Plenarsitzung im Deutschen Bundestag am 3/19/1952

Zum Plenarprotokoll

Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Meine Damen und Herren! Die 199. Sitzung des Deutschen Bundestages ist eröffnet. Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich wieder eines Kollegen zu gedenken, der aus diesem Leben und aus seinem Pflichtenkreis in diesem Hause abgeschieden ist. ({0}) Der Bundestagsabgeordnete Herr Stephan Weickert, der zur Gruppe BHE-DG gehörte, ist am 15. März im Alter von 60 Jahren an einem Gehirnschlag gestorben, den er auf der Fahrt von Bonn nach Landshut erlitten hat. Herr Weickert wurde am 12. Juni 1892 geboren. Er besuchte das Gymnasium und die Handelsschule. Von 1912 ab arbeitete er in der Großindustrie als Versandleiter, Betriebsleiter, Generalvertreter und Organisationsleiter. 1936 wechselte er in das Versicherungsfach über, in dem er in Österreich und im Sudetenland als Organisator und Versicherungsbeamter tätig war. 1946 wurde Herr Weickert aus dem Sudetenland vertrieben. Der Verstorbene war in Landshut ehrenamtlicher Flüchtlings-Vertrauensmann und Stadtrat, in der Sudetendeutschen Landsmannschaft Kreisobmann und im Sozialen Hilfswerk Bayern Aufsichtsrat. Bei der Wahl zum Bundestag gelangte er über die Ergänzungsliste der WAV in die Volksvertretung. Herr Stephan Weickert war Vorsitzender des Ausschusses für Grenzlandfragen, ordentliches Mitglied im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität und im Ausschuß für innergebietliche Neuordnung und stellvertretendes Mitglied im Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen. Meine Damen und Herren, wir gedenken dieses verstorbenen Kollegen in dankbarer Erinnerung an seine im Deutschen Bundestag und in der gesetzgeberischen Arbeit für das deutsche Volk geleistete Tätigkeit. - Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen erhoben. Ich danke Ihnen. Ich bitte nun den Herrn Schriftführer, die Namen der Abgeordneten zu verlesen, die um Urlaub nachsuchen.

Wilhelm Tenhagen (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11002304

Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Tichi für sechs Wochen wegen Krankheit, Herrmann für vier Wochen wegen Krankheit - ab 12. 3. -, Dr. Bertram für zwei Wochen wegen Krankheit, Freudenberg für neun Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Dr. Blank ({0}) für drei Wochen, Dr. Semler für zweieinhalb Wochen und Dr. Meitinger für zwei Wochen, jeweils wegen dienstlicher Inanspruchnahme.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Ich danke dem Herrn Schriftführer. Ich darf unterstellen, daß diese Urlaubsgesuche genehmigt sind. Ich bitte nunmehr, die Namen der entschuldigten Abgeordneten zu verlesen. Tenhagen. Schriftführer: Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Struve, Dr. Edert, Dr. Schmid ({0}), Dr. Brill, Jahn, Kiesinger, Hilbert, Dr. Besold, Parzinger, Dr. Nowack ({1}), Frau Döhring, Loritz, Rahn, Even, Frau Dr. Maxsein, Reimann, Vesper, Löfflad, Schmidt ({2}), Frau Dr. Steinbiß, Neumann, Dr. Schellenberg, Dr. Kneipp. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Ehlers, Dr. Weiß, Wönner, Frau Dr. Probst, Dr. Horlacher, Frau Korspeter, Dr. Schatz, Faßbender und Gockeln.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Meine Damen und Herren, die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen: Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 14. März 1952 beschlossen, den folgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes; Gesetz über die richterliche Vertragshilfe ({0}); Gesetz über die Steuerberechtigung und die Zerlegung bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ({1}); Gesetz über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten; Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Beim Gesetz über die Sorge für die Kriegsgräber ({2}) hat er beschlossen, zu verlangen, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einberufen wird. Der Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 12. März 1952 die Kleine Anfrage Nr. 246 der Fraktion der CDU/CSU betreffend Materialversorgung des Handwerks und gewerblichen Mittelstandes ({3}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3197 vervielfältigt. Er hat weiter die Kleine Anfrage Nr. 245 der Fraktion der CDU/CSU betreffend Unterabteilung Handwerk im Bundeswirtschaftsministerium ({4}) am 14. März 1952 beantwortet. Sein Schreiben trägt die Drucksachennummer 3207. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung wird die heutige Tagesordnung um einen Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Gesetzgebungshoheit der Bundesrepublik - Nr. 3204 der Drucksachen - erweitert. Er wird als Punkt 12 in die Tagesordnung eingefügt. Weiter ist vereinbart worden, eine Umstellung vorzunehmen und Punkt 1 nach Punkt 2 zu beraten. Auch dazu nehme ich die Zustimmung des Hauses an. ({5}) - Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Stücklen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist im Ältestenrat zu einer Absprache gekommen, daß die Tagesordnung heute so ablaufen soll, daß sämtliche Anfragen und Anträge begründet werden sollen und anschließend daran eine Generalaussprache stattfindet. Ich finde diese Form der Abwicklung der Tagesordnung sehr eigentümlich und möchte vom Standpunkt des Handwerks aus eines sagen: Es kommt heute hier nicht auf deklamatorische Erklärungen an, sondern darauf, daß das Handwerk weiß, wie die einzelnen Parteien zu den einzelnen aufgeworfenen Problemen Stellung nehmen. Deshalb schlage ich vor, daß jeder einzelne Antrag auch einzeln begründet ({0}) und zur Aussprache gebracht wird. Es ist durchaus möglich, daß man Punkt 1 und Punkt 3 zusammenfaßt; es ist durchaus möglich, daß man Punkt 9 und Punkt 10 zusammenfaßt; aber es ist einfach unmöglich, daß man hier durch Kraut und Rüben eine Generaldebatte führt, wenn das vielleicht auch für manche angenehm sein mag und es bei der andern Form der Abwicklung der Tagesordnung für manche sehr, sehr peinlich sein mag, zu den konkreten Punkten Stellung zu nehmen. ({1})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Mellies.

Wilhelm Mellies (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001465, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Stücklen scheint über die Auffassungen, die im Ältestenrat geherrscht haben, etwas falsch unterrichtet zu sein. Gewiß hat der Ältestenrat festgesetzt, daß sechs Stunden debattiert werden soll, und es sind keine Redezeiten für die einzelnen Anträge festgesetzt worden; aber, Herr Kollege Stücklen, niemand im Ältestenrat hat doch daran gedacht daß hier sozusagen eine Kraut-undRüben-Debatte stattfinden sollte, und ich glaube, die Wertungen, die Sie hier ausgesprochen haben, wären besset unterblieben. Denn der Ältestenrat ist in der Auffassung völlig einmütig gewesen und hat sich gesagt: selbstverständlich sollen die einzelnen Probleme erörtert werden; ({0}) und auch wenn diese Debatte nicht scharf getrennt nach den einzelnen Anträgen vorgenommen werden soll, sollen doch die großen Gesichtspunkte herausgestellt und debattiert werden. Ich glaube, wenn der Ältestenrat in dieser Weise Stellung genommen hat, dann hat er das nicht getan, um hier eine Möglichkeit zu deklamatorischen Ausführungen zu geben. Er hat selbstverständlich daran gedacht, daß alle diese Fragen gründlich erörtert werden sollten; und ich glaube, Sie werden das ja auch im Laufe der Debatte noch merken. Es ist aber doch so, meine Damen und Herren, daß bestimmte große Gruppen von Fragen hier zur Erörterung stehen und man zweckmäßig so verfährt, daß diese Gruppen gemeinsam erörtert werden. ({1}) - Nun, wir haben ja vorhin schon persönlich kurz darüber gesprochen. Diese Fragen, etwa die Frage der Schwarzarbeit, Steuerfragen, die Frage der Behördenregiebetriebe usw. - ich greife jetzt nur einige heraus, die mir gerade einfallen - können und müssen doch schließlich in einem gewissen Zusammenhang hier besprochen werden. Ich glaube, zu Eingang wären einige allgemeine Ausführungen über diese ganzen Fragen auch von Nutzen. Wenn wir die Debatte so führen, wird meines Erachtens mehr dabei herauskommen, als wenn wir die Anträge jetzt einzeln behandeln. Denn dann würde wieder die Frage entstehen, wieviel Zeit nun auf den einzelnen Antrag verwandt werden soll; und es könnte sein, daß die letzten Anträge, die doch bestimmt nicht etwa minderer Bedeutung sind, bei der Debatte zu kurz kommen. Ich würde also doch glauben, daß wir jetzt zunächst die Anfragen behandeln sollten und daß vielleicht, wenn die Regierung die Anfragen beantwortet hat, inzwischen eine Verständigung über die Themen erfolgen sollte, die hier insgesamt zur Debatte gestellt werden sollen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Nach den letzten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Mellies glaube ich auch, daß wir so verfahren könnten, daß wir zunächst einmal die Anfragen an die Regierung beantworten lassen. Dann wäre es vielleicht möglich, daß eine interfraktionelle Vereinbarung über die Aufteilung der Tagesordnung getroffen wird, nämlich darüber, ob von dem Vorschlag des Ältestenrats wirklich abgewichen werden soll, sämtliche Anträge zunächst einmal mit einer Redezeit von ungefähr 15 Minuten begründen zu lassen und dann eine Gesamtaussprache von 360 Minuten über alle Anträge stattfinden zu lassen, die doch in irgendeinem inneren Zusammenhang miteinander stehen. Ich will also unter diesen Umständen jetzt die Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag zurückstellen und rufe zunächst den Punkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Steuergesetzgebung ({0}). Zur Begründung der Anfrage hat das Wort Herr Abgeordneter Schmücker. Schmücker ({1}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Tagesordnung liegt dem Deutschen Bundestag ein umfangreiches Nahprogramm für den Mittelstand vor. Noch nicht alle Probleme sind in diesen Anträgen angesprochen, aber doch die wesentlichsten. Wir sind froh, daß der Deutsche Bundestag sich endlich einmal einen ganzen Tag Zeit nimmt, die großen Sorgen dieses Volksteils, des deutschen Mittelstandes, zu besprechen. Nach all den voraufgegangenen Diskussionen sind wir sicher, daß das Ergebnis dieser Aussprache ein echter Wille zur Förderung des gewerblichen Mittelstandes sein wird. Mit der gesamten Wirtschaft ging 1945 auch der deutsche Mittelstand in seine schlimmste Katastrophe. Ihn trafen die Verluste an Fachleuten, an Betrieben, an Gerät genau so hart wie die anderen Wirtschaftszweige. Trotzdem war es nicht möglich, diese mittleren Betriebe in die ersten Wiederaufbaumaßnahmen hineinzunehmen. Den Notstandsbezirken mit ihrer Massenarbeitslosigkeit und den Grundstoffindustrien mußte - das bestreitet niemand - der Vorrang gegeben werden. Es ist auch unbestritten, daß mit dieser unvermeidbaren Rangierung die Konsumenten erst in die Lage versetzt worden sind, zum Handwerker und zum Kaufmann zu gehen, daß also damit eine indirekte Hilfe gekommen ist. Der kleinere und mittlere Gewerbebetrieb konnte auch erst wieder anlaufen, als die Materiallieferanten sich ihm offerierend zur Verfügung stellten. Das ist alles richtig und wird bedacht. Aber leider ist es auch richtig, daß dem Mittelstand bisher nur sehr schwache Möglichkeiten gewährt worden sind, den allgemeinen wirtschaftlichen Aufstieg in der Bundesrepublik betrieblich zu nutzen. Die Großindustrie hatte einen ungeheuren Investitionsbedarf. Parlament und Regierung haben sich bemüht, diesen Bedarf auf volkswirtschaftlich möglichst sinnvolle Weise zu decken. Die Arbeitnehmerschaft erreichte, wenn man die Jahreszahl bedenkt, einen guten Lohnindex und erhielt vom Gesetzgeber eine weitreichende, notwendige soziale Betreuung. Aber unterhalb der wirtschaftlichen Förderung und oberhalb der sozialen Betreuung blieb der gewerbliche Mittelstand fast unversorgt. ({2}) Wir meinen nun, daß es hohe Zeit wird, eine zielbewußte Förderung der mittelständischen Existenzen aufzunehmen. Da genügt es nun nicht, daß man sich mit allgemeinen Erklärungen zum Mittelstand bekennt. Man muß seine Meinung und seine Haltung an konkreten Tatsachen beweisen. Es genügt nicht einmal, daß man sich für den großen Befähigungsnachweis einsetzt. Man muß zwar alles tun, um ihn durchzusetzen. Es ist ja noch ein Antrag auf die Tagesordnung gesetzt worden, der sich gerade für den großen Befähigungsnachweis, der für das Handwerk das wichtigste Problem ist, einsetzt. Tausende von mittelständischen Existenzen sind in Gefahr, weil sie ihren Startnachteil, den sie gegenüber den größeren Unternehmern nun einmal haben, durch noch so fleißige Mehrarbeit nicht wettmachen können. So haben wir im mittelständischen Einzel- und Großhandel eine große Anzahl von Betrieben, die noch nicht in der Lage waren, einen echten Lagerbestand ansammeln zu können. Was da ist, wird mit viel zu teuren Bankkrediten gehandelt. Handwerker, die nicht die Vorteile einer kompletten Buchführung haben ausnutzen können, sind zu Ersatzbeschaffungen nennenswerter Art kaum in der Lage gewesen. Es herrscht im gewerblichen Mittelstand eine echte Not, eine Not, die ihre Ursache zwar in der Katastrophe von 1945 hat, die wir aber überwinden müssen, genau so wie wir. sie zu überwinden uns auf anderen Gebieten bemühen. Wir müssen den Mittelstand erhalten, weil er staatspolitisch und volkswirtschaftlich von hoher Bedeutung ist. Zum Mittelstand zählen wir die Menschen, die, unabhängig auf einer eigenen Grundlage stehend, eigenverantwortlich wirtschaften, um den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sichern. Und das ist der große Unterschied zu jenen anderen Wirtschaftszweigen, in denen man für den Betrieb arbeitet. Hier arbeitet man aber unmittelbar für die Familie, und der Betrieb steht unter den Bedürfnissen der Familie oder ist doch für diese da. Durch das Zusammenwirken der Familienkräfte und der noch familiär zusammenlebenden Gesellen und Gehilfen ergeben sich gerade im Mittelstand soziale Verhältnisse gesunder und - ich möchte sagen - beispielhafter Art. Das Generationsdenken ist weithin wachgeblieben, und man darf sagen, daß gerade im Mittelstand weder für einen reaktionären Trott noch für einen revolutionären Wirbel Raum ist. Man lebt aus der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Man ist in allem noch ganz und echt Familie. Man steht verbindend zwischen den Schichten und wechselt mit seinen Angehörigen mal dort, mal da hinüber. Und es ist oft genug gesagt worden: Gäbe es keinen Mittelstand mehr in unserem Vaterlande, dann würde sich eine tiefe Kluft auftun zwischen den Schichten, die heute dank der Existenz des Mittelstandes noch eine Gemeinschaft sind. Und nicht nur das! Gibt es keinen Mittelstand mehr, dann ist der Weg zum Aufstieg, der heute jedem Fleißigen und Tüchtigen offensteht, abgeschnitten. Es ist ja leider schon so, daß das Wagnis der Existenzgründung, das Wagnis eines eigenen Unternehmens heute kaum noch belohnt wird. Wenn trotzdem immer aufs neue Angestellte, Handwerker, Kaufleute usw. eigene Betriebe gründen, dann tun sie es trotz erheblicher wirtschaftlicher Nachteile, weil sie unabhängig sein wollen. Wir brauchen den Mittelstand, weil wir eine Aufstiegsmöglichkeit für jeden Menschen brauchen, und wir brauchen den Mittelstand - das möchte ich einmal in aller Klarheit, .aber auch in aller Ruhe zum Ausdruck bringen -, damit der Mensch frei bleibt. Notzeiten bedingen starke Konzentrationen in der Hand des Staates. Nicht der einzelne baut Häuser; das tut der Staat. Nicht der einzelne kultiviert das Odland; der Staat macht es. Aber für wen macht er es? Doch nicht für sich - er sollte es wenigstens nicht tun -; doch für den einzelnen, für den Menschen. Aber in den Notzeiten klammern sich die Menschen nur zu gern an die Illusion eines rettenden Zentralismus. Das ist im Staatsorganisatorischen so, das ist bei den Finanzen so, und das ist auch in der Wirtschaft so. Die öffentliche Hand - ich nehme dieses Wort, um auch die Länder und die Kommunen miteinzubeziehen - ist der größte Auftraggeber geworden. Ihr Anteil reicht an den der Summe aller übrigen Partner heran. Einige wenige Büros oder nachgeschaltete Zweckverbände oder meistens gemeinnützig getaufte Genossenschaften verfügen über mehrstellige Millionenbeträge. Sie verhandeln natürlich nur - entsprechend den großen Zahlen - mit großen Firmen. Sich mit Handwerkern oder mittleren Gewerbetreibenden herumzuschlagen, wäre ja viel zu mühevoll, unzweckmäßig, zu teuer und wie die vielen Begründungen alle heißen. Der private Auftraggeber ist aber für den Mittelstand ausgefallen, weil er sein Geld, das er sonst anlegen würde, als Steuer abführen muß. Und so haben wir den grotesken Zustand, daß wir bei den gewaltigen Bauleistungen im Bundesgebiet, in der Provinz, zum mindesten in den abgelegenen Gebieten der Provinz, ein Bauhandwerk vorfinden, das die schlechtesten Zeiten durchmacht. Wenn also schon der Staat - und das möchten sich freundlicherweise auch einmal die Herren Ländervertreter anhören, die sich - in der vorigen Woche war es wohl - so wenig freundschaftlich gegenüber unserem Wunsche auf eine ministerielle Vertretung gezeigt haben, - wenn also der Staat schon das Geld sammeln muß, um es zweckmäßiger, um es zentraler im Zuge des Wiederaufbaues anzulegen, dann möchte er sich gefälligst auch um die andere Aufgabe kümmern, nämlich um die der individuellen Auftragsvergabe. Zum mindesten sollte er sie unterstützen. Der Staat muß jedem sein Recht geben, und es ist eine alte Sache, daß auf die Dauer kein Stand zu Lasten eines anderen Vorteile nehmen kann, auch nicht über den Umweg des Staates. Was wir mit unseren Anträgen und Anfragen wollen, sind keine Bevorzugungen und Vorteile für den gewerblichen Mittelstand, sondern es ist eine Gleichstellung mit der übrigen Wirtschaft. Und dabei meinen wir freilich, daß das deutsche Handwerk in seiner Gesamtheit genau so wichtig, genau so wertvoll und genau so tüchtig ist wie beispielsweise die 'deutsche Stahlindustrie. Wir sind der Meinung, daß die deutschen Kaufleute und Gewerbetreibenden der kleinen und der mittleren Industrie der Volkswirtschaft genau so viel geben wie jene anderen Gruppen, die allzu oft mit großen und blendenden Zahlen operieren. Hier ist keiner mehr als der andere, und wir als Parlament haben die Pflicht, jedem das gleiche Recht zu geben. Und das heißt in der Wirtschaft: gleiche Start- und Wettbewerbsbedingungen, gleichen Anteil an den Staatsaufgaben und gleichen Anteil an den Lasten. Das und nicht mehr ist die Forderung des Mittelstandes. ({3}) Meine Damen und Herren, darf ich damit zur ersten Großen Anfrage kommen, einer Anfrage über die Steuergesetzgebung. Unseren Steuerurwald kennen Sie. Daß von heute auf morgen keine Änderungen größerer, grundsätzlicher Art möglich sind, begreift jeder Einsichtige. Aber wissen möchte der Bürger endlich einmal, wann er in die Lage kommen wird, seine Steuersachen selbst zu bearbeiten. Die Komplikationen sind durch die vielen Sonderbestimmungen entstanden. Der Bundestag hat auch seine Erfahrungen mit diesen Dingen gemacht, und es darf ruhig einmal auch in diesem Hause betont werden: Wären nicht so viele Außenseiter da, die die Vergünstigungsbestimmungen rücksichtslos mißbrauchen, würden die Paragraphen langlebiger und die Verordnungen schlichter sein. Wir müssen zu einer Änderung des Steuersystems kommen. Eine Buchführung hat für den Betrieb nur den Zweck, ihn übersichtlich zu halten. Heute aber wird für die Steuer Buch geführt, und dabei kommen der Betrieb und häufig auch die Steuern zu kurz. Zum mindesten wird viel Zeit volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich unsinnig vertan. Wenn der Staat die Stunden bezahlen müßte, die er dem kleinen Unternehmer an Steuerarbeit für diesen Staat zumutet, dann, glaube ich, würden die Finanzminister und auch wir etwas vorsichtiger sein. Aber damit nicht genug, meine Damen und Herren. Es scheint sich seit einiger Zeit so eine Art Sprachregelung durchzusetzen, daß alle Lohn- und Gehaltsempfänger ehrliche Steuerzahler seien und alle oder die meisten anderen eben keine ehrlichen Steuerzahler. Gegen diese moderne Rede scheinen mir einige klare Worte notwendig zu sein. Meine Damen und Herren, haben Sie schon einmal über den Unterschied zwischen einem Festbesoldeten und einem unternehmerisch nicht im großen, sondern im kleinen tätigen Menschen nachgedacht? Wenn beide ein Einkommen von 400 Mark haben, dann hat es der eine leidlich sicher, der Handwerker oder Einzelhändler dagegen braucht noch keinen roten Pfennig in der Tasche zu haben. Der Angestellte hat das Geld in bar, der Unternehmer hat es zum Teil versteckt in Waren, die im Preise stiegen, oder in Außenständen, über deren Bewertung nachher noch zu sprechen sein wird, und kann an dieses Einkommen gar nicht heran; er hat keine Pauschvergünstigungen usw. usw. Meine Damen und Herren, nicht ich habe diese beiden Gruppen in einen Wettbewerb gestellt; das hat diese Sprachregelung getan, der wir auf allen oder zumindest auf vielen Finanzämtern begegnen, und ich meine, man sollte einmal dagegen protestieren, daß der Respekt vor der unternehmerischen Initiative des kleinen Mannes dort nicht gewahrt wird. Es wird immer wieder gesagt, der Einkommensbezieher habe gewisse Möglichkeiten. Nun, diese Möglichkeiten haben die Mehrzahl unserer kleinen Handwerksmeister und unsere Einzelhändler eben nicht. Sie zahlen - das ist nicht nur meine Überzeugung, sondern das ist das Ergebnis einer Feststellung, die jeder prüfen kann - mehr Steuern, als sie zahlen müßten, wenn sie sich den Luxus einer großbetrieblichen Buchführung leisten könnten. Damit kommen wir zur ersten Frage. Zu ihr ist nicht viel zu sagen, denn das ganze Volk redet darüber und wartet darauf, daß diese Steuerreform, diese Vereinfachung kommt. Ihre Notwendigkeit ist unbestritten. Darf ich nur eine Anregung geben: Es ist ein wissenschaftlicher Beirat gebildet worden. Sollte es nicht möglich sein, in diesen wissenschaftlichen Beirat auch Leute hineinzunehmen, die sich in den Sorgen gerade der kleineren Betriebe auskennen? Auch zur Steuervereinfachung einige Anregungen und einige Beispiele: Die Steuererklärung liegt Jahre vor dem Steuerbescheid. In der Zwischenzeit kann sich Gott weiß was ereignet haben. Gerade in den kleinen Betrieben wird - ich sagte es ja schon - für die Familie gearbeitet. Das Geld wandert nicht in den Betrieb hinein und kann, wenn die Zeit abgelaufen ist, nicht mehr gefaßt werden. Es ist daher unsere Meinung, daß man die Frist zwischen Steuererklärung und Bescheid verkürzen sollte. Man sollte hier einen Verwaltungsakt vornehmen. Dann müßten natürlich Betriebsprüfer eingeschaltet werden, die, wenn sie mit den Leuten 'in bürgerlichem Ton verkehren, auch nur Segen bringen könnten. Diese Auffassung wird nicht von den Wirtschaftskreisen geteilt, die eine nicht bezahlte Steuer gern als sozusagen zinsloses Darlehen zurückbehalten möchten. Aber beim Handwerk trifft das nicht zu. Wenn ein Handwerker nach zwei Jahren 200 Mark Steuern nachbezahlen muß, ist er sehr, sehr schwer getroffen. Wir müssen versuchen, diese Dinge zu ändern. Ein weiteres. Wir haben sogenannte Mindestbuchführungen. Sie sind ausgearbeitet worden zwischen den Finanzsachverständigen und den Vertretungen ,der mittleren Industrie, des Handwerks usw. Diese Mindestbuchführungen werden zwar zunächst anerkannt, aber dann kommen soundso viele Verordnungen hinterher, und am Ende wird die Buchführung verworfen, so daß der Handwerker, der kleine Kaufmann, nicht mehr weiß, was los ist. Was wir wünschen, ist, daß der kleine Unternehmer eine Sicherheit bekommt. Wenn wir also schon eine Mindestbuchführung anerkennen - und meistens sagt sie genau so viel aus wie eine umfangreichere Buchführung -, müssen wir sie auch bis zur letzten Konsequenz anerkennen. Zu unserer Bitte, in die Einkommensteuer Vergünstigungen einzubauen, die einen pauschalen Ausgleich bieten für die vielen Vergünstigungen, die den Betrieben mit kompletter Buchführung gewährt werden, möchte ich zusätzlich noch den Wunsch vortragen, daß man einen Freibetrag für die mitarbeitende Ehefrau einführt. Sie wissen, daß die unselbständig arbeitende Ehefrau getrennt veranlagt werden kann. Eine ähnliche Regelung müßten wir für die mitarbeitende Ehefrau schaffen. Ich bin allerdings der Meinung, daß wir die Veranlagung nicht trennen sollten, sondern hier eine Erhöhung des Freibetrages einführen müßten. Dem wird entgegengehalten, daß bei einer solchen Erhöhung des Freibetrages oder bei Einführung derartiger Bestimmungen jeder kommen und sagen würde: meine Frau arbeitet mit, hilft mit, also kann ich diese Vergünstigung beanspruchen! Ja, meine Damen und Herren, es ist eben so, daß im Handwerk und im kleineren Gewerbe die Frau mitarbeiten muß, sonst können diese Leute gar nicht existieren. Bei den vielen anderen Nachteilen, die sie in Kauf nehmen müssen, können sie nur durch Mehrarbeit mit der Konkurrenz Schritt halten. Ebenso wird es notwendig sein, eine Berechnung der Scheingewinne einzuführen. Darüber braucht nicht viel gesagt zu werden, weil schon sehr viel darüber geschrieben worden ist. Aber ich möchte I darauf hinweisen, daß es unmöglich ist, die Praxis ({4}) fortzusetzen, Außenstände als Gewinne zu buchen. Mir sind mehrere Fälle bekanntgeworden, in denen die Finanzämter bei dem Vergleich der Bilanzen auf Grund einer besonderen Durchführungsverordnung die Außenstände als Gewinne versteuert wissen wollen. Meine Damen und Herren, bei der Währungsreform haben alle mit Null angefangen. Wenn dann ein Außenstand von, sagen wir einmal, 10 oder 15 % eintritt, so ist das schon eine Belastung für den Betrieb. Daß nun aber der Staat kommt und diese Außenstände, die vom Unternehmer noch kreditiert werden müssen, als Gewinne besteuern will, scheint mir nicht gerechtfertigt zu sein. Über die Gewerbesteuer soll nicht gesprochen werden, trotzdem bleibt ihre Berechtigung zweifelhaft. Zur Umsatzsteuer möchten wir das wiederholen, was wir schon gesagt haben, als wir hier über die Warenhaussteuer diskutierten: Eine Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer, wie sie immer als prinzipielle Eigenschaft dieser Steuer angenommen wird, gibt es für die kleingewerblichen Betriebe nicht. Hier muß der Unternehmer praktisch die Steuer selbst tragen. Hinzu kommt noch, daß die Ware gerade für ihn erheblich stärker besteuert wird als für alle anderen Unternehmen, die sich Konzentrationen, eine Verkürzung des Warenweges leisten können. Man hat den Ausweg der Phasensteuer zu beschreiten versucht und wollte ihn dann auch im Handwerk ausprobieren. Auf jeden Fall dürfen wir sagen, daß diese Phasensteuer kaum geklappt haben dürfte. So oft und intensiv wir dieses Problem auch hin und her diskutieren, wir stellen fest, daß es eine absolut gerechte Regelung bei der Umsatzsteuer einfach nicht gibt. Das liegt vielleicht schon an der Art der Steuer selbst. Wir müssen daher dazu kommen, irgendwie pauschal Änderungen vorzunehmen. Ich will nicht sagen, daß das folgende Beispiel richtig ist; es soll nur das Prinzip, wie wir uns diese pauschalen Änderungen vorstellen, kennzeichnen. Wir meinen, daß die vielen Nachteile, die gerade der kleine Unternehmer durch die Umsatzsteuer hat, dadurch ausgeglichen werden könnten, daß man beispielsweise den Umsatz bis 100 000 DM mit 3,5, darüber bis 1 Million DM mit 4 und darüber mit 4,5 °/o besteuert. Die Zahlen sind vielleicht nicht zutreffend; ich wollte nur an einem Beispiel das Prinzip aufzeigen. Im letzten Punkt fragen wir die Bundesregierung, ob sie bereit ist, eine Unterstützung für die Lehrlingsausbildung zu geben. Das Handwerk - um nur diesen Zweig herauszunehmen - bildet jeweils eine halbe Million Lehrlinge aus. Das ist eine schwere Belastung, die natürlich auch dem Handwerk zugute kommt, darüber hinaus aber auch anderen Wirtschaftszweigen. Eine besonders hohe Belastung trägt der Meister, der seinen Lehrling noch ins Haus nimmt, ihn beköstigt, ihm Wohnung und Unterkunft gewährt. Das wissen auch die anderen, daß das eine höhere Belastung ist, und also kommt sofort die Sozialversicherung und kommen die Finanzämter und veranschlagen ein höheres Einkommen. Das geht nun aber keinesfalls, daß derjenige Handwerksmeister, der es sich etwas mehr kosten läßt als die tariflichen Entgelte, auch noch steuerlich oder durch die Sozialversicherung besonders stark herangezogen wird. Daher meinen wir, es müßte ein Ausgleich gegeben werden. Wir halten den Ausgleich über die Steuern für richtiger als den über die Subventionen, weil man weiß, daß dort die doppelte Verwaltungsarbeit notwendig ist; es muß dann auch einer Verwaltung zugemutet werden, zu beurteilen, wer die Subventionen zu bekommen hat. Daher gehen wir den nach unserer Meinung einfacheren Weg und rechnen dem Meister den Lehrling, der bei ihm zu Hause wohnt, als Kind an. Ich darf noch einmal sagen, daß wir der Lehrlingsausbildung in den Handwerksbetrieben und gerade der Lehrlingsausbildung, wo der Lehrling im Hause des Handwerksmeisters wohnt, eine viel stärkere Unterstützung geben müssen. Denn die industrielle Lehrlingsausbildung ist nun einmal zu teuer, und sie ist - das glaube ich sagen zu können - nicht so gut. Die Industrie soll aber daran denken, daß von den 500 000 Lehrlingen, die jeweils im Handwerk ausgebildet werden, die Hälfte zur Industrie geht. Daher erscheint es auch gerechtfertigt, daß alle Volkskreise diese Ausbildung mit stützen helfen. Ich möchte zum Schluß wiederholen: wir wissen, daß eine rigorose Umarbeitung unseres Steuersystems zwar notwendig, aber nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist. Wir würden uns daher freuen, wenn uns der Herr Finanzminister oder der Herr Staatssekretär etwas über die voraussichtlichen Termine mitteilen könnte. Was aber schon jetzt zur Vereinfachung der Steuergesetzgebung getan werden kann, das sollte unverzüglich getan werden. Im Interesse des Fortbestandes des deutschen Mittelstandes ist Hilfe auf verschiedenen Gebieten erforderlich. Das dringendste Problem aber liegt auf dem Gebiet der Steuern, nicht einmal so sehr in der Höhe der Steuern, sondern in der Art der Durchführung, in der Handhabung der Steuergesetze. Ich meine, daß wir hier die Möglichkeit haben, rasch zu handeln. ({5})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Hartmann.

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Schäffer bedauert es ganz besonders, infolge der sich in diesen Tagen drängenden Verhandlungen über den Generalvertrag und die Annexverträge zu dieser Großen Anfrage nicht persönlich Stellung nehmen zu können. Sie wissen, wie sehr ihm gerade die Fragen des Mittelstands ans Herz gewachsen sind. ({0}) - Meine Damen und Herren, das werde ich Ihnen nicht zu widerlegen brauchen. ({1}) Herrn Minister Schäffer sind die Fragen des Mittelstands ans Herz gewachsen; das ist noch niemals ernsthaft und mit tatsächlichen Argumenten bestritten worden. ({2}) Ich komme zur Beantwortung von Punkt 1 der Großen Anfrage, Steuervereinfachung. Die Bundesregierung erstrebt schon seit längerer Zeit eine gründliche Vereinfachung des Steuerwesens, insbesondere auf dem Gebiet der Einkommensteuer. In wichtigen Punkten ist eine Vereinfachung schon durch das Einkommen- und Körperschaftsteuer({3}) änderungsgesetz vom Juni 1951 herbeigeführt worden. Aber ich darf hier gleich auf einen Punkt hinweisen, der bei den Wünschen auf Vereinfachung sehr wohl im Auge behalten werden muß. In diesem Gesetz vom Juni 1951 sind bei Ermittlung des gewerblichen Gewinns die §§ 7 a, 7 e und 10 a in Fortfall gekommen. Ich bitte daraus zu entnehmen: wenn die Steuergesetze so kompliziert sind, wie sie leider geworden sind, dann ist das nicht im Interesse der Finanzverwaltung geschehen, sondern diese komplizierten Vorschriften - die zum Teil eingeschaltet worden sind, wie sich schon aus der Paragraphenbezeichnung mit den kleinen Buchstaben ergibt - sind gerade im Interesse der Wirtschaft erlassen worden. Sie sind zu einer Zeit geschaffen worden, als uns durch die Militärregierungen die notwendigen Tarifsenkungen nicht ermöglicht wurden, und sie sind neben der großen Tarifsenkung vom April 1950 bestehen geblieben auf Wunsch und im Interesse der Wirtschaft, nämlich zum Wiederaufbau und zum Ausbau der Betriebe. Der Wegfall der eben von mir genannten Paragraphen hat natürlich auch eine Einschränkung dieser wirtschaftlichen Erleichterungen zur Folge gehabt. Die Frage ist also etwas zweischneidig. Ist es wirklich richtig, immer nur im Interesse der Vereinfachung Erleichterungen in Wegfall kommen zu lassen? Ich will nicht bestreiten, daß es auch Vereinfachungen gibt, die nicht mit dem Wegfall von Erleichterungen verbunden sind; über diese Erleichterungen werden Sie und wir uns sehr leicht verständigen können. Ich möchte aber doch ein wenig davor warnen, den Ruf nach der Vereinfachung so stark in den Vordergrund zu stellen, wenn mit der Vereinfachung unmittelbar ein Wegfall von wirtschaftlich wichtigen, man kann in vielen Fällen vielleicht sogar sagen, von wirtschaftlich, für den Wiederaufbau und für den Ausbau notwendigen Erleichterungsvorschriften verbunden wäre. Das würde z. B. auch für gewisse Maßnahmen zur Förderung des Kapitalmarktes gelten, die bekanntlich zur Zeit erwogen werden und sich noch in einem Vorbereitungsstadium befinden. Wenn daher die Förderung und Belebung des Kapitalmarkts durch Gesetzgebung auf dem Gebiete des Steuerrechts notwendig wird, wenn steuerliche Vorschriften für dieses wirtschaftliche Problem erforderlich werden, dann wird das bestimmt keine Vereinfachung des Steuerrechts sein, sondern es werden neue und wahrscheinlich ziemlich komplizierte Vorschriften auf dem Gebiet des Steuerrechts nötig werden. Ich glaube aber, man wird das in Kauf nehmen müssen. wenn man im Interesse des Wohnungsbaues und im Interesse der Förderung und des Wiederaufbaus der Wirtschaft solche Maßnahmen auf dem Kapitalmarkt für notwendig hält. Ich wollte das doch nebenbei bemerken. Die Frage der Vereinfachung des Steuerwesens für den Steuerpflichtigen wie für die Verwaltung spielt auch bei den Vorbereitungsarbeiten für eine grundlegende Reform des Steuerrechts eine große Rolle, mit denen wir ja nun schon seit längerer Zeit befaßt sind. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums wird voraussichtlich Ende April sein Gutachten zur Steuerreform fertigstellen. Der Herr Antragsteller hat eben erklärt, es sei erwünscht, daß auch Sachverständige aus den Kreisen des Mittelstandes daran mitarbeiteten. Dieser Wissenschaftliche Beirat ist, wie sein Name sagt, in erster Linie ein Beirat von Wissenschaftlern. Aber es ist selbstverständlich, daß das Bundesfinanzministerium für seine Entwürfe nicht nui die Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats zugrunde legen wird. Daneben werden Verhandlungen 'des Bundesfinanzministeriums mit den Finanzministern der Länder und den Vertretern der Wirtschaft, sowohl den Spitzenverbänden der Wirtschaft wie mit den Gewerkschaften, eingeleitet werden. Hierbei wird selbstverständlich auch der Mittelstand gebührend zu Worte kommen. Ich muß betonen: ob es möglich sein wird, eine grundlegende und das Steuersystem ändernde Reform schon in diesem Jahre, also mit Wirkung ab 1. Januar 1953, vorzunehmen, ist allerdings sehr zweifelhaft. Zunächst muß einmal das Lastenausgleichsgesetz verabschiedet und in Kraft gesetzt sein. Dann ist entweder das Gesetz nach Art. 107 des Grundgesetzes zu verabschieden, oder man hat sich darüber zu verständigen, daß der im Grundgesetz festgesetzte Termin vom 31. Dezember 1952 verlängert wird. Zunächst muß also Klarheit darüber bestehen, in welchem Sinne die Verteilung der Steuerquellen zwischen den Ländern und dem Bunde vor sich gehen wird. Die Verteilung der Steuerquellen setzt eine Verteilung der Aufgaben zwischen Ländern und Bund voraus. Erst wenn man sich über die Aufgabenverteilung klar ist, kann man sich über die Ausgabenverteilung und dann über die steuerlichen Einnahmen klar werden. Also auch über diese Aufgabenverteilung zwischen den Ländern und dem Bund muß Klarheit geschaffen werden, ehe man an eine Steuerreform herangeht, die, wie man im Jahre 1925 gesagt hat, wenigstens einen Anspruch auf relativen Ewigkeitswert erheben könnte. Zu einer Steuerreform gehört ferner auch ein gewisser Manövrierfonds. Man muß einige hundert Millionen D-Mark haben, die man riskieren kann. Denn bei einer umfangreichen neuen Steuergesetzgebung kann niemand sagen, ob sich nachher nicht ein Minus von einigen hundert Millionen D-Mark ergeben wird. Die Steuerreform hat ja nicht den Sinn, ein höheres Steueraufkommen zu schaffen, sondern man wird draußen wohl hoffen und mit dem Begriff der Steuerreform die Idee verbinden, daß steuerliche Erleichterungen, daß Herabsetzungen der Steuerlast möglich sein werden. Aber selbst wenn das nicht das unmittelbare Ziel ist, sondern man in erster Linie eine Vereinfachung und Klärung der Steuergesetze erreichen will, muß man einen gewissen Spielraum haben, innerhalb dessen man arbeiten kann; sonst sind die Risiken zu groß. Ich habe nicht den Eindruck. daß der Bundeshaushalt im Jahre 1952 den Spielraum für eine solche Reformgesetzgebung enthält. Das bedeutet nun nicht, daß nicht im Jahre 1952 schon eine Reihe von Maßnahmen in Angriff genommen werden sollten. Es liegt Ihnen ein Gesetzentwurf vor, nach dem für Kapitalansammlungsverträge die Weitergeltung auf 3 Jahre beabsichtigt ist. Außerdem arbeiten wir - ich habe das eben schon angedeutet - zur Zeit an einem Gesetzentwurf - und ich hoffe, daß er bald fertiggestellt werden kann -, der endlich die Grundlage für einen funktionierenden Kapitalmarkt schaffen soll. Allerdings werden wir dabei ohne gewisse neue Vorschriften auch auf dem Gebiete des Steuerrechts nicht auskommen können. Der Herr Antragsteller hat soeben eine Beschleunigung der Veranlagung gewünscht. Dabei komme ich auf einen weiteren wichtigen Punkt, der in der Öffentlichkeit manchmal übersehen wird. ({4}) Wir haben nicht eine Steuerverwaltung, sondern wir haben zwölf Steuerverwaltungen. ({5}) Wir haben eine des Bundes, die aber nur die Zölle, die Verbrauchsteuern und dann von den übrigen Steuern die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer erfaßt, wobei die Beamten der Finanzämter, die die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer bearbeiten, keine Bundesbeamten sind. Alle übrigen Steuern werden durch die Länder verwaltet, also durch elf Verwaltungen der Finanzminister der Länder. Es ist also Sache dieser elf Länderverwaltungen, daß sie in genügendem Maße die Beamten zur Verfügung stellen, die notwendigen Stellenpläne schaffen und die Ausbildung der Beamten vornehmen, damit entsprechend den Wünschen des Antragstellers, für die wir durchaus Verständnis haben, der Abgabe der Erklärungen sobald wie möglich die Veranlagung und, wenn nötig, auch eine Prüfung folgen kann. Wenn vorhin etwas über Verwerfung der Buchführung und überhaupt über die Handhabung und Durchführung der Steuergesetze gesagt wurde, dann darf ich darauf hinweisen, daß die Durchführung der Einkommensteuer, der Vermögensteuer usw. allein Sache der Finanzminister der Länder 'ist und daß der Bundesfinanzminister in dieser Hinsicht keinerlei Anweisungs- oder Eingriffsrecht hat. Wir werden selbstverständlich auch diese Ihre Anregungen mit den Finanzministern der Länder in unseren laufenden Beratungen besprechen. Ich komme zu Punkt 2 der Großen Anfrage. Wir haben bereits im April 1950 bei der großen Tarifsenkung - die nach unserer Ansicht nur ein erster Schritt zu einer Gesundung der Steuertarife sein sollte, dem dann leider bisher weitere derartige Schritte nicht folgen konnten - gerade auch für die kleineren und mittleren Einkommen erhebliche Steuersenkungen erzielt. Wir sind darüber hinaus der Ansicht, daß es in vielen Fällen wohl zweckmäßig sein kann, durch eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen eine zusätzliche Erleichterung in der praktischen Handhabung der Steuergesetze für Kleingewerbetreibende und Handwerker zu erreichen. Was die Buchführung betrifft, so ist es nicht nur vom Standpunkt der Steuerverwaltung erwünscht, daß auch kleinere Gewerbetreibende sich entschließen, ordnungsmäßig Buch zu führen; es ist auch für diese selbst im Grunde richtiger, durch ihre Buchführung eine Übersicht über ihren Betrieb und ihren Betriebserfolg zu haben. Sie sind dann auch gegenüber ihren Konkurrenten, die eine ordnungsmäßige Buchführung und damit einen guten Überblick über den Betrieb haben, in einer leichteren Lage und lassen sich nicht so leicht von vorübergehenden höheren Einnahmen täuschen, denen in Wirklichkeit vielleicht ein Substanzverlust gegenübersteht. Wir glauben also, daß es gerade das eigene Interesse dieser Wirtschaftskreise sein sollte, sich nicht so stark gegen eine Buchführung zu wenden; wir sind aber bereit, die Frage der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zu prüfen und darüber zu verhandeln. Dann ist die Frage der sogenannten Haushaltsbesteuerung, also der Zusammenveranlagung von Ehemann und Ehefrau angeschnitten worden. Es liegt hier ein Beschluß des Vermittlungsausschusses vom 20. Juni 1951 vor. Wir bereiten gesetzliche Vorschriften dazu vor und werden sie in Kürze dem Bundestag vorlegen. Eng im Zusammenhang damit steht der Vorschlag, die mitarbeitende Ehefrau allgemein durch einen besonderen Freibetrag zu begünstigen. Wir glauben jedoch, daß diese Frage erst im Zusammenhang mit der großen Steuerreform behandelt werden kann. Dann ist die Frage aufgeworfen worden, ob eine völlige Änderung des Umsatzsteuersystems am Platze ist. Zu der großen Frage eines Systemwechsels bei der Umsatzsteuer möchte ich in dem vorliegenden Zusammenhange nicht sprechen, weil der Mittelstand dadurch kaum berührt werden würde. Ich habe aber auch Bedenken, ob man nicht durch einen gestaffelten Steuersatz in die Umsatzsteuer, die schon lange nicht mehr die einfache Steuer von früher ist, eine noch größere Komplikation hineinbringen würde. Ein Vorwurf, der bei dem geltenden Umsatzsteuersatz von 4 % immer wieder gemacht wird, ist der, daß Unternehmen, die mehrere Betriebsstufen vertikal miteinander vereinigen, günstiger als die einstufigen Unternehmen gestellt sind, die in großer Zahl dem gewerblichen Mittelstand angehören. Um diesen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den einstufigen Unternehmen auszugleichen, hat die Bundesregierung auf Grund einer Initiative aus dem Finanz- und Steuerausschuß des Hohen Hauses und nach dessen Anhörung in den Durchführungsbestimmungen vom 29. Juni 1951 eine sogenannte Zusatzsteuer für diejenigen Unternehmer eingeführt, die die Erzeugungsstufe und die Einzelhandelsstufe in ihren Unternehmen vereinigen. Die Handwerker sollten dieser Zusatzsteuer nicht unterworfen werden. Es waren daher von ihr Unternehmer befreit, die nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen oder keinen höheren Gesamtumsatz als 240 000 DM gehabt haben. Es ist zuzugeben, daß die Durchführungsverordnung eine Reihe von Unebenheiten enthält, die bei ihrer Einführung nicht beabsichtigt waren und die sich gerade in den Kreisen des Mittelstandes in dieser nicht beabsichtigten Weise ausgewirkt haben. Das Bundesfinanzministerium hat daher der Bundesregierung den Entwurf einer dritten Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuerdurchführungsbestimmungen vorgelegt, der Vereinfachungen der Zusatzsteuer und weitere Befreiungen zugunsten der mittelständischen Unternehmer enthält. Die Zusatzsteuer soll nicht mehr angewendet werden bei Unternehmen, die nicht mehr als 20 Arbeitnehmer - statt bisher 10 - beschäftigen oder deren Gesamtumsatz 360 000 DM - statt bisher 240 000 DM - im Jahr nicht überschritten hat. Weiter wird eine Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen nicht mehr als Herstellung angesehen, wenn die Kosten dieser Be- oder Verarbeitung - ohne Berücksichtigung der anteiligen Gemeinkosten - nicht mehr als 15 Vo des Verkaufspreises betragen. Das wird zur Folge haben, daß das Handwerk von der Zusatzsteuer so gut wie gar nicht mehr betroffen werden wird, und auch im Einzelhandel werden die dort üblichen Be- und Verarbeitungen befreit sein. Entsprechend der damaligen Zusage der Bundesregierung wird der Verordnungsentwurf noch in dieser Woche im Finanzausschuß des Bundestags zur Erörterung stehen. Wir hoffen, daß nach dieser Beschränkung des Anwendungsgebiets auf die wesentlichen Fälle der fabrikatorischen Verbindung von Herstellung und Einzelhandel die Bundesregierung diese Verordnung zum Schutze der einstufigen mittelständischen Unternehmen zwecks Beseitigung der von mir erwähnten, seinerzeit nicht beabsichtigten Nebenwirkungen in Kraft setzen kann, und zwar mit ({6}) Wirkung ab 1. Juli 1951. Wir erwägen auch noch andere Vereinfachungsmaßnahmen zugunsten der mittelständischen Unternehmen, insbesondere für Arbeitsgemeinschaften des Handwerks. Nun zu Punkt 3 der Drucksache Nr. 3130. Finanzielle Vergünstigungen für 'die Lehrlingsausbildung bestehen bereits. Im Rechnungsjahr 1951 sind zur Schaffung von zusätzlichen Lehr- und Ausbildungsplätzen und für Berglehrlingsheime 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Wir hoffen, daß uns die Haushaltslage erlauben wird, auch im Rechnungsjahr 1952 wieder denselben Betrag von 20 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Das Hohe Haus hat am 23. Januar 1952 mit Drucksache Nr. 2977 die Bundesregierung ersucht, zur Beschaffung von Lehrstellen für Jugendliche - und auch für einige andere Zwecke - zeitlich begrenzte finanzielle Vergünstigungen steuerlicher Art einzuführen. Ich nehme an, daß Punkt 3 der Großen Anfrage dasselbe betrifft, wohl etwas allgemeiner, nämlich nicht nur zusätzliche Stellen, sondern ganz allgemein die Förderung von Lehrstellen. Die Bundesregierung konnte zu dem Beschluß des Hohen Hauses von Ende Januar noch nicht Stellung nehmen und kann auch in diesem Augenblick zu dem genannten Punkt der Anfrage noch nicht endgültig Stellung nehmen. Ich darf wohl unterstellen, daß die Herren Antragsteller damit einverstanden sind, daß das Gesamtproblem dem zuständigen Ausschuß überwiesen wird. Dort wird sich ja stärker, als es hier in der Plenardebatte der Fall sein kann, für Sie und für die Bundesregierung die Möglichkeit ergeben, zu den vielfach angeschnittenen Einzelfragen Stellung zu nehmen. Sie dürfen unseres guten Willens zu einer positiven Mitarbeit gewiß sein. ({7})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Die Anfrage ist damit beantwortet. Ich frage das Haus, ob eine Besprechung der Interpellation gewünscht wird. - Das ist nicht der Fall. Infolgedessen ist der Punkt 2 der Tagesordnung erledigt. Wir kommen zur Beratung der Punkte 1, 3 und folgende. Nun war vorhin die Geschäftsordnungsdebatte. Inzwischen ist mir mitgeteilt worden, daß zwischen den großen Fraktionen eine Vereinbarung getroffen ist, die Debatte folgendermaßen aufzugliedern: zunächst die Punkte 1 und 3 zusammen zu besprechen, dann wieder zusammen die Punkte 6, 9 und 10, die Punkte 8 und 11 und 5 und 7 und zuletzt den Punkt 4, so daß wir also die Debatte in fünf Abschnitten führen könnten. Ich nehme an, daß, nachdem die entsprechenden Vereinbarungen getroffen sind, das Haus dieser Regelung zustimmt. ({0}) - Nein, es bleibt dann bei der festgesetzten Redezeit. Es ist Sache des Hauses und der Sprecher, sich bei der Beratung der einzelnen Punkte innerhalb der Redezeit entsprechend zu verhalten. Wir können das alles doch nicht bis ins Detail regeln. Ich glaube, wir können so verfahren. Dann kann ich also zunächst den Punkt 1 der Tagesordnung aufrufen: Beratung der großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Altersversorgung des Handwerks ({1}). Gleichzeitig rufe ich Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktion der Föderalistischen Union ({2}) betreffend Vorlage eines Änderungsgesetzes über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk ({3}). Wer begründet? ({4}) - Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat Herr Abgeordneter Becker. Becker ({5}) ({6}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn heute in diesem Hohen Hause gewissermaßen der Tag des deutschen Handwerks stattfindet, dann ist es erklärlich, daß ein so wichtiger Punkt in der Handwerkspolitik wie die Altersversorgung hier mit behandelt werden muß. Durch die große Anfrage meiner Fraktion in Drucksache Nr. 3129 soll die als dringend erforderlich angesehene beschleunigte Reform des Gesetzes über die Altersversorgung des deutschen Handwerks vom 21. Dezember 1938 angestrebt werden. Es vergeht kaum eine Zusammenkunft oder eine Versammlung der Handwerker, wo nicht das Kapitel Altersversorgung Gegenstand der Behandlung, aber auch Gegenstand der Kritik ist und Änderungen dieses Gesetzes immer wieder gefordert werden. Ich darf daran erinnern, daß schon am 20. Juli 1949 der bizonale Wirtschaftsrat die damalige Verwaltung für Arbeit durch einstimmigen Beschluß aufgefordert hat, ein Reformgesetz zur Altersversorgung vorzulegen. Ich darf Ihnen diesen einstimmigen Beschluß einmal bekanntgeben. Er lautet: In Anpassung an die wirtschaftliche und soziale Lage des selbständigen Handwerks und im Hinblick auf eine freiheitliche Entwicklung in allen Lebensbereichen muß auch der Zwang bei der Altersversorgung des Handwerks wesentlich gelockert werden. Ich möchte feststellen, daß diese damalige Begründung des bizonalen Wirtschaftsrats wirklich sehr gut war. Auch der Deutsche Bundestag hat in seiner Sitzung am 17. Januar 1951 folgenden einstimmigen Beschluß gefaßt: Die Bundesregierung wird ersucht, spätestens bis zum 31. März 1951 im Sinne einer weitgehenden Auflockerung der Versicherungspflicht einen Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk vom 21. Dezember 1938 vorzulegen. Meine Damen und Herren! Die Tendenz des Gesetzes vom 21. Dezember 1938, nämlich die Sicherung der Altersversorgung auch für die Angehörigen des Handwerks, wird von der übergroßen Mehrheit des Handwerks anerkannt, doch glauben wir sagen zu müssen, daß dieses Gesetz zu schematisch ist und auf die Verschiedenheiten innerhalb des Handwerks sowie auf die besondere Struktur des Handwerks nicht die genügende Rücksicht nimmt. Hunderttausende von Handwerkern haben es 1938 begrüßt, daß sie an die Sozialversicherung angeschlossen wurden und so wenigstens eine kleine Sicherung für ihre alten Tage haben. Viele hatten durch die Inflation ihr Vermögen verloren, das ihre Altersversorgung sicherstellen sollte. Ich möchte aber auch ausdrücklich betonen, daß ebenso viele Handwerksmeister - das liegt in der Struktur des Handwerks begründet - von jeher auf andere Art für ihr Alter vorgesorgt haben, und zwar durch Eigentumsbildung. Diese Möglich({7}) keit sollte man ihnen dadurch wiedergeben, daß man die Handwerker, die über Eigentum von einem gewissen Wert verfügen - über die Summe selbst kann man verschiedener Meinung sein; aber darüber kann man sich verständigen -, von der Versicherungspflicht freistellt. Ich darf beispielsweise darauf hinweisen, daß wir immerhin auf dem Lande etwa 120 000 selbständige Handwerksbetriebe haben, deren Inhaber neben ihrem Handwerk mehr oder weniger auch noch etwas Landwirtschaft betreiben, also Grundbesitz und außerdem noch Hausbesitz haben. Ich glaube, daß hier schon eine annehmbare Altersversorgung vorliegt. Genau so gibt es aber auch in den Städten manche Handwerksmeister, die altrenommierte Geschäfte und dazu entsprechenden Haus- und Grundbesitz haben, so daß hier ebenfalls eine entsprechende Altersversorgung gewährleistet sein dürfte. Man sollte auch überlegen, ob man Handwerkern, die zur Erlangung von Eigentum gewisse Verpflichtungen eingehen, z. B. bei einer Bausparkasse mit Versicherungsablösung die dort gezahlten Beiträge anrechnen könnte. Eine doppelte Bezahlung von Beiträgen zur Bausparkasse und zur Angestelltenversicherung ist den jungen selbständigen Handwerkern meistens nur sehr schwer möglich. Wir sind der Meinung, daß der Erwerb von Eigentum in Verbindung mit einem Beruf immer noch die beste Sicherung für das Alter ist, und wir sollten froh sein, daß es noch viele Menschen gibt, die in eigener Verantwortung für ihre alten Tage vorsorgen und nicht auf die Hilfe und Fürsorge des Staates und seiner Einrichtungen angewiesen sein wollen. ({8}) Diese Menschen aus der gesetzlichen Haftung zu entlassen, sollte auch unser Anliegen sein; denn dadurch erziehen wir freie, verantwortungsvolle Bürger, was wiederum nur zum Vorteil des Staates sein kann. Eine gewisse Ungerechtigkeit sehen wir für diejenigen Handwerker, die etwa ein größeres Geschäft haben und dementsprechend auch höher dotiertes leitendes Personal beschäftigen. Diese Angestellten sind versicherungsfrei, wenn sie ein Einkommen haben, das über die Freigrenze hinausgeht, während der Handwerksmeister unbeschadet seines persönlichen Einkommens versicherungspflichtig ist. Dadurch werden Handwerker mit einem großen Geschäft allzuleicht verleitet, der handwerklichen Organisation mit ihrem Versicherungszwang den Rücken zu kehren und sich der Organisation der Industrie anzuschließen, bei der dieser Zwang zur Versicherung nicht besteht. Wir legen nun einmal Wert darauf, daß alle Handwerksbetriebe auch organisatorisch bei uns sind. In dem erwarteten Gesetz müßten unseres Erachtens auch zugunsten derjenigen Handwerker, die in den letzten Jahren aus den verschiedensten Gründen mit ihrer Versicherung in Schwierigkeiten geraten sind, großzügige Übergangsbestimmungen eingebaut werden. Wir sind ferner der Meinung, daß in diesem Gesetz die Invalidenversicherung ruhig mit eingeschaltet werden könnte und daß man dem Handwerker die Wahlfreiheit läßt, insbesondere dann, wenn er schon vorher als Lehrling oder Geselle jahrelang invalidenversicherungspflichtig gewesen ist und hier vielleicht schon die Anwartschaft erworben hat. Die Auflockerungsbestimmungen halten wir auch deshalb für notwendig, um die Strömungen im Handwerk, welche die völlige Abschaffung des Altersversorgungsgesetzes verlangen, nicht noch stärker werden zu lassen. Ein spezielles Handwerkergesetz aber, das von der Mehrheit des Handwerks abgelehnt werden würde, wäre nach unserer Ansicht psychologisch ein Fehlschlag. In diesem Zusammenhang darf ich noch auf einen Übelstand hinweisen, der in weiten Kreisen des Handwerks viel Unwillen erregt. Ich spreche von denjenigen, die seinerzeit auf Grund des Gesetzes über die Altersversorgung des Handwerks vom Jahre 1938 eine Lebensversicherung von wenigstens 5000 RM abgeschlossen haben. Die Auswertung der Handwerkszählung 1949 hat ergeben, daß etwa 350 000 Handwerker auf Grund des genannten Gesetzes damals eine Lebensversicherung abgeschlossen haben und nun, durch die Maßnahmen der Währungsreform geschädigt, mit Sorge an ihr Alter denken müssen. Viele von ihnen werden der Fürsorge anheimfallen, obwohl sie seinerzeit dem Gesetz Genüge getan haben. Wir hoffen aber, daß - wenn auch nicht im Rahmen dieses Gesetzes - doch baldigst auch in dieser Hinsicht von seiten der Regierung Maßnahmen erwogen und in die Tat umgesetzt werden, damit diesem Geschädigtenkreis, der unverdient in Not gerät, geholfen werden kann. Weitere Einzelheiten zu dem Gesetz können noch behandelt werden, wenn das Gesetz erst einmal vorliegt. Uns geht es heute in erster Linie darum, wann das Gesetz hier vorgelegt wird. Wir hörten, es sei nächstens fertig und könne dann dem Hause vorgelegt werden. Wir haben deshalb die Hoffnung, daß uns die Regierung heute eine befriedigende Antwort geben kann, und zwar sowohl in bezug auf die zeitliche Vorlage des Gesetzes als auch auf eine weitgehende Auflockerung der Versicherungspflicht in der Handwerker-Altersversorgung. ({9})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Zur Beantwortung der Großen Anfrage - Punkt 1 der Tagesordnung - hat der Herr Bundesarbeitsminister das Wort.

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es freut mich, daß durch die Große Anfrage, die heute zur Debatte steht, einmal Gelegenheit gegeben ist, zu einer Angelegenheit Stellung zu nehmen, die sowohl das Handwerk als auch die Regierung in den zwei letzten Jahren sehr stark beschäftigt hat. Wir haben es hier mit Anträgen zu einem Gesetz zu tun, das im Jahre 1938 von den Nationalsozialisten sehr überstürzt über die Bühne gebracht worden ist. Man hat dieses Gesetz ein „Gesetz zur Altersversorgung des deutschen Handwerks" genannt. Es war meines Erachtens zum großen Teil - soweit die Privatversicherungsabschlüsse in Frage kamen - ein Gesetz, welches mehr oder weniger, ebenso wie bei den Volkswagensparern, sogenannte überschüssige Kaufkraft absorbieren sollte. Das muß man klar sehen. Damals hat man gesagt: Der Handwerker kann seinen Schutz für das Alter einmal durch den Beitritt zur Angestelltenversicherung sicherstellen, oder er kann eine Lebensversicherung abschließen. Innerlich haben diese beiden Dinge beinahe gar nichts miteinander zu tun. Derjenige Handwerksmeister, der damals zur Angestelltenversicherung gegangen ist, wußte ganz genau, daß er, wenn er eine Anwartschaft von fünf Jahren erfüllt hat, nicht nur Rechtsansprüche auf eine laufende Rente nach der Vollendung des 65. Lebensjahres, sondern auch dann hat, wenn er vor der Vollendung des ({0}) 65. Lebensjahres - wie es in der Angestelltenversicherung heißt - „berufsunfähig" wird. Darüber hinaus hatte dieser Handwerksmeister noch den Vorteil, daß er, wenn er von einer langwierigen Krankheit befallen wurde, die Heilverfahren der Angestelltenversicherung in Anspruch nehmen konnte. Ganz anders war es bei dem Mann, der zu der privaten Versicherungsgesellschaft, d. h. zu der Lebensversicherung ging. Er hatte einen Anspruch auf einen Geldbetrag, wenn er das 65. Lebensjahr erreichte. Seine Angehörigen hatten einen Rechtsanspruch auf denselben Geldbetrag, wenn der Mann vorzeitig verstarb. Aber für beide war nur eine ganz kleine Deckungssumme vorhanden, wenn der Mann vorzeitig arbeitsunfähig wurde. Er hatte dann nur in einer sogenannten stillgelegten Versicherung das sogenannte Deckungskapital, das. in dem Moment vorhanden war, in dem er auf Grund seiner Arbeitsunfähigkeit ,die Beitragszahlung einstellen mußte. Nun haben die Handwerker aus sich selbst heraus bis heute noch keine einheitliche Stellungnahme über die Versorgung des Handwerks zuwege gebracht. Das ist auch gar kein Wunder; sie könnten auf Grund ihrer Tätigkeit in ihrem eigenen Betrieb die volle Verantwortung für ihre Zukunft übernehmen. Diese Stellungnahme wurde in der Zeit, als hier die Bundesregierung gebildet wurde, sehr stark in den Vordergrund gerückt. In der Zwischenzeit haben sich aber in den handwerklichen Organisationen und vor allen Dingen in den Kreisen der Handwerker selbst sehr starke geistige Wandlungen vollzogen. Es gibt heute einen sehr großen Prozentsatz von Handwerkern, die sagen: „Eine Lebensversicherung, Hausbesitz oder ein größeres Geschäft ist sehr nett und schön und könnte mir eine Sicherung geben; was geschieht aber in dem Moment, in dem ich durch die wirtschaftlichen Verhältnisse einmal zahlungsunfähig werde? Dann stehe ich vor einem restlosen Nichts, und meine Familie auch." Genau so steht es, wenn man den Handwerkern die Fragen vorlegt: „Was geschieht mit dir, wenn du dich jetzt auf Grund der Ausweitung deines Geschäfts sehr stark finanziell engagiert hast und du krank und auf Grund deiner Krankheit nachher invalide oder, wie es in der Angestelltenversicherung heißt, berufsunfähig wirst? Dann stehst du doch auch vor dem Nichts!" Daher kommt es, daß sich heute in den Gesprächen mit den Handwerkern die Wandlungen klar zeigen. Alle diese Probleme müssen selbstverständlich erörtert werden, wenn man ein Gesetz zur Sicherstellung der Handwerker für das Alter behandelt. Wir haben in meinem Ministerium diese Erörterungen mit den Organisationen der Handwerker, mit den zuständigen Ressorts der anderen Ministerien und mit allen, die es gut mit dem Handwerk meinen, auch mit politischen Persönlichkeiten geführt und sind auf Grund dieser Besprechungen zu dem Abschluß einer Gesetzesvorlage gekommen. Dieses Gesetz ist in der vergangenen Woche mit meiner Unterschrift ans Kabinett gegangen. Ich nehme an, daß es innerhalb der nächsten 14 Tage im Kabinett verabschiedet und dann den gesetzgebenden Körperschaften zugeleitet wird. Seien wir uns aber völlig klar darüber, daß die Behandlung dieses Gesetzes hier in diesem Hohen Hause noch einige Kopfschmerzen machen wird. Die Damen und Herren, die sich in den zuständigen Ausschüssen mit den Dingen beschäftigen müssen, werden noch sehr schwierige Probleme zu behandeln haben, ehe das Gesetz endgültig verabschiedet werden kann. Ich glaube, es wäre unzweckmäßig, wenn ich jetzt in eine besondere Aussprache über den Inhalt des Gesetzes einträte, weil dieses Gesetz nach seiner Einbringung, spätestens in vier oder fünf Wochen, hier in seinem gesamten Umfange sowieso behandelt werden muß. ({1})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Ich bitte nun um die Begründung zu Punkt 3 der Tagesordnung. Das Wort hat Herr Abgeordneter Etzel. Dr. Etzel ({0}) ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit Genugtuung aus den Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers entnommen, daß seine Ressortvorlage nunmehr der Bundesregierung zur Beratung und Beschlußfassung darüber zugeleitet werden soll, ob dieser Gesetzentwurf unverändert oder nach einer weiteren Umarbeitung dem Parlament vorgelegt werden soll. Der Herr Bundesarbeitsminister hat also die Frage 1 der Großen Anfrage beantwortet Ich kann mich angesichts der Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers in der Begründung unseres Antrages vom 14. Februar sehr kurz halten. Der Herr Minister hat aber die Frage 2 der Großen Anfrage nicht beantwortet, nämlich die Frage, ob in der beabsichtigten Gesetzesvorlage eine weitgehende Auflockerung des Versicherungszwanges vorgesehen ist. Er hat nur auf die Problematik der Angelegenheit und die wesentliche geistige Wandlung, die im Handwerk in den letzten zwei Jahren in der Betrachtung und Beurteilung dieses wichtigen Gegenstandes eingetreten ist, hingewiesen. Ich darf aber doch bemerken, daß das Handwerk überwiegend - vielleicht in der letzten Zeit noch mehr denn je - trotz aller sozialen Sicherungsbedürfnisse weiter handwerklicher Kreise nach wie vor eine nicht unwesentliche Auflockerung der Versicherungspflicht wünscht. Ich glaube, daß einem solchen Wunsche des Handwerks von der Legislative nicht entgegengetreten werden sollte. Wichtig ist für uns vor allem ein Punkt, der in unserem Antrag hervorgekehrt ist und der auch von dem Herrn Kollegen, der die Große Anfrage begründet hat, kurz gestreift worden ist. Das ist die Frage der Aufwertung der Lebensversicherungen, die zur Ablösung - nicht zur Abwendung - des Versicherungszwanges von den Handwerksmeistern eingegangen worden sind. Meine Damen und Herren, diese Frage ist nicht ohne weiteres mit dem Problem der Aufwertung der Altsparguthaben gleichzustellen; denn hier handelt es sich um die ersatzweise Verwirklichung eines Versicherungszwanges. Viele Handwerksmeister haben aus einer gewissen Beurteilung der Sozialversicherung allgemein Bedenken getragen, sich in den Bezirk der Sozialversicherung hineinzubegeben, und haben sich, obwohl sie wußten, daß sie unter Umständen hinsichtlich der Heilbehandlung oder der vorzeitigen Invalidität für sich oder ihre Hinterbliebenen einige Nachteile in Kauf zu nehmen haben, doch für die ihrer Auffassung vom selbständigen Inhaber eines Betriebes oder Unternehmens besser entsprechende Lösung, nämlich für den Abschluß einer Lebensversicherung entschieden. Es ist undenkbar, daß über diesen Punkt in der Gesetzesvorlage hinweggegangen werden könnte. Aus dem Schweigen des Herrn Bundesarbeitsministers bin ich geneigt zu entnehmen, daß der Punkt in seiner ({2}) Vorlage nicht geregelt ist. Ich wünsche dringend, daß die Bundesregierung in diesem Punkte eine Ergänzung der Vorlage vornimmt. Was die Frage der Auflockerung des Versicherungszwanges angeht, so darf ich darauf hinweisen, daß im Handwerk der Wunsch besteht, sein soziales Sicherungsbedürfnis auch in der Invalidenversicherung decken zu können. Vor allem wird eine Ermäßigung des Mindestbetrags für den Abschluß eines Lebensversicherungsvertrags von 10 000 auf 8 000 DM gewünscht. Die andere Frage, ob die Mindestgrenze für die Versicherungsfähigkeit von 50 auf 55 Jahre hinaufgesetzt werden soll, bedarf wohl noch der Prüfung durch den Bundestag bzw. durch die Bundesregierung. Wir dürfen jedenfalls der Genugtuung darüber Ausdruck geben, daß die Legislative endlich darangegangen ist, diese Angelegenheit, die schon allzu lange in der Schwebe ist und einen Grund und Gegenstand fortgesetzter Unruhe im Handwerk bildet, nunmehr in Angriff zu nehmen. Wir wünschen im Interesse eines großen Teils unserer deutschen Bevölkerung, daß die Lösung des Problems und die Regelung der Angelegenheit in einer Weise erfolgen, die als angemessen bezeichnet werden darf. ({3})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu dem, was ich vorhin bezüglich des vorliegenden Gesetzentwurfs ausgeführt habe, möchte ich noch folgendes sagen. Wir beabsichtigen, vor allem den Zustand zu beseitigen, daß die Handwerker, gleichgültig wie hoch ihr steuerpflichtiges Einkommen ist, versicherungspflichtig sind; sie sollen es, nur in demselben Umfang sein wie der Angestellte. Die Versicherungsgrenze ist momentan 7200 DM, sie wird nach einer neuen Gesetzesvorlage in der Zukunft 8400 DM im Jahr sein. Derjenige, der dauernd ein höheres Einkommen hat, wäre nach diesem Gesetz also nicht mehr versicherungspflichtig. Eine zweite Frage, die die Handwerker in diesem Zusammenhang sehr stark interessiert, ist folgende: Was geschieht bei den Leuten, bei denen infolge Verringerung des Wertes der Lebensversicherung wieder die Angestelltenversicherungspflicht eingetreten ist? In der Gesetzesvorlage ist vorgesehen, daß dann eine Stillhaltung bis zum 31. Dezember dieses Jahres eintritt. Das heißt, daß die Sozialversicherungsträger keinerlei Eintreibung vornehmen können. Wir haben diese Bestimmung in das Gesetz gebracht, um den Handwerkern Zeit zu geben, sich völlig klar darüber zu werden, welche Entscheidung sie für die Zukunft treffen wollen. Wir wollen auch - vielleicht kann das sogar in Verbindung mit den Handwerkerorganisationen geschehen - in der Zwischenzeit eine weitgehende Aufklärung der Handwerker vornehmen. Ich komme zu der Frage, die von meinem Vorredner angeschnitten worden ist, inwieweit beabsichtigt ist, die Lebensversicherungen aus der Zeit von 1939/45 oder, besser gesagt, bis zur Währungsreform aufzuwerten. Diese Frage ist in dem von uns erarbeiteten Gesetzentwurf aus folgenden Gründen nicht geregelt. Er ergeben sich hier Komplikationen, deren Beseitigung vor allen Dingen von den Ministerien für Wirtschaft und für Finanzen übernommen werden muß. Die Probleme sind teilweise sehr schwierig. Wer den Aufbau der Lebensversicherung kennt, weiß, daß in den ersten Jahren der Laufzeit die sogenannten Deckungskapitalien sehr gering sind. Das beruht darauf, daß die Lebensversicherungsgesellschaften die sogenannten Werbungskosten, die bei 1000 DM Versicherungssumme meistens bei 34 bis 35 DM liegen, in den ersten beiden Jahren verrechnen. Außerdem wird auch das abgesetzt, was in der Prämie als Risiko für das vorzeitige Ableben enthalten ist. Das geht also bei der Errechnung des Deckungskapitals ab, so daß nach einer fünfjährigen Beitragszahlung in eine Lebensversicherung meistens nur ein Deckungskapital in Höhe von ungefähr der Hälfte der eingezahlten Beiträge vorhanden ist. Das soll keinerlei Herabsetzung unserer Lebensversicherungsgesellschaften darstellen, sondern diese Dinge ergeben sich nun einmal aus versicherungsmathematischen Überlegungen. Es kommt ein Weiteres hinzu. Diese Versicherung für das Handwerk ist mit dem 1. Januar 1939 wirksam geworden. Damals hatten wir bereits einen Geldumlauf von 11,28 Milliarden Mark gegenüber einem solchen von 5,36 Milliarden Mark im Jahre 1933. Für jeden, der über den Zusammenhang zwischen Geldumlauf und Geldwert orientiert ist, war damals schon sichtbar, daß wir im Anfang einer Inflation standen. Die Verhältnisse in den Jahren 1944/45 waren folgende. Im Jahre 1944 hatten wir einen Geldumlauf von ungefähr 39 Milliarden, im Jahre 1945 von ungefähr 57 Milliarden Mark, also rund das Zehnfache des Geldumlaufs vom Jahre-1933. Nun kommt die große Frage: Inwieweit kann man Zahlungen, die in der damaligen Zeit geleistet worden sind, umwerten nach dem Wert, den unser Geld heute nach der Währungsreform hat? Wenn sich bei der Behandlung des Gesetzes im Ausschuß herausstellt, daß die gesetzliche Regelung auf die Lösung dieser Frage ausgedehnt werden muß, müssen wir eben prüfen, ob für diesen Teil der Handwerkerversicherung ein besonderes Gesetz gemacht werden soll oder ob wir ,die Regelung in den vorliegenden Gesetzentwurf einbauen können.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Wir treten nunmehr in die Aussprache ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Freidhof zu Punkt 1 und Punkt 3.

Rudolf Freidhof (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000577, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine Damen und Herren! Schon allein die Tatsache, daß von den 900 000 Inhabern von Handwerksbetrieben rund 120 000 das 65. Lebensjahr überschritten haben und eine große Zahl der Handwerker an diese Altersgrenze herankommen, verpflichtet uns, möglichst rasch auf dem Gebiet der Altersversorgung des deutschen Handwerks etwas zu unternehmen. Dazu kommt, daß ein Teil der Handwerker durch die Inflation im Jahre 1923 und durch die Währungsumstellung im Jahre 1948 einen Teil ihres Vermögens oder der Ersparnisse, die sie für ihr Alter angesammelt hatten, verloren haben. Nun hat Herr Abgeordneter Schmücker und auch Herr Abgeordneter Stücklen hier erklärt, daß die Parteien, die hier vertreten sind, gegenüber dem Handwerk heute Farbe bekennen müssen. Ich glaube, diese Aufforderung war gegenüber der sozialdemokratischen Fraktion nicht notwendig. Erstens stehen wir dem Handwerk positiv gegenüber, und zweitens wünschen wir auch, daß eine Altersversorgung für das Handwerk geschaffen ({0}) wird, die den berechtigten Wünschen des Handwerks einigermaßen Rechnung trägt, soweit das im Rahmen des Möglichen liegt. Damit nicht die Meinung aufkommt, die sozialdemokratische Fraktion habe erst, nachdem die Anträge der CDU und der Föderalistischen Union eingereicht sind, zur Altersversorgung Stellung genommen, möchte ich darauf verweisen, daß wir schon, bevor diese Anträge eingereicht waren, eine Anfrage an die Regierung gerichtet hatten, bis wann mit der Vorlage des Gesetzes über die Altersversorgung des deutschen Handwerks gerechnet werden könne. Wir haben gefragt, warum eine so lange Verzögerung eingetreten sei, nachdem der Bundestag am 17. Januar vorigen Jahres beschlossen hatte, die Regierung zu verpflichten, bis zum 31. März 1951 ein Gesetz vorzulegen. Wir stehen also der Altersversorgung und einer Hinterbliebenenversorgung des deutschen Handwerks positiv gegenüber. Die Regierung hat uns auf unsere Anfrage am 26. Februar 1952 geantwortet, daß zunächst die Ergebnisse der vom Statistischen Bundesamt durchgeführten Handwerkszählung abgewartet werden mußten und daß es ferner notwendig gewesen sei, mit den beteiligten Stellen wiederholt eingehende Verhandlungen zu führen, um die von den Handwerksorganisationen geforderten weitgehenden Änderungen des Handwerkerversorgungsgesetzes mit den Belangen der Angestelltenversicherung in Einklang zu bringen. Wir machen deshalb der Regierung keinen Vorwurf, daß es so lange gedauert hat. Wir wissen, daß es sich bei diesem Problem um eine sehr schwierige Materie handelt. Wir freuen uns, daß der Herr Arbeitsminister eben erklärt hat, das Gesetz werde in unmittelbar bevorstehender Zeit vorgelegt. Nach dem Gesetz vom 21. Dezember 1938 mußten sich die Handwerker versichern, entweder in einer öffentlichen oder privaten Lebensversicherung - sie konnten diese Versicherung für den Fall des Todes oder auf Zeit abschließen - oder in der Angestelltenversicherung. Wir haben eben gehört, daß ungefähr 350 000 in der Lebensversicherung versichert gewesen sind. Diese Versicherungen sind zum größten Teil entwertet. Wir möchten auch die Frage aufwerfen, ob nicht die Möglichkeit besteht, hier etwas zu tun. Wir haben ja in einem anderen Falle, bei den Werkspensionen, aus Staatsmitteln etwas getan, um die Erhöhung der Auszahlungen bei den Werkspensionen zu ermöglichen. Grundsätzlich stehen wir Sozialdemokraten auf dem Standpunkt, daß alle Handwerker versichert sein sollen, auch ,die Inhaber von Einmannbetrieben, weil gerade dieser Personenkreis am wenigsten vor den Wechselfällen des Lebens geschützt ist und wir nicht wünschen, daß die Handwerker, wenn sie alt sind oder nicht mehr arbeiten können, auf die öffentliche Fürsorge angewiesen sind. Über die Art der Versicherung, über die Höhe der Versicherungssumme, über diejenigen Kreise, die befreit werden sollen, wird man im Ausschuß gründlich beraten müssen. Herr Kollege Becker hat ja ebenfalls darauf hingewiesen, daß die Einzelheiten der Vorlage einer gründlichen Überprüfung im Ausschuß bedürfen. Auch der Herr Bundesarbeitsminister hat darauf hingewiesen, daß es sich hier um ein sehr schwieriges Problem handelt und daß der Ausschuß wahrscheinlich noch viel Kopfschmerzen haben wird, bis diese Dinge endgültig geregelt sind. Es wird die Frage aufgeworfen werden müssen, ob die Wahl zwischen der Lebensversicherung und der Angestelltenversicherung nicht dazu führt, daß die guten Risiken von der Lebensversicherung übernommen werden und die weniger guten Risiken von der Angestelltenversicherung getragen werden müssen. Das ist eine sehr schwierige Frage, die eingehend geprüft werden muß, um nicht die Angestelltenversicherung einseitig zu belasten. Es wird zu überlegen sein, ob nicht eine eigene Anstalt oder eine besondere Abteilung für die Altersversorgung des deutschen Handwerks geschaffen werden soll, die den besonderen Verhältnissen des deutschen Handwerks Rechnung trägt. Wir .dürfen nicht vergessen, daß es auch für die Handwerker selbst schwierig ist, wenn sie in die Angestelltenversicherung hineingehen, weil sie den vollen Beitrag - auch den Arbeitgeberanteil - bezahlen müssen, und daß es für manche Handwerker eine schwere Belastung bedeuten wird, wenn sie in diese Versicherung hineingehen müssen, was aber im Interesse ihrer Altersversorgung absolut notwendig erscheint. Ich möchte bei dieser Gelegenheit gleich noch eine andere Frage - nur im Telegrammstil - ansprechen. Es wirft sich gleichzeitig das Problem der Versicherungspflicht auch für andere Berufsgruppen der Selbständigen auf, die ebenfalls des sozialen Schutzes bedürfen. Ich habe hier einen Artikel über die Altersversorgung der Bauern vor mir liegen, der von einem Kreisbauernverband veröffentlicht worden ist. Wir haben ja vor anderthalb Jahren - der entsprechende Antrag ist von dem leider verstorbenen Abgeordneten Krause begründet worden - hier einmal über die Rentenversicherung der freien Berufe gesprochen. Also mit der Frage der Altersversorgung der Handwerker wird auch die Frage der Versicherung der übrigen Gruppen aufgeworfen. Aber das nur nebenbei. Wir sind froh über die heutige Erklärung der Regierung, daß die Vorlage bald kommt. Wir sind bereit, mitzuhelfen, damit dem Handwerk eine Versicherung geschaffen wird, die eine tragbare Lösung dieses Problems bedeutet. ({1})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dirscherl.

Hans Dirscherl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000392, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hatte recht, wenn er vorhin davon gesprochen hat, daß 1938 bzw. 1939 die Versicherungspflicht der Handwerker zum Zwecke der Altersversorgung in den Kreisen des Handwerks mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde. Die Auffassungen hierüber sind auch zur Zeit im Handwerk noch stark geteilt. Die einen setzen sich grundsätzlich für die Aufrechterhaltung einer Versicherungspflicht ein, die anderen sagen: Weg mit jeder Pflicht, auch mit einer Versicherungspflicht! Die Vertretung des Handwerks wird überlegen müssen, ob dem Handwerk die Abschaffung jeder Versicherungspflicht oder die generelle Versicherungspflicht nützt. Die Handwerksvertretung ist der Auffassung, daß die Versicherungspflicht zwar aufrechterhalten bleiben sollte, daß sie aber eine weitgehende Auflockerung erfahren muß. Wir sind der Meinung, daß die Handwerker, auch die Einmannbetriebe, für das Alter zu sorgen haben, damit sie nicht Gefahr laufen, später der Unterstützung anheimzufallen. Von wirtschaftlich starken Kreisen des Handwerks wird jedoch darauf hingewiesen, daß die Versicherungspflicht für diese ({0}) Kreise gewissermaßen ein Nonsens ist. Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, daß ein Handwerker, der ein erhebliches Einkommen zu erzielen vermag, grundsätzlich versicherungspflichtig ist, daß aber möglicherweise sein Angestellter nach Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze von 7200 DM der Versicherungspflicht nicht mehr unterliegt. Wir dürfen auch nicht übersehen, daß in den Kreisen des Handwerks sehr stark die Meinung vertreten wird, man sollte es dem einzelnen Handwerker überlassen, wie er sich versichern will, ob durch Zahlung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung oder durch Abschluß einer Lebensversicherung. Bei Schaffung der Altersversorgung hat man dem Handwerker grundsätzlich freie Wahl gelassen. Es ist erfreulich, daß ein großer Teil die Lebensversicherung gewählt hat. Diejenigen, die seinerzeit die Lebensversicherung gewählt haben, sind aber mittlerweile die Betrogenen geworden. Denn die Lebensversicherungen sind durch die Währungsreform so gut wie vernichtet worden, während die anderen, die etwas schlauer waren und Beiträge zur Angestelltenversicherung entrichtet haben, die sich sogar 10 und 15 Jahre und, wie es vielfach vorgekommen ist, 20 Jahre rückwirkend eingekauft haben, heute eine monatliche Rente von erheblicher Höhe beziehen. Es ist deshalb die Frage zu prüfen - der Herr Bundesarbeitsminister ist mit wenigen Worten darauf eingegangen -, wie man diese Betrogenen, diese um ihre Altersversorgung gebrachten Handwerker entschädigen kann. Ich sehe ein, daß es sehr schwer ist, eine Aufwertung vorzunehmen, sowohl für die Lebensversicherungsunternehmungen als auch für den Bund, weil schließlich erhebliche Summen dafür erforderlich sind. Trotzdem muß hier unter allen Umständen etwas geschehen, insbesondere zugunsten der älteren Handwerker, die heute nicht mehr oder kaum mehr in der Lage sind, etwas zu arbeiten. Nehmen wir den praktischen Fall, daß ein Handwerker schon frühzeitig, also schon vor Inkrafttreten der Versicherungspflicht, eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, die später auf Grund der gesetzgeberischen Maßnahmen in vollem Umfange als Altersversorgung anerkannt wurde. Beim Währungsschnitt hatte dieser Handwerker bereits das sechzigste Lebensjahr überschritten; seine Lebensversicherung ist dahin, er bekommt dafür so gut wie nichts. In die Angestelltenversicherung kann er nicht mehr eintreten, weil als Altersgrenze das sechzigste Lebensjahr vorgesehen ist. Nach dieser Richtung hin muß also unter allen Umständen etwas geschehen. Ich möchte eine entsprechende Bitte an Sie richten, Herr Bundesarbeitsminister; ich habe mich mit Ihnen schon einige Male persönlich darüber unterhalten. Wenn auf die augenblicklich sehr hoch erscheinende Summe verwiesen wird, so darf nicht übersehen werden, daß der Betrag nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einmal fällig wird, sondern sukzessive in einer Reihe von Jahren, zum Teil in zehn, in zwanzig und vielleicht sogar noch in mehr Jahren. Die Vertretung des Handwerks, habe ich bereits gesagt, hat sich grundsätzlich für die Versicherungspflicht, insbesondere für die wirtschaftlich schwachen Kreise des Handwerks ausgesprochen, weil, wie wir wissen, die wirtschaftlich schwachen Kreise, die an und für sich gezwungen sind, täglich, wöchentlich, monatlich ihre Pfennige und ihre Mark zu zählen, kaum freiwillig eine Versicherung eingehen würden, die sie in die Lage versetzte, im Alter versorgt zu sein. Also für diese Kreise bejahen wir die Versicherungspflicht. Etwas anderes ist es dagegen bei Handwerkern, die ein beträchtliches Einkommen zu erzielen vermögen, deren geschäftliche und wirtschaftliche Grundlage schon von vornherein gesichert erscheint. Der Kollege Becker hat in seinen Begründungsworten darauf hingewiesen, daß es möglich gemacht werden müsse, Eigenkapitalien zu bilden. Gerade diese Eigenkapitalien ermöglichen es nach meinem Dafürhalten, hier eine möglichst starke Auflockerung Platz greifen zu lassen und dem Handwerker, der wirtschaftlich dazu in der Lage ist, die Freiheit zu geben, wie er für sein Alter sorgen will. Soweit ich im Bilde bin, soll der Gesetzentwurf, den das Bundesarbeitsministerium ausgearbeitet hat und der, glaube ich, auch bereits dem Kabinett zugeleitet wurde, ziemliche Auflockerungen enthalten und den Wünschen des Handwerks weitgehend entgegenkommen. Aber man muß meines Erachtens dazu kommen, daß bei Handwerkern, die neben ihrem Einkommen aus dem handwerklichen Betrieb noch ein anderes gewerbliches Einkommen erzielen, dieses zusätzliche gewerbliche Einkommen der Beitragszahlung zur Angestelltenversicherung nicht zugrunde gelegt wird. Nehmen wir zum Beispiel einen praktischen Fall! Ein Konditormeister kann und muß sich eventuell mit dem handwerklichen Einkommen, das er aus seiner Konditorei erzielt, versichern, ist also damit versicherungspflichtig. Er kann und soll aber nach unserer Meinung nicht mit dem Einkommen versicherungspflichtig sein, das er durch den Betrieb eines Cafés erzielt, desgleichen ein Metzgermeister, der vielleicht zusätzlich noch eine Gastwirtschaft unterhält, oder ein Wagner oder ein Schmied auf dem Lande oder sonstige landwirtschaftliche Handwerker, wie überhaupt die Landwirte, die ein Handwerk mit ihrem Landwirtschaftsbetrieb verbunden haben, grundsätzlich mit ihrem Einkommen aus der Landwirtschaft frei sein sollen. Es soll also nur das tatsächliche handwerkliche Einkommen der Versicherungspflicht unterliegen. Ich hätte noch einen Vorschlag zu machen, der auch schon verschiedentlich erwogen wurde und der in der Invalidenversicherung eigentlich gang und gäbe ist. In der Invalidenversicherung wird die Anwartschaft voll aufrechterhalten, wenn jährlich sechs Monatsbeiträge bezahlt werden. Man müßte überlegen, ob nicht bezüglich der Altersversorgung des Handwerks in der Angestelltenversicherung ein Gleiches geschehen kann. ({1}) Bedenken wir, daß die Zeiten sehr wandelbar sind und daß die wirtschaftlichen Verhältnisse sich von einem Tag zum anderen ändern können. Ein Handwerker kann auf Grund wirtschaftlicher Verhältnisse, auf Grund familiärer Sorgen oder sonstiger Umstände vorübergehend nicht in der Lage sein, die zwölf Monatsbeiträge zu entrichten. Er will sich aber versichern, will bei der Versicherung bleiben, er will die Anwartschaft aufrechterhalten. Hier sollte die Anwartschaft auch mit sechs Monatsbeiträgen gewährleistet sein. Es ist auch die Frage aufgeworfen worden - vom Herrn Bundesarbeitsminister, glaube ich -, ob es nicht erwägenswert sei, innerhalb der Angestelltenversicherung eine eigene Abteilung Handwerk zu schaffen. Diese Frage ist in den Kreisen des Handwerks auch schon vielfach Gegenstand eingehender Diskussionen gewesen. Zu einer Ent({2}) scheidung ist man bis jetzt nicht gekommen. Ich glaube, daß man diese Frage zwar erwägen und eingehend prüfen soll, bin aber nicht davon überzeugt, daß sich für diese Anregung tatsächlich eine Durchführungsmöglichkeit bietet. Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir halten zwar an der Versicherungspflicht fest; wir wollen es aber dem einzelnen Handwerker überlassen, wie er sich versichern will, ob in der Lebensversicherung, ob in der Angestelltenversicherung, oder ob er halbieren will, was wir als einen nicht gerade glücklichen Zustand bezeichnen. Wir müssen aber eine weitgehende Aufgliederung im Sinne des von mir Vorgetragenen fordern. ({3})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Für die weiteren Auseinandersetzungen möchte ich doch noch eins vorwegschicken: Es wird draußen immer so hingestellt, als wenn durch das Währungsumstellungsgesetz dem Sozialversicherten in der staatlichen Sozialversicherung ein Geschenk gegeben worden sei und den anderen würde es vorenthalten. So liegen die Verhältnisse nicht. Das Währungsumstellungsgesetz bestimmt, daß die Leistungen der Sozialversicherung 1 :1 aufgewertet werden müssen. Das Währungsumstellungsgesetz sagt aber nicht, daß diese Aufwertung aus Steuermitteln des Staates erfolgen muß. Wir waren deshalb in Frankfurt bei der Verabschiedung des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes gezwungen, die Beiträge zu den Rentenversicherungen von 5.6010 des Arbeitsverdienstes auf 10010 zu erhöhen. Das heißt mit anderen Worten: die Gefahrengemeinschaft der versicherungspflichtigen Menschen hat es übernehmen müssen, die Verpflichtung für die Alten zu bezahlen. Ich habe dem Handwerk bei den Besprechungen in meinem Hause sehr oft gesagt: Die Gefahrengemeinschaft des Handwerks ist zum Teil in die Versicherungsgesellschaften gegangen; wäre der Nachwuchs, der jetzt auf diesem Wege seine Sicherung sucht, ebenfalls bereit, eine höhere Versicherungsprämie zu zahlen, wie es die Sozialversicherten tun müssen, wäre das ganze Problem mit einem Schlage gelöst. Das wollte ich nur als Beitrag zu dieser Debatte noch einmal sagen. Dann ist mir eben noch einmal die Frage vorgelegt worden, inwieweit die jetzt nicht Versicherten bzw. die eigentlich Versicherungspflichtigen, die aber ihrer Versicherungspflicht nicht nachgekommen sind, herangeholt werden können. Ich habe ausdrücklich erklärt, daß in der Gesetzesvorlage die Bestimmung enthalten ist, daß derartige Dinge nicht verfolgt werden sollen. Wir haben vom Bundesarbeitsministerium aus in der Zeit nach der Währungsreform den Versicherungsanstalten in gewissen Abständen nahegelegt, keinen Druck auf die Handwerker auszuüben, bis die gesetzliche Regelung erfolgt sei. ({0}) - Das ist gemacht worden, ich weiß, aber in ungefähr 80 % aller Fälle ist es nicht geschehen. Wir wünschen nun, daß der kleinere Prozentsatz, der diesen Druck ausgeübt hat, auf Grund gesetzlicher Bestimmungen daran gehindert wird. ({1})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.

Hugo Paul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001682, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Das Problem, welches hier ansteht, ist für das Handwerk von großer Wichtigkeit. Eigentümlich muß es einen allerdings anmuten, wenn man in der Großen Anfrage der CDU über diese Angelegenheit liest, daß damit gleichzeitig die notwendige Eigentumsbildung herbeigeführt werden soll. ({0}) Die Eigentumsbildung des Handwerks kann nicht durch Auflockerung der Versicherungspflicht des Handwerks erfolgen. Die Eigentumsbildung des Handwerks hängt von der Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz ab. Aber diese wirtschaftliche Existenz wird in Westdeutschland bedroht durch die Politik, die die Bundesregierung betreibt ({1}) mit ihrem Generalvertrag und mit der Eingliederung Westdeutschlands in den amerikanischen Angriffskrieg. ({2}) Die Eigentumsbildung des Handwerks wird dadurch unmöglich gemacht, daß man das Handwerk wie die breiten Volksmassen mit ungeheuren Steuern belastet, daß man den Handwerkern keine Möglichkeiten gibt, die Aufträge reibungslos durchzuführen, und zwar infolge der geringen Kohle- und Stahlzuteilungen und des Hochtreibens der Preise für diese für das Handwerk wichtigen Rohstoffe. ({3}) Dem Handwerk kann nur geholfen werden, wenn dieser unglückliche Zustand behoben wird. Eigentumsbildung ist nur möglich, wenn wir wieder ein einheitliches demokratisches Deutschland erhalten und wenn das ganze deutsche Volk in Ruhe und Frieden seiner Arbeit nachgehen kann. ({4}) Wenn hier gefordert wird, die Versicherungspflicht aufzuheben oder zu lockern, so möchten wir daran erinnern - das wurde hier bereits gesagt -, daß durch zwei Aggressionskriege, durch eine Inflation und durch eine separate Währungsreform der Mittelstand wie die Gesamtbevölkerung um ihre Spargroschen und damit auch um ihre Ansprüche aus der Lebensversicherung gebracht wurden. Viele Handwerker sind durch die in der Vergangenheit betriebene verbrecherische Kriegspolitik der öffentlichen Fürsorge anheimgefallen. Das kann doch nicht bestritten werden! Dem Handwerk wäre deshalb ein schlechter Dienst erwiesen, wenn man die Versicherungspflicht grundsätzlich aufheben würde. Wir sind der Meinung, daß jeder Handwerker und Mittelständler verpflichtet sein sollte, versichert zu sein, zumindest auf der Grundlage des Einkommens von 8400 Mark, so daß der Handwerker im Alter nicht der öffentlichen Fürsorge zur Last fällt. Gewiß ist uns bekannt, daß sich manche Handwerksmeister heute in großen Schwierigkeiten befinden und am Monatsende nur schwer das Geld für die fälligen Versicherungsbeiträge aufbringen können. Aber die Beibehaltung der Versicherungspflicht ist die einzige Möglichkeit, dem Handwerker einen einigermaßen ruhigen Lebensabend entsprechend der Lage unseres ganzen Volkes zu gewährleisten. ({5}) Wir sind auch der Meinung, daß die Lebensversicherungsverträge, die die Handwerker abgeschlossen haben, im Rahmen der allgemeinen Aufwertung der Versicherungsbeträge aufgewertet werden sollten. Dabei darf aber nicht einseitig verfahren werden. Man sollte jedenfalls gesetzliche Maßnahmen treffen, die den Handwerker und die gesamten Mittelständler davor schützen, im Alter der größten Notlage ausgesetzt zu sein. ({6})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Weitere Wortmeldungen zu dem aufgerufenen Punkt der Tagesordnung liegen nicht vor. Die Große Anfrage - Punkt 1 der Tagesordnung - ist erledigt. Wir haben abzustimmen über Punkt 3, den Antrag der Fraktion der FU Nr. 3106 der Drucksachen. Ich schlage vor, den Antrag an den Ausschuß für Geld und Kredit als federführenden und den Ausschuß für Sozialpolitik als mitarbeitenden Ausschuß zu überweisen. - Dem wird nicht widersprochen; ich darf die Zustimmung des Hauses dazu annehmen. ({0}) - Was ist das für ein Antrag? ({1}) - Er ist aber nicht umgedruckt und auch nicht verlesen worden. Ich kann jetzt nicht einen neuen Antrag zur Abstimmung stellen; das ist unmöglich. ({2}) - Nun haben wir schon abgestimmt, und es ist so beschlossen. Ich glaube nicht, daß das wesentlich ist. Ich rufe - gewissermaßen als zweiten Abschnitt unserer heutigen Debatte - die Punkte 6, 9 und 10 auf: 6. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ({3}); Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend Auftragsvergebung der öffentlichen Hand ({4}); 1. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend Verdingungsordnung für Bauleistungen im Hoch- und Tiefbau ({5}) ({6}). Zur Begründung des Antrags unter Punkt 6 hat das Wort Herr Abgeordneter Becker. Becker ({7}) ({8}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Antrag Drucksache Nr. 3135 betreffend Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit bitten wir das Hohe Haus, zu beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, dem Bundestag ein Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit vorzulegen, in dem auch der Auftraggeber des Schwarzarbeiters unter Strafandrohung gestellt wird. Durch das Überhandnehmen der Schwarzarbeit sind viele Handwerksbetriebe, j a, ganze Berufszweige in ihrer Existenz bedroht. Man kann sagen, daß die Bekämpfung der Schwarzarbeit für viele Handwerksberufe zu einem Kernproblem und zu einer Lebensfrage geworden ist. Der Umfang der Schwarzarbeit läßt sich zwar statistisch nicht erfassen; man ist daher allzu leicht geneigt, die ganze Angelegenheit zu bagatellisieren, zumindest nicht in ihrer ganzen Bedeutung zu erkennen. In manchen Handwerksberufen in bestimmten Gegenden hat die Schwarzarbeit etwa 30 0/o, ja, man kann sagen, bis zu 50 % der gesamten handwerklichen Leistung an sich gerissen. Lassen Sie mich ein Beispiel anführen. Bei einer Überprüfung der Baustellen des Kreises Düren durch das dortige Arbeitsamt wurden allein im Bauhandwerk 200 Schwarzarbeiter festgestellt, die zum größten Teil als Arbeitslose registriert waren und Unterstützung bezogen. Selbst das Arbeitsministerium ist überzeugt, daß ein großer Teil der unterstützten Arbeitslosen ständige Schwarzarbeiter sind. Diese Leute belasten nicht nur unsere Arbeitslosenstatistik als unechte Arbeitslose, sondern sie haben meistens auch gar kein Interesse an einer Vermittlung in ein ordentliches Arbeitsverhältnis. Sie tragen durch ihr Verhalten zu einer Verminderung der allgemeinen Arbeitsmoral bei. Aber nicht nur die gesamten Bauberufe, sondern auch andere Berufe - ich nenne nur einige: Friseure, Schuhmacher, Schneider und hier insbesondere wieder die Schneiderinnen - leiden sehr unter der Schwarzarbeit. Ich kann Ihnen sagen, daß wir uns in unseren Innungsversammlungen sehr oft über dieses Problem unterhalten müssen. Auch die in den Ausschußsitzungen von unseren Kollegen gestellten Anträge auf Herabsetzung der Innungsbeiträge werden meistens mit dem Mangel an Aufträgen, der durch die Schwarzarbeit verursacht ist, begründet. Wir haben schon verschiedene Male Anlaß nehmen müssen, diesen Gesuchen nachzugehen. Ich kann aus meinem eigenen Innungsbezirk sagen: es hat sich schon einige Male bestätigt, daß wirklich fachlich tüchtige Handwerkskollegen nicht in der Lage waren, auch nur 40 oder 50 DM in der Woche zu verdienen, weil - wie festgestellt wurde - im näheren Umkreis mehrere Schwarzarbeiter saßen, die selbstverständlich zu einem erheblich billigeren Preis arbeiten konnten und somit dem reellen Handwerksmeister die Arbeit wegnahmen. Lassen Sie mich ein weiteres Argument anführen. Wenn durch die Eindämmung der Schwarzarbeit im Handwerk die Zahl der Beschäftigten nur um 3 % erhöht würde, dann hätten wir immerhin rund 100 000 neue Arbeitsplätze und neue Lehrstellen. Gerade letzteres wäre in Anbetracht der Berufsnot unserer Jugend besonders zu begrüßen. ({9}) Man kann sagen: zwei Schwarzarbeiter gleich ein Arbeitsloser mehr und eine Lehrstelle weniger. Diese Formel mag Ihnen die Bedeutung des Problems aufzeigen. Aber auch die finanzielle Auswirkung des Problems sollte man nicht außer acht lassen. Den Sozialversicherungsträgern, dem Bund, den Ländern und Gemeinden entgehen Hunderte von Millionen D-Mark jährlich in Form von zu Unrecht bezogenen Unterstützungen, hinterzogenen Versicherungsbeiträgen und Steuern sowie verminderten Einnahmen aus legal arbeitenden Betrieben, die durch den unlauteren Wettbewerb der Schwarzarbeit geschädigt werden. Der Bundestag und insbesondere sein Ausschuß für Arbeit haben sich schon früher mit dem Problem beschäftigt. Ich darf an den einstimmig ge({10}) faßten Beschluß dieses Hauses vom 16. November 1950 erinnern, worin die Bundesregierung ersucht worden ist, Maßnahmen zu erwägen, die geeignet sind, dem Überhandnehmen der Schwarzarbeit wirksam zu begegnen. Die Antwort der Bundesregierung, datiert vom 25. April 1951, liegt in der Drucksache Nr. 2221 vor. Der Herr Bundesarbeitsminister erkennt darin die Gemeinschädlichkeit der Schwarzarbeit an und spricht sich für ihre systematische Bekämpfung aus. Es wird hier dankbar anerkannt, daß durch die Initiative des Bundesarbeitsministeriums eine Koordinierung mit den übrigen Bundesministerien angestrebt worden ist. Der Erfolg dieser Anstrengungen war aber nicht so, wie man erwartet hatte. Wohl wurden von den einzelnen Ministerien im Dienstwege Erlasse herausgegeben, aber die Aufrüttelung der Öffentlichkeit, die ebenfalls notwendig gewesen wäre, unterblieb und konnte von uns, d. h. von der Organisation des Handwerks, nicht allein durchgeführt werden. Es ist zugegeben, daß zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Anordnungen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit herangezogen werden können; wir müssen aber immer wider feststellen, daß die Ermittlungsbehörden ihre Arbeit in dieser Beziehung sehr lahm, manchmal sogar widerwillig ausführen, so daß kein Erfolg herauskommen kann. Kommt einmal ein Fall vor Gericht, dann wird meistens die Auffassung vertreten, daß es sich um geringfügige Übertretungen oder um Vergehen handle, bei denen regelmäßig mildernde Umstände anzunehmen seien. Wir sind dem Arbeitsministerium dankbar dafür, daß es mit uns diese Auffassung bekämpft und die Meinung vertritt: es ist nicht angängig, daß die meist mühselig eingeleiteten Strafverfahren durch Unterschätzung der Bedeutung des Problems für die Allgemeinheit und die Volkswirtschaft und aus falsch verstandenen sozialen Erwägungen wegen Geringfügigkeit eingestellt werden. Wir sind der Meinung, daß ein Bundesgesetz, wie es in Drucksache Nr. 3135 gefordert wird, zur wirksamen Verbesserung und Ergänzung der geltenden Bestimmungen und möglichst auch zur Zusammenfassung solcher Bestimmungen notwendig ist, die in zahlreichen Spezialgesetzen verstreut sind, ferner aber auch zur psychologischen Einwirkung sowohl auf die Richter und Verwaltungen wie auf die Schwarzarbeiter und deren Auftraggeber sowie auf die ganze übrige Bevölkerung. Wir sind auch der Auffassung, daß Strafbestimmungen gegen die Auftraggeber von Schwarzarbeit beschlossen werden müssen. Die Auftraggeber sind oft in der wirtschaftlich günstigeren Lage und nutzen dann die Notlage der Arbeitslosen aus. Oft wird auch nur aus Gedankenlosigkeit gehandelt. Hier würden geeignete Strafbestimmungen, wenn sie genügend publiziert würden, eine stark abschreckende Wirkung haben, so daß nach unserer Ansicht Bestrafungen nur selten notwendig würden; denn eine entscheidende Quelle der Schwarzarbeit wäre verstopft. Eine gerechte Abgrenzung der strafbaren Vergebung von Schwarzarbeit wäre eine juristische Aufgabe, die nicht unlösbar sein kann und Bestrafungen oder Prozesse in wirklichen Bagatellfällen verhindern könnte. Zusammenfassend darf ich noch einmal sagen, daß das Kapitel Schwarzarbeit nicht nur eine große Gefahr für das gesamte Handwerk und die gesamte mittelständische Wirtschaft darstellt, sondern auch im Interesse des Staates, seiner Finanzen, der Sozialversicherung, vor allem aber auch der 1 ehrlichen Arbeitnehmer und der ehrlichen Wirtschaft bekämpft werden muß. Von diesem Gesichtspunkt aus darf ich sagen, daß Schwarzarbeit weitgehend eine Charakterangelegenheit geworden ist. Wir meinen, die Bekämpfung muß auf Bundesebene, mit Bundesmitteln erfolgen. Diese Bekämpfung auf Bundesebene, mit Bundesmitteln ist nach unserer Meinung nicht nur berechtigt, sondern auch notwendig. Nur ein sinnvolles Gesetz auf Bundesebene gegen die Schwarzarbeit, das auch eine Bestrafung der Auftraggeber vorsieht, verspricht Erfolg. Wir bitten Sie deshalb um Annahme unseres Antrages auf der Ihnen vorliegenden Drucksache. ({11})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Zur Begründung des Antrages unter Punkt 9 der Tagesordnung Herr Abgeordneter Günther. Günther ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich die beiden Anträge auf Drucksache Nr. 3138 und Drucksache Nr. 3139 zusammenfasse, weil sie praktisch zusammengehören. In den Versammlungen der Handwerker, in den Innungen usw.. wird laufend über die Schwarzarbeit gesprochen. Ebenso stark wird kritisiert und mit großer Sorge betrachtet, wie die Vergabe der öffentlichen Arbeiten vor sich geht, vor allen Dingen deswegen, weil heute im Gegensatz zu früher die öffentliche Hand stärker als Auftraggeber in Erscheinung tritt. Während der Bauhandwerker früher seine Aufträge im wesentlichen durch den Hausbesitz erhielt, ist er heute weit mehr als früher auf die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand angewiesen. Hier stellen wir fest: weil die Bauvorhaben heute im Gegensatz zu früher größer sind, werden die Aufträge meistens an Großfirmen und an Firmen der Industrie vergeben. Dadurch kommt das Kleinhandwerk in den meisten Fällen nicht zum Zuge. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Wir haben den Wunsch, daß alle vergebenden Stellen die Aufträge möglichst weitgehend verteilen. Ich kann mir vorstellen, daß mancher Beamte oder Auftragvergebende es aus Bequemlichkeitsgründen lieber mit einer Firma zu tun hat als mit einem Dutzend Firmen. Trotzdem ist die Erfüllung unserer Forderung absolut notwendig, und ich glaube, daß ihr Rechnung getragen werden muß. Des weiteren wünschen wir, daß nicht nur durch die öffentliche Hand vergebene Aufträge so behandelt werden, sondern auch die Aufträge, die mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Weiter haben wir zu bemängeln, daß die Vergabe, die grundsätzlich nach der VOB durchgeführt werden soll, nur in den seltensten Fällen nach dieser Anordnung durchgeführt wird. Dabei haben wir die Feststellung zu machen, daß meistens der Billigste und nicht, wie es nach der VOB sein soll, der Preiswürdigste den Auftrag bekommt. Das kann man mit einer ganzen Reihe von Beispielen gerade hier im Raume Bonn und Köln beweisen, in denen Schäden eingetreten sind, die sich für die Wirtschaft und vor allen Dingen für die mittelständische Wirtschaft sehr schwer ausgewirkt haben. Ich brauche nur an den Großneubau des Arbeitsamts in Köln zu erinnern, wo man einer Firma, die 25 % billiger als die zweitbilligste war, den Auftrag gegeben hat. Schon während des Baues war die Firma pleite, und eine andere Firma ({1}) mußte den Bau fortführen. Für den Staat ist ein großer Schaden eingetreten. ({2}) Dasselbe haben wir bei einigen Bauvorhaben hier in Bonn erlebt, bei denen Firmen nicht in der Lage waren, die Löhne zu bezahlen. Wir erinnern uns noch an die Pressekampagne im vergangenen Jahr und an den Marsch auf das Wohnungsbauministerium an einem Freitag, weil die Arbeiter keinen Lohn bekommen hatten. So könnten wir die Reihe der Beispiele fortsetzen. Wir haben die Feststellung zu machen, daß eine gewisse Verwandtschaft zwischen den auftragvergebenden Stellen und den Submittenten vorhanden ist. Wir stellen in vielen Fällen fest, daß sogenannte Hoflieferanten, die immer und immer wieder für dieselben öffentlichen Auftraggeber oder dieselben Stellen arbeiten, immer und immer wieder die Arbeiten bekommen und andere, auch wenn sie noch so günstige Angebote abgeben, niemals zum Zuge kommen. Gegen diese Einstellung, die sich zum Teil breitgemacht hat, erheben die anständigen mittleren Firmen Einspruch. Es ist zu wünschen, daß von höchster Stelle alle öffentlichen Vergabestellen angewiesen werden, hier nach dem Rechten zu sehen. Es ist nicht immer beweisbar, aber die Vermutung liegt in sehr vielen Fällen sehr nahe, daß irgendwelche korrupte Verhältnisse eingetreten sind. Hier sollte die öffentliche Hand irgendwie durch strengere Maßnahmen eingreifen. Die betreffenden Beamten sollten zeitweise versetzt werden, damit irgendeine Verwandtschaft mit den Auftragnehmern nicht in Frage kommen kann. Des weiteren stellen wir fest, daß sich vor allen Dingen die Besatzungsstellen in einzelne Aufträge einmischen. Vergangene Woche war hier in Euskirchen eine Submission. In einer Kaserne sollte ein Kino eingerichtet werden. Die Submission wurde aufgehoben, weil der Betreffende, der den Auftrag eigentlich bekommen sollte, nicht der preisbilligste und preisgünstigste war. Die Belgier haben sich in diese Vergabe eingemischt und diese Submission einfach auffliegen lassen. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß sich die Belgier ruhig in diese Dinge einmischen können, aber dann müssen sie diese Aufträge auch bezahlen. Wenn wir deutschen Steuerzahler diese Aufträge zu bezahlen haben, dann haben im heutigen Zeitpunkt Besatzungsmächte und Belgier nicht mehr das Recht, sich in das deutsche Submissionswesen und in die Vergabe von Arbeiten einzumischen, auch wenn es sich um Kasernenbauten handelt. Ich erwarte, daß von Regierungsseite bei den Besatzungsmächten Schritte unternommen werden; um diesen Dingen ein für allemal ein Ende zu bereiten. Nun etwas zur Beachtung; es handelt sich um Warnungen vor irgendeiner Firma. Bei Aufträgen des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen haben beispielsweise deutsche Handwerksstellen vor einer Firma gewarnt, die außerordentlich billig, aber bekannterweise fachlich nicht in Ordnung und zur Durchführung der Aufträge eigentlich nicht in der Lage war und die außerdem von Amts wegen bestimmte Arbeiten nicht ausführen durfte. Das Postministerium hat nun an die Kreishandwerkerschaft in Bonn die Mitteilung gegeben: „Außerdem war die Firma bei allen Submissionen die mindestfordernde und wirkte deswegen preisregulierend." Wenn das Schule macht - und das hat zum Teil Schule gemacht -, daß man gerade immer dem Billigsten den Auftrag gibt, dann wird die Folge davon sein, daß eine gewisse Armut oder Verarmung beim Baugewerbe eintritt. Bedauerlicherweise haben wir in den letzten Wochen und Monaten die Feststellung zu machen, daß eine ganze Reihe von Firmen, die nicht etwa 1945 entstanden sind, sondern 30, 50 Jahre alt sind, heute ihre Zahlungen einstellen müssen, weil durch diese Machenschaften derjenige, der anständige Arbeit leistet und dafür einen normalen Preis verlangt, heute nicht mehr zum Zuge kommen kann. Das sind Dinge, die sich für unsere Wirtschaft und vor allen Dingen für das Bauhandwerk in besorgniserregendem Maße auswirken. Der Kabinettsbeschluß, der einen Eingriff in die VOB darstellt und durch den der Grundsatz verwirklicht werden sollte: Ganz Deutschland baut in Bonn und an öffentlichen Bauten, muß unseres Erachtens revidiert werden; denn er weicht von dem Grundsatz ab, daß eben der Preiswürdigste die Arbeit bekommt. In sehr vielen Fällen stellen wir fest, daß Leute aufgefordert werden, ein Angebot abzugeben, aber von vornherein feststeht, daß die Arbeiten an fremde Firmen vergeben werden, wobei man später feststellt, daß diese Firmen keine ordentliche Arbeit geleistet haben. Der Untersuchungsausschuß hat Besichtigungen im Haus Carstanjen usw. durchgeführt und dabei festgestellt, daß Arbeiten, die von gewissen auswärtigen Firmen gemacht worden sind und auch abgenommen wurden, handwerklich gesehen jeder anständigen Arbeit Hohn sprechen. ({3}) - Das kommt selbstverständlich da vor. Ich übe keine Kritik an einer auswärtigen Firma. Wenn aber eine auswärtige Firma eine Arbeit bekommt, muß sie genau so gute und anständige Arbeit leisten wie andere Firmen auch. Hier haben wir aber den Zustand, daß Firmen aufgefordert werden, von denen feststeht, daß sie nicht in der Lage sind, anständige, handwerkgerechte Arbeiten durchzuführen. Hiergegen wenden wir uns. ({4}) Das ist die Schuld der vergebenden Stellen. Sie sehen sich die Firmen nicht an, an die sie die Aufträge geben und die zu diesen Arbeiten nicht in der Lage sind. ({5}) - Es steht auf jeden Fall fest, daß auf diesem Gebiet sehr viel gesündigt wird, und wir hoffen, daß entsprechende Maßnahmen von den maßgebenden Stellen getroffen werden. Des weiteren werden heute Arbeiten unter Bedingungen vergeben, wonach der betreffende Auftragnehmer sich verpflichten muß, den Baustahl irgendwie vorrätig zu haben. Bei diesen Maßnahmen kommen kleinere und mittlere Firmen bei irgendwelchen Angeboten nicht zum Zuge, sondern nur die Firmen, die in der Lage sind, sich entsprechende Stahlmengen auf Vorrat zu legen oder aber sich im schwarzen Handel entsprechende Materialien zu beschaffen. ({6}) ({7}) Das sind Dinge, die wir als Handwerker auf keinen Fall hinnehmen können, und wir wünschen, daß von den maßgebenden Stellen entsprechend verfahren wird, um auch die kleinere und mittlere Handwerkerschaft zum Zuge kommen zu lassen. ({8})

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Nachdem die Anträge zu den Punkten 6, 9 und 10 der Tagesordnung begründet sind, treten wir in die Aussprache ein. Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.

Dr. Ludwig Erhard (Minister:in)

Politiker ID: 11000486

Die Bundesregierung vermag auf die Auftragsvergebung der öffentlichen Hand nur insoweit Einfluß zu nehmen, als es sich um Aufträge handelt, die in den Zuständigkeitsbereich des Bundes fallen. Ausschreibungen und Vergebungen durch die öffentliche Hand richten sich nach den geltenden Verdingungsordnungen für Bauleistungen bzw. für Leistungen. Danach sind zu unterscheiden öffentliche Ausschreibungen und beschränkte Ausschreibungen. Bei öffentlichen Ausschreibungen kann sich jeder Unternehmer, also auch jeder Handwerker und jede handwerkliche Lieferungsgenossenschaft oder Arbeitsgemeinschaft, frei beteiligen. Der Zuschlag erfolgt auf das Angebot, das unter Berücksichtigung aller wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkte als das annehmbarste erscheint. Bei den beschränkten Ausschreibungen werden auch die Ländervertretungen beim Bund eingeschaltet. Sie erhalten Angebotsunterlagen und geben diese an geeignete Betriebe in ihren Ländern weiter. Ich muß annehmen, daß dabei auch das Handwerk durch die Länderbehörden unter Beteiligung der Interessenvertretungen des Handwerks angemessen berücksichtigt wird. Die Bundesregierung hat jedenfalls ihrem dahingehenden Wunsch wiederholt Ausdruck gegeben. Um jedoch sicherzustellen, daß das Handwerk auch an Aufträge herankommt, die die Kapazität der einzelnen Betriebe übersteigen, ist die Zentrale für Handwerkslieferungen mit eingeschaltet worden. Damit ist dem Wunsche des Handwerks entsprochen, daß in jedem Fall die handwerklichen Lieferungsgenossenschaften und Arbeitsgemeinschaften mit anbieten und den Zuschlag erhalten können. Mit diesen Regelungen dürfte in Anbetracht der gegebenen Verhältnisse den berechtigten Belangen des Handwerks soweit wie möglich Rechnung getragen sein. Sollte es die Bundesregierung für notwendig erachten, die Aufträge des Bundes zu koordinieren, so wird sie dafür Sorge tragen, auch im Rahmen dieses Verfahrens für eine zweckmäßige Streuung der Aufträge zu sorgen, die auch dem Handwerk zugute kommen würde. ({0})

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Das Wort hat der Bundesarbeitsminister.

Anton Storch (Minister:in)

Politiker ID: 11002264

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zu dem Antrag unter Punkt 6 der Tagesordnung Stellung nehmen. Hier wird gefordert, die Bundesregierung möge ein Gesetz vorlegen, durch das die Schwarzarbeit bekämpft wird und wonach vor allen Dingen eine Bestrafung der Auftraggeber eintreten kann. Der Antragsteller hat vorhin selbst gesagt, daß es bereits eine ganze Reihe von gesetzlichen Bestimungen gibt, wonach man draußen im Land die Schwarzarbeit und auch die Auftraggeber der Schwarzarbeit bestrafen kann; und Sie alle wissen, wie wenig auf diesem Gebiet erfolgt ist. Ich darf Ihnen sagen, daß es nach meinem Dafürhalten sehr schwer ist, ein besonderes Gesetz auf diesem Gebiet zu erlassen, weil es bei der Eigenhilfe, bei der Nachbarschaftshilfe, bei karitativen Arbeiten und was so alles anfällt, doch zu großen Schwierigkeiten führen könnte. In Wirklichkeit möchte das Handwerk die planmäßige und organisierte Schwarzarbeit bekämpft sehen, und in bezug darauf glaube ich, dem Hohen Hause allerdings eins sagen zu können. Durch das Errichtungsgesetz für die Bundesanstalt werden wir mit Wirkung vom 1. Mai die Bundesanstalt bekommen, die in der Lage ist, bis in die äußersten Verästelungen der Arbeitsverwaltung auf diesem Gebiet schärfer vorzugehen. Wenn es über die Landesarbeitsämter und die Arbeitsämter gelingt, die einzelnen Fälle der Schwarzarbeit zu bekämpfen, indem man einmal durch die Prüfer selbst, dann aber auch durchl eine geschickte Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften und den Handverkerorganisationen an sie herankommt, dann ist meines Erachtens ohne weiteres die Möglichkeit gegeben, die Schwarzarbeit, die manchmal sogar bei den Handwerksmeistern gemacht wird, ({0}) zu verhindern; und es besteht ohne weiteres die Möglichkeit, die Leute in exemplarische Bestrafung zu nehmen. Ich bin deshalb der Meinung, man sollte jetzt nicht so sehr danach streben, ein besonderes Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu bekommen, sondern wir sollten erst einmal prüfen, inwieweit mittels einer einheitlichen Steuerung durch die Bundesanstalt die Bekämpfung der Schwarzarbeit draußen im Lande möglich ist. Dazu möchte ich Ihnen folgendes sagen. In meinem Hause ist bereits eine Novelle zum AVAVG fertiggestellt, und wenn die Selbstverwaltungskörperschaften der Bundesanstalt gebildet sind, wollen wir mit diesen die Novelle durchgehen, um sie dann dem Hohen Hause vorzulegen. Sollten Verschärfungen der gesetzlichen Bestimmungen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit notwendig sein, so werden wir weitgehend die Möglichkeit haben, sie in diese Novelle zum AVAVG einzubauen. ({1}) - Die Novelle zum AVAVG ist in meinem Hause fix und fertig, sie wäre längst in diesem Hause, wenn sich die Errichtung der Bundesanstalt nicht um ungefähr ein halbes Jahr verzögert hätte. Ich möchte aber auf keinen Fall eine Gesetzgebung auf diesem Gebiete durchführen, ohne mit den Leuten der Selbstverwaltung, denen nachher die Durchführung des Gesetzes obliegt, vorher gesprochen zu haben.

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Das Wort hat Herr Abgeordneter Eickhoff.

Rudolf Eickhoff (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000452, Fraktion: Deutsche Partei (DP)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie oft haben wir uns in diesem Hause schon mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit beschäftigt; wie oft sind wir uns schon darüber klar({0}) geworden, daß nun alle Maßnahmen ergriffen werden müßten, um hier eine Änderung eintreten zu lassen; und wie oft sind wir uns schon klargeworden, daß die Bekämpfung der Schwarzarbeit letzten Endes nur durch die Hilfe aller überhaupt möglich sein würde. Wenn ich heute den Antrag der CDU wegen Bekämpfung der Schwarzarbeit vor mir sehe, dann muß ich sagen, daß er für mich einen ziemlich langen Bart hat; ({1}) denn einen ähnlichen Antrag hat bereits am 25. Juli 1950 mit Drucksache Nr. 1230 die DP eingebracht, ({2}) - ist auch verhandelt worden -, nach dem die Regierung ersucht werden sollte, unverzüglich ein Gesetz gegen die Schwarzarbeit zu erlassen, durch das insbesondere auch diejenigen, die Schwarzarbeit vergeben, bestraft werden. Dieser Antrag wurde dem Ausschuß für Arbeit überwiesen, der in seinem Mündlichen Bericht auf Drucksache Nr. 1522 - lesen Sie nach! - dem Plenum vorschlug, im Sinne des DP-Antrags zu verfahren. Ein Zusatzantrag zu diesem Ausschußantrag verlangte, die Bundesregierung möge innerhalb eines Vierteljahres über die ergriffenen Maßnahmen berichten. Diese Anträge wurden in der 103. Plenarsitzung am 16. November 1950 angenommen; Herr Becker hat darauf vorhin auch schon hingewiesen. ({3}) Ein Gesetz über die Bekämpfung der Schwarzarbeit war nach dem Bericht der Bundesregierung - ich komme nachher noch darauf - nicht vorgesehen. Das Bundesarbeitsministerium war der Meinung, daß die bestehenden Rechtsvorschriften zur Bekämpfung der Schwarzarbeit ausreichen würden. Herr Bundesarbeitsminister Storch hat uns eben die nötigen Erläuterungen gegeben. Jedenfalls werden wir dem Antrag ohne weiteres zustimmen. Wir wollen auch bemüht sein, mit allen anderen Fraktionen zusammen bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit intensiv mitzuhelfen. ({4}) Meine Damen und Herren, wir haben es heute hier mit einer Inflation von Anträgen zu tun, die sich nur mit Handwerksfragen beschäftigen. ({5}) - Ich sage nur Inflation, weil Inflation Abwertung bedeutet. Ich muß das schon aussprechen. ({6}) Es wäre meines Erachtens richtiger gewesen, wenn wir die Anträge nicht an einem Tage verhandelt, sondern in den kommenden Sitzungen je 2-3 eingebracht hätten. Ich möchte aber ganz kurz - ich will nur einmal zu allem Stellung nehmen - auf die einzelnen Anträge eingehen. Punkt 1 der Tagesordnung, Altersversorgung des Handwerks, ist erledigt. Sie wissen, wie oft gerade unsere Frau Kalinke in ihren sozialpolitischen Vorträgen die Altersversorgung des deutschen Handwerks angeschnitten hat. Wir wollen hoffen, daß wir in dieser Frage zu einer vernünftigen Regelung kommen. Ich weiß, daß die Gesetzesvorlage am 5. oder 6. März dem Kabinett zugegangen ist; Herr Arbeitsminister Storch hat es vorhin erwähnt. Diese Vorlage ist auch allen Verbänden zugegangen, und die Verbände haben Stellung genommen. Ich weiß, daß viele Wünsche des Handwerks hierin noch nicht berücksichtigt sind, und kann nur sagen, daß meine Fraktion im Sinne des Handwerks sehr intensiv im Ausschuß mitarbeiten wird. Zu Punkt 2, Steuergesetzgebung, möchte ich nur folgendes sagen. Es wäre sehr zu wünschen, daß wir im Interesse unserer Handwerker einmal zu einer Steuergesetzgebung kämen, mit der die Handwerker wieder selber fertig werden könnten. Ich habe hier ganz kleine Wünsche für die eventuelle spätere Steuerreform anzumelden. Bisher haben wir z. B. in der Behandlung des Wareneingangsbuchs eine sehr unterschiedliche Behandlung zwischen dem Handwerk und den in das Handelsregister eingetragenen Betrieben. Wenn die Handwerksbetriebe auch eine ordnungsmäßige Buchführung haben, sind sie gezwungen, das Wareneingangsbuch zu führen, wohingegen das bei den in das Handelsregister eingetragenen Betrieben nicht der Fall ist. Ich möchte für die Steuerreform auch zu überlegen geben, ob man nicht durch die Heraufsetzung der Freibeträge bei der Lohnsteuer und bei der Einkommensteuer zu einer wesentlichen Vereinfachung und Einsparung kommen könnte. In diesem Zusammenhang möchte ich auch an den Wegfall der Warenhaussteuer erinnern. Dieser ist bei uns im Handwerk noch nicht vergessen, und wir hoffen und wünschen nur, daß das, was Herr Staatssekretär Hartmann vorhin erwähnt hat, bald Wahrheit wird, nämlich, daß das Handwerk aus der Zusatzumsatzsteuer, die als Ersatz für die Warenhaussteuer eingeführt wurde, herausgenommen wird. Zu den Punkten 4 und 5, Drucksachen Nrn. 3133 - Regiebetriebe - und 3134 - Versorgungsbetriebe -, kann ich nur sagen, daß wir von der DP diese Anträge im Interesse des Handwerks aus innerster Überzeugung hundertprozentig unterstützen. Punkt 6 habe ich angeschnitten. Punkt 7, Drucksache Nr. 3136 - Behördenhandel -. Dazu möchte ich sagen: wir sollten alle bestrebt sein, den Behördenhandel unbedingt zu unterbinden, denn durch den Behördenhandel werden unsere Einzelhandelsgeschäfte zum Teil in Mitleidenschaft gezogen; von seinem Ausmaß können sich viele Außenstehende einfach keinen Begriff machen. Punkt 8, Förderung des Handwerks. Auch diesen Antrag können wir von der DP nur allerwärmstens unterstützen. Sie wissen alle. wie sehr die deutsche Wirtschaft auf das Handwerk angewiesen ist. Sie wissen vor allen Dingen aber auch, welch großen Anteil das deutsche Handwerk an der Gesamtwirtschaft überhaupt hat. Ich brauche nur daran zu erinnern, daß wir immerhin ca. 900 000 Betriebe mit ungefähr 3,5 Millionen Beschäftigten haben und daß diese Vielzahl auch Anspruch auf vernünftige Förderung hat. Ich möchte auch kurz auf die große Zahl unserer Lehrlinge hinweisen. Wir haben im Handwerk ungefähr 500 000 Lehrlinge. Ich glaube, auch für diese jungen Leute sollten wir im Interesse der Gesamtwirtschaft endlich einmal etwas mehr tun, als wir bisher getan haben. Punkt 9, Auftragsvergebung usw., Punkt 10, Handhabung der V.O.B., und Punkt 11, Kreditversorgung, sind alles Anliegen, die von der DP hundertprozentig unterstützt werden. Zusammenfassend möchte ich noch einmal sagen, daß die DP all diese heute vorgebrachten Anträge ({7}) hundertprozentig aus innerster Überzeugung unterstützt. Ich möchte aber auch einige ganz kurze ernste Worte an meine Freunde von der CDU richten, die diese Anträge heute eingebracht haben. Ich halte es im Gegensatz zu vielen anderen - es kam vorhin schon zum Ausdruck - nicht für gut, daß alle diese Anträge heute an einem Tage gleichzeitig verhandelt werden. Ich hätte es für besser gehalten und es hätte bestimmt mehr im Interesse des Handwerks gelegen, ({8}) wenn in den nächsten drei oder vier Sitzungen immer je zwei oder drei Anträge hier verhandelt worden wären. Ich halte es auch nicht für gut, meine Freunde von der CDU, daß diese Anträge nun nur von Ihnen eingebracht worden sind. ({9}) - Ja, wir können helfen! Ich sehe es schon kommen, daß andere Parteien auch mit einer Flut von Anträgen hinterher kommen. Wir werden uns dann darüber unterhalten, wollen aber einmal feststellen, ob es das Richtige ist. Glauben Sie doch, meine lieben Freunde, daß unsere Handwerker draußen im Lande überaus hellhörig sind. Sie denken an das Memorandum, das unser Handwerk im letzten Herbst herausgegeben hat. Sie kennen das Nahprogramm des Handwerks und stoßen doch auf die elf Punkte, die dieses Programm enthalten hat, und sind erstaunt, daß wir heute mit einem Mal diese Angelegenheit hier erledigen. Unsere Freunde draußen fragen sich sicherlich - eben weil alles so zusammenkommt -, ob vielleicht diese Anträge nur zu Propagandazwecken hier eingebracht worden sind. ({10}) Ich will Ihnen sagen, meine Damen und Herren, diese Anträge sind zu schade ({11}) und uns ist es mit ihnen zu bitterernst, als daß man hiermit vielleicht Propaganda machen könnte. ({12}) Unsere Handwerksmeister draußen werden sich auch an das Verhalten der CDU bei der Verabschiedung anderer Gesetze, die das Handwerk angingen, erinnern, ({13}) z. B. an die Verabschiedung des Kündigungsschutzgesetzes, seien Sie davon überzeugt! Unsere Handwerker draußen werden sich fragen, ob dies nun heute die erste Reaktion, die erste Auswirkung der Bildung des Mittelstandsblocks ist, ({14}) und die Frage wird bestimmt mit Ja beantwortet werden! ({15}) Da muß ich Ihnen sagen, meine Freunde: wenn es das ist, dann haben Sie auf die Spritze, die Sie vom Zentralverband des Handwerks bekommen haben, gut reagiert! ({16}) Aber sei dem, wie ihm wolle. ({17}) Wir wissen, daß es nicht mit der Einbringung der Anträge allein getan ist. ({18}) Wir wissen, wie oft die Anträge liegenbleiben. Deswegen meine Bitte an Sie alle: lassen Sie uns jetzt in den Ausschüssen an die Arbeit gehen und miteinander versuchen, für unser Handwerk durch die gemeinsame Arbeit auch etwas Besonderes herauszubekommen. ({19}) Ich will meiner Freude hier ganz eindeutig Ausdruck geben, daß nun endlich auch einmal unsere Handwerkssorgen der Regierung wirklich nahegebracht werden. Wir wollen nur hoffen, daß auch hier endlich einmal helfend von der Regierungsseite eingegriffen wird, und zwar so schnell wie möglich, ({20}) damit es für viele Handwerksbetriebe, die sich heute in allergrößter Notlage befinden, nicht zu spät wird. ({21})

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dirscherl.

Hans Dirscherl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000392, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Kapitel Schwarzarbeit, das wir heute im Bundestag behandeln müssen, ist für uns absolut keine erfreuliche Sache. Wir wissen, daß die Schwarzarbeit außerordentlich schwer zu bekämpfen ist. Wir wissen aber auch, daß es für das Bundesarbeitsministerium bzw. für die Bundesregierung sehr schwer sein wird, ein Gesetz zu schaffen, das alle Beteiligten befriedigt. Es ist wohl richtig, daß bereits eine ganze Reihe von Anordnungen erlassen worden ist; insbesondere hat das Bundesarbeitsministerium erst vor mehreren Monaten eine Anordnung herausgegeben, nach welcher der Schwarzarbeit in schärfster Form entgegenzutreten wäre. Auch die übrigen Ministerien, insbesondere das Finanzministerium, sind zur Mithilfe aufgefordert worden. Nun müssen wir uns die Frage vorlegen, wie kann man der Schwarzarbeit überhaupt zu Leibe rücken. Auf der einen Seite sagt man wohl - der Herr Bundesarbeitsminister hat darauf hingewiesen -, daß Strafbestimmungen sowohl für den Schwarzarbeiter als auch für denjenigen vorhanden sind, der die Aufträge vergibt. Nun, glauben Sie mir, meine Damen und Herren, es ist für die beteiligten Handwerkskreise keine angenehme Aufgabe, einem Schwarzarbeiter, der diese Tätigkeit eventuell zur Verbesserung seinerwirtschaftlichen Verhältnisse ausübt, den Staatsanwalt auf den Hals zu hetzen. Es ist für uns aber auch keine angenehme Aufgabe, daß wir einen Auftraggeber zur Anzeige bringen sollen, weil er vielleicht einen Auftrag von nicht allzu beträchtlichem Umfang an einen Schwarzarbeiter vergeben hat, wofür vielleicht soziale Verhältnisse die Veranlassung waren, weil er vielfach nicht in der Lage ist, den Betrag aufzuwenden, der für die Durchführung dieser Arbeit erforderlich ist. Nun hat aber die Schwarzarbeit einen Umfang angenommen, der uns zwingt - und zwar dringend zwingt -, etwas zu unternehmen. Wir wissen, daß ({0}) die Arbeitsverwaltungen alles tun, um diesen Übelstand zu beseitigen. Die Arbeitslosen werden in dem Augenblick zum Arbeitsamt bzw. zur Arbeitslosenfürsorge geladen, wenn eine Anzeige erfolgt. Meine Damen und Herren, wir müssen uns im deutschen Volk aber grundsätzlich gegen das Denunziantentum wenden. Es ist für denjenigen, der einen Schwarzarbeiter oder einen Auftraggeber für Schwarzarbeit feststellt, nicht gerade erfreulich, und er kann es mit seinem inneren Gefühl nicht immer vereinbaren, daß er eine Anzeige erstatten soll. Aus allen diesen Gründen halten wir es für zweckdienlich und notwendig, daß das Bundesarbeitsministerium bzw. die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlegt, der geeignet ist, diesen Übelstand zu beseitigen oder seiner Herr zu werden. ({1}) Man sagt auch, man könnte die Schwarzarbeiter bei den Finanzämtern melden. Richtig, das kann getan werden! Hier hätte sich eigentlich derjenige, der den Schwarzarbeiter festgestellt hat, am allerwenigsten Gewissensbisse zu machen; denn wer verdient und wer entsprechend verdient, der soll schließlich auch seine Steuern bezahlen. Alle diese Leute würden dann zur Arbeitsverwaltung, zur Arbeitslosenfürsorge oder zum Arbeitsamt geladen werden, wo man ihnen die Frage vorlegt: Was haben Sie denn eigentlich im Laufe der Woche oder ,des Monats oder im halben Jahr verdient? Dann werden diese einen Betrag nennen, der ganz minimal ist, der weder steuerpflichtig iet noch sonst irgendwie die Möglichkeit gibt, von der Arbeitslosenunterstützung einen nennenswerten Betrag abzuziehen. Wir haben diese Fälle im einzelnen schon sehr, sehr stark durchexerziert und sind eigentlich bis jetzt zu keinem Ergebnis gekommen. Deshalb begrüße ich den Antrag der CDU/CSU, wenn auch der Herr Bundesarbeitsminister seine Bedenken geäußert hat, daß es kaum möglich sein dürfte, auf diesem Gebiet ein Gesetz zu schaffen. Ich hätte aber einen anderen Vorschlag. Ich möchte bitten, zu erwägen, ob es nicht doch möglich ist, die 48-stündige Arbeitszeit nicht auf fünf, sondern auf fünfeinhalb Tage zu verteilen. Es wurde nämlich einwandfrei festgestellt, daß die Schwarzarbeit, insbesondere von Angehörigen des Bauhaupt- und Baunebengewerbes, am freien Samstag ausgeübt wird. Rein menschlich gesehen kann man es einem Arbeiter auch nicht verdenken, wenn er am Samstag, wo er nichts zu tun hat, nicht in den Betrieb zu gehen braucht und sonst keine Tätigkeit ausübt, sagen wir einmal, seinen Pinsel und Eimer nimmt und da und dort eine Wohnung instand setzt. Der Auftraggeber denkt sich dabei vielfach überhaupt gar nichts, sondern er ist von dem Gedanken beseelt, daß ihm die Arbeit billiger gemacht wird, als wenn er sie offiziell einem Handwerksmeister überträgt. Wir haben allerdings auch festgestellt, daß die Schwarzarbeiter zu einem Stundenlohn arbeiten, der nicht im entferntesten an ,den herankommt, der in einem Betrieb bezahlt wird. Der selbständige Handwerker muß eben bei der Berechnung einer Arbeit Unkosten und sonstige Dinge einkalkulieren. Ich habe schon gesagt, daß es sich bei der Schwarzarbeit um ein leidiges Kapitel handelt und daß es für uns keine Freude ist, wenn wir den Bundestag damit beschäftigen müssen; aber einmal muß .den Dingen auf den Grund gegangen werden, über die hier schon wiederholt verhandelt worden ist. Letzten Endes muß auch das Bundesarbeitsministerium Farbe bekennen und darlegen, wie es diesen Übelstand beseitigen will. Ich möchte nun zu dem zweiten Punkt, zur Frage der Vergebung von Aufträgen der öffentlichen Hand, etwas sagen. Der Kollege Günther hat bereits eingehend auf die Mißstände bei dem Vergebungswesen hingewiesen. Es ist zwecklos, das, was bereits gesagt worden ist, zu wiederholen. Ich möchte auf ein anderes Kapitel zu sprechen kommen, nämlich auf das des sogenannten Generalunternehmertums, das sich gerade in der US-Zone, in Bayern, Württemberg usw., außerordentlich breitgemacht hat. ({2}) Die Besatzungsmacht übergibt die Ausführung von Bauten, gleichgültig, ob es sich um Kasernen- oder um Wohnungsbauten handelt, an sogenannte Generalunternehmer. Sie dürfen aber nicht glauben, daß diese Generalunternehmer Architekten, Baumeister oder gelernte Maurer sind. Wir haben wiederholt festgestellt, daß Konditoren oder Angehörige verschiedener anderer Berufe als Generalunternehmer aufgetreten sind. Das Übel liegt aber vor allem darin, daß der Generalunternehmer der Besatzungsmacht Angebote für alle Arbeiten einreicht, also sowohl für Schlosser- und Schreiner-arbeiten als auch für sonstige Arbeiten, daß er aber dann, wenn ihm der Autrag erteilt ist, für alle Arbeiten, die er zu vergeben hat, im Submissionsweg Angebote von ,den sehständigen Handwerkern einfordert. Dabei soll der Generalunternehmer vielfach Mittel anwenden - nicht ohne Druck -, die geeignet sind, ihm mühelos erhebliche Einkünfte zu verschaffen. Die Handwerker klagen darüber im allgemeinen außerordentlich stark, obgleich sie im großen und ganzen nicht recht mit der Sprache herausrücken, weil sie befürchten, daß sie dann von einem solchen Generalunternehmer künftig ausgeschaltet werden. Die Zahl der Generalunternehmer ist außerordentlich groß. Ich glaube, daß man auf die Besatzungsmacht dahin einwirken müßte, daß sie Aufträge entweder direkt an Unternehmer vergibt, also in einzelnen Losen, oder aber deutsche Behörden mit der Durchführung der Bauaufgaben betraut. Wir haben die Frage in Nürnberg und Fürth wenigstens schon einmal angeschnitten, ob man nicht die Finanzbauverwaltung einschalten kann, ob man ihr nicht schließlich auch die Verantwortung für die Erbringung der Leistungen auferlegen kann; denn die Erstellung von Bauten, sowohl von Kasernen- als auch von Wohnungsbauten, geht schließlich auf das Konto der Besatzungskosten. Nach meinem Dafürhalten müßte der Bundeswirtschaftsminister das seine tun, um diesen Übelstand zu beseitigen bzw. die Verhältnisse beim Generalunternehmertum gerecht zu gestalten. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag der CDU/ CSU zuzustimmen, insbesondere aber die Bundesregierung ,zu beauftragen, die Frage des Generalunternehmertums einer Prüfung zu unterziehen. ({3})

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Das Wort hat der Abgeordnete Hoecker.

Heinrich Höcker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000915, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat sein Interesse an der Frage der Schwarzarbeit schon mit seinem Beschluß vom 16. Mai 1950 bekundet. Der Herr Arbeitsminister hat eben bereits gesagt, welche Möglichkeiten sich auf Grund dieses Beschlusses erge({0}) ben haben. Ich glaube, daß mit dem, was nach diesem Beschluß veranlaßt worden ist, nicht die Möglichkeit geschaffen worden ist, die Schwarzarbeit zu beseitigen. Ob sie überhaupt zu beseitigen ist, ist eine Frage, die niemand beantworten kann. Soviel läßt sich aber zumindest sagen, daß mit den ergriffenen Maßnahmen die Schwarzarbeit nicht in einem Umfang beseitigt worden ist, den man als befriedigend bezeichnen kann. Es liegt selbstverständlich in der Natur der Sache, daß sich der Umfang der Schwarzarbeit nicht statistisch bis auf das letzte Prozent erfassen läßt. Weite Kreise im Handwerk und auch im Arbeitsministerium sind der Auffassung, daß ein gewisser Teil der Unterstützungsempfänger ständige Schwarzarbeiter sind, und zwar namentlich in den Gegenden, in denen in erhöhtem Maße Kurzarbeit besteht, was auf verschiedene Umstände zurückzuführen ist, die ich hier nicht anführen will, sonst müßte ich mich auf das Gebiet der Wirtschaftspolitik begeben. Die Kurzarbeiter sind jedenfalls erheblich an der Schwarzarbeit beteiligt, die die Arbeitslosigkeit unberufen gerade in den Gebieten verstärkt, in denen sie am hartnäckigsten auftritt. Es ist ein Zeichen der Zeit, daß die Leute, die sich in armen Verhältnissen befinden, versuchen, ihren aufgestauten Reparaturbedarf usw. so billig wie möglich zu befriedigen. Das Ergebnis ist, daß, wie ich eben schon andeutete, in Notstandsgebieten ein beträchtlicher Teil der Leute, die Unterstützung beziehen, auch Schwarzarbeit ausführen. Zugleich verschärft die Schwarzarbeit die Berufsnot der Jugend. Der Herr Begründer des Antrages der CDU/CSU hat eben schon angeführt, daß zwei Schwarzarbeiter ein Arbeitsloser mehr und eine Lehrstelle weniger sind. Diese volkstümliche Formel dürfte die Zusammenhänge gut veranschaulichen. Aber es gibt auch noch mehrere andere Gründe, warum die Schwarzarbeit unter allen Umständen energisch bekämpft werden muß. Die Schwarzarbeit drückt auf die Tariflöhne der beschäftigten Gesellen und Arbeiter in den gewerblichen Betrieben und gefährdet naturgemäß auch ihren Arbeitsplatz. Daher wirken - das dürfte allgemein bekannt sein - auch die Gewerkschaften in Aufrufen usw. mit, daß die Schwarzarbeit so weit wie nur irgend möglich unterbunden wird. In der letzten Zeit hat auch der Bundesfinanzminister den nachgeordneten Stellen den Erlaß des Bundesarbeitsministers empfohlen, und zwei weitere Erlasse sind, wie wir gehört haben, in Vorbereitung. Leider muß ich dazu sagen, daß diese Erlasse und Verordnungen weiten Kreisen der Bevölkerung, die darauf aufmerksam gemacht werden müßten, nicht bekanntgeworden sind, da sie nur im Dienstwege an die Verwaltungen herausgegeben wurden. Deshalb bleiben diese Erlasse - in sich gewissermaßen matt und kraftlos in ihrer Behördensprache, zum Teil auch unzulänglich im Inhalt - in den Amtsstuben liegen und werden der breitesten Öffentlichkeit nicht bekannt. Meine Damen und Herren, so harmlos ein Teil der Schwarzarbeitsfälle auch aussehen mag, die Schwarzarbeit in der heutigen Häufung gefährdet den Arbeitsplatz ehrlicher Arbeiter und führt dadurch naturgemäß zu Entlassungen, drückt auf die Tariflöhne der beschäftigten Arbeiter und betrügt natürlich den Staat, die Gemeinden und die Sozialversicherungsträger um Steuern und Beiträge. Allein das ist schon ein Grund, sich energisch dieser Frage zu widmen und zu versuchen, die Schwarzarbeit zu beseitigen. Sie stört auch den ehrlichen Leistungswettbewerb der Betriebe und höhlt ihre Wirtschafts- und Steuerkraft aus, untergräbt die Wirtschafts- und Arbeitsmoral, zumal sie das Licht der Öffentlichkeit bekanntlich aus den verschiedensten Gründen scheuen muß, verursacht Unfälle, führt zu Pfuscharbeit und vergeudet damit wertvolle Rohstoffe und Arbeitsstunden. Der Herr Arbeitsminister hat eben auch schon ausgeführt, daß es sehr schwer ist, die Schwarzarbeit hundertprozentig zu beseitigen. Wirkliche Abhilfe ist unserer Auffassung nach nur durch ein sinnvolles Gesetz gegen die Schwarzarbeit mit Bestrafung der Auftraggeber möglich. Dieses Gesetz muß mit allen Mitteln moderner Publizistik der Bevölkerung so eindringlich bekanntgemacht werden, daß überall die Menschen, die zum Teil aus Gedankenlosigkeit auch gegenüber dem Mittelstand und dem Handwerk Schwarzarbeit für sich buchen wollen, aus ihrer Gedankenlosigkeit und irrtümlichen Einstellung aufgerüttelt werden, die Schwarzarbeit vermeiden und dem ehrlichen Handwerk ihre Aufträge geben. Für diese Aufklärung, die notwendig ist, müßten meiner Auffassung nach auch Bundesmittel bereitgestellt werden. Ich möchte dabei aber - wenn ich mich sonst auch energisch für die Bekämpfung der Schwarzarbeit eingesetzt habe - einige Vorbehalte machen, die von meinen Herren Vorrednern außer dem Herrn Bundesarbeitsminister nicht gemacht worden sind. Diese Vorbehalte betreffen die Eigenhilfe beim sozialen Wohnungsbau. Sie wissen, daß sehr viele kleine Leute, wenn ich mich mal so ausdrücken darf, darauf angewiesen sind, beim Bau eines Eigenheimes zur Eigenhilfe und zur Nachbarschaftshilfe zu greifen. Ich habe gestern noch darüber eine Unterredung mit Vertretern der Handwerkerorganisationen gehabt, möchte aber auch von Ihnen bestätigt wissen, daß nicht daran gedacht wird, diese Eigen- und Nachbarschaftshilfe unter den Begriff der Schwarzarbeit fallen zu lassen. ({1}) Wir sind der Auffassung, daß, wenn ein sinnvolles Gesetz geschaffen wird und man versucht, dieses Problem gestaltend und sinnvoll zu lösen, es möglich sein wird, dem Handwerk durch die größtmögliche Beseitigung der Schwarzarbeit einen Dienst zu erweisen. Meine politischen Freunde sind bereit, an diesem Gesetz im Interesse des Handwerks mitzuarbeiten. ({2})

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.

Hugo Paul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001682, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Die Lage ist so dargestellt worden, als sei der Mangel an Aufträgen beim Handwerk im wesentlichen auf die herrschende Schwarzarbeit zurückzuführen. Das ist doch zweifellos eine Verdrehung der tatsächlichen Lage. Das Handwerk selbst teilt in seinen Fachzeitschriften mit, daß die Auftragseingänge in den letzten Monaten zurückgegangen sind. Es wird z. B. berichtet, daß zahlreiche Betriebe der Herrenschneider ihre Werkstätten schließen mußten. Außerdem berichtet die Friseurinnung, daß in den Damenabteilungen zum Teil ein Leerlauf von 60 % und in den Herrenabteilungen ein Leerlauf bis zu 45 % zu verzeichnen ist. Der Rückgang der Aufträge beim Handwerk und die Schwie({0}) rigkeiten des Handwerks sind im wesentlichen auf die Steuer- und Wirtschaftspolitik, wie sie die Bundesregierung betreibt, zurückzuführen. Die Kaufkraft der Massen ist gewaltig zurückgegangen, der Reallohn ist durch Preistreiberei und Steuerdruck gesunken. Das wirkt sich selbstverständlich auch auf die Handwerksbetriebe aus. ({1}) - Ja, wenn Sie etwas über die Deutsche Demokratische Republik sagen, dann müssen Sie schon bei der Wahrheit bleiben. Dort steigt die Kaufkraft der Massen von Monat zu Monat, ({2}) dort werden die Steuern gesenkt, dort werden die Löhne erhöht, während Sie hier dauernd Preissteigerung und Erhöhung der Steuern erleben. Diese Tatsachen können Sie mit Ihren Zwischenrufen nicht aus der Welt schaffen; jeder klarsehende Mensch kann sich davon in der Deutschen Demokratischen Republik selbst überzeugen. ({3}) - Sie haben jederzeit Gelegenheit, hinüberzufahren und sich das anzusehen! Aber Sie dürfen ja gar nicht fahren, well Sie keine Genehmigung von den Hohen Kommissaren auf dem Petersberg erhalten! ({4}) Die Lage des Handwerks kann nur durch eine Änderung der Politik der Bundesregierung gebessert werden. Weshalb arbeiten denn die Arbeiter überhaupt schwarz? Sie arbeiten deshalb nebenbei, wie man so sagt, weil ihre Löhne nicht ausreichen. Würde man die Löhne in einer anständigen Weise erhöhen und würde man die Preise ) auf einen solchen Stand bringen, daß die Kaufkraft steigt, dann - glauben Sie mir - würde kein Arbeiter seine Freizeit verwenden, um nebenbei Schwarzarbeit zu leisten. ({5}) Glauben Sie doch nicht, daß Sie durch Zwangsund Strafgesetze diesen sozialpolitischen Zustand ändern könnten. Diesen Zustand kann man nur dadurch ändern, daß man die Wirtschafts-, die Sozialpolitik und die gesamte Politik hier in Westdeutschland ({6}) im Interesse des werktätigen Volkes und auch der Handwerker ändert. Anders geht es nicht. Ich komme nun zu der Frage der Vergebung der Aufträge der öffentlichen Hand. Wir sind der Meinung, daß die VOB für alle Aufträge der öffentlichen Hand und auch für die Aufträge verbindlich gemacht werden sollte, die durch die öffentliche Hand gefördert bzw. finanziert werden. Gleichzeitig muß man aber die öffentliche Hand ermahnen, daß sie sich bei der Vergabe von Aufträgen an das Handwerk nicht immer von den billigsten Angeboten leiten lassen darf, sondern daß die gültigen Richtpreise der Handelskammern und der Handwerksorganisationen berücksichtigt werden sollten. Das ist auch die Forderung der Handwerksorganisationen selbst. Damit in Verbindung steht die Frage der ungeheuren Außenstände des Handwerks. Auch diese Frage hängt mit den sozialpolitischen Verhältnissen zusammen. Fragen Sie die kleinen Kaufleute in den Arbeiterbezirken! Dann werden Sie erfahren, daß es dort sehr viele Menschen gibt, die bei den kleinen Kaufleuten schon große Summen anstehen haben. Man kann die Dinge nicht mit der Erklärung abtun, daß die Leute eben eine schlechte Zahlungsmoral hätten. Nein, die Notlage der Leute führt zu den Rückständen, die wir bei den kleinen Kaufleuten und bei den Handwerkern sehen. Mit aller Energie muß man dem Zustand entgegentreten, daß auch Außenstände der öffentlichen Hand zu Lasten des Handwerks weiter und weiter hinausgezögert werden. Wir sind der Meinung, die öffentliche Hand muß, auch soweit sie auf die übrigen Arbeiten Einfluß hat, darauf drängen, daß den Handwerkern ihre Rechnungen termingerecht bezahlt werden. Wir sind weiter der Auffassung, daß man den Handwerksmeistern, sobald sie die Arbeit aufgenommen und schon einen Teil der Arbeit geleistet haben, zinsfreie Zwischenkredite geben sollte, damit sie die Arbeiten termingerecht weiterführen können. Wir meinen, daß damit dem Handwerk wesentlich gedient würde. Das muß man in einem Gesetz verankern, damit die Handwerker einen Rechtsanspruch auf zinsfreie Zwischenkredite und auf Vorauszahlungen auf das zur Durchführung der Aufträge notwendige Material haben. Es wurde mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß viele Handwerksbetriebe, vor allem die Alleinmeister und die Kleinbetriebe mit einigen Gesellen und Lehrlingen, gar nicht in der Lage sind, einen großen Vorrat von Baustählen, von Zement, von Steinen, von Dachziegeln, von Holz usw. zu halten. Das hängt auch mit den ungeheuer hohen Preisen zusammen. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß z. B. die Bauschreiner durch die Freigabe der Holzpreise in eine ungeheuer schwierige Lage gekommen sind. Diese Freigabe wurde von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister, von dieser Regierung verfügt, die von jener Partei getragen wird, die in diesem Hause gleichzeitig solche Anträge stellt. Ich überlasse es den Handwerkern selbst, wie sie eine solche Taktik und ein solches Vorgehen beurteilen. In der Frage der Schwarzarbeit sollten wir dafür sorgen, daß jeder Mensch im Rahmen seiner Arbeitszeit genügend verdient, um sein Leben und das Leben seiner Familie fristen zu können. Wir sind weiter der Meinung, daß man umfangreiche Förderungsmaßnahmen und steuerliche Vergünstigungen durchführen muß, um dem Handwerk zu helfen. Es gibt allerdings Leute, die eine Vogel-Strauß-Politik betreiben. Aber alle diese Fragen finden nur ihre gründliche Lösung, wenn man die Spaltung Deutschlands aufhebt, wenn man den innerdeutschen Handel vorantreibt und wenn man dem deutschen Volk die Möglichkeit gibt, ungehindert den Handel mit allen Völkern der Erde, insbesondere mit den natürlichen Abnahmeländern für deutsche Waren, nämlich mit den Völkern des Ostens zu betreiben. Dadurch würde dem Handwerk in entscheidendem Maße geholfen. Alle Maßnahmen, die heute hier beraten werden, werden nur Stückwerk bleiben; sie werden die Not des deutschen Handwerks nicht grundsätzlich lösen können. Wir wollen im Rahmen der jetzigen Gegebenheiten für die Belange des Handwerks eintreten. Aber darüber hinaus appellieren wir an das Handwerk, mit uns und mit allen friedliebenden Menschen in Deutschland für die Aufhebung des nationalen Notstandes unseres Volkes zu kämpfen, weil das Handwerk damit sich selbst und der Sicherung seiner Existenz dient. ({7})

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, das Hohe Haus ist dem Herrn Abgeordneten Eickhoff dankbar, daß er das Wort ergriffen hat. So hatten wir wenigstens eine kleine Auflockerung bei diesen doch sonst trockenen Themen, und Ihnen, meine Herren von der SPD, gönne ich die Freude, die Sie dabei empfunden haben, daß ein Vertreter der Opposition in der Koalition diese Äußerungen. hier tun zu müssen glaubte. Herr Bäckermeister Eickhoff, ich möchte Ihnen eins sagen: Eine Verwandtschaft unserer Anträge mit dem Memorandum läßt sich selbstverständlich nicht leugnen. Aber Sie müssen doch bedenken: diese Anträge sind in einem Arbeitskreis zu einem Problem erarbeitet worden, das sich hier und da gleich stellt, und man kommt doch zwangsläufig, egal wo man sitzt, zu den gleichen Ergebnissen, wenn man dem Handwerk helfen will. Weiterhin sind natürlich diese Anträge nachher auch mit den zuständigen Verbandsorganisationen abgesprochen worden. Sie sagen nun aber hier sei eine unzweckmäßige Inflation entfaltet worden, und eine Minute später bereuen oder beweinen Sie es, daß Sie selbst nicht mit unterschrieben haben. Nun, wie Sie das zusammenbacken wollen, das verstehe ich nicht. ({0}) Ich möchte zu den Anträgen noch kurz sagen: Wir schlagen vor, den Antrag betreffend Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen, und bitten, daß er dort behandelt wird, wenn die Bundesanstalt steht; das heißt also, die Ausführungen des Herrn Bundesarbeitsministers sollten berücksichtigt werden. Für den Antrag Nr. 3138 schlagen wir Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung vor und für den Antrag Nr. 3139 Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen.

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wirths.

Carl Wirths (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002530, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Meine Damen und Herren! Ich habe einige Sätze zu Punkt 10 zu sagen, der sich mit der Verdingungsordnung für Bauleistungen beschäftigt. Es dürfte nicht allgemein bekannt sein, daß das, was in dem letzten Satz des Antrags gefordert wird, nämlich die VOB den Bedürfnissen der Bauwirtschaft anzupassen, bereits von dem Deutschen Verdingungsausschuß so weitgehend vorbereitet worden ist, daß diese Anpassung, d. h. die Reform der VOB, bereits voll und ganz erreicht ist. Seit einigen Jahren - ich glaube, seit 1949 - hat sich der Deutsche Verdingungsausschuß mit der VOB beschäftigt. Er hat eine Unterkommission eingesetzt, und er wird sich in seiner Gesamtheit in diesem Monat noch mit der Neufassung beschäftigen. Insoweit ist das zeitlich ganz gut abgepaßt. Wir wissen, daß die VOB seit nunmehr 26 Jahren besteht und daß sie den Zweck, der ihr gestellt war, erreicht hat, nämlich eine gewisse .Ordnung in das Verdingungswesen zu bringen und Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen zu gestalten, die allgemein angewandt werden. Nun haben wir festzustellen, daß viele auftraggebende Stellen zwar in ihren Ausschreibungsunterlagen die VOB als gültig erwähnen, daß sie aber nachher in Sonderbestimmungen eine ganze Reihe von Abweichungen vorschreiben und die VOB damit erheblich durchlöchern. Wir möchten wünschen, daß in dem Gesetzentwurf, den wir erwarten, zum Ausdruck kommt, daß Abweichungen durch Sonderbestimmungen nur dann gültig sein sollen, wenn die Abweichung in der VOB selbst vorgesehen ist. Weiterhin ist noch zu sagen, daß ja die VOB aus vier Teilen besteht. Wir haben den Teil A, Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen, DIN 1960, wir haben den Teil B, die Vertragsbedingungen für die Ausführung, DIN 1961, und dann eine ganze Reihe von Normblättern für die technischen Vorschriften, und zwar für Hochbau - das sind ungefähr ein bis zwei Dutzend - und ebenso eine ganze Reihe von Normblättern für die technischen Vorschriften für Tiefbau. Nun muß man folgendes festhalten: Gerade diese technischen Bedingungen wechseln mit dem Fortschritt der Technik, mit der Entwicklung. Man sollte also in dem Entwurf festlegen, daß die VOB in der jeweils gültigen Fassung verbindlich sein soll. Es ist ja dabei zu erwähnen, daß gerade der Deutsche Verdingungsausschuß nicht nur die bauvergebenden Behörden umfaßt, sondern beispielsweise auch Vertreter des Deutschen Städtetages, der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen und auf der andern Seite die Vertreter der auftragnehmenden Stellen, Hauptverband deutsche Bauindustrie, Zentralverband des deutschen Baugewerbes und die Vertretungen der Ausbaugewerbe wie auch den Deutschen Architekten- und Ingenieurverein und den Bund Deutscher Architekten neben den Gewerkschaften. Hier sind also die Leute zusammen, die von diesen Dingen etwas verstehen und denen man es ruhig überlassen kann, die richtige Form der VOB zu finden. Ich bin damit einverstanden, daß sich der 18. Ausschuß mit den Dingen beschäftigt, insbesondere da ja nach dem ersten Bundeswohnungsbaugesetz der Bundeswohnungsbauminister für die Anwendung von Normen im Wohnungsbau zuständig ist und, wie ich bereits ausgeführt habe, diese VOB in allen Teilen nach DIN-Blättern genormt ist.

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Das Wort hat Herr Abgeordneter Kalbfell.

Oskar Kalbfell (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001056, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 3139, der sich mit der Verdingungsordnung beschäftigt, hat soeben durch den Herrn Kollegen Wirths seine technische Erläuterung erfahren. Wie lange schon streitet das Handwerk um die richtige Vergebung, um den richtig kalkulierten Preis! Immer wieder wird Unzufriedenheit da sein, weil beim Handwerk selbst eine Schuld zu suchen ist. Aber auch die vergebenden Behörden und die Auftraggeber tragen Schuld. Es ist selbstverständlich, daß jeder Auftragnehmer seinem Angebot den richtig kalkulierten Preis zugrunde zu legen hat. Das geschieht leider sehr oft nicht. Es ist mehr eine Spekulation als eine richtige Kalkulation. Ein Handwerker, der sich um einen Auftrag bemüht, muß ja die Kosten errechnen. Dazu hat er im allgemeinen eine Prüfung als Geselle und als Meister gemacht. Diese Kosten setzen sich zusammen aus Material, aus Löhnen, aus den sozialen Unkosten, aus allgemeinen Betriebsunkosten und aus einem angemessenen Gewinn. Die Angebote aber, die abgegeben werden, entsprechen vielfach diesen Grundsätzen nicht. ({0}) Was ist die Ursache? Eine falsche Kalkulation? Wird überhaupt kalkuliert? Sehr oft wird nur geschätzt; und es ist Aufgabe der vergebenden Behörde, zu prüfen, ob der Preis angemessen ist, denn Leistung muß gegen Leistung gesetzt werden. Deshalb ist mit Recht gefordert worden, für alle öffentliche Aufträge - und dazu gehört auch der soziale Wohnungsbau - den angemessenen Preis zugrunde zu legen. Das Wohnungsbauprogramm im sozialen Wohnungsbau umfaßt eine Jahresauftragssumme von annähernd 4 Milliarden Mark. Wir erleben hier Preisunterschiede, die nicht zu verantworten sind. Es ist Pflicht der vergebenden Stellen, zu prüfen, ob Preis und Leistung miteinander vereinbar sind. Wir sind der Auffassung, daß Vergaben an Generalunternehmer, die mit dem Gewerbe nichts zu tun haben, aufhören müssen - das gilt auch für die Besatzungsmächte -, Vergaben von Kasernenbauten an Kellner oder andere Leute, die als Manager auftreten. Wir sind dafür, daß die Arbeitsgemeinschaften des Handwerks stärker als bisher beachtet werden, daß Großaufträge an Arbeitsgemeinschaften vergeben werden und daß nicht nur Großfirmen zum Zuge kommen, die entsprechende Beziehungen nachweisen können. Das soll aber nicht heißen, daß die Baupreise in die Höhe getrieben werden dürfen oder daß eine Monopolstellung der einen oder anderen Gruppe gewährleistet werden müsse: Wir wollen keine Monopole, wir wollen den gerechten Preis zugestehen. Die Abstellung von Mißständen ist bei den Behörden, insbesondere aber auch bei Privatarchitekten nur dann möglich, wenn der gute Wille dazu da ist. Man darf nicht die VOB zugrunde legen, wie es Herr Kollege Wirths eben dargestellt hat, und außerdem so viele Nebenbestimmungen in die Vertragsunterlagen hineinnehmen, daß dadurch die VOB unwirksam wird. Das muß in der künftigen Gesetzgebung unter allen Umständen beachtet werden. Die sozialdemokratische Fraktion stimmt den Anträgen im wesentlichen zu und ist bereit, im Ausschuß positiv mitzuarbeiten. Für die Errechnung des richtigen Preises müssen Sachverständige aus den verschiedensten Gruppen zusammenkommen, um Angebote, deren Preise außerhalb des normalen Angebotspreises liegen, darauf zu überprüfen, ob sie überhaupt zum Zuge kommen können. Eine vergebende Behörde muß selbstverständlich ein Interesse daran haben, daß der Auftragnehmer seine Verpflichtungen den Lieferanten gegenüber, aber auch seinen Arbeitern gegenüber zu erfüllen vermag und daß er nicht hier ein Loch zumacht, dort ein neues aufmacht und so weiter wurschtelt, bis dann eines Tages der Bankrott da ist. Es ist festgestellt worden, daß von den Insolvenzen im Jahre 1951 26 % die Bauindustrie und 38 % das Handwerk betreffen - das sollte uns zu denken geben - und daß die Bauindustrie selber in ihren Bilanzen fast keine Gewinne ausweist, während andere Industriegruppen entsprechende Gewinne nachzuweisen vermögen. Wir möchten vorschlagen, dem Beispiel Hollands zu folgen. In Rotterdam hat man ein Bauzentrum geschaffen, in dem alles zur Verfügung steht, was dem Bauhandwerk, den Architekten und den Baubehörden nutzt. Dort stehen 5 000 qm Bodenfläche und 3 000 qm Wandfläche zur Verfügung, auf denen Sie alles finden, was man für Materialnachweis, für Kalkulationsunterlagen in den Dingen, die alle angehen, zu erfahren wünscht. Der Herr Bundesminister Wildermuth hat, als er das Rotterdamer Bauzentrum sah, erklärt, er sehe es als seine Aufgabe an, ein solches Bauzentrum auch in Deutschland zu schaffen. Dort kann der richtig kalkulierte Preis nachgeprüft werden, weil alle sozialen Daten über Baustoffe und über Löhne vorhanden sind und alle technischen Unterlagen zur Verfügung stehen. Hieraus könnte dem Handwerk ein wirklicher Nutzen entstehen. Zu den Kalkulationsunterlagen möchten wir aber noch folgendes bemerken, und zwar ist das an die Adresse des Herrn Bundeswirtschaftsministers gerichtet: Man kann nur richtig kalkulieren, wenn man über die Preise der Rohstoffe Bescheid weiß. Sie werden zugeben, daß im Augenblick die Versorgung des Handwerks mit Eisen, Blechen und anderen Materialien völlig unzureichend ist und daß Schwarzmarktpreise gezahlt werden müssen, ({1}) die für eine Tonne Stahl bzw. Muniereisen zwischen 800 und 1 200 Mark liegen, und daß man nebenher noch Beträge bezahlen muß, ohne daß diese über die Bücher gehen dürfen. Unter solchen Umständen ist es für einen Handwerker unmöglich, zu kalkulieren. Beim Neubau einer Schule in Süddeutschland mußten bei solchen Preisen 150 000 DM mehr aufgewandt werden, weil das Eisen für den Eisenbeton nicht anders als über die Schwarzhändler in Düsseldorf beschafft werden konnte. Ich erinnere Sie an die Entschließung des Deutschen Handwerkerrats vom Februar dieses Jahres, die an die Bundesregierung gerichtet wurde: Nach übereinstimmenden Berichten aus den fachlichen Organisationen des eisenverarbeitenden Handwerks und der Handwerkskammern hat sich die unzureichende Versorgung der Handwerksbetriebe mit Eisenmaterialien trotz des Inkrafttretens der Eisenlenkungsverordnung nicht gebessert. In vielen Bezirken, besonders in den süddeutschen Ländern des Bundesgebiets, ist die Belieferung der handwerklichen Werkstätten sogar noch schlechter geworden. Während viele Betriebe Aufträge wegen Materialmangel ablehnen müssen, wird auf der anderen Seite auf dem Schwarzmarkt Eisen zu Überpreisen angeboten. Auf Grund dieser Entwicklung macht sich in den Kreisen des eisenverarbeitenden Handwerks eine ständig wachsende Erregung bemerkbar. Das, was für Eisen zutrifft, ist auf dem Holzmarkt nicht anders. Holzpreise von 280 bis 350 DM für einen Kubikmeter sind fast normal. Wohl haben sich die süddeutschen Länder durch ihre Forstdirektionen der Sägeindustrie gegenüber verpflichtet, für den sozialen Wohnungsbau 50 % der Holzzuweisungen zum Preise von 180 % der Forsttaxe abzugeben; aber das wird eben doch nicht eingehalten, und es werden Überpreise bezahlt. Das ergibt die großen Unterschiede in den Angeboten. Die Bundesregierung hat dafür zu sorgen, daß die Eisenlenkungsvorschriften eingehalten werden und daß die Preisüberwachungsstellen den Schwarzhändlern das Handwerk legen. Ich fasse zusammen. Die Sozialdemokratische Partei ist bereit, die Mittel einzusetzen, die nötig sind, um dem Handwerk den Auftragsbestand zu sichern und den gerechten Preis zu geben. Wir wollen auch das Handwerk bitten und mahnen, technische Verbesserungen durchzuführen und den Ertrag für die Rationalisierung im Betrieb und die ({2}) Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einzusetzen. Dann nützen wir allen, dem Handwerk und den im Handwerk Beschäftigten. ({3})

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.

Dr. Hermann Etzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000498, Fraktion: Föderalistische Union (FU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mir wenige kurze Bemerkungen zu den Punkten 6, 9 und 10 der Tagesordnung zu machen erlaube, bitte ich, mir zu gestatten, daß ich im Hinblick auf den bisherigen Verlauf der Debatte einige grundsätzliche Bemerkungen vorausschicke. In der Erklärung der Bundesregierung, welche der Bundeskanzler in der 5. Sitzung des Bundestages am 20. September 1949 abgegeben hat, ist versichert worden: Die Bundesregierung wird es sich besonders am Herzen liegen lassen, den Mittelstand in allen seinen Erscheinungsformen zu festigen und ihm zu helfen. Wir sind durchdrungen von der Überzeugung, daß dasjenige Volk das sicherste, ruhigste und beste Leben führen wird, das möglichst viele mittlere und kleinere unabhängige Existenzen in sich birgt. Das hat die Bundesregierung beteuert. Die mittelständischen Kreise im herkömmlichen - wenn auch nicht immer im ganz klaren - Sinne des Wortes „Mittelstand" haben aber offenbar nicht den Eindruck gewonnen, daß ihnen in der Arena zwischen den großen Flügelgruppen der Platz eingeräumt und die Beachtung zuteil geworden ist, die sie nach ihrem großen Anteil an der Bevölkerung und Wirtschaft und nach den Verheißungen der Bundesregierung glaubten erwarten zu dürfen. Andernfalls hätten sich nicht die Organisationen wesentlicher Teile des Mittelstands zu einer Kampfgemeinschaft, dem Mittelstandsblock, zusammengeschlossen. Meine politischen Freunde möchten diesen Zusammenschluß nicht als Rückfall in eine einseitige Interessenpolitik mißverstehen, die ihre Erfüllung ohne Rücksicht auf das Gesamtwohl und auf Kosten der Gesamtheit, also klassenkämpferisch, sucht, oder als Beginn der Restauration einer Wirtschaftspartei, sondern als Ausdruck eines verständlichen und berechtigten Selbstbehauptungswillens inmitten einer reichlich turbulenten Gesellschafts- und Wirtschaftslage betrachten. Die in der Föderalistischen Union vereinigten Parteien, Bayernpartei und Zentrum, haben durch die Gründung des Blocks, weil sie ein gutes mittelständisches Gewissen besitzen und die mit der Gründung verbundenen Absichten nicht falsch zu verstehen glauben, keinen Nervenschock erlitten. Ich will keine großen Worte gebrauchen, darf aber doch zum Ausdruck bringen, daß die Erhaltung, Festigung und Entfaltung großer Mittelschichten nicht nur eine wirtschafts-, sozial- und kulturpolitische, sondern eine eminent staatspolitische Notwendigkeit und Aufgabe ist, weil die erfolgreiche Lösung dieses Problems der Verwirklichung des Persönlichkeitsgedankens dienen und der alles und alle bedrohenden und überflutenden Vermassung entgegenwirken würde. Meine politischen Freunde halten diese Frage für so wichtig, daß wir uns entschlossen haben, einen Gesetzentwurf zur Einfügung eines Art. 19 a in das Grundgesetz einzubringen, der die Einhaltung einer solchen Grundsatzpolitik gewährleisten soll. Um aber die heutige Debatte nicht mit dem Gewicht dieser Grundsatzfrage zu belasten, haben wir uns damit einverstanden erklärt, daß die erste Beratung dieses Gesetzentwurfs nicht in die Tagesordnung einbezogen wird. Nun hat das Handwerk im Zuge der Aktion des Mittelstandsblocks eine Sonderinitiative bei den Fraktionen des Bundestags ergriffen. Bei den Besprechungen zwischen seinen Vertretern und den Fraktionen dürften weitgehende Übereinstimmungen erzielt worden sein. Jedenfalls war dies auch in der Aussprache zwischen meiner Fraktion und dem Zentralverband des deutschen Handwerks der Fall. Von unserer positiven Grundhaltung zu den Lebensfragen des Handwerks aus begrüßen wir eifersuchtslos jede Initiative, die Anliegen dieses Berufsstands zum Gegenstand oder Ziel hat. Wir sind ohne Vorbehalt bereit, nachhaltig an derartigen Vorlagen mitzuarbeiten. Das gilt auch für die Anträge, die die ganze heutige Tagesordnung füllen. Wir lassen uns darin auch nicht durch den Umstand beirren, daß die vorliegenden Anträge leider - ich darf das aussprechen, ohne damit einen Vorhalt gegen die Initiatoren machen zu wollen - nicht den Anspruch erheben können, mit größter Sorgfalt formuliert zu sein und überall die verfassungsrechtliche Seite zu berücksichtigen. Sachlich sind es alte Bekannte, meist jahrzehntealte Bekannte; sie gehören sozusagen zum Handwerksbrevier. Es kann wohl nicht Sinn und Zweck der heutigen Debatte sein, zum weitgeöffneten Fenster hinaus zu reden und bekannte und unbestrittene Einzelheiten wie die Suren des Korans herunterzusprechen. Der Bundestag ist kein Muezzin. Es gilt vielmehr, aus den Anträgen in den Ausschüssen rasch das Beste zu machen. Dann dürfte auch die Debatte wesentlich abgekürzt werden können. Dem Handwerk und seinen Problemen wird am besten dadurch gedient, daß die Beratung der Vorlagen abseits der Parteipolitik und ohne Seitenblicke auf propagandistische Wirkung erfolgt. Dies fordert auch die Würde des Parlaments und der Parteien, aber auch die Würde des Handwerks selbst. Berechtigte und begründete Anliegen des Handwerks und des sonstigen Mittelstands sollen nicht weniger als die Probleme und Sorgen der anderen Bevölkerungskreise Sache des ganzen Bundestags sein. Was nun die Frage der Vergebung von Aufträgen der öffentlichen Hand angeht, so entbehrt es nicht einer gewissen Pikanterie, daß meine Partei bereits im Jahre 1949 - es ist die Bundestags-Drucksache Nr. 22 - einen formulierten Antrag für die Regelung der Vergebung der Aufträge des Bundes eingebracht hat, daß aber dieser Antrag leider ein recht betrübliches Schicksal gehabt hat. Auf Grund eines Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses wurde beschlossen, den Antrag mit Rücksicht auf die von der Bundesregierung gegebenen Auskünfte über die jetzige Praxis bei der Vergebung der Aufträge des Bundes für erledigt zu erklären. Die heutige Debatte und die heutige Tagesordnung zeigen, daß der damalige Antrag sachlich in Wahrheit nicht erledigt war. Wir begrüßen es mit Genugtuung, daß die Angelegenheit jetzt einer wirklichen, befriedigenden Regelung zugeführt werden kann. Was die Frage der gesetzlichen Verankerung der Verdingungsordnung für Bauleistungen angeht, so möchte ich hier nur die Bemerkung machen, daß in einem solchen Gesetz die grundgesetzliche Zu({0}) ständigkeit der Länder selbstverständlich respektiert werden muß. Nun darf ich mir zum Schluß noch kurz einige Anregungen bezüglich der Schwarzarbeit erlauben. Es müßte möglich sein, daß die Bundesregierung unverzüglich im Einvernehmen mit den Landesregierungen eine Darstellung der wirtschaftlichen, sozialen und staatlichen Verderblichkeit der Schwarzarbeit und eine erschöpfende Zusammenfassung der durch die bestehenden Vorschriften des Gewerbe-, Handels-, Arbeits-, Sozialversicherungs-, Steuer- und Wirtschaftsstrafrechts gebotenen Möglichkeiten der Bekämpfung der Schwarzarbeit gibt, welche die bisher ergangenen Erlasse und Berichte der Bundesministerien koordiniert, der in den Westzonen noch bestehenden Unterschiedlichkeit in der Regelung des Zugangs zu einem Gewerbebetrieb Rechnung trägt und die Grenze zwischen Schwarzarbeit und Gemeinschaftshilfe oder Nachbarschaftshilfe zieht. Es müßte zweitens möglich sein, alle in Betracht kommenden Bundesbehörden zur nachdrücklichen Ermittlung und strengen Verfolgung von Fällen der Schwarzarbeit anzuhalten und bei den Landesregierungen gleiche Maßnahmen, insbesondere auch die Untersagung der Einstellung eingeleiteter Verfahren wegen Geringfügigkeit zu erwirken. Drittens möchte ich anregen, daß die Bundesregierung eine wirksame, planmäßige und nachhaltige Aufklärung der Öffentlichkeit durch Presse, Funk und Film durchführt, sie zur Mithilfe bei der Abwehr des Krebsschadens der Schwarzarbeit aufruft und zu diesem Zwecke möglichst noch in dem Nachtragsetat 1951, jedenfalls aber in dem Haushalt 1952 Mittel bereitstellt. Viertens müßte es möglich sein, daß die Bundesregierung auf eine Ausdehnung des Ermittlungsdienstes hinarbeitet. Fünftens sollte sie auf eine systematische Zusammenarbeit der an der Bekämpfung der Schwarzarbeit beteiligten Arbeits-, Finanz-, Justiz-, Polizei-, Fürsorge-, Gewerbeaufsichtsbehörden und Sozialversicherungsträger sowie auf die Mitarbeit der wirtschaftlichen Verbände und der Gewerkschaften hinwirken. Sechstens sollte die Bundesregierung die, wie der Herr Bundesarbeitsminister erklärt hat, in der Errichtung begriffene Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung in besonderer Weise mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit beauftragen. Siebtens - das hat der Herr Bundesarbeitsminister ebenfalls schon angekündigt - sollte sie ein Ergänzungsgesetz zum AVAVG einbringen, durch welches eine erweiterte Pflicht zur Ausstellung der Arbeitsbescheinigungen bei der Beschäftigung arbeitsloser Unterstützungsempfänger eingeführt und ein Verstoß dagegen unter Strafe gestellt wird. Achtens endlich sollte die Bundesregierung prüfen, welche weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen - auch Verschärfungen der bestehenden Strafvorschriften - möglich sind. Die Bundesregierung könnte dem Bundestag wohl bis zum 30. Juni dieses Jahres einen Bericht über die von ihr unternommenen Schritte und getroffenen sowie weiterhin beabsichtigten Maßnahmen vorlegen. Die Frage der Schwarzarbeit bewegt nicht nur das Handwerk und die Behörden, sie interessiert und bewegt auch weiteste Bevölkerungskreise, die durchaus nicht der Meinung sind, daß die Schwarzarbeit, abgesehen von ihrer aus gewissen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen heraus begründeten Existenz, eine unbedingte und nicht zu beseitigende wirtschaftliche und gesellschaftliche Unmoralität ist. ({1})

Paul Löbe (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001358

Weitere Wortmeldungen zu dieser Gruppe von Anträgen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst zu Punkt 6. Das ist der Antrag, der die Schwarzarbeit betrifft. Hierzu ist der Vorschlag gemacht, diesen Antrag dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die das beschließen wollen, eine Hand zu erheben. ({0}) Danke! - Wünscht jemand dagegen zu sprechen? ({1}) - Der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß ist angenommen. Bei Punkt 9 - Auftragsvergebung der öffentlichen Hand - ist beantragt, den Antrag an den Ausschuß für innere Verwaltung zu überweisen. ({2}) - In zweiter Linie soll der Antrag auch an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik gehen. ({3}) - Also dann werden wir die Ausschüsse einzeln bestimmen. Wer für die Überweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. ({4}) - Alle drei? Wenn kein Widerspruch erhoben wird, bringe ich in einmaliger Abstimmung alle drei Überweisungen zur Erledigung. Wer die Angelegenheit den drei eben genannten Ausschüssen überweisen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Nun haben wir noch Punkt 10 der Tagesordnung, die Verdingung bei Bauten. Hier ist der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen gestellt. Darf ich diejenigen, die diese Überweisung beschließen wollen, bitten, die Hand zu erheben? - Das ist auch die Mehrheit. Es ist so beschlossen. Wir kommen nun zur nächsten Gruppe der Anträge, wie sie der Herr Präsident vorhin verkündet hat. Es sind die Anträge, die die Handwerksförderung betreffen, also die Punkte 8 und 11 der Tagesordnung: 8. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend Förderung des Handwerks ({5}); 11. Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend Kreditversorgung des Handwerks ({6}). Wer wünscht, den Antrag zu Punkt 8 zu begründen? - Herr Abgeordneter Mensing. Mensing ({7}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das deutsche Handwerk freut sich darüber, daß am heutigen Tage elf Anträge hier zur Debatte gestellt werden, die sich mit den Problemen des Handwerks beschäftigen. Seien Sie davon überzeugt, Millionen deutscher Menschen werden heute ihre Blicke nach Bonn richten und mit Spannung darauf warten, zu erfahren, wie die heutige Debatte ausgefallen ist. Machen wir uns gegenseitig nichts weis: das Handwerk ist in den letzten Jahren in der Gesetzgebung stiefmütterlich behandelt worden. Denken Sie an die Zeiten nach dem Zusammenbruch zurück. Ich denke an das erste Zentralamt für Wirtschaft in Minden, wo eine große Apparatur aufgezogen wurde, wo über 1000 Menschen beschäftigt wurden, die in zehn Hauptabteilungen aufgegliedert waren. Darunter befand sich keine Hauptabteilung Handwerk, sondern lediglich eine kleine Abteilung Handwerk, bestehend aus ganzen dreizehn Köpfen! - Ich erinnere mich noch, daß damals bei einer Verwaltungsreform der Antrag gestellt wurde, selbst von dieser kleinen Abteilung von dreizehn Mann noch einige zu streichen. ({8}) Wir erleben auch heute wieder, daß z. B. im Bundesrat versucht wird, die uns in Aussicht gestellte Abteilung Handwerk zu torpedieren. Würde so etwas geschehen, dann würde dies das deutsche Handwerk und bestimmt der gesamte deutsche Mittelstand als einen unfreundlichen Akt ansehen. ({9}) Es ist bedauerlich und betrübend, immer wieder feststellen zu müssen, daß die große Masse der in der Politik tätigen Menschen die zahlenmäßige und wirtschaftliche Bedeutung des deutschen Handwerks immer noch nicht erkannt hat. Ich mache daraus noch nicht einmal den politischen Kräften der letzten Jahre einen Vorwurf. Ich bin davon überzeugt, daß dies kein böser Wille, sondern darauf zurückzuführen ist, daß im politischen Leben unseres Volkes das deutsche Handwerk in den Parlamenten nicht entsprechend stark vertreten war. Im Wirtschaftsrat waren drei Mitglieder des deutschen Handwerks, im Deutschen Bundestag sind es zwölf Mitglieder. Ich möchte hier keinen Graben aufreißen, und ich will nicht darauf hinweisen, wie stark andere Wirtschaftsgruppen, die nicht die Bedeutung des deutschen Handwerks haben, hier vertreten sind. Aber ich möchte doch mit aller Entschiedenheit zum Ausdruck bringen, daß wir Handwerker, die wir hier als Abgeordnete tätig sind, es für ungerechtfertigt halten, wenn wir unsere Belange wahrnehmen - wahrnehmen müssen, weil es unsere Pflicht ist, denn wir kennen diese Belange -, dann als Interessentenvertreter abgestempelt zu werden. Ich hoffe, daß dieser Hinweis ein für allemal genügen möge, damit ein derartiger Vorwurf für immer der Vergangenheit angehört. Die Bedeutung des Handwerks will ich Ihnen einmal zahlenmäßig vor Augen führen. Es zählt 900 000 selbständige Handwerksbetriebe mit weit über drei Millionen Beschäftigten. Das Handwerk hat heute schon wieder einen Jahresumsatz erzielt, der weit über 20 Milliarden Mark liegt. Dies beweist, daß das Handwerk förderungswürdig ist. Es ist für uns klar, worauf die Lethargie unserer Kreise und die Notwendigkeit der Gründung des Mittelstandsblocks zurückzuführen ist: weil diese Menschen feststellten, daß sie in den Parlamenten nur wenig Befürworter ihrer Belange haben. ({10}) Ich stand mit meinen Freunden bis jetzt so ziemlich allein auf weiter Flur. ({11}) Um so mehr freue ich mich, feststellen zu können, daß die größte Fraktion dieses Hauses, die CDU/CSU-Fraktion, nach langen Auseinandersetzungen - ich mache kein Hehl daraus --- heute erkannt hat, wie staatspolitisch wertvoll das deutsche Handwerk und der deutsche Mittelstand sind. Aus diesen Verhandlungen haben sich die vorliegenden Anträge ergeben. Diese Anträge sind nicht von irgendwelcher Parteitaktik diktiert - das möchte ich meinem Freund Eickhoff sagen -, sondern sie dienen einzig und allein dem Wohle des deutschen Handwerks. (Beifall in der Mitte. - Zurufe von der SPD Einige weitere Zahlen, aus denen Sie erkennen mögen, was das Handwerk bedeutet. Es wurde schon darauf hingewiesen, daß wir im deutschen Handwerk die große Erziehungsanstalt der deutschen Jugend sind, daß von den rund 750 000 Lehrlingen über 500 000 im deutschen Handwerk ausgebildet werden und daß diese Kräfte, die zum Teil als wertvolle Facharbeiter zur Industrie gehen, damit der deutschen Industrie wertvollste Helfer geworden sind. Ich will Ihnen einmal einige Berufe des Handwerks in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung vor Augen führen. Das deutsche Bäckerhandwerk verbackt etwa 95 % des gesamten deutschen Mehlverbrauchs, und das im Zeichen der hochentwickelten deutschen Brotindustrie und der Brotfabriken der Konsumvereine. ({12}) - Das war eine faule Bemerkung, Kollege Greve! ({13}) Das holzverarbeitende Handwerk verarbeitet mehr Holz als die gesamte holzverarbeitende deutsche Industrie. Wir haben im deutschen Handwerk 130 Vollhandwerke, 230 Spezialhandwerke und fast 100 Teilhandwerke. Wenn Sie sich weiter vor Augen führen, daß dieses Handwerk jährlich für über 10 Milliarden Mark Rohstoffe und Waren kauft und verarbeitet, dann ist jeder Kommentar über die Bedeutung des Handwerks überflüssig. Das Kraftfahrzeughandwerk beschäftigt mehr Menschen als die gesamte Kraftfahrzeugindustrie. Das Uhrmacherhandwerk beschäftigt mehr als die gesamte Uhrenindustrie. Ich glaube, daß diese Aufzählung genügt. Interessant ist weiter noch eine Zahl, die allerdings aus dem vorigen Jahr stammt, aus der hervorgeht, daß von je 100 Beschäftigten in der Industrie und im Handwerk 43 % auf das Handwerk entfallen. Ich erwähne auch dieses nur, damit Sie auch daraus die Bedeutung des Handwerks erkennen. Eine so starke Gruppe der deutschen Wirtschaft ist förderungswürdig. Wir wollen durch unsern Antrag erreichen, daß der Bundestag dem Handwerk 5 Mil({14}) lionen DM zur Förderung des Handwerks zur Verfügung stellt. Durch den Ausbau der Aus- und Fortbildung und der Gewerbeförderung läßt sich die Leistungs- und Lebensfähigkeit des deutschen Handwerks noch wesentlich steigern, so daß eine derartige öffentliche Aufwendung in besonderem Maße staatspolitisch gerechtfertigt ist. Im Memorandum des Handwerks werden staatliche Mittel gefordert für a) den Ausbau der wissenschaftlichen Pflege des Handwerks an den Universitäten, Technischen Hochschulen und Forschungsinstituten, b) die Bereitstellung ausreichender öffentlicher Mittel für die technische und betriebswirtschaftliche Förderung des Handwerks, c) die Förderung der handwerklichen Berufsausbildung und d) die Förderung der Handwerksausfuhr. Eine aufschlußreiche Übersicht über die Bedeutung der handwerklichen Lehrlingsausbildung gibt eine amtliche Statistik über .das gewerbliche Berufsschulwesen in Württemberg. Danach befinden sich zur Zeit im Landesbezirk Württemberg folgende Lehrlinge in der Ausbildung: Handwerkslehrlinge 36 172 = 68 %, Industrielehrlinge 16 831 = 32 %. Im Landesbezirk Baden ist das Verhältnis zugunsten des Handwerks 63 zu 37 % Hieraus erkennen Sie auch, welche erheblichen Gelder das deutsche Handwerk für die Lehrlingserziehung aufbringt. Es ist interessant, festzustellen, daß vom württembergisch-badischen Handwerk allein jährlich rund 24 Millionen DM an Lehrlingsbeihilfen aufgebracht werden. Neben den finanziellen Hilfsmaßnahmen, die die Länder des Bundesgebiets zu treffen haben, um das Handwerk ihres Gebietes zu fördern, gibt es Fragen betriebstechnischer und betriebswirtschaftlicher Art, deren Lösung für das gesamtdeutsche Handwerk von entscheidender Bedeutung ist. Ich denke da an die Gewerbeförderungsstellen der Handwerkskammern, die Gewerbeförderungsanstalten und Fachschulen auf Länderebene. Weiter gilt es, die Handwerksausstellungen und andere repräsentative Veranstaltungen zur Förderung des Handwerks zu unterstützen. Auf der Ebene des Bundesgebiets denke ich an die Institute der Hochschulen, Meisterschulen, Ausstellungen und Leistungswettbewerbe der Handwerksjugend, Begabtenförderung im Rahmen des Fachschulbesuchs, gewerbefördernde Maßnahmen der Fachverbände, Handwerksexport, den ich schon erwähnt habe, und die besondere Unterstützung des Handwerks im Grenzland sowie in Notstandsgebieten. Ich darf darauf hinweisen, daß einzelne Bundesfachverbände unter größten finanziellen Opfern ausgezeichnete Fachschulen unterhalten, wie die Zentralverbände der Bäcker, der Müller, der Schlosser, der Tischler, der Schmiede, der Kraftfahrzeughandwerker, um nur einige zu nennen. Alle diese Schulen sind förderungswürdig. Das Handwerk ist die Grundlage, die den sozialen Aufstieg ermöglicht. Interessant ist in diesem Zusammenhang, die Zusammensetzung des Handwerks nach gesellschaftlichen Schichten kennenzulernen. In Niedersachsen ist im letzten Jahr festgestellt worden, daß 37,4 % Söhne von Handwerksmeistern, 12,7 % Söhne von Landwirten, 5,5 % Söhne von Fabrikanten, Kaufleuten und sonstigen Selbständigen, 22 % Söhne von Handwerksgesellen und Industriefacharbeitern, 8,8 % Söhne ungelernter Arbeiter und 13,6 % Söhne von Beamten und Angestellten sind. ({15}) - Ich habe Ihren Zwischenruf nicht verstanden. ({16}) - Ach, wenn Sie weiter keinen Neid verspüren als den, ({17}) daß ich hier die Redezeit überschreite, dann dürfen Sie beruhigt sein. Gönnen Sie mir und meinen Freunden schon diese Zeit, zumal im Bundestag sonst für Handwerksfragen herzlich wenig Zeit zur Verfügung steht! Das Handwerk könnte wesentlich gefördert werden, wenn verhindert werden könnte, daß Geld, Arbeitskraft und Material fehlgeleitet werden. Es ist daher notwendig, die Betriebsvorgänge einer wissenschaftlichen Untersuchung zu unterziehen und die Ergebnisse in der Praxis zu verwirklichen. Auch das Handwerk hat diesen Umständen Rechnung zu tragen versucht, um beispielsweise durch die Errichtung des Deutschen Handwerksinstituts in München mit sechs Forschungsstellen, und zwar dem Seminar für Handwerkswirtschaft an der Universität München, dem Institut für Handwerkswirtschaft an der Universität Frankfurt, dem Seminar für Handwerkswesen an der Universität Göttingen, dem Institut für Handwerkswirtschaft an der Universität Berlin, dem Handwerkstechnischen Institut an der Technischen Hochschule Hannover und dem Institut für Berufserziehung im Handwerk an der Universität Köln, die Möglichkeit zu schaffen, daß seine speziellen handwerklichen Probleme wissenschaftlich durchleuchtet werden. Ein Netz von Gewerbeförderungsstellen ist aufgezogen, und darüber hinaus verfügen wir über eine stark ausgebaute Fachpresse, die unser Gedankengut verbreiten soll. ({18})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Herr Abgeordneter, ich mache darauf aufmerksam, daß die für die Begründung vorgesehene Redezeit für Sie abgelaufen ist. Was Sie jetzt an Redezeit in Anspruch nehmen, geht von der Redezeit Ihrer Fraktion in der Debatte ab. Mensing ({0}), Antragsteller: Ich glaube, meine Fraktion wird damit einverstanden sein. ({1}) Damit, meine Damen und Herren, will ich zum Schluß meiner Ausführungen kommen, und dieser soll noch einmal in das Hohelied des deutschen Handwerks ausklingen. ({2}) Ich verweise auf einen Mann - ich wünschte, er würde in diesem Hause sehr viele Nachahmer finden -, einen Mann, den ich immer sehr verehrt habe. Es ist Dr. Gustav Stresemann, der selbst aus einem Kleinstbetriebe stammte und seine Herkunft nie verleugnet hat. ({3}) Wenn die vielen, die heute an prominenten Stellen im Wirtschaftsleben, auch in den Regierungen und in den Parteien stehen, diese Herkunft nie verleugnen würden, dann stände es um das deutsche Handwerk wesentlich besser! Dr. Stresemann war es, der damals in seiner berühmten Nobelpreis({4}) Rede in Oslo vor den Vertretern der Wissenschaft und der Weltöffentlichkeit erklärte: „Wenn Sie den Niedergang des deutschen Volkes erkennen wollen, dann können Sie ihn nur erkennen an dem Sterben seines Handwerks und Mittelstandes!" Ich wünsche nicht, daß ein Zeitalter wiederkehrt, wie wir es gehabt haben, ein Zeitalter des Niedergangs, der Geschäftsaufsichten, Konkurse und Wechselproteste. Das hat dazu beigetragen, die großen Massen des deutschen Handwerks und des deutschen Mittelstandes in die Verneinung zu treiben. Aus der Vergangenheit haben wir Lehren zu ziehen. Die Geschichte lehrt an Beispielen genug, daß alle die Staaten, die eine gesunde Mittelstandspolitik betrieben haben, sich eines wirtschaftlichen Aufstiegs erfreuen konnten und daß alle Staaten, die dieses nicht getan haben, dem Untergang entgegengegangen sind. Darum möchte ich Sie bitten, dem Antrag meiner Fraktion Ihre Zustimmung zu geben. ({5})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Zur Begründung des Antrags unter Punkt 11 der Tagesordnung betreffend Kreditversorgung des Handwerks Herr Abgeordneter Schuler! Schuler ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag um eine bessere Kreditversorgung des Handwerks, Drucksache Nr. 3140, lautet: Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht, sich für eine Verbesserung der Kreditversorgung des Handwerks einzusetzen und zwei Monate nach Annahme dieses Antrags dem Deutschen Bundestag über die erfolgten und geplanten Maßnahmen zu berichten. Ich möchte diesen Antrag begründen selbst auf die Gefahr hin, daß nachher ein Diskussionsredner behauptet, dieser Antrag habe einen langen Bart. - Dann würde er ja zu mir passen. ({1}) Beim Blick auf die Fieberkurve, die der Schicksalsweg des deutschen Handwerks allein im letzten Jahrzehnt gezeichnet hat, kommt mir unweigerlich die Strophe ins Gedächtnis, die im Schicksalsbrunnen in Stuttgart eingemeißelt steht: Von des Schicksals dunkler Quelle fließt das wechselvolle Los; heute stehst du fest und groß, morgen schwankst du auf der Welle! Wenn wir unsere Erinnerung nur um zehn Jahre zurückschalten, in jene böse Zeit, als das deutsche Volk seinem Niedergang entgegenging, in jene Zeit, als die Industrie auf Rüstung umgestellt und die Versorgung des örtlichen Bedarfs dem Handwerk, als sein ureigenstes Gebiet, überlassen wurde, damals, als oft nach Luftangriffen in ganzen Straßenzügen die Fenster eingedrückt und die Dächer abgedeckt waren, als die Dachrinnen in Fetzen herunterhingen und durch Wasserrohrbrüche auch die obersten Stockwerke der Häuser überflutet waren, da hat man nach dem Handwerk gerufen. Und das Handwerk hat geholfen. Es hat in pausenlosem Einsatz tagein und tagaus vom grauenden Morgen bis in die sinkende Nacht gewerkt und geschafft. Es hat seine Friedensbestände an Material geopfert, seine Pflicht der Volksgemeinschaft gegenüber vorbildlich erfüllt und seine Daseinsberechtigung glänzend unter Beweis gestellt! Heute aber ringt das Handwerk nach Luft, heute ruft es nach Kredit, und wir fragen: woher kommt denn dieser Hunger nach Kredit? Weil das Handwerk inzwischen zum Bankier seiner Kunden geworden ist und weil es so viele verhärtete Außenstände hat, die in absehbarer Zeit nicht mehr flüssig werden und die vielleicht mit keinem Besen mehr hereingefegt werden können! Für die furchtbar hohen Steuernachzahlungen aus den Jahren 1948 und 1949 ist das Geld nicht mehr vorhanden, weil es durch Lohn- und Materialpreiserhöhungen abgesaugt worden ist. Von den unerhört hohen Außenständen des Handwerks, die über 31/z Milliarden Mark betragen, trägt das Baugewerbe allein die Hälfte. Im Baugewerbe mit seinen 55 000 Betrieben haben sich die Insolvenzen seit dem Jahre 1949 um das Dreieinhalbfache erhöht. Das Handwerk braucht Betriebsmittelkredite so notwendig wie Investitionskredite. Im Handwerk ringen zur Zeit Tausende von Familien mit einer entsagungsvollen Ehrenhaftigkeit ohnegleichen uni die Erhaltung der Existenz! Auch zur Sicherung der Selbständigmachung sind Kredite dringend notwendig, denn jede neugegründete Handwerkerexistenz ist eine Keimzelle gegen die Vermassung. Darum sollte die Kreditsicherung auf breiteste Schultern, also auf den Bund gelegt werden. Der deutsche Export betrug vor dem Kriege 2 Milliarden RM; daran war das Handwerk mit 7 %, also mit rund 140 Millionen RM beteiligt. Davon entfielen auf Optik und Mechanik 78 %, der Rest auf das Kunsthandwerk. Gerade für diese wichtige Devisenquelle muß Kredit gewährt werden! Beim Handwerksexport laufen die Importerlöse zu langsam zurück, und die Bankspesen sind zu hoch. Von den 300 Millionen DM Kredit, die im Vorjahr in die Wirtschaft gegeben worden sind, hat das Handwerk nur 40 Millionen DM bekommen. Ebenso katastrophal liegen auch die Verhältnisse beim Einzelhandel. Während bei den Betriebsmittelkrediten immerhin noch gewisse Möglichkeiten bestanden, durch Vorlieferanten und Bankinstitute, insbesondere Kreditgenossenschaf ten, wenn auch beschränkte Kredite zu erhalten, war die Lage bei dem Investitionsmittelbedarf erheblich schlechter. An mittel- und langfristigen Krediten waren nach der Statistik der Bank deutscher Länder am 31. Dezember 1950 durch Bankinstitute 6,4 Milliarden DM ausgegeben worden. Davon hat der Handel nur 2,8 % erhalten. Dazu kommt, daß der Einzelhandel infolge seiner geringen Anlageintensität von den steuerlichen Abschreibungsbegünstigungen für betriebliche Anlagegüter kaum Gebrauch machen konnte und daß dem Einzelhandel als einzigem Wirtschaftszweig die erhöhten Abschreibungsmöglichkeiten bei der Errichtung von gewerblichen Gebäuden nicht zugebilligt wurden. Auch aus den Gegenwertmitteln, die bis 31. Dezember 1950 2,5 Milliarden DM betrugen, hat der Einzelhandel nur 400 000 DM bekommen. Die Kleingewerbetreibenden gehen zu den Volksbanken, sie brauchen Personalkredite. Die Volksbanken könnten flüssiger sein, wenn sie endlich als mündelsicher anerkannt würden. Schwindelsicher sind sie ja von jeher! ({2}) ({3}) Die Volksbanken müssen hinsichtlich der Mindestreserven und der Ausgleichsforderungen Erleichterungen finden. Den Volksbanken sollte der Globalbetrag aus zweckgebundenen Mitteln über die Genossenschaftskasse in Frankfurt/Main zugeleitet werden. Ein Bruchteil der Bürgschaft sollte von der Organisation des Handwerks übernommen werden. Der Zinssatz sollte 7 % möglichst nicht übersteigen. Wir fordern die Berücksichtigung des Handwerks bei diesen zentralgelenkten Krediten. Ich bitte das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen, damit nie der Tag auf uns zukommen möchte, an dem das Handwerk gezwungen ist, die Vergangenheit zu beschwören mit dem Ruf: Hans Sachs komm herunter, das Handwerk geht unter! ({4})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Meine Damen und Herren, das war die Begründung. Wir treten nun in die Aussprache ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Nölting.

Dr. Erik Nölting (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001620, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Begriff der Handwerksförderung sollte nach Auffassung meiner Freunde breiter gefaßt und umfassender gedacht werden, als es der Antrag Drucksache Nr. 3137 der CDU/CSU vorsieht. Weil Herr Kollege Schmücker entgegen den Warnungen und Empfehlungen seines Kollegen Stücklen heute gleich bei Punkt 1 der Tagesordnung sich so elegant über die Hürde zur Generaldebatte hinweggesetzt hat und weil andere Sturmgesellen ihm nachgefolgt sind, möge auch mir gestattet sein, einige allgemeine Bemerkungen zu machen, die durchaus zur Sache gehören und sogar mit diesem Punkt zusammenhängen. Wir sind gewillt, meine Damen und Herren, einem zeitgemäßen, leistungsstarken und aufgeschlossenen Handwerk jedwede geeignete Förderung zukommen zu lassen, was natürlich nicht die Verpflichtung einschließen kann, daß soziale, technische oder betriebswirtschaftliche Rückständigkeit konserviert wird. ({0}) Wir begrüßen es, daß der Schutt der Vorurteile heute allgemein und in allen Lagern aus dem Wege geräumt ist, daß niemand mehr, wie es noch um die Jahrhundertwende der Fall war, das Handwerk auf die Invaliden- oder Absterbeliste setzt, wie es noch Professor S o m b a r t tat, der mit elegischer Apathie erklärte: An allem Kleingewerbe nagt der Wurm. Unsere Sympathie gilt dem Handwerk gleichermaßen aus wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gründen. Das Handwerk übt nicht nur wirtschaftlich eine anderweitig gar . nicht ersetzbare Funktion aus, vor allem in der Welt der Güter, die noch Persönlichkeitsaroma an sich tragen und sich für Großserienherstellung, Normierung und Typisierung nicht eignen, sondern es nimmt auch eine wertvolle und ausgleichende Brückenstellung in den sozialen Spannungen unserer Zeit ein. ({1}) Wir schätzen seine soziale Durchlässigkeit und die sozialen Aufstiegschancen, die es auch noch heute gewährt. Hart an die soziale Bedeutung grenzt die kulturelle. Das Handwerk ist Träger alter Geschmackskultur, es weiß, wofern es seine Aufgabe begreift, Niveau zu wahren, den Sinn für Gediegenheit und Materialechtheit wachzuhalten. Und es soll ihm nicht vergessen sein, daß es vor allem am Beginn der industriellen Ara der gräßlichen Geschmacksverwilderung erfolgreich entgegengewirkt hat. Gesunde Durchblutung, die dem Handwerk not tut und die es bewahrt vor einem engstirnigen und engherzigen Zünftlertum, das einst seinen Ruf verdorben hat, ist keineswegs identisch mit hemmungsloser Überflutung, die zwangsläufig zum Leistungsabfall führen müßte. Deshalb haben wir uns schon immer zum Befähigungsnachweis bekannt, der die Ausübung des Handwerksberufes und vor allem die Anleitung von Lehrlingen von der Ablegung der Meisterprüfung abhängig macht. Aber, meine Damen und Herren, das Handwerk braucht auch eine größere Geborgenheit. Es gedeiht nicht im kapitalistischen Wildwest, ({2}) es bedarf eines Ordnungsrahmens - jawohl, meine Herren! -, sagen wir, wenn Sie das lieber hören: eines Mindestmaßes an Ordnung im Wirtschaftsablauf. Dann aber entsteht die Frage - und die Regierungsparteien sollten sich diese Frage vorlegen -, ob eine vernünftige Handwerkspolitik überhaupt als legales Kind der derzeitigen allgemeinen Wirtschaftspolitik angesprochen werden kann, ob sich das liberale Entfesselungs- und das soziale Schutzprinzip zusammenreimen lassen und ob die Anträge, die uns hier vorliegen, nicht etwa doch einen Seitensprung der von Ihnen so heiß propagierten Marktwirtschaft bedeuten. Sind doch gewisse planende und lenkende Eingriffe des Staates hier am allerwenigsten zu entbehren. Im Grunde bedeutet diese Serie - ich will nicht sagen: „Inflation", um nicht wieder böses Blut zu machen - oder Flut von Anfragen und Anträgen, wie sie hier vorliegen, doch nichts anderes als besorgte Kritik an den Prinzipien Ihrer Marktwirtschaft und des bisherigen wirtschaftspolitischen Kurses. ({3}) Diese Anträge nehmen sich propagandistisch gut aus. Aber der Herr Kollege Schmücker war es ja, der heute bereits sagte: Dem Mittelstand ist nicht damit gedient, daß man für ihn Propaganda macht, vielmehr geht es um die reale Sicherung seiner Existenzgrundlagen. Man sollte sich, meine Damen und Herren, von allem fernhalten, was nach bloßer „Optik" oder, wenn wir Fremdwörter vermeiden wollen, nach bevorstehendem Wahlkampf schmeckt. Warum sagt man das eigentlich alles so lautstark vom Balkon? Die Regierungsparteien hätten doch die Möglichkeit, den Ministern, die ihre Parteifreunde sind, das alles soviel wirksamer ins Ohr zu flüstern! ({4}) - Diesmal vielleicht nicht! Im September vergangenen Jahres hat der Handwerksrat des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks der Bundesregierung ein Memorandum übermittelt, das heute schon mehrfach erwähnt wurde und in dem die speziellen Bedrängnisse des Handwerks unter folgenden Stichworten zusammengefaßt sind. Das Handwerk leidet - so heißt ({5}) es - unter mangelnder Kaufkraft weiter Bevölkerungskreise für handwerkliche Qualitätserzeugnisse und - daraus resultierend - unter einer unbefriedigenden Entwicklung seines Auftragsbestandes. Das greift aber doch über in die allgemeine Wirtschaftspolitik! Das Handwerk sollte niemals vergessen: Lohn von heute ist Kaufkraft von morgen, und ohne ausreichende Massenkaufkraft droht auch dem Handwerk Einsturzgefahr. ({6}) Als zweiter Beschwerdepunkt wird dann Materialmangel aufgeführt, insbesondere bei Walzwerksprodukten und bei anderen Eisenmaterialien, Mangel an Stab-, Form- und Profileisen, an Schwarzblechen und an Feinblechen. Das ganze eisenverarbeitende Handwerk ist notleidend, es geht aber hier um die Mindestversorgung von 150 000 Betrieben. Die auf die Eisenlenkungs-Verordnung gesetzten Hoffnungen auf eine Entspannung der Versorgungslage haben sich nicht erfüllt. Mein Fraktionsfreund Kalbfell hat schon darauf hingewiesen, daß Beton- und Moniereisen auf dem Wege des normalen Bezuges überhaupt nicht mehr zu beschaffen sind, während der Schwarzhandel den Handwerksbetrieben auch ausgesprochene Mangelware - darunter nicht zuletzt Kohle - zu wucherischen Überpreisen liefert. Bei manchen Handwerksbetrieben hat die offizielle Zuteilung an Kohle, wie die Handwerkspresse gemeldet hat, im vergangenen Winter nur fünf bis sechs Zentner ausgemacht, und im günstigsten Falle sind 30 % des vom Handwerk angemeldeten Mindestbedarfs geliefert worden. Wenn wir dennoch halbwegs mit einem blauen Auge davongekommen sind, so liegt das einerseits an der milden Witterung, andererseits aber vor allem daran, daß viel mehr Kohle „schwarz" beschafft worden ist, als der Herr Bundeswirtschaftsminister „weiß" hat zuteilen können. Als nächste Sorge wird die Schere zwischen erzielbaren Preisen und Materialpreisen genannt. Noch im letzten Quartal 1951 haben, wie aus dem Bericht des Wirtschaftsministeriums hervorgeht, die Holzpreise - ich zitiere wörtlich - „ungewöhnlich stark" angezogen und damit das gesamte holzverarbeitende Handwerk unter Druck gesetzt. Aber es werden auch Preissteigerungen für zahlreiche andere Roh- und Hilfsstoffe gemeldet, darunter Eisen und Stahl, ferner Felle und Häute. Selbstverständlich hat die Aufhebung des Mieterschutzes für gewerbliche Räume das Handwerk schwer betroffen. Denn hier ist jeder Sinn für Maßhalten vielfach völlig verlorengegangen, werden doch Mieterhöhungen weit über 25 bis 35 % gemeldet, die vom Handwerk ohne Preisabwälzung nicht verkraftet werden können, was sich dann notwendigerweise auf die Beschäftigungs- und Auftragslage auswirkt. So reißt eine uneinheitliche Wirtschaftspolitik auf der einen Seite wieder ein, was auf der anderen zusammengeflickt wurde. Des weiteren beklagt man sich über hohe, zum Teil blockierte und nicht realisierbare Außenstände, über Kreditnot, Liquiditätssorgen und zunehmende Insolvenzen. Auch das stammt zum guten Teil aus der Abfallkiste der heutigen Wirtschaftspolitik! Der viel beklagten Verschlechterung der Zahlungsmoral liegt eine Zahlungsunfähigkeit weiter Schichten zugrunde, die in schwerste Notlagen geraten sind. D a s ist die Wurzel des Borgunwesens. Es ist zuzugeben, daß das Handwerk bei seiner gegenwärtigen Situation nicht als Finanzier seines Kunden auftreten kann. Unter Kreditnot leidet namentlich der kleinere Betrieb, der die Bedingungen nicht erfüllen kann, insbesondere eine bankmäßige Besicherung vielfach nicht aufzubringen vermag und deshalb leer ausgeht. Er verlangt Kleinkredite zu tragbaren Zinsen, und man sollte es sich sehr überlegen, Herr Wirtschaftsminister, ob man den Zins freigeben will, nicht zuletzt mit Rücksicht auf das Handwerk, das billigen Kredit braucht zur Beschaffung von Roh- und Werkstoffen, um dem Nachholbedarf und dem Investitionsbedarf zu genügen. Aber der Handwerker muß diese Kredite auch vielfach als laufende Betriebsmittel einsetzen. Besonders sind es Flüchtlingshandwerker und solche, die durch Kriegsschäden schwer betroffen sind, die der kreditmäßigen Stützung bedürfen. Immer mehr muß das Handwerk zu der ihm nicht nur wegen der hohen Wechselspesen unsympathischen Methode der Finanzierung durch Wechsel übergehen. Die Kredite aus der Existenzaufbauhilfe sind rege nachgefragt, aber sie sind nur unzureichend vorhanden. Hingegen sind die aus der Soforthilfe bereitgestellten Mittel zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen nur wenig in Anspruch genommen worden. Den einzigen Lichtblick stellen die für das exportorientierte Handwerk aus den STEG-Geldern bereitgestellten Kredite in Höhe von 6,5 Millionen DM dar; 5 Millionen DM wurden über den Sparkassensektor abgewickelt und 1,5 Millionen DM über den Sektor der Volksbanken. Das mit 25 Millionen DM ausgestattete Hilfsprogramm für die von der Bundesregierung anerkannten Sanierungsgebiete ist nur sehr zögernd angelaufen und hat noch zu keinerlei Breitenwirkung geführt. Dabei hat namentlich das ländliche Handwerk in wirtschaftsschwachen Gebieten nicht nur mit Schwierigkeiten, es hat teilweise direkt um seinen Bestand zu kämpfen. Was die handwerkliche Förderung 'im engen Sinne dieses Antrages anlangt, sollte auch auf der Bundesebene begriffen werden, daß man an einer Leistungssteigerung höchlichst interessiert ist, und man sollte dem Rechnung tragen, nicht durch platonische Sympathieerklärungen, sondern durch Bereitstellung ausreichender Mittel. 300 000 DM im Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums sind ein völlig ungenügender Posten, wobei ich darauf hinweisen darf, daß allein das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Etat für die einzelnen Haushaltsjahre und so auch für das kommende Haushaltsjahr 350 000 DM für diesen Zweck vorsieht. Man sollte meinen, auch wenn es sich nur um die geistige Aufrüstung handelt, könnte man etwas spendier- und bewilligungsfreudiger sein. Diese Mittel sind natürlich nicht für einen einzelnen Betrieb gedacht, sondern sie sind für Gemeinschaftseinrichtungen und Gemeinschaftszwecke anzusetzen, insbesondere im Rahmen der Nachwuchs- und Erwachsenenförderung, teils um zusätzliche Schulungseinrichtungen zu schaffen, teils um die vorhandenen besser zu inventarisieren. Ich darf ein praktisches Beispiel geben: Zur Heranbildung von Schweißern und zur Ausfüllung von Lücken in der Schweißtechnik, insbesondere in der Technik des Kunststoffschweißens, hat der Westdeutsche Kammertag unter Hilfestellung des Landes Nordrhein-Westfalen einen D-Zug-Wagen zu einer Lehrwerkstätte ausgebaut, die nun auf dem Schienenwege an die zentralen Schwerpunkte der einzelnen Kammerbezirke herahgebracht wird. ({7}) Dieser Schweißerlehrzug läuft seit dreiviertel Jahren, wird sehr stark frequentiert und hat sich gut bewährt. Es werden dort achttägige Lehrgänge durchgeführt. Aber, meine Damen und Herren, um zur grundsätzlichen Linie zurückzuführen und damit abzuschließen: Wir sind, wie ich eingangs sagte, zwar nicht gewillt, dem Handwerk besondere Sicherheitsbezirke und Einkommenspfründe auf Kosten der Allgemeinheit zuzuschanzen, was ja gerade die wertvollen und wachstumskräftigen Teile des Handwerks auch gar nicht verlangen; aber wir sind bereit, die Schaffenden im Handwerk vom Drucke der kapitalistischen Willkürherrschaft und der monopolistischen Ausbeutung zu befreien, ({8}) sie herauszuführen aus einer Unfreiheit, wo ihnen Preise, Rohstoffe, Produktions- und Lieferbedingungen entweder von einem anarchischen Markt oder von der Brutalität kapitalistischer Machthaber diktiert werden. Wie wir keine Bauern wollen im Nachtrab der Großgrundbesitzer, so wollen wir keine Kleingewerbetreibenden an der Deichsel der großkapitalistischen Fuhrherren. ({9}) Der moderne zeitgenössische Sozialismus ist längst bündnisfähig geworden auch für die alten und neuen Mittelschichten. Wir streben an einen höheren Lebensstandard auf breitester Grundlage, der auch dem Handwerk Entfaltungsraum verbürgt. Ich glaube, meine Damen und Herren, das ist die beste und wirksamste Form positiver Handwerksförderung. ({10})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister. Dr. Erhard. Bundesminister für Wirtschaft: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, in eine wirtschaftspolitische Diskussion mit meinem Herrn Vorredner einzutreten, um so mehr, als das Handwerk ja aus eigener Überlegung entscheiden kann, welche Wirtschaftspolitik seinem Wohl besser dient, ({0}) die sozialistische oder die von uns vertretene „kapitalistische Ausbeutung". ({1}) Im übrigen bieten ja im Augenblick gerade internationale Vergleiche ein besonders gutes Anschauungsmaterial, welche Wirtschaftspolitik zu besseren Erfolgen führt. Ich komme zu der Beantwortung der Anfrage unter Punkt 8 der Tagesordnung betreffend Förderung des Handwerks. Das handwerk hat sowohl hinsichtlich seiner absoluten Betriebs- und Beschäftigtenzahl als auch hinsichtlich der Betriebs- und Beschäftigungsdichte, d. h. der Betriebs- und Beschäftigtenzahl je 1000 Einwohner; eine bemerkenswerte Stabilität gezeigt. Darüber hinaus ist die Beschäftigtenzahl je Betriebseinheit laufend gestiegen, und in noch größerem Maße hat die installierte Maschinenleistung je Betrieb laufend zugenommen. Dies kann als Beweis dafür gelten, daß das Handwerk auch in der modernen Wirtschaft lebensfähig ist und sich der allgemeinen technischen Entwicklung anzupassen vermag. Es kann indessen nicht geleugnet werden, daß der allgemeine Technisierungs- und Verfeinerungsprozeß mit einer bislang nicht gekannten Geschwindigkeit fortgeschritten ist und bewußt vom Handwerklichen fort zum Ingenieurmäßigen hin strebt. Daraus ergeben sich zunehmende Schwierigkeiten für das Handwerk, sich gegenüber der industriellen Produktion zu behaupten oder ihr zu folgen, deren Behebung durch großangelegte Förderungsmaßmen aus drei Erwägungen notwendig erscheint. Erstens: Sehr viele technische Leistungen können gerade von den mittleren und kleineren Betrieben besonders wirtschaftlich durchgeführt werden. Zweitens: Auch die industrielle Produktion bedarf zur Wartung und Unterhaltung sowohl ihrer Fertigungseinrichtungen als auch ihrer Erzeugnisse eines technisch hochstehenden Handwerks. Drittens: Im Interesse einer gedeihlichen Entwicklung der Gesamtwirtschaft ist auch eine möglichst breite und leistungsfähige Schicht von mittleren und kleineren Unternehmern anzustreben, die als ausgleichender Faktor in wirtschafts-, sozial- und staatspolitischer Hinsicht wirken soll. Dies gilt vor allem, wenn von einseitig technischen, betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen getragene Überlegungen zu einer Geringschätzung der kleingewerblichen Betriebsform und zum Denken in großwirtschaftlichen, industriellen Gedankengängen verleiten könnten. Gewerbeförderung gehört zwar in erster Linie zum Zuständigkeitsbereich der Länder. Trotzdem wird die Bereitstellung von Bundesmitteln zur Durchführung von Förderungsmaßnahmen für das Handwerk gerechtfertigt und geboten sein, wenn diese Maßnahmen entweder wegen der Größe oder der Allgemeingültigkeit des Anliegens über das dem einzelnen Land zumutbare Maß der finanziellen Hilfeleistung hinausgehen oder von vornherein als bundeswichtig angesprochen werden müssen. Durch den Bund können infolgedessen folgende Gewerbeförderungsmaßnahmen finanziell unterstützt werden: 1. Förderungsmaßnahmen, die das Handwerk in seiner Gesamtheit oder in wesentlichen Teilen mit neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen oder mit dem gegenwärtigen Stand der Technik in Übereinstimmung bringen sollen, 2. Maßnahmen mit dem Ziel, die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Forschungsarbeit an die einzelnen Handwerksbetriebe heranzutragen, durch Gewerbeförderungsanstalten, Gewerbeförderungsstellen und ähnliche Einrichtungen, durch bundeswirtschaftliche Fachschulen und sonstige Einrichtungen der zentralen Innungsverbände, durch Einbeziehung des Handwerks in die Arbeit des Rationalisierungskuratoriums der deutschen Wirtschaft, 3. Maßnahmen zur Ertüchtigung des handwerklichen Nachwuchses im Sinne einer echten Begabtenförderung, 4. Maßnahmen, die geeignet sind, durch Förderung des Wettbewerbs auf Ausstellungen und Messen eine allgemeine Leistungssteigerung im Handwerk selbst und gegenüber den industriellen Erzeugnissen herbeizuführen, 5. Hilfsmaßnahmen für Handwerke, in denen sich strukturelle Notstände abzuzeichnen beginnen, die durch die technische und wirtschaftliche Entwicklung bedingt sind, 6. Maßnahmen zur planmäßigen Einschaltung des Handwerks in den Export. ({2}) Eine von der Unterabteilung Handwerk vorgenommene Überprüfung des für alle diese Maßnahmen erforderlichen, aus Bundesmitteln zu deckenden zusätzlichen Geldbedarfs hat ergeben, daß einschließlich der Exportförderung ein Gesamtbedarf in Höhe von etwa 6 Millionen DM jährlich erforderlich sein wird. Der Antrag der CDU/CSU verdient deshalb nachdrückliche Unterstützung. Zu dem Punkt 11, betreffend Kreditversorgung des Handwerks, habe ich folgendes auszuführen: Erstens: Die Kreditversorgung des Handwerks hat das Bundeswirtschaftsministerium bei allen Kreditaktionen mit zentral steuerbaren Kapitalmitteln in Betracht gezogen. Bei denjenigen Kreditmaßnahmen, die eine Berücksichtigung der Handwerkswirtschaft zuließen, sind jeweils in besonderen Verwendungsbestimmungen die Kredithergaben an das Handwerk gefördert worden. Es wird nicht verkannt, daß bei ,der Verwendung der ERP-Gegenwertmittel dem Handwerk lediglich kleine Beträge zugeflossen sind. Das ist allein auf die bindenden Vorschriften bei der Verteilung dieser Gelder zurückzuführen, welche ERP-Gegenwertmittel für bestimmte, fest umrissene Engpaß-faktoren der Volkswirtschaft festlegten und daher eine andere Verteilung ausschlossen. Bei einem Teilbetrag von 25 Millionen DM aus der letzten Freigabe von ERP-Mitteln für Vertriebenenbetriebe ist das Handwerk entsprechend den Richtlinien der Vertriebenenbank berücksichtigt worden. Zweitens: Demgegenüber sind dem Handwerk aus anderen Kreditquellen erhebliche Beträge zugeflossen. Diese setzen sich im einzelnen wie folgt zusammen. Durch bzw. über ,die Kreditanstalt für Wiederaufbau wurden 85,91 Millionen DM zur Verfügung gestellt, aus Kreditaktionen zugunsten des Exporthandwerks 3,4 Millionen DM, durch das Hauptamt für Soforthilfe bereitgestellt Existenzaufbauhilfe für das Handwerk aus insgesamt 34 769 Betrieben mit dem Stand vom 30. September 1951 von 107,7 Millionen, über die Industriekreditbank bereitgestellt aus Arbeitsbeschaffungsprogramm 1950 mindestens 6 Millionen, weitere Kreditgewährung aus STEG-Aktion 6,5 Millionen und aus dem Sanierungsprogramm bisher 3,35 Millionen, insgesamt 212,86 Millionen DM. Die in obiger Aufstellung noch nicht enthaltene Gemeinschaftshilfe zur Schaffung von Dauerarbeitsplätzen dürfte einen relativ hohen Betrag erreichen, der der Handwerkswirtschaft zusätzlich zufließen soll. Darüber hinaus ist es gelungen, die Beteiligung des Handwerks an der Kreditaktion zur Schaffung von Lehrlingsplätzen nunmehr zu verwirklichen. In Verhandlungen meines Hauses mit den Hauptinstituten und dem Bundesrechnungshof ist hierfür ein Betrag von 2 Millionen DM freigestellt worden, der kurzfristig, und zwar noch bis zum Beginn des neuen Ausbildungsjahres, zur Verfügung stehen wird, Drittens: Bei der Gewährung kurzfristiger Kredite ist das Handwerk, wie aus einem Schreiben des Herrn Präsidenten des Zentralbankrates der Bank deutscher Länder hervorgeht, gegenüber den übrigen Wirtschaftsbereichen keinesfalls benachteiligt worden. Es wird im Gegenteil darauf hingewiesen, daß den gewerblichen Kreditgenossenschaften, einem wichtigen Sektor für die Gewährung sogenannter Kleinkredite, bei der Bank deutscher Länder eine höhere Refinanzierungsquote eingeräumt wurde als allen übrigen Bankinstituten. Daraus ergibt sich, ,daß auch auf dem Gebiete der kurzfristigen Kredite, die von mir nicht unmittelbar beeinflußt werden, eine Benachteiligung des Handwerks nicht gegeben ist. Viertens. Viper die bisherigen Maßnahmen hinaus ist das Bundeswirtschaftsministerium, wie aus dem Beispiel der Beteiligung des Handwerks an der Kreditaktion zur Schaffung von Lehrlingsplätzen ersichtlich, laufend bemüht, eine angemessene Berücksichtigung des Handwerks und des Kleingewerbes bei der Kreditgewährung, insbesondere bei der Vergabe langfristiger Investitionskredite, sicherzustellen. Mit einem Schreiben wurde dem Herrn Präsidenten des Zentralverbands des deutschen Handwerks der derzeitige Stand und die Auffassung des Bundeswirtschaftsministeriums über die Behandlung der Handwerkswirtschaft im Rahmen der Kreditgewährung mitgeteilt. Es ist beabsichtigt, auch künftig den berechtigten Belangen des Handwerks so weit wie irgend möglich Rechnung zu tragen. Die Bundesregierung bleibt auch weiterhin bemüht, die Handwerkswirtschaft entsprechend ihrer Bedeutung für die gesamte Volkswirtschaft bei allen Kreditaktionen mit zentral steuerbaren Kapitalmarktmitteln zu beteiligen. ({3})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Frau Abgeordnete Lockmann.

Gertrud Lockmann (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001355, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Schon aus den Ausführungen meines Freundes Nölting werden Sie gehört haben, daß wir diesem Antrag der CDU absolut positiv gegenüberstehen und ihm wegen seiner Bedeutung für das Handwerk unsere Zustimmung geben. Wir glauben, daß durch die Annahme dieses Antrages und durch die Freistellung der 5 Millionen eine Steigerung der Leistungen des Handwerks im gesamten volkswirtschaftlichen Raum erfolgen kann. Zwar scheint uns, daß 5 Millionen nur ein bescheidener Anfang für die Vielfalt der Aufgaben sind. Aber wenn schon, es könnte immerhin ein Anfang sein. Die Institute, die sich mit Forschungen für das Handwerk beschäftigen, sollen aus diesen Mitteln unterstützt werden. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse müssen dem Handwerk an die Hand gegeben werden, um eine viel stärkere Rationalisierung und damit eine größere Leistungsfähigkeit herbeizuführen. Dazu gehört gleichzeitig der Besuch von Messen und Ausstellungen; denn jeder weiß, daß ein Blick in die anderen Länder und damit verbunden der Erwerb von Kenntnissen über die Stellung des Handwerks in anderen Ländern in jedem Falle dem Gesamtkomplex dienlich sein kann. Das bedeutet also, daß dem Handwerk Gelegenheit zu Auslandsreisen gegeben werden sollte. Die eigenen hohen Leistungen des Handwerks verpflichten gerade dazu, dem Handwerk jede nur irgendwie mögliche Förderung zu bieten. Die eigenen Leistungen des Handwerks liegen aber in folgendem: Als die größte und billigste Arbeitsschule der Nation wird das Handwerk wegen der von ihm betriebenen Lehrlingsausbildung bezeichnet. Es ist sicher heute schon einmal gesagt worden - verzeihen Sie mir, ich habe nicht die ganze Diskussion gehört -, daß 70 % aller Lehrlinge in Industrie und Handwerk ausgebildet werden. Im Jahre 1949 wurden im Handwerk folgende Prüfungen durchgeführt: 173 000 Gesellenprüfungen, davon wurden 95 % bestanden; 46 000 Meisterprüfungen, davon wurden 85 % bestanden. Ein ({0}) großer Teil der geprüften Handwerker geht später in die Industrie und in andere Bereiche als Facharbeiter; viele werden dort Werkmeister. Das Handwerk ist auch insofern eine billige Arbeitsschule. Staat und Eltern brauchen nichts für sie zu bezahlen. Für die ausbildenden Meister ist das Lehrlingswesen nach vorliegenden Unterlagen kein Geschäft und soll auch keins sein. Das will das Handwerk auch nicht. Freilich spielt in dem Zusammenhang die Frage der Lehrlingsausbildung eine entscheidende Rolle. Eine Unterstützung der Lehrlingsausbildung in handwerklichen Betrieben ist unbedingt notwendig. Sie hat aber nur Sinn, wenn es gelingt, mit der Vermehrung der Lehrstellen auch eine Sicherung für die Weiterverwendung der Lehrlinge nach Ablauf der Lehrzeit zu verbinden. ({1}) Bekannt ist weiter die Berufsnot der schulentlassenen Jugend. Diese Schulentlassenen können trotz vorhandener Eignung den Eintritt in den erwünschten Beruf mangels geeigneter Lehrstellen nicht erreichen. Es muß also alles vermieden werden, was auf seiten des Handwerks die Lehrlingseinstellung auch nur im mindesten hemmen könnte. Eine steuerliche Vergünstigung für die Handwerksbetriebe wäre daher, wenn sie in einfacher und klarer Form erfolgte, durchaus zu erwägen. Eine Mehrbeschäftigung für die kleinen und mittleren Betriebe, also für das Handwerk, steht aber in engstem Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. So lange die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung keine Gewähr dafür bietet, daß das Arbeitslosenproblem gelöst wird - Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen zeigen dies deutlich -, so lange wird auch die Bereitschaft zur Lehrlingsausbildung nicht größer werden können. Aber noch ein anderes Gebiet, scheint uns, wäre wichtig und förderungswürdig. Dem Handwerk ist es schwer möglich, sich in dem Irrgarten der Steuergesetzgebung zurechtzufinden. Es kann daher den sachkundigen Rat eines Steuerberaters überhaupt nicht mehr entbehren. Durch diesen Zustand erwächst dem Handwerk eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung. Bei dem Stand der Steuergesetzgebung und der auch sonst in der Wirtschaft nicht immer vorhandenen Vernunft wird es dem Handwerk außerordentlich schwer, eine vernünftige und gewinnversprechende Kalkulation durchzuführen. Diese steuerlichen und wirtschaftlichen Belastungen dem Handwerk abzunehmen oder sie zu mindern, war bei den in diesem Hause geführten Steuerdebatten stets das Bemühen der sozialdemokratischen Fraktion; sie hat mit dieser Stellungnahme die Bedeutung des Handwerks in vollem Maße anerkannt. Es ist eine eindeutige Tatsache, daß der Gesetzgeber, statt eine Senkung der Steuertarife herbeizuführen, allmählich so vielseitige Vergünstigungen in die Steuergesetze eingebaut hat, daß diese nur noch von Steuerexperten verstanden werden können. In diesem Zusammenhang möchte ich betonen - auch das wäre ein Weg, der dem Handwerk nützlich sein könnte -, daß als für das Handwerk unentbehrliche Hilfsmittel übersichtliche genormte Geschäftsbücher ausgearbeitet werden müssen, die die buchtechnische und steuerliche Bearbeitung der Geschäftsvorgänge erleichtern. Man sollte dadurch das Handwerk in die Lage versetzen, seine eigenen geschäftlichen Dinge selber ordnungsgemäß zu erledigen. Sicher wird der Antrag an den Ausschuß verwiesen. Ich möchte Ihnen sagen, meine Herren und Damen, daß wir uns im Ausschuß bemühen werden, eine sinnvolle und vernünftige Verwendung der von Ihnen beantragten 5 Millionen sicherzustellen und daran mitzuhelfen, daß aus diesem Vorgang ein Nutzen für das Handwerk und darüber hinaus ein Nutzen für die gesamte Volkswirtschaft entsteht. ({2})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul.

Hugo Paul (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11001682, Fraktion: Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)

Meine Damen und Herren! Über eine ganze Reihe Probleme des Handwerks wurde bereits gesprochen. Ich will mich jetzt den noch anstehenden Fragen zuwenden. - Die Kreditpolitik, wie sie die Bundesregierung betreibt, dient einzig und allein der Förderung der Großkapitalisten, insbesondere der Rüstungsindustrie. ({0}) Das Handwerk wird bei der Kreditgewährung in der Regel ausgeschlossen. Durch das Investitionshilfegesetz wurde der Bedarfsgüterindustrie - darunter befinden sich zahlreiche Handwerksbetriebe - über 1 Milliarde Mark an Steuern abgenommen. Die CDU, die heute hier in diesem Hause so zahlreiche Anträge zur Unterstützung des Handwerks unterbreitet hat, hat bei der Behandlung des Investitionshilfegesetzes unseren Antrag. der vorsah, Handwerksbetriebe bis zu 200 Beschäftigten aus der Zwangssteuer herauszunehmen, abgelehnt. ({1}) Diese Ablehnung unseres Antrags war absolut handwerksfeindlich. ({2}) Damals, bei der Behandlung des Investitionshilfegesetzes, hätte sich die CDU durch Annahme unseres Antrags für die Interessen ides Handwerks wirkungsvoll einsetzen können. ({3}) Die Handwerksbetriebe können mittel- und langfristige Kredite nur schwer erhalten. Für diese Kredite, ja sogar für kurzfristige Darlehen werden 9 bis 13 % Zinsen gefordert. ({4}) Von den zentral gelenkten Krediten des Bundes wurde dem Handwerk nur 1 % zur Verfügung gestellt. Das geht selbst aus Verlautbarungen des Handwerks hervor. Die Kommunistische Partei ist der Meinung, daß man an Stelle der ungeheuren Summen für die Wiederaufrüstung mindestens 500 Millionen Mark bei niedrigem Zinssatz für Handwerkskredite bereitstellen sollte. Selbst die 6,5 Millionen Mark, die man im Oktober aus den sogenannten STEG-Mitteln bereitstellte, wurden in erster Linie für Betriebe zur Verfügung gestellt, die Material für die Wiederaufrüstung herstellten. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß das selbst in dem Rundschreiben des Zentralverb andes der Handwerker besonders unterstrichen wurde. Wenden wir uns nun einem anderen Kapitel zu, das nach meiner Meinung heute noch zu kurz ge({5}) kommen ist. Das ist die Steuerpolitik. Es wird doch wohl kein Abgeordneter der CDU oder der anderen Adenauer-Parteien hier etwa beweisen wollen, daß diese Steuerpolitik der Adenauer-Regierung dem Handwerk diene. Im Gegenteil, die Steuerpolitik schädigt das Handwerk und erschwert seine Existenz. Allein durch die Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4 % wurde das Handwerk mit 180 Millionen DM belastet. Hier spricht man von lächerlichen 5 Millionen DM, die man für die Handwerksförderung bereitstellen will. Bereits hat der Finanzminister Schäffer angekündigt, daß er sich genötigt sehen werde, die Umsatzsteuer erneut zu erhöhen. Möge daran jeder Handwerker prüfen, wessen Politik von der Bundesregierung und für wen diese Politik betrieben wird. Die Steuerpolitik, die in Westdeutschland betrieben wird, steht im Gegensatz zu den wohlklingenden Erklärungen, die die Bundesregierung und auch der Bundeskanzler in Karlsruhe immer und immer wieder gegenüber dem Handwerk abgegeben haben. Sie haben heute nachmittag in Zwischenrufen von den Verhältnissen in der Deutschen Demokratischen Republik gesprochen. Aber in dem Rundschreiben des Zentralverbands des Handwerks wird mit aller Deutlichkeit und mit allem Ernst darauf aufmerksam gemacht, daß die Maßnahmen zur Förderung des Handwerks in der Deutschen Demokratischen Republik, wenn hier nichts geschehe, anziehend wirken könnten auf die westdeutschen Handwerkskreise. Wenn das nicht so wäre, dann brauchte man das nicht besonders in einem Schreiben an die Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen. In der Deutschen Demokratischen Republik sind auf Grund ,des Gesetzes vom 9. August 1950 über die Förderung des Handwerks umfangreiche Förderungsmaßnahmen durchgeführt worden. Im Rahmen des Fünfjahresplans wird die Produktion des Handwerks auf 160 % erhöht und werden die Einnahmen des Handwerks verdoppelt. Um die Arbeitsproduktivität des Handwerks zu steigern, ist eine umfangreiche Steuerreform durchgeführt worden. Lesen Sie bitte einmal nach in der Stuttgarter Wirtschaftszeitung! Sie brachte vor 3 Wochen im wirtschaftlichen Teil einen längeren Artikel über die Steuerreform zugunsten des Handwerks in der Deutschen Demokratischen Republik. Die Steuerarten sind zusammengelegt worden. Die Führung von Büchern für steuerliche Zwecke vor allem ist für den Alleinmeister ohne Handel einfach überflüssig geworden. Bei Beschäftigung fremder Arbeitskräfte braucht er nur das Lohnkonto zu führen. Durch die Festlegung eines Grundbetrags, dessen Höhe in einer Tabelle für jeden Handwerkszweig besonders festgelegt ist, wird dem Handwerker die Arbeit erleichtert. Alle Gewinne, die über diesen Grundbetrag hinausgehen, sind für ihn steuerfrei. Hat z. B. der Inhaber eines Betriebes in dem betreffenden Kalenderjahr keine Lohnempfänger beschäftigt, wird seine Steuer um 50 % ermäßigt. Das trifft gleichermaßen zu für Betriebe, deren Inhaber schwerbeschädigt sind. Ebenso tritt eine solche Minderung der Steuerlast ein, wenn der Handwerker 65 Jahre bzw. die weibliche Handwerkerin 50 Jahre alt geworden ist. Das gleiche gilt für blinde Handwerksmeister. Außerdem ermäßigt sich der Grundbetrag, auf 'dem die Steuer berechnet wird, um jeweils 50 Mark für jedes Kind, welches noch nicht das 16. bzw., bei der studierenden Jugend, das 21. Lebensjahr erreicht hat. Ist ein Handwerksmeister über einen Monat hinaus arbeitsunfähig, dann kann er ein Zwölftel des Grundbetrags absetzen. Für die Beschäftigung von Lehrlingen und für die Mitarbeit der Ehefrau genießt er ebenfalls vollständige Steuerfreiheit. Nehmen wir ein Beispiel. Ein Handwerker mit einem Sohn in einem Dorf in Württemberg müßte nach 'den jetzigen Sätzen in Westdeutschland 1487 DM Steuern zahlen. Ein Handwerker mit dem gleichen Einkommen würde in einem Dorf in Thüringen 975 Mark Steuern zu zahlen haben. ({6}) - Lesen Sie Ihre eigenen Zeitungen durch, dann werden Sie erkennen, daß in der Deutschen Demokratischen Republik wirkungsvolle Steuermaßnahmen zugunsten des Handwerks durchgeführt sind. ({7}) Hinzu kommt, daß es in der Deutschen Demokratischen Republik fest gebundene Preise gibt, daß spekulative großkapitalistische Markt- und Preisschwankungen ausgeschlossen sind. ({8}) Die Kommunistische Partei fordert, daß für das Handwerk eine Vereinfachung des Steuerwesens durchgeführt wird, vor allen Dingen die Angleichung der Einkommensteuer der Handwerker an die Lohnsteuer. Nehmen wir auch dazu zwei Bei- spiele. Bei einem Jahreseinkommen von 3000 DM beträgt die Einkommensteuer 127 DM, die Lohnsteuer 64,80 DM. Bei einem Jahreseinkommen von 6000 DM beträgt die Einkommensteuer 752 DM, die Lohnsteuer 564,60 DM. Durch eine solche Besteuerung des Handwerks werden vor allem die Handwerksmeister und die Kleinbetriebe hart getroffen. Wir verlangen deshalb, daß diese Sache in einer grollen Steuerreform für das Handwerk neu geregelt wird. Desgleichen sind wir der Meinung, daß für die handwerklichen Einkaufs- und Lieferungsgenossenschaften Kredite und Steuervergünstigungen gegeben werden sollten. Vor allem sollte für diese Handwerksgenossenschaften die Umsatzsteuer herabgesetzt werden. Wir sind weiter der Meinung, daß zur Förderung der Lehrlingsausbildung dem Handwerksmeister jährlich 50 DM Zuschuß gewährt werden sollte. Das kann dadurch geschehen, daß man dem Handwerksmeister diese 50 DM in Form von Steuerermäßigungen gibt. So wollen wir im Handwerk die Lehrlingsausbildung fördern. Wir erstatten nämlich dem Handwerksmeister dadurch nur den entfallenden Lohn und die Ausgaben für die Teilnahme des Lehrlings an der Berufsschule zurück. Wir sind der Auffassung, daß man sich jenen Tendenzen widersetzen muß und widersetzen sollte, die von dem amerikanischen Hohen Kommissar ausgehen, nämlich, in dem Nebenabkommen zum Generalvertrag die schrankenlose Gewerbefreiheit, wie sie heute in der amerikanischen und in der französischen Zone praktiziert wird, ({9}) zu verankern. Wir sind für einen wirksamen Schutz des Handwerks in der Form der ({10}) Beibehaltung des großen Befähigungsnachweises. Die Lage des Handwerks, die Rettung des Handwerks vor dem Niedergang und dem Ruin hängt von der Behebung des nationalen Notstandes unseres Volkes im besonderen ab. ({11}) ({12}) Deshalb ist es erforderlich, daß alle Politiker, alle Abgeordneten, die es mit der Wahrung der Interessen des Handwerks ernst meinen, sich einsetzen für die friedliche Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, für den baldigen Abschluß eines Friedensvertrages. Denn der Friedensvertrag behebt auch alle Nöte des Handwerks. ({13}) - Sie mögen darüber lachen, aber jeder ernst Denkende kann das selbst nachrechnen. Der Friedensvertrag wird unserem Volke die volle Verfügungsgewalt über seine Wirtschaft geben. Wir könnten dann ungehindert Handel treiben, das Handwerk könnte dann einen umfangreichen Handwerksexport betreiben. Wir wären in der Lage, an Stelle von ungeheuren Summen für die Aufrüstung größere Mittel für die Förderung des Handwerks, für die Behebung z. B. der Kreditnot des Handwerks usw. bereitzustellen. Die Handwerker wären dann in der Lage, sich die erforderlichen Maschinen anzuschaffen, um den Konkurrenzkampf durchzustehen. Alle diese Fragen finden eben ihre Lösung durch den Abschluß des Friedensvertrags. Lassen Sie mich zusammenfassen, was die Kommunistische Partei zur Förderung und zur Sicherung der Existenz des Handwerks für erforderlich hält. Wir fordern: 1. den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland auf der Grundlage des Vorschlags der Regierung der Sowjetunion, ({14}) Wiederherstellung eines einheitlich demokratischen unabhängigen Deutschlands in. Frieden und Freiheit; ({15}) 2. die Wiederherstellung des ungehinderten Warenverkehrs in ganz Deutschland sowie einen freien unabhängigen Handel mit allen Völkern; 3. Bereitstellung von genügend Stahl, Kohle und anderen Rohstoffen für eine gesicherte Produktion des Handwerks; ({16}) die Belieferung mit Rohstoffen für das Handwerk hat gleichrangig mit den übrigen Industriebetrieben zu erfolgen; 4. ausreichende Kreditgewährung bei niedrigen Zinssätzen, Übernahme von Bürgschaften durch die Länder oder den Bund für Handwerksbetriebe, die nicht über die genügenden bankmäßigen Sicherheiten verfügen, Bereitstellung von 500 Millionen DM durch den Bund für Handwerkskredite bei 31/2 0/0 Zinsen. ({17}) Die Vergabe der Kredite hat unter Mitwirkung der Organisationen des Handwerks zu erfolgen. ({18}) 5. Für Handwerksförderung, Veranstaltung von Handwerksmessen, 'Ausstellungen usw. sollen im Haushalt des Bundes jährlich 50 Millionen DM eingesetzt werden. ({19}) Die Verdingungsordnung wird für zusätzliche Maßnahmen, für alle Aufträge der öffentlichen Hand und Aufträge, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, angewandt. Bis zum Inkrafttreten eines solchen Gesetzes sind alle Auftraggeber der öffentlichen Hand verpflichtet, dem Handwerk zinsfreie Zwischenkredite für geleistete Arbeiten zu gewähren. Für alle Rechnungsbeträge, die nicht innerhalb von 15 Tagen nach Rechnungslegung bezahlt werden, sind die geltenden Verzugszinsen zu zahlen. 7. Zur Förderung der Lehrlingsausbildung erhält das Handwerk für jeden beschäftigten Lehrling jährlich 50 DM Zuschuß in Form einer Steuerermäßigung. ({20}) 8. Durch Vorlage eines Gesetzes soll eine Vereinfachung des Steuerwesens ähnlich der Regelung in der Deutschen Demokratischen Republik erfolgen. Dabei ist eine allgemeine Senkung der Steuersätze für Handwerksbetriebe vorzunehmen. Die Einkommensteuern des Handwerks werden den Sätzen der Lohnsteuer angeglichen, die Beschäftigung von Lehrlingen und die Mitarbeit der Ehefrauen bleiben steuerfrei. 9. Alle Arbeiten, die die öffentlichen Betriebe, z. B. Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerke und andere Betriebe nicht in der Produktion beeinträchtigen, werden öffentlich ausgeschrieben und an das Handwerk vergeben. Die Vergebung der öffentlichen Aufträge hat nach den ortsüblichen Richtpreisen zu erfolgen. 10. Gesetzlichen Schutz des Handwerks und seiner Erzeugnisse gegen ausländische Schmutzkonkurrenz sowie Beibehaltung des großen Befähigungsnachweises. 11. Schutz und Förderung der Einkaufs- und Liefergenossenschaften des Handwerks, Herabsetzung der Umsatzsteuer von 4 auf 2 %. ({21}) Das sind unsere Vorschläge für Sofortmaßnahmen im Interesse des Handwerks. ({22}) Wir appellieren an das Handwerk, mit allen friedliebenden Menschen in Deutschland zu kämpfen für die Durchsetzung dieser Forderungen, für die Rettung unseres Volkes aus Kriegsgefahr und Not, für die Erreichung eines Friedensvertrags. Damit werden alle Nöte des Handwerks aufgehoben, damit wird das Handwerk in einem freien, unabhängigen, demokratischen Deutschland einen neuen Wohlstand erreichen. ({23})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat Herr Abgeordneter Hoecker.

Heinrich Höcker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000915, Fraktion: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Befürchten Sie nicht, daß ich mich auf das außenpolitische Gebiet begeben und Ihnen ebenfalls ein solches Bukett von Forderungen überreichen werde, wie es der Kollege Paul für richtig gehalten hat. ({0}) ({1}) Wenn das richtig wäre, wenn die Verhältnisse der Handwerker in der Ostzone so wären, wie sie der Herr Kollege Paul hier dargestellt hat, wie kommt es dann, so frage ich mich, daß auch Handwerker aus der Ostzone in die Westzonen kommen, um hier eine Existenz zu suchen und zu finden? ({2}) Wenn Herr Kollege Paul glaubt, daß er mit diesen Bemerkungen irgendeinen Handwerker aus den Westzonen nach der Ostzone locken kann, dann ist er, glaube ich, auf dem Irrweg. ({3}) - Er geht ja selbst nicht! Doch nun zum Thema. Gestatten Sie mir, zur Drucksache Nr. 3140 einige Bemerkungen zu machen. Die wirtschaftliche Bedeutung des Handwerks ist heute nachmittag hier schon in den verschiedensten Reden und Ausführungen zum Ausdruck gekommen. Es ist richtig, daß das Handwerk mehr als drei Millionen Beschäftigte zählt, daß es an dem Umsatz der gesamten Wirtschaft mit einem Sechstel beteiligt ist und daß diese volkswirtschaftlich große Organisation, dieser große Zweig der deutschen Volkswirtschaft auch in bezug auf die Kredite einer besonderen Fürsorge bedarf. Aber erlauben Sie mir, daß ich Ihnen einmal ein paar Zahlen nenne, die, glaube ich, im Widerspruch zu den Zahlen stehen, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier bekanntgegeben hat. Ich weiß nicht, ob Sie in den 600 und soviel Millionen, die ich Ihnen gleich nennen werde, enthalten sind, aber bei oberflächlicher Berechnung hat der Herr Wirtschaftsminister doch etwas mehr angedeutet. Die Bank deutscher Länder bringt in ihren Monatsberichten u. a. laufend eine Gliederung der Kredite nach Wirtschaftszweigen und Kreditnehmergruppen. Aus dieser Statistik ergibt sich, daß der Anteil der mittelfristigen Kredite für Handwerksbetriebe gemessen an der Gesamtzahl der gewährten Kredite seit der Währungsreform nur 2,1 % beträgt. Effektiv hat das Handwerk von insgesamt 10,626 Milliarden an mittel- und langfristigen Krediten nach dem Stand vom 31. Dezember 1951 ganze 236 Millionen erhalten. Bei den kurzfristigen Krediten ergibt sich ungefähr das gleiche Verhältnis: 2,7 %. Demgegenüber betrug aber der Anteil der Industrie an dem Gesamtbetrag der mittel- und langfristigen Kredite rund 35 %, und bei den kurzfristigen Krediten kommt die Industrie sogar auf mehr als 50 %. Der Handel überflügelt das Handwerk bei den mittel- und langfristigen Krediten um rund 50 %. Bei den kurzfristigen Krediten weist die Statistik der Bank deutscher Länder nach, daß der Handel das Zwölffache der Kredite des Handwerks erhalten hat. Ich werde mir erlauben, gleich noch auf die Ursachen zurückzukommen, die vielleicht mit dafür verantwortlich gemacht werden können, daß das Handwerk nicht in dem Maße wie Industrie und Handel, deren Kapitaldecke ganz anders als die des Handwerks ist, an den Krediten profitieren kann. Welches sind nach unserer Meinung die Möglichkeiten, die Kreditschwierigkeiten des Handwerks zu beheben? Meiner Auffassung nach hat die Entwicklung im Nachkriegsdeutschland ergeben, daß eine Kreditlenkung im Sinne zentral gesteuerter Mittel nicht mehr zu umgehen ist. Die Vielzahl der Handwerksbetriebe erfordert auf Bundesebene die Bereitstellung von Globalbeträgen, die über die örtlichen Kreditinstitute nach gewissen Richtlinien an die Handwerksbetriebe abfließen müssen. Die Kreditversorgung der Handwerksbetriebe bedarf mit Rücksicht auf die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Handwerks einer besonderen Unterstützung durch die Bankinstitute, zumal es sich bei den Krediten an Handwerker in vielen Fällen nur um kleinere und nicht um größere Beträge handelt. Dann noch eines der wichtigsten Momente, die ich hier anführen möchte: die Gewährung von Krediten an das Handwerk darf nicht nach den Rentabilitätsgesichtspunkten der Großbanken vorgenommen werden, denn die Zinssätze, die dort genommen werden, sind für das Handwerk einfach unerschwinglich und unerträglich. Vielleicht ist das auch mit der Grund, daß die Inanspruchnahme der Kredite so gering ist, weil eben die Höhe der Zinslast nicht, insbesondere nicht von den kleineren Handwerksbetrieben getragen werden kann. Bei der Gewährung eines Kredits spielt vom bankmäßigen Standpunkt aus auch die Frage der Absicherung oft eine entscheidende Rolle. Bekanntlich gibt es Tausende, Zehntausende von Handwerks- betrieben, die in gemieteten Räumen arbeiten, wo eben keine Absicherung hypothekarisch, sicherheitsmäßig stattfinden kann. Diese Kreditsuchenden gehen natürlich leer aus, weil die Banken ja immer nur nach diesen Gesichtspunkten Kredite geben. Es müßte also auch da versucht werden, die Kreditsuchenden mit hypothekarischen Absicherungsmöglichkeiten nicht so zu belästigen, oder es wäre zu fordern, daß irgendwelche Bürgschaften von den Ländern oder vom Bund übernommen werden, die eine solche hypothekarische Absicherung nicht notwendig machen würden. Nach meiner Auffassung müßten auch Maßnahmen für einen erweiterten Personalkredit getroffen werden. Gegebenenfalls muß vielleicht auch zur Durchführung dieser Maßnahmen ein besonderer Bürgschaftsfonds errichtet werden. In den verschiedensten Bemerkungen ist die Frage angeklungen, wie es zu verstehen sei, daß im Augenblick die Lage des deutschen Handwerks so prekär sei. Ich bin der Auffassung, daß das zum Teil auch an der ganzen Preispolitik und an der Wirtschaftspolitik liegt. Das Handwerk, das nach der Währungsreform einen Teil seiner Substanz mit herübergerettet hat, steht heute zum Teil ohne jede Substanz da, denn die überstürzten Preiserhöhungen haben es weiten Kreisen des Handwerks nicht gestattet, die Substanz in einem Maße zu erhalten, das zur Führung eines gesunden Privatbetriebs notwendig ist. Ich darf dafür einige Beispiele anführen. Da ist ein Tischlereibetrieb, der heute oder vor einem Jahr den Kubikmeter Holz für 160, 170 Mark eingekauft hat. Er macht seine Angebote, hat das Holz verarbeitet. In seinen Angeboten sind die 170 Mark zuzüglich der Zuschläge enthalten. Kauft er zwei Monate später Holz, dann hat dieses Holz 240 oder 250 Mark gekostet, und ein erheblicher Teil der Betriebssubstanz und seines Kapitals ist damit endgültig verloren. Wenn man also dem Handwerk helfen will, muß man auch auf diesem Gebiet für eine Stetigkeit der Preise sorgen, damit der Handwerker tatsächlich genau und richtig und auch mit einem Gewinn kalkulieren kann und damit ihm seine Substanz nicht durch eine fortgesetzte Preiserhöhung noch weiter, als das heute der Fall ist, vernichtet wird. Dann müßte auch eine andere Kredit- und Finanzpolitik betrieben werden. ({4}) Ich habe eben schon gesagt - und ich habe damit meine Erfahrungen als Vorsitzender einer Sparkasse -: dem Handwerk kann nicht zugemutet werden, die hohen Zinslasten zu tragen, weil die Erträgnisse nicht so sind, daß die Verdienstspanne um diese Zinslast erweitert werden kann. Ich habe kürzlich einen Vortrag eines bedeutenden Finanzpolitikers, eines Experten auf diesem Gebiet, gehört, der erklärte, die Kapitallage in der Bundesrepublik wäre bedeutend besser, wenn man versuchte, eine Erhöhung der Haben-Zinsen und eine Senkung der Soll-Zinsen herbeizuführen. Ich kann im Augenblick nicht untersuchen, ob das richtig ist, aber zumindest erscheinen mir unter den gegenwärtigen Verhältnissen, insbesondere für das Handwerk, die Soll-Zinsen zu hoch, weil sie unerträglich sind und in keinem Verhältnis zu den Erträgnissen stehen, die das Handwerk heute hat. ({5}) Dazu kommt noch, daß eine Verschiebung in der sozialen Struktur auch im Mittelstand stattgefunden hat. Es ist heute so, daß Tausende von Handwerksmeistern auf den Lebensstandard eines Arbeiters herabgesunken sind und daß in der Industrie und sonstigen gut bezahlten Berufen Menschen sind, die das Doppelte und Dreifache dessen verdienen, was Zehntausende von Handwerkern, besonders von Kleinhandwerkern einnehmen. Wir können also nicht von einer Mittelstandspolitik oder von einer Gesundung des Mittelstandes schlechthin reden, sondern wir müssen versuchen, dem Handwerkerstand die Möglichkeiten zu geben, daß er wirklich als Mittelstandsfaktor bezeichnet werden kann, um damit im Rahmen der Volkswirtschaft seine volkswirtschaftlichen Aufgaben im Interesse seines Standes und auch im Interesse unseres Volkes erfüllen zu können. ({6})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.

Dr. Hermann Etzel (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000498, Fraktion: Föderalistische Union (FU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Handwerk muß - und es will das ja wohl auch - seine Probleme und Angelegenheiten geistig durchdringen und sich aller Mittel der fortschreitenden Technik und der modernen Betriebswirtschaft bedienen, um seine Aufgabe innerhalb der Gesamtheit zu erfüllen. Auch die Forderung der Wiederherstellung des Befähigungsnachweises darf nur der Ausdruck des Leistungs- und Fortschrittswillens sein. Dem Handwerk bei einem solchen Entfaltungs- und Leistungsstreben zu helfen, ist das Ziel des Antrags auf Drucksache Nr. 3137. Wir waren bemüht, eine bessere Fassung vorzuschlagen, und wir glauben, daß uns das gelungen ist. Unser Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 470 unterscheidet zwischen dem Betrag, der global auf die Länder aufzuteilen sein soll zur Ermöglichung der Errichtung und Entwicklung von Instituten der Handwerkswissenschaft, und zwar in Forschung und Lehre, und außerdem zur Schaffung von Einrichtungen für die Gewerbeförderung im engeren und klassischen Sinn. Auf der andern Seite wollen wir die Exportförderung des Handwerks in besonderer Weise angeregt wissen. Das Handwerk ist längst über seine Bedeutung und Stellung als Faktor der örtlichen oder auch nur binnenwirtschaftlichen Bedarfsdeckung hinausgewachsen und hat sich Schritt für Schritt in den internationalen Handel eingeschaltet. Ein weiteres Fortschreiten, eine weitere Entwicklung auf dieser Bahn ist nur möglich, wenn wir dem Handwerk in großzügiger Weise unter die Arme greifen. Ich glaube, es müßte einmal bei der Gewährung und Bemessung der Förderungsmittel, die der Bund für die Entfaltung des Handwerks bereitstellt, ein großzügiger Maßstab angelegt und das Handwerk als Ganzes nicht unter der verkleinernden Perspektive einer nachgeordneten Betriebsform gesehen werden. Wir möchten das Hohe Haus bitten, den Antrag auf Drucksache Nr. 3137 in der von uns vorgeschlagenen Fassung des Änderungsantrags auf Umdruck Nr. 470 anzunehmen. Ich darf noch nachtragen, daß es zweckmäßig ist, in Ziffer I nach der Klammer „({0})" die Worte „und der Schaffung von Einrichtungen der Gewerbeförderung" einzufügen. Ich darf bitten, Herr Präsident, diese Änderung entgegenzunehmen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat .der Abgeordnete Dirscherl.

Hans Dirscherl (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11000392, Fraktion: Freie Demokratische Partei (FDP)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist erstaunlich, mit welcher Liebe und mit welcher Zuneigung heute dem Handwerk Zusicherungen und Unterstützungen zuteil geworden sind. Wenn all die Versprechungen und Zusicherungen in Erfüllung gehen, dann kann es um die Zukunft des Handwerks nicht schlecht bestellt sein. Ich glaube, ich werde es mir deshalb gerade mit Rücksicht auf die schon vielfach in dieser Richtung gemachten Ausführungen schenken können, nochmals auf den gesamten Fragenkomplex - nämlich der Handwerksförderung - einzugehen, sondern möchte nur einen Punkt herausgreifen, der nach meinem Dafürhalten im Rahmen der Gesamthandwerksförderung einer der wichtigsten ist, das ist nämlich die Exportförderung. Bekanntlich hat das Handwerk in früheren Jahren eine Exportförderungsstelle unterhalten, die in der Lage war, das exportierende Handwerk weitestgehend zu unterstützen. Auch heute sind im Zuge des Aufbaues der Organisationen des Handwerks wieder Exportstellen geschaffen worden, und zwar eine Zentrale in Hannover mit Zweigstellen in Düsseldorf und Nürnberg. Wir glauben, daß das exportfähige Handwerk, das auf die Unterstützung mit Bundesmitteln und auf die Unterstützung der Bundesregierung angewiesen ist, mit Recht fordern kann, daß im Rahmen der angeforderten Mittel von 5 Millionen ein bestimmter Betrag für das exportfördernde Handwerk zur Verfügung gestellt wird, und zwar erstens für die Ausfuhrförderungsstelle des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks in Hannover, die bislang hauptsächlich zur Unterstützung der Gesellschaft zur Förderung des deutsch-amerikanischen Handels im Dollarraum tätig gewesen ist und ihre Tätigkeit nunmehr auch auf alle anderen Länder ausdehnen will, zweitens für die Ausfuhrförderungsstelle des Handwerks in Bayern, die sogenannte Handex bei der Handwerkskammer in Nürnberg, und drittens für den Rheinisch-Westfälischen Handwerkerbund in Düsseldorf, und zwar für dessen Exportförderungsstelle für das Land Nordrhein-Westfalen. Die bisherige Tätigkeit der drei Ausfuhrförderungsstellen hat dazu geführt, daß gemeinsame Erkenntnisse und Erfahrungen erarbeitet worden sind. Diese gehen dahin, daß die Ausfuhrförderung des ({0}) Handwerks letzten Endes nur auf der Bundesebene ersprießliche Erfolge haben kann. Aus diesem Grunde haben sich die drei bestehenden Exportförderungsstellen zu einer einheitlichen Bundesorganisation des Handwerks mit dem Sitz in Hannover vereinigt. Die bislang selbständigen Exportförderungseinrichtungen in Düsseldorf und in Nürnberg sind im gewissen Sinne der Exportförderungsstelle in Hannover unterstellt. Wir brauchen auch bestimmte Mittel zur Ausgabe von Exportkatalogen. Solche sollen gemeinsam von den drei Exportförderungsstellen herausgegeben werden. Dabei soll sich Hannover beschränken auf das Kunsthandwerk, kirchliche Kunst, kirchliche Geräte einschließlich Orgelbau, Holzbildhauer- und Elfenbeinwaren sowie Drechslerwaren, feinmechanische und optische Geräte. Durch die Exportförderungsstelle in Düsseldorf sollen vor allen Dingen Maschinen, Geräte, Apparate, Werkzeugeinrichtungen und Fabrikartikel, medizinische Apparate und Geräte mit Ausnahme von chirurgischen Instrumenten, Eisen-, Stahl- und sonstige Artikel exportiert werden. Von Nürnberg aus sollen Musikinstrumente aller Art, einschließlich Hausorgeln, Textilien, Stickereien, Handwebereien und modische Textilien, Lederwaren, Sportartikel, Korbwaren usw. in das Ausland vertrieben werden. Die drei genannten Geschäftsstellen für die handwerkliche Exportförderung unterhalten auch ein gemeinsames Vertretersystem in fast allen Ländern des Auslands. Die Tätigkeit der Exportförderungsstellen erstreckt sich auf die laufende Beratung über ausländische Marktfragen für solche Handwerksbetriebe, die aus eigener Kraft und auf Grund eigener kaufmännischer Kapazität nicht exportieren können. Diese Handwerksbetriebe aller Branchen holen laufend Rat ein, insbesondere in finanziellen Fragen und in Währungsfragen. Sie werden in allen mit dem Export zusammenhängenden Kreditgeschäften usw. beraten. Ich möchte deshalb gerade an den Herrn Bundeswirtschaftsminister unsere Wünsche herantragen, nachdem er schon mehrmals bewiesen hat, daß er für handwerkliche Exportfragen ein Herz hat, und zum letztenmal erst anläßlich der Eröffnung der Spielwarenmesse in Nürnberg eine wesentliche Unterstützung zugesagt hat. Ich glaube, wenn der Spielwarenmesse von Bundesseite her eine beträchtliche Unterstützung zuteil werden soll, können auch die handwerklichen Exportförderungsstellen mit Recht das gleiche fordern. Zur Frage der Kreditversorgung des Handwerks ist ebenfalls nicht mehr viel zu sagen. Ich habe hier eine Aufstellung über die Verteilung der Mittel, die von der Bank deutscher Länder seit dem Währungsschnitt gegeben worden sind. Es ist richtig, was einer meiner Vorredner erklärt hat, daß prozentual gesehen das Handwerk tatsächlich mit 2,2 % bedacht worden ist. Aus den bisherigen Kreditprogrammen ist das Handwerk in keiner Weise in dem Ausmaß berücksichtigt worden, wie es das mit Fug und Recht in Anspruch nehmen kann. So ist z. B. die erste bis dritte Tranche der Kreditanstalt für Wiederaufbau in Höhe von 45 Millionen DM zwar ausschließlich für das Handwerk vergeben worden, während bei Vergaben anderer Kredite das Handwerk nur in ganz geringem Umfange berücksichtigt worden ist. Beispielsweise bei der ERP-Tranche in Höhe von 71 Millionen DM ist dem Handwerk nur eine Million zugeteilt worden. Wir wünschen auch, daß bei der Verteilung der Kredite die Handwerksorganisationen und insbesondere die handwerklichen Kreditstellen, die bei fast allen Handwerkskammern eingerichtet sind, in weitestgehendem Maße mit herangezogen werden; denn sie sind zweifellos in der Lage, die einzelnen Betriebe auf ihre Kreditwürdigkeit hin zu beurteilen, und können natürlich auch beurteilen, ob die Kredite nutzbringend verwendet werden. Zusammenfassend darf ich wohl sagen, daß wir heute, vom Handwerk aus gesehen, außerordentlich erfreut sein können, daß sich der Bundestag einhellig von links bis rechts für die Belange des Handwerks eingesetzt hat. ({1}) Es ist mehrmals auf die Bedeutung des Handwerks hingewiesen worden, und zwar sowohl hinsichtlich der Betriebszahlen als auch hinsichtlich der Beschäftigtenzahlen. Ich möchte nur an alle Sprecher und . an alle Parteien und Fraktionen die Bitte richten, auch künftig der Worte eingedenk zu sein, die heute vor dem Plenum dieses Hauses gegeben worden sind. ({2})

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.

Dr. h. c. Kurt Schmücker (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002040, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir unterhalten uns schon seit einiger Zeit darüber, wie wir die Sitzung abkürzen können. Unter diesen Umständen muß ich leider darauf verzichten, auf die Ausführungen des Herrn Professors Nölting einzugehen. Es wäre sicherlich sehr interessant gewesen, seinen feuilletonistischen Seitensprüngen zu folgen. Ich möchte ihn aber darauf aufmerksam machen, daß es zwar sehr leicht ist, unseren Herrn Wirtschaftsminister anzugreifen; aber die Sozialdemokratie möge sich doch freundlichst einmal die Mühe geben, in den Ländern, in denen sie den Wirtschaftsminister stellt, auch zu beweisen, daß sie das Handwerk mit allen Mitteln unterstützen will. ({0}) Ich komme aus Niedersachsen, und manches, was ich hier genossen habe - ({1}) - Aber Sie haben es in der Regierung dort zu sagen! ({2}) - Dann machen Sie es in Hessen, Herr Dr. Greve! In Hessen haben Sie die Möglichkeit, und auch in anderen Ländern. ({3}) - Aber andere haben mir erzählt, wie es dort zugeht. Sie haben dort durchaus die Möglichkeit, sich zu bewähren. Meine Damen und Herren, ich habe nur noch den Antrag zu stellen, den Antrag Drucksache Nr. 3137 und die dazu gestellten Zusatzanträge dem Haushaltsausschuß, dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik und dem Ausschuß für Außenhandelsfragen und den Antrag Drucksache Nr 3140 dem Ausschuß für Geld und Kredit sowie dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über die in Punkt 8 der Tagesordnung aufgeführte Drucksache Nr. 3137 und den zugehörigen Änderungsantrag auf Umdruck Nr. 470. Hierzu ist eine Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik, den Haushaltsausschuß und den Außenhandelsausschuß beantragt worden. Ich bitte diejenigen, die dieser Überweisung zustimmen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Der Antrag unter Punkt 11 der Tagesordnung, Drucksache Nr. 3140, sollte dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen werden. Ich bitte diejenigen, die dieser Überweisung zustimmen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Das Wort zur Geschäftsordnung wünscht Herr Abgeordneter Stücklen.

Dr. h. c. Richard Stücklen (Mitglied des Bundestages)

Politiker ID: 11002281, Fraktion: Christlich Demokratische Union Deutschlands/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die noch zur Debatte stehenden Punkte 5, 7 und 4 der heutigen Tagesordnung scheinen mir für das deutsche Handwerk von so großer Bedeutung zu sein, daß wir es nicht verantworten können - ich spreche im Namen meiner Fraktion, der anderen Parteien der Regierungskoalition und der Fraktion der SPD --, daß diese Punkte heute noch behandelt werden. Wir schlagen daher eine Vertagung dieser Punkte vor und bitten urn ihre Berücksichtigung in einer der nächsten Plenarsitzungen.

Dr. Hermann Schäfer (Mitglied des Präsidiums)

Politiker ID: 11001933

Herr Abgeordneter, eine Frage! Erstreckt sich Ihr Vertagungsantrag auch auf Punkt 12 der Tagesordnung, den wir heute neu aufgesetzt haben? ({0}) - Meine Damen und Herren, der Vertagungsantrag ist also für den noch nicht erledigten Rest der Tagesordnung gestellt. Nach der Zahl der Antragsteller, die genannt werden, ist die Unterstützung von 30 Abgeordneten gegeben. Ich lasse über den Vertagungsantrag abstimmen. Ich bitte diejenigen, die der Vertagung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen. Wir sind damit am Ende der heutigen Sitzung. Ich berufe die nächste, die 200. Sitzung des Deutschen Bundestags, auf Donnerstag, den 20. März 1952, 13 Uhr 30 Minuten. Die 199. Sitzung ist geschlossen.