Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Die Sitzung ist eröffnet.
Wir treten in die Tagesordnung ein und. kommen zunächst zu Punkt 15 der Tagesordnung der vorigen 'Sitzung:
624 Deutscher Bundestag und
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Fortsetzung der Aussprache über
a) den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Gleichberechtigung der Frauen ({1});
b) den Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betreffend rechtliche Gleichstellung der Frauen ({2});
c) den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Frauen im öffentlichen Dienst bei der Bundesverwaltung ({3}).
Als erster Rednerin erteile ich der Abgeordneten Frau Dr. Weber das Wort.
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- Verzeihung, das ist ganz korrekt nach der Geschäftsordnung, Herr Abgeordneter Renner! Entweder Sie melden sich zur Geschäftsordnung,
- wir können uns aber jetzt nicht darüber unterhalten. - Ich bitte, das in der Geschäftsordnung nachzuprüfen.
Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Weber hat das Wort.
Es ist nicht angenehm, vor einem schon fast müden und leeren Hause über die Gleichberechtigung der Frau zu sprechen.
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Aber eigentlich sollte es Ihnen ganz angenehm sein, zwischen all den wirtschaftlichen und rechtlichen Fragen einmal etwas über eine Frage zu hören, die ihre menschliche und auch ihre geistige Seite hat.
Die Gleichberechtigung der Frau ist ein altes Problem. Schon in der Weimarer Verfassung ist die grundsätzliche staatsbürgerliche Gleichheit, die Gleichberechtigung als Grundlage der Ehe ausgesprochen worden. Zu gleicher Zeit ist schon in der Weimarer Verfassung verlangt worden, daß alle Ungerechtigkeiten in der Berufsstellung der Frau beseitigt werden. Aber die Weimarer Verfassung, ist rein deklamatorisch gewesen; was dort gesagt worden ist, ist nur in ganz geringem Umfange durchgeführt worden.
Der Parlamentarische Rat, das Grundgesetz, hat die Gleichberechtigung der Frau zum Grundrecht erhoben. Die Gleichberechtigung der Frau ist jetzt so ausgesprochen worden, daß Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung verpflichtet sind, diesen Grundsatz der Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu erfüllen.
Es ist für uns Frauen sehr angenehm, daß der Herr Bundeskanzler erscheint und nun auch hört, was für Wünsche wir Frauen haben.
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Die Gleichberechtigung der Frau ist jetzt schon also grundsätzlich gewährleistet, aber - und ich sage das in Gegenwart des Herrn Bundeskanzlers sehr gern - es kommt jetzt darauf an, daß sie auch wirklich durchgeführt wird.
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Wir stehen nicht mehr in der ersten Periode des Kampfes um ein Recht, wir stehen nicht mehr am Anfang der Formulierungen. Wir stehen vielmehr jetzt in einer zweiten Periode, und das ist die,
die die Erfüllung verlangt. Wir leben in einer Zeit, In der die Frauen zu. denjenigen Gruppen gehören, deren Leben am allermeisten, verändert worden ist. Die Frauen haben nicht nur in der Ehe
und in der Familie Lasten zu tragen, wie sie sie niemals gehabt 'haben, sie haben auch im Berufs-und Arbeitsleben eine so -große Aufgabe zu tun und in steigendem Maße zu erfüllen, daß Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung dem auch Rechnung tragen müssen. Ich will nicht lange Ausführungen darüber machen, wie das Bild der Zeit heute aussieht. Jeder, der die Augen öffnet, könnte es wissen, und jeder, der die Quartiere der Not kennt, in denen die Familien heute leben, und die Arbeitsbedingungen für viele Frauen kennt, der weiß, daß Änderungen kommen müssen.
Mein Kollege Dr. Lehr wird über die Änderungen des Bürgerlichen Gesetzbuches sprechen. Ich werde über andere Probleme sprechen. Aber ein Wort über den Sinn der Gleichberechtigung muß ich vorausschicken. Gleichberechtigung ist nicht Gleichschaltung und Gleichsetzung. Gleichberechtigung berücksichtigt die Verschiedenartigkeit von Männern und Frauen, berücksichtigt den Eigenwert und die Persönlichkeitswürde und den Wert beider Geschlechter. Wenn wir das Arbeitsleben heute 'beobachten und bedenken, wie niedrig die Löhne der Frauen in einer Reihe von Industrien sind, welcher Unterschied zwischen Frauen- und Männerlöhnen besteht, dann müssen wir bei aller Würdigungeer Berufstüchtigkeit und Berufsbewährung, bei aller Anerkennung eines Familienlohnes für den Mann und auch für die Frau erklären, daß es eine Ungerechtigkeit ist, Mann und Frau bei gleicher Leistung verschieden zu entlohnen. Wir verlangen und erwarten gleichen Lohn für gleiche Leistung.
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Wohl aber fügen wir hinzu: eine solche Gleichberechtigung verlangt trotzdem einen besonderen Schutz der Frau. Wir erwarten den Kündigungsschutz der älteren Angestellten, wir erwarten auch den Schutz der Mutter. Wir werden im Sozialpolitischen Ausschuß und auch im Plenum unsere Stellungnahme zum Mutterschutzgesetz aussprechen. Wir verlangen für alle Angestellten und auch für die im Beamtenverhältnis stehenden Frauen, daß sie so gewürdigt werden, wie es ihrer Arbeit und ihrer Leistung entspricht. Gestern nannte man schon die Postverwaltung. Das ist diejenige Verwaltung, die die meisten Beamtinnen hat. Aber ich habe den Eindruck, daß man bei der Ernennung von Beamten den Beamtinnen in dieser Verwaltung nicht gerecht wird. Und wer weiß, in welcher Arbeit sie stehen und daß eine Postverwaltung ohne diese wertvolle Arbeit nicht möglich wäre, der wird sich dafür einsetzen, daß die Frau beamtenrechtlich genau so gut berücksichtigt wird wie der Mann.
Ich nenne eine andere Gruppe, die auch heute in unserem Vaterland, weiß Gott, sehr vieles leistet; das ist die Gruppe der Fürsorgerinnen. Wie wäre der Aufbau Deutschlands in den Familien und in allen anderen Arbeiten zu leisten, wenn nicht die Fürsorgerin geachtet würde und eine angemessene Stellung innerhalb der Verwaltung der öffentlichen Fürsorge hätte und wenn man ihr nicht auch in angemessener Weise zum Beamtenrecht verhelfen würde? Ich möchte mich gerade für die schwerarbeitende und mit vielen Sorgen belastete Fürsorgerin einsetzen.
Die Frau muß im ganzen öffentlichen Leben, in allen Verwaltungskörpern angemessen mitarbeiten. Wir haben im Dritten Reich erlebt, was der Männerstaat ist.
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Deutscher Bundestag - 20. und
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Der reine Männerstaat ist das Verderben der Völker!
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Meine sehr verehrten Damen und Herren, es würde auch heute manches besser sein, wenn die Frau in den Verwaltungen mitarbeiten würde. Ich bin sogar der Meinung, daß sie in der Lage ist, Krisen zu verhindern und zu mildern, die sich immer wieder im öffentlichen Leben ereignen.
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Wir sollten nur wissen, daß diese Polarität von
Mann und Frau, diese fruchtbare Ergänzung, dieses
gute Zusammenarbeiten wertvoll für alle Verwaltungen ist. Deshalb ist ja auch der Antrag gestellt
worden, dem wir beipflichten, daß die Frau in
allen Verwaltungen mitarbeiten soll. Und ich sage
den Männern, die so eifrig über solche Ausführungen lachen, daß diese Dinge nicht zum Lachen
sind, sondern uns ernsthaft beschäftigen sollten.
Wir möchten den Herrn Bundeskanzler um Zustimmung bitten. Ich glaube aber, wir brauchen ihn eigentlich gar nicht besonders zu bitten, denn er ist davon überzeugt, daß Frauen in allen Bundesministerien als Referentinnen und auch in leitenden Stellen ihre Arbeit tun müssen, um die Männerarbeit reicher und fruchtbarer zu gestalten.
Das gilt nicht nur von der Fürsorge, das gilt auch für das Bundesjustizministerium, für die Wirtschaft, die Ernährung, für das Flüchtlingsministerium und auch für das Ministerium von Herrn Minister Kaiser. Das gilt eigentlich für alle Ministerien, und darüber hinaus bin ich der Meinung, daß, wenn wir jetzt Konsulate errichten, Frauen auch in Konsulaten mitarbeiten könnten und daß sie vielleicht gerade durch diese Arbeit in der Lage sind, Verbindungen zu schaffen. Ich denke zum Beispiel an das Auswanderungswesen und an völkerversöhnendes Wirken.
Es ist ferner sehr wichtig für uns, festzustellen - der Herr Bundeskanzler hatte uns ein besonderes Frauen-Referat im Ministerium des Innern versprochen -, daß die tüchtigen Frauen, die fachlich geeignet sind und hervorragende menschliche Eigenschaften besitzen, die im Wetteifer mit dem Mann Gutes leisten, in den Ministerien an den verschiedensten Stellen mitarbeiten sollen. Dies ist uns wertvoller als ein einzelnes Frauenreferat im Bundesministerium des Innern.
Ich will die Debatte nicht mehr belasten. Ich habe ausgesprochen, was die Gleichberechtigung für die Arbeit und das Sozialleben bedeutet und was wir im öffentlichen Leben für die Frau erwarten. Lassen Sie mich noch einen Satz aussprechen, der für das Wohl des ganzen deutschen Volkes eintreten soll. Wir hoffen, daß die Frau, die im öffentlichen Leben steht, die an ihrem Arbeitsplatz geachtet und gewürdigt und im sozialen Leben berücksichtigt wird, dazu beiträgt, daß das Wohl und der Friede unserer neuen Bundesrepublik besser gesichert sind, als wenn sie nicht an dieser Stelle stände.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Lehr.
Meine Damen und Herren! Es ist mir ein besonderer Vorzug, der verehrten Kollegin Dr. Weber selbst da in allen Teilen zustimmen zu können, wo sie ihre Zweifel an der Bonität des Männerstaates geäußert hat. Ich kann
ihr aber umgekehrt bescheinigen, daß nicht nur die Männer kriegerische Eigenschaften haben, sondern daß es auch beim weiblichen Geschlecht temperamentvolle und angriffsfreudige Vertreterinnen gibt.
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Ich möchte in dem Artikel 3 unseres Grundgesetzes die Grundlage der heutigen Anträge sehen und möchte auf die damaligen Verhandlungen im Parlamentarischen Rat, an denen sich ja auch' die Kollegin Dr. Weber wesentlich beteiligt hat, Gin paar kurze Streiflichter setzen. Wir haben damals einstimmig den zweiten Absatz formuliert, nach dem Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Im dritten Absatz haben wir noch einmal ausdrücklich hinzugefügt, daß niemand seines Geschlechtes wegen irgendwie bevorzugt oder benachteiligt werden dürfte. Ursprünglich hieß es in den ersten beiden Lesungen, daß Männer und Frauen die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten haben sollten, und in einem Absatz i war erläuternd gesagt: Das Gesetz muß Gleiches gleich behandeln, und es kann Verschiedenes nach seiner Eigenart behandeln. Aber dann haben wir uns nach einer Debatte, die sich ausschließlich auf die juristische Seite der Materie bezog, dahin geeinigt, daß wir der Frau Gleichberechtigung in jeder Beziehung und nicht nur bei den staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten durch die Verfassung sichern wollten. Insbesondere war es die Kollegin Frau Weber, die bei dieser Formulierung in der Diskussion der ersten und, ich glaube, auch der zweiten Lesung zum Ausdruck brachte, daß in dieser Formulierung, wie ich sie eben vorgetragen habe, in der gegenwärtigen Fassung des Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes alle Rechtsgebiete einbegriffen sind, insbesondere auch das Arbeitsrecht und das Sozialversicherungsrecht. Sie, Frau Kollegin Weber, haben damals betont - und ich möchte Ihre Worte hier zitieren, weil sie auch meiner Auffassung durchaus entsprechen -, es sei bei dieser Formulierung in keiner Weise an eine Gleichstellung und eine Gleichberechtigung schematischer Art gedacht, sondern die Eigenart und die Würde der Frau sollten auf alle Fälle gesichert sein. Die Vertreterin der SPD, Frau Selbert, hat damals im gleichen Sinne ausgeführt, daß die Gleichberechtigung auf der Gleichwertigkeit der Geschlechter aufbauen soll, aber ebenso die Eigenartigkeit und die Besonderheit der Geschlechter berücksichtigt werden soll.
Wir waren uns durchaus klar, daß diese Formulierung weitgehende Eingriffe in das öffentliche und in das zivile Recht zur Folge haben sollte, und deshalb haben wir namentlich in dem bekannten Fünfer-Ausschuß, in dem wir noch einmal alles überfeilten, was vorher in der Diskussion gewesen war, formuliert, daß das entgegenstehende Recht bis zu seiner Anpassung an diese neuen Formulierungen unseres Grundgesetzes in Kraft bleiben sollte, und zwar mit einer Befristung bis spätestens zum 31. März 1953.
Damit ist der Bundesregierung, aber auch diesem Hohen Hause eine Aufgabe rechtsschöpferischer Art allergrößten Ausmaßes gestellt. Es wird sich darum handeln, sowohl den Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs wie auch das Recht der Schuldverhältnisse auf die neuen Bestimmungen hin zu überprüfen, im besonderen aber den Abschnitt über das Familienrecht und hier vor allem den ersten Abschnitt über die bürgerliche Ehe. Dieser Abschnitt verwirklicht ja den fundamen626 Deutscher Bundestag - 20. und
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talen Charakter einer Rechtsanschauung, die um die Jahrhundertwende bei uns gegolten hat, wonach dem Mann in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten die Entscheidung zusteht, es sei denn, daß diese Anwendung seines Rechtes sich als ein Mißbrauch herausstellt. Diese Vorschrift wird man sehr wesentlich neu formulieren müssen. Im übrigen nehme ich nur in großen Zügen Bezug auf die Notwendigkeit der Neugestaltung des ehelichen Güterrechts, des Verwandschaftsrechts, des Vormundschaftsrechts, des Pflegschaftsrechts und auch der gesamten Materie des Erbrechts. Ich möchte mich, auf Einzelheiten hier nicht weiter einlassen, sondern nur den Rahmen der Untersuchung en aufzeigen, die durch die Änderung unseres Verfassungsrechts notwendig geworden sind.
Die Zeit um 1900 unterscheidet sich merklich von der heutigen. Zwei große Weltkriege haben die Frauen in großem Umfange an die Stelle der abwesenden Männer treten lassen und ihnen die Last der ganzen Familienführung und der Erziehung der Kinder auferlegt, ja sie stellenweise aber auch in das Berufsleben mitten hineingeführt, und endlich haben die erheblichen Blutverluste beider Kriege und die ganze Umschichtung unseres wirtschaftlichen und sozialen Lebens der Frau eine ganz andere Stellung gegeben. Es ist ein Ruhmesblatt unserer Frauenwelt, wie sie sich diesen ungeheuren Anforderungen gegenüber verhalten hat, und es ist jetzt Sache der Männer, im Einvernehmen mit den Frauen ihnen in der Neuordnung der Beziehungen bürgerlicher und öffentlich-rechtlicher Art den Dank abzustatten.
Ich darf darauf verweisen, daß die scharfen Formulierungen unseres Grundgesetzes in der Öffentlichkeit gewisse Besorgnisse hervorgerufen haben und daß vor kurzem in einer rheinischen Zeitung ein Artikel erschien, in dem es hieß, daß der Staat durch diese neuen Formulierungen unseres Grundgesetzes als Ehebrecher auftreten und die Stellung der Geschlechter in der Grundverfassung nachteilig beeinflussen könne, daß der Staat damit zwangsläufig zum Zerstörer der Ehe und der den Staat tragenden Gemeinschaftszelle werden könne. In diesem Artikel bin ich selber zitiert worden, weil ich an der Aussprache beteiligt war, die damals im Christophorus-Stift in Hemer bei Iserlohn im Beisein von Vertretern öffentlicher Berufe, von Politikern, Bundestags- und Landtagsabgeordneten der großen Parteien und von Vertretern der evangelischen Kirchenleitung stattfand. Von uns hat außer mir Herr Staatssekretär Dr. Strauß vom Justizministerium daran teil- genommen. Von kirchlicher Seite ist damals tatsächlich die Frage aufgeworfen worden, ob die jetzt verlangte rechtliche Gleichstellung der Frau in die augenblicklich gültige Rechtsordnung, vor allem in die gottgewollte Schöpfungsordnung nicht zu sehr eingreife und ob nicht ein Kampf zwischen Staat und Kirche entstehen müsse, weil die Kirche nicht in der Gleichstellung, sondern in der Erfüllung der Ehe als Lebensgemeinschaft die Grundlage der staatlichen Ordnung sehen müsse. Ich glaube - ich habe das auch damals ausgeführt -, daß diese Besorgnisse nicht begründet sind. Gerade aus der Auslegung, die ich vorhin dem Artikel 3 gegeben, und aus den Zitaten von unserer Kollegin Frau Weber, die ich aus der Diskussion angeführt habe, geht hervor, daß der Staat hier keineswegs als Zerstörer der tragenden Gemeinschaftszelle gedacht ist und daß eben gerade keine unbeschränkte Ausdehnung des Gleichheitsgesetzes damals von den Gesetzgebern beabsichtigt worden ist, sondern daß die gegebenen Schranken der Natur zu beachten sind. Kirche und Staat werden sich hier sogar die Hände reichen müssen, um bei der neuen Formulierung der Rechte die Grenzen aufzuzeigen. Wir können es vom Standpunkt der gesetzgeberischen Arbeit nur begrüßen, wenn sich die Kirche mit uns an die Arbeit begibt und versucht, einmal von sich aus Grenzen, die etwa zu beachten sind, zu formulieren.
Im übrigen hatte ja unsere Gesetzgebungsarbeit den Sinn, schöpferisch neues Recht zu schaffen, damit sich nicht Gesetz und Rechte als eine ewige Krankheit forterben und Vernunft Unsinn und Wohltat Plage wird. Aber sie hatte keineswegs die Absicht, naturgegebene Schranken zu verwischen. Ich glaube im übrigen, aus einer nun vierzigjährigen eigenen Eheerfahrung sagen zu können, daß die Ehe nicht so sehr mit Artikeln der Verfassung und mit Paragraphen des bürgerlichen Rechts erfüllt wird, sondern daß das sicherste Fundament für sie die Ethik des Christentums und die sich daraus ergebende Haltung der Ehegatten sein muß.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Ilk.
Meine Damen und Herren! Nachdem meine Vorredner zur Frage der Gleichberechtigung schlechthin so ausführlich Stellung genommen haben, möchte ich diesen Ausführungen nichts mehr hinzufügen. Dieses Thema ist ja auch seinerzeit, als dieses Prinzip im Grundgesetz verankert wurde, erschöpfend behandelt worden. Ich möchte mich darauf 'beschränken, zu den Anträgen Stellung zu nehmen, die zu diesem Thema gestellt wurden.
Zunächst möchte ich feststellen, daß meine Fraktion dem Antrag der Drucksache Nr. 176 zustimmen wird. Nach dem, was Sie jetzt gehört haben, wird Ihnen ja vielleicht klar geworden sein, welch ein umfassendes Rechtsgebiet zu bearbeiten ist. Im Grundgesetz ist vorgesehen, daß die Gesetze bis zum 31. März 1953 unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung umzuarbeiten sind. Bei der großen Menge der Gesetze erscheint es auch uns als sehr notwendig, daß die Umarbeitung dieser Gesetze bald in Angriff genommen und man sich über die Bearbeitung und Umarbeitung schlüssig wird.
Was den Antrag der Drucksache Nr. 177 anlangt, so möchten wir sagen, daß Punkt 1 dieses Antrags ebenfalls unsere Zustimmung finden kann. Auch wir stehen auf dem Standpunkt, daß den Frauen die entsprechenden Stellungen eingeräumt werden sollen und daß sie in gar keiner Weise um ihres Geschlechts willen benachteiligt werden dürfen.
Auch der Punkt 2 dieses Antrags scheint uns
berechtigt zu sein. Wir meinen jedoch, daß es
sich nicht nur darum handeln sollte, nur an eine
einzige Stelle eine Frau zu setzen, sondern daß es
darum geht, daß - wie auch Frau Abgeordnete
Dr. Weber bereits sagte - in allen Ministerien
Frauen eingestellt werden sollen, und zwar auf
Grund ihrer Fähigkeiten und nicht zur Bearbeitung der Fragen, die die Frauen allein betreffen.
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denn es gibt keine männliche und keine weibliche
Politik und keine Trennung der Geschlechter im
ganzen. Hier muß die Persönlichkeit gewertet
und auch der Frau gestattet werden, daß sie nicht
Deutscher Bundestag - 20. und
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I nur in Frauenfragen, sondern auch in allgemeinen Fragen maßgeblich beteiligt ist.
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Nachdem aber dieser Punkt des Antrags beamtenrechtliche Interessen berührt, möchten wir vorschlagen, daß dieser Punkt auch dem Ausschuß
für Beamtenrecht zur Beratung überwiesen wird.
Dem Absatz 3 des Antrags können wir nicht beipflichten. Wir halten es nicht für richtig, daß man der Regierung, zu der wir .Vertrauen haben, gerade in dem speziellen Fall der Frauenfrage vorschreibt, daß sie alle Vierteljahre einen Bericht erstattet. Ich meine: wir Frauen sind dann ja auch in der Lage, von Fall zu Fall und von Zeit zu Zeit durch den Bundestag einen Rechenschaftsbericht zu fordern. Wenn wir heute als Frauen solche Ansprüche stellen, dann werden mit gleichem Recht die Flüchtlinge, die Heimatvertriebenen und die Kriegsversehrten die gleiche Forderung stellen und das gleiche Recht für sich beanspruchen.
Wenn heute Artikel 3 Absatz 3 davon spricht, daß jemand seines Geschlechts wegen nicht bevorzugt werden darf, so meine ich auch, daß wir in diesem speziellen Fall für uns Frauen diesen Vorzug der besonderen Berichterstattung nicht in Anspruch nehmen sollten. Ich finde überhaupt, daß wir in diesen Punkten unsere Forderungen nicht überspitzen sollten. Wir wollen es auch nicht. Unsere Frauengeneration hat das gar nicht mehr nötig. Im Grundgesetz ist unsere grundlegende Forderung auf Gleichberechtigung auch erfüllt worden.
Es liegt uns heute noch ein anderer Antrag, der Antrag der KPD vor. Dazu möchte ich sagen, daß wir dem Antrag in dieser Form - ich betone ausdrücklich: in dieser Form -, wie er gestellt ist, nicht zustimmen können. Ich meine, daß dieser Punkt Gegenstand der Tarifverhandlungen und des Tarifrechts sein sollte. Die Gleichberechtigung ist im Grundgesetz verankert und gilt dann auch für das Tarifrecht.
Zusammenfassend möchte ich zu diesen Punkten folgendes sagen. Grundsätzlich sind wir durchaus dafür, daß die Um- und Ausarbeitung der einschlägigen Gesetze so schnell wie möglich vorgenommen wird. Ich persönlich würde es begrüßen, wenn zu diesem Zweck ein Ausschuß gebildet würde, der nicht parteimäßig, sondern paritätisch aus Männern und Frauen zusammengesetzt ist und diese Fragen erörtert. Damit sollte nicht gezögert werden; denn diese Materie ist schwierig.
Wir werden also - das möchte ich noch einmal wiederholen - für die Annahme des Antrags auf Drucksache Nr. 176, ebenso für die Annahme des Antrags auf Drucksache Nr. 177 Ziffer i und 2 stimmen, mit der Maßgabe, daß diese Angelegenheit zur weiteren Bearbeitung an den Beamtenrechtsausschuß überwiesen wird. Der Ziffer 3 des Antrags auf Drucksache Nr. 177 können wir in dieser Form nicht zustimmen, ebenso nicht dem Antrag der KPD.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Meine sehr verehrten Herren und Damen! Wenn es wahr ist, daß die Achtung vor der Frau den Bildungsgradmesser eines Volkes bestimmt, dann könnte dem Schein nach bei der bisherigen Gesetzgebung unser Volk sehr leicht zu kurz kommen. Wenn es gut wäre, daß gerade zu diesen Fragen nicht die Frauen der einzelnen Fraktionen in diesem Hause gesprochen hätten, so meine ich doch, daß den grundsätzlichen, ausgezeichneten Ausführungen meiner Kolleginnen und des Herrn Kollegen Dr. Lehr nur noch eins hinzuzufügen ist. Ich habe schon in der Aussprache über die Regierungserklärung gesagt: es ist über die Gleichberechtigung der Frau so unerhört viel gesprochen und in praxi viel zu wenig getan worden. Ich wiederhole hier im Anschluß an die Ausführungen der Begründerin des Antrags der SPD, der Frau Kollegin Korspeter, das Bekenntnis, das ich abgelegt habe, daß die SPD Vorkämpferin für die Gleichberechtigung der Frau de jure war. Leider hat die Frau Kollegin Korspeter nicht auch den nächsten Satz wiederholt, worin ich wiederum darum bitte, daß die SPD überall da, wo sie Vorkämpferin de jure war, für die Verwirklichung de facto sorgen möchte. Denn darauf ganz allein kommt es an. Wir sollten uns vor den vielen Phrasen unserer Gegenwart hüten.
Ich muß Ihnen sagen, daß ich mich nur mit großen Bedenken in diese Diskussion über die Gleichberechtigung der Frau einlassen kann, wenn ich bedenke, daß gerade unsere Frauengeneration nach den unerhörten Belastungen zweier Kriege, die weit über ihre physischen und psychischen Kräfte gegangen sind, heute wieder in einem Kampf um Lebenssicherheit steht, in einem Kampf, den sie eigentlich nicht mehr zu führen brauchte, nachdem nämlich die Grundrechte de jure längst erkämpft sind und nachdem die Befähigung der Frau de facto längst erwiesen ist. Wenn wir unseren berufstätigen Schwestern wirklich helfen wollen, dann kann es für uns niemals darum gehen, etwa eine wörtlich genommene Gleichberechtigung im Berufsleben zu erzwingen, die schließlich ein Fehlgriff wäre, wenn nicht auf all den Gebieten, wo zum Beispiel schwere manuelle Arbeit zu leisten ist, Ausnahmebestimmungen zum Schutze der empfindlicheren Konstitution der Frauen und ihrer Kinder erlassen würden. Sonst würde der Erfolg nämlich eine schlechte Leistung und wahrscheinlich der Ruin einer ganzen Frauengeneration sein. Wer von der Verschiedenartigkeit der Geschlechter spricht, der meint deshalb auch wahrscheinlich niemals die geringere physische Kraft der Frau, sondern sieht, daß in der Tatsache der verschiedenen Veranlagungen und Voraussetzungen eben für uns der Auftrag liegt, die künftige Gesetzgebung auf allen Gebieten unseres Lebens so zu gestalten, daß mit Rücksicht auf den vermehrten Fraueneinsatz und den Frauenüberschuß, mit Rücksicht darauf, daß gerade dieser Frauenüberschuß das Reservoir für die Arbeitskräfte von morgen stellen muß, den besonderen Bedürfnissen der Frauen in der Gesetzgebung weit mehr als bisher Rechnung getragen wird.
Herr Dr. Lehr hat schon zu der sehr notwendigen Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches gesprochen. Ich möchte davon nichts wiederholen. Aber eins ist mir noch ein besonderes Anliegen: daß auch auf dem sozialpolitischen Sektor den Belangen der berufstätigen Frau mehr als bisher de facto Rechnung getragen wird. Da möchte ich nur auf ein Beispiel hinweisen, das für Millionen spricht und das noch vor wenigen Wochen passiert ist. Bei dem Versuch, eine Kriegerwitwe in einem Betrieb des öffentlichen Dienstes unterzubringen, ist mir gesagt worden: Der Betriebsrat hat beschlossen, daß Sachbearbeiter nur Männer sein können
628 Deutscher Bundestag - 20. und
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und daß Frauen nur als Hilfskräfte eingestellt werden können. Ich möchte dieses eine Beispiel, das für viele gilt, nur anführen, um zu beweisen, daß in den Gedankengängen unserer Zeit sich seit dem 19. Jahrhundert vieles durchaus noch nicht geändert hat. Wir Frauen möchten die Lösung der Gleichberechtigung nicht etwa so sehen, daß wir um Macht und Einfluß ringen, nach Zahl und Größe, wie es uns nach der Zahl der Wählerinnen, um ein Beispiel zu nennen, durchaus zustünde. Ich möchte vielmehr, daß wir darum ringen, die Lösung aller Probleme von innen her, wie es echte Frauenart ist, zu erreichen. Dazu ist es notwendig - und ich identifiziere mich in dieser Hinsicht mit den Ausführungen meiner Kollegin Frau Dr. Weber und der Kollegin Frau Dr. Ilk -, daß nicht etwa nur - ich sagte das schon zur Regierungserklärung - eine Referentin im Innenministerium alle Frauenfragen löst, sondern daß soviele tüchtige Frauen wie möglich neben tüchtigen Männern stehen, um ihnen zu helfen, die großen drängenden Probleme der deutschen Massennot gemeinsam zu lösen.
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Darüber hinaus gibt es allerdings noch eine ganze Fülle von Fragen aus dem Interessenkreis der Frau, die nicht von dem Mann, sondern ganz allein von den Frauen für die Frauen gelöst werden können.
Die Parteien sind die alten, und die Menschen sind auch die alten geblieben. Es ist deshalb notwendig, zu betonen, daß die Frage der Gleichberechtigung nicht etwa mit dem Stimmrecht und auch nicht etwa dadurch gelöst wird, daß nun eine Forderung erhoben wird, die sich nur auf eine optische Wirkung bezieht. Es ist unser größtes Anliegen, daß bei der Lösung dieser Probleme die Frauen mit ihrer vermittelnden Stimme überall ihren Einfluß ausüben können, wo es um die künftige Gesetzgebung geht, die den Bedürfnissen der Gegenwart angepaßt werden muß.
Ich meine, daß in der Sozialversicherung, von der hier schon gesprochen worden ist, bei der Schaffung der Berufsbedingungen, bei der Schaffung eines ganz neuen Berufsschulwesens, bei der Steuergesetzgebung, bei den Wohnungsfragen und auch bei dem Versorgungsgesetz für Kriegsbeschädigte, das wir jetzt schaffen werden, der Frauen, der Witwen, der Waisen und der Jugendlichen in Zukunft viel mehr als bisher gedacht werden muß.
Wenn wir an dieser Stelle als Frauen für die Frauen zu den Fragen der Gleichberechtigung sprechen müssen, dann habe ich den Wunsch, daß wir das Gefühl haben dürfen, vereint mit allen Kollegen in der gleichen Verantwortung um die Lösung der Probleme so ringen zu können, daß nicht mehr vom Männerstaat und Frauenstaat gesprochen werden kann - das eine ist so abscheulich wie das andere -, sondern daß nur davon gesprochen wird, daß wir in einem gemeinsamen Kampf um die Lösung dieser Probleme ringen, wobei neben dem Mann die Frau steht, die aus der Fülle der Herzenskräfte ihren Beitrag dafür geben wird, daß die soziale Weltordnung endlich wieder ins Gleichgewicht kommt.
Aus diesem Grunde wird meine Fraktion den Anträgen der SPD zustimmen.
Bei dem Antrag der KPD haben wir ebenfalls den Wunsch, daß der Kollege Renner und seine Fraktion dieses besondere Anliegen den Gewerkschaften vortragen und vor allem dafür sorgen möchten, daß nicht mehr Tarifverträge abgeschlossen werden, die so aussehen, wie sie uns bis dato immer noch vor Augen kommen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Arnold.
Meine Damen und Herren! Seit 1914 bis heute - so kann man wohl sagen - hat die Frau im Hause und auf den Gebieten des öffentlichen Lebens eine ganz besonders hohe Verantwortung getragen und im letzten Krieg leider schon fast bis in die Fronten hinein. Wir begrüßen es daher von meiner Fraktion aus dankbar, daß durch Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes der Frau nunmehr auch rechtlich die Verantwortung gegeben und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen gesetzlich verankert ist. Seit Jahrzehnten ist der Frau gleichberechtigt mit dem Mann in allen Fakultäten der Universitäten das Studium freigegeben. Daher ist es logisch, daß ihr auch die Stellen offenstehen, die sich aus der Studiumsberechtigung ergeben. Daß die Ausnahmen von der Rechtsgleichheit, wie sie heute noch geradezu vorsintflutlich im Bürgerlichen Gesetzbuch, im Eherecht, in der Ordnung des Verhältnisses zwischen Eltern und Kindern, im Güterrecht usw. enthalten sind, schnellstens geändert werden, ist ein dringendes Anliegen und Herzensbedürfnis von uns Frauen.
Grundsätzlich ist die Zentrumsfraktion für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit, lehnt aber den Zusatz im Antrag auf Drucksache Nr. 206 der KPD ab, wo es heißt: „Lohn, wie er auf Grund tariflicher Vereinbarungen den Männern zusteht". Man i muß sich besonders in der heutigen Zeit und für die kommenden Jahre bei dem großen Frauenüberschuß davor hüten, daß man den Frauen vielleicht durch überspitzte Forderungen eher schadet als nützt,
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daß man die Tarifvertragsparteien hier allzusehr unter Zwang stellt.
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Den Antrag der SPD, daß die Vorschriften des Artikel 3 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes auch im öffentlichen Dienst bei der Bundesverwaltung, und zwar hier auch in leitenden Stellungen, in Referentinnenstellen usw., durchgeführt werden, ist durchaus richtig. Wir würden aber die Ziffer 1 des Antrags auf Drucksache Nr. 177 der SPD gern so formuliert sehen, daß man die Worte „an Zahl und" streicht und das Wort „Fähigkeit" durch „fachliche Eignung" ersetzt. Denn man sollte, wie ich glaube, nicht so sehr in Mechanisierung verfallen. Einmal - und das muß man offen sagen - eignen sich wirklich Frauen nicht gerade für alle Ministerien. Es ist doch auch nicht so, daß nun gleich ein ganzes Heer von hochintelligenten und sehr fähigen Frauen zur Verfügung steht. Wir wollen doch den Männern nicht unnötig eine allzu große Angst vor den Frauen bereiten, daß wir ihnen Posten streitig machen könnten.
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Wir dürfen auch nicht vergessen, daß die Gleichberechtigung der Frau auf der Gleichwertigkeit, aber auch auf der Andersartigkeit der Frau aufbaut.
Deutscher Bundestag - 20. und
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Ein besonderes weibliches Anliegen haben die Frauen in den Abteilungen zu vertreten, die sich mit den Sachgebieten befassen, die das Erziehungswesen, das Schulwesen, den Jugendschutz, das Familienrecht, das Gesundheitswesen, das Wohlfahrtswesen und die Flüchtlingsfragen, das Wohnungswesen, die Sittenpolizei, die Jugendgerichtsbarkeit usw. betreffen.
Frauen gehören auch in das Innenministerium und in das Justizministerium. Dort müssen besondere Referate geschaffen werden, um die aus Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes sich ergebende Reform durchführen zu können. Nur muß ich sagen, daß ich mir die Arbeit einer Referentin im Ministerium etwas anders vorstelle, als das in Ziffer 3 des Antrags der SPD auf Drucksache Nr. 177 gedacht ist. Die dort für alle drei Monate geforderte Statistik über den Anteil der Frauen im öffentlichen Dienst bei der Bundesverwaltung nach Verwaltungen, Dienststufen, Besoldungsbzw. Tarifgruppen, genügt als jährlich zu leistende Arbeit, die auch von statistischen Abteilungen geleistet werden könnte.
Das Gesetz über die Gleichberechtigung von Männern und Frauen greift auf eine Vielzahl von Rechtsgebieten über, wie zum Beispiel das Gebiet des Beamtenrechts, die Steuergesetzgebung, das Gebiet der Finanzen und Steuern, das Wohlfahrts- und Fürsorgewesen, das Versicherungswesen und noch verschiedene andere Fächer. Das alles erfordert eine sehr klare, gründliche Durcharbeitung und Prüfung.
Wir schlagen daher von unserer Fraktion aus vor, die Anträge in bezug auf ,die Gleichstellung von Männern und Frauen den einschlägigen Ausschüssen zu überweisen, damit diese das Thema eingehend beraten und das Ergebnis der Beratungen der Bundesregierung als Unterlage für eine baldige Gesetzesvorlage einreichen.
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Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister Dr. Dehler.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung ist sich, ohne daß es eines Ersuchens des Bundestags bedarf, ihrer Pflicht bewußt, die im Grundgesetz vorgesehenen Ausführungsgesetze vorzubereiten und ohne Säumen dem Parlament zuzuleiten.
Mein Ministerium wird vor allem damit befaßt sein, die Änderungen, die sich aus dem Artikel 3 Absatz 2 und 3 des Grundgesetzes ergeben, gesetzgeberisch vorzubereiten. Der Herr Abgeordnete Dr. Lehr hat in zutreffender Weise den Fragenkomplex umschrieben. Ich beabsichtige, für diese Aufgabe eine Frau maßgebend als Referentin einzuschalten.
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Ich begrüße durchaus die Anregung der Frau Abgeordneten Dr. Ilk, daß zur Bewältigung und Durchführung dieser überaus schwierigen Aufgaben ein paritätisch aus Frauen und Männern zusammengesetzter Ausschuß des Hohen Hauses mitwirken soll. Ich halte das für einen besonders glücklichen Gedanken, der uns vielleicht am ehesten zu richtigen Lösungen führen kann.
Der Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 176 wird also von mir als Aufgabe akzeptiert. Das gleiche gilt für den Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 177 unter Ziffer 1. Die Bundesregierung erkennt nach dem Grundgesetz als ihre Verpflichtung an, Frauen in allen Stellen ohne Benachteiligung einzustellen. Dagegen halte ich die Anträge unter den Ziffern 2 und 3 dieser Drucksache verfassungsmäßig nicht für zulässig, da sie nach meiner Meinung in den Bereich der Exekutive übergreifen.
Den Antrag des Herrn Abgeordneten Renner auf Drucksache Nr. 206 halte ich für bedenklich. Es ist nicht möglich, gesetzlich festzulegen, das Frauen und Jugendliche einen Rechtsanspruch auf den gleichen Lohn bei gleicher Arbeit haben. Hier trifft das zu, was Frau Abgeordnete Dr. Ilk ausgeführt hat; das sind Fragen, die bei dem Abschluß von Tarifverträgen weitgehend zu berücksichtigen sind. Auf die wirtschaftspolitischen Schwierigkeiten, die mit dieser Frage verknüpft sind, will ich bei dieser Gelegenheit nicht eingehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nuding.
Meine Damen und Herren! Die Gleichberechtigung der Frau ist für meine Partei eine Selbstverständlichkeit. Wir haben nun heute die verschiedensten Reden gehört. Ich möchte an das anknüpfen, was die Frau Kollegin Dr. Weber gesagt hat. Die Weimarer Verfassung hatte die Gleichberechtigung der Frau festgelegt. Aber das war nur deklamatorisch. Ist es vielleicht jetzt nicht auch so?
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Ich werde versuchen, diese Frage auf Grund Ihrer und der hier vor mir gemachten Ausführungen zu untersuchen. In allen Fragen, die nicht verpflichtend, sondern nur Wünsche sind, gibt es keinen Streit, ich glaube, vom Herrn Bundeskanzler bis herunter zum letzten Mitglied dieses Hauses. Aber daß die Frauen, soweit es nicht gesetzlich festgelegt ist, in alle Positionen aufsteigen sollen, ist bis jetzt nur deklamiert. Schon einer der nachfolgenden Redner, der Herr Kollege Dr. Lehr, hat von bestimmten Schwierigkeiten gesprochen. Schauen Sie, wenn Sie etwas Neues machen wollen, dann müssen Sie den Status der Vergangenheit bis zum heutigen Tag nehmen und sagen: da und da muß geändert werden. Aber Sie deklamieren allgemein.
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Es sollte so sein, daß wir uns einig sind. Nun gibt es Schwierigkeiten. Eine dieser entscheidenden Schwierigkeiten - das kostet zweifellos etwas Arbeit, das will ich gar nicht verhehlen - ist die Frage, der Frau im Gesetz die Gleichberechtigung zu geben. Aber diese Schwierigkeiten kann man auch nur überwinden, wenn man nicht von den Buchstaben des alten Gesetzes ausgeht, sondern von der Wirklichkeit, wie sie gegeben ist.
Schauen Sie heute das Problem der vielen Tausende Mütter, die uneheliche Kinder zur Welt bringen. Wie werden sie von dem Gesetz gleichbehandelt? Wie dürfen sie ihre Kinder betreuen? Wer hat das Recht über sie? Das ist ein Notstand, der beseitigt werden muß. Das ist eine ganz konkrete Sache, die man ändern muß, nicht nach dem Maßstab der alten Gesetze, sondern nach den Tatsachen, die heute so hart reden und die heute gegegeben sind. Dann kommt man über das Deklamieren hinaus.
Zweite Tatsache: Sie haben sich in der Mehrzahl gegen unseren Antrag ausgesprochen. Dieser Antrag befaßt sich mit dem Problem, das sehr real
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({2})
ist und sehr dringend gelöst werden muß. Die verehrten Rednerinnen von den Rechtsparteien haben sich die Sache sehr einfach gemacht; sie haben erklärt: das ist Sache der Gewerkschaften. Der Herr Bundesjustizminister hat sich das ebenfalls so einfach gemacht. Ja, warum haben Sie denn nicht an die Herren Unternehmer appelliert, an den andern Sozialpartner, den Sie in diesem Hause vertreten, und gesagt: Bitte schön, ihr Herren Unternehmer, befolgt endlich das Grundgesetz! Denn sie sind es ja, die diese Millionen Frauen, die im Produktionsprozeß stehen und Männeraufgaben erfüllen müssen, beschäftigen, die nämlich zu Hunderttausenden eine Familie von 3, 4 und 5 Kindern ernähren müssen.
Im Grundgesetz steht ihre Gleichberechtigung. Frau Dr. Weber, diesen Frauen können Sie nichts vormachen von Gleichberechtigung. Sie sagen: Wir wollen im Innenministerium Frauen haben. Diese Frauen fragen: Warum werde ich, wenn ich die gleiche Arbeit leiste, von den Herren Unternehmern nach dem Gesetz nicht gleichmäßig behandelt?
({3})
Meine Damen und Herren, es hat jeder das Recht, seine Meinung hier zu vertreten. Aber die Ordnung darf nicht gestört werden.
({0})
Ihre Nervosität beweist mir nur, daß ich Sie an einem empfindlichen Punkt getroffen habe. - Schauen Sie, wenn Sie zum Beispiel die Zeit der letzten 20 Jahre oder das letzte Menschenalter betrachten, dann finden Sie die Argumentation, die auch heute von den Herren Unternehmern den Gewerkschaften gegenüber angewandt wird: Ja, wenn wir den Frauen den gleichen Lohn bezahlen müssen wie den Männern, dann schmeißen wir eben die Frauen raus, dann werden wir die Frauen nicht beschäftigen!
Bei der Begründung dieser Anträge ist von rechts ein Zwischenruf gekommen, der besagte, daß die Unternehmer nicht bewußt darauf hinarbeiten, bestimmte Frauenabteilungen zu schaffen. Ich könnte Ihnen nachweisen, daß sie es sehr bewußt machen und heute in manchen Fällen sogar behaupten, daß es bestimmte Arbeiten gibt
- ich will nur an die Elektroindustrie denken -, die von Frauen besser gemacht werden können als von den Männern. Trotzdem heißt es in ihren Lohnregelungen „Frauenlöhne" und nicht einfach „Löhne für die Arbeiter".
Aber ich wollte etwas anderes sagen.
({0})
- Hic Rhodus, hic salta! Wenn Sie die Zustände glauben dort ändern zu müssen, gehen Sie hin!
({1})
- Ich gehe mit Ihnen sehr gerne hin.
({2})
Schauen Sie, was in der Krisenzeit 1931 bis 1932 geschehen ist.
({3})
- Ich bin zufrieden mit dem Zustand dort, nur mit dem Zustand hier nicht.
({4})
Was ist 1932 geschehen? Wieviel Hunderttausend Männer haben zu Hause sogar gekocht, Geschirr gewaschen, Strümpfe gestopft, weil nur noch die billige Arbeitskraft, die Frau, Arbeit bekommen hat.
({5})
Man muß sehr klar erkennen, daß diese Argumentation für die Frau, wenn man den gleichen Lohn für sie verlangt, etwas schief liegt und daß diese Argumentation nicht mit dem Grundgesetz übereinstimmt. Denn wenn das Grundgesetz die Gleichberechtigung verlangt, dann muß die Arbeitskraft, die entscheidende Lebensquelle eines jeden Menschen, gleich bewertet werden, und dann darf man auch nicht sagen, daß die Frage der Löhne eine Sache ist, die dem Sozialpartner zu überlassen ist, so daß dann die Herren von der Rechten kommen und sagen: die Gewerkschaften! So geht die Lösung nicht. Wollen Sie diese Gleichberechtigung haben, dann fangen Sie bei sich zu Hause an, fangen Sie an auf der Seite des Sozialpartners, der die wirtschaftliche Macht in der Hand hat.
({6})
- Das sind bis jetzt die Herren Unternehmer, die bestimmen, wen sie einstellen und wen sie entlassen, nachdem der Zwang, wie der Herr Bundeskanzler das genannt hat, von diesem Sozialpartner genommen worden ist, nachdem sie die Arbeiter jetzt wieder mehr oder weniger nach eigenem Gutdünken herauswerfen können.
({7})
- Das ist zur Sache. Ihr Zwischenruf gehört nicht zur Sache, Herr Kollege, wenn hier etwas zur Sache gesagt wird. - Die Gleichberechtigung in der Lohnfrage ist der Angelpunkt und auch der Maßstab für die Stellungnahme eines Politikers zu dem Problem der Gleichberechtigung der Frau überhaupt. Alles andere, was Sie sagen, sind und bleiben leere Deklamationen.
Ich möchte Sie deshalb bitten, den Antrag der KPD anzunehmen, damit auf diesem Gebiet gesetzlich nicht mehr erlaubt wird, daß Mann und Frau in der Lohnfrage verschieden behandelt werden, damit gerade den Millionen Frauen, die entscheidend kämpfen müssen, um ihre Existenz aufrechtzuerhalten, und die noch das Minus haben, daß sie keine Familie haben können, wirklich die Gleichberechtigung gegeben wird.
({8}) -- Das lassen Sie meine Sorge sein!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Die. Unternehmer sind schon da!
({0})
Ich möchte aber zuvor meinem. Bedauern Ausdruck geben daß diese Diskussion, die vielleicht
erstmalig - wir sind ja nicht sehr üppig, nicht
Deutscher Bundestag - 20. und
({1})
wahr? -, angefangen mit unserer liebenswürdigen Kollegin Frau Korspeter und von allen anderen in der gleichen Weise weitergeführt, so viel versprach, doch noch wieder eine Störung erleiden mußte,
({2})
und das ist das Verdienst Ihrer Fraktion, Herr Rische!
({3})
Im übrigen wäre es besser gewesen, wenn sich Ihr Kollege Nuding mit Herrn Rische in Verbindung gesetzt hätte. Dann hätte er wahrscheinlich erfahren, daß der Wirtschaftsrat sich in monatelanger Arbeit im Arbeitsausschuß unter dem Vorsitz des Herrn Richter mit einem Gesetz über den Leistungslohn befaßt hat, das den Grundsatz verwirklichen sollte: Gleicher Lohn für gleiche Leistung,
({4})
einen Grundsatz, der in seiner Notwendigkeit, glaube ich, von allen anerkannt wird, der aber, wie eine meiner Vorrednerinnen gesagt hat, auch seine Bedenken hat, die Frauen in dieser Beziehung in gewisser Weise besonders herauszustellen. Ich bin also der Auffassung, Herr Nuding, daß Sie ins Leere gestoßen haben.
({5})
Es bedarf nicht Ihres Antrages, sondern es liegt uns das von uns im Wirtschaftsrat verabschiedete, nur von der Militärregierung nicht genehmigte Gesetz vor, und es wird sicherlich entsprechend den Grundsätzen, die die Regierung hier in ihrer Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht hat, vorgelegt werden, auch ohne daß es einer besonderen Bemerkung bedarf.
Im übrigen glaube ich feststellen zu dürfen, Herr Präsident, daß die Debatte beinahe scharmant war, und ich möchte hoffen, daß sich dieses Beispiel fortsetzt.
({6})
Erfolgen weitere Wortmeldungen zu dieser „scharmanten" Debatte? - Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Frau Kollegin Dr. Weber!
Ich bitte, die Anträge dem zuständigen Ausschuß zu überweisen.
Dazu wollte ich eben kommen; ich danke Ihnen vielmals. Ich darf Ihre Anregung also als einen Antrag zur Geschäftsordnung aufnehmen.
Meine Damen und Herren! Ich schließe die ,Aussprache. Es ist im Verlauf der Debatte von verschiedenen Seiten der Antrag gestellt worden, die Anträge auf den Drucksachen Nr. 176, 206 und 177 dem zuständigen Ausschuß zu überweisen. Wir wollen das im einzelnen machen. Darf ich das Einverständnis des Hauses zu folgendem Verfahren festellen.
Der Antrag Nr. 176 wird an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Nadig!
Ich bitte, den Antrag auf Drucksache Nr. 176 nicht an den Ausschuß zu überweisen, sondern darüber abzustimmen, ob es möglich ist, daß die Bundesregierung uns alsbald eine Gesetzesvorlage in dieser Angelegenheit bringt.
({0})
An sich hatte ich vorher gefragt - es lag in meiner Fragestellung -, ob eine andere Verfahrensweise als die der Ausschußüberweisung erfolgen solle. Ich will mich durchaus nicht an einen strengen Formalismus halten, wenn das Haus damit einverstanden ist. Höre ich Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahre ich folgendermaßen.
Wer für den Antrag Drucksache Nr. 176 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Keine Gegenstimme. Ich stelle die einstimmige Annahme fest.
Wir kommen nunmehr zu Antrag Drucksache Nr. 206. Wird hier die Überweisung an den Ausschuß oder die Abstimmung beantragt?
({0})
- Überweisung an den Ausschuß! Wer für die Überweisung des Antrags Drucksache Nr. 206 an den Ausschuß ist, und zwar federführend Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dann Arbeitsausschuß, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle die einstimmige Annahme fest.
Wir kommen nunmehr zum Antrag Drucksache Nr. 177. Darf ich auch hier fragen, ob Überweisung an den Ausschuß gewünscht wird?
({1})
In diesem Falle sind zuständig der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung und der Ausschuß für Beamtenrecht. Welcher Ausschuß soll federführend sein? Ich nehme an: der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung.
({2})
- Es ist so beschlossen. Das entspricht auch dem eigentlichen Sinn des Antrags Drucksache Nr. 177.
Meine Damen und Herren! Damit haben wir Punkt 15 unserer Tagesordnung erledigt. Wir kommen nunmehr zu Punkt 16:
Antrag der Fraktion der BP betreffend Streichung der Absätze 2 und 3 des § 103 der vorläufigen Geschäftsordnung ({3}).
({4})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Dr. Bertram!
Ich bitte, den Punkt 14 der Tagesordnung noch einmal aufzurufen. Wir sind der Ansicht, daß die Abstimmung sowie die Feststellung der Beschlußunfähigkeit nicht richtig waren, weil die Zahl der Stimmenthaltungen nicht festgestellt worden ist. Ich bitte deshalb, diesen Punkt noch einmal aufzurufen.
Es war meine Absicht, die Frage nach Behandlung des Punktes 16 an das Haus zu richten. Wenn Sie die Frage als Antrag
632 Deutscher Bundestag - 20. und
({0})
zur Geschäftsordnung stellen, bin ich gern bereit, sie jetzt an das Haus zu richten.
Meine Damen und Herren! Es war vorhin so, daß sich bei der Zusammenzählung der abgegebenen Stimmen Beschlußunfähigkeit ergab. Es mag sein, daß auch Enthaltungen vorgekommen sind. Enthaltungen haben wir von hier oben aus nicht festgestellt. Das nur in tatsächlicher Beziehung.
Ich frage jetzt das Haus, ob es damit einverstanden ist, daß wir den Punkt 14 der Tagesordnung der 19. Sitzung, betreffend Wartegeld und Pensionen der ostvertriebenen Beamten, noch einmal behandeln. Ist das Haus damit einverstanden, dann müssen wir über den Antrag des Abgeordneten Euler zu Punkt 14 noch einmal abstimmen. Der Antrag Euler lautet auf Überweisung an den Rechtsausschuß.
({1})
- Herr Abgeordneter Dr. Reismann zur Geschäftsordnung!
Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß es so nicht geht. Es ist soeben abgestimmt worden, und dann wurde vom Herrn Präsidenten bezweifelt, daß das Haus beschlußfähig sei.
({0})
Es wurde festgestellt!
Gestatten Sie, Herr Präsident, Sie hatten es im Augenblick nur bezweifelt. - Es wurde dann gesagt, das Haus sei nicht beschlußfähig. Aber die Feststellung beruhte auf einer unvollständigen Zählung; denn es ist doch zuzugeben, daß die Zahl der Stimmenthalter nicht festgestellt worden ist. Die Feststellung der Beschlußunfähigkeit entsprach nicht der Geschäftsordnung, die für diesen Fall die Abgabe weißer Karten vorsieht. Daraus resultiert also, daß wir jetzt nicht mehr feststellen können, ob das Haus beschlußfähig gewesen ist oder nicht. Der Beschluß gilt also. Die Folge davon ist, daß das Thema erledigt ist und wir es gar nicht wieder aufgreifen können.
({0})
Deswegen sind wir nicht in der Lage, ein zweites Mal über dasselbe Thema zu sprechen oder abzustimmen; es ist durch die soeben vorgenommene Abstimmung erledigt. Nach dem Abstimmungsergebnis, wie es herausgekommen ist, ist der Antrag des Herrn Kollegen Euler abgelehnt.
({1})
Meine Damen ,und Herren, man kann darüber verschiedener Meinung sein. Es ist eine Frage der Auslegung der Geschäftsordnung. Ich darf einmal auf den Wortlaut des § 100 aufmerksam machen.
({0})
- Herr Abgeordneter Löbe zur Geschäftsordnung, bitte!
Die letzte Äußerung des Herrn Abgeordneten Dr. Reismann war ganz und gar geschäftsordnungswidrig.
({0})
Meine Damen und Herren, es ist doch so: wenn
sich bei einer Abstimmung die Beschlußunfähigkeit des Hauses herausstellt, so ist damit automatisch die Sitzung zunächst geschlossen
({1})
- nicht unterbrochen, sondern geschlossen -, und es muß vom Präsidenten eine neue Sitzung angesetzt werden. Diese neue Sitzung kann morgen oder übermorgen stattfinden; sie kann aber auch von dem Präsidenten sofort, nach einer Vierteloder halben Stunde einberufen werden, wenn er der Meinung ist, daß diese Beschlußunfähigkeit vorübergehend war, da sich im Parlamentsgebäude außerhalb des Saales noch so viele Abgeordnete aufhalten, daß sich bei einer späteren Sitzung wieder eine Beschlußfähigkeit ergeben könnte.
({2})
Deshalb ist es üblich und war es im Reichstag - verzeihen Sie, wenn ich mich immer wieder darauf berufe, aber ich habe dort zwölf Jahre die Geschäfte geleitet - die Regel, daß in einem solchen Augenblick der Präsident je nach der Geschäftslage versuchte, nach Ablauf einer Viertel- oder halben Stunde eine neue Sitzung einzuberufen und damit die Tagesordnung zu retten.
Dann begannen wir aber immer mit dem nächsten Punkt der Tagesordnung, denn sonst, meine Damen und Herren, wäre der Versuch meistens unsinnig gewesen. Es hätte sich nämlich bei sofortiger Wiederholung der Abstimmung doch sehr leicht ein zweites oder drittes Mal dieselbe Beschlußunfähigkeit zeigen können, und das sollte vermieden werden. Die Damen und Herren verwechseln nämlich oft Beratungsfähigkeit und Beschlußfähigkeit. Beratungsfähig ist das Hohe Haus in jedem Augenblick, in dem das Präsidium besetzt und eine Anzahl Abgeordneter, und seien es auch nur 20, anwesend ist. Der Streitfall entsteht immer erst, wenn bei der Abstimmung die Beschlußfähigkeit festgestellt werden muß, und wir haben deshalb in der neuen Sitzung den nächsten Punkt der Tagesordnung aufgerufen und versucht, in dieser Beziehung weiterzukommen.
Das schließt nicht ganz aus, daß der Präsident, wenn zum Beispiel die Beschlußfähigkeit kurz nach Eröffnung der Sitzung um 1/23 Uhr nachmittags eingetreten war und das Haus sich um 4 oder 5 Uhr gefüllt hatte, den Versuch machte, den durch Beschlußunfähigkeit gescheiterten Antrag - sagen wir Euler - nun bei dem vollen Hause noch einmal zur Abstimmung zu bringen, und das ist wohl der Versuch, um den sich eben der Herr Präsident bemüht.
Ganz falsch aber ist die Auffassung des letzten Redners, daß durch die Beschlußunfähigkeit des Hauses der Antrag Euler oder irgendein anderer abgelehnt ist. Nein, er ist unerledigt geblieben und muß zu irgendeinem Zeitpunkt, sei es jetzt oder sei es in einer zukünftigen Sitzung, erledigt werden. Sollte sich bei einer jetzt vorzunehmenden Abstimmung die Beschlußunfähigkeit des Hauses aufs neue zeigen, dann entbindet das den Präsidenten nicht von der Verpflichtung, beim nächsten Mal, wenn wir wieder hier zusammenkommen, den noch nicht erledigten Antrag wieder auf die Tagesordnung zu setzen oder die noch nicht erledigte Abstimmung vorzunehmen.
({3})
Was mir auch sehr fraglich erscheint, ist, ob man bei einer wiederholten Abstimmung eine andere Abstimmungsform anwenden kann,
({4})
Deutscher Bundestag - 20. und
({5})
daß man also sagt: Wir haben zunächst einmal durch Aufstehen oder Händeheben abgestimmt; wenn wir es wiederholen, werden wir es geheim oder werden wir es namentlich machen. Bei einer festen Geschäftsordnung würde niemand einen solchen Versuch machen; denn das würde natürlich die Verhältnisse noch unklarer gestalten.
Ich muß überhaupt, wenn mir der Herr Präsident das erlaubt, sagen: Mit der Abstimmungsform, die wir jetzt vollziehen, werden wir auf die Dauer nicht durchkommen.
({6})
Dieses einfache Händeerheben und Zählen durch die Schriftführer wird selten zu einem genauen, nachprüfbaren Ergebnis führen.
({7})
Wir werden uns daran gewöhnen müssen, wenigstens bei allen wichtigeren Abstimmungen erstens einmal durch Erheben von den Plätzen abstimmen zu lassen. Meine Damen und Herren, wenn der Präsident und die Schriftführer von vornherein wissen: hier sind sechs Blocks, von oben bequem zu übersehen, und nun stehen vier Blocks auf und zwei Blocks bleiben sitzen - meistens liegen nämlich die Verhältnisse so oder ähnlich -, dann ist das schon eine viel sicherere Feststellung, und wir ersparen uns das ewige Auszählen, bei dem nachher immer gesagt wird: das stimmt nicht, das ist nicht richtig; bitte, Abstimmung wiederholen! Wenn wir einmal über wichtige Gesetze abstimmen werden, wird es nötig sein, jedesmal recht genau die Mehrheitsverhältnisse festzustellen.
({8})
Ich empfehle, daß diese Fragen im Ausschuß für Organisation oder in diesem gemeinsam mit dem Geschäftsordnungsausschuß zusammen mit dem Präsidenten einmal durchgeprüft werden, damit wir nach und nach zu einer ordentlichen Abwicklung der Geschäfte kommen.
({9})
Der Beifall, meine Damen und Herren, beweist mir, daß ich berechtigt bin, im Namen des gesamten Hauses Herrn Alterspräsidenten Löbe verbindlichsten Dank für diese sehr aufklärenden Ausführungen zum Ausdruck zu bringen.
({0})
Die Frage ist nun die, wie wir weiter prozedieren. Es haben sich inzwischen zwei weitere Herren zur Geschäftsordnung gemeldet. Wir kommen also jetzt in eine Geschäftsordnungsaussprache hinein. Es geht aber aus den Ausführungen des Herrn Alterspräsidenten Löbe hervor, daß ich auf dem richtigen Wege war, als ich das Einverständnis des Hauses dazu herbeiführen wollte, über den Antrag Euler abzustimmen.
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bertram zur Geschäftsordnung.
§ 100 unserer vorläufigen Geschäftsordnung sagt in Satz 2:
Ergibt sich die Beschlußunfähigkeit bei einer Abstimmung oder Wahl, so wird in einer der nächsten Sitzungen noch einmal abgestimmt oder gewählt.
Herr Abgeordneter Dr. Reismann hat eben gesagt, daß sich diese Beschlußunfähigkeit bei der vorhin durchgeführten Abstimmung über den Antrag Euler nicht ergeben habe, und zwar deshalb
sich nicht habe ergeben können, weil die Ja-und Nein-Stimmen, aber nicht die Enthaltungen gezählt worden sind. Diese Feststellung der Beschlußunfähigkeit läßt sich auch nicht mehr nachholen, weil wir nicht wissen, wer sich der Stimme enthalten hat. Läßt sie sich aber nicht mehr nachholen, dann muß meiner Ansicht nach Absatz 1 des § 98 der Geschäftsordnung zur Anwendung kommen, der lautet:
Der Bundestag, ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder anwesend ist.
Wir müssen also annehmen, daß die Beschlußunfähigkeit nicht festgestellt worden ist und auch
nachträglich nicht mehr festgestellt werden kann.
({0})
- Nein, das ist nicht Sache des Präsidenten! ({1})
- Nein, das Verfahren darüber regelt im einzelnen § 99, der für den Fall, daß die Beschlußfähigkeit bezweifelt wird, namentliche Abstimmung durch Abgabe weißer Karten vorsieht.
Wir müssen also davon ausgehen - und das war der Sinn der Ausführungen des Abgeordneten Reismann -, daß, da die Beschlußunfähigkeit nicht festgestellt werden kann und auch nicht festgestellt worden ist, der eben gefaßte Beschluß Rechtswirksamkeit erhalten hat und eine erneute Abstimmung darüber nicht mehr notwendig ist.
Meine Damen und Herren, darf ich dazu eine Bemerkung machen? Wir stehen doch vor der Alternative, ob wir weiterarbeiten wollen oder nicht. Je mehr wir nämlich die Geschäftsordnungsdebatte über die Anwendung der §§ 98, 99 und 100 vertiefen, um so schneller werden wir wahrscheinlich zu dem Ergebnis kommen, daß geschäftsordnungsmäßig die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Arbeit, insbesondere für das Zustandekommen von Beschlüssen, nicht mehr gegeben sind.
Ich erteile das Wort Herrn Abgeordneten Dr. Reismann.
Meine Ausführungen haben sich durch die des Kollegen Bertram erledigt.
Dann erteile ich Herrn Abgeordneten Euler das Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, der auf der heutigen Tagesordnung unter Punkt 14 verzeichnet ist, sowie der Antrag unter Punkt 13 der Tagesordnung sind beide materiell derart wichtig, daß wir davon Abstand nehmen sollten, sie in diesem schwach besetzten Hause überhaupt zu verhandeln und erneut zur Abstimmung zu stellen. Ich glaube, wir können nichts besseres tun, als diese beiden Anträge in der nächsten Sitzung zu verhandeln und darüber abzustimmen.
({0})
Damit wiederholen Sie, Herr Abgeordneter Euler, Ihren bereits gestellten Antrag. Das hat aber zur Voraussetzung, daß ich - da wir ja nach den eindeutigen Darlegungen des Herrn Kollegen Löbe in der Tagesordnung fortfahren - die Zustimmung des Hauses dazu einhole, daß wir erneut zu Punkt 14 zurückkommen.
Bitte, Herr Abgeordneter Krause!
634 Deutscher Bundestag - 20. und
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Alterspräsidenten Löbe ziehe ich meinen Antrag auf namentliche Abstimmung über den Antrag Euler formell zurück unter der Voraussetzung, daß der Punkt 14 der heutigen Tagesordnung als erster Punkt auf der Tagesordnung für die neue Sitzung erscheint.
Meine Damen und Herren, ich glaube, dieser Antrag des Herrn Abgeordneten Krause löst die Situation und entspricht auch der Tendenz nach dem Geschäftsordnungsantrag des Herrn Abgeordneten Euler.
({0})
Herr Abgeordneter Krause, darf ich Ihnen noch einen Vermittlungsvorschlag dahin machen, daß inzwischen dieser Antrag noch einmal im Rechtsausschuß überprüft und dann als erster Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung gesetzt wird, weil, meine Damen und Herren, in der nächsten Woche, wenn ich das bei der Gelegenheit gleich bekanntgeben darf, sowieso keine Vollversammlung in Aussicht genommen ist.
({1})
- Herr Abgeordneter Dr. Kather zur Geschäftsordnung.
({2})
- Ich weiß nicht, was diese Kennzeichnung bedeuten soll, Herr Abgeordneter Renner; sie ist ebenso ehrenvoll, wie wenn man sagt: Abgeordneter des Bundestags.
({3})
Meine Damen und Herren! Was die geschäftsordnungsmäßige Seite der Angelegenheit anlangt, so stelle ich mich voll auf den Boden der Ausführungen von Herrn Präsidenten Löbe. Ich habe ihn aber dahin verstanden, daß der Punkt 14 genau so zu behandeln ist wie alle anderen Punkte, daß man in solchen Fällen lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen diesen Punkt nicht wieder als ersten genommen hat, sondern erst später einmal versucht hat, ob er über die Bahn geht oder nicht. Ich bin daher der Meinung, daß der Herr Präsident durchaus in der Lage ist, von sich aus diesen Punkt wieder zur Verhandlung zu bringen. Ich möchte dringend darum bitten, daß wir die Sache heute erledigen. Ich sagte vorhin schon, daß Hunderttausende von Vertriebenen darauf warten. Immerhin sind sie in ihrer Mehrheit jetzt vier Jahre da, ohne daß dieses Unrecht, dessen Beseitigung schon seit Jahren von allen Parteien gefordert worden ist, aus der Welt geräumt ist.
Meine Damen und Herren, wir machen ja hier keine Gesetzesvorlage, wir machen auch keine Verordnung, sondern es handelt sich nur um eine Aufforderung an die Bundesregierung, eine Verordnung zu erlassen, ein Versprechen zu erfüllen, das auch schon in der Regierungserklärung gegeben ist. Aus diesem Grunde ist es meiner Auffassung nach nicht nötig, daß die Sache noch einmal in einen Ausschuß geht. Ich bin der festen Überzeugung, daß eine neue Abstimmung eine Auszählung unnötig machen wird. Ich bitte deshalb doch den Herrn Präsidenten, das Haus zu befragen, ob die Sache heute behandelt werden soll oder nicht.
Es stehen sich jetzt zwei Anträge gegenüber, um es genau festzustellen: der Antrag des Herrn Abgeordneten Krause, Punkt 14 der heutigen Tagesordnung als ersten Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung zu stellen.
({0})
- Gut! Aber als erster Punkt auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzung.
Der andere Antrag, der des Herrn Abgeordneten Dr. Kather, geht dahin, jetzt zur Abstimmung zu schreiten. Ich war auf dem besten Wege dazu, wie das auch der Herr Alterspräsident Löbe bestätigt hat. Ich wollte noch einmal an das Haus appellieren, ob es damit einverstanden ist, daß wir über diesen Punkt 14, das heißt naturgemäß zunächst über den Geschäftsordnungsantrag des Herrn Abgeordneten Euler als Abänderungsantrag
- daran ist nach den Grundsätzen der Geschäftsordnung nichts zu ändern -, noch einmal abstimmen. Wenn das Haus mir in dieser Beziehung folgt, können wir sofort zum Ziele kommen.
({1})
Besteht darüber allseitiges Einverständnis?
({2})
- Ich höre keinen Widerspruch.
Also, meine Damen und Herren, ich lasse jetzt noch einmal abstimmen über den Geschäftsordnungsantrag des Herrn Abgeordneten Euler, Punkt 14 der heutigen Tagesordnung an den Rechtsausschuß zurückzuverweisen. Wer für diesen Geschäftsordnungsantrag des Abgeordneten Euler ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Es ist von hier aus nicht zu entscheiden. Ich lasse auszählen.
({3})
- Also bitte einmal die Gegenprobe! - Wir drei hier oben erklären uns außerstande, eine eindeutige Feststellung zu treffen, was wir schon deswegen ablehnen müssen, damit nicht hinterher noch einmal das Ergebnis der Abstimmung angezweifelt wird. Deshalb lasse ich auszählen.
({4})
- Meine Damen und Herren, es ist doch gleichgültig, ob Sie aufstehen oder die Hände hochheben. Die Dinge lagen, von hier oben gesehen, durchaus in der Schwebe. Ich übernehme als Präsident nicht die Verantwortung, eine Entscheidung über das Ergebnis der Abstimmung zu treffen, wenn ich nicht absolute Klarheit nach der einen oder anderen Seite habe.
Wir wiederholen die Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben. Ich lasse nunmehr auszählen.
({5})
- Ich bitte, nicht durch solche Zurufe die gegenseitige Abstimmung beeinflussen zu wollen.
({6})
Wer gegen den Antrag Euler ist, den bitte ich,
sich von den Plätzen zu erheben. - Meine Damen
Deutscher Bundestag - 20. und
({7})
und Herren, die Frage ist entschieden; eine eindeutige Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
({8})
Wir beginnen also nunmehr mit der Behandlung des Punktes 14 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion des Zentrums und über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Wartegeld und Pensionen der ostvertriebenen Beamten ({9}).
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Kather als Berichterstatter das Wort.
Dr. Kather ({10}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir mit Rücksicht auf die Zeit, die wir ohnehin schon mit dieser Sache verloren haben, daß ich mich ganz kurz fasse. Es handelt sich um zwei Anträge, um einen des Zentrums, Drucksache Nr. 20, und um einen der CDU/ CSU, Drucksache Nr. 29. Beide Anträge haben denselben Inhalt. Sie verlangen die Gleichstellung der ostverdrängten Pensionäre und die Auszahlung des Wartegeldes an die Beamten, die nicht ruhegehaltsberechtigt sind und die noch keine Beschäftigung gefunden haben.
Die Anträge sind in der Sitzung des Plenums vom 30. September an den Beamtenrechtsausschuß, an den Finanzausschuß und an den federführenden Ausschuß für Heimatvertriebene überwiesen worden. Der Beamtenausschuß hat grundsätzlich zugestimmt. Der Finanzausschuß hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß diese Sache nicht im Verordnungswege, sondern durch Gesetz zu regeln sei. Der Ausschuß für Heimatvertriebene hat sich eingehend mit der Frage beschäftigt und mit großer Mehrheit den Beschluß gefaßt, der Ihnen in der Drucksache Nr. 210 vorliegt. Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, entsprechend den Anträgen Nr. 20 und 29 Ziffer 3 und 5 durch eine Rechtsverordnung gemäß Artikel 119 des Grundgesetzes, vorbehaltlich einer endgültigen gesetzlichen Regelung gemäß Artikel 131 des Grundgesetzes, die Gleichstellung der ruhegehaltsberechtigten heimatvertriebenen Beamten, Angestellten und Lohnempfänger mit den einheimischen Versorgungsberechtigten mit sofortiger Wirkung herbeizuführen und die Auszahlung der gesetzlichen Wartegelder an die nichtbeschäftigten und nichtruhegehaltsberechtigten Heimatvertriebenen Beamten anzuordnen.
Die Mehrkosten sind vom Bund zu über- nehmen.
Der Ausschuß hat sich also nicht der Ansicht des Finanzausschusses angeschlossen.
Meine Damen und Herren! Im Artikel 131 des Grundgesetzes ist bestimmt, daß die Angelegenheiten derjenigen Beamten, die nach dem 8. Mai 1945 nicht zum Zuge gekommen sind, einschließlich der Flüchtlinge, durch Bundesgesetz geregelt werden. Im Artikel 119 heißt es, daß in Angelegenheiten der Flüchtlinge die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats eine Verordnung bis zur bundesgesetzlichen Regelung erlassen kann. Der Artikel 119 sieht also gerade vor, daß die betreffende Materie einmal bundesgesetzlich geregelt
wird. Deshalb kann man doch nicht sagen, daß X da irgendein Widerspruch mit dem Artikel 119 besteht, wenn im Artikel 131 eine bundesgesetzliche Regelung vorgeschrieben ist. Das ist allgemein in unserem Ausschuß anerkannt worden, und keine andere Auffassung kann mit den Gesetzen der Logik in Einklang gebracht werden. Die Fassung des Beschlusses trägt diesen Bedenken auch noch besonders Rechnung, indem es „bis zu einer bundesgesetzlichen Regelung" heißt.
Der Ausschuß war der Ansicht, daß eine Verordnung angebracht und notwendig ist. Es handelt sich um ein Problem, das die deutsche Öffentlichkeit seit Jahren beschäftigt. Immer dringender werden die Hilferufe, die uns täglich dieserhalb erreichen. Bei der Regierungsdebatte habe ich schon darauf hingewiesen, daß der Zonenbeirat bereits im Januar 1948 mit Zustimmung aller Parteien die Beseitigung dieses Unrechts gefordert hat. Auch auf der bizonalen Ebene ist diese Frage immer wieder behandelt worden. Herr Oberdirektor Pünder hat am 12. November 1948 erklärt, daß sie demnächst entschieden werden würde. Es lag damals bereits der dritte Referentenentwurf vor. Deshalb war der Ausschuß der Meinung, daß die Sache nicht weiter hinausgeschoben werden könnte.
Ich kann besonders gegenüber den Herren, die Bedenken haben, darauf hinweisen, daß auch der Sprecher des Bundesflüchtlingsministeriums und damit der Bundesregierung keinerlei Bedenken gegen unseren Beschluß hatte, sondern sich mit Nachdruck auf den Boden unseres Beschlusses gestellt hat. Er hat insbesondere hervorgehoben, daß bei allen unmittelbaren und mittelbaren Reichsbeamten ein Rechtsanspruch besteht, der sich gegen den Bund als Rechtsnachfolger des Deut- p schen Reichs richtet.
Meine Damen und Herren! Eine beschleunigte Behandlung dieser Angelegenheit war auch deshalb unbedingt erforderlich, weil wir einen unerträglichen Wirrwarr auf diesem Gebiet haben. Die Beamten des Bundesgebiets, der Post und der Reichsbahn und sämtliche Pensionäre in Nordrhein-Westfalen bekommen die volle Pension. Es ist untragbar, daß es rein von Zufälligkeiten abhängig ist, ob ein ostverdrängter Beamter die Pension oder das Wartegeld bekommt oder nicht. Dem muß ein schleuniges Ende bereitet werden.
Wenn hier vielleicht eingewendet wird, daß eine bevorzugte Behandlung der Heimatvertriebenen Platz greifen soll, soll man sich auch mal überlegen: Zu wessen Gunsten wird diese Maßnahme getroffen? Zugunsten von Leuten, die außer ihrem letzten Stuhl auch ihren letzten Sparpfennig und die Heimat verloren haben.
({11})
Da scheint es doch wohl einmal angebracht, jetzt nach 41/2 Jahren zu irgendeinem Ergebnis zu kommen.
Hinsichtlich des Personenkreises haben wir uns darauf beschränkt, diese Rechte zu fordern für die heimatverdrängten Beamten und Ruhestandsbeamten, wobei wir selbstverständlich einen Unterschied zwischen Ost- und Westflüchtlingen nicht gemacht haben. Der Ausschuß war aber einmütig der Auffassung, daß auch die Beamten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften, soweit es sich nicht um Gebietskörperschaften handelt, mit einbezogen werden müßten. Der Ausschuß war auch der Meinung, daß die Beamten, die aus den Gebieten kommen, welche vor 1938 nicht zum Deut636 Deutscher Bundestag - 20. und
({12})
sehen Reich gehört haben und bei denen es zweifelhaft ist, ob ein Rechtsanspruch auf die eine oder andere Weise begründet werden kann, nicht ausgenommen werden sollen aus Gründen sozialer Gerechtigkeit sowohl als auch unter dem Gesichtswinkel der Eingliederung in das Volksganze.
({13})
Eine Lösung der finanziellen Frage vorzunehmen, war nicht Aufgabe des Ausschusses. Wir beschließen ja, wie ich schon einmal sagte, kein Gesetz und auch keine Verordnung; wir beschließen also auch keine Ausgabe. Wer also von uns fordert, daß wir bis auf den letzten Pfennig aufzeigen, woher das Geld kommt, der verkennt den Inhalt unseres Antrags und verkennt auch die Aufgabe des Ausschusses.
Im übrigen sind wir der Meinung, daß diese Regelung bei den anderen Beamten genau so und auf demselben Wege möglich sein sollte und müßte, wie sie es bei den Beamten der Bahn und der Post und in Nordrhein-Westfalen gewesen ist.
Von der Regierung erwarten wir, daß sie getreu ihrem Versprechen in der Regierungserklärung nunmehr beschleunigt die erforderlichen Maßnahmen ergreift, und der Ausschuß würde es dankbar begrüßen, wenn, wie es in anderen Fällen auch geschehen ist, die Regierung ihm ihre Vorlage zur gutachtlichen Äußerung zuleiten würde. Das Hohe Haus bitte ich, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen.
({14})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte das Hohe Haus nicht weiter aufhalten. Es gibt wohl in keiner Fraktion Kräfte, die nicht mit ganzem Willen das Anliegen des Ausschusses unterstützen wollten. Der Fragenkomplex, der von dem Herrn Abgeordneten Kather dargelegt worden ist, muß so bald wie möglich geregelt werden; die Regierung hat es außerdem auch versprochen. Ich wende mich aber gegen ein Verfahren, das rechtlich nicht möglich ist und, da es nicht möglich ist, die ganze Angelegenheit wiederum verzögern würde. Artikel 119 des Grundgesetzes, der die Möglichkeit einer Rechtsverordnung bietet, ist auf diesen Tatbestand nicht anzuwenden, da dieser Tatbestand in Artikel 131 des Grundgesetzes im Sinne einer besonderen Regelung bereits geregelt ist, und zwar unter Einbeziehung auch des Personenkreises, um den es sich bei dem Vorschlag des Ausschusses handelt. Ich habe mich gegen den Antrag des Ausschusses lediglich aus diesen rechtlichen Gründen wenden müssen, weil ich befürchte, daß, wenn man das nachher sieht und danach handeln muß, eine weitere Verzögerung des gesamten Problems verursacht wird.
Ich wende mich ferner gegen jeglichen Versuch, dieses unerhört ernste Problem durch optische Anträge zu komplizieren, die die Menschen und insbesondere die Leidtragenden erregen müssen, die nun schon Jahre hindurch auf Gerechtigkeit warten. Es geht nicht an, daß man diesen Menschen etwas vormacht, was nachher nicht zu erfüllen ist. Wir müssen diese Frage einmal wirklich gründlich im Rahmen des Artikels 131 anfassen. Das hat die Regierung versprochen; danach ist auch zu handeln. Ich habe die größten Bedenken, ein Verfahren zu wählen, das nach den für uns geltenden
Bestimmungen der Verfassung leider nicht möglich ist. Wenn es möglich wäre, Herr Abgeordneter Kather, - ich glaube, wir wären alle glücklich, auf so klare und einfache Weise zum Ziele kommen zu können. Gegen das Gesetz zu handeln, ist aber nicht möglich.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Namens der kommunistischen Fraktion habe ich zu der vorliegenden Drucksache, die den Bericht des zuständigen Ausschusses darstellt, folgendes zu erklären:
Die kommunistische Fraktion ist der Auffassung, daß die Flüchtlinge, deren Dienststellen infolge der Kriegsauswirkungen weggefallen sind, wenn Pensionsberechtigung und Beamteneigenschaft feststehen, einen Anspruch auf Pension bzw. Wartegeld haben, der erfüllt werden muß. Im Bericht steht aber - und davon hat der Herr Berichterstatter leider nichts erwähnt -, daß dieser selbe Anspruch auch den Angestellten und Lohnempfängern eingeräumt werden soll, daß sie mit sofortiger Wirkung den einheimischen Versorgungsberechtigten gleichgestellt werden sollen. Was heißt das? Wir Kommunisten sind der Auffassung, daß die Ansprüche der Arbeiter und Angestellten etwa aus der Sozialversicherung bei Wegfall des Sozialversicherungsträgers oder die Ansprüche des Arbeiters etwa aus Werkpensionskassen im Fall des Nichtmehrbestehens dieser Werkpensionskassen hier im Westen aus Mitteln des Bundes erfüllt werden sollen.
Aber nun, meine Damen und Herren, etwas zu dem sehr, sehr eigenartigen Ablauf und der Behandlung dieses Tagesordnungspunktes! Das, was ich jetzt zu sagen habe, ist für junge, noch besserungsfähige Parlamentarier geradezu ein Schulungsunterricht.
({0}) - Ich maße mir nicht an, ein Lehrer zu sein; aber ich maße mir an, bei Gelegenheit gewisse Praktiken aufzuzeigen.. Ich knüpfe dabei an die Worte des Herrn Dr. von Merkatz an, der hier gesagt hat, man solle es vermeiden.
({1}) Anträge von optischen Aspekten aus zu stellen. Was ist los? Was ist ]os?
({2})
Hat hier die CDU/CSU sich auf einmal eisern bemüht, ein Versprechen aus ihrem Wahlprogramm durchzusetzen?
(Abg. Rümmele: Wir sind gar nicht so schlimm!
Nee, nee, denkste - sagt der Berliner -, das liegt nicht vor, das liegt nicht vor.
({3})
Es liegt aber folgendes vor: Die CDU/CSU will - das hat sie ausgesprochen - die Behandlung dieses Berichts in der Gewißheit durchsetzen, daß die Regierung nach Annahme des Antrags erklären wird, daß er nicht realisierbar ist,
({4}) weil der Artikel 119 so nicht auslegbar sei. - Wie meinen Sie? Ich sei ein Hellseher?
({5})
- Nein, ich bin kein Hellseher und bin kein
Prophet, sondern ich wiederhole nur, was in der
Deutscher Bundestag - 20. und
({6})
Diskussion der letzten Sitzung des Ältestenrats gesagt worden ist.
({7})
Ich rufe nur die Herren Mitglieder der CDU/CSU - Herr Kollege Bausch lacht so zustimmend - als Kronzeugen für die Richtigkeit meiner Ausführungen auf. Darum geht es also! Es kam den Herren darauf an, hier eine optische Wirkung zu erzeugen; sie haben es aus spekulativen Erwägungen heraus durchgesetzt, daß über diesen Antrag, über diesen Bericht hier abgestimmt werden soll, und zwar in der Gewißheit, daß der „Vater des Vaterlandes"
({8})
hinterher erklärt: Ich bin nicht in der Lage, den Artikel 119 des Grundgesetzes so auszulegen, wie es mir durch den Beschluß der Mehrheit des Bundestags zugemutet wird. Wir haben also ganz nüchtern festzustellen, daß wir hier ein Manöver optischer Art vor uns haben.
({9})
Der Herr Kollege Merkatz hat die Katze halb aus dem Sack gelassen. Ich lasse sie ganz heraus. ({10})
Ich lasse sie ganz heraus, wie es meine Pflicht und meine Art ist.
An die Adresse der Flüchtlinge möchte ich aber ein letztes Wort sagen.
({11})
- Ja, ich bin der richtige Mann dafür, weil ich aus ihrer Not keine Propaganda mache, sondern mich bemühe, ihrer Not abzuhelfen, für die so mancher mit verantwortlich ist,
({12})
der hier im Saal in Ihren Reihen sitzt
({13})
und der als Wehrwirtschaftsführer oder als Financier Hitlers diesen Krieg mit zu verantworten hat
({14})
und nun hier für das Volk Wahlpropaganda gemacht hat. Wir machen aus der Not der Flüchtlinge keine Propaganda, sondern wir versuchen ihre Not abzustellen.
({15})
Das ist der kleine, aber entscheidende Unterschied!
({16})
Wir bitten Sie, mit der Methode der Propaganda endlich Schluß zu machen, den Notleidenden statt leerer Worte endlich Hilfe zu gewähren
({17})
und davon Abstand zu nehmen, die Methode des Wahlkampfes fortzusetzen. Hic Rhodus, hic salta! Nur so können Sie bestehen, und nur so kann man den Flüchtlingen helfen.
({18})
Das ist es, was hinter Ihrer heutigen Taktik steht. Und nun haben Sie ja das Wort, nun sollen mich die Kollegen Ihrer Fraktion, die im Ältestenrat sitzen, einmal desavouieren!
({19})
Vizepräsiden Dr. Schäfer: Das Wort hat der Herr Abgeordnete Matzner.
Meine Damen und Herren! Ich bin kein Jurist. Trotzdem wage ich es, die Richtigkeit der Ausführungen des Herrn Dr. von Merkatz anzuzweifeln. Er hat zwar recht damit, daß nach Artikel 131 neben den anderen Beamten, die nach dem 8. Mai um ihre Stellung gekommen sind, auch die Flüchtlinge, die Beamte sind, berücksichtigt werden. Das ist offenbar deswegen geschehen, weil man auch in diesem Zusammenhang nicht vergessen wollte zu sagen, daß dieser Personenkreis mit einzubeziehen ist. Bei Artikel 119 handelt es sich offenbar um eine Bestimmung, die das Eingreifen ermöglichen soll, wenn es gilt, Notmaßnahmen zu treffen. Ich glaube also, daß hier eine Möglichkeit dazu gegeben ist. Aber wahrscheinlich wird das die Juristen noch viel Schweiß kosten, wenn ich diese Frage nach den Verhältnissen beurteile, wie ich sie bis jetzt in diesem Hause kennengelernt habe. Es wird viele Diskussionen geben, und inzwischen wird noch viel Wasser den Rhein hinunterfließen.
Trotzdem möchte ich Sie bitten, den Gedanken
zu erwägen, daß es sich bei Artikel 119 um eine
Bestimmung handelt, die im Augenblick die Möglichkeit einer Abhilfe bietet. Und da Hilfe in diesem Augenblick notwendig ist, kommt es nicht so sehr auf die Frage an, ob diese Hilfe nur einem Teil der heimatvertriebenen Menschen zugute kommt, sondern es geht - und damit möchte ich die Stellungnahme meiner Fraktion kennzeichnen - um folgendes.
Der zur Beratung stehende Antrag, dem Sie Ihre Zustimmung geben sollen, gehört unstreitig zu jenen Anträgen, die an Stelle von Worten Taten setzen wollen. Dieser Absicht entspricht es, daß ich nicht vorhabe, hier eine große Rede über das trübe Los der Heimatvertriebenen zu halten und so die Zahl der Reden um eine neue zu vermehren. Ich sehe meine Aufgabe nur darin, im Namen der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei mit wenigen Sätzen einige grundsätzliche Dinge auszusprechen, die unsere Zustimmung zu dem vorliegenden Antrag begründen und erläutern.
In unserem Antrag Drucksache Nr. 77, der leider in diesem Zusammenhang nicht mit erwähnt wurde, fordern wir unter Buchstabe b) die Bundesregierung auf, „mit größter Beschleunigung Gesetzentwürfe und Verordnungen vorzulegen, welche die praktische Gleichberechtigung der Heimatvertriebenen hinsichtlich der Staatsbürgerschaft, des Pensionswesens, der Sozial- und Kriegsbeschädigtenrenten sowie der Sparkonten herstellen." Daraus geht eindeutig hervor, daß wir in dem heute vorliegenden Antrag nur einen ersten Schritt in der Richtung einer vollständigen Gleichberechtigung aller Heimatvertriebenen sehen, einer Gleichberechtigung, für die wir eintreten und für die zu kämpfen wir bereit sind.
In diesem Zusammenhang sei es mir nur noch gestattet festzustellen, daß meine Parteifreunde sich schon im Wirtschaftsrat darum bemühten und damit auch Erfolg hatten. Auf Grund dieser Initiative wurde für die heimatvertriebenen Pensionisten der Bahn und der Post, für die der Wirtschaftsrat ja zuständig war, die Gleichstellung ab 1. 4. 1949 gefordert und mit Wirkung vom 1. 7. 1949 durchgesetzt. Leider ist die Aufforderung an den Verwaltungsrat, sofort mit den Ländern Fühlung zu nehmen, um die Gleichstellung auch bei allen übrigen heimatvertriebenen Pensionisten
638 Deutscher Bundestag - 20. und
({0})
durchzusetzen, bis heute ohne Erfolg geblieben, wenn ich von dem vorbildlichen Nordrhein-Westfalen absehe. In einer Reihe von Ländern dagegen sind trotz verpflichtender Flüchtlingsgesetze die noch arbeitsfähigen vertriebenen Beamten und Angestellten in vollständig ungenügender Weise eingebaut worden. Im Hinblick auf das jahrelange soziale Elend dieser Kreise ist die Forderung nach Wartegeld voll berechtigt. Niemand wird leugnen, daß es hierbei um die vordringlichste Behebung eines sozialen Notstandes geht. Doch ebenso sehr geht es um die endliche Wiedergutmachung verletzter Rechte, um die Realisierung der praktischen Gleichstellung eines zahlenmäßig -bedeutenden Teiles unseres Volkes. Recht ist und bleibt unteilbar. Dem Rufe nach der Gleichberechtigung in der internationalen Politik muß die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit und Gleichberechtigung im eigenen Lande und Volke vorangehen. Das ist, wie schon einmal in diesem Hause gesagt wurde, ein Prüfstein für die Bereitschaft dieses Hauses und besonders der Regierung der Bundesrepublik Deutschland.
Zum Schluß aber sei gesagt, daß wir neben der materiellen die psychologische Wirkung nicht verkennen dürfen. Im selben Maß, in dem den Heimatvertriebenen aller Schichten, besonders aber den Sozialbedrängten unter ihnen wieder zu ihrem Rechte verholfen wird, wird der verlorene Glaube an die wahre Solidarität wieder hergestellt. Ohne diesen Glauben gibt es keinen Frieden in Deutschland, gibt es keinen Frieden in der Welt.
Vielleicht darf ich noch auf folgendes hinweisen. Wenn ich es auch bedauere, daß zu dieser sehr wichtigen Frage bis jetzt weder ein Ver- treter des Flüchtlingsministeriums noch der Herr Flüchtlingsminister selbst noch der Herr Finanzminister noch der Herr Justizminister Stellung genommen haben, muß ich doch noch einmal darauf hinweisen, daß wir es durchaus für möglich und vertretbar halten, das ungleiche Recht, das in Deutschland derzeit noch besteht, daß diese Leute seit mehr als drei Jahren trotz derselben Vorbildung, trotz der gleichen Leistung und trotz der gleichen Dienstjahre nur einen Teil ihrer normalen Bezüge bekommen, aus der Welt zu schaffen, wenn sie im selben Ort mit einem einheimischen Beamten wohnen. Das muß eindeutig festgestellt werden. Ebenso eindeutig muß ich erklären, daß es durchaus möglich ist, bis zur gesetzlichen Regelung, die wir ebenso herbeiwünschen wie die Herren Juristen, eine Regelung zu finden, die diesem sozialen Notstand ein Ende macht. Der Artikel 119 des Grundgesetzes ist durchaus anwendbar; denn sonst wäre er nicht geschaffen worden. Um des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit willen ersuchen wir die Regierung, mit größter Beschleunigung den Antrag und den Beschluß, dem ich im Namen meiner Fraktion selbstverständlich die Zustimmung gebe, der Verwirklichung zuzuführen.
({1})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Besold.
Meine Damen und Herren! Ich habe zunächst im Auftrage meiner Fraktion eine Feststellung zu treffen. Es ist zweifellos ein Antrag zur Debatte gestellt worden, der von größter Wichtigkeit ist. Meine Fraktion bedauert es daher, daß bei einem Gegenstand von solcher Bedeutung der Sitzungssaal und insbesondere die Sitze der Regierungskoalition so leer sind. Wir bedauern das auch deshalb, weil gestern in der Ältestenratssitzung vereinbart worden ist, daß die heutige Tagesordnung zur Durchführung kommen soll. Wir sehen in der Tatsache der leeren Plätze eine Mißachtung dieser Verabredung.
({0})
Nun möchte ich zur Sache selbst sprechen. Ich habe seinerzeit in dem zuständigen Ausschuß als einziger dagegen gestimmt, daß dieser Antrag im Wege einer Rechtsverordnung zur Erledigung kommt. Ich habe dabei aber erklärt und wiederhole das hier, daß diese Angelegenheit von größter Dringlichkeit ist, weil es sich um eine Flüchtlingsangelegenheit handelt, die schon längst zur Debatte steht.
({1})
Ich habe auch juristische Bedenken gehabt, und zwar die Bedenken, die schon von dem Herrn Abgeordneten Dr. von Merkatz zum Ausdruck gebracht worden sind. Ich habe aber noch weitere Bedenken, die mir schwerwiegender erscheinen. Ich muß feststellen, daß ich den Bericht, der über diese Angelegenheit hier gegeben wurde, nicht für vollständig halte. Es wurde nicht berichtet, daß Regierungsvertreter in dieser Sitzung bei der Behandlung der Sache klar und deutlich zu erkennen gegeben haben, welche Schwierigkeiten vorhanden sind, um nun sofort irgendeine Regelung treffen und auf dem beschleunigten Wege der Rechtsverordnung etwas tun zu können. Es ist festgestellt worden, daß noch nicht einmal der Personenkreis, der von der Verordnung oder von dem Gesetz erfaßt werden soll, bekannt ist, daß man durchgreifende Erhebungen angestellt hat und daß eine besondere Statistik erst aufgestellt werden muß, um sich die Unterlagen und einen Überblick verschaffen und den Tatbestand rechtlich erfassen zu können.
Darüber hinaus wurde geltend gemacht, daß in gleicher Sache zurzeit bereits an einer Gesetzesvorlage gearbeitet wird. Außerdem wurde darauf hingewiesen, daß die finanzielle Deckung zur Zeit auf Grund der besonderen Umstände nicht gegeben ist, da ja der Bund bis zum 1. April 1950 über Mittel nicht verfügt und die Länder dafür nicht leistungsfähig sind. Der ganze Fragenkomplex - ich gebe zu, daß er sehr dringend ist - kann also nicht überstürzt werden. Wenn schon während der Zeit der bizonalen Wirtschaft auch diese Fragen eine Rolle gespielt haben und wenn zu dieser Zeit die notwendigen Erhebungen, die jetzt erst gemacht werden, nicht gemacht worden sind, so trifft nicht uns die Verantwortung dafür.
({2})
Wir dürfen uns aber dadurch nicht verleiten lassen, jetzt durch den beschleunigten Weg der Rechtsverordnung eine Sache von so schwerwiegender Bedeutung zu überhudeln. Es gibt vielmehr nur die Möglichkeit einer Regelung auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung, um diejenigen, die davon betroffen sind, nicht nachträglich durch Maßnahmen zu enttäuschen, die ohne die entsprechende Sachaufklärung vielleicht falsch durch eine Rechtsverordnung getroffen werden würden. Es gibt keine andere Möglichkeit. Der Berichterstatter hätte auch erwähnen müssen, was die RegierungsDeutscher Bundestag - 20. und
({3})
vertreter in diesem Betracht in den Sitzungen gesagt haben, um die Schwierigkeiten berücksichtigen zu können.
Deshalb stehen wir auf dem Standpunkt, daß eine so schwerwiegende, weitgreifende und insbesondere so hochbedeutsame Frage nicht durch eine Rechtsverordnung vielleicht schlecht und vielleicht auf falschem Wege gelöst werden kann, sondern daß die Arbeiten für eine Gesetzesvorlage, die nunmehr bereits begonnen haben, beschleunigt zu Ende geführt werden müssen, und daß der gesamte Komplex durch eine Gesetzesvorlage geregelt werden muß, wobei dann das gesamte Haus zu diesen schwerwiegenden Problemen auch Stellung nehmen kann.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
({0})
Ist die Privatdiskussion zwischen den verschiedenen Herren zu Ende? - Dann darf ich anfangen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich vor allem mit den juristischen Ausführungen des von mir hochverehrten Herrn Dr. von Merkatz zu befassen. Herr Dr. von Merkatz hat gesagt, er stimme in der Sache vollkommen mit dem überein, was weiteste Schichten der Bevölkerung und namentlich alle Heimatvertriebenen wünschen; er sehe aber aus juristischen Gründen keine Möglichkeit, sich für den Antrag des Heimatvertriebenen-Ausschusses einzusetzen. Herr Dr. von Merkatz hat erklärt, der Artikel 131 des Grundgesetzes sei die lex specialis, also das Spezialgesetz, gegenüber dem Artikel 119. Nun zur Aufklärung für die Nichtjuristen: Das Spezialgesetz geht dem allgemeinen Gesetz vor und macht das allgemeine Gesetz für diesen Fall in seiner Anwendbarkeit illusorisch. Herr Dr. von Merkatz, der Artikel 131 ist keine lex specialis gegenüber dem Artikel 119. Lesen Sie bitte mit mir genau den Text! Der Artikel 131 umfaßt einen Personenkreis, der ganz anders zugeschnitten ist als der des Artikels 119. Schon aus diesem Grunde, Herr Dr. von Merkatz, ist es unmöglich, zu sagen, der Artikel 131 sei die lex specialis gegenüber dem Artikel 119, und lex specialis derogat legi generali. Das ist unmöglich. Lesen Sie bitte den Artikel 131! Er umfaßt auch noch ganz andere Kreise als die Flüchtlinge, er umfaßt Personen aller Art einschließlich der Flüchtlinge, während der Artikel 119 sich allgemein nur mit den Flüchtlingen und Vertriebenen befaßt. Das ist für jeden Juristen - und ich frage hier die Juristen, sie werden mir zustimmen - an sich schon das Warnungszeichen, zwei Artikel zueinander in Verbindung zu setzen und zu sagen, der eine sei die lex specialis und der andere sei die lex generalis. So etwas ist ein Warnungszeichen für jeden Juristen.
Untersuchen Sie den Wortlaut bitte noch weiter! Was will denn der Artikel 131 gegenüber dem Artikel 119? Artikel 131 sagt: „Die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen . . . sind durch Bundesgesetz zu regeln." Was interpretieren Sie da hinein? Der Artikel 131 bedeutet nichts anderes als eine Anweisung der Verfassung an den Gesetzgeber, alsbald ein Bundesgesetz zu schaffen, das die Rechtsverhältnisse aller möglichen Personenkreise, darunter auch von Flüchtlingen, die im öffentlichen Dienst standen, regelt; weiter gar nichts. Das ist eine Anweisung des Verfassungsgebers an die Regierung, ein solches Gesetz vorzulegen. Demgegenüber sagt der Artikel 119 ganz klar: Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem ein solches Gesetz, nämlich eine bundesgesetzliche Regelung über alle Probleme kommt, die Flüchtlinge betreffen - darunter selbstverständlich auch über diese finanziellen Probleme -, kann die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. Ich kann also als Jurist weiß Gott nicht sehen, wie hier der Artikel 131 dem klaren Wortlaut des Artikels 119 entgegenstehen sollte.
In einem Punkt bin ich allerdings vielleicht mit Ihnen einig, Herr Dr. von Merkatz. Es wäre besser gewesen, wenn man den Antrag des Ausschusses juristisch etwas anders formuliert, Druck man die Regierung nun möglichst unte,. Druck gesetzt hätte, daß sie nicht bloß eine vorläufige Regelung durchführt, sondern daß sie in kürzester Frist, unverzüglich, bereits mit einem Gesetz herausrückt. Zeit dazu wäre auch schon vorhanden gewesen. Die Regierung hat immerhin schon einige Monate Zeit gehabt.
Nachdem der Antrag des Ausschusses aber nun einmal so vorliegt, können wir, wenn wir ihn juristisch untersuchen, nur eines feststellen: Dieser Antrag geht juristisch in Ordnung und kann keineswegs durch den Artikel 131 der Verfassung totgeschlagen werden. Das zur juristischen Seite.
Zum Tatsächlichen möchte ich nicht lange Ausführungen machen, weil ich überzeugt bin, daß neun Zehntel unseres Volkes mit den armen Heimatvertriebenen mitfühlen und nach dem Grundsatz verfahren wollen: Jeder Deutsche hat gleiches Recht, gleichgültig, ob es der heimatvertriebene Ruhegehaltsempfänger beziehungsweise Beamte, ob es der Flüchtling im allgemeinen oder ob es der Einheimische ist. Ich möchte nur zu einem Satz, der in materieller Hinsicht geprägt wurde, Stellung nehmen, nämlich zu dem Satz meines Vorredners, des Herrn Besold von der Bayernpartei. Er hat gesagt: „Nur nicht überhudeln!" Herr Kollege Besold, wenn man die Not unserer Heimatvertriebenen ansieht, dann kann man nicht mehr sagen: „Nur nicht überhudeln",
({0})
dann kann man nur noch sagen: Höchste Eile ist geboten, bevor die Leute verhungern, damit es nicht so geht wie in dem schönen bayerischen Gedichterl - Sie sind doch Vertreter der Bayernpartei, darf ich Ihnen das in Erinnerung bringen -, das heißt:
Als der Schimmel tot is gwen,
Habn's ihm an Schippel Heu neigebn.
({1})
Wegen der Notzeit ist der Schimmel tot. Als der Schimmel, der Gaul schon vor Hunger gestorben war, da haben die Weilheimer - das ist eine Schildbürgerstadt irgendwo, man schreibt das einem anderen Ort zu, es ist nicht in Weilheim passiert; es ist ein allgemeiner Ausdruck - dem toten Schimmel noch einen Schippel Heu in den Futtertrog hineingegeben, damit niemand, der da vorbeigeht und den vor Hunger verendeten Gaul sieht, sagen könnte, der. Gaul sei an Hunger ge640 Deutscher Bundestag - 20. und
({2})
storben; was sich auf die Herren Schildbürger prestigegemäß natürlich sehr übel ausgewirkt hätte.
({3})
So sage ich Ihnen, Herr Kollege Besold: wenn Sie hier sagen: „Nur nicht überhudeln", so ist das ein Schlag ins Gesicht für die Heimatvertriebenen, aber auch für uns Einheimische, die wir uns solidarisch fühlen mit der Not unserer deutschen Mitbürger, ganz egal, woher sie stammen, ob aus Schlesien oder aus Bayern, ob aus dem Rheinland oder aus Pommern. Denn alle sind deutsche Brüder, die nach unserer Verfassung gleiche Pflichten, aber auch gleiche Rechte haben.
Demgemäß wird die WAV für diesen Beschluß des Ausschusses stimmen. Und ich bitte Sie nochmals: Lassen Sie sich keineswegs irgendwie sagen, juristische Bedenken würden die Annahme dieses Antrags, den Sie wohl alle menschlich unterstützen wollen - von irgendwelchen Ausnahmen vielleicht abgesehen -, unmöglich machen! Das stimmt nicht. Es gibt keinen juristischen Gegengrund, der die Annahme des Ausschußantrags irgenwie illusorisch machen würde. Artikel 131 ist nicht lex specialis im Verhältnis zu Artikel 119. Wir können den Antrag, wie der Ausschuß ihn uns vorgelegt hat, ohne weiteres annehmen. Wir von der WAV werden es tun und bitten Sie, es in möglichst großer Zahl ebenfalls zu tun.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Frommhold.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich bin dem Herrn Kollegen Dr. Loritz sehr dankbar dafür, daß er die juristische Seite der Angelegenheit vorweg geklärt hat. Ich möchte hier nicht irgendwelche juristische Erklärungen abgeben, sondern möchte lediglich von der menschlichen Seite dieses Problem ganz kurz behandeln. Bei aller Hochachtung vor den juristischen Bedenken des Herrn Kollegen Dr. von Merkatz geht es doch wohl nicht an, daß man angesichts der unsagbaren Not und angesichts vor allem der Tatsache, daß man seit über drei Jahren einen vollkommenen Rechtsbruch, wenn auch vielleicht nur stillschweigend, gutgeheißen hat, heute noch mit juristischen Bedenken, an diese Frage herangeht. Wenn von einem anderen Kollegen ausgeführt wurde, es fehlten die Unterlagen, um überhaupt einen Überblick zu bekommen, um welche Personenkreise es sich handeln könnte, dann kann auch hier nur der Vorwurf erhoben werden, daß man in dreieinhalb Jahren wohl Zeit gehabt hätte, diese Unterlagen beizubringen.
({0})
Es ist schon einmal so, der Wirtschaftsrat hat
gerade uns Ostvertriebene bis ins tiefste enttäuscht. Wir haben drei Jahre und länger auf
Maßnahmen gewartet, die einmal an den Kern
des Problems herangehen würden. Diese Zeit ist
vorüber. Wir haben nun eine deutsche Bundesregierung, wir haben den Deutschen Bundestag.
Keiner der Ostvertriebenen macht den Bundestag, dieses Hohe Haus, für die Not und das Elend
verantwortlich, in denen heute noch diese Millionen ostvertriebener Menschen leben müssen.
Aber vergessen wir eins nicht. Wenn von diesem
Hohen Haus nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, die uns zur Verfügung stehen, um dieser Not und diesem Elend zu steuern, dann ist die Zeit nicht fern, in der man dieses Hohe Haus wohl verantwortlich machen wird. Es ist bedauerlich, daß diese Regelung, die eigentlich die erste Gelegenheit für die Bundesregierung ist, einem freilich beschränkten Kreis der Ostvertriebenen, aber einem Kreis, der durch Gesetz, durch altverbürgtes Recht einen Anspruch auf Leistungen hat, eine tatkräftige Hilfe zu leisten, so lange diskutiert wird und so lange hat auf sich warten lassen. Über drei Jahre, wie gesagt, hat der Wirtschaftsrat Zeit gehabt. Wir möchten hoffen und wünschen, daß dieses Hohe Haus durch die Annahme des Antrags des Ausschusses beweist, daß es ihm ernst ist mit der Behandlung des ganzen Problems und daß es nicht gewillt ist, die Verschleppungstaktik, die wir Ostvertriebene nun einmal dem Wirtschaftsrat vorwerfen müssen, länger mitzumachen.
Aus diesem Grunde bitte ich, dem Antrag des Ausschusses voll und ganz und vorbehaltlos zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ehren.
Meine Damen und Herren! In Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit nur ein paar Sätze.
Ich kann mich den Ausführungen oder den Schlußfolgerungen des Herrn Dr. von Merkatz ebenfalls nicht anschließen. Es geht doch darum, ein Unrecht wiedergutzumachen.
({0})
Wir haben nichts anderes zu tun, als den Zustand nun herzustellen, der in Nordrhein-Westfalen bereits vorhanden ist. Die Ostvertriebenen sind Deutsche, und sie haben das gleiche Recht wie alle übrigen deutschen Staatsbürger.
({1})
Sie haben also auch das Recht, daß man ihnen ihre Pensionen zahlt, wie sie allen übrigen Deutschen, soweit sie Anspruch darauf haben, auch gezahlt werden.
({2})
Und nun, meine Damen und Herren, ein paar Sätze zu den Ausführungen des Herrn Renner. Wir verwahren uns auf das allerentschiedenste gegen die Unterstellung, daß wir den Antrag in der Hoffnung gestellt hätten, daß die Regierung nein sagen würde.
({3})
Herr Renner, es gibt ein altes Sprichwort, das heißt: Man sucht keinen hinter der Hecke, wenn man nicht selber dahinter gelegen hat.
({4})
Und nun will ich Ihnen, meine Herren von der KPD, noch mehr sagen. Im Namen von Millionen von Ostvertriebenen sage ich Ihnen, daß Ihre Partei das Recht verwirkt hat, im Namen der Ostvertriebenen zu sprechen.
({5})
Ihre Partei hat der Oder-Neiße-Linie zugestimmt,
({6})
ehe überhaupt ein Friedensvertrag eine solche Grenze staatsrechtlich festgelegt hat.
({7})
Deutscher Bundestag - 20. und
({8})
Ich sage Ihnen: Wenn in Rußland ein Russe das tun würde, was Sie als Deutscher getan haben, dann würde er als Landesverräter an den Galgen gebracht werden.
({9})
Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
({0})
Meine Damen und Herren! Das Zentrum hat den Antrag Drucksache Nr. 20 bereits am 20. September 1949 eingebracht. Es wäre also Zeit genug gewesen, sowohl eine Rechtsverordnung als auch ein Gesetz auszuarbeiten und es dem Hohen Hause vorzulegen. Wenn wir unsern Antrag auf Artikel 119 gestützt haben, so deshalb, weil wir bei natürlicher Auslegung des Grundgesetzes Artikel 119 und Artikel 131 doch nur in dem Verhältnis von einstweiliger Verfügung, einstweiliger Regelung und Entscheidung zur Hauptsache sehen können. Jede andere Auslegung tut meiner Ansicht nach diesen beiden Bestimmungen Gewalt an. Aber, Heine Heine Damen und Herren, wir wollen doch nicht über juristische Zwirnsfäden stolpern. Ich habe den Eventualantrag, und zwar als Ergänzung zu dem Antrag des Ausschusses, zu stellen, gegebenenfalls eine Gesetzesvorlage, die den vorstehenden Forderungen entspricht, unverzüglich vorzulegen. Denn wenn die Bundesregierung sich auf den Standpunkt stellt, die vom Ausschuß vorgeschlagene Regelung bedürfe einer Gesetzesvorlage, und wenn die Regierung Rechtsgutachten anfordert, dann dauert auch der Erlaß einer Rechtsverordnung länger als eine sofort einzubringende Gesetzesvorlage.
({0})
Wir haben nichts dabei verdient, wenn die bisherige Verzögerungstaktik, die sich aus der Behandlung unseres Antrags zeigt, weiter durchgesetzt wird.
Wir stellen daher den Eventualantrag, gegebenenfalls eine Gesetzesvorlage, die den vorstehenden Forderungen entspricht, unverzüglich vorzulegen. Dann hat die Regierung die Verantwortung für die Auslegung des Grundgesetzes und sie kann sich nicht damit herausreden, wir hätten einen juristisch nicht einwandfreien Weg vorgeschlagen.
Ich überreiche diesen schriftlichen Antrag dem Herrn. Päsidenten.
Danke schön!
Das Wort hat jetzt der Herr Bundesfinanzminister Schäffer.
Meine Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, daß der Bundesregierung die Sorge um die Not der Heimatvertriebenen genau so am Herzen liegt wie dem Hohen Hause. Es ist ebenso selbstverständlich, daß die Bundesregierung sich bemüht, den Grundsatz der gleichmäßigen Behandlung durchzusetzen, also keinen Unterschied zu machen, in welchem Lande sich augenblicklich der einzelne Heimatvertriebene oder verdrängte Beamte aufhält. Es ist ganz selbstverständlich, daß die Bundesregierung sich bemüht, raschestens zu handeln. Ich darf darauf verweisen, was dem Hohen Hause bekannt sein dürfte, daß die Vorarbeiten für das Gesetz im Sinne des Artikel 131 des Grundgesetzes sofort begonnen worden sind; ich hoffe, daß sich die Vorarbeiten und die Beschaffung der Unterlagen so weit fördern lassen, daß Ihnen der Gesetzentwurf längstens bis zum März 1950 vorliegt und von Ihnen beschlossen werden kann.
Meine Damen und Herren, der Antrag gibt mir aber zu einer grundsätzlichen Bemerkung Anlaß, die sich nicht nur auf ihn selbst, sondern auch auf ähnliche Anträge bezieht, die heute in diesem Hohen Hause angenommen worden sind. Die haushaltsrechtlichen Verhältnisse sind nun augenblicklich so, daß der Bund über eigene Einnahmen zur Zeit kaum verfügt, sondern daß die großen Bundeseinnahmen wie Verbrauchs- und Umsatzsteuer noch bei den Ländern liegen, weil die Länder grundsätzlich auch noch die Lasten zu tragen haben, wie Artikel 120 des Grundgesetzes darlegt. Infolgedessen ist nicht damit gedient, daß sich in einem Antrag ein Satz befindet wie etwa der: „Mehrkosten sind vom Bund zu übernehmen", wenn sich diese Mehrkosten auf die Zeit vor dem 31. März 1950 beziehen. Der Bund kann Ausgaben nur _in den Ergänzungshaushalt einsetzen, der Ihnen vorgelegt werden wird. Dieser Ergänzungshaushalt muß Ihnen ausgeglichen vorgelegt werden. Die Ausgleichung besteht darin, daß der Bund entweder unmittelbar auf die ihm an sich zustehenden Bundessteuern zurückgreifen muß und damit in die Haushaltslage der Länder unmittelbar eingreift oder daß er von den Ländern Beiträge aus diesen Steuern verlangt, die dem Bunde an sich zustehen, aber bis zum 31. März 1950 noch den Ländern verbleiben. Anträge, die sich auf diesen Zeitraum beziehen und einen Eingriff in unmittelbare Landessteuern wie Einkommensteuer und deren Erträgnisse bedeuten oder die allgemein sagen, daß die Kosten vom Bunde zu tragen sind, können infolgedessen vom Bund und von der Bundesregierung, wenn Sie darum ersuchen, nur dadurch vollzogen werden, daß die Bundesregierung mit den Regierungen der Länder ins Benehmen tritt und sich vergewissert, daß die Länder in der Lage sind, die Mehrbelastung, die sich dadurch für ihre Haushalte ergibt, zu tragen und zu übernehmen.
Ich muß daher erklären: Die Bundesregierung kann einem solchen Antrag nur in der Form entsprechen, daß sie zu diesem Zweck mit den Ländern ins Benehmen tritt.
({0})
Das Wort hat nunmehr der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich ganz kurz fassen. Die zuletzt vorgeschlagene Änderung des Antrags macht ihn tatsächlich wirksam, und darauf kam es mir an. Es ist immer eine schwierige Aufgabe, in solchen Fragen, mit denen soviel Elend und persönliches Leid verknüpft ist, mit rechtlichen Erwägungen überzeugen .zu wollen. Ich selbst als Flüchtling bin vollkommen einig mit jedem anderen Flüchtlingsvertreter dieses Hauses, daß diese grundlegende Frage so bald wie möglich gelöst werden muß. Bitte bedenken Sie: es handelt sich um alte tiefbegründete Rechtsansprüche,
({0})
und da mußte ich - schließlich ist man als Jurist
seinem Beruf gegenüber ja auch eine gewisse Ehrlichkeit schuldig - diese Bedenken vorbringen. Sie
642 Deutscher Bundestag - 20. und
({1})
werden restlos durch den vorgeschlagenen Änderungsantrag ausgeräumt, der diesen Weg jetzt effektiv macht.
Das Wort hat weiter der Herr Abgeordnete Krause.
({0})
- Poesie bitte immer am rechten Platz!
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers veranlassen mich, ihn zu bitten, sich mit dem Verband der Beamten und Angestellten der öffentlichen Verwaltungen aus Ostdeutschland in Verbindung zu setzen. Diese Organisation, Herr Minister, hat einen Plan auch für die Finanzierung unserer Vorlage unter Berücksichtigung aller finanzrechtlichen Voraussetzungen ausgearbeitet.
Im übrigen hätte ich nie geglaubt, daß unser Antrag, den wir schon im September eingereicht haben, eine derart lange Erörterung erfordern würde. Ich möchte Sie bitten, die Debatte nun endlich abzuschließen und unseren Antrag einstimmig anzunehmen.
({0})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kather.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Zusatzantrag des Zentrums abzulehnen. Der Antrag ist widerspruchsvoll in sich. Der Ab- geordnete Dr. Bertram hat ausdrücklich gesagt, die Rechtslage sei völlig klar, und das ist auch richtig. Es kann gar kein Widerspruch zwischen den Artikeln 119 und 131 konstruiert werden. Deshalb ist dieser Eventualantrag auch überflüssig. Wir haben vom Herrn Finanzminister gehört, daß wir bestenfalls März 1950 mit einer Gesetzesvorlage rechnen können.
({0}) Es entspricht der Erfahrung des Lebens, daß diese Fristen nicht eingehalten werden. Ich mache nochmals darauf aufmerksam, daß der Herr Oberdirektor Dr. Pünder uns am 12. November 1948 erklärt hat, die Sache werde bald entschieden werden. Damals lag der dritte Referentenentwurf vor. Wenn wir uns auf die Gesetzesebene begeben, so heißt das praktisch, daß wir wahrscheinlich übers Jahr um diese Zeit zu einer Bereinigung dieser Sache kommen werden. Ich mache die Bundesregierung und das Hohe Haus darauf aufmerksam, daß es politisch nicht tragbar und nicht verantwortbar ist, daß die Sache auf die lange Bank geschoben wird.
({1})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
- Sie hatten um das Wort gebeten? Aber bitte schön! Ich habe es nicht gesehen. Ich bitte, Herr Abgeordneter Renner!
Der Sprecher der CDU hat mir untersagt, im Namen der Flüchtlinge zu sprechen. ({0})
Das habe ich auch gar nicht getan. Ich habe den
Standpunkt unserer Partei und unserer Fraktion zu dem vor uns stehenden Problem bekanntgegeben. Der Sprecher der CDU hat auf die im Lande Nordrhein-Westfalen gesetzlich verankerte derzeitig beste Lösung des Problems hingewiesen. Die Lösung im Lande Nordrhein-Westfalen, die den Beamten, soweit sie pensionsberechtigt sind, die Pension, und, soweit sie noch nicht pensionsberechtigt sind, aber nicht beschäftigt werden können, das Wartegeld garantiert, ist mit Zustimmung der KPD-Fraktion des Landtags von Nordrhein-Westfalen zustande gekommen.
({1})
- Das ist nicht entscheidend? Für uns ist das entscheidend; das paßt nur nicht in Ihre Propaganda.
Nun hat der Sprecher der CDU mit einem Stimmaufwand, der bei solchen Gelegenheiten üblich ist und die Tatsache überdecken soll, daß praktische Hilfe von dieser Partei bisher nicht geleistet worden ist, gegen mich losgedonnert und hat mir sogar angedroht, wenn ich in Rußland wäre, würde man mich schon längst erschossen haben. - Ich bin nicht in Rußland, sondern ich bin in der westdeutschen - halt, das darf man ja nicht mehr sagen - in der deutschen Bundesrepublik, in der die Flüchtlinge - trotz Ihrer schönen Phrasen - verhungern! In d e r Bundesrepublik bin ich!
({2})
- Verzeihung! Ich habe hier etwas berichtet, was im Ältestenrat vor sich gegangen ist. Ich habe berichtet, daß im Ältestenrat die Vertreter der CDU ganz offen ausgesprochen haben - vorgestern abend -, warum sie der Auffassung sind, daß dieser Beschluß heute durchgepeitscht werden soll. Sie haben, nachdem Sie zum Beispiel von der SPD, nachdem Sie von Herrn Dr. Merkatz auf die juristischen Schwächen dieses Antrags des Ausschusses aufmerksam gemacht worden sind, nachdem ich Ihnen gesagt habe, daß Sie als Fraktion es vorziehen, die Verantwortung für die Nichtdurchführung des Beschlusses auf den relativ kleineren Kreis der Reaktion in der Regierung abzuwälzen, nachdem Sie also genau gewußt haben, wo die schwachen Stellen sitzen, erklärt, Sie seien der Meinung, es müsse abgestimmt werden. Ich bin vollauf berechtigt zu erklären, daß die Herren von der CDU gesagt haben, es solle abgestimmt werden, weil die Regierung ja dann erklären werde: der Artikel 119 ist nicht anwendbar. Selten hat man das Glück, durch einen Minister den Beweis für die Richtigkeit seiner eigenen Ausführungen so schnell geführt zu sehen, wie mir das heute abend widerfahren ist. Hat nicht soeben der der CDU/CSU angehörende Finanzminister ganz eindeutig bestätigt, was ich gesagt habe?
({3})
Hat er nicht ganz eindeutig gesagt, daß im Laufe dieses Rechnungsjahrs keine Mittel mehr vorhanden sein werden, um hier zu helfen?
({4})
Herr Abgeordneter Renner, ich darf Sie einen Augenblick unterbrechen. Sie haben vorhin den Vorrednern einen zu hohen Grad an Klangstärke zum Vorwurf gemacht. Ich glaube, Sie haben insoweit mit einer Retourkutsche gearbeitet.
({0})
Deutscher Bundestag - 20. und
({1})
- Sie haben Ihre Stimme vorhin so ausgezeichnet nuanciert, besonders als sie ins Melodische überging, daß Sie die allgemeine Sympathie des Hauses gefunden haben.
({2})
Wenn das zu laut ist, will ich mich gern etwas mäßigen und es besser machen.
({0})
- Lassen Sie mich ausfeden!
Was hat der Herr Finanzminister, der Ihrer Partei angehört, gesagt? Er hat gesagt: „Ich habe im Etat keine Mittel mehr!"
({1})
Er hat gesagt, dieser Antrag könne nur finanziert werden, wenn ein Sonderhaushalt aufgestellt, wenn die Mittel bereitgestellt würden. Aber der Bund hat keine Mittel dafür.
({2})
Er hat gesagt, er müßte dann eventuell einen Eingriff in die Länderfinanzen machen. Vorhin aber
hat bei anderer Gelegenheit ein Mann der CDU
gesagt, die Länder seien so bettelarm, da sei gar
nichts mehr zu holen! Das hat heute im Laufe des
Tages ein CDU-Mann gesagt. Also habe ich recht,
({3}) wenn ich sage: hier ist ein großes Spiel -gemacht worden.
({4})
Ich habe außerdem die Herren Mitglieder der CDU/CSU, die dem Ältestenrat angehören, gebeten, mich zu desavouieren, und der Herr, der versucht hat, dies zu tun, ist nicht Mitglied des Ältestenrats. Er hat also keinen Funken von Berechtigung, sich hier hinzustellen und den Entrüsteten zu spielen. Aber rufen wir die anderen Herren doch einmal auf! Wo ist zum Beispiel Herr Bausch, den ich angesprochen hatte? Wer war da noch da, am vorigen Freitagabend oder vorgestern abend?
Es bleibt jedem Mitglied des Hauses überlassen, im Augenblick im Saal anwesend zu sein oder nicht.
Sicher, das bleibt den Herren überlassen. Aber ich stelle fest, daß keines der anwesenden Herren Mitglieder des Ältestenrats, die der CDU/CSU angehören, bisher den Mut aufgebracht hat, mich zu desavouieren, und diese Beweisführung genügt mir.
Also, mein Herr Sprecher der CDU, das nächste Mal statt großer leerer Worte und versteckter Drohungen „etwas mehr Butter bei die Fische", wie man bei uns zu Hause sagt!
({0})
Dann ist den Flüchtlingen geholfen. Mit Ihrem Gerede helfen Sie ihnen nicht.
({1})
- Im Dezember nächsten Jahres reden wir über denselben Punkt noch einmal; dann ist er genau so unerledigt wie heute!
({2})
Meine Damen und Herren, darf ich fragen, ob weitere Wortmeldungen vorliegen? - Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich
die Aussprache über den Antrag Drucksache I Nr. 210.
Wir kommen zur Abstimmung.
({0})
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Kahn!
Herr Präsident, ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses.
({0})
Ich bin für den Antrag, aber ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses. Es sind höchstens 150 Abgeordnete da. Es ist Pflicht eines Abgeordneten, bei einer derartig wichtigen Debatte anwesend zu sein.
({1})
Wenn der Präsident spricht, spricht auch der Kollege Renner nicht!
({0})
Es ist von einem der Mitglieder des Hauses die Beschlußfähigkeit angezweifelt worden.
({1})
- Die Klingel ist dauernd gegangen. Ich muß jetzt auszählen lassen, wieviel Mitglieder des Hauses hier sind, wenn Sie den Feststellungen des Präsidiums nicht glauben, daß das Haus tatsächlich beschlußunfähig ist. Insoweit kann ich an dem Antrag des Herrn Abgeordneten Kahn keinen Zweifel hegen.
({2})
Meine Damen und Herren! Wenn das Haus beschlußunfähig ist, sind wir am Ende und können nicht abstimmen. Ich stelle also die Beschlußunfähigkeit des Hauses fest; es bleibt mir jetzt nichts anderes übrig.
({3})
- Verzeihung, alle folgenden Punkte der Tagesordnung erfordern Beschlüsse.
({4})
Ich kann natürlich folgendes machen: ich kann die Sitzung noch einmal um 10 Minuten unterbrechen, um dann erneut festzustellen, ob das Haus nun beschlußfähig ist.
({5})
Ist es der Wille des Hauses, daß ich die Sitzung noch einmal unterbreche und in einer Viertelstunde eine neue Sitzung einberufe?
({6})
- Es erhebt sich Widerspruch auf allen Seiten. Dann, meine Damen und Herren, erkläre ich, daß wir am Ende der Tagesordnung sind, weil wir nicht mehr beschlußfähig sind.
({7})
- Meine Damen und Herren, es liegt der Antrag zur Geschäftsordnung vor, die Sitzung für 10 Minuten zu unterbrechen.
({8})
644 Deutscher Bundestag - 20. und
({9})
- Ich bitte, sich jetzt einige Minuten zu gedulden, damit wir feststellen können, ob das Haus beschlußfähig ist. - Meine Damen und Herren, wir haben im Präsidium festgestellt, daß das Haus nicht beschlußfähig ist. Infolgedessen sind wir nicht in der Lage, über den Antrag abzustimmen.
({10})
- Ich stelle anheim, meine Herren. Ich bin ebensogern bereit, die Sitzung auf 10 Minuten zu unterbrechen und eine neue Sitzung einzuberufen.
({11})
- Nein. Dann schließe ich die Sitzung und berufe eine neue Sitzung ein. Sie kann schon in einer Viertelstunde stattfinden, wenn Sie den Wunsch haben.
({12})
Es ist jetzt 8 Uhr 20. Ich berufe eine neue Sitzung auf 8 Uhr 30.
Ich schließe die Sitzung.
.
Ich eröffne die 21. Sitzung. Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag zu Punkt 14 der Tagesordnung der vorigen Sitzung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Heimatvertriebene über den Antrag der Fraktion des Zentrums und über den Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Wartegeld und Pensionen der ostvertriebenen Beamten ({0}).
({1})
- Es liegt eine Meldung zur Geschäftsordnung von Herrn Abgeordneten Strauss vor.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Angehöriger meiner Fraktion hat die Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifelt. Seine Überzeugung, daß zu der Abstimmung über eine so wichtige Angelegenheit die Anwesenheit der Mehrheit des Hauses notwendig ist, ist richtig. Politisch stelle ich dazu fest, daß meine Fraktion diese Abstimmung wünscht. Ich bitte, diesen Wunsch als Antrag zu betrachten.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Falkner.
Ich verzichte darauf! Es ist durch die Erklärung des Herrn Abgeordneten Strauss vorweggenommen.
Wünscht jemand gegen den Antrag des Herrn Abgeordneten Strauss zu sprechen?
({0})
- Ich frage nur, ob jemand dagegen sprechen will. - Ich stelle fest: das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren, ich nehme das Einverständnis des Hauses an, daß gemäß dem Antrag des Herrn Abgeordneten Strauss abgestimmt wird.
({1})
Wir müssen zunächst über den Abänderungsantrag des Zentrums abstimmen , gegebenenfalls eine Gesetzesvorlage, die den vorstehenden Forderungen entspricht, unverzüglich vorzulegen. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. 210 unter Berücksichtigung der soeben vorgenommenen Abänderung. - Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
({2})
- Herr Abgeordneter Dr. Baumgartner, darf ich darauf aufmerksam machen, daß Ihre Feststellung insoweit zu spät gekommen ist, als die Abstimmung bereits erfolgt war. Herr Abgeordneter Dr. Falkner hat auf das Wort verzichtet, nachdem er den Antrag des Herrn Abgeordneten Strauss gehört hatte. Das möchte ich ausdrücklich feststellen.
Wir fahren in der Tagesordnung fort. Wir kämen nun zu Punkt 16 der Tagesordnung:
Antrag der Fraktion der BP betreffend Streichung der Absätze 2 und 3 des § 103 der vorläufigen Geschäftsordnung ({3}).
Wünschen die Herren Antragsteller das Wort?
- Da niemand von den Herren Antragstellern mehr da ist, müssen wir diesen Punkt zurückstellen.
({4})
Wir kommen zu Punkt 17 der Tagesordnung: Antrag der Fraktion der SPD betreffend Einsetzung eines Ausschusses für den Erwerb von Ausstattungs- und Kunstgegenständen im Raume der vorläufigen Bundeshauptstadt ({5}).
Wer von den Herren Antragstellern wünscht das Wort? - Bitte sehr, Herr Abgeordneter Erler!
Erler ({6}), Antragsteller: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat Ihnen den Antrag vorgelegt, einen Ausschuß mit den in der Drucksache bezeichneten Aufgaben zu beauftragen. Es ist kein Zufall, daß dieser Antrag in diesem Zeitpunkt eingebracht worden ist, in dem auch aus anderen Parteien ähnliche Gesichtspunkte bei der Vergebung öffentlicher Aufträge geltend gemacht wurden. "Sie haben sowohl bei der Bayernpartei als auch auf anderen Seiten des Hauses in verschiedenen Ausschüssen bemerken können, daß man sich verschiedentlich Gedanken darüber gemacht hat, ob wirklich heute all die Bestimmungen, die über das Vergebungswesen für öffentliche Aufträge bestehen, noch in dem gebotenen Umfang angewendet werden. Wir haben ganz besonderen Anlaß, darauf hinzuweisen, daß es nicht nur notwendig ist, etwa nach regionalen Gesichtspunkten auf eine ordnungsmäßige Verteilung öffentlicher AufDeutscher Bundestag - 20. und
({7})
träge zu achten, wie das besonders von der Bayernpartei in den Ausschußberatungen vertreten wurde, sondern wir wünschen auch, daß man darüber hinaus wieder zu jenen Grundsätzen öffentlicher Ausschreibungen, zu den gesunden Grundsätzen eines wirklich unparteiischen und der öffentlichen Kontrolle unterliegenden Auftragwesens zurückkehrt, das einst der Stolz der deutschen Verwaltung gewesen ist. Ich weiß, daß zu einem großen Teil in den vergangenen Jahren sehr stark improvisiert worden ist.
Um nun mit einem kühnen Sprung, unter Weglassung vieler anderer Bemerkungen, die hier eigentlich am Platze wären, zum Gegenstand unseres Antrags zu kommen, kann ich feststellen, daß- wir ganz besonders den Eindruck haben, daß gerade bei dem größten zusammenhängenden Bauprojekt, das in der letzten Zeit der Bund begonnen hat, nämlich bei dem Ausbau Bonns zur Bundeshauptstadt, in vielen Dingen möglicherweise gesündigt worden ist. Wir haben bisher keine öffentlichen Ausschreibungen gesehen, und wir haben uns auch aus dem schönen Bild im Vorraum unseres Hauses keinen klaren Eindruck davon verschaffen können, wie und nach welchen Richtlinien nun eigentlich die Aufträge gesteuert worden sind.
Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion beschäftigt sich nicht ausschließlich etwa mit Kunstgegenständen; obwohl auch diese dazu gehören, weil ja im Mittelpunkt des ganzen Bauvorhabens Bonn schließlich der Bundestag steht. Die Augen der Öffentlichkeit sind sehr stark auf das gerichtet, was wir tun. Man mag nun sagen, daß dieser Antrag vielleicht die Entschlußfähigkeit der Exekutive unnötig beeinträchtigt. Ich glaube, das ist nicht der Fall. Was wir mit diesem Ausschuß wollen, ist ja nicht, Aufträge zu vergeben, sondern die Regierung dazu anzuleiten und ihr dabei behilflich zu sein, das Auftragsvergebungsverfahren wieder auf ordentliche Grundlagen zu stellen. Das ist der eigentliche Sinn des Antrages.
Es wird notwendig sein, sich einmal darüber Gedanken zu machen, wie bei diesem Großbauvorhaben in geeigneter Weise auch die Handwerker herangezogen werden, ohne daß einige Großbauunternehmer im wesentlichen den Rahm abschöpfen. Von seiten des Handwerks sind darüber ziemliche Klagen laut geworden. Es gibt eine Reihe von Beispielen in unserem eigenen Hause, die uns beweisen, daß es doch wohl auch für den Bundestag an der Zeit wäre, sich im Interesse seines eigenen Ansehens einmal darum zu kümmern, was hier um dieses Haus herum geschieht.
Sie haben in einer erfreulicherweise wesentlich stärker besuchten Sitzung als der heutigen seinerzeit einmal einen tiefgreifenden Beschluß gefaßt, den Bundessitz in Bonn bestehen zu lassen und nicht woandershin zu verlegen. Mit diesem Beschluß, meine Herren, hat der Bundestag eine große Verantwortung auf sich genommen.
({8})
Er hat nämlich die Verantwortung für die Verausgabung von weit über 100 Millionen Mark an öffentlichen Mitteln an einem bestimmten Punkt, nämlich im Raum Bonn, übernommen. Sie wissen ja alle, was allein für Bauvorhaben aufgewendet werden mußte, nur um diese Stadt von Besatzungstruppen frei zu machen. Sie wissen alle, was wir für die Hohen Kommissare in relativ wenigen Wochen haben aufwenden müssen; das waren leider Beträge von zusammen über 75 Millionen Mark. Dazu kommt nun all das, was jetzt für die Einrichtung der Ministerien usw. erforderlich ist.
In normalen Zeiten - das will ich zugeben - brauchen wir keinen solchen Ausschuß; da berät nämlich der Haushaltsausschuß des Bundestags diese Dinge auf Heller und Pfennig, bevor die Beträge ausgegeben werden. Da das jetzt nicht möglich ist, da wir hier Gelder ausgegeben haben und weiter ausgeben müssen, ohne daß uns ein zahlenmäßiger Haushaltsplan darüber vorgelegt werden konnte, ist es notwendig, daß wir uns durch einen solchen Ausschuß rechtzeitig über die Grundsätze der Vergebung der Arbeiten Rechenschaft ablegen lassen.
({9})
Das ist das Ziel, welches wir mit unserem Antrag
verfolgen. Es kommt darauf an, daß wir, wenn
wir nun schon als Körperschaft durch den seinerzeitigen Beschluß die Verantwortung für diesen
sehr erklecklichen Posten unseres künftigen Haushalts übernommen haben, dann auch uns selber
vor unserem eigenen Gewissen die Gewißheit verschaffen, daß bei den dadurch notwendig gewordenen Ausgaben so sparsam, so zwéckmäßig und so richtig wie möglich verfahren wird.
Ich wiederhole noch einmal: Wir wollen nicht Aufträge vergeben, sondern uns bemühen, in diesem Ausschuß erstens Klarheit zu gewinnen, nach welchen Grundsätzen bisher verfahren wurde, und zweitens behilflich zu sein, daß für die Vergebung all der Millionen, die wir künftig in dies Projekt noch werden hineinstecken müssen, saubere Grundsätze entwickelt werden. Ich glaube, Sie alle, die Sie noch hier sind, nehmen es ernst mit Ihrer parlamentarischen Arbeit; sonst wären Sie nicht mehr hier. Sie nehmen es also auch ernst mit der Verantwortung, die Ihnen auferlegt ist. Wenn Sie es wirklich ernst damit meinen, dann müssen Sie diesem unserm Antrag zustimmen.
({10})
Meine Damen und Herren, ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
({0})
- Einen Moment, Herr Bundesminister!
Zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Baumgartner das Wort.
Herr Präsident, ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses.
({0})
Verzeihung! Ich darf einmal folgendes sagen: Wir befinden uns nicht allein in einer Beratung, sondern wir müssen ja nachher über einen Antrag abstimmen.
({0})
- Aber das Wort war ja schon erteilt.
({1})
- Zunächst ist es Beratung. Die Beratung können wir fortsetzen, auch wenn die Beschlußfähigkeit nicht besteht. Ich werde vor der Abstimmung auf Ihre Anzweiflung der Beschlußfähigkeit zurückkommen, Herr Abgeordneter Dr. Baumgartner.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
646 Deutscher Bundestag - 20. und
Meine Damen und Herren! Der Antrag bezweckt die Einsetzung eines Ausschusses, der ständig bestimmte Handlungen der Exekutive, die Vergebung von Aufträgen und den Erwerb von Ausstattungs- und Kunstgegenständen für die Gebäude und Einrichtungen im Raume der Bundeshauptstadt überwachen soll. Ich halte die Einsetzung eines solchen Überwachungsausschusses für nicht vereinbar mit den Grundsätzen des Grundgesetzes.
({0})
Das Grundgesetz kennt lediglich das Institut des Untersuchungsausschusses. Nach Artikel 44 Absatz 1 Satz 1 kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Untersuchungsausschuß eingesetzt werden, der die Gesetzlichkeit - vielleicht auch die Lauterkeit - bestimmter Regierungs- und Verwaltungsmaßnahmen nachträglich überprüfen kann. Es ist undenkbar, einen Überwachungsausschuß einzusetzen, der laufend Maßnahmen der Exekutive überwacht; das wäre ein besonders merkwürdiger Übergriff der Legislative in die Exekutive, mit dem sich die Bundesregierung keinesfalls einverstanden erklären kann.
({1})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine Damen und Herren! Ich muß mich vom Standpunkt der Haushaltsführung und des Haushaltsrechts aus gegen den Antrag wenden. Wenn Sie den Ergänzungshaushalt und den Nachtragshaushalt erhalten, werden Sie sehen, welche Mittel des Bundes für Bauten in Bonn und für Anschaffungen aufgewandt werden. Sie haben bei der Haushaltsberatung jede Möglichkeit, von dem Recht der Kritik Gebrauch zu machen; aber es ist ein unmöglicher Versuch, Bauten, die eilig sind und rasch durchgeführt werden müssen, dadurch zu verhindern, daß jeder einzelne Bauplan und jedes Leistungsverzeichnis vor der Vergebung an die Firmen durch einen Ausschuß des Bundestags beraten werden müßte.
({0})
Der Herr Abgeordnete Dr. Reismann hat das Wort zur Geschäftsordnung.
Ich schlage vor, daß wir zu
allen noch ausstehenden Punkten der Tagesordnung vorläufig nur beraten und die Beschlußfassung bis ans Ende der Tagesordnung zurückstellen.
({0})
Meine Damen und Herren! Es liegt ein Geschäftsordnungsantrag vor, den Sie gehört haben. Zu diesem Geschäftsordnungsantrag erteile ich zunächst das Gegenwort. Wird ein Gegenwort gewünscht? - Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Arndt, zu dem geschäftsordnungsmäßigen Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Reismann!
Meine Damen und Herren! Daß das Haus so schlecht besetzt ist, ist an und für sich traurig.
({0})
Sie sehen die Glaswände, die symbolisch sind; denn die Augen der Menschen in ganz Deutschland sind auf uns gerichtet.
({1})
Ich bin daher nicht der Meinung, daß man hier solche Vorschläge machen soll, wie es der Herr Kollege Reismann getan hat,
({2})
die letzten Endes - der Herr Kollege Reismann möge mir das nicht verübeln - doch dazu dienen, unsere Geschäftsführung zu veralbern.
({3})
Dazu besteht keine Veranlassung. Wir sollten das unterlassen. Wir befinden uns in der Beratung. Wenn es zur Abstimmung kommt, wird sich zeigen, ob das Haus beschlußfähig ist oder nicht.
Der Herr Justizminister hat jedoch soeben eine Erklärung abgegeben, zu der doch noch einiges zu sagen wäre.
Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, das nachher zu sagen. Zunächst haben Sie nur das Wort zur Geschäftsordnung.
Vor allen Dingen bin ich der Meinung, daß es sich gar nicht um einen Antrag, sondern um einen Vorschlag handelt, so daß von einer Abstimmung gar keine Rede sein kann.
Meine Damen und Herren, wir setzen die Aussprache fort. Aber zunächst muß ich über Ihren Antrag, Herr Abgeordneter Dr. Reismann - ({0})
- Verzeihung, Sie haben den Antrag gestellt
- das möchte ich hier ausdrücklich feststellen -, die Beratung über alle Anträge fortzusetzen und erst am Schluß der Tagesordnung abzustimmen. Gegen diesen Antrag hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt gesprochen. Das ist geschäftsordnungsmäßig in Ordnung: einer für den Antrag und einer dagegen. Ich lasse also zunächst über Ihren Antrag abstimmen. Wer für den Antrag Reismann ist, - ({1})
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Baumgartner.
Herr Präsident, ich bitte, die Beschlußfähigkeit des Hauses festzustellen.
Meine Damen und Herren, es ist hier soeben die Beschlußfähigkeit des Hauses angezweifelt worden. Daraus ergibt sich, daß wir über den geschäftsordnungsmäßigen Antrag - ({0})
- Aber ich rufe das Haus zum Zeugen an! Ob Sie das „Vorschlag" oder „Antrag" nennen, ist doch gänzlich gleichgültig.
({1})
- Aber, Herr Kollege Reismann, wir können doch auf diese Weise zu keinem Ergebnis kommen. Ob Sie sagen: „ich schlage vor" oder: „ich beantrage", das ist doch gänzlich gleichgültig.
({2})
Deutscher Bundestag - 20. und
({3})
Ich stelle jetzt zur Geschäftsordnung folgendes fest. Es ist die Beschlußfähigkeit des Hauses angezweifelt worden. Meine Damen und Herren, ich verweise Sie nunmehr auf § 99 der vorläufigen Geschäftsordnung, den ich zur Verlesung bringen möchte:
({4})
Der Präsident eröffnet die Abstimmung. Wird vor ihrem Beginn die Beschlußfähigkeit bezweifelt
- siehe Antrag Abgeordneter Dr. Baumgartner! und auch vom Sitzungsvorstand weder einmütig bejaht oder verneint, so ist durch namentliche Abstimmung mittels weißer Namenskarte festzustellen, ob der Bundestag beschlußfähig ist.
Ich stelle nun fest: der Sitzungsvorstand hier oben ist einmütig der Meinung, daß das Haus nicht mehr beschlußfähig ist. Wird etwa diese Feststellung aus dem Hause bezweifelt?
({5})
- Dann können wir zunächst überhaupt nicht abstimmen, weder geschäftsordnungsmäßig noch der Sache nach.
({6})
- Nun wollen wir uns doch gegenseitig nichts erzählen! Ich darf jetzt einmal sehr offen sprechen. Da sämtliche übrigen Tagesordnungspunkte letzten Endes Abstimmungen nach sich ziehen, entfällt praktisch die Voraussetzung für die Erledigung des verbleibenden Restes der Tagesordnung. Das ist ein Faktum, an dem wir tatsächlich und de jure, das heißt geschäftsordnungsmäßig, einfach nicht vorbeigehen können.
Ich stelle also fest: das Haus ist beschlußunfähig. Infolgedessen bin ich verpflichtet, die Sitzung zu schließen und die nächste Sitzung anzukündigen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Arndt hatte nun aber vor dem Schluß der Sitzung noch das Wort zu einer persönlichen Erklärung erbeten. Will er diese noch abgeben?
({7})
- Verzeihung! Wenn die Beratung zu Ende ist, kann nach der Geschäftsordnung noch eine persönliche Erklärung abgegeben werden.
({8})
- Ich frage den Herrn Abgeordneten Dr. Arndt, ob er angesichts der Situation diese persönliche Erklärung nicht morgen abgeben will.
({9})
- Danke schön!
Meine Damen und Herren, ich behalte mir vor, die nächste Plenarsitzung auf Freitag nächster Woche einzuberufen. Dafür spricht eine Reihe von Gründen, die mit der rechtzeitigen Verabschiedung des Gesetzentwurfs über die Amnestie im Zusammenhang stehen.
({10})
- Ich sagte ja eben, daß ich um Vollmacht bitte, die nächste Sitzung auf Freitag nächster Woche einzuberufen. Ich muß mir die Einberufung vorbehalten und bitte das Haus, mir insoweit Vollmacht zu geben, den nach Lage der Umstände geeignet erscheinenden Termin festzulegen. Ist das Haus damit einverstanden?
({11})
Die Tagesordnung werde ich Ihnen noch zugehen lassen.
An die Herren Ausschußvorsitzenden darf ich für den Fall, daß eventuell die Vollversammlung am Donnerstag stattfindet, eine Bitte richten.
({12})
- Verzeihen Sie bitte! Dann frage ich das Haus: Ist es damit einverstanden, daß ich die nächste Sitzung zu Freitag einberufe?
({13})
- Meine Damen und Herren! Ich behalte mir vor, den Termin der nächsten Vollversammlung von mir aus festzusetzen. Ich bitte, mir diese Vollmacht zu erteilen.
({14}) Meine Damen und Herren, die 21. Sitzung des Deutschen Bundestages ist damit geschlossen.