ich darf ausdrücklich darauf hinweisen, daß die Vertreter des Berliner Magistrats und des Abgeordnetenhauses mit uns im Ausschuß durchaus der Meinung waren, daß diese vorgesehene Regelung eine gerechte und sinnvolle sei.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Änderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 492 Ziffer 25 zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
({0})
- Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen.
Wir stimmen nun über § 384 in der Fassung des Ausschusses ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Angenommen.
Ich rufe nun auf: §§ 385 bis 390. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, .die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Angenommen.
Ich rufe nun auf § 391. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 495
Ziffer 15 vor. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Föderalistische Union hat zu § 391 einen Änderungsantrag gestellt, weil die Fassung dieses Paragraphen völlig unzureichend ist und weil diese Fassung eine Zurücksetzung der Interessen der Sparer gegenüber den anderen Geschädigtengruppen bedeutet.
Was soll denn eigentlich bedeuten: Es wird eine weitergehende gesetzliche Regelung zum Ausgleich von Verlusten an Altsparanlagen nicht ausgeschlossen? Damit ist den Sparern in keiner Weise eine nur irgendwie geartete Sicherheit für die Regelung ihrer Interessen gegeben, damit kann die ganze Aufwertung der Sparguthaben neuerdings auf ein totes Gleis geschoben werden. Wir lehnen daher diese negative Formel ab. Mit unserem Änderungsantrag haben wir Ihnen eine positive, eine verpflichtende Fassung vorgeschlagen, ebenso einen Termin, bis zu dem die Regelung der Interessen der Sparer durchgeführt sein soll; denn wir wollen vermeiden, daß das berechtigte Mißtrauen der Sparer herausgefordert und das langsam anwachsende Vertrauen der Sparer zum Sparen neuerdings wieder gestört wird. Ich glaube auch, daß die ganze Behandlung der Rechte der Sparer und die Erinnerung an die vielen Leidensstationen, die diese Sparer bislang durchmachen mußten, Sie verpflichten, bei Verabschiedung dieses Gesetzes auch den Interessen der Sparer durch eine positive und verpflichtende Fassung des § 391 Rechnung zu tragen.
Ich möchte nur ganz kurz skizzieren, was dieser Teil der geschädigten Bevölkerung an Stationen durchgemacht hat: Inflation, Goldklausel, Ablehnung des Homburger Planes, Festkontenstreichung durch die Militärregierung, dann die Währungsgesetzgebung als solche und - „leider" muß ich auch sagen - die bisherigen Versprechungen der Regierungskoalition, die den Sparern gemacht und bisher nicht eingelöst worden sind.
Ich darf ganz kurz noch einmal in Erinnerung bringen, daß der Herr Bundeskanzler selbst anläßlich der Regierungserklärung im September 1949 davon gesprochen hat, daß es sich bei der Regelung der Forderungen der durch die Währungsgesetze sehr betroffenen Sparer um eine staatspolitische Frage ersten Ranges handelt. Er hat damals - im Jahre 1949 - erklärt, daß eine beschleunigte Prüfung der vermeidbaren Härten der Währungsgesetzgebung durchgeführt werden muß. Ich erinnere weiter an die Rede des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer, die er am 9. Oktober 1949 in Hamburg gehalten hat, wo er erklärte, daß es unter den gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen darauf ankomme, das verlorene Sparkapital zu ersetzen und neues für den Wiederaufbau zu beschaffen. Der Minister hat insbesondere auch betont, daß das Vertrauen der Sparer zurückgewonnen werden müsse und daß den Sparern das Gefühl genommen werden müsse, daß sie um ihre Ersparnisse betrogen worden seien. Weiterhin hat der Herr Bundesfinanzminister dadals, im Jahre 1949, darauf hingewiesen, daß von seiten der Regierung bereits an einem Gesetzentwurf gearbeitet worden sei.
Durch dieses Inaussichtstellen einer gesetzlichen Regelung ist dann das Vertrauen der Sparer wieder erwacht. Was ist aber geschehen? - Im Laufe der Zeit ist den einzelnen Ausschüssen nicht dieses Gesetz, das Aufwertungsgesetz, zur Behandlung
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vorgelegt worden; denn wir haben ja seinerzeit, auch bereits im Jahre 1949, einen diesbezüglichen Antrag hier eingebracht, auch Interpellationen, und das Zentrum hat dann später einen Initiativgesetzentwurf eingebracht. Es ist Ihnen oder den Ausschüssen nicht dieses Gesetz vorgelegt worden, sondern es ist Ihnen bzw. den Ausschußmitgliedern dann zu Ostern 1950 ein über 30 Seiten langes Gutachten über das Für und Wider einer Aufwertung vorgelegt worden. Darin hieß es auf einmal: Jetzt muß diese Sparerangelegenheit im Lastenausgleich behandelt werden! - Die Sparer wurden mit ihren Forderungen nun auf diese 15monatigen Beratungen um den Lastenausgleich vertröstet. Und das Ergebnis ist, daß die Frage, die entsprechend der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers seit 1949 einer beschleunigten Lösung zugeführt werden soll, bis heute noch nicht gelöst worden ist und daß sich die geschädigten Sparer mit einer ganz "unverbindlichen und völlig nichtssagenden Fassung des § 391 zufriedengeben sollen.
Vergessen Sie doch nicht, daß das Unrecht gegenüber den Sparern ein dreifaches ist:
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Das öffentlich-rechtlich gesicherte Sparkapital wurde dem ungesicherten Inflationsgeld gleichgestellt, die Altsparer wurden als einzige Kategorie im voraus zum Lastenausgleich herangezogen und wurden - zugunsten des Staates - zu 90 % ohne jede Entschädigung enteignet. Das sind feststehende Tatsachen, und trotz aller Versprechungen, trotz aller Zusicherungen, trotz Inaussichtstellung von gesetzlicher Regelung, die bereits in der Schublade des Herrn Bundesfinanzministers liege, ist bis heute noch nichts geschehen. Ein bedeutender Mann hat einmal gesagt: Das Mißtrauen in die Rechtsprechung ist der Beginn der sozialen Auflösung. Ich glaube, man kann auch sagen: Das Mißtrauen in die parlamentarischen oder Regierungsversprechungen ist der Beginn der sozialen Auflösung.
Vielleicht darf man auch in diesem Augenblick, wo Sie durch die Zustimmung zu der Fassung, wie wir sie Ihnen vorlegen, die Möglichkeit haben, all das, was bisher versäumt worden ist, wenigstens einigermaßen gutzumachen, daran erinnern, daß es sich bei den Sparern doch um einen Teil der Bevölkerung handelt, der vielleicht der staatstreueste und staatserhaltendste Teil ist, der - trotz aller Enttäuschungen durch die Inflation im Jahre 1923, durch die wiederholten Verluste - immer und immer wieder sein schwer verdientes Geld gespart und die Ersparnisse den Banken und damit indirekt auch der Wirtschaft und dem Staat zur Verfügung gestellt hat, um die Wirtschaft lebenskräftig zu erhalten und das Funktionieren des Kapitalmarktes sicherzustellen. Man darf daran erinnern, daß gerade dieser Teil der deutschen Bevölkerung einen Anspruch darauf hat, jetzt auch bei Verabschiedung dieses Gesetzes eine sicher fundierte Regelung in Aussicht gestellt zu bekommen. Dieser Teil der Bevölkerung ist auch der bescheidendste, der zurückhaltendste Teil. Er ist bisher nicht auf die Straße gegangen, um seine Rechte anzumelden. Er hat sich nicht der Mittel bedient, die hier schon einmal als erpresserisch bezeichnet worden sind. Er steht still zurück und wartet und wartet auf die Einlösung der Versprechungen, die auch hier in diesem Parlament bzw. durch Regierungsvertreter gemacht worden sind.
Bedenken Sie das alles, überlegen und prüfen Sie, ob Sie nun nicht eine Korrektur dieser Politik vorzunehmen und das zu tun haben, was von seiten der Regierung bisher noch nicht getan worden ist. Ich erinnere insbesondere auch die Herren von der CDU daran, die ja auf ihrem Parteitag in Karlsruhe im vorigen Jahr feierlich erklärt haben, daß sie sich jetzt auch zu einer 25 %igen Aufwertung bekennen. Soviel mir bekannt ist, hat sich der Wirtschaftsrat der CSU erst vor wenigen Tagen ebenfalls zu einer Aufwertung bekannt. Wenn Sie schon dieses Bekenntnis in der Öffentlichkeit abgeben und damit gerade diesen Kreisen erneut Hoffnungen bereiten, so bitte ich Sie, jetzt auch unserem Antrage zuzustimmen, der den wirklichen Interessen der Sparer entspricht und zu dessen Annahme Sie auch moralisch und rechtlich verpflichtet sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Gerade die Frage der Änderung des § 391 ist ja eine Frage, über deren sachlichen Inhalt schon seit Jahren verhandelt wird. Aber ich glaube, die Situation ist jetzt so weit gediehen, daß man eine positive Lösung sehen kann. Ich darf vielleicht noch zur Begründung des Antrags, den wir vorgelegt haben, einige ergänzende Worte sagen.
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- Das können Sie ja nicht wissen!
In dem Antrag sind einige bekannte Begriffe enthalten, nämlich einmal der Begriff der Aufwertung - also die Bezugnahme auf das quotale Prinzip -, und zum zweiten die Bezugnahme auf den bekannten Begriff der Altsparanlagen, ohne daß sie im einzelnen näher umrissen werden. Von Bedeutung ist vor allem die Tatsache, daß der Lastenausgleichsfonds die Mittel für die Aufwertung bereitstellen soll. Diesen Punkt unseres Antrags haben wir nach Rücksprache mit verschiedenen Herren des Hauses geändert. Es soll im letzten Satz nicht mehr heißen: „Die Mittel dafür stellt der Lastenausgleichsfonds bereit", sondern: „Mittel dafür stellt der Lastenausgleichsfonds bereit". Lediglich das Prinzip der Bereitstellung der Mittel für die Altspareraufwertung soll in diesem Gesetz verankert werden.
Dieses Prinzip kann anerkannt werden, nachdem durch den Antrag, den wir zur Aktienheranziehung eingebracht hab en, eine erhebliche Verbesserung des Aufkommens zu erwarten ist.
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- Ich komme jetzt darauf, Herr Kollege Kunze! - Bei einem Steuerkurswert der Aktien zum 31. 12. 48 von rund 3,2 Milliarden DM - davon 1/2 und davon wieder 1/2 - ergibt sich bei einer sechsprozentigen Abgabe pro Jahr unter Berücksichtigung der Verschachtelungen bei Holdings und den entsprechenden Freibeträgen ein Betrag von 40 bis 50 Millionen DM im Jahr. Darüber hinaus sind in den bisherigen Beratungen des Lastenausgleichs erhebliche Beträge aus den Mitteln der Hypothekengewinnabgabe vorgesehen. Das ist nicht mehr als recht und billig, da der Staat ja für den Lastenausgleichsfonds über den normalen Satz der Belastung des Vermögens von 50 % hinaus weitere 40 % in Anspruch genommen hat, so daß auch hieraus eine entsprechende Rückvergütung an die Sparer geleistet werden kann.
Das Gesamtvolumen, das erforderlich ist, berechnet sich ungefähr wie folgt: Die gesamten Sparanlagen, die zur Aufwertung kommen sollen - ohne die Titel des Reiches, der Reichspost und
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der Reichsbahn -, betragen rund 5 Milliarden DM. Diese Beträge brauchen nur mit geringen Sätzen amortisiert zu werden. Eine dreiprozentige Verzinsung dürfte auf die Dauer für derartige Sparanlagen ausreichend sein. Es würde sich also ein Gesamtfinanzierungsbedarf von 175 bis 200 Millionen DM im Jahr ergeben, um eine derartige Aufwertung durchzuführen. Diese Beträge sind aber im Rahmen des Lastenausgleichs ohne Schwierigkeiten verfügbar und sind - das ist unsere feste Überzeugung - unbedingt notwendig, um eine Gerechtigkeit gegenüber den Sparern herbeizuführen.
Den Sparern ist bisher ein besonderes Unrecht zugefügt worden. Wenn eine Einzelperson am Währungsstichtag 1000 Reichsmark Sparguthaben auf ihrem Konto hatte, so ist der nach Abzug der Kopfquote - 540 Reichsmark - und nach der Festkontenstreichung übrigbleibende Betrag noch 29,90 DM. 1000 Mark war der durchschnittliche Sparkontenbestand zum Währungsstichtag. Eine Familie hat unter Anrechnung dieses Betrags überhaupt nichts erhalten. Wir haben also gerade bei den Sparern im Unterschied zur Umstellung der sonstigen Reichsmarkverpflichtungen eine ungewöhnlich schlechte Behandlung in der Währungsreform mit .dem Erfolg, daß von 35 Millionen Konten 19 Millionen überhaupt gestrichen worden sind. Gerade bei den Sparern handelt es sich aber in der Mehrzahl der Fälle um die verschämten Armen, die verschämten Alten, die nicht organisiert sind und die nicht laut zetern und laut schreien, deren Geschrei deshalb auch häufig nicht so zum Ohr des Bundestagsabgeordneten gelangt wie der laute Protest von gut organisierten Geschädigtenverbänden.
Bei den Sparern sind darüber hinaus die Festkontenbeträge nachträglich gestrichen worden. Als man im Zuge des Preisauftriebs nach der Währungsreform die übermäßige Konsumgeldeinschleusung in die breite Käuferschicht reparieren wollte, hat man die schon sowieso so schlecht weggekommenen Sparer noch dadurch bestraft, daß man ihnen das Festkontengeld strich. Eine Gleichziehung auf 10 % wäre also gar keine Aufwertung, sondern wäre nichts anderes als eine Wiedergutmachung des speziellen Währungsunrechts, das den Sparern durch die alliierten Währungsgesetze angetan worden ist, was eben zur Folge gehabt hat, daß die Sparer zum ganz großen Teil keine Umwertung 1 zu 10, sondern 1 zu 0 erfahren haben.
Es kommt hinzu, daß ja gerade die Sparanlagen zum überwiegenden Teil durch Sachwertpfänder gesichert waren, und diese Inanspruchnahme der Sachwertpfänder, der Hypotheken durch den Lastenausgleichsfonds zeigt eine ganz verhängnisvolle Verwechslung von Kapital und Geld, eine Verwechslung, die überhaupt nur diese besonders schlechte und besonders verheerende Währungsgesetzgebung hat zur Folge haben können. Die Mittel zur Wiederherstellung des Kapitalmarkts, die jetzt allenthalben erörtert worden sind und von denen wir in der Presse gelesen haben - teilweise auch schon durchgeführt; ich erinnere an die verfehlte Investitionshilfe -, die Zinserhöhung, die Steuerermäßigungen und Steuerprämien, können die nötige Kapitalbildung nicht hervorrufen, wenn wir nicht das besondere Unrecht wiedergutmachen, das gerade den Sparern zugefügt worden ist. Hier liegt eine soziale Verpflichtung der Gemeinschaft vor.
Der Sparer will nicht nur Früchte seines Kapitals haben, Früchte seiner Ersparnisse, er will insbesondere die Ersparnisse selbst gesichert haben. Diese Ersparnisse müssen rechtlich gesichert werden. Die moderne Geldwirtschaft hat den Staaten, allen Staaten, ohne weiteres die technische Möglichkeit zum Sparerbetrug durch Geldwertverschlechterung gegeben. Er ist häufig geübt worden. Aber ich glaube, daß dieser Sparerbetrug noch niemals so rücksichtslos durchgeführt worden ist wie gerade durch die Währungsgesetzgebung von 1948. Diese Gesetzgebung ist gegen den Willen der deutschen Ratgeber gemacht worden, und wir sind jetzt verpflichtet, die Ratschläge der deutschen Ratgeber zur Währungsgesetzgebung zu befolgen und entsprechend durchzuführen. Die Währungsgesetze selbst können nicht mehr geändert werden. Sie haben eine neue Wirklichkeit geschaffen, die nicht durch Teil- oder Nachwährungsreform geändert werden kann. Würden wir die Währungsgesetze ändern, dann würden wir damit den Sparern mit der einen Haiid nehmen, was wir ihnen mit der anderen Hand geben würden. Es ist deshalb unbedingt erforderlich, daß diese Hoffnungen der Sparer, die ihnen von der Bundesregierung, vom Minister Schäffer in zahlreichen Erklärungen gemacht worden sind, im Rahmen des einzigen Gesetzgebungswerks, das dafür überhaupt in Frage kommt, nämlich im Rahmen der Lastenausgleichsgesetzgebung, realisiert werden. Wir können herausnehmen die Anleihen des Reiches, der Reichsbahn und der Reichspost. Diese Anleihen können von den entsprechenden Schuldnern im Interesse ihres Kredits selbst umgestellt werden.
Unerträglich wäre es aber, wenn dieses Gesetz das Währungsunrecht an den Sparern nicht wenigstens zu einem festen Zeitpunkt zu beseitigen verspräche. Die Verhandlungen, die bisher zwischen den Antragstellern und den Koalitionsparteien geführt worden sind, lassen erhoffen, daß auch die Koalitionsparteien von der Negativklausel, wie sie in dem Gesetzentwurf bisher enthalten ist, in der dritten Lesung abrücken werden. Verschiedene Mitglieder der Koalitionsparteien haben zugesagt, sich dafür einsetzen zu wollen. Wir hoffen, daß diese Möglichkeit gegeben wird, auch wenn zur zweiten Lesung seitens der Koalitionsparteien darauf hingewiesen wird, daß sie nicht in der Lage seien, diesem Antrage zuzustimmen, und zwar nur deshalb nicht, weil sie sich gegenseitig gebunden hätten, entsprechende Änderungsanträge nicht zu akzeptieren. Sie haben aber erklärt, daß sie zur dritten Lesung entsprechende Änderungsanträge annehmen würden. Wir hoffen deshalb, damit rechnen zu können,
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daß zumindest zur dritten Lesung unser Antrag angenommen wird. Wir würden uns deshalb nicht wundern, wenn unser Antrag seitens der Koalitionsparteien in dieser Lesung mit Enthaltung beantwortet würde, damit in der dritten Lesung eine Zustimmung erfolgen kann. Eine Ablehnung unseres Antrags in der zweiten Lesung durch die gleichen Abgeordneten, die sich vorgenommen haben, ihm in der dritten Lesung zuzustimmen, wäre allerdings ungewöhnlich; es scheint mir daher richtig zu sein, daß sie mit einer Enthaltung in der zweiten Lesung
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die Zustimmung in der dritten Lesung vorbereiten.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Loritz ({0}): Meine Damen und Herren! Es ist vollkommen richtig, daß die Altsparer zu den Stiefkindern der heutigen Regierungsmaßnahmen gehören, daß hier einem Stand von Menschen, und noch dazu einem keineswegs gutgestellten Stand von Mitbürgern, in der bittersten Art und Weise Unrecht geschehen ist, und daß bisher von der Regierung trotz allem, was sie uns in ihrem Antrittsprogramm versprochen hat, noch nicht ein Finger gerührt worden ist.
Der Änderungsantrag der Fraktion der FU ist sachlich absolut richtig. Er wird von mir aufs wärmste unterstützt.
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Aber ich möchte von mir einen Änderungsantrag zu dem Änderungsantrag der FU einreichen. Mir scheint die im Antrag der FU gesetzte Frist bis zum 31. März 1953 viel zu lang, nachdem schon Jahre und Jahre verflossen sind, ohne daß die Regierung auch nur das geringste zugunsten der Altsparer getan hat. Ich bin dafür, in Ihrem Antrag, meine Herren von der FU, die Worte „spätestens bis zum 31. März 1953" abzuändern in „spätestens bis zum 1. Oktober 1952". Der Zeitraum von mehreren Monaten ist lange genug dafür, daß die Regierung endlich einmal ihre Referenten in den Ministerien beauftragt, dem Parlament einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen.
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- Davon haben Sie aber dem Parlament noch nichts gesagt, Herr Kunze! Ich überreiche diesen meinen Änderungsantrag dem Herrn Präsidenten und bitte die FU, sich zu überlegen, ob sie nicht von sich aus hier die von ihr gesetzte Frist etwas einschränken möchte, damit es sich nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag hinzieht, bis die Altsparer endlich einmal zu ihrem Recht kommen.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Atzenroth.
Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten der Koalitionsparteien haben noch in der letzten Sitzung des Ausschusses zum Ausdruck gebracht, daß die jetzige Formulierung des § 391 für sie nicht konkret genug ist. Sie stimmen den Forderungen, die in dem hier vorliegenden Antrag enthalten sind, im Prinzip zu. Sie müssen aber diese Formulierungen gerade im Hinblick auf das Ergebnis der zweiten Lesung dieses Gesetzes noch einmal eingehend überprüfen. Es ist mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, daß diese Forderungen in der dritten Lesung auch von seiten der Regierungsparteien erfüllt werden. Es ist nur ein wenig glücklicher Versuch meines Kollegen Bertram gewesen, eine gewisse Nötigung hier vorzuschlagen und uns zu einer Enthaltung zu veranlassen. Dazu liegt im Moment keine Veranlassung vor. Die Ablehnung dieses Antrags in der zweiten Lesung bindet uns in keiner Weise für die dritte Lesung und ändert an unserer Auffassung, die wir im Ausschuß immer vertreten haben, nichts. Ich bitte also, den Antrag der FU in der zweiten Lesung abzulehnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz enthält eine ganze Menge von Versprechungen, und im Laufe der Debatte ist ja noch eine ausführliche Novellen- oder Romanliteratur dazugetreten. Der § 391 ist eine dieser Versprechungen. Der Antrag, der uns hier vorliegt und über den angeblich eine Einigung in der dritten Lesung droht,
({0}) will diese Versprechung etwas präziser fassen. Aber es kommt ja darauf an, was hinter der Versprechung steht, und das wird durch derartige Fassungen nicht greifbarer. Versprechungen haben wir in dieser Sache schon viele gehört, schon seit 1949, seit der Regierungserklärung; von unserer Seite allerdings nicht; ich habe es dieser Tage schon einmal in diesem Hause erwähnt.
({1})
Aber bevor irgend jemand einen greifbaren Vorschlag gemacht hat, sollte man nicht immer wieder das Spiel treiben, die Versprechungen neu zu formulieren statt, wenn man schon will, an die Arbeit zu gehen, wofür ja nebenbei unter Ihrer Leitung, Herr Kollege Dr. Atzenroth, ein Ausschuß besteht.
Im übrigen weicht die Formulierung auch noch in einem anderen Punkte von der Ausschußfassung ab. Während es in der Ausschußfassung heißt, daß im Falle einer entsprechenden Gesetzgebung Mittel aus dem Ausgleichsfonds zur Verfügung gestellt werden, heißt es hier mit schöner Großzügigkeit: „Die Mittel dafür stellt der Lastenausgleichsfonds bereit."
({2})
- Schön. Manchmal wird man etwas vorsichtiger. Aber ich kann immerhin trotzdem darauf hinweisen, daß natürlich die Frage, ob tatsächlich, wenn es zu etwas Derartigem kommen sollte, der Lastenausgleich der einzige Kostenträger sein sollte, für uns noch gar nicht ausgemacht wäre.
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Wir sind jedenfalls der Auffassung, daß der Stand des Problems - das kann mit gutem Gewissen gesagt werden - durch die Ausschußfassung weit richtiger wiedergegeben wird und daß man an den Dingen nichts verbessert, wenn man die Formulierung des Antrags vorzieht. Wir sind für Ablehnung des Antrags.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst vor der Antrag der Föderalistischen Union, Umdruck 495 Ziffer 15; dazu ein Änderungsantrag des Abgeordneten Loritz. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag zum Änderungsantrag ab, Änderungsantrag Loritz. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen die Stimme des Antragstellers abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über den Antrag der Föderalistischen Union, Umdruck 495 Ziffer 15. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. ({0})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über § 391 in der Ausschußfassung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe weiter auf die §§ 392 bis 396. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir stimmen ab. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun auf § 397. Dazu liegt vor der Änderungsantrag Dr. Kather, Umdruck 496 Ziffer 24. Das Wort hat Herr Abgeordneter Trischler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, es mir nicht übelzunehmen, daß ich hier noch ein heikles Problem anschneide, das für die Heimatvertriebenen ihrer Ansicht nach von besonderer Bedeutung ist. Es ist das Problem der Bewertung des landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Besitzes auf der Entschädigungsseite. Wir glauben, jetzt eine besser fundierte Formulierung gefunden zu haben als während der ganzen Ausschußberatung. Wir würden uns gern auf den Standpunkt stellen und sagen, daß der Einheitswert der Wert sein soll, der nach dem Reichsbewertungsgesetz normalerweise der dauernde Einheitswert ist. Auch heute noch gilt beim Einheitswert der Ertragswert mit dem Multiplikationsfaktor 25 des Reinertrags. Von diesem Faktor 25 kann von Zeit zu Zeit abgewichen werden je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen, insbesondere je nach der Zinshöhe.
({0})
Wir wissen, daß sich bei 4 % Zinsen der Einheitswert ergibt. Steigen sie, wie z. B. jetzt, dann sinkt der Faktor auf 18; gehen die Zinsen zurück, wird er wieder 25 werden können. Wir glauben, diese Änderung auf der Entschädigungsseite vornehmen zu sollen. Ich möchte ausdrücklich betonen: nur hier; es denkt keiner von uns daran - hoffentlich glauben Sie uns das jetzt schon -, daß man auf der Abgabenseite auch irgendeine Änderung haben will. Sie sehen ja, daß ein diesbezüglicher Änderungsantrag gar nicht vorliegt und von uns auch nicht vorgelegt wird. Wir glauben aber, daß man hier wirklich den Standpunkt vertreten könnte: als Einheitswert gilt der Einheitswert, der normalerweise als Dauereinheitswert nach dem Reichsbewertungsgesetz Gültigkeit hat, also mit dem Faktor 25.
Unsere Ansicht geht daher dahin, in dem Feststellungsgesetz die Änderung so vorzunehmen, daß die Durchführungsverordnungen bezüglich der Feststellung auf der Entschädigungsseite keine Gültigkeit haben. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß in unserem Änderungsantrag § 76 Abs. 3 angeführt ist. Das ist wahrscheinlich nicht der letzte Stand der Gesetzgebung. Man müßte also hier jene Bestimmung aus der neuesten Gesetzgebung nehmen, die sich darauf bezieht. Warum verlangen wir das? Wir glauben, daß die Heimatvertriebenen unter sich einig sind - und das scheint mir doch ein wesentlicher Punkt zu sein -, wie sie die Mittel, die zur Verfügung stehen, zu verteilen gedenken. Wenn wir behaupten können: es tut keinem Menschen auf der Abgabenseite weh, kein einzelner muß deswegen auch nur einen
Pfennig mehr bezahlen, dann hätten wir wenig Verständnis dafür, wenn das Haus diesen Wunsch, der von den Verbänden der Heimatvertriebenen getragen wird, ablehnen sollte. Wir sind der Überzeugung, daß es kein gerechter Vergleich zwischen den Vermögenswerten der gewerblichen Wirtschaft, der Industrie, der Landwirtschaft usw. usw. ist, wenn der Einheitswert allein bei der Landwirtschaft bleibt, weil ja bekannt ist, daß die tatsächlichen Werte in der Landwirtschaft wirklich höher waren, als der Einheitswert mit dem Faktor 18 sie darstellt. Ich wäre bereit - vielleicht will man sich jetzt noch nicht entscheiden -, diesen Antrag jetzt zurückzuziehen, wenn von den größeren Fraktionen die Zustimmung erteilt werden könnte, daß wir uns noch einmal eingehend in den einzelnen Fraktionen darüber unterhalten, ob eine Aussicht besteht, daß wir in der dritten Lesung durchdringen. Sollte das nicht der Fall sein, dann bitte ich um Annahme dieses Antrags.
Herr Abgeordneter Kriedemann!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hört sich großartig an, wenn hier gesagt wird: wen kümmert es eigentlich, wie die Heimatvertriebenen das Aufkommen aus der Vermögensabgabe verteilen wollen, wenn sie unter sich darüber einig sind? Sind Sie denn so sehr davon überzeugt, daß alle Heimatvertriebenen damit einverstanden sind, wenn für die Bemessung der Schäden eines Teils der Heimatvertriebenen ein anderer Maßstab angelegt wird als für die Bemessung der Schäden eines anderen Teils? Also derjenige, der das größere Messer handhabt, hat die Chance, auch das größte Stück aus dem Kuchen herauszuschneiden. Es scheint mir eine - ich hätte beinahe ein unparlamentarisches Wort gebraucht ({0})
- Sicherlich, deswegen nehme ich mich ja zusammen, obwohl es gegenüber solchen Behauptungen schwierig ist, ein grobes oder drastisches Wort zu vermeiden. Es scheint mir also, wie gesagt, reichlich kühn zu sein, zu behaupten, die Heimatvertriebenen wären sich darüber einig.
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- Ach so, in den Verbänden ist man sich darüber einig. Wir haben alle in der Form eines Rundschreibens eine Stellungnahme eines Verbandes bekommen,
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- eines Landesverbandes des Bundes vertriebener Deutscher. Darin setzt man sich auch darüber auseinander, ob es richtig ist, wenn von der Spitze her Anerkennungs- oder Protesttelegramme bestellt werden. Wenn man sich in den Verbanden einig ist, dann bedeutet das noch nicht die Einigkeit der Heimatvertriebenen. Wenn wir uns heute haben erzählen lassen, daß alle Heimatvertriebenen ohne Ausnahme hinter den Verbänden stehen, so sind wir darauf nicht eingegangen, weil wir das der Kritik der Sachverständigen im Volke überlassen wollten.
Meine Damen und Herren, hier handelt es sich um einen Lastenausgleich, bei dem Schäden am Vermögen durch Vermögensabgabe aus erhaltengebliebenen Vermögen ausgeglichen werden sollen.
({3})
Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, daß das eine und das andere mit dem gleichen Maßstab gemessen werden muß. Was ist das für eine Argumentation, zu sagen, wir wollen zwar nach der Seite der Vermögensabgabe einen kleinen oder einen kleineren Maßstab anlegen, damit wir uns die Leute, von denen wir es holen wollen, nicht verärgern; aber auf der Verteilungsseite - und zwar nur bei den Trägern einer Sorte von Schäden - wollen wir einen größeren Maßstab anlegen.
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- Nein, Sie wissen doch ganz genau, daß Sie einen größeren Maßstab dabei anlegen und daß dadurch der Schaden an landwirtschaftlichem Vermögen erheblich größer in Erscheinung tritt als bei dem Maßstab, der auf der Abgabeseite angelegt wird. Sie wollen den Schaden bei landwirtschaftlichem Vermögen höher bewertet haben, als Sie das landwirtschaftliche Vermögen auf der Abgabeseite bewerten. Das ist doch ein unreales Verfahren. Wenn Sie den Bären waschen wollen, müssen Sie ihm auch den Pelz naß machen. So billig können Sie keine Freunde werben.
Die sozialdemokratische Fraktion wird diesen Antrag selbstverständlich ablehnen. Aber, meine Damen und Herren, es sollte doch im Schlußgalopp zur zweiten Lesung nicht übersehen werden, daß Sie hier ermutigt werden, in § 397 27 Änderungen - zum Teil sehr bedeutsame Änderungen - des sogenannten Schadenfeststellungsgesetzes zu beschließen. Vielleicht erinnern Sie sich, daß eine ganze Zeit lang, sozusagen zur Vertuschung der Tatsache, daß die Lastenausgleichsberatungen nicht energisch genug betrieben worden sind, der Welt eingeredet wurde, der Lastenausgleich eile gar nicht so sehr; zunächst müsse man doch das Feststellungsgesetz in Gang setzen. Wir alle wissen, daß wir mit der Beratung dieses Feststellungsgesetzes kostbare Zeit verloren haben, Zeit, die viel besser für die Verabschiedung und für die gründlichere Durchberatung des Lastenausgleichsgesetzes
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verwendet worden wäre.
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Dieses Gesetz ist zwar vorgezogen worden, so wie man einen Popanz vorzieht. Es denkt aber gar nicht daran, etwa schon zu funktionieren. Deshalb ist es heute logischerweise notwendig, daß das Gesetz noch in ganz wesentlichen Punkten abgeändert werden muß. Wollen Sie bitte daraus ersehen, daß man solche Geschichten auch aus Propagandabedürfnis nicht aus dem Zusammenhang herausreißen darf.
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Auch die Behauptungen, man müsse zunächst einmal das Schadenfeststellunggesetz in Gang bringen, damit die Vorbereitungen für die Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes schon in Angriff genommen werden können, sind nichts anderes als billige Augenauswischerei gewesen. Es war und ist ein zu billiger Trost für diejenigen, die sich mit Recht darüber beschwert haben, daß es bis zur Vorlage des Lastenausgleichsgesetzes, bis zu seiner Verabschiedung, so schrecklich lange gedauert hat. Warum es so lange gedauert hat, habe ich Ihnen zu Beginn der zweiten Lesung gesagt, das ist auch heute noch unsere Meinung. Daß das richtig ist, haben auch diese Beratungen
erwiesen, und dieses Hin und Her und nicht zuletzt das Winken mit der Novelle, haben das nur aufs neue bestätigt. Das wollte ich Ihnen in Erinnerung rufen. Vielleicht erinnern Sie sich noch einmal daran, mit welcher Feierlichkeit und mit welchem Pathos hier um das Feststellungsgesetz gekämpft worden ist!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
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- Meine Damen und Herren, diesen Zwischenruf führe ich darauf zurück, daß wir nun schon vier Tage verhandeln; da fällt einem manchmal nicht mehr ein.
({1})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist erforderlich, noch ein Wort über die Bedeutung dieses Antrages zu sagen. Dieser Antrag beinhaltet nicht unsere ursprüngliche Forderung, nach der wir den Einheitswert überhaupt nicht als Grundlage auf der Entschädigungsseite anerkennen wollten, was wir auch heute noch nicht tun. Daß wir guten Grund dafür haben, beweist ja allein schon die Tatsache, daß man zu dem etwas schematischen summarischen Mittel greifen mußte, nur den halben Schuldenabzug zu nehmen, um irgendwie einen Ausgleich zu schaffen.
Ich habe hier die Rede eines Präsidenten eines Landwirtschaftsverbandes, eines Herrn, der auch diesem Hause angehört, der damals gesagt hat: „Es ist unmöglich, einem vorurteilslos Denkenden klarzumachen, daß die Entschädigung nach dem Einheitswert eine gerechte Entschädigung sein soll!"
({0})
Das hat er damals noch gesagt. Das bezog sich auf andere Tatbestände, auf solche Tatbestände, wo
auch hier einmal im Westen enteignet wird und Entschädigung gezahlt werden soll.
Aber dieses Problem haben wir mit unserem Antrag nicht aufgegriffen. Wir haben vielmehr in dieser Frage gewissermaßen resigniert und wollten jetzt nur noch eine verhältnismäßig geringfügige Korrektur vornehmen. Diese Korrektur besteht darin, daß wir nicht lediglich den Multiplikator nehmen sollten, der in einer Durchführungsverordnung drin ist, sondern den, der im Gesetz drin ist.
({1})
- Nun, dann will ich Ihnen etwas zur anderen Seite sagen. Sie wissen ja, Kollege Kriedemann, daß wir einen Antrag laufen haben, der noch nicht erledigt ist, den wir im allseitigen Einverständnis zurückgestellt haben und der durchaus die Möglichkeit vorsieht, eine höhere Entschädigung auf der anderen Seite zu geben. Das ist eine alte Forderung von uns, und wir sind durchaus bereit, bei freiwilliger Landabgabe eine höhere Entschädigung zu geben.
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- Bei der höheren Vermögensabgabe wäre ich sehr gern bereit, den Einheitswert anzugreifen. Wenn wir aber den echten Wert nehmen würden, würden wir doch wieder den Prozentsatz in Frage ziehen.
({3})
({4})
- Verzeihung, wenn wir den Verkehrswert nehmen würden, dann könnten wir ja die 50 % nicht durchsetzen. Ich habe hier ja schon ausdrücklich erklärt, daß wir uns nur unter diesem Gesichtspunkt mit dem falschen Wert abgefunden haben, weil man den hohen Prozentsatz genommen hat. Das ist also der wahre und der sachliche Grund.
Nun zu den wiederholten Angriffen auf das Feststellungsgesetz. Es wurde hier gesagt, es sei ein Popanz oder so etwas Ähnliches, dieses Gesetz vorzuziehen. Meine Damen und Herren, daß die Feststellung vor der Entschädigung zu erfolgen hat, ist genau so selbstverständlich, wie es selbstverständlich und vernünftig ist, daß ein Feststellungsgesetz vorweg verabschiedet wird.
({5}) Es hätte sehr viel früher geschehen und es hätte sehr viel bessere Wirkungen haben können, wenn nicht aus diesem Hause so viel Widerstand gekommen wäre, der dazu geführt hat,
({6}) daß dieses kleine Gesetz sehr viel länger im Ausschuß gewesen ist als das Lastenausgleichsgesetz. Und -wenn sich jetzt herausgestellt hat, daß Änderungsanträge nötig sind, - nun, meine Damen und Herren, warten wir in aller Ruhe ab, welche Änderungen am Lastenausgleichsgesetz erforderlich werden.
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An der Vorziehung allein liegt es also nicht.
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Herr Abgeordneter Kriedemann, bitte!
Ich möchte Herrn Kollegen K a t her nur einen Satz sagen. An dem Vorziehen allein liegt es nicht. Es liegt aber daran, daß man so etwas eben nicht vorziehen kann, weil man erst hinterher, nämlich aus diesem Gesetz heraus, weiß, was überhaupt festgestellt werden muß. Wenn es Ihre Zeit erlaubt, dann lesen Sie einmal die Vorschriften und die geänderten Vorschriften nach, die Änderungen, die aus der jetzigen Regelung der Hausratentschädigung notwendig geworden sind, - wenn es Ihre Zeit erlaubt und wenn Sie es sonst begreifen können, Herr Kollege Kather!
Herr Abgeordneter Dr. Kather.
Ich will nicht dem Herrn Abgeordneten Kriedemann antworten, sondern nur noch einen Vorschlag, den ich vergessen hatte, machen. Da wir ja ohnehin einen landwirtschaftlichen Komplex für die dritte Lesung ausgeklammert haben, würde ich vorschlagen, auch diese Frage für die dritte Lesung auszuklammern,
({0})
- Jawohl, Herr Kriedemann, ich will sehen, daß ich noch etwas Mut aufbringen kann.
({1})
Herr Abgeordneter Kather, darf ich Ihre Ausführungen so verstehen, daß Ihr Antrag für diese Beratung zurückgezogen wird? ({0})
- Also für diese Beratung ist der Antrag zurückgezogen.
Damit liegt, meine Damen und Herren, zu § 397 kein Änderungsantrag mehr vor.
({1})
Ich bitte die Damen und Herren, die § 397 zustimmen wollen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe § 397 a auf. - Keine Wortmeldung. - Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zu § 398 liegt ein Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Kather und Genossen vor.
({2})
- Dieser Änderungsantrag ist überholt. Damit liegen zu § 398 keine Änderungsanträge vor. Ich bitte die Damen und Herren, die § 398 - ich darf gleichzeitig § 399 aufrufen - und § 399 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Zu § 400 ein Antrag der kommunistischen Gruppe. Wird auf Begründung verzichtet?
({3})
- Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 498 Ziffer 45 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Meine Damen und Herren, zu einer persönlichen Bemerkung hat Herr Abgeordneter Loritz ums Wort gebeten.
({4})
- Meine Damen und Herren, ich bitte um Entschuldigung. Im Sturm der Ereignisse habe ich übersehen, über § 400 in der Ausschußfassung abstimmen zu lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die § 400 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; er ist angenommen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich, um ganz korrekt zu sein, auch noch über Einleitung und Überschrift abstimmen. Darf ich fragen, ob Herr Abgeordneter Kunze eigentlich zu Anfang den Antrag gestellt hat, daß in Klammern „Lastenausgleichsgesetz" hinzugefügt wird? Ist das geschehen?
({5})
Wird der Antrag gestellt?
({6})
- Herr Abgeordneter Kunze hat den Antrag gestellt, daß das Gesetz heißen soll: Entwurf eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich ({7}).
({8})
- Ich glaube aber, die Abkürzung sollten wir nicht in den Gesetzestext hineinnehmen; die bürgert sich vielleicht von selbst ein.
Darf ich die Damen und Herren, die dieser Einleitung und Überschrift unter Berücksichtigung dieser Änderung zuzustimmen wünschen, bitten, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; das ist angenommen.
({9})
Und nun Herr Abgeordneter Loritz zu einer persönlichen Bemerkung.
Loritz ({10}): Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Wittmann, der es lediglich den Wählern der WAV, die damit mir ihr Vertrauen aussprechen wollten,
({11})
zu verdanken hat, daß er überhaupt in diesem
Hause sitzt, hat sich bemüßigt gefühlt, mich in der
unsachlichsten Weise anzugreifen, indem er
höhnisch sagte, dem Herrn Abgeordneten Loritz
falle es mit Rücksicht auf seine guten ausländischen Beziehungen nicht schwer, große Auslandskredite für die Heimatvertriebenen zu bekommen.
({12})
Diese Äußerung des Abgeordneten Wittmann ist nicht mehr wert, als etwas tiefer gehängt zu werden!
Ich möchte aber dem Herrn Wittmann nur noch sagen, daß er bei mir an die falsche Adresse gekommen ist; denn nicht ich, sondern ein großer Teil seiner jetzigen politischen Freunde, ein sehr großer Teil seiner jetzigen politischen Freunde aus den Regierungsparteien verfügt über
die guten Beziehungen zu auswärtigen Großkapitalisten, so z. B. sein heutiger Koalitionsparteifreund Dr. Pferdmenges und viele andere,
({13})
für die jetzt der Herr Abgeordnete Wittmann stimmt, während er seinen Wählern vorher das Gegenteil davon versprochen hat.
Das ganze Verhalten des Herrn Abgeordneten Wittmann überlasse ich getrost der Beurteilung durch die anständig denkende Bevölkerung!
({14})
Meine Damen und Herren, ich weise noch darauf hin, daß in der nächsten Woche am Dienstag, dem 13. Mai, um 10 Uhr der Vorstand des Bundestags, um 12 Uhr der Ältestenrat zusammentreten.
Damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 211. Sitzung, auf Mittwoch, den 14. Mai, 9 Uhr, und schließe die 210. Sitzung.