Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 196. Sitzung des Deutschen Bundestags.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich wiederum die Aufgabe, eines heimgerufenen Kollegen zu gedenken.
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Am 25. Februar verstarb im Alter von 64 Jahren der Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion der CDU/CSU dieses Hauses Herr Carl Schröter in Kiel an einem plötzlichen Herztod. Carl Schröter wurde 1887 in Neustadt in Holstein als Sohn eines Beamten geboren. Er studierte Philologie in Kiel, wo er später als Studienrat wirkte. Von 1918 an betätigte er sich in der Deutschen Volkspartei, als deren Kandidat er 1924 in den Preußischen Landtag gewählt wurde. 1933 mußte er aus seiner Stellung als Studienrat im Staatsdienst ausscheiden. Nach der Kapitulation nahm er seine politische Arbeit wieder auf. Er ist Mitbegründer der Demokratischen Union Schleswig-Holsteins. Als deren Landesvorsitzender überführte er diese Organisation 1946 in die Christlich-Demokratische Union. Er war Mitglied des Zonen({1})
ausschusses und 1. Vorsitzender des Landesverbandes Schleswig-Holstein der CDU. Als Oppositionsführer im dritten schleswig-holsteinischen Landtag und als Mitglied des Parlamentarischen Rats hat er sich um den Aufbau der Demokratie und der politischen Parteien mit großem Erfolg bemüht. Er erwarb sich besondere Verdienste um die Auslandsbeziehungen der Union. Er war als deren Vertreter im Präsidium der Nouvelles Equipes Internationales, und er war gleichzeitig Mitglied des Conseil de l'Union Interparlementaire. Er wurde 1949 im Wahlkreis Bad Segeberg-Neumünster direkt in den Deutschen Bundestag gewählt. Er, gehörte als ordentliches Mitglied dem Ausschuß zur Wahrung der Rechte der Volksvertretung und dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten an.
Meine Damen und Herren, ich brauche nicht zu wiederholen, daß wir alle tief betroffen davon sind, Woche für Woche eines heimgerufenen Kollegen gedenken zu müssen, und zwar immer wieder unter dem gleichen Vorzeichen, daß Kollegen sich in der Arbeit verzehrt haben. Wir sollten für unsere ganze Arbeit und auch für das Tempo unserer Arbeit daraus unsere Folgerungen ziehen. Ich spreche der Fraktion des von uns gegangenen Kollegen Schröter und seinen Angehörigen die herzliche Teilnahme des Deutschen Bundestages aus. - Sie haben sich zu Ehren unseres Kollegen Schröter von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach für zwei Wochen wegen Krankheit die Abgeordnete Frau Rösch und der Abgeordnete Kalbfell, für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme der Abgeordnete Dr. Dr. Müller ({0}).
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Determann, Dr. Doris, Gockeln, Henßler, Heiland, Herrmann, Merten, Dr. von Merkatz, Schmidt ({1}), Rademacher, Dr. Veit, Kühling, Freiherr von Aretin, Dirscherl, Sander, Margulies, Hoppe, Wagner, Richter ({2}), Wittenburg, Reimann, Rische, Vesper, Fisch, Kohl, Paul ({3}), Freiherr von Fürstenberg, Neumann, Schröter ({4}), Gibbert, Dr. Krone, Dr. von Brentano, Dr. Friedrich, Dr. Hasemann.
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß die Gesuche um über eine Woche hinausgehenden Urlaub von Ihnen genehmigt sind.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 23. Februar 1952 einen Zwischenbescheid auf die Kleine Anfrage Nr. 192 der Fraktion der SPD betreffend Verstöße gegen das Erste Überleitungsgesetz ({0}) gegeben, der als Drucksache Nr. 3155 vervielfältigt wird.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat unter dem 26. Februar 1952 die Kleine Anfrage Nr. 241 der Fraktion der SPD betreffend Einflußnahme des Bundesjustizministeriums auf rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen ({1}) beantwortet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3154 vervielfältigt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 20. Februar 1952 gemäß § 30 Ziffer 4 des Bundesbahngesetzes vom 13. Dezember 1951 den Wirtschaftsplan der Deutschen Bundesbahn ({2}) nebst Stellenplänen für das Geschäftsjahr 1951 mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Ein Exemplar des Wirtschaftsplanes liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Der Sprecher der Deutschen Vertreter in der Beratenden Versammlung des Europarates, Herr Abgeordneter Dr. Pünder, hat unter dem 5. Februar 1952 einen Bericht über den zweiten Teil der Dritten Ordentlichen Sitzungsperiode der Beratenden Versammlung vom 26. November bis 11. Dezember 1951 erstattet. Der Bericht wird als Drucksache Nr. 3150 vervielfältigt werden.
Der Herr Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 26. Februar 1952 gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft in der Fassung vom 5. Mai 1951 die Verordnung zur Ergänzung der Verordnung NEM II/51 über Verwendungsbeschränkungen von Kupfer und Kupferlegierungen ({3}) mit der Bitte um Kenntnisnahme übersandt. Ein Exemplar der Verordnung liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Ich darf darauf hinweisen, daß die heutige Tagesordnung nach einer Vereinbarung im Ältestenrat ergänzt werden soll um die Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über weitere steuerliche Maßnahmen bei festverzinslichen Wertpapieren ({4}). Es ist vorgesehen, diesen Punkt nach dem Punkt 4 in die Tagesordnung einzufügen. - Ich darf unterstellen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Fall Kemritz ({5}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 20 Minuten und, falls eine Aussprache gewünscht wird, eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. - Das Haus ist mit dieser Regelung einverstanden.
Zur Begründung der Großen Anfrage Herr Abgeordneter Dr. Greve!
Dr. Greve ({6}), Anfragender: Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat sich in seinen Sitzungen vom 20. und 21. Juni 1951 ausgiebig mit dem Fall Kemritz beschäftigt. Ich brauche aus diesem Grunde nicht noch einmal auf die Einzelheiten, die dem Hohen Hause damals vorgetragen worden sind, einzugehen. Ich möchte mich auf einige wenige Zitierungen aus der Rede des Herrn Bundesministers der Justiz vom 20. Juni 1951 beschränken. Der Herr Bundesminister der Justiz sagte damals unter dem Beifall der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses:
Inwieweit durch diese Verfahren, besonders durch ein ehrengerichtliches Verfahren oder gar durch einen Zivilprozeß, amerikanische .Interessen berührt werden sollen, das ist das Geheimnis der amerikanischen Behörden geblieben.
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Weiter:
Die Angabe des Rechtsamtes der amerikanischen Hochkommission, die von Kemritz bei den Verhaftungen geleistete Unterstützung sei legal gewesen, erscheint unhaltbar. ... Die Bundesregierung hat kein Verständnis für die Haltung der amerikanischen Behörden in diesem Falle. ...
Ich bin der Ansicht: Die im Fall Kemritz von der amerikanischen Behörde vertretene Auffassung ist für uns und für jedes Rechtsempfinden unerträglich. Ich habe heute mittag gegen 12 Uhr mit einem Beamten des amerikanischen Hohen Kommissars eine Rücksprache gehabt. Dieser Beamte hat mir erklärt - ich gebe seine Worte wieder -: Kemritz befindet sich nicht mehr in deutscher Jurisdiktion.
Auf diese Erklärungen des Herrn Bundesministers der Justiz hin befaßte sich der Rechtsausschuß dieses Hauses mit den damals gestellten
Anträgen und ließ durch seinen Vorsitzenden den
Bundestag bitten, zu beschließen - ich zitiere hier
die Ziffern 3, 4 und 5 des damaligen Beschlusses,
um die Bedeutung, die dieser Beschluß damals gehabt hat und die er auch heute noch hat, in Ihre
Erinnerung zurückzurufen -:
3. Der Bundestag erwartet, daß Eingriffe der Besatzungsmächte unterbleiben, durch die Personen der deutschen Justiz entzogen werden, welche eines Verbrechens beschuldigt sind.
4. Im Fall Kemritz müssen die ehrengerichtlichen Befugnisse der Anwaltschaft und die Ansprüche der geschädigten Hinterbliebenen gewahrt bleiben.
5. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, dahin zu wirken, daß im Zuge der Verhandlungen über die Wiederherstellung des normalen rechtlichen und politischen Standes Deutschlands die Einschränkungen der deutschen Gerichtshoheit beseitigt werden, insbesondere daß das Recht der Besatzungsmächte entfällt, in die deutsche Rechtspflege einzugreifen.
Es war damals die einhellige Meinung der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses, daß gerade die Ziffer 5 dieses Beschlusses des Deutschen Bundestags auch auf den Fall Kemritz exemplifiziert werden sollte. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß während der Beratung des Falles Kemritz am 20. und 21. Juni 1951 uns von der amerikanischen Hohen Kommission die Mitteilung gemacht wurde, es sollten uns noch im Verlaufe der damaligen Debatte Tatsachen bekanntgegeben werden, die den Tatbestand, der dem sogenannten Fall Kemritz zugrunde liege, auch in unseren Augen in einem andern Licht erscheinen ließen, als es damals der Fall zu sein schien.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir warten heute noch auf die Bekanntgabe dieser Tatsachen, die den Fall Kemritz auch in unseren Augen in einem andern Licht erscheinen lassen. Ich weiß nicht, welche Gründe dafür maßgebend gewesen sind, wenn solche Tatsachen vorlagen, uns diese nicht bekanntzugeben oder, wenn solche Tatsachen nicht vorlagen, uns damals eine derartige Mitteilung zu machen. Diese Mitteilung sollte offenbar als eine Beruhigung der damaligen Atmosphäre gemeint sein. Ich glaube aber, daß die allseits bekannten Tatsachen, die dem Fall Kemritz zugrunde liegen, nicht dazu angetan sind, uns in irgendeiner Weise zu beruhigen.
Unmittelbar im Anschluß an die Debatte vom 20. und 21. Juni vorigen Jahres hatte sich das Landgericht Berlin mit einer Schadenersatzklage der Witwe des durch Herrn Kemritz zu Tode gebrachten Herrn von Hake zu befassen. Es war damals auch versucht worden, über den Herrn Senator für Justiz der Stadt Berlin die Akten in die Hände der amerikanischen Hohen Kommission gelangen zu lassen. Das ist nicht gelungen. Die Vierte Ferienkammer des Landgerichts Berlin verkündete am 24. Juli 1951 ein Versäumnisurteil gegen den Rechtsanwalt und Notar Dr. Hans Kernritz, damals noch mit Wohnsitz Bad Homburg v. d. Höhe, Philosophenweg 9, angegeben, nach dem dieser an die Klägerin 11 640 DM nebst Zinsen Schadenersatz zu leisten und an die Klägerin eine monatliche Rente von 300 DM zu zahlen hat.
Im Anschluß an dieses am 24. Juli 1951 verkündete Urteil wurde von derselben Kammer des Landgerichts Berlin unter dem 8. August 1951 der Beschluß verkündet, nach dem der Vollzug aus dem eben von mir erwähnten Urteil, also dem am 24. Juli 1951 verkündeten Versäumnisurteil, ausgesetzt wird,
nachdem nunmehr
- heißt es in dem Beschluß das Amt des Hohen Kommissars der Vereinigten Staaten für Deutschland erklärt hat, daß der Beklagte ihr Beauftragter gewesen sei und daß daher die Angelegenheit unter § 2 der Erklärung über die Grundsätze in Verbindung mit Art. 7 des Gesetzes Nr. 7 der Alliierten Kommandantur Berlin, mithin in das Vorbehaltsgebiet der alliierten Besatzungsmächte falle, und jede Vollstreckungshandlung aus dem ergangenen Schuldtitel untersagt hat.
Meine Damen und Herren, hier handelt es sich nicht mehr um eine Handlung der amerikanischen Hohen Kommission, die bezweckte, den Herrn Kemritz nicht unter die Strafjurisdiktion der Anwaltschaft oder der deutschen Gerichte zu bringen, sondern hier handelt es sich um einen besonders eklatanten Eingriff in ein schwebendes Zivilverfahren. Es handelt sich hier darum, daß von seiten der amerikanischen Hohen Kommission verhindert wurde, daß ein Urteil des Landgerichts Berlin zur Vollstreckung gebracht wurde. Es mutet weiter in diesem Zusammenhang zumindest für uns, die wir eine genaue Kenntnis der Vorgänge, wenn sie in anderer Art und Weise bei der amerikanischen Hohen Kommission bekannt sein sollten als bei uns, nicht haben, seltsam án, daß nach Mitteilungen aus der „Neuen Zeitung" vom 8. August 1951 der Herr Hohe amerikanische Kommissar die Behauptung aufgestellt haben soll, daß der von Herrn Kemritz ausgelieferte Herr von Hake seinerzeit von den Alliierten als Kriegsverbrecher gesucht worden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht unsere Aufgabe, hier zu untersuchen, ob die Behauptung des Herrn Hohen amerikanischen Kommissars zutrifft oder nicht zutrifft. Es sollte jedenfalls nicht üblich werden, daß in einer Angelegenheit, mit der sich der Deutsche Bundestag damals wirklich aus einer Sorge um die Rechtsentwicklung in Deutschland beschäftigt hatte, von seiten der amerikanischen Hohen Kommission, insbesondere von dem Herrn Hohen Kommissar selbst, Äußerungen dieser Art gemacht werden. Wir bedauern außerordentlich, dáß wir keine genaue Kenntnis davon bekommen haben, welche Unter({8})
lagen dem Herrn Hohen amerikanischen Kommissar über den Fall Kemritz zur Verfügung stehen, die uns nicht zugänglich gemacht worden sind und wir bedauern weiter, daß der Herr Hohe amerikanische Kommissar es bis heute unterlassen hat, die Bundesregierung trotz verschiedener Vorstellungen über die Dinge aufzuklären, die auch heute noch einer Aufklärung gerade im Hinblick auf die Vorgänge bedürfen, die sich um die Mitte des Jahres 1951 aus Anlaß der Tätigkeit des Herrn Kemritz abgespielt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem zwei Monate vergangen waren, haben meine politischen Freunde die Große Anfrage eingebracht, die heute hier zur Verhandlung steht, nachdem sechs Monate vergangen sind. Heute schreiben wir den 28. Februar 1952. Seit dem 15. August 1951 ist es nicht möglich gewesen, dem Deutschen Bundestag in einer für die Entwicklung unserer Rechtsverhältnisse auch in Beziehung auf die Besatzungsmächte so wichtigen Angelegenheit eine Aufklärung zu geben. Lediglich unter dem 11. Januar 1952 ist uns von dem Herrn Bundesminister der Justiz mitgeteilt worden:
Da die Vertreter der amerikanischen Hohen Kommission das Schreiben des Herrn Bundesministers der Justiz vom 23. November 1951 bisher nicht beantwortet haben, habe ich heute
- so schreibt der Bundesminister der Justiz unter
dem 11. Januar 1952 bei dem 'Sekretär der amerikanischen Delegation angefragt, wann voraussichtlich mit der nächsten Besprechung gerechnet werden kann. Ich werde Sie über den Fortgang der Verhandlungen unterrichten.
Meine Damen und Herren, offenbar erst, nachdem bekanntgeworden ist, daß der Deutsche Bundestag sich heute, nachdem die Angelegenheit zweimal vertagt worden ist, endlich nochmals mit dem Fall Kemritz befaßt, scheint der Herr Bundesminister der Justiz gebeten worden zu sein, heute nachmittag um 15 Uhr zu der Hohen amerikanischen Kommission zur Besprechung dieses Vorgangs zu kommen.
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Herr Bundesminister, ich möchte Sie bitten, mit aller Eindringlichkeit die Sorge, die uns bereits in den Verhandlungen am 20. und 21. Juni 1951 befallen hat und die uns aus Anlaß der Behandlung dieses Falles Kemritz auch heute wieder erfüllt, dem Herrn Hohen amerikanischen Kommissar bzw. seinem Sachbearbeiter vorzutragen.
Wir haben große Befürchtungen, meine Damen und Herren, daß der Fall Kemritz und das, was mit dem Fall Kemritz in Zusammenhang steht, nicht die Würdigung auf seiten der amerikanischen Hohen Kommission finden, die sie finden müßten, und zwar haben wir diese große Sorge gerade im Hinblick auf den abzuschließenden Generalvertrag und die diesem anhängenden Verträge deswegen, weil uns bis heute noch nicht bekanntgeworden ist, welche Auffassung auf seiten der amerikanischen Hohen Kommission bzw. auf seiten der alliierten Kommission in ihrer Gesamtheit über die Frage des Evokationsrechts grundsätzlich besteht. Bevor wir von seiten der zuständigen Stellen unserer Bundesregierung keine Mitteilung darüber bekommen, ob die Besatzungsmächte, ob insbesondere die amerikanische Hohe Kommission endlich auf das Evokationsrecht, das sie im Falle Kemritz für sich in Anspruch genommen hat, verzichten, sehen wir keine Möglichkeit, aus dem Dilemma herauszukommen, in das uns der Fall Kemritz in unseren Rechtsverhältnissen, insbesondere auch in unseren Rechtsbeziehungen zu den Besatzungsmächten gebracht hat.
Wir bitten Sie, meine Damen und Herren, unserer Großen Anfrage 'dieselbe' Bedeutung zu schenken, die die Beratung des Falles im vorigen Jahr gefunden hat.
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Zur Beantwortung der Großen Anfrage hat das Wort der 'Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung war schon vor der Verhandlung dieses Hohen Hauses am 20. und 21. Juni vorigen Jahres entschlossen, wegen der Vorgänge, die sich an den Namen Kemritz knüpfen, bei der Alliierten Hohen Kommission vorstellig zu werden. Sie hat dann den Beschluß dieses Hauses vom 21. Juni verwertet und in einer Note vor; 29. Juni dem amerikanischen Hohen Kommissar zum Ausdruck gebracht, daß die Bundesregierung die Rechtsauffassung des Rechtsamtes des amerikanischen Hohen Kommissars nicht anerkennen kann und sich daher veranlaßt sieht, gegen die Eingriffe in die deutsche Rechtspflege nachdrücklich Verwahrung einzulegen. Es ist im einzelnen hingewiesen worden auf die Einstellung eines Strafverfahrens gegen Kemritz, auf die Anordnung der Einstellung des anwaltschaftlichen ehrengerichtlichen Verfahrens gegen Kemritz und auf die Einwirkung auf Zivilprozesse der Hinterbliebenen der Opfer des Herrn Kemritz; sie sind von uns als unzulässige Maßnahmen bezeichnet worden. Die Bundesregierung hat ausdrücklich der Auffassung des Deutschen Bundestags in den Sitzungen vom 20. und 21. Juni beigepflichtet, daß politische Erwägungen die Verwirklichung des Rechts keinesfalls hindern dürfen. Sie hat dem Hohen Kommissar vorgeschlagen, daß der Fall Kemritz und die mit ihm zusammenhängenden Rechtsfragen von Sachverständigen der amerikanischen Hohen Kommission und der Bundesregierung mit dem Ziel erörtert werden sollen, die Angelegenheit zu bereinigen und für die Zukunft derartige Eingriffe in die deutsche Rechtspflege unmöglich zu machen.
Der amerikanische Hohe Kommissar hat auf diese Note mit einem Schreiben vom 31. Juli 1951 an den Herrn Bundeskanzler geantwortet. Er hat erklärt, daß er, wenn er dazu in der Lage sei, der Bitte der Bundesregierung entsprechen wolle, eine Konferenz zwischen amerikanischen und deutschen Sachverständigen abzuhalten. Er äußerte noch den Wunsch, in den Besitz zusätzlicher Tatsachen über Kemritz zu gelangen, die bei den amerikanischen Ermittlungen nicht aufgedeckt worden seien.
Zur Vorbereitung 'der in Aussicht gestellten Verhandlungen habe ich dann von mir aus weitere Ermittlungen anstellen lassen. Nachdem sich dann die Vorgänge ereignet hatten, von denen der Herr Abgeordnete Dr. Greve sprach, nachdem nämlich das Landgericht Berlin den Haftbefehl gegen die Sekretärin von Kemritz, Frau Hackelt, aus strafprozessualen Gründen aufgehoben hatte, nachdem auf Weisung der amerikanischen Besatzungsbehörden in Berlin Zivilprozesse von Frau von Hake, der Witwe eines Opfers des Kemritz, gegen ihn ausgesetzt und die Akten dem Hohen Kommissar vorgelegt worden waren, erklärte er sich zu der
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Aufnahme der Besprechungen bereit. Sie sind dann erstmals am 5. September erfolgt. In dieser Verhandlung hat ein Austausch der Mitteilungen über die tatsächlichen Unterlagen und über die beiderseitigen Rechtsansichten stattgefunden. Es war notwendig, über diese Tatsachen und die aufgetretenen neuen rechtlichen Gesichtspunkte eine gesonderte Prüfung zu ermöglichen. Aus diesem Grunde ist die Verhandlung vertagt worden. Es ist ausdrücklich vereinbart worden, daß sie sofort nach beschleunigter Durchführung der notwendigen Ermittlungen wieder aufgenommen werden sollte.
Mit Schreiben vom 23. November vorigen Jahres wurde dann dem Vertreter des amerikanischen Hohen Kommissars eine nochmals überprüfte Übersicht über die Opfer des Kemritz, die insgesamt 23 Namen umfaßt, sowie ein Vermerk über die Persönlichkeit des Kemritz nach den von deutscher Seite vorgenommenen Ermittlungen übersandt. Gleichzeitig wurden die amerikanischen Vertreter gebeten, entsprechend ihrer Zusage vom 5. September das Ergebnis ihrer Informationssammlung, insbesondere ihre uns nicht bekannten Richtlinien über den „automatischen Arrest" vom Oktober 1946, in den die Opfer des Kemritz angeblich gekommen sind, uns zugänglich zu machen. Die Antwort hat sich verzögert. Ich habe Anfang Januar erneut gemahnt und habe angefragt, wann die Möglichkeit der neuerlichen Zusammenkunft besteht. Es ist dann ein Schreiben ,des Sekretärs der amerikanischen Vertreter vom 8. Februar eingegangen, dem ein Bericht der amerikanischen Mitglieder des zur Überprüfung des Falles Kemritz eingesetzten gemischten amerikanisch-deutschen Ausschusses sowie die in ihm angezogenen Bestimmungen über den automatischen Arrest beigefügt worden sind. - Meine Darden und Herren, ich kann nur soviel sagen: das, was uns hier an Material und an Stellungnahme übergeben worden ist, kann keinesfalls befriedigen.
Ich habe dann sofort gebeten, daß die in Aussicht gestellte Unterredung stattfinden soll. Sie ist dann
- ein reiner Zufall, das hat mit der heutigen Tagesordnung keinerlei Zusammenhang - auf heute nachmittag 15 Uhr - -({1})
- Ich habe Ihnen ja genau dargelegt, wie der zeitliche Zusammenhang ist. Die Zusammenkunft ist auf heute nachmittag 15 Uhr angesetzt worden.
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Wir werden alles tun, um die erforderlichen Unterlagen zu ,erhalten, die zur rechtlichen Klärung dieses Falles beitragen können. Wir werden dabei den Rechtsstandpunkt der Regierung und dieses Hohen Hauses, wie er am 21. Juni 1951 niedergelegt worden ist, durchzusetzen versuchen und werden, sobald ein greifbarer Abschluß vorliegt, dem Hohen Hause berichten.
Meine Damen und Herren, ich unterstelle, daß eine Besprechung gewünscht wird. - Das ist der Fall. Ich eröffne die Besprechung im Rahmen der Redezeit von 90 Minuten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen die Initiative der sozialdemokratischen Kollegen und unterstützen ihr Bemühen, die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit für diesen peinlichen und schmerzlichen Fall Kemritz wachzuhalten. Es geht uns hierbei nicht darum, unser eigenes Recht in einem bestimmten Einzelfall nun mit besonderem Nachdruck zu wahren, sondern es geht uns darum, daß es sich um einen Fall handelt, der eine große grundsätzliche Bedeutung hat
({0})
und auf den die Öffentlichkeit auch immer wieder hingewiesen werden muß.
Wenn man meinen mag, daß der Zeitpunkt vielleicht im gegenwärtigen Augenblick der Verhandlungen zwischen den alliierten Besatzungsmächten und dem deutschen Volk nicht besonders glücklich sei, so sind wir entgegengesetzter Ansicht. Gerade weil wir wünschen, daß in dieser neuen, kommenden Regelung, die wir von ganzem Herzen begrüßen, Vorkehrungen, Bürgschaften geschaffen werden, daß sich derartige Fälle auf deutschem Boden nicht wiederholen, müssen wir rechtzeitig unsere Stimme erheben.
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Die Verhandlung dieses Falles ist aber auch aus anderen Gründen gerade im gegenwärtigen Augenblick zeitgemäß. Es mag ein Zufall sein, daß gerade zur gleichen Stunde jetzt auf dem Petersberg die Verhandlungen wieder aufgenommen werden. Aber niemand - weder bei den Alliierten noch im Justizministerium - kann es uns verargen, daß wir den Eindruck haben, daß sechs Monate Wartezeit seit den letzten Verhandlungen ein bißchen lang gewesen sind. So ist es vielleicht ganz gut, wenn die deutsche Volksvertretung ihre Stimme erhebt und dafür sorgt, daß die Dinge nicht in einem gar zu gemächlichen Tempo erledigt werden.
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Endlich - das ist noch ein nicht ganz unwichtiger Gesichtspunkt - lesen wir gerade heute morgen wieder in den Zeitungen Mahnungen, die bestimmte alliierte Stellen an die deutsche offentlichkeit, an deutsche Minister, an bestimmte deutsche Entwicklungen gerichtet haben, Mahnungen, die wir für durchaus begreiflich und in mancher Hinsicht auch für berechtigt halten. Aber wir meinen, daß derartige Mahnungen einen stärkeren Eindruck machen würden, wenn nicht von der Seite, von der diese Mahnungen stammen, Fehler begangen würden, die diese gleichen Entwicklungen sogar begünstigen.
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Manche schmerzlichen Entwicklungen, die auch wir in Deutschland bedauern, hinsichtlich des Erwachens eines neuen nationalistischen Geistes, werden gerade dadurch provoziert, daß sich Fälle wie der Fall Kemritz auf unserem Boden ereignen.
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Es ist vielleicht ganz gut, wenn manche Leute, die sich so gern als Gouvernanten aufspielen und den warnenden Finger bei allen möglichen Gelegenheiten erheben, daran erinnert werden, daß . eine Gouvernante, die ihren Finger hochhebt, saubere Finger haben muß, damit sie wirklichen Respekt bei den Zöglingen findet.
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- Ich glaube, Sie haben den allerwenigsten Anlaß, zu dieser Angelegenheit Ihren Mund aufzutun.
- Meine Damen und Herren, wenn diese Unsauberkeit sogar das Blut von Unschuldigen ist,
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dann ist, glaube ich, der Eindruck dieses erhobenen
Fingers auf die Zöglinge besonders schmerzlich.
Meine Damen und Herren, es ist vielleicht ganz sinnvoll, daß ein Vertreter Berlins zu dieser Frage Stellung nimmt. Wir haben j a in Berlin besonderen Anlaß, uns mit dem Fall Kemritz auseinanderzusetzen, einmal weil die Dinge, die sich hier ereignet haben, sich auf Berliner Boden abgespielt haben, dann aber auch, weil wir naturgemäß auch für die politische Seite dieses Falles eine ganz besondere Aufmerksamkeit übrig haben. Es ist vielleicht doch einmal ganz wichtig, daran zu erinnern, daß Berlin nicht mit der Luftwaffe und mit Panzerwagen verteidigt werden kann, sondern daß es nur verteidigt werden kann, wenn die Berliner Bürger in dem Bewußtsein leben, die bessere Sache, die anständigere Sache zu vertreten. Deswegen sind wir ungeheuer empfindlich für alles, was die moralische Position Berlins antasten könnte, und es würde ein Verhängnis nicht nur für Berlin und nicht nur für ganz Westdeutschland, sondern auch für die Amerikaner sein, wenn diese moralische Position, . die wir in Berlin zu verteidigen haben, irgendwie durch Handlungen der Besatzungsmächte beeinträchtigt werden könnte.
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Die Angelegenheit verdient aber auch deshalb heute eine erneute Behandlung, weil die Nachrichten, die wir über die Besprechungen auf dem Petersberg am 5. September 1951 erhalten haben, uns nicht gerade hinsichtlich der Entwicklung ermutigen, die wir für die Zukunft zu erwarten haben. Soweit ich unterrichtet bin, haben die Amerikaner mit Eigensinn denselben Standpunkt vertreten, den sie vorher schon in der Öffentlichkeit vertreten haben, nämlich daß sie rechtlich und moralisch überhaupt in einer völlig unangreifbaren Situation seien. Deshalb möchte ich auch zur Unterstützung unserer Unterhändler, die augenblicklich tätig sind und vielleicht auch noch weiter tätig sein werden, einen Augenblick auf die rechtliche Seite des Falles eingehen, zumal ich Anlaß gehabt habe, mich früher auch dienstlich damit zú befassen.
Von amerikanischer Seite werden zwei juristische Einwendungen gegen das .deutsche Vorgehen gegen Kemritz erhoben. Erstens einmal wird gesagt, daß die Kemritz-Opfer gar nicht auf kriminellem Wege beseitigt worden seien, sondern daß die Handlungen des Kemritz und der Besatzungsbehörden, die mit ihm gearbeitet haben, irgendwie Rechtens gewesen seien. Es wird - und das hat leider auch ein von uns sehr hochgeschätzter und mit freundschaftlicher Gesinnung begrüßter Herr, nämlich der Herr Hohe Kommissar McCloy, gesagt - ausgeführt, es habe sich hier um Leute gehandelt, die als Vertreter des nationalistischen und militaristischen Geistes unter den automatischen Arrest gefallen wären und als Kriegsverbrecher angesehen werden müßten. Ich möchte das doch in Kürze einmal klarstellen. Es ist j a für uns nicht ganz leicht, weil, wie auch ,der Herr Bundesjustizminister ausführte, wir die Bestimmungen gar nicht kennen, nach denen ein automatischer Arrest verfügt werden konnte. Aber darüber besteht, glaube ich, kein Zweifel - und auch nach den Ausführungen des Herrn Hohen Kommissars McCloy besteht kein Zweifel darüber -, daß der Herr Hohe Kommissar der Ansicht ist: Leute, die sich Kriegsverbrechen schuldig gemacht haben, unterliegen dem automatischen Arrest.
Er hat geglaubt, daß dazu insbesondere diejenigen Personen gehören, die sich in, der deutschen
Abwehr während des Krieges betätigt haben. Meine Damen und Herren, die Tätigkeit der in den Kemritz-Fall verwickelten Personen innerhalb der Abwehr ist zum großen Teil durchaus streitig. Völlig unstreitig ist sie nur bezüglich einer Person, nämlich bezüglich des Hans Kemritz selber, der eine besonders hervorragende Rolle in der deutschen Abwehr gespielt hat. Es ist vielleicht auch nicht uninteressant, daß, soweit ich feststellen konnte, nicht eines der Kemritz-Opfer der Nationalsozialistischen Partei angehört hat. Nur ein einziger in diesem ganzen Komplex ist ein wirklicher Nazi gewesen, nämlich der Rechtsanwalt Hans Kemritz, der diese Untaten dann vollbracht hat.
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Wenn man sich das klarmacht, dann wird man ein wenig mißtrauisch auch gegen manche Wendungen, die wir von ausländischer Seite gegen das Wiedererwachen des nationalsozialistischen Geistes in Deutschland hören.
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Aber es scheint mir auch wichtig zu sein, daß diese sogenannte Abwehrtätigkeit zum Teil in, ich möchte beinahe sagen, geradezu lächerlicher Weise begründet worden ist. So handelt es sich in dem einen Fall um ein Kemritz-Opfer mit Namen Gersdorff, dessen Tätigkeit für die Abwehr darin bestanden hat, daß er von seinem Vorgesetzten zum Kraftfahrer eines Abwehroffiziers gemacht und diesem zugeteilt worden ist. Er hat sonst nichts mit der Abwehr zu tun gehabt.
Oder vielleicht ein für die ganze Angelegenheit noch besonders charakteristischer und peinlicher Fall. Eines der Opfer von Kemritz ist die Stenotypistin Elisabeth Flehr gewesen. Sie ist nach vier- einhalbjähriger Haft an Leib und Seele gebrochen zurückgekehrt. Worin bestand deren Tätigkeit für die Abwehr? Meine Damen und Herren, sie war während des Krieges in der Abwehr tätig, aber sie war Stenotypistin bei dem damaligen Major Hans Kemritz, der sie nachträglich wegen ihrer Tätigkeit in der Abwehr angezeigt und sie als Kriegsverbrecherin gekennzeichnet hat.
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Man muß sich diesen Fall in seiner ganzen Bedeutung einmal klar machen, um zu begreifen, welche Bitterkeit und welche Erregung gerade auch in der Berliner Bevölkerung, die diese Dinge kennt, zu diesem Fall bestehen.
Dann ist bekannt - das ist hier im Bundestag schon das letzte Mal erwähnt worden -, daß ja in einigen Fällen Leute von Kemritz ausgeliefert worden sind, die bereits durchgeprüft worden waren und die „unconditionally", also bedingungslos, von den amerikanischen Behörden freigegeben waren. Es kann doch unmöglich die Ansicht der amerikanischen Juristen und des amerikanischen Hohen Kommissars sein, daß dieselben Leute nachträglich noch einmal Rechtens dem automatischen \ Arrest unterliegen.
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Weiter handelt es sich um die Fälle Dannenberg und Klose. Klose war ein 60 Jahre alter Mann, der inzwischen im Zuchthaus umgekommen ist. Ich habe mich mit dem Fall eingehend beschäftigt; es ist nichts erkennbar, was irgendwie ein Vorwand hätte sein können, Klose zum Kriegsverbrecher zu stempeln.
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Übrigens . noch eine bemerkenswerte und sehr unerfreuliche Einzelheit: diese Anzeigeschriften, diese Anklageschriften sind von Kemritz dann auch noch unterschrieben worden. Er hat die Leute nicht nur an den NKWD, an den geheimen Sicherheitsdienst der Russen ausgeliefert, sondern auch noch die Anklageschrift geliefert, auch im Falle seiner eigenen Sekretärin, deren Tätigkeit für die Abwehr lediglich in ihrer Tätigkeit bei ihm selber bestanden hatte.
Unter den Opfern gibt es einige Leute, die in keiner Weise betroffen sind. Ich kenne einen Fall, der mir auch persönlich sehr nahe steht, weil die Tochter des Betreffenden in meinem Institut tätig ist. Ich habe mich mit diesem Fall - es ist der Fall des Amtsgerichtsrats Rieckenberg - nach allen Seiten beschäftigt. Es ist auch nicht die Spur eines Verdachts gegen ihn gegeben. Dieser Amtsgerichtsrat Rieckenberg war nicht Pg; er ist aus dem Dienst gegangen, als die Nazis ans Ruder kamen, und dann im Kriege Gerichtsoffizier gewesen, was man vielleicht gegen ihn anführen könnte. Aber der Fall hat auch sonst seine Bedeutung. Rieckenberg war nämlich mit Kemritz befreundet; Kemritz war der Anwalt der Familie. Er hat für Rieckenberg beispielsweise das Testament als Notar gemacht. Und als Rieckenberg nun aus der Gefangenschaft zurückkam, freigegeben von den britischen Militärbehörden, hat ihn Kemritz zu sich bestellt als seinen alten Freund, angeblich unter dem Vorwand, um ihm eine Stellung zu verschaffen; und als er zu ihm kam, hat Kemritz ihn dem russischen Geheimdienst ausgeliefert.
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Es handelt sich hier also nicht nur um kriminelle Dinge, sondern es handelt sich um das Verhalten eines regelrechten gemeinen Halunken, und ich beneide eine Besatzungsmacht nicht, die sich vor einen solchen gemeinen Halunken stellt.
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Aber, meine Damen und Herren, die juristische Seite ist noch in einer andern Richtung zu verfolgen. Die auch vom Herrn Bundesjustizminister und von Herrn Rechtsanwalt Kollegen Greve angeführten Einzelheiten zeigen mir, daß die Amerikaner darauf bestanden haben, die gegen Kemritz eingeleiteten Gerichtsverfahren aus der deutschen Gerichtsbarkeit herauszunehmen und zum Stillstand zu bringen. Es ist mir sehr zweifelhaft, Herr Justizminister - vielleicht ist das ein Fall, der noch nicht geprüft worden ist -, ob die amerikanische Regierung auch juristisch dazu in der Lage ist. Ich bezweifle das, da es sich um Berliner Boden handelt, durchaus. Hier wäre ein Kommandanturbeschluß notwendig gewesen; nach unseren Berliner Bestimmungen kann überhaupt eine einzelne Militärregierung gar nicht für sich bestimmte Hoheitsakte vornehmen und in die deutsche Gerichtshoheit eingreifen, und es ist mir nach allem, was ich weiß, Herr Bundesjustizminister, außerordentlich zweifelhaft, ob es gelingen würde, eine einmütige Ansicht der drei westlichen Alliierten zu derartigen Beschlüssen herbeizuführen. Wenn schon falsch beratene amerikanische Gerichtsbehörden auf ihren formalen Rechten bestehen sollten, würde ich es gar nicht für schlecht halten, sie darauf hinzuweisen, daß gerade von der formalen Seite her ihr Recht keineswegs unbezweifelbar erscheint.
Ferner habe ich mich gefragt und frage auch das Hohe Haus: Kann denn das Recht der alliierten Besatzungsbehörden, ihre Beauftragten der eigenen
Gerichtsbarkeit vorzubehalten, dahin führen, daß auch alle übrigen kriminellen Delikte, die die Betreffenden begehen, dem deutschen Richter entzogen werden? Das würde ja ein wunderschöner Freibrief sein! Ich höre, daß im Falle Kemritz auch ein anderes Gerichtsverfahren, das sich auf Vorgänge im Kriege bezieht, wo Kemritz einen Meineid geleistet haben soll, nunmehr dem deutschen Richter entzogen werden soll. Meine Damen und Herren, das ist doch ein völlig unmögliches Verfahren! Die Amerikaner und auch der Hohe Kommissar haben darauf hingewiesen, Kemritz habe das Leben von mehr Menschen gerettet, als er Menschen zum Tode geliefert habe. Nun, das ist ein moralisch etwas bedenkliches Abwägen gegeneinander. Wo kommt denn eine Obrigkeit, wo kommt eine Gerichtsbehörde hin, wenn sie solche Erwägungen anstellt?
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Meine Damen und Herren, nach allem, was wir hören, bestehen die „geretteten Menschenleben" des Kemritz darin, daß er sich den Amerikanern gegenüber verpflichtet hatte, seine Opfer vorher d em amerikanischen Geheimdienst mitzuteilen, und daß der amerikanische Geheimdienst sich dann vorbehielt, einzelne dieser Opfer für sich in Anspruch zu nehmen, sie' also nicht den Russen ausliefern zu lassen. Es wäre doch dasselbe - stellen Sie sich das bitte einmal vor! -, als wenn eine deutsche Polizeibehörde von der Tätigkeit eines Mörders in ihrer Stadt Kenntnis hat und mit diesem einen Vertrag schließt: Du darfst ruhig ,weiter morden; du mußt bloß deine Opfer vorher mitteilen, damit ich mir einzelne vorbehalten kann, die du dann nicht umbringen darfst. .
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Was für ein moralischer Abgrund tut sich auf, I wenn wir diese Dinge überhaupt nur einen Augenblick ernsthaft weiterverfolgen!
Nun hat der Hohe Kommissar Mr. McCloy in seinem Interview vom 7. August zugesagt, daß er Kemritz vor ein amerikanisches Gericht stellen wolle. Ich zitiere wörtlich nach der Meldung der Deutschen Presse-Agentur:
Mr. McCloy hat in dem Interview zur rechtlichen Seite des Falles Kemritz erklärt: Kemritz wird vor ein amerikanisches Gericht gestellt, sobald das Berliner Verfahren gegen ihn niedergeschlagen ist. Das amerikanische Gericht wird die von deutscher Seite gegen Kemritz erhobenen Vorwürfe auf Grund der Unterlagen prüfen, die von dem gemischten deutsch-amerikanischen Untersuchungsausschuß erarbeitet wurden.
Wir haben von einem derartigen Gerichtsverfahren nichts gehört. Ich glaube, nicht falsch unterrichtet zu sein, wenn ich feststelle, daß Herr Kemritz in Heidelberg frei umhergeht und wieder nach Möglichkeiten sucht, auf deutschem Boden der Gerichtsbarkeit, der Rechtshoheit zu dienen. Ich möchte deshalb bei dieser Gelegenheit ausdrücklich an diese Zusage des Herrn Hohen Kommissars erinnert haben.
Meine Damen und Herren, je mehr man sich überhaupt mit den Dingen befaßt, desto schmerzhafter und peinlicher wird die ganze Angelegenheit. Mir ist zumute, als wenn ich einen guten Freund habe, dem ich Vertrauen und Achtung entgegenbringe und auf dessen Vertrauen und Achtung ich meinerseits angewiesen bin, und ich muß diesen Freund bei einer höchst unehrenhaften Hand({17})
lung mir gegenüber ertappen. Es ist ein außerordentlich schmerzliches und peinliches Gefühl, die Auseinandersetzung auf einer solchen Basis zu führen. Die amerikanischen Gerichtsbehörden machen es sich einfach. Ein amerikanischer Sachbearbeiter im Fall Kemritz hat einem deutschen Berichterstatter, dem Berichterstatter der „Illustrierten Berliner Zeitschrift" folgende bemerkenswerte Erklärung gegeben:
Bitte, kommen Sie mir nicht hochmoralisch!
Ich bin seit 1945 in Deutschland und habe in
Nürnberg allerhand gesehen und erlebt.
Meine Damen und Herren, wenn wir eine solche Auffassung bei den alliierten Gerichtsbehörden zulassen, dann ist gerade das, was von amerikanischer Seite bei uns immer gewünscht wird, die reeducation, die moralische Wiedergeburt, das Wiedererwachen eines anständigen, freien, tüchtigen Geistes, auf diesem Wege am allersichersten vereitelt.
({18})
Über die politische Seite ist kein Wort zu verlieren. Ich möchte dazu nur ein sehr interessantes Zitat aus der „New York Times" verlesen. Die „New York Times", die ja gewiß nicht gerade besonders deutschfreundlich eingestellt ist, hat am 7. August 1951 zu den Verhandlungen im Berliner Abgeordnetenhaus und im Bundestag folgendes gesagt:
Die moralische Position der Vereinigten Staaten in Berlin, ja in ganz Deutschland, steht auf dem Spiel, und dieser Punkt ist viel wichtiger als die Frage, ob Dr. Hans Kemritz der Witwe eines der Männer, die er in sein Berliner Büro lockte, eine Entschädigung zahlen muß oder nicht.
Ich glaube, wir können dem gar nichts weiter hinzufügen.
Für die weitere Behandlung haben wir einige praktische Wünsche, die ich dem Herrn Bundesjustizminister vortragen darf. Zunächst wünschen die Kemritz-Opfer bzw. die Hinterbliebenen der Kemritz-Opfer, daß die Erklärung der hingeschiedenen Männer und Väter als Kriegsverbrecher von alliierter Seite revoziert wird.
({19})
Man soll solche Dinge nicht zu gering schätzen. Ich habe gerade in den Verhandlungen mit den Witwen erlebt, wie bitter dieser Vorwurf empfunden wird, und ich glaube, sie haben recht, wenn sie sagen, daß ihre ganze Stellung im Erwerbsleben und im gesellschaftlichen Leben Deutschlands dadurch beeinträchtigt wird, daß ihre Männer von der höchsten Stelle der amerikanischen Militärregierung aus als Kriegsverbrecher erklärt worden sind. Eine Hohe Militärregierung würde sich sicher auch nichts vergeben, wenn sie sich etwas daran erinnerte, daß hier menschlich außerordentlich schmerzliche Folgen eingetreten sind. Ich denke an die Witwe des Dr. Faust, die mit fünf unversorgten Kindern - ein sechstes ist inzwischen gestorben - dasitzt und die seit dem Tode ihres Mannes, also seit sechs Jahren, mit ihren Kindern unaufhörlich in bitterster Not gelebt hat. Wenn man glaubt, diesen Opfern den Rechtsweg abschneiden zu müssen, so ist man um so mehr verpflichtet, von sich aus einzugreifen und wenigstens diese bittere Not irgendwie zu lindern. Ferner bin ich der Ansicht, daß das von dem Herrn Hohen Kommissar McCloy in Aussicht gestellte Gerichtsverfahren durchgeführt werden muß.
Endlich, meine Damen und Herren, glaube ich im Namen von Ihnen allen und auch im Namen des ganzen deutschen Volkes zu sprechen, wenn ich der Ansicht bin: was auch immer aus Kemritz wird, wir wünschen nicht, daß er künftig noch deutschen Boden beschmutzt! Ein solches Subjekt können wir im neuen Deutschland nicht gebrauchen,
({20})
und wenn die Amerikaner ihn haben wollen, dann sollen sie ihn behalten!
({21})
Meine Damen und Herren, wir wünschen - und das ist vielleicht das Wichtigste - Sicherheit dafür, daß sich solche Fälle auf deutschem Boden künftig nicht mehr ereignen können. Es ist schmerzlich genug, daß es einmal gewesen ist. Es mag eine schlecht unterrichtete Militärregierung gegeben haben, die in falsch verstandenem Solidaritätsgefühl mit ihren Leuten zunächst einmal die begangenen Fehler zu decken versucht hat; aber für die Zukunft wünschen wir, daß die Wiederholung derartiger Fälle für alle Zeiten unmöglich gemacht wird.
Zum Schluß darf ich zitieren, was ein anderer Hoher Kommissar, der amerikanische General Clay, über das Verhältnis der Deutschen zu den Amerikanern gesagt hat. Er hat nämlich beim Abschied gesagt: „Wir Amerikaner brauchen in Deutschland nicht Vasallen, sondern wir brauchen Freunde". Das, was hier an Aufgaben politischer und sonstiger Art zu vollbringen ist, kann in der Tat nicht von Vasallen erfüllt werden, und wir wünschen, keine Vasallen zu sein.
({22})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sorgen um die Rechtsentwicklung in Westdeutschland, war das der Faktor, der die Debatte vom 20. und 21. Juni des vorigen Jahres hier ausgelöst hat? Das war nicht die Ursache. Was Sie mit dieser Debatte wollten, das war eine frischfröhliche Hetze gegen die Sowjetunion.
({0})
Wenn ich die Debatte von heute vergleiche mit der vom Juni vorigen Jahres, dann ist wohl erlaubt zu sagen: welche Schamade gegenüber der damaligen Fanfare! Der Herr von Friedensburg hat resigniert. Er sagt: Ihr habt ihn ja einmal, behaltet ihn, gut! Ich denke, er sollte durch deutsche Gerichte verurteilt werden?! Wie war es denn bei der damaligen Debatte? Hat man da nicht eine sehr charakteristische Täuschung versucht? Da war es doch der Herr Arndt, der gesagt hat:
Ich glaube sagen zu dürfen, daß eine Verlautbarung so nicht abgefaßt worden wäre, hätte Mr. McCloy selber die Amtsgeschäfte führen können.
Nun, inzwischen hat sich doch wohl herausgestellt, daß Herr McCloy diese Entscheidung vollinhaltlich deckt. Gemeint hat der Herr Arndt damals jene - wie er wörtlich sagte - unselige Verlautbarung vom 13. Juni, die wie ein seelisches Erdbeben die Menschen in Deutschland erschüttert hat. Nun, der Petersberg hat in den sieben Monaten nicht gewackelt; stellen wir es einmal ganz ruhig und sachlich fest. Aber was hat uns damals der Herr Bundesminister Dr. Dehler gesagt?
({1})
Die Bundesregierung . . .
- in einem ganz andern Ton als heute: Brust heraus, so hat er sich damals hier hingestellt - ({2})
wird . . . in aller Form gegen die Mitteilung des Rechtsamtes des amerikanischen Hohen Kommissars vom 13. Juni 1951 Verwahrung einlegen und beim amerikanischen Hohen Kommissar vorstellig werden mit dem Ziel, daß die Verfügung des amerikanischen Landeskommissars für Hessen . . . rückgängig gemacht wird.
Wir haben in der Sitzung vom 20. Juni ausgesprochen, daß Idie Amerikaner ihren früheren Agenten unter allen Umständen in Schutz nehmen würden, und das hat sich als richtig herausgestellt. Herr McCloy hat doch selber gesagt, daß es sich bei dem Herrn Kemritz um einen Menschen handele, der sich um die demokratische Entwicklung im Westen wohl verdient gemacht habe. Er hat auch erklärt, die Amerikaner hätten Kemritz nicht fallen lassen können, da er in der ersten Zeit nach der Kapitulation für sie gut gearbeitet habe. Schließlich hat er gesagt: „Wir werden den Herrn Kemritz vor jeder Strafverfolgung durch Deutsche zu schützen wissen."
Der Herr Reuter, der amtierende Oberbürgermeister im Westberliner sogenannten Abgeordnetenhaus, hat sich ja damals auch mächtig
({3})
in die Brust geworfen.
Herr Abgeordneter Renner, ich habe eben verstanden: „sogenannten Abgeordnetenhaus".
Ja, sicher.
Ich kann in diesem Hause eine Beleidigung des Parlaments der Stadt Berlin nicht zulassen. Ich rufe Sie zur Ordnung.
({0})
Bei mir ist das eine „Stadtverordnetenversammlung". Berlin ist für mich eine Stadt, und ich weiß nicht, warum das beleidigend sein soll, wenn ich das ausgesprochen habe.
'({0})
Er hat damals gesagt, daß er es glatt ablehne, 'der amerikanischen Anweisung nachzugeben. Er hat nachgegeben. Und heute nachmittag wird nun auf 'dem Petersberg verhandelt. Der Herr Minister hat uns gesagt: das ist ja nur reiner Zufall. Deutlicher konnte er uns wohl nicht klarmachen, daß seiner Überzeugung nach das, was hier im Hohen Hause gesprochen wird, für die Herren vom Petersberg absolut unmaßgeblich ist.
({1})
- Richtig! Es war der Herr Minister, der es gesagt hat. Amerika wird auch in Zukunft seine Agenten schützen, 'und je mehr hier auf unserem Boden der amerikanische Krieg vorbereitet wird, desto mehr Agenten werden hier auftreten.
({2})
Amerika braucht diese Agenten,
({3})
und Sie müssen sich damit abfinden, daß Sie sie nicht antasten dürfen. Hätten Sie das rechtzeitig begriffen, dann wäre Ihnen die Ohrfeige erspart geblieben.
({4})
Wir Kommunisten sind der Auffassung, daß es hohe Zeit ist, das ganze 'deutsche Volk vor allen amerikanischen Agenten aller Nationalitäten zu schützen, die unser Volk in den verbrecherischen Krieg hineinhetzen wollen.
({5})
Das ist das, was wir zum Fall Kemritz zu sagen haben. Wir können uns nicht darüber aufregen, daß der Herr Kemritz auch ein Lump war. Das steht nicht zur Diskussion. Er war der Agent der Amerikaner, und Amerika braucht und schützt seine Agenten. Nun werden Sie über diesen Tatbestand klar! Lassen Sie mich schließen mit einer Feststellung: der Herr Minister kommt heute vom Petersberg zurück mit 'demselben Ergebnis. Herr McCloy kann doch gar nicht nachgeben. Er muß doch seinen Agenten Schutz gewähren und seine Agenten verteidigen. Diese Erkenntnis hat sich ja wohl auch bei Ihnen schon längst 'durchgesetzt; anders wäre Ihr heutiges Gesäusel gegenüber dem Sturmwind vom 20. Juni nicht gut zu erklären.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute morgen gab 'es in der Presse zu lesen, daß der Hohe amerikanische Kommissar McCloy neben allerhand Lobsprüchen
({0})
auf das, von uns Erreichte uns anheim gab, dafür zu sorgen, daß aufbauwillige und staatsfreundliche Parteien sich den Agitationsstoff der Links- und Rechtsradikalen nicht allzusehr zu eigen machen sollten. Das sei gefährlich.
({1})
Ich möchte betonen, daß sämtliche Parteien dieses Hauses, die der Staatsform, die wir hier 'ausbilden wollen, anhängen, eine ganz schwere Unterlassungssünde begehen würden, wenn sie etwa Staatszertrümmerern das Kapitel, das um Herrn Kemritz spielt, als Agitationsstoff allein überlassen wollten. Es ist für uns nicht nur ein Agitationsstoff; es gehört zu den schweren, schweren Bedenken, die wir immer noch trotz aller vorbereitenden gesamteuropäischen oder gesamtabendländischen Maßnahmen in unserem Herzen und in den täglichen Erlebnissen spüren. Diese Sorgen rühren daher, daß man nun einmal den heute ja allgemein als ganz besonders schwer erkannten Fehler begangen hat, Deutschland zur totalen Kapitulation zu zwingen. Es gab also 'zunächst keine Hoheitsträger mehr in Deutschland, als der Krieg zu Ende war, sondern die Herren Besatzungskommissare oder die Herren Befehlshaber haben nach ihrem Gutdünken unsere Geschicke in die Hand genommen, und - das gebe ich Herrn Renner zu -dazu brauchten sie unter anderem auch Agenten. Soweit die Agenten Amerikaner, Engländer, Franzosen oder auch Russen waren, mögen sie allein mit ihnen fertig werden; leider haben aber die Besatzungsmächte bei uns einen Kometenschweif von ehemaligen Deutschen eingeführt, die sie in gewisse hochverantwortliche Stellungen einsetzten.
({2})
Teilweise scheinen sie auch welche hier bei uns vorgefunden zu haben.
Und nun ist das Unsympathische, Herr Renner, daß ein Agent, der gegen sein eigenes Vaterland auftritt, nach allgemeinem Landesgebrauch Landesverräter heißt
({3})
und daß wir mit Landesverrätern nichts zu tun haben wollen. Herr Kemritz mag auch noch ein Mörder sein oder sonst etwas - ich weiß es nicht -, jedenfalls hat er sich gegenüber seinen deutschen Landsleuten als Landesverräter betätigt, indem er sie in den Mord abführen ließ. Es gibt noch mehr solche Erscheinungen, z. B. den Herrn Kempner, der ebenfalls hier eine Rolle gespielt hat, die wir von Deutschen nicht gespielt wissen wollen.
Über eines aber möchte ich keinen Zweifel lassen: wenn etwa nach dem Generalvertrag unsere Souveränität nicht so weit hergestellt sein sollte, daß wir zum höheren Ansehen von früheren Besatzungsmächten deutsche Staatsbürger nicht in unsere eigene Justiz nehmen können, wenn sie sich gegen das Deutschtum vergangen haben, dann ist an Gemeinsamkeit überhaupt nicht zu denken.
({4})
Das ist 'der Ausgangspunkt unserer Betrachtungen.
({5})
Ich betone ausdrücklich: diese Dinge sind über den einzelnen Fall hinaus von ganz entscheidender Bedeutung. Darüber mögen sich die Besatzungsmächte, wenn sie uns nicht zu Vasallen, sondern zu Freunden 'gewinnen wollen, von Anfang an im klaren sein.
Darf ich zum Schluß, weil ich hier auch als deutscher Anwalt stehe - Mitglied des Vorstandes des Deutschen Anwaltsvereins -, noch namens der deutschen Anwaltschaft erklären, daß wir Kollegen wie Herrn Kemritz oder Herrn Dr. Kempner uns nicht aufdrängen lassen wollen,
({6})
daß wir es als Stand in der Gesamtheit ablehnen, mit solchen Herrschaften irgend etwas zu teilen.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch ich bin deutscher Rechtsanwalt, unid ich möchte mich dem anschließen, was mein Kollege Ewers soeben 'abschließend ausgeführt hat. Darüber hinaus möchte ich aber - ohne auf die Einzelheiten des Falles Kemritz in der Weise eingehen zu wollen, wie das der Herr Berliner Sprecher getan hat; ich kann das auch gar nicht, weil mir diese Einzelheiten in diesem Umfang gar nicht bekannt 'sind - doch einige grundsätzliche Bemerkungen machen. Ich habe das schon einmal, und zwar gelegentlich der damaligen Debatte getan. Ich habe damals gesagt - und das möchte ich heute wiederholen -: die Alliierten waren und sind schlecht beraten, wenn sie glauben, in dem alten Siegergeiste fortgesetzt Maßnahmen ergreifen zu sollen oder zu müssen, wie das hier wieder speziell im Falle Kemritz geschehen ist.
Es ist meines Erachtens unmöglich, daß in der Zukunft eine gedeihliche Zusammenarbeit zwischen uns und den Westalliierten auf den Gebieten stattfinden kann, auf denen man es von uns erwartet und auf denen wir auch, wie wir das schon vielfach erklärt haben, zusammenarbeiten wollen. Eine solche gedeihliche Zusammenarbeit ist überhaupt nur möglich, wenn ein entscheidender geistiger Wandel auf der andern Seite eintritt. Es ist nach der Auffassung meiner politischen Freunde und meiner eigenen Auffassung gänzlich unmöglich und untragbar, daß man auf der einen Seite glaubt - um die Probleme nur anzureißen -, ein Evokationsrecht weiter ausüben können, ja darüber hinaus, wie es in dem Gesetz Nr. 62 der Alliierten festgelegt ist, sogar deutsche Gesetze suspendieren zu können, die wir zu unserem eigenen Schutz erlassen zu müssen glaubten, und dann auf der andern Seite glaubt, den Geist zu schaffen, der notwendig ist, wenn das Werk gelingen soll, das wir alle miteinander anstreben.
Ich möchte von diesem Platze aus nicht allzu scharf sprechen, weil wir vom Herrn Bundesjustizminister gehört haben, daß gerade heute nachmittag über den Spezialfall Kemritz und die Probleme, die mit ihm zusammenhängen, verhandelt werden soll. Ich möchte nicht dazu beitragen, derartige Verhandlungen von dieser Stelle aus zu stören. Aber das eine muß ich doch sagen: für mich und meine politischen Freunde werden unsere zukünftigen welttragenden politischen Entscheidungen davon abhängig werden, und zwar entscheidend davon abhängig werden, wie speziell ein Fall Kemritz und die Probleme, die um ihn kreisen - Evokationsrecht, Suspendierungsrecht -, gelöst werden. Derartige Dinge sind für uns untragbar; denn wir sind der Meinung: wenn wir schon eine Verteidigungsgemeinschaft in Europa schaffen und darüber hinaus eine atlantische Verteidigungsgemeinschaft errichten wollen, kann es innerhalb dieser Gemeinschaften nicht so sein. daß der eine Partner, nämlich wir, als einziger nur die gleichen Pflichten, aber nicht die gleichen Rechte hat. Für uns ist das Ganze nur tragbar, wenn beide gleich behandelt werden, nämlich 'gleiche Rechte und gleiche Pflichten haben. Das wollte ich hier grundsätzlich ausgeführt haben.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Wie Herr Kollege Ewers unid Herr Kollege Dr. Schneider bin auch ich Rechtsanwalt in Deutschland. Mich hat außerordentlich erschüttert, daß es Herr Kollege Ewers hier für richtig gehalten hat, den Namen Dr. Kempner im gleichen Atemzug mit dem Namen Kemritz zu erwähnen.
({0})
- Nein, das war nicht sehr gut. Herr Kemritz ist für uns ein Mann, der der Mittäterschaft nach § 211 des Strafgesetzbuchs schuldig ist. Herr Dr. Kempner ist heute Rechtsanwalt in Frankfurt am Main. Es braucht sich hier heute keiner mit dem zu identifizieren, was Herr Dr. Kempner während seiner Tätigkeit in Nürnberg getan hat.
({1})
- Nein, das tue ich nicht; im Gegenteil: auch ich
bin nicht mit allem einverstanden, was vielleicht
auf das Konto des Herrn Dr. Kempner während
({2})
seiner Tätigkeit als stellvertretender Hauptankläger kommt. Aber hier den Namen eines deutschen Rechtsanwalts mit dem Namen eines Mörders in einem Zusammenhang zu nennen, das ist für die deutsche Anwaltschaft unerträglich, meine Damen und Herren, nichts anderes!
({3})
Das wollte ich eingangs gesagt haben. Man sollte sich hüten, Herr Kollege Ewers, solche Äußerungen, wie ich sie machen mußte, zu provozieren. Der Provokateur waren Sie in diesem Fall, nicht ich, Herr Ewers!
({4})
Man kann doch nicht einfach aus Artikeln von illustrierten Zeitungen auf einen Tatbestand schließen, der, wenn er wahr wäre, zum mindesten doch in einer ganz andern Art und Weise behandelt werden müßte, als mit einer billigen Phrase vor dem Deutschen Bundestag.
Ich komme jetzt zu den Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz. Ich glaube, das, was der Herr Kollege Dr. Friedensburg hier gesagt hat, war zum großen Teil an die Adresse des Herrn Bundesministers der Justiz gerichtet; nur verstehe ich nicht ganz, wie sich der Herr Kollege Dr. Friedensburg zeitweise so empört darüber äußern konnte, was in der Zwischenzeit nicht geschehen ist. Unseres Erachtens ist es so, daß sich der Herr Bundesminister der Justiz oder die Bundesregierung durch das Verhalten der Hohen Kommission bzw. einzelner Mitglieder derselben über Gebühr hat hinhalten lassen; der Herr Bundesminister der Justiz hat die Behandlung dieser Angelegenheit dadurch verzögert, daß er nach unserer Auffassung nicht genügend vorstellig geworden ist.
Es bestehen auch offenbare Unstimmigkeiten zwischen den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Friedensburg und denen des Herrn Bundesministers der Justiz, die ich gern aufgeklärt wissen möchte. Der Herr Kollege Dr. Friedensburg hat gesagt, daß wir, gleichviel wie die Behandlung seitens der Amerikaner stattfindet, Herrn Kemritz nicht mehr auf deutschem Boden sehen wollen. Der Herr Bundesminister der Justiz hat in der Sitzung des Deutschen Bundestags vom 20. Juni 1951 ausgeführt, daß sich die Bundesregierung darüber werde 'schlüssig machen müssen, ob sie den Antrag auf eine Art von Auslieferung des Herrn Kemritz stellen werde. Das war von unserem Standpunkt aus damals so aufzufassen, daß wir das Recht der Aburteilung von Kemritz vor deutschen Gerichten in Anspruch nehmen. Wir waren deshalb dafür, daß von der Bundesregierung so eine Art Auslieferungsbegehren an die amerikanische Hohe Kommission gestellt wird.
Herr Bundesminister, ich glaube nicht, daß von Ihrer Seite aus alles getan worden ist, was hätte getan werden können, um den Fall schneller zur Erledigung zu bringen. Die Mitteilungen, die Sie von den Amerikanern bekommen haben, bedurften meines Erachtens nicht so langer Prüfung. Meiner Meinung nach war auch nicht zu prüfen, welche Bestimmungen über die Verhängung des automatischen Arrests überhaupt vorhanden sind. Wenn die Amerikaner willens gewesen wären, den Fall Kemritz, wie es 'der Wunsch des Deutschen Bundestages war, so schnell wie möglich im Anschluß an die Debatte im Bundestag zur Erledigung zu bringen, dann 'hätten sie auf Ihre sehr prompte Vorstellung vom 25. Juni anders reagieren müssen. Ich glaube aber, daß Sie nicht genügend gedrängt haben und daß es auf diese Unterlassung zurückzuführen ist, wenn die Amerikaner die Vorstellung gehabt haben, der Fall Kemritz verschwände sanft in der Versenkung und würde niemals mehr hervorgeholt, wie das bei so vielen anderen Fällen im Bundestag auch schon geschehen ist.
Meine Damen und Herren, wie die Kollegen vor mir bereits zum Ausdruck gebracht haben, handelt es sich letztlich nicht allein um den Fall Kemritz, sondern um die Gestaltung unserer deutschen Rechtsverhältnisse, um die Wiederherstellung der Justizhoheit im Bundesgebiet und' um die endgültige Bereinigung des Verhältnisses der deutschen Bundesrepublik zu der Alliierten Hohen Kommission bzw. zu der amerikanischen Hohen Kommission.
Der Herr Kollege Friedensburg hat Beispiele genannt, für deren Anführung wir ihm außerordentlich dankbar sind. Der Tenor seiner Ausführungen wird von mir im wesentlichen geteilt. Nur in einem, Herr Kollege Dr. Friedensburg, habe ich Sie nicht ganz verstanden. Sie sagten, auch in Anspielung auf den Bericht des amerikanischen Hohen Kommissars McCloy, der uns heute morgen durch die Presse zur Kenntnis gebracht worden ist, daß diese Haltung der Alliierten, insbesondere der amerikanischen Hohen Kommission, durch das nationalistische Gebaren gewisser Kreise in Deutschland hervorgerufen wäre. Meinten Sie damit auch einige Bundesminister, Herr Dr. Friedensburg? Ich glaube, der Herr amerikanische Hohe Kommissar hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, daß für die Veranstaltungen auf nationalistischen Rummelplätzen nicht nur untergeordnete Leute verantwortlich sind, die man nicht kennt und die anonym bleiben, und er hat nicht nur. von einem Bundesminister, über dessen Fall wir hier neulich gesprochen haben, sondern merkwürdigerweise gleich von einer Mehrzahl von Bundesministern geredet, die sich draußen in dem gleichen nationalistischen Jargon bewegen. Wenn Sie das gemeint haben sollten, Herr Kollege Dr. Friedensburg, was ich hier eben gesagt habe, dann stimmen wir, glaube ich, in unseren Auffassungen überein. Aber wir wollen diesen Fall nicht zum Anlaß nehmen, uns über Dinge auseinanderzusetzen, in denen wir hoffentlich einer Meinung sind.
Es geht unseres Erachtens nicht an, daß durch das Verhalten de Herrn amerikanischen Hohen Kommissars selbst, der zweifelsohne das Verhalten seiner nachgeordneten Dienststelle im Falle Kernritz gedeckt hat, das Eingreifen seiner Dienststelle in deutsche Straf- und in deutsche Zivilverfahren - ich teile im übrigen auch Ihren juristischen Standpunkt, Herr Kollege Dr. Friedensburg, daß das nicht ohne weiteres zweifelsfrei ist, was hier von seiten der amerikanischen Dienststelle in Berlin geschehen ist - gerade im Hinblick auf 'den zu erwartenden Generalvertrag und die zu erwartenden Annexverträge zu einer Unklarheit über Vorgänge führt, die nicht unklar bleiben können. Wir müssen erwarten, daß uns vor Abschluß des Generalvertrages und der Annexverträge eine ganz klare Stellung der Alliierten Hohen Kommission und der einzelnen Hohen Kommissionen darüber gegeben wird, in welchem Umfang sie sich möglicherweise auch insgeheim einen Eingriff in schwebende deutsche Verfahren vorbehalten, damit wir wissen, welche Haltung wir bei dem Abschluß des Generalvertrages und der einzelnen Annexverträge einzunehmen haben. Ich glaube sagen zu dürfen, meine politischen Freunde und ich sind der Auf({5})
fassung, daß ein Vorbehalt, wie er sich in dem Falle Kemritz ausgewirkt hat, für uns unter keinen Umständen tragbar ist. Von den Verhandlungen der Bundesregierung, insbesondere des Herrn Bundesministers der Justiz im Falle Kemritz, wird es im wesentlichen abhängen, welches Vertrauen wir insoweit zu der Bundesregierung und dem Ergebnis ihrer Verhandlungen, welches Vertrauen wir aber auch zu den uns vorgelegten Verträgen haben können.
({6})
Das Wort hat noch einmal der Abgeordnete Dr. Friedensburg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die Angelegenheit ist zu ernst und unsere Entrüstung und Erregung in diesem Falle ist auch zu ehrlich und einmütig, als daß wir jetzt mühsam nach irgendwelchen Punkten suchen wollten, in denen wir dann vielleicht doch verschiedener Ansicht sein könnten. Ich darf mich auch mit dem Herrn Justizminister völlig eins wissen in dem Verlangen, daß dieser Fall auf ehrenhafte und anständige Weise von den amerikanischen Behörden endgültig bereinigt wird. Wir sind uns völlig einig, ich glaube, vor allem mit unserer Bundesregierung, daß für die Zukunft Sicherungen getroffen werden müssen, damit sich derartige Fälle auf deutschem Boden nicht mehr wiederholen. Wozu sollen wir uns dann über bestimmte Verfahrenseinzelheiten veruneinigen?
Ich habe weiter das Wort ergriffen, um auch dem Herrn Abgeordneten Renner noch etwas zu entgegnen. Er hat gesagt, die Zahl der Agenten, die von der amerikanischen Seite auf deutschem Boden angeworben worden seien, sei ein Zeichen für die Kriegsvorbereitungen. Nun, meine Damen und Herren, wenn es so wäre, dann möchte ich einmal wissen, welche Macht auf deutschem Boden am intensivsten und umfassendsten Kriegsvorbereitungen trifft.
({0})
Ich bin überzeugt, daß die drei anderen Besatzungsmächte zusammen nicht ein Zehntel der Agententätigkeit aufweisen, die die sowjetische Regierung allein aufgeboten hat. Überhaupt muß ich mich sehr wundern, daß jemand von Ihrer Seite es wagt, zu diesem Komplex das Wort zu ergreifen. Hinter all diesen Dingen steht der blutige Schatten der NKWD; darüber wollen wir doch nicht im Zweifel sein. Dahinter steht das blutige System der Konzentrationslager, das von Ihnen moralisch und politisch gedeckt wird. Also ich glaube, Sie schweigen am besten und sind froh, wenn man sich damit nicht beschäftigt.
Ich habe noch ein drittes Anliegen, weshalb ich einige Augenblicke um Ihre Aufmerksamkeit bitte. Im Hintergrunde auch des Falles Kemritz steht eine Macht, die in allen Staaten einen merkwürdigen und unheimlichen Einfluß ausübt; das ist die Macht der Geheimdienste. Es ist vielleicht ganz nützlich, sich einmal in aller Öffentlichkeit mit dieser üblen Macht auseinanderzusetzen. Vielleicht ist es die Schuld einer falschen Publizistik, daß diese Geheimdienste in der Vorstellung vieler Menschen unwillkürlich diese Macht erworben haben. Es gibt ja genug Darstellungen, die so tun, als wenn die Kriege überhaupt vom Geheimdienst entschieden würden, als wenn die Staatsmänner und Generale nur Marionetten an den Fäden der Geheimdienste wären und als wenn die Jungens, die draußen in den Schützengräben ihr Leben lassen, eigentlich nur die Opfer irgendwelcher geheimer Intrigen im Hintergrund wären. Das ist absolut falsch, wie sich gerade jetzt wieder in Korea erwiesen hat, wo sich der Geheimdienst der Amerikaner in einer Weise blamiert hat, wie man es überhaupt nur tun kann. Es ist völlig falsch, zu glauben, dieser große Einfluß gehe von den Geheimdiensten aus. Wir wollen uns endlich von diesen falschen Vorstellungen befreien; denn durch diese falschen Vorstellungen entsteht wiederum bei den Geheimdiensten ein besonderes Machtbewußtsein und sie setzen dann diese Macht unwillkürlich auch gegenüber anständigen und wohlgesinnten Leuten durch. Als solchen Mann kennen wir den Hohen Kommissar McCloy. Also wir haben allen Anlaß - auch darin wollen wir Demokraten sein -, diese finsteren, dunklen und unheimlichen Mächte in unserer Mitte nicht mehr zu dulden. Alle Besatzungsmächte täten uns einen großen Gefallen, wenn sie mit ihren Geheimdiensten endlich Schluß machen wollten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Anträge sind nicht gestellt. Damit ist der Punkt 1 der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des. Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes ({0}) über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({1}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Arndgen. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Arndgen ({2}), Berichterstatter: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundestag hat in seiner 187. Sitzung vom 23. Januar 1952 zum zweiten Mal ein Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung verabschiedet. Der Bundesrat hat in seiner 78. Sitzung beschlossen, zu den §§ 37, 38, 41 und 43 Abs. 2 dieses Gesetzes den Vermittlungsausschuß anzurufen. Der Vermittlungsausschuß hat sich in seiner Sitzung vom 22. Februar 1952 mit den Vorschlägen des Bundesrats zu diesem Gesetz beschäftigt.
Während die §§ 37, 38 und 41 des Gesetzes die Übernahme der Beamten, Angestellten und Arbeiter der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter in die kommende Bundesanstalt regeln, beschäftigt sich der Abs. 2 des § 43 mit den rechtsgeschäftlichen Verfügungen über die Vermögenswerte der Arbeitsverwaltung. Nach den Bestimmungen des Gesetzes, das hier im Hause verabschiedet worden ist, werden die Beamten der Arbeitsämter und Landesarbeitsämter nur bedingt in die Bundesanstalt übernommen. Das heißt, der Vorstand der Bundesanstalt ist berechtigt, innerhalb eines Jahres die Übernahme von Beamten abzulehnen, wenn diesen Beamten die persönliche oder fachliche Eignung für ihr Amt fehlt. Bis zur endgültigen Übernahme der Beamten der seitherigen Arbeitsämter und Landesarbeitsämter in die Bundesanstalt sollen diese nur als in den Dienst dieser Anstalt abgeordnet gelten. Für die Versorgung der eventuell von der Bundesanstalt in den Wartestand versetzten Beamten sollen die Länder zuständig sein, allerdings mit der Maßgabe, daß die Hälfte der Versorgungsgebührnisse von der Bundesanstalt getragen werden soll.
({3})
Gegenüber diesen Bestimmungen des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes sieht der Vorschlag des Bundesrates eine neue Fassung des § 37 vor, wonach alle Beamten der Arbeitsämter und Landesarbeitsämter mit Inkrafttreten dieses Gesetzes Beamte der Bundesanstalt werden. Dabei soll, der Vorstand der Bundesanstalt erstens be- rechtigt sein,, solche Beamte in den Wartestand zu versetzen, die nach ihren fachlichen Leistungen für den Dienst in der Bundesanstalt nicht geeignet sind. Ein solcher Einwand darf allerdings nicht erhoben werden gegenüber Beamten, die vor dem 1. April 1948 in den Dienst eines Arbeitsamtes oder Landesarbeitsamtes getreten sind. Zweitens soll der Vorstand der Bundesanstalt berechtigt sein, Beamte in den Wartestand zu versetzen, die nach dem 31. März 1949 unter Verletzung der beamtenrechtlichen Vorschriften ernannt oder befördert wurden. Drittens soll der Vorstand solche Beamte in den Wartestand versetzen . können, die aus anderen Verwaltungen in ein Arbeitsamt oder Landesarbeitsamt versetzt wurden. Nach dem Vorschlag des Bundesrats sollen die Kostei für die Versorgung der in den Wartestand versetzten Beamten lediglich von der Bundesanstalt getragen werden.
Der Vermittlungsausschuß ist nach längeren Beratungen dem Vorschlag des Bundesrates beigetreten, allerdings mit der Maßgabe, daß die Länder zu den Kosten für die Versorgung der in den Ruhestand oder Wartestand versetzten Beamten die Hälfte beisteuern sollen. Der neue § 37, der durch die Beratungen des Vermittlungsausschusses entstanden ist, ist in seinen Absätzen 1 und 2 vom Vermittlungsausschuß einstimmig beschlossen worden, während der Abs. 3 dieses § 37, der die Beteiligung der Länder an den Versorgungskosten vorsieht, mit 11 gegen 4 Stimmen angenommen worden ist.
Der § 38 des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes sieht vor, daß Anstellungen, Beförderungen und Festsetzungen des Besoldungsdienstalters unberücksichtigt bleiben, soweit sie den für die Bundesbeamten geltenden Bestimmungen widersprechen. Der Bundesrat hat angesichts seiner Formulierungsvorschläge zu § 37 den § 38 für überflüssig gehalten. Auch der Vermittlungsausschuß ist der Meinung gewesen, daß der § 38, nachdem der § 37 die in der Drucksache Nr. 3144 enthaltene neue Formulierung erhalten hat, beseitigt werden kann und hat in Übereinstimmung mit dem Bundesrat einstimmig die Streichung dieses Paragraphen beschlossen.
In § 41 des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes ist im großen und ganzen vorgesehen, daß für die Dauerangestellten bei den seitherigen Arbeits- und Landesarbeitsämtern die Bestimmungen des § 37 sinngemäß angewandt werden sollen. Der Bundesrat hat zu § 41 eine neue Fassung vorgeschlagen, und zwar deswegen, weil er der Auffassung ist, daß Dauerangestellte, die ja mindestens 8 oder 10 Jahre in einer Verwaltung tätig sein müssen, bevor sie nach der Dienstordnung zu Dauerangestellten ernannt werden, durch ihre seitherige jahrelange Dienstzeit bewiesen haben, daß sie für dieses Amt und für diese Tätigkeit geeignet sind. Der Vermittlungsausschuß hat sich dieser Auffassung angeschlossen und dem § 41 in der vom Bundesrat vorgeschlagenen. Fassung zugestimmt. In der Drucksache Nr. 3144 ist daher auch die Formulierung des Bundesrats übernommen worden.
In Abs. 2 des § 43 des vom Bundestag verabschiedeten Gesetzes ist festgelegt, welche rechtsgeschäftlichen Verfügungen über Vermögenswerte wirksam bleiben. Dann ist in diesem Absatz genau festgelegt, welche rechtsgeschäftlichen Verfügungen ausgenommen sind. Die Erlöse, die einem Land im Zusammenhang mit der Ausnahme dieser rechtsgeschäftlichen Verfügungen über Vermögenswerte zugeflossen sind, müssen nach den Bestimmungen dieses § 43 der Bundesanstalt zugeführt werden. Im Vorschlag des Bundesrats zu Abs. 2 des § 43 ist die Einschaltung der Rechnungshöfe, und zwar des Rechnungshofs des Bundes und der Rechnungshöfe der Länder, vorgesehen. Weiter ist vorgesehen, daß bei Überprüfung der Rechtsverfügungen die Feststellungen dieser Rechnungshöfe für beide Teile bindend sind. Der Vermittlungsausschuß hat diesen Vorschlag des Bundesrats als einen echten Kompromißvorschlag angesehen und ihm zugestimmt, allerdings mit der Änderung, daß nicht der Arbeitsminister das Recht bekommt, den Bundesrechnungshof um Überprüfung zu ersuchen, sondern die Bundesanstalt selbst, weil sie eine Bundesbehörde mit eigenem Rechtscharakter ist und nur der Aufsicht des Bundesarbeitsministeriums untersteht.
Endlich hat sich der Vermittlungsausschuß mit diem § 54, dem Inkrafttreten des Gesetzes, zu befassen gehabt. Hier ist es notwendig gewesen, eine Terminänderung vorzunehmen, weil es nach dem verspäteten Inkrafttreten des Gesetzes kaum noch möglich sein wird, die Bundesanstalt bis zum 1. April wirksam werden zu lassen. Der Vermittlungsausschuß schlägt Ihnen daher vor, in den Absätzen 1 und 2 des § 54 das Datum „1. April 1952" durch das Datum „1. Mai 1952" zu ersetzen.
Weiter hat der Vermittlungsausschuß beschlossen, daß im Bundestag über diesen Vermittlungsvorschlag im ganzen abgestimmt werden soll.
Ich habe die Ehre, Sie zu bitten, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wird gewünscht, daß Erklärungen abgegeben werden? - Das ist nicht der Fall.
Ich komme entsprechend dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. 3144 im ganzen, also über die Ziffern 1 bis 5. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist ohne Frage die Mehrheit; der Antrag des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf den Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ({0}) ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({2}) ({3}).
({4}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Gülich. Für die allgemeine Besprechung der dritten Beratung schlägt der Ältestenrat Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Bitte schön, Herr Abgeordneter!
Dr. Gülich ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Solange wir eine einheitliche Reichsfinanzverwaltung hatten und solange die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer Reichssteuern waren, gab es Probleme wie die, deren Lösung in diesem Gesetz versucht wird, nicht. Vielmehr entstanden die Probleme dieses Gesetzes durch die Schaffung der deutschen Länder und den Föderalismus, wie er im Grundgesetz niedergelegt ist. Nach Art. 106 Abs. 2 des Grundgesetzes sind die Einkommensteuer und die Körperschaftsteuer Ländersteuern, und die Länder haben die Steuerhoheit; es ist aber unterlassen worden, auch den Steuergläubiger für die einzelnen Steuerpflichtigen zu bestimmen. Diese Lücke in der Steuerberechtigung soll das vorliegende Gesetz schließen.
Um ganz anschaulich zu sprechen: zum Amtsbezirk der Bundesbahndirektion Hamburg gehören außer Hamburg das gesamte Land Schleswig-Holstein und große Teile von Niedersachsen. Jeder wird Verständnis dafür haben, daß aus Gründen der Rationalisierung eine gemeinsame Lohnbuchführung bei der Zentrale in Hamburg erfolgt; niemand wird aber Verständnis dafür haben, daß die gesamte Lohnsteuer für die Beamten, Angestellten und Arbeiter der Bundesbahn, die in Schleswig-Holstein oder in Niedersachsen beschäftigt werden, an das Land Hamburg abgeführt wird. Dasselbe gilt für die Bundespost, deren Direktionsbezirk Hamburg auch einen großen Teil von Schleswig-Holstein und von Niedersachsen umfaßt. Ebenso haben wir zahlreiche Unternehmungen, deren Betriebsstätten in Schleswig-Holstein oder in Niedersachsen liegen und deren Firmensitz in Hamburg oder in Bremen oder in Nordrhein-Westfalen ist. In allen diesen Fällen werden also die Einkommen- und die Körperschaftsteuer nach dem bisherigen Recht an das Land abgeführt, in welchem die Firma ihren Sitz hat, gleichgültig, wo ihre Betriebsstätte liegt. Dazu kommt, daß etwa 39 000 Arbeiter von Schleswig-Holstein nach Hamburg einpendeln, aber nur 3 800 von Hamburg nach Schleswig-Holstein, sowie daß etwa 10 000 Arbeiter von Niedersachsen nach Hamburg einpendeln, aber nur 800 von Hamburg nach Niedersachsen. An diesen konkreten Beispielen erkennen Sie das gesamte Problem.
Absurd wird die Geschichte aber nun durch folgendes: Schleswig-Holstein muß durch die Wohnsitz-Finanzämter der Lohnsteuerpflichtigen im Lohnsteuerjahresausgleich die zuviel bezahlte Lohnsteuer, die es also selbst gar nicht empfangen hat, an die Lohnsteuerpflichtigen abführen, hat also beispielsweise im Jahre 1950 808 000 Mark im Lohnsteuerjahresausgleich an Lohnsteuerpflichtige ausgezahlt, obgleich nicht Schleswig-Holstein die Lohnsteuer dafür erhalten hat, sondern Hamburg. Diese wenigen Beispiele dürften genügen, um Ihnen die Problematik des Gesetzes aufzuzeigen. Ich habe diese Beispiele auch deshalb angeführt, weil in der ersten Beratung in der 189. Sitzung vom 17. Oktober 1951 keine Aussprache stattgefunden hat und die Öffentlichkeit wie der Bundestag keine Gelegenheit gehabt haben, sich mit dieser Materie zu beschäftigen.
Es handelt sich um folgende Hauptprobleme: erstens um die Zerlegung der Einkommen- und Körperschaftsteuer zwischen dem Land des Wohnsitzes und dem Land der Betriebsstätte des Steuerpflichtigen, zweitens um die Zerlegung der Lohnsteuer, wenn Betriebsstätte und Wohnsitz des
Arbeitnehmers in verschiedenen Ländern liegen, und drittens um die Zerlegung der Steuern, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz von einem Land in das andere verlegt hat. Bisher steht der einzelne Steueranspruch dem Land zu, an dessen Finanzamt die Steuer nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung über die örtliche Zuständigkeit zur Besteuerung zu entrichten ist. Das sind die Grundtatsachen.
Es handelt sich, wie ich jetzt ausdrücklich sagen möchte, nicht um Angelegenheiten, welche die Bundesfinanzen berühren, sondern es handelt sich ausschließlich um Angelegenheiten, die das Verhältnis zwischen den Ländern angehen und hier insbesondere zwischen den Ländern Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, wozu dann noch Nordrhein-Westfalen und Hessen kommen. Die empfangsberechtigten Länder sind somit im wesentlichen die finanzschwächsten Länder des Bundes: Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Die Gesetzesvorlage ist von sehr wesentlicher Bedeutung für den horizontalen Finanzausgleich. Durch die Zerlegung des Steueraufkommens, wie sie im Entwurf vorgesehen ist, wird das bisher verfälschte Bild der Steuerkraft eines Landes korrigiert. Der bisherige Finanzausgleich beruhte ja auf einer künstlich überhöhten Spannung zwischen der Steuerkraft der einzelnen Länder. Nach Durchführung dieses Gesetzes beginnt der horizontale Finanzausgleich das zu sein, was er seiner ursprünglichen Bestimmung nach sein müßte, nämlich ein Spitzenausgleich.
Die Gesamtsumme, die bei dieser Zerlegung in Frage kommt, wird auf 150 Millionen geschätzt. Sollte der uns kürzlich zugegangene Gesetzentwurf, der eine Abgabe von 40 % der Einkommen- und Körperschaftsteuer an den Bund vorsieht, angenommen werden, dann würden 60 %, d. h. 90 Millionen Mark, als tatsächliche Summe verbleiben, die zwischen den beteiligten Ländern bewegt wird. Diese Summe rechtfertigt immerhin den Aufwand, der mit diesem Gesetz gemacht wird.
Ich darf Sie jetzt kurz mit den Hauptpunkten befassen, die der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bei der Behandlung dieses Gesetzes beachtet hat. Wir hatten den Einbau in den Finanzausgleich erwogen, haben diesen Einbau aber nach eingehenden Untersuchungen verworfen, weil die Steuerzerlegung kein begrifflicher Bestandteil des Finanzausgleichs sein kann. Aus systematischen wie aus praktischen Gründen muß die Zerlegung dem Finanzausgleich vorangehen. Abgesehen davon wären die ohnehin sehr komplizierten Finanzausgleichsverfahren durch den Einbau der Zerlegung noch komplizierter und noch unübersichtlicher geworden.
Dann haben wir uns mit den Zerlegungsmaßstäben beschäftigt und in § 3 Abs. 2 bestimmt, daß für die Zerlegung die Maßstäbe des Gewerbesteuerrechts gelten sollen. Was das Zerlegungsverfahren anbetrifft, so sieht der § 5 des Gesetzes vor, daß die Vorschriften der Reichsabgabenordnung in den §§ 382 bis 389 mit den wenigen Änderungen, die sich aus den Absätzen 2 und 3 der Ihnen vorliegenden Vorlage ergeben, angewendet werden.
Einen besonders breiten Raum nahm in den Ausschußberatungen die Frage ein, wie hoch der Aufwand an Verwaltungsarbeit sein würde und ob die zweifellos entstehende zusätzliche Verwaltungsarbeit ein solches Gesetz rechtfertigen würde. Wir sind nach eingehender Beratung zu dem Ergebnis
({6})
gekommen, daß der Verwaltungsaufwand gar nicht so groß ist, wie er von den Ländern vorgetragen wird, die daran interessiert sind, daß dieser Entwurf nicht Gesetz wird, denn zum großen Teil entfällt die Summe auf die Körperschaftsteuer und damit auf relativ wenige Fälle. Außerdem ist durch die Festlegung einer Grenze von 30 000 Mark die Zahl der Fälle bei der Einkommensteuerveranlagung ganz erheblich herabgesetzt worden. Es werden durchweg weniger als 1 % der Veranlagungsfälle sein, in denen überhaupt eine Steuerzerlegung in Frage kommt. Hinzukommt, daß es sich bei der Zerlegung der Körperschaftsteuer um die analoge Anwendung des Verfahrens bei der Zerlegung der Gewerbesteuer handelt, für die eine gewisse, zusätzliche Arbeit j a ohnehin seit Jahren geleistet und auch nicht beanstandet wird. Es sind bisher keine Zweifel an der Berechtigung des Verfahrens bei der Gewerbesteuerzerlegung aufgetreten; mithin konnten wir uns um so leichter damit abfinden, die Zerlegung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer durchzuführen. Die Steuerpflichtigen selbst werden von der Zerlegung nicht berührt, sondern sie wird ausschließlich in den Finanzämtern vorgenommen.
Sehr wichtig sind nun noch die §§ 6 und 7. Der Zerlegung der Lohnsteuer wird ein von der Bundesregierung auf . 300 Mark monatlich geschätzter Arbeitslohn zugrunde gelegt. Die durchschnittliche Lohnsteuer beträgt pro Arbeitnehmer jährlich 186 Mark, was etwa der Steuerklasse II des Einkommensteuergesetzes entspricht.
Sehr eingehend haben wir nun die Frage geprüft, welche Steuersätze wir bei der Zerlegung zugrunde legen wollen. Gerecht wäre ein Steuersatz gewesen, der etwa 10 % unter der Steuerklasse II nach III hin gelegen hätte. Um aber die Annahme dieses Gesetzes zu sichern, haben wir uns im Finanzausschuß entschlossen, dem Hause vorzuschlagen, das Mittel zwischen Steuerklasse II und Steuerklasse III/1 zugrunde zu legen.
Das Gesetz sollte ursprünglich bereits für das Kalenderjahr 1951 gelten - von den beteiligten Ländern wird ja schon seit zwei Jahren an diesem Gesetz gearbeitet -, nachdem es aber nun so lange gedauert hatte, bis wir das Gesetz endlich dem Hause zur Beschlußfassung vorlegen konnten, erschien es uns nicht mehr angebracht, das Jahr 1951 zu nehmen, sondern wir schlagen jetzt in § 12 vor, das Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1952 in Kraft zu setzen und erstmalig auf die Steuer für das Kalenderjahr 1952 anzuwenden.
Noch ein letzter Punkt bedarf vielleicht des Hinweises. Die Darlegungen, die der geschätzte Kollege Leonhard über die Ermächtigungen vor einigen Monaten gemacht hat, haben einen solchen Eindruck auf uns gemacht, daß wir uns seitdem jedesmal überlegt haben, ob die Ermächtigungsparagraphen aufrechtzuerhalten seien. Nach eingehender Beratung sind wir zu dem Entschluß gekommen, den § 11 „Durchführungsbestimmungen" über die Ermächtigungen ganz zu streichen.
({7})
Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz versucht nur in recht grober Weise, die Steuer zu zerlegen und damit dem Prinzip der Steuergerechtigkeit zu dienen. Hätten wir das Verfahren verfeinert, dann wäre die Verwaltungsarbeit zu groß geworden. Deswegen haben wir uns mit diesem Gesetz, das einen Beitrag zur Änderung und Verbesserung unserer Finanzverfassung bedeutet, begnügt. Namens des Ausschusses für Finanz- und
Steuerfragen, der diesen Beschluß einstimmig gefaßt hat, habe ich Ihnen zu empfehlen, den Entwurf in der Fassung des Ausschusses nach Drucksache Nr. 3091 anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, ich rufe die einzelnen Paragraphen auf und bitte gegebenenfalls um Wortmeldungen zur Einzelbesprechung in der zweiten Beratung. §§ 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, -7, - 7 a, - 8, - 12, - Einleitung und Überschrift. Ich schließe die Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung und eröffne die
dritte Beratung.
Wünscht zur allgemeinen Aussprache jemand das Wort? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die allgemeine Aussprache. Eine Einzelbesprechung findet nicht statt, da Änderungsanträge nicht gestellt worden sind.
Ich komme damit zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Steuerberechtigung und die Zerlegung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer - Zerlegungsgesetz -. Ich bitte die Damen und Herren - entsprechend der Geschäftsordnung -, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Ich stelle fest, daß sich die Damen und Herren aus Berlin offenbar jetzt auch ein Stimmrecht zugelegt haben.
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Ich bitte die Damen und Herren, die dagegen sind, sich von ihren Plätzen zu erheben. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist in der Schlußabstimmung gegen eine Stimme ohne Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf darauf hinweisen, daß die an sich vorgesehene Konstituierung des Kommunalpolitischen Ausschusses um 16 Uhr noch nicht stattfinden kann.
Falls wir in diesem Tempo weiterarbeiten, besteht die Hoffnung, daß wir die Tagesordnung heute doch noch insgesamt erledigen. Ich bitte Sie um Ihre freundliche Hilfe dabei.
Ich rufe zunächst auf Punkt 4 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({2}) ({3}).
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Ich schlage Ihnen für die allgemeine Besprechung der dritten Beratung eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Neuburger. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Neuburger ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als die Bundesregierung diesem Hohen Hause die Drucksache Nr. 2908, also den Gesetzentwurf über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten,
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vorlegte, konnte sie bereits darauf hinweisen, daß der Bundesrat dieser Gesetzesvorlage einstimmig seine Zustimmung gegeben hat. Die Bundesregierung konnte weiter darauf hinweisen, daß auch die Alliierten ihre Zustimmung zur Behandlung dieser Materie gegeben haben. Der Geld- und Kreditausschuß sowie der Finanz- und Steuerausschuß haben sich in mehreren Sitzungen mit der Vorlage beschäftigt. Auch wir haben sehr wenige Abänderungen vorgenommen und sind mit Ausnahme einer Bestimmung innerhalb des Ausschusses zur einstimmigen Annahme der Drucksache Nr. 3109 gekommen, wie sie Ihnen jetzt vorliegt.
Der Gesetzentwurf war notwendig, weil die derzeitige Situation auf dem Gebiet des Bankgewerbes nicht mehr haltbar war. Die Tätigkeit der früheren drei Großbanken - Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank - war in ihrem früheren Umfang durch Bestimmungen und Gesetze der Militärregierung aus dem Jahre 1947 in der Weise beschränkt worden, daß die einzelnen Banken ihre Geschäfte nur noch auf Länderbasis tätigen konnten. Wir hatten dadurch de facto eine Entflechtung; de jure bildeten aber diese drei Großbanken nach wie vor noch eine Einheit. Es hat sich ergeben, daß diese zufälligen Gebilde in keiner Weise geeignet sind, den Kreditbedarf und die Kreditnotwendigkeit unserer Wirtschaft ausreichend zu befriedigen.
Bei der Schaffung des neuen Gesetzes ist man von zwei Grundsätzen ausgegangen, einmal von dem Grundsatz der Herstellung von funktionsfähigen Kreditinstituten und zum zweiten von dem Grundsatz der Vermeidung übermäßiger Machtkonzentration in einer Hand. Der Gesetzentwurf ist nach Auffassung des Ausschusses diesen beiden Grundforderungen gerecht geworden. So ergeben sich im einzelnen folgende Bestimmungen.
§ 1 bestimmt, daß Kreditinstitute, soweit sie in der Rechtsform der Aktiengesellschaft oder der Kommanditgesellschaft auf Aktien betrieben werden und soweit sie sich auf das Depositengeschäft und das kurzfristige Kreditgeschäft als Hauptgeschäftszweig beschränken, Niederlassungen nur innerhalb bestimmter Bezirke haben können. Und zwar ist das Bundesgebiet aufgeteilt in drei Bezirke, den sogenannten Nordbezirk, bestehend aus den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen und Bremen, den zweiten Bezirk, bestehend aus dem Lande Nordrhein-Westfalen, und den sogenannten Südbezirk, der aus den übrigen sechs Bundesländern besteht. In § 1 Abs. 3 ist dann vorgesehen, daß in gewissen Fällen eine Ausnahme gemacht werden kann. Die Ausnahme kann aber nur örtlich begrenzt sein, und es müssen wichtige wirtschaftliche Gründe vorliegen. Schließlich kann die Ausnahme noch für Kreditinstitute mit besonderen Aufgaben gemacht werden. Zuständig für die Bewilligung solcher Ausnahmegenehmigungen ist entgegen dem Vorschlag der Bundesregierung der Bundeswirtschaftsminister nach Anhörung des Bundesfinanzministers. In bezug auf ausländische Kreditinstitute gilt diese Bezirkseinteilung unabhängig von der Rechtsform der Kreditinstitute; also auch Kreditinstitute, die als Einzelunternehmen oder als Personalgesellschaften betrieben werden, unterliegen dieser Bezirkssperre.
§ 2 bestimmt dann, daß sich die Kreditinstitute spätestens innerhalb von eineinhalb Jahren so neu zu bilden oder so einzuschränken haben, daß sie diesen Erfordernissen des § 1 entsprechen.
§ 3 gibt die Möglichkeit, daß sich bestehende Kreditinstitute diesen Erfordernissen in Form der
Ausgründung anpassen. Aber es sind nicht nur die Vermögenswerte zu übertragen, sondern das betreffende ausgründende Kreditinstitut hat auch die Gesellschaftsanteile einer solchen Tochterfirma zu veräußern, und' zwar innerhalb derselben Frist.
§ 4 enthält Sonderbestimmungen für die sogenannten Nachfolgeinstitute, also für die Nachfolgeinstitute der drei Großbanken. Nach Abs. 1 müssen die Aktien Namensaktien sein, wenn die Großbanken in Form von Aktiengesellschaften ausgründen. § 4 enthält weiter Bestimmungen darüber, daß die Grundsätze, die in § 1 niedergelegt sind, auch tatsächlich eingehalten werden. Das findet darin seinen Ausdruck, daß Nachfolgeinstitute eine Beteiligung an einem anderen Nachfolgeinstitut nicht erwerben dürfen. Der Vorstand eines Nachfolgeinstituts darf nicht zugleich Vorstand oder Aufsichtsratsmitglied eines anderen Nachfolgeinstituts sein. Für die Aufsichtsratsmitglieder gilt das gleiche. Schließlich ist noch bestimmt, daß ein Aktionär, der mehr als 5 % des Grundkapitals eines Nachfolgeinstituts besitzt, nur bis zu 5 % an einem andern Nachfolgeinstitut beteiligt sein kann.
§ 5 enthält rechtliche Vorschriften. Er bestimmt zunächst die Gesamtrechtsnachfolge und den Eintritt der Rechtswirksamkeit der Vermögensübertragung mit der Eintragung in das Handelsregister. Er bestimmt ferner, daß die Verbindlichkeiten vom Hauptinstitut auf das Nachfolgeinstitut mit befreiender Wirkung übergehen und daß für solche Verbindlichkeiten, die nicht übergehen, eine Gesamthaftung entsteht. Unberührt von diesem Übergang der Verbindlichkeiten bleiben die für die Verbindlichkeiten bestehenden Sicherheiten wie Bürgschaft, Pfandrecht, Hypotheken. Selbstverständlich können diesen Verbindlichkeiten gegenüber auch vom übernehmenden Institut die gleichen Einwendungen geltend gemacht werden.
Die §§ 6 und 7 betreffen Vorschriften, die dem Schutz der Gläubiger dienen. Es handelt sich bei der Ausgründung im wesentlichen um eine Sachgründung. Daher gelten zugunsten der Gläubiger die gesamten aktienrechtlichen Vorschriften. Für diejenigen Gläubiger, die ihre Forderungen nicht sofort nach der Ausgründung geltend machen können, für die sogenannten Stillhaltegläubiger, ist die Sondervorschrift eingebaut worden, daß sie innerhalb eines Jahres das Wahlrecht haben, bei welchen der Nachfolgeinstitute sie ihre Forderung geltend machen können bzw. geltend machen wollen.
Die §§ 8 und 9 behandeln dann den Übergang der Gesellschaftsrechte. Die neuen Aktien der Nachfolgeinstitute werden zunächst der Bank deutscher Länder in Treuhand übergeben, ohne daß allerdings die Bank deutscher Länder das Stimmrecht ausüben kann. Sofort nach Abschluß des Wertpapierbereinigungsverfahrens sind dann die Aktien gemäß den Bestimmungen des § 9 zu verteilen, und zwar in der Form, daß jeder Aktionär einer bisherigen Großbank für je eine Aktie je eine Aktie der betreffenden drei Nachfolgebanken erhält. Bis zur Beendigung des Wertpapierbereinigungsverfahrens gelten in bezug auf die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte die gesetzlichen Bestimmungen über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten, die wir vor einigen Wochen verabschiedet haben.
§ 10 bestimmt, daß mit der Ausgründung die bisherigen drei Großbanken ihre Tätigkeit einzustellen, den Geschäftsbetrieb also aufzugeben haben,
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§ 11 enthält steuerliche Bestimmungen. Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei diesem Gesetz
um die Regelung eines Entflechtungsvorgangs, also
um eine Gesetzesvorlage, die die Entflechtung gewisser Machtkonzentrationen zum Gegenstand hat.
Bei den anderen in Vorbereitung befindlichen Gesetzen auf diesem Gebiet wurde bereits verfügt,
daß der Entflechtungsvorgang als solcher steuerliche Wirkungen nicht auslösen soll. In Abs. 1 des
§ 11 ist daher bestimmt, daß aus Anlaß dieser
Ausgründung und Neugründung Umsatzsteuer und
Kapitalverkehrssteuer nicht anfallen sollen. Abs. 2
trifft gewisse steuerliche Vergünstigungen auf dem
Gebiete der Ertragsteuern. Abs. 2 enthält eine
Kannvorschrift und soll verhindern, daß die neu
zu gründenden Nachfolgeinstitute mit einem zu
geringen Kapital ausgestattet werden. Er bringt
zunächst die Befreiung von den Vorschriften der
§§ 14 und 15 des Körperschaftsteuergesetzes, so daß
die Übernahme zu den Buchwerten erfolgen kann.
Um aber eine höhere Kapitalausstattung zu ermöglichen, ist noch folgende Bestimmung getroffen: Werden Beteiligungen und Wertpapiere, die am 9. Mai 1945 Anlagevermögen waren, höher bewertet, so wird der dadurch entstehende Gewinn bei der Ermittlung des Einkommens für Zwecke der Körperschaftsteuer und des Notopfers Berlin und bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für Zwecke der Gewerbesteuer , nur mit 30 vom Hundert angesetzt. Im übrigen wird der durch die Bewertung in der Ausgründungsbilanz entstehende Gewinn ebenso wie der sich bis zum Stichtag der Ausgründungsbilanz ergebende Gewinn ({8}) nach den allgemeinen Vorschriften in vollem Umfang zu den Steuern vom Einkommen und Gewerbeertrag herangezogen.
Diese Bestimmungen fanden im Ausschuß nicht
einhellige Zustimmung, erscheinen aber der Mehrheit des Ausschusses als notwendig und gerechtfertigt.
§ 12 enthält Bestimmungen über Gebührenermäßigungen. Auch das sind keine unbekannten Bestimmungen, wenn durch Gesetz gewisse Umwandlungen vorgeschrieben werden.
§ 13 sieht schließlich Strafbestimmungen vor und setzt Geldbußen zwischen 3 DM und 300 000 DM fest, wenn die Bestimmungen über die Entflechtung, wie sie in § 1 und insbesondere in § 4 festgelegt sind, nicht eingehalten werden.
§ 14 spricht von der gesamtschuldnerischen Haftung für alle diejenigen, die an einem solchen Verstoß beteiligt sind.
§ 15 bestimmt schließlich, daß dieser Gesetzentwurf mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft treten soll.
Wie bereits eingangs erwähnt, hat der Ausschuß nur verhältnismäßig geringe Änderungen vorgenommen. Er hat mit Ausnahme des § 11 alle übrigen Bestimmungen einheitlich angenommen. Demgemäß kann ich als Berichterstatter hiermit den Antrag des Ausschusses bekanntgeben, der dem Hohen Hause empfiehlt, den vorliegenden Gesetzentwurf anzunehmen.
({9})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich bitte aber auch den Ausschuß für Geld und Kredit, die Bestimmung des § 74 der Geschäftsordnung über die schriftliche Berichterstattung freundlichst in Erwägung ziehen zu wollen.
Meine Damen und Herren, zur Einzelbesprechung in der zweiten Beratung rufe ich auf die § § 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, - 9, - 10. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diese Paragraphen annehmen wollen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Paragraphen sind angenommen.
Zu § 11 liegen Änderungsanträge der Fraktion der SPD vor. Zur Begründung hat das Wort der Herr Abgeordnete Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion bedauert, dem § 11 des vorliegenden Gesetzes in seiner jetzigen Fassung nicht zustimmen zu können. Sie kann ihm deshalb nicht zustimmen, weil er in Abs. 2 Satz 2 eine nicht vertretbare steuerliche Vergünstigung für die Banken enthält. Es heißt in diesem Satz 2, daß
Beteiligungen und Wertpapiere des Anlagevermögens höher bewertet werden dürfen; es heißt in diesem Satz 2 weiterhin, daß
der Gewinn, der sich aus der Höherbewertung ergibt, nicht voll, sondern nur zu 30 % zu versteuern ist.
Die restlichen 70 % sollen steuerfrei bleiben.
Was bedeutet diese Bestimmung? Bei den Großbanken sind aus der Vorkriegszeit recht erhebliche Wertpapierbestände vorhanden. Die Effekten stehen mit sehr niedrigen Kursen zu Buch. In den Bilanzen sind die Wertpapiere mit etwa 35 bis 36 Millionen DM bewertet. In den letzten beiden Jahren hatten wir an allen Börsen sehr erhebliche Kurssteigerungen. Durch das Ansteigen der Kurse hat sich in der eben genannten Bilanzposition eine 1 ganz erhebliche stille Reserve gebildet, die man auf etwa 110 Millionen DM beziffern kann. Die Reserven sollen nun aufgelöst werden. Bei einer Auflösung stiller Reserven entstehen Gewinne. Gewinne müssen versteuert werden. Der Steuersatz beläuft sich nach geltendem Recht summa summarum auf etwa 70 %. Diese 70 % wollen die Banken nicht zahlen. Sie haben Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium geführt und sich dahin geeinigt, daß nur ein Teil der Gewinne versteuert werden soll, sodaß sich der Steuersatz von 70 % auf 21 % ermäßigt.
Zur Begründung ihrer Wünsche sind eine Reihe von Argumenten vorgebracht worden, so z. B. daß man die aufzulösenden Reserven für eine Erhöhung des Eigenkapitals brauche, daß diese Aufstockung des Eigenkapitals notwendig sei, weil ein Mißverhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital bestehe, und daß es besonders mit Rücksicht auf die Auslandsverbindlichkeiten von Nutzen sein könnte, wenn die Kapitalverhältnisse. bereinigt würden.
Nun, meine Damen und Herren, auch wir Sozialdemokraten sind daran interessiert, daß die deutschen Kreditbanken leistungsfähiger werden und daß den ausländischen Geschäftspartnern ausreichende Sicherheiten für die Durchführung von bankmäßigen Umsätzen geboten werden. Deswegen haben wir im Ausschuß sehr lange darüber debattiert, ob z. B. das in § 1 des vorliegenden Gesetzes verankerte Dreierprinzip dem Grundsatz der optimalen Betriebsgröße entspricht. Wir haben Bedenken geäußert, daß der § 1 in der jetzigen Fassung auf eine lange Zeit zementiert werden soll. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir auch
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die Leistungsfähigkeit der deutschen Banken absolut bejahen, so sind wir doch der Meinung, daß eine ausgewiesene Aufstockung des Eigenkapitals, so notwendig sie auch sein mag, auf keinen Fall durch die bequeme und beliebt gewordene Methode einer Gewährung von Steuervergünstigungen erfolgen darf, besonders dann nicht, wenn ganz erhebliche Beträge zur Debatte stehen.
Wenn § 11 in der jetzigen Fassung angenommen werden sollte, ergeben sich ungefähr folgende Zahlen. Die aufzulösenden stillen Reserven belaufen sich auf 110 Millionen DM. Die darauf abzuführenden Steuern würden sich auf 77 Millionen DM errechnen. Die Banken bieten hiervon 30 %; das sind rund 23 Millionen DM. Es verbleibt ein Rest von 54 Millionen DM, der als Steuervergünstigung den Banken zugute kommen würde. Das ist ein Betrag, der, abgesehen von allen anderen Bedenken, für uns völlig indiskutabel ist.
Nun haben die Banken, um ihre Wünsche durchzusetzen, einen leichten Druck ausgeübt. Sie haben erklärt, daß, wenn der Fiskus mit den 23 Millionen DM nicht zufrieden sein sollte, sie dann eben ihre stillen Reserven nicht auflösen würden und der Fiskus überhaupt kein Geld bekommen würde. Ich bin der Meinung, daß eine solche Argumentation weder überzeugend nach beweiskräftig ist; denn entweder ist die Aufstockung des Eigenkapitals ein zwingendes Gebot, dann wird sie erfolgen, selbst wenn man darauf die ordnungsgemäßen Steuern zu zahlen hat. Wenn 'aber - und das scheint mir naheliegender zu sein - die Aufstockung aus dem Wertpapierbesitz nicht so zwingend notwendig ist, dann kann vielleicht die mit § 11 geplante Aktion ein sehr gutes Geschäft für die Banken werden.
Diese letzteren Überlegungen haben sich bei meinen Freunden immer mehr vertieft; denn wir können es uns nicht erklären, daß die Banken nur aus 'dem Wunsch heraus, ihre stillen Reserven sichtbar zu machen, dem Herrn Bundesfinanzminister einen Barscheck über 23 Millionen anbieten.
Aber wir haben noch einige andere Bedenken. Wenn man schon über Kapitalverhältnisse spricht, dann kann man aus dem Vermögen der Bankbilanzen nicht nur einen Posten herausnehmen und diesen zur Diskussion stellen, sondern man muß doch in der Lage sein, das gesamte Ertragsbild zu beurteilen. Wir haben uns im Ausschuß für Geld und Kredit bemüht, diese Frage zu diskutieren, leider mit einem ziemlich negativen Erfolg. Wir haben kein Bild von der wirklichen Ertragslage bekommen. Wir wissen nur, daß die Banken seit langen Jahren die Praxis üben, sehr vorsichtig zu bilanzieren, und daß in verschiedenen Positionen des Bankvermögens erhebliche stille Reserven stecken können. Wie hoch sich diese stillen Reserven bemessen, hat man uns nicht gesagt. Wir haben außerdem - trotz unserer Fragen an die Vertreter 'der Großbanken - keine Auskunft darüber bekommen, ob das laufende Kreditgeschäft rentabel ist, ob und welche Gewinne es abwirft.
Das, meine Damen und Herren, sind nur einige Beispiele; sie sind aber für die gesamte Situation charakteristisch, und solange diese Fragen nicht restlos geklärt sind, können wir einer Regelung nicht zustimmen, die 'den Banken eine Steuervergünstigung von 54 Millionen bringt.
Es kommt aber noch ein weiteres Argument hinzu. Steuervergünstigungen, wie sie hier verlangt werden, vermindern - auf lange Sicht gesehen - das Aufkommen aus den Ertragsteuern.
Die Lücken, die hier entstehen, müssen durch Verbrauchsteuern, also durch eine Belastung des Konsumenten, ausgeglichen werden. Eine solche Entwicklung können wir nicht billigen. Wir lehnen sie ab.
So ergeben sich für uns zwei Tatbestände: einmal, daß die Fragen der Rentabilität, die Bilanz und die Kapitalmarktlage in der Bankwirtschaft nicht geklärt sind, und 'zweitens das Problem einer möglichen Verzichtleistung auf Ertragsteuern, die durch Verbrauchsteuern ausgeglichen werden müssen. Beide Tatbestände veranlassen uns, Sie 'zu bitten, unserm Antrag auf Umdruck Nr. 463, der die Streichung von Abs. 2 Satz 2 und eine sinngemäße Änderung des Satzes 3 bezweckt, zuzustimmen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Wir waren etwas erstaunt, heute den Umdruck Nr. 463 der Fraktion der SPD zu § 11 auf dem Tisch zu finden, nachdem der Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen dem § 11 des Gesetzes einstimmig zugestimmt hatte.
({0}) An dieser Einstimmigkeit waren ja auch die Vertreter der SPD-Fraktion beteiligt. Wir waren aber insofern noch etwas mehr erstaunt, als die Diskussion im Ausschuß doch wohl ganz klar herausgestellt hat: Das Problem, das wir jetzt durch ein Provisorium lösen wollen, beschäftigt uns hier nicht irgendwie zum Spaß, sondern es geht zurück auf einen der unverständlichen Akte der Siegermächte aus den Jahren 1945 und 1946. Damals hat man unser organisch gewachsenes Kreditsystem zerschlagen und insbesondere die ehemaligen Filialgroßbanken in dem westlichen Teil Deutschlands gezwungen, sich jeweils in elf Länderinstitute ohne jeden Rechtscharakter aufzulösen, so daß wir an Stelle von drei großen Apparaten, die kreditmäßig leistungsfähig waren, und zwar sowohl im Inland im Ausgleich der Kreditgesuche und des Einlagenbestandes als auch gegenüber dem Ausland, nunmehr deren 33 hatten.
Wenn wir jetzt bemüht sind, diese inzwischen auch von den Alliierten als kurzsichtig erkannte Maßnahme soweit wie möglich wieder gutzumachen, dann sollte es doch eines der vornehmsten Anliegen sein, daß wir nicht versuchen, aus einem Unglück, das nicht nur einzelne Wirtschaftszweige, sondern unsere gesamte Volkswirtschaft betroffen hat, auch noch zusätzliche steuerliche Tatbestände herauszukonstruieren. Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß wir bei der Neuordnung der Tatbestände des Gesetzes Nr. 27 - Eisen, Stahl und Kohle - auf Grund dieser Erkenntnis so weit gegangen sind, daß selbstverständlich die Umgründungsvorgänge zu keinen Steuermaßnahmen führen. Nur hier sind wir von dieser an sich selbstverständlichen Haltung gegenüber einem Akt der Siegermächte, der jetzt teilweise korrigiert werden soll, abgegangen.
Nachdem der Kollege Bleiß gesagt hat, den Banken solle unter Umständen ein „Steuerbetrag" von 54 Millionen D-Mark verbleiben - ein „Steuerbetrag" wohlgemerkt, der als Steueranlaß überhaupt nur auf Grund der Korrektur einer besatzungsrechtlichen Maßnahme entsteht -, muß
({1})
man doch einmal die Größenordnungen vergleichen. Wir haben bei den Filialbanken hier im Westen zur Zeit ein Einlagenvolumen von etwas über 6 Milliarden DM. Wenn Sie diesen 6 Milliarden DM den Betrag von 54 Millionen DM gegenüberstellen, dann ist das noch nicht einmal 1 %. Wenn man sich einmal überlegt, daß es sich bei den Einlagen der Filialgroßbanken um Gelder aller Bevölkerungskreise, der breitesten Schichten sowohl wie der Wirtschaft handelt und daß die Einlagen der Wirtschaft dazu dienen, unsere Unternehmen in Gang zu halten und die Arbeitsplätze der Bevölkerung zu erhalten; dann fragt man sich: ist denn dann die Wiedererrichtung oder die Beibehaltung - um letzteres dreht es sich ja doch in der praktischen Auswirkung nur - eines Delkrederefonds von 1 % von 6 Milliarden etwas, was man irgendwie als eine „Bereicherung" ansprechen könnte? Ist das nicht im Vergleich zu dem, was notwendig wäre, um die gesamte Volkswirtschaft vor Schäden zu schützen, um die breiten Bevölkerungsschichten vor Einlageverlusten zu bewahren, eigentlich noch viel zu wenig? Das waren die weiteren Überlegungen, die uns bewogen haben, aus diesem Akt der Korrektur einer siegerstaatlichen Maßnahme nicht Steuertatbestände zu machen.
Es läßt sich auch noch zu dem Argument des Kollegen Bleiß „wir wissen ja nichts über die Ertragsgrundlage der Banken" einiges sagen. Die Banken sind nicht daran schuld, daß wir nichts davon wissen, denn sie haben bis' heute keinerlei Rechtsform erhalten; sie sollen sie erst durch dieses Gesetz bekommen. Sie konnten keine Bilanzen aufstellen und veröffentlichen, weil man ihnen alles genommen hatte.
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- Alles an Eigenkapital, Herr Kurlbaum. - Nehmen wir einmal an, sie hätten tatsächlich in den Jahren seit der Währungsreform wieder gut verdient und hätten nunmehr die Möglichkeit, ganz bescheiden - im Verhältnis zu den 6 Milliarden Einlagen - wieder Eigenkapitalien auszuweisen. Auf die volkswirtschaftliche Bedeutung nach außen hin und auch nach innen als Garantiefonds habe ich hingewiesen. Aber das eine wollen wir doch nicht vergessen: die Aufrechterhaltung von 33 verschiedenen Apparaten in den Ländern, wobei einzelne dieser Ländchensbanken im Augenblick ganze 20 Millionen DM Einlagen zu verwalten haben, die Aufrechterhaltung darüber hinaus des Bereitschaftsapparats der ehemaligen Dachinstitute mit all den Aufgaben, die sie weiterhin auf dem Gebiet der Außenhandelsvertretung, auf dem Gebiet der volkswirtschaftlichen Beratung, der Rechts- und Wirtschaftsberatung der Kundschaft im Interesse der deutschen Volkswirtschaft wahrgenommen haben, wobei sie sich' nicht nach dem Prinzip einer Zerteilung Deutschlands wie zur Zeit der Postkutsche haben unterkriegen lassen, sondern sich weiterhin bemühten, die Gesamtwirtschaft zusammenzuhalten: das waren doch Opfer, die jahrelang gebracht worden sind und die immerhin ein Äquivalent, ich möchte schon fast sagen, einen Dank verdienen.
({3})
Deshalb bin ich der Meinung, daß es hier wirklich Rechtens ist, den Standpunkt, den wir einstimmig in den Ausschüssen eingenommen haben, auch im Plenum weiterhin. zu vertreten und den Antrag, der vom Kollegen Bleiß begründet worden ist, abzulehnen.
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir das Hohe Haus bitten, den gestellten Änderungsantrag abzulehnen, so leiten, uns nicht Billigkeitserwägungen, sondern - ich möchte mich dem Schlußwort meines Kollegen Preusker anschließen - Rechtserwägungen. Zwei Gesichtspunkte sind es, die wir unseren Überlegungen von Rechts wegen zugrunde legen müssen. Zunächst sind es nicht die Großbanken, die hier um eine neue und dezentralisierte Organisation bitten und demgemäß bei der Durchführung dieser Neugestaltung Steuererleichterungen erbitten, sondern dieses Hohe Haus beschließt und macht eine Auflage, indem es bestimmt: Du Rechtsträger, du mußt dich jetzt rechtlich anders organisieren. Wenn wir diesen Vorgang steuerlich belasten, dann machen wir für ein Steuersubjekt plötzlich eine Sondersteuer. Können wir nun unter dem Gesichtspunkt der Gleichheit der steuerlichen Last einen solchen Standpunkt rechtlich überhaupt vertreten? Ich sage nein. Wenn wir hier einem Steuersubjekt befehlen, etwas zu tun, dann können wir nicht das gleiche Steuersubjekt deswegen noch mit einer zusätzlichen Sondersteuer belasten. Dieser Grundsatz ist nicht neu. Sogar die Besatzungsmächte haben ihn respektiert, indem sie all ihren Entflechtungsgesetzen die Verfügung beigegeben haben, daß die Entflechtung als' solche keine zusätzlichen steuerlichen Auswirkungen haben darf.
({0})
Wir vertreten also insoweit einen Rechtsstandpunkt und nicht einen Billigkeitsstandpunkt.
Die zweite Überlegung, die wir anstellen müssen, ist folgende, wobei ich auf die Währungsgesetzgebung zurückgehen muß. Auch die Währungsgesetzgebung war eine alliierte Gesetzgebung. Bei dieser Währungsgesetzgebung wurden gemäß dem Umstellungsgesetz zumindest die Großbanken null zu null umgestellt. Die Banken wurden also bei der Währungsumstellung im Gegensatz zu allen anderen besonders ungünstig behandelt. Für das Eigenkapital, das man ihnen durch die Währungsumstellung weggenommen hat, gab man 5 % Ausgleichsforderungen, die man später auf 7 1/2 % erhöhte, Ausgleichforderungen, die nur mit 3 % verzinsbar und die in keiner Weise zur Zeit zu verwerten sind. Niemand weiß auch, wann diese Ausgleichsforderungen jemals einen realen Gegenwert erhalten. Nun müssen sich die Banken in soundso viel Tochtergesellschaften neu bilden. Sie müssen ein Aktienkapital ausweisen - das bisherige besteht nur aus nicht verwertbaren Ausgleichsforderungen -, und dieses Aktienkapital soll für die inländischen und für die ausländischen Gläubiger das Haftungskapital sein!
Wenn Sie das überlegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann sind Sie sicherlich nicht überrascht, wenn der Ausschuß einheitlich und einstimmig den Grundsatz bejaht hat, daß die Banken im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit in ihrer Eigenkapitalbildung unbedingt gestärkt werden müssen. Und das. ist der zweite Gesichtspunkt, der uns veranlaßt hat, den § 11 in dieser Form einzuführen.
Von einem angeblichen Druck der Banken, wie er hier behauptet wurde, kann keine Rede sein; die Wünsche, die dort vorgetragen wurden, bewegten sich auf der Basis des rechtlichen Den({1})
kens, - so, wie ich es Ihnen eben vorgetragen
habe. Aus diesen Gründen bitte ich auch das Hohe
Haus, den Änderungsantrag der SPD abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir stimmen ab, und zwar zunächst über den Änderungsantrag. Wer für die Annahme des Änderungsantrags Umdruck Nr. 463 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über § 11 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Bestimmung ist angenommen.
§ 12, - § 13, - § 14, - § 15, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; diese Bestimmungen sind angenommen. Damit ist die zweite Beratung erledigt.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat der Abgeordnete Bleiß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Während der zweiten Beratung habe ich schon darauf hinweisen dürfen, daß für uns der § 11 des vorliegenden Gesetzes der entscheidende ist. Wir sehen in der Steuervergünstigung von 54 Millionen DM einen Betrag, der uns nicht vertretbar erscheint. Wir haben unsere Änderungsanträge gestellt; die Änderungsanträge sind von Ihnen abgelehnt worden.
Ich möchte mich in der dritten Lesung nur noch mit einigen Argumenten der Sprecher der Regierungsparteien auseinandersetzen. Wir haben Klarheit über die Rentabilität in der Bankwirtschaft verlangt. Wir haben die Klarheit in den Ausschußverhandlungen nicht bekommen; und es kann niemand von uns verlangen, daß wir einer Regelung zustimmen, ohne daß wir die Lage völlig klar und einwandfrei zu erkennen vermögen.
({0})
Wenn man uns weiter fragt, warum wir Bedenken wegen der 54 Millionen DM haben, und, Herr Kollege Preusker, wenn Sie sagen, man solle den Banken dankbar sein, so frage ich Sie, wofür? Dafür etwa, daß die Banken n u r 54 Millionen gefordert haben? Oder sind Sie der Meinung, daß man dankbar dafür sein soll, daß uns, auf lange Sicht gesehen, ein solches. Geschäft 54 Millionen kosten kann? Ich glaube, unsere Haushaltsmittel sind doch so stark beansprucht, daß wir bei Steuervergünstigungen sehr vorsichtig sein müssen.
Zweifellos ist das Eigenkapital im Verhältnis zum Fremdkapital sehr gering. Aber man kann das Problem nicht immer über die bequeme Methode der Steuervergünstigung lösen. Da muß man sich eben bemühen, einen anderen Weg zu finden. Vielleicht wäre auch im Wege einer Aktienemission die Möglichkeit gegeben, die Kapitalbasis zu verbreitern.
Über all diese Dinge ist im Ausschuß nicht gesprochen worden. Banken und Regierungsparteien sind mit der Zielrichtung in den Ausschuß gekommen: Diese 54 Millionen werden gebraucht, diese 54 Millionen müssen beschlossen werden. Wir sind der Meinung, daß man solche Entscheidungen nicht über den Daumen peilen kann. Wie auch immer man unter dem Strich zusammenkommen mag, meine Damen und Herren, - unter dem Strich steht die Steuervergünstigung von 54 Millionen DM. Eine solche Steuervergünstigung ist für uns nicht tragbar. Deshalb müssen wir zu unserem Bedauern auch das gesamte Gesetz ablehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die allgemeine Aussprache.
Wir kommen zur Einzelaussprache. Da, keine Änderungsanträge vorliegen, rufe ich auf die §§ 1 bis 15, Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; die Bestimmungen sind angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, dies durch Erheben zu bezeigen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. - Einige Enthaltungen. - Das Gesetz ist angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Es ist dann folgender Punkt eingeschoben worden, der auf der gedruckten Tagesordnung nicht vermerkt ist:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über weitere steuerliche Maßnahmen bei festverzinslichen Wertpapieren ({0}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, in der ersten Beratung auf eine Besprechung zu verzichten und die Vorlage unmittelbar an den zuständigen Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. Dann ist es so beschlossen und dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des
Grundgesetzes ({1}).
Das Wort zur Begründung hat der Herr Staatssekretär Hartmann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hatte bereits im März 1951 den Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes vorgelegt. Der Entwurf hatte eine Einflußnahme des Bundes auf die Auftragsverwaltung der Länder hinsichtlich der vom Bund in Anspruch genommenen Teile der Einkommen- und der Körperschaftsteuer vorgesehen. Das Hohe Haus hatte diesem Entwurf im Juli 1951 zugestimmt. Der Bundesrat hat jedoch dem Gesetzentwurf in der Sitzung vom 13. Juli 1951 die Zustimmung versagt, da er der Ansicht war, daß es sich um ein Zustimmungsgesetz handle. Das durch den Herrn Bundespräsidenten angegangene Bundesverfassungsgericht hat in seinem Gutachten vom 27. November 1951 die Auffassung des Bundesrats bestätigt. Daher war die Vorlage eines neuen Gesetzentwurfs notwendig, zumal ein Gesetzentwurf über eine erhöhte Inanspruchnahme der Einkommen- und der. Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 bereits vorliegt. In dem jetzt dem Hohen Hause vorgelegten Entwurf zu Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes ist der Auffassung des Bundesrats, insbesondere zur Frage der Zustimmungsbedürftigkeit, Rechnung getragen worden. Da die Meinungsverschiedenheiten damit
({0})
ausgeräumt sind, wäre die Bundesregierung für recht baldige Verabschiedung des Gesetzentwurfes dankbar.
Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen.
Es ist beantragt, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. - Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 6 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des von der Fraktion der Föderalistischen Union ({0}) eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Januar 1952 ({1}) ({2}).
Wer soll den Antrag begründen?
({3})
- Das Haus verzichtet auf Begründung? - Verzichtet es auch auf Aussprache? ({4})
- Der Antrag soll an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen werden. - Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe Punkt 7 der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung der Vorschriften über die Aufhebung des Mieterschutzes bei Geschäftsräumen und gewerblich genutzten unbebauten Grundstücken ({5}).
Will das Haus auf die Entgegennahme einer Begründung verzichten? - Das Haus verzichtet auf Entgegennahme einer Begründung. Verzichtet das Haus auch auf Aussprache?
({6})
- Es wird widersprochen. Ich eröffne die allgemeine Aussprache.
({7})
- Das Wort hat der Herr Bundesjustizminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die Frage der Mieten für Geschäftsräume schon vor vierzehn Tagen aus Anlaß der Interpellation der sozialdemokratischen Fraktion erörtert. Ich darf die Zielsetzung der Bundesregierung kurz darlegen.
Die Bundesregierung hat sich bereits in ihrer Regierungserklärung vom 20. September 1949 zu einer Lockerung der zwangswirtschaftlichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Wohnungswesens bekannt. Sie hat sich dann auf Grund von Beschlüssen dieses Hauses Anfang November vorigen Jahres dazu entschlossen, die Preisbindungen und den Mieterschutz für Miet- und Pachtverhältnisse über Geschätfsräume aufzuheben. Sie ist dabei besonders von dem Antrag der Koalitionsparteien vom 5. Juli vorigen Jahres betreffend die Notlage des Althausbesitzes Drucksache Nr. 2418 ausgegangen, in dem auf die immer drückender werdende Notlage des Althausbesitzes und die Bevorzugung eines Teiles der Mieterschaft gegenüber dem andern hingewiesen wurde. Es wurde gefordert, Abhilfe zu schaffen, insbesondere unverzüglich eine Regelung zu treffen, die die unterschiedliche -Behandlung der Mieten und der Mieter gewerblicher Räume im Althausbesitz und den nach
dem 31. März 1924 errichteten Gebäuden beseitigt.
Es ist wohl nicht zu bestreiten, daß die auf Stopppreisen beruhenden Geschäftsraummieten in keiner Weise mehr den heutigen allgemeinen Wirtschaftsverhältnissen entsprechen; es ist zwischen den Mieten und den Lasten und Reparaturkosten des Althausbesitzes, dann aber auch zwischen den Mieten und den in den Mieträumen erzielten Umsätzen und Geschäftsgewinnen ein starkes Mißverhältnis entstanden. Das ist so auffallend geworden, daß der bisherige Rechtszustand nicht länger aufrechterhalten werden konnte. Deshalb soll durch die Erhöhung der Altbaumieten für Geschäftsräume der Notlage des Althausbesitzes entgegengewirkt werden. Dabei kann gegen eine Erhöhung der Altbaumieten meines Erachtens nicht eingewandt werden, daß der Althausbesitz im Gegensatz zu vielen anderen Vermögenswerten die Kriegs- und Nachkriegsereignisse überdauert habe und daß ihm deswegen niedrige Mieten zugemutet werden können; denn die Tatsache der Erhaltung des Vermögenswertes wird im Lastenausgleich berücksichtigt und kann nicht dem zufälligen einzelnen Mieter zugute kommen.
Es ist mit Recht, auch verschiedentlich hier im Hause, auf das Mißverhältnis hingewiesen worden, das zwischen den Mietern von Geschäftsräumen des Althausbesitzes und den Mietern von neugeschaffenen Geschäftsräumen besteht. Der Althausmieter hatte eine - sich im Wettbewerb nicht auswirkende - Bevorzugung, eine ganz andere Ausgangsstellung in der Konkurrenz. Es wurde auf die merkwürdige Tatsache hingewiesen, daß die bevorzugten Geschäftsmieten der Althausmieter in keiner Weise in den Preisen dieser Geschäfte ihren Niederschlag fanden. Der Verbraucher, auf den wir am Ende unsere Wirtschaftspolitik abstellen, hat also keinen Vorteil davon, daß ein Teil der Geschäftsmieten über Gebühr niedrig ist.
Alle diese Gründe haben die Regierung dazu bestimmt, eine Lockerung der zwangswirtschaftlichen Maßnahmen auf dem Gebiet der Geschäftsraummieten herbeizuführen.
An sich war es nicht organisch, daß Geschäftsräume dem Mieterschutz unterlagen. Das war zwar bei der Einführung des Mieterschutzes im Jahre 1923 zunächst geschehen, aber das eigentliche Schutzobjekt des Mieterschutzes waren zweifellos nur die Wohnungen und die Wohnräume. Deswegen ist man schon im Jahre 1926 dazu übergegangen, den Mieterschutz für Geschäftsräume durch Landesverordnungen aufzuheben. Reichsrechtlich hat man im Jahre 1931 ganz allgemein den Mieterschutz für Geschäftsräume beseitigt. Man ist dann erst, als in der nationalsozialistischen Zeit die Aufrüstung begann, also aus kriegswirtschaftlichen Gründen, wieder dazu übergegangen, zunächst im Jahre 1937 einen Kündigungsschutz für gewerbliche Räume einzuführen, und erst nach Kriegsbeginn, am 5. September 1939, hat man wieder den Mieterschutz für gewerbliche Räume eingeführt, den man im August 1940 auf unbebaute, für Geschäftszwecke verwendete Grundstücke ausgedehnt hat. Es handelt sich also jetzt um die Beseitigung von rein kriegsbedingten und im wesentlichen der Lenkung der Kriegswirtschaft dienenden Maßnahmen.
Wir sind der Meinung - trotz aller Schwierigkeiten, die durch den Krieg geschaffen wurden -, daß durch den schon wieder geschaffenen zusätz({0})
lichen Geschäftsraum die Notlage beseitigt und nun die Möglichkeit gegeben ist, die Zwangswirtschaft auf dem Gebiet der Geschäftsmieten zu lockern. Es ist nicht verständlich, warum diejenigen, die durch Zufall, nämlich durch oft nur ganz kurzfristige Mietverträge, in den Genuß von Geschäftsräumen gekommen sind, jetzt die beati possidentes für lange Zeit sein sollen, warum sie die glücklichen Besitzer sein sollen, während anderen zugemutet wird, dauernd vor der Tür zu stehen, vielleicht tüchtigeren Leuten, z. B. Flüchtlingen, Vertriebenen, Ausgebombten, die oft tüchtigere Geschäftsleute sind und die Bedarf an Geschäftsräumen haben.
Aus diesen Gründen hat es die Regierung für richtig gehalten, in angemessenen Grenzen eine Umschichtung dieser Besitzverhältnisse zu ermöglichen und mit dem Ziele der Wiederherstellung der Vertragsfreiheit, mit dem Ziele der Verbesserung der Rechtsstellung der Eigentümer und mit dem Ziele der Herstellung gerechter Wettbewerbsverhältnisse die Zwangswirtschaft auf dem Gebiet der Geschäftsräume aufzuheben. Man hätte auch einen anderen Weg gehen und die Mieten für Geschäfträume schematisch erhöhen können. Die Regierung hat das nicht für richtig gehalten.
Aus diesem Grunde sind dann die beiden hier schon erörterten Verordnungen vom November vorigen Jahres erlassen worden. Bis dahin bestand übrigens das merkwürdige Mißverhältnis, daß neugeschaffene, frei finanzierte Wohnräume auf Grund des ersten Wohnungsbaugesetzes vom Mieterschutz freigestellt waren, daß dagegen neugeschaffene Geschäftsräume unter sonst durchaus gleichen Voraussetzungen dieses Privilegs nicht teilhaftig wurden. Auch dieses Mißverhältnis ist jetzt durch unsere Verordnungen beseitigt worden.
In der Tagespresse und auch in wissenschaftlichen Zeitschriften ist lebhaft die Frage erwogen worden, ob unsere beiden Verordnungen vom 27. und vom 29. Juni 1951, also die Ausnahme vom Mieterschutz und die Verordnung auf dem Gebiet des Mietpreisrechts, rechtswirksam sind. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Meinung, daß ernstliche Bedenken nicht bestehen können. Bei der Verordnung, die die Ausnahme aus dem Mietpreisrecht festlegt, handelt es sich lediglich um die Frage, ob die Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates einzuholen war. Die Frage wäre nur zu bejahen, wenn durch die Verordnung der allgemeine Preisstand grundlegend verändert worden wäre, wenn also eine Auswirkung auf die Lebenshaltung im ganzen herbeigeführt worden wäre.
Das war zweifellos nicht der Fall. Die Verordnung, die den Mieterschutz für die Geschäftsräume aufgehoben hat, ist insofern angezweifelt worden, als man die im Mieterschutzgesetz enthaltene Ermächtigung als nicht mehr fortbestehend betrachtet hat. Ich bin anderer Meinung. Das Mieterschutzgesetz hat von vornherein die Ermächtigung für die Landesregierungen und für die damalige Reichsregierung, übergegangen auf die Bundesregierung, vorgesehen, bestimmte Arten von Mieträumen vom Mieterschutz auszunehmen. Das ist geschehen. Für diesen Fall enthält das Mieterschutzgesetz bereits besondere Übergangs- und Schutzbestimmungen. Eine Rechtsverordnung, die auf Grund der Bestimmungen der §§ 52 und 53 des Mieterschutzgesetzes ergeht, ändert also das Mieterschutzgesetz nicht. Nur wenn das der Fall wäre, wäre nach Art. 129 Abs. 3 des Grundgesetzes die in dem Mieterschutzgesetz enthaltene Ermächtigung nicht auf die Bundesregierung übergegangen.
Dann ist geltend gemacht worden, daß auch diese Verordnung der Zustimmung des Bundesrats bedurft hätte. Das wäre nach der Sachlage der Fall gewesen, wenn hier Recht geschaffen worden wäre, das von den Ländern ausgeführt werden müßte. Davon kann beim Mieterschutzrecht keine Rede sein. Mieterschutzrecht ist materielles Recht, das der Ausführung durch die Verwaltung weder bedürftig noch fähig ist. Mieterschutzrecht ist ein Recht, das vom Gericht angewandt wird. Es ist zweifellos, daß die Anwendung des Rechts durch ein Gericht eines Landes nicht eine Ausführung des Rechts durch ein Land ist. Ich glaube also nicht, daß die Bedenken, die hier geltend gemacht werden, gerechtfertigt sind.
Die Bundesregierung war sich von vornherein - ich möchte das noch einmal unterstreichen - darüber schlüssig - das ist gleichzeitig mit der Beratung dieser beiden Verordnungen festgelegt worden -, für die Übergangszeit zur Vermeidung von Härten, besonders um zu verhindern, daß die durch die Ausnahme der Geschäftsräume vom Mieterschutz entstandene Situation irgendwie mißbräuchlich oder wucherisch ausgenutzt wird, eine Vertragshilfe zu schaffen. Wir sind uns schlüssig geworden, dem Mieter von Geschäftsräumen einen Schutz zu gewähren, wie er jetzt in dem Ihnen heute vorliegenden Gesetz niedergelegt ist. Es ist ein Verfahren vorgesehen, in dem diejenigen Mieter, die bei dem Inkrafttreten der Lockerungsverordnungen schon ihren Mietbesitzstand hatten, für eine bestimmte Übergangszeit geschützt werden sollen.
Es ist wohl nicht notwendig, daß ich Ihnen den Gesetzentwurf im Detail vortrage. Wir haben es für richtig gehalten, nicht an dem Schema des Mieterschutzgesetzes festzuhalten, sondern für die Übergangszeit eine neue Form zu schaffen. Das konnte nicht, wie bei der Besprechung hier im Hause vor 14 Tagen angedeutet wurde, durch eine Verordnung geschehen; denn diese Maßnahmen werden durch die Ermächtigung des § 52 des Mieterschutzgesetzes nicht getragen. Dieses Verfahren bedarf also auf jeden Fall eines Gesetzes. Ich habe in meiner Stellungnahme zu den Anregungen des Bundesrats vorsorglich anheimgestellt, den Wortlaut der Verordnung in das Gesetz einzubauen; dann ist jeder, auch der geringste Zweifel über die Verfassungsmäßigkeit dieser neuen rechtlichen Ordnung beseitigt.
In dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf ist neu vor allem der Gedanke, daß der Mieter, der zur Schaffung oder Instandsetzung der Mieträume einen erheblichen Beitrag geleistet hat, stärker als bisher geschützt ist. Insoweit ist also gegenüber dem Mieterschutzgesetz ein zusätzlicher Schutz geschaffen worden. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß es auf dem Gebiete der Geschäftsraummiete richtig ist, grundsätzlich das vertragliche oder gesetzliche Kündigungsrecht des Vermieters anzuerkennen und - und das ist der entscheidende und tragende Gedanke des Gesetzes - dem Mieter unter bestimmten Voraussetzungen die Geltendmachung eines Gegenrechts einzuräumen. Nach dem Entwurf kann der Mieter bei Mietverhältnissen, die am 1. Dezember 1951 bestanden haben, unter bestimmten Voraussetzungen den Widerruf der Kündigung verlangen, wenn er nämlich durch die Kündigung in erhebliche wirtschaft-,
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liche Nachteile gerät und wenn dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses zugemutet werden kann. An die Stelle der wirtschaftlichen Nachteile tritt bei Räumen, die öffentlichen Zwecken dienen, die Gefährdung dieser Zwecke. Die Frage, aus welchen Gründen dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses zugemutet werden kann, ist nicht in der Weise geregelt, daß nur bestimmte Gründe in Betracht kommen. Vielmehr müssen vom Richter die Verhältnisse in ihrer Gesamtheit in Betracht gezogen werden. Aber der Entwurf - und das ist auch bedeutsam - sieht bestimmte Gründe vor, aus denen der Vermieter stets die Fortsetzung des Mietverhältnisses ablehnen kann. Das sind die Gründe einer fristlosen Kündigung, des Eigenbedarfs des Vermieters und bei zerstörten Grundstücken die Absicht des Wiederaufbaus des zerstörten Gebäudes.
Entscheidend ist in der Vorlage noch die Frage der Miethöhe. Insoweit haben wir, glaube ich, Ventile eingebaut, so daß ein Mißbrauch der Verordnungen ausgeschlossen ist. Die Regelung geht dahin, daß der Mieter, der sich sein Mietverhältnis erhalten will, zwar in eine von dem Vermieter geforderte angemessene Mieterhöhung einwilligen muß. Voraussetzung aber ist einmal, daß der Vermieter bei anderweitiger Vermietung eine höhere als die bisherige Miete überhaupt erzielen könnte, und andererseits braucht der Mieter eine über die ortsübliche Miete hinausgehende Miete nicht anzuerkennen. .
Diese Marktmiete wird sich nunmehr im Laufe der Zeit nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen bilden. Für die Übergangszeit bis zum 1. April 1953 tritt an die Stelle der Marktmiete eine nach besonderen Grundsätzen zu bestimmende Kostenmiete, wenn die Feststellung der Marktmiete nicht ohne weiteres möglich ist. Durch diese Regelung sind alle Tendenzen in Richtung auf eine übertriebene Mietsteigerung abgefangen. Man kann durchaus nicht aus der Tatsache, daß sich manche Vermieter in astronomischen Zahlen bewegen, den Schluß ziehen, daß hier wirklich eine Deroute auf dem Markte der Geschäftsmieten eintreten könnte. Dies ist besonders deswegen nicht möglich, weil wir ausdrücklich bestimmen, daß der Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht deshalb ablehnen kann, weil er bei anderweitiger Vermietung eine höhere als die ortsübliche Miete und im Falle der Kostenmiete eine höhere als diese Miete erzielen könnte. Die Festsetzung der ortsüblichen Miete oder der Kostenmiete obliegt dem ordentlichen Gericht, notfalls durch Heranziehung von Sachverständigen.
Mietverhältnisse, die sich nicht ausschließlich auf Geschäftsräume, sondern auf auch Wohnzwecken dienende Räume beziehen, erhalten einen besonderen Schutz. Nach dieser Regelung unterscheidet sich die Rechtslage nur in mietpreisrechtlicher Hinsicht von der nach dem Mieterschutzgesetz. Ich habe schon gesagt, daß Mieter noch stärker als bisher geschützt sind in Fällen - die ja von großer Bedeutung sind -, in denen sie einen erheblichen Beitrag zur Schaffung oder Instandsetzung der gemieteten Räume geleistet haben. In diesen Fällen kann sich der Vermieter nicht einmal auf Eigenbedarf berufen. Insoweit sind Vorschriften dahingehend vorgesehen, daß bei Festsetzung der Miethöhe der von dem Mieter geleistete 'Beitrag zur Errichtung der Räume angemessen berücksichtigt Wird.
Was ich bisher über Mietverhältnisse über Geschäftsräume gesagt habe, gilt analog auch für Miet- und Pachtverhältnisse über gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke.
Ich glaube, daß wir durch dieses Gesetz ein Instrument schaffen können, das die leider in den letzten Wochen aufgetretene Unruhe zu beseitigen in der Lage ist und das auch praktisch dazu helfen kann, daß ein Mißbrauch der Verordnungen vom November vorigen Jahres verhindert wird.
Die allgemeine Aussprache ist eröffnet. Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 90 Minuten vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
jacobi ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bereits in der 193. Sitzung Gelegenheit genommen, Auffassungen, die von der Bundesregierung zu dem jetzt in Rede stehenden Thema vorgetragen wurden, zu bekämpfen. Wir haben bezweifelt, daß die optimistischen Darlegungen der Regierung mit den Tatsachen in Einklang stehen. Ich muß angesichts der heutigen Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers erneut feststellen, daß wir nicht in der Lage sind, seinen Darlegungen zu folgen.
Der Herr Bundesjustizminister hat zunächst gleichsam in Fortsetzung von Bemerkungen, die der Herr Kollege Huth von der CDU in der 193. Sitzung vorgetragen hat, geglaubt, allgemeine wirtschaftspolitische . Bemerkungen machen zu sollen. Er hat von der Notlage des Althausbesitzes gesprochen und eine Philippika für eine Regelung dieser Dinge versucht. Dabei ist ihm, glaube ich, wieder einmal entgangen, daß wir von der Sozialdemokratischen Partei bei wiederholten Gelegenheiten betont haben, wir legten Wert darauf, die gesamte Materie sachlich zu erörtern. Wir haben ja auch mit unserem Antrag Drucksache Nr. 3044, der in der 193. Sitzung an die Ausschüsse verwiesen worden ist, zum Ausdruck gebracht, daß uns eine Regelung vorschwebt, die die Tatbestände eindeutig durch Gesetz regelt. Wir haben die Hoffnung zum Ausdruck gebracht und wir hegen diese Hoffnung heute noch, daß es gelingt, in einer sachlichen Aussprache im Ausschuß alle Fragen, die direkt und indirekt im Zusammenhang mit dem aufgeworfen werden, was sich nach Erlaß der beiden von uns bekämpften Verordnungen ergeben hat, eingehend zu beraten.
Wir glauben aber nicht, daß der heute vorgelegte Gesetzentwurf eine besonders glückliche Diskussionsgrundlage darstellt. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien - und diese Bemerkung sei besonders an die Kollegen von der CDU und CSU gerichtet -, haben besonders in letzter Zeit großen Wert darauf gelegt, von Zeit zu Zeit eine Reihe von Anträgen vorzulegen, die sich mit der Notlage des Handwerks, mit Sorgen des Mittelstandes beschäftigen. Ich glaube, es sind neun Anträge, die in dieser Richtung 'demnächst hier im Bundestag zu behandeln sind. Sie brauchen gar nicht diesen Umweg zu gehen. Wenn Sie wirklich dem Handwerk und dem Mittelstand helfen wollen, dann müssen Sie mit Rücksicht auf das, was durch die von uns bekämpften Verordnungen ausgelöst worden ist, mit uns dafür eintreten, daß diese Verordnungen keinesfalls aufrechterhalten bleiben,
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und anerkennen, daß sich in den Auswirkungen, die der Alltag gebracht hat, schon die absolute Unmöglichkeit zeigt, auf der Grundlage dieser Verordnungen weiterzuhandeln.
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Der Herr 'Bundesjustizminister hat soeben von den beati possidentes, von den glücklichen Besitzern gesprochen und im selben Atemzug erklärt, nun bestehe vielleicht die Möglichkeit, auch einmal einem Flüchtling irgendeinen Gewerberaum zuzuweisen; ich glaube mich nicht verhört zu haben. Herr Minister, ich kann Ihnen aus der Flut der Briefe, die ich seit Dezember in dieser Sache bekommen habe, eine ganze Anzahl Unterlagen bringen, die den Nachweis darüber führen, daß diese beiden Verordnungen gerade dazu benutzt werden, Heimatvertriebene wieder aus Gewerberäumen hinauszuweisen.
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Ich habe hier 'einen Brief, der typisch ist für viele. Aus ihm ergibt sich, daß bei Anwendung dieser Verordnungen eine Reihe von Hausbesitzern - ich schematisiere und generalisiere hier nicht - keineswegs etwa den Versuch machen, sich mit den Rechtsfragen zu beschäftigen, die hier ausgelöst werden, sondern daß eine absolut eindeutige Machtpolitik getrieben wird. Wir wissen doch, daß es besonders häßliche Dinge außer bei Familienstreitigkeiten gerade auch bei Mietstreitigkeiten gibt. Das ballt sich alles zusammen. Da wird soviel Unfrieden in die Lande getragen, und da wirkt sich 'soviel Unheil aus, daß es auch bei den Heimatvertriebenen nicht haltmacht, die nunmehr weitgehend von den Verordnungen in Mitleidenschaft gezogen wenden. Dieser Heimatvertriebene, der sich jetzt in Frankfurt ein Geschäft eingerichtet hat mit
- wohlgemerkt - 5000 DM Soforthilfemitteln und mit Geldern, die er sich auf nicht ganz einfache Weise erst hat beschaffen müssen, der eine Miete zahlt, die durchaus schon den Gesichtspunkten der Kostenmiete entspricht, wird zum 1. April damit zu rechnen haben, daß 'der Vermieter alles daransetzt, eine wesentliche Steigerung der Miete zu erreichen, ein Vermieter, der die Hoffnung hegt, sogar diesen Heimatvertriebenen aus dem Ladenraum herausdrängen zu können. Und hierzu würde ihm das heute zur Beratung stehende Gesetz durchaus eine 'Handhabe geben! Ich werde vielleicht nachher noch im einzelnen darauf zurückkommen.
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- Ach, idas sind „Einzelfälle"? Ich lade Sie ein, zu mir zu kommen und die Hunderte von Briefen 'durchzulesen. Ich kann Ihnen auch gleich eine ganze Reihe von Einzelfällen nachweisen. Im übrigen genügt 'es aber auch, wenn nur Einzelfälle Unrechtstatbestände darstellen,
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um auch in einem solchen Einzelfall Protest und Verwahrung einzulegen gegen derartige Maßnahmen, gegen ein Freibeutertum, das sich heute auf dem Wohnungsmarkt austobt und an dem die Bundesregierung gewollt oder ungewollt dadurch mitwirkt, daß sie mit diesen beiden Verordnungen den Leuten, die so handeln, gewissermaßen Waffen in die Hand gegeben hat.
Hier 'habe ich 'den Brief eines bekannten Einzelhändlers in Bonn. Ich will den Namen verschweigen, das Originaldokument steht Ihnen aber zur Verfügung. Von diesem Mann wird mit Wirkung vom Dezember - man richtet sich ja nicht danach, ob die Verordnungen erst ab 1. April anwendbar sind oder nicht - für ein Ladengrundstück, das noch keine 30 qm groß ist, eine Erhöhung der Ladenmiete von 181,50 DM auf 500 DM verlangt.
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Vorsorglich 'hat der ehrenwerte Vermieter bereits im Dezember die Zahlung 'in 'der bisherigen Höhe lediglich als à-Konto-Zahlung quittiert und droht mit Räumung.
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In einem anderen Falle - es handelt sich ebenfalls um ein Geschäft in Bonn - 'ist die monatliche Miete von 250 DM auf 1200 DM erhöht worden.
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Auch ein allgemein bekanntes Ladengeschäft! Es ist durchaus nicht so, daß es sich dabei vielleicht um Einzelfälle handelt. Mir sind rund 20 Fälle 'bekannt, in denen sich Mietdifferenzen ergeben von 160 auf 500, von 45 auf 150, von 100 auf 400 DM und so fort. Nicht nur aus einem Ort, aus einer ganzen 'Reihe von Orten wird 'in dieser Beziehung völlig gleichlautend berichtet.
Ich will in der Aufzählung nicht fortfahren, sondern nur bemerken, daß- es ja nicht nur die sozialdemokratische Opposition ist, - ({10})
- Fürchten Sie nicht, daß ich wieder einmal mit der „Kölnischen Rundschau" komme! Die hat genug Kummer gehabt 'dadurch, daß ich sie zitiert habe. Das hat eine wahre Rebellion in Köln gegeben. Am 3. März findet sogar eine Großkundgebung der Haus- und Grundbesitzer gegen die „Kölnische Rundschau" statt. Das habe ich ihr weiß Gott nicht bescheren wollen. Aber es liegen Einsprüche vor
- Herr Dr. Kather ist heute leider nicht da -, zum Beispiel vom Zentralverband der vertriebenen Deutschen eine geharnischte Stellungnahme, die die völlige Unmöglichkeit dieser Verordnungen und ihrer Auswirkungen dartut. Mir sind auch Schreiben von Einzelhandelsverbänden zugegangen, in denen im 'einzelnen aufgezeigt wird, zu welcher Unsicherheit, zu welch bedenklicher Entwicklung die beiden Verordnungen geführt haben. Ich will es mir ersparen, Ihnen all das vorzulesen, was da berichtet wird. Aber wenn beispielsweise vom Einzelhandelsverband Südbaden in einer Eingabe berichtet wird, daß in einer Stadt wie Baden-Baden, also einer Stadt ohne Kriegsschäden, die Mieten für gewerbliche Räume jetzt schon ganz allgemein bis zu 100 % erhöht worden sind, dann spricht dieser Hinweis dafür, wie gefährlich der mit diesen beiden Verordnungen beschrittene Weg ist.
Der Einzelhandelsverband weist auf Grund einer Erhebung nach, daß in bombenzerstörten Städten wie Köln und Wiesbaden 'im Durchschnitt eine Erhöhung auf 300 % eingetreten ist. In bezug auf die Frage, ob davon Auswirkungen auf den allgemeinen Preisstand zu erwarten sind, wird hier gesagt - ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich -:
Mietpreissteigerungen in solchen Höhen können aber von den Einzelhandelsfirmen nicht mehr innerbetrieblich aufgefangen werden. Sie finden also automatisch im Endverbraucherpreis ihren Niederschlag, so daß im Schlußergebnis die Mietpreiserhöhung einer Abwälzung der Lastenausgleichsabgaben auf den Verbraucher gleichkommt.
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Nun, werden einige andere Fälle genannt - ich zitiere immer noch einen Einzelhandelsverband, meine Damen und Herren - und dann heißt es hier:
Die alteingesessenen Handels- und Handwerksbetriebe können diese Forderungen nicht erfüllen, und deswegen werden ihnen laufend Kündigungen zugestellt.
- Und schließlich wird etwas sehr Bemerkenswertes angeführt; es heißt hier weiter:
Neben den Mietpreisforderungen tauchen seit etwa 14 Tagen auch Forderungen nach verlorenen Baukostenzuschüssen für Instandsetzungen bzw. Modernisierungen an den Außenfronten der Geschäftshäuser auf. In dem drastischsten Falle haben wir erlebt, daß ein Vermieter seinen acht Einzelhandelsmietern eine Generalklausel im neuen Mietvertrag zur Unterschrift vorgelegt hat, die kurz besagt, daß der Mieter alle Kosten, 'die nach den Bauplänen des Vermieters entstehen, übernimmt. Die Pläne des Vermieters bewegten sich zwischen schwarzem und gelbem Marmor. Die Forderungen an den einzelnen Mieter dürften zwischen 7000 und 25 000 DM liegen.
Gewiß, so etwas hat die Bundesregierung nicht gewollt. So etwas wird natürlich an sich auch von den Verordnungen her Rechtens nicht ermöglicht. Aber wir leben nun einmal in einer Zeit, in der in dem Augenblick, wo das Schlagwort von marktwirtschaftlichen 'Grundsätzen auftritt, sehr viele Leute daraus den Antrieb herleiten, nun ihrerseits den Versuch zu machen, zu verdienen, wo sie verdienen können.
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Und dann bekommen wir den Streit, und wir haben es mit einer Kraft des Faktischen zu tun, der man mit rechtlichen Erwägungen nicht mehr beikommen kann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind nicht der Meinung, daß der heute in erster Lesung zur Beratung stehende Entwurf einen Ausweg bietet. Der Herr Bundesjustizminister hat zwar schon in der 193. Sitzung die Meinung vertreten, an diesem Gesetzentwurf brächen sich die Angriffe gegen die Mietpreisverordnungen. Er hat auch heute wieder der Meinung Ausdruck gegeben, die Situation scheine jetzt in irgendeiner Weise aufgelockert und verbessert zu sein. Das ist nicht richtig. Worüber ich mich aber am meisten gewundert habe, ist seine Bemerkung - ich habe sie wörtlich mitgeschrieben -, die Bundesregierung sei nach wie vor der Auffassung, daß ernstliche Bedenken gegen die Verordnungen nicht bestehen könnten. Wir haben schon bei Gelegenheit der letzten Debatte darauf hingewiesen, daß uns mit einer solchen apodiktischen Feststellung nicht gedient ist, und wir haben auch heute wieder den Eindruck, daß der Herr Bundesjustizminister doch wohl selbst gewisse Hemmungen verspürt und daß er nun zu einer Sache steht, die er loyalerweise vom Kabinett her verteidigen muß, die ihm als Juristen 'aber offensichtlich ,doch selbst reichlich problematisch vorkommen dürfte.
Ich hatte anläßlich der letzten Debatte die Gelegenheit, Ihnen im einzelnen, wenn auch nur kurz, darzutun, daß diese beiden Verordnungen rechtsunwirksam sind, und ich darf feststellen, daß sich diese Meinung mindestens bei den Juristen im Lande allmählich allgemein durchgesetzt hat. Die Bundesregierung läßt auch durch den heute zur
Beratung stehenden Gesetzentwurf eine beschränkte Einsicht gegenüber den mehrfach und nachdrücklich vorgetragenen Bedenken gegen die beiden Verordnungen und ihre Auswirkungen erkennen - das kann man zwischen den Zeilen lesen -, doch es bleiben gegenüber der heutigen Vorlage darüber hinaus schwerwiegende Bedenken. Sie ergeben sich einmal aus der gesetzestechnischen Anlage, zum anderen aus dem materiellen Inhalt des Gesetzentwurfs.
Der Streit um die Rechtsverbindlichkeit der beiden Regierungsverordnungen vom 27. November 1951 stellt eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar, und zwar nicht nur im Hinblick auf die mehrfach erörterten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte, sondern auch im Hinblick auf die Gesetzgebungstechnik und -ökonomie. Wir halten an unserer Feststellung fest, daß die Verordnungen rechtsunwirksam sind. Wir halten es deshalb aber auch nicht für angängig, 'bei der Fassung des vorliegenden Gesetzentwurfs das rechtswirksame Bestehen der Verordnungen nahezu als unzweifelhaft vorauszusetzen und durch die Gesetzgebungskörperschaft zu bestätigen. Ein solches Verfahren scheint uns untunlich und bedenklich zu sein.
Ich darf noch einmal kurz zusammenfassen, aus welchen Gründen wir die Verordnungen als rechtsunwirksam ansehen. Diese Gründe könnten noch um einige Punkte vermehrt werden. Ich könnte mich schon nach dieser Richtung hin auf eine Reihe von Beschlüssen von Amtsgerichten berufen, die die Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtshofs ausgesetzt haben. Ich will mich noch einmal auf die kurze summarische Aufzählung der Gründe beschränken, die die Rechtsunwirksamkeit der beiden Verordnungen dartun. Sie sind rechtsunwirksam
1. wegen Verstoßes gegen Art. 80 und 129 des Grundgesetzes, - es ist das verfassungsrechtliche Erlöschen der 'Ermächtigung festzustellen;
2. wegen Aufhebung der im Leitsätzegesetz vom 24. Juni 1948 enthaltenen Ermächtigung, auf welche die Verordnungen allein hätten durch das erste Preisrechtsverlängerungsgesetz gestützt werden können, - also ist die gesetzesrechtliche Aufhebung der Ermächtigung festzustellen;
3. wegen Überschreitung der beschränkten Ermächtigung, wenn deren Fortgeltung einmal unterstellt wird. Es fehlt die gebotene Zustimmung des Bundesrats und Bundestags gemäß § 1 des Preisgesetzes. Das, was der Herr Bundesjustizminister zu diesem Punkt heute wieder nur andeutungsweise gesagt hat, ist völlig unzureichend und ist nichts anderes als eine deklamatorische Bemerkung. Wir halten es aber für völlig unmöglich, daß der Gesetzentwurf, wenn er mit Erfolg und Sinn beraten werden soll, von zwei Verordnungen ausgeht, die so umstritten sind. Er wird nach unserer Vorstellung umgebaut werden und eine Gesamtregelung der Materie enthalten müssen. Das ist das einzige, was uns möglich erscheint, daß nämlich die gesamten in den Verordnungen enthaltenen Regelungen in das zu beschließende Gesetz eingebaut werden. Nur so kann das unleugbar aufgetretene Dilemma behoben werden.
Trotz unserer Bereitschaft, unter dieser ersten Voraussetzung an der Beratung des materiellen Inhalts des uns vorgelegten 'Gesetzentwurfs mitzuarbeiten, legen wir in schärfster Form Verwahrung ein gegen die im vorliegenden Fall von der Bundesregierung angewandte Praxis, durch mit dem Schein der Rechtsverbindlichkeit ausgestattete
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Rechtsverordnungen Situationen zu schaffen, die den Gesetzgeber zwingen, in bestimmter Weise und zu bestimmten Terminen gesetzliche Regelungen zu treffen. Ich habe jüngst unter dem Gesichtspunkt der Verordnungsermächtigungen unter Berufung auf die Entscheidung unseres Bundesverfassungsgerichts und die darin bestätigten Grundprinzipien der Gewaltentrennung auf das Gewichtsverhältnis und die Abgrenzung zwischen Legislative und Exekutive hingewiesen. Hier gibt die Bundesregierung ein Exempel für die Auswirkungen, die bei Durchbrechung dieser fundamentalen Grundsätze unvermeidbar sind. Ein Parlament, das sich das ihm eigene Recht der Gesetzgebung nehmen oder beschränken läßt, verzichtet nicht nur auf sein verfassungsmäßiges Recht, das, um es sehr deutlich zu sagen, mehr Pflicht als Recht ist, sondern versetzt sich selbst als das höchste Organ der staatlichen Willensbildung in die peinliche Situation, Fehler des mißbräuchlich ermächtigten oder sich als ermächtigt gerierenden Organs durch eigene Maßnahmen ausgleichen zu müssen. Das gesetzgebende Organ begibt sich bei einer 'derartigen Praxis nicht nur eines Rechts, nein, es bürdet sich zugleich das Amt des Lückenbüßers auf. Wir sind nicht bereit, eine solche Praxis ohne Kritik an uns vorbeipassieren zu lassen.
Hinsichtlich der Gesetzestechnik eine kurze Bemerkung. Es bürgert sich in zunehmendem Maße eine Praxis ein, sachlich und organisch zusammengehörige Materien in einer Unzahl von Sonderbestimmungen zeitlich auseinandergerissen von verschiedenen Organen regeln zu lassen. Darunter leidet nicht nur die praktische Anwendbarkeit jener Vorschriften, die nachgerade ohne alphabetisches Schlagwortverzeichnis selbst von den bestausgebildeten und erfahrensten Verwaltungs' beamten und Richtern, geschweige denn vom Staatsbürger überhaupt nicht gefunden, viel weniger 'gewußt und beachtet werden können.
Schwerer wiegt der Schaden, den die Rechtsklarheit und Rechtssystematik nehmen müssen. Rechtsklar und rechtssystematisch können nur solche auf eine zusammengehörige Materie bezogenen Gesetze und Verordnungen sein, die von einer sich in jeder Einzelbestimmung bestätigenden Gesamtkonzeption getragen sind. Teillösungen sind ein Notbehelf und keine Lösung. Das uns vorliegende Beispiel - ich meine den Entwurf des Gesetzes, der jetzt zur Beratung steht - ist kennzeichnend hierfür.
Ich will mir das Eingehen auf weitere Einzelheiten ersparen und mich insoweit auf den Hinweis beschränken, daß wir in einigen Punkten schon jetzt klar und erkennbar zum Ausdruck bringen möchten, daß wir die Regelung des Gesetzes in dieser Form nicht akzeptieren können. Es erscheint uns z. B. nicht zwingend, daß man bei der Regelung der Prozeßführung und Beweislast den Mieter in eine Rolle zwingt, in die er nicht gehört, da ja nicht er es ist, der fordert. Es ist im übrigen kein Gebot der Logik, hier ein andersartiges Verfahren einzuführen, als dies auch in gleichgelagerten Fällen üblich ist. Solange den Vermietern von Wohnräumen die Prozeßführung und Beweislast aufgebürdet bleiben, so lange ist nicht einzusehen, weshalb nicht auch die Vermieter gewerblicher Räume ebenso behandelt werden sollen, wenn diese schon den Vorzug freier Preisbildung genießen sollen.
Das Rechtsinstitut der Kündigungswiderrufsklage, das wir hier in diesem Gesetzentwurf finden, ist zwar in unserem Recht nicht neu; die von der Bundesregierung gezogene Parallele zum Arbeitsrecht ist jedoch nicht schlüssig, weil es eben das auch hier der Natur der Sache nach ungeeignete Beispiel der Aufhebungsklage nicht gibt. Auch im Mietrecht hat es bereits einmal dieses Institut der Kündigungswiderrufsklage gegeben. Es ist von allen Praktikern als umgeeignet erkannt worden. Das Mieterschutzgesetz ist daher in seiner verfahrensmäßigen Anlage als ein erheblicher Fortschritt - und zwar nicht nur für die Mieter - betrachtet worden. Für das Gebiet des Mietrechts bedeutet die Wiedereinführung der Kündigungswiderrufsklage einen offensichtlichen Rückschritt.
Im übrigen haben wir wegen einer ganzen Reihe von Einzelbestimmungen Bedenken. Wir betrachten im § 2 beispielsweise das Fehlen jeder Interessenabwägung als einen großen Mangel. Wir finden den personell und sachlich geregelten Tatbestand viel zu weit. Ich spreche jetzt von der Bestimmung über den Eigenbedarf. Wenn wir in das Gesetz schauen, sehen wir die Möglichkeit, daß in Zukunft „Eigenbedarf" immer dann bejaht werden muß, wenn der Vermieter für sich selbst oder für die Zwecke seines Ehegatten oder eines Verwandten oder eines Verschwägerten gerader Linie die Räume dringend benötigt. Das bedeutet, daß vom Urahn bis zum Enkel - so weit geht der Rahmen bei Verschwägerten und Verwandten gerader Linie - Strohmänner vorgeschoben werden können, um jemand, der vielleicht bisher - durchaus ohne daß 'Zerwürfnisse zwischen Mieter und Vermieter entstanden sind - einen Gewerberaum beansprucht hat, nunmehr unter dem Vorwand des Eigenbedarfs aus dem Mietverhältnis zu drängen. Wer entscheidet im übrigen darüber, ob eine dringende Notwendigkeit besteht? Es fehlt an einer Aufzählung klarer Tatbestände.
Wir sehen auch Schwierigkeiten erwachsen aus dem § 4 Abs. 2 Buchstabe b. Dort ist eine off en-sichtliche Unterbewertung der Mieterinteressen festzustellen, und ich kann in dem ganzen Gesetz nicht eine Regelung finden, die mir die Bemerkung des Herrn Bundesjustizministers verständlich machte, hier gehe man zum Teil im Schutze der Mieter weiter als bisher. Das scheint mir nur am Rande der Fall zu sein; im großen und ganzen ist hier ein Gesetzentwurf zu behandeln, der die Vermieterinteressen sehr viel stärker berücksichtigt als die Interessen der Mieter.
Wir halten also einmal den Ausgangspunkt des Gesetzes für verfehlt. Wir schließen uns den Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der Kündigungswiderrufsklage an, und wir haben im übrigen zu einer ganzen Reihe von Einzelbestimmungen schwerste Bedenken anzumelden. Wir behalten uns vor, sie 'bei den Ausschußberatungen im einzelnen vorzutragen. Dabei haben wir die Hoffnung, daß bei einer sachlichen Aussprache die Möglichkeit besteht, diesen ganzen Gesetzentwurf umzubauen. Vielleicht bietet er die Möglichkeit, das zu realisieren, was wir schon mit unserem Antrage vom 8. Februar angestrebt haben: daß ein Gesetz entsteht, das in gerechter Abwägung der Interessen der Beteiligten die Mieten oder Pachten für Geschäftsräume oder gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke in der Weise regelt, daß die erhöhten Unkosten der Vermieter oder Verpächter eine angemessene Berücksichtigung finden, aber Preistreiberei ausgeschlossen wird.
({14})
Das Wort hat der Abgeordnete Huth.
Ich kann mich vollinhaltlich den Schlußworten meines Herrn Vorrednes anschließen, wenn er der Hoffnung Ausdruck gab, daß im Ausschuß bei einer sachlichen Behandlung die Materie zu ihrer letzten Vollendung kommen wird, soweit sie das Gesetz und die Verordnungen betrifft. Zweck der Kündigungswiderrufsverordnung soll ja sein, übertriebene Forderungen, die eventuell auftauchen, auf ein vernünftiges Maß zu bringen. Ich glaube, niemand im Hause ist dafür, daß irgendwelche Katastrophenfälle auf dem Gebiete des Grundstücksmarktes eintreten. Das ist weder die Absicht der Regierung noch die der Regierungsparteien. Wenn allerdings der Herr Abgeordnete Jacobi in der letzten Sitzung die „Kölnische Rundschau" zitierte und dabei auch eine ganze Fülle von Dingen vorbrachte, so könnte man der Meinung sein, vom Haus- und Grundbesitz sei jetzt gewissermaßen die Nacht der langen Messer heraufbeschworen, in der er nun endlich einmal von dem ihm lange abgesprochenen Recht Gebrauch machen könne.
({0})
Meine Damen und Herren! Wenn von 600 Fällen in Köln gesprochen worden ist, so kann ich die Zahl nicht untersuchen und nicht feststellen, ob sie richtig ist. Vom Einzelhandelsverband ist mir die Zahl von 350 Fällen genannt worden. Es bestehen in Köln nahezu 12 000 gewerbliche Mietverhältnisse. Letzthin habe ich schon zum Ausdruck gebracht, daß etwa 5 bis 8 % Schwierigkeitsfälle auftreten werden. Die Zahlen, die aus der „Kölnischen Rundschau" von dem Herrn Abgeordneten Jacobi zitiert worden sind, bestätigen meine Behauptung, daß etwa 5 bis 8 % aller bestehenden Mietverhältnisse vielleicht zu Schwierigkeiten führen werden.
Wenn aber eben von dem Herrn Abgeordneten Jacobi in Bausch und Bogen die Maßnahmen und die Handlungsweise des Haus- und Grundbesitzes als Freibeutertum bezeichnet worden sind, dann muß ich mich als Hausbesitzer ganz energisch dagegen verwahren.
({1})
- Herr Abgeordneter Jacobi, Sie haben eben von Freibeutertum gesprochen.
({2})
- Ich komme gleich auf derartige Fälle, Herr Kollege. Ich kann eine. ganze Fülle von Material vorlegen, wie das der Herr Abgeordnete Jacobi in der letzten Sitzung und wie er es auch heute getan hat. Auch ich habe eine große Menge von Briefen, aus denen das Gegenteil dessen zu ersehen ist, was der Herr Abgeordnete Jacobi in der letzten Sitzung vorgetragen hat. Wenn z. B. der Rechtsausschuß des Deutschen Industrie- und Handelstages am 12. 2. 1952 feststellte: „Beschwerden über übertriebene Mietforderungen oder über unzulässige Kündigungen haben sich in angemessenen Grenzen gehalten, so daß zu einer Beunruhigung kein Anlaß vorliegt", dann ist das die Feststellung eines amtlichen Instituts, dem man schon Glauben schenken kann.
({3})
Der Zweck der Mietpreisreform soll eben sein, die
Wiederherstellung normaler Mieten herbeizuführen. Wenn von dem Herrn Abgeordneten Jacobi
angeführt worden ist, daß er in einer sachlichen
Aussprache die Dinge erledigen will, dann sind wir natürlich gern dazu bereit. Aber wenn auf der anderen Seite nun behauptet wird, der Hausbesitz übertreibe seine Forderungen, der Hausbesitz fordere in Bausch und Bogen viel zu viel, dann will ich Ihnen nur einige Stellungnahmen zitieren. Zum Beispiel wird aus München, das auch in verneinendem Sinne zitiert worden ist, festgestellt, daß die Mieterhöhungen durchschnittlich 25 % betragen. Von der Ausgleichstelle, die München hat - es ist Ihnen j a bekannt, daß in einzelnen Städten Mietausgleichstellen von den Industrie- und Handelskammern in Verbindung mit den Handwerkskammern und in Verbindung mit den Einzelhandelsverbänden errichtet worden sind; eine solche Mietausgleichstelle befindet sich auch in München -, ist gemeldet worden, daß bei 13 000 bestehenden Mietverhältnissen 340 strittige Fälle sind, von denen 313 sofort erledigt werden konnten.
({4})
Das ist eine amtliche Meldung von dem Einzelhandelsverband aus München.
({5})
Das Datum stammt aus der jüngsten Zeit, vom Februar dieses Jahres.
Meine Damen und Herren, ich könnte eine Fülle solcher Dinge hier bekanntgeben. Aus der Nachbarschaft von Bonn - Herr Kollege Jacobi hat Bonn zitiert - möchte ich anführen, das Godesberg etwa 50 Fälle von Mieterhöhungen hat. In einem einzigen Falle ist eine Preissteigerung von 100 % bekannt geworden; alle anderen Fälle liegen unter 50 %. Bei der einen Mietpreissteigerung von 100 % handelt es sich interessanterweise um folgenden Fall: Ein Althändler hat eine Wohnung, zwei Lagerschuppen und 300 Quadratmeter Lagerplatz im Freien, für die er seit 1914 sage und schreibe eine Miete von 50 Mark bezahlt hat; die Miete ist jetzt auf 100 DM erhöht worden. Das ist die einzige aus Godesberg bekannt gewordene Mietpreissteigerung um 100 %. Alle anderen Steigerungen liegen in einem geringeren Rahmen. Einige weitere Zahlen aus unserer Nachbarschaft: Kettwig hat 4 Fälle, Homberg am Niederrhein hat 3 Fälle, Rheinhausen hat 5 Fälle. In Bardenberg bei Aachen sind keine bekannt. Mettmann hat 6 Kündigungen wegen Mieterhöhung, eine wegen Räumung. In Krefeld sind 0,9 % aller Mietverhältnisse zur Kündigung gelangt. Ich könnte diese amtlichen Zahlen aus den Städten noch vermehren; es würde aber zu weit führen.
Aber es ist noch folgendes aus der großen Stadt Hamburg interessant. Dort befindet sich der sogenannte Kontorhausverband, der allein 383 484 qm bei insgesamt 2271 Mietverträgen vermietet hat; von diesen 2271 Verträgen sind ganze 39 gekündigt worden. Ich glaube also feststellen zu können, daß die Haus- und Grundbesitzer bis zur Stunde sehr weise von dieser Verordnung der Regierung Gebrauch gemacht haben.
({6})
Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt z. B.:
Die kleine Mietpreisreform hat bei weitem nicht in dem befürchteten Umfang Schwierigkeiten gebracht. Es kam nur in wenigen Fällen zu Kündigungen, bei denen durchweg ein Ausgleich der Interessen herbeigeführt werden konnte.
({7})
Ich habe auf diesem Gebiet in der Zwischenzeit auch einige Erfahrungen gesammelt, und wenn der Abgeordnete Jacobi eben von einer Fülle von Briefen sprach, so kann ich ihm diese Briefe von der Gegenseite auch vorlegen; ich habe sie auch in meinem Pult, genau so wie Herr Abgeordneter Jacobi, und ich glaube, ich könnte Sie ebenso überzeugen - vielleicht noch viel besser -, wie Sie es zu tun vermögen. Meine Damen und Herren, man soll das Kind- nicht mit dem Bade ausschütten.
({8})
Es mag sein, daß hier und da einige Härtefälle auftauchen. Unartige Kinder gibt es überall; die gibt es bei Ihnen, die gibt es bei uns - jawohl, auch bei uns, Herr Abgeordneter Jacobi!
Damit wir aber alle diese Dinge auf ein gerechtes Maß zurückführen, hat eben . die Regierung diese Gesetzesvorlage gemacht, und es wird dem Ausschuß überlassen bleiben, das Rechte daraus zu machen.
Ich habe letzthin schon zum Ausdruck gebracht, daß unbedingt etwas zu geschehen hat; und Herr Abgeordneter Jacobi hat erklärt, es werde nicht bestritten, daß der Hausbesitz notleidend sei. Schauen Sie einmal an, wie kraß das Mißverhältnis zwischen Vermieter und Gewerberaummieter ist. Wenn nicht zufälligerweise der Hausbesitzer noch Gewerbetreibender und Eigentümer des eigenen Lokals ist, dann weiß er wahrhaftig nicht, wie er seine Reparaturen durchführen kann, während der Gewerberaummieter sich in den allermeisten Fällen doch sehr gut steht.
Ich glaube, mit diesen Ausführungen, Herr Abgeordneter Jacobi, ist auch das widerlegt, was Sie sagten, als Sie davon sprachen, daß wir besser daran täten, die Anträge, die wir zur Handwerksordnung gestellt hätten, an anderer Stelle anzubringen bzw. die Sache auf andere Weise zu regeln. Der größte Teil aller handwerklichen Betriebe ist, glaube ich, bald in eigenen gewerblichen Räumen untergebracht. Auf der anderen Seite ist es so: Wenn sich Handwerksbetriebe in Altmiethäusern befinden, so haben sie dadurch wesentlich günstigere Startbedingungen als die gewerblichen Betriebe, die sich in der gegenwärtigen Zeit in Neubauten befinden. Ich glaube aber nicht, daß Sie. schon einmal irgendeinen Preisunterschied zwischen den Preisen eines Neuladenbesitzers und denen eines Altladenbesitzers festgestellt haben. Diese Tatsache allein beweist doch, daß keine Änderungen des Preisgefüges als Folge der Mietpreisreform zu erwarten sind. In dieser Beziehung sind keine Auswirkungen zu erwarten.
Ich gebe abschließend noch einmal einer Hoffnung Ausdruck. Ich nehme an, daß dieser Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen überwiesen wird. Dort müssen wir versuchen, eine gerechte Abwägung der Interessen beider Seiten, der Vermieter und der Mieter, vorzunehmen. Ich hoffe, daß es gelingt, eine Lösung zu finden, die beiden Teilen gerecht wird.
Das Wart hat der Abgeordnete Ewers.
Ewers ({0}): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion ist der Ansicht, daß es allerhöchste Zeit ist, daß wir diese Vorlage den beiden gleichen Ausschüssen überweisen, denen wir in der 193. Sitzung den SPD-Antrag auf Aufhebung der hier angezogenen Mietverordnungen überwiesen haben. Denn wenn wir noch zum 1. April mit dem Gesetzgebungsakt fertig werden wollen, müßten die Ausschüsse eigentlich noch heute ihre Arbeit beginnen.
Was nun die Sache selbst anlangt, so bin ich der Ansicht, daß wir die Grundsätze in jener 193. Sitzung so eingehend besprochen haben, daß dazu nichts mehr zu sagen wäre, wenn es nicht Mißverständnisse gegeben hätte. Die Frage, ob die Bundesregierung oder die beiden Herren Bundesminister auf Grund des Grundgesetzes berechtigt waren, diese Mietpreis- und Mietrechtsverordnung allein, ohne Bundesrat durchzuführen, haben wir hier nicht zu entscheiden; darüber müssen die Gerichte und muß in letzter Linie das Bundesverfassungsgericht entscheiden.
Meine Bedenken gegen die Verordnung beruhen auf etwas ganz anderem, und darin bin ich bisher mißverstanden worden. Ich unterstelle, daß die Rechtsüberzeugung der beiden Herren Minister richtig ist. Wir wissen doch aber, daß diese Minister nicht die Meinung vertreten, daß sie diese Materie abschließend regeln könnten. Sie legen deshalb dem Gesetzgebungsorgan, unserm Hohen Hause, den Entwurf eines Gesetzes vor, der ihre Verordnung ergänzen soll, und nennen das eine „Gesamtkonzeption". Ich muß nun ehrlich gestehen: wenn sie, um ihre Gesamtkonzeption durchzuführen, unserer Mitwirkung bedürfen, dann müssen wir verlangen, daß sie sich auch zu dem ersten Schritt unserer Mithilfe bedienen.
({1})
Das läßt sich gesetzestechnisch jetzt fast gar nicht mehr innerhalb angemessener Frist leisten. Wir werden also durch diese Methode, wie wir jetzt sehen, in jene nervöse Eile versetzt, die der Herr Bundestagspräsident zu Beginn der Sitzung in seinen sehr ernsten Worten anläßlich eines erneuten erschütternden Trauerfalles uns als eine schwere Sorge für unsere gesamte Arbeit vorgehalten hat. Ich bin der Ansicht, daß dem in Zukunft auf alle Fälle Rechnung getragen werden muß, daß man uns, wenn es sich um „Gesamtkonzeptionen" handelt, von vornherein bemühen sollte und nicht nur, um da, wo es den Herren Ministern an Macht gebricht, etwas in Ordnung zu bringen.
({2})
Zur Sache nun aber folgendes. Die Konzeption - die Gesamtkonzeption - können meine politischen Freunde sehr wohl gutheißen. Wir haben schon seit Jahr und Tag gefordert, daß im Interesse des notleidenden Hausbesitzes gewisse Bestrebungen, den Mieterschutz aufzuheben, gefördert werden. Wir sind auch der Meinung, daß die Vorschläge des Bundesrats die Vorlage weitgehend verbessert haben. Es bleibt nur die Frage offen - und das ist eine sehr schwierige Frage -, ob die Interessenabwägung, wie sie hier etwas kasuistisch vorgenommen worden ist, in allen denkbaren Fällen das Richtige trifft, und insoweit habe ich gewisse Zweifel anzumelden.
Ich lasse alle Einzelheiten weg und möchte das Augenmerk nur auf folgendes richten: Ist es eigentlich richtig, wenn wir diesen Schutz jetzt für zunächst einmal zwei Jahre - ich sage: „zunächst einmal" zwei Jahre - aufheben wollen, die Mietverhältnisse im Altbesitz, die nach dem 1. Dezember 1951 begründet worden sind, davon auszunehmen? Wir schaffen dann ja in einer Weise Datumsmieten, was die Rechtsanwendung außerordentlich schwierig gestalten würde. Mir scheint es, ehrlich gestanden, nicht darauf anzu({3})
kommen, wann um die Jahreswende 1951/52 ein Mietvertrag begründet worden ist, sondern überhaupt nur darauf, daß die Vorschriften des Mieterschutzgesetzes aufgehoben werden und dafür dieses Gesetz angewendet wird.
Es gibt noch mehr Zeitfragen, z. B. die eben schon angeschnittene: Ist der Stichtag des 1. April 1954 nicht sehr willkürlich gewählt? Das heißt auf deutsch: wenn unser Bundestag gesetzmäßig selig stirbt und nicht vorher aufgehoben wird, wird sein Nachfolger binnen eines reichlichen halben Jahres nach dem Zusammentritt wieder in Zeitdruck versetzt werden und sich mit der Materie befreunden müssen, ob er das Gesetz verlängern will. Ich glaube, diese zwei Jahre sind etwas zu optimistisch gewählt. Aber das sind Erwägungen, deren Erörterung ebenfalls eine gewisse Zeit beansprucht.
Ich bitte, die Vorlage der Regierung dem Ausschuß für Bau- und Wohnungswesen federführend und ferner dem Rechtsausschuß zu überweisen. Die Überweisung an den Rechtsausschuß halte ich für unentbehrlich; denn es handelt sich um Bestimmungen des Widerrufs, der Rückwirkung und der Klageberechtigung, die ohne Durcharbeitung vom rechtlichen Standpunkt aus sicherlich nicht einwandfrei gesetzgeberisch geregelt werden können.
({4})
Das Wort. hat der Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Ich hätte es lieber gesehen, wenn die Verordnungen im November vorigen Jahres den ungefähren Inhalt der jetzigen Gesetzesvorlage enthalten hätten, oder noch besser, wenn wir damals eine Gesetzesvorlage bekommen hätten.
({0})
Wir hätten dann sicher drei Monate Zeit gehabt, das Gesetz zu verabschieden. Jetzt stehen wir vor der Tatsache, daß die Vorlage bis Ende März verabschiedet werden soll. Bei der Überlastung sowohl des 36. Ausschusses wie des Rechtsausschusses wird schon eine ganz intensive Arbeit dazu gehören, bis dahin fertig zu werden. Ich glaube aber nicht, daß das Gesetz bis zum 1. April Gesetzeskraft erlangt haben wird, und die Bundesregierung wird sich überlegen müssen, ob nicht irgend etwas geschehen muß, um das Vakuum, das dann entsteht, zu überbrücken.
Von beiden Seiten sind nun soviele Beispiele genannt worden. Die eine stellten Sie, Herr Jacobi, dar, als Sie die „habgierigen Kapitalisten" auf der Seite der privaten Vermieter kennzeichneten. Ich kann es mir daher nicht verkneifen, gerade Ihnen als Beigeordnetem des Deutschen Städtetages auch einmal eine habgierige Stadtverwaltung vorzuführen, die sogar so weit geht, daß sie von den Mietern gewerblich genutzter städtischer Grundstücke bereits ab 1. Januar 1952 den neuen Mietzins verlangt. Ich habe hier einen Fall: da ist ein Trümmergrundstück; der Mieter hat sich ein kleines Haus hingesetzt, wo er ein kleines Geschäft betreibt und wo er auch wohnt. Bisherige Miete 222 Mark jährlich; . die Stadt verlangt jetzt 600 Mark, eine Steigerung von 240 %. Ich will Ihnen nur noch einen Fall aus derselben Stadt nennen. Ein kleines Grundstück, Größe 48 qm, ist an einen Geschäftsinhaber vermietet, der den Geschäftsbau - ich weiß nicht, ob es sich um ein Provisorium handelt; ich vermute es - selber errichtet hat; vermietet zum Mietpreis von 240 DM. Die wunderbare Begründung, die in allen diesen Kündigungsbriefen
den gleichen Wortlaut hat, heißt: „Der von Ihnen gezahlte Mietzins läßt sich volkswirtschaftlich nicht länger rechtfertigen. Ich bin daher genötigt, den Mietzins ab 1. Januar 1952 zu erhöhen". Und dann erhöht man ihn von 240 auf 1200 DM, das ist eine Steigerung von 400 %.
Ich glaube, Herr Jacobi, Sie hätten gut getan, einmal im Deutschen Städtetag Erhebungen anzustellen, ob nicht diese Auswüchse, die ganz zweifellos da sind, sogar bei den Städten zu verzeichnen sind. Ich will nicht darüber sprechen, ob die leitenden Herren dieser Liegenschaftsverwaltungen nun zu dieser oder jener Seite des Hauses gehören. Das gehört hier nicht her. Ich muß aber leider bekennen, daß es sich um meine eigene Stadt Wuppertal handelt.
({1})
- Ich habe das nur erwähnt, weil die Sünder in jedem Lager zu finden sind.
({2})
- Herr Renner, passen Sie ja auf; sonst nenne ich Ihnen den Namen des Dezernenten der Liegenschaftsverwaltung!, Das will ich aber jetzt nicht tun.
({3})
- Die ist leider nicht gefragt worden. Das ist eine reine Verwaltungsangelegenheit. Das Schlimme ist, daß dieser Dezernent und Leiter der Liegenschaftsverwaltung gar nicht in der Lage gewesen ist, die Verordnungen der Herren Bundesminister zu lesen, sonst wäre er doch sicher nicht auf den Gedanken gekommen, diese Erhöhung rückwirkend ab 1. Januar zu verlangen.
Das sind nun einzelne Fälle. Man hat sich in anderen geeinigt, ab 1. Januar eine um etwa 50 % erhöhte Miete zu zahlen. Das will ich aber nicht alles erwähnen. Ich habe es nur deshalb erwähnt, weil ich glaube: das sind Auswüchse, die bei den Tausenden von gewerblichen Mietverhältnissen wirklich nicht ins Gewicht fallen, die aber eine so schlechte Optik bei der gesamten Bevölkerung erzeugt haben, daß wir es jetzt' außerordentlich schwer haben - und das sage ich als Mann, der durchaus die möglichste Freiheit auch beim Grundeigentum vertritt -, nun eine gerechte Lösung für die Seite der Vermieter zu erreichen. Ich hoffe aber - und da schließe ich mich dem, was Kollege Huth und was Kollege Jacobi gesagt haben, an -, daß wir in den Ausschüssen aus dem Gesetz etwas machen, was möglichst das ganze Haus beschließen kann.
({4})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Es ist der Antrag gestellt, die Vorlage zu überweisen an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen als federführenden Ausschuß, alsdann an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als beteiligte Ausschüsse. Ist das Haus einverstanden?
({0})
- Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Blutspendewesen ({1}) ({2}).
({3})
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, sich mit der Verweisung auf die schriftliche Begründung zu begnügen und auf eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist damit einverstanden.
Die Vorlage soll überwiesen werden an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens. - Kein Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 9 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sorge für die Kriegsgräber ({4}) ({5});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen ({6}) ({7}). ({8})
Hier ist ein Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP zur Geschäftsordnung angekündigt worden. Ist niemand da zur Begründung?
({9})
- Dann erteile ich das Wort zur Berichterstattung dem Abgeordneten Massoth.
Massoth ({10}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Begründung zum Regierungsentwurf des Kriegsgräbergesetzes, Drucksache Nr. 2667, ist ausgeführt, daß die Länder bereits vor geraumer Zeit in der Erkenntnis, daß eine bundesgesetzliche Regelung für die Kriegsgräberfürsorge notwendig sei, der Bundesregierung den Entwurf eines entsprechenden Bundesgesetzes zugeleitet haben. Zu diesem Entwurf hatten sich die kommunalen Spitzenverbände und der Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge geäußert.
Die Fürsorge für die Kriegsgräber des ersten Weltkriegs ist durch das Gesetz vom 29. Dezember 1922 geregelt. Für die Gräber des zweiten Weltkriegs fehlte es bisher an einer Regelung des Bundes. Um nun eine für beide Weltkriege einheitliche Regelung der Kriegsgräberfürsorge zu schaffen, muß das Reichsgesetz vom 29. Dezember 1922 aufgehoben werden. Seine Bestimmungen können jedoch nur sehr begrenzt für die Neuregelung herangezogen werden, da schon die staatsrechtliche Struktur der Bundesrepublik wesentlich anders als die der Weimarer Republik ist. In folgerichtiger Durchführung des Grundgesetzes, insbesondere dessen Art. 83, führen daher allein die Länder nunmehr das Bundesgesetz als eigene Angelegenheit aus. Dagegen erstattet der Bund als Kriegsfolgelast nach Art. 120 des Grundgesetzes die Kosten. Die Länder werden mit einer Interessenquote daran beteiligt.
In der Einleitung des Gesetzes wurde auf Vorschlag des Bundesrates eingefügt „mit Zustimmung des Bundesrates", und zwar mit Rücksicht auf den Inhalt des § 5 dieses Gesetzes, da es sich gemäß Art. 84 Abs. 1 des Grundgesetzes um ein Zustimmungsgesetz handelt.
In Abs. 1 des § 1 ist die übliche Berlin-Klausel eingefügt und in Ziffer 1 des gleichen Absatzes wie auch in späteren Paragraphen das Wort „Weltkrieg 1939/45" in „zweiten Weltkrieg" geändert worden, da die Begrenzung auf das Jahr 1945 zu eng erscheint. Der § 1 bringt gegenüber der bisher für die Kriegsgräber des ersten Weltkrieges geltenden Begriffsbestimmung eine wesentliche Erweiterung durch Hereinnahme der durch unmittelbare Kriegseinwirkungen verstorbenen in- und ausländischen Zivilpersonen. Daher sind auch die Gräber der zivilen Opfer des Bombenkrieges Kriegsgräber. Im ganzen handelt es sich unter Zugrundelegung der Begriffsbestimmung des Gesetzes um rund 513 000 Einzelgräber und rund 320 000 qm Sammelgräber.
In den Buchstaben b und c dieses Paragraphen wurde auf Vorschlag des Bundesrats anstatt „6 Monaten" - denn diese Zeit wird für zu kurz erachtet - „eines Jahres" eingesetzt.
Nach § 2 sind die Länder nunmehr allein Träger der Sorge für die Kriegsgräber, unabhängig davon, in wessen Eigentum die Begräbnisstätten stehen. Sie sind deshalb auch verpflichtet, alle noch bei den Gemeinden befindlichen Unterlagen zur Person und Nachlässe der Gefallenen an eine von der Bundesregierung zu bestimmende Stelle zu übersenden. Sie haben ferner sämtliche in ihrem Gebiet gelegenen Kriegsgräber in Listen nachzuweisen und diese auf dem laufenden zu halten. Bezüglich der Kosten für die erste Anlage einschließlich einer erforderlichen ersten Umbettung sah der Regierungsentwurf eine Erstattung an die Länder zur Hälfte vor. Der Bundesrat hatte unter Berufung auf Art. 120 des Grundgesetzes, nach dem der Bund als Bestandteil der Kriegsfolgelasten die Kosten der Durchführung des Gesetzes zu tragen hätte, vorgeschlagen:
Der Bund trägt die für die Anlegung, einschließlich einer etwa erforderlichen Umbettung, entstehenden tatsächlichen Kosten.
Im übrigen erstattet der Bund die Kosten für
Instandsetzung und Pflege nach Pauschsätzen. Der Auffassung des Bundesrats wurde unter Hinweis auf Art. 83 des Grundgesetzes von Regierungsseite damit widersprochen, daß die Länder und nicht der Bund Träger der Kriegsgräberfürsorge seien und daß es sich nur um eine Erstattung der Kosten durch den Bund handeln könne. Nach längeren Verhandlungen im Ausschuß wurde ein Kompromiß gefunden, wonach der Bund die Kosten für die erste Anlegung in voller Höhe erstattet und bezüglich der Pflege und Instandsetzung die Kosten nach Pauschsätzen - wie im Regierungsentwurf vorgesehen - je zur Hälfte von Bund und den Ländern getragen werden.
In § 3 blieb bis auf die Ersetzung des Wortes „Instandhaltung" durch „Instandsetzung" in der vorletzten Zeile alles unverändert.
Ebenso blieb es beim § 4 bei der Regierungsfassung.
In § 5 wurden die Worte „und die Identität des Bestatteten feststeht" gestrichen, da diese Voraussetzung selbstverständlich erscheint. Der Abs. 4 soll in seiner veränderten Fassung sicherstellen, daß in jedem Fall die Kosten für Umbettungen erhoben werden können, nicht aber Verwaltungsgebühren.
Bezüglich des § 6 ist zu sagen, daß es der Ausschuß für zweckmäßig erachtet, diejenigen Personengruppen, für deren Gräber Bund und Länder die gleiche Sorgepflicht wie für die eigentlichen Kriegsgräber übernommen haben, nämlich die Opfer des Nationalsozialismus, also die politisch, rassisch und religiös Verfolgten, im Katalog des Paragraphen unter a) anstatt unter f) - wie im Entwurf vorgesehen war - zu setzen.
In § 7 ist wieder die Berlin-Klausel die einzige Änderung gegenüber dem Entwurf.
Meine Damen und Herren, es handelt sich hierbei um ein Gesetz bezüglich der Kriegsgräber, soweit sie in den Ländern der Bundesrepublik und im Land Berlin liegen. Die Masse unserer gefalle({11})
nen Soldaten liegt aber außerhalb unseres Bundesgebiets begraben. Wenn auch durch das Genfer Abkommen vom 27. Juli 1929 jedem Land die Verpflichtung auferlegt ist, die Kriegsgräber aller Nationen auf seinem Hoheitsgebiete zu erfassen, nachzuweisen und die Listen den Heimatstaaten zuzuleiten, so sind doch viele Hunderttausende von Familien im Ungewissen über die letzte Ruhestätte ihres oder ihrer Angehörigen. Es erscheint mir deshalb angebracht, hier in wenigen Worten die Arbeit und das Wirken des Volksbundes deutscher Kriegsgräberfürsorge zu würdigen.
({12})
Der Volksbund hat in Wiederanknüpfung seiner Beziehungen mit dem Ausland, begünstigt durch die ehemalige gute Zusammenarbeit zwischen Volksbund und amtlichen Gräberdiensten des Auslandes und nicht zuletzt gefördert durch das Komitee des Roten Kreuzes in Genf ständige Verbindung mit rund 30 europäischen und außereuropäischen Staaten. Die Aufgabe, die der Volksbund übernommen hat, nämlich die Registrierung der Gräber in einer Zentralgräberkartei aller gefallenen und verstorbenen Angehörigen der ehemaligen Wehrmacht und damit in Zusammenhang Grabnachforschungen und Gräbernachweis, ist eine geradezu ungeheuere, zumal durch die chaotischen Verhältnisse der letzten Kriegsmonate viele staatliche Stellen, die Träger von Aufgaben der Kriegsgräberfürsorge waren, ausgefallen waren. Wertvolle Verlust- und Grablagemeldungen waren in alle Winde zerstreut. Nur mittels einer großen Suchaktion des Kriegsgräberbundes nach 1945, die oftmals noch durch Zonengrenzen und völlige Abgeschlossenheit vom Auslande behindert wurde, konnten viele Zehntausende solcher Unterlagen aus allen möglichen Verstecken hervorgebracht werden. Wo heute im Ausland die Möglichkeit gegeben ist, von deutscher Seite aus den Zustand unserer Soldatengräber besser zu gestalten, nutzt sie der Volksbund.
Der Zustand der Gräber ist unterschiedlich, teils würdig, teils mehr als primitiv. Auf deutscher Seite darf daher die Größe der Aufgabe nicht verkannt werden. Es darf auch nicht übersehen werden, daß der Volksbund erst abhelfen kann, wenn eine Rechtsgrundlage geschaffen ist. Zu diesem Zweck müssen baldigst zwischenstaatliche Verträge zwischen der Bundesrepublik und den betreffenden Staaten abgeschlossen werden. Man kann sagen, daß, soweit der Volksbund mit ausländischen Gräberdiensten darüber Gespräche aufgenommen hat, mit Verständnis gerechnet werden kann. Während bei einer Gesamtgefallenenzahl von zwei Millionen des ersten Weltkrieges für rund 1 750 000 Soldaten entweder Todesort oder Grablage ermittelt werden konnte, können bei den deutschen Verlusten des zweiten Weltkrieges, die sich nach groben Schätzungen zwischen drei- und dreieinhalb Millionen insgesamt bewegen, nur für rund 900 000 Todesort und Grablage ausgewiesen werden. Man kann dem Volksbund deutscher Kriegsgräberfürsorge für die mit unendlicher Mühe und mit dem uneigennützigen Einsatz seiner zahlreichen ehrenamtlichen Mitglieder und Mitarbeiter vollbrachten Leistungen nur danken.
Meine Damen und Herren, ich habe den Auftrag, Sie im Namen des Ausschusses zu bitten, dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf in der abgeänderten Fassung ihre Zustimmung zu geben.
({13})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe § 1 auf. Ich rege an, der alten Übung unseres Hauses entsprechend, den Text des Abs. 1 dahin zu ändern, daß statt „soweit sie in den Ländern der Bundesrepublik liegen" gesagt wird „soweit sie in dem Anwendungsgebiet dieses Gesetzes liegen". Ist das Haus mit dieser Änderung einverstanden?
({0})
- Oder dieses Gesetzes; das ist ganz gleichgültig, wir haben j a auch im letzten Paragraphen die Berlin-Klausel. Zum § 1 keine Wortmeldungen. -§ 2,-§3,-§4,-§ 5,-§ 6,-§ 7,-Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
- Einstimmige Annahme. Die zweite Beratung ist geschlossen.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Keine Wortmeldungen. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen. Ich rufe die §§ 1 bis 7, Einleitung und Überschrift auf. - Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe? - Einstimmige Annahme.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenprobe! - Ich stelle einstimmige Annahme fest.
Ich rufe Punkt 10 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({2}) ({3}).
({4})
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Schüttler als Berichterstatter.
Schüttler ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion der SPD betreffend den Entwurf eines Gesetzes über die Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung, Drucksache Nr. 2901, wurde dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen. Er beabsichtigt, die Angestellten unbeschränkt, also ohne Rücksicht auf die Höhe ihres Einkommens, versicherungspflichtig zu machen.
Der Ausschuß befaßte sich in der Sitzung vom 13. Februar 1952 mit diesem Antrag. Schon nach kurzer Debatte wurde von den Ausschußmitgliedern der Regierungskoalition erklärt, daß sie der Vorlage in dieser Form nicht zustimmen können. Es wurde zum Ausdruck gebracht, man befürworte in Anbetracht der veränderten Einkommensverhältnisse sehr wohl eine entsprechende Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze, könne sich aber keinesfalls für deren vollständige Beseitigung einsetzen. Von der Regierung wurde erklärt, daß ein entsprechender Gesetzentwurf, in welchem auch die Erhöhung der Pflichtgrenze für die Angestelltenversicherung vorgesehen sei, ausgearbeitet und dem Kabinett in den nächsten Tagen zugehen werde. Nach dieser Erklärung der Regierung wurde von den Vertretern der Koalitionsparteien
({6})
der Antrag gestellt, die Vorlage abzulehnen, was auch mit Stimmengleichheit geschah. Von den Vertretern der Koalitions- und anderer Parteien wurde hierbei ausdrücklich festgestellt, daß sie nicht deshalb gegen den Initiativantrag gestimmt haben, weil sie eine Erhöhung der Jahresarbeitsverdienstgrenze nicht für notwendig erachten, sondern lediglich deshalb, weil nach der Erklärung des Vertreters des Bundesministeriums für Arbeit in Kürze mit der Einbringung einer Gesetzesvorlage zu rechnen sei, die eine Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung, der Angestelltenversicherung und der Knappschaftsversicherung vorsehe.
Der Ausschuß bittet Sie, sich seinem Beschluß anzuschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten ein in die zweite Beratung. - Ich rufe auf § 1.
Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 461 hat Frau Abgeordnete Louise Schroeder.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Fraktion hat es außerordentlich bedauert, daß die Regierungskoalition, wie der Herr Berichterstatter eben ausgeführt hat, geglaubt hat, im Ausschuß unseren Antrag ablehnen zu müssen. Es ist richtig, daß dabei als Begründung auf den bereits in Vorbereitung befindlichen Gesetzentwurf der Regierung verwiesen wurde. Diesen Gesetzentwurf haben wir bis heute nicht erhalten. Aber was wir durch die Presse von dem Gesetzentwurf erfahren haben, kann uns in keiner Weise beruhigen und ebensowenig eine Begründung für die Ablehnung unseres Antrags darstellen.
Wenn wir Ihnen nunmehr auf Umdruck Nr. 461 einen Änderungsantrag eingereicht haben, der anders lautet als unser ursprünglicher Antrag, so möchte ich, um Mißverständnisse auszuschließen, betonen: Wir halten an unserem grundsätzlichen Gedanken fest, daß eine Sicherung aller Arbeiter und Angestellten für den Fall des Alters und der Invalidität ohne Rücksicht auf ihr Einkommen notwendig ist. Bei der ersten Beratung unseres Antrags habe ich auseinandergesetzt, wie notwendig es gerade in der heutigen Zeit ist, alle Angestellten zu schützen, weil von einem Einkommen, das zeitweilig die Versicherungspflichtgrenze überschreitet, nach langer Arbeitslosigkeit oder einem Kriegsschicksal nichts für die Altersversorgung zurückgelegt werden kann. Ich will darauf heute nicht zurückkommen.
Da wir aber keine Hoffnung haben, unseren damaligen Antrag durchsetzen zu können, haben wir es für notwendig gehalten, auch mit Rücksicht auf die Notizen, die über den Regierungsentwurf in die Presse lanciert worden sind, einen Antrag einzubringen, der wenigstens die Versicherungspflichtgrenze insoweit ändert, als es den heutigen veränderten Gehalts- und Preisverhältnissen entspricht. Dadurch, sage ich noch einmal, rücken wir in keiner Weise von unserem Grundsatz ab. Sie sehen auf Umdruck Nr. 461, daß wir eine Versicherungspflichtgrenze von 12 000 DM an Stelle der gegenwärtigen von 7200 DM vorschlagen. Ich darf Ihnen dazu folgende Begründung geben: Die gegenwärtige Grenze für Angestellte in der Angestelltenversicherung ist im Jahre 1933 festgesetzt worden. Wenn wir den Preisindex zugrunde legen, der im Jahre 1918 mit 100 berechnet wurde, so hatten wir im Jahre 1933 einen Lebensmittelpreisindex von 120. Dieser Lebensmittelpreisindex ist bis zum Jahre 1951 auf 206, also um 40 %, gestiegen. Trotzdem haben wir auch heute noch die Versicherungspflichtgrenze von 7200 DM. Unser Antrag beabsichtigt nunmehr eine Erhöhung um die gleichen 40 %, um die der Lebensmittelindex gestiegen ist, nämlich von 7200 auf 12 000 DM.
Meine verehrten Herren und Damen! Wir haben den Regierungsentwurf noch nicht und wissen auch nicht, wann wir ihn erhalten. Ich erinnere nur daran, daß wir seit Monaten auf den Regierungsentwurf warten, der auf dem hier gefaßten Beschluß beruht, die Versicherungspflichtgrenze für die Krankenversicherung auf 500 DM monatlich zu erhöhen. Der Regierungsentwurf sieht, wie wir der Presse entnommen haben, für die Angestelltenversicherung eine Erhöhung auf 8400 DM vor. Wir haben schon einmal eine Versicherungspflichtgrenze von 8400 RM gehabt. Das war im Jahre 1928. Damals stand der Lebensmittelindex auf 120, heute steht er, wie ich schon ausführte, auf 206. Es ist also ganz unmöglich, sich mit der Erhöhung auf einen Betrag abzufinden, der 1928 maßgebend war. Ich möchte deshalb alle Fraktionen dieses Hauses dringend bitten, sich noch einmal die Frage zu überlegen, ob es ihnen nicht möglich ist, auf Grund unseres Antrags wenigstens auf 12 000 DM zu gehen.
In der Öffentlichkeit ist gesagt worden, dadurch müßte eine Steigerung der Beiträge und infolgedessen eine Verteuerung der Produktion erfolgen. Schon in der vorigen Beratung habe ich gesagt, daß die Beiträge wie bisher auf Grund eines Gehalts von 600 DM monatlich und entsprechend auch die Rente berechnet werden 'sollen. Um aber die Sache völlig zu klären, haben wir unserem Antrag einen § 2 angefügt, der ausdrücklich sagt, daß die Vorschriften über die bisherige Beitragshöchstgrenze unberührt bleiben. Es kann sich also niemand zu einer Ablehnung deshalb veranlaßt sehen, weil er etwa eine Verteuerung der Produktion oder eine Erhöhung der Kosten des Arbeitgebers befürchtet.
Wenn Sie unserem Antrag nicht folgen, ist eine andere Befürchtung gegeben: der Angestellte, der die Pflichtgrenze von 7200 DM vielleicht um 50 DM. um 100 DM monatlich oder um ein paar hundert DM jährlich überschreitet, wird, um sich für den Fall des Alters und der Invalidität zu sichern -, was angesichts der Verhältnisse, in denen wir leben, heute eigentlich jeder Mensch tun muß -, die Beiträge allein bezahlen müssen und auf diese Weise unter Umständen ein Nettogehalt haben, das niedriger als vor der Gehaltserhöhung ist.
Ich bitte Sie deshalb, dem Antrage, den wir Ihnen heute vorlegen und in dem wir Ihnen eine Konzession gemacht haben, indem wir nicht eine unbegrenzte Versicherung, sondern eine Versicherung auf Grund einer Pflichtgrenze vorsehen, Ihre Zustimmung zu geben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Auftrage meiner Parteifreunde bitte ich, den Antrag der SPD-Fraktion auf Umdruck Nr. 461 abzulehnen, nicht deshalb, weil die Versicherungspflichtgrenzen in der Sozialversicherung keiner Änderung bedürfen, sondern deshalb, weil dem Bundesrat schon ein Regierungsentwurf vorliegt, der sich mit der Erhöhung der Versiche({0})
rungspflichtgrenze in der Krankenversicherung, in der Angestelltenversicherung und auch in der Knappschaftsversicherung beschäftigt. Wenn ein solcher Entwurf von der Regierung vorbereitet ist und in den nächsten Tagen diesem Hause zugehen wird, ist es, glaube ich, nicht notwendig, daß wir uns heute, bevor dieser Entwurf bei uns eingeht, mit dieser Materie beschäftigen. Wir sind der Meinung, daß wir auch in der Gesetzgebung rationell arbeiten sollten, zumal wir gerade im Sozialpolitischen Ausschuß noch eine ganze Reihe von Gesetzesvorlagen vorliegen haben, die ihrer Erledigung harren.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Für die Fraktionen der Freien Demokratischen Partei und der Deutschen Partei möchte ich mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Arndgen von der Christlich-Demokratischen Union anschließen. Wir sollten uns auch die Ausführungen des Herrn Präsidenten zu Gemüte führen und uns vor unnötiger Doppelarbeit immer dann hüten, wenn Regierungsvorlagen bereits in dem Parlamentsgetriebe, in dem vorliegenden Fall bereits beim Bundesrat sind. In einer Situation, in der wir wahrlich alle überbelastet sind, sollten wir uns eine doppelte Beratung im Sozialpolitischen Ausschuß oder hier im Plenum nicht leisten. Ich glaube, die Frage der Erhöhung der Versicherungspflichtgrenze ist hier bei den verschiedenen Lesungen so gründlich diskutiert worden, daß die weiteren materiellen Fragen im Ausschuß ernsthaft nur gemeinsam mit der Regierungsvorlage behandelt werden können. Wir bitten daher, den Antrag der Sozialdemokratischen Partei abzulehnen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Änderungsantrag zu § 1 des Gesetzentwurfs auf Drucksache Nr. 2901. Der Änderungsantrag findet sich auf dem Umdruck Nr. 461. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages - Ziffern 1 und 2 - ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse über § 1 in der Fassung der Drucksache Nr. 2901 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
({0})
- Wir sind in der zweiten Lesung; nach der Geschäftsordnung muß ich über die einzelnen Paragraphen der Vorlage abstimmen lassen. Wer für die Annahme des § 1 des Gesetzentwurfs Drucksache Nr. 2901 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Wer für die Annahme des § 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Wer für die Annahme von Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Abgelehnt.
Damit sind in der zweiten Beratung sämtliche Bestimmungen des Antrages abgelehnt. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe Punkt 11 der Tagesordnung auf: Zweite Beratung des Von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Versicherungspflicht in der Knappschaftsversicherung ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({2}) ({3}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Atzenroth als Berichterstatter.
Dr. Atzenroth ({4}), Berichterstatter: Meine Damen und Herren! Auch dieser Gesetzentwurf hat dem Sozialpolitischen Ausschuß vorgelegen. Hier hat sich dieselbe Sachlage ergeben. Die Mehrheit des Sozialpolitischen Ausschusses war der Ansicht, daß eine Erhöhung der Pflichtgrenze nach § 28 des Knappschaftsversicherungsgesetzes notwendig ist. Sie war aber auch gleichzeitig der Ansicht, daß das angekündigte Gesetz der Regierung abgewartet und deshalb der hier vorliegende Gesetzentwurf abgelehnt werden sollte.
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Bei dieser Beschlußfassung waren - das möchte ich besonders betonen - noch keine Sätze bekannt, wie sie in den letzten Tagen in der Presse mitgeteilt worden sind. Der Ausschuß hat sich also bei seiner Beschlußfassung an keinen bestimmten Satz gehalten. Er hat nur im Hinblick . auf das zu erwartende Gesetz, das jetzt schon dem Bundesrat vorliegt, mit Mehrheit beschlossen, den Gesetzentwurf auf Drucksache Nr. 2902 abzulehnen. Ich habe den Auftrag, Sie zu bitten, dieser Ablehnung zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Wir treten in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf Art. 1. Dazu liegt ein Änderungsantrag der SPD-Fraktion auf Umdruck Nr. 462 vor. Er wird begründet von Herrn Abgeordneten Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Umdruck Nr. 462 legt Ihnen meine Fraktion einen Änderungsantrag zu der Drucksache Nr. 2902 vor. Ich darf dazu einige kurze Bemerkungen machen. Entsprechend den Wünschen und Forderungen aller im Bergbau beschäftigten Angestellten hatten wir in unserem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 2902 gefordert, daß durch die Beseitigung der Versicherungspflichtgrenze in der knappschaftlichen Rentenversicherung alle im Bergbau beschäftigten Angestellten der Versicherungspflicht unterliegen sollten. Wir haben soeben von dem Herrn Berichterstatter gehört, daß der Sozialpolitische Ausschuß unseren Antrag mit Mehrheit abgelehnt hat, ja es sogar abgelehnt hat, in eine sachliche Beratung einzutreten, und zwar mit der Begründung - wie der Herr Berichterstatter ausgeführt hat -, daß es sich, da die Regierung demnächst eine entsprechende Vorlage einreichen werde, erübrige, die Beratung durchzuführen. Ich stelle diese Tatsache ausdrücklich fest, da doch unser Antrag in diesem Hohen Hause am 17. Januar dieses Jahres dem Sozialpolitischen Ausschuß zur weiteren Beratung überwiesen worden ist. In der Aussprache anläßlich dieser Überweisung hat beispielsweise auch der Herr Kollege Horn. als Sprecher der CDU-Fraktion zum Ausdruck gebracht, „daß die Anpassung in der Angestelltenversicherung und vor allen Dingen in der knappschaftlichen Rentenversicherung dringend und eilig sei." Das ist doch mit ein Beweis dafür, daß
({0})
die Dinge brennend sind und wir uns deshalb im Ausschuß mit der Beratung hätten beschäftigen müssen.
({1})
Ich glaube, die Tatsache der glatten Ablehnung durch die Mehrheit im Ausschuß besagt eigentlich etwas anderes, als der Herr Kollege Horn es damals hier ausgeführt hat.
Unser Änderungsantrag fordert, den § 7 des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes zu ändern. Diese Änderung erweist sich auf Grund der gestiegenen Gehälter als notwendig. Der § 7 besagt, daß beispielsweise die Angestellten in den knappschaftlichen Betrieben, soweit sie der Versicherungspflicht nach dem Angestelltenversicherungsgesetz unterliegen, nur bis zur Jahresarbeitsverdienstgrenze von 8 400 DM versichert sein sollen. Wir beantragen nun in unserem Änderungsantrag, daß diese Zahl 8 400 durch die Zahl 14 400 ersetzt wird.
Nachdem unser Antrag Drucksache Nr. 2902, der alle Angestellten, die im Bergbau beschäftigt sind, in den knappschaftlichen Versicherungsschutz einbeziehen wollte, abgelehnt worden ist, wollen wir nun wenigstens den Personenkreis der Angestellten erfassen, der schon seit Jahrzehnten der knappschaftlichen Rentenversicherung angehört hat, nämlich die Abteilungssteiger und ähnliche. Durch das veränderte Gehaltsgefüge sind selbst diese Kreise heute aus der Versicherungspflicht herausgewachsen. Wie ist denn die Situation in Wirklichkeit, meine Damen und Herren? Während beispielsweise von 1934 bis 1946 die durchschnittliche monatliche Einkommensgrenze eines Abteilungssteigers bei 350 Mark lag, lag die Versicherungsgrenze damals bei monatlich 600 Mark oder jährlich 7 200 Mark. Demgegenüber beträgt das heutige Durchschnittseinkommen desselben Grubenangestellten monatlich 850 DM, wozu in den meisten Fällen noch eine variable Prämie von ca. 300 DM kommt. Die Versicherungspflichtgrenze liegt dagegen heute nach dem Anpassungsgesetz bei 700 DM monatlich oder 8 400 DM jährlich. Wir sind der Meinung, daß im Hinblick auf die Höhe der heutigen Einkommensgrenze unsere Forderung von 14 400 DM wohl berechtigt ist. Nach dem jetzt geltenden Recht müßte jedenfalls der größte Teil der im Bergbau Angestellten aus der Rentenversicherung ausscheiden, weil eben die Gehaltsbezüge wesentlich höher liegen.
Es wird nun sehr oft gesagt, diese Personengruppen hätten die Möglichkeit, beim Ausscheiden aus der Pflichtversicherung wegen Überschreitung der Jahresarbeitsverdienstgrenze von dem Recht der freiwilligen Weiterversicherung Gebrauch zu machen. Aber, meine Damen und Herren, dann müssen eben die Beiträge von den Versicherten allein getragen werden. Da der Prozentsatz der Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung heute 22,5 v. H. beträgt, ist es immerhin eine beträchtliche Summe, die der Einzelversicherte aufzubringen hat. Will man dem Bergbauangestellten auf Grund der Schwere und Gefährlichkeit seines Berufs die Stellung einräumen, auf die er Anspruch hat, so muß man auch seine Versicherungspflichtgrenze erhöhen. Wir fordern in unserem Antrag eine Einkommensgrenze von, wie ich schon sagte, 1200 Mark monatlich. Damit aber diesem Angestellten keine zusätzliche finanzielle Belastung durch höhere Beiträge entsteht, verlangen wir in einem Zusatzantrag, den ich dem Herrn Präsidenten überreichen darf, daß die Vorschriften über die bisherigen Beitragsgrenzen unberührt bleiben.
({2})
Zum Schluß möchte ich kurz noch folgendes sagen. Ich glaube, wir alle in diesem Hohen Haus und auch das gesamte deutsche Volk sind an der Fördersteigerung im Bergbau stärkstens interessiert. Gute Ansätze für diese Fördersteigerung sind im Augenblick vorhanden. Sie kann nur gehalten und sogar erhöht werden durch verstärkten Einsatz und durch Zusammenarbeit zwischen den Bergarbeitern und den Bergbauangestellten. Diese Einsatzfreudigkeit zu erhalten, sollte unsere gemeinsame Aufgabe sein.
({3})
Ebenso sind an der Knappschaftsrentenversicherung sowohl die Bergleute als auch die Bergbauangestellten lebhaft interessiert. Sorgen Sie dafür, meine Damen und Herren, daß durch Annahme unseres Antrags das Vertrauen der Bergarbeiterschaft und der Bergbauangestellten gefestigt und nicht erschüttert wird, denn an der Ruhe im Bergarbeiterrevier, im Ruhrgebiet, sind, glaube ich, wir alle außerordentlich interessiert. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
({4})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arndgen.
Mehr sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Regierungskoalition beantrage ich, auch den Antrag der SPD-Fraktion Umdruck Nr. 462 abzulehnen. Zur Begründung dieses meines Antrags verweise ich auf meine Ausführungen, die ich zu Punkt 10 der Tagesordnung gemacht habe. Darüber hinaus halte ich es aber doch für notwendig, zu diesem Antrag einige Zeilen aus einem Schreiben der Industriegewerkschaft Bergbau vom 22. Februar vorzulesen. In diesem Schreiben heißt es u. a.:
Es ist daher notwendig, die Versicherungspflichtgrenze wesentlich zu ändern, und zwar geht der Vorschlag der Industriegewerkschaft Bergbau dahin, dieselbe auf 850 DM monatlich festzusetzen.
({0})
Das ist eine Anregung der Industriegewerkschaft Bergbau!
({1})
- Ich kann auch noch weiter lesen:
'Durch die Neufassung des § 28 und die Festsetzung der Versicherungspflichtgrenze auf 850 DM würden die Mängel in der knappschaftlichen Rentenversicherung, wie sie zur Zeit für die Angestellten des Bergbaus bestehen, beseitigt werden.
({2})
Ich glaube, zwischen einer Versicherungspflichtgrenze, wie sie die SPD-Fraktion hier beantragt, und den Vorschlägen der Bergarbeiter besteht eine derartige Differenz, daß man sich darüber im Ausschuß einmal eingehend unterhalten muß. Daher
({3})
bin ich der Meinung, daß wir diesen Antrag ablehnen und bis zur Entscheidung dieser Frage die Regierungsvorlage abwarten sollten.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dannebom.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, noch einmal das Wort ergreifen zu müssen. Herr Kollege Arndgen, wenn Sie schon auf ein Schreiben der Industriegewerkschaft Bergbau verwiesen haben, dann hätten Sie dieses Schreiben auch so vorlesen sollen, wie es Ihnen bekannt ist.
({0})
Dort wird nämlich gesagt:
Wir sind der Auffassung, daß alle im Bergbau beschäftigten Angestellten der knappschaftlichen Versicherungspflicht ohne Rücksicht auf die Einkommenshöhe unterliegen sollen.
({1})
Herr Arndgen, das ist das Schreiben, das auch Sie haben, und in diesem Schreiben kommt das zum Ausdruck, was wir in unserem Antrag Drucksache Nr. 2902 gefordert haben. Man erklärt sich hier lediglich damit einverstanden, die Beitragsgrenze auf 850, DM festzusetzen. Ich glaube, das muß im Interesse der Angelegenheit doch noch einmal zum Ausdruck gebracht werden.
({2})
An der Forderung, daß alle im Bergbau Angestellten, die durch das Zechentor gehen, der Rentenversicherungspflicht unterliegen sollen, ist die Industriegewerkschaft Bergbau stärkstens interessiert. Ich denke, diese Richtigstellung ist einmal sehr notwendig gewesen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen dann zur Abstimmung. Zu Art. 1 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 462 vor. Dazu ist ein Ergänzungsantrag eingebracht worden, den ich dahin verstehe, daß diese Ergänzung in den Antrag Umdruck Nr. 462 eingefügt werden soll.
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- Dann kann ich also zunächst über den Änderungsantrag mit dieser Einfügung abstimmen lassen und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
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- Enthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Art. 1 und 2 der Drucksache Nr. 2902. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; abgelehnt.
Einleitung und Überschrift! Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Abgelehnt.
Damit ist wohl dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe nun Punkt 12 der Tagesordnung auf: Zweite und dritte Beratung der Entwürfe eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und eines Wirtschaftsstrafgesetzes ({2});
Erster Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({3}) ({4}). ({5})
Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Dr. Arndt ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Bericht ist deshalb als der erste bezeichnet, weil er sich leider auf das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten beschränken muß, dagegen über das Wirtschaftsstrafgesetz erst später ein zweiter Bericht erstattet werden kann. An sich hätte es sich gerade in diesem Falle empfohlen, den Bericht schriftlich auszuarbeiten. Ich muß um Entschuldigung bitten, daß wegen meiner vielfachen Verpflichtungen diese Möglichkeit für mich nicht bestand.
Die Bundesregierung hat seinerzeit in einer gemeinsamen Vorlage Entwürfe für ein Gesetz über Ordnungswidrigkeiten und für ein Wirtschaftsstrafgesetz eingebracht. Angesichts des Umstandes, daß an diesen Vorlagen außer dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, mindestens soweit es sich urn das Wirtschaftsstrafgesetz handelt, auch der Ausschuß für Wirtschaftspolitik und der Ausschuß für Landwirtschaft auf das stärkste sachlich beteiligt sind, gelang es bisher nicht, die Vorlage über das Wirtschaftsstrafgesetz so eingehend zu beraten, daß eine Berichterstattung und eine Verabschiedung schon möglich wären. Infolgedessen haben die Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP I und DP, worauf hinzuweisen ich auch ersucht worden bin, sich entschließen müssen, einen Initiativantrag einzubringen, der zu diesem Punkt der Tagesordnung auch behandelt werden wird. Es handelt sich dabei um die Drucksache Nr. 3149, berichtigt durch den Umdruck Nr. 459. Das Wirtschaftsstrafgesetz verliert ja. seine Geltung am 31. März dieses Jahres, falls es nicht durch ein Gesetz in seiner Geltungsdauer verlängert wird. Da eine abschließende Beratung bisher nicht möglich war, haben, wie gesagt, die Fraktionen sich entschlossen, durch ihr Initiativgesetz diese Verlängerung der Geltungsdauer bis zum 31. Dezember dieses Jahres vorzunehmen, in der Hoffnung, daß bis dahin eine abschließende Beratung möglich ist.
Rein äußerlich sieht der Initiativgesetzentwurf etwas schwierig aus. Er bringt aber lediglich eine technische Anpassung an das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, über das ich noch zu berichten haben werde, und keine sachliche Veränderung des Wirtschaftsstrafrechts. Dem Gesetzentwurf ist auch eine Begründung beigefügt. Ich darf hervorheben, daß das Bundesjustizministerium sowohl das Initiativgesetz als auch die Begründung ausgearbeitet hat, so daß wir für diese Arbeit dem Bundesjustizministerium unseren Dank schulden.
Der erste Mündliche Bericht beschränkt sich also auf das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Vorweg habe ich einige Druckfehler zu berichtigen, die sich noch herausgestellt haben. In § 41 muß Abs. 2 in der rechten Spalte wie Abs. 2 der Regierungsvorlage lauten. In § 61 Abs. 1 rechte Spalte muß es im letzten Satz heißen: „... nicht mehr geändert oder aufgehoben werden". In § 66 muß es statt „Kasten des Gerichtskostengesetzes" heißen: „Vor({7})
schriften des Gerichtskostengesetzes". In § 67 Abs. 1 muß es statt „oberste Landesverwaltungsbehörde" heißen: „oberste Landesbehörde".
Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten hat so, wie es die Regierung eingebracht hat, im wesentlichen die Zustimmung der beteiligten Ausschüsse, insbesondere des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht gefunden. Grundlegende Änderungen haben wir an dem Gesetzentwurf nicht vorgenommen. Das Gesetz ist ein Rahmengesetz, bestimmt, das Gebiet des Verwaltungsunrechts für alle Bereiche der Verwaltung einheitlich zu regeln, künftig also nicht mehr nur für die Wirtschaftsverwaltung, sondern überhaupt für das gesamte Gebiet des Gewerbes, auch die Arbeitsverwaltung, die Verkehrsverwaltung, Energieverwaltung und was sonst in Betracht kommt. Diese Gebiete sollen entpönalisiert werden. Die Verwaltung soll eine eigene Befugnis bekommen, Verstöße, die nicht echtes Strafunrecht sind, in anderer Weise, nun, man kann nicht 'sagen: zu ahnden, sondern für diese Verstöße gewissermaßen eine Art Schadensersatz in Gestalt einer Gebühr zu fordern. Der Beteiligte soll Rechtsschutz genießen durch die Möglichkeit, Gerichte anzurufen, die in diesem Falle keine Strafgerichte sind, so daß auch die Staatsanwaltschaft dabei nicht mitwirkt.
In § 1 des Entwurfs haben wir geglaubt, die begriffliche Klarstellung stärker herausarbeiten zu sollen, herauszuarbeiten, daß eine Ordnungswidrigkeit als Verwaltungsunrecht wesensverschieden ist von einer Straftat und zur Straftat nicht im Verhältnis des bloß Minderen, sondern des Anderen steht. Vor allem kommt dies im § 1 Abs. 3 zum Ausdruck, der klarstellt: es kommt auf den Einzelfall an, ob eine Handlung ihren Umständen nach
I) eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat ist. Sie kann immer nur eines von beiden sein.
§ 3 bestimmt jetzt deutlicher den sachlichen Geltungsbereich: daß es sich bei diesem Rahmengesetz zunächst nur um Bundesrecht handelt. Wir hoffen aber, daß ähnlich wie sonst bei den Kodifikationen des Bundesrechts es sich die Länder angelegen sein lassen werden, dieses Bundesverwaltungsrecht auch für ihr Landesverwaltungsrecht anwendbar zu machen.
Die Änderung im § 4, der Bestimmung, die sich auf den Irrtum bezieht, erklärt sich daraus, daß wir stärker als bisher das Gesetz über die Ordnungswidrigkeiten vom Wirtschaftsstrafgesetz getrennt haben. Infolgedessen konnte sich die Irrtumsbestimmung nicht mehr auch auf Straftaten beziehen, sondern sie mußte jetzt auf das Verwalwaltungsunrecht beschränkt werden. Daraus erklärt sich auch, daß die Irrtumsvorschrift nicht mehr unter den allgemeinen Bestimmungen vorne im § 4 steht, sondern an eine andere Stelle gerückt ist, und zwar unter den Abschnitt „Ordnungswidrigkeiten", § 12.
Die Unterscheidung zwischen Verwaltungsunrecht und Straftat wird besonders deutlich im § 7, eine der wenigen Bestimmungen, in denen wir eine sachliche Änderung vorgenommen haben. Die Regierungsvorlage sah bei § 7 vor, daß bei der Bemessung der Geldbuße für eine Ordnungswidrigkeit auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen sind, eme Selbstverständlichkeit im Strafrecht, weil im Strafrecht der Täter bestraft wird, es infolgedessen auf seine Individualität und auf die subjektiven Umstände entscheidend ankommt. Wir haben uns jedoch überzeugt und sind zu der einhelligen Auffassung gelangt, daß der igleiche Grundsatz für das Verwaltungsunrecht keine Anwendung finden kann. Dort ist die Geldbuße lediglich nach objektiven Maßstäben für die Tat zu bemessen, aber nicht nach dem Täter. Ein Beispiel: Sehen Sie, ein Verwaltungsunrecht kann ein Parken an einer unerlaubten Stelle sein, und die durch diese Ordnungswidrigkeit verwirkte Geldbuße für das unrichtige Parken kann nicht 'in ihrer Höhe danach bestimmt werden, ob der Täter nun vermögend oder unvermögend oder ob er Bezieher eines hohen oder geringen Einkommens ist, sondern sie richtet sich ausschließlich nach dem sachlichen Umfang der Tat, zu der allerdings auch der Grad der Schuld gehört, nicht 'dagegen die anderen persönlichen und individuellen Umstände des Täters. An diesem § 7 wird der Wesensunterschied, das wesentliche Anderssein zwischen Verwaltungsuiarecht und kriminellem Unrecht besonders sinnfällig.
Im übrigen haben wir geglaubt, in einer Reihe von Bestimmungen rechtsstaatlichen Erfordernissen noch eine 'stärkere Beachtung verschaffen zu sollen, als es bereits weitgehend in der Regierungsvorlage geschehen war. Durch § 9 a haben wir die bekannte gebührenpflichtige Verwarnung für Ordnungswidrigkeiten wieder eingeführt, aber mit der Maßgabe, daß der Betroffene zu belehren ist und zur sofortigen 'Zahlung bereit und mit der Gebühr auch einverstanden sein muß.
Im § 12 a finden 'Sie dann die Irrtumsbestimmungen, nun auf die bloße Ordnungswidrigkeit beschränkt.
Im Dritten Abschnitt ist in § 14 a und den folgenden die Einziehung behandelt. Hierbei zeigt sich der Charakter des Gesetzes als eines Rahmengesetzes. Keineswegs bei allen Ordnungswidrigkeiten wird eine Einziehung in Betracht kommen. Ein Kraftwagen, der ordnungswidrig in eine Einbahnstraße einbiegt, braucht deshalb noch nicht eingezogen zu werden. Infolgedessen wird die Einziehung nur dann zulässig sein, wenn sie im Spezialgesetz, wie etwa im Wirtschaftsstrafgesetz, nochmals ausdrücklich angeordnet ist. Die Zulässigkeit der Einziehung konnte deshalb auch wieder nach der klassischen Formel auf solche Gegenstände beschränkt werden, die, wie es im § 15 heißt, durch eine Zuwiderhandlung gewonnen oder erlangt worden sind, während die Regierungsvorlage nach dem Muster des Wirtschaftsstrafgesetzes noch die sehr viel weitere Möglichkeit einer Einziehung vorsah.
In § 20 haben wir die Rechte Dritter an Gegenständen, die eingezogen werden können, verstärkt.
Bei § 26 haben wir es für erforderlich gehalten, daß bei der Bestellung von Beamten zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft auch stets die zuständigen Landesjustizminister mitwirken, weil die Staatsanwaltschaft den Landesjustizministern untersteht.
Im § 33 haben wir das Recht der Verwaltungsbehörde 'auf Akteneinsicht eingeschränkt. Nach der Regierungsvorlage 'bestand es in jeder Lage des Verfahrens. Wir haben einen Rechtsanspruch der Verwaltungsbehörde nur nach Schluß der Voruntersuchung oder nach Einreichung der Anklageschrift gewährt, während es im übrigen vor diesem Zeitpunkt in dem Ermessen der Gerichtsbehörden steht, ob diese Akteneinsicht ohne Gefährdung des Untersuchungszweckes gewährt werden kann. Auch das Einsichtsrecht der Verwaltungsbehörden im § 35 haben wir aus rechtsstaatlichen Gründen entsprechend eingeschränkt.
({8})
Ebenfalls haben wir in § 37 aus rechtsstaatlichen Gründen den Abs. 2 der Regierungsvorlage gestrichen, wonach die Verpflichtung zur Einsichtgewährung nicht durch ein Zeugnisverweigerungsrecht aufgehoben werden sollte. Wir haben in vollem Umfange die bewährten Grundsätze der Strafprozeßordnung für anwendbar erklärt.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur Regierungsvorlage besteht in § 40 und in unserem § 40 a. Nach der Regierungsvorlage hatten die Verwaltungsbehörden das Recht der Beschlagnahme, soweit Gegenstände als Beweismittel in Betracht kommen oder der Einziehung unterliegen können. Wir haben uns auf den Standpunkt gestellt, daß die Anordnung von Beschlagnahmen, wie jetzt in
40 a bestimmt wird, grundsätzlich dem Richter, nicht aber der Verwaltungsbehörde zukommt. Nur bei Gefahr im Verzug soll auch die Verwaltungsbehörde zu Beschlagnahmen befugt sein. Der Begriff Gefahr im Verzug wird hierbei eng auszulegen sein. Wir beobachten im Gebiet des allgemeinen Strafrechts einen ständigen Mißbrauch der Polizeibehörden, für die sozusagen immer Gefahr im Verzug besteht. Gefahr im Verzug kann nur in Betracht kommen, wenn ein Richter nicht rechtzeitig erreichbar ist, insbesondere also zur Nachtzeit oder an einem Ort, an dem sich kein Gericht befindet. Soweit aber ein Richter erreichbar ist, wird die Verwaltungsbehörde ihrerseits von Beschlagnahmen abzusehen haben und es dem Richter überlassen müssen, ob er die Beschlagnahme anordnet oder nicht.
In § 40 a Abs. 2 und 3 ist dann ein verstärkter Rechtsschutz im Falle von Beschlagnahmen gegeben.
In § 43 haben wir stärker herausgestellt, daß die Verteidigung grundsätzlich nur Aufgabe der Personen ist, die als Verteidiger auch nach dem Strafprozeßrecht in Betracht kommen und daß andere Personen nur im Bereiche ihres Sachgebiets als Verteidiger tätig werden dürfen. Der Bücherrevisor, der als Verteidiger bei einer Ordnungswidrigkeit des Wirtschaftsverwaltungsrechts in Betracht kommt, soll also nicht etwa als Verteidiger auftreten bei Verletzungen der Straßenverkehrsordnung.
In § 50 haben wir die Gerichtsorganisation verändert und den Amtsrichter als Einzelrichter grundsätzlich zuständig gemacht. Wir haben auch hier den Rechtsschutz verstärkt. Während nach § 50 Abs. 2 der Regierungsvorlage die Anordnung einer mündlichen Verhandlung im Ermessen des Gerichts lag, ist jetzt durch unseren § 50 Abs. 3 bestimmt, daß auf Antrag des Betroffenen oder wenn der Amtsrichter es für erforderlich hält, die mündliche Verhandlung stattfinden m u ß ; denn mündlich zu verhandeln ist einer der elementarsten Grundsätze des deutschen Verfahrensrechtes. Wir haben auch hier dem Gericht die Verpflichtung auferlegt, von Amts wegen alles zur Erforschung der Wahrheit Erforderliche zu tun. Damit ist im Beweisrecht insbesondere die Vorwegwürdigung von Beweismitteln ausgeschlossen.
In § 55 haben wir die Rechtsmittel verbessert. Es sollte eine Rechtsbeschwerde nach der Regierungsvorlage nur dann gegeben sein, wenn es sich um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung handelte, während wir die Rechtsbeschwerde schlechthin gegeben haben.
Ebenso haben wir in § 56 klargestellt, daß die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, Anklage zu erheben, wenn ein Gericht die strafgerichtliche Verfolgung beschließt; denn die Entscheidung nach den §§ 53 ff. ist eine Kompetenzentscheidung, die sowohl für die Strafgerichtsbarkeit als auch für die Verwaltung bindend sein muß.
In § 62 haben wir gleichfalls aus rechtsstaatlichen Gründen die Möglichkeit der Unterwerfung eingeschränkt. Die vielen Eingaben, die uns erreicht haben, konnten uns nicht davon überzeugen, daß wir dem Unfug der Unterwerfungsverhandlung, wie wir ihn in früheren Zeiten erlebt haben, wieder Raum geben sollten. Zur Leitung einer Unterwerfungsverhandlung ist nur der Behördenchef berufen oder sein allgemein bestellter Vertreter oder ein mit der Durchführung von Unterwerfungsverhandlungen allgemein beauftragter Verwaltungsangehöriger, der die Befähigung zum Richteramt oder zum höheren Verwaltungsdienst besitzt.
Schließlich - das ist das letzte, was ich auszuführen habe - ist in § 64 bei der Erzwingungshaft klargestellt, daß sie nur angeordnet werden darf, wenn ein begründeter Anlaß zu der Annahme besteht,. daß der Betroffene sich der Zahlung der Geldbuße zu entziehen sucht. Auf bloßen Verdacht hin ist das nicht möglich. Es wird vielmehr gefordert werden müssen. daß dem Beweise zugängliche Tatsachen festgestellt werden, aus denen sich diese Annahme herleiten läßt.
Wir sind. uns über alle diese Einzelheiten im Ausschuß einig geworden. Ich habe die Ehre, Sie im Namen des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu bitten, dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten in der vom Ausschuß vorgeschlagenen Fassung Ihre Zustimmung zu erteilen.
({9})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, irgendwelche Änderungsanträge liegen nicht vor; aber der Herr Berichterstatter hat eine Reihe von Berichtigungen verlesen. Ich nehme an, daß das Haus diese Berichtigungen zur Kenntnis genommen hat und daß sie als Bestandteil, der Vorlage anzusehen sind. Ich darf dann aufrufen die §§ 1, - 2, - 3, - 5, - 6, -7, - 8a, - 9, -9a, -10, -11, -12, -12a,-13, -14, -14 -1, -14 -2, -14a, -15, -16,-17,- 18, -19, -20, -21, -22, -23, -24,-25,-26,-27,-28,-29,-30,-33,-34,-35, -36, -37, -38, -39, -40, -40a, -41,-42, -43, -44, -44a, -45, -45a, -45b,-46,-47,-48,-49,-50,-51,-52,-53,-54,-55,-56,-57,-58,-59,-60,-61,-62, - 63, - 64, - 64 a, - 65 a, - 66, - 67, -68, - 69, - 71, - 72 a, - 72 b, -- 73, - Einleitung und Überschrift. - Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen und der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
({0})
- Bei drei Gegenstimmen angenommen. Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache.- Das Wort ist nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Meine Damen und Herren, ich glaube, ich brauche nicht noch einmal diese ganze Litanei der Zahlen aufzurufen; ich bitte also diejenigen, die dem Gesetz von § 1 bis
({1})
§ 73 und der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz als ganzem zustimmen, sich` zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das Gesetz ist gegen 3 Stimmen in dritter Lesung angenommen.
Ich rufe auf Punkt 13:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes ({2}).
Wer begründet den Antrag? - Er wird nicht begründet. Dann kann ich, da keine Wortmeldungen vorliegen, die Aussprache zur ersten Beratung auch schließen und gleich die
zweite Beratung
eröffnen. - Das Wort wird zunächst nicht gewünscht. Ich rufe also auf Art. 1, - Art. 2. - Das Wort wird dazu nicht gewünscht. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Artikeln zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Artikel 1 und 2 sind damit angenommen. Ich darf dabei auf einige Berichtigungen nach dem Umdruck Nr. 459 aufmerksam machen, der also dieser Abstimmung zugrunde zu legen ist.
Ich rufe nun auf Art. 3. Da liegt auch eine neue Fassung nach Umdruck Nr. 459 Ziffer 4 vor. - Das Wort ist nicht gewünscht, die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Art. 3 zustimmen, die Hand zu
erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; Art. 3 ist so angenommen.
Ich rufe weiter auf Art. 4, - Einleitung und Überschrift - und bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist auch die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Vom Ältestenrat ist eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen; ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter den demokratischen Parteien besteht keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß das Wirtschaftsstrafgesetz in seiner Geltungsdauer zu verlängern ist, um einer Prüfung Raum zu geben, ob die eine oder die andere Vorschrift reformbedürftig sei. Das Wirtschaftsstrafrecht beruht auf keiner wirtschaftspolitischen Zielsetzung doktrinärer oder wirtschafts-theoretischer Art, ist also in seinen Grundlagen unabhängig vom Streit der Auffassungen, welche wirtschaftspolitischen Mittel gegenwärtig die notwendigen oder besseren sind. Wir sollten uns jedoch auch darin einig sein, daß das Wirtschaftsstrafgesetz echt es Strafrecht enthält. Dies klarzustellen, gibt leider eine sonst durch wissenschaftlichen Rang gekennzeichnete Ausarbeitung Anlaß, die der Herr Oberbundesanwalt am 19. Januar 1952 in einer Strafsache wegen Nötigung dem Großen Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs vorgelegt hat.
In dieser Ausarbeitung behandelt der Herr Oberbundesanwalt das auch uns noch gesetzgeberisch beschäftigende Problem, welche Bedeutung dem Bewußtsein der Rechtswidrigkeit und dem Rechtsirrtum im Strafrecht zukommt. Bei Erörterung der „Schuldtheorie" kommt der Herr Oberbundesanwalt auch auf das Wirtschaftsstrafrecht zu sprechen und bezeichnet das Wirtschafts-, Steuer- und Devisenrecht - auf Seite 44 der uns von dem Herrn Bundesminister der Justiz übermittelten Abschrift - als „sittlich farblose Ordnungs- und Zweckmäßigkeitsvorschriften",
({0})
als „ein Strafrecht mehr formaler Art",
({1})
das von solchen Strafvorschriften zu unterscheiden sei, die sich wie das Diebstahlsverbot mit dem sittlichen Empfinden des Volkes decken.
Dem Versuch einer solchen Unterscheidung muß ich im Namen meiner politischen Freunde widersprechen.
({2})
Wer die öffentliche Hand um Steuern betrügt, bestiehlt die Armen. Wer dem Staat nicht gibt, was des Staates ist, vergeht sich gegen die Kriegsopfer und alle ohne ihre Schuld Hilflosen, die auf die öffentlichen Gelder angewiesen sind.
({3})
Wer Preiswucher treibt, jene berüchtigten Geschäfte ohne Rechnung macht, ist ein Ausbeuter, der nicht nur die Wirtschaft gefährdet, sondern ein Dieb an jedem, der Not leidet, und außerdem politisch ein Schrittmacher des Kommunismus.
({4})
Mit Sinn und Geist unserer Gesetzgebung ist es unvereinbar, Steuerhinterziehungen und Wirtschaftsstraftaten als eine Art von Kavaliersdelikten anzusehen, deren Täter glauben dürften. besser zu sein als gemeine Diebe und Betrüger. Meine politischen Freunde und ich sind besorgt und empört darüber, daß von der höchsten Strafverfolgungsbehörde des Bundes eine Auffassung vertreten wird, die einen bedauerlichen Mangel an Verständnis für den Rechtsgehalt und die sittliche Bedeutung auch dieser Gesetzgebung verrät.
({5})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich rufe auf Art. 1. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Bei einigen Gegenstimmen angenommen. Art. 2, - Art. 3, - Art. 4, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Meine Damen und Herren, ich darf noch nachholen, daß eine schriftliche Begründung zu diesem Initiativantrag der Fraktionen eingereicht worden ist und auf Umdruck Nr. 459 vorliegt.
Wir kommen nun zur Schlußabstimmung.
({0})
- Wir sind jetzt in der Schlußabstimmung der
dritten Lesung; ich . kann Ihnen das Wort nicht
mehr erteilen. - Also, meine Damen und Herren,
wir kommen zur Schlußabstimmung. Entsprechend
der Geschäftsordnung bitte ich diejenigen, die dem
({1})
Gesetz zustimmen, sich zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe nun auf Punkt 14 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die richterliche Vertragshilfe ({2}) ({3});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({4}) ({5}).
({6})
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Weber.
Dr. Weber ({7}) ({8}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den Entwurf eines Gesetzes über die richterliche Vertragshilfe, Drucksache Nr. 2192, hat der Bundestag in seiner 142. Sitzung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht verwiesen. Das Ergebnis der Beratung des Ausschusses liegt Ihnen nunmehr in Drucksache Nr. 3015 und Umdruck Nr. 458 vor.
Die richterliche Vertragshilfe ist ein verhältnismäßig junges Rechtsinstitut. Außergewöhnliche Ereignisse wie Kriege oder Inflation und Währungsumstellung haben auf dem wirtschaftlichen Sektor immer solche außerordentliche Schwierigkeiten heraufgeführt, daß es sich als notwendig erwiesen hat, zu versuchen, dieser Schwierigkeiten mit außergewöhnlichen Mitteln Herr zu werden. Im ersten Weltkrieg bahnte sich diese Entwicklung an, und der Rechtsprechung blieb damals nichts anderes übrig, als auf die allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, insbesondere auf § 242, zurückzugreifen, um zunächst die gröbsten Härten zu beseitigen. Nach der Beendigung der Inflation wurde in der Aufwertungsgesetzgebung ein erster Vorläufer der richterlichen Vertragshilfe geschaffen. Zu Beginn des zweiten Weltkrieges traten wieder solche erhebliche Schwierigkeiten, insbesondere bei Dauerverträgen, auf, daß man sich alsbald zu einschneidenden Maßnahmen entschließen mußte. Diese wurden in der Verordnung über die Gewährung der Vertragshilfe des Richters vom 30. November 1939 verwirklicht, die vor allem darauf abstellte, daß die Verhältnisse durch die „Auswirkungen des Krieges" maßgeblich beeinflußt sein mußten. Nach der Beendigung des Krieges hat man diese „Auswirkungen" zunächst noch als fortbestehend angesehen; aber das war ja nicht mehr gut möglich, je weiter man sich von dem tatsächlichen Endpunkt des Krieges entfernte. So sah man sich in der amerikanischen Zone bereits im Jahre 1946 veranlaßt, neue Vertragshilfegesetze in den einzelnen Ländern zu schaffen. In anderen Ländern, wo man sich nicht zu neuen Gesetzen entschließen konnte, glaubte sich der Richter berechtigt, die Fortgeltung der Vertragshilfeverordnung von 1939 zu bejahen. Insbesondere war das bei den Hamburger Gerichten einschließlich des Oberlandesgerichts Hamburg der Fall. Fast sämtliche anderen Oberlandesgerichte des Bundesgebiets haben es jedoch abgelehnt, die Fortgeltung der Vertragshilfeverordnung von 1939 insbesondere in der Zeit nach der Währungsumstellung noch zu bejahen. Infolgedessen hat sich ein ziemliches Durcheinander eingestellt, und so soll dieses Gesetz eine weitere Flurbereinigung auf dem Gebiet des Justizsektors bringen.
Der Rechtsausschuß hat in einer eingehenden Generaldebatte zunächst zwei Grundfragen geklärt: Ist überhaupt ein solches Gesetz erforderlich, und auf welchen Zeitpunkt soll die Regelung abgestellt werden? Ich habe eingangs schon betont, daß nur ganz einschneidende, umwälzende Ereignisse Veranlassung geben sollten, in bestehende Vertragsverhältnisse einzugreifen und sie zu ändern, sonst sollte man im allgemeinen wieder zu dem Grundsatz „pacta sunt servanda" zurückkehren. Solche einschneidenden Veränderungen sind z. B. ein Krieg, eine Inflation, eine Währungsumstellung. Für derartige Verhältnisse mag ein außerordentlicher Eingriff gerechtfertigt sein. Die von mir bereits behandelte Zersplitterung auf diesem Gebiet, die durch die Rechtsprechung geschaffene weitere Verwirrung gaben dem Ausschuß Veranlassung, einstimmig die Notwendigkeit eines derartigen Gesetzes zu bejahen.
Über den Zeitpunkt, auf den bei Anwendung des Gesetzes abzustellen sei, hat der Ausschuß Sachverständige gehört, und zwar einen Angehörigen des Insolvenzausschusses des Deutschen Anwaltvereins, der in einer Denkschrift dem Ausschuß wertvolle Unterlagen für seine Beratungen gegeben hat. Der Ausschuß hat sich nach eingehender Beratung entschlossen, daß entsprechend dem Entwurf der Regierung der Zeitpunkt der Währungsumstellung als der Stichtag festgelegt werden sollte, bis zu dem die Regelung bereits bestehender Verbindlichkeiten möglich sei. Er hat es abgelehnt, über diesen Tag hinauszugehen, obschon auch dafür manche beachtliche Gründe vorgebracht worden waren. Der Kürze halber kann ich in dieser Hinsicht auf die Begründung des Gesetzes verweisen. Der Ausschuß hat sich die dort angeführten Argumente zu eigen gemacht. Insbesondere war der Umstand maßgebend, daß es nicht erträglich erschien, Gläubiger weiterhin unter der Vorstellung leben zu lassen, daß erneut durch einen Richterspruch in ein fest abgeschlossenes Rechtsverhältnis eingegriffen werden könnte und damit einer ordentlichen Kreditgebarung den notwendigen festen Boden zu entziehen. Handel, Wirtschaft und Banken haben sich deshalb ganz einhellig dahin ausgesprochen, daß es nicht in Frage kommen könne, für Verbindlichkeiten, die erst nach dem 21. Juni 1948 entstanden seien, die richterliche Vertragshilfe zu gewähren. Es schien nicht angängig, einen Eingriff in neue, nach dem 21. Juni 1948 begründete Verbindlichkeiten vorzunehmen.
Im einzelnen habe ich zu den Bestimmungen des Gesetzes folgendes zu sagen. Der § 1 behandelt die Voraussetzungen für die Vertragshilfe in einer Generalklausel, die Sie in § 1 Abs. 1 finden. Der Ausschuß hat sich, wie bereits bemerkt, dahin geeinigt, daß lediglich Verbindlichkeiten, die bis zum 21. Juni 1948 begründet sind, unter die Vertragshilfe fallen sollen. Es ist aber weiter betont worden - ich bin vom Ausschuß gebeten worden, das in meinem Bericht eigens zu erwähnen -, daß die richterliche Vertragshilfe nicht in Frage kommt in Fällen, in denen der Schuldner durch sein eigenes Verschulden in die Lage geraten ist, daß er die richterliche Vertragshilfe in Anspruch nehmen zu müssen glaubt, da dann in der Regel dem Gläubiger nicht zuzumuten ist - auf die Zumutbarkeit stellt es der § 1 ab -, sich dem Verfahren zu unterwerfen. Wenn also der Schuldner durch eigenes Verschulden in die Lage geraten ist, so kann er in aller Regel keinen Anspruch auf Gewährung richterlicher Vertragshilfe erheben.
({9})
In § 1 Abs. 3 hat der Ausschuß entsprechend dem Vorschlag des Bundesrats die Worte „durch Beschädigung, Zerstörung oder Verlust ihm gehöriger beweglicher oder unbeweglicher Sachen" gestrichen, und zwar um dem Richter damit freie Hand zu geben und ihm die 'Möglichkeit zu verschaffen, Vertragshilfe auch dann zu gewähren, wenn anderweitige schwere Verluste, z. B. Verluste von Hypotheken, Lizenzen oder von Forderungen an das Reich, eingetreten sind.
Der Ausschuß hat dann weiter in Abs. 4, der in dem Umdruck Nr. 458 unter Ziffer 1 aufgeführt ist, eine grundsätzliche Entscheidung getroffen, die bereits auf die ebenfalls neuen §§ 1 a und 1 b vorgreift. In diesem Abs. 4 ist die Frage geregelt, wie Kapitalverbindlichkeiten, die durch dingliche Rechte oder Sicherungsübereignung gesichert sind, in der Vertragshilfe zu behandeln sind. Wir standen auf dem Standpunkt, daß der Schuldner im Vertragshilfeverfahren in aller Regel nicht besser gestellt sein dürfe, als er im Vergleichsverfahren oder gar im 'Konkursverfahren gestellt wäre, und der Gläubiger nicht schlechter gestellt werden dürfe. Deshalb hat der Ausschuß beschlossen, Ihnen die Regelung vorzuschlagen, daß Kapitalverbindlichkeiten, die durch dingliche Rechte oder Sicherungsübereignung gesichert sind, insoweit nicht herabgesetzt werden können, als die Sicherung die Verbindlichkeit deckt.
Weiter hat der Ausschuß die §§ 1 a und 1 b, die Sie im Umdruck Nr. 458 finden, eingefügt und damit das Problem der sogenannten Trümmerhypotheken angefaßt. § 1 a behandelt die Herabsetzung der Kapitalverbindlichkeit schlechthin. Er hat die grundlegende Entscheidung getroffen, daß an dem unser Grundbuchrecht beherrschenden Prinzip des Ranges, dem Rangprinzip, festgehalten wird, d. h. daß, wenn das Grundstück mit mehreren Hypotheken belastet ist, die vorhergehende Hypothek erst herabgesetzt werden kann, wenn die nachfolgende Hypothek gestrichen ist. Wenn also drei Hypotheken auf einem Grundstück lasten, kann die zweite Hypothek erst herabgesetzt werden, nachdem die dritte Hypothek herabgesetzt, d. h. gestrichen worden ist. Ebenso kann man erst an die erste Hypothek herangehen, nachdem die zweite Hypothek völlig herabgesetzt bzw. gestrichen ist. Zur Vermeidung unbilliger Härten gegenüber dem Schuldner kann aber, nachdem die nachfolgenden Hypotheken herabgesetzt und gestrichen sind, auch in die erste Hypothek eingegriffen werden. Das ist der Inhalt des § 1 a. Entsprechend gilt diese Regelung auch für Grundschulden und Rentenschulden.
Der § 1 b 'behandelt Idas Zinsenproblem bei den Trümmerhypotheken. Er bestimmt, daß zunächst einmal eine Herabsetzung nur dann erfolgen kann, wenn das Grundstück durch Kriegs- oder Kriegsfolgenschäden mindestens um 25 v. H. beschädigt und im Ertrage entsprechend gemindert ist. Wenn das der Fall ist, kann grundsätzlich eine Streichung von Zinsen erfolgen, und zwar ist in Abs. 2 der Grundsatz aufgestellt, daß ,die Zinsen insoweit herabzusetzen sind, als sie den Ertrag des Grundstückes übersteigen. Der Ertrag ist also das Maß für die Herabsetzung. Es ist ausdrücklich auch wieder bestimmt, daß hier das Rangprinzip Gültigkeit hat, indem auf die Vorschrift des § 1 a, die entsprechend gilt, verwiesen ist.
Um aber Unbilligkeiten zu vermeiden und dem Richter freie Hand zu geben, hat der Ausschuß einen Abs. 3 eingefügt, der bestimmt, daß in Fällen, in denen aus 'besonderen Gründen die Anwendung der Absätze 1 und 2 zu nicht zumutbaren Härten für Gläubiger oder Schuldner .führen würde, die Forderung nach § 1 des Gesetzes, also nach der allgemeinen Vorschrift, behandelt werden kann.
Der § 2 ist an der alten Stelle gestrichen und durch den § 4 a, auf den ich noch später zu sprechen komme, ersetzt worden.
Der § 3 enthält etwas Neues, aber etwas, was durchaus angebracht ist. Es war in den bisherigen Vertragshilfegesetzen und -verordnungen noch nicht vorgesehen. Im Jahre 1940 war eine Verordnung ergangen, wonach Naturalleistungen, die in Verträgen vereinbart waren, durch Geldleistungen ersetzt werden konnten. Deshalb war wieder die Möglichkeit zu schaffen, durch Antrag, der innerhalb eines Jahres zu stellen ist, Verpflichtungen zu Naturalleistungen wiederherzustellen und gleichzeitig eventuell diese Verpflichtung im Vertrags-hilfeverfahren neu regeln zu lassen. Das ist in § 3 geschehen. Der Antrag ist in dieser Fassung einstimmig angenommen worden.
Zu § 4 ist lediglich zu bemerken, daß ein Druckfehler zu berichtigen ist. Es muß heißen „die für den Fall der Nichterfüllung oder nicht rechtzeitigen Erfüllung" - nicht: „rechtzeitiger" - „vorgesehen ... sind" . Diese Berichtigung ist unter Ziffer 4 des Umdrucks Nr. 458 besonders behandelt.
§ 4 a entspricht in den ersten drei Ziffern bereits dem geltenden Recht. Die Ziffer 4 bringt etwas Neues, nämlich die Regelung der Auslandsschulden. Grundsätzlich ist bestimmt, daß Auslandsschulden nicht unter die Vertragshilfe fallen. Diese Frage ist auf der Londoner Schuldenkonferenz behandelt worden. Von seiten der Gläubiger ist die Forderung gestellt worden, daß die im Ausland wohnenden Gläubiger nicht von einem deutschen Gericht unter das Vertragshilfeverfahren genommen werden dürften. Die Vorschrift ist mit Absicht weit gefaßt. Es wird vielleicht - je nachdem wie die Schuldenverhandlungen ausgehen -, wenn es zu einer endgültigen Regelung gekommen ist, notwendig sein, die Vorschrift zu ändern und einzuengen. Die Vertreter der Bundesregierung haben in den Verhandlungen betont, daß mit der Hohen Alliierten Kommission Übereinstimmung bestehe, daß durch die Fassung der Stellungnahme der Bundesregierung einer Entscheidung hinsichtlich des Umfangs der Auslandsschulden nicht vorgegriffen werde. Im Rahmen der Regelung der Auslandsschulden soll die Möglichkeit eines eigenen Vertragshilfeverfahrens durch ein gemischtes Schiedsgericht gegeben werden. Durch die Aufnahme dieser Bestimmung wird erreicht werden können, daß - entsprechend einer Zusage der Hohen Alliierten Kornmission - die Absätze 1 bis 3 des § 21 des Umstellungsgesetzes und die 28. Durchführungsverordnung zum Umstellungsgesetz, worin bisher anläßlich der Umstellung ein besonderes Vertragshilfeverfahren geregelt war, nunmehr aufgehoben werden können.
Die §§ 5 bis 17 a behandeln im wesentlichen Verfahrensvorschriften. Sie schließen sich im allgemeinen an die Regelung der 28. Durchführungsverordnung an, jedoch mit einigen Abweichungen, von denen zunächst die Vorschrift des § 6 Abs. 2 hervorzuheben ist, die der Ausschuß noch eingefügt hat, um die Beteiligung Dritter am Verfahren zu ermöglichen. So kann es z. B. für einen Bürgen sehr wichtig sein, sich am Verfahren beteiligen zu können. Die öffentliche Hand ist dann sehr interessiert, wenn es sich um Bankenforderungen handelt, für die Ausgleichsforderungen entstehen kön({10})
nen. Durch diese Vorschrift soll ermöglicht werden, daß solche Interessenten dem Verfahren beitreten.
Die Änderung in § 7 Abs. 3 ist vom Bundesrat vorgeschlagen und ist lediglich redaktioneller Art. Sie dient nur der Klarstellung.
Der § 9 ist mehrfach neu gefaßt worden. Ich glaube, daß er in der jetzigen letzten Vorlage der Bundesregierung eine Fassung bekommen hat, die endlich klarstellt, was gemeint ist. Bis jetzt war nämlich darum ein ziemliches Rätselraten. Der Ausschuß hat die zuletzt von der Bundesregierung vorgeschlagene Fassung akzeptiert.
Weiter ist die Änderung in § 16 hervorzuheben. Bisher war für das Vertragshilfeverfahren das Amtsgericht zuständig. Es ist aber nicht zu bestreiten, daß in diesem Verfahren möglicherweise Vorgänge von großer wirtschaftlicher Tragweite behandelt werden. Deshalb schien es richtig, bei bedeutenderen Objekten die Eingangszuständigkeit des Landgerichts vorzusehen, um dadurch den Beschwerdeweg bis zum Bundesgerichtshof zu eröffnen. Der Ausschuß hat sich dahin schlüssig gemacht, die Grenze bei 6000 DM anzunehmen, und hat sich damit an die Grenze angelehnt, wie sie zur Zeit beim Bundesgerichtshof für Revisionen in vermögensrechtlichen Streitigkeiten gilt. Die anderen Regelungen des § 16 ergeben sich dann ohne weiteres aus den Grundsätzen über den Rechtszug: Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht bzw. Landgericht, Oberlandesgericht, Bundesgerichtshof.
Hinsichtlich des § 17 glaubte der Ausschuß dem Vorschlag des Bundesrats folgen zu sollen, nicht die elf buntscheckigen Gesetze der Länder, die bis jetzt die Kostenregelung vornehmen, bestehen zu lassen, sondern eine einheitliche Kostenregelung im Gesetz selber zu treffen.
In § 17 a sind die Anwaltsgebühren behandelt. Es erhob sich hier die Frage, ob man es entsprechend dem Vorschlag des Bundesrats bei den Landesgebührenordnungen belassen sollte. Es wurden gewichtige Gründe dafür vorgetragen, auch auf diesem Gebiet des Kostenwesens möglichst bald die Einheitlichkeit im Bundesgebiet herzustellen. Mit Rücksicht darauf, daß es sich hier um ein Spezialgesetz von vorübergehender Bedeutung handelt, glaubte der Ausschuß jedoch, diese Frage in dem vorliegenden Gesetz nicht grundsätzlich anfassen zu sollen. Er lehnte deshalb den von einer Seite gestellten Antrag ab, daß die Reichsgebührenordnung vom 7. Juli 1879 allgemein sinngemäße Anwendung finden solle. Es wurde aber angeregt, Überlegungen darüber anzustellen, ob man nicht möglichst bald auf dem Gebiet des Anwaltsgebührenrechts - auch für das Gebiet der nichtstreitigen Gerichtsbarkeit - zu einer einheitlichen Regelung für das Bundesgebiet kommen könnte.
Der § 18 macht Ihnen so recht klar, warum dieses Gesetz notwendig ist. In ihm werden nicht weniger als 27 Gesetze und Verordnungen aufgehoben.
§ 19 ist eine Übergangsvorschrift. Sie bestimmt, in welcher Weise laufende Verfahren zu behandeln sind. Angesichts dessen, daß das Gesetz gewisse Einschränkungen gegenüber dem bisherigen Rechtszustand bringt, war der Ausschuß der Meinung, es sei nicht angängig, noch sämtliche Verfahren abwickeln zu lassen, die nach den alten Vorschriften laufen. Wir einigten uns auf einen Stichtag, auf den 30. September 1951. Die Verfahren, die bis dahin nach den alten Vorschriften geleitet sind, können nach diesen bis zum 30. September 1952 abgewickelt werden. So bestimmt es Abs. 3. Wenn Verfahren nach dem neuen Gesetz nicht mehr zulässig und erst nach dem 30. September 1951 eingeleitet sind, sollen sie aufgehoben werden. So bestimmt es Litera a von Abs. 2. Bezüglich Litera b habe ich darauf aufmerksam zu machen, daß die Vorlage einen Druckfehler enthält. Es muß heißen: „nach § 4 a Nr. 4 dieses Gesetzes nicht zulässig sind". Ursprünglich war diese Vorschrift, auf die verwiesen wird, in § 2 enthalten. § 2 ist aber nunmehr § 4 a geworden. Dieser Druckfehler muß also berichtigt werden.
Soweit Verfahren bereits eingeleitet und auch nach diesem Gesetz zulässig sind, werden sie nach den Vorschriften dieses Gesetzes abgewickelt.
§ 19 enthält weiter noch eine Bestimmung über Kosten.
§ 20 a bringt die sogenannte Berlin-Klausel. Sie ist auf Wunsch des Landes Berlin eingefügt worden. Es war aber hier nicht angängig, die Formel in der allgemein üblichen Fassung aufzunehmen; denn es mußte darauf Rücksicht genommen werden, daß die Währungsumstellung im Land Berlin zu einem andern Zeitpunkt und nach einem anderen Gesetz stattgefunden hat als in der Bundesrepublik. Deshalb ist bestimmt, daß in § 1 Abs. 1 an Stelle des 21. Juni 1948 der 25. Juni 1948 und in § 1 Absätze 2 und 3 an Stelle des Dritten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens die Zweite Verordnung zur Neuordnung des Geldwesens ({11}) tritt. Ich bin von dem Berliner Vertreter gebeten worden, gleichzeitig darauf aufmerksam zu machen, daß in diesem Berliner Gesetz dann allerdings die Bestimmungen aufgehoben werden müssen, die bisher auf diesem Gebiet in Berlin bestehen.
Die Vorlage führt die Bezeichnung „Gesetz über die richterliche Vertragshilfe". Es könnte deshalb der Anschein erweckt werden, daß nur vertragliche Verhältnisse geregelt werden dürften und sollten. Ich bin deswegen vom Ausschuß gebeten worden, ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen, daß der Begriff „richterliche Vertragshilfe" nicht bedeute, es dürften nur vertragliche Beziehungen geregelt werden. Die Bedeutung ist vielmehr die, daß der Richter Vertragshilfe, d. h. Hilfe zu einer Vereinbarung, zu gewähren und, wenn es nicht zu einer Einigung zwischen den Parteien unter seiner Mithilfe kommt, durch seinen Richterspruch den Vertrag, die Vereinbarung zu ersetzen hat.
Ich habe weiter darauf hinzuweisen, daß der Kreis der Verbindlichkeiten, die unter die Vertragshilfe fallen, in § 1 erheblich weiter ist als nach den bisherigen Vorschriften, insbesondere nach § 21 des Umstellungsgesetzes.
Ich darf der Kürze halber dazu auf Seite 8 der Begründung des Gesetzes verweisen, wo die einzelnen Ansprüche aufgeführt sind, die nunmehr auch für 'die Gewährung von Vertragshilfe in Frage kommen. Der Ausschuß hat sich die dortigen Darlegungen zu eigen gemacht.
Ich habe die Ehre, Sie im Namen ,des Ausschusses zu bitten, idem Entwurf eines Gesetzes über die richterliche Vertragshilfe - Vertragshilfegesetz - in der aus Drucksache Nr. 3015 ersichtlichen Zusammenstellung und mit den sich aus dem Nachtrag Umdruck Nr. 458 ergebenden Ergänzungen zuzustimmen.
({12})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, es liegt zunächst zugrunde die Drucksache Nr. 3015 und dazu der Umdruck Nr. 458 mit einem Nachtrag des Ausschusses, der als in die Vorlage eingearbeitet. anzusehen ist.
Ich rufe mit diesen Änderungen § 1 auf. Zu § 1 liegt ein Änderungsantrag der Föderalistischen Union vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort hat Abgeordneter Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion bittet, den § 1 des vorliegenden Gesetzes etwas weiter zu fassen, so daß auch noch die vor dem 1. Januar 1952 begründeten Geldschulden einer Stundungsmöglichkeit unterliegen. Die Überschrift sagt schon: es handelt sich um eine Vertragshilfe. Es soll also in erster Linie der Richter sich bemühen, ein Einverständnis unter den Beteiligten herbeizuführen. Die Erwägung, daß es sich da um den Eingriff in Verträge handelt, steht natürlich bei jeder Vertragshilfe letzten Endes als gewisse Drohung im Hintergrund. Aber in erster Linie soll das Gesetz doch dazu führen, die Beteiligten zueinander zu bringen.
Wenn die Banken einen ablehnenden Standpunkt hierzu eingenommen haben, so verwundert uns das an sich nicht, aber es überzeugt auch nicht. Sie haben unheilvollerweise vor 1931 auch einen solchen Standpunkt eingenommen, sich aber 1931/32 in der Bankenkrise selber schleunigst auf die Notwendigkeit berufen.
Die Notwendigkeit, die Vertragshilfemöglichkeit auf die nach der Währungsreform begründeten Geldschulden auszudehnen, sie dann aber lediglich auf eine Stundung zu beschränken, also keine Herabsetzung vorzunehmen, ergibt sich daraus, daß wir jetzt nicht in einer normalen Zeit leben. Wir haben nicht mehr die Verhältnisse, wie wir sie früher hatten; und zwar hängt das mit der Wirtschaftspolitik zusammen, die die Regierung betreibt. Unter den früheren Verhältnissen konnte man normalerweise mit einer 70prozentigen Beleihbarkeit der Grundstücke rechnen. Infolge der Preisschwankungen, besonders anläßlich der Koreakrise, hat sich sehr häufig folgendes ergeben. Für einen Bau - ob industrielle oder Wohnbauten, spielt dabei keine Rolle - hatte jemand Geld bereitgestellt. Er hatte vorgesorgt, so gut man es für nötig halten konnte. Er begann den Bau. Hinterher stellte sich die Verteuerung heraus. Ich bin Anwalt und habe oft in meiner Praxis erlebt: es waren trotz erheblicher Werte keine 5000 DM aufzutreiben. Die Spitzen, die sich bei Anschaffungen ergaben, waren größer als die vorgesehenen Mittel. Man saß fest.
Wenn Sie einem solchen Schuldner, der ohne sein Verschulden infolge der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung illiquid geworden ist und trotz erheblicher Werte nicht zu Kapital kommen kann, die Möglichkeit abschnitten, die richterliche Vertragshilfe in Anspruch zu nehmen, wäre das nicht bloß ein wirtschaftliches Unrecht, sondern auch unvorteilhaft und nicht klug. Das System, in dem unsere Wirtschaft jetzt arbeitet, ein kapitalistisches System ohne jegliches Leihkapital, macht es notwendig, daß der Schuldner über solche Zahlungsstockungen mit Hilfe eines Eingriffs, wie ihn unser Vorschlag vorsieht, also auf dem Wege der Vertragshilfe, hinweggebracht werden kann. Wenn man nun sagt: dafür gibt es schließlich noch entweder den Konkurs oder das Vergleichsverfahren, so liegt darin gerade das Unheilvolle, anläßlich einer Zahlungsstockung den Schuldner dahin bringen zu müssen. Ein Vergleichsverfahren ist absolut nicht nötig, weil Werte da sind, und ein Konkursverfahren ist erst recht nicht notwendig. Es dreht sich nur um einen gewissen Zeitgewinn, der zur Regelung der Verpflichtungen erforderlich ist. Meist handelt es sich dabei um keine große Zahl von Gläubigern, die genötigt sind, Stundung zu erlangen, sehr häufig nicht um Kaufleute, so daß die dabei zu befragende Industrie- und Handelskammer an den Leuten überhaupt kein Interesse hat.
Diese Gründe lassen es als notwendig erscheinen, die Frist, die in § 1 bisher auf den 21. Juni 1948 festgesetzt ist, zu verlängern und den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung bis zum 1. Januar 1952 auszudehnen. Auch für diese Zwischenzeit muß noch eine Stundungsmöglichkeit gegeben werden. Falls man dem Antrag nicht stattgibt, werden wir auch weiterhin erleben, was die Praxis bisher schon oft ergeben hat: es tritt nämlich damit das groteske, jedenfalls oft krampfhafte Bestreben auf, den Entstehungsgrund für die Schulden, um die es sich handelt, auf einen früheren Zeitpunkt zurückzuverlegen. Mit allen möglichen Begründungen wird man ankommen, um darzulegen, daß die Schuld doch noch vor dem Stichtag entstanden sei. Auch daraus ergibt sich immer wieder, daß ein berechtigter Grund vorliegt, nicht gerade mit dem Stichtag der Währungsreform Schluß zu machen. Aus diesen Gründen bitten wir Sie, unserem Änderungsantrag stattzugeben.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Antrag der Fraktion der Föderalistischen Union nicht zu entsprechen. Er steht in krassem Widerspruch zu der Struktur unseres Vertragshilfegesetzes. Wir haben das Gesetz ausschließlich auf
Verbindlichkeiten beschränkt, die durch den Krieg, die Nachkriegszeit und die Währungsreform betroffen worden sind. Diese Katastrophen geben den Anlaß dafür, daß ein Schuldner des Privilegs des richterlichen Vertragshilfeverfahrens teilhaftig wird. Was aber danach geschehen ist, muß - auch nach der Wirtschaftskonzeption, die die Bundesregierung vertritt - unter dem Gesichtspunkt der Vertragstreue stehen. Wer eine Verpflichtung eingeht, muß dazu stehen. Er kann die Verfahren in Anspruch nehmen, die der Herr Kollege Reismann erwähnt hat und die dem Schuldner, der in ernste, unverschuldete Schwierigkeiten gekommen ist, Möglichkeiten der Hilfe bieten. Zunächst gilt das Wort der Vertragstreue. Wir wissen ja: wenn ein Glied aus der Kette herausfällt, dann reißt es andere mit sich. Da müssen wir kupieren. Aus diesem Grunde bitte ich, dem Antrag nicht zu entsprechen.
Das Wort hat der Abgeordnete Greve.
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde und ich stimmen den Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz zu. Ich möchte zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Reismann sagen, daß er nur
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eine Eingabe an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht herausgegriffen hat, nämlich die der Banken. Richtig, auch die Banken haben uns eine Eingabe gemacht. Aber, Herr Kollege Dr. Reismann, nicht nur die Banken sind Gläubiger. Sie haben sich heute hier auf den Standpunkt gestellt, daß die Schuldner vor den Gläubigern geschützt werden müssen. Wir beide sind Anwälte, Herr Kollege Dr. Reismann. Haben Sie nicht auch in Ihrer Praxis Fälle, wo die Gläubiger vor den Schuldnern geschützt werden müssen? Ich glaube, man kann hier nicht irgendwelche Maßstäbe anlegen, die uns sonst vielleicht auf die gleiche Ebene führen. Sie haben von Konkursverfahren und von Vergleichsverfahren gesprochen. Alles das ist richtig. Aber Sie wissen so gut wie ich, daß es neben dem Konkursverfahren und dem Vergleichsverfahren einen so weitgehenden Vollstreckungsschutz gibt, daß es schlechterdings unmöglich ist, an dem Prinzip, das nun einmal unser Rechtsleben beherrschen sollte und das der Herr Bundesminister der Justiz mit vollem Recht angeführt hat, an dem Prinzip der Vertragstreue zu rütteln. Sie haben gesagt, es handelt sich nicht um Kaufleute und um „sonstige" Leute. Um wen handelt es sich denn nach Ihrer Auffassung, Herr Kollege Dr. Reismann, den Sie schützen wollen? Nein, Sie können nicht sagen: generell Schuldner; das ist gänzlich unmöglich. Der Gläubiger ist genau so viel wert wie der Schuldner. An dieses Prinzip müssen wir uns einmal gewöhnen, Herr Kollege Dr. Reismann.
Unter diesem Gesichtspunkt bitten meine Freunde und ich Sie, den Antrag der Föderalistischen Union abzulehnen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann können wir zur Abstimmung kommen, zunächst über den Änderungsantrag zu § 1 auf Umdruck Nr. 437. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun über § 1 in der Ausschußfassung der Vorlage ab. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe weiter auf die §§ 1 a und 1 b. Ich. bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Angenommen.
Ich rufe auf § 3, - § 4, - § 4 a. Das Wort wird nicht gewünscht, ich kann gleich zur Abstimmung übergehen. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun auf § 5, - § 6, - § 7, - § 8, -§ 9, - § 10. - Das Wort ist nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 11,-§ 12,-§ 13,-§ 14,§ 15, - § 16. - Auch dazu liegen keine Änderungsanträge und Wortmeldungen vor. Ich bitte diejenigen die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 17, - § 17 a, - § 18. - Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 19, - § 20, - § 20 a, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen, keine Änderungsanträge. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Damit sind die sämtlichen Paragraphen sowie die Einleitung und die Überschrift angenommen. Die zweite Beratung ist beendet.
Ich rufe nun auf zur
dritten Beratung.
Wird das Wort zur allgemeinen Aussprache gewünscht? - Das ist nicht der Fall; die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Ich rufe auf die §§ 1 bis 20 a sowie die Einleitung und die Überschrift. - Das Wort ist nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz im ganzen zustimmen, sich von den Plätzen zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Damit ist auch die dritte Beratung dieses Gesetzes beendet.
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Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Bausch.
Meine Damen und Herren! Im Hinblick auf die vorgerückte Zeit und auch im Hinblick auf den Umstand, daß die Abwicklung der weiteren Punkte der Tagesordnung wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmen wird, möchte ich mir den Vorschlag erlauben, die Beratungen nunmehr abzubrechen.
Meine Damen und Herren, der Antrag entspricht den Überlegungen des Ältestenrats. Ich glaube auch, es ist zweckmäßig, abzubrechen, da wir ohnehin nicht vermeiden können, daß weitere Punkte der Tagesordnung morgen vormittag behandelt werden müssen. Ich berufe also die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf morgen vormittag 9 Uhr ein und schließe die 196. Sitzung.