Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 206. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Entschuldigungen bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach: Abgeordneter Schellenberg für sechs Wochen wegen Krankheit, Abgeordneter Euler für drei Wochen wegen Krankheit ab 23. April 1952.
Meine Damen und Herren, ich darf unterstellen, daß diese Urlaubsgesuche genehmigt sind. - Das ist der Fall.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Henle, Wittmann, Rademacher, Kahn, Agatz, Frau Thiele, Rische, Reimann, Vesper, Wirths, Höfler, Dr. Dr. Müller ({0}), Frau Döhring, Dr. Dresbach, Dr. Leuze.
Für den verstorbenen Abgeordneten Paschek ist der Abgeordnete Dr. Wilfried Keller, Mitglied des bayerischen Landtages - BHE-Fraktion -, nach der Landesergänzungsvorschlagsliste nachgerückt.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 16. April 1952 die Kleine Anfrage Nr. 255 der Abgeordneten Ollenhauer und Fraktion betreffend Verhandlungen über den Interzonenhandel ({0}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3316 vervielfältigt.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung:
Fragestunde ({1}).
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Frey zur
Frage 1.
Dr. Frey ({2}), Anfragender:
Beabsichtigt das Bundeswirtschaftsministerium; für die Zulassung zum allgemeinen Wirtschaftsprüfer-Examen in Zukunft auch das landwirtschaftliche Hochschulstudium dem juristischen, volkswirtschaftlichen und technischen Studium gleichzustellen, wie dies bereits im Gesetzentwurf über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen vorgesehen ist?
Das Wort zur Beantwortung hat der Bundesminister für Wirtschaft.
Nach dem neuesten Stand des in Vorbereitung befindlichen Gesetzentwurfs einer bundeseinheitlichen Berufsordnung für Wirtschaftsprüfer ist ebenso wie im Gestzentwurf über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen vorgesehen, bei der Zulassung zum Wirtschaftsprüfer-Examen das landwirtschaftliche Hochschulstudium dem rechtswissenschaftlichen, volkswirtschaftlichen und technischen Hochschulstudium gleichzustellen.
Dr. Frey ({0}), Anfragender: Ich danke Ihnen. Die zweite Frage hat sich erledigt.
Die Frage 2 entfällt; sie hat sich erledigt.
Das Wort hat Frau Dr. Mulert zur Frage 3.
Frau Dr. Mulert ({0}), Anfragende: Herr Bundesminister!
Welche Maßnahmen hat die Bundesregierung getroffen oder gedenkt sie zu treffen, um
a) dem bedenklichen Mangel an Nachwuchs für den Schwesternberuf abzuhelfen,
b) der Überforderung der Schwestern in den Krankenhäusern zu steuern?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister des Innern.
Der Nachwuchsmangel im Schwesternberuf beruht einerseits wohl darauf, daß die Einstellung der Bevölkerung zur Krankenpflege sich im Laufe der Zeit gewandelt hat. Andererseits ist infolge der bekannten Notlage namentlich der karitativen Krankenhäuser die wirtschaftliche Lage des Pflegepersonals nicht immer genügend gesichert. Die Bundesregierung hat sich bereits mit den in Betracht kommenden Stellen, Verbänden und Organisationen über diese Fragen beraten. Die zugrunde liegenden Probleme sind jedoch solcher Art, daß sie einer unmittelbaren Beeinflussung durch die Bundesregierung insbesondere auf gesetzgeberischem Gebiet im wesentlichen wenigstens entzogen sind. Die Bundesregierung sucht aber nach Möglichkeiten, auf mittelbarem Wege der offenbaren Notlage der Krankenhäuser zu steuern.
Bei dem zweiten Teil Ihrer Frage nach der sogenannten Überforderung der Schwestern in den Krankenhäusern ist offenbar eine tatsächlich vorhandene arbeitszeitliche Überbeanspruchung gemeint.
({0})
Maßgebend ist hier eine Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten vom 13. Februar 1924. Die Überwachung der Innehaltung dieser Bestimmungen ist nun freilich Sache der zuständigen Landesbehörden. Es wird Sie interessieren zu wissen, daß nach dieser Verordnung über die Arbeitszeit in Krankenpflegeanstalten aus dem Jahre 1924 die Höchstarbeitszeit für das Pflegepersonal in Krankenpflegeanstalten 60 Stunden wöchentlich einschließlich der Sonn- und Feiertage beträgt, und es wird seit langem darüber geklagt, daß diese Höchstarbeitszeit, die schon über die normale Arbeitszeit von 48 Stunden hinausgeht, häufig noch erheblich überschritten wird.
Die Durchführung dieser Verordnung ist, wie ich eben schon sagte, Sache der Länder. Sie haben als Aufsichtsbehörden zumeist nicht die Gewerbeaufsichtsämter, sondern die Gesundheitsämter eingesetzt. Die Bundesregierung beabsichtigt, die Arbeitszeit in den Krankenpflegeanstalten neu zu regeln und hierbei darauf hinzuwirken, daß die Durchführung der neuen Bestimmungen in den Ländern hinreichend überwacht wird. Sie ist der Ansicht, daß die Gewerbeaufsichtsämter auf Grund ihrer besonderen Sachkenntnis und Erfahrung auch geeignete Aufsichtsbehörden sind.
Frau Dr. Mulert ({1}), Anfragende: In Anbetracht der Tatsache, Herr Bundesminister, daß das ganze Problem außerordentlich verwickelt ist, hat es wohl keinen Zweck, von dieser Stelle weitere Fragen an Sie zu stellen. Ich danke Ihnen, Herr Bundesminister.
Zur Frage 4 hat das Wort Abgeordneter Brese. - Ich bitte die Herren, die die
Fragen stellen, ins Mikrophon zu sprechen. Ich denke, daß dann auch die Bundesminister die Fragen verstehen.
Brese ({0}), Anfragender:
Was gedenkt die Bundesregierung hinsichtlich der überhöhten Einfuhren ausländischer Karpfen zu tun, die die Inlandsproduktion gefährden, und ist sie bereit zu veranlassen, daß die Einfuhr auf den von der deutschen Produktion ungedeckten Bedarf beschränkt und zeitlich so reguliert wird, daß möglichst keine Einfuhr vor dem 1. Dezember erfolgt?
Wie gedenkt sie die deutschen Teichwirte vor dem Untergang zu schützen, falls aus handelspolitischen Erwägungen heraus eine Beschränkung der Einfuhr auf den notwendigen echten Bedarf nicht möglich ist?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Die inländische Karpfenerzeugung von ca. 25 000 Zentnern pro Jahr deckt den heimischen Bedarf nicht völlig. Es ist ein Import von 6- bis 8000 Zentnern notwendig. In den Handelsverträgen für 1952 ist ein Import von 7200 Zentnern Karpfen vorgesehen. Bei den Handelsvertragsverhandlungen ist es gegen den heftigen Widerstand der Kontrahenten gelungen, das Kontingent bei Jugoslawien von 300 000 Dollar auf 120 000 Dollar und bei Ungarn von 65 000 Dollar auf null tausend Dollar herabzudrücken. Die Verhandlungen mit Frankreich dauern noch an. Die vorgesehenen Einfuhren können also nach den gegebenen Zahlen nicht als überhöht angesehen werden. Sie decken zusammen mit der inländischen Erzeugung den inländischen Bedarf. Zum Schutz des Absatzes der Inlandsproduktion sollen Einfuhren vor dem 15. November jeweils nicht erfolgen.
Brese ({0}), Anfragender: Ich habe noch eine Frage, Herr Minister.
Eine Zusatzfrage. - Ich bitte, ins Mikrophon zu sprechen, Herr Abgeordneter Brese.
Brese ({0}), Anfragender: Herr Minister, ist es Ihnen bekannt, daß gerade die Einfuhren vor dem 1. Dezember sehr schädlich sind, weil ja das Weihnachts- und Silvestergeschäft eigentlich das einzige Karpfengeschäft ist?
Das ist richtig; aber eine Heraufsetzung des Termins vom 15. November auf den 1. Dezember würde natürlich gegen die bestehenden Abmachungen verstoßen. Ich werde aber diese Frage der Ausdehnung der Schonfrist gern einer weiteren Behandlung zuführen.
Brese ({0}), Anfragender: Ich danke Ihnen.
Damit ist die Frage 4 erledigt.
Zu Frage 5 Herr Abgeordneter Margulies, bitte.
Margulies ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesminister für Wirtschaft:
({1})
Bis wann kann mit der von dem Herrn Bundesminister für Wirtschaft mehrfach angekündigten Aufhebung der Devisenbewirtschaftung gerechnet werden?
Der Bundesminister für Wirtschaft zur Beantwortung.
Ich glaube nicht, daß man bei den Äußerungen, die ich über dieses Thema getan habe, von „Ankündigungen" sprechen kann, sondern- nur von Bestrebungen, dieses Problem allmählich einer Lösung näherzuführen. Es ist meine feste Überzeugung, daß wir in der Verfolgung unserer europäischen Ziele wie auch im Hinblick auf weitere Fortschritte in bezug auf die Freiheit des deutschen Außenhandels und die Freiheit der Märkte gar nicht "darauf verzichten können, allmählich die Fesseln der Devisenzwangswirtschaft zu sprengen und zu freieren Formen des Devisenverkehrs überzugehen. Eine terminliche Fixierung ist auch insofern gar nicht möglich, als die Entscheidung über diese Frage ja nicht allein in deutscher Zuständigkeit liegt, sondern internationale Regelungen erforderlich macht. Ich benütze aber jede Gelegenheit - und daher wird Ihnen das ja bekannt sein -, um in internationalen Gesprächen - sei es in Paris bei der OEEC oder sei es in sonstigen Erörterungen auf die Wichtigkeit dieses Themas hinzuweisen. Ich kann nur immer wieder dazu sagen: ich persönlich sehe darin eine der wichtigsten der Aufgaben, die wir lösen müssen, wenn wir auf wirtschaftlichem Gebiet weitere Fortschritte erzielen wollen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Margulies? - Bitte!
Margulies ({0}), Anfragender: Befürchten Sie irgendwelche schwerwiegenden Nachteile, wenn man die in Aussicht gestellte allmähliche Aufhebung jetzt einmal damit beginnen würde, den Notenumtausch freizugeben?
Es sind nach dieser Richtung hin Erörterungen im Gange. Ich verspreche mir im ganzen von einer Lockerung bis zu einer völligen Aufhebung der Devisenzwangswirtschaft keinerlei Nachteile, sondern nur Vorteile. Es ist nach meiner Überzeugung eine Illusion, anzunehmen, daß nur eine besondere Stärke oder ein besonderer Wohlstand dazu gehören, um auf die Devisenzwangswirtschaft verzichten zu können. Meine eigene Auffassung geht dahin, daß nur ein höheres Maß an Einsicht und an Ehrlichkeit dazu gehört - der Ehrlichkeit nämlich für alle Volkswirtschaften -, von dem zu leben, was die Volkswirtschaft selbst erarbeitet.
({0})
Meine Damen und Herren, nach der Geschäftsordnung findet eine Aussprache über die Antwort nicht statt.
({0})
Herr Abgeordneter Margulies hat noch eine Frage; es ist die Frage Nr. 6 der Drucksache Nr. 2390. Bitte schön!
Margulies ({1}), Anfragender: Ich darf den Herrn Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen fragen:
Welche Termine sind für den Aufbau des Mannheimer Hauptpostamtes für Baubeginn und Fertigstellung vorgesehen?
Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, bitte!
Ich kann dazu sagen, daß nach den bisherigen Vorarbeiten der Baubeginn auf Beginn des Rechnungsjahres 1953 festgelegt ist.
Margulies ({0}), Anfragender: Das ist eine Verzögerung von über einem Jahr!
Herr Abgeordneter Margulies, eine Besprechung findet nicht statt. Haben Sie eine Zusatzfrage? - Das ist nicht der Fall.
({0})
Herr Abgeordneter Mommer zu Frage 7!
Dr. Mommer ({1}), Anfragender: Der Ministerrat des Europarats hat sich auf seiner jüngsten Tagung zugunsten der Abschaffung des Sichtvermerkszwanges ausgesprochen und zweiseitige Abkommen darüber empfohlen. Was tut daraufhin die Bundesregierung?
Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, bitte!
Schon auf Grund der Empfehlung des Europarats vom 8. September 1949 auf Einführung eines europäischen Passes und der Empfehlung des Rats der OEEC vom 31. März 1950 hat die Bundesregierung seit geraumer Zeit Fühlung mit den OEEC-Staaten aufgenommen, um die Abschaffung des Sichtvermerkszwanges in die Wege zu leiten. Die Antworten waren im Ergebnis durchweg ablehnend. Nach den vom Ministerrat des Europarats gebilligten Vorschlägen der Straßburger Sachverständigenkonferenz vom November 1951 - Vorschlägen, im Wege zweiseitiger Abkommen den Sichtvermerkszwang zu beseitigen - hat die Bundesregierung dem Generalsekretär des Europarats im Dezember 1951 ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Abschaffung mitgeteilt, und Anfang Januar 1952 ist die Bundesregierung wiederum über die diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik an die Regierungen von Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, der Niederlande, Norwegen und der Türkei herangetreten. Eine vorbehaltlose Zustimmung zur Abschaffung der Sichtvermerke ist bisher von keiner Regierung erklärt worden. Einige Staaten halten unbeschadet ihrer grundsätzlichen positiven Einstellung zu den Vorschlägen der Bundesregierung eine Überprüfung der Frage unter dem Gesichtspunkte der inneren Sicherheit für erforderlich, z. B. Schweden, Belgien, Luxemburg. Die türkische Regierung hat zum Ausdruck gebracht, daß sie zunächst Erfahrungen im sichtvermerkfreien Reiseverkehr zu sammeln beabsichtige. Italien hält es für angezeigt, zunächst die Abschaffung des Sichtvermerkszwanges zwischen der Bundesrepublik und einer ihrer Besatzungsmächte abzuwarten. Lediglich die griechische Regierung hält zur Zeit mit Rücksicht auf die innere Sicherheit nicht einmal eine Auflockerung des Sichtvermerkszwanges für angebracht. Die übrigen Regierungen haben auf die Vorstellungen der Bundesregierung noch nicht geantwortet.
Wenn demnach die Bestrebungen der Bundesregierung auf eine völlige Abschaffung der Sichtvermerke ohne Erfolg geblieben sind, so haben doch ihre Bemühungen, wenigstens Erleichterungen im Sichtvermerksverkehr herbeizuführen, zu Er({0})
folgen geführt. So wurde zwischen der Bundesrepublik und Frankreich ein Abkommen über die Ausstellung gebührenfreier Sichtvermerke an Personen unter 25 Jahren geschlossen. Mit Dänemark, Belgien, Griechenland, Italien, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden und mit Brasilien und der Südafrikanischen Union wurde der Wegfall von Sichtvermerkgebühren für Studierende vereinbart. Schließlich ist mit der Schweiz inzwischen ein Abkommen geschlossen worden, nach dem beiderseitig Sichtvermerke mit Gültigkeitsdauer von im allgemeinen einem Jahr erteilt werden sollen; auch sind die Gebührensätze angeglichen worden.
({1})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Dr. Mommer!
Dr. Mommer ({0}), Anfragender: Herr Staatssekretär, messen Sie einer Empfehlung des Ministerrats des Europarats so viel Gewicht bei, daß man, auf sie gestützt, einen erneuten Vorstoß in dieser Frage machen kann?
Ich würde ihn im Augenblick nicht für aussichtsreich halten, sondern eine günstigere Gelegenheit abwarten.
Dr. Mommer ({0}), Anfragender: Welchen Sinn kann man dann noch einer Empfehlung des Ministerrats des Europarats beimessen?
Dr. Hallstein_ Staatssekretär des Auswärtigen Amts: Diese Frage vermag ich nicht zu beantworten.
Das Wort hat der Abgeordnete Berlin zur Frage 8.
Berlin ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn
Bundesminister der Finanzen, ob ihm bekannt ist, daß am Rande des Truppenübungsplatzes Senne durch britische Panzer auf ca. 80 ha bestelltem Land erhebliche Schäden angerichtet sind.
Sind bereits Maßnahmen für die Entschädigung eingeleitet, und wird durch Verhandlungen mit den Besatzungsmächten der Versuch gemacht, solche Schäden in Zukunft zu verhindern?
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Ich habe in dieser Sache bei dem Herrn Finanzminister des Landes' Nordrhein-Westfalen angefragt. Nach dessen Mitteilung ist es richtig, daß am Rande des Truppenübungsplatzes Senne in der Gemarkung der Gemeinde Augustdorf Flurschäden durch übende britische Panzer verursacht worden sind. Das Gelände ist jedoch fürstlich lippisches Eigentum und von der britischen Besatzungsmacht requiriert. Die Landwirte, die den Boden bestellt haben, stehen zu dem Eigentümer in keinem Pachtverhältnis und zahlen infolgedessen auch keine Pacht. Nach einer Erklärung des British Resident Officer haben die betroffenen Landwirte bereits ,früher auf alle Schadensersatzansprüche Verzicht geleistet, die durch Truppenübungen auf den von ihnen bebauten Feldern usw. entstehen. Unter diesen Umständen ist kaum damit zu rechnen, daß die britische Besatzungsmacht diese Schäden anerkennt und eine Zahlung von Entschädigungsbeträgen zu Lasten des alliierten Besatzungskosten-und Auftragsausgabenhaushalts zulassen werde. Im übrigen haben bereits früher Besprechungen zwischen dem British Resident Officer und den zuständigen deutschen Behörden mit dem Ziel der Vermeidung weiterer Flurschäden stattgefunden. Nach Mitteilung des Herrn Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen wird am 29. April, also in diesen Tagen, eine Verhandlung mit der britischen Besatzungsmacht über die Verhinderung von Flurschäden in dieser Gegend stattfinden. Über das Ergebnis dieser Verhandlung wird der Herr Finanzminister von Nordrhein-Westfalen mich sofort unterrichten.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Berlin!
Berlin ({0}), Anfragender: Herr Finanzminister, würde sich das Bundesfinanzministerium in dem Falle, daß die britischen Stellen keine Entschädigung leisten, in der Lage sehen, diese dort eingetretenen Härten für ca. 60 Kleinbauern in einem Wert von schätzungsweise 120 000 DM trotzdem im Rahmen des Möglichen zu lindern?
Ich muß darauf hinweisen, daß in diesem Falle eine ganz außerordentliche Voraussetzung gegeben ist, nämlich die, daß die betreffenden „Pächter" - es sind ja keine Pächter, sondern die Benutzer fremden Eigentums - keine Pacht zahlen. Dieser Umstand müßte natürlich berücksichtigt werden.
Zu Frage 9 hat der Abgeordnete Müller-Hermann das Wort.
Müller-Hermann ({0}), Anfragender: Ich erlaube mir die Frage an den Herrn Bundesernährungsminister:
Welche Absichten hat die Bundesregierung bezüglich des Ausbaus des Fischereireferats im Bundesernährungsministerium?
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Das Referat Fischerei und Fischwirtschaft hatte bisher folgende Stellenausstattung: 1 Ministerialrat, 1 Regierungsrat, ein Regierungsoberinspektor, 1 Angestellter des höheren Dienstes TOA II und 2 Mitarbeiter in TOA VI b. Nach eingehender Prüfung soll jetzt als erste Maßnahme das Fischereireferat erweitert werden. In der Ergänzung zum ersten Nachtrag werden daher folgende Stellen zusätzlich beantragt: 1 Oberregierungsratsstelle, 1 Regierungsratsstelle und je 1 Angestelltenstelle der Tarifgruppen VI b und VII. Die Bundesregierung will mit diesem Vorgehen der Verpflichtung zur gebotenen Sparsamkeit nachkommen, andererseits der Bedeutung der Fischwirtschaft im Vergleich zu anderen wichtigen Versorgungsreferaten in angemessener Weise Rechnung tragen.
Im übrigen ist sich die Bundesregierung des großen volkswirtschaftlichen Wertes unseres deutschen Fischfanges durchaus bewußt. Sie wird auch in Zukunft, so wie bisher, alles zur Förderung dieses Wirtschaftszweiges unternehmen.
Danke!
Keine Zusatzfrage. - Zur Frage 10 Herr Abgeordneter Renner.
Renner ({0}), Anfragender: Ich habe meine Frage an den Herrn Bundeskanzler als den für die gesamte Regierungspolitik verantwortlichen Chef der Bundesregierung gerichtet.
Herr Abgeordnëter Renner, ich bitte, die Frage an die Bundesregierung zu stellen. Es muß der Bundesregierung überlassen bleiben, durch wen sie die Beantwortung vornehmen läßt.
Renner ({0}), Anfragender: Trotzdem bin ich der Meinung, daß eine Verfassungsrechtsfrage durch den zuständigen Minister beantwortet werden sollte.
Herr Abgeordneter Renner, ich bitte freundlichst: keine Erörterungen! Die Fragestunde dient der Stellung von direkten Fragen.
Renner ({0}), Anfragender: Dann erlaube ich mir die Frage:
Hält es der Herr Bundeskanzler mit dem Art. 10 des Grundgesetzes, in dem es heißt: „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich. Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden", für vereinbar, daß das Postamt Bielefeld mit Billigung der zuständigen Oberpostdirektion Münster Abdrucke von Reden eines Bundestagsabgeordneten, die im amtlichen Protokoll des Bundestages veröffentlicht sind, von der Beförderung durch die Bundespost ausschließt?
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Das KPD-Mitglied Helmut Benne hat am 18. Februar 1952 in Bielefeld hundert Drucksachensendungen aufgegeben, die jeweils drei Druckschriften enthielten,
({0}) nämlich erstens ein Extrablatt „Freies Volk" vom 8. Februar 1952,
({1}) zweitens einen Aufruf an alle Betriebsräte Bielefelds, unterzeichnet von Benne, drittens einen Aufruf an alle Betriebsräte und Funktionäre in der Metallindustrie, unterzeichnet vom Westdeutschen Ausschuß der Metallarbeiter.
({2})
Die Anfrage des Herrn Abgeordneten Renner könnte den Eindruck erwecken, als ob die Drucksachensendungen lediglich Reden eines Bundestagsabgeordneten enthalten hätten. Der Herr Abgeordnete Renner will offenbar darauf hinaus, daß die Ausschließung dieser Drucksachensendungen von der Postbeförderung gegen Art. 42 Abs. 3 des Grundgesetzes verstieße, wonach wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des Bundestages von jeder Verantwortlichkeit frei bleiben. Dieser Ausgangspunkt des Herrn Abgeordneten Renner entspricht jedoch nicht den Tatsachen Wie ich bereits .eingangs erwähnte, befanden sich in jeder Drucksachensendung drei Druckschriften. Zwei Druckschriften enthalten Aufrufe, die von Benne und dem sogenannten Westdeutschen Ausschuß der Metallarbeiter ausgehen. Das Extrablatt „Freies Volk" enthält zwar die Wiedergabe von Ausführungen, die der Herr Abgeordnete Reimann am 7. Februar 1952 im Bundestag gemacht hat; das
Extrablatt enthält aber darüber hinaus einen Auszug aus einem Aufruf der sogenannten Volkskammer der sowjetischen Besatzungszone,
({3})
in dem die Maßnahmen der Bundesregierung in übler Weise angegriffen werden und in dem es u. a. heißt: „Die Adenauer, Blücher, Schumacher und Reuter wie auch ihre Auftraggeber fürchten den wachsenden Widerstand der Volksmassen gegen das Wehrgesetz und den Generalkriegsvertrag und gehen daher immer mehr dazu über, offenen Terror und Unterdrückungsmaßnahmen anzuwenden." In dem Aufruf Bennes an die Betriebsräte Bielefelds heißt es u. a.: „Diesem Parlament zu trauen, dieser Regierung die Entscheidung über das Wohl und Wehe des deutschen Volkes zu überlassen, bedeutet, das deutsche Volk seinen Henkern ausliefern."
({4})
„Noch niemals in der Geschichte unseres Volkes waren an der Spitze solche Verräter wie heute."
({5})
Es steht daher in dem von Herrn Abgeordneten Renner vorgebrachten Fall der Art. 42 des Grundgesetzes, das Privileg wahrheitsgetreuer Berichte über öffentliche Sitzungen des Bundestages, überhaupt nicht zur Debatte. Für die von der Oberpostdirektion Münster angeordnete und von mir ausdrücklich gebilligte Maßnahme war nicht die Wiedergabe der Rede des Herrn Abgeordneten Reimann, sondern die Tatsache bestimmend, daß abgesehen hiervon sämtliche in den Drucksachensendungen befindlichen Druckschriften gegen die Strafgesetze verstoßen.
({6})
Ich habe bereits bei früherer Gelegenheit darauf hingewiesen, daß ich nach 4 dei Postordnung berechtigt' und verpflichtet bin, Sendungen anzuhalten. deren sichtbarer Inhalt gegen die Gesetze verstößt. Nach dieser Vorschrift allen ist 'im vorliegenden Falle verfahren worden. Nach ihr wird weiter gehandelt werden.
({7})
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Renner?
Renner ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen, woher er weiß, daß der Absender dieser Sendungen Mitglied der Kommunistischen Partei ist.
({1})
Ich frage ihn weiter, über welchen Weg er das erfahren hat.
({2})
Ich frage weiter. Am 20. März 1952 hat hier im
Plenum der Herr Bundesminister für das Postund Fernmeldewesen mir auf eine ähnliche Frage
erklärt, daß nur Sendungen angehalten werden,
deren sichtbarer Inhalt gegen die Gesetze verstößt.
({3}).
Er hat diese Äußerung heute wiederholt. Da in
diesem besonderen Fall der Versand in einem
Briefumschlag erfolgt ist, frage ich: Wie konnte
die Postbehörde, ohne diesen Briefumschlag zu
öffnen, feststellen, daß der sichtbare Inhalt dieser
Sendung gegen das Gesetz verstoßen hat? Ich frage
weiter: Haben das Bundesministerium für das Postund Fernmeldewesen oder irgendein anderes Mi({4})
nisterium der Bundesregierung an die Postbehörde Anweisungen erteilt, wonach Postsendungen bestimmter Absender oder Postsendungen für bestimmte Empfänger von der Postbeförderung ausgeschlossen werden sollen?
({5})
Der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen.
Ich fange von rückwärts an. Natürlich ist keine Anweisung erteilt worden, irgend jemand zu überwachen oder irgend jemandes Post zu kontrollieren. Es ist ganz selbstverständlich, daß streng nach den Postregeln verfahren wird. - Das ist die dritte Frage von rückwärts. - Der Inhalt einer Drucksache ist nämlich immer sichtbar; denn es muß ja festgestellt werden, ob es eine Drucksache
({0})
Eine Drucksache kann doch nicht verschlossen aufgeliefert werden.
Renner ({1}), Anfragender: Ich habe noch etwas anderes gefragt.
Ja. Auf diese Frage, woher unsere Postbeamten wissen, ob jemand der Kommunistischen Partei angehört, kann ich eine sehr vulgäre Antwort geben: Postbeamte wissen ungefähr alles.
({0})
Keine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Renner?
Renner ({0}), Anfragender: Doch! Ich wußte allerdings nicht, daß es zu den Dienstobliegenheiten eines Postbeamten gehört, zu wissen, wer Mitglied welcher Partei ist.
({1})
Aber ich habe noch eine weitere Frage: Hält es der
Herr Bundeskanzler für vereinbar mit Art. 10 des
Grundgesetzes, daß § 4 Abs. 1 der Postordnung
dazu benutzt wird, um unteren Organen der Postbehörde die Ermächtigung zu geben, über die Verteilung oder Nichtverteilung einer von einem Abgeordneten des Bundestages im Bundestag selber
gehaltene Rede zu entscheiden? Genügt eine Ermessensentscheidung der Briefsortierstelle irgendeines Postamts, um Art. 5 des Grundgesetzes, wonach jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort,
Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten
und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, außer Kraft zu setzen?
({2})
Dieses Extrablatt des „Freien Volkes" war ein öffentlich verteiltes, legales.
Herr Abgeordneter Renner, ich unterbreche Sie. Sie haben Fragen zu stellen und keine Erklärungen abzugeben.
Wünscht der Herr Postminister, noch zu antworten?
Sehr wohl!
({0})
Bitte sehr, Herr Bundesminister!
Ich will natürlich sehr gern auf diese Frage antworten; denn das gibt mir auch Gelegenheit, darzulegen, daß unsere Postbeamten sehr korrekte Leute sind. Sie wollen wissen, ob es in das Ermessen eines unteren Postbeamten gestellt ist, solche Sendungen zu beschlagnahmen oder anzuhalten. Selbstverständlich nicht. Es ist ganz klar, daß in erster Linie der Amtsvorsteher dazu ermächtigt ist. Aber selbst der ist gehalten, in Fragen, die nicht eindeutig klar sind, die jeweils zuständige Oberpostdirektion anzurufen. Das ist selbstverständlich.
Was nun die andere Sache betrifft: Ich habe es bisher bei der Anhaltung und Vernichtung der Sendungen bewenden lassen. Aber ich werde künftig den Bedenken des Herrn Abgeordneten Renner Rechnung tragen und solche Sendungen dem Herrn Staatsanwalt zur weiteren Veranlassung übermitteln.
({0})
Renner ({1}), Anfragender: Halten Sie es mit der Postordnung für vereinbar, daß Sie bisher in solchen Fällen von Nichtbeförderung oder Ausschluß von Briefsendungen von der Beförderung diese Briefsendungen vernichtet haben, ohne den Absender davon zu informieren?
Dazu ist folgendes zu bemerken. Zunächst ist der Absender in den meisten Fällen gar nicht festzustellen, und wo er festzustellen ist, ist er in 80 bis 90 % der Fälle fingiert.
({0})
Renner ({1}), Anfragender: Ich habe noch eine Frage. In dem vorliegenden Fall ist der Absender nicht fingiert. Sie wissen den Absender. Sie wissen sogar seine Parteizugehörigkeit, und trotzdem wurde er nicht in Kenntnis gesetzt.
({2})
Herr Abgeordneter Renner, das ist keine Frage. Ich halte die notwendigen Zusatzfragen im Sinne des § 111 der Geschäftsordnung für erledigt. Wollen Sie bitte zu Ihrer Frage 11 kommen.
Renner ({0}), Anfragender: Ja. Ich wollte die Antwort nur für das Bundesverfassungsgericht haben.
Zur Frage 11, nachdem der Herr Minister eingetroffen ist, Herr Abgeordneter Renner.
Renner ({0}), Anfragender:
Ist dem Herrn Bundesminister für Arbeit bekannt, daß das Soforthilfeamt Hamburg dem Empfänger von Unterhaltshilfe Wilhelm Koch, Hamburg, Geibelstraße 29 III, seit dem 1. Oktober 1951 die ihm zustehende Unterhaltshilfe monatlich um den Betrag von 3 DM kürzt, auf welchen Betrag Koch auf Grund des Gesetzes über die Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln ({1}) einen Anspruch hat? Die Landesver({2})
Sicherungsanstalt Hamburg, die zuständig ist für die Auszahlung der Leistungen nach dem Teuerungszulagengesetz, lehnt die Zahlung dieser 3 DM mit der Begründung ab, daß ihr bisher die dafür erforderlichen Mittel nicht angewiesen worden sind.
Welche Maßnahmen gedenkt der Herr Bundesminister zu ergreifen, um dem Wilhelm Koch die ihm gesetzlich zustehenden Bezüge in voller Höhe zu sichern?
Der Herr Bundesminister für Arbeit.
Der aufgeworfene Fall des Herrn Wilhelm Koch in Hamburg ist mir natürlich in seinen Einzelheiten nicht bekannt. Bekannt ist mir aber, daß Soforthilfeämter bei der Gewährung von Unterhaltshilfe diese um 3 DM monatlich kürzen, wenn die Zulage tatsächlich von den Rentenversicherungsträgern und von den Versorgungsstellen zu zahlen ist. Ich habe deshalb am 26. März 1952 den Herrn Bundesminister der Finanzen gebeten, dem Herrn Präsidenten des Hauptamts für Soforthilfe zu empfehlen, in solchen Fällen von einer Kürzung der 3 DM vorher abzusehen.
Eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Renner?
Renner ({0}), Anfragender: Ich stelle die Frage nicht nur in bezug auf die Person, die hier genannt worden ist. Aus dem Informationsdienst des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten, der Ihnen, Herr Minister, ja sicherlich auch bekannt ist, geht hervor, daß das bei diesem Soforthilfeamt in Hamburg genereller Usus ist. Deshalb bin ich Ihnen dankbar, daß aus Ihrer Antwort zu entnehmen ist, daß etwas zur generellen Abstellung dieser Mißstände geschieht.
Der Ausdruck der Dankbarkeit ist zwar keine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Renner!
({0})
- Herr Abgeordneter Renner, ich vermag nicht aus Ihren Worten zu entnehmen, daß Sie mir vorwerfen wollen, daß ich nicht höflich bin.
({1})
- Herr Abgeordneter Renner, Sie scheinen über die Aufgaben des Präsidenten eines Parlaments eine andere Vorstellung zu haben als ich.
({2})
- Ich verzichte darauf, Sie zur Ordnung zu rufen.
({3})
Zur Frage 12 Frau Abgeordnete Krahnstöver.
({4})
Frau Krahnstöver ({5}), Anfragende: Ich frage den Herrn Bundesminister der Finanzen:
Sind Sie bereit, Herr Minister, das Parlament sofort um die Bewilligung der notwendigen Mittel zu ersuchen, damit der ins Stocken geratene Wiederaufbau der Insel Helgoland energisch durchgeführt werden kann?
({6})
Ich bin nicht nur bereit, - -
Darf ich fragen, wer das Wort „Lümmeleien" gebraucht hat?
({0})
- Herr Abgeordneter Harig?
({1})
- Ich rufe Sie zur Ordnung!
({2})
- Ich rufe Sie zum zweitenmal zur Ordnung!
Ich bin nicht nur bereit, sondern ich habe das, was möglich war, bereits getan. Die Bewilligung von Bundesmitteln zur Finanzierung des Wiederaufbaus der Insel Helgoland durch den Bundestag soll im Rahmen der Beschlüsse über das Haushaltsgesetz 1952 erfolgen. Das Haushaltsgesetz 1952 liegt zur Zeit dem Haushaltsausschuß des Bundestages zur Beschlußfassung vor. Vorgesehen sind für das Haushaltsjahr 1952 5 Millionen DM als Bundesfinanzhilfe für solche Maßnahmen, die nicht unmittelbare Bundesaufgaben darstellen, wie Enttrümmerung, Wegebau, Sicherstellung einer vorläufigen Wasser- und Stromversorgung. Der Eilbedürftigkeit halber wurde ein Vorwegbewilligungsantrag über einen Betrag in Höhe von 3 Millionen DM im Haushaltsausschuß des Bundestags eingereicht und heute vormittag entsprechend bewilligt. Außerdem sollen im Haushalt des Herrn Bundesministers für Verkehr für die unmittelbaren Bundesaufgaben im Rahmen der Bundeswasserstraßenverwaltung Mittel ausgeworfen werden, deren Höhe jedoch noch nicht feststeht.
Wegen der Vorbereitung der Maßnahmen für den Wiederaufbau der Insel Helgoland steht das Bundesministerium der Finanzen laufend mit den Dienststellen des Landes Schleswig-Holstein in Verbindung. Es ist mir jedoch nichts von einer Mitteilung des Herrn Ministerpräsidenten des Landes, eines der Fachressorts oder eines Vertreters der für Helgoland im Rahmen der Landkreisverwaltung zuständigen Kreisbauverwaltung Pinneberg bekannt, wonach die Wiederaufbauarbeiten aus finanziellen Gründen bereits ins Stocken geraten wären.
Frau Krahnstöver ({0}), Anfragende: Da bin ich allerdings besser informiert.
Sie wollen sagen: anders!
Eine Zusatzfrage?
Frau Krahnstöver ({0}), Anfragende: Ja, weil
ich besser informiert bin darüber, daß diese Arbeiten aus Mangel an Mitteln nicht schnell genug vorangehen, frage ich Sie, Herr Minister: Sind Sie bereit, diesen Betrag sofort zur Verfügung zu stellen und anzuweisen, daß er überwiesen wird?
Dieser Betrag von 3 Millionen DM ist ja bereits heute vormittag im Haushaltsausschuß bewilligt und steht damit zur Verfügung.
Frau Krahnstöver ({0}), Anfragende: Danke schön!
Frage 12 ist damit erledigt.
Zur Frage 13 Herr Abgeordneter von Thadden.
von Thadden ({0}), Anfragender: Ich
frage den Herrn Staatssekretär des Auswärtigen: Ist der Bundesregierung bekannt, daß der Kompanieführer der 3. GSO Werl, Wolfgang Nugel, auf Grund der Tatsache, daß er vier Männer seiner Kompanie an der Beerdigung des in der Haftanstalt Werl verstorbenen Generals a. D. Mälzer hat teilnehmen lassen, zwangsweise beurlaubt worden ist und unter gleichzeitiger Auflösung seiner Einheit aus dem Dienst entlassen werden soll?
Sieht die Bundesregierung in der Teilnahme an der Beerdigung eines sogenannten „Kriegsverbrechers" einen Grund für eine Maßregelung?
Zur Beantwortung der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts!
I) Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts: Der Vorgang ist der Bundesregierung bekannt. Maßnahmen wie Kündigungen, die von den Besatzungsmächten im Rahmen des privatrechtlichen Anstellungsverhältnisses der Dienstgruppen vorgenommen werden, entziehen sich der Einwirkungsmöglichkeit der Bundesregierung. Die Teilnahme an der Beerdigung von sogenannten Kriegsverbrechern kann nicht generell beurteilt werden; vielmehr wären jeweils die besonderen Umstände des Einzelfalles zu prüfen.
({0})
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter von Thadden?
von Thadden ({0}), Anfragender: Ja. Herr Staatssekretär, ist die Bundesregierung denn mit diesem Vorgehen einverstanden oder sieht die Bundesregierung, wenn sie mit dem Vorgehen, wie es dort vorgekommen ist, nicht einverstanden ist, eine Möglichkeit, diese Auffassung den zuständigen Alliierten mitzuteilen mit der Bitte, die hier angezogenen Maßnahmen rückgängig zu machen?
Die Bundesregierung sieht dazu keine Möglichkeit.
von Thadden ({0}), Anfragender: Das ist sehr bedauerlich.
Zur Frage 14 Herr Abgeordneter Dr. Miessner!
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Dr. Miessner ({1}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesminister der Finanzen:
Warum ist die Bundesregierung dem Beschluß des Bundestages vom 20. Februar 1952 auf Gewährung einer 20 %igen Zulage an die 131 erPensionäre bisher noch nicht nachgekommen?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Finanzen!
Ich habe - und jeder, der die Presse liest, muß das ja wissen - den Organisationen der Beamten und Gewerkschaften gegenüber bereits Erklärungen abgegeben, die die Frage „Warum hat die Bundesregierung es nicht getan?" als etwas unverständlich erscheinen lassen. Ich habe nämlich dort erklärt, daß die Kabinettsvorlagen, in denen diese Gewährung der 20 %igen Zulage an die 131 erPensionäre vorgesehen ist, und eine weitere Kabinettsvorlage, die den Bundesfinanzminister ermächtigen soll, bereits ab 1. April 1952 die Auszahlung vorzunehmen, in den nächsten Sitzungen des Kabinetts zur Entscheidung kommen werden.
Zu einer Zusatzfrage Herr Abgeordneter Dr. Miessner!
Dr. Miessner ({0}), Anfragender: Herr Finanzminister, mir ist selbstverständlich bekannt, daß in den letzten Tagen solche Erklärungen in der Presse erschienen sind. Mir liegt aber außerordentlich an Ihrer offiziellen Stellungnahme hier im Bundestage. Ich erlaube mir daher jetzt die Frage: Soll diese eben hier von Ihnen erteilte Antwort bedeuten, daß die den übrigen Beamtengruppen ab 1. Oktober vorigen Jahres gewährten Teuerungszulagen den 131 er-Pensionären für das Halbjahr vom 1. Oktober 1951 bis Ende März 1952 nun endgültig verlorengehen sollen?
Ich habe allerdings dabei die Erklärung abgegeben, daß diese Erhöhung der Bezüge ab 1. April 1952 gewährt werden kann und daß die Haushaltslage es nicht erlaubt, rückwirkend ab 1. Oktober 1951 Bezüge nachzuzahlen.
Haben Sie eine weitere Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Dr. Miessner ({0}), Anfragender: Ja.
Bitte!
Dr. Miessner ({0}), Anfragender: Herr Minister, wir waren uns im vorigen Haushaltsjahr bei dem ganzen 131 er-Komplex dahin einig, daß die Kosten des Gesetzes etwa 750 bis 800 Millionen DM jährlich ausmachen würden. Nun sind im abgelaufenen Haushaltsjahr 650 Millionen DM tatsächlich ausgegeben. Darf ich fragen: Warum ist es, nachdem feststeht, daß der Betrag hinter der geschätzten Ausgabe zurückgeblieben ist, nicht möglich, diesen ersparten Betrag für die Nachzahlung an die 131 erPensionäre für das verlorengegangene halbe Jahr zu verwenden?
Das ist deswegen nicht möglich, weil die einzelnen Etatspositionen nicht eine einzelne Kasse des Bundes bedeuten. Für den Bundesfinanzminister und für den Bundestag, die gesetzgebende Körperschaft, ist das Gesamtergebnis eines jeweiligen Jahres entscheidend. In der 200. Sitzung habe ich bereits darauf hingewiesen, daß ich im Gesamtergebnis im
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Rechnungsjahre 1951/52 mit einem Fehlbetrag von 588 Millionen DM zu rechnen habe. Ich werde heute zu Punkt 5 der Tagesordnung erklären müssen, daß der Gesamtfehlbetrag des Jahres 1951/52 leider noch wesentlich höher sein wird.
Dr. Miessner ({1}), Anfragender: Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Meine Damen und Herren, damit sind die Fragen erschöpft. Ich darf für die Zukunft die Bitte wiederholen, daß entsprechend dem Sinn des § 111 der Geschäftsordnung grundsätzlich nur Fragen in direkter Form gestellt werden und daß auf jede Art der Kommentierung und Besprechung verzichtet wird, um den Sinn der Bestimmung des § 111 einzuhalten.
Ich rufe entsprechend der gestern getroffenen Vereinbarung die Punkte 6, 7 und 8 der gestrigen Tagesordnung auf. Das ist zunächst die
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Kulturpolitik ({0}) über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Einrichtung eines Bundesbeirats für das Erziehungs- und Bildungswesen beim Bundesinnenministerium ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Edert. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter, das Wort zu nehmen.
Dr. Edert ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der FDP betrifft die Einrichtung eines Beirats für das Erziehungs- und Bildungswesen beim Bundesinnenministerium. Er ist am 14. Februar dieses Jahres in diesem Hohen Hause von dem Abgeordneten Luchtenberg eingehend begründet und dem Ausschuß für Kulturpolitik überwiesen worden. Dieser hat sich in zwei Sitzungen damit beschäftigt und den in der Drucksache Nr. 3258 niedergelegten Beschluß gefaßt:
Die Bundesregierung wird ersucht, im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen der Länder zur Förderung des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens einen Beirat von Sachkundigen zu bilden. Der Beirat soll aus 15 bis 20 Mitgliedern bestehen. Er stellt dem Gesetzgeber und der Verwaltung seine gutachtliche Mitarbeit zur Verfügung.
Sollte das Hohe Haus dem Beschluß stattgeben, so würden damit die zwei Jahre dauernden Bemühungen des Kulturausschusses um die Koordinierung des Erziehungs- und Bildungswesens zu einem gewissen Abschluß kommen, soweit das überhaupt in dem engen, durch das Grundgesetz gezogenen Rahmen möglich ist.
Nach dem Grundgesetz sind Bildung und Erziehung Angelegenheiten der Länder. Diese Bestimmung hat in wenigen Jahren eine weitgehende Zersplitterung des Erziehungs- und Bildungswesens bewirkt. Man muß diese Bestimmung des Grundgesetzes wohl als eine natürliche Reaktion gegen den Zentralismus des Nationalsozialismus verstehen, der auch die Schule - Schule im weitesten Sinne begriffen - als eine Funktion der nationalsozialistischen Staatsführung für sich in Anspruch nahm. Er führte damit übrigens eine Entwicklung zu Ende, die bereits zu Anfang des 19. Jahrhunderts eingesetzt hatte, nämlich die
Idee, daß der Staat verpflichtet sei, nicht nur allen seinen Mitgliedern die Mittel für ihre geistig-sittliche Bildung zu schaffen, sondern auch die Jugend zu führen, insbesondere die Schule in den Dienst des Staates bzw. der herrschenden Partei zu stellen. Der Gedanke der Staatsschule hat das 19. und 20. Jahrhundert in steigendem Maße beherrscht. Das natürliche Elternrecht wurde immer mehr beschnitten, bis es in der Hitlerzeit fast ganz ausgeschaltet wurde. Offenbar durch diese Übersteigerung einer zentralistischen Kulturpolitik veranlaßt, haben nun die Väter des Grundgesetzes für das Erziehungs- und- Bildungswesen nicht nur den Zustand der Weimarer Zeit wiederhergestellt, sie sind sogar darüber hinausgegangen, denn nach der Weimarer Verfassung nahm das Reich an der Pflege der Kultur teil, nach dem Grundgesetz sind die Länder selbständig. Da nun die Schule heute wie vor hundert Jahren im Grunde Staatsschule geblieben und der Einfluß der Elternschaft gering geblieben ist, so ist in den zwölf Ländern das Bildungs- und Erziehungswesen zwölfmal verschieden nach der pädagogischen Einsicht der zwölf Kultusminister.
Die Presse hat diese Vielfalt an den Pranger gestellt, sie als einen Wirrwarr, als ein Chaos dargestellt. Der Kulturausschuß des Bundestags erhielt zahlreiche Eingaben von Eltern, insbesondere versetzten Beamten und Angestellten, von Umgesiedelten, die darauf hinwiesen, diese Verschiedenheit der Schulformen gefährde die im Grundgesetz gewährte Freizügigkeit. Er hat daraufhin die Frage der Vereinheitlichung des Schulwesens als eine politische Aufgabe aufgegriffen - denn für die pädagogische Seite ist er nicht zuständig - und hat sich bemüht, in langwierigen Verhandlungen mit den Kultusministern wenigstens das zu erreichen, daß die Länder sich in bezug auf die äußere Organisation wie Schulanfang, Schuldauer, Sprachenfolge einander angleichen, um die Freizügigkeit zu sichern. Diese Bemühungen haben nur einen bescheidenen Erfolg gehabt. Die Länder gaben die Zersplitterung zu, entschuldigten sich aber damit, daß die Besatzungsmächte der verschiedenen Zonen das Bildungswesen je nach ihren Grundsätzen beeinflußt hätten. Das ist tatsächlich geschehen, und zwar aus der seltsam anmutenden, wohl noch aus der Aufklärungszeit stammenden Idee, man könne ein Volk durch Anwendung fremder Erziehungsmittel in seinem Wesenskern irgendwie ändern. Aber offenbar ist auch mancher Länderminister den Lockungen der Besatzungsmacht hie und da erlegen: „Halb 'zog sie ihn, halb sank er hin". Die Freude am Reformieren, etwas Neues zu schaffen, war manchmal stärker als der Wille zur Einheit.
Immerhin, unter dem Druck der öffentlichen Meinung und nach den wiederholten Vorstellungen des Kulturausschusses setzte sich bei den Ministern die Überzeugung durch, daß das deutsche Bildungs- und Erziehungswesen in allem Wesentlichen doch eine Einheit bilden müsse. Sie hatten sich inzwischen zur Ständigen Konferenz der Kultusminister zusammengeschlossen, um die Maßnahmen der einzelnen Länder einander anzugleichen, in der Überzeugung, daß man sich nicht mit der Förderung landeseigener Interessen begnügen dürfe, sondern auch dem gesamtdeutschen Geistesleben gerecht werden müsse, wenn der föderalistische Gedanke nicht in einen partikularistischen entarten sollte. Sie haben damit auch gewisse Erfolge erzielt. Wenn aber die bisher erreichten Ergebnisse noch unbefriedigend sind, so liegt das
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nicht so sehr an dem fehlenden guten Willen der Minister, sondern an der Beschränkung ihrer Wirksamkeit; denn die Ständige Konferenz beruht auf einem freiwilligen Übereinkommen und ist nicht im Grundgesetz vorgesehen. Nach ihrer Satzung kann sie nur einstimmige Beschlüsse fassen; diese wiederum müssen von den Landtagen gebilligt werden. Das ist ein umständliches Verfahren, durch das die notwendigen Angleichungen verlangsamt oder überhaupt verabsäumt werden.
Im Kulturausschuß des Bundestags ist die Frage erörtert worden, ob es unter diesen Umständen nicht ratsam sei, eine gesetzmäßige Ordnung zu schaffen, indem man das Bildungs- und Erziehungswesen in die Rahmengesetzgebung nach Art. 75 einbeziehe. Aber der Weg zu einer Änderung des Grundgesetzes ist mühsam und umständlich;
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es würde aber auch bedeuten, daß man die Grundsatzfragen des Erziehungs- und Bildungswesens im Bundestag auf politischer, vielleicht sogar auf parteipolitischer Ebene diskutieren und entscheiden müßte, wie das j a sowohl in der Weimarer Zeit im Reichstag als auch jetzt nach 1945 in einer Reihe von Länderparlamenten geschehen ist. Es schien der Mehrheit des Kulturausschusses geraten - und das ist der eigentliche Sinn dieses Antrags -, geistige Streitfragen, insbesondere das Bildungs-und Erziehungswesen, aus der Parteipolitik herauszulösen und auf eine höhere geistige Ebene zu heben. Aus diesen Erwägungen und in Anlehnung an die guten Erfahrungen, die man in England mit dem board of education gemacht hat, ist der Antrag Luchtenberg erwachsen, nämlich zur Förderung des Erziehungs- und Bildungswesens einen Beirat von 15 bis 20 Mitgliedern zu schaffen, der keine legislative, keine exekutive, sondern nur beratende Funktion haben soll.
Bei den Beratungen im Kulturausschuß, an denen auch der Generalsekretär der Ständigen Konferenz der Kultusminister teilnahm, ergab sich die erfreuliche Tatsache, daß sich auch die Ständige Konferenz mit dem Gedanken eines solchen Beirats befreundet hatte. Man war sich darüber einig, daß die Mitglieder des Beirats anerkannt sachkundige, freie, unabhängige Persönlichkeiten sein müßten, pädagogisch erfahren, aus innerer Verantwortung handelnd, politisch denkend, mit dem Blick auf Gesamtdeutschland urteilend. Man war sich ferner darüber einig, daß sie gewählt werden müßten aus den Kreisen der Elternschaft, des Bundestags, des Städtetags, der Kirchen, der Schulen, der Gewerkschaften der Erzieher, der Philologenschaft, der Universitäten, der pädagogischen Wissenschaft, daß sie aber - auch darüber war Einigkeit vorhanden - nicht berufen werden sollten als Vertreter von Verbänden oder Verwaltungen, von denen sie delegiert sind, sondern als freie Persönlichkeiten, die auf Grund ihrer fachlichen Erfahrung und ihrer fachlichen Kenntnisse Lösungen finden, die sich über den Streit der Parteien erheben, als ein Kreis, der über die Interessen der Länder hinaus eine moralische Autorität darstellt, einen Ausdruck der öffentlichen Meinung.
Einigkeit bestand auch darüber, daß dieser Kreis nicht eine einmalige Schulkonferenz - wie etwa 1920 - veranstalten, sondern ein laufendes Gespräch führen solle, daß er sowohl dem Gesetzgeber wie der Verwaltung des Bundes und der Länder als Gutachter zur Verfügung stehen solle.
Wenn er auch als erste Aufgabe gewiß die gesamte schulpolitische Lage überprüfen wird, so istdoch sein Aufgabenkreis damit nicht beschränkt. Er kann auch aus eigener Einsicht und eigener Verantwortung Aufgaben zur Förderung des Erziehungs- und Bildungswesens aufgreifen. Er hat auch das Recht, sich für Sonderaufgaben durch Sachkundige zu ergänzen. Er soll - ich wiederhole es - nur beraten, aber systematisch und umfassend und von vornherein planend, nicht nur nachträglich koordinierend. Er darf keine Verwaltungsmaßnahmen treffen. Er beschränkt sich auf Empfehlungen an die Länder und Auskünfte an das Bundesministerium, um diesem wieder die Erfüllung der Aufgabe zu ermöglichen, den Bundestag zu unterrichten. Er kann nicht in Maßnahmen der Länder eingreifen; aber er kann doch vor zu gewagten Versuchen oder gar Fehlern warnen und die Länder mahnen, an das gesamtdeutsche Interesse zu denken. Er wirkt schlechthin durch seine Autorität.
Aus dieser klaren Umgrenzung der rein beratenden Aufgabe beantwortet sich die von Vertretern der Bayernpartei und der CSU im Ausschuß aufgeworfene Frage, ob sich die vorgeschlagene Lösung mit dem Grundgesetz vereinbaren lasse. Die Mehrheit des Ausschusses bejahte diese Frage, ebenso der Minister des Innern, der Hüter des Grundgesetzes. Sein Vertreter im Ausschuß führte dazu aus, das Problem der Kulturautonomie stehe bei alledem nirgends in Frage.
Die von der Bayernpartei gegebene. Anregung, den Beirat von der Ständigen Konferenz der Kultusminister bilden zu lassen und nur ihr zur Beratung beizugeben, wurde von der großen Mehrheit des Ausschusses abgelehnt. Das würde praktisch, so sagte man, die Verlängerung des bisherigen unbefriedigenden Zustandes bedeuten. Der geplante Beirat müsse unabhängig von der Verwaltung und unabhängig von parteipolitischen Strömungen in den einzelnen Ländern bleiben.
Die Mehrheit des Ausschusses entschied sich dahin, daß der Beirat auf Bundesebene zu errichten sei und daß die dafür zuständige Stelle die Abteilung III des Ministeriums des Innern sein müsse. Zugleich aber bestand Einverständnis darüber, daß er im Zusammenwirken mit der Ständigen Konferenz der Kultusminister zu bilden sei, d. h. daß der Minister des Innern und die Ständige Konferenz gemeinsam den Personenkreis berufen sollten, daß der zuständige Referent der Abteilung III des Ministeriums des Innern und der Generalsekretär der Kultusministerkonferenz gemeinsam die Geschäfte führen sollten. Die weiteren Einzelheiten über die Geschäftsführung wie über die Finanzierung des Beirats werden von den beiden Partnern noch beraten. Diese Beratungen stehen, wie ich höre, kurz vor dem Abschluß.
Diese gemeinsame Regelung empfiehlt sich nicht nur, um die letzten Bedenken verfassungsrechtlicher Art auszuräumen, sondern auch aus praktischen Erwägungen, da ja doch bei allen Planungen, bei allen Erhebungen und Rückfragen die tätige Mitwirkung der Länderregierungen unentbehrlich ist.
Der Ausschuß sprach die Hoffnung aus, daß die Zusammenfassung aller dieser Kräfte auf der Bundesebene auch die Maßnahmen ermöglichen werde, die gegenüber der Entwicklung des kulturellen Lebens in der Sowjetzone nötig würden. Ein Berliner Abgeordneter der SPD wies im Ausschuß nachdrücklich darauf hin, daß man nicht nur auf wirtschaftlichem, sondern auch auf kulturellem Gebiete auf den Tag X vorbereitet sein müsse; denn
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bei einem Zusammenschluß der Zonen würden vielleicht die Probleme des Bildungs- und Erziehungswesens am schwersten zu lösen sein.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, dem Beschluß des Kulturausschusses, der den Wünschen der Ständigen Konferenz weitgehend entgegenkommt, zuzustimmen, wenn irgend möglich einstimmig.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Besprechung. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
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- Ich bitte um Entschuldigung. Der Herr Bundesminister des Innern wünscht, vorher das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich unmittelbar nach dem Herrn Berichterstatter das Wort erbeten habe, so ist es aus dem Gesichtspunkt geschehen, daß ich in Übereinstimmung mit dem Herrn Berichterstatter dazu beitragen möchte, die weitere Diskussion und die Beschlußfassung hier im Hohen Hause durch eine Reihe von Klarstellungen nach Möglichkeit zu erleichtern. Bei der ersten Beratung des Antrags auf Drucksache Nr. 3038 habe ich selbst die nähere Prüfung im Kulturpolitischen Ausschuß empfohlen, und zwar in der Erwartung, daß die zunächst erhobenen rechtlichen Bedenken sich nicht bestätigen würden und daß damit der Weg zu der von mir gewünschten sachlichen Verständigung freigemacht würde. Ich sehe, glaube ich, mit Recht in dem ganzen Gang der Aussprache im Kulturpolitischen Ausschuß und letzten Endes auch in dem Ihnen vom Ausschuß vorgeschlagenen Beschluß die Bestätigung dafür, daß die Vorverhandlungen und Gespräche, die ich seit längerer Zeit mit den Kultusministern der Länder geführt habe, ihre Berechtigung hatten. In diesen Gesprachen haben beide Teile anerkannt, daß ein umfassendes, die Bundesregierung einschließendes überregionales laufendes Gespräch auf dem Gebiet des Erziehungs- und Bildungswesens im Interesse des kulturellen Standes notwendig sei.
Die Verhandlungen im Ausschuß haben darüber hinaus gewisse bei der ersten Lesung noch geäußerte Besorgnisse zerstreut, daß die Bundesregierung etwa mit Hilfe dieses Antrags eine Erweiterung ihrer kulturpolitischen Kompetenzen erstrebe. Ich versichere dem Hohen Hause ausdrücklich, daß hiervon keine Rede ist und auch nicht sein wird und daß Idee und Ausführung dieses Planes in keiner Weise der Verwirklichung eines einseitigen Führungsgesprächs dienen sollen.
Das jetzt erreichte Ergebnis kann gar nicht anders gedeutet werden, als daß unbeschadet der unbestreitbaren Zuständigkeit der Länder und ohne irgendeine Machtverschiebung ein von jeder staatlichen Einflußnahme unabhängiges Gremium ins Leben treten soll, das weder mit Verwaltung irgendwelcher Art befaßt ist, noch mit irgendwelchen anderen staatlichen Befugnissen ausgestattet werden soll, sondern das kraft eigener Verantwortung wirken und lediglich aus der dadurch erworbenen Autorität den zuständigen Stellen durch Rat oder Empfehlung behilflich sein soll.
Im einzelnen haben nun zwar die Verhandlungen im Ausschuß zu mehreren Zugeständnissen - vom Standpunkt der Antragsteller gesehen - geführt, aber doch den Kern unberührt gelassen und manche erwünschte Klarstellung gebracht. Als einen Gewinn möchte ich es insbesondere bezeichnen, daß die Notwendigkeit des Zusammenwirkens von Bundesregierung und Ländern bei der Bildung des Beirats nun auch im Wortlaut des Beschlusses außer Zweifel gestellt worden ist. Durch den Verzicht auf das Wort „Bundesbeirat" und durch Verzicht auf die Worte „beim Bundesministerium des Innern" ist deutlich geworden, daß die neue Institution unabhängig auch vom Bundesministerium des Innern tätig werden soll.
Wenn der Ausschuß davon abgesehen hat, Einzelheiten des Verfahrens zur Bildung des Beirats oder seiner Tätigkeit oder seiner Stellung zu regeln, so hat er das meines Erachtens mit gutem Grund tun dürfen. Der Ausschuß war darüber unterrichtet, daß schon vor Einbringung des Antrags seit längerem Verhandlungen zwischen den Herren Kultusministern und mir geführt worden waren und daß diese Verhandlungen auch während der Ausschußberatungen von uns dauernd fortgesetzt wurden. Er konnte deshalb mit Recht annehmen, daß Einzelheiten der oben erwähnten Art naturgemäß von den Verwaltungen nur untereinander vereinbart werden können, deren Initiative und deren Wünschen die Bildung der neuen Institution von Haus aus entsprach. So war der Raum frei für eine Vereinbarung, die unterdessen zwischen den Kultusministern und mir getroffen ist und die ich jetzt dem Hohen Hause zur Behebung jeglicher Zweifel im Wortlaut mitteile:
Zur Förderung des deutschen Bildungswesens berufen die Bundesregierung und die Kultusminister gemeinsam einen Arbeitskreis sachkundiger Männer und Frauen. Dieser Beirat soll nicht mehr als 15 bis 20 Mitglieder umfassen. Angehörige der Kultusministerien und der Bundesregierung sollen nicht berufen werden, Mitglieder von Verbänden nicht als Vertreter oder Beauftragte ihrer Verbände.
Der Beirat soll die Entwicklung des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens laufend beobachten und die dabei gewonnenen Urteile und darauf gestützten Vorschläge den zuständigen Zentralstellen der Länder und des Bundes zur Kenntnis bringen. Er kann an sie bestimmte Empfehlungen richten. Er kann nach Bedarf Sachverständige auch aus den Mitgliedern der Kultusministerien der Länder und der Bundesregierung zuziehen. Umfang und Reihenfolge der zu behandelnden Arbeitsgebiete bestimmt der Beirat selbst. Er ist hierbei und bei der Durchführung seiner Arbeiten unabhängig von irgendwelchen Anweisungen.
Der Beirat wählt seinen Vorsitzenden aus seinen Mitgliedern. Der Vorsitzende beraumt die Sitzungen des Beirats und seiner etwaigen Ausschüsse an.
Über die Frage der Geschäftsführung und der Finanzierung schweben noch Verhandlungen zwischen den Kultusministerien der Länder und meinem eigenen Hause. Ich hoffe, daß wir diese Verhandlungen in derselben befriedigenden Weise wie die bisherigen Vorverhandlungen werden zum Abschluß bringen können.
Wenn ich so hoffe, daß auch über die letzten noch offenen Fragen die notwendige Einigung erreicht werden wird und damit der Wunsch des Ausschusses nach einem Zusammenwirken von Ländern und Bund in vollem Umfang erfüllt werden wird, so bin ich überzeugt, daß alle, die dieser Lösung zuzustimmen bereit sind, den Regierungen
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der Länder, die dieses Übereinkommen ermöglicht haben, mit mir aufrichtig dankbar sein werden.
Mit gleichem Vertrauen sehe ich auch den notwendigen Verhandlungen über die Wahl der Mitglieder des Beirats entgegen. Der Ausschuß hat, abgesehen von der Angabe der Zahl der Mitglieder, auch hier den beteiligten Verwaltungen vollständig freie Hand gelassen, und zwar aus guten Gründen. Bund und Länder sind sich darin einig, daß für die Auswahl nicht Fachkenntnisse im engeren Sinne entscheidend sein sollen, daß der Beirat also nicht ein Kreis sein soll, in dem sich lediglich pädagogische Spezialisten begegnen. Die Mitwirkung solcher sicher oft notwendigen Sachverständigen braucht nicht über die Mitgliedschaft im Beirat gesichert zu werden. Andererseits wird es bei der im Interesse der Verhandlungsfähigkeit notwendigen Begrenzung der Zahl nicht möglich sein, alle diejenigen, die etwa noch besonders geeignet erscheinen, zu berufen. Es wird vielleicht der eine oder andere Auserwählte verzichten müssen, aber wir können zweifellos in dem Gesamtrahmen auch in einem weiteren Kreis interessierte freiwillige Mitarbeiter gewinnen und zu Wort kommen lassen. Ich möchte meinerseits hoffen, daß sich recht viele solcher interessierten Mitarbeiter finden werden und uns mittelbar oder unmittelbar zu Hilfe kommen mit Material, mit Rat und auch mit Kritik, denn auch der Beirat wird eines solchen kritischen Echos zweifellos bedürftig sein. Diese Hoffnung gründe ich insbesondere auf das Wissen um die Bedeutung, die die Tätigkeit des Beirats für den kulturellen Bestand und die politische Entwicklung unserer Nation haben kann und auch haben soll.
Die Lösung dringender Fragen, etwa der Gestaltung unseres Schulwesens, ist des stärksten Interesses breitester Kreise unserer Bevölkerung wert, und sie ist so verantwortungsvoll, daß die staatlichen und gemeindlichen Verwaltungen allein diese Verantwortung schwerlich tragen können. Sie greift so stark in unser politisches Leben ein, daß sie im Interessenbereich einer einzelnen Verwaltung nicht mehr gefunden werden kann.
Genau so wichtig und vielleicht noch wichtiger erscheint mir aber, wie das Beispiel vergleichbarer ausländischer Institutionen beweist, die Wirksamkeit des Beirats, wenn er seiner Aufgabe gerecht werden will, für die dringend erwünschte Belebung des allgemeinen Interesses an einer freien und freiwillig geleisteten, in der Kulturgemeinschaft des Volkes gebundenen Kulturarbeit.
Diese Hinweise, meine Damen und Herren, so flüchtig sie auch in der kurzen, mir zur Verfügung stehenden Zeit gehalten sein müssen, möchten doch die Überzeugung aller derer stärken, die ohne unnötige Besorgnis vor einer machtpolitischen Verschiebung oder auch nur der Änderung sicher begründeter Zuständigkeiten die Grundlage des Antrags bejahen. Der Beirat wird, was Bund und Länder ihm wünschen, und was ich hier noch einmal mit aller Eindeutigkeit vor dem Hohen Hause betonen möchte, ein Kreis unabhängiger, verantwortungsbewußter Persönlichkeiten sein, die ihre geistigen, ihre kulturpolitischen und pädagogischen Erfahrungen austauschen und ihren Rat den Zentralstellen der Länder und des Bundes zur Verfügung stellen. Ich hoffe, daß nach dieser Klarstellung eine Zustimmung auf breiter Ebene in diesem Hause doch möglich ist.
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Meine Damen und Herren! Als Vertreter des Bundesrats hat das Wort der Kultminister des Landes Württemberg-Hohenzollern, Herr Dr. Sauer.
Dr. Sauer, Kultminister des Landes Württemberg-Hohenzollern: herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich als Mitglied des Bundesrats und als Landeskultminister um das Wort gebeten habe, so hoffe ich, dadurch nicht zu sehr von vornherein den Unwillen dieses Hohen Hauses zu erregen.
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Wenn ich dabei auch noch das Wissen verwerte, das mir in meiner Eigenschaft als Mitglied und Präsident der „Ständigen Konferenz der Kultusminister" zugewachsen ist, so kann das wohl nur der sachlichen Klärung bei dieser Problemstellung dienen. Ich möchte mich der im Ausschußbericht teilweise zutage getretenen Kritik an der „Ständigen Konferenz der Kultusminister" nicht anschließen und mich mit dieser nicht identifizieren. Aber ich möchte zunächst feststellen, daß ich mich in den wesentlichen Punkten mit der Auffassung einig weiß, die der Herr Berichterstatter und der Herr Bundesinnenminister dem Hohen Hause vorgetragen haben.
Grundsätzlich darf ich sagen: Die „Ständige Konferenz der Kultusminister" bejaht es, und zwar aus ihrer ganzen bisherigen Arbeit und Einstellung heraus, daß nun ein Gremium unabhängiger und freier geistiger Persönlichkeiten zusammentreten soll, das ohne Bindung an irgendwelche Behörden kraft eigenen Auftrags grundsätzlich Beiträge für die Gestaltung des deutschen Bildungs- und Erziehungswesens leisten soll. Die Kultministerkonferenz betrachtet sich eigentlich als eine Art Wegbereiterin dieses jetzt zur Debatte stehenden überregionalen Gespräches unter Einbeziehung des Bundes. Sie wird in Kürze der Öffentlichkeit eine Denkschrift vorlegen, aus der sich die Zielsetzung und das bisherige Ergebnis der Arbeit dieser Konferenz ergeben, einer Konferenz, die sich nicht nur mit sogenannten „Koordinierungsmaßnahmen" begnügt, sondern die auf vorausschauende Planung und auf die Zukunft bezogene schöpferische Gestaltung gerichtet ist. Ich darf nur eines vorwegnehmen: In diesen sechs Jahren gemeinsamer Arbeit der Landeskultverwaltungen sind mehr Koordinierungsmaßnahmen vereinbart worden, als das in der gesamten Zeit der Weimarer Republik der Fall gewesen ist.
Für die Kultministerkonferenz war es also eine konsequente Fortfuhrung der überregionalen Tätigkeit, daß sie vor etwa einem halben Jahr mit dem Bundesinnenministerium in ein konkretes Gespräch über die Einrichtung eines sogenannten Beirates für das deutsche Erziehungs- und Bildungswesen eintrat. Sie hat das also in einem Zeitpunkt getan, der vor der Einbringung des dem Ausschußbericht zugrunde liegenden Antrags hegt, so daß dieser Antrag praktisch die bereits eingeleiteten und schon zu einem gewissen Abschluß gekommenen Verständigungsbemühungen zwischen der Bundesregierung und den Ländern in dieser Frage überschneidet. Ich möchte mit besonderer Befriedigung feststellen, daß der Herr Bundesinnenminister nicht etwa einen Plan verwirklicht hat, diesen Beirat beim Bundesinnenministerium selbst zu verankern, sondern daß er vielmehr mit der Regelung, wie wir sie nun in Aussicht genommen haben, den Weg
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für eine gemeinsame Aktion der Bundesregierung und der Landeskultminister frei gemacht hat.
Mit ebensolcher Genugtuung kann ich es auch begrüßen, daß in dem nun vorliegenden Ausschußbericht ebenfalls auf diese Plattform einer gemeinsamen Aktion zwischen Bund und Ländern getreten wird. Nach dem Stand der Besprechungen, die wir gepflogen haben, geht es also nicht um einen „Bundesbeirat" beim Bundesinnenministerium.
Die Auffassungen, über die wir uns einig sind, sind vielmehr im wesentlichen die folgenden. Erstens: Der Bund und die Lander zusammen sollen ein Gremium freier, unabhängiger, nur ihrem geistigen und pädagogischen Gewissen unterworfener Persönlichkeiten aus den Kreisen der Pädagogik, der Wissenschaft, des Städtetages, der Religionsgemeinschaften, der Gewerkschaften, der Eltern bilden, also ein Gremium freier Persönlichkeiten, die nicht als Vertreter von Organisationen zu gelten hätten und nicht von diesen zu nominieren wären. Zweitens: Dieses Gremium soll zur Wahrung seiner völligen Unabhängigkeit seinen Vorsitzenden selbst wählen. Drittens: Die Aufgaben dieses Gremiums sind rein beratender Natur. Viertens: Das Gremium soll an keine staatliche Behörde angegliedert werden.
Über einige Fragen organisatorischer Art sind noch endgültige Vereinbarungen zu treffen; dies bezieht sich auf die mehr technische Frage der Geschäftsführung wie der Finanzierung.
Wir haben uns auch Gedanken über den Namen für dieses Gremium gemacht. Diese Frage ist im Augenblick nach dem Stand der Verhandlungen noch offen. Wir dürfen aber wohl annehmen, daß auch der Bundestag die Beantwortung dieser Frage dem „Zusammenwirken" zwischen Bundesregierung und den Ländern überlassen wird. Es bestanden gewisse Bedenken gegen die Bezeichnung „Beirat", weil damit der Gedanke verbunden ist, daß dieses Gremium unmittelbar oder mittelbar irgendwie behördlichen Charakter haben oder Hilfsfunktionen für Behörden ausüben könnte. In unseren Reihen ist der Name „Deutscher Ausschuß" oder auch „Arbeitskreis für Fragen des Erziehungs- und Bildungswesens" diskutiert worden.
Ferner legen die Länderkultminister Wert auf die Feststellung, daß das sogenannte laufende Gespräch nicht nur mit dem Bundesinnenministerium, sondern mit .allen Ressorts der Bundesregierung zu führen ist, die mit Erziehungs- und Bildungsfragen zu tun haben. Ich denke dabei außer an die Fachministerien an die Bundesministerien für gesamtdeutsche Angelegenheiten, für die Vertriebenen sowie an das Auswärtige Amt. Wir meinen daher, daß die Bundesregierung der Gesprächspartner zu sein hätte.
Lassen Sie mich noch darauf hinweisen, daß wir auf eine ganz klare und eindeutige Optik der Dinge Wert legen müssen. Es muß klar erkennbar sein, daß der Bund bei der Bildung dieses Arbeitskreises nur der eine Teil der Akteure neben den Ländern ist. Es kann nicht etwa von einem Arbeitskreis die Rede sein, der von der Bundesregierung sozusagen primär einberufen würde, wobei die Länder nur eine sekundäre Hilfe zu leisten hätten. In dieser Hinsicht müssen wir auf eine klare, dem Grundgesetz entsprechende Ordnung aufmerksam machen. Das Grundgesetz weist ja die Kulturhoheit den Ländern zu.
Ich darf noch darauf hinweisen, daß sich zur Zeit auch der Bundesrat aus eigener Initiative mit dem ganzen Problem befaßt. Es sind drei Ausschüsse, die sich damit befassen: der Kulturausschuß, der Rechtsausschuß und der Innenausschuß. Die Ausschüsse behandeln auch die Frage der verfassungsrechtlichen Einordnung des zu bildenden Gremiums im einzelnen.
Abschließend darf ich sagen: Bei einer grundsätzlichen Wahrung der im Grundgesetz gegebenen Ordnung bleibt genug Raum für die Tätigkeit des zur Debatte stehenden Arbeitskreises freier, schöpferischer Persönlichkeiten, dessen Ratschläge die Kultusminister der Länder sich sehr gern zunutze machen wollen.
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Das Wort hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorschlag im Mündlichen Bericht des 37. Ausschusses kann nicht die Billigung der Fraktion der FU finden, ebensowenig aber die Verlegenheitslösung, einen freischwebenden Beirat in einem Vakuum zwischen Bund und Ländern zu schaffen. Die Bundesregierung kann aus dem Grundgesetz keine Ermächtigung für die Schaffung eines solchen Ausschusses herleiten. Weder der Art. 73 noch der Art. 74 noch auch der Art. 75 geben nur den geringsten Hinweis. Der Herr Kollege Dr. Edert erkennt das ja selber an. Er führt diesen seiner Ansicht nach bestehenden Mangel des Grundgesetzes auf eine Schockwirkung aus der Kulturpolitik des Hitlerreiches zurück. Meiner -Ansicht nach - man kann ja jedes Motiv unterlegen - ist es bewußt föderalistische Gesinnung des Gesetzgebers gewesen, aus der er das Grundgesetz in dieser Form geschaffen hat. Aber es geht hier überhaupt nicht darum, welches Motiv den Gesetzgeber bewegt hat, sondern ausschließlich darum, welchen Ausdruck der Wille des Gesetzgebers gefunden hat. Dieser Wille spricht gegen die Schaffung des Beirats durch den Bund.
Der Antrag des Mündlichen Berichts schießt auch weit über das Ziel hinaus; denn die Länder sind bereit, diesen Kulturbeirat zu schaffen. Sie sind dazu willens und haben diesen Willen durch die Kultusministerkonferenz geäußert, die auch bereit ist, Mittel zur Verfügung zu stellen.
Wenn es nun ausschließlich um die Schaffung des Kulturbeirats geht und nicht um eine Machtanballung im Bund, dann gibt es einen sehr einfachen verfassungsmäßigen Weg, nämlich die Länder zu bitten, den. Kulturbeirat möglichst bald zu schaffen. Das haben wir in unserem Antrag vorgesehen, und wir bitten Sie deshalb, unserem Antrag zuzustimmen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schroeter.
Schroeter ({0}), ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß hat die hier zur Debatte stehende Frage sehr eingehend geprüft, und nach den Erörterungen, die in der Öffentlichkeit stattgefunden haben und nach der Debatte anläßlich der Einbringung des Antrags der FDP zu dieser Frage hier am 14. Februar sollte sich eigentlich die Begründung der besonderen Notwendigkeit dieser Einrichtung eines solchen Ausschusses für Erziehung oder Erziehungsbeirats erübrigen. Wir hatten geglaubt, daß durch die gründliche Arbeit in unserem Ausschuß alle Fragen weitgehend geprüft und wir zu einer einmütigen Auffassung
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gekommen seien. In der ersten Ausschußsitzung bestanden noch einige verfassungsrechtliche Bedenken, denen die Mehrheit entgegengekommen ist. Wir haben alle diese Dinge untersucht, und ich glaube, wir waren alle der Auffassung, daß die letzte Formulierung, die der Ausschuß dann auch hier dem Hohen Hause vorlegte, die endgültige und einmütige Auffassung aller Beteiligten sei. Mit um so größerem Erstaunen bekommen wir jetzt zwei Änderungsanträge vorgelegt, die noch um so verwunderlicher sind, als wir jetzt aus dem Munde des Herrn Innenministers und des Vertreters der Kultusminister hören, daß sie sich auf dem Boden dieses vorgelegten Antrags, den wir heute erst annehmen wollen, selbst schon geeinigt haben.
Die sozialdemokratische Fraktion wird den Antrag des Ausschusses unterstützen und die Änderungsanträge ablehnen. Die sozialdemokratische Fraktion gibt sich in bezug auf die Wirkung nicht übertriebenen Erwartungen hin, aber sie sieht darin wenigstens einen Anfang, um nun der Öffentlichkeit zu zeigen, daß die zuständigen Stellen im Bund und daß auch dieses Hohe Haus sich endlich um die Entwicklung des deutschen Bildungswesens und seine Gefährdung kümmern wollen.
Meine Damen und Herren! Weil diese Anträge nun vorliegen, ist es doch nötig, darauf hinzuweisen, daß über die augenblicklich in der Öffentlichkeit zur Debatte stehenden Fragen des Schul-und Erziehungswesens hinaus die Länder eigentlich ganz andere Aufgaben hätten. Um das deutsche Bildungswesen überhaupt auf der Höhe zu halten und mit der Entwicklung, die draußen in der Welt vor sich geht, überhaupt Schritt zu halten, wäre es nötig, daß sie sich zusammentun - auch wenn vielleicht hier und da Bedenken auftauchen, daß an einer Stelle eine Machtanballung erfolgen könnte -, um einen Weg zu finden, die Fragen zu lösen, die uns gestellt werden. In diesem Zusammenhang weise ich besonders darauf hin, daß wir uns heute in Deutschland um Fragen meist mit dem Blick in die Vergangenheit gerichtet streiten, daß zum Teil Kräfte am Werk sind, getarnt durch die Forderung einer Kulturautonomie, die uns in vielen Dingen noch auf dem Stand von 1890 halten möchten, während heute ganz andere Fragen zur Debatte stehen.
Wir streiten noch um vier- oder sechsjährige Grundschule, wir streiten um Schulform und konfessionelle Einrichtungen, und mittlerweile steht etwas ganz anderes als Problem Nr. 1 vor uns, nämlich das Problem: Wie erziehen und erhalten wir den hockqualifizierten Facharbeiternachwuchs?
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Damit tritt ein ganz anderes Schulwesen stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit, und ich glaube, es ist nötig, daß das Hohe Haus und die Öffentlichkeit davon Kenntnis nehmen, daß uns jetzt eine ganz andere Aufgabe gestellt ist, nämlich - ich möchte es so formulieren: - die Eingliederung des Berufs- und Berufsfachschulwesens als eines gleichwertigen Bildungsweges zur Hochschule. Meine Damen und Herren! Nur der hochqualifizierte Facharbeiter und der wissenschaftliche Arbeiter können dieses Volk, das auf einem so engen Raum zusammenlebt, wieder zu einer Wirkung in der Wirtschaft der Welt bringen. Andere Länder, wie Amerika, haben die Ideen, die sie bei uns kennenlernten, mit den ihnen zur Verfügung stehenden großen Mitteln ausgewertet und haben
das jetzt hingestellt - denken Sie nur an die Idee Kerschensteiners -, was wir längst hätten tun sollen. Das ist das eine. Ich habe mich davon in Amerika überzeugt, nicht um dort ein Rezept zu holen, wie diese deutschen Ideen - das wird freimütig zugegeben - dort verwirklicht werden. Ich fand das Bild Kerschensteiners dort in Berufsschulen und erfuhr, daß alle 49 Staaten, die so eifersüchtig über ihre Machtbefugnisse wachen, sich seit 1936 auf diesem Gebiet völlig umgestellt haben. Vor zwei Jahren konnte ich feststellen, daß bereits 200 000 Lehrverträge von Washington kontrolliert werden. Was das in diesem Lande bedeutet: von Washington kontrolliert! Das mag Ihnen zeigen, daß man dort erkennt, welche Bedeutung der Facharbeiter hat. Die Zeiten, wo die landläufige Meinung, die in Deutschland jetzt noch gilt, die war: ach, die Amerikaner, die Engländer, die draußen im Ausland haben ja gar nicht die richtigen Facharbeiter, die richtige Bildung, das sind alles Anlernlinge, die warten auf den deutschen Facharbeiter, - meine Damen und Herren, diese Zeiten sind endgültig vorüber. Wenn wir uns in den nächsten Jahren auf diesem Gebiet nicht stärker anstrengen, dann geraten wir in die Gefahr, zurückzubleiben und ein Kuli-Volk zu werden.
Das wäre eine dieser Aufgaben, die jetzt die Länder gemeinsam mit der Bundesregierung zu lösen haben, nämlich zu sichern, daß das Berufs-und Berufsfachschulwesen richtig eingebaut wird.
Ich will mir weitere Ausführungen darüber ersparen, aber auf eines muß ich noch hinweisen. Es ist bedauerlich, daß Deutschland, das auf dem Gebiet der Pädagogik und des Erziehungswesens führend war und soviel geleistet hat, jetzt durch seine Vertreter nicht imstande ist, draußen ,eine Konzeption des deutschen Schul- und Bildungswesens darzulegen. Ich habe vor wenigen Monaten ein erschütterndes Erlebnis gehabt, als ich mit 20 deutschen Schulräten aus der französischen und aus der britischen Zone zusammen vier Wochen lang das Schulwesen Englands studierte. Bei der Aussprache, in der wir das englische Schulwesen mit dem deutschen vergleichen wollten, stellte sich dann, wenn wir gegenüberstellen und Vergleiche anstellen wollten, immer wieder heraus, daß, wenn ein Deutscher sagte: die Dinge sind bei uns so, plötzlich jemand kam: nein, so ist das nicht, bei und ist das so, und daß der nächste dann erklärte: bei uns ist das so. Das zeigt doch, wie stark wir uns auseinanderentwickelt haben.
Lassen Sie mich die Gelegenheit benutzen, noch einmal auf den Ernst der Situation hinzuweisen. Dieses Gremium wird bald Arbeit leisten und der Öffentlichkeit etwas vorweisen müssen. Die Situation auf diesem Gebiet ist ja klar gekennzeichnet allein durch das Stichwort: „die Bundeskinder". Aber ich verweise darauf, daß im vorigen Jahr auf dem großen Stuttgarter Kongreß der deutschen Lehrer und Erzieher die größte deutsche Lehrerorganisation, die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die Arbeitsgemeinschaft deutscher Lehrerverbände einschließlich des bayerischen Lehrervereins ganz klar auf die Gefahren hingewiesen haben, die sich auf diesem Gebiet durch die Zersplitterung des deutschen Bildungswesens ergeben haben, und es wurden klare Forderungen gestellt. Ich glaube, es wird notwendig sein, wenn in diesem Jahr traditionsgemäß diese größte Lehrerorganisation als Nachfolgeorganisation des alten deutschen Lehrervereins in Berlin zum Pfingstkongreß zusammentritt, ihr dann wenigstens Hoff({4})
nung zu machen, daß im Bund jetzt von allen Kultusministern und von der Bundesregierung die Aufgabe erkannt worden ist, daß auf diesem Gebiet etwas geschehen muß.
Die Konzeption muß vorhanden sein, und daran muß gearbeitet werden. Wir müssen wieder mehr zusammengeführt werden, weil wir eine Ostzone haben. Ich will jetzt nicht auf die Einzelheiten eingehen. Im vorigen Jahr hat der Berliner Verband der Lehrer und Erzieher eine Denkschrift herausgegeben, in der in sachlicher Weise dargestellt wird, was sich dort drüben entwickelt. Ich möchte die Gelegenheit benützen, auch dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen den Dank dafür abzustatten, daß es jetzt gerade in diesen Tagen gleichsam die Fortsetzung jener herausgegebenen Denkschrift, eine Dokumentensammlung über das Erziehungswesen in der Sowjetzone herausgebracht hat. Wer diese Dinge mit Ernst liest und alles das verfolgt, was sich dort auf dem Gebiet entwickelt, der weiß, daß in der Ostzone etwas entsteht, das nicht durch die Anpreisung verschiedener Rezepte mit einem Tage überwunden werden kann, sondern wenn dieser Tag x - von dem gesprochen wurde -, der Tag der Wiedervereinigung kommt, dann müssen wir dem dort Entstandenen eine gemeinsame Konzeption entgegensetzen. Das ist notwendig, sonst erleiden wir Schiffbruch.
Noch einige Jahre, und die Jugend dort ist in ganz andere Verhältnisse und in eine ganz andere Geisteswelt hineingewachsen, in eine Geisteswelt, die auch nicht einmal mehr Anklänge an deutsches Kulturgut hat. Auf dem Hintergrund dieser Verhältnisse wird die staatspolitische Bedeutung sichtbar, die einem solchen Gremium zukommt. Ich darf übrigens am Rande bemerken, hier liegt auch die staatspolitische Bedeutung des Berliner Schulgesetzes, das die Aufgabe hat, die Klammer zwischen Ost und West im Hinblick auf den Tag der Wiedervereinigung zu bilden.
Die sozialdemokratische Fraktion ist bei Berücksichtigung dieser Gesamtlage bereit - obwohl sie keine übertriebenen Erwartungen hegt -, diese Angelegenheit zu unterstützen, und stellt sich voll und ganz hinter den Antrag, den der Ausschuß dem Hohen Hause unterbreitet. Die Sozialdemokratische Partei und Fraktion werden sich auch im Lande dafür einsetzen. daß in diesem Sinn derartige Bestrebungen unterstützt werden, damit nicht alle möglichen Interessentengruppen nun das wieder durch Ansprüche an diesen Erziehungsbeirat zunichte machen, was wir nach mühsamer Arbeit einmal zusammengeführt haben. Wir halten es für ein großes Verdienst, daß es uns gelungen ist, den Kultusministern und der Bundesregierung auf einer gemeinsamen Plattform die Wege zu bereiten, und wir wünschen, daß nun die Bundesregierung diese Chance nützt. Sie möge sie nutzen zum Wohl der deutschen .Jugend, der deutschen Schule und der deutschen Kultur!
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Das Wort hat der Abgeordnete Gaul.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle meinen Ausführungen bewußt ein Wort des Dankes an die beiden Herren Minister D r. Lehr und D r. Sauer voran. Sie haben mit ihren Reden den Antrag des Kulturpolitischen Ausschusses außerordentlich gut unterstützt. Aus ihren Ausführungen hören wir, daß die Verhandlungen schon viel, viel weiter gediehen sind, als wir bisher annehmen konnten. In den wesentlichsten Fragen sind bereits glückliche Lösungen gefunden worden, und die Lösung einiger Fragen von geringerer Bedeutung - die Zahl dieser Fragen ist gering - steht noch aus. Sie werden aber in Kürze ebenfalls gelöst werden können.
Zum Sachlichen ist also, glaube ich, nicht mehr notwendig, noch sehr viel zur Stütze der Berechtigung, einen solchen Beirat zu bilden, beizutragen. Es bleibt also übrig, mich mit den beiden Änderungsanträgen zu beschäftigen, und zwar zuerst mit dem Änderungsantrag der Föderalistischen Union, den Herr Kollege D r. Decker begründet hat. Herr Kollege Dr. Decker, wegen der Zweifel, ob der Antrag erlaubt sei und mit dem Grundgesetz vereinbart werden könne, könnte ich Sie darauf verweisen, was hier in der ersten Lesung am 14. Februar gesagt wurde. Das wäre mir aber doch ein wenig zu leicht. Sie sagen, es gibt im ganzen Grundgesetz nicht eine Bestimmung, die diesen Beirat fordert, Sie gehen noch weiter, „erlaubt". Haben Sie im ganzen Grundgesetz eine Bestimmung gefunden, die die Errichtung eines solchen Beirats untersagt? Ich glaube, Sie suchen vergebens. Es tut mir leid, daß ich diese Eintracht dadurch ein wenig stören muß.
Wenn Sie nun diese Frage aufwerfen, könnte ich zurückfragen - da Sie in Ihrem Antrag sagen, die Ständige Konferenz der Kultusminister soll diesen Beirat bilden -: Ist im Grundgesetz irgendeine Bestimmung, die die Ständige Konferenz der Kultusminister als verfassungsrechtliches Organ verankert? Da finden Sie auch keine! Wenn wir nun Ihrem Antrag zustimmen wollten, dann würden wir tatsächlich all das, was in der Vereinbarung zwischen diesen beiden beteiligten Stellen erfreulich weit gediehen ist, wieder als nicht geschehen ohne weiteres verlassen. Wir gingen zurück in die Zeit von März 1950, und das wollen wir nicht. Außerdem würden wir die Bundesregierung in eine Rolle versetzen, die wir ihr nicht zumuten wollen; denn sie wäre lediglich nach dem Sinn Ihres Antrags der Überbringer eines Auftrags des Bundestags an die Ständige Konferenz der Kultusminister. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie deshalb, dem Antrag der Föderalistischen Union die Zustimmung zu versagen.
Zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU. Ich bedaure, daß dieser Antrag gekommen ist. Wenn Sie beide Anträge, den der Fraktion der CDU/CSU und den des Kulturpolitischen Ausschusses, nebeneinander lesen, dann werden Sie keinen Unterschied im sachlichen Inhalt finden. Sie finden Unterschiede im Wortlaut. Im ersten Satz hat der Antrag der CDU/CSU die Worte „zuständigen Stellen" gestrichen; er ist geblieben bei „Länder". Er hat das Wort „Sachkundige" ersetzt durch Sachverständigen". Ich halte das Wort „Sachkundigen" hier für besser am Platz. Er hat gesagt: „Die Bildung eines Beirats ist herbeiführen"; der Antrag des Kulturpolitischen Ausschusses sagt schlichter: „Dieser Beirat ist zu bilden". Der zweite Satz ist vollständig unverändert geblieben. Im letzten Satz ist der Gesetzgeber in die Mehrzahl gesetzt - es heißt also nach dem Antrag der CDU/CSU: „den Gesetzgebern" -, und die „Verwaltung" ist hier ein wenig eingegrenzt, damit es nicht zuviel Stellen gibt: „die obersten Verwaltungsbehörden". Für den, der den Antrag des Ausschusses für Kulturpolitik zuerst gelesen hat, ohne daß er den anderen kannte, wird klar sein, daß mit der Einzahl das gemeint war, was hier auch mit der Mehrzahl gesagt ist.
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Meine Damen und Herren, es kommt bei diesem Beirat - der notwendig ist - darauf an, welche Persönlichkeiten hingeschickt werden und was daraus wird. Ich habe in der heutigen Ausgabe des „Münchener Merkur" die Meldung gefunden, daß die beteiligten Stellen noch ein Stück weiter gegangen sind und sich schon Pläne gemacht haben, wen sie dort hineinschicken, darunter Erzieher, Männer der Wirtschaft, Vertreter der Elternschaft. Sie haben sogar auch schon Fragen angesprochen, die dort angegriffen werden sollen; der Beirat wird sich u. a. mit der einheitlichen Lehrerausbildung und der Fremdsprachenfolge an den Schulen zu beschäftigen haben. Ich hoffe, daß dort Persönlichkeiten, die wirklich Vertreter unseres Geisteslebens sind, diese Fragen behandeln, und ich glaube, daß sie mit ihrem moralischen Gewicht so viel leisten können, daß wir alle in absehbarer Zeit, wenn wir die Erfolge sehen werden, zufrieden sind, daß wir hier ein Werk geschaffen haben, das unserer Jugend und damit unserer Zukunft nützt.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß Sie zu dem Antrag des Kulturpolitischen Ausschusses ja sagen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei ist mit der Bildung eines Beirats zur Förderung des deutschen Erziehungs- und Bildungswesens einverstanden, und sie hofft, daß er durch seine Mitglieder in ihrer wissenschaftlichen, sachkundigen und schöpferischen Qualität eine Autorität darstellt, die die Kultusminister freiwillig anerkennen. Weiter möchte ich sagen, daß, nachdem der Herr Bundesinnenminister und der Herr Kultusminister Dr. Sauer als Vertreter der Kultusministerkonferenz uns hier heute erklärten, daß sie einen Beirat verabredet haben -, daß er durch ihre Verabredung schon in der Bildung begriffen ist -, sich ein Antrag eigentlich erübrigt.
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Denn an sich ist der Beirat praktisch von beiden Seiten beschlossen. Aber trotzdem werden wir dem Antrag, wie ihn der Ausschuß formuliert hat, zustimmen, wenn wir auch erst wegen der Form des ersten Satzes Bedenken hatten, aus dem man eine Anordnungsbefugnis des Bundes herauslesen könnte, und der Satz, wie er in dem Änderungsantrag der CDU/CSU gefaßt warden ist, dieses Mißverständnis ausräumt. Aber nach den Erklärungen der beiden Minister ist, glaube ich, dieses mögliche Mißverständnis beseitigt, so daß meine Fraktion sich bereit erklärt, den Ausschußantrag anzunehmen.
Das Wort 'hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Es ist den beiden Herren Ministern der Dank für die Vereinbarung der vier Punkte ausgesprochen worden, die bezüglich des Bildungs- und Erziehungsausschusses vorgetragen worden sind. Ich muß dabei aber feststellen, daß diese vier Punkte etwas total anderes sind, als was dem Antrag der Herren Antragsteller entsprechen würde, und auch etwas wesentlich anderes, als was dem Ausschußbeschluß zugrunde liegt. Es ist vorhin gesagt worden, der Antrag des Ausschusses und der Antrag der CDU/CSU seien ja ziemlich das gleiche. Meine Damen und Herren, man kann diese Anträge nicht stilistisch und sprachlich, man muß sie schon verfassungsrechtlich vergleichen.
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Der Unterschied ist folgender: In dem Beschluß des Aasschusses ist dem Bund ein Organisationsrecht auf dem Gebiet der Schule zuerkannt, und in dem Antrag der CDU/CSU ist dieser falsche Standpunkt ausgeschaltet. Das ist das Wesentliche. Wir haben uns nicht gegen die Einrichtung als solche gewandt, sondern wir haben nur unsere Stellungnahme grundgesetzlich eingehend abgewogen, weil wir auf dem Standpunkt stehen, daß der Bundestag nicht einen Beschluß fassen kann, der in flagrantem Widerspruch zum Grundgesetz steht,
({1})
und weil von einer derartigen Beschlußfassung aus sicherlich ein Präjudiz der Zukunft gezogen werden könnte.
Nun hat uns der Herr Minister versichert, daß das nicht die Absicht seiner Geschäftsführung sei. Aber wir wissen, daß die Anregung zu einer Änderung des Grundgesetzes und, nachdem sie nicht möglich war, die Anregung zur Bildung dieses Beirats oder Ausschusses aus seinem Ministerium gekommen ist. Die Herren Minister wechseln und die Ministerien bleiben!
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Und wir haben den Eindruck, daß eben aus der Vergangenheit vieles wieder an das Licht der Öffentlichkeit dringt, nachdem Jahre vergangen sind, und daß die alten Einrichtungen in neuem Gewande wieder aufleben.
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Weiter ist von einem Verzicht darauf gesprochen worden, Macht zu verschieben. Ich möchte Kulturpolitik und Machtpolitik grundsätzlich nicht vergleichen. Die Leistungen der Kulturpolitik liegen eben auf geistigem Gebiet und stehen in schroffem Gegensatz zu dem, was Machtbestrebungen bedeuten.
Schließlich ist davon gesprochen worden - auch von dem Herrn Berichterstatter -, daß alle diese Schwierigkeiten, die eingetreten sind, eine Folge davon sind, daß die Länder das Schulwesen zu betreuen haben. Ich muß dem mit aller Entschiedenheit widersprechen und muß das als eine Entstellung bezeichnen.
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Denn wenn das der Fall wäre, wäre ja unsere schulische Entwicklung und die Entwicklung unserer Hochschulen und unserer Akademien überhaupt nicht möglich gewesen. Nein, das ist erstens einmal die Folge der künstlichen Schaffung von neuen Ländern, zweitens der Eingriffe der Besatzungsmächte und drittens der Schwierigkeiten wirtschaftlicher Natur und endlich der Zerstörung von Instituten durch die Kriegseinwirkungen
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Das muß gegenüber diesen Entstellungen einmal deutlich gesagt werden.
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Wir haben nun neben den grundgesetzlichen Erwägungen natürlich Besorgnisse gehabt, daß sich aus der Entwicklung der Abteilung III - das ist ja jetzt ausgeschaltet - allmählich auch auf kultrellem Gebiet wieder eine Vollzugsverwaltung
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entwickeln würde. Das würde durchaus der Verwaltungspolitik, wie wir sie seit Jahrzehnten gewohnt sind, entsprechen, die an die Stelle der gestaltenden Kräfte die Vollzugsverordnung und an die Stelle der Persönlichkeiten die Organisation stellt. Gerade auf dem Gebiete der Bildung und Erziehung würde es ganz besonders schädlich sein, wenn Reglementierungen, Erlasse und Durchführungsverordnungen an die Stelle dessen träten, was diese gestaltenden Kräfte bedeuten. Das hat Herr Kollege Schroeter ja schon richtig hervorgehoben.
Meine Damen und Herren, ich erkenne durchaus an, daß die Ausbildung hockqualifizierter Facharbeiter eine wichtige Aufgabe auch der Schule ist. Aber das ist die wirtschaftlich-technische Seite, und das Erziehungs- und Bildungswesen hat in weit größerem Ausmaß auch kulturelle Aufgaben, und die Antragsteller haben ja immer von der Einheit des Geistes gesprochen. - Übrigens, daß ich das noch sage: Uns ist die Wahrung der Einheit des Geistes des Grundgesetzes ebenfalls maßgebend gewesen!
Es ist - zuletzt bei der ersten Beratung - hervorgehoben worden, daß dieser Antrag und diese Beschlußfassung bei den Flüchtlingen, bei Familien, die ihren Wohnsitz ändern müssen, viele Besorgnisse beseitigen wird. Aber ich mochte darauf hinweisen, daß die Besorgnisse, die dieser Antrag hervorgerufen hat, weit großer sind und auch in weit großere Kreise gedrungen sind als in diejenigen, die Sie beruhigen wollten. Unser deutsches Schulwesen ist seit 1918 ständig in Unruhe geblieben. Denken Sie an die großen Schulkonferenzen, die völlig ergebnislos waren! Denken Sie an die Reichsschulgesetzentwürfe und -beratungen, die nicht zustande gekommen sind!
({8}) Denken Sie an die nationalsozialistische Zeit und denken Sie an die Eingriffe der Besatzungsbehorden! Ich möchte wunschen, daß von diesem Beirat nicht eine Beunruhigung, sondern eine Beruhigung ausgeht.
Nun eine Frage zur Behandlung der Anträge! Meine Damen und Herren, wenn Sie auf den Boden, der zwischen der Kultusministerkonferenz und dem Herrn Innenminister nun festgelegt worden ist, treten, dann müssen die Anträge als überholt bezeichnet werden. Wenn Sie aber den Antrag des Ausschusses aufrechterhalten, dann müssen wir als CDU/CSU unseren Änderungsantrag aufrechterhalten, und zwar nicht aus stilistischen und sprachlichen, sondern aus grundgesetzlichen Gründen. Eine Beschlußfassung im Sinne des Ausschusses ist ja an sich überholt, es sei denn, daß Sie die Vereinbarung, die heute verkündet worden ist, ablehnen und daß Sie zu neuen Verhandlungen zwingen.
Ich bitte Sie also, die Anträge als erledigt zu betrachten. Wenn Sie das nicht tun, müssen wir unseren Antrag aufrechterhalten.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Gröwel.
Herr Präsident! Meine Herren und meine Damen! Die heutige erneute Aussprache über den Erziehungsbeirat hat uns gezeigt, daß das ganze Thema bedauerlicherweise schon in das Spannungsfeld der Kompetenzen geraten ist. Dennoch, glaube ich, müßten wir den
Mut haben, die Dinge heute noch einmal sehr ernst zu besprechen. Ich habe das Protokoll der letzten Sitzung nachgelesen und dort das, ich möchte fast sagen: tröstliche Wort des Herrn Hennig gefunden, der gesagt hat:
Es wird einmal Kulturpolitik geben, nämlich dann, wenn die Politik nur ein angewandter Spezialfall dessen geworden ist, was man kulturelles Verantwortungsgefühl nennen kann.
Sollten wir nicht den Mut haben, heute noch einmal zu versuchen, die Dinge so anzusprechen, damit wir vielleicht doch die Resultierende finden, die uns zu einer brauchbaren Lösung führt?
Ich möchte in diesem Zusammenhang dem Hohen Hause einmal mitteilen, wie viele Stellen wir im Bundesgebiet haben, die mit Kultur befaßt werden: erstens die heute schon häufig genannte Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder, zweitens den Kulturpolitischen Ausschuß dieses Hohen Hauses, drittens den Kulturausschuß des Bundesrates und viertens die Kulturabteilung beim Innenministerium. Trotzdem haben wir heute gehört, daß das sogenannte umstrittene Problem des Schulchaos eigentlich noch immer nicht gelöst ist. Wenn wir im Kulturpolitischen Ausschuß des Bundestages und auch im Gespräch im Rahmen der Ständigen Konferenz der Kultusminister mehrfach von diesem sogenannten Schulchaos gehört haben, so waren es doch, wie die Mitglieder dieses Ausschusses mir bestätigen werden, eigentlich - beinahe möchte ich sagen: Gott sei Dank - immer nur Fragen, die sich mit der äußeren Organisation befaßten, und es ist interessant, meine Herren und Damen, daß Professor Bodenstein, der von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in der Gemeinschaft deutscher Lehrerverbände auf ein halbes Jahr beurlaubt worden ist, um „durch das Gestrüpp der deutschen Schulverordnungen" - man kann die Dinge wahrscheinlich gar nicht scharf genug kennzeichnen - hindurchzufinden, der Überzeugung ist, daß es sich auch bei seiner Auffindung ausschließlich um äußere Dinge der Organisation handelt. Er spricht, wie es heute schon verschiedentlich erwähnt worden ist, von den unterschiedlichen Wertungen der Prüfungen, von dem verschiedenen Semesterbeginn und von dem Beginn und der Wahl der ersten Fremdsprache.
Meine verehrten Zuhörer, wenn man immer wieder von den schwindelhaften Zahlen der verschiedenen Schultypen im Bundesgebiet spricht, so muß man bedenken, daß diese ihre Begründung doch darin haben, daß man sich damals angesichts der Zonengrenzen oftmals kaum um den Landesnachbarn kümmern konnte. So kam es eben, daß gleiche Schultypen verschieden benannt und andererseits gleiche Namen verschiedenen Schultypen beigelegt wurden. Ich bin als Abgeordnete zwar nicht bestellt, als Anwalt der Kultusministerkonferenz aufzutreten; aber ich möchte doch in diesem Zusammenhang auf einige wichtige Gesichtspunkte hinweisen, die die Kultusminister in diesem Schulchaos schon in irgendeiner Form entwirrt haben. Zunächst einmal sind die Prüfungszeugnisse für das Lehramt an Volksschulen und an höheren Schulen grundsätzlich gegenseitig anerkannt worden. Für die Einstellung von Studienreferendaren und für die Rechtsverhältnisse der Studienassessoren sind allgemeine Grundsätze vereinbart worden.
Eine der vordringlichsten Aufgaben - wir wissen es alle - ist sicher die Schaffung einheitlicher Richtlinien für den pflichtmäßigen Fremd({0})
sprachenunterricht. Eine grundsätzliche Vereinbarung ist dahin getroffen worden, daß die erste Fremdsprache im fünften und die zweite im siebenten Schuljahr beginnt und daß an den Volksschulen vom fünften Schuljahr ab Gelegenheit zur freiwilligen Erlernung einer Fremdsprache gegeben wird. Wenn wir in dem Gespräch mit den Kultusministern uns darüber einigen wollten, daß Englisch in allen Schulgebieten als erste Sprache gelten sollte, so kann ich Ihnen mitteilen, daß im größten Teil des Bundesgebiets erste neuere Fremdsprache heute Englisch ist, und daß das Französische ausschließlich in der französischen Zone die erste Fremdsprache ist. Das ist wahrscheinlich von allen Pädagogen als berechtigt anerkannt worden.
Es ist noch eine wichtige Vereinbarung getroffen worden: Die Dauer des Gesamtschulunterrichts bis zum Erwerb des Reifezeugnisses ist einheitlich auf dreizehn Jahre, diejenige bis zur Erreichung der sogenannten mittleren Reife auf zehn Jahre festgesetzt worden. Ferner ist die gegenseitige Anerkennung der Reifezeugnisse der höheren Schulen von der Ständigen Konferenz der Kultusminister grundsätzlich beschlossen worden.
Ganz so grau also, wie einige Herren die Situation im Schulchaos hier gemalt haben, scheinen die Dinge heute doch nicht mehr zu sein.
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Wenn wir, meine Verehrten, einmal einen Vergleich mit Amerika und England anstellen, dann dürfen wir nicht vergessen, daß bei uns die Verhältnisse ganz anders liegen. Wir müssen - und vielleicht sagen wir von unserer Fraktion: Gott sei Dank - darauf hinweisen, daß wir in Deutschland nicht die Trennung von Kirche und Staat haben. Deshalb ist das Problem so schwer, weil es sich bei den einander widersprechenden Meinungen um die tiefsten Grundlagen aller Erziehung handelt, nämlich um das wesentliche Fundament jeder Bildung, um die Weltanschauung, oder besser gesagt: um den Glauben und das religiöse Bekenntnis.
Wenn es in einem Staatswesen wie bei uns in Deutschland so tiefklaffende Gegensätze der Auffassung gibt, so bleibt gerechterweise nichts anderes übrig, als die freiheitliche Gestaltung zu wählen. Der seit Jahrzehnten in vielfacher Hinsicht und heute erneut wieder lautgewordene Wunsch nach der Einheit, oder, wie es in der Formulierung des Herrn Professor Luchtenberg heißt, von der Einheit des deutschen Geisteslebens zu sprechen, dieser Gedanke ist natürlich bestechend; deshalb sind wir auch diesem Antrag und seinem Sinn nachgegangen und möchten heute noch einmal vom Grundsätzlichen, auch vom grundsätzlich Weltanschaulichen unserer Partei dazu sprechen. Die Einheit ist natürlich ein Wert; aber, meine Herren und Damen, sie ist kein absoluter Wert. Gewöhnlich denkt man in diesen Diskussionen daran, daß der Gegensatz von Einheit Streit sei, und oftmals wird es dann als eine Gesinnungsfrage betrachtet. Aber ist eigentlich der Gegensatz zu Einheit nicht Vielgestaltigkeit? Ich möchte mir erlauben, das Wort des Herrn Professor Bergstraeßer im Parlamentarischen Rat zu erwähnen, der gesagt hat, daß gerade die Vielgestaltigkeit auf das Geistesleben bei uns so befruchtend gewirkt hat.
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Also auch die Vielgestaltigkeit ist ein Wert, aber ebenso .wie die Einheit kein absoluter, und wenn wir, wie wir es wollen, Vielgestaltigkeit auf Einheit zurückführen, dann möchte sich daraus ergeben: Ordnung und Klärung und Übersichtlichkeit. Das ist, was wir wünschen! Wir dürfen nicht vergassen, daß die Pädagogik keine voraussetzungslose Wissenschaft ist. Immer wird sie in ihren Folgerungen von dem Menschenbild abhängig sein, das ihr zugrunde liegt. Pädagogen verschiedener Weltanschauung werden also in manchen Fragen sehr verschiedener Auffassung sein.
Diese Dinge mußten einmal von uns aus gesagt
werden, bevor wir dem Antrag auf Errichtung eines Beirats zur Förderung des deutschen Bildungs- und Erziehungswesens unsere Zustimmung geben. Wenn der Herr Minister Lehr heute noch einmal seine Erklärung zu den letzten Vereinbarungen abgegeben hat, die zwischen der Ständigen Konferenz der Kultusminister und ihm herbeigeführt worden sind, so muß ich als Mitglied dieses Ausschusses sehr bedauern, daß der Herr Innenminister nicht auch einmal über diese Dinge sich mit dem kulturpolitischen Beirat dieses Hauses zeitig genug in Verbindung gesetzt hat; denn die Gespräche zwischen dem Innenministerium und den Ministern der Länder werden schon seit einem halben Jahr geführt. Trotzdem möchte ich das Wort des Herrn Ministers zitieren, das er in der letzten Sitzung gesprochen und heute wiederholt hat: Wir wünschen, daß das laufende Gespräch sich fortsetzen möge. Wir wünschen, daß es sich mit Erfolg fortsetze, deshalb, weil in den übrigen und von mir vorhin schon erwähnten Kreisen eigentlich nur die Politiker und die Parlamentarier das Wort haben. Wir wünschen aber, daß in dem neuen Gremium nicht nur die Parlamentarier gehört werden, sondern auch die Pädagogen, und - was uns ebenso wertvoll ist -, daß hier einmal der Meinungsäußerung der Eltern im gesamten Bundesgebiet ein Sprachrohr gegeben wird.
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Wenn ich für meine Fraktion einen Änderungsantrag vorzutragen habe, so deshalb, weil wir glauben, daß in unserer neuen Formulierung - wie es der verehrte Herr Vorredner eben schon begründet hat - deutlicher zum Ausdruck kommt, daß der zu errichtende Beirat in keiner Weise im Widerspruch zum Grundgesetz steht.
Gestatten Sie mir, zu den verfassungsrechtlichen Bedenken, die Herr Kleindinst angeführt hat, mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten Theodor Maunz, „Deutsches Staatsrecht", Seite 104, zu zitieren. Er sagt dort:
Wie für die Bundesverwaltung im allgemeinen so gilt auch für die Kulturverwaltung, daß grundsätzlich die Länder zuständig sind, gleichgültig, ob es sich um die Ausführung von Bundesgesetzen oder von Landesgesetzen oder nur um Verwaltungen handelt, die nicht Gesetzesausführung sind.
Die Tragweite dieser Regelung ist im Parlamentarischen Rat doch immer klar gewesen. Hierbei können wir unter keinen Umständen mit dem Gedanken arbeiten, die Bundesverwaltung müsse eingreifen können. Diese Befürchtung haben wir hier, weil manche Aufgaben ihrem Wesen nach nicht auf Landesbasis erledigt werden können.
Meine Herren und Damen, ich möchte mit Herrn Kleindinst gemeinsam darauf hinweisen, daß wir in unserem Änderungsantrag unbedingt deutlich zum Ausdruck bringen wollen, daß die Zuständigkeiten des Beirats aufgezeigt werden. Ich möchte das Wort eines namhaften Vertreters des Parlamentarischen Rats zitieren: „Wir stehen vor der
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ernsten Sorge, daß, auch wenn es jetzt nur als ein kleines Türlein erscheinen mag, dieses Türlein eine Schleuse sein kann und daß das, was wir hier Lebensordnungen genannt haben, nun auch noch in Paragraphen zusammengefaßt werden könnte."
Lassen Sie mich am Ende meiner Ausführungen noch einmal einen sehr wichtigen Satz sagen:
... bei uns sind die Auffassungen über das, was
föderativ ist, nicht gerade normalisiert. Aber
eine Aufassung bestand bei uns immer, nämlich
die, daß die kulturellen Probleme Angelegenheiten der Länder sind; denn sonst werden die
Länder in ihrer eigentlichen Domäne völlig
ausgehöhlt ... Also müßten Sie, meine Herren
von der Gegenseite, darüber erfreut sein, wenn
wir die föderative Grundlage auf dem Gebiet
der Kultur deutlich und klar festhalten.
Diese Mahnung und dieser Hinweis Professor Bergstraeßers im Parlamentarischen Rat, waren auch für uns maßgebend und waren Veranlassung, diesen Änderungsantrag einzubringen. Ich bitte Sie, daß Sie die Formulierung unseres Änderungsantrags billigen und ihm zustimmen.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte der Kollegin Gröwel noch erwidern, daß meine Vertreter ständig in dem Ausschuß zugegen gewesen sind und der Ausschuß auch von dem laufenden überregionalen Gespräch, das ich mit den Kultusministern der Länder geführt hatte, Kenntnis gehabt hat. Offenbar ist das der Aufmerksamkeit der Kollegin Gröwel leider entgangen. Aber dafür kann ich persönlich nichts.
Wenn man diese Debatte einmal auf das Einfachste zurückführt, dann müßte doch dem Hohen Hause in allen seinen Fraktionen klargeworden sein, daß - ob man diesen Antrag annimmt oder jenen oder ob man sie alle ablehnt - gar nichts an der Tatsache geändert wird, daß der Bundesminister des Innern mit seinen Kollegen von den Ländern laufend überregionale Gespräche führt. Das tut er übrigens nicht nur auf dem Gebiet der Kulturverwaltung, sondern das tut er beispielsweise mit der Konferenz der Innenminister der Länder;
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das tun auch seine Kollegen in den anderen Bundesressorts, hoffentlich sogar recht häufig und recht gut, damit die Zusammenarbeit mit den Ländern gefördert wird. Aber verfassungswidrig ist das in keiner Form. Deshalb erledigt sich eigentlich die ganze Diskussion. Sie mögen nun entschließen, welchen Antrag Sie ablehnen und welchen Sie annehmen; mit dem Gespräch wird es bis zum Ende gehen.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Donhauser als letzter der Rednerliste - bisher.
Donhauser ({0}): Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Daß die Koordination in Kulturfragen, insbesondere aber in Erziehungsfragen notwendig ist, das ist wohl unbestritten in diesem Hause. Ich glaube, daß es auch gar keine Frage mehr ist, ob dieser Ausschuß geschaffen wird oder nicht; denn wenn ich den Herrn Vertreter des
Bundesrats richtig verstanden habe, dann denkt ja die Ständige Konferenz der Kultusminister schon in eigener Initiative an die Schaffung eines solchen Ausschusses.
Was ich aber nicht verstehen kann, Herr Innenminister, ist, daß gerade Sie als Verfassungsminister sich so stark mit der Initiative, mit der Vorantragung dieser Dinge beschäftigen.
({1})
Sie sind uns auch in Ihren Ausführungen die Antwort auf diese Frage schuldig geblieben. Allerdings hat der sozialdemokratische Sprecher zu diesem Thema die Antwort gegeben, die Sie verschwiegen haben. Er hat nämlich gesagt: Wir stimmen dieser Vorlage zu, weil es ein Anfang ist,
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- weil es ein Anfang ist! Und wie sieht, bitte, das Ende aus?
({3})
Meine Damen und Herren, weil es ein Anfang ist! Mit einem Bundeskulturbeirat beginnt es, und mit der „Reichskulturhoheit" hört es auf.
({4})
Herr Innenminister, Sie haben heute mit dieser Ihrer Initiative den Keim zu einer Entwicklung gelegt, die uns Früchte zeitigen wird, die wir schon einmal - sehr, sehr bitter! - genießen mußten.
({5})
Und davor möchte ich warnen. Deshalb kann ich einer solchen Vorlage nicht zustimmen.
({6})
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß der verehrte Herr Vorredner unrecht hat, wenn er meint, ich wäre einer Frage ausgewichen oder irgendeine Antwort schuldig geblieben. Ich habe ja ausdrücklich erklärt, daß keine hintergründigen Absichten das Innenministerium oder mich persönlich bewogen haben, als ich mich mit den Kollegen der Länder in Verbindung setzte. Mehr kann ich doch nicht tun. Für die Zweifel, die in der Brust des einen oder anderen meiner Herren Zuhörer in diesem Hohen Hause entstanden sind, kann ich persönlich nichts.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ihnen liegt einmal der Antrag des Ausschusses für Kulturpolitik Drucksache Nr. 3258 vor, dazu ein Änderungsantrag der Fraktion der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 484 ({0}) und ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck Nr. 485.
Der weitestgehende Änderungsantrag ist der der Fraktion der Föderalistischen Union Umdruck Nr. 484 ({1}). Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die. Gegenprobe. - Das letzte scheint mir die Mehrheit zu sein.
({2})
Der Antrag ist abgelehnt.
({3})
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU Umdruck Nr. 485. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({4})
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Kulturpolitik Drucksache Nr. 3258.
({5})
- Meine Damen und Herren, sind Sie abstimmungsbereit? - Offenbar!
({6})
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen ist dieser Antrag angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich darf Sie um die Freundlichkeit bitten, einen
Augenblick zu dem gestern von uns beschlossenen Gesetz über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln ({7});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens ({8}) ({9}),
zurückzukehren. Die Frau Berichterstatterin hat in ihrem Mündlichen Bericht den Antrag gestellt, in § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes die übliche BerlinKlausel einzufügen. Leider ist dieser Antrag nicht schriftlich vorgelegt worden, so daß eine Abstimmung darüber unterblieben ist.
Darf ich das Einverständnis des Hauses feststellen, daß die zweite und dritte Beratung dieses Änderungsantrags des Ausschusses jetzt nachgeholt wird, um das Verfahren zu vereinfachen?
({10})
- Das Haus ist damit einverstanden.
Darf ich fragen, wer zu Abs. 2 des § 2 das Wort wünscht? - Niemand.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 2 Abs. 2, d. h. der Berlin-Klausel dieses Gesetzes, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich möchte formell, um jedes Bedenken auszuräumen, die Schlußabstimmung des Gesetzes wiederholen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln in der jetzt beschlossenen Form - nach Hinzufügung des Abs. 2 in § 2, Berlin-Klausel - insgesamt zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen ist dieses Gesetz in dieser Form in der Schlußabstimmung angenommen worden.
Ich rufe Punkt 7 der gestrigen Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({11}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Maßnahmen für Kriegssachgeschädigte ({12}).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Nadig; ich darf sie bitten, das Wort zu nehmen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch hierzu eine Höchstaussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Frau Abgeordnete!
Frau Nadig ({13}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag der Zentrums-Fraktion Drucksache Nr. 1648 ist von dem Hohen Haus in der 108. Sitzung dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung federführend, bezüglich der Ziffern 1 und 2 außerdem dem Ausschuß für den Lastenausgleich und dem Haushaltsausschuß, ferner bezüglich der Ziffer 3 dem Ausschuß für Verkehrswesen zur Beratung überwiesen worden. Alle vier Ausschüsse haben sich eingehend mit dem Antrag beschäftigt.
({14})
Der Haushaltsausschuß hat, nachdem am 12. April 1951 der Antrag der Fraktion der Bayernpartei über die Einrichtung eines Referats beim Bundesministerium des Innern für die Bearbeitung und Betreuung der Angelegenheiten der Fliegergeschädigten, der Währungsgeschädigten und der Evakuierten angenommen worden ist, beschlossen, die Ziffer 1 des Antrags für erledigt zu erklären.
Für die Beratung der Ziffer 2 betreffend Errichtung eines Beirats für Fliegergeschädigte hat der Haushaltsausschuß vor allem den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung für zuständig erklärt.
Der Ausschuß für den Lastenausgleich hat zu Ziffer 1 beschlossen, daß sich der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung für eine organisatorische und personelle Verstärkung des im Bundesinnenministerium mit den Fragen der Kriegssachgeschädigten befaßten Referats einsetzen soll. Zu Ziffer 2 hat der Ausschuß für den Lastenausgleich davon abgesehen, einen Antrag zu beschließen.
Zu Ziffer 3, inwieweit Evakuierte für eine Fahrpreisermäßigung zu berücksichtigen sind, hat der Ausschuß für Verkehrswesen wie folgt Stellung genommen. Der Verkehrsausschuß ist nach wie vor der Auffassung, daß er grundsätzlich die Unterstützung der Totalfliegergeschädigten und Evakuierten anerkennt. Er sieht sich aber mit Rücksicht auf die Notlage der Bundesbahn außerstande, dieser eine weitere Belastung aufzuerlegen.
Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat in drei Sitzungen zu den Fragen Stellung genommen. Er ist sich darüber klar geworden, daß die gesetzgebenden Körperschaften, abgesehen von den Maßnahmen der Soforthilfe, bisher keinen Weg gefunden haben, den Kriegssachgeschädigten zu helfen, wogegen doch die Vertriebenennot durch die Landesgesetzgebung weitestgehend gemildert worden ist. Der Ausschuß sah in dieser Tatsache mit die Ursache der großen Spannungen, die sich zwischen Einheimischen und Ostvertriebenen teilweise ergeben haben. Er war einmütig der Auffassung, daß es politisch außerordentlich gefährlich ist, die Not der Kriegssachgeschädigten unberücksichtigt zu lassen. Das Kriegsschicksal der Vertriebenen und der Kriegssachgeschädigten ist in sehr vielen Fällen das gleiche. Darum hielt der Ausschuß die Schaffung eines gleichen Rechts für erforderlich, ja er war der Meinung, daß nur durch beschleunigte Maß({15})
nahmen die politisch außerordentlich gefährliche Spannung zwischen Heimatvertriebenen, Kriegssachgeschädigten und Evakuierten beseitigt werden kann.
Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat sich davon überzeugt, daß im Bundesministerium des Innern zwar ein Referat für Fragen der Kriegssachgeschädigten geschaffen worden ist, es aber nur mit einer Person besetzt ist, daß es ausgeschlossen ist, bei so schmaler Besetzung der Schwere und der Mannigfaltigkeit der Probleme der Kriegssachgeschädigten gerecht zu werden. Die Erweiterung und den Ausbau des Referats hält der Ausschuß für eine Voraussetzung der notwendigen Entspannung auf diesem Gebiet. Ferner hält er die Einrichtung eines Beirats der Fliegergeschädigten, der als Institution dem Flüchtlingsbeirat der Länder entspricht, für notwendig. Es wurde besonders bedauert, daß sich die Schaffung einer Vertretung der Kriegssachgeschädigten so lange verzögert hat.
Die Gewährung der Fahrpreisermäßigung an die Kriegssachgeschädigten bzw. kriegsbedingten Evakuierten, um sie den Vertriebenen gleichzustellen, war Gegenstand einer längeren Debatte. Dabei kam unter anderem zur Sprache, daß die Zahl der Kriegssachgeschädigten nicht festgestellt ist, daß sie nur unter großem Kostenaufwand ermittelt werden könnte. Nach ernsthafter Schätzung rechnet man mit anderthalb Millionen Kriegssachgeschädigten, die für eine Fahrpreisermäßigung in Frage kommen. Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung erkennt die hohe Bedeutung an, die die Fahrpreisermäßigung für die Kriegssachgeschädigten hat. Er war sich bewußt, daß die Verbindung der Kriegssachgeschädigten zu ihrer Heimat nur aufrechterhalten werden kann, wenn auch ihnen wie den Vertriebenen für eine beschränkte Zahl Fahrpreisermäßigung in Höhe von 50 % gewährt wird.
Die Stellungnahme des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ist in dem Ihnen vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 3261 niedergelegt. Ich bitte Sie um die Annahme dieses Antrags.
({16})
Ich danke der Frau Berichterstatterin und erteile das Wort dem Herrn Bundesinnenminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem dem Hohen Hause vorliegenden Antrag möchte ich im einzelnen folgendes bemerken.
Zu der Ziffer 1 des Ausschußantrags: Wie Ihnen wohl schon bekannt sein wird, ist inzwischen im Innenministerium ein eigenes Referat für die Kriegssachgeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten entsprechend Ihrem Beschluß in der 134. Sitzung vom 12. April 1951 eingerichtet worden. Mein Haus ist mit dem Referat laufend bemüht, alle berechtigten Interessen der einheimischen Geschädigten und alle sie berührenden Fragen zu vertreten. In letzter Zeit stehen naturgemäß die Probleme des Lastenausgleichs und der Evakuierten im Vordergrund. Mit dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung bin ich der Auffassung, daß das neu eingerichtete Referat personell ausgebaut werden sollte. Demgemäß ist das Innenministerium bei dem Herrn Bundesminister der Finanzen wegen der Umwandlung der
Referentenstelle, die bisher eine Regierungsdirektorstelle war, in eine Ministerialratsstelle, und wegen einer zusätzlichen Hilfsreferentenstelle - einer Oberregierungsratstelle - sowie einer zusätzlichen Sachbearbeiter-, Expedientenstelle vorstellig geworden. Ich glaube, daß wir mit einer solchen Erweiterung den berechtigten Wünschen bezüglich einer Verstärkung des Referats Rechnung tragen. Sie entspräche dem derzeitigen Bedürfnis.
In Ziffer 2 des Ausschußantrags wird die Einrichtung eines Beirats der Fliegergeschädigten gefordert. Ich möchte darauf hinweisen, daß das Innenministerium mit dem größten Verband der Fliegergeschädigten, Evakuierten und Währungsgeschädigten, dem Zentralverband in Stuttgart, in dauernder Verbindung steht. Die laufenden Besprechungen geben nach meiner Meinung in besonders glücklicher Weise die Möglichkeit, die anstehenden Fragen und Sorgen der Geschädigten zu erörtern und zu behandeln. Der Zentralverband der Fliegergeschädigten wird anerkennen, daß sich diese Art unserer Zusammenarbeit in der Vergangenheit im Interesse der Geschädigten bestens bewährt hat. Selbstverständlich wird dieses Verfahren von meinem Hause auch in Zukunft fortgesetzt werden. Meine Mitarbeiter stehen jederzeit zur Verfügung, wie ich auch selbst die Herren bereits mehrfach empfangen habe. Einem vorgebrachten Wunsch des Verbandes, auch andere sachkundige Persönlichkeiten zu beteiligen, ist stets Rechnung getragen worden. Danach besteht meines Erachtens für die Bildung eines besonderen Beirats in besonderer organisatorischer Form zur Zeit kein Bedürfnis. Aber die Verbindung wird ohnedies durch die zuständigen Ausschüsse gewahrt, die ja durch Beiräte keinesfalls ausgeschaltet werden.
Zu Ziffer 3 des Ausschußantrags kann ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß die Fahrpreisermäßigung für die Evakuierten nunmehr gesichert ist und vom 1. Juni ab praktisch gehandhabt werden kann.
({0})
Nachdem trotz längerer Verhandlungen mit der Bundesbahn eine finanzielle Beteiligung nicht erreicht werden konnte, habe ich mich im Einvernehmen mit dem Herrn Bundesminister der Finanzen dazu entschlossen, um nunmehr zu einem Ergebnis zu kommen, die Mittel zur Durchführung der Fahrpreisermäßigung für die Evakuierten im Rahmen der Kriegsfolgenhilfe von meinem Hause aus zur Verfügung zu stellen.
({1})
Die Evakuierten erhalten unter den gleichen Voraussetzungen wie die Heimatvertriebenen die Fahrpreisermäßigung, wie gesagt, praktisch vom 1. Juni dieses Jahres ab. Ich glaube, daß ich damit, soweit es mir im Augenblick möglich war, den Wünschen des Ausschusses und des Hohen Hauses Rechnung getragen habe.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Föderalistischen Union ist mit der Abänderung des Zentrumsantrages, Drucksache Nr. 1648, so wie er Ihnen mit dem Mündlichen Bericht in Drucksache Nr. 3261 vorliegt, einverstanden, wenngleich darin namentlich in Punkt 1 unserem Antrag nicht voll ent({0})
sprechen werden soll. Im großen und ganzen können wir mit dem Ergebnis der Beratungen des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung trotzdem zufrieden sein. Es soll aber doch nicht unterlassen werden, darauf hinzuweisen, daß eine besondere Abteilung etwas anderes ist als die organisatorische und personelle Verstärkung des bisher bestehenden Referats. Insbesondere würde es die Aufgabe einer Abteilung sein, gewesen sein, muß ich leider sagen, sich als Behorde schon bei den behordenmäßigen Beratungen im Schoße der Ministerien in die Arbeiten für den Lastenausgleich einzuschalten. Das ist unwiderruflich verpaßt, und zwar deswegen, weil unser Antrag, der vom 25. November 1950 stammt, leider heute erst zur Abstimmung kommt. Wir hatten damals die Absicht, gerade durch die Schaffung dieser Stelle in den Ministerien selbst in etwa ein Gegengewicht gegenüber dem überragenden Einfluß der Vertriebenenorganisation und des Vertriebenenministeriums bei den Beratungen des Lastenausgleichs zur Verfügung zu stellen. Das ist leider mißlungen. Es kommt zu spät und lag nicht an unserer Absicht und Schuld. Damals wäre es Zeit gewesen; aber das können wir nun nicht mehr ändern.
Ich möchte kurz auf die Ausführungen eingehen, die der Herr Bundesinnenminister gemacht hat. Er. glaubt, der Punkt 2 habe sich dadurch erledigt, daß ein inniges Zusammenarbeiten zwischen seinem Ministerium und der Organisation der Fliegersachgeschadigten und Wahrungsgeschadigten bestehe. Diese enge Zusammenarbeit ist anzuerkennen. Es ist erfreulich, aber auch notwendig und eigentlich selbstverständlich, daß sie geschieht. Aber das kann nicht die in der Institution liegende institutionelle Garantie des Angehortwerdens ersetzen. Denn wenn ein Fliegergeschädigtenbeirat oder Kriegssachgeschädigtenbeirat überhaupt existiert, kann sich dieser in ganz anderer Art und Weise einschalten als die freiwillige, auf privatrechtlicher Ebene vollzogene Organisation der Geschädigten, die nur gehört wird, wenn das Ministerium es wünscht. Deswegen besteht trotz der Ausführungen des Herrn Ministers ein dringendes Bedürfnis, diesen Beirat zu schaffen.
Zu Punkt 3 ist nun erfreulicherweise jedes Bedenken durch die Erklarung des Herrn Ministers ausgeraumt. Aber die Erklarung des Ausschusses für Verkehrswesen erinnerte mich doch an den Satz von deine: „Und da keiner von den beiden wollte leiden, daß der andere fur ihn zahlt, zahlte keiner von den beiden". Weder der Bund erklart, er sei in der Lage, noch die Bahn, und folglich leistet keiner. So geht das nicht, namentlich wenn man bedenkt, daß die freie Bahnfahrt für Vertriebene zunachst ungefähr 10 Millionen Menschen zugute kam - in zunehmendem Maße immer weniger - und daß es sich nach den vorliegenden geschatzten Zahlen um etwa 1,5 Millionen aus den Kreisen der sonstigen Geschädigten handelt, die Anspruch auf die Vergünstigung gemäß Punkt 3 unseres Antrages erheben konnten. Wenngleich spät, zum Teil zu spät, so ist es doch immerhin erfreulich, daß dieser Antrag nunmehr seine Erledigung in zustimmendem Sinne finden soll. Ich bitte Sie, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
Aber es sei mir gestattet, noch darauf hinzuweisen, daß in diesem Antrag eigentlich nur ein Punkt aus dem Gesamtkomplex hervorgehoben werden soll, auf den ich nächstens, wenn wir über den Lastenausgleich sprechen, noch einmal zurückkommen werde. Es kommen hier das Bestreben und der Wille zum Ausdruck, die einheimischen Geschädigten und ihre Organisationen den Vertriebenen und deren Organisationen gleichzustellen. Ohne die Rechte und die Interessen der Vertriebenen schmälern zu wollen, müssen wir für die einheimischen Vertriebenen das Recht auf gleiche Behandlung, auf gleiche Berücksichtigung ihrer Sorgen und ihrer Schäden fordern. Das soll hier ein für allemal zum Ausdruck gebracht werden. Es ist also nicht so, als sei mit diesem Antrag der ganze Komplex erledigt.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Diel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Ministers kann ich mich kürzer fassen als vorgesehen, was Ihnen allen nur sehr lieb sein wird.
({0})
Der Antrag, der erst heute hier behandelt wird, liegt dem Hause schon seit November 1950 vor. Im Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung haben wir festgestellt, daß die Dringlichkeit der ihm zugrunde liegenden Frage eine viel frühere Behandlung erfordert hätte. Es handelt sich immerhin um etwa 1 1/2 Millionen Menschen, denen man nicht bestreiten kann, daß ihre Rückgliederung in die alten Wohnstätten vordringlich ist.
Vordringlich ist vor allem die Familienzusammenführung. Mir ist bekannt, daß in vielen Fällen die Männer wieder an ihren alten Arbeitsplätzen tätig sind, während die Frauen mit ihren Kindern Hunderte von Kilometern entfernt wohnen. Vielfach handelt es sich um Männer, die während des Krieges und auch noch nach dem Kriege in Gefangenschaft waren und schon dadurch jahrelang von ihrer Familie getrennt waren. Diese Zustände können jederzeit beseitigt werden, wenn man die nötige Energie aufbringt. Wenn der Herr Minister, der sonst in manchen Dingen wirklich Energie und Tatkraft zeigt, auch hier die notwendige Tatkraft aufbringt, müßte es nach meiner Meinung möglich sein, die Evakuierten und Fliegergeschädigten, soweit sie es wünschen, baldigst zurückzuführen.
Auf der anderen Seite gibt es bei dieser Gruppe von Geschädigten eine große Zahl von Menschen, die zwar wieder an den Rückführungsorten arbeiten, aber immerhin täglich 50, 60 und 80 km, wie ich weiß, zurücklegen müssen, um diese ihre Arbeitsstelle zu erreichen. Auch dieser Notstand muß so bald wie möglich behoben werden, denn es darf nicht der Eindruck entstehen, als würden die Evakuierten und Fliegergeschädigten als Stiefkinder betrachtet, und vor allen Dingen dürfen diese sich nicht als solche fühlen.
({1})
- Ja nun, wenn sie das lange sind, dann wollen wir doch heute mit den Mitteln, die uns zu Gebote stehen, darauf hinwirken und vor allem den Herrn Innenminister darauf hinweisen, daß es nunmehr an der Zeit ist, diese Dinge zu beseitigen, denn dafür sind wir letzten Endes ja da.
({2})
In diesem Zusammenhang darf ich Ihnen einmal einige Zahlen nennen, damit Sie ein wirklich klares Bild bekommen, wie es sich mit den Leuten verhält; Zahlen, die von Bayern gegeben wurden und die den Unterlagen des Instituts für Raumforschung entnommen sind. An diesen Zahlen können Sie er({3})
kennen, wie groß der Notstand dieser Leute ist. Die Gesamtzahl der Haushaltungen, die sich im September vorigen Jahres zur Rückführung gemeldet hatten, betrug in Bayern rund 14 500. Von den Haupternährern waren in Arbeit an ihren Rückführungsorten 707. Ich will Ihnen nur einige wesentliche Zahlen nennen. Die Zahl der Pendler - das sind diejenigen, von denen ich vorhin sagte, daß sie täglich 60, 80, ja sogar 100 km fahren müssen - betrug 1892. Die Zahl der Haupternährer, die in ihren ehemaligen Heimatorten auch noch Arbeitsmöglichkeit hätten, wenn dort eine Wohnmöglichkeit vorhanden wäre, beträgt 1300. Damit habe ich die für Bayern wesentlichen Zahlen schon genannt. In Schleswig-Holstein liegen die Verhältnisse ähnlich. ich brauche darauf nicht näher einzugehen.
Ich glaube, allein schon diese Zahlen beweisen auf der einen Seite mit aller Deutlichkeit, wie groß die Notlage ist, in der sich diese Leute befinden. Sie beweisen auf der anderen Seite aber auch, daß dieses Rückführungsproblem ein Wohnungsbauproblem ist. Hier muß der Herr Bundesminister des Innern einhaken. Diese Frage muß so schnell wie möglich gelöst werden, damit diese Leute wieder in ihre Heimatorte zurückkehren können, denn auch dort, wo sie jetzt wohnen, sind sie nicht in allen Fällen so untergebracht, wie es notwendig wäre. Die Geduld dieser so vom Leid geprüften Menschen ist wirklich schon auf eine harte Probe gestellt worden. Deshalb müssen wir jetzt wenigstens das tun, was unbedingt notwendig ist, denn schon haben auch diese Leute damit gedroht, sich zu Trecks zusammenzuschließen; ein Vorhaben, das wir keinesfalls billigen können. Es ist dringend erforderlich - das muß einmal in aller Deutlichkeit festgestellt werden, wie das auch Kollege Reismann bereits getan hat, und ich glaube, auch der Herr Innenminister ist sich darüber klar -, daß die einheimischen Evakuierten und Fliegergeschädigten den Vertriebenen und Ostflüchtlingen gleichgestellt werden. Wenn wir von diesem Gesichtspunkt ausgehen, haben wir, glaube ich, damit schon den Schwerpunkt der Dinge berührt und damit auch das getan, was wir tun können. Wir wollen doch verhüten, daß die Gegensätzlichkeiten, die sich zu einem großen Teil schon durch diese beiden Gruppen ziehen, noch vertieft werden, sondern wir wollen erreichen, daß sie beseitigt werden.
In diesem Zusammenhang habe ich ein kurzes Wort zu dem erwähnten Beirat zu sagen. Ich bin nicht mit der Meinung des Herrn Ministers einverstanden, daß man die notwendigen Erkundigungen so nebenher einholen will. In der 108. Sitzung dieses Hauses hat der Herr Minister erklärt, die Evakuierten und Fliegergeschädigten könnten sich jederzeit in der Sozialabteilung seines Ministeriums Rat holen. Ich glaube, es ist nicht richtig, diese Leute in die Wohlfahrts- oder Sozialabteilung zu bemühen und sie dort Rat holen zu lassen; das ist nicht der richtige Platz. Vielmehr ist es - ich möchte das in aller Sachlichkeit betonen - unbedingt notwendig, daß das Referat, welches bisher - soweit ich orientiert bin - aus einem Beamten und einer Hilfskraft bestanden hat, nunmehr zu einer Abteilung ausgebaut wird, die den Anforderungen, die für die Zukunft entstehen, gerecht werden kann; denn sonst brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Unzufriedenheit, die in den betreffenden Kreisen herrscht, noch viel größer wird und chronisch zu werden droht. Das ist die Aufgabe der Regierung, um deren Erfüllung wir sie bitten. Wir bestehen unbedingt auf der Einrichtung eines solchen Beirates, damit auch hier die notwendige Klarheit geschaffen wird und die Dinge vorwärtsgetrieben werden.
Zu der Frage der Fahrpreisermäßigung brauche ich nichts mehr zu sagen, nachdem sich das Ministerium nunmehr bereiterklärt hat, diese Dinge im Rahmen der für die Vertriebenen getroffenen Regelung zu erledigen, zumal diese Kosten nach meiner Auffassung j a auch nicht allzu hoch werden können.
Ich sagte eben, es sei unbedingt notwendig, diese Abteilung arbeitsfähig zu gestalten. Ich glaube aber nicht, Herr Minister, daß Sie in der Lage sein werden, mit diesen paar Kräften, die Sie eben nannten, diese Arbeiten zu vollbringen. Wenn ich mir auf der anderen Seite vorstelle, daß bei acht Millionen Vertriebenen und eineinhalb Millionen Ostflüchtlingen ein Ministerium besteht, das, soweit ich orientiert bin, im Jahre 1950 56 Referentenstellen mit 44 Sachbearbeitern hatte, dann ist es mir nicht klar, wie man die Angelegenheiten der eineinhalb oder zwei Millionen - die Zahl ist nicht feststehend - Evakuierten und Fliegergeschädigten mit drei oder vier Leuten bearbeiten will. Ich glaube, Herr Minister, hier ist es Ihre Aufgabe, wirklich entscheidend und mit der Energie einzugreifen, die Sie z. B. bei der Aufstellung des Bundesgrenzschutzes gezeigt haben, um so auch hier in vorbildlicher Weise die Belange der Betroffenen zu vertreten. Wenn Sie das tun, dann dürfen Sie unseres Dankes und vor allen Dingen des Dankes der Fliegergeschädigten und Evakuierten gewiß sein.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußberichtes ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmige Annahme.
Ich rufe auf Punkt 8 der gestrigen Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung ({0}) über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Sofortige Wiedergutmachung . von Manöverschäden ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Stauch als Berichterstatter.
Stauch ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung hat sich am 6. Dezember 1951 mit dem Ihnen vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 2747 beschäftigt. Der Vertreter der Regierung hat hierbei ausgeführt, daß es sich bei den Manöverschäden um Besatzungsschaden handelt, deren Regelung sich die Alliierten nach dem Besatzungsstatut vorbehalten haben. Die alliierten Bestimmungen lassen eine Entschädigung der Betroffenen zu. Nach dem Besatzungsrecht hat die Zahlung zu Lasten des alliierten Haushalts zu gehen, jedoch ist es hierbei nicht möglich, Abschlagszahlungen vorzunehmen, sondern es ist nur möglich, die Gesamtentschädigung, nachdem sie festgestellt worden ist, zu zahlen. Das Bundesfinanzministerium hat außerhalb des alliierten Haushalts bereits eine Million DM an Niedersachsen ausgegeben. Zur Feststellung des Schadens sind Feststellungskommissionen mit dem Leiter der
({3})
Gemeindeverwaltung und Sachverständigen gebildet. Für die Entschädigung selbst bestehen Entschädigungskommissionen.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung schlägt dem Hohen Hause vor:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag der Fraktion der KPD, Nr. 2747 der Drucksachen, durch die Erklärung der Bundesregierung für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Gesamtaussprachezeit von 40 Minuten zu beschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können dem Bericht des Aus- schusses für innere Verwaltung nicht unsere Zustimmung geben. Ich glaube, auch niemand in diesem Hause, der das Ausmaß der Manöverschäden kennt und sich seiner Verantwortung gegenüber den Betroffenen bewußt ist, kann dies tun. Wie ist denn der Tatbestand? Der Tatbestand ist: Am 26. Oktober 1951 haben wir einen Antrag eingebracht, der im Kern besagt: die Bundesregierung soll beauftragt werden, dafür zu sorgen, daß den Manövergeschädigten ihre Vergütungen restlos ausbezahlt werden. Am 27. November 1951 beschäftigte sich dann der Ausschuß für innere Verwaltung mit diesem Antrag. Damals betrugen die Manöverschäden in Westdeutschland 18 Millionen DM, und der Vertreter der Regierung mußte zugeben - und wir haben es soeben gehört -, daß von den 18 Millionen nur etwa eine Million für Manöverschäden ausgezahlt waren, d. h. 5,5 %. Mittlerweile aber ist der Schaden aus dem Jahre 1951 auf 25 Millionen DM angestiegen. Und was ist bisher an Wiedergutmachung ausgezahlt worden? Ein Bruchteil dessen, was die gesamten Schäden ausgemacht haben. Die Betroffenen müssen von Pontius zu Pilatus laufen, um zu ihrem Geld zu kommen. Dutzende von Briefen an Bundestagsabgeordnete und an die Landtage, Delegationen sowie alle möglichen Formen des Protestes der sogenannten Manövergeschädigten haben wir in den letzten Wochen und Monaten erlebt.
Wie ist also der Tatbestand? Durch die Erklärung der Regierung ist nichts erledigt. Im Gegenteil: die Geschädigten erwarten, daß man ihnen endlich ihre Vergütung auszahlt, dies um so mehr, als vielen Bauern, Gemeinden und Kreisen noch Manöverschäden aus der Zeit der Jahre 1949 und 1950 zu vergüten sind. So warten heute noch die Betroffenen der Gemeinden Ruschberg, Heimbach, Baumholder, Reichenbach, und wie die Dörfer alle heißen, auf ihre Entschädigung.
Nun sind seit der letzten Zeit große Manöver im Gange. Der Schaden allein in Rheinland-Pfalz beträgt bis jetzt 2 Millionen DM. Besonders hart sind dort die Kreise Alzey, Bingen, Mainz und Birkenfeld betroffen. In anderen Gebieten sieht es nicht besser aus. Ich habe hier einen Bericht der dpa, in dem der Bundestagsabgeordnete Matthes feststellt, daß auch in Niedersachsen ähnliche Verhältnisse zu verzeichnen sind. Bei diesen Manövern spielen sich unerhörte Dinge ab. Willkürlich werden bestellte Acker zerstört, Wiesen-, Obst-, Spargel- und Waldkulturen zu Mondlandschaften verwandelt.
Wir fordern deshalb im Interesse des Friedens und der Ernährung sowie der Existenz der Bauern, daß mit solchen Manövern Schluß gemacht wird. Wir fordern die restlose und volle Auszahlung der Entschädigungen. Die Betroffenen selber müssen sich stärker dafür einsetzen, daß ihren Forderungen entsprochen wird. Aus allen diesen Gründen bitten wir Sie, den Bericht des Ausschusses abzulehnen und den ersten Passus unseres Antrages anzunehmen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußantrages Drucksache Nr. 3262 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen.
Damit ist die gestrige Tagesordnung erledigt. Wir treten nun in die Behandlung der für heute angesetzten Tagesordnung ein, wobei ich festzustellen habe, daß Punkt 1, die Fragestunde, schon erledigt ist.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung der Übersicht Nr. 52 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({0}).
Ich nehme an, daß das Haus auf eine besondere Berichterstattung, ebenso auf eine Aussprache verzichtet. Wer für die Annahme der Ubersicht Nr. 52 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmige Annahme.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Zulagen und Mindestleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung und zur Überleitung des Unfallversicherungsrechtes im Lande Berlin ({1}).
Ich eröffne die erste Beratung.
({2})
- Wortmeldungen erfolgen nicht. Dann schließe ich die Aussprache der ersten Beratung.
Ich eröffne die
zweite Beratung
und rufe auf Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. Wer diesen Bestimmungen zustimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Wir treten in die Einzelberatung ein, Art. 1, - Art. 2, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, dies durch Erheben von seinem Sitz zu bezeugen. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen. Damit ist Punkt 3 der Tagesordnung erledigt.
({3})
Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten
Gesetzes zur änderung und Ergänzung des
Besoldungsrechts ({4}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Gesamtaussprachezeit auf 60 Minuten zu begrenzen. Ich richte die Frage an das Hohe Haus, ob es sich mit der schriftlichen Begründung begnügen will oder ob Wert darauf gelegt wird, daß die Regierung ihren Antrag mündlich begründet.
({5})
- Nein. Das Hohe Haus verzichtet auf eine besondere Begründung dieses Entwurfs. Wortmeldungen?
({6})
- Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts zeigt sehr eindeutig, wie die Bundesregierung bemüht ist, mit einem weiteren Flickwerk eine grundlegende und notwendige Besoldungsreform noch lange hinauszuschieben. Die Benachteiligten dieser Methode sind die Beamten, und zwar insbesondere die große Zahl der unteren und mittleren Beamten mit ihrem ganz unzureichenden Einkommen. Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf wird den jungen Beamten zugemutet, sich damit abzufinden, daß sie erst im Alter von 26 Jahren die Besoldungsgruppe A 8 a erreichen. Diese ungerechte Behandlung wird von der Regierung damit begründet, daß das Höchstgehalt der Beamten des höheren, des gehobenen und des mittleren Dienstes erst bei einem Lebensalter von 48 bis 50 Jahren erreicht wird, weil insbesondere die Beamten des mittleren Dienstgrades vor 1945 aus den Versorgungsanwärtern hervorgegangen sind, die aber zumeist mit 26 Jahren erst in den Beamtendienst übernommen wurden. Infolge des Wegfalls der Versorgungsanwärter, so wird seitens der Regierung in der Begründung gesagt, stehe jetzt den jungen Dienstanwärtern der Zugang zur mittleren Beamtenlaufbahn offen, und es müsse Vorsorge getroffen werden, daß diese kein günstigeres Beamtendienstalter erhalten, als es die Mehrzahl der im mittleren Dienst aus der Zeit vor 1945 vorhandenen Beamten hat, deren Besoldungsdienstalter in der Besoldungsgruppe A 8 a günstigstenfalls mit dem 26. Lebensjahr beginnt.
Wir Kommunisten sind gegen eine solche Besoldungspolitik. Wir halten es vielmehr für angebracht, die Dienstaltersgrenze für die Erreichung des Höchstgehalts um einige Jahre herabzusetzen, um so den Interessen aller Beamten zu dienen. Selbst der Bundesrat - das geht aus der Vorlage der Regierung hervor - lehnt den Vorschlag der Regierung betreffs der Besoldung der jungen Beamten mit der Begründung ab, daß kein Anlaß besteht, Beamte, die vor dem 26. Lebensjahre das Sekretariat vollendet haben, noch weitere Jahre im Anfangsgehalt, nämlich in der niedrigsten Gehaltsgruppe festzuhalten. Wir Kommunisten sind der gleichen Meinung, die einsichtigerweise der Bundesrat in dieser Stellungnahme hier der Regierung bekanntgibt.
Im übrigen, meine Damen und Herren, beschäftigt sich die vorliegende Vorlage hauptsächlich mit der Besoldung des Grenzschutzes. Bei der Besoldungsfrage des Grenzschutzes wird jetzt entgegen allen bisherigen Erklärungen des Bundesinnenministers völlig klar, daß es sich bei dem Grenzschutz um militärische Einheiten und nicht um eine polizeiliche Einrichtung handelt. In der Vorlage wird z. B: von Stabskapitänen, Oberstabsärzten, von Kapitänleutnants, von Hauptmaaten, Obermaaten, von Maaten, von Obermatrosen und von Matrosen gesprochen, alles meiner Meinung nach Dienstgrade einer Truppe und nicht einer Polizeibeamtenschaft. Wir sind der Meinung, daß die Besoldung von Angehörigen militärischer Einrichtungen nicht durch das Beamtenbesoldungsgesetz erfolgen darf, sondern besonders zu regeln ist. Wir sind der Meinung: die Regierung soll den Mut haben, die Grenzschutztruppe als militärische Einheit zu bezeichnen, Lind dafür auch die Gehaltsfragen auf besonderer gesetzlicher Grundlage regeln. Aus diesem Grunde lehnen wir Kommunisten das vorliegende Gesetz ab.
({0})
- Was ist?
({1})
- Für Sie eine Enttäuschung; für mich eine Freude!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist die erste Beratung. Ich darf unterstellen, daß beantragt wird, diesen Gesetzentwurf an einen Ausschuß zu überweisen, ich nehme an: an den Ausschuß für Beamtenrecht.
({0})
- Das Haus ist einverstanden. Es ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme
eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({2}) ({3}).
({4})
Meine Damen und Herren, der Berichterstatter für dieses außerordentlich wichtige Gesetz ist im Augenblick nicht im Saal. Ich schlage Ihnen vor, wir stellen diesen Punkt bis zur Erledigung des Punktes 6 zurück.
Ich rufe dann Punkt 6 der Tagesordnung auf, zunächst 6.a:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Erste Berichtigungs- und Änderungsprotokoll zu den Zollzugeständnislisten des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens ({5}) ({6}).
Ich nehme an, daß zu diesem Entwurf das Wort in der ersten Beratung nicht verlangt wird, sondern daß das Haus damit einverstanden ist, daß die Drucksache Nr. 3176 ohne weitere Aussprache an den Ausschuß für Außenhandelsfragen überwiesen wird.
({7})
- Das Haus ist damit einverstanden.
({8})
Wir kommen zu Punkt 6 b:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Zollbegünstigungen ({9}).
Auch hier handelt es sich um die erste Beratung. Ich nehme an, daß auch hier das Haus damit einverstanden ist, daß die Drucksache ohne Aussprache an den Ausschuß für Außenhandelsfragen und den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen und dann an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen wird. Ist das Haus einverstanden? - Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Punkt 6 c:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zollgesetzes und der Verbrauchsteuergesetze ({10});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({11}) ({12}).
({13}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Kneipp als Berichterstatter.
Dr. Kneipp ({14}), Berichterstatter: Die Drucksachen Nrn. 3224 bzw. 2841 haben den Finanz- und Steuerausschuß und daneben auch noch den Außenhandelsausschuß beschäftigt. In beiden Ausschüssen war die Auffassung übereinstimmend, so daß ich also für beide Ausschüsse vorschlagen darf, den in Drucksache Nr. 3224 enthaltenen Vorschlägen Ihre endgültige Genehmigung zu erteilen.
Zunächst wurde im Ausschuß beanstandet, daß nicht unmittelbar nach Verabschiedung des Zolltarifgesetzes im Juli - die Veröffentlichung des Gesetzes selbst erfolgte Mitte August im Bundesgesetzblatt - eine entsprechende Vorlage dieser Art gebracht worden sei. Weiter wurde banstandet, daß die Vorlage selbst nicht so umfassend sei, wie sie eigentlich hätte sein sollen.
Der Entwurf des Gesetzes spricht von der kleinen Zollrechtsnovelle. Die Verwaltung legte dar, daß es ihr bei der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit, bei der Verpflichtung, die gesamte Verwaltung und insbesondere die Außenverwaltung auf den neuen Zolltarif einzustellen, von vornherein unmöglich gewesen sei, die große Zollrechtsnovelle - also die Änderung des Zollgesetzes, im Gegensatz zum Zolltarifgesetz - dem Bundestag vorzuschlagen.
Es wurde im Ausschuß durchaus nicht verkannt, daß auch jetzt noch einer solchen großen Zollrechtsnovelle eine Reihe von politischen Schwierigkeiten entgegenstehen, weil die Begriffe „Zollgebiet" usw. - ich will nur das eine erwähnen - noch gar nicht endgültig festliegen und weil noch gar nicht abzusehen ist, wann es möglich sein wird, die große Zollrechtsnovelle dem Hause vorzulegen. Wenn sich auch der Ausschuß schließlich mit der Vorlage der kleinen Zollrechtsnovelle abfand, so hat er doch dem Berichterstatter den ausdrücklichen Wunsch mitgegeben, sich im Plenum klar und eindeutig dahin auszusprechen, daß die Bundesregierung, wenn es irgend möglich sei, die große Zollrechtsnovelle sobald wie möglich, jedenfalls noch im Laufe dieses Jahres, dem Hause vorlegen möge.
Diese kleine Zollrechtsnovelle war schon deshalb erforderlich, weil ja der Zolltarif vom 15. August 1951 den Übergang zum Wertzoll als wesentlichste Bestimmung mit sich brachte. Es war natürlich klar, daß das Zollgesetz vom Jahre 1939, das ja auf den spezifischen Zoll, den Gewichtszoll, Maßzoll usw. abgestellt war, unter allen Umständen geändert werden mußte. Es konnte natürlich nicht angehen, daß man sich zunächst behalf und ohne gesetzliche Legitimation die ganze Angelegenheit weitertrieb. Das ist zunächst wohl das Wichtigste in dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf.
Schließlich galt es aber auch, dem Bundesfinanzminister eine Reihe von Ermächtigungen zu erteilen. Ich darf wohl sagen, daß der Finanzausschuß sofort aufhorcht, wenn ihm angesonnen wird, sich für irgendwelche Ermächtigungen auszusprechen. Der Finanzausschuß steht wie alle übrigen Ausschüsse auf dem Standpunkt, daß in Zukunft so wenig wie möglich mit Ermächtigungen gearbeitet werden muß. Aber schon das Zollvereinsgesetz vom Jahre 1869 genau wie das Reichszollgesetz vom Jahre 1939 arbeiten mit Ermächtigungen an die zuständige Reichs- oder Bundesfinanzverwaltung. Sie sind auch gerade in diesem Fall nicht zu umgehen; denn es wurde uns im Ausschuß von der Verwaltung dargelegt, daß wir nicht weniger als zwölf Zollordnungen hätten, die zolltechnische und zollverwaltungstechnische Maßnahmen beträfen und die praktisch jedes Jahr in irgendeiner Form geändert werden müßten, weil ja die Wirtschaft, die Technik ein lebendes Ganzes seien und stets neue Erfordernisse an die Verwaltung heranträten; auf Grund dieser neuen Erfordernisse müsse es leicht möglich sein, diese mehr technischen Maßnahmen durch eine Entscheidung des Bundesministers der Finanzen ohne weiteres festzulegen, ohne den Gesetzgeber heranzuziehen.
Eingehend wurde dann vom Ausschuß geprüft, ob der Art. 81 des Grundgesetzes solche Ermächtigungen noch zulasse. Da die Ermächtigungen aber durchweg auf den Einzelfall abgestellt sind und sich der Umfang und das Ausmaß der Ermächtigungen verhältnismäßig leicht feststellen ließ, hat der Ausschuß schließlich diesen Ermächtigungen zugestimmt.
Neben diesen Ermächtigungen gibt es noch eine Reihe weiterer Ermächtigungen, von denen ich Ihnen einige andeuten will. Sie wissen alle, daß schon in dem Zollvereinsgesetz von 1869 der Zollverwaltung die Möglichkeit gegeben war, im Grenzgebiet mit Rücksicht auf die besonderen dort vorliegenden Verhältnisse im Interesse eines freundschaftlichen Zueinanderstellens der Grenzbewohner gewisse Zollerleichterungen Platz greifen zu lassen. Wir haben ja an der Schweizer Grenze solche Zollerleichterungen, und Sie wissen alle, daß wir dieses Problem in diesem Hohen Hause eingehend durchgesprochen haben, und daß man ohne weiteres anerkannte, daß an dieser Grenze die Verhältnisse nun einmal so liegen, daß der Bundesminister der Finanzen ein entsprechendes Entgegenkommen zeigen muß.
Auch das Zolltarifgesetz oder der Zolltarif vom Jahre 1902 sah bei einigen Erzeugnissen wie z. B. Schweinefleisch, Schweinespeck, Backwaren und dergleichen gewisse Vergünstigungen für Grenzgebiete vor. Nun sind in dem Zolltarif selbst diese Vergünstigungen weggefallen. Sie gehören auch nicht hinein. Sie gehören in das eigentliche Zollgesetz, und hier wird nun der Bundesminister der Finanzen ermächtigt, ein solches Entgegenkommen durch Nachlaß der Zölle bei gewissen Erzeugnissen zu bewilligen. Die Ermächtigung geht sogar weiter; er kann in diesen Grenzgebieten auch auf Verbrauchsteuern wie Kaffeesteuer, Teesteuer und
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Zigarettensteuer in gewissem Umfang ohne weiteres verzichten. Das ist auch an der Schweizer Grenze für geringe Mengen Kaffee, Tee und Tabakwaren geschehen.
Eine weitere Ermächtigung betrifft die Grenzgänger. Diese Grenzgänger, die in benachbarten Staaten tätig sind, haben natürlich auch das Bedürfnis, in den Staaten, in denen sie tätig sind, mit dem dort verdienten Gelde Einkäufe zu machen. Auch hier soll der Bundesminister der Finanzen jeweils nach den örtlichen Gegebenheiten ermächtigt sein, ohne weiteres - gegebenenfalls im Einvernehmen mit den Nachbarstaaten - eine solche Verwendung der Gelder zuzulassen, um nicht allzu große Schwierigkeiten devisenrechtlicher Art aufkommen zu lassen.
Noch eine weitere Ermächtigung, um die Sie nachher gebeten werden, betrifft die Frage der Pauschalabgabe bei der Verzollung im Reiseverkehr. Die meisten von Ihnen haben an der Grenze ja schon erlebt, wie schwierig es ist, wenn ein Zug oder ein Schiff einläuft und sich nunmehr die Zollbeamten zur Verzollung einfinden. Die Nachbarstaaten haben sich hier mit Pauschalabgaben begnügt, durch die die gesamte Zollvereinnahmung abgegolten sein soll, aber auch die bei Eingang der Ware in das Bundesgebiet fälligen Verbrauchssteuern. Wenn also jemand ein Pfund Zucker einführt, sind ohne weiteres die Zuckersteuer, die Umsatzausgleichssteuer genau so wie der Zuckerzoll fällig. Schweden hat schon seit einer Reihe von Jahren das Verfahren eingeführt, daß einfach von jedem Reisenden -eine Pauschalabgabe erhoben wird, um die umständliche Verrechnung usw. zu ersparen. Die OEEC hat gewünscht, daß die Länder hier unter allen Umständen ein entsprechendes Entgegenkommen zeigten. Aus der Höhe der eingehenden Beträge kann die Zollverwaltung oder die Bundesfinanzverwaltung ohne weiteres den Durchschnittsbetrag, der auf den Kopf der Bevölkerung entfällt, errechnen. Hier soll ebenfalls eine Ermächtigung erteilt werden.
Das sind einige der wesentlichsten Ermächtigungen, um die Sie angegangen werden sollen, und ich bitte Sie, auch hier die Ermächtigung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Es handelt sich um die zweite Beratung.
Ich rufe auf Art. 1. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer Art. 1 annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen! - Art. 1 ist einstimmig angenommen.
Art. 2! - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Art. 3! - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Art. 4! - Wer für die Anahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Angenommen!
Art. 5 und 6! - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Die Bestimmungen sind angenommen.
Einleitung und Überschrift! - Ich bitte um ein Handzeichen. - Sie sind angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen. Ich eröffne die
dritte Beratung
und die allgemeine Aussprache in der dritten Beratung. - Wortmeldungen liegen nicht vor; die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe auf Art., 1 bis 6, - Einleitung und Überschrift. Wer für di& Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe - Gegen einige Stimmen angenommen!
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, das durch Erheben von seinem Sitz zu bezeugen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen einige Stimmen angenommen!
Wir kommen zu 6 d:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Außenhandelsfragen ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Verordnung über Zolländerungen ({1}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Serres
als Berichterstatter.
Dr. Serres ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause ist mit Drucksache Nr. 2687 ein Antrag der Fraktion der SPD betr. Verordnung über Zolländerungen vorgelegt worden. In diesem Antrag wird die Bundesregierung ersucht, eine Verordnung über Zolländerungen vorzulegen, in der Zollbegünstigungen für bestimmte Artikel des Ernährungssektors ausgesprochen werden, und zwar Zollbegünstigungen insoweit, als eine Zollfreiheit vorgesehen ist. In dem Antrag der SPD werden genannt: die Tarifnummern: Rinder zum Schlachten; Schweine, lebend; Fleisch von Rindern und Schweinen usw.; Schweinespeck; Schweineschmalz und Kartoffeln.
Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat sich eingehend mit dem Antrage der Fraktion der SPD befaßt und ist mit Mehrheit zu dem Ergebnis gekommen, ihn abzulehnen.
Bei den Beratungen im Ausschuß ist darauf hingewiesen worden, daß die Tendenz steigender Preise, vor allen Dingen auf dem Schweinemarkt, wohl nicht anhalten würde. Im- übrigen Ist darauf hingewiesen worden, daß die Handelsvertragsverhandlungen mit den Agrarländern noch bevorstünden und daher wohl zweckmäßigerweise zunächst einmal das Ergebnis dieser Verhandlungen abgewartet werden müßte. Schließlich sind im Ausschuß Bedenken geäußert worden, für die genannten Artikel Zollfreiheit einzuführen. Es wurde auch darauf hingewiesen, daß eine erste Verordnung über Zolländerungen bereits verabschiedet war, die für die genannten Artikel damals bereits erhebliche Zollbegünstigungen ausgesprochen hat. Unter diesen Umständen sah sich die Mehrheit des Ausschusses außerstande, dem Antrag der SPD zuzustimmen. Ich habe daher die Ehre, Ihnen den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 2927 zur Annahme zu empfehlen:
Der Bundestag wolle beschließen,
den vorliegenden Antrag - Nr. 2687 der Drucksachen - abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Strobel.
Meine Herren und Damen! Unser Antrag Drucksache Nr. 2687, der heute noch einmal zur Debatte steht, ist am 13. Oktober des vorigen Jahres gestellt worden. Wenn ein Antrag ein halbes Jahr später im Parlament endgültig behandelt wird, ist es verständlich, daß sich inzwischen die Grundlagen, auf denen er entstanden ist, geändert haben. Dieser Antrag ist in der Zeit der steigenden Kartoffel-, Schweinefleisch-, Speckpreise usw. gestellt worden. Er ist auch gestellt worden in der Zeit der handelspolitischen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben hatten, daß infolge der Erhöhungen der Zölle für Fleisch, Butter usw. Dänemark, Schweden und andere Länder sich bezüglich der Einfuhr nach Deutschland benachteiligt fühlten. Ich darf auf die Tatsache aufmerksam machen, die sich damals schon abzeichnete, daß die sehr hohen Zollsätze für wichtige Nahrungsmittel auch eine exporthemmende Wirkung haben, und möchte gerade den Herren, die hier immer glauben, allein die Interessen der Landwirtschaft zu vertreten, sagen, daß die durch die exporthemmende Wirkung dieser hohen Zölle entstehende Kaufkraftminderung sich letzten Endes auch wieder gegen das Interesse der Landwirtschaft am Absatz ihrer Waren auswirken muß.
Ich möchte aber noch einiges zur Entwicklung dieser ganzen Angelegenheit sagen. Im Oktober stellten wir unseren Antrag. Im November ging durch die gesamte Presse die Mitteilung, daß die Bundesregierung die Absicht habe, durch eine neue Zollverordnung weitere Zollermäßigungen für wichtige Nahrungsmittel durchzusetzen. Am 7. Dezember hat der Bundesrat die Regierung aufgefordert, eine Verordnung über Zolländerungen vorzulegen, die ungefähr den gleichen Inhalt haben sollte, wie ihn unser Antrag bereits vorher hatte. In dieser Zeit, als sowohl der Bundesrat wie auch die Regierung, die Öffentlichkeit und vor allen Dingen auch die Fachkreise über die hohen Zollsätze und ihre notwendige Senkung diskutierten, fällt die Ablehnung unseres Antrages im Ausschuß. Ich kann mir hier ersparen, noch einmal die Frage aufzuwerfen, welche Motive für die Herren und Damen Abgeordneten, die in den beiden Ausschüssen unseren Antrag abgelehnt haben, eigentlich maßgebend waren. Ich muß in diesem Zusammenhang feststellen, daß nicht nur im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, sondern leider auch im Ausschuß für Außenhandelsfragen bei der Behandlung und Ablehnung dieses Antrages die Besetzung fast einstimmig durch die „grüne Front" der Koalitionsparteien gestellt worden ist. Ich frage: Welchen Sinn hat es denn überhaupt, einen Antrag zwei verschiedenen Ausschüssen zu überweisen, die ihn von den verschiedenen Gesichtspunkten her prüfen sollen, wenn in einem solchen Falle der Außenhandelsausschuß mit den gleichen Abgeordneten besetzt wird, mit denen der Agrarausschuß besetzt war?
Ich darf noch darauf hinweisen, daß nicht allein die Frage der Preise, sondern in erster Linie auch die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung auf Dauer - nicht nur für den Augenblick! - mit Gegenstand unseres Antrages war und daß nur durch eine dauernde gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung auch stabile Preise, an denen die Landwirtschaft genau so interessiert sein muß wie die Verbraucher, erreicht werden können.
Ich muß aber auch aussprechen, daß sowohl im Außenhandels- wie im Agrarausschuß die Herren der Meinung waren, man könne aus Gründen der psychologischen Wirkung auf die Landwirtschaft
jetzt nicht schon wieder Zollsenkungen bringen, nachdem das Zollgesetz mit allerdings sehr annehmbaren hohen Agrarzollsätzen - das ist meine Meinung - erst ganz kurz vorher beschlossen worden war. Die immer angeführten Grundsätze, daß es notwendig sei, zum Schutz der heimischen Erzeugung diese Zollsätze unter allen Umständen aufrechtzuerhalten, halten wir deswegen nicht für gerechtfertigt, weil sie mindestens im gegenwärtigen Augenblick und auch im Augenblick der- Stellung unseres Antrages prohibitiv gewirkt haben und weil die Eigenerzeugung auf den Gebieten, auf die sich unser Antrag bezieht, gar nicht in der Lage ist, den Bedarf der Bevölkerung in der Bundesrepublik zu decken. Ich möchte wieder sagen, daß nicht der Augenblick für einen solchen Antrag und seine Ablehnung oder Annahme entscheidend sein kann, sondern die vorausschauende Wirkung und Sicherung; und es ist Aufgabe nicht nur der Bundesregierung, sondern auch des Bundestages, in dieser Beziehung vorausschauend zu handeln.
Ich weiß, daß meine Herren Kollegen gern damit argumentieren - das ist eben auch vom Herrn Berichterstatter bereits angetippt worden -, daß die Schweinefleischpreise gar nicht weiter gestiegen, sondern gesunken seien. Ich darf aber darauf aufmerksam machen, daß inzwischen gerade die Rindfleischpreise, die Kalbfleischpreise, die Preise für Gefrierfleisch eine Höhe erreicht haben, der die Kaufkraft der breiten Schichten der Bevölkerung einfach nicht mehr gewachsen ist. Es ist tatsächlich falsch, immer zu glauben oder darauf hinzuweisen, daß im Augenblick eine sinkende Tendenz der Preise der Kaufkraft der Bevölkerung mehr gerecht würde. Ich habe mir erst gestern noch einmal die Bundesstatistik über diese Dinge angeschaut, und es sind immerhin Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die beweisen, daß wir im Februar dieses Jahres den höchsten Index für die Lebenshaltungskosten überhaupt seit 1945 gehabt haben, wobei der Index für Lebensmittel mit 188 immer noch der höchste ist.
Ich darf dem gegenüberstellen einen Index für Agrarprodukte, aus der „Deutschen Bauernzeitung" vom 13. März, der eindeutig beweist, daß mit Ausnahme der Milch alle Agrarprodukte bei einem Index liegen, der weit über 200 ist. Also so sehr sehe ich da nicht ein Mißverhältnis etwa zu Ungunsten der Einnahmen der deutschen Landwirtschaft.
({0})
- Das hat mit Erzeuger- und Verbraucherpreisen gar nichts zu tun; denn es ist ein Durchschnittsindex, den man gegenseitig vergleichen kann. - Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß letzten Endes nicht die sture Ablehnung irgendwelcher aus Versorgungsgründen notwendigen Zollsätze der Landwirtschaft die Hilfe leistet, die sie notwendig braucht, sondern daß es viel richtiger wäre, wenn man durch vernünftige marktpolitische Beratung im Interesse der Landwirtschaft zu stabilen Preisen und zu vernünftigem marktpolitischem Verhalten käme. - Das möchte ich in bezug auf die augenblickliche Situation auf dem Schweinemarkt sagen.
Im übrigen ist ja jedermann bekannt - auch wenn die Verordnung heute nicht mehr zur Debatte steht, weil die Bundesregierung sie zurückgezogen hat -, daß die Bundesregierung selbst am 20. März eine Vorlage gemacht hat, die Zollermä({1})
ßigungen und Zollaussetzungen für beinahe die gleichen Lebensmittel vorsieht, für die wir sie in unserem Antrag am 13. Oktober gefordert hatten. Nicht nur wir, sondern auch die Fachkreise der Vieh- und Fleischwirtschaft, die großen Verbraucherorganisationen wie der DGB und der Bundesrat, der die Länder vertritt, die ja auch in erster Linie die gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung im Auge haben, haben diese Verordnung begrüßt und ihr zugestimmt. Im übrigen deckte sich diese Verordnung nicht nur in ihrem Inhalt, sondern auch in ihrer Begründung weitgehend mit der Begründung für unseren Antrag damals im Oktober, Die ganze Entwicklung hat bewiesen, daß unser Antrag berechtigt und richtig war.
Ich kann an dem ganzen Kapitel der Kartoffelpreise nicht vorbeigehen. In der Zeit steigender Kartoffelpreise hatten wir diesen Antrag gestellt. Er war in beiden Ausschüssen abgelehnt worden. Trotzdem haben wir im Januar, als die Kartoffelpreise noch weiter in die Höhe gingen, den Versuch gemacht, den Ausschuß noch einmal mit der Sache zu befassen, und haben gebeten, aus Vernunftgründen wenigstens der Aufhebung des Kartoffelzolls zuzustimmen. Auch das ist aus den bekannten psychologischen Gründen abgelehnt worden. Jetzt haben wir die Situation, daß selbst der Antrag des DGB, der sich an die Bundesregierung mit der Bitte gewendet hat, die Erhebung der Zölle für Frühkartoffeln auszusetzen, weil die Versorgung mit Spätkartoffeln des vorigen Jahres nicht so weit herüberreicht wie früher, infolge der Zurückziehung der Verordnung der Bundesregierung im Augenblick nicht behandelt wird. Man hat ganz bewußt seit Monaten bezüglich der Behandlung unseres Antrags sowohl wie auch der Regierungsverordnung eine Verzögerungstaktik angewendet, die jetzt letzten Endes zu dem geführt hat, was ursprünglich beabsichtigt war: zur Zurückziehung der Verordnung, d. h. zu einem Sieg der Grünen Front in den Koalitionsparteien. Ich muß darauf aufmerksam machen, daß wir. Sozialdemokraten die Zurückziehung dieser Verordnung geradezu als unverantwortlich betrachten; denn sie erfolgt wider besseres Wissen. Sie erfolgt wider besseres Wissen der Regierungsstellen und Ministerien, die sich mit diesen Dingen zu befassen haben und verantwortlich sind.
Mir liegt ein offizielles Protokoll des Bundesernährungsministeriums über eine VerbraucherAusschußsitzung vom 4. April vor. Laut Protokoll hat der Sprecher des BEM in dieser Sitzung zur Fleischversorgung gesagt:
Da wohl nicht mit einem Absinken des Bedarfs gerechnet werden kann, nach dem Juli aber ein Rückgang des Angebots zu erwarten ist, werden die Preise im Herbst und Winter wahrscheinlich über denen des Vorjahres liegen.
Das ist die Stellungnahme des Bundesernährungsministeriums im Verbraucherausschuß, und vierzehn Tage danach erfahren wir, daß -die Regierungsvorlage, die mit dieser Begründung j a die Zollsenkung angeregt hat, nun zurückgezogen ist. Ich darf auch darauf aufmerksam machen, daß bei den Verhandlungen im Außenhandelsausschuß die Vertreter des Wirtschaftsministeriums, von dem Herrn Vorsitzenden über ihre Meinung befragt, die Auskunft gegeben haben, daß das Wirtschaftsministerium die Annahme unseres Antrages aus den bekannten handelspolitischen Gründen begrüßen würde. An der Stellungnahme des- Wirtschaftsministeriums hatte sich bis vor kurzem nicht das geringste geändert, weil sich eben auch an der Situation nichts geändert hatte. Außerdem kündigt die gesamte Fachpresse für den Vieh- und Fleischmarkt jetzt bereits eine Verknappung von Fleischwaren im Herbst an und hält ebenfalls die Zollsenkung bzw. -aussetzung für notwendig.
Welches Spiel man damit getrieben hat, daß man laufend hier die Absetzung der Zolldebatte verlangt hat, und zwar so lange, bis man endlich so weit war, daß die Regierung diese Vorlage zurückgezogen hat, geht auch daraus hervor, daß die Importeure in den letzten Wochen und Monaten mit dem Einkauf von Fleisch und Speck wesentlich zurückgehalten haben, weil sie mit dieser Zollsenkung gerechnet haben, und heute vor der Tatsache stehen, daß sie nicht eintritt. Die Importeure werden nicht die Leidtragenden dieser Angelegenheit sein; aber die Verbraucher werden es eines Tages wieder sein, wenn sie höhere Preise zahlen müssen.
({2})
Im übrigen muß man noch sagen, daß die Ermäßigung der Zölle auf diesem Gebiet der Fleischeinfuhr im Augenblick die Erzeugerpreise gar nicht beeinflussen würde, weil alle Fleischeinfuhren in die Einfuhr- und Vorratsstelle genommen werden würden, ja genommen werden müßten, um so den Bedarf für den Herbst und Winter sicherzustellen. Wenn auf diesem Gebiet überhaupt noch etwas gutgemacht werden soll - und gutgemacht werden müßte sehr vieles -, dann ist unseres Erachtens rasches Handeln notwendig; denn durch das dauernde Absetzen ist einiges versäumt worden, und ich muß hinzufügen: aus rein agitatorischen Gründen gewissen Kreisen gegenüber. Obendrein ist eine gewisse Irreführung dabei, weil man die Kreise der Landwirtschaft nicht darauf aufmerksam gemacht hat, daß das Fleisch, das jetzt zollfrei hereinkäme, ja gar nicht auf den Markt geworfen, sondern eingelagert werden würde.
Es ist durchaus notwendig, hier einmal auszusprechen, daß das dauernde Nein der Regierungsparteien zu den Anträgen der Sozialdemokraten, selbst wenn sie sich mit einer Regierungsvorlage decken, doch nicht gerade den Beweis erbringt, daß die Dinge hier objektiv behandelt, beurteilt und entschieden werden, obwohl das im Interesse einer gleichmäßigen Versorgung notwendig wäre. Wir sind der Auffassung, daß man auf diesem ganzen Gebiet wieder einmal bereit ist oder sich anschickt, dem kurzsichtigen Druck einer kleinen Interessengruppe nachzugeben,
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während die berechtigten Ansprüche von Millionen Verbrauchern geopfert werden.
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Es ist doch so, daß die maßvollen Forderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf dem Gebiet der Zollsenkung für wichtige Nahrungsmittel von Ihnen nicht beachtet werden, während die ungerechtfertigten Forderungen des Bauernverbandes von Ihnen wieder einmal akzeptiert werden.
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Wir Sozialdemokraten beantragen deshalb, daß unser Antrag heute an die beiden Ausschüsse zurückverwiesen wird, und zwar mit der Begründung, daß sich die Versorgungslage - im Hinblick auf die im Herbst und Winter zu erwartenden Verknappungen - inzwischen geändert hat und des({6})
wegen die beiden Auschüsse erneut zu den Dingen Stellung nehmen müssen. Zudem hat die Zurückziehung der Regierungsvorlage eine neue Situation geschaffen, und außerdem ist es notwendig, auch im Inhalt unseres Antrags einige durch die lange Laufzeit notwendig gewordene Änderungen vorzunehmen.
Ich darf zu dieser Sache aber noch etwas sagen, und da möchte ich insbesondere den Herrn Kollegen Horlacher ansprechen. Sie haben die letzte Absetzung der Zolldebatte damit begründet, daß die Rückverweisung bzw. nochmalige Behandlung des ganzen Problems im Ausschuß notwendig sei, daß die Ausschüsse aber vor Ostern nicht mehr tagten und deshalb absolut kein Aufenthalt entstehe, wenn die Angelegenheit erst nach Ostern behandelt werde. Herr Horlacher, wenn Sie sich nicht den Vorwurf zuziehen wollen, daß Ihre damalige Begründung zu einem Teil unehrlich war, dann müssen Sie heute der Rückverweisung an die Ausschüsse zustimmen.
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Das wäre das, was wir zur Ablehnung bzw. nochmaligen Behandlung unseres Antrages zu sagen haben.
Nun bitte ich den Herrn Präsidenten, mir zu gestatten, auch einige wenige Äußerungen zu dem Antrag Drucksache Nr. 3073 zu machen, weil wir damit Zeit sparen und wir dann nicht beabsichtigen - wenn es nicht die Debatte erfordert -, diesen Antrag noch besonders einer Debatte zu unterziehen.
In der Begründung dieses Antrags wird erstens einmal behauptet, man müsse sich dagegen wehren, daß nur Agrarzölle abgebaut werden, weil das ganze System ein gewisses Gleichgewicht aller Zölle, sowohl der industriellen wie der agrarischen darstelle. Ich darf Sie daran erinnern, daß Sie an dem Tag, an dem Sie dem Schumanplan zugestimmt haben, damit dem Abbau der Eisenzölle zugestimmt haben und daß Sie also in diesem Parlament, wenn es sich schon um den Abbau von Zöllen handelt, zuerst mit dem Abbau von Industriezöllen einverstanden waren. Ich glaube, daran sollten Sie denken, wenn Sie solche Begründungen geben.
Zu der zweiten Behauptung, daß an dem Ergebnis von Torquay nicht gerüttelt werden könnte und sollte, möchte ich all die Herren daran erinnern, daß nach unserer Debatte im Zollausschuß
der Beschluß über den § 4, der der Regierung die Möglichkeit gibt, mit Zustimmung des Bundesrats und des Bundestags Zollermäßigungen, wenn es volkswirtschaftlich notwendig ist, durchzuführen, dieser Paragraph dort einstimmig angenommen worden ist. Es muß doch allen Mitarbeitern bekannt sein, daß dieser Paragraph geschaffen wurde, um im Fall besonderer volkswirtschaftlicher Situationen nicht gehandikapt zu sein. Das war ja schließlich der Sinn dieses Paragraphen. Wir haben uns mit Ihnen bemüht, für diesen Paragraphen die Zustimmung des Bundesrats und des Bundestags zu bekommen. Im übrigen kann ich mich in dieser Frage auf Herrn Professor Dr. Erhard beziehen, der am 12. März zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Horlacher das gesagt hat, was wir auch dazu zu sagen hätten.
Wir möchten noch betonen: was die notwendige Förderung der Landwirtschaft, der heimischen Erzeugung anbelangt, sind wir gern bereit, Ihnen unsere Unterstützung zu geben oder selbst die Initiative zu ergreifen, wenn es sich um konstruktive und sinnvolle Maßnahmen handelt, die planmäßig zu einer Leistungssteigerung führen. Aber dann müßten Sie auch bereit sein, auf der anderen Seite etwas dafür zu tun, daß nicht laufend durch hohe Preise und niedrige Unterstützungen eine Kaufkraftminderung eintritt, sondern Sie müssen dann, wenn Sie im Interesse der Landwirtschaft den Absatz für ihre. Waren fördern wollen, eben auch etwas für die Kaufkraftsteigerung der Bevölkerung tun.
In diesem Zusammenhang ein Hinweis auf den Schweden-Vertrag, bei dem man bereit war, auf die Ausfuhr von arbeitsintensiven Exportwaren im Werte von 63 Millionen DM zu verzichten, nur um den Zoll für Butter nicht von 25 % auf 15 % senken zu müssen. Warum nicht? Weil man im Augenblick ein derartiges Durcheinander auf dem deutschen Milchmarkt hat und bis jetzt nicht die nötigen Anstrengungen gemacht hat, dieses Durcheinander zu beseitigen. Dazu brauchen wir heute nichts zu sagen; dazu wird in nächster Zeit einiges andere mehr zu sagen sein.
Ich darf Sie jedenfalls zum Schluß noch einmal bitten, der Rückverweisung dieses Antrags an die beiden Ausschüsse zuzustimmen, damit das ganze Problem auch unter Hinzuziehung der Regierungsvertreter, der einschlägigen Ministerien im Ausschuß behandelt werden kann. Vielleicht ist es dann doch möglich, eine Lösung zu finden, die im Bundesgebiet nicht immer nur einseitigen Interessen, sondern den berechtigten Interessen der ganzen Bevölkerung Rechnung trägt.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin im allgemeinen nicht so sehr empfindlich; aber wenn Vorwürfe kommen, daß ich da nicht ganz ehrlich gehandelt hätte, so kann ich die nicht ohne weiteres auf mir sitzen lassen. Ich muß darauf hinweisen: ich habe ausdrücklich gesagt - ich bitte, das im Protokoll nachzulesen -, daß die Regierung bei sich Erwägungen anstelle wegen ihrer zweiten Verordnung, die sie zu Zolländerungen vorgelegt hat, und daß es gut wäre, wenn man hier der Regierung die Gelegenheit gäbe, diese Dinge in der Zwischenzeit im Kabinett -in Ordnung zu bringen. Das ist inzwischen geschehen. Das habe ich gesagt, und die anderen Vertagungen, die eingetreten sind, beruhen auf Umständen, für die ich nicht allein verantwortlich gemacht werden kann. Es liegt an der Gestaltung der Tagesordnungen und an den Verhältnissen, die damals gegeben waren.
Nun lassen Sie mich eines vorausschicken. Ich will nicht in eine große agrarpolitische 'Debatte eintreten, ich habe auch nicht im Sinne, hier die Zusammenhänge aufzuzeigen, sondern ich möchte mich auf ein paar wenige grundsätzliche Bemerkungen beschränken. Sie wissen ja, daß es immer sehr schwer ist, die Verhältnisse der agrarischen Erzeugung und der Agrarpreise mit den übrigen wirtschaftlichen Angelegenheiten in Einklang zu bringen und insbesondere auch die Dinge so zu ordnen, daß auf der einen Seite das notwendige Verständnis der Verbraucherschaft für die Landwirtschaft und auf der andern Seite das Verständnis. der Landwirtschaft für die Interessen der gesamten Wirtschaft, die dabei auch eine Rolle spielen, gegeben ist.
Ich kann, glaube ich, im Namen meiner Freunde folgendes sagen. Uns kommt es darauf an, daß im
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gesamten Wirtschaftsleben die Verhältnisse des Bauerntums so geordnet werden, daß verschiedene Ziele erreicht werden: einmal die Erhaltung einer leistungsfähigen Landwirtschaft und eines gesunden Bauerntums als Grundlage für unser politisches und wirtschaftliches Leben, als ein wichtiger Grundpfeiler unserer Verhältnisse.
Dann auch etwas, wofür die gewerkschaftliche Seite auch Verständnis haben müßte. Bei der besonderen Arbeitsweise des Landwirts muß man auch daran denken, daß, wie der Arbeiter auf einen gerechten Lohn Anspruch erhebt, wenn die Preisverhältnisse sich im übrigen Wirtschaftsgeschehen verändern, so auch der Bauer das Recht hat, bei seiner anstrengenden Beschäftigung ebenfalls die Forderung nach dem gerechten Lohn
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in der Gestaltung seiner Verhältnisse im gesamten
Wirtschaftsleben mit in den Vordergrund zu
stellen. Das ist eine ganz naturgemäße Erscheinung.
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Das ist auch notwendig für die Interessen der mitarbeitenden Kinder des Bauern, für die Fremdarbeiter, für unsere Landarbeiterverhältnisse. Wenn das ganze Preisniveau sich verändert, kann der eine Teil nicht zurückbleiben, weil er den Anspruch hat, sich in der Gestaltung seiner Lebenshaltung auf dem gleichen Niveau zu bewegen, wie es andere Bevölkerungsschichten tun. Das ist die grundsätzliche Schwierigkeit. Theoretisch ist man sich darüber wahrscheinlich im ganzen Hause einig, aber: Wie wird das gemacht? Das ist die Frage, die da übrigbleibt.
Eines möchte ich vor allen Dingen in den Vordergrund schieben. Das ist die Pflicht der Landwirtschaft. Die wird auch selbstverständlich von mir anerkannt. Wir wollen haben, daß die Dinge so gestaltet sind, daß wir die Eigenerzeugung so steigern können, daß wir von der kolossalen Abhängigkeit der deutschen Bundesrepublik vom-Ausland immer mehr und mehr wegkommen. Das ist ja mit eine unserer wichtigsten Aufgaben. Wir wollen ferner haben, daß die Versorgung unserer Bevölkerung in erster Linie vornedran steht, damit wir keine Schwierigkeiten bekommen und keine Mangelerscheinungen. Sie können reden, was Sie wollen, es bleibt jedenfalls ein Verdienst dieser Regierung, daß sie die gesamte Bevölkerung aus den Zeiten der Zwangswirtschaft und der Mangellage zu einer besseren Lebenshaltung herausgeführt hat.
({3})
- Das ist eine Tatsache; die läßt sich doch nicht
bestreiten, die weiß ja jedermann auf der Straße.
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Wenn ich die Verhältnisse vom Frühjahr 1950 - ({5})
- Man kann ja nicht mit jemandem reden, der die Dinge selber verdreht, nicht wahr?
({6})
Ich muß das doch so sehen, wie es gesehen werden muß. Es wird doch niemand behaupten wollen, daß mit Hilfe des Auslandes, durch die Zufuhren ausländischer Rohstoffe, nicht ein grundsätzlicher Wandel in unserem Wirtschaftsleben eingetreten
ist. Es wird doch niemanden geben, der behaupten wollte, daß die Versorgung unserer Bevölkerung gegenüber dem Jahre 1948/49 schlechter geworden ist.
({7})
Die Versorgung der Bevölkerung ist zusehends normalisiert und zusehends verbessert worden. Ich kann mich noch daran erinnern - wie ich seinerzeit noch im Länderrat in Stuttgart gewesen bin -, welch ungeheure Schwierigkeiten wir hatten, der Bevölkerung die notwendige Deckung ihres Fettbedarfs zu verschaffen. Es war eine ungeheure Arbeit, um das Ausland dazu zu bringen, daß es allmählich seine Hilfeleistung dazu bot, daß wir aus diesem Engpaß herauskamen.
({8})
Und wie sieht es heute aus? Heute sehen wir an jedem Geschäft, an jedem Laden die unterschiedlichen Preise für alle möglichen Fettsorten. Heute ist die Lage so, daß auf dem Gebiete des Schmalzmarkts im Ausland ein solcher Überfluß vorhanden ist und die Preise auch im Inland so heruntergedrückt sind, daß doch kein Mensch sagen kann, es sei gegen früher keine Verbesserung für die Bevölkerung eingetreten. Ähnlich sind die Verhältnisse auf anderen Gebieten. Sie brauchen ja bloß die Tafeln an den Läden anzusehen. Deshalb ist die Verordnung hier überholt, wenn auch z. B. die Senkung der Schmalzzölle darinsteht.
Im übrigen darf ich dann dazu sagen: wenn wir hier eine Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung haben wollen, dann müssen Sie es genau so machen, wie es bei Industrie und Gewerbe geschieht. Hier werden auch die Zolländerungen nicht nach der jeweiligen Lage vorgenommen, sondern man hält grundsätzlich an dem getroffenen System fest. Denn eines ist ja für die Steigerung der Erzeugung die Grundbedingung: eine Stabilität der Verhältnisse und eine Sicherung der Produktion vor vorübergehenden Eingriffen, die psychologisch auf die ganzen Produktionsverhältnisse zurückwirken. Es ist unsere Aufgabe, das im Zusammenhang zu sehen.
In diesem Zusammenhang muß auch die jeweilige Zollhöhe gesehen werden. Was heißt denn hier überhaupt „Zollhöhe"? Hier wird ja furchtbar übertrieben. Die Verhältnisse sind doch folgende. Ich habe hier ein Buch vor mir liegen. Es sind ja große Handbücher, in denen das ganze Zollgesetzgebungswerk steht. Das Werk von Torquay ist ein umfassendes Vertragswerk. Auf beiden Zollvereinbarungen steht aber darauf: „Deutsche Zollzugeständnisse", „Ausländische Zollzugeständnisse". Das heißt also: im Vertragswerk von Torquay sind mit dem jeweilig interessierten Land jene Zollsätze ausgehandelt worden, auf die das Land Gewicht gelegt hat. Da sind die Zollsätze für Schweineschmalz, Rinder usw. mit den Ländern, die daran besondere Exportinteressen hatten, ausgehandelt worden. Ich glaube, was da ausgehandelt worden ist, das kann nicht schlecht sein. Es kann auch von einer prohibitiven Zollhöhe in Deutschland gar keine Rede sein, denn wir sind ja mit einem Zolltarif in die Verhandlungen hineingegangen, der, im Gegensatz zu dem anderer Länder, zu den maßvollsten Zolltarifen gehört. Wir haben hier kein Hochschutzzollsystem. Der französische Zoll liegt in der Grundhöhe seitens der Ländergesetzgebung viel höher als bei uns.
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Das sind die Dinge, die -dabei in Betracht gezogen werden müssen.
Deswegen ist es auch notwendig, daß man nicht von heute auf morgen hier in die Verhältnisse eingreift. Das ist ja auch die Frage. Wenn Sie die Begründung in der ehemaligen Zweiten Verordnung über Zolländerungen der Regierung lesen, so müssen sie wirklich sagen: die Begründung ist überholt. Sie ist überholt auf den verschiedensten Gebieten, insbesondere auf dem Gebiet der Fleischversorgung. Wir kämpfen ja heute darum, in die Versorgung der Bevölkerung eine geordnete Regelung hineinzubringen, damit wir auch das Auf und Ab der Preise, die naturgemäß auf den Erzeuger zurückwirken - nicht günstigerweise - und auch den Verbraucher belästigen, auf ein geregeltes Durchschnittsniveau bringen. Denn der Preis von 145 DM für 50 Kilogramm Schweinefleisch war ja ich glaube, es war im November vorigen Jahres - nur einmalig. Seitdem sind die Dinge abgebröckelt, und jetzt bewegt sich der Preis auf die 100-DM-Grenze zu, - ein Preis, der mit der Futterrelation der Landwirtschaft nicht mehr in Übereinstimmung steht. Hier tritt eine Funktion in Erscheinung,. Ich möchte da mit Ihnen freundschaftlich zusammenarbeiten. Die Frau Kollegin Strobel hatte schon recht: es gehört eine gewisse Ordnung und Lenkung in die landwirtschaftlichen Verhältnisse.
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Dafür haben wir die Einfuhr- und Vorratsstelle geschaffen.
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- Ja, "nur .langsam! Wenn man A sagt, muß man auch B sagen; wenn man A sagt, daß man die Einfuhr- und Vorratsteile hier in Wirksamkeit setzen will, dann muß man auch B sagen: daß sie wirksam werden kann.
Welche Situation ergibt sich jetzt? Von einer nicht genügenden Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch kann im Moment - und darauf kommt es an - gar keine Rede sein;
({12})
denn jetzt sind die Märkte, die Schweinemärkte, überbeliefert. Die Preise sinken. Aufgabe der Einfuhr-. und Vorratsstelle ist es, das Überangebot aufzunehmen, hier einen stabilen Preis zugrunde zu legen. Warum? Weil die Berechnungen ergeben - das ganze Spiel der Märkte zeichnet das ab -, daß einige Monate vergehen werden und dann das Preisbild sich wieder verändert. Hier muß die Einfuhr- und Vorratsstelle in der Lage sein, das vom Markt wegzunehmen, was sie jetzt wegnehmen kann, was vom Verbrauch nicht benötigt wird, um das dann später bei anziehenden Preisen dem Verbrauch wieder zuzuführen und die Preisdifferenzen nicht in die spekulativen Zwischenhände wandern zu lassen, die sich unterdessen naturgemäß bemerkbar machen müssen; denn irgendwo muß die Ware untergebracht werden.
({13})
'Das ist die Aufgabe der Einfuhr- und Vorratsstelle.
Hier kommt aber - das möchte ich heute hier aussprechen - für die Agrarpolitik der Regierung folgendes in Frage. Ich weiß genau die schwierige Lage des Bundeslandwirtschafts- und -ernährungsministers einzuschätzen. Ich kenne seine Schwierigkeiten; denn er hat ja im Kabinett einige Kollegen, an denen er nicht immer besondere Freude empfindet.
({14})
Dazu gehört der Wirtschaftsminister, dazu gehört auch der Bundesfinanzminister.
({15})
Das weiß er schon; deswegen ist er nicht bös. Das weiß er schon, das habe ich ihm schon gesagt.
({16})
Wenn aber die Agrarpolitik funktionieren soll, muß eine einheitliche Führung der Agrar- und Ernährungspolitik dasein dann muß die Regierung ih der Lage sein, mit ihren Einfuhr- und Vorratsstellen dann einzugreifen, wenn es die Zeit erfordert. Sie darf nicht erst dann eingreifen, wenn die Zeiten für eine vernünftige Regelung vorbei sind.
Wir haben für die ganzen Verhältnisse noch einen andern Agrarexperten. Das Ist die Bank deutscher Länder. Wenn es der gefällt, dann ändert sie auch ihre Kreditgrundlagen, zieht die Kredite zurück. Der Landwirtschaftsminister ist dadurch naturgemäß außerordentlich gehemmt, eine Regelung in die Verhältnisse zu bringen. Deswegen ist hier eine einheitliche Führung der Agrarpolitik notwendig. Der Bundesernährungs- und -landwirtschaftsminister muß in der Lage sein, die Dinge nach einer einheitlichen Konzeption zu gestalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen, daß bei den Verhältnissen, wie sie sich heute ergeben, die Mittel absolut notwendig werden, um die Verhältnisse auf dem Milchmarkt und auf dem Fleischmarkt in Ordnung zu halten. Deswegen ist es Aufgabe der Bundesregierung, sich mit den Dingen zu beschäftigen.
Die Frage der Zollhöhe, die Frage des Hereinkommens von Auslandslebensmitteln spielt in dem Zusammenhang keine ausschlaggebende Rolle; denn das könnte höchstens dazu führen, daß die Verhältnisse auf dem deutschen Markt weiter gestört werden. Die Vorgänge auf den Auslandsmärkten verfolge ich ganz genau. Auch dort scheinen sich rückläufige Bewegungen anzubahnen. Hier ist es dann notwendig, daß der deutschen Landwirtschaft der Schutz eines ausgehandelten Vertragswerkes, wie es das Vertragswerk von Torquay ist, zur Verfügung steht.
Das sind so einige wenige grundsätzliche Bemerkungen, die ich machen wollte, um die Dinge aus der Tagespolitik herauszuheben und auf die Ebene zu bringen, wohin sie gehören. Deswegen wäre ich dankbar, wenn alles zusammenwirken würde, um zwei Ziele zu erreichen, einmal: die Lebensfähigkeit des Bauerntums zu erhalten, zum andern: durch geeignete Maßnahmen nicht bloß den Bauern stabile Preise zu gewährleisten, sondern auch dafür zu sorgen, daß eine stabile, fortlaufende, ausreichende Versorgung der verbrauchenden Bevölkerung herbeigeführt wird. Wenn man die Erreichung der beiden Ziele miteinander erstrebt, kann meines Erachtens heute unmöglich noch ein Anlaß gegeben sein, sich mit überholten Dingen zu beschäftigen. Deswegen bitte ich, den Antrag der SPD, so wie die Ausschüsse das ja beschlossen haben - nämlich der Ernährungsausschuß und der Handelspolitische Ausschuß -, heute unter allen Umständen abzulehnen, damit den momentanen Verhältnissen Rechnung getragen wird.
({17})
Meine Damen und Herren, ehe ich das Wort weiter gebe, habe ich bekanntzumachen, daß sich die Mitglieder der Be({0})
ratenden Versammlung des Europarates um 18 Uhr auf Zimmer 108 des Südflügels treffen wollen.
Das Wort hat der Abgeordnete Fassbender.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich widerspreche im Grunde Damen nicht gern.
({0})
Ich bedauere es deshalb außerordentlich, daß ich mich mit den Ausführungen der Kollegin Str ob e 1 in keiner Form einverstanden erklären kann.
({1})
- Ich kann mir das denken.
Vorweg folgendes. Frau Strobel fragt, welche Motive für uns sowohl im Agrarpolitischen wie im Handelspolitischen Ausschuß maßgebend gewesen sind, Zolländerungen, wie sie von der SPD gewünscht waren, abzulehnen. Grundsätzlich stehen wir auf dem Standpunkt, daß man Zolltarife, die einmal beschlossen sind, nun nicht alle paar Tage ändern soll, wie man etwa Wäsche oder dergleichen wechselt.
({2})
Darüber hinaus wundert sich Frau Strobel, daß die Regierung ihre Zollvorlagewünsche zurückgezogen hat.
({3})
Ich hätte mich gefreut, wenn sich die SPD an dieser Vernunft der Regierung ein Beispiel genommen und ihren Antrag auf Gewährung von Zollbefreiung für diese Nahrungsmittel, wie sie in dem Antrag gefordert wird, auch zurückgezogen hätte. Ich glaube, eine solche Zollbefreiung ist heute, in einem Augenblick, in dem die Preise gerade der Produkte, die in dem Antrag aufgeführt sind, rückläufig sind, sehr schwer zu vertreten. Man kann da einer Zollfreiheit nicht das Wort reden. Wir dürfen doch nicht vergessen, wie die Situation ist. Die Preisentwicklung ist, seitdem Sie Ihren Antrag gestellt haben, stark rückläufig geworden. Ich will im Augenblick nicht untersuchen, ob Ihr Antrag auf Zollbefreiung für Fleisch, Schweine usw. damals voll berechtigt gewesen ist. Eins steht jedenfalls fest. Heute ist die Aufrechterhaltung eines derartigen Antrags unberechtigt. Denn vergessen Sie doch nicht: wir haben, wenn ich telefonisch richtig orientiert worden bin, beispielsweise gestern oder vorgestern auf dem Frankfurter Viehmarkt Schweinepreise gehabt, die die Hundert-Mark-Grenze pro Zentner Lebendgewicht unterschritten.
({4})
- Sie sind in allen möglichen Dingen sachverständig, Herr Kollege Loritz. Ich möchte einmal wissen, worin Sie eigentlich nicht sachverständig sind.
({5})
- Nein, Sie haben recht, um Ihre Politik zu widerlegen, braucht man weiß Gott kein Sachverständiger zu sein.
Die Preisentwicklung auf den Märkten seit Oktober ist derartig kardinal nach unten gehend - ({6})
- Gott, Herr Loritz, gewöhnen Sie sich doch an, Ihre Zwischenrufe etwas weniger laut und dafür verständlicher und vernünftiger zu machen!
Ich darf bei dieser Gelegenheit auf eins hinweisen. Man kann die Dinge in der Landwirtschaft doch nicht so betrachten wie irgendwo bei einer gewerblichen Fabrikation, wo zwischen dem Anfang der Produktion und der Herstellung des Fertigprodukts, also dem Zeitpunkt, in dem das Produkt bereits verkaufsfertig ist, nur 14 Tage oder 3 Wochen liegen. Zur Produktion von Vieh und Fleisch - das wird mir wohl jeder bestätigen, müssen - sind lange Zeiträume notwendig. Wir laufen, wenn wir auf die Dauer gesehen für Vieh, Fleisch und Fett Preise bekommen, die für die Landwirtschaft keine Rentabilität mehr gewährleisten, die riesengroße Gefahr, daß es zu einem kardinalen Absinken der Fleisch- und Fetterzeugung schlechthin kommen wird. Man muß sich doch bei dieser Gelegenheit unter allen Umständen auch einmal die volkswirtschaftlichen Folgen vor Augen führen. Es ist doch so - und ich glaube, da wird mir auch Herr Kriedemann recht geben -, daß es dank unserer Agrarpolitik möglich geworden ist, die agrarische Erzeugung seit 1945 bis heute wieder auf einen Stand zu bringen, der höher liegt als der von 1938. Das ist immerhin ein Beweis dafür, daß wir die Voraussetzungen geschaffen hatten, die es ermöglichten, eine gesunde Agrarproduktion sicherzustellen.
Betrachtet man diese Gefahr, daß jetzt die Fleischerzeugung zurückgeht, nüchtern, dann kommt gleich eine andere Gefahr dazu, nämlich die sehr starke Abhängigkeit vom Ausland in der Fleischversorgung im kommenden Jahre. Ich weiß nicht, ob man die Entwicklung des Exports auf den Weltmärkten derartig optimistisch betrachten muß, daß man dann auch mit den dafür etwa notwendigen Devisen rechnen könnte. Ich persönlich befürchte, daß das nicht immer glatt vonstatten gehen wird. Wir haben aber ein Interesse daran -und auch die arbeitende Bevölkerung unserer Städte hat ein Interesse daran -, daß der notwendige Fleischkonsum sichergestellt wird. Sicherstellen kann man diesen Fleischkonsum in allererster Linie und mit bester Sicherheit durch die Erhaltung einer gesunden, kräftigen landwirtschaftlichen Produktion innerhalb unserer Bundesgrenzen.
({7})
Weiterhin darf man bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß sich die gesamte Agrarproduktion praktisch wie das Verhältnis in kommunizierenden Röhren darstellt. Man kann auf die Dauer nicht ungestraft einen agrarischen Produktionszweig vernachlässigen, soll nicht gleichzeitig das gesamte Niveau der Agrarerzeugung absinken. Denn es ist nun einmal in der landwirtschaftlichen Produktion so, daß ein Teil, ja der größte Teil der von der Landwirtschaft erzeugten Produkte entweder sofort als Rohstoff aufgenommen oder im Veredelungswege zu Fleisch und Milch verarbeitet werden kann.
Dann aber noch eins - und das, Frau Kollegin Strobel, möchte ich Ihnen und Ihrer Fraktion doch auch einmal -zu bedenken geben -: Haben Sie sich
({8})
einmal überlegt, wie die sozialen Folgen bei den absinkenden, ja ruinös wirkenden Schweinepreisen gerade für den Teil der Landwirtschaft, den ich zu den arbeitenden Schichten zähle, nämlich für die kleinbäuerliche Bevölkerung sein würde? Ich nehme einmal die Preise vom Oktober vorigen Jahres und stelle ihnen die heutigen gegenüber. Ich weiß nicht, ob Sie sich einmal die sozialen Folgen überlegt haben. Das würde sich - bei einer Produktion von 10 Millionen Verkaufsschweinen - aufs Jahr berechnet bei 2500 Stunden Arbeit praktisch in einer Lohnsenkung von 14 bis 15 Pfennig pro Stunde für die arbeitende Landbevölkerung auswirken. Ich kann mir nicht denken, daß es Ihr Wunsch ist, daß die kleinbäuerliche Bevölkerung - denn das ist der Hauptproduzent von Schweinefleisch - der Leidtragende einer Zollpolitik sein soll, die wir für falsch halten, die Sie aber vertreten.
Ich bitte Sie wirklich: ziehen Sie Ihren Antrag zurück und zwingen Sie uns nicht, ihn abzulehnen. Denn es besteht im Augenblick weiß Gott kein Bedürfnis, an dem Zollsystem irgendwie etwas zu ändern. Was wir wünschen, hat Kollege Horlacher schon gesagt. Wir wünschen, daß unter allen Umständen eine gesicherte Versorgung unserer großstädtischen Bevölkerung gewährleistet bleibt. Wir müssen aber im Interesse auch dieser Bevölkerungsschichten dafür sorgen, daß die Produktion vor allem der kleinbäuerlichen Bevölkerung auch preislich so gestaltet wird, daß für ihre harte Arbeit eine Bezahlung und eine Rente übrigbleibt.
({9})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. ({0})
- Zunächst der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den bewegten Worten, mit denen der Herr Kollege Fassbender uns hier beschworen hat, unseren Antrag doch zurückzuziehen, damit die Mehrheit des Hauses - zu ihrem Bedauern, nehme ich an - nicht gezwungen sein würde, ihn abzulehnen, möchte ich Ihnen kurz auseinandersetzen, warum wir ihn nicht zurückziehen werden. Lehnen Sie ihn nur ab! Das, was Sie heute hier tun, kann nicht nur nach den heutigen Schweinepreisen in Frankfurt beurteilt werden, sondern wird abschließend beurteilt werden in den Tagen, in denen die Schweinefleischpreise wieder eine Höhe erklommen haben werden, die auch Ihnen sehr unsympathisch sein wird.
({0})
- Moment! Ich komme auf Sie noch zurück, Herr Kollege!
Es ist hier gesagt worden, unsere Lebensverhältnisse und unsere Ernährungslage hätten sich doch unbestreitbar verbessert. Ich habe hier noch keinen gehört, der das nicht anerkannt oder der das etwa bezweifelt hätte. Es wäre ein unsinniges Vorhaben gewesen, denn das sieht man wahrlich in jedem Laden. Ich lasse dahingestellt, wieweit alle Teile der Bevölkerung daran teilnehmen. Aber das hat damit nichts zu tun. Ich möchte allerdings nicht unwidersprochen hinnehmen, daß das dank der Agrarpolitik der Bundesregierung der Fall ist.
({1})
Der Fleiß der Bauern und der Ablauf der natürlichen Umstände, die diesen Fleiß gesegnet haben,
haben das bewirkt. Ich glaube, man kann in vielen Fällen doch wohl sagen: trotz der Agrarpolitik der Bundesregierung oder, vielleicht besser gesagt, trotz des Fehlens einer Agrarpolitik der Bundesregierung.
({2})
Denn was sich im Augenblick z. B. als eine unendlich ernste Sorge auf einem sehr wesentlichen
Gebiet gerade der landwirtschaftlichen Erzeugung, in der Milchwirtschaft, abzeichnet, das ist
doch wahrlich mit dem Ausdruck „Agrarpolitik"
vielleicht ein bißchen zu großartig bezeichnet.
Wie ist denn die Situation? Als die Preise außerordentlich hoch waren, so hoch, weil der Nachfrage kein genügend großes Angebot gegenüberstand, haben wir einen Antrag auf Zollsenkung eingebracht, und dann hat man die Behandlung dieses Antrages solange hinausgezögert, bis eine Situation eingetreten ist, in der eben leicht, vor allen Dingen für einen Laien leicht begreiflich argumentiert werden kann: also bitte, die Sache hat sich völlig erledigt! Die Agrarpolitik eignet sich ganz besonders zu Agitation, scheint mir. Man kann hier so dartun, wie schrecklich die Folgen dann für die vielen Millionen kleiner Bauern sind. Glaubt wirklich im Ernst einer von Ihnen, daß nach dem Wegfall der Fleischzölle heute eine Fleischeinfuhr möglich wäre, die die Rentabilität der bäuerlichen Viehhaltung auch nur andeutungsweise beeinträchtigen würde? Heute sind ganz andere Bremsen gegen eine übermäßige Einfuhr eingebaut: erstens der Mangel an Ware auf den Märkten, und zweitens ist der Mangel an Zahlungsmitteln heute sehr viel wirksamer als die Zölle.
({3})
- Moment! Ja, man sagt immer: wenn wir sowieso nichts einführen, können wir ruhig die Zölle bestehen lassen. Nun, ich vermag diese Logik nicht zu erkennen. Mit der Aufrechterhaltung des Zollschutzes in diesen Dingen - wobei ich von den Kartoffeln noch gar nichts sagen will; hier kann schließlich überhaupt niemand bezweifeln, daß eine Preiskorrektur sehr erwünscht wäre; auch Sie, Herr Preusker, werden mir das sicher zugeben -, mit der Aufrechterhaltung des Zollschutzes, der, wie gesagt, aus anderen Gründen gar nicht notwendig ist, berauben wir uns der ohnehin schon sehr spärlichen Möglichkeit der Bevorratung in einem Zeitraum niedriger Preise. Wir werden dieses Versäumnis sehr schwer zu büßen haben, d. h. nicht wir alle, sondern diejenigen, die dafür die Verantwortung übernehmen, indem sie unseren Antrag, die Dinge noch einmal im Ausschuß zu behandeln, zurückweisen. Wir werden das schwer zu büßen haben in dem Augenblick, in dem aus Mangel die Preise eben wieder auf die bewußte, von niemandem gewünschte, aber dann auch nicht mehr zu verhindernde Höhe klettern.
Herr Kollege Horlacher hat gesagt, man müsse doch einmal aufs Ganze gehen; nachdem wir die Einfuhr- und Vorratsstellen hätten, solle man sie doch nun in die Lage versetzen, auch aufzunehmen. Meine Damen und Herren, wenn man wirklich ernsthaft darum bemüht wäre, die Einfuhr-und Vorratsstellen in die Lage zu versetzen, soviel Vorräte anzulegen, daß auch in Zeiten eines Tiefstandes der deutschen Produktion diese unsinnigen Preise nicht in Erscheinung treten, dann würden wir Sozialdemokraten, die wir ja der Schaffung der Einfuhr- und Vorratsstellen, die unserem Wirtschaftsdenken doch in ganz besonderem Maße entsprechen, doch immer zugestimmt haben, mit gro({4})
Ber Freude auch für die Bewilligung der nötigen Mittel sein. Wenn man aber etwa so verfährt, wie hier verfahren werden soll; daß man auf der einen Seite den Zollschutz aufrechterhält, auf der anderen Seite die Einfuhr- und Vorratsstellen nur in dem Umfang in Wirkung treten lassen will, wie es zur Aufrechterhaltung eines beliebten innerdeutschen Preises nötig ist, dabei aber nicht gleichzeitig auch das Mengenproblem sieht, das in diesem Falle nur durch zusätzliche Einfuhren aus dem Ausland bei Wegfall deg Zollsystems- gelöst werden könnte, hat es gar keinen Sinn, hierfür Gelder zu bewilligen. Einfuhr- und Vorratsstellen haben zwar die Funktion, einen stabilen Preis herbeizuführen. Aber wenn Sie sich nur mit einer Seite des Problems befassen, dann werden Sie eben nicht die breite Unterstützung finden, verehrter Herr Kollege Horlacher, die Sie haben müssen, um die Einfuhr- und Vorratsstellen auch zur Wirkung zu. bringen. In breiten Schichten der Verbraucher ist notwendigerweise der Eindruck entstanden, daß die Marktordnung bisher eben nur nach einer Seite funktioniert. Das kann auch nicht bestritten werden. Als das Getreide knapp war, wurde der Preis erhöht, und als es zuviel Butter gab, hat man dann dieses andere unglückselige Theater veranstaltet, von dem heute noch niemand weiß, wie man damit; fertig werden soll. Es ist im Interesse der Landwirtschaft außerordentlich bedauerlich, und ich halte es für ein ganz schlechtes Stück Agrarpolitik, daß, die Überzeugung von der segensreichen Wirkung, der Marktordnung der Einfuhr- und Vorratsstellen nach allen Seiten eben nicht mehr vorhanden ist. Unser Antrag hat u. a. auch dem Ziel gedient, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die gesamte Bevölkerung an diesen Dingen -interessiert ist.
Deshalb werden wir unseren Antrag nicht zurückziehen, und ich wiederhole die Bitte, die meine Kollegin Frau Strobel ausgesprochen hat: lassen Sie uns das Ganze im Ausschuß noch einmal besehen, nicht unter dem Gesichtspunkt der heutigen Schweinepreise in Frankfurt, sondern unter dem Gesichtspunkt der Preise, die mit Sicherheit kommen werden. Wenn Sie glauben, daß es nur auf den augenblicklichen Stand ankommt, daß man solche Dinge wirklich nur von heute aus sehen kann und daß man es sich leisten kann, die wenigen kommenden Monate nicht im voraus mit einzukalkulieren - in der Statistik ist diese Entwicklung schon heute deutlich erkennbar -, dann lehnen Sie unseren Antrag ab! Ihnen bleibt die Verantwortung dafür!
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
({0})
Loritz ({1}) : Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte heute nicht über die Streitfrage sprechen, ob ein gewisses Maß an Zollvergünstigungen für die deutsche Landwirtschaft notwendig ist oder nicht; darüber ließe sich so viel sagen, daß man es nicht in der knappen mir zugebilligten Fünf-Minuten-Redezeit erschöpfend behandeln kann. Aber ich möchte zu etwas ganz anderem hier Stellung nehmen, nämlich zu der Äußerung eines Vertreters der Regierungsparteien, des Herrn Abgeordneten Fassbender, über die Preisverhältnisse für Vieh und Fleisch.
Er sprach von dem „katastrophalen Sinken" der Fleischpreise auf dem Frankfurter Viehmarkt und glaubte dann, daraus Schlußfolgerungen ziehen zu können derart, wie wunderbar es doch in Deutschland sei, wie günstig die Versorgung der Bevölkerung sei und wie die Preise zurückgingen.
Leider hat die Bevölkerung bis jetzt noch gar nichts oder so gut wie gar nichts von diesem „katastrophalen Sinken" der Fleischpreise auf den Großmärkten gemerkt, und das ist die Schuld dieser Regierung! Ich sage nicht einseitig:, des Herrn Landwirtschaftsministers, weil ich genau weiß, wie dieser durch seine Kollegen und durch seinen obersten Chef Adenauer behindert ist. Aber es ist die Schuld dieser Regierung insgesamt, daß unsere Bevölkerung - und auf die kommt es an - noch verdammt wenig von diesem Sinken der Lebensmittelpreise gespürt hat.
Dann kam der lächerliche Zwischensatz von dem Herrn Abgeordneten Fassbender, in dem er mir Vorhalte machte, auf welchen Gebieten ich denn überall Sachverständiger sei. Als Herr Preusker heute hinsichtlich der gleichen Sache Zwischenrufe machte, hat ihm niemand von Ihnen diese Vorhalte gemacht! Ich glaube, der Ausbildung und meiner Tätigkeit nach - Herr Preusker, Sie sind, glaube ich, Rechtsanwalt, genau wie ich, Sie haben Volkswirtschaft studiert, genau wie ich -({2})
dürften wir beide in der Urteilsmöglichkeit auf dem Gebiet der Zollprobleme und der Fleischversorgung nicht voneinander verschieden sein.
({3})
Aber es kommt gar nicht darauf an, ob Sachverständige oder nicht, sondern darauf, daß die Fleischpreise heute noch so gut wie gar keine wesentliche Senkung erfahren haben. Da braucht man keinen Sachverständigen, um das feststellen zu können, da brauchen Sie nur die Millionen von Menschen zu fragen, die gezwungen sind, draußen in den Geschäften Fleischpreise zu zahlen, die sie nicht aufbringen können.
({4})
- Lesen Sie doch bitte selbst in Ihren Zeitungen die Zuschriften aus Kreisen der Hausfrauen, die sich mit Recht darüber beschweren, daß die meisten Familien draußen im Volk sich nicht zweimal in der Woche Fleisch kaufen können, namentlich die aus den Schichten der Arbeiter, der Angestellten und der Festbesoldeten. Allerdings, um diese Verhältnisse zu kennen, darf man nicht so ein „Sachverständiger" sein, wie mancher von Ihnen, und elegant mit einem Mercedes-Auto durch die Lande rauschen, sondern da muß man im Volk drinstehen.
({5})
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte nur noch einen Satz sagen; mein Vorredner hat schon darauf Bezug genommen. Wir wissen alle miteinander, daß sich in wenigen Monaten die Preistendenz auf den Lebensmittelmärkten wieder gründlich ändern kann; ich sage: auf den Großverkaufsmärkten.
({6})
Dann ist es nötig, daß die Regierung das Einfuhrventil richtig handhabt. Wenn Sie den Antrag der SPD hier ablehnen, meine Damen und Herren, dann machen Sie es unmöglich, in den Ausschüssen
({7})
und im Plenum auf die Regierung zu drücken, daß für diesen Fall das Einfuhrventil rechtzeitig geöffnet wird.
({8})
- Ihre lächerlichen Zwischenrufe dahinten beirren mich nicht, sondern zeigen mir nur, auf welchen Tiefstand bei Ihnen bereits die Debatte gesunken zu sein scheint.
Meine Dämen und Herren, meine. Redezeit ist
abgelaufen.
({9})
Ich möchte Ihnen eines sagen: Die Verhältnisse, die wir in den letzten zwei Jahren gehabt haben, dieses sinnlose Auf und Ab der Preise legt es uns allen als gebieterische Pflicht auf, rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen, daß die in wenigen Monaten vielleicht zu erwartende neuerliche Steigerung der Fleischpreise auf den Großviehmärkten durch eine vernünftige Importpolitik so abgefangen werden kann, daß der Verbraucher nicht zu Schaden kommt und umgekehrt auch die Landwirtschaft das erhält, worauf sie kraft ihrer Arbeitsleistung im Interesse des ganzen Volkes Anspruch hat.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Tobaben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Begründer des hier vorliegenden Antrags eigentlich bedauert. Es ist in dieser Zeit, in der die Schweinepreise unter die Rentabilität gesunken sind, wirklich kein Vergnügen, einen Antrag auf Aufhebung der Zölle zu begründen. Wenn im Verlauf dieser Begründung von Frau Strobel gesagt worden ist, es wäre wieder einmal vor der kurzsichtigen Interessenpolitik einer kleinen Gruppe kapituliert worden, dann meint man damit wahrscheinlich die Bauern. Uns hat man schon manchmal nachgesagt, daß wir über den Zaun unserer Höfe nicht hinaussehen. Aber dafür sehen wir vielleicht manchmal etwas klarer.
Ich bin allerdings mit Frau Strobel der Meinung, daß wir im nächsten Herbst mit einem Versorgungstal hinsichtlich der Fleischversorgung rechnen müssen. Mit ihr und mit dem Kollegen Kriedemann bin ich auch der Ansicht, daß etwas getan werden muß, damit wir dann nicht mit überhöhten Preisen rechnen müssen. Allerdings kann ich beiden Rednern auf dem vorgeschlagenen Weg unter keinen Umständen folgen, weil ich ihn für falsch halte. Wenn nach dem Vorschlag dieser Vorlage die Zölle jetzt aufgehoben würden und über die Vorratsstelle ein Einkauf im Ausland durchgeführt würde, dann würde das zwangsläufig ein Absinken der Produktion im eigenen Lande und den völligen Preiszusammenbruch zur Folge haben. Das würde aber als ein weiteres Ergebnis zeitigen, daß wir im Herbst mit einem noch größeren Mangel rechnen müssen, dem wir dann nur durch weitere Käufe im Ausland abhelfen können. Für den Fall, daß die Preise im Ausland im nächsten Herbst und Winter ansteigen, werden wir nur noch mit ganz erheblichen Subventionen in der Lage sein, den Fleischbedarf zu einem einigermaßen tragbaren Preis decken zu können.
Ich schlage daher vom Standpunkt des Bauern vor, daß heute, wo die Preise unter die Rentabilitätsgrenze abgesunken sind, die Vorratsstelleauf dem deutschen Markt einkauft, um die eingekaufte Ware auf den Markt zu bringen, wenn im Herbst das Versorgungstal kommt. Das wird dann wieder zu einer einigermaßen gerechten Preisgrundlage in der Gegenwart und damit zu einer Erhaltung der eigenen Produktion führen, das Versorgungstal um ein Erhebliches verkürzen und dem Verbraucher die Sicherheit geben, die er bei dem vorhin vorgeschlagenen Weg nicht haben kann. Ich glaube - und das möchte ich abschließend sagen -, wenn ein anderer Weg gegangen wird, dann haben die Einfuhrschleuse und die Vorratsstelle als marktausgleichende Faktoren ihren Sinn verloren.
Das Wort hat der Abgeordnete Struve.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Kriedemann glaubte, es sei nicht in erster Linie der derzeitigen Bundesregierung zu danken, daß wir mit unserer Agrarpolitik so einigermaßen über die Runden gekommen sind. Er verwies, und zwar mit Recht, auf den Fleiß innerhalb der deutschen Landwirtschaft, der tagtäglich immer wieder unter Beweis gestellt wird. Ich glaube, das Hohe Haus sollte sich darüber einig sein, daß auf der einen Seite die bewundernswerten Leistungen des deutschen Landvolkes und nicht zuletzt der deutschen Landarbeiter, mit nicht nur acht-, sondern mit zwölf- und mehrstündiger Arbeit, stehen. Auf der anderen Seite dürfen wir nicht vergessen, daß die Agrarpolitik unserer Bundesregierung diese Arbeit mit unterstützt und mit fördert und daß sie- dazu beigetragen hat, daß wir überhaupt diesen Leistungsstand erreicht haben.
Ich glaube weiter, der Herr Kollege Horlacher hat recht, wenn er sagt, einmal nur wird in der Landwirtschaft geerntet, einmal nur Getreide und einmal nur Hackfrüchte, und auf diesen baut sich die Veredelungswirtschaft auf. Nach meiner Auffassung ist der Bundesregierung dafür zu danken, daß sie so konsequent die Politik verfolgt hat, die Einfuhr verstärkt auf Rohstoffe, d. h. auf Getreide und auf künstlichen Dünger einzustellen. Wohin sollen wir mit über 90 % Kleinbauern im Bundesgebiet kommen, wenn nicht die Veredelungsarbeit der Kleinbauern gesichert wird? Ich glaube, diese Politik muß konsequent weiterverfolgt werden, wenn wir auf der einen Seite- ein weiter froh schaffendes Landvolk erhalten und auf der anderen Seite die Versorgung sicherstellen wollen.
Wie sieht es in der umstrittenen Fleischversorgung aus? Über 90 % des Bedarfs werden aus eigener Produktion gedeckt. Das Hohe Haus hat nach meinem Dafürhalten die Aufgabe, diese Produktionsquelle weiter zu erhalten. Hier befinden wir uns von den Regierungsparteien wohl in grundsätzlichem Gegensatz zu der Auffassung, die von der Opposition vertreten wurde. Wenn wir den Zoll an den Preisen der jeweiligen Woche auf den Märkten ablesen und die Zollpolitik darauf einstellen wollen, kommen wir mit unserer ganzen Agrarpolitik ins Rutschen; dann ist sie nicht möglich. Die gemeinsam vom Hohen Haus beschlossenen Marktordnungsgesetze sind allein die Grundlage für eine beständige Agrarpolitik und zu gleicher Zeit für eine gesunde Versorgungspolitik. Hier, Herr Kollege Horlacher, möchte ich allerdings Ihren Satz unterstreichen, die Marktordnungsgesetze und die in diesen Gesetzen geschaffenen Einfuhr- und Vorratsstellen haben keinen Sinn, wenn nicht das
({0})
nötige Geld zur Verfügung gestellt wird. Wir müssen klar erkennen - und in diesem Punkte bin ich mit dem Kollegen Kriedemann völlig einig -, daß Einfuhr- und Vorratsstellen ohne Geld Einrichtungen ohne Leben, ohne Wirklichkeit und ohne Funktionsfähigkeit sind.
Ich möchte deshalb zum Schluß das Hohe Haus bitten, daß der Antrag, dieses Einzelstück der Zollvorlagen erneut in den Ausschüssen zu beraten, abgelehnt wird. Wir werden uns sehr schnell zu Beschlüssen zusammenfinden, so wie sie auch von dem Kollegen Kriedemann hier angekündigt werden, wodurch die Vorratsstellen mit dem nötigen Geld versehen werden, damit einerseits die Agrarpolitik in Ruhe und Ordnung weiterentwickelt werden kann - und andererseits die derzeitige erfreuliche Versorgung des deutschen Volkes weiterhin sichergestellt wird.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Fassbender.
Meine Damen und Herren! Nur noch" din paar Worte. Ich bin mit Herrn Kriedemann darin einig, daß wir uns gelegentlich über das Wesen und das Arbeiten der Einfuhr- und Vorratsstellen und ihre Finanzierung noch einmal eingehend werden unterhalten müssen. Diese Stellen sind dazu da, sowohl für Erzeuger als auch für Verbraucher ein möglichst ausgeglichenes Preisniveau in Deutschland sicherzustellen. Ich bin überzeugt, auch da werden Sie dann mit uns auf einen Nenner kommen, damit der Ablauf der Dinge zum Segen des gesamten Volkes gesichert ist.
({0})
Ich komme nun zu dem Herrn Kollegen Loritz. Ich gebe Ihnen zu, Herr Kollege Loritz, Sie haben heute Ihren 50. Geburtstag und damit das Vorrecht, ganz besonders laut zu sein.
({1})
Aber Sie irren sich, wenn Sie sagen, die Bevölkerung könne das Fleisch nicht kaufen. Wollen Sie mir einmal sagen, Herr Kollege Loritz, wie es denn kommt, daß der Fleischverbrauch in Deutschland heute bereits den Vorkriegsstand erreicht hat.
({2})
- Ja, sicherlich, die Hunderttausende von Schweinen werden von den paar Millionären gegessen; bei ihrem Appetit halte ich das ohne Zweifel für möglich.
({3})
Dann möchte ich Ihnen noch eines sagen: Sie haben wieder einmal Großviehmärkte und Märkte schlechthin durcheinandergewürfelt. Ich habe ausdrücklich gesagt, auf den Großviehmärkten, so in Frankfurt, seien die Preise unter die HundertMark-Grenze pro 50 Kilo Lebendgewicht abgesunken. Wollen Sie gütigst damit zur Kenntnis nehmen, daß das die Preise sind, die die Landwirtschaft abzüglich Handelsunkosten und Spesen vom Markt bekommt.
({4})
- So, das wissen Sie. Hier dreht es sich darum: Sind die Preise für die Landwirtschaft, die sie bekommt, noch rentabel und tragbar oder nicht? Aber es ist sinnlos, mit Ihnen zu diskutieren; es ist völlig zwecklos. Sie sind mir auf zu vielen Gebieten Sachkenner. Sie entwickeln sich in diesem Hohen Hause langsam zu einem Universalgenie,
({5})
und ich hoffe, daß man Ihnen die Möglichkeit gibt,
Ihre universellen Kenntnisse an irgendeiner Stelle,
({6})
bloß nicht hier, zum Tragen zu bringen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt nicht zur Sache sprechen, ich möchte nur den Irrtum des Abgeordneten Loritz richtigstellen, daß ich Rechtsanwalt sei. Ich bin nämlich Volkswirt. Aus Anlaß Ihres 50. Geburtstages möchte ich Ihnen aber auch
({0})
- hören Sie doch erst einmal zu - den guten Rat geben, daß Sie sich in Zukunft im Bundestag etwas mehr mit den Gebieten beschäftigen, von denen Sie Ihrer Ausbildung nach etwas verstehen, anstatt mit den Eier- und Schweinepreisen, denn ich beschäftige mich auch mit volkswirtschaftlichen und wirtschaftlichen und nicht mit den rechtlichen Dingen.
({1})
Weitere Wortmeldundungen zu diesem Punkt liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zunächst über den Antrag auf Zurückverweisung des Antrags der SPD an die beiden Ausschüsse abstimmen. Wer für die Zurückverweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun lasse ich über den Antrag des Ausschusses abstimmen. Wer für den Antrag des Ausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Mit derselben Mehrheit ist dieser Antrag angenommen.
Punkt 6 e:
Fortsetzung der Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Dr. Horlacher, Dannemann, Eichner, Tobaben und Genossen betreffend Gleichgewicht im Zollsystem ({0}).
({1})
Zu diesem Punkt ist schon von verschiedenen Rednern gesprochen worden. Ich nehme an, daß weitere Wortmeldungen nicht erfolgen, so daß dieser Punkt als erledigt gelten kann.
Damit ist der ganze Punkt 6 der Tagesordnung erledigt.
Nunmehr zurück zu Punkt 5 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 ({2});
({3})
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({4}) ({5}).
({6})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Freiherrn von Fürstenberg als Berichterstatter.
Dr. Freiherr von Fürstenberg ({7}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 3168 - Entwurf eines Gesetzes über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 - stand zur ersten Beratung in der 200. Sitzung zusammen mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines ersten Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1951 und dem Entwurf eines Gesetzes über den Finanzausgleich unter den Ländern in den Rechnungsjahren 1951 und 1952.
Der Gesetzentwurf in Drucksache Nr. 3168 wurde zur Beratung dem Ausschuß für Finanzen und Steuern - federführend - überwiesen, dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung, nachdem eine Zuständigkeitsdebatte zwischen den Herren Wellhausen und Bausch vorausgegangen war. Im Ausschuß für Finanzen und Steuern entschied sich eine Mehrheit von 12 zu 7 Stimmen dafür, dem Gesetzentwurf unverändert zuzustimmen. Der Haushaltsausschuß hat der Gesetzesvorlage mit demselben Stimmenverhältnis wie der Finanzausschuß zugestimmt. Die Auffassung der Opposition besagte, daß sie gegenwärtig den Zeitpunkt für eine Entscheidung noch nicht als gegeben sehe; die Bestimmung in Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes sehe diese Möglichkeit nur für den Fall vor, daß die Ausgaben des Bundes nicht durch andere Einkünfte gedeckt seien. Das setze also die Vorlage dés kompletten Haushaltsplans voraus, aus dem der entsprechende Fehlbedarf ersichtlich sei.
Die Vertreter der Regierungsparteien im Ausschuß für Finanzen und Steuern erklärten sich mit den bisherigen Vorlagen des Herrn Bundesfinanzministers zufriedengestellt, d. h. dem Gesamtplan des Wiederholungshaushalts 1952, dem Gesamtplan des Vorentwurfs zum Nachtrag des Bundeshaushaltsplans, den Erläuterungen der Ressorts zu ihren Anforderungen und der Versicherung des Herrn Bundesfinanzministers in seinem Brief an die Länderfinanzminister vom 12. März dieses Jahres, daß er an der Ressortanforderung 1,5 Milliarden DM abstreichen werde. Auf Grund dieser Unterlagen glaubten die Vertreter der Regierungsparteien im Ausschuß für Finanzen und Steuern das Verlangen des Bundesfinanzministers nach 40 %iger Beteiligung des Bundes als gerechtfertigt bejahen zu können und zu müssen. Die Mehrheit des Ausschusses ließ sich außerdem von dem Gesichtspunkt leiten, daß Eile geboten sei, weil die bisherige Regelung, die eine Bundesbeteiligung von 27 % vorsah, am 31. März zu Ende gegangen ist, so daß zur Zeit ein gesetzloser Zustand besteht, der für beide Teile um so weniger erträglich ist, als sich die Beteiligung nach dem Kassenprinzip vollzieht. Die Mehrheit des Ausschusses empfiehlt die Annahme der Vorlage.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat Minister Troeger für den Bundesrat.
Dr. Troeger, Finanzminister des Landes Hessen, Mitglied des Bundesrates: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geben Sie mir kurze Zeit zur Begründung der Stellungnahme des Bundesrates zu dieser für die Länder so außerordentlich wichtigen Gesetzesvorlage. Der Bundesrat hat im ersten Durchgang eine Entschließung gefaßt, in der er eigentlich nur zwei Gedanken zum Ausdruck brachte. Erstens: Die Gesetzesvorlage kommt verfrüht, und zweitens: Die Länder als Ganzes genommen könnten die beanspruchte Erhöhung des Anteils des Bundes am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht ohne Nachweis eines Fehlbetrags leisten oder in ihre Haushaltspläne einsetzen.
Der Herr Bundesfinanzminister - um die Situation vom Standpunkt der Länder und des Bundesrats sehr klar zu kennzeichnen - sagte, er brauche mehr als diese 40 % Anteil am Aufkommen der Einkommen- und Körperschaftsteuer, nach den Zahlen aus den Verhandlungen, an denen ich persönlich teilgenommen habe, brauche er eigentlich anderthalb Milliarden mehr, und es sei schon eine bedenkliche finanzpolitische Maßnahme, daß er sich diese anderthalb Milliarden im Wege kurzfristiger Mittelbeschaffung hereinholen wolle. Zweitens sagte der Herr Bundesfinanzminister, die 40 % könnten die Länder glatt vertragen. Eine solche Belastung sei ihnen zumutbar; denn es bliebe ihnen dann derselbe Einnahmeplafond, wie sie ihn im Jahre 1951 hatten, und das sei ausreichend.
Um diese Gedanken kreist eigentlich die Diskussion zwischen dem Bundesrat oder den Ländern einerseits und dem Herrn Bundesfinanzminister andererseits. Der Bundesrat sagt nun: Was der Bund im Rechnungsjahr 1952 braucht, das kann bis heute niemand sagen oder gar beweisen und belegen; denn der Haushaltsplan 1952 soll ein Wiederholungsplan des Haushalts 1951 sein. Da aber der Haushaltsplan 1951 mit seinem letzten Nachtrag noch gar nicht festgestellt ist, kann man nicht wissen, wie dieser Wiederholungsplan 1952 aussehen wird. Der Wiederholungsplan allein macht aber noch nicht den Etat von 1952 aus, sondern es muß ihm als eine bedeutungsvolle Ergänzung der Nachtragsetat von 1952 folgen. Dieser Nachtragsetat ist noch nicht einmal als Referentenentwurf vorhanden.
Nun hat der Herr Bundesfinanzminister den Finanzministern der Länder und dem Bundesrat umfangreiche überschlägliche Berechnungen vorgelegt, um glaubhaft zu machen, daß er diese 40 % benötigt. Der Bundesrat ist der Auffassung, solche überschläglichen Berechnungen sind keine Grundlage zum Nachweis des Ausgabebedarfs des Bundes, wie er die Grundlage für die Inanspruchnahme der Einkommen- und Körperschaftsteuer nach Art. 106 Abs. 3 wäre.
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Wenn man aber von diesem rechtlichen Bedenken absehen wollte, so ergibt sich aus den Zahlen, die ich einmal ganz kurz hier anführen darf, folgendes.
Die überschläglichen Berechnungen geben zu mancher Kritik Anlaß. Ich darf das an ein paar Beispielen erläutern. In einer Aufstellung, die wir am 12. März 1952 bekommen haben, wurde erklärt, die Mehranforderungen der Ressorts für den Etat 1952 betragen 4 350 000 000 DM. Der Herr Bundesfinanzminister wollte sich stark machen, davon anderthalb Milliarden abzustreichen, blei({1})
ben 2 850 000 000 DM übrig. Wir sind der Auffassung, daß diese Rechnung deswegen nicht ganz stimmt, weil sie noch um 1 650 000 000 DM aus der Technik der Etataufstellung erhöht werden muß, nämlich die 1 650 000 000 DM, die sich aus dem Ausgabe-Soll und dem Ausgabe-Ist des Rechnungsjahres 1951 ergeben; eine Berechnung, die in der Gesetzesbegründung zu finden ist. Ergebnis: der Bund würde im Rechnungsjahr 1952 viereinhalb Milliarden mehr ausgeben als im Rechnungsjahr 1951. Das sind 27 %-des Gesamtausgabesolls von 1951. Selbst wenn man den Verteidigungsbeitrag und das Mehr von 1,6 Milliarden aus der Diskussion lassen wollte, wären es immer noch 2,9 Milliarden oder 14 %.
Nun sagt der Bundesrat: Wenn der Ausgangspunkt der Überlegungen des Herrn Bundesfinanzministers ist, die Länder könnten mit ihrem- Einnahmeplafond und damit natürlich auch mit dem Ausgabeplafond von 1951 auskommen, dann könnte man dem Bund doch nur mit Fug und Recht zurückgeben: „Du auch!". Daß davon bisher keine Rede war und daß darüber überhaupt keine exakten Zahlen und Unterlagen vorliegen, ist auch einer der wesentlichen Gründe, weshalb der Bundesrat der Auffassung ist, daß diese Vorlage zu früh kommt. Selbst wenn es also bei dem Plafond des Bundes von 1951 bliebe, so darf man - darauf darf ich kurz hinweisen - nicht vergessen, daß der Etat von 1951 des Bundes 1 850 000 000 DM einmalige Ausgaben hatte. Es bliebe also auch dann noch eine sehr erkleckliche Summe für finanzielle Bewegungsfreiheit oder als Reserve, wie Sie es bezeichnen wollen, übrig.
Der Bundesrat ist aber auch darüber ägriert, daß ihm oder den Ländern, die sehr erhebliche -Fehlbeträge aus der Vergangenheit mit sich schleppen, zugemutet wird, auf die Deckung dieser Fehlbeträge praktisch zu verzichten, wahrend in den Zahlen des Bundesfinanzministers 657 Millionen Fehlbetrag 1950 im ordentlichen Etat enthalten sind. Was die einen nicht können, sollte auch der andere zu Lasten der Länder nicht können, - eine grundsätzliche Meinung in der Diskussion.
Dazu ist noch ein weiteres Wort zu sagen. Dieser Fehlbetrag macht nur 362 Millionen im ordentlichen Haushalt aus. Der Differenzbetrag von 295 Millionen betrifft den außerordentlichen Etat des Bundes von 1950. Nun sind die Länder und der Bundesrat der Auffassung, daß es gar nicht zulässig ist, Fehlbeträge des außerordentlichen Etats über Art. 106 Abs. 3 zu Lasten der Länder abzudecken.
Noch ein anderer Gesichtspunkt kommt hinzu. Zum Beispiel enthalten die Zahlen über den Bedarf für 1952 Ausgaben, für welche gesetzliche Grundlagen fehlen, z. B. ist das Lastenausgleichsgesetz nicht da, das Flüchtlingsrentengesetz ist nicht da, das Gesetz über den Verteidigungsbeitrag ist nicht da, noch nicht einmal im Referentenentwurf, und schon stehen die Ausgaben in der Rechnung und schon sollen die Länder dazu beitragen.
Vielleicht ließe sich auch mancher Hinweis darauf geben, daß in ihm Mehraufwendungen enthalten sind, über deren Notwendigkeit sich streiten ließe. Ich möchte darauf im einzelnen nicht eingehen, sondern nur sagen: Die Länder sind der Auffassung, daß keineswegs nachgewiesen ist, was der Bund im Rechnungsjahr 1952 wirklich braucht; wir wissen nur, was der Herr Bundesfinanzminister wünscht,
Und nun zur zweiten Frage! Wenn der Herr Bundesfinanzminister sagt, das alles sei vom Standpunkte der Gesamtfinanzpolitik nicht so sehr interessant, die Länder seien ja durch den einmaligen Plafond von 1951 saturiert, so lassen Sie mich dazu einen einzigen Hinweis geben! Wenn das Lastenausgleichsgesetz von dem Hohen Hause so angenommen werden sollte, wie es Ihnen in Kürze für die zweite Beratung zugehen wird, so werden nach unseren Berechnungen die Länder gegenüber 1951 zusätzlich mit 600- Millionen belastet. Das wären in der Gesamtberechnung weitere 6 % des Gesamtaufkommens der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Wir würden also, wenn beide Gesetze durchgehen, nicht mit 40 % zusätzlich gegenüber 1951, sondern eben mit 46 % belastet sein - eine Summe, die am Ende der Herr Finanzminister selbst wohl nicht für akzeptabel erklären wird.
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So sind wir eben der Auffassung: Das Gesetz ist verfrüht. Die Vorlage sollte, wie es in der Entschließung des Bundesrates vom 29. Februar zum Ausdruck gekommen ist, so lange zurückgestellt werden, bis man darüber auf Grund von schriftlichen Unterlagen, insbesondere des Entwurfs für den Haushaltsplan 1952, diskutieren kann, und inzwischen die Verhandlungen aussetzen oder unterbrechen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine Damen und Herren! Über die Gesamtlage des Bundeshaushalts für 1952 und die Rechtfertigung des Gesetzes, die sich daraus ergibt, möchte ich heute nicht ausführlich sprechen, weil ich alle Zahlen und Unterlagen, die ich in der 200. Sitzung dieses Hauses gegeben habe, voll aufrechterhalten muß. Ich möchte mich zunächst auf die beiden Einwände beschränken, die der Vertreter des Bundesrats hier vorgetragen hat. Der eine Einwand ging dahin, daß der Gesetzentwurf verfrüht sei.
Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf ist jetzt schon eigentlich zu spät! Das ist meine Antwort.
({0}) Denn tatsächlich liegen die Dinge doch so. Die Herren Länderfinanzminister werden mir nicht die Erklärung geben, daß sie den strittigen Betrag, also die Differenz zwischen 27 % und 40 %, etwa auf das Konto dessen legen werden, den es künftig angeht, also daß sie diese Summe für den Fall sicherstellen, daß später der Bedarf auch nach ihrer eigenen Meinung nachgewiesen ist. Sie wissen ferner genau, daß ein Finanzminister das ganze Jahr berechnen muß; und wenn er weiß, daß er - was eine alte Erfahrung ist - im ersten Haushaltshalbjahr vielleicht geringere Ausgaben, im zweiten Haushaltshalbjahr dagegen regelmäßig sehr hoch ansteigende Ausgaben haben wird, und wenn er dann 40 % nicht für 12 Monate, sondern, wie es der stille Wunsch ist, nur für 6 Monate erhält, dann reichen die Beträge eben nicht aus, weil die Länderfinanzminister das Geld der ersten 6 Monate ausgegeben haben und es dem Bunde auf Grund seiner ganzen Struktur nicht möglich ist, die Rückstände, auch wenn das gesetzlich festgelegt ist, beizutreiben. Ich darf die Herren des. Bundes({1})
rats daran erinnern, daß wir heute noch Rückstände für die Deckung des Fehlbetrags 1949 haben, für welche die Länder haften und die die Länder heute noch nicht bezahlt haben.
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Ich darf doch darauf hinweisen, daß die Interessenquoten des Jahres 1950 bei vielen Ländern noch rückständig sind
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und trotz der Einkommenssteigerung, der Länder im vergangenen Jahre bis heute nicht gezahlt worden sind.
({4}) Deswegen darf ich sagen, daß das Bemühen, einen Gesetzentwurf zeitlich zu verzögern und als verfrüht zu bezeichnen, den Bundesfinanzminister an die Geduld und die Mühe erinnern muß, mit der er sich um die rückständigen, im Verhältnis zu diesen Summen noch sehr kleinen Beträge bemühen mußte, um sie wenigstens zum Teil der Rechtsverpflichtung der Länder entsprechend beizubringen.
Das ist zu dem Einwand „verfrüht" zunächst einmal vom Standpunkte des Bundesfinanzministers aus zu sagen. Aber ich darf doch auch jeden daran erinnern, daß es die Haushalte nun einmal so an sich haben, im Laufe des Jahres nicht einzuschrumpfen, sondern zu wachsen.
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Man kann unmöglich den Einwand bringen: Der Haushaltsplan des Jahres 1952/53 ist noch nicht fertig, infolgedessen kann der Bund die Mittel für das Haushaltsjahr 1952/53 nicht anfordern. Jeder Finanzminister muß am Beginn des Jahres den voraussichtlichen Bedarf des Jahres wissen und angeben können.
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Jeder Finanzminister muß selbst in Zeiten, in
denen das Haushaltsgesetz des Jahres noch nicht
bewilligt und parlamentarisch abgeschlossen ist,
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sogar Steuergesetze vorlegen, weil er weiß, -daß der Bedarf an ihn herantritt. Wir haben auch im vorigen Jahr die großen Steuergesetze - Umsatzsteuer-und Einkommensteuerreform - zu einer Zeit beschlossen, -da der Haushalt des Jahres 1951/52 parlamentarisch noch nicht abgeschlossen war und noch nicht abgeschlossen sein konnte.
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Wenn der Finanzminister und der Bundestag mit diesen Steuergesetzen damals gewartet und gesagt hätten: „Das Haushaltsgesetz ist noch nicht abgeschlossen, deswegen können wir dem Finanzminister für den voraussichtlichen Bedarf des Jahres 1951/52 die Mittel durch die neuen Steuergesetze nicht bewilligen", dann hätten wir im Jahre 1951/52 den finanziellen Bankrott -des Bundes gehabt.
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Wir haben auch im Jahre 1950/51, als wir das erste Mal -den Bundesanteil gemäß Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes eingehoben und neu eingeführt haben, von keiner Seite den Einwand gehört, daß das nicht geschehen könne, weil damals ein Haushaltsgesetz noch nicht beschlossen war und noch noch nicht beschlossen sein konnte. Es liegt in der Natur der Sache, daß jeder, der für die Haushaltsgebarung einer öffentlichen Körperschaft verantwortlich ist, am Beginn des Jahres nachrechnen
muß, welche Einnahmequellen er für den Lauf des Jahres braucht, und das nicht davon abhängig machen kann, ob ein Haushalt bereits gesetzlich genehmigt ist oder nicht. Im Deutschen Reich ist in -den Jahren 1918 bis 1933 nur in zwei Jahren das Haushaltsgesetz bis zum verfassungsmäßigen Termin beschlossen worden, in allen anderen Jahren selbstverständlich erst am Ende des Jahres oder erst im nächsten Haushaltsjahr.
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Wenn dann eine Deckung der Ausgaben nicht bewilligt würde, weil es verfrüht sei, die Einnahmen zu bewilligen, und der Haushaltsentwurf noch nicht parlamentarisch genehmigt sei, dann treibt man in das Chaos hinein, und diejenigen, die die Ausgaben eines Jahres zwar voraussehen, aber mit einer solchen Begründung nicht für die Deckung sorgen, sind dann letzten Endes für das Chaos auch verantwortlich.
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Ich möchte also feststellen, daß die Dinge heute wie folgt liegen. Der Bundesrat hat seinerzeit beim ersten Durchgang des Gesetzes durch den Bundesrat den Wunsch ausgesprochen, daß ihm die Unterlagen des künftigen Haushalts gegeben werden. Er hat ganz genau gewußt, daß ihm in dieser kurzen Zeit nicht das Haushaltsgesetz gegeben werden kann. Ich habe die Unterlagen, wie sie damals waren, dem Bundesrat gegeben. Ich habe dem Bundesrat gesagt, daß die Unterlagen das eine beweisen, daß der Bundesfinanzminister eine noch größere Energie aufwenden muß, um die Ansprüche,- die- an den Bundeshaushalt herantreten, abzuwehren und sparsam zu sein, als -der einzelne Landesfinanzminister, der in dieser Zeit an mich herantritt und sagt: „Bei 40 % Anteil kann ich nicht so viel ausgeben wie bei 27 %" - was ich selbstverständlich zugebe -, „und infolgedessen kann ich manche Ausgaben nicht machen, die ich bei 27 % machen -kann." Auch das gebe ich zu. Aber meine Antwort - und- das sollten die Unterlagen beweisen -: Trotz der 40 % ist -das Erfordernis der Sparsamkeit, das Erfordernis, Ausgabenanträge abzulehnen, im Bund unendlich und auch prozentual höher, als es in den Ländern ist. Das war der 'Sinn, warum ich diese Unterlagen gegeben habe.
Ich habe aber in Ergänzung dieser Unterlagen - das ist -das Entscheidende! - den Herren gesagt, wie sich meiner Überzeugung nach der Mindestbedarf des Bundes in diesem Jahr gestaltet. Ich habe zunächst die Ziffern des Jahres 1951 gegeben. Meine Damen und Herren, bei diesen Ziffern nun auszurechnen, was bei einzelnen Positionen an Einsparungen eingetreten ist, und zu verschweigen, daß bei anderen Positionen eine Erhöhung eingetreten ist, würde ein falsches Bild geben. Für dieses Haus genügt die eine Tatsache: ich habe in meinen Ausführungen in der 200. Sitzung angegeben, daß ich im ganzen im Jahre 1951/52 mit einem Fehlbetrag - also einem Überschuß von Ausgaben über die Einnahmen - von 588 Millionen DM rechnen muß. Ich habe damals schon darauf hingewiesen, daß ich den Vorbehalt aussprechen -muß, daß nicht in den letzten Monaten gerade auf dem Gebiet der Besatzungskosten und anderer Ausgaben Unerwartetes geschieht. Es ist Unerwartetes geschehen, und ich muß dem Hohen Hause heute mitteilen, daß ich im Jahre 1951/52 leider Gottes nicht mehr mit einem Fehlbetrag von 588 Millionen DM, sondern
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mit einem Fehlbetrag rechnen muß, der vielleicht an die tausend Millionen . herankommt.
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So ist die Situation!
Wenn ich nun weiß, daß der Bund im Jahre 1951/52 mit diesem Fehlbetrag, mit diesem Überschuß der ungedeckten Ausgaben, abschließen muß, dann hilft mir die Redewendung: „Der Bund hat ja im letzten Jahr 1600 Millionen DM im außerordentlichen Etat gehabt und mußte sie abziehen von seiner Rechnung", wirklich nichts. Die ganze Welt weiß, welchen Charakter diese 1600 Millionen DM gehabt haben. Die ganze Welt weiß, daß das Besatzungskosten gewesen sind. Die ganze Welt weiß, daß ich infolgedesen gezwungen war, diese Ausgaben im außerordentlichen Etat zu leisten, auch wenn ich eine entsprechende Einnahme aus Anleihen nicht erhalten habe. Die ganze Welt weiß, daß diese 1600 Millionen DM das Risiko gewesen sind, das der Bundesfinanzminister bei Beginn des Rechnungsjahrs 1951/52 auf sich genommen hat. Das Wort „außerordentlicher Etat" hätte bei diesen Betrachtungen nur dann eine Bedeutung, wenn der außerordentliche Etat insofern freiwillige Ausgaben enthält, als sie eingespart werden können, wenn die Anleihe nicht zustande kommt. Wir haben es im vergangenen Jahr auch mit langfristigen Anleihen versucht. Der Erfolg ist bekannt. Es war letzten Endes ein Versuch, um der Öffentlichkeit nachzuweisen, daß zwar nichts unversucht bleiben soll, daß es aber so kurze Zeit nach einem Zusammenbruch und nach einer Währungsumstellung in der Zeit des Wiederaufbaues, wo jeder Private Gelegenheit hat, beim eigenen Wiederaufbau sein Erspartes mitzuverwenden, für den Bund unmöglich ist, langfristige Milliardenanleihen im In- oder Ausland zu erhalten.
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Man muß sich deswegen mit der Tatsache abfinden, daß, wenn Dinge wie Besatzungskosten im außerordentlichen Haushalt stehen, das dieselbe Bedeutung hat, als wenn sie im ordentlichen Haushalt stehen, weil sie genau so gedeckt werden müssen.
Wenn wir also das Jahr 1951/52 im Abschluß nehmen, haben wir hier schon den Überschuß der Ausgaben über die Einnahmen. Wir haben - und darauf habe ich hingewiesen - im nächsten Jahr gegenüber den Zahlen, die wir in der Drucksache Nr. 3168 vorgelegt haben und die nicht bestritten werden können, mit neuen Mehrausgaben zu rechnen. In der Drucksache Nr. 3168 war zunächst mit Besatzungskosten oder einem Verteidigungsbeitrag von 8000 Millionen DM gerechnet. Das Soll im Jahre 1951 ist über 7600 Millionen DM gewesen. Wir haben nach den Erfahrungen der ersten zehn Monate gehofft, mit einem geringeren Betrag durchzukommen; das steht auch in der Drucksache Nr. 3168. Die Wirklichkeit ist über unsere Hoffnungen hinweggegangen. Wir werden das Soll nicht nur erreichen, sondern voraussichtlich übersteigen. Wenn ich an das nächste Jahr denke, so muß ich, auch wenn wir keinen Verteidigungsbeitrag bekommen, bei den Tatsachen, die sich bisher auf dem Gebiet der Besatzungskosten zeigen, sagen, daß die Summe von 8800 Millionen DM wahrscheinlich nicht nur erreicht, sondern überstiegen werden wird. So sind die Verhältnisse! Also, ob Verteidigungsbeitrag oder nicht: die äußere Last und der Kampf um die Erhaltung des Friedens, gleichgültig ob in Form der Besatzungskosten oderin Form des Verteidigungsbeitrags - das kann nach dem Stand von heute nicht mehr bestritten werden -, werden wenigstens 8800 Millionen DM erfordern, so daß sich gegenüber den Rechnungen, die in der Drucksache 3168 aufgestellt sind, schon ein Mehrbetrag von weiteren 800 Millionen DM ergibt.
In der Drucksache Nr. 3168 sind wir - um das einzuschieben - von folgendem Grundsatz ausgegangen. Der Art. 106 Abs. 3 ist im Vorjahr gerade auf Wunsch der steuerschwachen Länder angewendet worden. Ich betone das speziell für die Herren des Hauses, die die Dinge grundsätzlich von der föderalistischen Seite aus beurteilen. Wir hatten vor dem Jahre 1951 das System der Interessenquoten. Wir haben dieses System verlassen und sind in Übereinstimmung mit dem Willen des Bundesrates zu dem System des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer übergegangen, weil die steuerschwachen Länder unter dem System der Interessenquoten zusammengebrochen wären.
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Um der Rettung der steuerschwachen Länder willen also ist das System des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer eingeführt worden. Wer heute an einen andern Weg denkt, wer heute an Interessenquoten denkt, der würde die steuerschwachen Länder in Deutschland dem finanziellen Ruin ausliefern. So liegen tatsächlich die Dinge. Wir haben im Vorjahre dieses System deswegen eingeführt, weil sich erwiesen hat, daß die steuerschwachen Länder nur leben können, wenn die Schlüsselung nach der Steuerkraft - das ist die innere Berücksichtigung des Steuerschwachen gegenüber dem Steuerstarken - getroffen wird.
Nun darf ich gerade als Föderalist noch etwas weiteres sagen. Die Länder sollen einmal daran denken, was mit ihnen geschähe, wenn der Bund nicht da wäre. Wenn der Bund nicht da wäre, dann wären Aufgaben vorhanden, die ohne weiteres von den Ländern getragen werden müßten. Ich nenne nur die Besatzungskosten. Wir haben in allen elf Ländern den Krieg verloren und in allen elf Ländern eine fremde Besatzung.
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Die Soziallasten sind in allen elf Ländern vorhanden, und in manchen Ländern, gerade in den steuerschwachen, ist das Elend besonders kumuliert. Die Finanzhilfe Berlin ist eine allgemeine deutsche - Aufgabe.
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Subventionen und Wirtschaftsförderung dienen der gesamten deutschen Wirtschaft. Im Jahre 1951 haben die Ausgaben dafür zusammen 16,7 Milliarden DM betragen. Die gesamten Steuereinnahmen des Bundes waren in diesem Jahre mit 15,6 Milliarden DM mit weniger als dieser Summe angesetzt. Die gesamten Ausgaben, die mit dem Bund unmittelbar zusammenhängen, betragen gegenüber den 16,7 Milliarden DM nur 1,4 Milliarden DM. Der Bund hat in erster Linie die Aufgabe, als Ausgleich unter den Ländern zu fungieren.
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Daran sollten Sie denken.
Wenn die Länder, wie heute im Laufe der Debatte vorgeschlagen worden ist, empfehlen, gewisse Aufgaben, die entweder der Bund oder die Länder tragen könnten, wie z. B. den Wohnungsbau, im Bund zu unterlassen und es den Ländern
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zu überlassen, die Mittel aufzubringen, dann muß ich genau wie bei der Interessenquote sagen: dann würden gerade die steuerschwachen Länder, in denen der Bedarf an Wohnungsbauten wegen der Heimatvertriebenen und wegen der Kriegszerstörungen am stärksten ist, am wenigsten in der Lage sein, Wohnungen zu bauen.
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Der Bund ist es, der hier den Ausgleich schaffen kann und der es als seine Aufgabe betrachtet, diesen Ausgleich zu schaffen. Das kann aber der Bund nur, wenn er finanziell dazu in der Lage ist. Die Länder dürfen den Bund nicht nur als Ausgleich betrachten, wenn es sich um Ausgaben handelt, die ihnen wieder zufließen; sie müssen ihn auch bei der Einnahmengestaltung als Ausgleich betrachten. Ich kann nicht immer sagen: Das ist meine Steuer und das ist deine Steuer. Ich kann nicht sagen: die Einkommensteuer ist meine Steuer - vom Land aus gesprochen - und die Umsatzsteuer ist deine - des Bundes - Steuer. Die Steuern dienen der Gesamtaufgabe, das deutsche Volk und die deutsche Wirtschaft lebend zu erhalten.
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Die Gesamtaufgaben des deutschen Volkes sind aus der Kraft der gesamten deutschen Steuerzahlerschaft zu tragen.
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- Ich komme sehr rechtzeitig.
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Meine Auffassung über ein brüderliches Verhältnis zwischen Bund und Ländern und über ein Verstehen ist, daß ein Volk, das nicht gezwungen, sondern ein Volk, das freiwillig. die gemeinsamen Aufgaben leistet, es sich auch leisten kann, der Eigenart des einzelnen Lebens- und Spielraum zu lassen.
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Das eine muß mit dem anderen gehen.
Ich muß an dieser Stelle einmal von den Notwendigkeiten, von dem „in necessaris unitas" reden; denn das Geld und die Aufwendungen, die aus dem Geld gemacht werden, sind necessaria, die in erster Linie befriedigt werden müssen.
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Ich habe darauf hingewiesen, daß gegenüber den Angaben der Drucksache Nr. 3168, in der bereits ein zu erwartender Ausgabenüberschuß in der Höhe dessen, was die Länder an den Bund mit den 13 % mehr abliefern sollten, nachgewiesen war, inzwischen neue Ausgaben angefallen sind; in erster Linie diese 800 Millionen DM, von denen ich annahm, daß die Länderfinanzminister sie ohne weiteres von der ersten Stunde an in Rechnung stellen. Denn bevor dieser Entwurf kam, habe ich den Herren Länderfinanzministern bereits ein Bild gegeben und ich habe ihnen damals schon gesagt, daß für Besatzungskosten oder Besatzungskosten und Verteidigungsbeitrag praktisch mit einer Summe von rund 9000 Millionen DM zu rechnen sein wird. Ein zweiter Posten, der unvermeidlich ist, ist der Posten Wohnungsbau mit rund 192 Millionen DM, der hinzutrat.
Ein dritter, strittiger Posten ist ein Posten „Deckung des Fehlbetrags des Bundes aus dem vorigen Jahr". Wenn ich einen Vergleich zwischen den Ländern und dem Bund ziehe, so kann ich auf beiden Seiten nur den gleichen Maßstab anlegen.
Wenn ich bei den Ländern zur Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit annehme, daß sie der haushaltsordnungsmäßigen Pflicht der Abdeckung der Fehlbeträge früherer Jahre nachkommen, dann muß ich selbstverständlich bei dem Gegenpartner, dem Bund, dieselbe Voraussetzung in Ansatz bringen. Es wäre auch unmöglich, den Bund darauf zu verweisen, daß er die Fehlbeträge der früheren Jahre nicht als Ausgaben in seinen Haushalt einsetzen kann. Das würde heißen, den Bund auf die Dauer der Zeit zu einer Finanzpolitik der Überschuldung und des ständig steigenden Fehlbetrags zu veranlassen. Das ist unmöglich.
Dann kommen einzelne kleinere Posten. Der größte davon, ein 50-Millionen-Betrag, ist die voraussichtliche Erhöhung der Hilfe an die Stadt Berlin.
Wenn ich das zusammenrechne, ergibt sich daraus schon, während in der Drucksache Nr. 3168 ein Fehlbetrag von 1400 Millionen DM errechnet war, durch die neuen Verhältnisse unweigerlich ein weiterer Fehlbetrag von 1400 Millionen DM, insgesamt also ein Fehlbetrag von 2850 Millionen DM. Diese Summe hatte ich Ihnen das letztemal genannt und muß sie heute leider aufrechterhalten, unter der Voraussetzung, daß es mir gelingt, gewisse Ausgabenansprüche, die auch aus diesem Haus an mich herangetragen werden, abzuwehren. Selbst unter dieser Voraussetzung ist mit dem Überschuß der Ausgaben über die Einnahmen zu rechnen.
Nun taktieren aber Bund und Länder - ohne irgendeinen Vorwurf auszusprechen - etwas verschieden. Wenn die Länder heute davon reden, daß sie nur 27 % - und nicht etwa mehr - zugestehen sollten, so glaube ich mit Fug und Recht annehmen zu dürfen, daß das etwas ist, was ich „vorbieten" heiße. Das heißt, daß man rechnet, doch zu einer mittleren prozentualen Lösung zu kommen und möglichst wenig anbietet, um beim Kompromiß möglichst gut abzuschneiden.
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Das sollte zwischen Bund und Ländern nicht der Fall sein. Ich habe im Vorjahre wie heuer in ehrlicher Überzeugung das angeboten, was ich vom Standpunkt des Bundes aus für das Wenigste und vom Standpunkt der Länder aus für erträglich gehalten habe. Wenn ich nach innerer Überzeugung damit rechnen muß, daß die nichtgedeckten Ausgaben des Bundes, Ausgaben also, die ich durch andere Einnahmen - langfristige Anleihen einerseits, neue Steuern andererseits - nicht decken kann, einen Betrag von 2850 Millionen DM erreichen, so muß ich mich vor dem Hohen Hause hier als Vertreter des Bundes ja entschuldigen, warum meine Anforderung an die Länder nur auf 40 % und nicht höher berechnet wurde.
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Gewiß, meine Damen und Herren, ich muß mich vor dem Hohen Hause, vor dem Bund damit entschuldigen. Ich muß und kann es damit, daß ich sage, ich hatte mir selber eine Grenze gesetzt, eine Grenze, die den Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes vernünftig auslegen wollte.
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Diese Grenze ging _ dahin: ich will den Ländern
nicht mehr an Belastung zumuten, als ich für zumutbar halte. Wenn ich infolgedessen den Grundsatz aufstelle, ich will den Ländern das Lebensniveau, das Haushaltsniveau des Vorjahres erhal({29})
ten und will das Risiko des Bundes übernehmen, eine kurzfristige Verschuldung zu tragen,
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so glaube ich damit eine Bestimmung des Grundgesetzes nach ihrem Sinn und Geist ausgelegt zu haben. Der Sinn und Geist des Grundgesetzes ist, daß alle Bestimmungen und alle Ermächtigungen im Geist der Loyalität gehandhabt werden. Wenn das Grundgesetz den Ländern die Zustimmungsbefugnis gibt, so heißt das natürlich, daß diese Zustimmung nicht nach Willkür verweigert werden kann, sondern loyalerweise nur verweigert werden kann, wenn die für die Länder zumutbare Grenze überschritten werden sollte.
Ich habe darauf hingewiesen, daß im letzten Jahr gerade durch die Bundesgesetzgebung auf dem Wege der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Einnahmen in den Ländern und Gemeinden stark gestiegen sind. Ich brauche die Zahlen hier nicht zu wiederholen. Die Regelung, die vorgeschlagen ist, beläßt den Ländern die gesamte Steigerung und Haushaltsverbesserung, die wir auch heute noch, genau wie früher, mit 800 bis 840 Millionen DM berechnen.
Wenn nun gesagt wird, der Bund habe seine Steuern vielleicht zu gering eingeschätzt, so muß ich zur Antwort geben, auch das ist durch die Ereignisse leider Gottes überholt. Wir haben die Umsatzsteuer - auch in der Drucksache Nr. 3168 - für das Jahr 1951/52 mit 7 300 Millionen DM eingeschätzt. Das wirkliche 'Ergebnis der zwölf Monate ist rund 7 200 Millionen DM, ist also um rund 100 Millionen DM niedriger als unsere Schätzung. Wenn wir sie für das nächste Jahr mit 8 500 Millionen DM eingeschätzt haben, so entfallen von dieser Steigerung von rund 1 300 Millionen DM 500 Millionen DM auf den höheren Steuersatz von 3 bis 4 %, der sich in diesem Jahr in zwölf Monaten auswirkt. Der Rest, 10 % des gesamten Steueraufkommens, ist für die Steigerung der Wirtschaftskraft, die Steigerung der Produktion im allgemeinen gerechnet. Wenn wir im Vorjahre ein 'höheres Erträgnis gehabt haben, als zu Beginn des Jahres geschätzt war, so hing das mit der sprunghaften Änderung des Wirtschaftslebens als Folge der Koreakrise zusammen. Das sind nicht voraussehbare Verhältnisse. Wir müssen letzten Endes immer, wenn wir eine Rechnung aufstellen, von einem Grundsatz ausgehen, und der heißt: Stabilität der Preise und Löhne. Heute liegen die Dinge so, daß alle Wirtschaftsinstitute sich darüber einig sind und die ganze Entwicklung auf dem Weltmarkt dahin weist, daß wir auf dem Weltmarkt und hoffentlich auch im Inland, nicht mit einer Preissteigerung zu rechnen haben, sondern daß eine Stabilität, auf manchen Gebieten vielleicht ein Sinken eintreten wird. Infolgedessen kann ich sagen, daß die Schätzung der Umsatzsteuer für das nächste Jahr vom Standpunkt des Bundes aus - wenn 10 % auf Produktionsbelebung gerechnet sind - eine äußerst optimistische ist und sicherlich nicht überstiegen werden dürfte. Was hier für die Umsatzsteuer gilt, gilt auch für die Verbrauchsteuern.
Die einzige Steuerart, bei der die Steuerschätzungen der Drucksache Nr. 3168 - und darin bin ich mit den Ländern einig - überstiegen werden kann und voraussichtlich überstiegen werden wird, ist die Einkommen- und Körperschaftsteuer. Wenn
ich aber annehme, daß die Einkommen- und Körperschaftsteuer 10 500 Millionen DM - das ist ungefähr die Schätzung, die man nach dem Märzergebnis jetzt aufstellen kann - ertragen wird, dann werden nach einfacher Rechnung - Adam Riese - die Haushaltsverbesserungen der Länder trotz der 40 % um 200 Millionen DM gegenüber dem Jahre 1951/52 weiter gesteigert werden. Sollte sich etwa eine Lösung finden, nach der die 40 % mit einer Grenze, nämlich mit der Grenze der ersten Steuerschätzung, verbunden werden, so würde sich für die Länder im nächsten Jahr eine Haushaltsverbesserung von 400 Millionen DM über die 800 Millionen DM hinaus, die sie in diesem Jahr gehabt haben, ergeben.
Jeder, der ehrlich, rechtlich und vernünftig denkt, muß mir zugeben, daß ein Vorschlag, der den Ländern diese Möglichkeit läßt, nichts mit einer Erstarrung der Haushalte der Länder zu tun hat, sondern daß er für die Länder zumutbar ist. Auf der anderen Seite muß man mir zugeben: wenn der 'Gesetzentwurf vorschlägt, daß ein zu erwartender Überschuß der Ausgaben über die Einnahmen mit einem Betrag, der an die Grenze dessen, was vom Standpunkt der Stabilität der Währung aus möglich ist, geht, als kurzfristige Verschuldung voraussichtlich dem Bund verbleibt, so ist das ein äußerstes Angebot des Bundes, vom Standpunkt seiner Verantwortung, seiner Verpflichtung und seiner Möglichkeiten aus gesehen.
Um dem Streit um Zahlen und Ziffern zu entgehen, habe ich meinem Hause nunmehr die Weisung gegeben, den zweiten Nachtragshaushalt des Jahres 1952/53 in aller Beschleunigung vorzulegen, ungeachtet der starken Bedenken, die damit sachlich verbunden sind. Ich hoffe, daß er bis Mitte Mai kabinettsreif gestaltet werden kann.
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- Es geht doch; aber mit sehr starken Bedenken.
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Ich werde Mitte Mai den Entwurf kabinettsreif haben; aber ich gestehe offen, der erste Entwurf wird, selbst wenn er als Einnahme die 40 % Bundesanteil enthält, mit einem beträchtlichen Fehlbetrag abschließen. Ich kann ihn infolgedessen meiner verfassungsmäßigen Pflicht aus Art. 110 des Grundgesetzes entsprechend nur mit dem Vorbehalt vorlegen, daß es in den Kabinettsberatungen gelingt, die Zustimmung der Bundesregierung zu den Vorschlägen zu erhalten, die ich zur Abgleichung dieses Fehlbetrags dann dem Kabinett machen muß. Dieser kabinettsreife Entwurf aber - auch dem Bundesrat vertraulich zur Kenntnis gebracht - wird die Überzeugung bringen, daß erstens der Bundesanteil notwendig ist und zweitens in keiner Weise verfrüht ist. Ich hoffe, daß wir dann in der Lage sind, uns als das, was wir sein sollten, als Söhne eines Volkes und Diener einer Sache in Ruhe zusammenzusetzen, um den Notwendigkeiten Rechnung zu tragen. Vom Standpunkt der Rettung und der Gesunderhaltung der Finanzen muß ich bitten, daß wir in diese Verhandlungen möglichst rasch eintreten. Das können wir aber nur tun, wenn das Hohe Haus diesen Gesetzentwurf beschließt. Dann ist die Möglichkeit gegeben, sich mit den Ländern - sei es mit, sei es ohne Vermittlungsausschuß - über das Ausmaß und den Weg zu einigen, wie wir zu einem Streich kommen.
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Meine Damen und Herren, ich bin in meiner politischen Vergangenheit als Föderalist bekannt, darf sagen,
({34}) gewesen. Mein Ehrgeiz ist, zu beweisen, daß ich auch heute nicht nur ein ganzer, sondern auch ein vernünftiger Föderalist bin,
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der den Verhältnissen Rechnung zu tragen weiß. Ich halte es nicht für vernünftig, den Föderalismus als eine deutsche Idee mit dem Kassenegoismus einer einzelnen Körperschaft zu verwechseln.
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Ich glaube, daß eine Zeit, die für die Finanzentwicklung eines Staates so bedeutsam ist wie das Jahr 1952/53 mit den ungeheuren Aufgaben, die das deutsche Volk zu bewältigen hat, auch finanzpolitisch eine Bewährungsprobe fordert. Ich halte es für günstig und notwendig, in einem solchen Bewährungsjahr auch den Föderalismus sich in Deutschland bewähren zu lassen, um beweisen zu können, daß der Föderalist ein deutscher Mann ist und daß der Föderalismus dem deutschen Gedanken dient und deswegen von dem deutschen Gedanken gestärkt und getragen werden soll!
({37})
Meine Damen und Herren, ich mache Ihnen nach diesem verheißungsvollen Auftakt den Vorschlag, daß wir die allgemeine Besprechung in diesem Fall nicht bei der dritten Beratung, sondern jetzt bei der zweiten Beratung vornehmen. Sind Sie damit einverstanden?
({0})
- Dann würden wir jetzt die allgemeine Besprechung anschließen, hoffentlich nicht 90 Minuten lang, wie vorgesehen, und dann bei der dritten Beratung keine allgemeine Besprechung stattfinden lassen.
({1})
- Ja nun, ich will nach meinen Erfahrungen von heute über Lachen und Humor keine weiteren Erklärungen abgeben.
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Also zur allgemeinen Besprechung in der zweiten Beratung Herr Abgeordneter Dr. Bertram im Rahmen der Redezeit von 90 Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Zahlen läßt sich trefflich streiten! Ob Reserven im Bundeshaushalt vorhanden sind, ist sicher wichtig. Ob die Rückstände der Länder vom Bundesfinanzminister eingetrieben werden können und eingetrieben worden sind, ist eine Frage, die bedeutungsvoll ist. Ob das Haushaltsgesetz fertiggestellt ist, ist eine ebenso wichtige Frage. Die entscheidende Frage ist aber meiner Ansicht nach doch eine andere.
Neben verfassungsrechtlichen, steuerpolitischen und steuertechnischen Gesichtspunkten haben wir vor allem einen hochpolitischen Einwand. Der Ausgangspunkt der Schwierigkeiten liegt nicht in der allgemeinen Haushaltsgestaltung.
({0})
Bei normaler Fortentwicklung wäre uns dieses Gesetz nicht vorgelegt worden. Der Ausgangspunkt
der Schwierigkeiten liegt ganz woanders. In dem
Bericht der sogenannten drei Weisen, den uns die Bundesregierung vorgelegt hat, heißt es wörtlich: „Mit den zur Zeit unternommenen Schritten zur Erhöhung der Inanspruchnahme der Ländersteuern durch die Bundesregierung wird bezweckt" - und das ist das Entscheidende! -, „die Finanzierung der erhöhten Verteidigungsausgaben durch die Bundesregierung zu ermöglichen." Das ist der politische Kernpunkt. Alles andere ist Ranken- und Beiwerk, das nachträglich hinzugefügt worden ist, um diesen nackten Zweck zu beschönigen. Die Ursache der Bedrängnis sind die überhöhten Besatzungskosten oder, wie man sie demnächst nennen will, Verteidigungslasten. Ich will gar nicht behaupten, daß dieses Gesetz eine erwünschte Gelegenheit zum Vorgehen gegen die föderalistische Struktur unseres Bundes sei. Der Eindruck mußte bisher entstehen. Die Ursache unserer Nöte und der Nöte der Bundesregierung ist, daß unsere Ressortminister in Paris überhöhte alliierte Forderungen akzeptiert haben.
({1})
Ob auch der Bundestag zustimmen wird, ist noch vollkommen unsicher. Entscheidend ist aber, daß der Kanzler diese Verhandlungen, die für unsere gesamte fernere Zukunft von so entscheidender Bedeutung sind, nicht selbst geführt hat, sondern drei Ressortministern diese entscheidende Frage in den Pariser Verhandlungen überlassen hat. Die Ausgabensteigerung, die hier angekündigt wird, ist vom Bundestag nicht genehmigt. Die Entwicklung ist noch in vollem Fluß; sie kann noch zu unseren Gunsten abgewendet werden, wenn die politische Bedeutung dieser Entwicklung vom Bundeskanzler selbst richtig erkannt und richtig aufgenommen wird.
({2})
Wenn wir aber diesem Gesetz zustimmen, dann genehmigen wir indirekt die, wie ich annehme, doch von allen Abgeordneten abgelehnten überhöhten Forderungen der Alliierten bezüglich des Verteidigungsbeitrags. Wir alle nehmen damit Opfer auf uns, wenn auch zunächst die Länder die Leidtragenden sein würden. Diese Verhandlungen, die durch die Zentrale, durch den Bundeskanzler selbst vorgenommen werden müßten, müssen es erreichbar machen, daß der gesamte Verteidigungsbeitrag und die gesamten Lasten, die auf uns ruhen, in einem Maße herabgesetzt werden, daß wir Deutsche nicht stärker herangezogen werden als alle anderen Alliierten. Ich will auf Einzelheiten nicht eingehen. Sie alle werden das StrathusGutachten bekommen haben, das gerade hierzu eingehende Nachweise bringt. Deshalb heißt hier die Frage gar nicht: Bund oder Länder, sondern die entscheidende politische Frage heißt: Herabsetzung der sogenannten Verteidigungslasten durch politische Verhandlungen der Bundesregierung unter Einschaltung des Bundeskanzlers selbst.
Die vorgesehene Inanspruchnahme macht in ihrer Höhe nicht nur die Hebung des Lebensstandards durch eine andere Steuerpolitik unmöglich und läßt eine Senkung z. B. durch Verringerung des Wohnungsbaues fast sicher befürchten. Die mit diesem Gesetz angekündigte Finanzpolitik würde in der Tat aller Wahrscheinlichkeit nach auf innerpolitischem und wirtschaftspolitischem Gebiet das Chaos hervorrufen, das den Bundesfinanzminister erwartet, wenn er uns dieses Gesetz ohne Überprüfung der politischen Notwendigkeit zur Zustimmung unterbreitet. Stärken Sie deshalb die Verhandlungsposition des Bundeskanzlers, indem
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Sie diesem Gesetz nicht zustimmen. Bewahren Sie doch das Haushaltsrecht des Bundestags und lehnen Sie das Gesetz ab!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der kurzen Zeit wird es mir nicht möglich sein, auf die Rede des Herrn Finanzministers so zu antworten, wie es notwendig wäre. Aber er darf sicher glauben - und er hat seine Blicke während seiner Rede insbesondere zu uns herübergerichtet -, daß wir den Föderalismus genau so ernst nehmen wie er. Ich weiß nicht, ob er als bayerischer Ministerpräsident, wenn er es zur Zeit wäre, so sprechen würde, wie er hier jetzt als Bundesfinanzminister auf Grund der finanziellen Lage des Bundes sprechen muß. Wir haben schon seinerzeit bei der Beschlußfassung über die 27 %ige Abgabe unsere Bedenken geäußert. Es ist vielleicht nicht von ungefähr, daß der Herr Staatssekretär Nerreter, ein Mitglied der Partei des Herrn Bundesfinanzministers, damals schon einen Bericht gegeben hat - er erfolgte unmittelbar nach dieser Beschlußfassung -, in dem er über die finanziellen Engpässe Bayerns ganz beredte Zahlen aufgeführt und für die völlige Unmöglichkeit der weiteren Beanspruchung der Länder Gründe angeführt hat.
Der Herr Bundesfinanzminister hat auch gesagt, daß erhöhte Einnahmen der Gemeinden die Erhöhung auf 40 % ermöglichen würden. Das ist auch in der Begründung dieses Gesetzes angeführt. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß hier ein Fehlschluß gezogen ist. Denn vom gesamten gemeindlichen Steueraufkommen macht die Gewerbesteuer, bei der ein erhöhtes Aufkommen zu verzeichnen ist, nur einen Anteil von 20 % aus, so daß hier für den gesamten Haushalt einer Gemeinde höchstens eine Erhöhung von 4 % gegeben ist. Bei der Grundsteuer ist das erhöhte Aufkommen ja sowieso sehr unbedeutend, da beim Sozialen Wohnungsbau auf 10 Jahre hinaus Steuerfreiheit gegeben ist.
Im übrigen, glaube ich, ist auch das Bundesfinanzministerium nicht davon überzeugt, daß dieser Grund, der auch in der Drucksache Nr. 3168 angeführt ist, stichhaltig ist. Denn wie käme der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums sonst dazu, auf einer Tagung der Gemeindeverbände mit Rücksicht auf diese Erhöhung der Abgabe von der Einkommen- und Körperschaftsteuer Erwägungen darüber anzustellen, wie man einen Ausweg mit der Einführung einer Einwohnersteuer finden könne, die ungefähr den Betrag decke, den die Erhöhung der Abgabe von der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 40 % ausmache. Wenn also die erhöhten Einnahmen der Gemeinden tatsächlich so stark wären, daß die Länder eine 40 %ige Abgabe ertragen würden, dann brauchte der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums auf dieser Tagung doch wohl nicht solche Erwägungen anzustellen.
Tatsache ist nun, daß ja der Art. 106 deshalb angewendet wird, weil der Bundesfinanzminister die Auffassung vertritt, auch bezüglich der Bundessteuern sei die Höchstgrenze der Belastung erreicht. Aber was macht er nun? Er verlegt lediglich die weitere Steuererhöhung von der Bundesebene auf die Gemeinde- bzw. auf die Länderebene. Wenn er schon glaubt, daß die Bundessteuern ausgeschöpft sind, so muß er gerade bei der Frage, ob die Länder in der Lage sind, die 40 %ige Abgabe zu tragen, auch deren begründete Einwendungen berücksichtigen. Daß die Länder diese erhöhte Belastung nicht tragen können, geht aus den Überlegungen des Bundesfinanzministeriums über die Einführung einer Einwohnersteuer hervor, die ich eben erwähnt habe.
({0})
Meine Redezeit ist leider abgelaufen. Ich möchte aber doch noch betonen, daß meine Fraktion in der Ablehnung dieses Gesetzes nicht allein steht. Auch der Bundesrat in seiner Gesamtheit hat heute hier Gründe vortragen lassen, an denen man nicht vorübergehen kann. Der Bundesrat hat genau so große Sorgen um die Existenz der Länder, wie der Herr Bundesfinanzminister sie für den Bund hier zum Ausdruck gebracht hat. Wenn nicht nur von Bayern, sondern auch von den Vertretern anderer Länder erklärt worden ist, daß die Finanzpolitik des Bundes untragbar sei, daß sie zu einer völligen Aushöhlung der Länder führe und das föderalistische Prinzip zunichte mache, so ist damit bewiesen, daß dieses Gesetz untragbar ist. Diese Sorgen haben aber insbesondere auch die Parteimitglieder des Herrn Bundesfinanzministers in Bayern, denn sie haben diese Sorgen im Wahlkampf vorgetragen und haben sich den Wählern gegenüber gegen eine Erhöhung auf 40 % ausgesprochen. Jetzt natürlich, nachdem die Wahlen vorbei sind, hat man nach einer letzten Besprechung und vielleicht auf Einwirkung des Herrn Bundesfinanzministers hin eine andere Stellung eingenommen. Die Sorgen um die Existenzfähigkeit der Länder werden aber von allen Ländern, wie es auch bereits durch den Vertreter des Bundesrates dargelegt wurde, in vollem Umfang geteilt. Infolgedessen lehnen wir die Zustimmung zu diesem Gesetzesvorschlag ab.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine Damen und Herren! Nicht in der Absicht, die Schwäche einer Logik jetzt lächelnd nachzuweisen, sondern nur in der Absicht, zu 'verhüten, daß in der Öffentlichkeit eine falsche Behauptung weitergetragen wird, eine Feststellung: An eine Einwohnersteuer oder so etwas ist nicht gedacht, und sie ist auch nicht vorgeschlagen.
({0})
Es wäre ein Unsinn, eine Einwohnersteuer deswegen vorzuschlagen, weil die 40 % Bundesanteil kommen, denn die Gemeinden haben mit den 40 % Bundesanteil an Einkommen- und Körperschaftsteuer gar nichts zu tun.
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- Moment, meine Damen und Herren! Der Tatbestand ist folgender. Mit dem Wegfall des Berliner Notopfers und in dem Moment, in dem man die Möglichkeit erwog, eine neue Verteilung der Steuerquellen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden auf Grund des Art. 107 des Grundgesetzes durchzuführen, ist der Gedanke entstanden - und das ist eigentlich ein föderativer Gedanke, denn es
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ist ein Gedanke der Selbstverwaltung -, einen Weg zu suchen, wie man den Gemeinden bei dieser Neuverteilung der gesamten Steuerquellen auch die eigene Selbstverantwortung auf finanziellem Gebiet stärken könne.
({3})
Die Voraussetzung sind nicht die 40 % Bundesanteil. Die Voraussetzung ist die Einigung zwischen Bund und Ländern über ein Gesetz nach Art. 107 des Grundgesetzes, und die wirtschaftliche Voraussetzung ist, daß das Berliner Notopfer über den Termin des 31. März hinaus nicht verlängert wird. Mit dem Thema . von heute hat sie gar nichts zu tun, und die Frage zur Begründung eines Standpunktes gegen den Gesetzentwurf aufzuwerfen, ist völlig falsch und unlogisch.
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Landesgruppe der CSU habe ich folgende Erklärung abzugeben:
Nicht leichten Herzens, aber in Abwägung der gesamten Verhältnisse, die hier vorliegen, und mit Rücksicht auf die tatsächliche Belastung des Bundes, die sich in den letzten Jahren verstärkt hat, stimmen wir der Vorlage zu,
({0})
aber mit folgendem Abmaß. Wir sind der Meinung, daß, wenn wir der Vorlage zustimmen und sie vom Bundestag her Gesetz wird, dann die Verhandlungen mit den Ländern erleichtert und zu einem Abschluß gebracht werden können.
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Denn es ist notwendig, danach in Verhandlungen mit den Ländern einen gerechten Ausgleich zwischen Bund und Ländern zu finden. Dazu möchten wir gewissermaßen den Weg eröffnen, indem wir hier das Ziel vorzeichnen. Wir würden es aber ebenso begrüßen, wenn eine andere Grundlage für einen gerechten Ausgleich der Finanzverhältnisse zwischen Bund und Ländern im Verhandlungswege mit den Ländern gefunden würde.
Wir stimmen also der Vorlage zu und wünschen, daß es dem Herrn Bundesfinanzminister gelingen möge, hier einen gerechten Ausgleich zu finden. So leicht wie Herr Kollege Besold können wir uns die Aufgabe nicht machen.
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Ich kann hier persönlich noch hinzufügen, daß wir ein gewisses Maß von Verantwortung tragen müssen; denn wenn die Bundesfinanzen in Unordnung kommen, dann wirkt sich das auch auf die Länderfinanzen aus.
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Beides hängt eng miteinander zusammen. Insbesondere hat uns das Argument des Bundesfinanzministers überzeugt, daß hier, und zwar mit dem Rechenstift, auch an einen gerechten Ausgleich zwischen steuerschwachen und steuerstarken Ländern gedacht werden muß. Das läßt sich schließlich ziffernmäßig nachweisen. Es wäre sehr interessant, wenn dann in der Zukunft bei den Verhandlungen mit den Ländern auch von unserem Standpunkt aus noch weiteres Material zur föderalistischen Begründung dieser Auffassungen beigebracht werden könnte.
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Also, Herr Finanzminister, wir wünschen Ihnen viel Glück für die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern!
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Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits im vergangenen Jahr gab es zwischen der Bundesregierung und den Finanzministern der Länder anläßlich des Zugriffs des Bundesfinanzministers auf damals 27 % des Aufkommens an Einkommen- und Körperschaftsteuer heftigen Streit. Damals hat der Herr Bundesfinanzminister die angebliche Notwendigkeit dieses Zugriffs damit begründet, dem Bund stände zur Deckung seiner sozialen Ausgaben keine andere Möglichkeit offen, Heute begründet die Bundesregierung die Notwendigkeit der Steigerung ihres Anteils an der Einkommen- und an der Körperschaftsteuer von 27 auf 40 % ganz unverhüllt mit den gesteigerten Besatzungslasten und mit dem von der Bundesrepublik Deutschland zu leistenden Verteidigungsbeitrag.
In der Begründung der Gesetzesvorlage heißt es: Der im wesentlichen aus Steuermitteln zu deckende Finanzbedarf des Bundes wird im Rechnungsjahr 1952 entscheidend durch die Höhe des von der Bundesrepublik Deutschland zu leistenden Verteidigungsbeitrages bestimmt. Die Höhe des Beitrags ist zur Zeit noch nicht bekannt.
Es geht also um die neun in der Begründung eingestandenen Milliarden Kriegsvorbereitungskosten und um deren Deckung.
Die Bundesregierung behauptet in ihrer Begründung, Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes gebe ihr ein Recht, diesen Zugriff auf die Ländersteuern vorzunehmen. Der angezogene Artikel des Grundgesetzes lautet bekanntlich:
Der Bund kann durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, einen Teil der Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben, insbesondere zur Deckung von Zuschüssen, welche Ländern zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiete des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens zu gewähren sind, in Anspruch nehmen.
Die Bestimmung des Abs. 4 des Art. 106 des Grundgesetzes regelt daneben auch noch das Problem der Gewährung zweckgebundener Bundeszuschüsse an überlastete Länder. Die aus diesem Ausgleich aufkommenden Mittel, die aus den an und für sich den Ländern zustehenden Einkommen-und Körperschaftsteuern stammen, sind zwar unstreitig Bundesmittel, müssen aber den Ländern zur Deckung dieser im Gesetz genau umrissenen Aufgaben wieder zufließen. Die Zuschüsse sind also zweckgebunden. Das ist nicht mein Wissen allein aus den damaligen Verhandlungen im Parlamentarischen Rat, das ist die Auffassung, die ernste Kommentatoren des Grundgesetzes schriftlich niedergelegt haben: Die Zuschüsse sind zweckgebunden zu verwenden und an die Länder zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiet des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens der Länder bzw. der Gemeinden
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zurückzugeben. Sie sollen der Finanzierung dieser drei Aufgaben dienen, deren Finanzierung den finanzschwächeren Ländern sonst schwerfiele oder gar unmöglich wäre.
Die Geburtshelfer des Grundgesetzes haben nicht daran gedacht - zum mindesten haben sie es nicht auszusprechen gewagt -,. daß dieser Art. 106 Abs. 3 der Adenauer-Regierung einmal die Möglichkeit geben sollte, die Kriegsfinanzierung durch verfassungswidrige Auslegung und Anwendung dieses Art. 106 vorzunehmen. Die Folgen für die Länder und die Gemeinden sind katastrophal. Heute hat sich der Herr Bundesfinanzminister, ganz im Gegensatz zu seiner damaligen Haltung und zur Haltung der Herren gerade aus dem Süden im Parlamentarischen Rat, hier als 100 %ig gewendeter Föderalist vorgestellt. Ich habe mich gewundert, welche geradezu warme, begeisterte Worte er gefunden hat, um den Herren Adenauer und McCloy die Milliarden zuzuschustern, die sie für ihren Krieg brauchen. Er sprach das Wort aus: Söhne eines Volkes, Diener einer Sache. Da klingt mir noch das Wort im Ohr: Ich kenne keine Parteien mehr!
({1})
Dieses Gesetz dient der Kriegsvorbereitung, und nichts anderes ist dazu zu sagen: es ist die Wehrfinanzierung zu Lasten der Länder und der Gemeinden. Ich will diese Minuten nicht verstreichen lassen, ohne darauf hinzuweisen, daß es der Herr Finanzminister selber war, der gesagt hat, ihm sei die Finanzierung seiner Pläne mit Hilfe dieser 40 % nur dann möglich, wenn es ihm gelinge, alle aus dem Hause kommenden Anträge auf Verbesserung der Sozialleistungen abzuwehren. Wir haben also hier die Situation: Keinen Pfennig zur Verbesserung der Sozialleistungen und der Sozialgesetzgebung des Bundes! Jeder verfügbare Groschen - zu Lasten der Gemeinden und der Länder -, um den Generalkriegsvertrag zu finanzieren, das ist die Lage. Aus dieser Lage heraus gibt es für die Menschen, die nicht der schlechten Sache des Krieges dienen wollen, nur eine Haltung: diese Vorlage mit aller Entschiedenheit abzulehnen. Wir lehnen diese Gesetzesvorlage ab, und ich hoffe, bei der dritten Beratung Gelegenheit zu haben, Ihnen auch noch unseren Gegenantrag zu begründen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen der sozialdemokratischen Fraktion habe ich in allererster Linie Ver wahrung gegen die Art einzulegen, in der dieses Gesetz ohne ausreichende Grundlage in diesem Hause und vor allem im Finanzausschuß, dem das Gesetz zugewiesen war, beraten worden ist. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß wir im Finanzausschuß diese Vorlage ohne ausreichende Unterlagen im Galopp beraten haben. Sie selbst haben ja Gefühl dafür gehabt, als Sie in einer unserer letzten Sitzungen die zweite und dritte Beratung dieses Gesetzes wieder abgesetzt haben, weil auch Sie der Ansicht waren, daß dieses Gesetz zur Beratung und zur Annahme im Plenum noch nicht reif war.
In der Zwischenzeit ist aber auch gar nichts weiter geschehen. Der Finanzausschuß hatte die Absicht, mit den Finanzministern der Länder zusammenzukommen; auch das ist nicht geschehen.
Jetzt werden wir unter Druck gesetzt, ohne den Etat zu kennen, für den diese Vorlage den Ausgleich bringen soll. Die Arbeiten im Ausschuß waren also völlig unzureichend und; wie ich Ihnen sagte, ohne jedes vernünftige Material, das uns die Gelegenheit gegeben hätte, dieses Gesetz entsprechend zu beraten.
Im Finanzausschuß haben wir das Pferd vom Schwanz aus aufgezäumt. Wir haben uns nur mit der Frage beschäftigt: was werden die Länder im nächsten Jahr an Einnahmen haben, und was können wir den Ländern von diesen Einnahmen nehmen? Wenn dieses Verfahren richtig wäre, müßte der Art. 106 Abs. 2 des Grundgesetzes, der die Grundlage dieses Gesetzes ist, etwa wie folgt lauten - es ist vielleicht möglich, daß der Artikel in dem Grundgesetz des Herrn Bundesfinanzministers tatsächlich so lautet -: „Wenn das Aufkommen der Länder an Einkommensteuer und an Körperschaftsteuer steigt, ist der Bund verpflichtet, den Ländern die Sorge für die Verausgabung abzunehmen."
({0})
So ist es aber nicht. In allererster Linie müßte einmal vom Bund durch einen ordnungsmäßigen Etat, wie wir von dem Herrn Vertreter des Bundesrates gehört haben, nachgewiesen werden, daß er diese Summen tatsächlich braucht. Wenn uns das nachgewiesen ist, dann werden wir auch einer solchen Vorlage zustimmen. Aber wir schließen uns den Ansichten der Länderfinanzminister an und meinen: es ist noch zu früh. Vor allem dieses Gesetz hier ist verfrüht, und zwar, Herr Bundesfinanzminister, im Verhältnis zu den Vorarbeiten am Haushalt. Ich glaube, es wäre richtig gewesen, wir hätten uns über dieses Gesetz im März oder im Februar beraten. Aber auch da hatten wir ja noch keinen Haushalt. Sie sagen jetzt, Sie können uns den Nachtragshaushalt Mitte Mai vorlegen. Gut! Das sollte für einen verantwortungsbewußten Bundestag ein Grund sein, die Behandlung dieses Gesetzes zumindest erst einmal bis Mitte Mai hinauszuschieben. Dann werden wir ja die Ziffern der Bundesfinanzverwaltung kennen.
({1})
Wir haben in dieser Bundesrepublik überhaupt erst einen einzigen echten und ordentlichen Etat, den Etat des Jahres 1950. Im Jahre 1951/52 hatten wir lediglich einen Überrollungshaushalt, der auf dem Jahre 1950 basierte. In diesem Jahr haben wir nun nicht mehr einen Überrollungshaushalt, weil der Herr Bundesfinanzminister offenbar nicht als „Überrollungsminister" in die Geschichte der deutschen Demokratie eingehen möchte. Er spricht vielmehr etwas bescheidener von einem Wiederholungshaushalt. Wenn wir derartige Zustände haben, Herr Bundesfinanzminister - ich glaube, das muß hier einmal mit allem Ernst gesagt werden -, dann liegt das nicht etwa am Parlament, wie Sie uns das hier eben glauben machen wollten, sondern es liegt an der Tatsache, daß uns das Bundesfinanzministerium und der verantwortliche Minister die Etats nicht rechtzeitig zuleiten.
({2})
- Keine Zeit zur Beratung? Sie wissen sehr genau, daß wir die Etats im Haushaltsausschuß außerordentlich eingehend beraten.
({3}) Alles, was wir bisher aus dem Bundesfinanzministerium an Ziffern zur Begründung dieses Ge({4})
setzes bekommen haben, bezeichnen nicht wir, sondern das bezeichnet eine angesehene Zeitung, die Ihnen nähersteht als uns, nämlich das „Handelsblatt", in ihrer Ausgabe vom 17. Februar 1952 als „Zahlenakrobatik".
({5})
Wir haben das Vertrauen zu dieser Zahlenakrobatik des Bundesfinanzministers längst verloren. Vor wenigen Monaten rechneten wir mit einem Defizit von 1,4 Milliarden DM. Dann wurden es 2,4 Milliarden DM und dann 4,4 Milliarden DM. Ich erinnere an die Ausführungen in den Finanzpolitischen Mitteilungen des Bundesministers der Finanzen. Da wurde uns plötzlich zu unserem Erstaunen mitgeteilt, daß die Wünsche der Bundesressorts noch berücksichtigt werden müßten. Man setzte sie ganz fidel mit 4,5 Milliarden DM an und versprach dann global Einsparungen von 1,5 Milliarden DM. Da muß man doch den Eindruck haben, daß man die Ressorts lediglich kurzfristig aufgefordert hat: „Meldet, was ihr melden könnt, denn ich brauche diese Zahlen jetzt für den Bundestag!" So sind dann 4,5 Milliarden DM zusammengekommen, und der Bundesfinanzminister streicht und erklärt voller Stolz: Es ist mir ganz glänzend gelungen, 1,5 Milliarden DM einzusparen. So bereitet man keine Haushaltsvorlagen vor, vor allen Dingen dann nicht, wenn der Herr Bundesfinanzminister, wie er es immer zu tun beliebt, sich hier als den Vater und den Protektor der Steuerzahler herausstellt. Diese Steuerzahler werden durch diesen Bundestag vertreten, und wenn der Bundestag überrollt wird, dann werden auch die Steuerzahler überrollt.
({6})
Jedenfalls waren die Unterlagen, die wir im Ausschuß hatten, für uns nicht nachprüfbar. Sie waren ganz zweifellos ungenau. Sie waren, als sie uns vorlagen, teilweise schon widerrufen. Mit einem Wort, sie sind für uns keine Arbeitsunterlagen, weil sie unglaubwürdig sind. Jedenfalls sind sie keine Grundlage für eine ernsthafte Beratung in einem Ausschuß dieses Hauses.
({7})
Diese Unterlagen - damit lassen Sie mich, nachdem ich über das Formelle gesprochen habe, auch etwas über das Materielle sagen - enthalten z. B. den Verteidigungsbeitrag. Der Bundesfinanzminister hat in seiner Begründung der Vorlage selbst sehr klar zum Ausdruck gebracht - was er in der ersten Beratung dann vergessen hatte -: „Der im wesentlichen aus Steuermitteln zu deckende Finanzbedarf des Bundes wird im Rechnungsjahr 1952 entscheidend durch die Höhe des von der Bundesrepublik Deutschland zu leistenden Verteidigungsbeitrages bestimmt." Ich frage Sie, meine Damen und Herren, wann und wo ist in diesem Parlament ein Beschluß über den Verteidigungsbeitrag gefaßt worden?
({8})
Bisher ist noch nicht eine einzige Mark für den Verteidigungsbeitrag bewilligt worden.
Wir fragen die Bundesregierung weiter, woher sie, wenn sie von diesem Verteidigungsbeitrag spricht, das Recht nimmt, uns heute wie in den vergangenen Monaten zu erklären: Der Verteidigungsbeitrag muß mindestens so hoch sein wie die Besatzungskosten. Der Kampf gegen die Höhe der Besatzungskosten in den letzten Jahren wäre völlig überflüssig gewesen, wenn wir uns heute auf den Standpunkt stellten, die Besatzungskosten - das war doch ein Diktat der Siegermächte - sollen die Grundlage für die Berechnung des Verteidigungsbeitrages sein. Selbst wenn wir einmal unterstellen, daß wir zunächst einmal mit einem solchen Betrag rechnen müssen, wie wollen wir denn nun bei der Beratung dieses Gesetzes wissen, von wann ab uns diese Belastungen treffen? Die Verträge müssen in den nächsten Monaten abgeschlossen werden, meinetwegen, aber damit steht doch noch nicht fest, daß die Ziffer vom 1. August ab, der uns hier genannt worden ist, für den Beginn der Zahlungen zutrifft.
Wir fragen weiter die Bundesregierung: Was ist denn geschehen, um bei diesen Ausgaben und bei diesen Kosten, die uns so sehr belasten, ein selbstverständliches Kontrollrecht des Parlaments einzuschalten? Ich möchte mich hier auf die Ausführungen meines Fraktionsfreundes Baade in der „Stuttgarter Zeitung" vom 18. März 1952 beziehen, wo er das folgende schreibt:
Die Regierungsparteien müßten zusammen mit der Opposition deutlich erklären,
- und das wäre hier der Ort, denn in dieser Vorlage wird manches anerkannt daß wir den Verteidigungsbeitrag in der von uns geforderten Form nicht zahlen werden. Sie müßten gleichzeitig erklären, daß Deutschland durchaus bereit ist, einen sinnvollen Verteidigungsbeitrag zu leisten, daß dafür aber zunächst die primitivsten Voraussetzungen geschaffen werden müssen, die jedes Parlament verlangen muß, das Recht der Budget-Kontrolle einschließlich der Kontrolle über das Verteidigungs-Budget.
({9})
Die Ausgaben, die mit dem deutschen Verteidigungsbeitrag geleistet werden sollen,
- so schreibt mein Fraktionsfreund Baade in der „Stuttgarter Zeitung" müssen unter der Kontrolle des Deutschen Bundestags und seines Haushaltsausschusses stehen, wie das in jedem anderen demokratischen Land und besonders in denjenigen Ländern der Fall ist, die diesen Beitrag von uns fordern: USA, England und Frankreich.
({10})
Auf der Grundlage dieser Ausführungen also
unsere Frage: Was ist geschehen, um ein solches
Kontrollrecht sicherzustellen?
Der Herr Bundesfinanzminister, ich möchte beinahe sagen, brüstet sich damit, daß er zur Deckung dieser hohen zusätzlichen Ausgaben keine neuen Steuern und keine Erhöhung der alten Steuern braucht. Wie können sich denn diese 40 %, die jetzt den Ländern genommen werden - also 13 % mehr als die alten 27 % -, anders auswirken als durch eine Kürzung der Länderhaushalte, als durch eine Verringerung der Zuschüsse an die Gemeinden und damit, weil den Letzten ja immer die Hunde beißen, durch eine Erhöhung der Gemeindeumlage?
({11})
So wird ein Verteidigungsbeitrag, der überhaupt noch nicht vom Parlament beschlossen ist, schon heute auf die Staatsbürger - aber auf Umwegen - abgewälzt.
Ich möchte eine Vertriebenen-Zeitung zitieren, die von einer „Spiegelfechterei" des Bundesfinanzministers spricht: „Wenn der Bundesfinanzminister", so heißt es dort wörtlich, „die Öffent({12})
lichkeit glauben machen will, daß der Wehrbeitrag in Höhe von 10,8 Milliarden DM sozusagen vom Himmel fallen wird". Das Ganze bedeutet doch nichts anderes als die Wehrfinanzierung auf Kosten der Länder und Gemeinden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat es auch heute nicht unterlassen können, über seinen Föderalismus zu sprechen. Aber wir sind doch sehr verwundert über die Begründung dieser Vorlage, in der es ausdrücklich heißt - dem Sinne nach, ich will nicht alles vorlesen -, daß der Bund das Recht zu einer dynamischen Entwicklung hat, während den Ländern die Pflicht zu statischer Beharrung auferlegt ist. Das sind sehr schlechte Perspektiven für die echten Föderalisten: „denn alles muß in Nichts zerfallen, wenn es im Sein beharren will". Meine Damen und Herren, ich möchte den Bundesfinanzminister fragen, ob er vergessen hat, daß diesen Ländern, die jetzt so geschröpft werden sollen, demnächst ein wesentlicher Teil der Lasten des sogenannten Lastenausgleichs zugemutet wird; ich glaube, es handelt sich um einen Betrag von etwa 600 Millionen DM, der auf die Länder abgewälzt wird. Wir wollen nicht vergessen, daß die Förderung des Wohnungsbaus in allererster Linie Sache der Länder ist.
({13})
Und da vertröstet der Bundesfinanzminister uns und die Länder, indem er zum Schluß der Begründung sagt:
Ohnehin wird sich voraussichtlich eine Verlagerung der öffentlichen Investitionsleistungen zwangsläufig daraus ergeben, daß die Verteidigungsbedürfnisse von der insgesamt verfügbaren und nur langsam steigerungsfähigen Investitionskapazität der deutschen Volkswirtschaft einen zunehmend höheren Anteil für sich beanspruchen werden.
Sehen Sie, so sieht die Steigerung der Investitionstätigkeit durch die Erhöhung des Verteidigungsbeitrags aus.
Ich habe mir daneben eine Bemerkung des Bundeswirtschaftsministers geheftet - ich zitiere nach der „Neuen Zeitung" vom 1. März 1952, es ist ja vielleicht einmal ganz interessant, das miteinander zu vergleichen - anläßlich der Eröffnung der deutschen Industriemesse in Hannover:
Die zivile Produktion wird in vollem Umfange aufrechterhalten; . .. eine Bemerkung, die mit größter Genugtuung
- wie könnte es auch anders sein -aufgenommen worden ist. Und so erleben wir erstmalig, daß trotz starker Verteidigungsanstrengungen die Produktion für zivile Zwecke nicht spürbar zurückgeht.
Meine Damen und Herren, ich schlage vor, daß der Bundesfinanzminister sich einmal mit dem Bundeswirtschaftsminister über dieses Thema unterhält.
Wir brauchen keine neuen Steuern, sagt der Herr Bundesfinanzminister, derselbe Bundesfinanzminister, der uns vor einigen Monaten noch klarmachen wollte, daß er, wenn wir ihm die 200 Millionen DM Aufwandsteuer und Autobahngebühren nicht bewilligen würden, schwarz in die Zukunft seines Etats schaue. Der Herr Bundesfinanzminister ist sogar so weit gegangen, uns eine Erhöhung der Umsatzsteuer anzudrohen, wenn wir dieses Gesetz nicht annähmen. Diese Androhung der Erhöhung der Umsatzsteuer können wir nur - ich möchte es beinahe so nennen - als ein unfaires Unterdrucksetzen der gesetzgebenden Organe ansprechen, vor allen Dingen, wenn es in der Begründung auf Seite 5 heißt:
Die dem Bunde zustehenden Steuern, insbesondere die Verbrauchsteuern und die Umsatzsteuer, haben einen Anspannungsgrad erreicht, der ohne Gefährdung des sozialen Friedens und der Lebenshaltung breiter Volksschichten nicht gesteigert werden kann.
Und trotzdem die Drohung: Wir erhöhen die Umsatzsteuer, wenn ihr nicht dieses Gesetz freßt.
Die sozialdemokratische Fraktion kann darauf hinweisen, daß sie seit Jahr und Tag auf andere Wege gewiesen hat, die gegangen werden können, um zu erhöhten Steuereinnahmen zu kommen. Der Finanzausschuß hat sich in diesen Tagen mit dem Antrag der Freien Demokratischen Partei zur Einrichtung einer Bundesfinanzverwaltung befaßt. Wir hatten drei Oberfinanzpräsidenten als Sachverständige geladen, den ehemaligen Oberfinanzpräsidenten Weser/Ems aus Bremen, der seit 40 oder 50 Jahren in der Finanzverwaltung steht, den Oberfinanzpräsidenten aus Hannover und den ehemaligen Oberfinanzpräsidenten aus Stuttgart. Die Herren haben uns bestätigt, daß nach oberflächlichen Schätzungen nach Einrichtung einer Bundesfinanzverwaltung ein Mehr an Einnahmen und ein Mehr dadurch, daß die Reibungsverluste Bund - Länder wegfallen, von insgesamt einer Milliarde DM zu erwarten ist.
({14})
Seit mehreren Jahren, solange dieser Bundestag besteht, fordern wir diese Bundesfinanzverwaltung.
({15})
Wir haben die drei Sachverständigen gefragt, ob sie uns denn einen einzigen Sachverständigen aus den Finanzverwaltungen des Bundes oder der Länder
({16})
- der hessische Finanzminister wird sicherlich derselben Ansicht sein - nennen könnten, der gegen die Einrichtung der Bundesfinanzverwaltung, also gegen eine einheitliche deutsche Finanzverwaltung wäre. Die drei Herren haben uns erklärt - die Person des Herrn Bundesfinanzministers haben wir selbstverständlich aus der Diskussion gelassen, meine Damen und Herren! -, daß es eine solche Persönlichkeit in den Finanzverwaltungen nicht gebe.
({17})
Wenn man eine Abstimmung veranstalten würde über die Frage: Bundesfinanzverwaltung oder nicht, dann würden wir - so sagte einer der sachverständigen Herren - dieses Mal eine echte Hitlersche Mehrheit von 99 % der Angehörigen der Finanzverwaltungen für dieBundesfinanzverwaltung erhalten. Da liegen unausgeschöpfte Reserven, Reserven, die sich vor allen Dingen auch im Interesse der Gerechtigkeit und der Gleichheit der Steuererhebung auswirken würden.
Wir haben noch andere Wege gewiesen. Wir haben Sie gebeten, sich einmal zu überlegen, ob es richtig ist, daß wir immer noch die Vergünstigungen der Siebener-Gruppe des Einkommensteuergesetzes aufrechterhalten. Wir haben immer wieder darum gebeten, die Exportförderungsvergünstigungen aufzuheben, weil bei diesem Rü({18})
stungsboom keine Veranlassung mehr besteht, sie zu gewähren.
({19}) - Gegen unseren Protest! - Jetzt lese ich in den Finanzpolitischen Mitteilungen des Bundesfinanzministeriums vom 13. März folgendes:
Der Bund deckt zur Zeit das politische Risiko, das wirtschaftliche Risiko, das Fabrikationsrisiko und das Transferrisiko eines Ausfuhrgeschäfts.
({20})
Was bleibt denn dann noch für ein Risiko?
({21})
Dafür geben wir Exportförderungsabgaben, obgleich alle Risiken vom Bunde gedeckt werden. Ich glaube, es ist das erste Mal in der Finanzgeschichte, daß Rüstungsgewinne nicht hundertprozentig zur Steuer herangezogen werden, sondern daß man sie auch noch steuerlich begünstigt.
Aus all diesen Gründen - ich habe mich auf die Zahlen nicht eingelassen, weil wir ja in jeder Sitzung andere Zahlen hören - werden wir, diesem Gesetz nicht zustimmen können. Die Voraussetzungen für eine richtige, ordentliche und anständige Beratung des Gesetzes hat uns der Bundesfinanzminister nicht gegeben.
Wer aber diesem Gesetz zustimmt, der billigt ein unmögliches Gesetzgebungsverfahren im Budgetrecht, dem wichtigsten Recht des Plenums. Wer diesem Gesetz zustimmt, der gibt sein Einverständnis zu einer Haushaltsführung, die in jedem andern Staate nicht einmal diskutiert werden dürfte, und wer diesem Gesetz zustimmt, der verschiebt, ich möchte sagen, in geradezu unlauterer Weise die finanzielle Verantwortung für einen nur möglicherweise zu leistenden Verteidigungsbeitrag heute schon vom Bund auf die Länder und über die Länder auf die Gemeinden.
Aus allen diesen Gründen bitten wir Sie, dieser Vorlage nicht zuzustimmen.
({22})
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
({0})
Loritz ({1}): Meine Damen und Herren! Wenn die CSU einmal für ihr Archiv die heutige Rede des Herrn Bundesfinanzministers drucken läßt, dann kann man als beste Überschrift dafür den lateinischen Satz wählen: „0 quae mutatio rerum!" - „O welcher Umschwung" in der Gesinnung des Herrn Schäffer, früher Staatsrat des bayrischen Finanzministeriums!
({2}) Ich sehe Herrn Schäffer noch vor mir, als ob es gestern gewesen wäre, schon vor 1933 in Versammlungen damals der Bayrischen Volkspartei, in denen er sich als Redner schärfstens gegen jede Aushöhlung der finanziellen Selbständigkeit der Länder gewendet hat und wo er wortwörtlich sagte - ich habe es noch im Kopf -, niemals dürften die Länder die Kostgänger des Reiches werden. Und nach 1945 - damit mir Herr Schäffer nicht etwa antworten kann: ja, seither lag ein zweiter Weltkrieg dazwischen - es sind noch keine drei Jahre vergangen, da sprach der Kandidat zum Deutschen Bundestag Herr Fritz Schäffer in seinem Wahlkreis Passau, und auch hier habe ich selbst vernommen, was er sagte. Er sagte damals: „Ich werde mich unter allen Umständen dafür einsetzen, daß die Länder nicht finanziell erdrosselt werden; ich werde unter allen Umständen dafür sorgen, daß so wichtige Steuern, wie das die Einkommensteuer ist, den Ländern ungeschmälert zugute kommen."
Und was ist von dieser „Weltanschauung" des Herrn Fritz Schäffer geblieben? Nichts ist davon geblieben!
({3})
Herr Schäffer behauptet zwar noch, er sei ein Föderalist. In Wirklichkeit, in praxi, ist er ein Zentralist reinsten Wassers!
({4})
Auch an ihm hat sich bewahrheitet, was man schon
vor 1933 sagte, als es noch den alten Reichstag
gab: „Wenn ein Bayer nach Berlin hinaufkommt,
als Beamter in eine Reichsbehörde, wird er preußischer als zehn Preußen zusammengenommen"!
({5})
Das zur Rede des Herrn Schäffer!
Sachlich möchte ich dazu noch sagen: Das, was uns Schäffer insinuiert,
({6})
ist nichts anderes als eine Verletzung der in der Verfassung garantierten Prinzipien, daß nämlich Ausgaben durch das Parlament und nur durch das Parlament ins Budget einzusetzen sind, und zwar erst dann, wenn diese Ausgaben ordnungsgemäß vom Parlament beschlossen worden sind. Und all dem, was Herr Schäffer heute sagte: er brauche die Millionen, um den „Wehrbeitrag" zu finanzieren, kann jeder Demokrat nur eins entgegensetzen, nämlich: Herr Schäffer, Sie haben noch nicht die Zustimmung des Parlaments und schon gar nicht die Zustimmung des deutschen Volkes zu diesen Milliardensummen an Wehrbeitragsgeldern, die Sie anscheinend in Paris den Alliierten, ohne die Zustimmung des Volkes zu haben, bewilligt haben.
Meine Damen und Herren, wir warnen vor einer solchen Entwicklung!
({7})
- Wir: das sind die Wähler der WAV, die durch gewissenlose Manöver um ihr Stimmrecht hier herinnen gebracht worden sind! Wir warnen davor, zusammen mit Millionen anderer Mitbürger in diesem Lande! Wir warnen vor einer Entwicklung, in deren Folge Gelder für Ausgaben bereitgestellt werden sollen, über die das Parlament noch gar keinen Beschluß gefaßt hat.
({8})
Was Herr Schäffer heute will und was er tatsächlich tut, ist nichts anderes als die Untergrabung
der letzten finanziellen Position nicht bloß des
Landes Bayern, sondern aller deutschen Länder
({9})
und damit ein klarer Verstoß gegen die Grundlagen der Bundesverfassung!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Parteien der Koalition werden dem vorliegenden Gesetze zustimmen. Wir sind der Auffassung, daß es, selbst wenn in den Materialien, die vorliegen, noch Lücken vorhanden sind, klar ist, daß die Steigerung der Ausgaben
({0})
des Bundes ein völlig anderes Ausmaß angenommen hat und auch im Rechnungsjahr 1952/53 zunehmend annehmen wird als die der Ausgaben der Länder. Das ist der Ausgangspunkt.
({1})
- Mein Vorredner boxt sich oder wird geboxt.
({2})
Ich kann da auch nicht helfen. Ich werde mich mit ihm nicht beschäftigen, weder geistig noch körperlich.
({3})
Wir glauben, daß dieses Grundargument für einen verantwortungsbewußten Finanzminister - und diesen Titel verleiht ihm sogar die SPD -({4})
hinreichend Veranlassung war, diese Dinge vor das Parlament zu bringen. Außerdem spielt dabei die Problematik der Einnahmeverteilung, die das Grundgesetz vorgesehen hat, eine sehr große Rolle. Es ist etwas Neues - Herr Troeger ist leider nicht mehr da -, wenn man der Regierung vorwirft, sie, brächte ihre Gesetze zu früh ein. Ich habe bisher in diesem Hause immer nur gehört, daß sie hinter den Dingen ganz hinten herhinke.
({5})
Und es wäre doch gar nicht so etwas Dummes - und nun stimme ich Ihnen zu, Herr Horlacher; hoffentlich freut Sie das -, und es wäre doch einmal etwas Neues, wenn wir jetzt ein Tor aufstießen - so ungefähr haben Sie sich ausgedrückt - zur Erörterung dieser Dinge. Irgend jemand muß ja einmal anfangen. Es kann nicht einfach so gehen, daß sich Regierung und Bundesrat stundenlang und monatelang in Argumenten erschöpfen und nicht weiterkommen.
({6})
Ich bin nicht der Meinung, daß bereits alle Chancen einer Verständigung ausgenutzt worden seien. Das hat auch der Bundesfinanzminister zum Ausdruck gebracht.
({7})
Sie wissen genau, Herr Koch und verschiedene Ihrer Kollegen, daß ja die Finanzausschüsse zu derselben Zeit, zu der wir uns hier streiten, bereit waren, zur Aufklärung und zur Materialsammlung zur Annäherung der Geister um diese Stunde etwas zu tun. Nach meiner Ansicht ist nur eine Verschiebung in den Zeitpunkten vorgenommen worden. Wir können das auch noch tun, wenn der Bundesrat gesprochen hat, im Vermittlungsausschuß usw.
({8}) Aber ich wiederhole: Die Bestimmungen des Grundgesetzes zwingen den Bundesfinanzminister dazu, in dieser Angelegenheit frühzeitig eine Initiative zu ergreifen. Und dafür, daß er das getan hat und dafür heute eine nach meiner Auffassung durchschlagende Begründung gegeben hat - für die Ergreifung dieser Initiative, nicht für den Prozentsatz! -, sollten wir ihm dankbar sein.
({9})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Aussprache liegen nicht vor. Ich schließe damit die allgemeine Besprechung der zweiten Beratung, die gleichzeitig die allgemeine Besprechung der dritten Beratung war.
Ich komme zur Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich rufe auf § 1. Herr Abgeordneter Renner wünscht, _den Änderungsantrag der KPD zu begründen. - Zu § 1 und § 1 a, beide Paragraphen, also Ihren ganzen Antrag!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu diesem § 1 der Gesetzesvorlage einen Änderungsantrag gestellt, der folgendermaßen lautet:
Im Rechnungsjahr 1952 nimmt der Bund zur Deckung seiner durch andere Einkünfte nicht gedeckten Ausgaben 10 v. H. der Einnahmen in Anspruch, die den Ländern im Rechnungsjahr 1952 aus den Einkommensteuern und der Körperschaftsteuer zufließen.
Wir haben ferner beantragt, einen § 1 a einzufügen, der folgenden Wortlaut haben soll:
Diese dem Bund aus der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer zufließenden Einkünfte werden ausschließlich zur Deckung echter Kriegsfolgelasten verwendet. Die den Ländern durch die Senkung des Bundesanteils aus der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer von 27 v. H. auf 10 v. H. zufließenden Mehreinnahmen werden den Ländern mit der Auflage zugewiesen, diese Mehreinnahmen ausschließlich zur erhöhten Deckung der reinen Kriegsfolgelasten, zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues und zur Verbesserung der kommunalen Wohlfahrtsleistungen, insbesondere zur Erhöhung der kommunalen Wohlfahrtsrichtsätze, einzusetzen.
Wir glauben, mit dieser Formulierung dem wahren Charakter des Art. 106 des Grundgesetzes Rechnung getragen zu haben.
Lassen Sie mich einige Worte sagen zur Begründung unserer Auffassung von der Notwendigkeit der Erhöhung der den Ländern aus den im Streit stehenden Steuern zufließenden Einnahmen für die von uns in unserem Antrag aufgezeigten Zwecke. Ich muß da zur Begründung auf einen Artikel zurückgreifen, den ein Landeswirtschaftsminister vor einigen Wochen, und zwar am 29. Februar 1950, im „Neuen Vorwärts" unter dem Titel veröffentlicht hat: „Wehrfinanzierung auf Kasten der Länder". Dieser Landesminister ist Herr Alfred Kubel, dem man sicherlich nicht nachsagen kann, daß er von Finanzpolitik nichts verstehe. Er sagt in diesem Artikel:
Angesichts mancher vergleichbarer Erfahrung
muß rechtzeitig davor gewarnt werden. Gemeint ist: vor diesem beabsichtigten Zugriff der Bundesregierung. Es heißt in dem Artikel dann
weiter:
Es sei bemerkt, daß es mindestens für eine Reihe von Ländern einfach untragbar ist, durch den von der Bundesregierung durch Gesetz vorgeschlagenen Abzug der Einnahmesteigerung über die Einnahmen des Jahres 1951 hinaus die Leistungsfähigkeit der Länder auf der Haushaltsplattform dieses Jahres erstarren zu lassen.
In der Begründung heißt es in diesem Artikel weiter:
({0})
Er
- der höhere Bundeszugriff kann ebenfalls zur Folge haben, daß die Länder ihre freiwilligen Staatsaufgaben, insbesondere ihren öffentlichen Investitionsleistungen, nicht in dem an sich gewünschten Maße steigern können. Wieder ist
- so heißt es in dem Artikel für eine Reihe von Ländern festzustellen, daß sie im Haushaltsjahr 1951 nicht einmal die notwendigen Aufwendungen machen konnten, um einen weiteren Verfall ihres Straßennetzes, ihrer öffentlichen Gebäude zu verhüten. Daß Niedersachsen zum Beispiel im Jahre 1951 gar keine Mittel für den Wohnungsbau, keine für Reparaturdarlehen, für Krankenhausbauten auf dem kommunalen Sektor ganze vier Millionen, nichts für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft, nichts für die Grenzlandhilfe einsetzen konnte und daß auch die kommunale Finanzausgleichsmasse keineswegs einen erträglichen Ausgleich der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit der Gemeinden zuließ, sei nur als Beispiel genannt.
Die Erhöhung des Steuerzugriffs um 13 % bedeutet nach den Zahlen in diesem Artikel eine Senkung der Landeseinnahmen aus Einkommen- und Körperschaftsteuer um 1053 Millionen DM. Kubel sagte dazu, daß im ganzen gesehen diese Senkung die defizitäre Entwicklung der Länderhaushalte verstärken muß.
Und nun die Finanzlage der Gemeinden. Die relativ günstige Finanzlage der Gemeinden im Rechnungsjahr 1951, diese „Schwemme", von der gelegentlich geredet wird, war keinesfalls - wie
jedem Fachmann bekannt ist - etwa die Folge einer gesteigerten Finanzzuweisung durch die Länder, sondern fast ausschließlich die Folge der Tatsache, daß die Nachzahlungen von Gewerbesteuern sich beträchtlich erhöht haben, was wiederum eine Folge der Tatsache war, daß Steuernachzahlungen aus den Jahren 1948/49 infolge Verspätung der Veranlagung durch die Finanzämter erst im laufenden, das heißt erst im hinter uns liegenden Rechnungsjahr in den Gemeinden eingegangen sind. Diese „Schwemme" in den Gemeinden ist aber vorüber. In den neuen Haushaltsplänen der Gemeinden für 1952/53, soweit sie uns bisher bekannt sind, sind bereits erhebliche Abstriche beim sozialen Wohnungsbau, bei den Schulreparaturen und bei den Wiederaufbauausgaben überall zu verzeichnen. Ich rede gar nicht von den Unsicherheitsfaktoren in den Gemeindehaushalten, die durch die Verpflichtung der Gemeinden bezüglich des Personenkreises nach Art. 131 des Grundgesetzes entstanden sind, ich rede nicht vom Lastenausgleich und von seinen Folgen für die Gemeinden; ich rede nur von der derzeitigen Finanzlage in der Gemeinde. Ich stelle fest, daß in den Gemeinden die heute bereits fehlenden Einnahmen in der Hauptsache durch ständige Erhöhung der kommunalen Gebühren, durch die Schaffung einer Konzessionsabgabe auf die öffentlichen Betriebe aufgebracht werden. Und wenn hier der Herr Kollege - von der FU war es wohl - von der geplanten Bürgersteuer, von dieser Negersteuer, gesprochen hat, so muß doch hier ausgesprochen werden, daß z. B. das Finanzministerium von Nordrhein-Westfalen ausdrücklich den Gemeinden geraten und daß der Deutsche Städtetag ausdrücklich den Gemeinden empfohlen hat, auf diese Steuer zurückzugreifen zur Abdeckung der Beträge, die
ihnen infolge der Verschlechterung der Finanzzuweisung seitens der Länder erwachsen.
Was haben wir hier vor uns? Wir haben in den Gemeinden die Tatsache vor uns stehen, daß die Kriegsfolgelasten, die normalerweise aus Mitteln des außerordentlichen Etats gedeckt werden müßten, heute bereits aus den ständig erhöhten Gebühren für die städtischen Anlagen gedeckt werden. Wir haben die Tatsache, daß der soziale Wohnungsbau in den Städten immer mehr zum Erliegen kommt. Wir haben die Tatsache, daß die Wohlfahrtsrichtsätze in den Gemeinden so erbärmlich niedrig sind, daß kein Mensch sie länger verantworten kann. Darum sagen wir Kommunisten im Hinblick auf die Auswirkungen dieses Gesetzes auf die Länder und die Gemeinden, daß es verantwortungslos ist, den Ländern diese Millionenbeträge zu entziehen, die von dem Herrn Finanzminister nur für die Finanzierung des Krieges verwendet werden sollen.
({1})
Wir sagen, daß jeder verfügbare Groschen in unserem Land für die Verbesserung der sozialen Leistungen der Länder, des Bundes und der Gemeinden zur Verfügung gestellt werden muß.
({2})
Noch ein letztes Wort. Ich verstehe nicht ganz, nein, ich verstehe überhaupt nicht, wie man angesichts der klaren Erkenntnis der Hintergründe dieser Vorlage seitens der sozialdemokratischen Freunde
({3})
davon sprechen kann, daß diese Vorlage verfrüht ist. Diese Vorlage ist nicht verfrüht. Sie müßte von uns und von Ihnen auch dann abgelehnt werden, wenn sie in einem halben Jahre erst käme. Es kommt darauf an, zu erkennen, warum der Bundesfinanzminister diese Vorlage hier durchpeitscht. Es gilt zu erkennen, daß er diese Gelder für die Kriegsvorbereitung anlegen will.
({4})
Da kann man nicht sagen: im Augenblick ist dies Gesetz noch verfrüht. Da muß man dem Willen unseres Volkes Rechnung tragen und mit größter Energie nein und nein und nein zu diesem Gesetz sagen.
({5})
Dieses Gesetz ist nicht verfrüht. Es muß abgelehnt werden.
Ich kann e i n Bedürfnis verstehen; das kann ich verstehen! Wenn wir heute in den Tageszeitungen lesen konnten, daß der Generalkriegsvertrag spätestens am 12. Mai unterzeichnet werden muß, dann begreifen wir Ihr Eilbedürfnis, Herr Bundesfinanzminister. - Aber wir denken gar nicht daran, Ihnen die Mittel für Ihren Krieg zu bewilligen, heute nicht und niemals! Und so, wie wir denken, denkt unser ganzes deutsches Volk in seiner überwiegenden Mehrheit.
({6})
Wenn der Wille des Volkes hier maßgebend wäre, wenn Sie nicht Ihre amerikanische Kriegspolitik betreiben müßten, wenn nicht der Wille der Imperialisten hier maßgebend wäre, sondern das Interesse des deutschen Volkes, dann gäbe es hier nur
eine einzige Haltung: Nein zu dieser Vorlage!
({7})
Wir Kommunisten bitten Sie, unserm Änderungsantrag zu § 1 des Gesetzes Ihre Zustimmung zu geben und das zu tun, was das Volk von Ihnen mit Recht fordert.
({8})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zur Einzelbesprechung des § 1 liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der KP zu § 1 und § 1 a auf Umdruck Nr. 481. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist gegen die Antragsteller ohne Enthaltungen abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 1 des Gesetzes. Ich bitte die Damen und Herren, die § 1 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. § 1 ist angenommen.
Ich rufe auf § 2, - § 3, - § 4, - Einleitung und Überschrift: Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Einzelbesprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Die Paragraphen, Einleitung und Überschrift sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Die allgemeine Besprechung entfällt, die Einzelbesprechung entfällt ebenfalls, da Änderungsanträge in der dritten Beratung nicht gestellt sind.
Vor der Schlußabstimmung wünscht der Abgeordnete Mellies das Wort.
({0})
Meine Damen und Herren, Sie haben richtig geraten.
({0})
Namens der sozialdemokratischen Fraktion beantrage ich bei der Schlußabstimmung namentliche Abstimmung.
Meine Damen und Herren, ich bitte die Herren Schriftführer, in den Urnen die Stimmzettel einzusammeln. Die Berliner Abgeordneten bedienen sich wieder der goldenen Urne.
({0})
Darf ich fragen, ob noch Abgeordnete da sind, die nicht abgestimmt haben? - Ich stelle fest, daß alle Abgeordneten, die ihre Stimme abzugeben wünschen, das getan haben.
({1})
- Lassen wir die Berliner Urne noch zwei Minuten stehen! - Damit schließe ich die Abstimmung. Ich bitte um Auszählung.
({2})
Meine Damen und Herren, ich gebe das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Schlußabstimmung über das Gesetz über die Inanspruchnahme
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 8948. eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 bekannt. Mit Ja haben gestimmt 154 Abgeordnete, mit Nein 115, enthalten haben sich 8, ungültig ist eine Stimme, 278 Teilnehmer insgesamt. Von den Berliner Abgeordneten haben gestimmt mit Ja 7, mit Nein 6, insgesamt 13. Es sind also 291 Abgeordnete anwesend gewesen. Der Bundestag war beschlußfähig. Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen vorschlagen, daß wir gemeinsam den Versuch machen, von der heutigen Tagesordnung so viel wie möglich 'zu erledigen, weil wir sonst durch die Sitzungspause und durch die beiden Wochen, die für den Lastenausgleich vorgesehen sind, eine Verzögerung um mehr als vier Wochen erleiden würden. Darf ich Sie bitten, das freundlichst zu unterstützen, auch durch die möglichst geringe Inanspruchnahme der Redezelt.
({3})
- Er scheint mir auch mit Rücksicht auf die laufenden Wahlkämpfe im allgemeinen Interesse zu sein, daß wir morgen keine Sitzung machen, sondern versuchen sollten, heute möglichst weit zu kommen.
Darf ich zunächst Punkt 7 aufrufen:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes zur Umsiedlung von Heimatvertriebenen aus den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ({4}).
Im Augenblick ist der Herr Minister Lukaschek nicht anwesend, der zur Begründung sprechen wollte.
({5})
- Meine Damen und Herren, sind Sie bereit, das Gesetz ohne Begründung und Besprechung dem Ausschuß zu überweisen?
({6})
- Ist das die gemeinsame Überzeugung des Hauses?
({7})
- Ich stelle also fest, daß das Haus auf Begründung und erste Beratung verzichtet.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung an den Ausschuß für Heimatvertriebene zustimmen, eine Hand 'zu erheben. - Damit ist die Überweisung erfolgt.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der Föderalistischen Union ({8}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung ({9}).
Es ist mir mitgeteilt worden, daß eine Verständigung darüber erzielt worden ist, daß auf die Begründung nach Möglichkeit und auf eine Aussprache überhaupt verzichtet werden soll.
({10})
- Herr Abgeordneter Dr. Etzel!
Dr. Etzel ({11}) ({12}), Antragsteller: Mit Rücksicht auf die besondere Geschäftslage des Bundestags verzichte ich auf eine Begründung und beantrage die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik.
({13})
Meine Damen und Herren, damit haben wir in diesem Augenblick wieder 120 Minuten gespart.
({0})
Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Wir kommen zu Punkt 9 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Bundes-Jagdgesetzes ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({2}) ({3}). ({4})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Nowack
({5}). Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
({6})
Nowack ({7}) ({8}), Berichterstatter: Ich verzichte auf eine mündliche Berichterstattung*), wenn Sie wollen.
Meine Damen und Herren, verzichtet der Bundestag auf eine mündliche Berichterstattung?
({0})
- Das ist der Fall; ich stelle das ausdrücklich fest.
({1})
- Wir sind in der Einzelberatung. Wollen Sie zu § 1 sprechen, Herr Dr. Horlacher?
({2})
Ich rufe § 1 zur Einzelberatung auf. Zu § 1 ' wünscht Herr Abgeordneter Dr. Horlacher das Wort, bitte!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Landesgruppe der CSU, verschiedener Abgeordneter aus den süddeutschen Ländern und bayerischer Abgeordneter auch auf dieser Seite ({0}) habe ich dem Hohen Hause die Erklärung - zunächst zur zweiten Lesung - abzugeben, daß wir uns bei allen Paragraphen der Stimme enthalten werden. In der allgemeinen Aussprache der dritten Lesung werde ich dann eine Erklärung abgeben.
({1})
Meine Damen und Herren, auch das erleichtert das Verfahren.
({0})
Ich rufe also zunächst den I. Abschnitt, Überschrift; - § 1, - § 2, - § 3 - auf. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abschnitt, den aufgerufenen Paragraphen, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist ohne Frage die Mehrheit; diese Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf den II. Abschnitt, Überschrift, -§ 4, - § 5, - § 6. - Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen und der Abschnittsüberschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist 'die Mehrheit; sie sind angenommen.
Zu § 7 liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Bauknecht und Genossen vor Herr Abge-
*) Schriftlicher Bericht siehe Anlage 1 Seite 8949. ordneter Bauknecht wünscht, ihn zu begründen. 1 Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich an den nun üblichen Brauch des Hauses halten und mich auch sehr kurz fassen.
({0})
Den Anlaß zur Einbringung dieses Antrags gab die Tatsache, daß in meinem Heimatland Württemberg-Hohenzollern seit Erlaß eines Landesjagdgesetzes die Möglichkeit besteht, daß Bauern, die im Einzelfall 15 Hektar und arrondiert eine Fläche von 75 Hektar besitzen, einen Eigenjagdbezirk bilden 'können. Für manche Länder mag das zunächst einmal etwas sonderbar wirken, aber Sie müssen sich die Tatsache vorstellen, daß wir in Württemberg-Hohenzollern in einem Land wohnen, das vielleicht sehr viel länger 'demokratische Rechte besitzt als die übrigen Bundesländer.
({1})
So hatten wir im Jahre 1848 die Möglichkeit geschaffen, daß Bauern, daß Grundeigentümer, die im Einzelfalle 50 Morgen, das sind etwa 15 ha, landwirtschaftliche Fläche besitzen, eine Eigenjagd haben konnten. Diese Eigenjagden haben wir durch das Dritte Reich im Jahr 1933 verloren. Nun sind wir ja nicht so eingestellt, daß wir unter allen Umständen auf diese 50-Morgen-Jagd pochen. Wir wollen uns den allgemeinen Ansichten und dem Jagdgebrauch fügen. Vielleicht ist es mit Rücksicht auf das Wild untunlich, Jagdbezirke von einer Fläche unter 75 ha zu schaffen; aber wir sollten doch, glaube 'ich, die Möglichkeit geben, daß das alte Bauernrecht nicht völlig begraben wird. Unser Landtag hat im Jahre 1949 diesen Passus über die Bildung der Eigenjagdbezirke einstimmig angenommen. Ich möchte Sie bitten, hier diese Möglichkeit zu schaffen, damit nicht das Bundesjagdgesetz das Länderrecht bricht; sonst wird vielleicht unbefugt in die Rechte der Bauern eingegriffen.
Ich möchte Sie bitten, der von mir vorgetragenen Ausnahme zuzustimmen. Sie haben alle den Antrag vor sich liegen:
Die Länder können abweichend von Satz 1 bestimmen, daß auch eine sonstige zusammenhangende Fläche von 75 ha einen Eigenjagdbezirk bildet, wenn dies von Grundeigentümern oder Nutznießern zusammenhängender Grundflächen von mindestens je 15 ha beantragt wird.
Es ist eine Kann-Bestimmung. Es muß dazu erst ein Landesgesetz geschaffen werden, wo noch keines vorhanden ist. Ich bitte Sie also, dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Meine Damen und Herren, ich darf das 'Haus darauf hinweisen, daß sich der Berichterstatter bereit erklärt hat, an Stelle des Mündlichen Berichts, auf den das Haus verzichtet hat, einen Schriftlichen Bericht*) für den Ausschuß zu erstatten, der dem Protokoll beigefügt wird. Ich glaube, daß das Haus das mit Dank zur Kenntnis nehmen wird.
Zu diesem Thema zunächst Herr Abgeordneter Schulze-Pellengahr, dann Herr Abgeordneter Kriedemann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich be-
*) Siehe Anlage 1 Seite 8949. ({0})
dauere, daß ich dem Antrag meines lieben Fraktionskollegen Bauknecht
({1})
- stimmt auch - widersprechen muß. Wenn diesem Antrag stattgegeben würde, würden bei uns im norddeutschen Raum sämtliche Gemeinschaftsjagdbezirke zerschlagen. Bei mir zu Hause wäre dann z. B. praktisch kein Gemeinschaftsjagdbezirk vorhanden. Eine weitere Folge wäre, daß allen Jägern aus der Stadt, die nun doch auch ein Anrecht darauf haben, auf Jagd zu gehen und sich eine Jagd zu pachten, die Möglichkeit genommen würde, sich selber ein Revier zu schaffen. Aus diesen Gründen möchte ich Sie bitten, diesen Antrag abzulehnen.
Herr Abgeordneter Kriedemann, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch diejenigen, die nicht das Glück gehabt haben, in einem Lande geboren zu sein, in dem die demokratische Tradition schon länger zu Hause ist,
({0})
werden alles Verständnis dafür haben, daß die Grundbesitzer aller Größenklassen gern auf ihrem eigenen Grund und Boden jagen möchten. Wir sollten die Verfügung des einzelnen über sein Privateigentum, über seinen Grund und Boden nur soweit einschränken, als es durch die Interessen der Gesamtheit unter allen Umständen geboten erscheint. Ich vermag nicht einzusehen, warum sich nicht auch drei Bauern zusammen das Vergnügen erlauben sollen, das ein Grundbesitzer hat, der das Glück hat, auf einem größeren Areal geboren zu sein, oder der sich durch seine Tüchtigkeit ein solches zusammenkaufen konnte. Weil wir aber hier nicht etwas anrichten wollen, gegen das ernsthafte Bedenken erhoben werden könnten, und trotzdem den besonderen Verhältnissen in solchen Ländern Rechnung tragen wollen, in denen der Grundbesitz auf sehr viele Eigentümer verteilt ist - ich weiß nicht, ob das mit der demokratischen Tradition zusammenhängt -, schlage ich Ihnen folgende Abänderung des eben vom Herrn Bauknecht begründeten Antrags vor. Ich lese hier kurzerhand nach meinen Notizen vor:
Die Länder können, soweit beim Inkrafttreten
dieses Gesetzes eine solche Regelung besteht,
abweichend von Satz 1 bestimmen, daß .. .
Ich glaube, meinen Damen und Herren, daß wir auch hier in der Gefahr sind, uns viel zuviel Sorgen zu machen, mehr Sorgen, als eigentlich berechtigt ist: Es gibt nun einmal beinahe bei jedem Problem - und offenbar auch bei diesem - einige, die glauben, daß eine Auflockerung, die so im Interesse eines natürlichen frischen Windzugs ganz erwünscht ist, immer gleich ein Chaos heraufbeschwört. Im Hinblick auf die Länder, in denen das üblich ist, weil es eben aus den natürlichen Verhältnissen geboren ist, sollten wir mit einem Bundesrahmengesetz diesen an sich ganz begreiflichen Wunsch der bäuerlichen Grundeigentümer nicht zunichte machen.
Also ich verstehe den Antrag des Herrn Abgeordneten Kriedemann so, daß nach dem Wort „können" eingefügt werden soll: wo es bei Inkrafttreten dieses Gesetzes üblich ist.
({0})
- „... soweit beim Inkrafttreten dieses Gesetzes eine solche Regelung besteht".
Herr Abgeordneter Bauknecht, bitte.
Meine Damen und Herren! Ich will Ihnen in den andern Ländern meine Meinung ja nicht aufzwingen. Ich gebe mich mit diesem Änderungsantrag von Kriedemann zufrieden.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich darf also unterstellen, daß der Änderungsantrag des Abgeordneten Bauknecht in der von Herrn Kriedemann abgeänderten Form gestellt wird.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag der Herren Abgeordneten Bauknecht und Genossen in dieser Form zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist ohne Frage die Mehrheit; damit ist der § 7 Abs. 1 durch Anfügung dieses Satzes ergänzt.
Ich bitte die Damen und Herren, die unter Berücksichtigung dieser Ergänzung dem § 7 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf §§ 8, - 9, - 10, - III. Abschnitt Überschrift, §§ 11, - 12, - 13, - 14, - IV. Abschnitt §§ 15, - 16, - 17, - 18, - V. Abschnitt §§ 19, - 20. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu § 21 ein Änderungsantrag der Fraktion der DP. Herr Abgeordneter Tobaben zur Begründung - in aller Kürze; wie ich annehme.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Hause ist wohl kaum ein Gesetz beraten worden, bei dem die verschiedenen Meinungen so sehr quer durch die Fraktionen gingen wie beim Bundesjagdgesetz. Wir haben die Interessen und Wünsche der Jäger und der Naturfreunde auf der einen Seite, der Landeskultur und der Bauern auf der anderen Seite zu berücksichtigen. Dazu kommen die oft ganz verschieden gelagerten Verhältnisse in den einzelnen Ländern. Es war bestimmt nicht ganz einfach, im Widerstreit der Meinungen immer den gerechten Ausgleich zu finden. Ich kann darum verstehen, wenn nicht alle das Ergebnis der Beratung dieser Vorlage als eine Ideallösung anerkennen. Da es gerade in jagdlicherHinsicht in der Natur, in der Landeskultur, aber auch in den jagdlichen Bräuchen und im Werden der Jagdgesetze erhebliche Unterschiede gibt, kann dieses Gesetz nur als ein Rahmengesetz angesehen werden, in dem die Ländergesetzgebung einen weiten Raum behalten muß. Das ist bei den Beratungen auch immer wieder zum Ausdruck gekommen und anerkannt worden.
Der Antrag meiner Fraktion, den ich hier zu vertreten habe, versucht nur, eine noch offengebliebene Lücke zu schließen, und ich bitte Sie, dem zuzustimmen. Ich bitte Sie auch deshalb, diesem Antrag zuzustimmen, damit das Gesetz möglichst ungehindert den Bundesrat passieren und nun endlich verabschiedet werden kann.
Herr Abgeordneter, ich darf unterstellen, daß Sie damit gleichzeitig den Antrag auf Streichung des § 37, der j a sachlich damit zusammenhängt, begründet haben.
Zunächst Herr Abgeordneter Kriedemann, dann Herr Abgeordneter Fassbender.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, ob es zu bedauern ist, daß es uns das umfangreiche Arbeitsprogramm, um dessen Erledigung wir uns bemühen, verhältnismäßig leicht macht oder es uns mindestens sehr nahelegt, die Debatte über dieses Gesetz abzukürzen, soweit es sich irgendwie machen läßt. Wenn das nicht der Fall wäre, dann würden wir heute wahrscheinlich eine der aufregendsten oder mindestens eine der aufgeregtesten Debatten erleben. Es ist vielleicht kennzeichnend, wenn ich Ihnen sage, daß im Ernährungsausschuß die Meinungen so hart aufeinanderprallten, daß ich zum Schluß vielleicht noch froh war, als der erste Vorsitzende mir nahelegte, für diese Zeit den Vorsitz zu übernehmen, weil er selber lieber in der Debatte mitwirken wollte als ein sehr sachverständiger, aber - er ist leider nicht hier - auch als ein sehr maßvoller Sachverständiger, als daß er sich durch den Vorsitz gebunden fühlen wollte. Ich spreche also hier aus einer gewissen leidvollen Erfahrung mit den Temperamenten, die hier zum Ausdruck kommen.
Aber nun im Ernst, meine Damen und Herren: es ist von der einen Seite gefordert worden, eine Abschußregelung in Form eines Abschußplanes durchzuführen, der nach altbewährtem Muster von der Behörde festgesetzt werden soll. Ich glaube, daß die Landwirtschaft und diejenigen, die im Walde eine Quelle des Volkseinkommens, und zwar nicht durch Rehbraten, sondern durch Holz - Holz ist immerhin eine ganz interessante Mangelware - sehen, nicht zu Unrecht in dem leidenschaftlichen Fordern nach einem solchen vom Staat her kontrollierten Abschußplan das Bemühen derjenigen gesehen haben, die nun einmal sehr an der Jagd interessiert sind, das Bemühen um die Erhaltung eines Wildstandes, der eben mehr diesem Vergnügen, diesem sehr respektablen und von mir zwar nicht geteilten, aber immerhin auch nicht abgelehnten Vergnügen Rechnung trägt als den Bedürfnissen der Volkswirtschaft, hier vertreten durch die Landwirtschaft und durch die Holzwirtschaft. Es kann nicht bestritten werden, daß jeder Überbestand an Wild zu einer erheblichen Beeinträchtigung aller der Resultate führt, um derentwillen man auf dem Lande und im Walde arbeitet.
Es ist also von einer sehr zahlreichen Gruppe der Standpunkt vertreten worden, daß man am besten überhaupt keinen Abschußplan machen, sondern es den unmittelbar Beteiligten überlassen solle, wieviel geschossen werde. Wir haben uns dann um einen Kompromiß bemüht. Wir glaubten einen sehr brauchbaren Kompromiß in der Form gefunden zu haben, daß wir sagten, diejenigen, die unmittelbar, und zwar privatrechtlich, an der Sache interessiert sind, nämlich derjenige, der das Recht auf die Ausübung der Jagd hat, weil er der Grundbesitzer ist, und derjenige, dem er dieses Recht als Jagdpächter abtritt, sollten sich zunächst über den Abschußplan einigen, über die Zahl der Tiere, die aus dem Wald herausgenommen werden sollen, und über den Tierbestand, der nach Maßgabe der Bestimmungen erhalten werden soll, die Sie vorn am Anfang des Gesetzes finden. Dort heißt es, daß eine Hege mit dem Ziel betrieben werden soll, einen artenreichen und den landwirtschaftlichen Verhältnissen angepaßten Wildbestand zu erhalten und Wildschäden möglichst zu vermeiden. Wir wollten diese Angelegenheit aus der Zuständigkeit der Behörde herausnehmen, die im Zweifelsfall vielleicht nicht so ganz objektiv ist, sondern hier dargestellt wird durch Leute, die aus ihrem Beruf heraus nun einmal vielleicht mehr für die Jagd als für den Wald in Form von Holz empfinden. Darum haben wir hier diesen Jagdbeirat eingesetzt, der die Kontrollinstanz dafür sein soll, ob in der Vereinbarung zwischen Verpächter und Pächter die vorn angedeuteten Grundsätze eingehalten werden. Das ist eine Form der Selbstverwaltung, die allen Beteiligten gerecht wird, nicht nur den Jägern, den „Sachverständigen", sondern auch denen, die für die Wildschäden sachverständig sind, den Landwirten, den Waldbesitzern usw. Wir haben die öffentliche Hand in der Weise eingeschaltet, wie Sie es im Gesetzestext sehen.
Ich möchte Ihnen, nachdem wir uns nach heftigem Bemühen zu dieser Regelung durchgerungen haben, die keinen Eingriff in die Verwaltungshoheit der Länder darstellt - das kann von keiner Seite ernsthaft behauptet werden -, dringend vorschlagen, der Änderung, die Herr Dr. Mühlenfeld und seine Fraktion vorschlagen und die Herr Tobaben eben begründet hat, Ihre Zustimmung zu versagen und den Formulierungen in diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, wie sie Ihnen der Ausschuß vorgelegt hat.
Lassen Sie mich noch einen Satz hinzufügen. Ich bin der festen Überzeugung, daß ein hartnäckiger Versuch, hier wieder auf Zustände zurückzukommen, die früher einmal gewesen sind, Kräfte wachruft, die dann zu einer Reaktion imstande sind, der die Herren, die sich so um die Wiederherstellung dessen bemühen, was ihnen gefallen hat, wodurch sich aber die große Mehrheit der Landwirtschaft treibenden Bevölkerung beschwert gefühlt hat, nicht werden widerstehen können.
({0})
Herr Abgeordneter Fassbender, bitte!
Meine Damen und Herren! Im großen und ganzen kann ich mich den Ausführungen .des Kollegen Kriedemann anschließen. Wer den Kampf um dieses Jagdgesetz so erlebt hat wie wir, weiß, daß es Dutzender von Ausschuß-und Unterausschußsitzungen bedurft hat, um gerade über diesen § 37, der nach dem Antrag der DP gestrichen werden soll, eine Einigung herbeizuführen. Ich möchte Sie bitten, den Antrag der DP, in Abs. 2 des § 21 diese Einfügung zu machen und dafür den § 37 zu streichen, abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag der Fraktion der DP, Umdruck Nr. 488 Ziffer 1 und damit praktisch auch Ziffer 2, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die § 21 in der Auschußfassung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 22, - VI. Abschnitt, § 23, - § 24,
- § 25, - VII. Abschnitt, § 26, - § 27, - § 28,
-§ 29,-§ 30,-§ 31,-§ 32,-§ 33,-§ 34,
- § 35, - VIII. Abschnitt, § 36, - IX. Abschnitt, § 37, - X. Abschnitt, § 38, - § 39, - § 40,
- § 41, - § 42, - XI. Abschnitt, § 43, - § 44,
- § 45, - § 46, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. ({0})
Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Eine allgemeine Besprechung der dritten Beratung - ({1})
- Herr Abgeordneter Dr. Horlacher wünscht dazu das Wort.
Ich widerspreche der dritten Beratung. - Meine sehr verehrten Damen und Herren, es tut mir ungeheuer leid. Die Verhältnisse in den süddeutschen Ländern sind so - das ist keine bayerische Frage, sondern das geht bis nach Hessen hinauf, und nach der Beratung im Bundesrat ist es auch noch lange nicht aus -, daß hier eine geschlossene Front der süddeutschen Länder besteht. Nur die britische Zone war nicht in der Lage, in ihren Ländern eigene Jagdgesetze zu schaffen. Wir haben kein Interesse daran, daß das Gesetz heute schon verabschiedet wird, um so weniger, als der Deutsche Jagdschutzverband gestern auf seiner Tagung zum Ausdruck gebracht hat, daß das ein schlechtes Gesetz ist.
({0})
Es müssen alle Wege beschritten werden, um dieses Gesetz in eine andere Form zu bringen. Ich widerspreche der dritten Beratung.
({1})
Meine Damen und Herren, die dritte Beratung des Gesetzentwurfs steht auf der Tagesordnung. Es ist in der zweiten Beratung eine Änderung beschlossen worden. Also kann die dritte Beratung, falls widersprochen wird, nicht früher als am zweiten Tage nach der Verteilung der Drucksache mit den in der zweiten Beratung gefaßten Beschlüssen erfolgen.
({0})
Ich habe zu fragen, meine Damen und Herren, ob 10 anwesende Mitglieder einer Kürzung dieser Frist widersprechen. Nach § 93 unserer Geschäftsordnung kann auch diese Frist von zwei Tagen verkürzt werden, wenn nicht 10 Abgeordnete widersprechen. Ich frage, ob 10 Abgeordnete der Kürzung der Frist widersprechen. - Meine Damen und Herren, das sind mehr als 10 Abgeordnete. Ich bedaure also, daß die Frist nicht abgekürzt werden kann. Die dritte Beratung des Gesetzes kann also nicht stattfinden.
({1})
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung:
Beratung des Schriftlichen Berichts des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen ({2}) über den Antrag der Fraktion des Zentrums betreffend Bemühungen zur Freilassung von in der sowjetischen Besatzungszone aus politischen Gründen inhaftierten Jugendlichen ({3}).
Es liegt Ihnen der schriftliche Bericht *) des Herrn Abgeordneten Blachstein vor. Wünschen Sie, den Bericht noch mündlich zu ergänzen? - Bitte schön!
*) Siehe Anlage 2 Seite 8952.
Blachstein ({4}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der durch die Jagd aufgelockerten Stimmung im Hause und der späten Stunde möchte ich Sie bitten, diesem Tagesordnungspunkt Ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen. Es handelt sich um die Bemühungen, die Öffentlichkeit auf die Lage der in der sowjetischen Besatzungszone verhafteten Jugendlichen hinzuweisen und nach Wegen zu suchen, wie ihnen Hilfe gebracht werden kann.
Dem Bericht des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen, Drucksache Nr. 3256, liegt der Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 2019 zugrunde. Damals, am 7. März 1951, wünschten die Antragsteller Bemühungen um die Freilassung der in der sowjetischen Besatzungszone inhaftierten Jugendlichen Hermann Josef Flade und Arno Esche. Daß sich die Antragsteller nur von humanitären Motiven leiten ließen, geht schon daraus hervor, daß sie gegebenenfalls die Begnadigung eines damals noch in Haft befindlichen kommunistischen Helgolandfahrers vorschlugen. Der Rechtsausschuß und der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen glaubten, einem solchen Kompensationsvorschlag nicht folgen zu können, aber Möglichkeiten suchen zu sollen, den aus politischen Gründen in der sowjetischen Besatzungszone inhaftierten und verurteilten Jugendlichen zu helfen.
Dabei erlauben Sie mir bitte, einen Irrtum aufzuklären, der leider mancherorts entstanden ist. Wenn in diesem Bericht des Ausschusses nur von Jugendlichen, die aus politischen Gründen in Haft gehalten werden, gesprochen wird, so ist damit nicht gemeint, daß die Tausende erwachsenen politischen Häftlinge der sowjetischen Besatzungszone von uns aufgegeben oder abgeschrieben seien. Wir fühlen unsere schwere Verantwortung und Verpflichtung gegenüber allen Deutschen, die wegen ihrer politischen, weltanschaulichen oder religiösen Überzeugung verfolgt und in Haft gehalten werden.
({5})
Wenn heute der Deutsche Bundestag seinen Blick besonders auf die jugendlichen Inhaftierten konzentriert, so aus dem besonderen Anlaß der Drucksache Nr. 2019 und in dem Bewußtsein, damit auch seine Verbundenheit mit allen Opfern des freiheitsfeindlichen Regimes in der 'sowjetischen Besatzungszone zum Ausdruck zu bringen.
({6}) Dem Ausschuß geht es bei diesem Bericht und seinem Antrag nicht um Propaganda, sondern um die Erzielung praktischer Resultate.
({7})
Vielleicht erleichtert die Begrenzung auf einen bestimmten Personenkreis und gerade auf Jugendliche den Machthabern in der sowjetischen Besatzungszone die Erfüllung unseres Appells.
Hier wird die Frage aufgeworfen werden, ob das Material stichhaltig ist. Es ist das Ergebnis sorgfältiger Materialsammlung und -prüfung. Die wichtigsten Informationen stammen von solchen Personen, die selbst kürzere oder längere Zeit in der sowjetischen Besatzungszone in Haft gesessen haben. Die Übereinstimmung dieser Berichte untereinander läßt ihre Echtheit gewiß erscheinen. Weitere Einzelheiten über die Zustände in den Strafanstalten, Gefängnissen und Zuchthäusern stammen von Wachmannschaften und Verwaltungsangehörigen dieser Anstalten, von Angehörigen der Inhaftierten und aus geschmuggelten Briefen. Es
({8})
ist ein großes und erschütterndes Material, das von Behörden, Parteien und Organisationen in der Bundesrepublik gesammelt wurde.
Die Namensliste ist erschreckend lang. Tausende junge Menschen werden unter mörderischen Bedingungen gefangengehalten. Viele sind in der „gelben Hölle" von Bautzen und Waldheim der Tbc und anderen Krankheiten und Entbehrungen erlegen. Leider sind wir nicht in der Lage, vollständige Angaben vorzulegen. Die es könnten, die Behörden in der sowjetischen Besatzungszone, tun alles, um vor der deutschen Bevölkerung und der Weltöffentlichkeit ihren Terror zu verschleiern und zu verheimlichen.
({9})
Wir sind gewiß, daß gemäß der Praxis aller totalitären Regime die Gegner der Willkürherrschaft als asoziale und kriminelle Elemente zu diskreditieren versucht werden und in diesem Hause in dieser Debatte wahrscheinlich auch ein solcher Versuch gemacht werden wird. Es wird dabei von uns gar nicht bestritten, daß in diesem oder jenem Fall der eine oder andere Jugendliche sich nach dem Strafgesetz strafbar gemacht haben mag. Unterstellen wir einmal, daß Jugendliche bei einer Geburtstagsfeier von Wilhelm Pieck am 3. Januar 1951 in Jena eine Stinkbombe zum Platzen brachten, so wären die Strafen von einigen Monaten Gefängnis, die von einem sowjetzonalen Gericht verhängt wurden, begreiflich, wenn auch schon reichlich hart. Unbegreiflich sind uns aber die Strafen des sowjetischen Militärtribunals, das die Sache an sich zog und das diese Tat, eine Stinkbombe in einem Saal bei einer Geburtstagsfeier zu Ehren Wilhelm Piecks zum Platzen gebracht zu haben, für alle zehn Jugendlichen zwischen 17 und 21 Jahren mit 25 Jahren Zwangsarbeit bestraft hat.
({10})
Die Begründung lautet: wegen antidemokratischer und antisowjetischer Propaganda.
Auch die Strafen der deutschen Gerichte in der sowjetischen Besatzungszone sind bei politischen Vergehen Jugendlicher außerordentlich hart. Wir wollen über diese Art der Rechtsprechung nicht streiten, da eine Verständigung kaum möglich sein würde.
({11})
Wir fordern aus Gründen der Menschlichkeit eine umfassende Amnestie für alle aus politischen Gründen inhaftierten Jugendlichen in der sowjetischen Besatzungszone.
({12})
Alle Deutschen werden diese Forderung aus ganzem Herzen unterstützen. Wir hoffen auch auf Verständnis und Bereitwilligkeit bei der russischen Besatzungsmacht, von deren Militärgerichten viele Jugendliche verurteilt wurden und in deren Gewahrsam sich noch manche heute befinden.
Selbst wenn die Klosterschüler von Roßleben in Sachsen-Anhalt am Ende des Krieges beim Werwolf gewesen sein sollten, wie ihnen vorgeworfen wurde, so waren sie damals zwischen vierzehn und sechzehn Jahre alt, und selbst wenn sie schuldig sein sollten, sind es andere, die dafür die Verantwortung tragen, daß damals Kinder zum Kriegsdienst mißbraucht wurden.
({13})
Sie wurden zu zehn Jahren Freiheitsentzug verurteilt und befinden sich teils in Rußland und teils
Am Zuchthaus Luckau noch heute in Haft. Mehr als zwei Drittel haben diese Kinder von ihrer furchtbaren Strafe bereits abgesessen; einige sind in der Haft gestorben. Die Überlebenden sollten durch einen Gnadenakt ihre Freiheit wieder erhalten.
In unserem Bericht werden die schweren Bedingungen geschildert, unter denen die politischen Gefangenen in der sowjetischen Besatzungszone leben müssen. Die Ernährung ist schlecht, die hygienischen Bedingungen miserabel, der Mangel an Medikamenten groß, so daß der feste Eindruck entsteht, diese Methoden seien dazu bestimmt, die politischen Gefangenen durch Entbehrungen und Krankheit zugrunde gehen zu lassen.
({14})
Furchtbar verbreitet ist die Tuberkulose. Sie hat schon zahlreiche Opfer gekostet und kostet täglich neue. Eine solche Behandlung von Gefangenen ist unmenschlich. Den Häftlingsärzten stehen zur Betreuung ihrer Kameraden fast keine Medikamente zur Verfügung. Die Lungenkranken erhalten keine oder nur unwesentlich verbesserte Verpflegung. In den drei- und vierfach überbelegten Anstalten werden die Gesunden von den Kranken angesteckt, und die Kranken siechen hilflos dahin, Für die Jugendlichen ist die Lage ohne Betreuung, ohne Fortbildung, ohne ausreichende Verpflegung ganz besonders trostlos. Sie sind in den meisten Anstalten von den Erwachsenen nicht abgesondert, obwohl sie nach den dort geltenden Gesetzen darauf einen Anspruch haben.
Der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen fordert von der Bundesregierung eine Liste der in der sowjetischen Besatzungszone oder in Rußland aus politischen Gründen verurteilten jungen Deutschen und einen Bericht über die Zustände in den Lagern und Strafanstalten, in denen Jugendliche gefangen gehalten werden. Wenn unser Appell keine Resultate zeitigen sollte, müßte sich der Deutsche Bundestag nach Vorlage der Unterlagen durch die Bundesregierung erneut mit der Frage beschäftigen, um den Verurteilten Hilfe zu bringen oder Wege zur Erleichterung ihres Schicksals zu suchen. Der Ausschuß wendet sich an die deutschen und internationalen humanitären Organisationen mit der Bitte, aus Gründen der Menschlichkeit für die Freilassung der aus politischen Gründen verhafteten Jugendlichen oder die Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse einzutreten. Solche Bemühungen waren in der Vergangenheit, wie die segensreiche Intervention für bessere Ernährung durch den Bischof Dr. Dibelius, teilweise erfolgreich. Es müssen alle nur erdenklichen Anstrengungen gemacht werden, um das Leben und die Gesundheit der jungen Menschen zu retten. Dabei ist es denkbar, daß die guten Dienste humanitärer oder kirchlicher deutscher oder internationaler Organisationen nicht abgewiesen werden.
Der Ausschuß schlägt dem Hohen Hause vor: Der Bundestag wolle beschließen:
1. Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine möglichst vollständige Liste der in der sowjetischen Besatzungszone aus politischen Gründer verhafteten und dort oder in Rußland aus politischen Gründen verurteilten Jugendlichen sowie einen genauen Bericht über die Verhältnisse in den Lagern und Strafanstalten vorzulegen, in denen sich solche Jugendliche befinden.
({15})
2. Der Deutsche Bundestag gibt den geeigneten deutschen und internationalen humanitären Organisationen -gegenüber der Hoffnung Ausdruck, daß auch von ihrer Seite, aus Gründen der Menschlichkeit, darauf hingewirkt wird, die Freilassung der aus politischen Gründen verhafteten Jugendlichen oder eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse zu erreichen.
3. Der Deutsche Bundestag fordert eine Amnestie für diese Jugendlichen und appelliert an alle Menschen guten Willens in aller Welt, sich dieser Forderung anzuschließen. Er spricht die Erwartung aus, daß die zuständigen Stellen der sowjetischen Besatzungszone sich diesem Anliegen nicht versagen werden, und bittet die Bundesregierung, alle Schritte zu unternehmen, die geeignet sind, die Freilässung der aus politischen Gründen verhafteten Jugendlichen so schnell wie möglich zu erreichen.
Wir fühlen uns in diesem Appell für die politisch verfolgte Jugend eins mit dem ganzen deutschen Volk und geben der Hoffnung Ausdruck, daß sich alle Abgeordneten dieses Hauses für den Antrag des Ausschusses entscheiden.
({16})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache im Rahmen der Ihnen vom Ältestenrat vorgeschlagenen Redezeit von 90 Minuten.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist bedauerlich, daß dieser Punkt der Tagesordnung wieder so sehr ans Ende gerückt ist und infolgedessen die Tribünen und auch das Haus nicht so voll besetzt sind, wie man es im Hinblick auf die Wichtigkeit des Gegenstandes wünschte.
({0})
- Herr Renner, wir haben es nicht nötig, Propaganda zu machen; die Ereignisse sprechen hier für
sich. Die Propaganda machen Sie und nicht wir.
({1})
Es ist das Wort Propaganda gefallen. Frau Thiele hat gestern nachmittag die Beratungen über das Gesetz zur Änderung des Reichsjugendgerichtsgesetzes dazu benutzt, in düstersten Farben wieder einmal die Situation der Jugend in der Bundesrepublik zu schildern.
({2})
Sie hat bei dieser Schilderung nur eins vergessen, oder vielmehr sie hat nicht eins, sondern mehreres vergessen. Sie hat einmal vergessen, darauf hinzuweisen, daß die Notlage, die tatsächlich da ist, durch die Oder-Neiße-Linie und alles, was sich jenseits abgespielt hat, sowie durch die Tatsache verursacht worden ist, daß diese Oder-Neiße-Linie von gewisser Seite auch heute als „Friedenslinie" proklamiert wird. Sie hat ein Weiteres vergessen; sie hat vergessen, daß die Not dieser Jugend aus den Vertreibungsgebieten täglich durch die Not der Flüchtlinge gesteigert wird, die aus der sowjetischen Besatzungszone zu uns herüberkommen. Wenn man Frau Thiele oder wenn man einer Sendung des Deutschlandsenders meinetwegen von Ende März glauben wollte, dann ist tatsächlich für die Jugendlichen hier in der Bundesrepublik die
Hölle und drüben in der sowjetischen Besatzungszone ist für die Jugendlichen das Paradies.
({3})
Wenn Sie nicht etwas klügere und etwas witzigere Bemerkungen machen wollen, ist es wirklich besser, Sie sagen nichts.
({4})
Wer die Lager kennt, die sich von Poggenhagen und Loccum über das ganze Bundesgebiet erstrecken, und wer weiß, daß diese Lager laufend von Hunderten von Jugendlichen angelaufen werden, die drüben nicht leben können und die drüben nicht in. Aue arbeiten wollen, dem erscheint dieses östliche Paradies in etwas anderem Licht, als es der Frau Thiele erschienen ist.
({5})
Wir wissen genau, daß 45 % dieser Jugendlichen aus arbeitsmäßigen Gründen aus der sowjetischen Besatzungszone herausgehen. Es ist nicht so, wie es uns die Propaganda glauben machen will, daß der Weg der Jugendlichen, vom Lehrling angefangen bis hin zu den jugendlichen Bürgermeistern oder zu den 3000 Abgeordneten in Volkskammer und Landtagen, die man stolz zitiert, zu Glück und Wohlstand führt. Eine ganze Fülle von Jugendlichen kann arbeitsmäßig das Leben drüben nicht ertragen. Noch viel mehr können nicht ertragen, nicht das zu besitzen, was für einen deutschen Jungen und für ein deutsches Mädel das Entscheidende im Leben ist, die innere Freiheit, die Möglichkeit, das eigene Leben aufzubauen, und nicht das Recht zu haben, das zu einem Jugendlichen gehört, auch einmal Kritik zu üben, selbst dann, wenn die Kritik über das Ziel hinausschießt.
Meine Damen und Herren! Frau Thiele hat aber auch ein Drittes nicht erwähnt, sie hat die Tausende von Jugendlichen nicht erwähnt, von denen in dem erschütternden Bericht, den uns Herr Abgeordneter Blachstein gegeben hat, die Rede war. Es sind ja nicht nur Jugendliche, um die es sich in dem Bericht handelt, sondern es sind auch Kinder,
({6})
Kinder von 14 und 15 Jahren, die in den Zuchthäusern der sowjetischen Besatzungszone oder irgendwo weiter östlich als furchtbare Anklage gegen das 20. Jahrhundert körperlich und seelisch verkommen. Es ist, glaube ich, eine eindrucksvolle Illustration zu dem Kampf, um den es heute zwischen Osten und Westen geht, daß wir gestern hier den Entwurf des von mir vorhin erwähnten Gesetzes berieten und dabei darüber debattierten, daß in jedem Jugendstrafvollzug das erzieherische Moment den Ausschlag geben müsse, daß die Debatte von dem verantwortungsbewußten Bemühen von Staat und Gesellschaft getragen war, die straffällig gewordene Jugendliche dem Leben und der Gesellschaft zu gewinnen trachtet und infolgedessen bei der Strafbemessung zu jugendgerechten Maßstäben zu kommen sucht, und daß wir nun heute als Beispiel einer anderen Form der Justiz diesen Bericht bekommen haben, der, glaube ich, zu dem Erschütterndsten gehört, was überhaupt hier im Bundestag, seit wir zusammen sind, verlesen und debattiert worden ist.
({7})
Meine Damen und Herren! Was den Bericht in seinen Einzelheiten so grauenhaft macht, ist nicht
({8})
nur, daß den primitivsten Forderungen eines Jugendstrafrechts Hohn gesprochen wird, sondern daß der Bericht in jeder Einzelheit eine einzige furchtbare Klage gegen das ist, was wir Verpflichtung zur Menschlichkeit nennen.
({9})
1950 wurden 4300 Jugendliche unter 18 Jahren von Gerichten der sowjetischen Besatzungszone aus politischen Gründen verurteilt, in den ersten vier Monaten des Jahres 1951 über 2000, nicht einbegriffen die durch russische Militärtribunale zu durchschnittlich 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilten Hunderte von Jungen und Mädchen, die seit 1945 durch die sowjetische NKWD - teils in ganzen Verhaftungswellen - abgeholt wurden, von denen bis heute jede Spur fehlt.
Frau Thiele. ist Mutter,
({10})
und ich frage Frau Thiele, was sie als Mutter sagen würde, wenn sie seit 1945 auf ihr Kind warten müßte, das verschleppt worden ist, kein Mensch weiß, wohin.
({11})
Zum Teil vierzehnjährig, keiner von denen, die in dem Bericht erwähnt sind, mehr als 18 Jahre! Grauenhaft das Schicksal derer, die in den Staatsstrafanstalten von Waldheim, Torgau und Bautzen untergebracht sind! Herr Blachstein hat die Einzelheiten gegeben. Die Verpflegung ist mit 500 Gramm Brot und einem Liter Suppe am Tag sowie 50 Gramm schlechter Wurst alle fünf Tage völlig unzulänglich für einen jungen Menschen, der wachsen und gleichzeitig arbeiten soll. Mangel an Wasser, Mangel an Waschmöglichkeiten im Sommer infolge Wassermangels! Ein Jugendlicher erzählt, daß er von Mai bis November kein einziges Mal habe duschen können. So nimmt es nicht wunder, daß sich in Bautzen 300 tbc. -kranke Jugendliche befinden. Es ist unmenschlich und sinnlos zugleich, daß man unmittelbare private Hilfe in Form von Medikamenten und Stärkungsmitteln verbietet. Der einzelne gilt in diesem östlichen System nichts, man läßt ihn skrupellos zugrunde gehen, auch geistig und seelisch, denn diese geistige und seelische Tortur kommt ja zu dem anderen hinzu. Hätten wir es uns vor einer Reihe von Jahren überhaupt träumen lassen, es werde in Europa möglich sein, daß ein jugendlicher Gefangener seine Lebensbedingungen dadurch verbessern könnte, daß er sich zu Spitzeldiensten gegenüber Kameraden mißbrauchen läßt? Wäre es denkbar gewesen, daß man einen verurteilten Jugendlichen, der den Besuch der Eltern erwartete, vorher über das instruiert hätte, was er sagen und was er nicht sagen dürfe?
Der Bericht mündet in den Appell an alle, die guten Willens sind, in der Welt gemeinsam eine Amnestie für diese Jugendlichen zu fordern. Wir sind des Glaubens - und vor allem wir Frauen sind des Glaubens -, daß es, wenn es über Parteien, Völker und Staaten hinweg eine Gemeinsamkeit gibt, dann zuerst die Liebe zu unserer Jugend und die Achtung vor ihrem Recht auf Leben und Freiheit ist.
({12})
Deswegen hoffen wir, daß dieser Appell nicht ohne weiteres verhallt,
Die Auseinandersetzungen um einen Friedensvertrag mit Deutschland und die Herbeiführung der deutschen Einheit haben auf breiter Front eingesetzt. Der Kreml und die Sowjetzonenregierung betonen ihren guten und ehrlichen Willen. Man gebe hier einen Beweis! Man verbessere die Lebensverhältnisse dieser unglücklichen Tausenden von deutschen Jungen und Mädeln, man rette sie körperlich und seelisch, und man entschließe sich zu einer großzügigen Amnestie! Ich gebe Herrn Kollegen Blachstein durchaus recht: mag sein, daß der eine oder andere von diesen Jugendlichen schuldig geworden ist. Aber was heißt schon schuldig, wenn man die Oppositionslust eines jungen Menschen kennt, der das Recht hat, über die Stränge zu schlagen?
({13})
Es geht uns- das möchte ich wiederholen - nicht um irgendwelche Propaganda; es geht uns nur um die heilige Verpflichtung, hier zu helfen, so schnell wir helfen können, damit nicht noch weitere Hunderte dem Tod entgegengehen. Wir alle wollen den Frieden, gerade wir Frauen wollen den Frieden: Aber ich bin der Meinung, daß es keinen echten Frieden geben kann, ohne daß man auch unabdingbare menschliche Voraussetzungen schafft. Die Änderung des Schicksals der aus politischen Gründen in der sowjetischen Besatzungszone verhafteten Jugendlichen ist eine von diesen Voraussetzungen.
Die sowjetische Besatzungszone bereitet mit großem Pomp den internationalen Kindertag unter der Leitung und Führung der „Gemeinschaft zum Schutze des Kindes" für den 1. Juni vor. Wir wissen, daß hinter dieser kommunistischen Tarnorganisation die Friedenspropaganda im östlichen Sinn steckt. Wir wissen auch, was dieser Kindertag in Wirklichkeit bedeuten soll. Aber wäre es im Hinblick auf die Möglichkeit des guten Willens nicht denkbar, daß man diesen Tag wirklich zu einem Tag der Kinder und der Jugendlichen machte, daß man eine wirkliche Schutzgemeinschaft schüfe, und daß gerade dieser Tag. der internationale Jugendtag, sich für diese Amnestie in der Öffentlichkeit einsetzte? Elly Schmidt, die Leiterin des 'demokratischen Frauenbundes, hat 1950 einmal gesagt: „Wir wollen nicht ruhen, bis durch den Sieg der ,nationalen Front' unser Vaterland ein Hort des Friedens geworden ist." Meine Herren und Damen, gerade die Ereignisse in den Gefängnissen drüben zeigen, daß nicht durch die Herrschaft der „nationalen Front" unser Vaterland ein Land des Friedens wird. Dieser Hort des Friedens kann nur dann kommen, wenn drüben eine rechtsstaatliche Ordnung geschaffen wird und wenn die Achtung vor allem Menschlichen wieder zu der Bedeutung kommt, die .sie in unserem abendländischen Bewußtsein haben muß.
({14})
Wenn das glücken sollte, wenn der demokratische Frauenbund und die ganze östliche Frauenföderation, von der er ein Teil ist, in die Front wirklich guten Willens einmünden würden, dann wäre das der erste Schritt in eine Welt des Friedens und in eine Welt, in der Mütter ihre Rechte geltend machen können, eine Welt, von der man drüben so viel hört und von der man bis jetzt noch nichts gesehen hat.
({15})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von der Zentrumsfraktion im März 1951 gestellte Antrag Drucksache Nr. 2019 auf Freilassung der in der Ostzone inhaftierten Jugendlichen entbehrt jeglicher politischer Propaganda. Sein Ziel ist einzig das Bemühen, die Freilassung der Jugendlichen in der Ostzone, die aus politischen Gründen zum Teil zu hohen Zuchthausstrafen verurteilt worden sind, auf dem Wege der Amnestie zu erreichen. Es ist von Frau Dr. Brökelschen schon erwähnt worden, daß gestern Frau Kollegin Thiele bei der Beratung des Jugendgerichtsgesetzes dargelegt hat, in welchem Maße die Umwelteinflüsse auf Jugendliche wirken, und daß wir deswegen nicht das Recht zu ihrer Verurteilung haben. Ich glaube, meine Herren von der kommunistischen Fraktion, das Jugendgerichtsgesetz bringt allerlei Verständnis für die Situation der jungen Menschen auf, aus der heraus jemand zum Rechtsbrecher werden kann. Wir möchten nur wünschen, daß man den Forderungen, die gestern von kommunistischer Seite in bezug auf die Behandlung Jugendlicher in der Bundesrepublik im Fall strafbarer Handlungen gestellt wurden, auch bei Jugendlichen in der Ostzone entspricht.
({0})
Bei den Fällen der über 4000 Jugendlichen in Zuchthäusern, Gefängnissen und Strafanstalten in der Ostzone handelt es sich nicht um aus verbrecherischer Anlage begangene Straftaten, sondern um aus der Umwelt und Situation heraus meistens unüberlegte Handlungen jugendlicher Menschen. Wenn Sie das Jugendgerichtsgesetz auf diese Jugendlichen der Ostzone anwenden würden, müßten Sie - auch als Kommunisten - in den meisten Fällen die Jugendlichen aus den Zuchthäusern entlassen, ja, Sie würden sie nicht einmal haben verurteilen können.
({1})
Zumindest würden Sie aber nach den gestern gestellten Ansprüchen andere Lebensverhältnisse für diese Jugendlichen in den Gefängnissen schaffen müssen; denn wer solche Forderungen hier im Bundestag stellt, sollte doch bemüht sein, mit einem guten Beispiel gegenüber den verurteilten Jugendlichen in der Ostzone zu beweisen, daß es hier wirklich um das menschliche Recht und einzig um das menschliche Recht dieser Jugendlichen geht.
Mir scheint auch deshalb der Zeitpunkt gekommen zu sein, die in der Ostzone aus politischen Gründen bestraften Jugendlichen zu entlassen, um auf diese Weise - wie es auch schon Frau Dr. Brökelschen anführte - ein glaubhaftes Bemühen für die Forderung der Ostzonenregierung um die Wiedervereinigung Deutschlands zu sehen. Wem es um dieses Anliegen der Einheit Deutschlands ernst ist, der kann es nur mit großer Besorgnis aussprechen, daß die Spannungen zwischen West und Ost und das Mißtrauen gegenüber den Zuständen in der Ostzone insbesondere durch die Inhaftierung jugendlicher Menschen in Strafanstalten, die nicht Verbrecher sind, sondern aus politischen Gründen verurteilt wurden, sehr verstärkt worden sind.
({2})
Eine Amnestie dieser Jugendlichen würde die Spannungen zweifellos vermindern und eine Verständigung erleichtern.
({3})
Und, meine Damen und Herren, noch ein letztes! Wer diese Forderung an die Regierung der Ostzone stellt, daß im Namen der Menschlichkeit und Freiheit gegenüber Jugendlichen gehandelt werden soll, muß dieselbe Forderung an die Regierung in der Bundesrepublik stellen. Auch hier sollte man gegenüber politischen Bekenntnissen jugendlicher Menschen nicht allzu schnell nach der Polizei rufen, nicht Organisationen begünstigen, die in politischen Diffamierungen und Verdächtigungen groß sind - schon einmal, meine Damen und Herren, ist eine Demokratie und Republik in Deutschland an solchen Verhältnissen gescheitert! -, sondern es sollte unser aller Bemühen sein, eine politische Atmosphäre zu schaffen, in der allein ein demokratischer Staat in Freiheit, Recht und Menschenwürde existieren kann.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Fisch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die vorliegenden Anträge wird der Anschein erweckt, als solle hier im Namen der Menschlichkeit etwas geschehen, um jungen unschuldigen Menschen die Freiheit wiederzugeben. Ich zweifle nicht daran, daß es in diesem Hause Menschen gibt, die ehrlich an die Echtheit der vorgelegten Angaben glauben.
({0})
Trotzdem möchte ich bitten, diesen Angaben mit der für solche politischen Propagandamaterialien erforderlichen Skepsis gegenüberzutreten.
({1})
Dieses Unternehmen, die Vorlegung dieses Berichts
mitsamt den Anträgen, wäre besser unterblieben,
({2})
weil sie sich nicht auf Tatsachen, sondern auf politische Märchen stützen, auf Angaben von Spionage-und Agentenorganisationen, die von ausländischen Mächten finanziert werden,
({3})
und- auf Angaben von aus der Deutschen Demokratischen Republik geflüchteten Jugendlichen, die nach amtlichen Statistiken nachgewiesenermaßen zu 90 % aus kriminellen und arbeitsscheuen Elementen bestehen.
({4})
Das sind die „Tatsachen", von denen die vorliegenden Berichte und Anträge ausgehen.
({5})
Der neunzehnjährige Oberschüler Josef Flade hat mit einem Hirschfänger einen Polizisten niedergestochen. Er hatte zugegebenermaßen die Absicht, diesen Polizisten zu töten. - Das ist ihm nicht gelungen. Aber das macht seine Tat nicht besser. Er wurde wegen dieses Mordversuchs zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
({6})
Die Hintermänner, die den Josef Flade zu solchen verwerflichen Handlungen ermuntert haben, die Organisatoren von Sabotage und Mordhetze, begannen unmittelbar nach seiner Verurteilung, den Mann, der einen Mord versucht hatte, zu verherr({7})
lichen, wegen seiner Tat zu preisen und ihm einen
Glorienschein als Held und Märtyrer umzuhängen.
Meine Damen und Herren! Sind Sie sich alle hier in diesem Hause bewußt, auf welche Bahn Sie sich mit dem Schutze solcher Mordtaten begeben?
({8})
Ich kann nicht annehmen, daß Sie die Methode des politischen Mordes und des Mordversuchs allesamt befürworten.
({9})
Ich muß annehmen, daß Ihnen die Ereignisse in der Weimarer Republik ebensogut in Erinnerung sind wir mir. Ich muß annehmen, daß auch Sie sich daran erinnern, daß die Mörder Walter Rathenaus ebenfalls Jugendliche gewesen sind und daß das Unglück der Hitler-Barbarei damit anfing, daß die Mörder Rathenaus als Helden gefeiert wurden.
({10})
Ich kann nicht annehmen, daß Sie die Schande von Potempa vergessen haben, jene fürchterliche Tat, die dann von demjenigen gefeiert wurde, der aus dem organisierten Mord ein System der physischen Vernichtung von Millionen von Menschen, ein System von Gaskammern und- Konzentrationslagern entwickelt hat. Ich glaube, daß meine Vorrednerin, Frau Wessel, ja selber bei ihren Verhandlungen in Berlin erleben konnte, wie weit sich das politische Rowdytum, organisiert von gewissenlosen Organisatoren, entwickelt hat.
Und die übrigen Fälle, meine Damen und Herren? Ich lehne es ab, auf Materialien einzugehen, in denen der Öffentlichkeit zugemutet wird, die phantastischsten Hintertreppenromane für bare Münze zu nehmen.
({11})
Was ist die Wahrheit? Die Wahrheit ist, daß westliche Spionagedienste, insbesondere von amerikanischen Geldern ausgehalten, ein Netz von Tausenden von Agenten geworben und eingesetzt haben,
({12})
die dazu angehalten werden, alle, auch die Mittel der Zerstörung und des Mordes, anzuwenden.
({13})
Die Wahrheit ist, daß sie zu Sabotage- und Zerstörungsakten angehalten sind, um den wirtschaftlichen Aufbau in der Deutschen Demokratischen Republik zu stören,
({14})
um die Versorgung durcheinanderzubringen, um Zwischenfälle des kalten Krieges hervorzurufen, auf die sich dann die hiesige Propaganda stützen kann.
Westdeutsche und Westberliner Büros spinnen die Fäden in allen Teilen der Deutschen Demokratischen Republik, mit dem Ziel, dort Waffenlager anzulegen und Vorbereitungen anderer Art für den Tag zu treffen, an dem die amerikanischen Armeen den Einmarsch beginnen. Dies ist erst kürzlich wieder in einem Prozeß in Zittau nachgewiesen worden.
Meine Damen und Herren, wie selbst vernünftige Menschen, die der Regierungspartei angehören, diese Dinge einschätzen, dafür möchte ich Herrn Heinemann zitieren.
({15})
- Ich denke, er ist noch Mitglied einer Regierungspartei! - Er sagte nach seiner Rückkehr aus der Deutschen Demokratischen Republik:
Die politische Untergrundarbeit jugendlicher Plakatkleber und dergleichen wurde von allen meinen Gesprächspartnern nicht nur abgelehnt, sondern schärfstens verurteilt. Man macht ihren westlichen Hintermännern einhellig den schweren Vorwurf, daß sie unerfahrene Menschen in sinnlose Abenteuer verstricken und dann nichts andres zu tun wissen, als ihre drakonische Bestrafung propagandistisch auszuschlachten.
Meine Damen und Herren, sorgen Sie dafür, daß die Agenten- und Spionageorganisationen aufgelöst werden;
({16})
hören Sie auf, Agenten hinüberzuschicken; dann
werden auch keine Bestrafungen mehr stattfinden.
({17})
Meine Fraktion lehnt die vorgelegten Anträge darum ab, weil sie sich auf Fälschungen und Verleumdungen stützen,
({18})
weil sie eine Hilfe darstellen für die Organisatoren von Verbrechen, von Mord und Sabotageakten,
({19})
weil sie auf der Absicht beruhen, die Verständigungsversuche zwischen den Deutschen im Osten und Westen zu sabotieren, und weil sie schließlich eine Hilfe darstellen für die Adenauer-Politik, die darauf ausgeht, mit allen Mitteln den Krieg, den kalten Krieg gegen die Deutsche Demokratische Republik zu führen,
({20})
um 'damit den völligen Anschluß Westdeutschlands
an das amerikanische Kriegslager zu beschleunigen.
({21})
Das Wort hat der Abgeordnete Blachstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor einigen Monaten hat der Abgeordnete Fisch von diesem Platze aus mit großem Pathos für die Freiheit und das Recht deutscher Jugendlicher in der französischen Fremdenlegion gesprochen. Wohin ist Herr Fisch gekommen! Welche klägliche Rolle hat er heute hier übernommen,
({0})
wo es nicht um die Franzosen, sondern um die russiche Zone geht!
({1})
Wenn hier in diesem Hause der Widerstand junger Deutscher in der sowjetischen Besatzungszone - wenn die Mitglieder der sozialistischen Jugendbewegung „Die Falken", Gewerkschaftsjugendliche; Studenten, Schüler und Angehörige anderer demokratischer- Jugend-Organisationen hier als Kriminelle und Arbeitsscheue bezeichnet werden,
({2})
so übersteigt das das Maß dessen, was erträglich ist, auch aus dem Munde von Kommunisten zu hören.
({3})
Erinnern Sie sich bei dieser Klassifizierung:
„Kriminelle und Arbeitsscheue" nicht daran, wie
Sie vor einem Jahrzehnt klassifiziert worden sind
({4})
von der damaligen Gewaltherrschaft in unserem
Lande? Aber heute sind Sie nicht nur in der Praxis,
sondern auch in der Ideologie und in der Sprache
völlig zu faschistischen Methoden übergegangen!
({5})
Was für Zustände müssen in dieser Deutschen Demokratischen Republik sein - wie Sie sie nennen -, wenn es Tausende und aber Tausende von Jugendlichen gibt, die nach Ihrer Meinung als Agenten in diesem Teile Deutschlands wirken!
({6})
Und was für Zustände, daß ein achtzehnjähriger
Oberschüler nachts insgeheim auf die Straße geht,
um in einem Wahlkampf Plakate anzukleben allerdings nicht Plakate für die regierende Staatspartei, sondern andere Plakate, auf denen Parolen
für die Freiheit stehen, für die Einheit Deutschlands, für die Sie angeblich kämpfen! Und wenn
dann dieser Jugendliche sich bei einem Zusammenstoß mit der Polizei gewehrt hat und ein Messer in
der Hand hatte, so wird daraus ein Mordversuch
gemacht. Welche politische Situation! Welche Charakterisierung der Freiheit in diesem Teile
Deutschlands, daß es bei einem Wahlkampf zu solchen Zusammenstößen überhaupt kommen kann!
({7})
Herr Fisch, Sie haben gesagt, Sie lehnen es ab, auf das Material einzugehen. Allerdings zweifle ich, ob Sie von irgend jemandem bevollmächtigt sind, hier eine Antwort- auf unseren Appell zu geben. Und ich möchte Ihnen sagen: der Antrag des Ausschusses wendet sich nicht an die KPD, sondern er wendet sich an die zuständigen Behörden in der sowjetischen Besatzungszone. Von ihrer Entscheidung wird es abhängen, ob wir zum mindesten auf diesem Gebiet zu einer Befriedung in Deutschland kommen können.
({8})
Im November 1951 hat die Regierung der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik eine Amnestie verkündet. Wir haben damals Hoffnungen gehabt, daß auch politisch Verurteilte unter diese Amnestie fallen würden. Leider haben sich diese Hoffnungen nicht erfüllt. Es sind zwar einige tausend Kriminelle aus den Strafanstalten und Gefängnissen entlassen worden, aber die Politischen sind darin sitzen geblieben, und es macht fast den Eindruck, als wollte man Platz schaffen, um mehr Menschen der Freiheit und des Widerstandes in den Gefängnissen unterbringen zu können.
({9})
Ein Franzose hat unser Zeitalter das Zeitalter der Konzentrationslager genannt. Wir hatten 1945 den Glauben, daß für Deutschland das Zeitalter der Konzentrationslager vorüber sei. Wir haben die Hoffnung, daß unser Appell drüben gehört wird und daß zumindest die Jugend ihre Freiheit wiedererhält.
({10})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wolff.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin erschüttert über diese Diskussion, die sich am heutigen Abend im Jahre 1952 im Bundesparlament abspielt. Als 1933 die Demokraten im Kampfe gegen den Nationalsozialismus von den Nationalsozialisten ihrer Freiheit beraubt wurden, als sie in die Konzentrationslager kamen, als sie den Weg aufs Schafott antreten mußten, verzweifelte man daran, daß einmal wieder die Menschlichkeit ihr Haupt erheben würde. Als dann noch die Juden von den Nazis verschleppt und ermordet wurden und jüdische Kinder zu Tausenden in Auschwitz vergast wurden, da verhüllte die ganze zivilisierte Welt ihr Haupt vor Scham. Für uns, die wir selber in den Konzentrationslagern waren ich schließe auch die Kollegen von der KPD nicht aus; denn auch sie waren ja unter dem Naziregime Verfolgte -, gab es nur eins: Nie wieder darf Stacheldraht die Menschen umzingeln; nie wieder darf ein System des Terrors die Welt ins Unglück stürzen! Und als 1945 vorbei war, erinnerten wir uns unter Schrecken und Erschauern der vielen, vielen Kinder, die von den Nazis umgebracht worden waren. Ich erinnere mich noch eines Tages im Jahre 1943 - es war der 2. November -, als aus dem Ghetto von Riga 2000 Kinder nach Auschwitz geschafft wurden, um dort umgebracht zu werden, und die Mütter, die noch lebten, wahnsinnig wurden vor Schmerz und ihren Kindern nachstürzten, um selbst mit in den Tod zu gehen. Und als ich mit vielen anderen frei geworden bin, da haben wir gesagt: Alle unsere Arbeit soll dem Menschenrecht und der Menschenwürde gelten, damit so etwas niemals wieder auf die Welt kommt!
({0})
Wir haben in den Jahren 1933 bis 1945 geglaubt, es mit Wahnsinnigen zu tun zu haben, die alle Menschen, die anders dachten als sie, zu Mördern, zu Verbrechern und zu Menschen zweiter Klasse stempelten, und wir waren erschüttert, daß der Nazigeist noch nicht ausgestorben ist. Ich appelliere auch an Sie, die Sie doch letzten Endes Deutsche sind, wenn auch Mitglieder der KPD, ich appelliere an Sie, die Sie selbst das Elend eines Diktatursystems über sich haben ergehen lassen: Soll denn immer noch die Menschlichkeit in Schutt -und Asche gehen? Soll denn die Welt noch immer in Scham ihr Haupt verhüllen müssen? Geht es denn nicht, daß man endlich einmal freier denken lernt? Sie, meine Herren, haben so lange kein Recht, gegen die Methoden Adolf Hitlers_ etwas zu sagen und sich über die Vergasung von Menschen in der Nazizeit zu beschweren, solange Sie selbst auch nur ein Atom dieser Methoden gutheißen, ganz gleich, gegen wen diese Methoden angewendet werden.
({1})
Ich bin Jüdin und habe meine ganze Familie, meine Kinder, meinen Mann, die Schwiegersöhne und die Enkelkinder verloren. Aber ich möchte hier an dieser Stelle sagen: es geht nicht an, daß diese Methoden weiterbestehen. Wir haben die Verpflichtung, der Freiheit eine Gasse zu schlagen. Meine Herren von der KPD und alle die, die das System der Konzentrationslager heute noch gutheißen, was haben Sie denn getan, um den Nazigeist zu bekämpfen? Wenn man dieselben Maß({2})
nahmen gutheißt, dann kann man die anderen nicht verurteilen!
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Das Naziregime ging von dem Standpunkt aus, daß der Zweck die Mittel heiligt, und auf Grund dieses Zweckes, der die Mittel heiligt, hat man alle, die man vernichten wollte, zu Verbrechern gestempelt. Will, man diese Methode noch weiter fortsetzen? Wollen Sie auch durch den Zweck die Mittel heiligen lassen? Ich sage Ihnen, es ist vermessen, an dieser Stelle zu erklären: Es handelt sich um Propaganda, um Spionagesysteme westlicher Völker und um amerikanische und sonstige bezahlte Agenten. Ich möchte das niemals in den Mund nehmen, wenn ich nicht ganz sicher wäre, daß es meine Überzeugung ist.
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- Meine Herren von der KPD, schreien Sie nicht!
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- Schreien Sie nicht!
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- Meine Herren, schreien Sie nicht! Wer schreit, hat noch immer unrecht gehabt!
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Man kann die Leute mit anderen Dingen überzeugen. Ich erinnere Sie nur an einen einzigen Fall anläßlich einer Demonstration für die Freiheit in Berlin. Walter Scheunemann stellte sich am Brandenburger Tor schützend vor eine Krankenschwester, als sie von einem Volkspolizisten angerempelt wurde, und der hat kalten Blutes diesen sechzehnjährigen Jungen erschossen. Ich frage Sie: Ist das Achtung vor Menschenwürde und Menschenrecht?
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- Meine Herren, mit solchen Zwischenrufen kommen Sie über die Dinge nicht hinweg. Ich sage Ihnen, der Tag wird kommen, wo auch Sie wie ausgepreßte Zitronen von dem System beiseitegeworfen werden, das Sie heute noch ausnutzt!
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Denken Sie an die vielen Menschen, die einstmals als Führer der KPD gegolten haben, die ehrlichen Herzens eine andere Welt aufbauen wollten! Wo sind sie geblieben? Wo ist der alte Kämpfer gegen den Nationalsozialismus geblieben, der in Wilhelmsruh im Ministerium gesessen hat, der alte Kommunist Reschke? Wo ist er geblieben, wer hat ihn von 12 Uhr mittags an aufgefordert, mit seiner Aktentasche herauszugehen? Er ist nicht mehr wiedergesehen worden. Was damals Kommunisten waren, die gekämpft haben, wo mögen ihre Gebeine faulen? Ich weiß es nicht. Aber sie waren ehrliche Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, und auch sie sind dem System zum Opfer gefallen. Sie alle gehen den gleichen Weg, heute: Hosianna! und morgen: Steinigt ihn! Jedes System der Diktatur trägt den Keim des Todes in sich. Alle Menschen, die sich zum Handlanger der Unmenschlichkeit machen, werden von der Geschichte selber gerichtet.
Ich appelliere an Sie in letzter Stunde - ({10})
- Lachen Sie nur, meine Herren! Lachen Sie nur, Sie haben recht, wenn sie über alles lachen, das einen ernsten Hintergrund hat.
({11})
Sie tun mir leid. Wenn Sie darüber lachen können und Menschenleben als etwas Lächerliches betrachten, meine Herren, dann sage ich Ihnen: wenn Sie das noch tun, ist an Ihnen Hopfen und Malz verloren. Ich sage Ihnen nochmals: wir haben den Tag der Freiheit 1945 herbeigesehnt. Wir haben gesagt: nie wieder Stacheldraht, nie wieder Konzentrationsläger. Wer das am eigenen Leib erlebt hat und heute noch nicht zum Gegner dieser Dinge geworden ist, der wird auch niemals mehr zu ändern sein. Wir anderen aber haben die Verpflichtung, im Interesse der Menschlichkeit, im Interesse der Menschenwürde und im Interesse all der Menschen, die aus dem Inferno des Naziregimes übriggeblieben sind, eine andere Welt zu schaffen, aus der wir hinausjagen die Diktatur und die Unterdrükkung und in die wir hineinbringen müssen das Menschenrecht für alles, was ein menschliches Antlitz trägt.
({12})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, die Sie dem Antrag des Ausschusses für gesamtdeutsche Fragen Drucksache Nr. 3256 zuzustimmen wünschen, sich von Ihren Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. ({0})
- Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß der Antrag mit allen gegen vier Stimmen angenommen worden ist. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß dieser Antrag nicht ein papierner Beschluß des Deutschen Bundestags bleiben wird,
({1})
sondern daß er für die Menschen, denen er gilt, und für die Sache der Freiheit eine Bedeutung hat.
({2})
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten ({3}) über die Entschließung der Fraktion der SPD zur Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Uneheliche Kinder der Besatzungsangehörigen ({4}).
Der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer, hat mir mitgeteilt, daß er einen schriftlichen Bericht*) erstatten wird. Ich darf unterstellen, daß das Haus mit der Erteilung des schrift-
*) Siehe Anlage 3 Seite 8956.
({5})
lichen Berichts und mit seiner Aufnahme in das Protokoll einverstanden ist. Der Altestenrat schlägt Ihnen vor, von einer Aussprache abzusehen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Auswärtigen Ausschusses Drucksache Nr. 3253 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 12:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({6}) über den Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, SPD, FDP und des Zentrums betreffend Konzessionsabgaben und den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Frage der Konzessionsabgaben ({7}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Hoogen. Auch hier schlägt der Ältestenrat vor, von einer Aussprache abzusehen.
Hoogen ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens des Wirtschaftspolitischen Ausschusses bitte ich Sie, dem Antrag Drucksache Nr. 3254 zuzustimmen. Den Herrn Präsidenten bitte ich, mir zu gestatten, den schriftlichen Bericht*) nachzureichen.
Auch in diesem Falle wird ein schriftlicher Bericht*) eingereicht und dem Protokoll zugefügt. - Das Haus ist damit einverstanden. Eine Besprechung findet nicht statt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 3254 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist angenommen.
Zu Punkt 13 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({0}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Verordnung PR Nr. 51/50 vom 9. August 1950 über Änderung des Einheitstarifes für Kraftfahrtversicherungen und den Antrag der Fraktion der WAV betreffend Verordnung PR Nr. 51/50 vom 9. August 1950 ({1}),
liegt mir ein schriftlicher Bericht**) des Herrn Abgeordneten Dr. Orth vor, der ebenfalls dem Protokoll angefügt wird.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auch hier auf eine Aussprache zu verzichten. - Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache
*) Siehe Anlage 4 Seite 8957. **) Siehe Anlage 5 Seite 8958.
Nr. 3267 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Auch dieser Antrag ist angenommen.
Ich komme zum letzten Punkt der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen ({2}) über den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP und des Zentrums betreffend Ermäßigung für Schülerfahrkarten Nrn. 3241, 2860 der Drucksachen).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Rümmele. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Rümmele ({3}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Der Verkehrsausschuß hat den Antrag der Fraktionen geprüft. Natürlich hat er auch die Verpflichtung gehabt, die finanzielle und die wirtschaftliche Lage der Bundesbahn zu prüfen. Es ist ganz klar, Studenten, Schüler, Lehrlinge haben heute eine wirtschaftlich und sozial schlechte Lage zu überwinden. Auf der anderen Seite ist die Bahn natürlich nicht in der Lage, allen Wünschen gegenüber ein Entgegenkommen zu zeigen und eine Wohlfahrtsanstalt zu werden. Denn wir haben in diesem Hause durch Gesetz die Bahn verpflichtet, ihren Betrieb nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen.
Der Ausschuß schlägt dem Bundestag vor, dem Antrag im Rahmen des Möglichen entgegenzukommen. Der Antrag wurde allerdings dahin geändert, daß nicht generell allen Schülern, Studierenden und Lehrlingen eine Fahrpreisvergünstigung über das schon Bestehende hinaus gegeben werden soll, sondern nur den bedürftigen Schülern, Studenten, Lehrlingen und ähnlichen Kategorien gegen Vorlage eines entsprechenden Nachweises und nur in der dritten Wagenklasse.
Der Ausschuß bittet Sie, dem in dieser Form geänderten Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch hier Verzicht auf eine Aussprache vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 3241 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung.
Ich berufe die 207. Sitzung auf Dienstag, den 6. Mai, 13 Uhr 30, und schließe die 206. Sitzung des Deutschen Bundestags.