Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren, ich eröffne die 191. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Determann, Schellenberg, Dr. Friedensburg, Dr. Wellhausen und Dr. Will.
Meine Damen und Herren, wir kommen zum einzigen Punkt der Tagesordnung:
Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Frage, die wir in diesen Tagen hier behandeln und die wir in einigen Monaten zu entscheiden haben werden, spielt die Hauptrolle die Gefahr aus dem Osten.
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Sie ist ausschlaggebend für die Entscheidung, die wir zu treffen haben.
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Ich glaube, daß die aus dem Osten vertriebene Bevölkerung der Bundesrepublik dabei ein Wort mitzusprechen hat. Schon die Tatsache, daß 15 Millionen Deutsche aus ihrer angestammten Heimat vertrieben worden sind, zeigt eindeutig die Größe und die Furchtbarkeit dieser Gefahr.
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Von diesen 15 Millionen sind nur 12 Millionen wieder zum Vorschein gekommen. 3 Millionen sind verschleppt, verhungert, ermordet worden;
({3})
allein eine Million bei der Vertreibung. Jede deutsche Frau, die in die Hände der Russen gefallen ist, ist geschändet worden.
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Selbst Priestermord in großem Umfang ist begangen worden. Ich halte es für erforderlich, das auch bei dieser Gelegenheit ganz offen auszusprechen; denn es ist doch wohl so, daß die Größe dieser Gefahr bei uns in der Bundesrepublik - und ganz besonders gilt das auch für Frankreich - noch immer nicht erkannt worden ist.
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({6})
Wenn man sich das Wesen der totalitären Systeme vor Augen hält, dann weiß man, daß sie sich nicht beschränken und daß sie nicht aufhören können, daß sie sich niemals mit dem kleinen Finger begnügen, sondern immer die ganze Hand haben wollen. Deshalb kann es für uns Vertriebene nicht zweifelhaft sein, daß diese Gefahr besteht und daß es eine geradezu tödliche Gefahr ist. Und so sollte man meinen - und das trifft auch zu - daß die Vertriebenen in dieser Frage für die Bereitschaft zu einer Verteidigung ganz besonders aufgeschlossen sein sollten,
({7})
und sie sind es auch gewesen. Aber es ist nicht zu leugnen, daß diese Bereitschaft in starkem Umfange in Zweifel gezogen worden ist.
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Ich möchte kurz auf die Ursachen dieser Entwicklung eingehen. Es sind schwere Besorgnisse, die dieses Problem für die Vertriebenen aufwirft. Da ist einmal die Frage: Was wird aus unserer Heimat? Es ist in der Debatte bisher nicht zu viel vom Saargebiet gesprochen worden, aber doch wohl etwas zu wenig von unserer Heimat, und es ist meine Aufgabe, dieses Thema hier anzuschneiden.
Wir wissen, daß die Haltung der Vertriebenen zu dieser Frage im Ausland Besorgnis auslöst, ganz besonders in Frankreich, wo man sich sagt: Unsere Soldaten wollen nicht für Königsberg sterben. Die Vertriebenen sagen: Wir wollen nicht für Potsdam oder Yalta sterben, und ich glaube, der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit aller Vertriebenen sicher zu sein, wenn ich sage: für diese Frage soll überhaupt niemand sterben!
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Die Vertriebenen wünschen keinen Krieg, auch nicht um den Preis der Wiedergewinnung ihrer Heimat.
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Das ist keine Äußerung ad hoc. Ich verweise auf die Charta der deutschen Vertriebenen, in der es heißt: „Wir verzichten auf Rache und Vergeltung", und dieser Verzicht, der gleichzeitig die Wiedereroberung unserer Heimat mit Waffen ablehnt, ist endgültig.
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Aber ebenso endgültig ist, daß wir unser Recht auf die Heimat nicht preisgeben wollen und nicht aufhören werden, dieses Recht mit friedlichen Mitteln zu suchen.
({12}) Wir sind uns seit langem darüber einig geworden, daß der Weg zur friedlichen Wiedergewinnung der Heimat über Europa führt.
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Als wir vor einigen Wochen in Hannover den Bund der vertriebenen Deutschen gründeten, da stand diese Tagung unter dem Wort „Für Heimat, Deutschland und Europa".
({14})
Eine unserer größten Vertriebenenzeitungen nahm das zum Anlaß, ihren Namen „Die Stimme der Vertriebenen" zu ändern in „Die Stimme für Heimat, Deutschland und Europa".
Wir wissen, daß diese Frage beim Friedensschluß entschieden werden soll, und wir können daraus die Gewähr entnehmen, daß sie nicht ohne Zustimmung Deutschlands entschieden werden kann. Aber wir glauben, wir sollten noch eines mehr verlangen. Wir sollten verlangen, daß bei dieser Frage und ihrer Entscheidung die Grundsätze der Atlantik-Charta Anwendung finden. In der Atlantik-Charta heißt es, daß keine territorialen Erweiterungen erstrebt werden, daß kein Volk seines Gebiets ohne seine Zustimmung verlustig gehen soll. Es kommt darin auch zum Ausdruck, daß es einen Unterschied zwischen Siegern und Besiegten nicht geben kann. Wenn wir von den Alliierten - und ich glaube, sogar Stalin hat ein Jahr später die Atlantik-Charta unterschrieben - verlangen, daß sie zu ihrer eigenen feierlichen Erklärung stehen, so bewegen wir uns damit im Rahmen dessen, was wir unter allen Umständen mit Recht verlangen können.
({15})
Aber die Vertriebenen haben auch Besorgnisse, die sich nach innen wenden. Eine echte Verteidigungsbereitschaft setzt voraus, daß diese' große Gruppe unseres Volkes das Gefühl hat, hier eine Heimat zu haben, solange bis sie ihre alte Heimat wieder bekommen kann, daß sie gleichberechtigt im Volksganzen steht und daß ihre soziale Sicherheit gewährleistet ist.
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Die Bundesregierung verlangt mit Recht, daß die Gleichberechtigung Deutschlands gegenüber Europa sichergestellt wird. Wir alle teilen dieses Verlangen. Aber ein solches Verlangen würde wenig Überzeugungs- und Stoßkraft haben, wenn wir im Innern nicht selbst danach sehen würden, daß nicht zweierlei Recht geschaffen wird. Hier muß ich - um nur ein Beispiel herauszugreifen - zurückkommen auf das Unrecht, das den Vertriebenen und nicht nur den Vertriebenen bei der kleinen Besoldungsreform geschehen ist. Man hat sie einfach schlechter gestellt als alle anderen, bloß weil nicht genügend Geld da war. Wenn solche Unrechtstatbestände nicht schleunigst ausgeräumt werden, dann wird sich eben die echte innere Bereitschaft nicht einstellen, da mögen wir reden, was wir wollen.
Die zweite Frage, die die Vertriebenen mit großer Besorgnis erfüllt, ist in diesem Hause schon mehrfach angeschnitten worden: Werden die großen Leistungen, die uns der Verteidigungsbeitrag auferlegt, nicht zu Lasten derer gehen, die auf Hilfe aus Bundesmitteln angewiesen sind? Werden sie nicht gerade zu Lasten des Lastenausgleichs gehen? Diese Rivalität zwischen Lastenausgleich und Verteidigungsbeitrag ist auch von der Bundesregierung immer zugegeben worden, und zwar schon in der Begründung zum Lastenausgleich, wo gesagt ist, daß alles das, was hier geleistet wird, ein echter Beitrag zur Verteidigung ist.
Ich will hier auf Einzelheiten nicht eingehen, ich kann es auch nicht. Aber es ist Tatsache, daß die Angelegenheit nun schon zu lange dauert und daß nach dem bisherigen Konzept ein echter Ausgleich, eine wirkliche Beseitigung der Unordnung in der Besitzverteilung, die ja schon früher bestand und durch die Zufallsentscheidungen des Krieges noch verschlimmert worden ist, nicht beabsichtigt ist. Die Überzeugung also, daß das bisherige Konzept eine solche Entscheidung bringen wird, ist bei den Vertriebenen nicht vorhanden und kann bei ihnen auch nicht vorhanden sein. Bis jetzt ist nach meiner Meinung nicht einmal sichergestellt, daß die Leistungen der Soforthilfe in der bisherigen Höhe aufkommen werden, und erst recht nicht die Leistungen, die wir nach unserem Konzept brauchen.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wäre verhängnisvoll, militärische Verteidigungsvorbereitungen zu treffen und es zu unterlassen, die soziale Ordnung zu schaffen, die allein die Ideologie des Ostens von innen her wirksam bekämpfen kann.
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Ich möchte die Bundesregierung bitten, in den Verhandlungen, die sie jetzt zu führen hat, gerade auf diese Seite der Angelegenheit hinzuweisen. Auch die Amerikaner - insbesondere Mr. Sonne, der ja hier war und das Problem studiert hat - haben zugeben müssen, daß das eine so wichtig ist wie das andere.
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Wir wollen die Dinge nicht leicht nehmen. Die „Zeit" hat einmal geschrieben, die Vertriebenen seien „Figuren in Stalins Spiel". Der Herr Bundeskanzler hat gestern hier aufgezählt, welche Tarnorganisationen wirksam sind, um unsere Organisationen zu unterwandern. Gerade auch wir können solche Beobachtungen machen. Man hält westdeutsche Flüchtlingskongresse ab, man hat jetzt schon eine besondere Flüchtlingszeitung gegründet, die sehr preiswert abgegeben wird, man bietet sich den Treckvereinigungen schon als Bundesgenosse an, und man versucht, alle anderen Organisationen zu unterwandern. Deshalb bin ich der Auffassung, daß, wenn wir in einigen Monaten vor die Entscheidung gestellt werden, bis dahin schon durch die Tat bewiesen sein muß - insbesondere durch die Endkonzeption des Lastenausgleichs -, daß man nicht nur Worte machen will, sondern wirklich bereit ist, dieser Gruppe, die noch im Schatten steht, das zu geben, was sie haben muß, wenn sie mit ganzem Herzen für die gemeinsame Heimat eintreten soll.
({20})
Meine Damen und Herren! Die Beteiligung an dem Beitrag zur gemeinsamen Verteidigung Europas ist für uns alle tragbar und annehmbar nur unter dem Gesichtspunkt, daß wir auf diese Weise
- und nur auf diese Weise!, - den äußeren Frieden erhalten können. Aber die weitere Voraussetzung ist, daß wir uns durch soziale Leistungen den inneren Frieden bewahren und erhalten!
({21})
Meine Damen und Herren! Ich komme in eine gewisse Verlegenheit, wenn die gemeldeten Redner nicht anwesend sind.
({0})
- Herr Abgeordneter Rische, wofür Sie Anwärter sind, ist eine Frage, die wir hier nicht entscheiden können.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter von Thadden. - Herr Abgeordneter von Thadden wünscht nicht, das Wort zu nehmen.
({2})
- Noch nicht.
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Meine Damen und Herren, - es besteht kein Anlaß zu besonderer Unruhe. Herr von Thadden!
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von Thadden ({5}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben gestern mit großem Interesse die Rede des Herrn Bundeskanzlers auf der einen und die des Herrn Ollenhauer auf der anderen Seite gehört. Beide Reden enthielten außerordentlich viel Dinge, die uns gefielen.
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Gegen beide Reden wäre aber auch manches einzuwenden.
Der Herr Bundeskanzler hat sich in längeren Ausführungen über die Gefährlichkeit der Sowjetunion verbreitet, er hat Dinge vorgetragen, die uns - uns allen! - seit langer Zeit bekannt sind. Aber er hat leider versäumt, auf manch konkrete Einzelheiten einzugehen, die uns gerade in dieser Situation besonders interessiert hätten. Wir haben wenig, ja wir haben nichts von dem konkreten Inhalt des Generalvertrags gehört, der die politische Voraussetzung für jede militärtechnische Abmachung ist, und wir haben des weiteren nichts über das Verfahren gehört, das man beim Aufbau eines neuen Heeres einzuschlagen gedenkt.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Rede erklärt, daß er aus Gründen der diplomatischen Rücksichtnahme manches nicht sagen könne, was er vielleicht gern sagen möchte. Dann ist es aber auch nicht möglich, von dem Hause nun ein klares Ja zu Dingen zu verlangen, die es noch nicht zu übersehen vermag, wenn der Bundeskanzler manches Wesentliche noch nicht sagen kann.
({7})
Bisher haben wir lediglich etwas über die Präambel des Generalvertrags vernommen. Sie stellt nicht mehr als eine Sammlung frommer Wünsche dar, deren Auswirkungen in der Praxis - und das ist der eigentliche Inhalt des Vertrags - aber nicht zu überblicken sind. Wir sind davon überzeugt, daß uns der Petersberg theoretisch das Beste wünscht; aber wir sind gleichermaßen der festen Überzeugung, daß er uns erst dann etwas Gutes zu geben beabsichtigt, wenn er seine eigenen Angelegenheiten zunächst einmal hundertprozentig zu seinem Nutzen geregelt hat.
Das, was wir gestern gehört haben, war unzureichend. Aber noch wesentlicher ist, daß wir in der letzten Zeit von unseren künftigen Verbündeten erhebliche Enttäuschungen erlebt haben. Als die Alliierte Hohe Kommission das Gesetz über die finanzielle Eingliederung Berlins inhibierte oder sistierte, erklärte sie, daß sie das tun müsse, weil man sonst mit Protesten der Sowjets zu rechnen habe. Meine Damen und Herren, daß die Sowjets protestieren würden, ist keine tiefschürfende Entdeckung; denn seit 1945 protestieren sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Uns fällt aber auf, daß man in diesem Fall auf eventuelle, mögliche russische Proteste Rücksicht nimmt, während man es in anderen Fällen gar nicht tut. Ich erinnere daran, daß z. B. der japanische Friedensvertrag - es wäre für uns recht schön, wenn der zukünftige deutsche Vertrag manches davon hätte - abgeschlossen wurde, ohne daß man sich um die heftigen russischen Proteste kümmerte. Des weiteren
({8})
hat man, ohne sich um die ständigen russischen Proteste zu kümmern, den italienischen Friedensvertrag in vielen Dingen modifiziert und verbessert. Bei uns aber glaubte man auf die sowjetischen Proteste Rücksicht -nehmen zu müssen.
({9})
- Nein, der Grund ist leider noch ein ganz anderer, Herr Mellies, und zwar folgender. Wir sehen in diesem Vorgang die leider noch vorhandene Gefahr, daß sich der Westen eines Tages auf unsere Kosten mit seinem ehemaligen Kriegsverbündeten einigt; er würde es tun, wenn er es nur irgendwie könnte, Herr Dr. Tillmanns.
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Ich glaube, der Bundeskanzler hat wegen der Frage, ob sich die Brüder nicht eventuell doch noch über unseren Kopf hinweg einigen könnten, genau so viele schlaflose Nächte gehabt und wird sie noch haben, wie wir alle.
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- Ich komme auf die besondere Situation Berlins noch zu sprechen, Herr Dr. Tillmanns. Die einzige Grundlage für die Betrachtung unserer Situation ist bisher nur die konsequente negative Haltung der Sowjets gewesen, nichts anderes.
Meine Damen und Herren, es ist immerhin bemerkenswert, daß die Westmächte bisher noch keinerlei Ansätze gemacht und Versuche unternommen haben, die Basis zu verlassen, die mit den Abkommen von Yalta und Potsdam umschrieben ist. Wir haben bis jetzt nichts davon gehört, daß die Alliierten diese uns belastenden Verträge aufgekündigt haben, etwa wegen Bruchs durch den Osten. Ich bin aber der Auffassung, daß es völlig ausgeschlossen ist, ein neues deutsches Heer aufzubauen, solange unser Verhältnis zu den künftigen Verbündeten mit der Hypothek dieser beiden Verträge, die auf unsere Zukunft nicht nachwirken dürfen, belastet ist. Ich habe auch nicht den Eindruck, daß in dem Generalvertrag so etwas wie, sagen wir einmal, ein Nullpunkt hergestellt wird und daß die Alliierten gewillt sind, von der Linie der Vergangenheit, die doch konsequent von der Konferenz von Casablanca 1943 bis zum Petersberg-Abkommen 1949 verläuft, hundertprozentig abzugehen. Ein hundertprozentiges Abgehen von dieser Linie und eine hundertprozentige Liquidation der, ich möchte einmal sagen, Ära der bedingungslosen Kapitulation ist aber unbedingte Voraussetzung dafür, daß wir uns in irgendein neues Bündnis oder Vertragsverhältnis mit den Westmächten begeben. Es ist doch ein grotesker Zustand, daß wir, während wir hier verhandeln, in Deutschland noch Gesetze der Hochkommission - nicht mehr des Kontrollrats - haben, die eine Beschäftigung mit diesen Dingen unter Geldstrafen bis zu einer Million D-Mark stellen. Auch sind nach wie vor unendlich viele Kontrollratsgesetze in Kraft. Es wäre interessant, würde aber zu weit führen, einmal festzustellen, was denn bis jetzt überhaupt noch verboten ist. Soweit mir bekannt, ist bisher nur von Schreiben der Alliierten Hochkommission an unsere Regierung die Rede gewesen, worin diese erlaubte, sich trotz der Bestimmungen dieser Gesetze mit den Dingen zu befassen.
Ein anderes Ereignis der letzten Zeit hat uns aber noch skeptischer gemacht: das Vorgehen Frankreichs an der Saar. Wenn die - zufälligerweise im Amt befindliche - französische Regierung es für notwendig hält, den Herrn Grandval, von dem man sagt, daß sein Name früher einmal in deutschen Adreßbüchern gestanden hat, zum Botschafter bei seiner eigenen Kreatur zu machen, dann bedeutet das nicht etwa bloß eine Unterstützung dieser Kreatur Hoffmann, sondern wir erblicken darin ausschließlich einen festen und massiven Schritt auf dem Wege, im Saargebiet vollendete Tatsachen zu schaffen. Der Bundeskanzler hat bisher sich und uns immer mit der Formel getröstet, daß die Saarfrage in dem Friedensvertrag gelöst werde und daß nach seinem Schriftwechsel mit Schuman Frankreich keinerlei Dinge tun würde, die irgend etwas vorwegnehmen könnten, was dem endgültigen Friedensvertrage vorbehalten bleibe. Aber die Franzosen sind zu nüchterne Realisten, als daß sie nicht jede sich bietende deutsche Schwäche ausnutzen würden, um ihre eigene Position zu festigen. Mit der Ratifizierung des Schuman-plans durch das deutsche Parlament ist aber auch die letzte fadenscheinige Begründung für eine französische Intervention im Saargebiet verlorengegangen; denn wirtschaftliche Interessen können ja kaum mehr als maßgeblich ins Feld geführt werden, nachdem die beiden wirtschaftlichen Hauptwerte des Saargebiets, nämlich Kohle und Stahl, in den europäischen Montanpakt eingebracht sind.
Ein weiteres hat uns außerdem in der letzten Zeit skeptisch gemacht. Meine Damen und Herren, was nützt die schönste Gleichberechtigung deutscher Truppen im Rahmen des Plevenplan-Vertrags,
({12})
die Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung, die im Art. 3 dieses Vertrags festgelegt ist oder festgelegt werden soll oder sein wird, wenn diese Organisation der Europaarmee letztlich nicht entscheidend ist. Entscheidend ist im ganzen Gebäude dieser verschiedenartigen Verträge bisher nur die Organisation der NATO. Es ist ausgeschlossen, im Ernste von einer deutschen Gleichberechtigung innerhalb der Europaarmee zu reden, wenn wir auf der eigentlichen Kommandobrücke, der NATO nämlich, nicht vertreten sind.
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Auch wenn es der Herr Bundeskanzler gesagt hat - es ist gut, daß er es gesagt hat -, muß von allen Seiten des Hauses erklärt werden, daß dies die Kardinalforderung, die Forderung Nr. 1 ist, die von dem Bundestag mit Ausnahme der Satrapen Moskaus geschlossen unterstützt wird und entsprechend vertreten werden muß.
({14})
Man ist nicht imstande, wenn wir auf dieser. eigentlichen Befehlszentrale nur mit einer Art besserem Ordonnanzoffizier vertreten sein sollten, von einem gleichberechtigten deutschen Soldaten zu sprechen; denn gleichberechtigt wären wir ja nur dann, wenn wir dasselbe Verfügungsrecht hätten wie alle anderen. Ohne gleichberechtigte Vertretung dort oben wäre dies aber nicht möglich.
Und ein anderes. Man redet von deutschen Divisionen. Gleichzeitig tut man aber den Begriff einer deutschen Wehrmacht in Acht und Bann. Ich bin der Auffassung, daß Divisionen, die nicht Teil einer Wehrmacht eines Volkes sind, eben Teile einer Fremdenlegion sind und daß eben nur eine dem
({15})
Vaterland direkt verpflichtete Wehrmacht das Gegenteil einer Fremdenlegion ist. Ich glaube, daß es ganz besonders aus psychologischen Gründen wesentlich sein wird, den Deutschen jegliches Gefühl zu nehmen, in irgendeiner Art zweitrangig zu sein bzw. behandelt zu werden.
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- Herr Dr. Reif, ich bin überzeugt, daß die Überlegenheit des Westens auf materiellem Gebiet im ständigen Rückgang begriffen ist, wie die letzten Ereignisse in Korea mit einer erschreckenden Deutlichkeit gezeigt haben. Die materielle Überlegenheit des Westens gegenüber dem Osten war in der ganzen Debatte ein sehr wesentlicher Punkt. Wenn sich dies nun zugunsten des Ostens verschiebt - physisch sind wir ohnehin wesentlich weniger als die -, dann ist es noch wichtiger, daß der Soldat, der dagegen eingesetzt werden soll, eine sichere und geistig überlegene psychologische Basis gegenüber dem Steppenmenschen von drüben hat, mit dem er sich eines Tages, was Gott verhüten möge, vielleicht auseinandersetzen muß.
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- Doch! - Des weiteren ist uns nichts über die Fragen gesagt worden, wie in Zukunft unser Heer ausgerüstet und bewaffnet werden soll. Da ist folgendes zu sagen. Herr Bundeskanzler, vom Schumanplan verstanden nicht mal alle Abgeordneten dieses Hauses etwas, hinzugenommen vielleicht einige Funktionäre der Gewerkschaften, der Industrie und sonstiger Verbände. Von der Ausrüstung und Bewaffnung verstehen aber Hunderttausende etwas; hunderttausende ehemaliger deutscher Obergefreiter wissen ganz genau, wie eine solche Sache aussieht. Es ist notwendig und es scheint mir dringend notwendig zu sein - ({18})
- Nein, das ist kein gefährliches Zitat.
Es ist dringend notwendig, daß das Gefühl der Gleichberechtigung auch in waffenmäßiger Hinsicht rechtzeitig und frühzeitig geschaffen wird. Wir haben einmal davon gehört, daß mangels Masse die Amerikaner vielleicht auch genötigt sein könnten, uns Sherman-Panzer hierher zu bringen. Meine Damen und Herren, seien Sie sich bitte darüber im klaren: In solche Dinger setzt sich ein deutscher Soldat, der den Krieg hinter sich gebracht hat, nicht rein, und zwar deshalb, weil, angesichts der überlegenen Qualität der russischen Panzer, er Befürchtungen hat, sich hineinzusetzen.
Diese Dinge müssen vorher klargestellt sein, ehe man verlangen kann, daß deutsche Menschen mit dem notwendigen inneren Schwung an einen Verteidigungsbeitrag herangehen.
({19})
Es ist des weiteren nicht ganz begreiflich, daß sich eine gewisse Sorte deutscher Zeitungen auf der einen Seite den alliierten Forderungen hinsichtlich der Vorbereitung einer Wehrbereitschaft etc. anschließt, auf der anderen Seite aber schreibt, daß es natürlich nicht notwendig, j a im Gegenteil sogar zu verurteilen wäre, wenn wir hier in Deutschland eine eigene Rüstungsindustrie aufmachten. Ich, bin überzeugt, es wäre viel angenehmer, wenn wir die Waffen von woanders beziehen könnten und in dieser Richtung nichts zu tun brauchten; aber ein Heer, das sich nicht direkt auf eine vorhandene Rüstungs- und Reparaturindustrie stützt, wird im Ernstfall nutzlos sein.
({20})
- Das ist keine schwierige Sache, das ist eine sehr einfache Sache; denn Sie müssen bitte daran denken, daß im Ernstfall das ganze Bundesgebiet - um es mal mit einem militärischen Fachausdruck zu belegen - rückwärtiges Heeresgebiet ist. Es ist völlig ausgeschlossen, eine Truppe hier aufzubauen, wenn gleichzeitig nichts an technischen Zurüstungsbetrieben, die aber notwendig sind, vorhanden ist. Das ist das Wesentliche. Es wäre sehr angenehm, wenn wir alles das hierhergebracht kriegen und unendlich viel Geld damit sparen könnten; aber was angenehm ist, hat meistens mit den nüchternen Realitäten, um die es hier geht, nur sehr wenig zu tun.
({21})
Was nun die Ausführungen des Herrn Kollegen Ollenhauer angeht, so habe ich dazu kurz folgendes zu bemerken. Herr Ollenhauer hat mit Recht an vielen Dingen, die der Bundeskanzler gesagt hat - bzw. nicht gesagt hat, und das waren eigentlich die wesentlicheren -, Kritik geübt. Die sozialdemokratische Kritik hat aber unseres Erachtens in ihrer sachlichen Durchschlagskraft darunter gelitten,
({22})
- ich bin gleich fertig -, daß eben hinter dieser Kritik ausschließlich der Wunsch stand, möglichst schnell an die Regierung zu kommen. Ich bin der Auffassung, daß es das gute Recht einer parlamentarischen Opposition ist, alles zu tun, um möglichst schnell an die Regierung zu kommen; aber eine Verkoppelung des Dranges zur Regierung mit der Negation dieser Lebensfrage scheint uns nun allerdings zumindest leicht, ja, zu riechen.
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Meine Damen und Herren! Meine Redezeit
({24})
ist gleich beendet.
({25})
Lassen Sie mich einen Satz noch sagen zum Thema Kriegsdienstverweigerung.
({26})
- Ein Satz, Herr Präsident! - Meine Damen und Herren von der SPD, Ihre Argumentation steht meines Erachtens deswegen auf wackeligen Füßen, weil, wenn man von einem Recht der Kriegsdienstverweigerung mit der Waffe aus Gewissensgründen spricht, dieses implicite die Pflicht zum Kriegsdienst voraussetzt. Hätten Ihre Leute, die im Parlamentarischen Rat bei der Schaffung des Grundgesetzes mitgewirkt haben, sich nicht diesen Zak-ken abgebrochen und gar nichts über dieses Thema ins Grundgesetz hineingeschrieben, dann wäre darüber zu diskutieren, ob nun eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist oder nicht. Wir sind aber der Auffassung, daß es sich hier weniger um eine Wehrpflicht. als vielmehr um ein Naturwehrrecht eines jeden Volkes handelt, und wenn es ein Naturwehrrecht eines jeden Volkes gibt, dann sollte es wohl möglich sein, hier nun die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, auf denen eben eine den Zeitläuften angepaßte moderne Kriegsdienstpflicht errichtet werden kann.
({27})
Herr Abgeordneter von Thadden. Ihre Zeichensetzung in „einem" Satz entspricht nicht der deutschen Schulmeinung.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer gestern die Redner nach meinem Parteifreund Erich Ollenhauer hörte, der mußte sich verwundert fragen, ob wir hier versammelt sind, um Bekenntnisse allgemeiner und nicht unmittelbar verpflichtender Art abzulegen, in denen wahrscheinlich alle Demokraten einig sind,
({0})
während wir doch in Wirklichkeit vor der unsagbar schweren Aufgabe stehen, jetzt, hier und heute auf Grund einer Erklärung der Bundesregierung eine unwiderrufliche, eine geschichtliche Entscheidung wenn auch noch nicht zu fällen, so doch nahezu vorwegzunehmen. Nach dieser Entscheidung kann der Herr Bundeskanzler in einer absehbaren Zukunft seine Unterschrift unter Verträge setzen, durch die unser deutsches Volk die Verpflichtung auf sich nimmt, seine Jugend als Soldaten zu bewaffnen, und zwar - so allein lautet unsere Frage - unter Voraussetzungen und Bedingungen, nicht wie wir sie vielleicht wünschen mögen, sondern wie wir sie in der harten Welt der Tatsachen als gegeben kennen.
({1})
Auf der Goldwaage der Verantwortung, die wir vor unserem Volk und vor der Geschichte zu tragen haben, wiegt unsere Hoffnung nichts, wiegt unsere Tat alles, und zwar nach dem Maß unserer Einsicht und dem Gewicht unserer Gründe. Mit „wenn" und „aber" konnen wir daher nicht ausweichen. J a oder Nein, einzig eine dieser beiden möglichen Antworten ist von uns gefordert.
({2})
Was wir dabei auf den Tisch zu legen haben - das will ich dem Herrn Kollegen Strauß erklären -, das sind keine Karten wie in einem Tarockspiel, die der blinde Zufall mischt, das sind die Gründe unseres Ja oder Nein. Denn davon, ob diese Gründe wohlerwogen und gut sind oder nicht, hängt Wohl und Wehe unseres Volkes ab.
Sehen Sie, wenn ich jetzt auf die Rede des leider nicht anwesenden Kollegen Majonica komme und sie auf solche Gründe hin prüfe, so finde ich viele fromme Wünsche, die ich achte und teile, insbesondere seinen Wunsch nach einem Recht auf ein Leben in Würde. Aber mit diesem Wunsch ist doch ebenso wenig gewonnen wie mit dem Wunsch, daß nie wieder Krieg sein möge. Auch Herr Majonica sollte sich dem hier in Bonn wirkenden Moraltheologen Schöllgen anschließen und von ihm die Lehre annehmen, daß auch Klugheit eine Tugend ist.
({3})
Ich verdanke Herrn Professor Schöllgen den Hinweis auf die uralte Bitte um Schutz vor Pestilenz, Hungersnot und Krieg und auch die kluge Einsicht, daß die Pestilenz nicht durch Verwünschung der Hexen, sondern durch Beseitigung der Unsauberkeit und Bekämpfung der Ratten, und die Hungersnot nicht durch Verfolgung der Juden, sondern durch die Entdeckung des Kunstdüngers beseitigt wurde, und wohl auch die Verhütung des Krieges eine Leistung nicht nur unserer Wünsche, sondern unserer Vernunft sein muß,
({4})
eIner Politik, die wohl ein heißes Herz, aber auch einen klaren Verstand erfordert.
({5})
Herr Kollege Euler hat in seiner Rede Gedanken darüber entwickelt, wodurch die Gefahr gebannt werden und wodurch sie wieder heraufbeschworen werden kann. Solange überhaupt amerikanische Divisionen hier stehen, ohne daß es dabei entscheidend auf ihre Zahl ankäme - hat Herr Euler ausgeführt -, sei die Gefahr gebannt. Dem kann ich grundsätzlich zustimmen; denn Herr Euler hat sich insoweit einen immer und immer wieder von Herrn Dr. Kurt Schumacher betonten Gedanken zu eigen gemacht, daß nämlich die deutsche Lage mit der koreanischen nicht vergleichbar ist, sondern ein sowjetischer Angriff auf amerikanische Divisionen in Deutschland unmittelbar den Ausbruch eines dritten Weltkriegs mit Amerika bedeutet und darum für Risiko und Kalkül des Kremls keinesfalls unsere Wehrlosigkeit, sondern die Einschätzung der amerikanischen Macht allein ausschlaggebend ist. Herr Euler glaubt jedoch, man müsse die Gefahr darin sehen, daß sich das amerikanische Volk von seiner Politik der allumfassenden Friedens- und Freiheitssicherung abwende. Offenbar um dies zu verhüten, scheint Herr Euler es für erforderlich zu halten, daß Deutschland durch einen Wehrbeitrag seinen guten Willen beweise. Diese mehr auf Mißtrauen - um nicht zu sagen: auf Angst - begründete Erwägung halten wir für falsch, ja, für verhängnisvoll. Durch Angst ist noch niemals ein Krieg verhütet worden, aber durch Angst sind schon Kriege ausgebrochen.
({6})
Die deutsche Sozialdemokratie hat sich noch zu keiner Stunde der Einsicht versagt, daß der freie Teil des deutschen Volkes eine seinen Kräften angemessene und ihm zumutbare Last der Verteidigung auf sich nehmen müsse. Gerade mein Parteifreund Schumacher hat sich als erster nicht gescheut, die keineswegs sehr populäre Forderung sogar nach einer Vermehrung der Besatzungstruppen in Deutschland zu erheben, obwohl wir wissen, welche harte Last das für die Bevölkerung bedeutet. Aber wir wissen auch, daß die Freiheit des Westens auch unsere Freiheit ist und man sich seine Freiheit nicht als ein Almosen bewahren kann. Weder aber ist damit erwiesen, daß unser Beitrag zùr Verteidigung allein oder mindestens am besten in Soldaten bestünde, noch ist es stichhaltig, durch das doch so gefährliche Argument der Panik glauben zu machen, die amerikanische Sicherheitspolitik hinge von einigen deutschen Divisionen ab, die ohnehin noch Jahre brauchen würden, um eine Kampfkraft zu werden. Denn es gibt keine amerikanische Politik, die in der Lage wäre, Deutschland und Europa aufzugeben. Die Weltgeltung Amerikas, seine eigene Sicherheit und seine Position gegenüber dem Weltkommunismus lassen das nicht zu.
({7})
Selbst Herbert Hoover spricht nicht mehr die Sprache des alten Isolationismus und hat soeben erst wieder erklärt, daß jede Aggression der Sowjetunion, wo immer in der Welt sie erfolge, einen direkten Angriff auf Amerika selbst bedeute. Denn nicht nur die Freiheit, Herr Tillmanns, auch die Sicherheit in der Welt, in dieser einen Welt, ist unteilbar. Und selbst einer ({8}) Demokratie darf man so viel Einsicht in
({9})
die einfachste Notwendigkeit ihrer Selbsterhaltung. zutrauen, daß sie das drittgrößte Industriepotential der Erde nicht ohne Widerstand an die Sowjetunion fallen läßt. Herr Kollege Tillmanns, nicht Wunschträume, nicht unsere schönen Augen, sondern dieses Industriepotential ist es, was für die Amerikaner von einer solchen Bedeutung in Europa ist.
({10})
Die Rede des Herrn Euler kann also nicht davon überzeugen, daß ein deutscher Verteidigungsbeitrag unter allen Umständen nur in Soldaten bestehen müßte, und es ist noch weniger beweiskräftig, wenn Herr Kollege Strauß auf die Not der Besatzungsverdrängten hinwies und meinte, ob ich in Hessen denn noch mehr Deutsche durch amerikanische Truppen aus ihren Wohnungen verdrängen lassen wollte. Haben Sie, Herr Strauß, denn gar nicht die Rückwirkung Ihrer Worte überlegt, als Sie damit andeuteten, daß wir weitere Truppen eigentlich nicht brauchen könnten, weil .ihre Unterbringung lästig ist?
({11}) Sollen wir Menschen stellen, um nicht Wohnungen herzugeben?
({12})
Ich kenne sehr wohl das Elend der Besatzungsverdrängten.
({13})
Aber gerade an ihrem Los muß sich erweisen, ob die Verteidigung wahrhaft als ein gemeinsames Anliegen verstanden und verwirklicht wird.
({14})
Herr Kollege, lesen Sie Ihre Worte nach und hören Sie gut auf das, was ich jetzt sage.
({15}) Häuser lassen sich bauen, Und die Versicherung, daß man seitens der anderen auch unsere Gefährdung als die eigene und die gemeinsame ansieht, muß sich in der Gemeinsamkeit des Wohnens bestätigen, um glaubhaft zu werden.
({16})
Herr Kollege Strauß hat uns im Ergebnis erklärt, ein Nein um jeden Preis sei falsch, ein Ja unter unmöglichen Umständen sei auch falsch, weil es uns zum Aufmarschgebiet und- Brückenkopf für beide Seiten machen würde. In dieser doppelten Negation sind wir uns einig.
Aber ehe ich prüfen will, ob und welche Position Sie, Herr Kollege Strauß, nun eigentlich bezogen haben, muß ich ein Wort - und ich bedaure sagen zu müssen, ein anklagendes Wort - zu den pathetischen Äußerungen des Herrn Kollegen Kiesinger über das Wachsen des radikalen „Ohne mich" einflechten. Aus welchem Abgrund ist denn dieses in seiner Wirkung prosowjetische „Ohne mich!" aufgetaucht in einem Volke, das wie kein zweites in der Welt immun war gegen den Kommunismus? Die Geburtsurkunde des „Ohne mich" ist das Memorandum, das der Herr Bundeskanzler im August 1950
({17})
den auch damals in Washington versammelten I Außenministern der westlichen Alliierten über-. sandte und in dem er mitteilte, er sei bereit, einen deutschen bewaffneten Beitrag zu leisten.
({18})
Diese Bereitschaft wurde geheim, sie wurde ohne jede Erörterung ihrer Voraussetzungen erklärt.
({19})
- Herr Wuermeling, wir alle kennen den Wortlaut dieses nicht mehr geheimen Memorandums, das die Worte enthält: „. . . bereit, einen bewaffneten Beitrag zu leisten". Und die Stoßkraft gewann die „Ohne-mich"-Bewegung durch die vielfachen Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers, er werde diese seine Ein-Mann-Politik notfalls auch mit einer 'Mehrheit durchführen, die nach der Tradition der Mutter der Parlamente nicht einmal mehr für eine normale Regierungstätigkeit ausreicht. Hierdurch hat sich der Abgrund an Mißtrauen in unserem Volke aufgetan.
({20}) Herr Wuermeling, lassen Sie doch die Unwahrheiten, als ob die Sozialdemokratie jemals eine „Ohne-mich"-Propaganda betrieben hätte.
({21})
Sie selbst, Herr Kollege- Kiesinger, haben gestern auch nur Öl ins Feuer gegossen, als Sie sich rühmten, nicht im Gefühl eines beschränkten Mandats in den Bundestag eingezogen zu sein. Bei aller Wertschätzung für Sie muß ich Sie fragen, was Ihre Gefühle denn bedeuten gegenüber den Gefühlen der Menschen draußen, die sich in ihrem innersten Wert getroffen fühlen dadurch, daß eine solche Schicksalsfrage auf Leben und Tod über ihre Köpfe hinweg entschieden werden soll.
({22})
Sie müssen doch ein Empfinden dafür haben, daß man die Wehrpflicht nicht auferlegen kann wie eine Steuer.
({23})
Erst das „Ohne euch!" und das „Unter allen Umständen!" hat den scheußlichen Heerwurm der „Ohne uns!"-Schreier gezeugt.
Nun hat Herr Kollege Strauß mir soeben das gestern ' schon von ihm vorgewiesene Plakat hierher gelegt: „Nie wieder! Noch ist es Zeit! Wählt SPD!" aus der Stuttgarter oder ich weiß nicht welcher Zeitung. Herr Kollege Strauß, ich erinnere mich aus meiner früheren Zeit sehr gut eines Plakats des Jahres 32 ungefähr,
({24})
auf dem stand: „Wer Hitler wählt, wählt Krieg!" Das war keine Prophezeiung, denn das konnte man sehen, daß es so kommen würde.
({25})
({26})
- Das würde ich heute auch sagen, daß, wer Hitler wählt, Krieg wählt,
({27})
und hier auf diesem Plakat ist nichts weiter gefordert als eine Politik, die nie wieder von uns aus
eine Kriegsgefahr heraufbeschwört oder verstärkt.
({28})
Meine Damen und Herren, Sie sind heute morgen sehr lebhaft. Aber ich möchte noch einmal sagen, ohne daß Sie mir das bitte verübeln: Die Tugend der Klugheit läßt sich durch einen Aufwand an Geräusch nicht ersetzen!
({29})
Und, Herr Kollege Kiesinger, Sie können sich von dieser Verantwortung auch nicht loskaufen durch das Schaumgold Ihrer Rednergabe, daß Sie nicht an eine weltgeschichtliche Pause zugunsten des Deutschen Bundestages' geglaubt hätten.
({30})
Bittere Wahrheit ist, daß die Weltgeschichte dem deutschen Volke keine Pause gönnt.
({31})
Aber weder das deutsche Volk noch die Weltgeschichte werden Schaden nehmen, wenn dieser Bundestag durch Neuwahlen abgelöst wird.
({32})
Meine Damen und Herren, fürchten Sie denn die Neuwahlen. da ja doch Herr Kiesinger uns gestern so gepriesen hat, wie der Herr Bundeskanzler in zweijähriger Arbeit mühsam Schritt für Schritt den Kredit der Welt zurückgewonnen habe? Warum scheuen Sie denn, sich das vom Volke bestätigen zu lassen?
({33}) Meiner Meinung nach aber hat seine Politik nicht einmal Kredit in seinem eigenen Volke gefunden, geschweige denn in der Welt.
({34}) Denn im Volk mißtraut man insbesondere dem noch in soviel unheildrohendes Dunkel gehüllten Generalvertrag, über den mein Kollege und Freund Carlo Schmid, soweit wir unterrichtet sind, noch einiges zu sagen haben wird, mißtraut man dem Generalvertrag und seinen Annexverträgen und sieht in der langen Kette der Demütigungen, vom Fall Kemritz angefangen über das Verbot der Remontagen, die Enteignung der deutschen Auslandsvermögen, die Fremdenlegion der sogenannten Dienstgruppen bis zu den letzten Brüskierungen an der Saar hin: die Ergebnislosigkeit gerade dieser Außenpolitik.
({35})
Ergebnislos deshalb, weil sie in ihrem Ansatz falsch
war. Denn diese Außenpolitik hat versäumt, zwischen der Liquidierung des letzten Krieges und der
Fundierung einer gemeinsamen Zukunft klar zu
unterscheiden und deutlich zu machen, daß für uns
die innere und äußere Freiheit sowie die soziale
Fundamentierung unteilbare und unabdingbare
Voraussetzungen eines bewaffneten Beitrags sein müssen, also der Wehrbeitrag für uns kein Akt der Wiedergutmachung sein kann. Jetzt müssen wir deshalb von Frankreich den Vorwurf der Erpressung hören.
Nun, Herr Kollege Euler, Sie glauben nicht, daß der Wehrbeitrag ein Akt der Wiedergutmachung sein soll?
({36})
Hier in Bonn hat mir vor einem Jahr M. Pierre Montel als Leiter einer französischen Delegation und damals Vorsitzender des Verteidigungsausschusses in Paris die Frage gestellt - der Kabinettschef von Herrn François-Poncet war zugegen -, ob ich denn kein Verständnis dafür hätte, daß- der bewaffnete Beitrag auch ein Akt der Wiedergutmachung sei.
({37})
Daran, Herr Kollege Kiesinger, können auch Ihre noch so gut gemeinten Appelle an die Franzosen nichts ändern. Unser beider Wunsch ist es ganz bestimmt, daß die Völker der Franzosen und der Deutschen zu einer Versöhnung und einem Einverständnis kommen.
({38})
Aber es handelt sich hier nicht um Gefühle, sondern um die Einsicht, daß der Herr Bundeskanzler sich um die Quadratur des Zirkels müht, seit er in ihrer Zahl und ihrem Potential so von Natur aus ungleiche Völker wie die Franzosen und die Deutschen in ein Gleichgewicht zu bringen sucht, statt, daß die Spannungen zwischen Deutschland und Frankreich auf der höheren Ebene einer Vereinigung aller Völker Europas in Freiheit und Gleichheit aufgehoben werden.
({39})
S8 'aber fürchten jetzt die Menschen in Deutschland, eine in ihrem Ansatz und ihren Methoden verfehlte Außenpolitik noch durch einen Wehrbeitrag büßen zu müssen, von dem hoch niemand sagen kann, daß er sinnvoll und sicherheitsfördernd sei. Eine Regierung, die zu sich selbst nicht mehr das Vertrauen besitzt, jederzeit ihr Mandat von den Wählern bestätigen zu lassen, ist ihrem Wesen nach keine demokratische Regierung mehr.
({40}) Und für ein Parlament gilt dasselbe.
({41})
Aus dem zahlreichen Schrifttum besonders über die angelsächsische Praxis verweise ich Sie nur auf das 1950 erschienene Buch des Münchener Staatsrechtslehrers Friedrich Glum über „Das parlamentarische Regierungssystem in Deutschland, Großbritannien und Frankreich", wo es auf Seite 82 heißt - ich will mit freundlicher Erlaubnis des Herrn Präsidenten Ihnen wörtlich vorlesen, was ein Staatsrechtler ganz unabhängig von unserem konkreten Streit schreibt -:
Auch hat sich die Theorie immer mehr durchgesetzt, daß das Parlament über neue Fragen von fundamentaler Bedeutung nicht ohne einen Auftrag der Nation entscheiden kann.
({42})
Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß das Parlament als solches in dem Sinne delegierte Gewalt ausübt, daß es moralisch verpflichtet sei,
({43})
keine Fragen zu behandeln, die dem Volk nicht bei den vorhergehenden Wahlen unterbreitet worden sind.
({44})
- Das gilt auch für das Grundgesetz, Herr Kollege Schröder.
({45})
Aber ich will über die Rechtsfragen nicht mehr sagen, als notwendig ist, um auf die Rede des Herrn Kollegen Kiesinger und des. Herrn Bundeskanzlers zu erwidern. Wenn Sie die Rechtsfragen vertiefen wollen - ich bin im Verlaufe der Debatte dazu bereit, aber mir scheint das hier nicht der Platz zu sein.
({46})
Der Herr Bundeskanzler hat uns zweierlei vorgeworfen: erstens, daß wir die Person des Herrn Bundespräsidenten in die Debatte gezogen und zweitens, daß wir mit unserer Klage seine Verhandlungposition geschwächt hätten.
({47})
Auf 'eine künftige politische Haltung des Herrn Bundespräsidenten haben wir uns niemals berufen, wohl aber Sie, Herr Bundeskanzler, bei der ersten Lesung - des Ratifikationsgesetzes zum Schumanplanvertrag.
({48})
In die Wehrdebatte hat der Herr Bundespräsident selbst durch die öffentliche Äußerung einer Rechtsansicht eingegriffen. Daran zu erinnern, kann die dem Staatsoberhaupt geschuldete Achtung keinesfalls verletzen.
Zu unserer Verfassungsklage ihre Rechtsauffassung darzutun, hat die Bundesregierung nicht nur das Recht, sondern die Pflicht;
({49})
aber sie ist nicht befugt, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in einer Regierungserklärung durch die Feststellung vorwegzunehmen, .daß die Klageaussichtslos und überflüssig sei.
({50})
Soweit der Herr Bundeskanzler sich auf meinen Parteifreund Carlo Schmid berufen hat, wird mein Parteifreund Carlo Schmid die Antwort noch selbst erteilen. Über die Klage m ag Karlsruhe entscheiden.
Für uns steht heute und hier die politische Frage an, für die kein Gericht zuständig ist, deren Entscheidung aber wir vor dem Volk und vor dem Forum der Geschichte verantworten müssen: Glauben Sie denn wirklich, Herr Bundeskanzler, daß eine Wehrentscheidung überhaupt möglch und sinnvoll ist, die nicht vom Vertrauen und der freiwilligen Zustimmung eines Volkes in seiner Gesamtheit getragen wird? Meinen Sie im Ernst, daß die - Verhandlungsposition eines Bundeskanzlers stärker ist, der sich bloß auf die formaljuristische Macht einer schmalen Mehrheit stützt? Auch am Verhandlungstisch ist es im Gegenteil doch ein Argument von Gewicht, daß ein Ergebnis der Konferenzen so wertvoll und so überzeugend sein muß, daß es die Zweidrittelmehrheit gewinnen kann.
({51})
Uns scheint - und damit komme ich wieder auf die Rede des Herrn Kollegen Strauß zurück -, daß Sie, Herr Bundeskanzler, bisher noch nicht einmal Ihre eigenen Freunde gewonnen haben. Denn Herr Strauß hat zwar zweimal nein gesagt, nein zu einem Wehrbeitrag „um keinen Preis" und nein zu einem Wehrbeitrag „um jeden Preis". Aber wo ist eigentlich das klare Ja geblieben?
({52})
Statt dessen hat er uns hier ein „unter Umständen Nein" gesagt. Also muß es doch auch für Sie, Herr Strauß, mögliche Umstände geben, unter denen Sie glauben, daß ein Wehrbeitrag _nicht gut, sondern schlecht ist und die deutsche Sicherheit verringert statt vermehrt.
({53})
Also müssen auch Sie, Herr Strauß, und Sie, Herr Euler, glauben, daß sich nach solchem „unter Umständen Nein" andere und bessere Verhandlungsmöglichkeiten ergeben, ohne daß die Torschlußpanik begründet ist, ohne daß sich Deutschland isoliert und ohne daß insbesondere Amerika uns im Stich läßt. Also gerade Ihre Hauptgründe, daß nämlich das Nein die Katastrophe bedeute, fallen doch in sich zusammen, wenn Sie selbst mit einem „unter Umständen Nein" rechnen. Aber leider haben Sie die Umstände, unter denen auch Sie nein sagen wollen, mindestens nicht deutlich genug gekennzeichnet.
({54})
Gerade aber diese Umstände zu erfahren, darauf hat das deutsche Volk ein Recht; denn es wünscht von uns Wahrheiten und Entscheidungen, aber keine Worte.
({55})
Sie haben davon gesprochen, daß man bei uns gegen den „Schwindel mit Worten", wie Herr Strauß sich ausgedrückt hat, immun geworden sei. Ich will den Ausdruck Schwindel vermeiden. Aber ich muß Ihnen sagen, daß wir gestern von der Bundesregierung und den Rednern der Koalition viele Worte, vielversprechende Worte zu hören bekommen haben, doch keinen Aufschluß - Aufschluß haben wir aber zu verlangen - in der Frage, ob und warum der Herr Bundeskanzler in einer absehbaren, ja fast drohenden Zukunft seine Unterschrift unter Verträge setzen will und kann, durch die unser deutsches Volk die Verpflichtung auf sich nimmt, seine Jugend als Soldaten zu bewaffnen, und zwar, ich wiederhole, unter Voraussetzungen und Umständen, die wir als gegebene Tatsachen kennen müssen. Weder die Sicherheit, noch die Gleichberechtigung, noch die Freiheit, noch die deutsche Einheit, noch Europa lassen sich durch Worte beschwören.
({56})
Uns ist der Wahrheitsgehalt dieser Begriffe viel zu ehrfurchtgebietend, als daß wir zulassen können, daß man mit den bloßen Namen Mißstände zudeckt, die dieser Namen nicht würdig sind.
({57})
Wenn die Westmächte Deutschlands Wiedervereinigung im Generalvertrag als auch ihr Ziel anerkennen, warum beginnen sie dann nicht bei den deutschen Menschen, über die sie die Macht haben,
({58})
bei den deutschen Menschen an der Saar? Wenn die Westmächte Deutschlands Wiedervereinigung im Generalvertrag als auch ihr Ziel anerkennen, warum spielt denn hierbei das Zeitargument keine Rolle? Warum furchtet man denn in dieser Frage nicht, die Zeit zu verspielen? Welche Stärke, will der Westen noch abwarten und erreichen, um auf höchster Ebene der Vier-Mächte-Basis ernstliche Verhandlungen in dieser Frage zu beginnen, die nicht über uns, sondern mit' uns zu führen
Es ist ist ja so leicht gesagt, daß man über ein vereinigtes Europa zu einem in Freiheit einigen Deutschland kommen wolle. Aber wer verbürgt sich dafür, daß dieser Weg zum Ziel führt und die Eingliederung des westlichen Teils der Bundesrepublik Deutschland nach Westeuropa nicht die unwiderrufliche Ausgliederung ihres östlichen Teils bewirkt? Die Wiedervereinigung Deutschlands ist doch kein nur nationales Problem, ja, sie ist sogar mehr als ein europäisches, sie ist ein Problem des Weltfriedens. Und was wird aus Berlin?
Auf keine dieser Fragen haben wir von der Bundesregierung eine irgendwie befriedigende Auskunft erhalten. Keinen stichhaltigen Grund haben wir dafür erfahren, warum der Generalvertrag zur Ablösung des geschichtlich doch längst überholten Besatzungsstatuts nur - und nur - auf dem Fundament des deutschen Wehrbeitrags abgeschlossen werden kann und dadurch unserem Volk jede freie Entscheidung genommen wird. Diese Freiheit der Entscheidung aber ist für unser Volk unverzichtbar, wenn es prüfen und selbst beurteilen soll, ob es Vertrauen hegen darf und einsehen kann, dar die ihm zugemuteten Opfer sinnvoll sind und Sicherheit gewährleisten, ob sie geeignet sind, den Frieden zu' gewinnen. Gestern noch hat der Herr Bundeskanzler sich von dieser Stelle aus dagegen verwahrt, daß mein Freund Ollenhauer gesagt hat, wir sollten nach dem Fahrplan erst den Wehrbeitrag leisten und dann den Generalvertrag bekommen. Heute steht in allen Zeitungen, daß der amerikanische Außenminister Dean Acheson gestern mit aller Eindeutigkeit erklärt hat, es gebe keinen Generalvertrag, solange die Frage des Wehrbeitrags ungeklärt sei.
({59})
Da ist der Herr Bundeskanzler wieder einmal desavouiert.
({60})
Aber unsere Freiheit der Entscheidung ist nicht gewährleistet, solange man uns gegenüber diese Politik der Koppelung und Fesselung betreibt.
Wir Sozialdemokraten haben seit Jahren die Voraussetzungen aufgezeigt, die in ihrem Zusammenhang unteilbar und unabdingbar sind, um den Weg geradeaus nach Europa zu nehmen. Wir müssen feststellen, daß es nach wie vor an diesen Voraussetzungen fehlt, und darum das klare und das ganze Neinsagen, das allein den Weg zu neuen Anfängen eröffnet. die um der Sicherheit und der Freiheit und der Einheit Deutschlands und Europas willen notwendig sind.
({61})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler. Dr. Adenauer, Bundeskanzler: Meine Damen und Herren! Ich mochte einige tatsächliche Irrtumer des Herrn Dr. Arndt sofort richtigstellen. Zunächst hat Herr Arndt gesagt, wörtlich nach dem Stenogramm:
Nach dieser Entscheidung
- die der Bundestag heute zu fällen habe kann der Herr Bundeskanzler in einer absehbaren Zukunft seine Unterschrift unter Verträge setzen, durch die unser deutsches Volk die Verpflichtung auf sich nimmt, seine Jugend als Soldaten zu bewaffnen, . . .
Herr Arndt ist Jurist und müßte wissen, daß diese Angabe, die er gemacht hat, falsch ist.
({0})
Von der Bundesregierung ist diesem Hause in keiner Weise eine Vorlage unterbreitet worden,
({1})
durch die die Bùndesregierung eine Vollmacht erhalten sollte. Herr Arndt als Jurist weiß ganz genau,
({2})
daß Verträge, die unterschrieben werden, rechtliche Gültigkeit erst bekommen, wenn sie vom Bundestag ratifiziert sind.
({3})
- Herr Bundestagspräsident, ich habe in der Zwischenzeit festgestellt, daß ich gestern während meiner Ausführungen 185mal von kommunistischer Seite unterbrochen worden bin. Wenn die Geschäftsordnung keine Möglichkeit bietet, dem Einhalt zu tun, dann möchte ich an Sie, meine Damen und Herren, doch die Bitte richten, mich so zu behandeln, wie Sie wünschen behandelt zu werden.
({4})
Ich muß dann gegenüber weiteren Ausführungen des Herrn Abgeordneten Arndt feststellen, daß, wie mir der amerikanische Hohe Kommissar Herr McCloy mitgeteilt hat, Herr Kollege Schumacher von ihm, als Korea kam, verlangt hat, es sollten sofort 60 bis 70 angelsächsische Divisionen in Deutschland stationiert werden.
({5})
- Meine Damen und Herren, ich bin bei der Unterredung zwischen Herrn Dr. Schumacher und Herrn McClöy selbstverständlich nicht anwesend gewesen. Ich kann Ihnen nur das sagen und habe Ihnen also nur das gesagt,
({6})
was mir noch vor kurzer Zeit Herr McCloy mitgeteilt hat.
({7})
Herr Dr. Arndt hat dann die Behauptung aufgestellt, ich hätte mich durch ein Schreiben an die Hohe Kommission vom 29. August 1950 zu militärischen Leistungen bereit erklärt. Ich habe mir in der Zwischenzeit dieses Memorandum vom 29. August holen lassen
({8})
({9})
und möchte Ihnen die Teile, die diese Frage behandeln, wörtlich verlesen:
({10})
1. Die Entwicklung im Fernen Osten hat innerhalb der deutschen Bevölkerung Beunruhigung und Unsicherheit ausgelöst. Das Vertrauen, daß die westliche Welt in der Lage sein würde, Angriffshandlungen gegen Westeuropa rasch und wirksam zu begegnen, ist in einem besorgniserregenden Ausmaß im Schwinden begriffen und hat zu einer gefährlichen Lethargie der deutschen Bevölkerung geführt.
2. Der ganze Ernst der Situation ergibt sich aus der Betrachtung der in der Ostzone versammelten sowjetischen Kräfte und der dort in beschleunigtem Aufbau befindlichen Volkspolizei. Nach bestätigten Informationen befinden sich im Raum der Ostzone an sowjetischen Truppen zur Zeit 2 Armeen schneller Truppen mit zusammen 9 motorisierten Divisionen, 4 Panzerarmeen mit zusammen 13 Divisionen, insgesamt also 22 motorisierte und Panzerdivisionen.
Die Divisionen, zu 10- bis 12 000 Mann gerechnet, sind personell voll aufgefüllt und verwendungsbereit auf den Sommerübungsplätzen versammelt. Sämtliche Führungsstäbe sind vorhanden. Die Mobilmachungsausrüstung, Munition, Betriebsstoff, Fahrzeuge, Marschverpflegung usw. ist in den Händen der Truppe, die innerhalb 24 Stunden in Marsch gesetzt werden kann. Diese sowjetischen Armeen stehen auf der Linie Neustrelitz - Döberitz - Berlin - Wittenberg ({11}) - Grimma - Harz.
({12})
- Die hatten Sie damals noch nicht!
({13})
Der Aufmarsch zeigt in vorderer Linie die motorisierten schnellen Truppen, dahinter in zweiter Linie die schweren Panzerverbände mit dazwischenliegenden besonderen Artillerie- und Flakeinheiten. Dieses Bild muß als ein ausgesprochener Offensivaufmarsch bezeichnet werden.
({14})
Die Zahl der einsatzbereiten Panzer muß mit 5000 bis 6000 angenommen werden.
({15})
Die sowjetische Jagdluftwaffe befindet sich in rasch zunehmender Umbewaffnung auf Turbo-Jäger modernster Bauart. Bei gleichbleibendem Tempo der Umbewaffnung muß zur Zeit mit 300 Turbo-Jägern, Ende September mit etwa 500 gerechnet werdén. Der , Ausbau der Jägerflugplätze in der Ostzone für die Benutzung durch Turbo-Jäger ist bereits weitgehend durchgeführt. Im Raum südlich Berlin werden zur Zeit mehrere Flugplätze mit Startbahnen für Langstreckenbomber ausgestattet. Aus dieser Tatsache kann auf die sowjetische Absicht geschlossen werden, demnächst auch Verbände der strategischen Luftwaffe, die bisher im Innern Rußlands versammelt waren, in die Ostzone vorzuziehen.
Dies würde als weiteres ausgesprochenes Zeichen offensiver Absichten gewertet werden müssen.
({16})
Neben diesen außerordentlich starken sowjetrussischen Kräften macht der Aufbau der Volkspolizei in der Ostzone in den letzten Monaten besondere Fortschritte. Dabei ist ihre Entwicklung von der Polizei zur Polizei-Armee bemerkenswert. In den letzten Monaten wurden zirka 70 000 Mann aus der allgemeinen Polizei der Ostzone herausgelöst, in militärähnlichen Formationen organisiert und militärisch ausgebildet.
({17})
Diese aus dem allgemeinen Polizeiverband gelösten Einheiten sind in Bereitschaften und Schulen gegliedert. Ende Juli wurden bereits 12 000 Mann in die neue erdgraue Felduniform eingekleidet. Die Bereitschaften der Volkspolizei, von denen zur Zeit 45 in allen Einzelheiten erfaßt sind, umfassen jede etwa 1000 Mann. Sie erhalten weder polizeiliche Ausbildung noch ist ihr polizeilicher Einsatz geplant; vielmehr werden sie ausgesprochen militärisch ausgebildet.
({18})
Es sind ferner mit allen Einzelheiten erfaßt 15 Waffenschulen. Weitere Schulen befinden sich im Aufbau. Diese Schulen dienen der Ausbildung von Unterführern und Offizieren. Sie besitzen jede eine Stärke von 1000 bis 1500 Mann. Es bestehen außerdem Spezialschulen für die Ausbildung höherer Führer, von Propagandaoffizieren und für die Ausbildung an schweren Waffen. Diese Schulen bilden das Kernstück dieser Polizei-Armee. Die Bewaffnung der Volkspolizei-Bereitschaften besteht überwiegend aus leichten Infanteriewaffen. Eine volle Motorisierung ist geplant, jedoch mangels Materials noch nicht durchgeführt. Die Planung für die Weiterentwicklung der Volkspolizei sieht eine Gliederung in 5 Gruppenkommandos zu je 2 Gruppen, eine Panzerdivision und eine motorisierte Infanteriedivision vor. Die Gruppen werden nach dem vorgesehenen Organisationsschema genau das Aussehen sowjetischer Heeresdivisionen tragen.
Als Gegenkräfte stehen in Westdeutschland diesem Gegner je 2 amerikanische und britische Divisionen und einige französische Verbände gegenüber. Die Bundesregierung verfügt, wenn man von den schwachen Kräften des Zollgrenzdienstes absieht, über keine Kräfte. In der britischen Zone gibt es eine Polizei, die auf kommunaler Basis organisiert ist. Sie ist weder einheitlich ausgebildet noch einheitlich ausgerüstet. Sie besitzt keine angemessenen Waffen. Sie verfügt lediglich über eine beschränkte Zahl von Pistolen und einige Karabiner. Automatische Feuerwaffen, insbesondere Maschinenpistolen, fehlen, da sie nicht zugelassen sind. In den Ländern der amerikanischen und französischen Zone gibt es eine Polizei, die teilweise staatlich organisiert ist. Sie ist aber in kleinste Gruppen zu je 4 bis 5, höchstens 10 Mann über das jeweilige Landesgebiet verteilt. Ihre Bewaffnung und Ausbildung ist ähnlich derjenigen der Polizei in der britischen Zone. Für einen Ein({19})
Satz gegen einen Eingriff der Volkspolizei sind die Polizeikräfte völlig unzureichend, da sie, zahlenmäßig schwach, weder über eine entsprechende Waffenausbildung noch über Ausbildung in geschlossenem Einsatz verfügen. Sie sind auch nicht in der Lage, einen wirksamen Schutz an der Ostzonengrenze zu bilden, die in ihrer außerordentlichen Länge besondere Anforderungen stellt. Das Problem der Sicherheit des Bundes stellt sich zunächst unter dem äußeren Gesichtspunkt. Die Verteidigung des Bundes nach außen liegt in erster Linie in den Händen der Besatzungstruppen. Der Bundeskanzler hat wiederholt um die Verstärkung dieser Besatzungstruppen gebeten und erneuert diese Bitten hiermit in dringendster Form; denn die Verstärkung der alliierten Besatzungstruppen in Westeuropa kann allein der Bevölkerung sichtbar den Willen der Westmächte kundtun, daß Westdeutschland im Ernstfall auch verteidigt wird.
({20})
Der Bundeskanzler hat ferner wiederholtseine Bereitschaft erklärt, im Falle der Bildung einer internationalen westeuropäischen Armee einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingents zu leisten.
({21})
- Warten Sie ab! Warten Sie doch mal ab, meine Damen und Herren!
({22})
Damit - ({23})
Damit ist eindeutig zum Ausdruck gebracht,
({24})
daß der Bundeskanzler eine Remilitarisierung Deutschlands durch Aufstellung einer eigenen nationalen militärischen Macht ablehnt.
({25})
Die Bundesregierung schlägt vor, umgehend auf Bundesebene eine Schutzpolizei in einer Stärke aufzustellen, die eine ausreichende Gewähr für die innere Sicherheit zu bieten vermag. Die Bundesregierung ist sich darüber im klaren, daß eine solche Schutzpolizei nur im Wege über ein verfassungänderndes Gesetz aufgestellt werden kann.
({26})
Sie ist bereit - ({27})
Sie ist bereit, einen entsprechenden Gesetzentwurf sofort den gesetzgebenden Körperschaften vorzulegen.
({28})
Meine Damen und Herren, dieses Memorandum ist das -Ergebnis einer langen Aussprache in der Hohen Kommission. In der Hohen Kommission war den Deutschen zum Vorwurf gemacht worden - insbesondere von französischer Seite -, daß wir_ darauf ausgingen, eine deutsche nationale Armee zu schaffen,
({29})
und der Satz, den ich da angeführt habe, brachte ganz klar zum Ausdruck, daß wir keine deutsche nationale Armee schaffen wollen.
({30})
Was ich aber vorgeschlagen habe, war die Bildung einer Schutzpolizei,
({31})
einer Schutzpolizei, die, da die Polizei im Grundgesetz ausdrücklich den Ländern zugewiesen worden ist,
({32})
nur auf Grund eines verfassungändernden Gesetzes auf Bundesebene möglich ist.
({33})
Ich bin dem Herrn Abgeordneten Arndt für seine Rede deshalb dankbar, weil ich hier einmal der gesamten deutschen Öffentlichkeit ein Bild davon habe geben können, in welcher Gefahr die Bundesrepublik seit Jahr und Tag schwebt.
({34})
Derjenige, der gegenüber einer solchen Bedrohung unseres Landes und unserer Bevölkerung erklärt, daß er nicht bereit sei, einen Beitrag zu dieser Verteidigung zu leisten, der soll sich vor seinem Gewissen und vor dem deutschen Volke dafür verantworten!
({35})
Meine, Damen und Herren, ich habe zwei Sachen zu sagen. Wir erleichtern uns gegenseitig das Verfahren dieser Beratung, wenn wir einander die Zwischenrufe nicht vorhalten. Ich glaube, daß das Temperament und die Sache dazu führen, daß manchmal auch bei den Abgeordneten dieses Hauses ein gewisser Temperamentsausbruch erfolgt. Ich halte das nicht für ein Unglück, weise nur darauf hin, daß nach den Erfahrungen der gestrigen Rundfunkübertragung immer der Eindruck eines von allen Seiten kommenden Zwischenrufens entsteht, auch wenn nur etwa zehn Abgeordnete Zwischenrufe von sich geben. Vielleicht nehmen Sie freundlichst bei den ganzen Debatten auch darauf etwas Rücksicht.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich habe ja zum ganzen Hause gesprochen!
({1})
Ich habe ein Zweites zu sagen. Ich habe mehrere Telegramme von Rundfunksendern und Rundfunkhörern bekommen, die darum gebeten haben, daß auch heute die Parteizugehörigkeit der Redner bekanntgegeben wird. Ich werde das tun. Ich werte
({2})
das als einen Hinweis auf das außerordentlich starke Interesse, das das deutsche Volk am Rundfunk dieser Debatte entgegenbringt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Erörterung, glaube ich, ist etwas über das hinausgegangen, was heute überhaupt erörtert werden kann. Wir stehen noch nicht unmittelbar vor Abschlüssen von Verträgen;
({0})
so handelt es sich um Entscheidungen, die weder paraphiert noch unterzeichnet sind; es handelt sich vielmehr um unsere Stellungnahme in einem Vor-oder Zwischenstadium der politischen Entwicklung, das erst demnächst zu bestimmten Niederschlägen in Verträgen und Abmachungen führen soll. Wenn das aber so ist, dann scheinen mir Darlegungen, die sich schon mit den weitestgehenden Ausführungsbestimmungen, etwa mit der Bremsvorrichtung von Panzerfahrzeugen und dergleichen, beschäftigen, nicht ganz zeitgemäß zu sein.
({1})
Man verliert sich nämlich damit in Details, in technische oder auch in juristische Einzelheiten, die von dem ablenken, was von uns eigentlich hier an Grundsatzerklärung zu geben ist.
({2}) Es kommt hier nicht darauf an - und darauf will ich meine Ausführungen abstellen -, Rezepte zu verschreiben, sondern Tendenzen zu erregen.
({3})
Und die allgemeine Tendenz, die erregt werden muß, das ist die Einsicht in unsere eigene geschichtliche Situation.
({4})
Hier gibt es zwei Wege zu unterscheiden, zwei Gänge der Entwicklung, die sich gegenwärtig überschneiden. Es geht auf der einen Seite darum, aus dem Abgrund, in den uns ein furchtbares Schicksal gestürzt hat, herauszukommen zu einer eigenstaatlichen Entwicklung, zu einer selbständigen und freien Volksordnung nach unseren eigenen Überlegungen; auf der anderen Seite gilt es, die Sicherheit für eine solche freiheitliche Entwicklung unseres eigenen Volkes nicht nur durch Bekenntnisse und papierne Deklamationen zu erreichen, sondern sie zu sichern, indem wir sie hineinstellen in die Solidarität einer kollektiven Sicherheit der freien Welt.
({5})
An diesem Schnittpunkt der Entwicklung stehen wir, und um sie hat die Auseinandersetzung zu gehen.
({6})
Da sollten wir doch nicht vergessen, welchen Weg wir zurückgelegt haben. Wissen Sie noch, meine Damen und Herren, wie die Dinge im Frühjahr 1945 ausgesehen haben? Und wissen noch diejenigen, die hier mit im Parlamentarischen Rat waren, wie wir damals ein Ziel hatten: die Besatzungswillkür in ein Besatzungsrecht umzuwandeln, wie wir nach einem Besatzungsstatut gerufen haben? Und heute stehen wir nun vor der Frage, wie wir dieses Besatzungsstatut überwinden durch eine freie Rechtsordnung unseres Volkes zwischen den Völkern.
({7}) Ich weiß nicht, ob man, wenn man sich diesen Weg von Stufe zu Stufe vorstellt, nicht dann schon sagen kann, daß diejenigen, die auf diesem Stufenweg der letzten zwei Jahre die Führung gehabt haben, den Beweis dafür erbracht haben, daß sie fähig sind, die Stufenfolge richtig zu beurteilen und richtig zu bemessen.
({8})
Ich finde, dieser Aufstieg von der unbedingten Kapitulation über das Besatzungsstatut und das Petersberger Abkommen bis zu der heutigen Erörterung um die Ablösung des Besatzungsstatuts durch einen Generalvertrag zeigt an den zurückgelegten Phasen der Entwicklung und an ihren Ergebnissen, daß diejenigen, die als Träger der Verantwortung darüber nachgedacht und gegrübelt, die darum gerungen und gekämpft haben, zum mindesten Maß und Weg der Möglichkeiten gesehen, aber über das Maß hinaus auch den Willen zur Verwirklichung ihrer Forderungen bewiesen und bewährt haben.
({9})
In diesem Rahmen möchte ich aber, um jede Mißdeutung von draußen her abzuwehren, doch noch eines hinzufügen. Es ist uns nicht nur darum zu tun, unser eigenes nationales Schicksal wieder zu festigen, zu bessern, zu vervollkommnen und zu formen; sondern wir sind uns darüber klar, daß das Ringen eines einzelnen Volkes in dieser weltgeschichtlichen Situation um seine Eigenwünsche und Eigensüchte nicht ausreicht, um ausreichende Erkenntnisse über das, was außènpolitisch sicher und klug ist, zu vermitteln. Wir sind uns von vornherein darüber klar, daß unsere eigene Förderung und die Zukunft der ganzen freien Welt nicht auf den Rahmen der nationalstaatlichen Eigenentwicklung beschränkt ist, sondern sich nur in den Formen der kollektiven Sicherheit, insbesondere aber nur in der Einheit einer europäischen Gemeinschaftsbildung vollziehen kann.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zu der Frage nach der Friedenspolitik. Worum geht denn letzten Endes alle politische Bemühung um außenpolitische Einsicht und Erkenntnis? Doch wohl darum, daß man den Menschen das Gefühl des Friedens und der Sicherheit bringt. Um was wir uns hier streiten und eigentlich allein streiten dürfen, ist nicht die Frage, ob wir diesen oder jenen populären Erfolg haben, sondern ob wir den sinnvollsten Beitrag zur Sicherung des Friedens in der Welt finden.
({10})
Ja, meine Damen und Herren, was ist denn das eigentlich, was den Frieden stört, seit Jahrtausenden stört? Das sind Menschen und Menschengruppen, die die Anbetung der Macht auf ihr Panier geschrieben haben,
({11})
die mit der Gewalt der Waffen andere unterwerfen und unterjochen wollen und meinen, der Sinn der Politik sei die Machtentfaltung schlechthin. In Wirklichkeit kommt es darauf an zu erkennen, daß Friedenspolitik im Grunde genommen eine statische Aufgabe ist, nämlich ein Versuch, zwischen den Völkern und zwischen den Mächten ein solches Gleichgewicht zu schaffen, ein solches gegenseitiges Aufheben von Macht zu bewirken, daß sich die Macht wechselseitig reduziert und so um ihre Virulenz, um ihre ansteckenden und töd8162 deutscher Bundestag ({12})
lichen Wirkungen gebracht wird. Das ist der Sinn des Friedensstrebens. Nun, was tut denn ein Statiker, wenn er ein Gebäude errichtet, wenn er eine Eisenkonstruktion erstellt? Dann überlegt er sich doch zuerst, wie er Kraft gegen Kraft setzt, wie er Zugfestigkeit gegen Druckfestigkeit setzt, wie er Anziehungskraft und wie er unter Umständen abstoßende Wirkungen so gegeneinander einstellt, daß sich die Dynamik der wirkenden Kräfte wechselseitig aufhebt, damit eine Stabilität eintritt. Anders ist es in der Politik auch nicht. Wir kommen nur dann zu einer Politik des Friedens, wenn wir den Kräften der Zerstörung, der Kräfteverschiebung, die Gegenkräfte der Stetigkeit entgegensetzen. Das ist das Ziel, um das es hier geht! Ich brauche nicht zu wiederholen - denn es ist schon genügend darüber gesprochen worden - von wo heute die Kräfte ausgehen, die das Weltbild wandeln und den Menschen ihre Tyrannei aufzwingen wollen. Aber immerhin sollte man doch immer wieder an das erinnern, was da geschieht, weil es zu leicht vergessen wird. Ach, es gibt so viele Menschen, die meinen, sie wären klug, wenn sie wie jener berühmte Vogel den Kopf in den Sand stecken und dann mit den Pleureusen wackeln.
({13})
Wir können uns das nicht leisten. Das Bild der Völker des Ostens steht vor uns. Was ist denn da immer wieder dieselbe Methode? Die Bildung von Prätorianergarden aus Menschen mit asozialen Instinkten, zu denen insbesondere auch ein starker Hordeninstinkt gehört. Mit Hilfe einer solchen machtpolitischen Hordenbildung dann die Ausschaltung jeder freiheitlichen Entwicklung und jeder Möglichkeit, in einer echten Auseinandersetzung der Geister mit wechselnden Übergewichten von Koalitionen und Oppositionen weiter die Entwicklung zu fördern!
({14})
- Nein! Ich kann Ihnen verraten, daß ich mich genauer gerade mit Ihrer eigenen Literatur beschäftigt habe.
({15})
Aber ich habe jetzt den Zitatenschatz nicht da; er würde mich auch von anderen, wichtigeren Dingen ablenken.
({16})
- Ach, ich will Ihnen einmal etwas sagen und Sie auf eines aufmerksam machen: Lesen Sie doch einmal die Berichte eines Journalisten aus dem Krim-Kriege über die Methoden und die Anlagen des russischen Volkes in bezug auf die Staatenbildung und über die Gefährdung der künftigen europäischen Entwicklung!
({17})
Es war ein sehr interessanter Mann für Sie; er hieß nämlich Karl Marx.
({18})
Aber ich will jetzt nicht mit diesen Einzelheiten aufhalten.
Wir stehen vor der Tatsache, daß sich die heutige Wirrnis wieder einmal im Anschluß an einen Koalitionskrieg ergeben hat. Es ist immer das geschichtliche Verhängnis, daß Koalitionskriege geführt werden und daß am Ende von Koalitionskriegen die Friedensbildung nicht gelingt, weil sich die Koalitionspartner im Streit um die Beute nicht einig werden, insbesondere dann, wenn der eine Partner von völlig anderen politischen und moralischen Prinzipien ausgeht als der andere.
Innerhalb solcher Bedingtheiten haben wir zunächst einmal ganz allgemein von der Außenpolitik zu sprechen. Wenn ich das, was ich als die statische Aufgabe der Friedenssicherung bezeichnete, auf unsere Wirklichkeit anwende, dann bedeutet das für uns die Folgerung: Wir müssen zwischen den Völkern Konstellationen bewirken, fördern oder verstärken, die dem Zweck dienen, den Störern des Gleichgewichts,- den Vertretern rein machtpolitischer Prinzipien entgegenzustehen und entgegenzuwirken.
({19})
Das ist die Aufgabe einer echten Friedenspolitik! Sie besteht darin, für den Angriffslustigen den Anreiz zum ersten militärischen Gewaltakt dadurch herabzusetzen, daß man die Einsicht vom Wagnis des Verlustes, des Endes, vergrößert. Nur der dient dem Frieden, der den Anreiz zum Angriff durch die Betonung und Verdeutlichung der Gefahren des Endergebnisses vermindert.
({20})
Damit, meine Damen und Herren, möchte ich aber nicht den Eindruck aufkommen lassen, als bereiteten uns alle diese Überlegungen ein Vergnügen! Wir wären weiß Gott lieber damit beschäftigt, uns ausschließlich um unsere - ach so zahllosen - inneren Probleme zu bekümmern.
({21})
Es ist wirklich kein Vergnügen, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Es liegt uns keine Vorstellung ferner als das Bild von der schimmernden Wehr und ähnlichen Traumgesichten der Vergangenheit! Im Gegenteil: Mit viel Beklemmung und viel Verdruß gehen wir an diese Überlegungen heran! Weil wir selbst mit dieser inneren Hemmung und diesen inneren Vorbehalten gegenüber einer als realistisch erkannten Notwendigkeit denken und handeln, sind wir natürlich um so stärker gezwungen, die politischen und psychologischen Voraussetzungen zu untersuchen, die erfüllt sein müssen, wenn wir mit Aussicht auf Wirksamkeit unsere Bereitschaft zu einer Beteiligung an der europäischen Verteidigung aussprechen.
({22})
Auf diese Voraussetzungen kommt es wesentlich an; nicht, weil wir da besondere Vorteile herausholen wollen! Es ist ja gar nicht unsere Schuld, daß Generalvertrag und Verteidigungsbeitrag in einen zeitlichen Zusammenhang und damit in ein Junktim gebracht werden, wie das in der Außenpolitik und in der Diplomatie heute leider Gottes üblich geworden ist. Die verfluchte Politik des Junktims ist eine -ungeheure Erschwerung. Statt daß man daran geht, jedes Problem zunächst einmal für sich zu lösen und zu ordnen, fabriziert man dauernd ein neues Junktim - übrigens auch in unserer Innenpolitik -, das die Entscheidungen ungeheuer verwickelt, kompliziert und erschwert. Aber wir stehen nun einmal vor der Tatsache dieser schlechten Gewohnheit.
Ich will nicht alles wiederholen, was gestern über die Schwierigkeiten psychologischer Art und über die Hemmnisse auch in der Vorstellung des deutschen Bürgers ausgeführt worden ist. Sie müssen beseitigt werden, bevor er die Folgerungen für sich zieht. Man hat gesagt, was an Beschränkungen unserer Lebensrechte aufgehoben werden
({23})
muß, ehe wir das Vertrauen haben können, einer echten überstaatlichen Solidaritätsgemeinschaft anzugehören. Noch sind wir von diesem Ergebnis entfernt. Mein Kollege Euler hat sich gestern schon ausführlich mit konkreten Details, vor allem auch den Gegenständen der Zusatzverträge, beschäftigt. Ich brauche daher auf diese Einzelheiten nicht einzugehen, möchte aber auf eines hinweisen: Es erscheint mir allerdings als selbstverständlich, daß man einen Vertrag, der zu außenpolitischen Zwecken hinsichtlich gemeinsamer Maßnahmen Souveränitätsrechte des eigenen - Volkes abtritt, nur in dem Maße schließen kann, in dem auch 'die anderen Beschränkungen ihrer Souveränität auf sich nehmen.
({24})
Mari kann aber niemals einem Vertragswerk zustimmen, das darauf hinausläuft - beispielsweise durch die Festlegung von innerpolitischen Regelungen -, das Gesetzgebungsrecht des Parlaments für bestimmte Zeiträume einfach einzuschränken.
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Man muß ferner auch jeden solcher Verträge unter dem Gesichtspunkt einer gewissen Zeitbedingtheit ansehen; diese ändert nichts an der Absicht der Durchführung der gemeinsamen Ziele. Wie man die gemeinsamen Ziele anstrebt und verwirklicht, ist aber doch auch wandelbar, ist Wandlungsmöglichkeiten ausgesetzt. Eine zeitliche Unbeschränktheit. von Abmachungen ohne Revisionsmöglichkeit auf bestimmten Gebieten ist infolgedessen eine praktische Unmöglichkeit, zumal wenn es sich darum handelt, Souveränitätsrechte abzutreten. Dabei ist- auch zu beachten, daß die Abtretung solcher eigenstaatlichen Rechte für die verschiedenen Partner unter Umständen durchaus verschiedene Wirkungen hat. Eine formale Rechtsgleichheit bedeutet noch lange nicht immer Gleichgewichtigkeit.
Diese Überlegung muß also hinzukommen, wenn wir uns eine Vorstellung von der Bedeutung dieser Abmachungen machen wollen. Zur Gleichrangigkeit gehört natürlich auch, daß bei der Durchführung von Verteidigungsbeiträgen nicht etwa eine Zurücksetzung deutscher Soldaten hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeiten stattfindet, bis in die Entscheidungen der obersten Instanzen des ganzen vielschichtigen Verteidigungsgebäudes mitzuwirken. Ich habe heute in der Zeitung gelesen, daß gestern ein belgisches Regierungsmitglied in der belgischen Kammer eine gegenteilige Feststellung getroffen hat. Dazu kann ich nur sagen, daß dabei die eigentlichen Voraussetzungen einer echten Partnerschaft wohl übersehen oder verkannt worden sind.
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Es geht, bis wir uns zu dieser europäischen Solidarität und zu dieser atlantischen Verteidigungsgemeinschaft für die freie Welt durchentwickeln, allerdings auch von Stufe zu Stufe. Es sind nicht nur bei uns psychologische Hemmnisse zu beseitigen und Hindernisse für unsere Bereitschaft, mitzutun, auszuräumen, sondern es ist gleichzeitig ein Ungeist abzubauen, der immer wieder neue Schwierigkeiten auftürmt; es ist die Internationale der Chauvinisten, die es zu bekämpfen gilt.
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Es ist ein ewiges Verhängnis, daß sich die Chauvinisten in allen Ländern fortgesetzt die Bälle wechselseitig zuwerfen.
({28})
Das haben wir in der Weimarer Zeit erlebt und erleben es heute wieder. Da wird so ein Willkürakt durchgeführt oder so eine Angelegenheit vollzogen, die mit allen Abmachungen und Überlegungen der letzten Zeit nicht vereinbar ist, wie etwa die Berufung des französischen Botschafters im Saarland. Prompt wird verständlicherweise von unserer Seite zugespitzt reagiert. Dann folgt in der ausländischen Presse eine Entstellung, eine Verzerrung des deutschen Standpunktes, die verhängnisvoll ist. So spielt man sich wechselseitig die Argumente in die Hand, um die Völker gegeneinander aufzuhetzen.
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Gegen diese Verschwörung des bösen Willens gilt es genau so den Kampf zu führen wie gegen den Chauvinismus im eigenen Land.
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Unter diesem Gesichtspunkt, glaube ich, sollten wir die Saarangelegenheit in erster Linie betrachten.
'({31})
Bei voller Würdigung unseres Rechts, unserer Ansprüche, die hier in diesem Hause in früheren Rechtsverwahrungen deutlich 'ausgesprochen worden sind, sollten wir uns doch alle Möglichkeiten überlegen, um den Chauvinisten hüben und drüben keine Gelegenheit zu geben, aus diesem Vorkommnis etwas zu machen, was die europäische Föderation, die europäische Integration verhindert. Wir sollten endlich die Möglichkeit suchen, nun über alle alten Vorurteile, über vergangenheitshörige Vorstellungen hinweg auch hier auf den Weg in die Freiheit einer europäischen Entwicklung zu gelangen, die davon ausgeht, daß jedes Volk ein Recht auf Wahrung der Menschenrechte, auf völlige Freiheit seiner innenpolitischen Ordnung, insbesondere aber ein Recht auf sein historisches und angestammtes Territorium hat.
Ich habe ja schon gesagt: Gleichberechtigung ist nicht allein eine formale Angelegenheit. Es kommt auch auf die Berücksichtigung der Gewichte an. Da kommt es natürlich auch sehr' auf die Lasten an, die ein Volk als die Folgen einer schrecklichen Vergangenheit an sich schon trägt. Es wird also bei den Fragen des gemeinsamen Wehrhaushaltes Rücksicht zu nehmen sein auf die Besonderheit unserer Vorbelastungen, insbesondere auf die Kriegsfolgelasten.
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Es wird an unsere exponierte Stellung als Frontgebiet der europäischen Verteidigung zu denken sein.
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Dabei wird zu beachten sein, daß die innere Stetigkeit, aber auch die Überlegenheit der westlichen Welt an der deutschen Entwicklung in einer besonderen Überlegenheit der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Wohlstandes in den weiten Schichten der Bevölkerung demonstriert werden muß.
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Auch diese Funktion als Schaufenster der westlichen Welt sollte als ein wesentliches Element der Verteidigung `beachtet werden. Verteidigung wird ja nicht nur mit Waffen, sondern auch mit sehr
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wichtigen psychologischen Einwirkungen und Methoden gemacht. Dabei kommt es nicht auf raffinierte Spekulationen an, sondern auf die Darstellung einfacher Wirklichkeiten, die überzeugend ist.
In diesem Zusammenhang muß aber auch eines auf der anderen Seite erkannt werden: Der Lebensstil, der gewisse Teile der bisherigen Besatzung in einen merkwürdigen Gegensatz 'zur deutschen Bevölkerung gebracht hat,
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ist kein Mittel der Verstärkung der psychologischen Verteidigung.
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Man muß da sehr gründlich erkennen, was man angerichtet und was man schleunigst zu beseitigen hat.
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Nun sind gegen den Standpunkt der Regierung und der Koalitionsparteien - soweit in diesem Stadium der Übergänge von einem Standpunkt die Rede sein kann - von seiten der Opposition mancherlei Argumente ins Treffen geführt worden. Ich mu 3 allerdings sagen, ich habe versucht, sehr aufmerksam zuzuhören; aber mir ist eigentlich nicht klar geworden, was denn die Opposition nun an positiven Dingen anzubieten hat.
({39})
Wo ist auch nur der Versuch eines konstruktiven Gedankens in all dem gewesen, was hier ausgeführt worden ist?
({40})
Ich habe verschwommene Geschichten gehört. Also möchte ich beinahe sagen: Namentlich die Rede des Herrn Kollegen Ollenhauer war ein wunderbares Beispiel für eine Politik des Hell-Dunkels,
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d. h. man strahlte einen besonders heftigen Lichtkegel auf ein Nein, und darum herum war dann eine Fülle von schattenhaften Vorbehalten, die als „Umstände" bezeichnet werden. Ich würde so furchtbar gern hören, was der Herr Kollege Ollenhauer denn unter den anderen Umständen versteht, die nun der „Konzeption" der Regierung, wie er gesagt hat, entgegenzustellen sind.
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- Ich habe schon von einer Reihe von Schatten gesprochen, indem ich eine ganze Fülle von Dingen genannt habe, die Hindernisse darstellen, die zu überwinden sind und die eben in diesem Stadium der Verhandlungen von uns als sehr ernste Hemmnisse für eine Vereinbarung angesehen werden.
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- Ich habe nicht von Schatten geredet, sondern ich habe gesagt, daß da eine Fülle von Andeutungen, von halben Bereitschaften, ja zu sagen, war, von Anerkennung der Verteidigungsprinzipien, von Abkehr von einem, sagen wir einmal, ideologischen, sektiererischen Pazifismus und ähnlichen Dingen, aber nie mit dem Willen, nun an der entscheidenden Stelle zur Beleuchtung der konstruktiven Gedanken durchzudringen, die man, wenn man schon im Endergebnis verneint, als Methoden und Prinzipien
einer Außenpolitik der Politik der Bundesregierung entgegenzustellen vermöchte.
Es ist dann gesagt worden: Also um Gottes Willen kein „Appell an das Gefühl". Ja, meine Damen und Herren, Appell an das Gefühl! - Ich weiß nicht, was wir nun heute gehört haben, was uns z. B. heute morgen von Herrn Kollegen Arndt vorgeführt worden ist. Ich muß sagen, das war doch ein heftiger Appell an das Gefühl. Ist es nicht überhaupt einmal nötig, zu unterscheiden, was populär und was vulgär in der Politik ist. Ich fürchte, daß man diesen Unterschied bei der Debatte nicht immer gemacht hat-. Ist es nicht z. B. Gefühlspolitik, wenn man durch Verharmlosung der Weltgefahren Beruhigungspillen verabfolgt? Sie sind doch eben durch das, was der Herr Bundeskanzler aus dem Memorandum des vorigen Jahres verlesen hat, ganz hübsch illustriert worden. Inzwischen hat sich j a sogar noch einiges gegenüber dem verändert, was dort an Tatbeständen aufgezeigt war. Ich weiß nicht, ob es so ganz völlig frei von Gefühlspolitik ist, Beruhigungspillen zu versetzen.
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Ich gebe zu, Herr Kollege Ollenhauer hat sich nicht identisch gemacht mit denjenigen, die das Chloroform überhaupt zum Mittel der Politik machen, indem sie sagen: Na ja, wir wollen den Frieden, also machen wir Methode Coué und versuchen wir, den Frieden durch psychosomatische Behandlung von Diktatoren herbeizuführen.
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Ich muß sagen, es ist mir nicht mehr möglich, diese Dinge zu begreifen. Ich sehe den guten Willen; aber man kann doch nicht in Wunschvorstellungen Grundlagen sehen
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für das, was man erreichen will und was herbeizuführen gelingt. - Ja, Herr Mellies, dann noch eins, wenn wir schon so weit sind, daß wir uns unterhalten müssen. Es ist bei Ihnen auch so schrecklich viel davon die Rede gewesen, als ob Sie die Idee der Demokratie so in einer besonderen Reinheit für sich allein gepachtet hätten.
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Ich darf doch einmal darauf aufmerksam machen, daß es auch in der Demokratie so etwas wie eine Teilung der Funktionen gibt. Menschengruppen sind nämlich nur handlungsfähig, wenn man zwischen Führung und Ausführung eine Funktionenteilung durchführt. Das hat zur Konsequenz, daß man jemand, den man mit der Durchführung bestimmter politischer Maßnahmen beauftragt, auch Handlungsfreiheit geben muß. Ich bestreite also, daß eine gesunde Außenpolitik dadurch herbeigeführt werden könnte, daß in jedem Stadium einer außenpolitischen Verhandlung immer wieder öffentliche Auseinandersetzungen kommen.
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Selbst wenn ich mir vorstelle, daß wir in diesem Hause das nötige Maß von Verschwiegenheit erreichen könnten, was wird dann immer geschehen? Die Verschwörung des bösen Willens, von dem ich gesprochen habe, würde schon aus Sensationshunger durch fortgesetzte Kreuz- und Quermeldungen in der Presse die Herstellung der europäischen Einheit und die Verwirklichung eines Friedens hintertreiben!
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Es ist dann von der sozialen Sicherheit gesprochen worden. Ich habe es auch schon getan, meine Damen und Herren. Sie ist wirklich in unserer Frontsituation mit der besonderen Notwendigkeit ausreichender Lebenshaltung eine ungeheuer schwere Sache, wenn man nach dem Bankrott des diktatorischen Staates so viel aufzuholen hat. Darum ist von sozialer Sicherung und ihrer Notwendigkeit zu sprechen. Aber ich weiß nicht, ob es genügt, nur den ganzen Kanon oder ganze Variationen von solchen Kanons der sozialen Sicherheit immer wieder herauf- und herunterzukomponieren, wenn man sich über eine sehr primitive Einsicht klar ist: daß nämlich alles Mühen um soziale Sicherheit sinnlos und ergebnislos ist, solange sie nicht eingebettet ist in den Rahmen einer politischen Sicherheit.
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Ich will aber das nicht in der Weise sagen, wie Sie in der Opposition das so gern tun. Sie sagen immer, dies muß als erstes und jenes als zweites geschehen. Diese Regieanweisungen sind für die Herstellung eines Films ganz nett. Die Politik und die Durchführung einer politischen Entwicklung vollzieht sich selten nach einem Drehbuch, sondern sie besteht, wenn sie gescheit ist, in der Wahrnehmung der wechselnden Gelegenheiten und Gegebenheiten, und infolgedessen hat sie sich nicht nach einem starren Programm zu vollziehen.
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- Im Endziel und in den Grundzügen muß natürlich eine Konzeption da sein. Ich habe am Anfang ja ausdrücklich gesagt: Nicht Rezepte verschreiben, sondern Tendenzen erregen! Das ist der Sinn unserer ganzen Beratungen und Verhandlungen. Und um Tendenzen habe ich mich bisher in meinen Darlegungen bemüht und versucht, Tendenzen zu entwickeln. Wir müssen uns also klar sein, daß ein unlösbarer Zusammenhang zwischen sozialer und politischer Sicherheit besteht. Wer da sagt, das eine zuerst und dann das andere, der täuscht sich selbst über die Möglichkeiten. Das eine geht ohne das andere nicht; das eine ist ohne das andere gar nicht zu verwirklichen.
Da wir gerade vom Thema Demokratie sprechen und wohl auch unter dem Gesichtspunkt des demokratischen Denkens an die Fragestellung der heutigen Debatte heranzutreten haben, darf ich noch eines sagen. Wer ein richtiger, überzeugter Demokrat ist, der betrachtet es als eine Konsequenz seines demokratischen Wollens, gegenüber jeder Tyrannei auf die Barrikaden zu gehen.
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Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren: Muß man immer warten, bis der Tyrann da ist, um die Barrikaden zu bauen?
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Sollte es nicht die Pflicht der Demokraten sein, die Barrikaden vorher zu errichten, ehe der Tyrann wieder einmal gekommen ist?
({55})
Ich denke, wir haben einiges gelernt auf diesem Gebiet.
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Der ist kein konsequenter Demokrat, der nicht bereit ist, gegenüber einer drohenden Tyrannei die Barrikade zu errichten, solange er noch die Gelegenheit dazu hat.
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Dann noch eins, meine Damen und Herren! Es ist von der Legitimation des Bundestags viel gesprochen worden. Das haben wir schon im Jahre 1950 gehört, und ich will nicht wiederholen, was ich damals ausgeführt habe. Es ist eine merkwürdige Auffassung, die völlig den Prinzipien der repräsentativen Demokratie, wie wir sie im Grundgesetz haben, widerspricht,
({58})
einen programmatischen Inhalt mit einem Mandat zu verbinden. Ein Abgeordneter wird gewählt, weil man ihm und seinen Darlegungen, seinen Überzeugungen und seinen Auffassungen Vertrauen entgegenbringt. Damit erhält er eine zeitlich begrenzte Vollmacht. Die Vollmacht ist inhaltlich nicht begrenzt. Es ist aber für einen Abgeordneten nach meiner Meinung geradezu eine Pflichtwidrigkeit, zu behaupten, daß er in bestimmten Dingen nicht Stellung nehmen könne, und sich deswegen - entgegen der klaren und eindeutigen Ordnung des Grundgesetzes - bei irgendwelchen ihm unerwünschten Beschlüssen unter dem Vorwand von Neuwahlen der persönlichen Verantwortung und Entscheidung zu entziehen.
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Aber da sind allerdings noch andere Überlegungen, die mir sehr bedenklich erscheinen. Man vertritt den Standpunkt, daß bestimmte Fragen eine solche Wichtigkeit haben, daß man sie zum Gegenstand einer Volksabstimmung machen -kann: Nun, wir sind damals im Parlamentarischen Rat uns darüber klar gewesen, daß im modernen Massenstaat das Plebiszit eine durch seine Psychosenwirkung gefährliche Bedrohung für die Demokratie schlechthin ist. Wir stützen uns da auf die Erfahrung, daß fast jede Tyrannis in der Welt durch eine Art von Plebiszit in die Höhe gekommen ist.
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Wer die Diktatur bannen will, darf nicht selber mit verschleiert plebiszitären Bestrebungen beginnen.
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Im übrigen sollten wir bei aller Bereitschaft, ehe wir endgültig entscheiden, die Verträge und ihre Texte und die in ihren Formulierungen bekundeten Gesinnungen genau prüfen und uns auch darüber klar sein, daß es so etwas wie eine Gestaltungskraft der Fakten gibt. Wer Europa ernstlich will, muß europäische Tatsachen schaffen.
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Um das zu erreichen, kann man sich nicht zuerst über die Verzierungen und Arabesken oder die Einrichtung von Kellern usw. unterhalten. Wir stehen in der ungeheuren Gefahr - nicht nur bei uns, sondern überhaupt in allen europäischen Staaten -, daß wegen des Gezänks um alle möglichen Nebendinge, um die Erker in dem Gebäude „Europa", die eigentliche Idee in Vergessenheit gerät, ja, in Gefahr gebracht wird. Ich weiß nicht, ob wir dabei die Größe dieser Zielsetzung übersehen können. Bei all den Vorbehalten, die wir zu machen haben und in denen wir teilweise durchaus mit der Opposition übereinstimmen, sind wir uns auf der anderen Seite aber auch darüber klar, daß man dort, wo es sich um Grundideen und Grundsätze handelt wie etwa bei dem Versuch, die Qesetzgebungsvollmacht des
({63})
Parlaments durch Versteinerung von Besatzungsrecht oder ähnliche Dinge einzuschränken, zugleich den Glauben an die Macht neuer Fakten bekunden muß, wenn man das Neue auf Grund einer fortschrittlichen Gesinnung wirklich will.
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Es geht hier um sehr einfache Entscheidungen, und alles Wortgeklingel kann nicht darüber hinwegtäuschen. Es handelt sich um die Lebensfrage für die Bundesrepublik: Sicherheit - j a oder nein? Es handelt sich um die Frage: Freiheit - ja oder nein? Es handelt sich um die Frage: Europa - ja oder nein? Es handelt sich um die Frage: Rechtsstaat - j a oder nein? All das steckt in diesen Entscheidungen.
({65})
Wer ohne den Willen zu konstruktiven Lösungen nur das Nein ausspricht, muß sich darüber klar sein, daß er damit die Sicherheit und die Freiheit in die größte Gefahr bringt.
({66})
Meine Damen und Herren, die große geistige Richtung des Humanismus hat auch die Vorstellungen von der Verabscheuungswürdigkeit des Krieges hervorgebracht. Wir sind heute in einem Stadium, wo derjenige, der die Humanität erstrebt, sagen muß: Die Bestialität droht die Humanität zu verschlingen. Und deswegen bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß nur ein wehrhafter Humanismus eine wahrhafte Humanität verwirklicht.
({67})
Da möchte ich mit einem Hinweis schließen, der über die Grenzen hinausgeht. Man sollte endlich uns gegenüber einsehen, daß, wenn wir nichts anderes fordern als Menschenrecht, Demokratie und Rechtsstaat, wir damit die seelischen Überzeugungskräfte eines glaubhaften Verteidigungsbeitrages kräftigen. Und man sollte handeln nach der Erkenntnis, daß Politik der praktischen Vernunft nicht moralisierende Deklamation, sondern angewandte Ethik ist.
({68})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Brauksiepe.
({0})
Herr Präsident! Meine Herren und Damen!
({0})
Wenn ich in dieser Stunde dem so erregten Gespräch der Männer als Frau etwas hinzufügen möchte, dann darum, weil der Bundestag an dem inneren Kampf zwischen Herz und Verstand, der sich in den letzten Wochen in unzähligen Frauenherzen entsponnen hat, am Widerstreit der Gedanken und Gefühle nicht vorübergehen kann und weil ich der Meinung bin, daß das Ja zum kleineren Übel nicht nur von den Männern gesprochen werden muß.
({1})
Die Frauen sind zu allen Zeiten, vor allem aber an den Kreuzpunkten ihrer Geschichte, die unsichtbaren Pfeiler der Geschichte gewesen,
({2})
von deren Tragfähigkeit unendlich viel abhängt, mehr, als man sich seit der letzten Bundestagsdebatte im November 1950 offenbar hier klargemacht hat. Damals wie heute verfolge ich mit steigender Erregung, wie man sich landauf, landab und wiederholt auch bei den Neinsagern dieses Hauses von der ursprünglichen Frage entfernt und wie sich diese Verlagerung von dem absoluten Ausgangspunkt in unserem Volke bereits verhängnisvoll auswirkt. Meine Herren und Damen! Man soll uns Frauen nicht fragen, welchen Beitrag wir zum Krieg zu geben bereit sind, sondern was wir für den Frieden zu geben bereit sind.
({3})
Erst wenn wir von dieser Ausgangsfrage her den tiefen Sinn der Sicherung des Friedens, vor allem aber des friedendienenden Verteidigungsinstruments aufhellen, dann werden sich auch die zaghaftesten unter den Frauen wieder ihrer Tapferkeit entsinnen, die immer dann in den Herzen der Frauen aufgebrochen ist, wenn' sie von tiefem Erbarmen mit der Not ihres Volkes erfüllt waren. Stattdessen - und das bedaure ich auf das tiefste - hat man hier versäumt, früh genug und klar _genug der Infiltration der Angstpropaganda von der anderen Seite ein kontinuierliches und gelassenes Aufklären entgegenzusetzen, eine Informationsarbeit entgegenzusetzen, die von vornherein Klarheit auch bei den zaghaften Frauen geschaffen hätte; statt dessen hat man es zugelassen, daß eine geradezu babylonische Sprachverwirrung um sich gegriffen hat, daß man mit gleichen Vokabeln im doppelten Sinn arbeitet, daß man mit abgewerteten Schagworten uns Frauen zu bearbeiten versuchte, und wir haben dem nicht beizeiten die ganz klare Antwort entgegengesetz, die wir alle in Zeiten der Not fordern.
Wenn wir eines Tages - wir brauchen es noch nicht heute - aber wenn wir eines Tages das Ja von allen Frauen haben wollen, das freiwillige Ja zu dem der Sicherung des Friedens dienenden Verteidigungsinstrument, das Ja auch von den 750 000 Witwen, das Ja auch von den Frauen, die heute noch auf die Heimkehrer warten, das Ja auch von all denen, die nach wie vor in die Gefangenenlager Pakete schicken, dann allerdings müssen wir anfangen, die hieb- und stichfeste Sprache, die gestern hier von vielen meiner Kollegen gesprochen wurde, mutvoll und furchtlos in die Öffentlichkeit hineinzutragen und der irreführenden KPD-Propaganda, die auch den Frieden, aber den Kirchhofsfrieden will, unsere Auffassung vom Frieden entgegenzusetzen.
({4})
Ebenso furchtlos und klar muß man den Frauen und Männern im Lande die Sinnlosigkeit der von Frau Wessel eingeschlagenen Wege klarmachen,
({5})
die weiß Gott in dieser Stunde ihrem Volke einen schlechten Dienst erwiesen hat.
({6})
Fast bin ich versucht zu sagen, verehrte Frau Kollegin: wenn Sie Ihren Standpunkt und Ihre Zukunftsillusionen hier am Pulte klarmachen wollen, dann müßten Sie schon beinahe mit Flügeln hier
({7})
herüberfliegen; denn ihre Füße erreichen schon gar
nicht mehr den Boden der konkreten Wirklichkeit.
({8})
Sie reden und reisen durch das Land, als seien seit 1946 - und damals sah noch manches nach Sanftmut aus, was längst demaskiert ist! - weder eine Luftbelagerung Berlins noch ein Bürgerkrieg in Griechenland noch die Putsche in Prag, in Warschau, in Bukarest und in Budapest gewesen, sei endlich und nicht zuletzt, was in Korea ist, nicht geschehen.
({9})
Sie scheinen mit den Leuten, die Ihnen Glauben
schenken, gutgläubiger zu sein als viele von uns.
Wir versuchten, aus der Vergangenheit etwas zu
lernen und in die Zukunft hinein zu bauen. Aber
ich bezweifle - das sage ich hier ganz aufrichtig
- den echten Friedenswillen des Ostens, der so häufig in schamloser Offenheit die wegweisenden Leitsätze in die Welt hineingesprochen und -geschrieben hat. Und wenn die Tatsachen seit 1946 nicht ausreichen sollten, so würde vielleicht ein Hinweis aus dem „Wörterbuch der Fremdsprachen" vom Moskauer Staatsverlag, Seite 484, ausreichen, um den Gutgläubigen einmal zu sagen, was man selbst dort drüben z. B. über den Pazifismus denkt.
Pazifismus
- heißt es dort ist eine bourgeoise Bewegung, die sich jedem Krieg widersetzt. Indem sie sich heuchlerisch hinter dem Wort „Pazifismus" verkriechen,
- heißt es da weiter sträuben sich diese Reaktionäre gegen Kriege der nationalen Verteidigung,
({10})
Kriege der Revolution, Bürgerkriege und andere gerechte Kriege,
({11})
deren Ziel es ist, die Völker aus der kapitalistischen Versklavung zu befreien, die Kolonialländer und die von der kapitalistischen Unterjochung abhängigen Gebiete zu befreien. So trägt die Politik der Pazifisten
- heißt és wörtlich zu den ungerechten kriegerischen Aggressionen der Imperialisten bei.
Wörtlich im Buche nachzulesen! Vielleicht nicht am wenigsten interessiert eine andere Stelle aus der „Theorie und Praxis unserer Partei". Sie ({12}) werden es besser kennen als ich; ich muß es leider ablesen. Da steht:
Die Stellung des Marxismus und Leninismus
zum Kriege: Aus vielen Beispielen
- wörtlich - _
geht hervor, daß wir niemals mit einer Schablone an einen Krieg herangehen dürfen, sondern jeweils konkret untersuchen müssen, ob der Krieg einen gerechten oder ungerechten Charakter trägt.
Und jetzt kommt das Wesentliche:
Dabei spielt die Frage des Angriffs- oder Verteidigungskrieges gar keine Rolle.
({13})
Meine verehrten Zuhörer! Diese Worte reden für jene, die der Praxis nicht glauben konnen, die der Theorie eher glauben wollen. Es ist eine wahrhaftig offene und unzweideutige Sprache. Die Leute hinter dem Eisernen Vorhang, vor allem aber die Frauen, kennen diese Sprache zur Genüge. Wahrhaftig, Frau Wessel, Sie haben auch den Frauen hinter dem Eisernen Vorhang einen schlechten Dienst erwiesen.
({14})
Wir aber nehmen diese Worte, diese Definitionen ganz klar in uns auf und ubermitteln sie ebenso klar auch den zaghaftesten Frauen. Darum knupfe ich an das, was mein Kollege Strauß gestern hier leidenschaftlich vorgetragen, hat: Diese von uns langst durchschaute Ostpropaganda ist es gewesen, die die wahre Notgemeinschaft hergestellt hat, die die wahre Notgemeinschaft hier schmieden geholfen hat. In der Notgemeinschaft sind alle Frauen des Westens einbegriffen,
({15})
nicht nur die deutschen Frauen und Mütter; in dieser Notgemeinschaft sind die Frauen, aller westlichen Lander, nicht wir deutschen Frauen allein. Es geht ja gar nicht nur um Deutschland; denn Deutschland ist nicht der Mittelpunkt der Welt. In diesen Stunden der kommenden politischen Entscheidung geht meine Sorge genau so gut nach Frankreich, diesem Lande, daß trotz der vielen hrschutterungen einen so kraftvollen Aufbruch in der Familienbewegung gezeigt hat.
({16})
geht meine Sorge ebenso gut nach Italien, das von
Kommunisten durchsetzt ist und in dem so unsterbliche Werte von dem Geist getragen sind,
den wir unter allen Umständen zu erhalten suchen.
({17})
Diese Notgemeinschaft verbindet uns Frauen und Manner des deutschen Volkes mit all jenen Ländern, in denen die moralische Kraft noch von dem unzahmbaren Drang nach der Sicherung der Familie, der freien Persolnichkeit und des christlichen Menschenbildes überhaupt erfüllt ist.
({18})
In dieser Stunde möchte ich dem Bundeskanzler die Versicherung geben: es gibt noch eine Phalanx von Frauen,
({19})
denen die Sicherung dieser Werte heilig ist, eine Phalanx von Frauen, zusammengeschmiedet mit tapferen Herzen, und dahin gehoren nicht zuletzt die Mütter derer, die in Korea kämpfen.
({20})
Sagen wir doch nicht fortgesetzt: Wir gehen nach Europa.
({21})
Ich sage in dieser Stunde: Wir brauchen nicht erst nach Europa zu gehen, wir sind mitten drin in Europa!
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Wir gehören schon längst dazu, und wir sind einander so nah in der wachsenden Sorge über die Gefahrdung und Sicherung des Friedens und der Freiheit. Wenn wir Europa meinen, haben wir
({23})
eine Konzeption. Der Regierungschef h a t eine Konzeption von Europa; der Negierungschef hat sie nicht.
({24})
Immun geworden, schon längst immun geworden, und in dem zähen Daseinswillen, der zum Ausdruck gekommen und uns offenbar geworden ist, angefangen bei dem beispielhaften Kampf um Berlin bis zum letzten Eigenheimsparer hier in Deutschland, und in der tausendfach erwiesenen heimschaffenden Kraft unserer Frauen lassen wir uns in gar nichts mehr lähmen. Von hier aus, glaube ich, wird eines Tages, wenn es von uns gefragt ist - heute wird lediglich darüber debattiert -, auch vielleicht manch eine Frau das Ja finden.
Meine Herren und Damen! Es gehört in der Tat sehr viel Böswilligkeit dazu, den Befürwortern eines deutschen Friedensbeitrags, eines - das wiederhole ich immer wieder - dem Frieden dienenden Verteidigungsinstruments, das gelassen und ernst seine Wächteraufgabe erfüllt, zu unterschieben, sie wollten nicht den Frieden. Niemand unter den vielen Nein-Sagern im Lande oder hier im Hause, niemand unter den Neutralitätsaposteln war einfallsreich genug, etwa eine europäische Wach- und Schließgesellschaft zu erfinden, die für uns, aber ohne unser Dazutun, auf Wache gezogen wäre und uns vor Überraschungen behütet hätte.
({25})
Das Ja ist allerdings ein Risiko, aber es fand sich kein geringeres. Die Lösungen, die angeboten wurden, sind keine Lösungen. Niemand nimmt uns hier die geschichtliche Notwendigkeit des Ja- oder Nein-Sagens ab, und ein Ausweichen in die Neutralität ist nicht möglich. Das werden Kollegen von mir noch erläutern, die es wahrscheinlich viel besser können als ich.
Eines aber ist in dieser Auseinandersetzung und in dieser Debatte wichtig: die Freiheit, Ja sagen zu können. Das ist das große Privileg vor den Völkern, die längst nicht mehr die Freiheit haben, das ich persönlich empfinde: die Freiheit, ungestraft über eine so lebenswichtige Aufgabe das Ja oder das Nein zu künden.
({26})
Noch können wir Menschen einer freien Welt, als sittlich freie Persönlichkeiten geachtet, unser Opfer freiwillig bringen, das wir vielleicht eines Tages nicht mehr freiwillig bringen können und in zehnfacher Höhe zu bringen gezwungen werden.
({27})
Von diesem Blickpunkt aus betrachtet mag es mancher Frau leichter sein, das Wort, von zwei Übeln das kleinere zu wählen, eines Tages gelassen zu überdenken. Von da aus findet sie vielleicht eher die Bereitschaft, sich für den Frieden zu entscheiden, den wir meinen, und nicht für den Kirchhofsfrieden, den die anderen mit leeren Parolen propagieren. Für diesen Frieden werden wir auch die Opfer bringen können, um die Wächter auf die Beine zu stellen, damit nie wieder an unseren Grenzen das furchtbare Wort in die Ohren der Frauen hineingeht: „Frau, komm mit!"
({28})
Wenn die christlichen Frauen in den kommenden Wochen und Monaten ihr klares und freiwilliges Ja sagen sollen, dann kommt es tief und mutig und klar, wenn sie erfahren, daß die hier zu treffenden
politischen Entscheidungen, die einen so hohen Mut erfordern, ihnen nach menschlichem Ermessen die Ruhepause sichern, die sie nach dem Schock und nach der Zerstörung weiß Gott verdient haben, wenn die politischen Entscheidungen, die hier getroffen werden, basieren auf dem unbeirrbaren Glauben an die Unantastbarkeit der freien Persönlichkeit und an die unzerstörbaren Werte, die eine Familie innerhalb des Volkes und der Völker wahrhaftig bedeutet. Dann werden die Frauen nicht nur mit dem Herzen ihr Ja sagen, aber auch nicht, wie soviele Männer, nur mit dem Verstand; dann werden sie, so hoffe ich, mit beherztem Verstand an die Dinge herangehen.
Meine verehrten Zuhörér! Wenn ich in diesem Augenblick diese meine Meinung zur Opferbereitschaft, zum Frieden zum Ausdruck bringe, dann als eine Frau, die in einer Stadt gewählt wurde, die zu den schwerst heimgesuchten Orten dieses Landes gehört, dann als eine Frau, die die Endphase des wahnwitzigen totalen Krieges im Ruhrkessel erlebt hat. Der totale Krieg bedeutet ja heute für die Frau nicht mehr nur, daß sie als Frau und Mutter getroffen wird, d. h. daß sie ihren Sohn oder ihren Mann verliert; im totalen Krieg wird sie selber preisgegeben. Ich sage das als eine Frau, die monatelang gewartet hat, bis sie ihren anfänglich vermißten Mann fand. Ich komme und spreche im Namen sehr vieler Frauen der Stadt, die mich gewählt hat, der Stadt, die noch in der vergangenen Woche um des Friedens und nicht um des Krieges willen, unabhängig von Konfession oder Partei, einstimmig eine Orgel für das großzügige Mahnmal der Weltfriedenskirche in Hiroshima gestiftet hat, aus dem Friedensgedanken und nicht aus dem Kriegsgedanken. Weil mich das zutiefst erfüllt, weil mich das bis in mein Innerstes bewegt, stehe ich hier auf und bringe diesen winzigen Beitrag der Frau zum Gespräch der Männer.
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Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker von der Föderalistischen Union.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Föderalistischen Union hat durch ihre beiden Anträge die gestrige und heutige Debatte ausgelöst. Es steht ihr daher wohl zu, zu dem Verlauf der Debatte Stellung zu nehmen. Der Herr Bundeskanzler ist der Ansicht, daß durch den Wortlaut unseres Antrags das Thema nach seiner Breite wie nach seiner Tiefe eng umgrenzt ist. Wir können es ihm nicht verdenken, daß er es bei dem etwas angesprungenen Porzellan seiner Politik vermeidet, diese Grenzen sehr weit zu ziehen. Die Debatte ist infolgedessen dadurch gekennzeichnet, daß der Bundestag und mit ihm das deutsche Volk auch seit gestern über den Generalvertrag und über den Wehrbeitrag nicht viel mehr wissen, als die Presse schon längst geschrieben hat.
Es steht außer Diskussion, daß unsere Heimat, unser Volk und unsere Kultur gegen Angriffe, woher sie auch kommen mögen, verteidigt werden müssen. Nun ist es die Aufgabe einer verantwortungsbewußten Staatsführung und Heerführung, den Schwerpunkt der Verteidigung dahin zu legen, wo der Angriff zu erwarten ist. Hier stehen wir vor dem Kernpunkt des Problems. Lenin hat sich einmal dahin geäußert, daß Europa nicht durch Kriege, sondern durch den Zusammenbruch seiner
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wirtschaftlichen und sozialen Struktur als reifer Apfel in den Schoß der Sowjets fallen werde. Ein Angriff vom Osten ist also zuerst nicht auf militärischem Gebiet zu erwarten, sondern auf dem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Sektor.
({1})
- Es ist richtig, er ist schon im Gange. Die Aufrüstung ist deshalb nicht der Weisheit letzter Schluß. Wir müssen uns vielmehr zuvörderst fragen, ob vorher schon alles geschehen ist, um uns auf politischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet stark und widerstandsfähig zu machen.
Die barsche und unvermittelte Methode, Volk und Parlament vor Tatsachen zu stellen, hat Mißtrauen und Unsicherheit bis zum äußersten erregt. In der Frage des Wehrbeitrags ist unvermutet die Katze aus dem Sack gelassen worden; dann kam noch eine Katze und dann noch eine Katze, und wir fragen uns: wieviel Katzen stecken noch in diesem Sack, und springt nicht zuletzt ein arger Kater heraus?
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Der psychologische Boden für eine Wiederaufrüstung ist durch die Regierung und die Besatzungsmächte denkbar unfruchtbar gemacht worden. Die Jugend kann es nicht vereinen, wie man ihr einerseits durch Verfassung und Gesetz das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt und andererseits von ihr verlangt, daß sie mit Begeisterung in das Lied „Volk, ans Gewehr!" einstimmt. Viele unserer jungen Leute fragen: Werden wir, wenn es tatsächlich zum Ernstfall kommt, Mitkämpfer finden, die Kameraden auf Leben und Tod sind, an unserer Seite aushalten und uns im Ernstfall nicht im Stich lassen?
Und eine andere Frage wühlt die wehrfähige Jugend ebenso auf; die Frage: Können wir Vertrauen zu einer obersten Führung haben, an deren Spitze ein Mann steht, der Hunderttausende Deutscher, die sich ihm und seinem Staat im Vertrauen auf Fairneß und Recht ergeben haben, an die Russen ausgeliefert hat, wie man eine Viehherde ausliefert? Sein Staat trägt die Mitschuld daran, daß der europäischer Kultur geheiligte Boden Weimars heute von asiatischen Truppen betreten wird.
Über diese ernstem Fragen sind unsere jungen Leute auch nicht durch Aussichten auf militärische Idyllen und eine Verteidigungslyrik hinwegzutäuschen, die anscheinend an die Stelle des früheren preußischen Kasernenhofdrills treten sollen. Tun wir wirklich von einer Plattform gegenseitigen europäischen Vertrauens den Schritt zu einer europäischen Wehrmacht? Die politischen Ereignisse der letzten Tage lehren uns, daß das nicht der Fall .ist. Manche Stimme für den Schumanplan mag im Vertrauen auf eine loyale Haltung Frankreichs in der Saarfrage abgegeben worden sein. Unser Vertrauen ist zutiefst erschüttert worden, und gestern noch hat uns die Mitteilung des Kanzlers über die Presseverlautbarung Berards gezeigt, daß Frankreich die Hand, die ihm das deutsche Volk freundschaftlich entgegenstrecken will, mit der das deutsche Volk Frankreich Kameradschaft zeigen möchte, nicht annehmen will. Und Kameradschaftsgeist ist doch die erste Voraussetzung für eine gemeinsame Wehrmacht.
Wir wissen auch nicht, ob die Diskriminierungen tatsächlich bis zum letzten und bis zum kleinsten fallen werden. Das Wortspiel „Gleichberechtigung bedeutet nicht Gleichbehandlung" beweist uns, daß unsere Partner an eine tatsächliche und restlose
Aufhebung der Diskriminierung nicht denken.
Wir haben immer wieder gehört, daß die Zeit drängt. Das mag vielleicht richtig sein.
({3})
Aber die Zeit drängt nicht nur uns Deutsche, sie drängt auch Frankreich, Großbritannien, Italien und alle anderen europäischen Staaten; denn sie dürfen sich nicht einbilden, daß sie im Ernstfall auch nur eine Stunde länger Ruhe haben werden als wir. Darum können wir auch verlangen, daß sie die Vora issetzungen für die Gleichberechtigung und einen Wehrbeitrag mit derselben Eile schaffen, die sie von uns hinsichtlich des Wehrbeitrags fordern.
Eine weit über den Rahmen der nationalen Belange hinausgehende Voraussetzung für einen Wehrbeitrag ist eine zweifelsfreie Klarstellung des völkerrechtlichen Status der deutschen Soldaten und der Gehorsamspflicht. Sollen wir es erleben, daß deutsche Soldaten in einen Zwiespalt kommen zwischen Anweisungen ihres supranationalen Kommandeurs und Anweisungen, die sie aus der Heimat erhalten, .und daß schließlich nur noch die Frage offenbleibt: Wer von den beiden ist berechtigt, den Soldaten wegen Gehorsamsverweigerung zu erschießen?
({4})
Die Regierung kann keine Sicherheit dafür geben, daß Deutschland in einer etwaigen militärischen Auseinandersetzung mit dem Osten nicht doch eine Vorfeldstellung zugedacht ist. Die Erklärung, daß Deutschland verteidigt werden soll, genügt uns nicht. Wir kennen vom Feldherrn Schicklgruber her auch eine „elastische Verteidigung", und Sie wissen, was es heißt, wenn in einer „elastischen Verteidigung" die Feuerwalze hin- und herrollt. Es ist das Ende. Es muß möglich sein, und unsere Regierung muß darauf hindrängen, daß unsere Partner eine bindende Erklärung abgeben, Deutschland so zu verteidigen, daß es möglichst wenig Schaden erleidet.
({5})
Eine innerdeutsche Voraussetzung zur Wiederaufrüstung ist in ihrer ganzen Bedeutung noch nicht genügend gewertet worden. Vor der Schaffung eines militärischen Potentials muß weitgehend für den Schutz der Frauen und Kinder gesorgt werden. Bis in die letzten Jahre sind die Bunker, die vom vorigen Krieg übernommen sind, rücksichtslos und auf Kosten der deutschen Steuerzahler gesprengt worden. Wir bedauern es, daß die Bundesregierung die Aktivität, die sie in den Maßnahmen zur Wiederaufrüstung gezeigt hat, nicht auf den Schutz der Zivilbevölkerung ausgedehnt hat. Wo sind denn heute neue Bunker? Wo sind die Schutzeinrichtungen bei Neubauten von Häusern? Wo ist die Unterrichtung und die Schulung der Bevölkerung? Wo ist eine organisierte Schar von Arzten und Helfern, die ausgebildet ist, um radioaktive Schädigungen zu behandeln? Wir wissen, daß ein Großteil der Japaner, die durch die Atombombe radioaktiv bestrahlt worden sind, hätte gerettet werden können, wenn ausgebildete Arzte dagewesen wären.
Ich führe, zusammenfassend, die Voraussetzungen an, die für unsere Stellungnahme zu einem Verteidigungsbeitrag maßgebend sind:
1. Ein überzeugender Beweis, daß die Aufrüstung der einzige Weg zur Sicherung Europas ist und daß über die Westmächte alle anderen möglichen Mittel versucht worden sind, der Versuch aber zwecklos gewesen ist;
({6})
2. Ausbau der sozialen, wirtschaftlichen und psychologischen Abwehr;
3. volle und restlose Gleichberechtigung;
4. keine Ein führung der allgemeinen Wehrpflicht;
5. Klarstellung des völkerrechtlichen Status etwaiger deutscher Soldaten und der Gehorsamspflicht in der europäischen Armee;
6. sofortiger und wirksamer Ausbau des Schutzes für die Zivilbevölkerung;
7. landsmannschaftliche Gliederung und Führung eines deutschen Kontingents;
8. echte Verteidigung der Bundesrepublik an der Ostzonengrenze;
9. restlose Klärung aller verfassungsrechtlichen Fragen und
10. eingehende Kenntnis des Generalvertrags und des europäischen Verteidigungsbeitrags.
Aus dem Gefühl tiefster Verantwortung für das ganze deutsche Volk und für Europa, für Glück und Leben von Millionen müssen wir uns die volle Freiheit der Entscheidung vorbehalten, solange diese Voraussetzungen weder erfüllt noch abgelehnt sind. In der gegenwärtigen Lage müssen wir allerdings ein Nein sagen.
({7})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel von der Föderalistischen Union.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuvor einige Bemerkungen den Kollegen gegenüber, die gestern und heute die Freundlichkeit hatten, die Tätigkeit der „Notgemeinschaft für den Frieden Europas" in ihren Reden zu erwähnen. Eigentlich müßte ich mich ja für diese Propaganda bedanken, denn als die Notgemeinschaft im November gegründet wurde, schrieb eine westdeutsche Zeitung: „In Bonner Parlamentskreisen mißt man der Notgemeinschaft keine große Bedeutung zu". Aber ich kann Sie über Charakter und Umfang der Notgemeinschaft beruhigen. Sie besteht aus genau 10 Mitgliedern, die verschiedensten Parteien und Konfessionen angehören und die - das dürfen Sie glauben - nach ihrer politischen Einstellung völlig einwandfrei sind. Durch diese 10 Träger der Notgemeinschaft sind wir vor jeder Gefahr einer Unterminierung gesichert. Natürlich kann sich jeder zu den Zielen der Notgemeinschaft bekennen, wenn er sie für richtig hält. Und wenn, Herr Kollege Kiesinger, auch ehemalige Berufssoldaten bis zu den höchsten Chargen gegen die Wiederaufrüstungspolitik der Bundesregierung sind,
- ist das so überraschend, und sollte sich diese Tatsache noch nicht bis zu diesem Hohen Hause herumgesprochen haben?
({0})
- Wenn die Notgemeinschaft einen so starken Anklang findet, wenn bei ihren Versammlungen die größten Säle überfüllt sind, - ({1})
- Fragen Sie doch einmal sich selbst, ob es nicht die unruhig gewordenen, in Angst und Sorge lebenden Menschen sind, die von Ihnen nicht aufgeklärt worden sind,
({2})
wie Kollegin Brauksiepe selber erklärt hat! Hier
kann man doch nur das eine sagen: es ist die
Schuld und es ist das Versäumnis der die Regierung tragenden Parteien, daß sie es nicht verstanden haben, für ihre Politik das entsprechende Echo zu finden.
({3}) Nicht zuletzt dürfte es doch nicht uninteressant sein, daß sich Menschen aus allen Parteikreisen der Notgemeinschaft zur Verfügung stellen, und, meine Herren von den Regierungsparteien, staunen Sie doch einmal! Ihre Vertreter in der Bürgerschaft sogar, Ihre Landtagsabgeordneten, Ihre Ortsparteivorsitzenden leiten die Versammlungen dieser Notgemeinschaft!
({4})
Sie haben also nicht das Recht, hier von einer Arbeit zu sprechen, die verhängnisvoll sei! Ich bin der festen Überzeugung: man wird uns noch einmal dankbar sein, weil wir den Mut gefunden haben, die Menschen vor der Propaganda der Kommunisten zu bewahren.
({5})
Aber lassen Sie mich auch noch eines sagen, Frau Kollegin Brauksiepe. Ich kann aus meiner mehr als 37jährigen politischen Vergangenheit einige Fakten anführen.
({6})
Ich, meine Damen und Herren, habe 1933 als preußische Landtagsabgeordnete den Mut gehabt, dem Ermächtigungsgesetz des Herrn Goring nicht zuzustimmen!
({7})
Fragen Sie einmal die Kolleginnen und Kollegen aus Ihren Parteien, wer das gemacht hat!
({8})
Ich habe den Mut gehabt, weil ich als national unzuverlässig galt, mit nur 80 Pfennig Stundenlohn in einem Krankenhaus anzufangen, und ich war froh, wenn ich mal 100 Mark im Monat hatte! Und noch ein Letztes, Frau Kollegin Brauksiepe: Erkundigen Sie sich mal bei Frau Kultusminister Teusch, ob ich es nicht gewesen bin, ob ich nicht, als sie im Krankenhaus Neheim-Hüsten verhaftet war, zu ihr gefahren bin in der Erwartung, dann selbst verhaftet zu werden!
({9})
- Ich mußte einmal etwas aus der Vergangenheit erwähnen, weil hier in Pathetik gemacht wird, auch von Kollegen, die auf Grund ihrer politischen Vergangenheit nicht so einwandfrei auftreten können.
({10})
Aber nun zum eigentlichen Thema. Bei meinen Ausführungen, die ich zum Für und Wider eines deutschen Verteidigungsbeitrags machen möchte, geht es mir nicht um das Problem der Wehrlosigkeit, sondern um die Frage, ob die Aufrüstung und Eingliederung der Bundesrepublik in den Westblock angesichts des zweigeteilten Deutschlands nicht nur für Deutschland, sondern überhaupt in der gegenwärtigen Weltsituation der rechte Weg ist, um die Freiheit und den Frieden zu sichern. Der Grundsatz des Verteidigungsrechts eines Volkes und Staates soll in keiner Weise verneint werden.
({11})
({12})
Auch muß gesagt werden, daß es begreiflich ist, wenn der Herr Bundeskanzler und deutsche Politiker den Standpunkt vertreten, Westdeutschland dürfe sich als unmittelbarer Nachbar der sowjetischen Satellitenstaaten sowie der sowjetisch besetzten Ostzone zum Zwecke der militärischen Verteidigung gegenüber dem Osten einer Aufrüstung nicht entziehen; einer Staatsführung müsse bei dieser Lage das Recht zuerkannt werden, um ihren Auftrag der Erhaltung von Recht, Freiheit und Frieden durchführen zu können.
Von meinen Vorrednern ist das Für und Wider einer deutschen Aufrüstung von den verschiedensten Gesichtspunkten aus dargelegt worden. Es ist von den Vorschußleistungen gesprochen worden, die man von uns verlangt, von der uns nicht gewährten vollen Souveränität im Generalvertrag, von der Frage, ob die Wehrpflicht nach dem Grundgesetz möglich ist, von den finanziellen Lasten, die uns die Aufrüstung auferlegt und die notwendigerweise unsere sozialen Möglichkeiten beschränkt. So wesentlich alle diese Gesichtspunkte sind, so scheint mir doch das Gewicht darauf zu liegen, ob durch einen deutschen Verteidigungsbeitrag die Friedenschancen verstärkt oder die Möglichkeiten eines Krieges vermehrt werden.
({13})
In dieser ernsten und verantwortungsvollen Debatte sollten wir, meine Damen und Herren, eines als selbstverständlich voraussetzen - jedenfalls tue ich es -: daß jeder, ob er für oder wider die Aufrüstung spricht, von dem ernsthaften Bemühen erfüllt ist, dem deutschen Volke den Frieden zu erhalten, und auch wer anderer Meinung ist als der Herr Bundeskanzler, sollte jeden Vorwurf zurückweisen, daß der Herr Bundeskanzler nicht von ehrlichem Willen erfüllt ist, durch seine Politik dem deutschen Volke den Frieden zu sichern. Wir sollten nicht die Methode der Diffamierung benutzen, wenn es um die Schicksalsfrage unseres Volkes geht.
({14})
Ein weiteres möchte ich den Abgeordneten der KPD sagen. Wären Sie nicht in dieser einseitigen Weise die Satelliten der Sowjets, würden Sie nicht diese gehässige Propaganda gegen alles machen, was im Westen geschieht, dann wäre höchstwahrscheinlich der Wille des deutschen Volkes zur Verständigung mit dem Osten stärker. Wenn Herr Reimann nach seiner gestrigen Rede dafür sorgte, daß in der Ostzone die politischen Gefangenen aus den Zuchthäusern entlassen würden, daß die in _ Rußland noch zurückgehaltenen Kriegsgefangenen endlich zurückkämen, hätte er mehr Berechtigung, so zu sprechen, wie es gestern geschehen ist.
({15})
Sie, Herr . Reimann, werfen dem Herrn Bundeskanzler Amerikahörigkeit vor und sprechen gleichzeitig von dem „großen Stalin". So geht es nun auch nicht, meine Herren von der KPD!
({16})
Meine Damen und Herren! „Man dürfe niemals daran denken" - so schrieb in diesen Tagen Liddell Hart in der „Daily Mail" - „wie gewisse Ereignisse auf einen selbst wirken; man müsse sich auch immer in das Denken des andern einfühlen." Gerade wir Deutschen sollten aus den Erfahrungen einer schweren Vergangenheit heraus am ehesten beurteilen können, daß in Liddell Harts Mahnung viel Wahrheit steckt. So scheint es mir notwendig zu sein, daß im Hinblick sowohl
auf den Westen wie auf den Osten die Besonderheit der deutschen Lage, nämlich des zweigeteilten Deutschlands, in den Überlegungen über eine Wiederaufrüstung gesehen werden muß. Wir haben gestern gehört, daß der Herr Bundeskanzler den Standpunkt vertritt, westdeutsche Aufrüstung und Eingliederung in den Westblock sei der Weg zur Wiederherstellung der deutschen Einheit. Der „Münchner Merkur" brachte am 31. Januar 1952 Ausführungen der Schweizer Zeitung „Die Tat". Darin heißt es - ich möchte es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen -:
Die Westmächte haben bisher großes Gewicht darauf gelegt - und Frankreich ganz besonders -, daß die Integration Westdeutschlands in das geplante neue Europa nur als Gesamtheit konzipiert werden dürfe . . Adenauer hat sich damit einverstanden erklärt. Er tat dies in der Absicht, Westdeutschland unlösbar mit dem Westen zu amalgamieren. Dieser Absicht brachte er ein gewaltiges Opfer dar: er verzichtete stillschweigend auf die Einheit Deutschlands,
({17})
auf die Möglichkeit, den geteilten Staatskörper Deutschlands je wieder zusammenzufügen. Denn in dem Augenblick, da deutsche Truppen im Rahmen der Europa- Armee dienen und die deutsche Schwerindustrie mit den Montanindustrien des übrigen Westeuropa vereinigt
ist, muß die Sowjetunion jedes Interesse an
einer noch so problematischen Freigabe der sowjetischen Zone Deutschlands oder an einer Revision der Oder-Neiße-Grenze verlieren. Adenauer brachte diese Opfer um den Preis der Gleichberechtigung.
Das steht in einer Zeitung, von der man nicht sagen kann, daß sie kommunistisch sei.
({18})
Hier liegt der Kernpunkt der Frage: wird es nach der Eingliederung Westdeutschlands in den Verteidigungsblock des Westens ohne die Gefahr eines Krieges, d. h. auf friedliche Weise möglich sein, die Russen zu veranlassen, ihre Zustimmung zu gesamtdeutschen Wahlen und damit zur Befreiung der 18 Millionen Menschen in der Ostzone von dem sowjetischen System zu geben? Werden nicht vielmehr die Russen - und diese Frage müssen wir uns doch auch einmal stellen - aus Angst vor einem aufgerüsteten Westdeutschland die Ostzone als Faustpfand behalten und ihrerseits nun in weit verstärktem Maße als bisher aufrüsten? Gegen westdeutsche Divisionen können ostdeutsche gesetzt und so d:e deutschen Menschen hier und drüben in den Rüstungsaufmarsch der Weltmächte einbezogen werden. Wir stehen hier vor der Frage, ob die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands nicht in Frage gestellt wird, wenn West- und Ostdeutschland in die Blockbildungen der Weltmächte eingruppiert sind. Die Wiedervereinigung Deutschlands ist aber nicht nur ein brennender Wunsch des deutschen Volkes, sondern würde eine akute Gefahr des Weltfriedens beseitigen.
Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Hohen Hause am Mittwoch die Notwendigkeit gesamtdeutscher Wahlen mit dem Ziel der Bildung einer gesamtdeutschen Regierung erneut angesprochen. Wir sind uns dabei durchaus der Schwierig({19})
keiten bewußt, die der Erreichung dieses Ziels entgegenstehen. Daß es nicht erreicht werden kann ohne die Zustimmung, d. h. gegen den Willen Rußlands, ist nun einmal eine Realität, die gesehen werden sollte.
({20})
Ebenso scheint es mir eine Realität zu sein, daß Rußland aus Angstgefühl und Sicherheitsbedürfnis heraus nicht ohne weiteres bereit sein wird, seine Zustimmung zu gesamtdeutschen Wahlén und damit zur Preisgabe seines Systems in der Ostzone zu geben, wenn Westdeutschland jetzt aufrüstet. Also steht die Frage so: Ist Rußland bereit, eine gesamtdeutsche Regierung aus freien Wahlen entstehen zu lassen und damit das kommunistische System in Deutschland zu opfern - hören Sie gut zu, Herr Renner -, wenn der Westen als Preis dafür den Verzicht auf westdeutsche Aufrüstung anbietet? Das müßte aber auch bei den Bemühungen, festzustellen - darauf kommt es doch an -, ob eine Verständigung mit Rußland zu erreichen ist, ausgesprochen werden.
({21})
Meine Damen und Herren, die Wiedergewinnung von 18 Millionen Deutschen für die Ordnung der freiheitlichen Demokratie für den Westen scheint mir ein größerer Vorteil für die Erhaltung und Sicherung des Friedens zu sein, als es die Eingliederung von West- und Ostdeutschland in den Rüstungswettlauf der beiden Mächtegruppen bieten kann.
({22})
Entsteht aber heute eine westdeutsche Armee, dann scheint mir diese Chance der Zukunft von vornherein ausgeschlossen zu sein.
({23})
Gegenüber dem Argument, daß ein unbewaffnetes Deutschland
({24})
- meine Damen und Herren, ich gehöre nicht zu den Neutralisten, um das einmal festzustellen! ({25})
daß ein unbewaffnetes Deutschland mit sehr viel - ({26})
- Hören Sie doch einmal zu! Sie können ja gar nicht mehr ruhig zuhören. Sie meinen nur, alles müsse von vornherein klar sein!
({27})
Gegenüber dem Argument, daß ein unbewaffnetes Deutschland nach Durchführung gesamtdeutscher Wahlen ein Opfer des Bolschewismus werden könnte, ist zu antworten: Eine gesamtdeutsche Regierung bedeutet keine Neutralisierung, denn Deutschland wird auch unter einer gesamtdeutschen Regierung bis zu einem Friedensvertrag besetztes Land bleiben. Alle Fragen der Sicherung Deutschlands und seiner Nachbarn werden erst dann akut, wenn eine Entspannung unter den Weltmächten den Abschluß eines gemeinsamen Friedensvertrags
({28})
mit Deutschland
({29})
und eine gemeinsame Räumung seiner Gebiete erlaubt.
({30})
Wenn es mit Übereinstimmung aller vier Besatzungsmächte zu einer Räumung Deutschlands kommt, dann entsteht die Frage des Schutzes und seiner Sicherung gegen eine Antastung seiner freiheitlichen Ordnung oder seiner Gebiete. Wenn aber die vier Besatzungsmächte - ich sage: die vier Besatzungsmächte - sich über eine gemeinsame Räumung Deutschlands verständigt haben, dann sieht die Welt anders aus,
({31})
und nicht mehr so gefahrvoll wie heute.
Sie werden mir vielleicht sagen - das möchte ich Ihnen auch noch zugeben -, diese meine Ausführungen berücksichtigten nicht genügend die' Realität eines kommunistischen Systems
({32})
mit seinen weltumspannenden revolutionären Zielen. Die „Hamburger Freie Presse" schrieb am 16. November 1951:
Es gibt in der Tat nur zwei Wege zur Beseitigung der Gefahr eines Krieges. Der eine heißt radikaler Abbau der Rüstungen, um die Gefahr der Selbstentladung, die in diesen Rüstungen liegt, zu vermindern, der andere heißt Wiederherstellung eines Vertrauens, gegründet auf der Erkenntnis, daß die Erde Raum genug hat nicht nur für eine Weltmacht und nicht nur für eine Weltideologie.
({33})
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Der Tenor dieser Debatte heißt doch von uns allen: sich retten vor einem Krieg! Das ist es, worum es in der Sache Deutschlands und Europas heute geht.
({34})
Denn Europa hat keine Zukunft als nur eine Zukunft in Frieden.
Zu dieser Erkenntnis kommt noch eine zweite, mit der ich schließen möchte: Krieg löst nicht die Streitfragen der Völker! Abraham Lincoln schrieb am 4. März 1861:
Gesetzt, ihr entschließt euch zum Kriege. Ihr könnt nicht immer weiter kämpfen und wenn ihr - nach mancherlei Verlust auf beiden Seiten und keinerlei Gewinn hüben und drüben - den Kampf einstellt, dann stehen dieselben alten Fragen nach den Bedingungen des Zusammenlebens wieder vor euch!
({35})
Vizeprasident Dr. Schmid: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
({36})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Theorie, von der manche der Vorredner auszugehen schienen, daß es- zwischen der westlichen und der östlichen Welt notwen({0})
digerweise zu einem Kriege kommen müsse, ist sicherlich unzutreffend.
({1})
- Manche meiner Vorredner waren Heldensängern ähnlich, dem guten Homer entsprechend, der zwar schön gesungen hat, dessen Lieder inhaltlich aber wenig zutreffend waren.
({2})
- Ich habe Sie nicht verstanden.
({3})
Ich selber will diese Methode der schönen Worte nicht befolgen, sondern denke, daß es zweckmäßiger ist bei einer so ernsten Frage, einer Frage, bei der es notwendig- ist, alle Argumente und Gegenargumente sorgfältig zu prüfen, nüchtern zu bleiben und mit dieser Nüchternheit dann zu einem Fazit zu kommen, - wenn das überhaupt jetzt schon möglich ist.
Der Herr Bundeskanzler hat uns eine kurze Zusammenfassung seiner Pläne gegeben. Diese kurze Zusammenfassung läßt es nicht zu, zu Einzelheiten Stellung zu nehmen. Aber auch sie läßt zwei Grundprinzipien deutlich erkennen. Diese zwei Grundprinzipien sind einmal die europäische Verteidigungsgemeinschaft - wie das Vertragswerk von ihm bezeichnet worden ist - und als zweites Grundprinzip die Wehrverfassung innerhalb Deutschlands, die sogenannte allgemeine Wehrpflicht. Die europäische Verteidigungsgemeinschaft nach dem Konzept des Herrn Adenauer ist und bleibt nach meiner Überzeugung ein Mittel, Deutschland von dem politischen Einfluß auf das Weltgeschehen und auf die europäische und die Weltstrategie auszuschalten. Es ist unzutreffend, daß die Einstimmigkeit im Ministerrat uns den ausreichenden politischen Einfluß sichern könnte! Kriege werden nicht mehr nach monatelangen Debatten begonnen, sondern sind heutzutage als entsetzliches Unglück plötzlich da!
({4})
Nicht einmal das amerikanische Parlament hat die Möglichkeit, den Präsidenten daran zu hindern, in diesen Fällen sofort Maßnahmen zu ergreifen. Um wieviel weniger wird ein deutscher Vertreter im Ministerrat mit seinem Veto die einmal angelaufene Kriegsmaschine daran hindern können, weiterzulaufen und vielleicht die deutschen Kontingente zurückzupfeifen!
Die europäische Verteidigungsgemeinschaft ist tatsächlich ein Plan, Deutschland trotz formeller Gleichberechtigung materiell in dem halbsouveränen Zustand zu belassen, in dem wir uns zur Zeit befinden. Welche Generalstabspläne ausgearbeitet, wie die Feldzüge gestaltet werden, was etwa zerstört werden und was geopfert werden muß, darf Deutschland nach dieser Konzeption nicht bestimmen; das wird im NATO-Hauptquartier bestimmt. Es gibt ja nicht einmal ein Oberkommando der Europaarmee! Gerade heute morgen ist eine entsprechende Verlautbarung des belgischen Verteidigungsministers in der „Welt" erschienen: Kein Armeekorps wird unter deutschem Oberbefehl marschieren, wohl aber unter dem Oberbefehl der anderen alliierten Mächte.
({5})
Daß wir unter diesen Umständen bei den entscheidenden Entwürfen keinen Einfluß und auch in den sekundären und äußerlichen Fragen nur ein Mitspracherecht haben, dürfte im Ernst nicht bezweifelt werden können. Wenn die Beurteilung, die wir diesem Rezept der sogenannten europäischen Verteidigungsgemeinschaft geben, nicht richtig wäre - warum macht Frankreich jetzt Vorschläge, Deutschland eng mit der NATO zu verbinden, warum aber lehnt es mit aller Entschiedenheit seinen Eintritt ab? Dieses Mißtrauen ist ja auch durch die Äußerung des Herrn Alphand in London eindeutig bestätigt worden. Wenn Herr Alphand Professor Ophüls persönlich erklärt hat, daß seine Bemerkung, daß die europäische Verteidigungsgemeinschaft deshalb geschaffen worden sei, um Deutschland von dem Einfluß auf die Weltstrategie auszuschalten, und wenn er diese Bemerkung in einem privaten Gespräch dementiert hat, so ist das eine Gefälligkeit, aber keine politische Erklärung. Ein politisches _Dementi muß gegenüber den Gremien erfolgen, an die die Erklärung selbst gerichtet worden ist. Nur dann hätte dieses Dementi auch nur irgendeinen Wert.
Aber wie ich eben ausführen durfte, ist es ja auch der Inhalt des Vertrags - soweit er uns bekanntgeworden ist -. der uns von den eigentlichen entscheidenden strategischen Fragen ausschaltet. Der von der Regierung geplante Verteidigungsbeitrag ist aber geeignet, die deutsche Gleichberechtigung auf die Dauer zu verhindern, er ist wegen der Art der Wehrverfassung abzulehnen. Die Auswahl der Offiziere sowie das ganze System der allgemeinen Wehrpflicht - ({6})
- Entschuldigen Sie bitte: Wir haben uns gestern vom Herrn Bundeskanzler sagen lassen, daß eine notwendige Konsequenz seiner Konzeption das System der allgemeinen Wehrpflicht sein würde.
({7})
- Sie werden mir wohl gestatten, auf das System der allgemeinen Wehrpflicht einzugehen, ein System, das unserer Überzeugung nach nur schädlich sein kann.
({8})
- Gerade diese Äußerlichkeiten interessieren mich überhaupt nicht. Aber die Frage der Wehrverfassung ist entscheidend! Wenn Herr Blank in seiner Rundfunkrede Äußerungen über die Uniform machte, dann sind das Dinge, die .für einen Kammerunteroffizier sehr wichtig sind, für uns hier aber unwichtig. Aber die Frage, welche Wehrverfassung wir bekommen, rührt an das Fundament unseres Staates, und deshalb werden Sie mir gestatten müssen, dazu Ausführungen zu machen.
({9})
Der Einfluß der deutschen politischen Gewalten auf die in Deutschland stationierten Truppenkörper wäre von ihrer Entstehung an äußerst gering, weil das gesamte Rekrutierungs- und Ersatzwesen von einer ausländischen Zentrale aus gesteuert würde. Niemand weiß ja, wie sich dieser Machtblock entwickeln wird, wenn nicht der Bundestag selber die hohen Offiziere auswählt und auf das ganze Ersatzwesen durch die Einschaltung demokratischer Kontrollorgane - wie beispielsweise
({10})
bei den Polizeiausschüssen bei den Regierungspräsidenten der britischen Zone - seinen Einfluß ausüben wird.
({11})
Wenn wir die hohen Offiziere nicht selber wählen, dann bin ich fest davon überzeugt, - ({12})
- Ich weiß nicht, ob Sie im letzten Kriege dabeigewesen sind. Ich kann nur sagen, daß wir bei der Auswahl der hohen Offiziere ein Problem vor uns haben, das sehr ernst und sehr wohl überlegt sein muß. Wenn wir nicht ferner beim ganzen Ersatzwesen demokratische Kontrollorgane einschalten, dann ist die Gefahr einer Verselbständigung dieser kommenden Wehrmacht, eines Ausder-Hand-Gleitens aus den demokratischen Händen, außerordentlich stark gegeben.
Es ist auch nicht richtig, daß - wie behauptet wurde - die vorgeschlagene Wehrpflicht allgemein sei. In Friedenszeiten werden nur Mannschaften und allenfalls Unteroffiziere eingezogen. Offiziere und Generäle sind im Frieden immer noch freiwillig gekommen. Genau genommen würde man diese allgemeine Wehrpflicht besser „allgemeine Wehrpflicht für die niedrigen Dienstgrade" nennen. Wir bekennen uns ja auch in unserem gesamten wirtschaftlichen und kulturellen Leben möglichst zum Prinzip der Freiwilligkeit. Dieses Prinzip stellen wir dem russischen System des Zwanges gegenüber. Aber ausgerechnet bei der Wehrverfassung erwarten wir Höchstleistungen durch einen Zwang. Auch hier kann höchste Leistung nur durch Freiwilligkeit erzielt werden! Kein noch so ausgeklügeltes Punkt und Testsystem kann den richtigen Mann an den richtigen Platz bringen, wenn nicht die Freiwilligkeit dahintersteht. In einem Kriege kommt es auf die höchste moralische, geistige und körperliche Leistungsfähigkeit an, die von mürrischen und unwilligen Menschen niemals erreicht werden kann.
Bei dem vorgeschlagenen Wehrsystem wird auch verkannt, daß eine allgemeine Wehrpflicht in Friedenszeiten zu schwersten Störungen des Wirtschaftslebens führen muß, während in Kriegszeiten eine Dienstpflicht für alle, ob Mann, ob Frau, eine Selbstverständlichkeit bedeutet. Die Störung des Wirtschaftslebens in Friedenszeiten scheint mit ein Nahziel des Weltkommunismus zu sein, zu dessen Erreichung wir eben nicht helfen sollen.
({13})
Das System der allgemeinen Wehrpflicht ist uns durch zwei gewaltige kriegerische Niederlagen treu geblieben. Was hier Ursache und Wirkung ist, kann ich nicht entscheiden. Daß dieses System etwa das ideale wäre, hat schon Seeckt sehr bezweifelt. Ein Umdenken tut hier endlich not, ein Umdenken dahin, wie man erreichen kann, daß jeder Mann auf den richtigen Platz kommt und daß keiner mehr bloßes Material, bloßer Baustein ist.
Die moderne Technik hat auch im Waffenwesen ihren Einzug gehalten. Das moderne Kriegsmaterial besteht aus den kompliziertesten Maschinen, die wir uns denken können. Sie so zu bedienen, daß auch in der Erregung, des Kampfes Fehler vermieden werden, erfordert langjährige und unerhört festsitzende Ausbildung, also Routine. Diese erreichen wir nicht mit einer Dienstzeit von 18 Monaten; dazu bedarf es vielmehr einer wesentlich
längeren Ausbildung. Die Ausbildung von freiwilligen Soldaten erfordert zudem naturgemäß einen wesentlich geringeren Prozentsatz von Ausbildungsstäben als die Ausbildung bei dem System der sogenannten allgemeinen Wehrpflicht, der der eigentlichen Kampfkraft gewonnen wird. Die moderne Technik verlangt auch große Beweglichkeit und ständiges Bereitsein. Auch das kann nur bei Berufssoldaten erreicht werden. Was nützt uns eine noch so große Anzahl ausgebildeter Reservisten, wenn sie am Tage X um die xte Stunde nicht parat-stehen? Sie werden wahrscheinlich viel zu spät kommen, um ihren Versammlungsplatz überhaupt zu erreichen.
Hören Sie außerdem einmal die Stimmung im
Volk. Volkesstimme wird oft Gottesstimme genannt.
({14})
Kaum einer in unserem Volk leugnet die Notwendigkeit der Institution der Wehrmacht an sich; aber die meisten sind entsetzt und wehren sich, wenn sie hören, daß sie zwangsweise ausgehoben werden sollen. Diese Pille können Sie auch nicht dadurch versüßen, daß Sie für das erste Jahr keine Einziehung ankündigen. Hier braucht niemand aufgeputscht zu werden. Gerade das deutsche Volk hat auf diesem Gebiet genug erlebt.
Der Aufbau einer Wehrmacht auf der Basis einer allgemeinen Wehrpflicht erfordert die Arbeit von vielen Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Die Gefahr des russischen Eingreifens während der Zeit des Aulbaus ist die Hauptsorge, die uns alle bewegen soll. Es ist ja doch keineswegs so, daß mit der Aufstellung irgendeines Ausbildungsstabs die deutsche Verteidigungskraft auch nur irgendwie steigen würde. Eine sofortige Verstärkung der deutschen Position wird sich unter keinen Umständen ergeben. Eine vorübergehende Verstärkung der Besatzungsstreitkräfte ist deshalb unerläßlich.
Wer sagt, es erschiene untragbar, daß im Kriegsfall die jungen Leute zu Hause blieben und die Familienväter ins Feld geführt werden müßten und daß es dem demokratischen Grundsatz der gleichen Rechte und Pflichten entspräche, die allgemeine Wehrpflicht zu haben, der hat meines Erachtens das Problem nicht durchdacht. Ob jemand im Kriege, der so oder so brutal oder total sein würde, als Soldat oder als Kohlenarbeiter, als Eisenbahner oder als Nachrichtenmann tätig ist, immer dient er, wenn er an einer notwendigen Stelle steht, in gleicher Weise und wahrscheinlich auch unter der gleichen Lebensgefahr dem Volksganzen. Wenn man den Gedanken von den gleichen Rechten und Pflichten durchdenkt, wird man nur diese Auffassung akzeptieren können, da sonst auch Frauen Soldaten werden müßten. Andere Länder, die die allgemeine Wehrpflicht haben, haben andere und weitergesteckte Aufgaben.
Die Qualität des Ersatzes ist auch beim System der Freiwilligkeit gewährleistet, wie das Hunderttausendmannheer bewiesen hat. Wenn man einwendet, daß das Heer der Freiwilligen teurer sei als das Heer auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht, so kann man darauf nur erwidern, daß das, was nichts kostet, auch nichts ist.
Einer der Herren Vorredner hat erklärt, es sei „selbstverständlich", daß der Sozialbeitrag nicht verringert würde. Diese „selbstverständliche" Voraussetzung dürfte unerfüllbar sein: Jeder, der sich mit der Frage der Kriegsführung beschäftigt hat
({15})
wird zugeben, daß eine Einschränkung des Lebensstandards kaum zu vermeiden sein wird. Wir haben über die finanziellen Auswirkungen bis jetzt keinerlei Unterlagen von der Regierung bekommen. Nur einige Pressenotizen kennen wir. Nachdem die Bundesregierung schon bisher die Möglichkeit einer Erhöhung der Sozialleistungen mit dem Hinweis auf den Mangel an Mitteln verneint hat, erscheint es ganz ausgeschlossen, daß die Aufbringung der Kosten des Verteidigungsbeitrags keine Senkung des allgemeinen Lebensstandards bringen würde. Eine Rüstung kostet Geld. Das Geld ist nicht nutzlos hinausgeworfen, wenn damit Kriege verhindert werden. Viel entscheidender ist es deshalb, die Verteidigungslasten so zu verteilen, daß der Lebensstandard der Ärmsten der Armen keine Senkungerfährt. Im übrigen muß bei der Verteilung der Lasten eine erhöhte soziale Gerechtigkeit walten. Wenn das deutsche Volk das Bewußtsein haben würde, daß eine erhöhte soziale Gerechtigkeit herbeigeführt wird, dann, dessen bin ich sicher, würde es auch Einschränkungen auf sich nehmen. Statt mit schönrednerischem Optimismus auf die kommende erhöhte Produktivität hinzuweisen, sollte man auch hier lieber den Ernst der Lage klarmachen. Woher soll bei den bekannten Engpässen in Kohle und Stahl die vom Herrn Bundeswirtschaftsminister behauptete großartige Steigerung der Gesamtproduktivität kommen?! Und wie soll aus dem Sozialprodukt mit den äußerst knappen Verbrauchsanteilen noch ein weiterer Teil für die Verteidigungslasten abgezweigt werden, ohne daß alle den Riemen enger schnallen müßten?!
Wie schwer es für uns ist, aus dem Status der Halbsouveränität, in dem wir uns befinden, herauszukommen, weiß jeder von- uns. Noch immer kontrollieren amerikanische Militärpatrouillen deutsche Fahrzeuge, noch immer sind deutsche Privatwohnungen und Grundstücke für die Besatzungsmacht und Angehörige der Besatzungstruppen beschlagnahmt, noch immer werden laufend Grundstücke neu in Anspruch genommen, noch immer besteht Steuerfreiheit für die Alliierten und kommen Eingriffe in die Strafverfolgungspraxis vor, noch immer bestehen Gesetze, die - wie in der Frage der Dekartellisierung - dem deutschen Rechtsempfinden keineswegs entsprechen. Hier kann aber nur - und das ist das Entscheidende - Geduld und nochmals Geduld helfen und uns aus diesem Status herausheben. Die Zeit arbeitet für uns. Was von 1945 bis 1952 nicht brannte, kann heute mit Bedacht geregelt werden. Hast und Eile - und das ist der Hauptvorwurf, den wir dem jetzigen Verfahren der Regierung zu machen haben - können uns in eine Zwangsjacke bringen, aus der wir nie mehr herauskommen, unseren Wiederaufstieg definitiv gefährden und Deutschland für die Dauer einen Status auferlegen, in dem zu leben sich nicht lohnt, für den zu sterben dann auch niemand bereit wäre.
({16})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel von der Föderalistischen Union.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Entstehungsgeschichte der Bundesrepublik und dem Grundgesetz geht hervor, daß der Bund keine Wehrhoheit besitzt. Die westdeutschen Ministerpräsidenten brachten in
ihrer einstimmig beschlossenen Mantelnote vom 10. Juli 1948, mit der sie ihre Gegenvorschläge zu den alliierten Vorschlägen überreichten, zum Ausdruck, sie hätten bei der Behandlung des Frankfurter Dokuments besonderen Wert darauf legen müssen, daß bei der Neuregelung alles vermieden werde, was die Kluft zwischen West und Ost vertiefen könnte. Mantelnote und Gegenvorschläge zeigen deutlich, daß zunächst nur die Schaffung eines Zweckverbandes mit Verwaltungsstatut für die drei Zonen gewollt war. An eine Konstruktion mit Wehrhoheit hat niemand gedacht.
Tatsächlich trägt das Grundgesetz alle Züge eines Provisoriums. Es enthält keine Bestimmung über die Befugnis des Bundes zu einem Wehrgesetz. Die Kommandogewalt ist in ihm nicht geregelt. Aus Art. 4 kann nicht durch Gegenschluß gefolgert werden, daß das Grundgesetz die Wehrhoheit des Bundes ohne weiteres unterstellt. Die Absicht der Vorschrift liegt, wie sich aus den Verhandlungen des Parlamentarischen Rats ergibt, auf anderem Gebiet. Sie wollte der Rekrutierung Deutscher als Fremdenlegionäre für die Besatzungsmächte vorbeugen. Ebensowenig besagt der Artikel 24 etwas über Art und Mittel der Einordnung der Republik in ein System kollektiver Sicherheit. Bundesrepublik und Grundgesetz sind durch die Delegation von Hoheitsrechten der sich verbündenden Länder entstanden. Diese konnten nicht mehr Zuständigkeiten abtreten, als sie selbst
besaßen. ' ({0})
Ich lasse dahingestellt, ob sie die Wehrhoheit in der Gründungszeit des Bundes besaßen. Jedenfalls wollten sie keine solche abtreten. Beispielsweise konnte die bayerische Staatsregierung nach Art. 180 der bayerischen Verfassung bis zur Errichtung eines heute noch nicht bestehenden deutschen demokratischen Bundesstaates,
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infolge der Teilung Deutschlands noch nicht bestehenden deutschen demokratischen Bundesstaates, der allein in den entscheidenden Verfassungsbestimmungen der bayerischen Verfassung gemeint war,
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mit Zustimmung des Landtages Zuständigkeiten auf den Gebieten der auswärtigen Beziehungen, der Wirtschaft, der Ernährung, des Geldwesens und Verkehrs an deutsche Gemeinschaftseinrichtungen mehrerer Staaten oder Zonen abtreten. Kein Wort von Wehrhoheit, Wehrverfassung, Wehrpflicht! Daß eine Delegierung der letzteren von Bayern niemals gewollt war, erweist das von seinem Landtag einstimmig beschlossene Gesetz Nr. 94 vom 21. 11. 1947, dessen § 1 bestimmt: „Kein Staatsbürger kann zum Militärdienst oder zur Teilnahme an Kriegshandlungen gezwungen werden."
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Hierdurch wurde, wenn schon nicht ein förmliches verfassungsmäßiges Recht, so doch sachlich ein Grundrecht geschaffen, das nicht durch Bundesrecht gebrochen werden kann. Es kann also nicht darum gehen, durch landsmannschaftliche Aufgliederung der Kontingente, wie der bayerische Ministerpräsident Ehard sagt, zu verhindern, daß bayerische Bauernsohne auf norddeutschen Kasernenhöfen marschieren müssen,
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sondern darum, daß das Gesetz Nr. 94, das der gleiche Dr. Ehard ausgefertigt hat, respektiert wird. Sollte nach der totalen Niederlage und der bedingungslosen Kapitulation irgendwo im Bundesgebiet eine Wehrhoheit entstanden sein, so läge sie nach Art. 70 des Grundgesetzes nicht beim Bund, sondern bei den Ländern und ihren Bevölkerungen. Die Bundesrepublik könnte sie nur durch bündische Nach- oder Neugründung, niemals aber nur durch Änderung des Grundgesetzes erhalten.
Auch nach der ursprünglichen Meinung der Besetzer hat der Bund keine Wehrhoheit. Andernfalls wäre es unverständlich, daß in der Niederschrift der Petersberger Abmachungen vom 22. November 1949 festgestellt wurde: „Die Bundesregierung erklärt ihre feste Entschlossenheit, die Entmilitarisierung aufrechtzuerhalten und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte zu verhindern." Es ist zu bedauern, daß die Bundesregierung die rechtzeitige Klärung der so wichtigen verfassungsrechtlichen Frage unterlassen hat.
Noch schwerwiegender und ganz und gar unentschuldbar ist ein anderes Versäumnis der Bundesregierung. Sie weiß, daß die Westmächte an dem Potsdamer Abkommen festhalten, in dem die völlige und endgültige materielle und ideologische Abrüstung und Entmilitarisierung vereinbart und als Kontrollratsrecht vorgeschrieben ist. Es ist ihr natürlich auch bekannt, daß wir uns formell noch im Kriegszustand mit Rußland befinden
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und daß die Verletzung der Kapitulation ein Kriegsverbrechen ist.
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Welches wären also
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im Ernstfalle
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die furchtbaren Folgen für brave deutsche Soldaten,
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die wieder den ersten Stoß auszuhalten hätten, welches ihr Schicksal? Sie würden von Rußland zu Gewaltbrechern von Kapitulation und Kontrollratsrecht, also zu Partisanen erklärt und im Fall ihrer Gefangennahme als solche behandelt. Wer könnte die Verantwortung dafür vor Gott, den Menschen, und der Geschichte übernehmen wollen?
An dieser für deutsche Soldaten entsetzlichen Lage würde auch dadurch nichts geändert, daß deutsche Divisionen als Teile einer Europa-Armee aufgebaut werden. Wir klagen den Bundeskanzler, wir klagen die Bundesregierung an, die deutsche Öffentlichkeit hierüber nicht aufgeklärt zu haben.
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Am 27. Januar hat der Herr Bundeskanzler bei einem Empfang der Auslandspresse erklärt, daß er bereits 1948 als Privatmann den Aufbau einer westdeutschen Wehrmacht vorbereitet und den General Speidel beauftragt habe,
(
Das ist die Unwahrheit, was Sie eben sagen!)
Vorschläge für einen deutschen Verteidigungsbeitrag auszuarbeiten. - Das wird in der Auslandspresse gemeldet. - Diese Erklärung hat - wenn sie zutrifft - bestürzend, sie hat niederschmetternd im In- und Ausland gewirkt. Wie will Herr Dr. Adenauer - ich unterstelle die Richtigkeit dieser ausländischen Pressemeldungen - bei einer solchen Selbstenthüllung fürderhin noch das Vertrauen in die Glaubwürdigkeit und Aufrichtigkeit seiner Politik aufrechterhalten können? Seine Politik ist auf der Annahme aufgebaut, daß die französische Politik europaorientiert sei. Wer es noch nicht wußte, hat durch die Debatte des französischen Parlaments über den Schumanplan und durch die penetrante Fortsetzung der schon von Bidault, dem Gründer der französischen CDU, begonnenen Saarpolitik einen brüsken, schmerzlichen Anschauungsunterricht erhalten. Es erweist sich, daß die Prämisse der Politik des Kanzlers eine Illusion ist: So ist seine ganze Konzeption im Begriff zusammenzubrechen.
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Man will uns zwar stark nach dem Osten machen, uns ,,gleichzeitig aber - das ist die westalliierte Politik - schwach, geschäftsbeschränkt, bevormundet nach dem Westen halten.
({1})
Das ist Surrealismus der Politik. Es ist eine Rechnung, die niemals aufgeht.
So oft wir zu einem Ansinnen der anderen ja sagten, bekamen wir sehr bald darauf erneut und verstärkt Druck und Zwang des Besatzungsstatuts zu spüren. Das war so nach der Paraphierung und Ratifizierung des Petersberg-Abkommens, nach dem Eintritt in den Europarat, nach der Annahme den Thesen des Kommuniqués der New Yorker Außenministerkonferenz vom 12. September 1950, und das war so nach der Annahme des Schumanplans.
Der Herr Bundeskanzler möge in eine grundlegende Revision seiner Politik eintreten und von seiner bisherigen Methode ablassen. Die Fortsetzung seiner Methode würde unausweichlich eine schwere Erschütterung des Gefüges der Bundesrepublik, wahrscheinlich sogar Schlimmeres hervorrufen. Sein Kalkül entbehrt der festen Grundlage. Es ist spekulativ, es ist hypothetisch. Wir warnen die Bundesregierung, in der Frage des Verteidigungsbeitrags illegal zu verfahren. Im düsteren Aspekt eines etwaigen Bruderkriegs beschwören wir sie, nicht unmenschlich und unsittlich zu handeln.
({2}) '
Wir wollen nicht die ewige Wiederkehr des Gleichen. Wir wollen nicht wie Karthago im dritten punischen Krieg in einem dritten Weltkrieg untergehen. Unsere Aussichten und Hoffnungen, unser Glück und unsere Zukunft liegen in der Erhaltung des Friedens.
({3})
Für ihn lohnt es sich, das Höchste zu wagen und jede Möglichkeit der Politik auszuschöpfen.
({4})
Von dieser Einsicht und Notwendigkeit muß sich der Bundestag bei seinen Beschlüssen und Entscheidungen leiten und bestimmen lassen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger von der CDU/CSU.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bis zum heutigen Tage war ich der Meinung, daß die Kommunistische Partei bei den letzten Bundestagswahlen in Bayern keine 5 % der Stimmen erhalten habe und deswegen hier auch nicht vertreten sei. Mir scheint, die Rede meines Herrn Vorredners beweist das Gegenteil, und ich habe mich bisher geirrt.
({0})
Eine klarere und deutlichere Vertretung des sowjetrussischen Standpunkts konnte in diesem Hause gar nicht vorgebracht werden..
({1})
Ich bin zu fair,
({2}) diesen Standpunkt der Bayernpartei- in die Schuhe zu schieben;
({3})
aber ich frage die Bayernpartei vor dem deutschen Volk und vor der bayerischen Wählerschaft, ob das ihre parteioffizielle Meinung ist oder nur die Privattour des Herrn Dr. Etzel!
({4})
Im übrigen, meine Damen und Herren, habe ich in diesem Hause - abgesehen von Herrn Dr. Etzel und abgesehen von der Kommunistischen Partei - kein grundsätzliches Nein zum deutschen Verteidigungsbeitrag gehört. Ich meine, das von den Kommunisten ausgesprochene Nein ist ja auch wohl bei ihnen nicht so sehr grundsätzlich; denn sie sagen in der Bundesrepublik nein und im Osten ja.
({5})
Der Ernst der Frage, der dieses Haus und das ganze deutsche Volk bewegt - und der auch durch Geschrei nicht verringert wird -, führt dazu, daß es weder ein begeistertes Ja bei den einen noch ein grundsätzliches Nein bei den anderen geben kann. Vielmehr unterhalten wir uns über die Voraussetzungen, unter denen allein ein deutsches Ja möglich ist. Über diese Voraussetzungen im einzelnen werden andere meiner-Parteifreunde sprechen; aber ich möchte doch darauf hinweisen, daß sich für den Mann auf der Straße die deutsche Gleichberechtigung nicht in erster Linie in der militärischen und politischen Gleichberechtigung und was sonst in den Generalverträgen stehen mag, dartut, sondern vor allem darin, wie sie sich auf sein Leben auswirkt. Und gerade der Mann auf der Straße kann nicht an die deutsche Gleichberechtigung glauben, wenn dieses Hohe Haus zwar international nicht mehr behindert wird, ein Wehrgesetz zu erlassen, aber vielleicht , behindert sein sollte, für den deutschen Handwerker den großen Befähigungsnachweis vorzuschreiben.
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Und es wird vielleicht auch an das Schicksal der Besatzungsverdrängten zu denken sein, die Herr Kollege Dr. Arndt doch etwas zu leicht übergangen hat. Wenn er wie ich einen Wahlkreis hätte, in dem der größte Flugplatz Westeuropas liegt, Fürstenfeldbruck, oder die schwergeprüfte Stadt Landsberg am Lech, würde er vielleicht über die Not der Besatzungsverdrängten etwas anders denken. Im übrigen entspricht es in keiner Weise den Tatsachen, daß wir den Besatzungsmächten Menschen statt Wohnungen angeboten hätten. Das ist eine Unterstellung, die wir allerschärfstens zurückweisen müssen.
({7})
Auch die Sozialdemokratische Partei, Herr Dr. Arndt, hat doch durch Herrn Dr. Schumacher oder andere Sprecher 60 oder 70 Divisionen - vielleicht auch etwas weniger - der Alliierten in Westdeutschland gefordert; sie hat Schutz gefordert, um unter diesem Schutz die neuen deutschen Streitkräfte aufzubauen. Auch sie hat also an eigene Soldaten gedacht.
({8})
Im übrigen hat Herr Kollege Ollenhauer gestern ein Wort gesprochen, das leicht falsch verstanden werden kann. Er hat unter dem Beifall seiner Fraktion gesagt, wir hätten uns nicht mit dem „Wie" des deutschen Verteidigungsbeitrags zu beschäftigen, sondern nur mit dem „Ob". Diese Unterscheidung ist in ihrer klaren Distinktion zweifellos eines Professors der Philosophie würdig; ob sie aber einem Politiker im Jahre 1952 zukommt, möchte ich bezweifeln.
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Denn wenn wir einmal in kurzer Zeit darüber beschließen werden, wie wir das deutsche Wehrgesetz machen, meine Damen und Herren, dann wird es eilen; und wenn wir dann nicht genau wissen, wie die geistigen Voraussetzungen und wie das innere Gefüge der deutschen Wehrmacht aussehen sollen, dann stolpern wir in den alten Kommiß, den Sie wahrscheinlich so wenig wollen wie wir.
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Außerdem glaube ich, daß die Formulierung, Herr Kollege Ollenhauer, den Interessen der jungen Generation gar nicht entspricht. Ich habe nun in vielen Versammlungen, nicht nur vor den 2000 Studenten in München, diskutiert, wo zuerst zwei. Drittel gepfiffen haben und nachher vier Fünftel für eine Resolution stimmten, die im Sinne meiner Ausführungen lag.
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- Meine Herren von der Kommunistischen Partei, die Münchener Studenten unterscheiden sich von Ihnen dadurch, daß sie etwas lernen wollen, Sie aber nicht.
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Es dient nicht den Interessen der jungen Generation; denn sie fragt zuerst nicht nach der Saar oder nach dem Oberbefehl und sonstigen Dingen, sondern sie fragt: Wie schaut nun eigentlich der Barras aus, zu dem ihr uns vielleicht rufen müßt? Darauf werden wir ihr auch eine Antwort geben müssen. Dann möchte ich erklären: Das innere Gefüge der deutschen Streitkräfte gehört für meine politischen Freunde zu den Voraussetzungen des Verteidigungsbeitrags, weil wir es gar nicht verantworten könnten, die deutsche Jugend noch einmal jenem Kommiß auszuliefern, den zum großen Teil wir alle erlebt haben. Ich habe ihn sechs Jahre lang erlebt.
Davon abgesehen hat Herr Kollege Ollenhauer es meisterhaft verstanden, eine Fülle von Gründen vorzuschieben, die es ihm erspart haben, zum Kern der Frage überhaupt Stellung zu nehmen. Denn der Kern der Frage heißt doch heute, wo wir noch nicht darüber entscheiden, sondern uns
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nur grundsätzlich äußern: Werden wir, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, über die wir uns doch wohl im großen und ganzen einig sind, bereit sein, den Frieden mit Hilfe einer deutschen Verteidigungsmacht innerhalb einer europäischen Armee zu sichern, wenn es keine andere Möglichkeit, den Frieden zu sichern, gibt - weil vielleicht die Westmächte ihre Front von der Elbe an den Rhein oder an die Pyrenäen zurücknähmen? Das ist der Kern der Frage. Und der Kern der Frage ist auch, ob dem Notwehrrecht des einzelnen nicht auch ein Notwehrrecht des Volkes, ob der Notwehrpflicht des Familienvaters, wenn Frau und Kinder bedroht sind, nicht auch eine Notwehrpflicht der jungen Generation entspricht, die für ihre Mütter, ihre Schwestern, ihre Bräute, für Frauen und Kinder auch ein Jahr wird opfern müssen, um ihnen Leben und Frieden zu erhalten.
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Man versteckt sich hinter verfassungsrechtlichen
Bedenken. - Meine Damen und Herren, - ({15})
- Ich spreche nicht mit Ihnen; -Sie gehören nicht zu denen, die die Freiheit verteidigen! Ich unterhalte mich nur mit Demokraten, und das sind Sie da hinten nicht!
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Man spricht - auf Seiten der Demokraten, nicht bei Ihnen - von verfassungsrechtlichen Bedenken. Als Jurist nehme ich die Verfassung ernst, aber ich glaube, diese Frage ist zunächst keine Verfassungsfrage, sie ist eine politische Frage, sie ist letzthin eine ethische Frage.
Schließlich und endlich spricht Art. 24 des Grundgesetzes klar und eindeutig, Herr Dr. Etzel, davon, daß sich der Bund zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen kann. Und ich frage Sie: Was bietet denn gegenüber der Sowjetunion, die seit 30 Jahren einen Pakt nach dem andern, den sie geschlossen hat, mit Füßen getreten hat, überhaupt noch eine irdische Sicherheit, wenn nicht die Einheit Europas, sein Zusammenschluß und seine Rüstung und der Wille, es zu verteidigen?
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Damit ist die Möglichkeit einer europäischen Armee gegeben. Ob es die Möglichkeit einer Nationalarmee in Deutschland gibt - da lassen sich auch viele Gründe gegen die These der Sozialdemokraten und des Herrn Dr. Etzel anführen; aber das interessiert uns nicht, denn wir wollen keine Nationalarmee.
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Wir wollen sie nicht aus innerpolitischen Gründen, wir wollen sie nicht aus außenpolitischen Gründen, wir wollen sie nicht aus prinzipiellen Erwägungen; wir wollen sie vor allem deshalb nicht, weil d e deutsche Jugend nur bereit ist, unter der Fahne Europas ein Jahr zu dienen, oder gar nicht.
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Im übrigen, meine Herren von der Sozialdemokratischen Partei, wird Ihnen die Schwere der sachlichen Entscheidung nicht durch eine Zweidrittelmehrheit abgekauft.
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Das deutsche Volk erwartet in dieser Schicksalsfrage keinen Verfassungsstreit, es erwartet in dieser Schicksalsfrage ein Ja oder ein Nein des Deutschen Bundestages
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mit der verfassungsmäßigen einfachen Mehrheit, die tatsächlich 80 Prozent der Stimmen beträgt.
({22}) Man kann nicht mit Hilfe der Zweidrittelmehrheit an der Verantwortung vorbeigehen; man kann es nicht, weil man zur Sache selber Stellung nehmen muß. Vielleicht wäre es beinahe gut, wenn man eine Zweidrittelmehrheit brauchte, weil dann das Verantwortungsbewußtsein der Sozialdemokratischen Partei stärker angesprochen würde als seinerzeit beim Schumanplan, wo sie ja nein sagen konnte, weil wir sie nicht brauchten.
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Es wäre interessant, wie sich die SPD stellen würde, wenn es auf ihr Ja und Nein ankäme. Wenn man den Blick zurückwirft auf die Geschchte der Außenpolitik der deutschen Sozialdemokratie, dann muß man nur bedauern, daß diese Partei, die von 1919 bis 1933 so viel zur Völkerverständigung und zum deutschen Wiederaufstieg beigetragen hat, sich heute so oft diesen Erfordernissen verschließt. Wenn einmal die Geschichte der Außenpolitik der SPD geschrieben wird, die Geschichte von Breitscheid bis Luetkens,
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die Geschichte des beweglichen Realismus und der versteinten Hypothesen, dann wird man sie nur tragisch - nennen können.
({25})
Im übrigen, meine Damen und Herren, frage ich Sie jetzt einmal: welches ist denn eigentlich der Unterschied zwischen der Auffassung der Regierungsparteien und der der Sozialdemokratie? Wir bei der Regierungskoalition sagen Ja, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Sie sagen „Nein", weil die Voraussetzungen heute noch nicht gegeben seien. Das wäre an sich die gleiche Melodie in Moll und Dur. Wenn ich aber nun einmal die Voraussetzungen untersuche, dann ist es doch nur eine einzige, die Sie mehr haben als wir: Sie wollen die Neuwahl des Bundestages, weil Sie sch von ihr die Machtergreifung versprechen.
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Nun frage ich Sie aber, Herr Dr. Arndt: Wenn die Neuwahlen stattgefunden und wenn Sie wieder alles Erwarten die absolute Mehrheit in diesem Hause hätten - würden Sie dann auch noch auf der Verfassungsänderung für ein Wehrgesetz bestehen?
({27})
- Sie sagen ja, Herr Dr. Arndt, weil Sie ein Mann von Konsequenz sind, und ich habe das von einem Jursten auch nicht anders erwartet. Aber ich darf Ihnen eins sagen: Selbst wenn Sie bei den nächsten Wahlen die absolute Mehrheit kriegen sollten - was. ich Ihnen nicht glaube und auch sonst niemand; daß Sie d e Zweidrittelmehrheit bekommen, das glaubt selbst nicht der parteifrömmste Funktionär der SPD im Lande -, werden Sie zu Ihrer Verfassungsänderung unsere Stimmen brauchen, von der CDU über die FDP und die CSU bis zur DP, oder mindestens die Hälfte dieser Stimmen. Das heißt auf deutsch: wenn Sie die politischen Voraussetzungen für ein Wehrgesetz für gegeben halten, dann werden Sie von den heutigen Regierungsparteien als Oppo({28})
Bition ein höheres Maß staatspolitischer Einsicht und staatsmännischen Verantwortungsbewußtseins erwarten, als Sie selbst als Opposition heute zu geben gewillt sind.
({29})
Das, meine Damen und Herren, ist der ganze Unterschied zwischen der Politik der Regierungskoalition und der der SPD.
({30})
Ich bin davon überzeugt, daß das deutsche Volk, wenn es klar und nüchtern den Tatsachen, die wir nun zwei Tage vor ihm ausbreiten, in die Augen sieht, sein Vertrauen nicht denen zuwenden wird, die in einer nationalen Krise, d. h. einer Entscheidung ohnegleichen, an die Gewinnung von Mandaten denken, sondern denjenigen, die bereit sind, die Verantwortung, die Ihnen das Volk im Jahre 1949 übertragen hat, mutig und entschlossen auf die Schultern zu nehmen.
({31})
Wir Abgeordneten der Christlich-Demokratischen
und Christlich-Sozialen Union und zumal wir Abgeordneten der Kriegsgeneration sind entschlossen,
({32})
in dieser Frage noch mehr als in anderen nicht nach parteipolitischen Vorteilen zu fragen, sondern allein nach unserem Gewissen zu handeln. Wir sind entschlossen, nicht nach dem Ausgang der kommenden Wahl zu fragen, sondern nach dem Schicksal der kommenden Generation.
({33}) Darum ist unsere Sorge - eine Sorge, die uns bedrückt, und eine Sorge, die wir meistern müssen - nicht die Neuwahl des Bundestages, Herr Dr. Arndt, sondern die Freiheit und die Sicherheit des deutschen Volkes und vor allem der Frieden Europas.
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Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
({0})
Loritz ({1}): Meine Damen und Herren! Ich möchte nicht, wie die meisten meiner Vorredner, meine Rede vom Blatt ablesen, sondern Ihnen in freier Rede sagen, was das Volk zu dem ganzen Problem der Wiederaufrüstung denkt. Wenn Sie Demokraten sein wollen, dann, bitte, fragen Sie doch das Volk in geheimer Abstimmung; dann werden Sie sehen, ob das Volk wirklich, wie mein Herr Vorredner behauptet hat, zu 80 % zugunsten einer Wiederaufrüstung stimmen oder ob es, wie ich behaupte, sich zu 80 und 90 % gegen die Wiederaufrüstung aussprechen würde.
({2})
Wir von der WAV
({3})
haben schon vor Jahren verlangt, daß über die wichtigsten Fragen, von denen Wohl und Wehe des ganzen Volkes auf Jahrzehnte und Jahrhunderte hinaus abhängt, das Volk in geheimer Abstimmung gefragt wird und nicht bloß ein paar Hundert Abgeordnete darüber entscheiden dürfen wie Autokraten und Diktatoren. Leider ist dieser Programmpunkt der WAV von Ihnen, meine Herren, verlacht und verspottet worden. Heute sind manche in diesem Hause, die uns innerlich vielleicht recht
geben und sagen: Hätten wir nur rechtzeitig in die neue Bundesverfassung so etwas wie ein Plebiszit hineingenommen, hätten wir dem Volke die Möglichkeit gegeben, sich in geheimer Abstimmung darüber auszusprechen, was das Volk will! Denn nur das Volk muß die Kosten tragen, wenn hier in diesem Hause eine falsche Politik gemacht wird! Wenn doch alle, die die Wiederaufrüstung wollen, sich freiwillig für den Kriegsdienst meinetwegen in Korea oder in Indochina, oder wo sie wollen, melden würden; aber diejenigen, die die Wiederaufrüstung nicht wollen, die sollt Ihr in Ruhe lassen, die sollt Ihr nicht zwingen, wiederum ihre Knochen zu Markte zu tragen und in einer dritten Katastrophe zu riskieren, daß das deutsche Volk vollends vernichtet wird. Habt Ihr denn schon die Schutthaufen vergessen, die noch draußen auf den Straßen und in den Häuserruinen liegen? Habt Ihr schon vergessen, wie viele Hunderttausende von Menschen als Krüppel herumlaufen und fast verhungern müssen, weil sie nur Bettelrenten bekommen?
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Unter solchen Umständen eine Wiederaufrüstung anzubieten, ist ein psychologischer Fehler ersten Ranges. Wenn Sie sagen, nicht mit dem Gefühl müsse man an diese Fragen herangehen, sondern mit dem Verstand, so erkläre ich Ihnen: der psychologische Faktor ist in der Politik mit der allerwichtigste! Das Volk, das man solange verhöhnt hat, weil es seine Pflicht im Kriege getan hat, das Volk wird nicht nach ein paar Jahren, so wie es die Ami's von uns wollen, eine Kehrtwendung um 180 Grad machen, wieder hinausgehen und wieder im Schützengraben seine Haut zu Markte tragen.
({5})
Das deutsche Volk ist von dieser Regierung Adenauer falsch informiert worden; das kann ich Ihnen beweisen! Ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten eine deutsche Zeitung des Auslandes, die sich in schwersten Jahren immer für die Deutschen eingesetzt hat, die von Deutschen geschrieben und für Deutsche bestimmt ist; ich zitiere den „Courier" aus Regina in Kanada. Dort sieht man die Lage besser als wir hier im Inneren. Dieses Blatt schreibt wortwörtlich:
In gehobener Stimmung erklärte Bundeskanzler Adenauer nach seiner Rückkehr aus Paris, daß die Vereinbarungen der vier Außenminister das Beste darstellen, was Menschen sich ausdenken konnten. Man vergleiche diesen blühenden Unsinn, der allerdings sinngemäß auf einem Platz namens Wahner Heide geäußert wurde, mit dem amtlichen Wortlaut der alliierten Bekanntmachungen, und man erhält einen Einblick in die Politik der Selbsttäuschung und der Volkstäuschung, die in Bonn geübt wird.
So schreiben deutsche Zeitungen; ich zitiere Ihnen keine ausländischen Stimmen, sondern die Stimmen von Deutschen, die besser informiert sind als wir.
({6})
Ich rufe Ihnen- nochmals zu: Wenn Sie wieder aufrüsten wollen, nehmen Sie den Stahlhelm auf den Kopf, aber lassen Sie unser Volk in Ruhe! Es geht heute um das Letzte, nämlich darum, ob das, was uns aus zwei verlorenen Weltkriegen noch übrigeblieben ist, in einem dritten Weltkrieg aufs Spiel gesetzt werden soll.
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({8})
Der Herr
Wir müssen möglichst stark aufrüsten, denn nur dann können wir die Russen dazu veranlassen, daß sie uns Ostdeutschland herausgeben.
({0})
- Ich habe mitstenographiert. Welcher Wahn ist diese Auffassung Adenauers!
({1})
Möglichst stark aufzurüsten, um dann den Frieden zu bekommen - so eine falsche politische Einstellung haben wir schon einmal gehört!
Das Gegenteil ist richtig! Wir sollten uns aus dem Machtkampf der zwei Großen herauszuhalten versuchen, solange es geht, so wie das Niklas von der Flüe seinerzeit seinem Volk erklärt hat: „Haltet Euch heraus aus den Händeln der Großen, solange das nur irgendwie möglich ist!" Bei uns aber tut unsere Regierung alles, um den anderen möglichst viele Divisionen anzubieten, und manchem General pressiert's schon, daß er im Kasernenhof die Leute wieder schikanieren oder, von irgendeiner Etappe aus dem Hintergrund die Regimenter in den Kampf hineinwerfen kann.
Wir müssen eines tun: In dem Streit zweier ganz starker Kerle müssen wir uns in der Hinterhand halten! Das ist die richtige Politik. Man wird uns noch brauchen! Es ist nicht wahr, daß wir durch Warten vielleicht eine günstige Chance verlieren. Im Gegenteil, wenn wir warten, bekommen wir erst eine bessere Chance!
({2})
Durch Zuwarten ist in der Geschichte noch selten etwas` verloren worden. Durch Kriege und durch Torheit und durch Drauflos-Stürmen ist in der deutschen Geschichte aber schon sehr viel kaputtgemacht worden, Herr Bundeskanzler; das möchte ich Ihnen ins Gedächtnis zurückrufen!
({3})
Herr Bundeskanzler, Sie wissen genau, daß Rußland erklärt hat: Eine Wiederaufrüstung Deutschlands wird den Krieg bedeuten und von Rußland nicht geduldet werden. Was berechtigt Sie, diese Drohung als Bluff zu betrachten? So hat MacArthur auch gesagt, als die Chinesen erklärten, eine Überschreitung des 38. Breitengrades werde von ihnen nicht geduldet werden. Er marschierte los, und schon war die Sauerei da,
({4})
und Hunderttausende von Menschen mußten dafür ihr Leben verlieren! Herr Bundeskanzler, die Gefahr, daß durch diese Wiederaufrüstung der Krieg geradezu herbeigeführt wird, ist tausendmal größer als die Gefahr, daß durch ein Zuwarten irgendein Unglück über uns hereinbricht.
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Ich möchte Ihnen zum Schluß noch eines sagen: Die Wiederaufrüstung wird uns in eine Katastrophe hineinbringen, weil sie psychologisch falsch ist; weil sie in dem großen außenpolitischen Geschehen falsch ist; weil wir wirtschaftlich dazu nicht in der Lage sind; weil unsere Jahrgänge zum allergrößten Teil verblutet sind!
Das Blut der Jahrgänge, die unterdessen nachgewachsen sind, sollte man, weiß Gott, schonen und man sollte sparsam mit ihnen umgehen.
({6})
Aus all diesen Gründen beschwören wir Sie, Herr Bundeskanzler,
({7})
von dieser Politik, sich bedingungslos an einen der beiden großen Machtblöcke anzuschließen, abzustehen, vielmehr abzuwarten, wie es so viele, wie es Dutzende anderer Staaten machen, nicht bloß die arabischen Länder, nicht bloß Japan; sogar England wartet ab und schickt nicht die Divisionen nach Korea, die die Amerikaner gern von England haben möchten!' Nur uns, dieser Regierung Adenauer, pressiert es! Diese Adenauer-Regierung will vorangehen wie der Jackele, mit dem Kopf durch die Wand, und riskiert dabei, unser Volk nochmals ins Unglück zu führen.
Herr Bundeskanzler, Ihre Rede von gestern war die Rede eines Kanzlers; aber sie war keine Kanzlerrede, sondern sie war eine Abkanzelungsrede
({8})
gegenüber all denen, die anders denken als Sie. Das ist das große Unglück in Ihrer Politik, daß Sie sich um die Meinung des Volkes nicht kümmern,
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sondern daß Sie das tun, was' Sie oder ein kleiner Kreis um Sie unter allen Umständen durchsetzen will.
({10})
Leider habe ich nur 10 Minuten Redezeit bekommen; es gäbe noch so viel zu sagen. Sehen Sie, meine Herren von der CDU, das nennen Sie Demokratie, wenn Sie mir die Redezeit durch Mehrheitsbeschluß beschneiden. In welchem anderen Parlament der Welt wäre denn das der Fall, daß so gehandelt wird? Nur bei Ihnen ist das so. Sie nennen das Demokratie. Diese „Demokratie" haben Sie gestern dadurch gezeigt, daß Sie mit Wasserschläuchen auf harmlose Frauen und auf Kriegsversehrte habén spritzen und mit, dem Gummiknüppel auf sie haben einhauen lassen!
({11})
Ich muß leider zu Ende kommen. Es wäre noch soviel zu diesem Punkte zu sagen, und wir haben nicht die Möglichkeit, weil der Großteil -
Herr Abgeordneter Loritz, Sie fangen immer wieder von neuem an. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Loritz ({0}): - - weil der Großteil dieses Hauses die Macht in seinen Händen hat. Ich schließe mit einem Satz: Gestern hat der Herr Abgeordnete Strauß von der CDU/CSU geglaubt, seine Rede mit dem Ruf „Hoch Europa!" enden zu müssen, „Es lebe Europa", hat er gesagt. Ich antworte ihm: Uns liegt die Haut noch näher als der Rock, so sehr wir den Rock auch benötigen und ihn gern haben. Ich möchte meine Rede mit dem Ruf schließen: Es lebe das arme, brave deutsche Volk, das so viel durchgemacht hat, das in der Welt von den Großen so verkannt worden ist!
Herr Abgeordneter Loritz, ich muß Sie bitten, nun endlich zum Schluß zu kommen. Sie überschreiten schon lange die Redezeit.
Loritz ({0}): Es lebe unser armes deutsches Volk und unser deutsches Vaterland! Nieder mit der Remilitarisierung und weg mit dieser Regierung Adenauer!
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele von der kommunistischen Fraktion.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte mich zu Anfang an Frau Brauksiepe wenden. Frau Brauksiepe, ich bewundere eigentlich Ihren Mut, wie Sie sich hier hinstellen können und Rekrutierung der Jugend, Kriegsvorbereitung, ja sogar Opferbereitschaft der Frauen propagieren, im gleichen Jargon, wie wir das noch allzu deutlich von der NS-Frauenschaft einer Scholtz-Klink in Erinnerung haben. Ich weiß nicht, ob Ihnen diese Sprache noch sehr geläufig ist. Hier fehlte nämlich nur noch ein Wort, nämlich: „in stolzer Trauer".
({0})
Dabei scheuen Sie und Ihre Frau Kollegin Brökelschen nicht davor zurück, längst als gefälscht entlarvte Dokumente für Ihre Hetze zu benutzen. Eigentlich sollten Sie sich dafür zu schade sein. Aber ich empfehle Ihnen, einmal ganz unverhüllt, ohne Phrasen den Frauen und Müttern die volle Wahrheit über Ihre Pläne der Kriegspolitik zu sagen. Dann werden Sie nämlich merken, daß Sie niemals mehr das Recht haben, in dieser Art im N amen der Frauen zu sprechen. Warum verbieten Sie denn die Volksbefragung? Weil Sie wissen, daß das ganze Volk den Krieg, ganz gleich unter welchen Bedingungen, ablehnt,
({1})
daß das ganze Volk gegen Sie, gegen die Politik des Bundeskanzlers steht.
Dabei ist es so billig, jede Friedensäußerung als kommunistisch, als moskauhörig darzustellen. In dieser Debatte, wo es um das Schicksal unseres Volkes geht, wo über Leben und Zukunft unserer Jugend verhandelt wird, spreche ich zu Ihnen als Frau über die Angst und die Sorge der Frauen und Mütter.
({2})
- Jawohl, auch als Kommunistin. In Hunderten von Briefen und Entschließungen, in Unterhaltungen mit Frauen und in Besuchen von Frauen aller Schichten des Volkes bin ich dazu aufgefordert worden.
({3})
Ich möchte Ihnen aber auch von der ungeheuren Empörung sprechen, die unsere Bevölkerung angesichts der Tatsache erfaßt hat, daß der Bundeskanzler auffordert, kaltblütig die Massengräber vorzubereiten,
({4}) kaltblütig unsere Städte und Dörfer, unsere schöne deutsche Heimat neuem Bombenterror, der völligen Vernichtung preiszugeben.
({5})
Das ist das, worüber kaltblütig verhandelt werden soll.
Wehrgesetz bedeutet Krieg, Generalvertrag und Atlantikpakt dienen allein dem Angriffskrieg. Wir aber können nicht kaltblütig sein, wenn es um unsere Kinder geht, wenn es um die Erhaltung all der Werte geht, die uns nach zwei furchtbaren Kriegen noch geblieben sind. Ich selber habe durch die Kriegsvorbereitung ein Kind verloren und ich habe noch ein Kind zu verteidigen. Ich verteidige das Leben dieses Kindes zugleich mit dem Leben aller Kinder unserer Mütter in Deutschland.
({6})
Ebenso empört sind aber die Frauen darüber, als gestern die Vertreter der Regierungsparteien und Dr. Adenauer ausgesprochen haben, daß sie diese Pläne der Aufrüstung und der Kriegsvorbereitung bereits bei der Wahl zum Bundestag hatten, während sie ihren Wählern mit sozialen Phrasen von der Erhaltung der Familie und von einer blühenden Wirtschaft leere Versprechungen gaben.
({7})
Heute sagen Sie es ganz offen, daß Sie damals schon vorhatten, die Familie zu zerstören, die Wirtschaft zu vernichten.
Herr Abgeordneter Kiesinger hat gestern zum Ausdruck gebracht, der Bundestag habe die Legitimation, über ein Wehrgesetz zu beschließen, weil er selber und seine Kollegen sich bei der Wahl über diese Konsequenzen völlig klar gewesen seien.
({8})
Es ist eine Tatsache, daß die führenden Leute der
Koalitionsparteien sich schon bei der Beratung des
Grundgesetzes darüber einig waren, in Westdeutschland die Remilitarisierung durchzuführen.
({9})
Was soll dabei das Geschwätz von einer neuen Ethik in einer neuen Wehrmacht? Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man eigentlich darüber lachen. Aber ich frage Sie: Wo ist der Abgeordnete im Bundestag, der sagen kann, daß er in dem damaligen Wahlkampf nur ein Wort davon verraten hat, daß er bereit ist, die Remilitarisierung vorzubereiten?
({10})
Hätte er damals auch nur ein Wort davon dem deutschen Volk, den deutschen Frauen, der deutschen Jugend verraten, dann gäbe es keine Adenauer-Regierung. Dann hätte das Volk Sie damals schon davongejagt, anstatt Sie in den Bundestag zu schicken. '
({11})
Sie werden doch heute schon in Ihren eigenen Versammlungen von den Besuchern und Ihren eigenen Anhängern abgelehnt, wenn Sie die Remilitarisierung propagieren. Das mußte der Abgeordnete Majonica vorgestern in Bonn bei den Studenten erfahren, und auch Herr Dr. Mende hat das in Wuppertal erfahren müssen.
({12})
Sie sprachen gestern und auch heute davon, daß man hier nicht gefühlsmäßig herangehen solle. Gleichzeitig aber benutzen Sie als einziges Argument für Ihre schmutzigen Kriegspläne übelste Antisowjethetze, die. an die niedrigsten Instinkte appelliert und die Menschen aufputschen will.
({13})
({14})
Wie konnen Sie von der „Erhaltung der abendländischen Kultur" sprechen angesichts der für uns so bitteren Erfahrung, daß ein Krieg alle kulturellen Errungenschaften zerstört und alles Wertvolle vernichtet, daß ein Krieg die Menschen demoralisiert.
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Der Abgeordnete Kemmer von der CSU sprach allerdings vor Monaten einmal das prophetische Wort, daß unsere neuen Kasernen Kulturstätten sein sollen.
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Ist das etwa Ihre Kultur, Herr Dr. Adenauer? Die Frauen wollen von Ihnen die Wahrheit über Ihre Geheimabmachungen wissen, über alles das, was in Ihrer gestrigen Rede fehlte. Sie wollen wissen, ob Sie die Enthüllungen des Generalsekretärs der SED, Walter Ulbricht, über den Inhalt des Generalvertrags zu leugnen vermögen. Sie haben gestern den Wahrheitsbeweis nicht antreten können.
({17})
Die Frauen wollen die Wahrheit über das Wehrgesetz, über den Generalvertrag und alles, was damit im Zusammenhang steht!
({18})
Darüber haben Sie peinlichst geschwiegen, Herr
Bundeskanzler. Ich möchte Ihnen darum sagen,
was in Ihrer Rede fehlte. Erstens alles, was Ihr
künftiger Kriegsminister Blank à la ' Hitler dem
Volk über den Rundfunk verkündete, nämlich daß
300 000 bis 400 000 junge Menschen als erste Rate
zur Rekrutierung in die Kasernen einziehen sollen.
({19})
Mit welchem Zynismus, mit welcher Verhöhnung sprach er zu den Müttern, als er eine Mutter sagen ließ: Na, Junge, dann fang mal an, deine Sachen zu packen! Wenn Herr Blank auch nur einen Funken Ehr- und Schamgefühl hätte, würde er es nicht wagen, eine Mutter so zu beleidigen.
({20})
Frau Abgeordnete Thiele, Sie haben ein Mitglied des Hauses eben schwer beleidigt. Ich rufe Sie zur Ordnung!
({0})
Frauen und Mütter sind es, die heute bereit sind, ihre Kinder, ihre Söhne zu schützen und ihnen die Kraft zu geben, die Gestellungsbefehle zu zerreißen und den Wehrdienst zu verweigern.
({0})
Nie wieder sollen unsere Kinder die Eltern fragen können: Was habt ihr getan, um den Krieg zu verhindern?
({1}) Die Mütter und Frauen haben bittere Lehren aus zwei Weltkriegen gezogen.
({2})
-Mit Ihnen zu reden, hat ja gar keinen Sinn mehr! - Die Frauen wissen heute, daß sie die
Kraft haben, einen neuen Krieg zu verhindern. Sie wissen aber auch, daß sie dabei nicht allein sind. Denn neben den Millionen deutscher Mütter stehen Millionen und aber Millionen _Mütter aller Völker, um den Frieden zu erhalten, den Frieden zu verteidigen.
({3})
Neben den deutschen Müttern stehen die amerikanischen Mütter, die heute um ihre Kinder in Korea bangen, stehen die Mütter in Vietnam und in Frankreich, in Italien und in der 'Sowjetunion und in allen Ländern der Welt. Sie wollen den Frieden um jeden Preis erhalten. Ich sage Ihnen, meine Herren, spielen Sie nicht mit den Gefühlen der Frauen und Mütter!
({4})
Ihr Zorn und ihre Empörung werden Ihnen und allen Verantwortlichen der Kriegsvorbereitung sonst einmal ein Ende bereiten, das auch andere Kriegsschuldige bereits erlitten.
In der Rede Dr. Adenauers fehlt zweitens, daß Sie bereits unsere Jugend für den Krieg an die Amerikaner verkauft haben. Sehr eindeutig bestätigt ihm das Blatt der Wallstreetkönige, die „New York Times", wofür sie deutsche Soldaten benötigen und ausrüsten. Dort heißt es:
Es wird ganz besonders notwendig sein, neue Quellen für Menschenreserven zu finden, die nur aus Deutschland kommen können.
({5})
Amerika hat für jeden Dollar, den es ausgibt, Kampfkraft im Werte eines Dollars zu erwarten.
({6})
Und drittens fehlt in dieser Rede, daß der Finanzminister Schäffer sich bereits freiwillig verpflichtet hat, als erste Rate 10,5 Milliarden DM für die Aufstellung der sogenannten europäischen Armee zur Verfügung zu stellen.
({7})
Wer gab Ihnen das Recht dazu, Herr Schäffer? Etwa die '7 Millionen Flüchtlinge und die zirka 21/2 Millionen Ausgebombten und Fliegergeschädigten, die auf den Lastenausgleich warten? Etwa die 400 000 Flüchtlinge, die in Westdeutschland in Lägern und Baracken vegetieren und auf Wohnung und auf Arbeit warten? Oder hatten Sie, Herr Schäffer, den Auftrag von den Witwen, den Waisen, den Kriegsversehrten, den Rentnern, deren Einkommen nicht zum Leben ausreicht? Oder gar von den mehr als einer Million junger Menschen, die arbeits- und berufslos sind und auf Lehrstellen warten? Davon, Herr Dr. Adenauer, sprachen Sie nicht! Sie haben zwar bei Ihrem Antritt als Bundeskanzler verkündet, daß Ihre Politik so sozial als möglich sei.
({8})
Heute ist es klar, daß diese Politik einzig und allein
den rund 200 Millionären in Westdeutschland
dient. Hören Sie dazu einige Zahlen, wie die Aktien
der Schwerindustrie in diesen Tagen durch die
Ratifizierung des Schumanplans und die weiteren
Kriegspläne gestiegen sind: die Aktien der Grundstoffindustrien stiegen von 167,32 % auf 186,2 %,
({9})
die Aktien der eisen- und metallverarbeitenden Industrie von 115,28 % auf 123,17 %, also in wenigen Tagen um mehr als 15 %. Mehr als 15 %
({10})
' weitere Riesengewinne für unsere Rüstungsindustrie!
Und nun wagte es als Dritter in der Garnitur der psychologischen Kriegsvorbereiter auf der Regierungsbank der Justizminister Dr. Dehler, den Müttern und Frauen zu empfehlen, eisern und hart, ja gegen ihre Natur zu handeln. ({11})
Jawohl, Herr Dr. Dehler, die Frauen und Mütter werden eisern und hart sein, aber nicht gegen ihre Natur, sondern entsprechend der Natur der Frauen und Mütter zur Verteidigung unseres Liebsten,
({12})
zur Verteidigung unserer Kinder, zur Verteidigung des Lebens unseres Volkes, zur Erhaltung des Friedens für unser Volk. Wir werden eisern und hart sein in unserem unermüdlichen Bemühen, für die Verständigung der Völker untereinander zu kämpfen, für die Verständigung der Deutschen zwischen Ost und West. Frau Brauksiepe hat gefragt: Ja, meinen es die Russen, meint es die DDR denn ehrlich? Nun, in den gesamtdeutschen Beratungen ohne jegliche Bedingungen haben Sie die Gelegenheit, das festzustellen!
({13})
Dann bleibt immer noch Zeit, zu beweisen, ob Sie oder ob die Vertreter der Deutschen Demokratischen Republik es mit dem deutschen Volke ehrlich meinen!
({14})
Wir werden jedenfalls eisern und hart an unserer Forderung festhalten: Das Wehrgesetz muß fallen, und Adenauer muß gehen, damit unsere Kinder leben und glücklich sein können.
({15}) Das deutsche Volk aber wird leben, der Friede wird erhalten bleiben, weil das Volk in einer noch nie gekannten Einmütigkeit die Pläne der Bundesregierung, die Pläne der Kriegsvorbereiter, die Pläne der Kriegsbrandstiftei ablehnt
({16})
und um den Frieden kämpfen wird!
({17})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hedler.
Hedler ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Hohen Hause ist noch immer nicht der Text des Generalvertrags, der das Ruhrstatut ersetzen soll, bekannt; doch lassen die Presseverlautbarungen, die Äußerungen verantwortlicher ausländischer Staatsmänner und auch die kurzen Hinweise des Herrn Bundeskanzlers über den Inhalt des Vertrags ganz klar erkennen, daß Deutschland unter den gegebenen Verhältnissen einem Verteidigungsbeitrag seine Zustimmung nicht geben darf.
Ich bin mir dessen bewußt, daß Deutschland mit dem Westen zusammenkommen muß, wenn der Bedrohung aus dem Osten ein Ende bereitet werden soll. Dieses Zusammenkommen hat aber zur Bedingung, daß erst einmal gewisse Voraussetzungen seitens der Alliierten geschaffen werden. Hierzu gehört vor allem die sofortige Freilassung aller deutschen Menschen, ob Soldaten oder Zivilisten, die sich noch immer, 6 Jahre nach Abschluß der Kämpfe, in Ketten, in Zuchthäusern oder in Gefangenenlagern befinden. Es kann und darf keine Waffenkameradschaft mit den Truppen der Weststaaten geben, solange noch ein einziger deutscher Soldat seiner Freiheit beraubt ist. Dies ist die eindeutige Meinung der deutschen Frontgeneration.
Ebenso ist die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands eine zwingende Notwendigkeit, denn es darf nicht dahin kommen, daß Deutsche gegen Deutsche kämpfen.
Der Abschluß eines für Deutschland ehrenhaften Friedensvertrages ist eine weitere Voraussetzung für die Zustimmung zu einem Verteidigungsbeitrag. Dieser Friedensvertrag muß die volle Souveränität, die Aufhebung aller Kontrollen, die Beseitigung sämtlicher Produktionsbeschränkungen und Verbote, die Rückgabe des Saargebietes - denn das Saargebiet war, ist und muß deutsches Land bleiben - und selbstverständlich als letztes die volle Gleichberechtigung für Deutschland enthalten.
In der gestrigen Debatte wurde erklärt, Rußland werde keinen Angriffskrieg führen, sondern sein Ziel auf kaltem Wege zu erreichen versuchen. Meine Damen und Herren, dann schaffen Sie für unser Volk die sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen, die leider noch immer fehlen, und der erste, wirksamste Wall gegen den Bolschewismus wäre errichtet! Wenn dann die Alliierten die von mir erwähnten anderen Voraussetzungen erfüllt haben, als Folgerung aus der Erkenntnis des englischen Ministerpräsidenten Churchill nach 1945, daß man das falsche Schwein geschlachtet habe, dürfte jede Bedrohung aus dem Osten ihren Schrecken verloren haben.
Bevor diese Voraussetzungen aber nicht erfüllt sind, werde ich, eingedenk der Verantwortung vor dem deutschen Volk und im Bewußtsein der Verantwortung gegenüber den noch immer in Gefängnissen und Lagern schmachtenden deutschen Menschen, mit aller Entschiedenheit einem Verteidigungsbeitrag meine Zustimmung versagen.
({1})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schmid von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Rede gesagt, daß es gut wäre, wenn sich auch bei uns in Schicksalsfragen möglichst breite Mehrheiten dieses Hauses ergäben. Das ist ein vortrefflicher Grundsatz. Aber Mehrheitsbildungen so oder so sind Entscheidungen für oder gegen konkrete und präzise Vorhaben. Über Allgemeinheiten kann man diskutieren, aber sie sind keine möglichen Grundlagen politischer Entscheidungen. Man kann sich unter verantwortlichen Menschen nicht entscheiden, ob es an und für sich gut sein könnte, daß die Deutschen 12 oder x deutsche oder europäische Divisionen aufstellen. Man kann sich vernünftigerweise nur dafür oder dagegen entscheiden, sie unter diesen oder jenen Voraussetzungen, für diese oder jene Zwecke und unter Aufsichnahme dieser oder jener Konsequenz aufzustellen.
({0})
({1})
Da hat uns aber der Herr Bundeskanzler leider nicht viel gegeben, über das auch nur diskutiert werden könnte, wenn Diskussionen einen politischen Zweck haben sollen, höchstens durch das Verlesen seines Memorandums vom Sommer 1950, in dem er - damals - ein deutsches Europakontingent ohne Voraussetzungen angeboten hat.
({2})
Man hat uns weder gesagt, wie der europäische Verteidigungsvertrag aussieht, noch hat man uns gesagt, wie der General-Vertrag und die Zusatzverträge, die ja engstens mit diesem andern Vertrag gekoppelt sind, aussehen, und die spärlichen Zitate, die daraus gegeben worden sind, können das, was nicht gesagt worden ist, nicht ausgleichen. Viel mehr als Vokabeln haben wir nicht gehört, und es erscheint mir unzumutbar, sich auf Grund dieser Vokabeln einen Beschluß des Parlaments erbitten zu lassen, der doch zum mindesten als eine Billigung der bisher befolgten Außenpolitik der Bundesregierung ausgelegt werden könnte.
({3})
Es ist viel davon gesprochen worden, was uns die geplanten Verträge alles Gutes bringen: Sicherheit, Gleichberechtigung, Anerkennung des deutschen Einheitsstrebens als eines politischen Zieles auch der Westmächte. Sicher stehen diese Worte in den Verträgen. Was uns aber in erster Linie interessieren sollte, ist doch: Was haben denn unsere Partner an k o n k r e t en Leistungen für die Verwirklichung dieser Dinge versprochen, und was haben wir Deutschen nach diesen Verträgen konkret zu leisten - noch zu leisten oder zusätzlich zum Bisherigen zu leisten - und was bleibt uns auch nach diesen Verträgen vorenthalten, was die anderen für sich selber als das Normale beibehalten wollen? Diese Dinge werden bestimmen, woran wir sind, und nicht die Allgemeinheiten, die in den Präambeln der Verträge stehen!
Es ist uns gesagt worden, daß zwar recht viel, was mit Nutzen hätte konkret ausgedrückt werden können, nicht in den Verträgen stehen werde; dafür aber seien in den Artikeln und in den Präambeln der Verträge Grundsätze ausgesprochen, die zwangsläufig von den anderen ein bestimmtes konkretes Verhalten in bestimmten politischen Situationen verlangten. Mir scheint es eine gefährliche Methode zu sein, sich in solchen schicksalhaften Dingen auf Rückschlüsse und Deduktionen zu verlassen.
({4})
Wohin eine, Politik der Deduktionen führen kann, das zeigt uns der Notenwechsel zum Schumanplan, der Notenwechsel über das Saargebiet.
({5})
Da hat man auch geglaubt, eine Verpflichtung zu konkretem Verhalten der französischen Regierung zwingend aus gewissen Feststellungen ableiten zu können, und was nachher geschehen ist, hat uns der Herr Bundeskanzler gestern selbst erzählt. Nicht, was sich im Wege des Rückschließens, durch Deduktion erschließen läßt, bestimmt die Realität von Verträgen, sondern nur, was konkret, d. h. mit klarer Abgrenzung vereinbart ist. Wenn das gut gemacht ist, dann braucht man nicht zur Arbeitshypothese der Rückschlüsse zu greifen.
Da ist nun zunächst nötig, daß man sagt, was ist, und vor allem muß man die Differenzpunkte klar herausstellen. Damit fängt doch die Politik überhaupt erst an! Und wenn man uns zurät, wir sollten bei der Behandlung solcher Sachen doch nicht vergessen, daß man diplomatisch reden müsse, - gut; aber man sollte dem Handwörterbuch der Diplomatie nicht nur den Satz entnehmen, daß die Sprache dazu da sei, die Gedanken zu verbergen, und nicht dazu, sie zu enthüllen.
Und Herr Kollege Strauß: das Tarockspiel mag eine amüsante Sache sein; aber eine gute Politik kann man nur dann machen, wenn man sie so anlegt, daß sie auch dann zum Ziele führen kann, wenn der Gegner die Karten kennt.
({6})
Wenn man sich darauf verläßt, daß er nicht merkt, was man noch für Karten haben könnte, dann läuft man Gefahr, daß alles Denken und alles Kalkulieren schließlich doch nur in der nachträglichen Anerkennung eines Zufallsergebnisses endet.
Ehe man über den Wehrbeitrag oder den Verteidigungsbeitrag spricht, sollte man darüber sprechen, ob das Grundgesetz dieser Bundesrepublik die Möglichkeit gibt, eine Wehrverfassung so oder so zu geben. Wir Sozialdemokraten bestreiten das. Wir sind der Meinung, daß unter der Herrschaft des Grundgesetzes - so wie es heute ist - die Aufstellung einer Wehrmacht und einer Wehrverfassung nicht möglich sei. Wir sind der Meinung, daß dazu die Verfassung ergänzt werden müßte. Die Regierung bestreitet die Richtigkeit unseres Standpunktes. Nun gut, das Bundesverfassungsgericht ist angerufen; es wird darüber entscheiden müssen. Über Recht und Unrecht läßt sich nicht durch politische Mehrheitsbeschlüsse entscheiden,
({7})
und deswegen, meine Damen und Herren, sollten Sie uns nicht zureden, wir sollten doch in dieser Frage nicht so hartköpfig sein. Wenn man nicht durch politische Mehrheitsbeschlüsse diese Frage entscheiden kann, dann kann man sich auch nicht im Wege eines Kompromisses darüber einigen;
({8})
denn zwischen Recht oder Unrecht gibt es keinen Kompromiß.
Nur eines möchte ich sagen. Ich glaube, daß sich die Regierung täuscht, wenn sie der Meinung sein sollte aber vielleicht habe ich gestern nicht richtig verstanden, Herr Bundeskanzler -, daß man um die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung dadurch herumkommen könnte, daß man sich mit einem Freiwilligenheer begnügt. Auch dann wird eine Änderung der Verfassung nötig sein; denn auch bei einem Freiwilligenheer findet eine Änderung der Struktur unserer Verfassungswirklichkeit statt. Auch dann müssen Kompetenzen, die noch nicht gegeben sind, erst begründet werden, und auch das würde nicht gehen - der Text der Weimarer Verfassung zeigt es schon -, ohne daß bestimmte Grundrechte für die Angehörigen der Wehrmacht aufgehoben werden.
({9})
Auch in diesem Falle also wäre eine vorherige Ergänzung des Grundgesetzes eine rechtliche Notwendigkeit.
Der Herr Bundeskanzler hat mir gestern die Ehre angetan, mich einige Male gegen mich selber zu zitieren. Ich habe ihm dafür zu danken, daß er meinen bescheidenen Beitrag zum Grundgesetz auf
({10})
diese Weise für einen Augenblick der Vergessenheit entrissen hat.
({11})
- Es war sehr liebenswürdig von ihm, und ich habe mich ja dafür bedankt.
({12})
Nun aber einige Worte zu den Zitaten des Herrn Bundeskanzlers. Er war sehr davon überzeugt, daß er mit diesen Zitaten die Position meiner Partei, die auch ich vertrete, zusammengeschossen habe.
({13})
Doch seine juristischen Büchsenspanner haben seine Flinte mit einer Platzpatrone geladen.
({14})
Er sollte sich - das ist ein respektvoller Rat, Herr Bundeskanzler - bessere aussuchen.
({15})
Ich stehe zu dem, was der Herr Bundeskanzler verlesen hat, heute wie einst; auch zu meinen Bernerkungen zum Art. 24 des Grundgesetzes über einen möglichen deutschen Beitritt zu einem System kollektiver Sicherheit. Der Herr Bundeskanzler hat, was ich gesagt habe, völlig richtig gelesen, jedoch vielleicht mit anderen Akzenten, als diese Worte von mir gesprochen worden sind. Ich habe von einem System kollektiver Sicherheit gesprochen, das die Ganzheit der Staatenwelt umspannen soll, und nicht von einem, das aus einer Reihe machtpolitischer Blöcke bestehen soll.
({16})- Meine Damen und Herren, Sie können noch einige Male Ihrem Gefallen oder Mißfallen Ausdruck geben; schonen Sie Ihre Lungen!
({17})
Ihre Berater, Herr Bundeskanzler, scheinen davon auszugehen, daß man einem System kollektiver Sicherheit wirksam und sinnvoll nur durch Einbringen einer Wehrmacht beitreten könne.
({18})
- Aber die meisten Systeme dieser Art, Herr Kollege Kiesinger, haben sich bisher im wesentlichen mit politischen und ökonomischen Sanktionen begnügt. Man kann einem solchen System in sehr wirksamer Weise auch durch Einbringung seines Wirtschaftspotentials beitreten, z. B. auch durch Gestattung des Durchmarschrechts und vielleicht sogar dadurch, daß man sein Gebiet zur Verfügung stellt.
({19})
Wenn Sie die Debatte im Genfer Völkerbund hätten mitverfolgen können, dann wüßten Sie, daß z. B. in der Gestattung des Durchmarschrechts, in der Beteiligung an wirtschaftlichen Sanktionen die meisten Staaten ihren einzigen Beitrag zu dem System kollektiver Sicherheit, das der Völkerbund war, erblickt haben.
({20})
- Herr Kiesinger, bleiben wir bei den heutigen Verhältnissen, nehmen wir das Atlantikpaktsystem: wahrscheinlich - nach Ihrer Meinung, und ich glaube, mit Recht - auch ein solches partielles
System kollektiver Sicherheit. Ihm gehört ein
Staat an - er ist zwar klein -, der keine Wehrmacht hat, z. B. der Staat Island, und man betrachtet in der atlantischen Organisation seinen
Beitrag durch Zurverfügungstellung seines Gebiets
als höchst wertvoll, wahrscheinlich viel wertvoller
als die Zurverfügungstellung von einigen Regimentern, wenn die möglich wäre. Ich sage Ihnen das
nur deswegen, meine Damen und Herren, um Sie
der Verlegenheit zu entheben, vielleicht voreilig
aus einem Wort wie „kollektive Sicherheit"
Schlüsse zu ziehen, die zu ziehen nicht erlaubt ist.
({21})
Dann: man kann doch als Staat irgend etwas nur mit dem beitreten, was man hat; und was ein Staat hat, bestimmt seine Verfassung. Ob man mit einer Wehrverfassung eintreten kann oder nicht, das bestimmt diese Verfassung, die auch zu bestimmen hat, in wessen Zuständigkeit es liegt, eine Wehrverfassung zu errichten.
Wenn Ihre These stimmte, dann würde es, um in Deutschland über Bestimmungen des Grundgesetzes hinweggehen zu können, genügen, mit dritten Mächten unter dem Gesichtspunkt kollektiver Sicherheit Verträge über die Änderung der Grundstruktur unserer Verfassung zu vereinbaren
- etwa die Einrichtung einer Bundesfinanzverwaltung als Mittel zur Steigerung des deutschen wirtschaftlichen Wehrpotentials -,
({22})
und es würde eine einfache Mehrheit des Bundestags genügen, um die Grundstruktur unserer Verfassung zu ändern, denn der Bundestag brauchte dann nur mit einfacher Mehrheit diesem Vertrag zuzustimmen.
({23})
Was durch den Art. 24 des Grundgesetzes geschaffen werden sollte, war die Möglichkeit, durch einfaches Gesetz Hoheitsrechte, die der Bund schon hat, abzutreten, aber nicht die Möglichkeit, auf dem Weg über internationale Verträge Rechte einzuführen, die der Bund nicht hat.
({24})
Dann, Herr Bundeskanzler, haben Sie den Kollegen Renner zitiert. Sie hätten vielleicht gut daran getan, auch meine Antwort auf die Frage des Kollegen Renner zu zitieren. Herr Kollege Renner hat den zitierten Ausspruch getan auf eine Ausführung, die ich vorher gemacht hatte und die lautete:
Die zweite Antwort
- auf den Antrag des Kollegen Renner im Parlamentarischen Rat ist, daß „Ächtung des Krieges" für sich allein nicht so weit geht, wie die Bestimmung dieses Absatzes. Eine Reihe von Staaten, die dem Kriegsächtungspakt beigetreten sind, haben nicht daran gedacht, ihre Wehrmacht abzuschaffen, während unser Text über negative Maßnahmen wirklich noch hinausgeht.
Darauf Herr Kollege Renner: „Sie wollen doch nicht behaupten, daß mit dieser Fassung die Bildung eines Heeres für Westdeutschland abgelehnt ist?" Und nun meine Antwort: „Die Fassung geht noch weiter: Sogar sogenannte Wehrsportvereine sind damit abgelehnt!"
({25})
(Dr. Schmid ({26})
Das ist ungefähr das genaue Gegenteil von dem,
was der Herr Bundeskanzler glaubte aus dem
Einwurf des Kollegen Renner schließen zu dürfen.
Aber nun etwas Grundsätzliches, Herr Kollege Kiesinger! Sie werden mir zustimmen: in Schicksalsfragen sollte man seine Zuständigkeit nicht über die Hintertreppen der Auslegungskünstler beziehen wollen!
({27})
Da sollte man, Herr Kollege Stegner, schon aus Respekt vor Volk und Gesetz beanspruchen, seine Kompetenz auf klare Aussprüche der Verfassung gründen zu können.
({28})
Das Grundgesetz schweigt, und das mit Grund; denn wir wollten, als wir im Parlamentarischen Rat zusammensaßen, einen waffenlosen Staat. Das hat niemand besser zum Ausdruck gebracht als Herr Minister Lehr in seiner Eigenschaft als Berichterstatter,
({29})
als er am 8. Mai 1949 vor dem Plenum sagte:
Bei der Ausgestaltung der Bundesrepublik tauchte zunächst die Frage auf, inwieweit der Tatsache Rechnung zu tragen sei, daß dieser zu schaffenden Organisation eines Bundesstaates nicht die volle Souveränität gegeben werden konnte. Sollte das Staatsfragment trotzdem auf dem Gebiete der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung so ausgestattet werden, daß es echtem staatspolitischem Handeln Raum gab und künftiger Souveränität genügende Unterlagen schuf? Wir alle, die wir positiv zur Aufgabe eingestellt waren, haben uns bemüht, das Haus, das wir bauten, so wohnlich einzurichten, wie es möglich war, und es nach innen und nach außen mit den Einrichtungen zu versehen, mit denen ein Volk selbständig leben, seine Wirtschaft und seine Kultur günstig aufwärts entwickeln kann. Sicherungen für dieses Ziel konnten wir freilich nicht schaffen.
({30})
Wir müssen vertrauen, daß die für uns in Frage kommenden Siegermächte zugleich unsere Schutzmächte sind und daß die Aufnahme in die europäische Völkerfamilie den gegebenen Sicherheitsrahmen für uns darstellt.
({31})
Deutlicher kann man doch wohl nicht sagen, daß die Schutzmacht der Alliierten und nicht die Möglichkeit, ein Wehrgesetz zu erlassen, eine Garantie für unsere Sicherheit sein sollte!
({32})
Was hätte denn nähe gelegen, meine Damen und Herren, als in den uferlosen Diskussionen über den Katalog der ausschließlichen oder konkurrierenden Gesetzgebung, wo man über alles mögliche gesprochen hat, auch den Antrag zu stellen, dem Bund die Kompetenz in Verteidigungsfragen zu geben!
({33})
Kein Mensch hat daran gedacht!
({34})
- Dann haben wir ihn abgelehnt, Herr Kollege von Brentano; denn es steht nicht im Grundgesetz!
({35})
Nichts hätte doch näher gelegen, als bei der Feststellung der Gesetzgebungsgewalt des Bundes auch die Verteidigung aufzuführen. Man hat das nicht vergessen, sondern man hat es nicht gewollt!
({36})
Ich bin dankbar, daß der Herr Bundeskanzler selber als Eideshelfer für seine „Feinde" - wenn Sie mir das auf diesem Gebiete zu sagen gestatten
- aufgetreten ist, und zwar durch das Verlesen seines Memorandums aus dem Jahre 1950, in dem er sagte, daß eine Bundesbereitschaftspolizei nicht ohne eine Änderung des Grundgesetzes aufgestellt werden könne.
({37})
Er hat gesagt, das gehe deswegen nicht, weil das Grundgesetz ausdrücklich sage, daß die Polizeigewalt bei den Ländern liege.
({38})
- Meine Damen und Herren, das sagt das Grundgesetz nun eben nicht - weder in Art. 91 noch in Art. 104, wo von der Polizei die Rede ist -, sondern das Grundgesetz sagt lediglich nicht, daß der Bundesrepublik Polizeigewalt zustehe! Daraus hat der Herr Bundeskanzler nach der Konstruktion unseres Grundgesetzes den richtigen Schluß gezogen, daß die Bundesrepublik nach dem Grundgesetz eben eine solche Kompetenz nicht hat.
({39})
Ich glaube kaum, daß diesen Argumenten wird widersprochen werden können, aber ich glaube, der richtige Ort, darüber zu disputieren, wird Karlsruhe sein, wo man weniger diskutieren als plädieren und nachher entscheiden wird.
({40})
- Herr Kollege Tillmanns, ich habe lediglich versucht, dem Herrn Bundeskanzler die Ehre anzutun, auf Worte Antwort zu geben, die er gestern besonders eindringlich an mich gerichtet hat. Diesen Respekt glaube ich dem Herrn Bundeskanzler schuldig zu sein.
({41})
Man hat uns gestern auch gesagt, daß es ein besonderer Vorzug des Generalsvertrags sei
({42})
- ich bitte um Entschuldigung! ({43})
- Sie könnten an diesen Lapsus linguae vielleicht einige tiefsinnige psychologische Spekulationen anhängen! ({44})
- danke schön, Herr Pünder! -, daß dieser Vertrag die Signatarmächte verpflichtet habe, die Herstellung der Einheit Deutschlands zum Ziel auch ihrer Politik zu machen. Wir wollen diese Feststellung nicht unterschätzen; aber wir müssen doch
({45})
fragen: Was verstehen denn die einzelnen Partner unter einem vereinigten, einheitlichen Deutschland, und zu welchen konkreten Dingen verpflichten sie sich, zum Beispiel welches Deutschland ist für sie das ganze Deutschland? Innerhalb welcher Grenzen soll dieses Deutschland vereinigt werden? Die Klausel in dem Generalvertrag ist so allgemein, daß sie, wie ich fürchte, im Grenzfalle leider zu nicht sehr viel verpflichten wird. Sie mag manche beruhigen; an den Realitäten unserer politischen Situation wird sie nicht sehr viel ändern. Ja, wenn sich unsere Partner verpflichtet hätten, die Einheit Deutschlands innerhalb dieser oder jener Grenzen zu betreiben, und sich weiter dazu verpflichtet hätten, durch diese oder jene politischen Maßnahmen darauf hinzuwirken, dann wäre das eine Sache gewesen! Freilich, ich weiß, daß man das heute nicht bekommen konnte. Das ist verständlich. Aber man soll dann nicht sagen, daß die Einheitsklausel in der Präambel des Generalvertrags etwas politisch Wirksames bedeute.
({46})
Zum ganzen Deutschland gehört doch schließlich auch die Saar. - Es tut mir leid, daß man immer wieder hört, Deutschland habe an der Saar „Interessen". Deutschland hat an der Saar keine „Interessen", sondern das Saargebiet ist ein Stück von Deutschland! ({47})
Wir hören aber vom französischen Außenminister in seinen Kammerreden immer wieder, daß sich Großbritannien und die Vereinigten Staaten gegenüber Frankreich verpflichtet hätten, seine, Frankreichs Absichten an der Saal zu fördern, auch bei einem Friedensvertrag. Da möchte ich fragen: Hat die Regierung bei diesen Mächten rückgefragt, ob solche Vereinbarungen bestehen und ob sie, wenn sie einmal geschlossen worden sein sollten, noch weiterhin Bestand haben sollen? Denn wenn solche Sondervereinbarungen weiter bestehen sollten, - was ist dann die Einheitsklausel in der Präambel - was den Westen anbetrifft - noch sehr viel wert?!
Weiter stellt man uns im Generalvertrag eine Friedensregelung, eine ausgehandelte Friedensregelung in Aussicht. Da ist doch die Frage erlaubt: Wer soll denn mit wem diese Friedensregelung vereinbaren? Der Westen mit uns im Westen Deutschlands? Rußland vielleicht mit der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik?! Was würde denn das für Deutschland bedeuten, wenn man diese Möglichkeit auch nur ins Auge faßte! Ich glaube nicht, daß jemand in diesem Hause dies ernstlich tut. Aber immerhin besteht doch die Möglichkeit, daß einmal jemand diese Bestimmung des Vertrags so auslegt! Was wird dann im Osten geschehen? Und was haben wir dann in Deutschland? Zwei Deutschländer werden wir dann haben! Ein gesamtdeutscher Friede ist der einzige Friede, der mit uns geschlossen werden kann;
({48})
und der kann doch nicht mit den drei Westmächten allein, sondern doch nur mit allen vier Mächten, mindestens den vier jetzigen Besatzungsmächten geschlossen werden.
({49})
Also können doch unsere Partner im Generalvertrag diese Friedensvertragsklausel nur realisieren,
wenn die Russen mit von der Partie sind. Sie werden die Russen dafür gewinnen müssen. Und die Russen werden dafür Bedingungen stellen. Das wird dann den Start geben. Wenn man aber das weiß - und anders kann man es doch wohl nicht sehen -, was ist dann die Klausel praktisch viel wert?! Sie ist eine Verzierung an dem Monumentalgebäude des Generalvertrags, aber nicht sehr viel mehr.
Und wenn ich schon von dem Streben unserer Partner höre, uns dabei zu helfen, die Einheit Deutschlands zu realisieren, - wie reimt sich denn damit das Veto gegen das Überleitungsgesetz für Berlin zusammen?!
({50})
Handeln denn so Partner? Wenn man uns sagt: ja, wenn der Generalvertrag geschlossen ist, dann werden wir uns anders verhalten! -: wenn ich die Absicht habe, mit jemand ein Partnerschaftsverhältnis einzugehen, verhalte ich mich ihm gegenüber doch schon als Partner, ehe wir vom Notar zurückkommen!
({51})
Man sagt uns weiter, ein besonderer Vorzug des Generalvertrags und der Zusatzverträge sei, daß die in Deutschland stehenden Truppen der bisherigen oder heutigen Besatzungsmächte in dem Vertrag angesprochen werden als Verteidigungstruppen. Nun, was sind denn diese Truppen heute? Man sagt uns doch auch jetzt, sie stünden hier als Verteidigungstruppen! Und man sucht uns die Besatzungskosten schmackhaft zu machen, indem man sagt, das seien unsere finanziellen Verteidigungsbeiträge! Entscheidend dafür, als was diese Truppen da sind, ist doch nicht ihre Benennung, sondern ist doch die Rechtsstellung, die ihnen in diesen Verträgen zugeordnet wird.
({52})
Auch hier sind nicht die Vokabeln konstitutiv, sondern der Katalog der Privilegien und Exemtionen zugunsten ,dieser Verteidigungstruppen. Und da hängt alles zusammen: Generalvertrag, Zusatzverträge, das europäische Verteidigungsabkommen.
Auch Sie, meine Damen und Herren, haben gesagt, daß für Sie ein Ja zu dem europäischen Verteidigungsbeitrag nur möglich sei, wenn der Beitritt der Deutschen zu diesem großen politischen System im Zeichen völliger Gleichberechtigung erfolge, und daß Sie nicht beitreten werden, wenn die Deutschen dabei irgendwie deklassiert sind. Wir wollen diese Verträge untersuchen, obwohl meine Aufgabe nicht ganz leicht sein wird. Ich kenne diese Verträge nicht;
({53})
ich kenne nur einzelnes, das mir da und dort gesagt wurde und das ich da und dort verstreut lesen konnte. Es mag sein, daß in meine Darstellungen Irrtümer einfließen, obwohl ich mir Mühe gegeben habe, das, was ich sage, so gut ich konnte, zu verifizieren.
Gleichberechtigung, was heißt das? Darüber scheint man verschieden denken zu können. Die einen glauben, Gleichberechtigung heißt gleiche Behandlung. Der britische Hohe Kommissar scheint anderer Auffassung zu sein. Er hat sich jüngst dahin ausgesprochen - so erschien es in der Presse -, daß Gleichberechtigung nicht verwechselt werden dürfe mit gleicher Behandlung.
(
Das hat er dementiert!)
({0})
- Hat es dementiert? Dann freue ich mich. Denn sonst hätte ich sagen müssen, daß uns seine Auffassung von Gleichberechtigung zumutet, eine Partnerschaft zur linken Hand einzugehen,
({1})
so etwas wie eine morganatische Ehe mit unseren politischen Freunden. Aber, Herr Kollege Jaeger, Sie lachten gerade so nett. Ich erinnere mich, daß Sie auch einmal bei einer Diskussion über Gleichberechtigung, der von Mann und Frau, differenzierende Ausführungen gemacht und gesagt haben, über gewisse natürliche Unterschiede könne man nicht hinwegkommen. Darüber mag man damals zu Recht diskutiert haben;
({2}) aber solche Unterschiede kann man doch mit dem besten Willen, Herr von Brentano, nicht als charakteristisch für das Verhältnis von Staat und Staat ansehen.
({3})
Nein, ich meine nicht Sie.
({4})
- Ich meine nicht Sie, Herr von Brentano; ich meine unsere Vertragspartner.
({5}) Wenn man sagt: Ja, die Notwendigkeit unterschiedlicher Behandlung ergibt sich aus gewissen Situationen, - nun, dann will man diese Situation doch ganz offensichtlich und man will sie ganz offensichtlich behalten; dann will man doch ganz offensichtlich das Verhältnis von Sieger und Besiegtem zu etwas wie einer Naturverschiedenheit machen! Wir glauben nicht, daß das eine gute Methode ist.
Nun ist da und dort, im Ausland vor allen Dingen, gesagt worden: wir Deutschen überschätzten und übertrieben die Bedeutung der Gleichberechtigung, um Prestigefragen könne man sich doch nicht mehr streiten. Ich bin völlig der Meinung der Leute, die das sagen; um des bloßen Prestiges willen lohnt sich unter vernünftigen Menschen kein Streit. Man sollte aber nicht Dinge mit Prestige verwechseln, bei denen es um die Ehre geht.
({6})
Und um die Ehre geht es dann, wenn man einem Volke zumutet, sich mit einem geringeren Rang abzufinden.
({7})
Es ist unklug, so etwas zu verlangen; denn Demokratie ist doch letzten Endes nichts anderes als der politische Ausdruck dafür, welchen Grad von Selbstachtung ein Volk für sich hat und haben kann! Deswegen sollte man um der Demokratie in Deutschland willen dem deutschen Volke solche Dinge nicht zumuten.
({8})
Schließlich kann man doch nur von wirklich Freien eine echte Partnerschaft verlangen und erwarten und nicht von bloßen Freigelassenen. Mit Freigelassenen wird man auch in der Folgezeit nicht umgehen, wie man mit Freien umzugehen pflegt, vor allen Dingen dann nicht, wenn sie sich mit den Attributen der Unfreiheit gar vertraglich einverstanden erklärt haben sollten.
({9})
Fundamentale Bindungen sind nur moglich, wenn man frei ist. Wenn man sie eingeht im Zustande der Unfreiheit, d. h. bei mangelnder Selbstbestimmung, fließt doch mit Notwendigkeit in die Bindungen, die man eingeht, etwas vom Status der Unfreiheit des Ausgangspunktes mit ein. Ehe man frei ist, lassen sich nur Verträge provisorischen Charakters schließen, Verträge über einen modus vivendi, aber auch diese nicht im Junktim mit Dauerbindungen.
Wir haben von Anfang an die Bundesrepublik ein Provisorium genannt, nicht aus Freude an diesem Wort, sondern weil wir damit etwas Bestimmtes zum Ausdruck bringen wollten. Wir wollten damit zum Ausdruck bringen, daß diese Bundesrepublik nichts Endgültiges ist, auch nicht auf einem beschränkten Teil des deutschen Staatsgebietes, und haben damit auch zum Ausdruck gebracht, daß dieses Provisorium keine definitiven Bindungen für ganz Deutschland schaffen kann.
({10})
Das Provisorium erlaubt nicht mehr als den modus vivendi. Es erlaubt nicht Status-Verträge. Und dieses Verteidigungsabkommen ist doch ein Vertrag, durch den der Status Deutschlands bestimmt wird, weit, weit über einen modus vivendi hinaus. Dieser Vertrag m u ß doch Rückwirkungen auf Gesamtdeutschland und auf die Möglichkeit, seine Einheit zu verwirklichen, haben. Da frage ich: Kann denn der Teil des Ganzen das Ganze verpflichten? Und wenn sich der Teil auf die Dauer sollte verpflichten können, setzt denn das nicht das Ganze in Gefahr? Löst er sich denn damit nicht - auch wenn er es nicht will! - faktisch vom Ganzen ab?
({11})
- Und was wird geschehen, Herr Kollege Euler, wenn einst eine gesamtdeutsche Nationalversammlung, die auch Sie wollen, diese Bindung nicht für Gesamtdeutschland sollte gelten lassen wollen? Das könnte doch sein.
({12})
Können wir denn hier als der Teil, der wir sind, Gesamtdeutschland präjudizieren? - Wenn wir sagen, wir könnten das, nun, dann können Sie den Herren in Pankow nicht mit sehr viel Wirkung. das Recht bestreiten, es auch zu tun.
({13})
-- Ach, Herr Majonica, nein, ich will sie nicht gleichsetzen. Ich will Ihnen nur sagen: Sie können ihnen gegenüber dann nicht mit der Wirkung bestreiten, mit der Sie es könnten, wenn Sie sich hier richtig verhalten.
({14})
Und wer soll denn dann in einem solchen Falle wem beitreten?
({15})
- Nein, Herr Euler!
({16})
- Warten Sie noch ein paar Minuten. Ich komme auf diese Dinge noch zu sprechen.
Weiter hat die Beratende Versammlung dieses europäischen Verteidigungsbundes u. a. auch die
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Kompetenz, eine europäische Verfassung zu entwerfen. Damit wird sie eine Verfassung schaffen, die sich dann vielleicht die Staaten, die dem Europapakt angehören, geben werden. Welche Folgen wird das, wenn es geschieht, für die Einigung Deutschlands haben? Dann haben wir uns doch eine Oberverfassung 'gegeben. Wer sagt uns dann, daß der Teil Deutschlands, der dann noch nicht zu uns gehören wird, miteinbeschlossen werden kann? Was soll überhaupt diese Beratende Versammlung nicht alles tun! Sie soll auf der einen Seite als Beratende Versammlung der Montan-Union die Hohe Behörde überwachen. Auf der andern Seite sollen die gleichen Leute - denn es ist ja die gleiche Versammlung - im Rahmen des europäischen Verteidigungspaktes wirken, dazuhin sollen sie noch diese Verfassung entwerfen. Herr Bundeskanzler, Sie werden Tausendkünstler suchen müssen in diesem Parlament - denn da sollen die Damen und Herren ja auch noch sitzen -, die in diese Versammlung kommen sollen! Wie ist es denn möglich, von diesen Leuten eine ernsthafte Arbeit und die Übernahme ernsthafter politischer Verantwortung zu erwarten? Das ist doch wirklich dilettantisch!
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Man hat zu uns in einem Ausschuß viel davon gesprochen, daß_ die Befürchtungen für die Einigung Deutschlands unbegründet seien, denn es gelte ja im Völkerrecht das Prinzip der beweglichen oder veränderlichen Vertragsgrenze. Nun, es gibt diesen Begriff; aber das gilt doch nicht, wenn es sich um ein Drittel der Nation handelt, und zwar um den umkämpften Teil der Nation, um den Teil, der die Grenzmöglichkeiten ganz Deutschlands bestimmt! Trotz der Erklärungen, die man von vielen Seiten bekommen hat, man macht damit die Einigung Deutschlands und die Bedingungen, unter denen sie zustande kommen kann, nur noch mehr zu einer Funktion der Interessen der Westmächte; denn die dadurch hervorgerufenen Veränderungen werden dann noch viel unmittelbarer auf die Interessenlage unserer Partner und damit auf ihre Entschlüsse wirken. Es ist doch noch nicht so lange her, daß einige unserer Partner von morgen in der Separation Deutschlands ein wesentliches politisches Ziel sahen,
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und es ist noch nicht ausgemacht, daß in den Parlamenten unserer Partner die Mehrheiten immer so bleiben werden, wie sie heute sind. Was machen Sie dann mit der Einheitsklausel der Präambel des Generalvertrags?
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- Nein, Herr Dr. Schröder, aber ich hätte von Ihnen einen besseren Zwischenruf erwartet.
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Der Generalvertrag geht - und zwar um den Westmächten die Möglichkeit zu lassen, für die Einheit Deutschlands zu wirken - davon aus, daß der Substanz nach die Besatzungsmächte die Besatzungshoheit behalten sollen. Die Frage ist: Wer
alles? Auch Frankreich, das ja Partner der Europa-Armee werden soll und in Berlin wohl noch die Besatzungstruppen unterhalten wird? Das bringt doch Frankreich und uns in sehr merkwürdige Lagen. Die Franzosen können sich doch nicht spalten und das eine Mal als das auftreten und das andere Mal als etwas anderes. Wir kommen doch damit in einen militärischen Verband mit Leuten, die sich die Zurücknahme der obersten Gewalt in Deutschland vorbehalten haben. Das ist doch nicht möglich!
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- Nein, Herr Kollege, wirklich nicht, aber man sollte es sich nicht so einfach machen.
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Ich persönlich bin der Meinung, daß gewisse Verträge der Alliierten mit den Russen - Transit, Versorgung Berlins usw. - diesen Inhalt des Generalvertrags vielleicht zu einer Notwendigkeit machen. Man sollte nicht den Russen die Möglichkeit geben, zu sagen: Die 'Geschäftsgrundlage dieser Verträge war, daß wir alle Besatzungsmächte sind; ihr habt die 'Geschäftsgrundlage beseitigt, also fallen diese Verträge. Es ist vielleicht notwendig, von diesem Gesichtspunkt auszugehen, Herr Kollege Tillmanns.
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Aber eines ist doch möglich, nämlich daß die Besatzungsmächte, wenn sie uns wirklich nur gute Partner sein wollen, sagen: Dem Grunde nach behalten wir das Recht; wir verpflichten uns aber, es im Innenverhältnis euch gegenüber nicht auszuüben.
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Das hat man aber nicht gemacht.
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- Nein, man hat es nur zum Teil gemacht. Wenn man sagt: 'Das geht nicht, das entwertet ja die Wirkung des Vorbehalts den Russen gegenüber, kann demgegenüber auf eine Analogie hingewiesen werden: die Westmächte haben ja durch einseitigen landesrechtlichen Verzicht auch den Kriegszustand landesrechtlich aufgehoben, ohne damit völkerrechtlich aus dem Kriegszustand herauszutreten. Dieselbe Operation wäre doch auch auf diesem Gebiet möglich gewesen! Man hat sie nicht gewählt. Und warum hat man sie nicht gewählt? Weil die Alliierten ganz offensichtlich nicht nur auf einem symbolischen Besatzungsrecht beharren wollen, sondern auf effektiven Besatzungsrechten. Sie wollen 'das Besatzungsstatut - die Urkunde - aufheben, aber sie wollen nicht das Besatzungsregime aufheben.
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- Man gibt uns gewisse Rabatte, Herr Euler, aber wir müssen uns verpflichten, den Rest als vertragliche Verpflichtung durchzuführen.
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Ich glaube, damit ist klargestellt, daß die Besatzungsmächte das Besatzungsregime nicht nur der Form nach, sondern auch den Tatsachen nach aufrechterhalten wollen.
Es sind in diesen Verträgen einige Klauseln, die mich bedenklich machen, die Notstandsklauseln besonders. Die eine davon sieht für den Kriegsfall vor, daß die Besatzungsmächte Hoheitsrechte an sich ziehen können. Ich glaube, diese Klausel ist
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nicht nötig; denn auf dem Schlachtfeld kommandiert der General ja mehr als bloß seine Truppen.
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Zu der andern Klausel, dem Notwehrfall, braucht man, glaube ich, auch nicht sehr viel zu sagen. Aber die politische Notstandsklausel erscheint mir doch höchst bedenklich, und zwar nicht nur deswegen, weil wir fragen müssen: Wer wird da entscheiden? - Das Schiedsgericht soll ja in diesem Fall nicht zuständig sein, sondern es soll die Möglichkeit und die Verpflichtung zur Konsultâtion bestehen. Der Atlantikrat soll mit der Sache befaßt werden, wenn ich richtig unterrichtet bin. Aber was kann man denn alles mit einer Klausel anfangen, die einem das Recht gibt, im Falle einer Gefährdung der demokratischen Grundordnung die Fülle der Gewalt wieder an sich zu ziehen? Ich frage mich: Ist das denn nötig? Wenn ich richtig unterrichtet bin, enthält Art. 6 des europäischen Verteidigungsabkommens die Bestimmung, daß die Partner im Katastrophenfall ihre Kontingente zurücknehmen und sich ihrer zur Herstellung der Ordnung bedienen können. Auch wir Deutsche werden das können. Warum dann diese Notstandsklausel zugunsten der Besatzungsmächte einseitig zu Lasten Deutschlands? Warum dann nicht etwa auch zu Lasten Frankreichs, wo dieser Fall doch heute sehr viel wahrscheinlicher ist als bei uns?
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Da gibt es doch viele Möglichkeiten für kleine Schikanen, aus denen sich böse Dinge entwickeln können: Sperrstundenverhängung,Übernahme örtlicher Polizeigewalt und ähnliches! Das alles ist doch keine saubere Regelung! Und die größte Gefahr sehe ich darin, daß diese Notstandsklausel unter Umständen einmal in Anspruch genommen werden könnte, wenn Kräfteverschiebungen bei Wahlen die Befürchtung aufkommen lassen, die neue Mehrheit im Parlament könne eine andere als die von gewissen Mächten gewünschte Politik betreiben.
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Es ist doch nicht das erstemal, daß man uns sagt: Demokraten seid ihr, wenn ihr unter Demokratie ein Handeln versteht, das wir far gut und zuträglich halten; und wenn ihr darunter ein Handeln versteht, das wir für uns nicht für zuträglich halten, dann seid ihr keine Demokraten.
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Weiter werden wir den Status der Truppen selber zu beachten haben. Wir werden vier verschiedene Rechtsstellungen der Truppen in Deutschland haben, einmal die Truppen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens; dann die Truppen, die auf ihre Einladung mit ihnen in ihren Bereichen Garnisonen halten - also die Dänen, Norweger usw. -; dann Truppen, die etwa die Bundesrepublik einladen sollte - vielleicht wie jetzt die Kanadier -; dann die Kontingente der Europa-Armee. Jede dieser Truppen wird Staat und Bevölkerung gegenüber andere Rechte haben. Wie will man denn diese Rechte nicht nur im Verhältnis von Truppe zu Truppe, sondern auch im Verhältnis von Staat, Bevölkerung und Truppe abgrenzen? Und wie ist das denn Will man die Belgier, die Franzosen und die Holländer - unsere künftigen Partner in der Europa-Armee -. die in Deutschland garnisonieren sollten, auf das Lebensniveau der deutschen Bevölkerung reduzieren? Oder will man den deutschen Kontingenten der EuropaArmee das bisherige Lebensniveau dieser Truppen geben, sie also der deutschen Zivilbevölkerung gegenüber unter Umständen privilegieren?
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Wir kennen den Status der Europa-Armee noch nicht; von dem Status der britischen und der amerikanischen Truppen kennen wir einiges. Und nun frage ich: Stehen diese britischen und amerikanischen Truppen künftig in Deutschland mit denselben Rechten, mit denen sie in Frankreich, in Großbritannien, in Italien usw. stehen? Die Rechte, nach denen sie dort leben, findet man in dem Abkommen der Atlantikpaktmächte vom 19. Juni 1951. Da ist es nun ganz interessant, zu sehen, wie sich die Atlantikpaktmächte gegenseitig behandeln. Da finden Sie in Art. 2 des Abkommens, daß die Gesetze des Empfangsstaates für die Truppen des Entsendungsstaates gelten und daß diesen Truppen jede politische Tätigkeit im Empfangsstaat verboten ist. Das Landesrecht des Empfangsstaates hat also den absoluten Vorrang. Jedes Interventionsrecht ist da ausgeschlossen, auch auf der niedrigsten örtlichen Stufe. Aber wenn ich recht berichtet bin, soll das bei uns anders werden; da sollen die fremden Truppen ihr Recht mitbringen und nach dem Rechte des Entsendungslandes leben.
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Die Folge davon ist, daß sie von unserer Rechtsordnung, auch vom Zivilrecht, eximiert sind und man sie nicht einmal vor Gericht wird verklagen können, selbst dann nicht, wenn sie Delikte begangen haben. Nehmen Sie den Art. 7 dieses Atlantikabkommens, Abs. 1 b: Die Gerichtsbehörden des Empfangsstaats sind zuständig für alle innerhalb des Gebiets des Empfangsstaats begangenen und nach seinem Recht' strafbaren Handlungen, wenn sie von Angehörigen der Truppe oder des Wehrmachtgefolges begangen sind; die Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates besteht für alle nach dem Recht des Entsendungsstaats nicht strafbaren Handlungen gegen die Sicherheit des Empfangsstaats. Hochverrat oder Landesverrat kann also von den Gerichten des Empfangsstaats an Mitgliedern der Besatzungsmacht oder ihres Gefolges bestraft werden. Genau das Gegenteil von dem, was bei uns in Deutschland in Anspruch genommen wird! Ich denke nur an den Fall Kemritz und an anderes.
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Die Gerichtsbarkeit des Empfangsstaats soll bei einer Reihe von Fällen den Vorrang vor der Gerichtsbarkeit der Militärgerichte haben, und die Gerichte des Entsendungsstaates, die Militärgerichte also, sollen nach diesem Abkommen keine Zuständigkeit haben, über Staatsangehörige des Empfangsstaates zu richten, in keinem einzigen Fall, auch nicht über Ausländer, die ihren Wohnsitz im Empfangsstaat haben. In Deutschland aber besteht offenbar die Gerichtsbarkeit auch über Deutsehe, wenigstens in gewissen Fällen bei Gefährdung der Sicherheit oder der Person oder des Eigentums der Besatzungstruppen.
Ich habe mir sagen lassen, daß die Besatzungsmächte sogar für sich das Recht der Evokation beanspruchen, also das Recht, einem deutschen Gericht einen Fall wegzunehmen und ihn vor ihr Gericht zu ziehen oder niederzuschlagen,
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also das, was im Fall Kemritz getan worden ist.
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Nach dem Atlantikvertrag kann die Polizei des Empfangsstaates auch gegen Angehörige der Besatzungstruppen vorgehen; sie hat nur die Meldepflicht. Der Entsendungsstaat ist sogar verpflichtet, Truppenangehörige in das Gewahrsam des Empfangsstaates zu geben, wenn Anklage erhoben ist. In Deutschland umgekehrt! Ich könnte Ihnen noch Dutzende solcher Bestimmungen aufzählen über die Zuständigkeit der Militärpolizei, die dort Zivilisten gegenüber nicht gegeben ist, bei uns aber offenbar, wenigstens zum Teil, noch bleiben soll; die Regelung des Requistionswesens; die Frage, wie es mit den Steuern zu halten ist; die Frage, wie es mit dem Zoll zu halten ist, mit dem Recht der Zollbehörden, sogar Fahrzeuge der Truppen zu durchsuchen, und alles, was da noch zu sagen wäre. Stellen Sie sich doch bitte einmal vor: Was muß eine amerikanische Truppe fühlen, die eines Tages von Metz nach Landau versetzt werden sollte? Die muß doch das Gefühl bekommen, sie kommt in ein - politisch gesehen - ganz anderes Land!
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Das ist doch keine mögliche Grundlage für eine echte Partnerschaft, und da sollte man doch nicht sagen - wie es gesagt worden ist -, die Verhältnisse lägen ja doch bei uns anders, es stünden doch bei uns in Deutschland unendlich viel mehr amerikanische Truppen als in Frankreich, und dieser quantitative Unterschied rechtfertige eine qualitativ andere Behandlung und mache sie geradezu notwendig. So kann man doch nicht sagen! Während des Krieges waren Millionen von Amerikanern in England. Da hat man doch auch nicht gesagt: Weil es Millionen Amerikaner sind, deswegen können sie nicht nach englischem Recht leben und nicht englischen Gerichten unterstehen. Wenn man sagt: Ja, aber die waren doch damals Verbündete, - nun gut; aber was soll denn jetzt bei uns ge- schehen? Da soll man doch auch zum Verbündeten gemacht werden und nicht nur zum Hilfswilligen, dessen Truppen und dessen Land man braucht!
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Von besonderer Wichtigkeit in diesem Vertragssystem ist der sogenannte Übergangsvertrag, der in zwölf Teile zerfallen soll. Ich kann auch nur auf einige Bestimmungen eingehen und bin - was die Richtigkeit dessen, was ich sage, angeht auf die Zuverlässigkeit der wenigen Quellen angewiesen, die mir zur Verfügung standen. Die Pflichten und Rechte, die in der Vergangenheit durch Handlungen der Alliierten entstanden sind, sollen anerkannt werden. Das bedeutet doch nichts anderes als die Zementierung bisheriger Maßnahmen der Besatzungsmächte. Insbesondere, fürchte ich, wird man darunter die Weitergeltung der von den Alliierten über das Bundesgebiet abgeschlossenen Verträge verstehen. Ferner soll die Gesetzgebung der Besatzungsmächte weiterdauern. Ein Teil wird zwar zur Diskretion der Bundesrepublik gestellt, ein anderer Teil aber, der das Instrument fur die Durchführung der wichtigsten Besatzungszwecke war, wird auch künftig nicht ohne Zustimmung der Besatzungsmächte abgeandert werden können. Das bedeutet doch die vertragliche Übernahme von Besatzungsrecht, also von Instrumenten der Machtpolitik der Sieger von gestern. Das Gesetz Nr. 63 z. B. soll aufrechterhalten bleiben, der Schutz deutscher Spitzel, die im Dienst der Besatzungsmacht gestanden haben; die Dekartellisierungs- und Dekonzentrierungsgesetzgebung, also das berühmte Gesetz Nr. 27, soll durchgeführt werden. Da hat denn doch ganz offenbar der französische Wirtschaftsminister nicht so ganz unrecht gehabt, als er bei seiner Rede in der Pariser Kammer zum Schumanplan sagte, daß auch das Gesetz Nr. 27 auf Grund internationaler Vereinbarungen gelten solle.
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Weiter sollen gewisse Dienststellen . - Agenturen - aufrechterhalten bleiben, die der Überwachung bestimmter Besatzungszwecke dienen sollen. Es soll das allierte Berufungsgericht in Restitutionssachen beibehalten werden. Und was besonders verhängnisvoll ist, es stehen auch Vorbehalte bezüglich der Regelung der Reparationen in diesen Verträgen. Es soll nämlich das Recht zugegeben werden, über die noch nicht liquidierten Auslandsguthaben in Portugal, Spanien, Österreich und der Schweiz zu verfügen.
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Gleichzeitig sollen die Auslandsschulden . übernommen und das deutsche Auslandsvermögen preisgegeben werden. Da wird doch der Friedensvertrag vorweggenommen! Da wird doch bei der im Generalvertrag versprochenen auszuhandelnden Friedensregelung nicht mehr sehr viel verhandelt werden können! Auf der anderen Seite sollen Deutsche keine Ansprüche gegen Ausländer und ausländische Regierungen, die mit dem Krieg zusammenhängen, geltend machen können, keine Prozesse gegen die JEIA und Oficomex unseligen Angedenkens aus der französischen Zone anstrengen können. Die Kollegen und Kolleginnen, die aus dieser Zone stammen, wissen ja, was für ein Rattenkönig übler Dinge sich mit dem Namen Oficomex verbindet.
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Man wird also von diesen Instituten vor Gericht nicht Rechenschaft verlangen können. Auf der anderen Seite soll alliierten Staatsangehörigen gehöriges Eigentum in Deutschland auf Jahre hinaus privilegiert werden; es soll nicht dem Lastenausgleich unterworfen werden.
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Meine Damen und Herren, das ist doch eine Unmöglichkeit! Die Herren haben doch ihr Eigentum
in Deutschland einmal begründet, als sie glaubten,
auf deutschem Boden für s ch Chancen zu finden.
Wer die Chance in Anspruch nimmt, muß auch das
Risiko auf sich nehmen, auch das politische Risiko.
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Es werden also durch diese Verträge Dinge übernommen, die sonst nur durch Siegermacht auferlegt werden können,
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unter dem Gesetz des „Vae victis!". Wenn man diese Verträge unterschriebe, würde man damit für die Vergangenheit, und in den Notstandsfällen für die Zukunft ein Interventionsrecht anerkennen.
Wie ist ein solcher Zustand rechtlich zu qualifizieren? Entweder als Aufrechterhaltung des Besatzungsregimes mit vertraglicher Reglementierung seiner Ausübung, - aber mit der Möglichkeit der völligen Wiederinanspruchnahme in bestimmten Fällen. Wenn es so ist, ist es falsch,, davon zu reden, das Besatzungsregime sei beseitigt oder werde beseitigt. Oder wir fassen es so auf, daß das Besatzungsregime als ein Regime eigenen Rechtes aufhört und man den Besatzungsmächten vertraglich die Rechte einräumt, die ihnen das Recht gewisser Interventionen in deutsche Ange({47})
legenheiten geben. Dann hat man sich eben vertraglich der Fremdbestimmung unterworfen. Auf jeden Fall, ob so oder so, Gleichberechtigung ist dieser Zustand nicht.
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Eine Tür ist entweder offen, oder sie ist zu. Man ist entweder besetztes Land oder nichtbesetztes Land.
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- Herr Euler, beinahe-nicht-besetzt-sein, das gibt es nicht!
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Vielleicht sind diese Dinge alle nötig; ich will es einmal unterstellen.
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- Ja, Herr Tillmanns! Dann aber darf man nicht sagen, daß man den Verträgen zustimmt, w e i 1 sie Gleichberechtigung bringen, sondern dann muß man sagen, daß man ihnen aus diesen oder jenen Gründen zustimmt, obwohl sie Gleichberechtigung nicht bringen.
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Herr Euler, Sie haben gestern das Junktim zwischen Verteidigungsvertrag und Generalvertrag begrüßt. Tun Sie das auch heute noch
({53})
nach der Erklärung des amerikanischen Staatssekretärs für das Außere, Dean Acheson, der gesagt hat, wir bekämen den Generalvertrag nur gegen Soldaten? Das war doch der Sinn dessen, was er gesagt hat.
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Man hat also da ganz offen kein Interesse an und für sich an einem freien und unabhängigen Deutschland,
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sondern offenbar ein Interesse an einem freien Deutschland nur dann, wenn dieses Deutschland bereit ist, Soldaten zu stellen.
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Das war keine gute Schützenhilfe, die da von Washington geleistet worden ist, Herr Euler.
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Wie sieht die Gleichberechtigung im Verteidigungsabkommen aus? Es ist gar keine Frage, daß auf dem Gebiet der militärtechnischen Vereinbarungen der Delegierte der Bundesregierung, unser Kollege Blank, und seine Mitarbeiter einiges erreicht haben. Sie haben ganz offenbar hart und gut verhandelt, und sie haben sich nicht damit begnügt, in einer harmonischen Umgebung die Piccoloflöte zu spielen, sondern sie haben ganz offensichtlich auch zu den stärkeren Instrumenten gegriffen. Und das war gut.
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Die entscheidenden Probleme aber liegen nicht auf dem Gebiet des Militärtechnischen, sondern auf dem des Militärpolitischen. Es wird auf den Art. 3 des Verteidigungsabkommens hingewiesen, in dem es heißt, daß innerhalb dieses europäischen Verteidigungssystems keine Diskriminierung gegen irgend jemand gelten darf. Ja, innerhalb der europäischen Armee! Aber wir gehen doch mit und in dieser Armee in ein System hinein, in dem wir differenziert sind und bleiben sollen. Es ist doch genau das gleiche Verhältnis, wie wenn innerhalb einer Religionsgemeinschaft die einzelnen Glieder gleich sind, sie aber draußen im bürgerlichen Leben nach verschiedenen Rechten leben müssen. So ähnlich ist doch die Situation. Da kann man doch nicht von Gleichberechtigung sprechen, auch nicht von dem Ausschluß möglicher Diskrimination im Ganzen des Systems! Nur in einem Teil des Gesamtsystems gilt er, und auch in diesem Teil scheint es ja doch einigermaßen mulmig auszusehen.
Es wurde schon darauf hingewiesen, der belgische Verteidigungsminister habe gestern offiziell erklärt, Deutsche würden nicht Kommandeure von Armeekorps werden können. Was ist denn da noch viel mehr zu diskriminieren, wenn so etwas auf Grund dieses Vertrages von einem Manne gesagt werden kann, der diesen Vertrag offenbar mit ausgehandelt hat?
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Der Generalvertrag sagt, daß die Eingliederung Deutschlands in eine europäische Gemeinschaft erfolgen solle, die ihrerseits der atlantischen Gemeinschaft angegliedert wird. Die europäische Gemeinschaft ist der atlantischen Gemeinschaft als Ganzes anzugliedern. Dazuhin aber sind außer Deutschland die Partner der europäischen Gemeinschaft als Einzelmitglieder in dieser Atlantischen Gemeinschaft, in der NATO. Deutschland also vermag auf die Atlantische Gemeinschaft nicht zu wirken und ist nur passiv beteiligt. Das heißt, es darf ihre Beschlüsse ausführen, es ist Material für Beschlüsse anderer!
Daß deutsche Offiziere auch in hohe Stäbe kommen können, das schafft doch noch keine Gleichberechtigung. Auch wenn Sie an die Spitze eines Regiments der Fremdenlegion einen Deutschen als Oberst stellen, bleibt das doch noch ein Regiment der Fremdenlegion.
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Entscheidend ist doch nicht, wer die Einheiten kommandiert, sondern, wer als letzter über den Einsatz der Truppe verfügt. Das tun die Organe der europäischen Verteidigungsgemeinschaft nicht; sie heben die Truppen aus, sie bilden sie aus und sie stellen sie dem atlantischen System zur Verfügung. Die Verfügung liegt bei den Organen des atlantischen Systems, in dem Deutschland nicht vertreten ist, aber Frankreich, Belgien, Holland, Luxemburg und Italien. Ich möchte davor warnen, sich auf Auswege und ins Zwielicht zu begeben, etwa so, daß man glaubt, es sei schon etwas getan, wenn man sich darauf einigen könnte, daß die Verteidigungsminister der Staaten, die der Europaarmee angehören, in dem Ministerrat der NATO nur einheitlich abstimmen, etwa nach den Vereinbarungen im Ministerrat der Europaarmee. Das wäre doch nur eine Scheinbeteiligung und keine Möglichkeit wirklicher, effektiver Einflußnahme auf das, was die NATO-Organe beschließen können.
Wir wollen diesen Eintritt in das atlantische System nicht; denn auch wenn wir dort eintreten sollten, könnte das den Mangel der notwendigen politischen, militärischen, ökonomischen Voraus({61})
setzungen für einen sinnvollen deutschen Verteidigungsbeitrag nicht ersetzen.
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Wir würden Risiken auf uns nehmen, die wir unter den heutigen Umständen nicht tragen könnten. Denn die Truppen der Atlantischen Gemeinschaft stehen ja zur Verfügung des Sicherheitsrates der UNO, und wir gehören dieser UNO nicht einmal an.
Wenn die Regierung schon von Gleichberechtigung spricht, muß sie sich von uns entgegenhalten lassen, daß nach dem uns bisher bekannten Stand der Verhandlungen Deutschland außerhalb der Institutionen steht, in deren Händen die Verfügungsmacht über ein deutsches Kontingent einer europäischen Armee liegt. Man hat schon die Äußerung des französischen Botschafters Alphand zitiert. Ich kenne sie, ich habe sie einem Kommuniqué von France Presse entnommen; das mir über die Verbindungsstelle des französischen Hohen Kommissars zugegangen ist. Man hat uns gesagt, daß Herr Alphand Herrn Ophüls gegenüber diese Mitteilung dementiert habe. Vorgestern kam im Nachrichtendienst des NWDR die Meldung, daß der französische Außenminister Schuman an diesem Tage in einer Denkschrift an die Nationalversammlung zur Verteidigungsdebatte gefordert habe, daß Deutschland als einziges Mitglied der geplanten europäischen Verteidigungsgemeinschaft nicht in den Atlantikpakt aufgenommen werde. Da haben Sie doch genau das vom Minister bestätigt, was der Untergebene des Ministers dementiert hat!
({63})
Was die militärische Verfügungsmacht anbetrifft, so ist das entscheidende militärische Organ im Atlantiksystem das sogenannte permanente Komitee, das Dreier-Komitee, ein Amerikaner, ein Engländer und ein Franzose. Dort fallen die militärischen Entscheidungen, die wichtigen, die echten Entscheidungen. Ein Staat, der dort nicht vertreten ist, ist letzten Endes an der eigentlichen Verfügung über das Schicksal der Truppen, die er stellt, nicht beteiligt.
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- Nein, aber ein Staat wie Deutschland, der doch nicht nur einer der größten Partner ist, sondern schon durch seine geographische Lage der Partner ist, auf den es am meisten ankommt, sollte darin vertreten sein.
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Man sollte doch auch dem Umstand Rechnung tragen, daß Deutschland der gefährdetste Partner ist Man sagt uns so oft: Ja, mein Gott, man kann doch die Geographie nicht korrigieren! Das ist richtig. Wenn man aber echte Partnerschaft will, muß man bereit sein, das natürliche Gefälle, das zu Lasten eines Partners besteht, durch zusätzliche Leistungen derer auszugleichen, die das können.
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Es wäre noch einiges über die Industriebeschränkungen zu sagen, darüber, ob sie weiter bestehen bleiben werden oder nicht. Ich weiß nicht, ob man sich darüber schon geeinigt hat, ob hier präzise Vereinbarungen vorliegen oder ob man sich auch hier mit der Möglichkeit des Rückschlusses begnügen will. Ich weiß auch nicht, wie es mit der alliierten Sicherheitsbehörde ist, ob man präzise Zusagen hat, daß sie verschwinden wird, und zwar sogleich nach Inkrafttreten der Verträge, wenn diese abgeschlossen werden sollten. Wie gesagt, ich weiß das nicht; aber ich glaube, es wäre gut, wenn uns das heute gesagt werden könnte, und zwar nicht nur so, daß man etwa ausführt: Die Sicherheitsbehörde ist eine der Hohen Kommission unterstellte Behörde, die Hohe Kommission wird verschwinden, also auch die Sicherheitsbehörde. Das scheint mir nach der bisherigen Praxis der Besatzungsmächte keine ganz genügende Möglichkeit der Argumentierung zu sein.
Nun werden Sie sagen: Du hast hier sehr vieles ausgeführt, aus dem sich ergibt, daß wir nicht gleichberechtigt sind; aber gegeben den Fall, wir würden die volle Gleichberechtigung bekommen, würdest du dann zu einem deutschen militärischen Beitrag, wie er der Regierung vorschwebt, ja oder nein sagen?
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Ich werde nein sagen, Herr Dr. Schröder,
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nein sagen, weil die Gewährung der Gleichberechtigung doch nur eine der Voraussetzungen ist, die einen deutschen militärischen Beitrag sinnvoll machen könnten.
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Die politischen und militärischen Voraussetzungen seiner möglichen Wirksamkeit sind nicht erfüllt. Denn was wir unter den gegenwärtigen Voraussetzungen aufstellen körnten, würde nicht Sicherheit schaffen, sondern nur den Schein der Sicherheit, den gefährlichen Schein der Sicherheit - eine verhängnisvolle Illusion.
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Was hat man denn im Grunde ausgeführt, um das Ja zu begründen? Man hat gesagt: In Korea wird geschossen, in Indochina wird geschossen, in Agypten, in Tunis, überall ist die Hand des Kreml zu spüren.
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- Jawohl, überall dort ist die Hand des Kreml zu spüren. Dort führt der Kreml den Kalten Krieg auf diese Weise, und er kann das, weil er sich dort des elementaren Bedürfnisses sozial deklassierter Bevölkerungen bedienen kann, die sich der Herrschaft der Latifundienbesitzer entziehen wollen,
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und weil er sich dort des elementaren Freiheitsimpulses von Bevölkerungen bedienen kann, die endlich die Kolonialherrschaft loswerden wollen.
({73})
Es genügt doch nicht, zu sagen, wie in dem Memorandum gesagt ist: Es sind in der sowjetisch besetzten Zone soundsoviel Divisionen aufmarschiert - ein richtiger Offensivmarsch wurde das im Memorandum des Jahres 1950 genannt -, deswegen brauchen wir 12 deutsche Divisionen! Dabei wissen wir doch, daß diese 12 deutschen Divisionen vor zwei Jahren nicht einsatzbereit sein könnten, selbst wenn von heute ab alles wie am Schnürchen liefe. Und wer kann denn schon auf die Zeit von zwei Jahren im voraus politisch abschätzen, was dann politisch anstehen könnte.
({74})
Auf der andern Seite sagt man uns: Der Westen
ist viel stärker als vor zwei Jahren, also ist das
({75})
russische Risiko, anzugreifen, heute größer, also
der Angriff unwahrscheinlicher. Und nun die Folgerung: also erst recht jetzt, heute deutsche Divisionen!
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- Nun können Sie weiterschließen, verehrte Frau Kollegin Weber: in zwei Jahren wird der Westen noch viel stärker sein, also das Risiko der Russen noch viel größer, also dann erst recht deutsche Divisionen!
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Das ist doch keine Logik.
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- Man kann doch so, Herr Schröder, weder für noch gegen argumentieren.
({79})
Man kann doch nicht an die Stelle von Argumenten Spekulationen setzen
({80})
und dadurch unser Verhalten bestimmen lassen.
({81})
Wir müssen doch zunächst einmal die Realitäten anschauen. Die erste Realität, vor der wir stehen, ist der Kalte Krieg.
({82})
Diesen kalten Krieg müssen wir gewinnen, und wir gefährden die Möglichkeit, ihn zu gewinnen, wenn wir den Glauben des Volkes erschüttern, daß sein Wille respektiert wird. Denn nur dann, wenn das Volk weiß, daß man seinen Willen respektiert, wird es die moralische Widerstandskraft aufbringen, ohne die der Kalte Krieg nicht gewonnen werden kann.
({83})
Wir gefährden die Möglichkeit, ihn zu gewinnen, wenn wir uns finanziell ruinieren und wenn wir vor lauter Divisionen vergessen, Herr Kollege, daß alle Soldaten nichts helfen werden,
({84})
wenn das Volk nicht von innen her gegen den demoralisierenden Sog immunisiert wird, der vom Osten her nach ihm greift.
({85})
Diese Immunisierung wird nur geschehen können, wenn das Volk sieht, daß man nichts von ihm verlangt, was nur sch e i n b a r e Sicherheit gibt,
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- Herr Euler -, etwas verlangt, was nur scheinbar e Sicherheit gibt, aber unter Umständen - nutzlos - entsetzliche Opfer fordert, Opfer, die nicht einer wirksamen Verteidigung, sondern nur dem blutigen Flammensymbol einer Scheinverteidigung gebracht werden.
({87})
Echte Verteidigung, aber nicht symbolische Verteidigung,
({88})
das will das Volk!
({89})
Der Westen, sagen Sie, soll Deutschland militärisch stark machen; dann werden die Russen vernünftig werden. Wollen Sie ihnen denn ein Ultimatum stellen lassen? Sie glauben doch nicht, daß die Russen den Zuwachs der westlichen Kraft um 12 Divisionen nicht sehr bald ausgeglichen haben könnten!
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Das ist doch reine Spekulation, und das befreit uns doch nicht von der Notwendigkeit, eine Politik zu treiben, bei der Divisionen nicht das einzige Argument zu sein brauchen!
({91})
Wenn ein deutscher militärischer Beitrag geleistet werden soll, dann doch nur dann, wenn wir nicht im Abstrakten,
({92}) sondern hier und jetzt von ihm erwarten können, daß er das leistet, was er leisten soll.
({93})
Das heißt, dieser Beitrag muß eine Chance geben, daß unser Land verteidigt werden kann.
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Und was heißt denn verteidigen? Sehen Sie unser Land denn schon als verteidigt 'an, wenn bei uns auch deutsche Panzer herumfahren und schießen und hinhaltenden Widerstand leisten bis zurück an den Rhein?
({95})
- Herr Dr. Schröder, Verteidigung ist ein Inbegriff von -Maßnahmen, die eine vernünftige Chance dafür bieten, daß unserem Land das Schicksal, Schlachtfeld und nichts als ein Schlachtfeld zu werden, erspart wird! - ({96})
Noch besser - Sie haben das gesagt, Herr Euler, da stimme ich Ihnen zu -: ein Inbegriff von Maßnahmen, die verhindern können, daß es überhaupt zum Kriege kommt.
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Und - darin gebe ich Ihnen wieder recht, Herr Euler - diese Wirkung wird nur dann erzielt werden, wenn hier etwas aufgebaut wird und aufgebaut werden kann, was den Russen einen Angriff auf Deutschland verleidet, weil er mit zu großem Risiko verbunden wäre.
({98})
({99})
- Herr Strauß, gönnen Sie mir noch fünf Minuten!
Sie haben mit Recht gesagt, ein möglicher Weltkrieg wird in der letzten Schlacht entschieden. Aber, meine Damen und Herren, die letzte-Schlacht wird im Westen durch das militärische Potential von Staaten entschieden werden, die nicht nach der ersten Schlacht schon von den Russen besetzt worden sind.
({100})
- Oder glauben Sie, Herr Majonica, daß die Aussicht, daß bei der letzten Schlacht eines dritten Weltkrieges die Reste von zwölf ausgebrannten deutschen Divisionen dabei sein werden, es ist, was den Russen einen dritten Weltkrieg besonders riskant erscheinen lassen wird?
({101})
Unter dem Gesichtspunkt dieses Risikos werden die zwölf deutschen Divisionen für die Russen nur interessant sein, wenn sie wissen, daß diese deutschen Divisionen den Ausgang der e r st en Schlacht für sie, die Russen, schicksalsentscheidend machen könnten.
({102})
Denn nur dann würde Deutschland imstande sein, die militärische Kraft der westlichen Welt auch für die weiteren Kämpfe zu stärken.
({103})
Aber das können Sie nur, wenn die Angelsachsen
- um nur von diesen zu sprechen - jetzt schon so viel eigenes Risiko auf dem Kontinent engagieren, daß dies mit den zwölf deutschen Divisionen mengenmäßig die Streitmacht ergibt, die man braucht, um die Russen mit dem Risiko der e r s t en Schlacht zu schrecken.
({104})
Und da haben die Angelsachsen noch nicht getan, was getan werden müßte, und sie scheinen es auch nicht tun zu wollen. Ohne diese unlösliche Verknüpfung des Schicksals der Angelsachsen mit dem unseren, eine Verknüpfung durch Tatsachen, Herr Tillmanns, und nicht auf dem Papier,
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werden zwölf deutsche Divisionen auf die Russen heute nicht mehr Schreckwirkung haben als eine Schreckschußpistole. Diese Erkenntnis ist eine schlimme Erkenntnis; aber wäre die Illusion
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nicht viel schlimmer, ja noch verderblicher, wenn es nun keine militärische Chance gegen einen russischen Angriff geben sollte - nun, dann wird eben jeder von uns seine persönliche Entscheidung treffen müssen, - die er auch dann würde treffen müssen, wenn bei einer Invasion Deutschlands auf Grund einer mit ungenügenden Kräften geführten Verteidigung dieses Land auch besetzt würde. Da mag nun jeder für sich seine Entscheidung treffen; aber keiner von uns hat das Recht, von den Menschen unseres Volkes zu verlangen, daß sie sich zu Krüppeln schießen lassen ohne militärischen Sinn, ohne Verteidigungseffekt, nur mit der Wirkung doppelt verbrannter Erde, nur um einer symbolischen Wirkung willen!
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Nun haben Sie an uns die Frage gestellt: Was habt ihr denn an positiven Vorschlägen zu bieten?
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- Herr Hasemann, ich werde versuchen, Ihrer Neugier gerecht zu werden. Ich weiß, sie ist außerordentlich groß, und ich werde mich schon anstrengen müssen.
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Nun, ein positiver Beitrag ist doch wohl schon der, daß wir gegenüber der doch recht voraussetzungslosen Bereitwilligkeit der letzten 2 Jahre, auf das Ansinnen des Westens einzugehen, Ihnen einige Voraussetzungen entwickelt haben, die auch Sie sich nun zu eigen gemacht haben. Das ist schon etwas! Und ein Zweites: Herr Strauß, Sie sagten gestern, es trenne uns doch eigentlich fast nichts in dieser Beurteilung der Voraussetzungen.
({110})
- Nun. Herr Strauß, die Gleichheit der gewählten Worte ist noch nicht unbedingt eine Identität der eingenommenen Positionen!
({111})
- Herr Strauß, ich fürchte, Sie begnügen sich eher mit Worten als wir, und ich fürchte, wir verlangen mehr Beweise von Tatsächlichkeit als Sie.
({112}) Ihnen genügt es vielleicht - es hatte den Anschein -, daß man von Gleichberechtigung spricht, und da muß man eben dann die Fakten biegen, bis sie unter die Prämisse passen. Wir schauen uns an, was wir zu leisten haben,
({113}) und leiten daraus ab, ob wir gleichberechtigt sind oder nicht, um nur dieses Beispiel zu nehmen. Sie sprechen von militärischen Voraussetzungen. Aber letztlich begnügen Sie sich mit dem Schein oder der Spekulation und verhalten sich so, daß der andere weiß: ja-sagen wird er dann schließlich doch!
({114})
Ein weiterer positiver Beitrag, meine Damen und Herren, ist unsere Forderung nach Neuwahlen,
({115})
denn Neuwahlen sind das einzige demokratische Ventil für die Massen unseres Volkes.
({116})
Sie wissen, wie das Volk denkt,
({117})
und Sie wissen auch, daß nicht alle, die anders denken als Sie, von den Kommunisten aufgehetzt sind.
({118})
({119})
Versagen Sie dem Volk dieses Ventil und geben Sie damit dem Volk die Gewißheit,
({120})
daß in dieser Entscheidungsnot über seinen Kopf weg entschieden wird, dann hilft man dazu - ob man will oder nicht -,daß die Leute aus ganz verschiedenen Motiven, die nicht immer die der KPD sind, auf Reaktionen verfallen, die die Demokratie gefährden könnten.
({121})
Das Geschrei „Ohne mich" ist weithin die Kehrseite eines „Unter allen Umständen", das das Volk aus Ihren Reden heraushört, auch wenn Sie es nicht so meinen sollten.
({122})
Haben Sie denn den Beitrag vergessen, den wir dadurch für die Sicherheit Europas geleistet haben, daß wir durch unser Verhalten verhindert haben, daß die Kommunisten in Deutschland eine Massenpartei werden konnten wie in Frankreich oder Italien?
({123})
Und leisten wir keinen positiven Beitrag durch unsere Bemühungen, eine illusionistische Sicherheitspolitik zu verhindern? Sie meinen, ein wenig Sicherheit sei mehr als gar nichts. Nun, die Hälfte des für die effektive Verteidigung Notwendigen gibt nicht halbe Sicherheit, sondern nur die Gewißheit zehnfacher Zerstörung, zehnfach verbrannter Erde.
Weil wir uns daran nicht schuldig machen wollen, weil man sich nicht in einer Armee zusammenschließen kann mit einer Macht, deren erklärtes Ziel es auch heute noch ist, ein Stück deutschen Landes für immer von Deutschland loszureißen, weil man echte Partnerschaft nicht auf zweierlei Maß aufbauen kann, weil man um des bloßen Scheins einer Sicherheit willen dieses Volk nicht der Gefahr einer Verhundertfachung seines Leidens aussetzen darf - einer von Ihnen nicht gewollten Gefahr, meine Damen und Herren -, und weil wir überzeugt sind, daß unser Nein und unsere Verweisungen auf das Recht des Grundgesetzes die Voraussetzungen für eine wirksame Sicherheitspolitik schaffen können, darum sagen wir zu dem militärischen Vorhaben der Bundesregierung: Nein!
({124})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Ich hoffe sehr, daß wir alle in den Besitz des unkorrigierten Stenogramms dieser Rede kommen.
({0})
Auf alle Fälle, meine Damen und Herren - - ({1})
- Also, meine Damen und Herren, in unserer Demokratie sieht es wirklich köstlich aus. ({2})
Ich spreche die Hoffnung aus, in den Besitz des unkorrigierten Stenogramms dieser Rede zu kommen, und das wird dann als Unverschämtheit bezeichnet.
({3})
- Meine Damen und Herren, war denn die Rede wirklich so schlimm?
({4})
Meine Damen und Herren!
({0})
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß der Gegenstand der Beratung es notwendig macht, daß die Meinungen verschiedener Art wechselseitig angehört werden.
({1})
Schließlich gehört es zu der Aufgabe eines Parlaments nicht nur, daß jemand spricht, sondern auch, daß jemand angehört wird.
({2})
Ich bitte Sie, Herr Bundeskanzler, fortzufahren.
({3})
Meine Damen und Herren!
({0})
Meine Damen und Herren, ich bitte doch um Ruhe! Wir kommen doch nicht weiter, wenn fortgesetzt jeder irgendwelche Naturlaute ausstößt.
({0})
Diese Rede, die der Herr Abgeordnete Schmid eben gehalten hat, wirft für mich ein sehr ernstes Problem auf.
({0})
Der Herr Abgeordnete Schmid hat den größten Teil der Mitteilungen, die ich ihm und einigen anderen Herren seiner Fraktion
({1})
in vertraulichster Weise gegeben habe, - - ({2})
Herr Abgeordneter Reimann, Sie sind selten hier gewesen. Infolgedessen scheinen Sie die guten parlamentarischen Sitten verlernt zu haben. Ich bitte Sie, sich hier der Ordnung des Hauses zu fügen.
({0})
- Herr Abgeordneter _Reimann, wegen des Wortes „gelogen", das eine qualifizierte Beleidigung darstellt, rufe ich Sie zur Ordnung.
({1})
Also, meine Damen und Herren, ich wiederhole nochmals, was ich gesagt habe; aber ich werde noch einige Sätze vorausschicken, warum diese Rede des Herrn Abgeordneten Schmid ein sehr ernstes Problem aufwirft. Bei der Beratung des Schumanplangesetzes ist mir von seiten der Herren von der sozialdemokratischen Fraktion zu wiederholten Malen der Vorwurf gemacht worden, daß die Opposition nicht genügend unterrichtet werde. Ich habe darum von diesem Platze aus die Herren gebeten, doch den Versuch zu machen, ob es nicht möglich sei, in Lebensfragen des deutschen Volkes von nationaler Bedeutung mit uns zusammenzugehen, und ich habe mich bereit erklärt, ihnen jede Information zu geben, wie ich sie auch den Fraktionen der Regierungskoalition gebe. Ich erinnere mich noch, hier gesagt zu haben, daß ich sie absolut fair unterrichten würde. Ich muß; meine Damen und Herren, zu meinem außerordentlichen Bedauern - und das ist keine Redensart, sondern ich bin menschlich tief davon betroffen - feststellen, daß ein ganz großer Teil der Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid auf Mitteilungen beruht, die ich ihm als absolut vertraulich
({0})
zusammen mit einigen anderen Herren der sozialdemokratischen Fraktion gegeben habe.
({1})
Ich habe auch den Herren - ({2})
Ich habe auch den Herren eine Übersicht über den Stand schwebender Verhandlungen geben lassen, wie sie damals standen, als ich den Herren den Überblick habe geben lassen und selbst gegeben habe, und diese Mitteilungen sind ebenfalls vom Herrn Abgeordneten Schmid hier verwertet worden, obgleich die Verhandlungen seit der Zeit naturgemäß weit fortgeschritten sind.
({3})
Ehe ich deswegen weitere Ausführungen mache,
({4})
lassen Sie mich jetzt feststellen, meine Damen und Herren,
({5})
daß der Standpunkt der - ({6})
Herr Abgeordneter Reimann, ein einzelner Zwischenruf entspricht durchaus dem Verlauf der Debatte. Das dauernde Stören ist ein System, das die Ordnung dieses Hauses verletzt. Ich warne Sie, in dieser Weise fortzufahren.
({0})
- Also ich wiederhole meine Warnung: ich kann nicht zulassen, daß hier ständig die Ordnung des Hauses von Ihrer Seite gestört wird.
({1})
Ich bitte Sie, fortzufahren, Herr Bundeskanzler.
In einem früheren Zeitpunkt, über den also Herr Abgeordneter Schmid unterrichtet worden ist, war von den Westalliierten. in Anspruch genommen worden, daß sie die Gerichtsbarkeit über Deutsche wegen strafbarer Handlungen gegen die Sicherheit der Streitkräfte ausüben könnten. Dieses Verlangen der Alliierten, das von uns abgelehnt worden ist, ist von den Alliierten in der 'Zwischenzeit aufgegeben worden.
({0})
Herr Abgeordneter Schmid hat weiter von den Evokationsbefugnissen, die die Westalliierten für sich verlangten, gesprochen, und er hat auf den Fall Kemritz verwiesen. In der Zwischenzeit ist von den Westalliierten die Forderung nach Evokationsbefugnissen fallen gelassen worden.
({1})
Der Herr Abgeordnete Schmid hat davon gesprochen, daß die Westalliierten das Verlangen auf Aufrechterhaltung des Gesetzes Nr. 62 gestellt hätten. Auch dieses Verlangen der Alliierten ist in der Zwischenzeit fallen gelassen worden.
({2})
Ich greife nur diese drei, allerdings sehr wesentlichen und von Herrn Kollegen Schmid mit großer Emphase hier vorgebrachten Punkte heraus, um damit Ihnen und der Öffentlichkeit zu zeigen, welche Gefahren darin liegen,
({3})
wenn man über schwebende Verhandlungen unterrichtet.
({4})
Meine verehrten Anwesenden! Mir ist durch Abmachungen mit den drei anderen Signatar({5})
mächten des Generalvertrags die Möglichkeit genommen,
({6})
mich über die Einzelheiten hier auszulassen. ({7})
Herr Abgeordneter Reimann, Sie haben nicht das Wort!
({0})
Ich bitte fortzufahren, Herr Bundeskanzler. ({1})
- Herr Abgeordneter Reimann, wenn Sie weiter in dieser Weise stören, muß ich Sie zur Ordnung rufen. Ich mache Sie auf die Folgen dieses Ordnungsrufs aufmerksam.
({2})
Ich bitte Sie, fortzufahren, Herr Bundeskanzler.
Eine solche Abmachung, wie ich sie eben gekennzeichnet habe, liegt absolut in der Natur der Sache und ist durch auch in unserem Interesse liegende Notwendigkeiten begründet.
({0})
Denn ich habe Ihnen doch schon gestern gesagt: das Ganze ist ein großes Werk, das noch nicht fertig ist und das man erst beurteilen kann, wenn es'-Ihnen fertig vorgelegt wird.
({1}) Dann, glaube ich, ist auch der Zeitpunkt gekommen, an dem man zu dem, was vorläufig vereinbart ist, positiv oder negativ Stellung nehmen kann.
({2})
Aber wie das heute vom Herrn Abgeordneten Schmid beliebt worden ist, ist es ein völlig unmögliches und untragbares und in der parlamentarischen Geschichte niemals vorgekommenes Verfahren.
({3})
Es liegen Ihnen doch keine Verträge vor; es liegt
Ihnen doch nicht ein Antrag der Bundesregierung
vor, solchen Verträgen die Zustimmung zu geben.
({4})
Es handelt sich hier um ganz andere Dinge.
({5})
-- Ach, Herr Renner, gurgeln Sie doch nicht so!
({6})
Ehe ich dann zu den Punkten komme, in denen ich dem Herrn Abgeordneten Schmid antworten will, möchte ich auch noch folgendes feststellen. Die Angabe des belgischen Kriegsministers, daß keinem deutschen General ein Korpskommando anvertraut werden würde, würde, wenn sie so aufgestellt worden ist, ebenfalls falsch sein.
({7})
Aus dem Vertrag, soweit er bis jetzt vorliegt, ergibt sich genau das Gegenteil.
({8})
Nun möchte ich mich zu den Behauptungen und Ausführungen des Herrn Abgeordneten Schmid wenden, die im ersten Teil seiner Rede enthalten waren und die man noch - mit einer gewissen Großzügigkeit - zum Gegenstand dieser Verhandlungen rechnen kann. Ich habe nicht gesagt, Herr Kollege Schmid, daß wir eine Freiwilligenarmee schaflen wollten, sondern ich habe - wenn Sie das Stenogramm, das unkorrigierte Stenogramm nachlesen wollen - gesagt, daß wir mit Freiwilligen anfangen würden, aber daß wir ohne ein Wehrgesetz nicht auskommen könnten.
Ich war neugierig darauf, wie sich der Herr Kollege Schmid nun aus dieser Sache, die er im Parlamentarischen Rat gesagt hat, herausziehen würde. Wenn ich ihn recht verstanden habe, hat er hier ausgeführt, ein System der kollektiven Sicherheit könne auch darin bestehen, daß man sein Territorium zur Verfügung stelle. Zunächst muß ich hier einschieben: ich möchte nicht einem System der kollektiven Sicherheit angehören, in dem unser Land als Territorium
({9})
den Mächten, die für die kollektive Sicherheit zu sorgen haben, zur Verfügung gestellt wird.
({10})
Dann bin ich doch lieber bei denen, die die Maßnahmen zum Schutze der kollektiven Sicherheit ausführen. Aber Deutschland einem System der kollektiven Sicherheit zur Verfügung stellen zu wollen
({11})
oder zur Abwehr gegen den Osten - zur beliebigen Verfügung! -: nein, das würde ich nicht mitmachen!
({12})
Man würde aber auch dem Herrn Abg. Schmid Unrecht tun, wenn man ihm unterstellte, daß er im Parlamentarischen Rat jemals an etwas Derartiges gedacht hätte.
({13})
Nehmen Sie doch das Stenogramm zur Hand! Die Stenographie ist ja überhaupt eine unheimliche Sache!
({14})
Ich darf es nochmals wiederholen: es ist zu schön, als daß ich mir das entgehen lassen dürfte!
({15})
Wenn ich hier nun einiges über die Eloquenz, über die Sprach- und Sprechmethode des Herrn Kollegen Schmid in diesem Falle sage, dann kann man daraus ja die entsprechenden Schlüsse auf die anderen Ausführungen, die er gemacht hat, ziehen.
({16})
({17})
Im Redaktionsausschuß des Parlamentarischen
Rates ist beantragt worden, bei dem Verbot des
Krieges das Wort „Krieg" durch „Angriffskrieg"
zu ersetzen. Der Herr Kollege von Brentano hat
das begründet. Dann hat sich das Mitglied des Parlamentarischen Rates Herr Dr. Schmid mit folgen
der Begründung gegen diesen Antrag gewendet:
Wir sollten auch hier ein Stück weitergehen,
als man bisher üblicherweise gegangen ist,
und sollten in unserem Lande schlechthin
untersagen, die Führung von Kriegen vorzubereiten. Wir sollten damit unsere Meinung
zum Ausdruck bringen, daß in einem geordneten Zusammenleben der Völker das, was
man früher als die ultima ratio regum, als das
Souveränitätsrecht der Souveränitätsrechte ansah, schlechthin keine Stätte mehr haben soll,
daß, wenn schon Gewalt ausgeübt werden
muß, diese Gewalt nicht als nationaler Souveränitätsakt ausgeübt werden soll, sondern als
Akt des kollektiven Selbstschutzes aller Nationen, die dafür sorgen, daß auf der ganzen
Weit der Friede erhalten bleibt und daß es
Angreifern unmöglich gemacht wird, den
Frieden zu stören.
({18})
Meine Damen und Herren, ich habe dem aber auch gar nichts hinzuzufügen!
({19})
- Na ja, dann können Sie Ihre Klage zurückziehen!
(Heiterkeit und Zustimmung bei den Regierungsparteien. - Lebhafte Zurufe der Abg.
Schoettle und Mellies. - Weitere Zurufe
links.}
Dann aber muß ich doch zum Ausdruck bringen, daß es außerordentlich bedauerlich ist, daß der Herr Abgeordnete Schmid die Einheitsklausel, d. h. die Klausel in dem Generalvertrag, in der sich die drei Westalliierten und Deutschland zu einer gemeinsamen Politik bekennen, um die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden herbeizuführen, als etwas nicht Wirksames betrachtet. Ich glaube nicht, Herr Abgeordneter Schmid, daß Sie eine solche Klausel nur dann als etwas Wirksames betrachten, wenn das Wort „in Frieden" gestrichen würde.
Was aber würden Sie, Herr Schmid, sagen, wenn eine solche Klausel im Generalvertrag fehlen würde?
({20})
Ist es denn für uns Deutsche diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs nicht ein ganz großes Plus, daß sich die drei Westalliierten - - einschließlich Frankreichs, meine Damen und Herren; beachten Sie das bitte wohl! - mit uns zu einer gemeinsamen Politik zur Wiedervereinigung Deutschlands verpflichten?
({21})
- Nun, was die Saarfrage angeht! Vielleicht haben Sie, meine Damen und Herren, gelesen, was das Foreign Office gestern nachmittag in seinem Diplomatischen Dienst über meine Ausführungenam Vormittag veröffentlicht hat. Es hat erklärt, daß meine Auffassung über die Saarfrage und über die NATO-Frage mit den Ansichten der britischen Regierung übereinstimme.
({22})
Herr Kollege Schmid hat einen Satz gesprochen, der von einem Teil des Hauses mit lebhaftestem Beifall unterstrichen worden ist; und ich gebe zu: er klang, namentlich bei der Redegewandtheit des Kollegen Schmid, sehr schön, obgleich ich ihn sehr unvollständig finde. Er hat, als von Verteidigungstruppen die Rede war, gesagt: Es entscheidet nicht die Bezeichnung, die Benennung, sondern die Rechtsstellung. Nein, meine Damen und Herren, für mich ist entscheidend die Aufgabe dieser Truppe und nicht die Rechtsstellung; die kommt in zweiter Linie.
({23})
Aber die Aufgabe dieser Truppe, das ist für mich das Entscheidende.
({24})
Nun komme ich zu einem Passus der Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid, über den ich in Wahrheit doch erschüttert bin.
({25})
Er hat gesagt: Das Provisorium, in dem wir leben, erlaubt keine Statusverträge. Er hat das Wort gesprochen, das von einem Teil des Hauses, weil es ein so schön klingender Satz ist, ebenfalls mit großem Beifall unterstrichen worden ist: Soll der Teil denn das Ganze verpflichten? Ich möchte Herrn Kollegen Schmid doch zunächst mal daran erinnern, was unter seiner tatkräftigen Hilfe in das Grundgesetz geschrieben ist: daß wir auch für die Deutschen handeln, denen mitzuarbeiten nicht gestattet ist.
({26})
Stellen Sie sich doch bitte einen Augenblick die Konsequenz eines solchen Standpunktes vor, daß wir, weil wir in einem Provisorium lebten, nicht handeln dürften, keinen Status herbeiführen dürften!
({27})
Das würde bedeuten, meine Damen und Herren, daß wir ganz Deutschland preisgeben;
({28})
das würde bedeuten,
({29}) daß wir so dasitzen mit gefesselten Händen
({30})
und abwarten müßten, was der Osten und der Westen mit uns machen.
({31})
Dies Wort, diese Einstellung, diese erschütternde Einstellung eines führenden Mitglieds des Bundestags erinnert mich an ein anderes Wort des Abgeordneten Schmid, da er gesagt hat: Wir dürfen die Sieger nicht zu schnell von der Last des totalen Sieges befreien. Das sind Auffassungen, mit denen man in einer Zeit der größten Not Deutschlands keine Politik machen kann.
({32}) Ich stehe auf dem Standpunkt, daß wir, um uns des Druckes vom Osten zu erwehren, handeln müssen
({33})
({34})
und nicht die Hände in den Schoß legen dürfen, daß wir den Völkern, die ihrer ganzen Gesinnungsart nach, weil auch sie freie Völker sind, mit uns zusammengehen wollen, nicht etwa sagen: „Bedaure sehr, wir können jetzt nichts machen", son- dern daß wir mit ihnen zusammen, Hand in Hand handeln, um uns und den Osten zu retten.
({35})
Das, was der Herr Kollege Schmid vorgeschlagen oder vorgetragen hat, ist doch nichts anderes als eine völlige Versteinerung des gegenwärtigen Zustands Deutschlands.
({36})
Dann entrüstet er sich darüber, daß die Besatzungsmächte bezüglich dès einen oder anderen Punktes - das alles wird Ihnen zur gegebenen Zeit vorgelegt werden - eine Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes bis zu einer gewissen Zeit verlangen, wenn er uns zumutet, daß- wir jetzt überhaupt nichts tun sollen!
({37})
Lieber Herr Schmid, nehmen Sie sich mal ihre Rede vor - ({38})
- Die steht Ihnen zur freien Verfügung, völlig unkorrigiert, können Sie gern haben!
({39})
Sie können alle meine Reden unkorrigiert haben. Gestern hat der Herr Kollege Löbe auch eine unkorrigierte Niederschrift meiner gestrigen Rede verlangt. Ich habe gesagt, man soll sie ihm ruhig geben.
({40})
Ich muß noch einen Satz des Herrn Kollegen Schmid hier nachdrücklichst wiederholen und etwas dazu sagen, weil er eben die Gabe, die wertvolle Gabe hat, mit einer Überzeugungskraft gar nicht zutreffende Dinge so vorzutragen, daß der größte Teil dem glaubt.
({41})
Er hat folgenden sehr wichtigen Satz gesagt, den ich mitgeschrieben habe: Wir wollen den Eintritt in die Atlantikgemeinschaft nicht, weil die Streitkräfte der Atlantikgemeinschaft der UNO unterstehen, der wir nicht angehören. Meine Damen und Herren, wie kann man so etwas sagen, von diesem Pulte aus? Seit wann unterstehen denn die Streitkräfte der Atlantikgemeinschaft der UNO?
({42})
- Sie unterstehen nicht der UNO.
Von meinem Standpunkt und dem der Bundesregierung und, ich darf wohl sagen, auch dem der Regierungskoalition aus möchte ich gegenüber den schaurigen Bildern, die Herr Kollege Schmid glaubte, hier vor der deutschen Öffentlichkeit malen zu müssen,
({43}) ein Wort sagen. Was wir erstreben
({44})
- wir haben es immer wieder gesagt -, das ist doch: Wir wollen den Krieg vermeiden und den Frieden retten.
({45}) Das ist unsere ganze Aufgabe, das ist das Ziel,
({46})
das ist der Zweck unserer ganzen Arbeit.
({47})
Dieses Ziel ist von dem Präsidenten der Vereinigten Staaten in der feierlichsten Weise verkündet
worden.
({48})
Nun ein weiterer Satz, über den ich mehr als erstaunt bin. Er hat gesagt: Dadurch, daß der Westen seine Kraft zusammennimmt und sich bewaffnet, gefährden wir den Kalten Krieg. - Wörtlich, meine Damen und Herren!
({49}) Wörtlich und von mir wörtlich mitgeschrieben! - Ich bin der Auffassung: wir immunisieren unsere Menschen gegen die Furcht dadurch, daß wir ihnen zeigen: Es sind starke Kräfte da, die bereit sind, wenn Rußland angreifen sollte, diesem Angriff zu wehren.
({50})
Wie kann man sagen, daß man dadurch den Kalten Krieg gefährdet, die Widerstandskraft unserer Leute lähmt, wenn wir die Kräfte des Westens zusammenfassen!
In einem andern Zusammenhang hat er genau das Gegenteil ausgeführt. Da hat er gesagt: Erst dann könnten wir mitmachen, wenn die angelsächsischen Streitkräfte so stark wären, daß sie der Gefahr wehren könnten. - Dann müßte er doch genau so konsequent sagen: Weg mit den angelsächsischen Streitkräften,
({51})
denn dadurch wird der Kalte Krieg gefährdet.
Ich muß in allem Ernst und mit ganzem Nachdruck sagen: Diese Rede war nicht gut.
({52})
Sie war außerordentlich bedauerlich.
({53})
Sie hat in keiner Weise irgendwie dazu beigetragen, die Fragen, um' die es sich heute hier handelt, zu klären.
({54})
Sie hat auch in keiner Weise dazu beigetragen, draußen gut zu wirken und die Frage zu klären, um die es sich hier handelt.
({55})
Sie hat auch nicht dazu beigetragen, im Auslande, auf das wir angewiesen sind, so zu wirken, wie es im deutschen Interesse gut wäre.
({56})
Und endlich, meine Damen und Herren - das
möchte ich auch noch einmal jetzt mit allem NachDeutscher Bundestag - 191. Sitzurig. Bonn, Freitag, den 8. Februar 1952 8201
({57})
druck sagen -: sie hat nicht dazu beigetragen, die Widerstandskraft der 18 Millionen Deutscher hinter dem Eisernen Vorhang zu stärken.
({58})
Der Abgeordnete Dr. Schmid wünscht, noch einmal das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat soeben ausgeführt, daß ich in meiner Rede vertrauliche Mitteilungen verwendet hätte. Diese Behauptung ist unrichtig. Ich habe in meiner ganzen Rede nicht von einer einzigen Sache gesprochen, die mir vertraulich mitgeteilt worden ist.
({0})
Ich habe aus dem Verteidigungsvertrag zwei Artikel zitiert: Art. 3, den der Herr Bundeskanzler gestern selbst zitiert hat, Art. 6, der in dem Parlamentarisch-Politischen Pressedienst vom 4. Februar bekanntgegeben worden ist.
({1})
Meine Ausführungen über den Generalvertrag und die Zusatzverträge, die sachlichen Ausführungen, die Zitate, habe ich insgesamt einem Artikel in der „Deutschen Zeitung" vom 5. Dezember entnommen.
({2})
Der Herr Bundeskanzler hat sich angelegen sein lassen, sich lobend über meine Eloquenz auszudrücken. Ich möchte ihm das Kompliment zurückgeben. Er hat auch heute auf dem Niveau gesprochen, das wir an ihm gewohnt sind.
({3})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Dr. Adenauer, Bundeskanzler ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei meinen Ausführungen in dieser meiner Eigenschaft als Bundeskanzler muß ich ja selbstverständlich eine gewisse Zurückhaltung wahren. Aber ich möchte Ihnen eines erklären: Ich werde die Behauptungen des Herrn Abgeordneten Schmid, daß er kein einziges Wort gesagt habe, das ihm vertraulich mitgeteilt worden sei,
({1})
sondern daß er seine Ausführungen stütze auf einen Artikel vom 5. Dezember in der „Deutschen Zeitung" - glaube ich, sagten Sie? -,
({2})
sehr genau und gewissenhaft nachprüfen lassen. ({3})
Ich enthalte mich
({4})
- ach, seien Sie doch nicht so kindlich! - zunächst eines Urteils über diese Ihre letzte Feststellung, Herr Kollege Schmid: aber ich werde in diesem oder in jenem Sinn darauf zurückkommen. Wenn ich feststellen kann, daß Sie Angaben aus vertraulichen Besprechungen benutzt haben, dann werde ich daraus die notwendigen Konsequenzen ziehen.
({5})
Wenn ich feststellen sollte, daß Sie das tatsächlich nicht getan haben, daß Sie keine vertraulichen Mitteilungen als Unterlage benützt haben, werde ich das in diesem Hause erklären.
Aber, Herr Kollege Schmid, die letzte Berner-kung, die Sie gemacht haben,
({6})
die lag - nehmen Sie mir das nicht übel, es ist ja
keine Beleidigung -, die lag unter Ihrem Niveau!
({7})
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Merkatz von der Fraktion der Deutschen Partei.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist etwas viel verlangt, wenn nach diesem Höhepunkt der Debatte noch weitere Redner die Aufmerksamkeit dieses Hauses in Anspruch nehmen. Nach fast zwolfstündiger Debatte ist es natürlich, daß die meisten Argumente bereits besprochen worden sind. Aber ich glaube, daß in vieler Hinsicht die Aufgabe der Debatte, die wir heute haben, restlos verkannt worden ist. Das Parlament hat sich in einer sehr entscheidenden Stunde einen schlechten Dienst erwiesen, daß es sich nicht in der Lage sah, die Grundfragen - Schicksalsfragen unseres Volkes - wirklich mit der notwendigen Abgrenzung und mit dem notwendigen Takt zu behandeln, wie das sonst bei einer solchen Debatte, die mehr ist als nur eine außenpolitische Debatte, notwendig wäre. Man kann etwas melancholisch werden, wenn man daraus Rückschlüsse auf den Zustand unseres Volkes ziehen wollte. Ich weigere mich aber, diese Rückschlüsse zu ziehen, und sehe in diesen Dingen nichts anderes, als daß die Spannung, die die Welt beherrscht, auch bis in dieses Haus hineinschlägt.
In der Wertung dessen, was hier gesagt wird, wäre anzuraten - besonders im Ausland -, die einzelnen Äußerungen, die gemacht worden sind, cum grano salis zu nehmen. Es war eine schlechte Methode der Debatte beim Schumanplan, daß es die Opposition für notwendig fand, einzelne Ausführungen der französischen Abgeordneten hier vorzutragen, um aus diesem Teil auf das Ganze zu schließen.
({0})
Wir hoffen auf die Weisheit derjenigen, die unsere Debatte im Ausland auswerten werden, daß sie auch nicht die einzelne Äußerung für das Ganze setzen und daß sie auch nicht die Überspitzung für den Inhalt nehmen.
({1})
({2})
Ich möchte mich bemühen und ich halte es dem Gegenstand alleine angemessen, daß man mit so wenig Feuerwerk spricht, als das überhaupt nur möglich ist. Ich möchte fast sagen, man kann gar nicht langweilig und nüchtern genug werden, um diesen Gegenstand zu behandeln.
Es ist die Aufgabe dieser Aussprache, in allererster Linie die Stellung unserer Regierung in ihren Verhandlungen draußen zu stärken; denn das ist doch jedem klar: Die Frage, um die es sich heute hier handelt, kann doch nicht eine Frage parteipolitischer Machtkämpfe sein. Der Vortrag der einzelnen Auffassungen hat doch eine deutliche Grenze dbrt, wo etwa durch eine Schwächung der Position unserer Bundesregierung für das Ganze, nämlich für die Bundesrepublik und damit für Deutschland, ein Schaden daraus entsteht.
Die zweite Aufgabe dieser Debatte ist, die Besorgnisse psychologischer Art, die im deutschen Volke hervorgetreten sind, auszuräumen, soweit das möglich ist - und es ist möglich!
Und schließlich hat sich diese Debatte auch mit den echten Argumenten der Opposition - der Sozialdemokratischen Partei in erster Linie - auseinanderzusetzen. Damit möchte ich beginnen, um den negativen Teil meiner Ausführungen vorauszuschicken.
Diese Argumente der Opposition kann man einteilen in täuschende Einwendungen, von denen man den Eindruck hat, als würden sie selber nicht ganz ernst genommen. Die nächste Gruppe der Argumente sind die nebensächlichen Fragen, die gegenüber dem Grundproblem nur als beiläufig zu behandeln sind. Und dann bleiben die echten Argumente übrig: Einwendungen, die zum Teil auch von uns geteilt werden, die aber noch nicht im Rahmen des gegenwärtigen Standes der Verhandlungen ausgetragen sind und für die eben die Regierung dieses Landes der notwendigen Unterstützung durch dieses Haus, durch das Parlament, bedarf.
Zu den unechten Argumenten der Opposition rechne ich folgende. Die Öffentlichkeit sei nicht genügend informiert worden! - Dazu hat der Herr Bundeskanzler bereits das Notwendige ausgeführt, so daß ich mich ganz kurz fassen kann. Ich glaube, daß das Zerschwatzen von unfertigen Dingen immer zum Nachteil ausschlägt. Man muß sich einmal vorstellen, was es bedeutet, wenn nun in sämtlichen Zeitungen - und man weiß doch, wieviele Feinheiten in der Textierung irgendeines Entwurfs enthalten sind - und in Wahlversammlungen diese Dinge zerredet werden! - Muß man denn immer unreife Äpfel essen: Man kann sie doch auch einmal ausreifen lassen! - Das würde bedeuten, daß mit voreiligen Stellungnahmen nicht nur immer wieder die Position im Innern dieses Landes versteift wird, -sondern natürlich auch die Position unserer Verhandlungspartner im Auslande, weil auch deren Öffentlichkeit angesprochen wird. Ich glaube, daß diese Forderung der sogenannten offenen Diplomatie, von der man immer redet, ein Irrtum ist; denn gewisse Dinge reifen tatsächlich in der stillen Aussprache, bis sie fertig sind, sehr viel besser. Muß denn immer vor der Öffentlichkeit das Mißtrauen erzeugt werden, daß etwas von der Regierung präjudiziert werde, ohne daß sie sich die notwendige Rückendeckung besorge? Ich glaube, es gehört zu den primitivsten Voraussetzungen unserer Nachkriegsdiplomatie, daß es ja ganz im Interesse der Regierung liegt, für eine fertige Sache oder dann, wenn diese Sache zum eigentlichen Zuge kommt, die breite Solidarität des deutschen Volkes hinter sich zu bekommen. Das gehört mit zu den Kernfragen. Deshalb bedeutet das Argument von der mangelhaften Information nichts anderes, als daß eben dieser Regierung hinsichtlich des, Weges, den sie für richtig hält, hinsichtlich ihrer Verhandlungsmethodik das Mißtrauen ausgesprochen wird, ohne daß man dabei im einzelnen weiß, bis zu welcher Station man vorangekommen ist. Es ist auch nicht Aufgabe dieses Hauses, diplomatische Methoden, die eine ganz ausschließliche Angelegenheit der Exekutive sind, zu kritisieren und über sie zu urteilen. Was dieses Haus hier angeht, sind die politischen Grundsatzfragen.
In der Rede des Herrn Kollegen Ollenhauer ist dann etwas angeklungen, was meine politischen Freunde und ich nicht ganz hinnehmen können. Es wird immer davon geredet, daß, wenn man eine solche Verteidigungsorganisation im Rahmen Gesamteuropas aufbaue, damit irgendwelche militaristischen oder sonstigen Kräfte ans Ruder kämen und sich damit die ganze Struktur des Staates ändere. Was für eine unnötige Diffamierung des Soldaten liegt darin! Denn wenn man glaubt, daß immer, wenn irgendwo ein General auftritt, das _ sofort eine Änderung der Struktur unseres Staates zur Folge habe, dann bedeutet das doch, daß man jedem General oder der Mehrzahl der Generale Unterstellungen macht. Das muß man als Diffamierung bezeichnen. Ich brauche mich nicht in die Militärphilosophie zu verlieren, aber ich - möchte das Wort vom Militarismus, das letzthin bereits aus einer Kriegspropaganda des ersten Weltkrieges stammt, in ernsthaften Diskussionen möglichst überhaupt nicht mehr hören; denn wenn es Leute gegeben hat, die vom wilden Soldaten gebissen waren - das hat es in anderen Armeen auch gegeben. Sehen Sie sich doch die Lustspielfiguren der ganzen Welt an! Vom Soldaten Schwejk bis zum miles gloriosus von Plautus hat man es für nötig befunden, diesen Typus in der Literatur zu schildern. Wir sollten doch dièse Figuren nun nicht zum Maßstab all dessen machen, was ein Soldat nach Grundsatz und Wesen darstellt. Wenn man in dieser Form der Beurteilung, militärische Fragen zu behandeln, fortfährt, dann soll man nicht um die Stimmen der Soldaten in einer Form buhlen, die oftmals schon nicht mehr ganz erfreulich ist.
({3})
Dann kommt die berühmte Geschichte vom Vorrang der Sozialpolitik. Hat man denn so wenig einsichtig die Finanzpolitik der gegenwärtigen Bundesregierung verfolgt, daß man nicht sieht, daß die Finanzpolitik darauf gerichtet war, in einem zähen Ringen und mit der notwendigen Voraussicht die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik zu sichern? Und wenn Herr Schäffer als der Türhüter gegen die Inflation auftritt und damit seine Popularität, ja oft Kopf und Kragen riskiert,
({4})
dann bedeutet das doch eine sehr deutliche Willensbekundung der Bundesregierung, daß sie ungeachtet des Spannungszustandes in der Welt, ungeachtet der Lasten, die auf uns zukommen, eben an dem Konzept festhält, daß eine gute Wirtschafts- und damit auch eine gute Sozialpolitik allerwichtigste Beiträge Deutschlands sind, daß man mit dieser Verringerung der Spannungen, die in unserem Gebiet bestehen, einen Verteidigungs({5})
Beitrag erster Ordnung leistet. Hinter dem Argument: „Erst die Sozialpolitik, dann alles andere!" verbirgt sich ja immer wieder die Diffamierung, gegen die wir uns wenden müssen, die Bundes-. regierung treibe keine wirksame Sozialpolitik. Es ist jetzt hier nicht die Zeit und der Ort, mit Statistiken zu kommen, um nachzuweisen, was tatsächlich am sozialen Zustand sich geändert hat. Das Argument vom Vorrang der Sozialpolitik gehört doch letztlich auch zu denen, die man dem rhetorischen Schein zurechnen muß.
Ich möchte auf die militärischen Dinge nicht im einzelnen eingehen. Es war da auch von den Kosaken die Rede, die im Rhein ihre Pferde tränken. Wir wollen uns doch einmal dieser dummen Bilder enthalten, wenn ich mir auch nicht verkneifen kann, zu bemerken, daß unsere Voreltern, die es tatsächlich noch erlebt haben, daß die Kosaken ihre Pferde im Rhein tränkten, gegenüber der russischen Frage damals eine sehr viel instinktsicherere Haltung einzunehmen vermochten, als das leider in unseren Tagen der Fall ist.
Dann kommt die berühmte Geschichte von der strategischen Idee, die wir nicht kennen. Dazu nur ein Satz. Ich möchte wirklich einmal das System sehen, das seine strategischen Ideen .preisgibt und etwa von der Öffentlichkeit diskutieren läßt. Ich meine, dadurch wird doch die ganze Idee nutzlos, und man muß einige Millionen ausgeben, um alles zu ändern.
Mit großer Entschiedenheit muß -ich mich auch gegen eine Argumentation der Opposition wenden, mit der sie in eine Herabsetzung des europäischen Gedankens mit einstimmt, dagegen, daß immer wieder, wenn irgendein Schritt getan werden muß, der oft seine Schwierigkeiten - auch seine diplomatischen Schwierigkeiten - in. sich schließt, dieser Schritt als ein Verpacken eines deutschen Nachteils in eine europäische Manschette dargestellt wird. So ähnlich, glaube ich, ist die Sache formuliert worden. Was steckt denn eigentlich in diesem Argument darin? Letztlich - trotz aller Beteuerungen, die hier wieder gemacht worden sind - eine Herabsetzung des europäischen Gedankens. Dabei ist es von besonderem Wert, sich darüber klar zu sein, daß dieser europäische Gedanke bisher der einzige politische Gedanke ist, der in unserem Volke und insbesondere auch in der deutschen Jugend einen wirklichen Widerhall gefunden hat. Also auch dieses Fundament soll um des Vorteils einer rhetorischen Blüte willen madig gemacht werden, um damit eine der wichtigsten politischen Hintergrundsvoraussetzungen und die politische Basis im Volke für den Weg, den die Bundesregierung und mit ihr die gesamte Koalition gegangen ist, zu zerstören.
Es geht nun um die Methode. Da wurde von dem Ob und dem Wie gesprochen. Das sind so diese berühmten theoretischen Zerspaltungen eines einheitlichen Vorgangs. Es ist eine Vexierfrage, wenn man sagt, der Verteidigungsbeitrag müsse erst nach der Frage des Ob und dann nach der Frage des Wie - oder umgekehrt - behandelt werden. Das Wie ist ja schließlich die Frage der Voraussetzungen. Und daß ein Gebiet wie das unsrige verteidigungswürdig ist und man sich mit allen Kräften darum zu kümmern hat, die Verteidigung vorzunehmen, ist doch eine Selbstverständlichkeit. Infolgedessen kann über diese Grundvoraussetzungen gar nicht gesprochen werden. Letztlich geht die ganze Diskussion dann eben auf in der Frage nach dem Wie oder, besser formuliert, in der Frage nach der Wirksamkeit jener Verteidigungsorganisation.
Dann ist in den Worten von Herrn Kollegen Arndt eine ganz interessante Offenbarung außenpolitischer Konzeptionen der SPD zutage getreten. Es wurde der Bundesregierung vorgehalten, sie hätte die Politik treiben müssen, erst einmal den letzten Krieg zu liquidieren, um dann die Fundamente der Zukunft zu legen. Ich möchte nichts Boshaftes sagen; das ist jetzt vielleicht nicht am Platze. Aber was heißt denn das: „erst einmal den letzten Krieg liquidieren"?
({6})
- Ich habe es mir so notiert; ich werde das Stenogramm noch nachlesen.
({7})
- Gut, ich will das akzeptieren. Wie könnte man das methodisch machen? Das ist meiner Ansicht nach ein juristisches Denkgebilde. Will man denn bei der Opposition nicht davon Notiz nehmen, daß dieser letzte Krieg eben nicht normal zu Ende gegangen ist, sondern völlig gegen die üblichen Formen des Völkerrechts? Die Großmächte, die ihn gewonnen haben, haben sozusagen ein pouvoir constituant für das neue Völkerrecht in Anspruch genommen. Es ist keine Beendigung durch Friedensvertrag erfolgt. Jeder Schritt, der vorwärts getan werden muß, wird immer zugleich Liquidierung des Krieges und zugleich Fundamentierung der Zukunft sein. Dieser Ausgangspunkt der Außenpolitik ist nun einmal objektiv gegeben. Dadurch, daß die vier Mächte auseinandergefallen sind, nachdem die drei Mächte des Westens erkannt hatten, daß es mit dem Bolschewismus in seiner Expansion eben keinen Ausgleich gibt, kann es gar keine andere Methode der Außenpolitik geben, als die Folgen des letzten Krieges damit zu liquidieren, daß man sich den Formen der Völkergemeinschaft in Zukunft anpaßt. Diese Formen sehen natürlich anders aus, als es im nationalstaatlichen Denken üblich war. Ich stelle immer wieder fest, daß die Opposition auf diesem Gebiet ein geradezu starres Denken hat.
({8})
Besonders bei der Rede von Herrn Professor Schmid konnte man alle Denkfiguren eigentlich nur verstehen, wenn sie im Jahre 1875, 1876 gesagt worden wären und wenn es sich darum gehandelt hätte, einen Friedensvertrag zwischen einem ziemlich mächtigen Deutschland und einem weniger mächtigen fremden Staat auszuhandeln.
({9})
- Gut, wir können sie auch nationalliberale Argumente nennen, wobei ich nicht in den Verdacht kommen möchte, dieser Gleichsetzung voll zuzustimmen, Herr Kollege Kiesinger!
Ich komme zu den Argumenten, die sich auf die Verfassungsfragen beziehen; sie gehören zu denen, die ich als nebensächliche Argumente bezeichnen möchte. Im Falle der Bedrohung eines Landes ist die Frage des procedere eigentlich ziemlich nebensächlich. Hat man sich denn - dieses Wort ist hier schon gefallen - eigentlich noch keinen klaren Begriff, von dem gemacht, was Notwehr ist? Notwehr ist diejenige Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.
({10})
Das ist zweifellos eine zivilrechtliche Vorstellung. Aber es gibt auch so etwas wie ein Notwehrrecht im Völker- und Staatsleben.
({11})
Ich möchte mich mit dem Argument auseinandersetzen, der Beitritt der Bundesregierung zu einer europäischen Verteidigungsorganisation mache eine Verfassungsänderung notwendig. Meine Damen und Herren, wenn Sie gesagt haben, damals, als diese Verfassung geschaffen worden ist, habe man an diese Dinge überhaupt nicht gedacht, ja, man habe sie gar nicht regeln wollen, dann können Sie, wenn Sie nun schon so juristisch argumentieren wollen, es auch nicht durch eine Verfassungsänderung machen. Denn das wäre eine Grundsatzentscheidung, die für alle Zeiten nur durch eine restlose Beseitigung der Verfassung und durch einen neuen konstitutiven Akt geschehen könnte, wenn man es schon so konsequent durchdenkt. Der Umstand, daß dies eine Unmöglichkeit, ja eine Absurdität ist, beweist, daß diese ganze Idee einer Verfassungsänderung ein hergeholtes Argument ist. Ich möchte nicht wiederholen, was der Herr Bundeskanzler im Hinblick auf Art. 24 und die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid im Parlamentarischen Rat, die ganz eindeutig waren, gesagt hat. Ich möchte allerdings diese Auslassung eines Mitglieds des Gesetzgebers, obwohl ich seinerzeit in meiner Rede vom November 1950 auch auf sie Bezug genommen habe, noch gar nicht einmal als so entscheidend betrachten. Es ist eine vollkommene Verkennung der politischen Situation unseres Staates, wenn man die Souveränität als ein Bündel von Hoheitsrechten betrachtet, die man, wie etwa der mittelalterliche Lehnsstaat, sammeln müßte, und wenn man dann sagt, angesichts der Beschränkungen, die die Londoner Empfehlungen gegeben hätten, enthalte das Grundgesetz dieses Hoheitsrecht nicht, es stehe uns also nicht zu, müsse daher - ich weiß nicht, woher - von irgendwo geholt werden.
Ich komme auf meinen Ausgangspunkt zurück. Dieses Hoheitsrecht der Selbstverteidigung eines Staates ist ein Naturrecht des Staates. Denn wenn er .es nicht hätte oder nicht in Anspruch nehmen würde, hätte er überhaupt keine Staatsqualität und könnte sie künftig auch nicht gewinnen.
({12})
Wer die deutsche Souveränität als etwas auffaßt, was man von den Siegern Stück für Stück verliehen bekommen könnte, irrt sich grundsätzlich.
({13})
Die deutsche Souveränität ruht, und in dem Rahmen, in dem das Bedürfnis und die Möglichkeit, ein Hoheitsrecht auszuüben, auf uns zukommt, ist dieses Hoheitsrecht gegeben.
Nun kam es heute zu einer etwas absurden Konstruktion von unseren föderalistischen Kollegen, die sagten: diese Rechte liegen grundsätzlich bei den Ländern und werden dann an den Bund abgetreten; man müßte also erst eine Kapitulation mit den Ländern über dieses Hoheitsrecht abschließen. Das ist eine Verkennung von verfassungsrechtlichen Vorgängen.
Das Deutsche Reich von 1870 beruhte allerdings auf einem völkerrechtlichen Vertrag, der nachher zugleich verfassungsrechtlichen Charakter bekam. Wenn es ein rein völkerrechtlicher Vertrag gewesen wäre, hätte sich im Jahre 1908 oder 1910 kein Land separieren und von diesem Vertrag wieder lösen können. Es ist eine völlige Verkennung des Begriffes des Deutschen Reiches, zu meinen, daß dieses Recht auf Separation nach Gründung des Reiches noch gegeben gewesen wäre. Damit ist es eben kein volkerrechtlicher Bund mehr, sondern ein Bundesstaat, der nach außen eine Einheit ist. Es ist völlig undenkbar, in diesem Sinne aus dem Bunde von 1870 etwa die Folgerung zu ziehen, daß nun quasi völkerrechtlich zwischen Bund und Ländern ein Vertrag über die Beanspruchung dieses Hoheitsrechtes geschlossen werden müßte, das seit der Weimarer Verfassung bereits beim Bunde gelegen hat. Es gibt in der Welt und in der Geschichte kaum noch Bundesstaaten, in denen das Recht der Wehrhoheit bei den ursprünglichen Staaten liegt. Das ist eine .natürliche Bundeskompetenz. Immerhin war seit dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung und de facto auch in der Zeit der Bismarckschen \ erfassung dieses Recht der obersten Wehrhoheit, nämlich das Recht - und das ist ja gerade das, was in Anspruch genommen wird -, Militarbündnisverträge nach außen hin zu schließen, schon längst eine Kompetenz des Bundes geworden. Ich wende mich hier gegen das Recht der Separation und damit gegen eine solche Uberspitzung des Föderalismus, weil man unter Umstanden an der Saar aus einer solchen Auffassung Folgerungen ziehen könnte, die wir als Angehorige des Deutschen Reiches - als die wir uns heute noch fühlen - ablehnen müssen, weil sie eine schwere Preisgabe der deutschen Position bedeuten.
Im Rahmen der Verfassungsfragen hat Herr Kollege Etzel etwas sehr Getahrnches gesagt. Er hat auf die Frage Bezug genommen, welchen Status denn ein Soldat der europäischen Verteidigungsorganisation haben wird, und er hat dann voing abwegige Schlüsse aus der Kapitulation und aus den i .ontroilratsgesetzen sowie aus dem ehemaligen Viermachte-Regime gezogen.
({14})
Ich halte mich für verpflichtet, dazu Stellung zu nehmen, damit nicht etwa ein russischer Vertreter eines Tages im Sicherheitsrat etwas vorbringt, was der Kollege Etzel bestimmt so gar nicht gemeint hat und auch gar nicht hat sagen wollen. Ein Soldat der europäischen Verteidigungsgemeinschaft ist eben nicht Soldat einer Nation, sondern Soldat der Gemeinschaft. Die Verteidigungsgemeinschaft ist zwar kein europäischer Bundesstaat, sondern eine Verwaltungsorganisation. Um die Qualität dieser Gemeinschaft brauchen wir uns nicht zu streiten. Kriegsrechtlich ist damit aber der Status eines Soldaten dieser Organisation vollkommen festgelegt. Bei dem Versuch, etwa in einem juristischen Perfektionismus und mit einem überscharfen Gewissen - Juristen, ich bekenne mich selbst dazu, neigen hierzu - die Dinge zu übertreiben und bis in die letzte Konsequenz zu durchdenken, kommt man unter Umständen auf Irrwege. Ich glaube, Herr Kollege Etzel ist damit auf Irrwege gekommen. Mit der Tatsache, daß es sich hier um Soldaten einer internationalen Organisation handelt, fallen alle übrigen Bemerkungen' und Betrachtungen - Kontrollratsgesetz, Bedeutung der Kapitulation, Abrüstung Deutschlands und was daraus gefolgert wird - als nicht zur Sache gehörig fort.
Wenn wir über Grundsatzfragen sprechen, ist es ein unbedingtes Erfordernis, daß wir das Problem richtig abgrenzen und nicht Fragen erörtern,
({15})
deren Erörterung nicht notwendig ist. Wenn wir darüber hinausgehen, setzen wir Meinungen in die Welt, auf die man uns später einmal festlegen könnte.
({16})
- Herr Heinemann soll mit dieser These reisen. Das ist ja überhaupt ein etwas unglücklicher Fall. Darauf komme ich aber nachher noch zu sprechen. Wenn ich mich auf den Standpunkt der europäischen Gemeinschaft stelle, brauche ich nicht dazu Stellung zu nehmen, was Potsdam und Yalta gewesen sind, ob das Verträge .waren oder nicht. Dann mag sich der Jurist ausdenken, was es bedeutet, wenn sie nicht ratifiziert worden sind. Das nur nebenbei. Die Diskussion der Frage, was die militärische Kapitulationsurkunde war, behalten wir uns, wie gesagt, vor, am besten im Rechtsausschuß, wenn es einmal notwendig wird.
({17})
Ich möchte dann zu einer Frage übergehen, die mich am meisten bewegt und die vielleicht das Wichtigste an der heutigen Debatte sein sollte, nämlich zu den Besorgnissen, die das deutsche Volk an den Beitritt zu einer solchen Verteidigungsgemeinschaft knüpft. Wenn wir über diese Frage in diesem Hause schon sprechen, halte ich es für unsere Pflicht als Abgeordnete, hier so klar und so deutlich wie irgend möglich zu sprechen. Dabei möchte ich einmal all die Bezugnahmen auf moralische, auf gefühlsmäßige Argumente beiseite lassen. Wir sind ein Volk, das den Krieg furchtbar verloren hat. Ich möchte einmal sauen: der deutsche Durchschnittsmensch ist sehr überfordert worden. Nun soll er auch zu diesen Dingen wieder Stellung nehmen. Man mutet dem Gemüt unseres Volkes und dem einzelnen Menschen reichlich viel zu. Ich halte es für eine sehr schlechte seelische Therapie, diesem Volk nun mit solchen Formulierungen zu kommen, wie sie Herr Dr. Schumacher oft gebraucht hat und wie sie heute Herr Professor Schmid gebraucht hat. Ich glaube, wir erweisen unserem Volke damit, einmal rein vom Therapeutischen aus gesehen, einen schlechten Dienst.
Ich möchte nur eines sagen: der Nihilismus, der sich in einigen Kreisen breitgemacht hat, ist eine wirklich entscheidende Gefahr. Mein Kollege Ewers hat einmal das gute Wort geprägt: „Wer heute Nihilist ist, ist morgen Bolschewist!" Deshalb wäre es sehr gut, wenn man nicht mit dem Ressentiment des Nihilismus spielte. Leider hat die überaus zweideutige Haltung der Opposition in dieser schwerwiegenden Frage - gleichgültig ob die Opposition das gewollt hat oder nicht - wesentlich dazu beigetragen, daß jene nihilistische Zersetzung unseres Volkes Fortschritte gemacht hat. Das ist eine Feststellung, um die man nicht herum kann, und die Sozialdemokratie wird selbst die Quittung für diese Sache bekommen. Im Volke ist es schon ziemlich deutlich gespürt worden, daß sie den - -({18})
- Wir werden uns wiedersprechen. Aber ich
möchte auf folgendes hinweisen. Sie haben den
Wahlkampf in Süddeutschland im Herbst 1950
unter einer Diktion geführt - und auch die jetzige
Debatte ist unter dieser Diktion geführt worden -,
aus der ,der einfache und unkomplizierte Mensch
nichts anderes entnehmen konnte als: Sie sind dagegen, unter allen Umständen, nicht nur unter den gegenwärtigen Umständen, sondern unter allen Umständen.
({19})
Mit diesem Argument haben Sie damals einen, übrigens überraschend geringen, Stimmenzuwachs erreicht.. Dann haben Sie nachher anders taktiert. Glauben Sie, daß wir der Demokratie einen guten Dienst tun, wenn diese Zweideutigkeiten, dieses Spielen mit den Imponderabilien unserer kranken Seele auf der einen Seite und das Spielen mit messerscharfen Nuancen in den Argumenten, die der einfache Mensch ja doch überhören muß, fortgesetzt werden, - glauben Sie, daß Sie sich selbst damit einen Dienst erweisen? Was bedeutet denn die Lehre von den Neuwahlen anderes? Gewiß, in England gibt's so etwas; da gibt es so eine Art von programmatischem Mandat. Das hat sich dort eingebürgert. Aber trotzdem hat das Parlament in England, als die allgemeine Wehrpflicht eingeführt werden mußte, die eine vollkommene Abkehr von der bisherigen Tradition des Landes war, die Frage entschieden, ohne vorher eine Neuwahl unter dem Motto durchzuführen: „Willst du die Wehrpflicht, oder willst du sie nicht?"
({20})
- Nein, das wird man nicht machen. Denn dann würde sich folgendes ergeben. Gewiß - vorausgesetzt, es kommt dann so, daß Sie die Verantwortung übernehmen -, dann werden Sie genau dasselbe tun müssen, was jetzt die Regierung macht.
({21})
Dann lassen Sie diesen Vorgang bei ein paar
Grundsatzfragen hinterher ein paarmal geschehen,
- was das Volk dann sagen wird? - Es fühlt sich betrogen!
({22})
- Denken Sie an den Panzerkreuzer; da ist die Sache geführt worden unter der Losung „Panzerkreuzer oder Kinderspeisung". Natürlich, er mußte gebaut werden. Was ist das Schlußergebnis bei diesen Neuwahlen über Grundsatzfragen? Zweimal vielleicht läßt sich das Volk die Geschichte gefallen, daß nachher die Opposition, die dann an der Regierung ist, das tun muß, was sie vorher bekämpfte.
({23})
Aber dann eines Tages wird das Volk es merken. So hat man es auch in Weimar gemacht; da hat man auch diese schlechte Methode angewandt, bis das Volk sich betregen fühlte und schließlich nach dem starken Mann rief.
({24})
Infolgedessen ist es eine jener ganz schweren Pflichten, die eine Regierung und auch die Mehrheit eines Parlaments zu übernehmen hat, wenn solche Grundsatzfragen in der Zeit der Legislaturperiode in voller Verantwortung entschieden werden. Das Urteil des Volkes wird dann kommen, wenn es eine Übersicht über das Richtig oder über das Falsch gewonnen hat, am Ende der Legislaturperiode.
Meine Damen und Herren, von Frau Wessel ist dann der Standpunkt vertreten worden, daß man doch irgendwann einmal mit dem Gedanken der Gewaltlosigkeit anfangen müsse, so gewissermaßen nach dem Grundsatz: „Hannemann, geh du vor({25})
an!", - aber der Satz geht weiter: „du hast die dicksten Stiebeln an!" Wir haben eben keine dicken Stiebeln an! Wenn wir ein mächtiger Staat wären, könnte man die Sache mit dieser Methode versuchen.
Aber wie liegen denn die Tatsachen? Dort auf der einen Seite 24 bis 30 Divisionen, hier dagegen steht bloß ein Drittel dieser Kräfte im Westen. Wir haben viel zuviel Krieg geführt in der ganzen Debatte. Es geht nämlich um etwas ganz anderes. Es geht hier um eine politische Frage. Die militärtechnischen Fragen wollen wir den Militärs überlassen. Wir stellen fest: Dort besteht eine Macht, die Sowjetunion, mit einer offensiv aufgestellten Armee. Der Herr Bundeskanzler hat die entsprechenden Informationen für 1950 bekanntgegeben. Gewiß, ich will gar nicht damit rechnen, daß sie jetzt gleich angreifen wollen. Aber ich frage doch nun einmal: Was dient dem Frieden der Welt mehr: indem man nichts tut, indem man sich also aufs hohe Roß setzt und sagt: erst einmal wünschen wir einen perfekten Friedensvertrag und eine perfekte Souveränität, eine perfekte Wiedergutmachung dessen, was da früher mal geschehen ist usw. usw., und dann sagt: wir wünschen also eine modernisierte Armee und eine absolute Sicherung unseres Gebiets, und dann werden wir erst bereit sein, j a zu sagen? Oder ist es nicht angemessener - und ganz einfach sehe ich die Dinge so -, daß man versucht, einen Vertrag zu schließen, der der exponierten Lage unseres Gebietes, der Kräfteüberlegenheit und dem Angriffsaspekt, der sich durch das Verhalten der anderen ergibt, Rechnung trägt, indem eine Beistandsverpflichtung, eine automatisch wirkende Beistandsverpflichtung der ganzen Welt gegeben wird? Es geht - wenn ich mich mit diesen Besorgnissen des deutschen Volkes auseinandersetze - nicht um militärisch-technische Fragen, sondern es geht um eine politische Frage.
Ich weiß nicht, aber ich glaube, der Herr Bundeskanzler hat in seiner Rede schon gesagt, was damals die akute Gefahr war, und auch die Opposition hat ausgeführt, worin die akute Gefahr bestand. Das ist im Jahre 1950 die Neutralisierung gewesen. Nun, meine Damen und Herren, die Begriffe „Neutralität", „Neutralisierung" und „Verteidigungsbeitrag" gehen etwas durcheinander, da muß man zunächst mal einiges klarstellen. Daran, daß wir erklären, wir wollen neutral sein, kehrt sich kein Mensch, der die Macht hat, diese Neutralität zu verletzen. Es gibt, wie Sie wissen, die vier Fälle der denkbaren Neutralität, aber ich will sie hier jetzt nicht im einzelnen aufzählen. Der Kernpunkt ist jedenfalls immer, daß man diesen Willen, neutral zu bleiben, respektiert. Sehen Sie sich nun das Kräfteverhältnis an! Es sieht nicht so sehr nach einem Respektieren dieses Willens, neutral zu bleiben, aus, und deshalb entfällt diese Konzeption.
Und was ist Neutralisierung? Das ist ein Vertrag der vier Mächte, die sich darüber einig werden: dieses Gebiet wollen wir nicht in einen kriegerischen Konflikt einbeziehen. Meine Damen und Herren, ich habe leider nicht mehr viel Zeit, um dieses' Problem, das immerhin so ist, daß man es genau analysieren müßte, jetzt eingehend zu behandeln. Aber was bedeutet Neutralisierung? Genau das, was der Russe haben will! Dann brauchte er gar keinen Krieg zu führen, um ganz Deutschland in seinen Machtbereich einzubeziehen; denn damit hätte er dieses Ziel ohnehin schon erreicht. Aber noch etwas bedeutet es: nicht etwa, daß dieses Gebiet dann nicht vom Krieg überzogen A wird, sondern ich behaupte: die Neutralisierung zieht den Krieg geradezu herbei.
({26}) Denn jede kleinste Verschiebung der Macht zugunsten der Sowjetunion oder zugunsten der Westmächte trägt dann die Gefahr in sich, daß angesichts einer solchen Neutralisierung die eine oder die andere Seite zur Intervention schreitet. Im übrigen zementiert - dieses scheußliche Wort ist neuerdings bei uns aufgekommen, offenbar aus einer Art Bunkersprache - doch die Neutralisierung einen Zustand absoluter Ohnmacht und damit die Notwendigkeit, dann Befehlsempfänger bei allen vier Mächten zu sein. Und zum dritten bedeutet Neutralisierung nicht etwa eine Garantie des Friedens, sondern geradezu die Gewährleistung dafür, daß jeder Streit zwischen den vier Mächten auf unserem Rücken ausgetragen wird.
({27}) Diese Gefahr angesichts der Methoden des Kalten Krieges, der Fünften Kolonne, abzuwenden, ist doch zunächst einmal das Politische. Der Preis dafür, daß wir einen Verteidigungsbeitrag erbringen, besteht dann darin, daß künftig eine Neutralisierung Deutschlands nicht mehr möglich ist. Das ist das eine, was wir gewinnen. Das andere, was wir in unserer exponierten und gefährlichen Lage gewinnen, ist die automatisch wirkende Beistandsverpflichtung der freien Welt.
Das sind immerhin zwei Punkte, die, realistisch betrachtet, eine außerordentlich wichtige, eine unschätzbar wichtige Position schaffen, die in sich die große politische Möglichkeit bietet, wirklich kriegverhütend zu wirken.
Dann ist von Provisorium und Definitivum gesprochen worden. Meine politischen Freunde sind bei jeder Gelegenheit gegen dieses Provisorium Sturm gelaufen, denn ein Provisorium bedeutet in der Auslegung politische Ohnmacht. Meine Damen und Herren, wie wollen Sie Deutschland wiederherstellen, wenn Sie diesem Teil des Landes nicht die Kraft geben und ihm nicht die Verantwortung aufbürden, für die andern mitzuhandeln?!
({28})
Was zu der Kritik von Herrn Professor Schmid an dem Generalvertrag und an dem Verteidigungsbeitrag noch zu bemerken ist, möchte ich einem anderen Sprecher meiner Fraktion überlassen. Man muß diese Dinge in Ruhe erörtern; es hat doch keinen Sinn, hier Rhetorik zu betreiben. Wir sind leider nicht in der Lage gewesen, die Dinge so zu behandeln und durchzusprechen, wie es gut gewesen wäre.
({29})
Meine Damen und Herren, nachdem der nächste Redner gesprochen haben wird, beabsichtige ich, die von der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei gewünschte etwa halbstündige Pause eintreten zu lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Goetzendorff, fraktionslos.
Goetzendorff ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Alle noch so spitzfindigen und tiefgründigen Debatten können uns nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir in einem Lande leben, in dem die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden,
({1})
({2})
einem Lande, in dem die Skala der unerhörten sozialen Spannungen von der Königsallee in Düsseldorf bis zu den Elendslagern der Vertriebenen im Bayerischen Wald reicht.
({3}) Diesem zerbombten, entnazifizierten und ausgepowerten deutschen Volk, das in seiner jüngsten Vergangenheit so unerhörte Blutopfer gebracht hat, mutet man wieder zu, einen Verteidigungsbeitrag zu leisten, einen Beitrag, der nicht nur in Geld, sondern in deutschen Menschenleben besteht, wenn irgendwo .auf der Welt wieder einmal ein Massengrab droht.
Ich bin überzeugt, daß sich in diesen Tagen viele junge Deutsche fragen werden, ob es sich überhaupt lohnt, für diese Bundesrepublik zu sterben.
({4})
- Herr Kollege, es genügt mir, wenn ich Sie hier sehe, und ich bedaure das deutsche Volk, daß seine Fernsehtechnik noch in den Kinderschuhen steckt; denn wenn die Bevölkerung Ihr haßerfülltes Gesicht sehen würde, würde sie wissen, was hier gespielt wird!
({5})
- Ich lasse mich von einem Stabszahlmeister hier nicht im Befehlston anreden!
({6})
Herr Abgeordneter Goetzendorff, ich empfehle Ihnen, Ihre kurze Redezeit für sachliche Ausführungen zu benutzen, wenn Sie sie zu machen wünschen.
Goetzendorff
({0}): Herr Präsident, ich wurde dauernd gestört und unterbrochen!
Ich bin überzeugt, daß sich das viele junge Menschen überlegen werden, insbesondere wenn sie in der Presse lesen, daß Vertreter der Bundesregierung der Ansicht seien, es könnten nur etwa 9 bis 10 Milliarden jährlich für den Verteidigungsbeitrag aufgewandt werden, und wenn sie dabei bedenken, daß man ihnen seit Jahren den Lastenausgleich vorenthält, der ein Geringeres erfordert hätte als das. was man jetzt pro Jahr aufzuwenden gedenkt. Es kann keine Frage sein, daß, bevor eine Entscheidung über den Verteidigungsbeitrag fällt, das soziale Gefälle in diesem Lande planiert werden muß.
Die andere unverzichtbare Bedingung ist die Forderung nach voller Gleichberechtigung des deutschen Volkes,
({1})
nicht nur in der europäischen Gemeinschaft, sondern auch im Atlantikpakt. Wenn von uns gefordert wird, daß wir im Ernstfall gemeinsam mit den Soldaten der anderen freien Völker sterben sollen, dann setzt dies die Ausmerzung jeder Diskriminierung voraus.
({2})
- Das will ich Ihnen beantworten. Ich war vier Jahre in Rußland und bin schwerkriegsbeschädigt, Herr Kollege!
({3})
Es gibt Kreise, die glauben, aus der Sehnsucht der Vertriebenen nach ihrer Heimat ein politisches Geschäft machen zu können. Denen sei gesagt, daß die Ostdeutschen hellhörig geworden sind. Sie wissen, daß die Rückkehr in die gestohlene Heimat nicht durch einen Krieg mit ungewissem Ausgang erstrebt werden kann. Sie wollen nicht an einem Kreuzzug gegen den Bolschewismus teilnehmen, um an der Heimat vorbei in die sibirischen Gefangenenlager zu marschieren. Sie haben nicht vergessen, daß Amerikaner und Engländer bei dem verbrecherischen Akt von Potsdam Pate gestanden haben, und sie fordern: bevor der Verteidigungsbeitrag ernsthaft diskutiert wird, müssen sich die freien Völker von Yalta und Potsdam nicht nur rhetorisch, sondern durch vertragliche Zusicherung distanzieren. Nicht der Herr Bundeskanzler wird in einem künftigen Krieg als Kanonenfutter in den Schützengraben gehen
({4}) sondern jene Deutschen, die heute befürchten, daß über ihren Kopf hinweg entschieden wird.
({5})
Herr Kollege Strauß hat mit den Worten geschlossen: Es lebe Europa! Bevor Europa aber lebt und leben kann, muß Deutschland leben.
, ({6})
Man frage nicht nur das Parlament; man frage die Männer, die als Krüppel aus dem letzten Krieg zurückgekommen sind; man frage die Mütter, die aufs neue um das Leben ihrer Söhne bangen; und man lege sich die Gewissensfrage vor, wie jene entscheiden würden, die heute in zwei Erdteilen die fremde Erde bedeckt.
Kommen Sie bitte zum Schluß, Herr Abgeordneter! Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Goetzendorff ({0}): Herr Präsident, ich bin in meiner Redezeit durch die andauernden Zwischenrufe behindert worden. - Der BHE zeigte bei seiner Bundestagung ein Transparent mit den Worten: Europa - Deutschland - Heimat. Ich aber bekenne mich zu der Forderung: ein befriedetes Europa kann erst dann geschaffen werden, wenn Yalta und Potsdam ausgelöscht sind. Erst Deutschland und die Heimat, dann Europa!
({1})
Meine Damen und Herren, es ist 16 Uhr 34. Ich unterbreche die Sitzung und beginne mit der Sitzung wieder um 17 Uhr 10.
({0})
Die Sitzung wird um 17 Uhr 21 Minuten wieder eröffnet.
, Meine Damen und Herren! Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige und die gestrige Debatte haben eine komplette Parallele, einen kompletten Vorgänger bereits vor 15 Monaten gehabt. Ich möchte Ihnen allen, wenn Sie dem, was hier gesagt worden ist, noch einmal nachgehen wollen, um zu einer Analyse der Thesen und Gegenthesen zu kommen, empfehlen, jene Debatte vom S. November 1950 - es handelt sich um die 98. Sitzung dieses Hohen Hauses - nachzulesen. Dabei würden Sie - wenn
({0})
ich einmal das Thema Generalvertrag ausklammere - die erstaunliche Feststellung machen, daß sich im übrigen sowohl an der These der Regierung als auch an der der Opposition nichts geändert hat.
({1})
Allerdings muß ich - sehr zu meinem Bedauern - sagen, daß diese Thesen durch die letzten Erörterungen von seiten der Opposition um zwei Punkte bereichert worden sind, die ich beide als äußerst unerfreulich ansehe.
Wir haben, als wir kürzlich einen Auftakt zu dieser Debatte hatten, einen Vortrag des Herrn Kollegen - Schoettle gehört, der mit den Worten schloß:
Wir Sozialdemokraten werden uns in dieser Frage den Bedürfnissen der amerikanischen Innenpolitik nicht beugen.
({2})
Ich habe es damals sehr begrüßt, daß der Herr Kollege Euler diese Ausführungen und die danach mögliche Unterstellung auf das energischste zurückgewiesen hat. Ich möchte das, weil diese These inzwischen in der deutschen inneren Politik eine gewisse Bedeutung erlangt zu haben scheint, noch einmal nachdrücklichst tun.
Wir haben aber heute noch ein Zweites gehört; das ist aus dem Munde von Herrn Dr. Arndt gekommen, der die Ausführungen meines Freundes Strauß falsch zitierte bzw. dahin zu interpretieren versuchte, als ob wir geneigt wären, Menschen statt Wohnungen anzubieten.
({3})
Ich fordere Herrn Dr. Arndt hiermit auf, diese Ausführungen zurückzunehmen
({4})
und diesen Fehlschluß zu berichtigen,
({5})
sonst würde ich -das Urteil über eine derartige Auslegung der Ausführungen meines Kollegen Strauß getrost dem deutschen Volke überlassen.
({6})
Mein eigenes Urteil darüber brauche ich nicht mehr hinzuzufügen.
({7})
Meine Damen und Herren, wir kommen aus dem Lande in diese Debatte und wissen, daß unser Volk in Herz und Verstand von der Frage, die hier debattiert wird, hin- und- hergeschüttelt wird. Aus den Auseinandersetzungen im Lande wissen wir aber auch sehr genau, wie viele draußen und wie viele von uns einer Entscheidung durch den Rückzug hinter diese oder jene Kulisse ausweichen möchten.
({8})
Wir sind aber fest entschlossen und haben das, glaube ich, in dieser Debatte auch gezeigt, daß wir nichts beschönigen werden, sondern die erbarmungslose Wirklichkeit, in die unser Volk gestellt ist, analysieren und die zahlreichen Kulissen und Attrappen als Machwerke von Illusion in dem einen Fall und von Heuchelei in dem andern Fall entlarven.
({9})
Wir glauben, daß wir unserem Volke diesen Dienst schulden, und wir werden diesen Dienst unserem Volke leisten in dem Willen, das gemeinsame Schicksal gemeinsam zu tragen.
Wenn ich gesagt habe, daß die Debatte in der Zwischenzeit nicht um sonderlich neue Gesichtspunkte bereichert worden sei, so möchte ich hier doch Gelegenheit nehmen, anzuerkennen, daß sich eigentlich die ganze deutsche Presse in den vergangenen Monaten sehr große Mühe gegeben hat, die hier zur Erörterung stehenden Fragen von allen Gesichtspunkten aus sehr ausführlich zu beleuchten, und daß sie dabei nicht zuletzt auch gerade den oppositionellen Stimmen ein starkes Gehör gegeben hat. Wir begrüßen das durchaus, denn wir glauben, daß in einer Lebensfrage wie dieser überhaupt nicht genug diskutiert werden kann, wenn und solange nur ehrlich diskutiert wird. Aber über das geschriebene und gedruckte Wort hinaus ist auch manches in Zeichnung und Bildern gesagt worden, von denen ich glaube, daß sie zum Teil tatsächlich ein Durchdenken des Problems bis zum Ende erkennen lassen. Ich möchte hier aus einer großen deutschen Zeitung jene Karikatur erwähnen, in der zwei Uniformen mit den Worten zur Auswahl gestellt wurden: „Bedaure, es gibt momentan nur diese beiden Modelle." Für diejenigen unter Ihnen und für diejenigen draußen, denen das sehr hart klingen mag, kann man, glaube ich, diese Darstellung nur durch das unterstreichen, was Herr Kollege Ollenhauer gestern hier gesagt hat, daß nämlich hinter dem „Ohne mich" das totalitäre Konzentrationslager stehen würde. Diesen Satz möchte ich allerdings mit vollem Nachdruck unterstreichen. Ich glaube, er läßt erkennen, wieviel näher sich Regierung und Opposition im Grunde sind, als es nach manchen Ausführungen hier scheinen könnte.
({10})
Ich möchte aber auch noch ein Wort dazu sagen, daß wir auch in der ausländischen Presse manche Stimme des Verständnisses für die spezielle deutsche Lage gefunden haben. Als eine Stimme von vielen, von der ich glaube, daß sie geeignet ist, einen sehr guten und nachdenkenswerten Beitrag in diesem Augenblick zu leisten, möchte ich Walter Lippmann zitieren, der geschrieben hat:
Es ist nichts Verwerfliches in dem, was die Deutschen tun. Sie tun, was ein besiegtes Volk immer tun wird, wenn seine Regierung nicht in den Händen von Kollaborateuren, sondern von vaterlandsliebenden und klugen Männern liegt
Ich glaube, daß diese Ausführungen eines ausländischen Journalisten, wenn sie bei zahlreichen ausländischen Regierungen nachhaltig beachtet werden, dann durchaus dazu beitragen könnten, manche Schwierigkeiten der gegenwärtigen Lage leichter zu beheben.
Meine Damen und Herren, wenn wir nun noch einmal einen zusammenfassenden Blick auf die Thesen der Opposition werfen, so sind es fünf Punkte. Es ist als Punkt 1 die Forderung nach der Gleichheit der Chancen und der Gleichheit des Risikos, die sie als nicht gegeben ansieht. Sie sieht ferner keine deutsche Gleichberechtigung politisch und militärisch als gegeben an. Sie verlangt, keine Koppelung zwischen Generalvertrag und Verteidigungsvertrag vorzunehmen. Sie sieht das Wehrgesetz als nach der Verfassung unmöglich an und spricht diesem Bundestag die Legitimation ab. Das sind die fünf Thesen, die die Opposition landauf, landab - übrigens nicht erst in diesen Tagen, sondern seit jenem von mir erwähnten 8. November 1950 - in dieser Weise formulierte. Ich glaube, daß
({11})
I diese Debatte auf jede einzelne dieser Fragen für alle diejenigen, die zuhören wollten, eine schlüssige Antwort gegeben hat. Ich glaube darüber hinaus, daß die Auseinandersetzung über diese Thesen und Vorbehalte dadurch sehr erleichtert wird, daß auch Herr Kollege Ollenhauer hier noch einmal deutlich ausgesprochen hat, daß die grundsätzliche Verteidigungsbereitschaft wenigstens nicht zur Debatte steht.
Und nun erlauben Sie mir, in diesem Punkt das Argument aufzunehmen, was von jenem November 1950 ab als Forderung der SPD herüberragt, wie sie uns damals Herr Dr. Schumacher hier in diesem Hause vorgetragen hat. Es hieß damals, daß die Etablierung einer kriegverhindernden Macht das entscheidende Ziel sein müsse, und er hat dem hinzugefügt, daß die demokratischen Streitkräfte so stark sein müßten, bei einem Angriff aus dem Osten die Kriegsentscheidung im Gegenstoß außerhalb der deutschen Grenzen suchen zu können.
Ich lasse einmal den letzteren Teil weg, weil er mir etwas zu unterstellen oder zunächst schon in den Bereich des Möglichen zu ziehen scheint, was wir in diesem Augenblick nicht erörtern möchten. Aber der erste Teil dieser These, nämlich die Etablierung einer kriegverhindernden Macht, deckt sich voll -und ganz mit der Auffassung der Regierungsparteien.
({12})
Wenn wir uns in diesem Punkt einig sind, dann glaube ich, daß wir uns in dieser Beziehung über jede Unterstützung, die wir von der Opposition hierbei erfahren, nur freuen können. .
Wir haben aber gestern noch einmal in anderer Formulierung gehört, was man sich denn unter der sozialen Sicherung unseres Friedens vorstellt. Herr Kollege Ollenhauer hat dafür drei Punkte angegeben: den Lastenausgleich, das Arbeitsbeschaffungsprogramm und schließlich die Mitbestimmung. - Wenn das in der Tat sozusagen der ganze sozi ale Vorbehalt ist, dann glaube ich, daß wir auch ihn sehr gut und sehr schnell und unter Ihrer aller Mitwirkung werden verabschieden können.
({13})
Nach den getroffenen Veranstaltungen dürfte der Lastenausgleich in diesem Hause bald zur zweiten und dritten Lesung und hoffentlich zur Verabschiedung kommen. Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm ist überhaupt von Anfang an und ständig der Gegenstand unserer ganzen Politik, deren Erfolge Sie i a gerade auf diesem Gebiet unmöglich werden leugnen können.
Was schließlich das Thema der Mitbestimmung angeht, so ist zu sagen. daß auch diese Frage - wenn wir auf diesem Gebiet nicht einen Zwischenfall vor etwa einem Jahr gehabt hätten - heute bereits längst ad acta gelegt wäre.
({14})
Sie sind freundlich aufgefordert, bei der demnächst statfindenden zweiten und dritten Beratung des Mithestimmungsgesetzes Ihre vollinhaltliche Unterstützung zu geben.
({15})
Ich darf mich nun der Frage Generalvertrag und Verteidigungsvertrag zuwenden. Ich glaube, daß wir auch hier mit der Opposition zunächst einmal ein Einigsein dahin feststellen können, daß der Weg, den Deutschland aus der tiefsten und schrecklichsten Niederlage seiner Geschichte zurückzulegen hat, nur außerordentlich mühselig, schwierig und allmählich vollzogen werden kann. Wir sind allerdings uneinig in der Beurteilung der Fortschritte, die wir auf diesem Gebiet gemacht haben. Wenn Sie sich den Stand der Debatte vor fünfzehn Monaten auch daraufhin noch einmal ansehen, so werden Sie finden, daß damals der einzige Punkt in dieser außenpolitischen Beziehung eine schlechte Prognose für den Europarat gewesen ist. Inzwischen sind wir, wie Sie ja selbst miterlebt haben, in einigen Punkten längst über ein solches Stadium hinaus, indem wir einen funktionellen Anfang gemacht haben. Ich glaube, Sie werden nicht bestreiten können, daß die Linie, die über das Petersberg-Abkommen vom Demontagestop zur Remontage geführt und die von der Ruhrbehörde über den Schumanplan zur Hohen Behörde geführt hat, konsequent und erfolgreich gewesen ist, und das entgegen der Versklavungsparole, die uns die. Opposition dafür auf den Weg gegeben hatte.
({16})
Ich glaube darüber hinaus, daß sich die von uns allen in diesem Augenblick sehr bedauerte deutschfranzösische Spannung gerade auf dem Boden des bisher geschaffenen europäischen Plafonds wird lösen lassen, und - wenn Sie mir das als persönliche Anmerkung dazu erlauben - als geborener Saarbrücker zweifle ich keinen Augenblick daran, daß das Saargebiet einen vollen Bewährungsbeitrag zu dieser Lösung bieten wird.
({17})
Ich möchte nun zu einigen Einzelheiten des Generalvertrags und seiner Annexe kommen, soweit sie in der Diskussion berührt worden sind und soweit sie in unseren Anträgen festgehalten werden. Ich bedaure, daß Herr Kollege Schmid, als er hier sprach, offenbar die Texte der Anträge, die wir gleich stellen werden, noch nicht vor sich hatte; denn dann wäre er der Peinlichkeit enthoben gewesen, eine Reihe von Dingen anzuschneiden, über die es überhaupt keine Uneinigkeit in diesem Hause geben kann und bei denen man deswegen auch nicht so tun sollte, als ob es eine Uneinigkeit gäbe.
({18})
Ich möchte ganz kurz zusammenfassen, was wir als eine notwendige Voraussetzung für den Abschluß des Generalvertrags und seiner Übergangsbestimmungen ansehen. Dazu gehört nach unserer Auffassung erstens ein klares Ende des Besatzungsregimes, und dazu gehört nach unserer Meinung, daß der Truppenvertrag einem üblichen internationalen Standard entsprechen muß. einem Standard, für den es Beispiele in dem NATO-Statut, in dem europäischen Truppenstatut und schließlich auch in den Vergleichen mit Regelungen aus dem zweiten Weltkrieg gibt.
Wir sind zweitens der Auffassung, daß irgendeine Souveränitätsbeeinträchtigung nur insoweit noch möglich sein kann, um eine Viermächtelösung der Wiedervereinigung Deutschlands nicht provokatorisch zu inhibieren und den Berliner Status nicht zu gefährden.
Wir sind auf dieser Basis drittens der Auffassung, daß man alle besatzungsrechtlichen Versteinerungen beiseite lassen sollte, die durch den Grundgedanken des Generalvertrags nicht gedeckt sind. Um die praktische Aktualität - oder ich möchte sagen: Nicht-Aktualität - dieses Beispiels zu
({19})
zeigen, möchte ich sagen: wir werden es keinem jungen Deutschen zumuten, einen Panzer zu besteigen, solange die Alliierten sich etwa noch eine Kontrolle der deutschen Gewerbefreiheit vorbehalten sollten.
({20})
Als vierten Punkt darf ich herausstellen, daß wir alle einseitigen Erzeugungs- und Forschungsverbote ablehnen müssen, weil sie auf der Basis einer Gemeinschaftsaufgabe unerträglich sein würden als der Ausdruck einer minderen Rechtsstellung. Nach unserer Meinung muß das Ende des Besatzungsregimes und das Ende der Besatzungskontrollen zusammenfallen. Auch auf dem an sich sehr schwierigen und in diesem Hause häufiger behandelten Gebiet der Entflechtungen dürften sich entsprechende Lösungen finden lassen.
Fünftens. kann man nicht gleichzeitig ein deutsches europäisches Kontingent und daneben die bisherigen Dienstgruppen haben, wobei wir bereit sind, anzuerkennen, daß die Beseitigung dieser Dienstgruppen stufenweise und parallel zum Aufbau des deutschen Kontingents vollzogen werden sollte.
Sechstens ist zum finanziellen Verteidigungsbeitrag anzumerken, daß er einseitige Besatzungskosten ausschließt, daß keine getrennten Zahlungen für eine europäische Armee und amerikanisch-britische Truppen in Frage kommen werden und daß bei der Festlegung unseres finanziellen Verteidigungsbeitrags berücksichtigt werden muß, mit welchem Übermaß von sozialen Lasten die Bundesrepublik durch das Problem der Vertriebenen und die besondere Fürsorge für Berlin belastet ist.
Wir müssen siebentens paritätisch besetzte Schiedseerichte und gemischte Gerichte, soweit sie vorgesehen sind, anstreben.
Achtens brauchen wir eine Anpassung des Berliner Besatzungsstatus an die neue Lage in der Bundesrepublik und eine Festigung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Berlin, die bisher noch durch besatzungsrechtliche Kontrollen erschwert war.
Meine Damen und Herren! Ich bin der Überzeugung, daß wir in allen diesen acht Punkten positive Ergebnisse in den Verhandlungen werden erzielen können, weil ich glaube, daß diese Verhandlungen in einem allgemeinen europäischen Interesse positiv verlaufen müssen.
({21})
Aber erlauben Sie mir in diesem Zusammenhange eine Bitte an die westliche Welt: zu verstehen, daß viele gute Absichten und Reformideen bei uns nur Eingang finden können, wenn sie nicht von vornherein mit dem Makel des Siegerrechts belastet werden.
({22})
Ich denke dabei gerade an das sehr schwierige Problem des Kartellgesetzes und ähnlicher Bestimmungen, von denen man hier und draußen weiß. daß große Teile der deutschen Öffentlichkeit diesen Dingen durchaus positiv gegenüberstehen. Man sollte diese Kreise nicht dadurch in eine schwierige Lage bringen, daß man von draußen etwas verlangt, was sich besser erst aus einer innerdeutschen Auseinandersetzung ergeben kann, wenn es fest und dauerhaft sein soll.
Aber ich glaube, daß auch eine zweite Bitte gerechtfertigt ist, nämlich die an das deutsche Volk, seinerseits zu verstehen, daß nicht nur in Deutschland seelische Barrieren für einen Fortschritt der internationalen Beziehungen aufgerichtet sind, sondern daß solche seelischen Barrieren auch draußen bestehen, daß sie offenbar und natürlicherweise-schwerer abzutragen sind als Zollschranken und daß der überall erforderliche seelische Erneuerungsprozeß behutsam gepflegt und gefördert werden muß.
({23})
Meine Damen und Herren, ich möchte der Opposition nun doch einmal vorhalten, daß es ein gefährliches Spiel wäre, wollte sie die Verteidigungsfrage parteipolitisch mißbrauchen.
({24})
Wenn Sie Ihre Forderung auf Neuwahlen konsequent zu Ende denken, liefe es doch darauf hinaus, ob Sie das an sich wollen oder nicht. Aber vielleicht darf ich ,Ihnen für Ihre eigenen Überlegungen zu dieser Frage ein persönliches Erlebnis beitragen.
Ich hatte am vergangenen Sonntag Gelegenheit, einer Einladung folgend in einer Betriebsräte- und DGB-Funktionärversammlung zu sprechen, in der ein Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes das Hauptreferat hielt. Es ist die erste Versammlung, an der ich in meinem Leben teilgenommen habe, die nicht ordnungsgemäß zu Ende geführt werden konnte, und zwar deshalb nicht, weil dort von einer offensichtlich radikalen und ferngesteuerten Gruppe
({25})
die schärfsten Anträge gestellt wurden, die in diesem Augenblick überhaupt nur denkbar waren: Rücktritt des Bundesvorstandes, und schließlich wurde die Ausrufung des Generalstreiks für den Fall gefordert, daß ein Wehrgesetz verabschiedet
werden sollte. Über diese Dinge mit der äußersten Linken dieses Hauses zu sprechen ist selbstverständlich von vornherein hoffnungslos.
({26})
Aber den Kollegen, die neben dieser äußersten Linken sitzen, möchte ich dazu sagen, daß links und rechts von mir in dieser Versammlung Männer aus ihren Reihen saßen, die entsetzt in den Ruf ausbrachen: Unsere Leute gehen ja mit! - Meine Damen und Herren, das sollte Sie sehr, sehr nachdenklich stimmen.
({27})
und dem Volke zeigen, wieweit der Prozeß der Unterlaufung offensichtlich schon gediehen ist, wenn man ihm nicht einen radikalen Einhalt gebietet.
({28})
Ich möchte in diesem Zusammenhange offen anerkennen und aussprechen, daß ich große Achtung vor dem Mut des Bundesvorstandes und des Bundesausschusses der deutschen Gewerkschaften habe, die in dieser Lage ein klares Wort demokratischer Verantwortung als Führer einer großen demokratischen Organisation gesprochen haben.
({29})
Meine Damen und Herren, wenn wir uns Ihr prinzipielles Ja ansehen - mit den Vorbehalten, die ich erörtert habe - und dann die Forderung auf Neuwahlen höre, dann darf ich mich und das
({30})
deutsche Volk fragen: Neuwahlen, um dann das gleiche zu tun?
({31}) Neuwahlen ohne konstruktive Alternative? Denn Sie werden doch nicht glauben, meine Damen und Herren, daß Sie gestern oder heute hier in diesem Hause eine konstruktive Alternative aufgezeigt hätten!
({32})
Zu dieser Forderung auf Neuwahlen sagen wir ein unmißverständliches Nein.
({33})
Ein Nein nicht nur aus verfassungsrechtlichen
Gründen und - hören Sie genau hin, dann können
Sie das Maß unserer „Angst" vielleicht erkennen!
- ein Nein, weil wir erstens unser Mandat auch im dunkelsten und engsten Tal - unserem Gewissen verpflichtet - wahrnehmen werden,
({34})
weil wir das zweitens nicht anonym, sondern weil wir das namentlich und öffentlich tun wollen;
({35})
und drittens, weil wir uns dann wiederum - und
Sie brauchen nicht länger als 15 Monate zu warten
- dem deutschen Volke für sein Urteil stellen werden.
({36})
Aber ich glaube, daß die Situation doch so ist, daß wir eine Bitte an die Opposition hier im Hause und draußen im Lande richten sollten, nämlich die Aufforderung, uns zusammenstehen zu lassen, um die bestmöglichen politischen und militärischen Voraussetzungen unserer gemeinsamen Sicherheit gemeinsam mit Ihnen zu erkämpfen.
({37}) Machen Sie sich die Antwort in dieser Schicksalsstunde unseres Volkes nicht leicht! Sie wissen genau so gut wie wir, daß gegenwärtige Gefahren getragen werden müssen, um künftige noch größere zu vermeiden!
Wie immer aber auch Ihre Entscheidung in dieser Frage ausfallen mag: das deutsche Volk soll wissen, daß sich niemand dieser einzigen und dieser einzig legitimen Notgemeinschaft für den Frieden entziehen darf.
({38})
Wir aber versichern diesem Hohen Hause und dem weiten Lande diesseits und jenseits des eisernen Vorhanges, daß wir entschlossen sind, unsere Pflicht zu tun.
({39})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Richter.
Dr. Richter: ({0}) ({1}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt an sich gar keinen Zweifel darüber, daß ein jeder es für seine Pflicht ansehen muß, für die Sicherheit Restdeutschlands und Resteuropas alles zu tun, was nur getan werden kann. Aber es ist eines dabei notwendig: daß wir stets daran denken, daß wir als Nation und als provisorischer Staat für Gesamtdeutschland sprechend besondere Pflichten haben, die wir unbedingt erfüllen müssen und deren
Gipfel die Aufrichtung eines deutschen Reiches sein
muß, das wirklich souverän ist und den anderen
gleichberechtigt gegenübersteht. Die im Augenblick
durchgeführte politische Eingliederung, die wir
durch den Schumanplan beispielsweise in ganz bestimmte Formen gezwängt erlebt haben, wird nunmehr ergänzt durch die militärische Eingliederung
in eine ganz bestimmte politische Konzeption, an
deren Spitze die Europaarmee stehen soll, - eine
Armee, die selbst von namhaften Militärs der
Amerikaner als eine Bonner Illusion bezeichnet
wurde und die ebenso von einem Mann abgelehnt
worden ist, der nun wirklich in diesen Dingen mitreden kann, nämlich Generaloberst Guderian. "
({2})
Es ist verständlich, daß Sie, meine Damen und Herren - meine Herren, muß ich hier wohl sagen! -, darüber lächeln; Herr Bucerius, aus dem einfachen Grunde, weil Sie wahrscheinlich nicht so Soldat waren, wie es Guderian gewesen ist.
({3})
Aber wenn wir schon über die Remilitarisierung hier sprechen und Sie sich so für diese Sache einsetzen, dann mache ich Ihnen nur den einen Vorschlag: Stellen Sie doch den Antrag, daß der Bundestag als kriegsstarkes Bataillon vorneweg geht! Ich würde allerdings unter dem Kommando, das wir heute haben, dann für mich die Kleiderkammer ausbitten. Ich war im letzten Kriege nämlich vorn und möchte in diesem Krieg nicht für eine Firlefanzerei meine Haut zu Markte tragen.
({4})
Ich möchte noch eines sagen. Dem, was man heute aufbauen will, fehlt die völkerrechtliche Grundlage; und das sollten Sie doch beachten. Es ist schon von dem Kollegen Dr. Etzel mit Recht darauf hingewiesen worden, daß von seiten der Westmächte diejenigen, die im Osten etwa zum Soldatendienst gezwungen werden würden, und auf seiten der Ostmächte diejenigen, die auf seiten der Westmächte zum Soldatendienst gezwungen werden würden, als Partisanen angesehen werden können. Sollten Sie über diese Dinge nicht Bescheid wissen, dann empfehle ich Ihnen, den englischen Völkerrechtler Oppenheim nachzulesen, der doch vollkommen unbeeinflußt über diese Dinge gesprochen und auch darauf hingewiesen hat, daß diejenigen, die nach einer Kapitulation sich noch als Soldaten betätigen, jederzeit wie Franktireure behandelt werden können.
Es fehlt nicht nur die völkerrechtliche Grundlage, es fehlt auch die moralische Grundlage. Der Herr Bundeskanzler hat einmal davon gesprochen, daß wir ein zu 90 % souveräner Staat seien; es ging zum mindesten so durch die Presse. Es gibt entweder souveräne Staaten oder nichtsouveräne Staaten; aber nach Prozenten kann man die Souveränität nicht berechnen. Dann haben wir entweder Kolonien, Protektorate oder etwas Ähnliches vor uns. Ein Protektorat sind wir bestimmt nicht; denn niemand wird den Mut oder den Willen haben, uns dann wirklich zu schützen, wenn es darauf ankommt.
Das Moralische ist außerdem systematisch durch die Besatzungsmächte, durch unsere Umerzieher, zerschlagen worden.
({5})
Ich erinnere an die zahllosen Prozesse, ich erinnere
daran, daß heute noch Deutsche, die nichts anderes
(Dr. Richter [Niedersachsen»
getan haben als ihre soldatische Pflicht, in Gefängnissen sitzen können.
({6})
- Na, Sie kümmern sich sonst nicht darum, da muß ich es wenigstens tun! - Darüber hinaus weise ich darauf hin, daß schon an einem Eid jede westdeutsche Wehrmacht zerbrechen muß.
({7})
Die Entscheidung ist heute: sollen wir uns in eine West- oder Ostkonzeption bedingungslos - wie es ja letzten Endes sein wird - eingliedern lassen oder nicht? Wir sind durchaus nicht die „Ohne uns", und ich möchte darauf hinweisen, daß ich zu einer Zeit, als Sie überhaupt kein Gewehr gedanklich aufzunehmen in der Lage waren, mich bereits für eine deutsche Nationalarmee eingesetzt habe.
({8}) Nebenbei bemerkt ist das rein praktisch gesehen auch die einzige einsatzbereite und einsatzfähige Einheit. Das dürfen Sie auch aus den Äußerungen führender und sehr bekannter französischer Militärs entnehmen können. Nachdem eine solche Einheit aufgebaut worden ist, kann man darüber reden, ob und unter welchen Bedingungen sie mit anderen Wehrmachten zusammenarbeitet. Da möchte ich sagen, daß wir zu einer solchen Zusammenarbeit bereit sind. Eine heutige Eingliederung erscheint uns schon deswegen als vollkommen verfehlt, weil einmal die Regierung immer wieder betont hat, daß sie nur ein ganz bestimmtes Deutschland als Deutschland versteht und gewisse urdeutsche Gebiete eben nicht zu diesem Deutschland rechnet,
({9})
und weil darüber hinaus auch der Herr Bundeskanzler - jeder Widerspruch ist sinnlos; Sie haben den gegenteiligen Beweis noch nicht angetreten - in London erklärt hat, daß man zwar die Oder-Neiße-Linie nicht anerkennen wolle, daß man aber doch über diese Fragen reden könne, wenn man wisse, wie Polen gegenüber dem Westen eingestellt sei. Das heißt, man macht heute schon den Polen und nicht nur ihnen irgendwelche verlockenden Angebote oder zum mindesten irgendwelche verlockenden Aussichten. Man sagt ihnen, ihr könnt, wenn es darauf ankommt, damit rechnen, daß wir auf irgendwelche Gebiete verzichten.
({10}) , Nein, das dürfen wir niemals tun, im Gegenteil.
Es gibt einen Mann, der durch die Politik des Zauderns, durch die Politik des Abwartens immer wieder gezeigt hat, daß man eben doch zu Erfolgen kommen kann, wenn man nur wartet. Das ist Franco, der erklärt hat, man solle eine offensive Politik in dieser Richtung treiben und niemals, wie es Herr Buttenwieser gesagt hat, eine defensive Politik. Denn dann wird man niemals zur Befreiung des ostdeutschen Gebiets, niemals zur Einheit Deutschlands und auch nicht etwa zu einem wirklichen Europa, nämlich zur Freiheit auch der Völker, die noch zu Europa gehören, aber heute unter der Knute des Ostens stehen, kommen.
({11})
Darüber hinaus möchte ich Sie auf folgendes hingewiesen haben: Die Gefahr besteht für uns weiterhin darin, daß immer wieder betont worden ist, man wolle uns dann einfach aufgeben; man wolle irgendwo am Rhein, an den Pyrenäen - was weiß ich, wo - eine Verteidigungsstellung beziehen.
({12})
- Sie brauchen sich gar keine Mühe zu geben. Ich habe hier eine Zeitung, die Sie von der CDU als gute christliche Menschen kennen müßten, eine katholische Zeitung, nämlich die „Deutsche Tagespost", in der ein Ausspruch Montgomerys steht, der erklärt hat, daß selbst einer längeren Besetzung Westeuropas durch die Sowjets schon aus psychologischen Gründen ein Operationsplan der Westmächte zugrunde gelegt werden dürfe. Ich glaube, damit ist alles gesagt. Man will uns erst von der einen Seite befreien; dann werden wir von der andern Seite wieder befreit, und so geht es hin und her à la Korea, und diejenigen, die dann die wirklich Leidtragenden sind, sind vielleicht nicht Sie, aber draußen das deutsche Volk. Weil wir uns für das deutsche Volk einsetzen und nicht wollen, daß es unnütz Blut lassen soll, daß es wieder einmal seine Haut für fremde Interessen zu Markt tragen soll, deshalb wenden wir uns mit aller Entschiedenheit gegen Ihre Absichten. Wir wissen genau: es ist vielleicht nicht mehr lange Zeit, daß wir uns noch dagegen wenden können.
({13})
- Sie sind sonst auch nicht so eifrig darauf bedacht, daß die Redezeit bei anderen Abgeordneten genau eingehalten wird. Auch der Präsident hat es bisher nicht so genau beachtet. Ich weiß nicht: es würde nur einen sehr schlechten Eindruck machen, wenn man heute wiederum ausgerechnet bei mir die Redezeit in einer derartigen Form begrenzte.
Ich möchte Sie doch bitten, solche Entstellungen der Wahrheit nicht auszusprechen. Die Regelung der Redezeit wird bei allen Abgeordneten von sämtlichen amtierenden Präsidenten dieses Hauses absolut gleichmäßig gehandhabt, und zwar wird die Sache durch die Herren Schriftführer durchgeführt. Ich weise also derartige Entstellungen zurück.
({0})
Dr. Richter ({1}) ({2}): Ich habe nur noch sagen wollen: Es ist ein Katholik gewesen, und zwar Reinhold Schneider,
({3})
der in der katholischen Wochenschrift „Der christliche Sonntag" darauf hinwies, daß wir bereits vom Todeszirkel der Rüstungen umschlossen sind. Er sagt weiter: -Wir werden in kurzem Planungen unterworfen werden, die das Gewissen der Öffentlichkeit verstummen lassen. Es ist vielleicht heute noch die Möglichkeit, ein offenes Wort zu sprechen, aber wie lange die Möglichkeit noch besteht, das wissen wir nicht.
Herr Abgeordneter, weil die Redezeit nun wirklich abgelaufen ist, bitte ich, zum Schluß zu kommen.
Dr. Richter ({0}) ({1}): Einen Satz!
({2})
Einen Satz, ja!
Dr. Richter ({0}) ({1}): Ich habe noch die Möglichkeit, einen Satz zu sprechen, und darin möchte ich folgendes ausführen.
({2})
- Doppelpunkt, gut! - Es ist eine evangelische Zeitung gewesen, in der - und man soll den Leuten den guten Willen und die Sorge um das deutsche Volk nicht absprechen - stand, daß man bei uns anscheinend nicht zur Demokratie durchfindet, sondern immer nur zu einer verhinderten Diktatur, was wir leider Gottes immer, auch in diesem Hause, feststellen müssen.
({3})
Die Gefahr ist so groß, daß ich nur eines sagen möchte, Herr Bundeskanzler.
Herr Richter, Ihr Satz war selbst unter weitherziger Auslegung der deutschen Grammatik sicherlich zu Ende.
({0})
Dr. Richter ({1}) ({2}): Herr Präsident, -
Nein, jetzt dürfen Sie nicht mehr reden. Ich bitte Sie, sich genau so der Redeordnung zu fügen, wie das die anderen Abgeordneten tun.
Dr. Richter ({0}) ({1}): Herr Präsident, dann mochte ich nur dieses Bild - immer wieder als Mahnung - dem Herrn Bundeskanzler überreichen.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Ehlers von der Fraktion der Christlich-Demokratischen Union.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist mir sehr lieb, daß ich von den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Richter zu dem überleiten kann, was ich sagen möchte. Ich habe bisher noch nicht den Eindruck gehabt, daß die Herren, die Herr Abgeordneter Richter hier vertritt, sich über das wirkliche Anliegen evangelischer Christen und der Kirche in irgendeiner Weise im klaren gewesen sind.
({0})
Ich möchte bewußt nichts oder nichts Wesentliches zu der politischen Auseinandersetzung sagen, die hier stattfindet. Wir alle stehen unter dem Eindruck - oder sollten jedenfalls alle unter dem Eindruck stehen -, daß wir heute hier nicht ein Gespräch nur unter uns führen, sondern ein Gespräch, wie es in diesem Volke noch niemals geführt worden ist, an dem Millionen von deutschen Menschen aus innerstem Herzen Anteil nehmen.
({1})
Wir alle sollten uns jederzeit dieser Tatsache und
auch der weiteren Tatsache bewußt sein, daß viele
Menschen, die jetzt am Lautsprecher zuhören, die
politischen Auseinandersetzungen zwischen den
verschiedenen Parteien dieses Hauses, die gestern
und heute geführt worden sind, nur zu einem
geringen Teil bewegen, daß sie aber in dieser
Frage aus sehr viel anderen, sehr viel tieferen Gründen Sorgen, Bedenken und Fragen haben. Ich halte mich um des Amtes willen, das ich in diesem Hause habe, das mich ja nicht davon entbindet, eine persönliche politische Überzeugung zu haben, aber auch um meines kirchlichen Amtes willen für verpflichtet, diese Sorgen und Bedenken hier auszusprechen, weil ich meine, daß es niemand im deutschen Volke geben sollte, der sagen könnte, daß das, was viele Menschen zutiefst bewegt und ihnen Tag und Nacht Not macht, in diesem Hause, nicht ausgesprochen wäre.
({2})
Wenn wir das tun, sollten wir uns von vornherein davor hüten, das politische Gespräch so zu führen, als ob es nur schwarz oder weiß gäbe und als ob die Meinungen, die wir hier gegeneinanderstellen, Meinungen wären, die so weit auseinander sind, daß sie niemals auf einen Nenner gebracht werden können.
({3})
So ist es nicht! Wir müßten uns gegenseitig glauben, daß das, was wir sagen, auch wenn es in der Formulierung einmal mißgluckt - das kommt ja schließlich uberall vor! -, aus einer inneren Verantwortung herauswachst. Darum - man muß das ja konkretisieren - muß ich sagen, daß ich einen Satz, um nur ein Beispiel zu nennen, der vorhin fiel, bedauert habe. Der verehrte Kollege Professor Schmid hat gesagt, niemand habe das Recht, zu verlangen, daß die Menschen sich sinnlos zu Kriippeln schleßen lassen. Meine verehrten Damen und Herren, das hat in diesem Hause und im deutschen Volke niemand verlangt und wird niemand verlangen!
({4})
Ich bin Herrn Abgeordneten Ollenhauer sehr dankbar dafür, daß er die sachliche Fundierung der Aussprache gefordert hat. Wir tun uns allen einen guten Dienst, wenn wir in einer solchen sachlichen Fundierung fortfahren. Nicht nur heute! Denn dieses Gespräch geht heute nicht zu Ende, sondern geht weiter. Wir haben heute nur eine Zwischenbilanz gemacht und uns darüber informiert, was wir denken, um darauf weiterzuarbeiten und danach zu handeln. Wir dürfen nicht mit irgendwelchen Unterstellungen irgend jemand diskriminieren. Es kommt einem ja manchmal so vor, daß am meisten derjenige, der sich auch in einer letzten Verantwortung für einen Verteidigungsbeitrag entscheidet, schon darum verdammt werden müßte. Man kann sich - ich sage das sehr offen - sicher ohne innere Skrupel für einen Verteidigungsbeitrag entscheiden. Man kann sich aber offenbar auch ohne innere Skrupel dagegen entscheiden. Beides sollte nicht möglich sein. Herr Kollege Ollenhauer hat mit Recht gesagt, daß jeder Versuch, mit dem Appell an das Gefühl die Entscheidung für oder gegen diese Frage zu erzwingen, verantwortungslos sei. Ich stimme ihm zu. Das gilt dann aber auch für Sie, verehrter Herr Kollege Dr. Decker. Sie haben heute mittag gesagt - ich glaube, Sie richtig verstanden zu haben -, daß man die Leute heute veranlassen wolle, mit Begeisterung in das Lied einzustimmen: „Volk ans Gewehr!" Das will niemand, das tut niemand, und das wird im deutschen Volke niemand tun.
({5})
Aber wir dürfen nicht vergessen, daß wir vielen Menschen im Volke und uns 'selbst keinen guten Dienst tun, wenn wir zu leicht über den Begriff
({6})
des Gefühls hinweggehen. Wir müssen wissen, daß es im menschlichen Bereich nicht möglich ist, bestimmte Dinge so auseinanderzuteilen, daß man sagen kann: hier ist das Gefühl, und hier ist die Ratio. Diese Dinge gehen vielmehr durcheinander; eine saubere Scheidung ist nicht möglich. Diese gefühlsmäßigen Erwägungen verbinden sich bei vielen Menschen im deutschen Volke mit sehr erwägenswerten sachlichen Argumenten.
Lassen Sie mich hier ruhig einmal aussprechen: ich glaube, daß die Argumente und die Gefühle, die bei einer Unzahl von Frauen in unserem Volke wirksam sind, hierbei ein entscheidendes Gewicht haben. Dieser Hinweis bietet mir die erwünschte Gelegenheit, dem entgegenzutreten, daß ein etwas schlecht informierter Pressedienst gemeint hat, ich wünschte die Damen dieses Hauses anzugreifen.
({7})
- Frau Kollegin Weber, wie könnte ich es wagen, mich mit Ihnen anzulegen!
({8})
Ich muß dann aber auch das andere aussprechen. Die Gefühlserwägungen und die sachlichen Erwägungen, die die Frauen in unserem Volke anstellen, werden in gleicher Weise von den Frauen und Müttern jedes anderen Volkes angestellt. Wir dürfen nicht so tun, als ob es einen Vorbehalt oder ein Sonderrecht für die Gefühle der Mütter unseres Volkes gäbe. Es ist noch niemals, glaube ich, in der Geschichte der Bundesrepublik und seit langer Zeit auch in der Geschichte des deutschen Volkes vorgekommen, daß eine politische Entscheidung so unmittelbar und stark in den religiösen Bereich vorgestoßen ist.
({9})
Wir haben noch niemals gemerkt, daß Christen aller Konfessionen sich durch eine Fragestellung so angesprochen fühlten wie durch diese.
({10})
Ich muß sagen - und das, glaube ich, meine Damen und Herren, darf ich hier sagen, weil es niemandem in seiner persönlichen religiösen Überzeugung zu nahe tritt -: wir sind gehalten, diese Bedenken und Sorgen der Christen in unserem Volk und in allen anderen Völkern mit großer Aufmerksamkeit zu hören.
({11})
Lassen Sie mich darum zu einigen Argumenten etwas sagen, die in diesem Zusammenhang immer wieder vorgebracht werden. Wir hören bis zum Überdruß - und manche dieser Dinge werden selbst im christlichen Bereich bis zum Überdruß gesagt -, das Wort Gottes habe uns die Waffen aus der Hand geschlagen, damit wir sie niemals wieder aufnehmen könnten. Daß Gott uns die Waffen aus der Hand geschlagen hat, das allerdings ist richtig, und das ist unsere gemeinsame Überzeugung.
({12})
Ich weiß aus dem Alten Testament, daß Gott den Propheten die Fähigkeit gegeben hat, seinen Willen - auch in der Zukunft - zu erkennen. Ich habe bisher nicht das Gefühl gehabt, daß uns in der gegenwärtigen Debatte über diese Dinge sehr zahlreiche Propheten entgegengetreten wären.
({13})
Wir sind jedenfalls keine, sondern wir haben in
einem Respekt und in einer Achtung, die dem uns
einsehbaren Willen Gottes geziemen, unsere Entscheidung nicht aus irgendwelchen Gefühlsargumenten, sondern aus einer sachlichen Einsicht in die Dinge zu fällen.
Ich persönlich würde für mich erklären, es wäre gut, wenn wir überlegten, warum uns Gott die Waffen, die wir einst geführt haben, aus der Hand geschlagen hat. .
({14})
Das ist auch ein Beitrag zu dem, was wir eben über diese merkwürdige Gleichsetzung von gestrigen und heutigen Fragestellungen gehört haben. Nach meiner Meinung müßten wir das eine beherzigen, wenn wir denn überhaupt noch ein verantwortliches Leben führen wollen: daß wir die Waffen nicht noch einmal im gleichen Geist und nicht noch einmal mit dem gleichen Ziel wie damals in die Hand nehmen.
({15})
Ich bin glücklich darüber, daß quer durch dieses Haus hindurch darüber Einigkeit besteht, und es möge uns niemand - keiner dem andern - unterstellen, daß wir noch einmal 1933 oder 1935 oder 1939 oder 1941 wollten!
({16})
Niemand!
({17})
Aber wenn wir dann diesen Willen Gottes ernst nehmen, dann, meine ich, sind wir auch gefordert, nicht aus falschen Erwägungen unserem Volke grundsätzlich das zu verwehren, was anderen Völkern mit Selbstverständlichkeit zugestanden werden muß. Denn diese Völker leben wie wir in einer Welt, die weder durch unseren Willen noch offenbar durch die Politik der anderen plötzlich zu einem Hort des Friedens geworden ist.
({18})
Es wäre eine höchst gefährliche Simplifikation des Wortes Gottes, mit diesen Argumenten zu arbeiten. Der fromme Klang der Worte allein erweist noch nicht, daß die Entscheidung vom Worte Gottes her gefällt ist.
({19})
Meine Damen und Herren, wir wissen alle, daß wir, wenn wir das aussprechen, zu einem andern gefordert sind, nämlich dazu, unter den Völkern dazu zu helfen, daß quer durch die politischen Gegensätze hindurch eine Gemeinschaft der Menschen wächst, und zwar nicht nur der Christen, sondern all der Menschen, die verantwortlich leben. Meine Freunde, ich darf dann wohl vielleicht bei allem, was so negativ über Amerika gesagt wird, auch einmal feststellen, daß nach meinem Eindruck das, was die amerikanischen Christen von 1945 bis heute getan haben, der stärkste Beitrag zum Frieden der Welt ist, den es überhaupt geben kann.
({20})
- Herr Kollege Loritz, daß wir nicht einig sind, das ist eine Sache, die Sie nicht jedesmal neu zu betonen brauchen.
({21})
Aber neben dieser geistlich klingenden Argumentation gibt es eine andere, die ich als eine säkulare Verflachung bezeichnen möchte, nämlich den sehr einfachen Hinweis: „Was sollen wir uns darum kümmern? Lassen wir es doch die anderen machen! Die haben uns ja hineingeritten; die haben ja die Politik getrieben, die sie von Jalta über
({22})
Potsdam hierher geführt hat. Jetzt sollen sie die Suppe auch ausloffeln!" Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir treiben hier nicht amenkanische Politik, in der Gesamtheit auch keine russische Politik,
({23})
sondern wir treiben deutsche Politik, und wir können beim besten Willen nicht erwarten, daß auch ein noch so freundwilliges und gutgesinntes anderes Volk in erster Linie deutsche Politik und dann amerikanische oder franzosische Politik treibt!
({24})
Das müssen wir freundlichst schon allein besorgen.
Und wenn wir die Interessen Deutschlands zuerst
vertreten, dann werden wir das mit Nachdruck,
aber auch mit Verantwortungsgefühl tun mussen,
weil wir alle Augenblicke spüren, daß ja selbst die
Vertretung gemeinsamer europaischer Interessen
offenbar eine hockst schwierige Angelegenheit ist.
Herr Kollege Arndt, in diesem Zusammenhang muß ich doch meine Betrübnis über ein Wort ausdrücken,
({25})
das Sie gesprochen haben, nämlich den Satz: „Amerika kann Deutschland nicht ausgeben." Herr Kollege Arndt, ich fürchte, es kann es.
({26})
Aber selbst wenn es es nicht könnte, scheint es mir unklug zu sein, eine nach Ihrer Meinung bestehende Zwangslage Amerikas, sich selbst an der Elbe verteidigen zu müssen, so auszunutzen, wie Sie es hier vorschlagen.
({27})
Sie haben ja schließlich gesagt, daß der Friede eine Leistung unserer Vernunft wäre. Meine Damen und Herren, in den Beziehungen der Volker untereinander gibt es außerordentlich wenig wirksame Gefühlsargumente. Es gibt aber sehr viele Vernunftargumente, und zu diesen Argumenten gehurt, daß man sich ganz einfach und schlicht ausrechnet: wie wirken ganz bestimmte Dinge draußen, und wie bringt man andere Völker dazu, in ihrem eigenen Interesse das zu tun, was auch unserem Volke nützlich ist?
({28})
Das scheint mir eine konstruktive Politik zu sein.
Ich lese in einem alten Reichstagsprotokoll - wir sollten das viel öfter tun, wenn wir die Zeit dazu hätten - einen Satz, in dem darauf hingewiesen wird, daß man doch zu einer Vereinbarung kommen müsse. Und da steht:
Aber ich fürchte, die Situation ist noch schlimmer. Nicht nur die Regierungen, auch die gesamte öffentliche Meinung der Welt werden wir dann gegen uns bekommen, wenn die Verständigung jetzt an unserem Widerstand scheitern sollte. Herr Briand hat vorgestern in der französischen Kammer gesagt: die Isolierung ist die Gefahr. Das hat Herr Briand von seinem Staate gesagt, der stärksten Militärmacht der Welt.
- Auch das war einmal! Was sollen wir sagen, wenn wir uns jetzt freiwillig isolieren? Was für Gefahren beschwören Sie
- damals nach rechts gesagt damit über das deutsche Volk herauf. Die Isolierung würde uns nicht nur die Verhandlungsbereitschaft in London und in Paris kosten, sie würde auch jede amerikanische Unterstützung, auf die Sie soviel bauen, für lange Zeit unmöglich machen.
Meine Damen und Herren, ich kann dem, was Herr Abgeordneter Dr. Hilferding
({29})
am 25. August 1924 bei den Beratungen über den Dawes-Plan ausgesprochen hat, nur vollinhaltlich zustimmen.
({30})
Ich möchte doch. manchen meiner Freunde, die in diesen Zeiten über die praktischen Möglichkeiten sprechen, einmal das eine sagen: auch wenn man im christlichen Bereich redet, darf der Appell an die Menschenfreundlichkeit der anderer nicht zu große Forderungen stellen, wenn man ernst genommen werden will.
({31})
. Und ich sage ein zweites Wort zum Thema der Gleichberechtigung, nicht weil politisch heute soviel darüber geredet worden ist, sondern weil ich glaube - und ich spreche ja in diesem Zusammenhang -, daß es auch eine christliche und kirchliche Forderung nach der Gleichberechtigung gibt. Denn diese Gleichberechtigung hat unmittelbar etwas mit der Würde und der Ehre der Menschen und der Völker zu tun und ist darum ein christliches Postulat.
({32})
Wir haben gerade in diesen Tagen einen Bericht des Herrn Kirchenpräsidenten D. Stempel aus Speyer bekommen, der sämtliche deutschen Gefangenen in Frankreich, in Belgien und in Holland hat besuchen und darüber nicht sehr viel Gutes hat berichten können. Wir meinen, daß diese Dinge aus Rechtsgefühl - ich will nicht an Staaten appellieren, in einer christlichen Verantwortung zu handeln - und aus politischer Klugheit in Ordnung gebracht werden müssen.
({33})
Wir werden uns allerdings nicht durch den Lärm einer gewissen Propaganda darüber hinwegtäuschen lassen, daß die eigentlich uns bedrängenden Nöte in dieser Frage nicht aus dem Westen, sondern aus dem Osten herrühren.
({34})
Und, meine Damen und Herren, ich möchte, daß die Leute, die im Lande darüber reden, diese Dinge nicht zu leicht vergessen. Ich habe am Montag eine Debatte in der Universität gehabt. Da ist ein Student aufgetreten und hat gesagt, er sei SS-Mann gewesen und habe ein halbes Jahr in Neuengamme gesessen, und hat dann daran seine Erwägungen über die deutsche Politik und die Alliierten geknüpft. Nun, es mag bedauerlich, vielleicht sogar ungerecht gewesen sein, daß dieser Junge in Neuengamme gesessen hat. Wieviel dumme Ungerechtigkeiten haben wir erlebt! Aber ich muß nun schon sagen: heute hatte er jedenfalls die Freiheit in diesem Staat, die Regierung und die Alliierten anzugreifen, ohne daß ihm etwas geschah. An anderer Stelle hätte er 25 Jahre Zwangsarbeit - mindestens! - bekommen. .
({35})
Ich sage das, meine verehrten Damen und Herren, weil ich den Eindruck habe, daß viele Leute
({36})
- auch im Raum der Kirche - mit einer merkwürdigen Diskreditierung des Westens ihre Politik betreiben.
({37})
Wir sind die letzten - wenn man am dichtesten dran ist, merkt man es ja am leichtesten -, die nicht wüßten, was in unserem Staat und im Westen faul ist. Aber wir sollten uns keinen Augenblick durch eine falsche und scheinbare Gerechtigkeit zu der Meinung bringen lassen, daß das, was im Osten ist, im Vergleich zum Westen überhaupt nur erwägenswert sei.
({38})
Darum nehme ich mit großer Dankbarkeit das Wort von Herrn Kollegen Ollenhauer auf - und ich glaube, daß das auch die gemeinsame Überzeugung aller verantwortlichen Mitglieder dieses Hauses ist -, daß das deutsche Volk in seiner erdrückenden Mehrheit sich unlösbar mit den Lebensvorstellungen der westlichen Welt verbunden weiß. Aber wenn man das weiß, dann sollte man das nicht nur aussprechen - an Deklamationen ist in Europa und in der Welt kein Mangel -, sondern dann sollte man das auch in der Praxis in einzelnen Entscheidungen bewähren. Ich bitte jedenfalls herzlich darum, daß es geschieht.
Dann sollten wir etwas anderes einsehen, meine Damen und Herren, und das scheint mir mit der inneren Struktur unseres Volkes in erster Linie und unmittelbar in Zusammenhang zu stehen: daß die Gleichberechtigung nicht, wie uns Herr Kollege Schmid eben wieder vorgetragen hat, ein Status, sondern eine dynamische Entwicklung ist.
({39})
Es ist doch wohl so, daß wir seit 1945 darüber belehrt worden sind. Das, was Herr Kollege Schmid m diesem Zusammenhang gesagt hat, nämlich daß man entweder besetztes Land ist oder es nicht ist, ist in vollem Umfange falsch.
({40})
Da ich mir nun einmal die Freude gemacht habe, in alten Reichstagsprotokollen zu lesen - entschuldigen Sie, meine Damen und Herren! -, bitte ich den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, auch einige Sätze aus einem Protokoll von 1930 zu zitieren:
Es besteht Streit darüber, ob diese Entwicklung nach vorwärts und aufwärts gegangen ist. Wir unsererseits sind der Meinung, daß das der Fall ist. Wir brauchen uns nur daran zu erinnern, wie sich die Dinge vollzogen haben vom Diktat zum Vertrag, von der einseitigen Forderung zur Vereinbarung, und wenn wir heute unsere Blicke zurückschweifen lassen auf das, was vor zehn, ja was vor fünf Jahren gewesen ist, wie Deutschland in dem Verhältnis zu den übrigen Staaten Europas und der Welt dastand und jetzt dasteht, so wird kein Vernünftiger leugnen können, daß es eine Entwicklung nach vorwärts und aufwärts gewesen ist, daß wir alle allmählich eingerückt sind in die Linie der politischen Gleichberechtigung.
Freilich, es wird auch von uns nicht geleugnet und nicht verkannt, daß dieser Weg ein Weg war, der durch große und schwere Ungerechtigkeiten für das deutsche Volk geführt hat, ein Weg, auf dem uns die schwersten Opfer auferlegt worden sind, und ich füge hinzu: das Ziel, das wir uns gesetzt haben und das wir uns setzen müssen, ist bis zu diesem Augenblick noch nicht erreicht.
An jedem dieser Meilensteine haben Menschen gestanden, die alle diejenigen, die diesen steinigen Weg beschritten und die ihn weitergehen wollten, nicht nur kritisierten, sondern schmähten und beschimpften. Mangelnde Einsicht, sagten unsere milderen Richter, die anderen aber sprachen von bewußtem oder gar bezahltem Landesverrat ... Diese Hetze wird bis zum heutigen Tage fortgesetzt. Sie wird jetzt gegen alle diejenigen gerichtet, die an dem Zustandekommen des Young-Abkommens positiv mitgewirkt haben. Welchen Charakter sie trägt, haben wir bei der Agitation für das Volksbegehren erlebt. Wo die sachlichen Argumente ausgingen, setzte die Lüge ein.
({41})
Ich brauche nur daran zu erinnern, daß behauptet wurde, die Sachverständigen und die Regierung hätten sich damit einverstanden erklärt, daß deutsche Jungmannschaft als Sklaven in die Welt verkauft werden müsse. Das alles geschah im Namen der nationalen Gesinnung ... Nun, wir wollen mit diesen Leuten nicht um die Palme nationaler Gesinnung ringen. Wir stellen fest, daß wir unbeirrt das tun und tun werden, was wir im Interesse des deutschen Volkes, seines ruhigen und friedlichen Aufstieges für geboten erachten.
Meine Damen und Herren, ich sage das nicht, um
die Behauptung aufzustellen, die man mir mit
Recht bestreiten würde, daß eine völlige Parallele zwischen damals und heute besteht. Ich sage
es, weil ich deutlich machen möchte, daß man sich
in einer politischen Verantwortung dafür entscheiden kann, ein Zwischenziel zu erreichen und das
Endziel im Auge zu behalten. Insofern bin ich
völlig der Meinung, die der Abgeordnete Dr. Breitscheid am 11. Februar 1930 vorgetragen hat. ({42})
Lassen Sie mich eins noch sagen. Wie war 1918 der Ausgangspunkt, und wie war er 1945,
({43}) und welches Maß von Schuld haben viele, viele Menschen in Deutschland damals auf sich geladen, die heute nicht gern an diese Schuld erinnert werden möchten?
({44})
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß es dem Fortgang der Erörterungen nicht dienlich ist, wenn hier Privatgespräche veranstaltet werden.
({0})
Meine Damen und Herren, ich habe kein Wort darüber gesagt - und gedenke das nicht zu tun -, wodurch dieser Weg, der 1929
({0})
völlig richtig und verantwortungsbewußt gegangen wurde, 1933 in den Zusammenbruch und das Elend führte. Wir sind uns hoffentlich alle darüber klar, daß wir jedenfalls in dieser Frage sämtlich keine Veranlassung haben, immer nur auf den anderen zu zeigen.
({1})
Aber hier geht es um etwas anderes; und das ist nicht nur eine politische Frage. Hier geht es um das Problem, daß die Frage der Gleichberechtigung heute in der ungeheuren Gefährdung steht, daß sie zum Vorspann für eine nationalistische Verfälschung wird.
({2})
Wir danken dem Herrn Kollegen Schmid das Wort, 'von dem ich glaube, daß wir es uns mit ehernen Buchstaben vor Augen stellen sollten, das Wort von der Kollektivunschuld. Es ist leider so - und das dürfen wir nicht übersehen -, daß dieser Kampf um die echte Gleichberechtigung zu einem merkwürdigen Kampf um eine summarische Unschuld aller derer geworden ist, die ihre Verantwortung heute nicht gern wahrhaben wollen. Ich muß in diesem Zusammenhang auch sagen: Zwischen Generälen, die heute aus mancherlei Gründen den alten, wirklich bei uns allen innerlich zutiefst überwundenen Geist wieder propagieren,
({3}) und anderen Generälen, die sich zu Propheten des „Ohne mich" machen, ist häufig die gemeinsame geistige Grundlage nur zu leicht erkennbar.
({4})
Ein weiteres - ich brauche nicht viel dazu zu sagen, weil der Kollege Ollenhauer das auch schon ausgesprochen hat - zum Thema des Pazifismus. Er hat gesagt: Wir achten eine pazifistische Gesinnung, die aus ethischen, religiösen oder anderen weltanschaulichen Gründen jeden Dienst mit der Waffe ablehnt. Ich glaube nur, daß wir das etwas näher untersuchen müssen. Es gehen mir zuviel Leute im Lande herum und wenden ein Gebot - „Du sollst nicht töten!" - sehr primitiv auf die politischen Verhältnisse der Welt an,
({5})
weil es ihnen gerade so paßt.
({6})
Es ist nicht in unserer Macht, hier in Deutschland und anderswo aus der Kraft unseres guten Willens eine Welt zu schaffen, die das Wort Gottes erst zu einem ganz anderen Zeitpunkt verheißt. Das, was uns-Frau Kollegin Brauksiepe über die Auslegung des Pazifismus in östlicher Sicht gesagt hat, läßt einiges davon erkennen.
Meine verehrten Damen und Herren, ich möchte für mich persönlich erklären, daß jedes Gespräch über die Wiederbewaffnung davon abhängig ist, daß der Art. 4 Abs. 3 des Grundgesetzes unverändert und klar ernst genommen wird. Ich vermag ein anderes Gespräch über die Wiederbewaffnung nicht zu führen.
({7})
Wir haben uns dahin entschieden, das Gewissen, auch das vielleicht irrende Gewissen ernst zu nehmen. Ich meine, daß wir niemanden im Volke dem Druck aussetzen können, daß das unter irgendeinem anderen Vorzeichen einmal anders entschieden werden könnte.
({8})
Ich muß aber zwei Dinge hinzufügen, damit das nicht unklar bleibt. Zwischen der Nötigung des an Gott gebundenen Gewissens und dem von Gott gesetzten Anspruch des Staates ist der Raum, in dem wir unsere Position zu bestimmen haben. Der Staat und die Kirche haben das Gewissen, auch das irrende Gewissen zu schützen. Sie haben aber ebenso klar herauszustellen, daß das selbstsüchtige Ich, das sich selbst zur Norm setzt und das die Lasten der Ordnung, deren Schutz es in Anspruch nimmt; ablehnt, nicht von Staat und Kirche geschützt werden dürfte.
({9})
Aber wir wissen, daß in keiner anderen Frage mehr als in dieser die psychologische Situation unerhört schwierig ist und daß wir lieber in diesem Zusammenhang etwas mehr als etwas zu wenig tun sollen.
Einen Satz noch: ich wundere mich sehr, daß in dem- Entschließungsantrag der Föderalistischen Union die Forderung gestellt wird, daß die allgemeine Wehrpflicht nicht eingeführt werden dürfe. Meine Damen und Herren, wir sind heute ja noch nicht so weit; aber ich habe mich gerade mit Erfolg von Karl Barth - ausgerechnet von Karl Barth - darüber belehren lassen, daß die eigentliche Form des soldatischen Dienstes im Staat, die vor dem christlichen Gewissen bestehen könne, nicht das Söldnersystem, sondern die allgemeine Wehrpflicht sei.
({10})
Es ist zu der sozialen Frage schon gesprochen worden; ich brauche das nicht mehr zu tun.
({11})
- Ich tue es gern, nur: sich mit Ihnen über soziale Fragen zu unterhalten, - dazu müßten doch erst noch einige Voraussetzungen drüben geschaffen werden!
({12})
Ich möchte aber doch noch etwas sagen, weil das viele Menschen bei uns umtreibt, nämlich darüber, daß die Frage der deutschen Einheit weithin mit einem geradezu religiösen Pathos in diesem Zusammenhang genannt wird. Unsere gemeinsame Überzeugung ist - das haben wir vorgestern erst wieder bewiesen -: daß es nichts gibt, was uns mehr bewegte und was uns als völkische Aufgabe größer wäre als die Wiederherstellung der deutschen Einheit.
({13})
Wir sollten nicht den peinlichen Weg gehen, der in Diskussionen beschritten worden ist, zu behaupten daß hier in Bonn jeder Schritt zur deutschen Einheit nur mit verkniffenem Gesicht getan wurde. Ich hatte vorgestern nicht den Eindruck, daß wir den weiteren Schritt mit verkniffenem Gesicht getan hätten; und dann sollten wir uns das auch nicht so vorwerfen.
({14})
Ich habe mich in den letzten Wochen gefragt, ob irgend jemand, der die Eventualität nur so sieht: entweder Wiederbewaffnung oder deutsche Einheit, uns einen Weg weisen würde, der heute und 'hier in einer anderen und wirkungsvolleren Weise die Wiederherstellung der deutschen Einheit ermöglichte. Ich habe von keinem Weg gehört, keinem einzigen!
({15})
({16})
Meine Damen und Herren, wir können die Frage der Einheit nicht ohne das Wort Freiheit aussprechen. Die Freiheit ist nicht nur ein politisches Postulat, sondern die Freiheit ist eine Forderung des Glaubens, weil die Würde des Menschen davon abhängt, daß er frei ist.
({17}) Darum kämpfen wir für die Freiheit.
({18})
Eine Einheit, die die Freiheit opfert, ist irreparabel, aber eine Freiheit, die die Einheit, weil denn kein anderer Weg gewiesen ist, notgedrungen zeitweise suspendiert, gibt die Entscheidung über das, was geschehen muß, künftig in unsere Hand. Wir dürften kein Gespräch über die Wiederbewaffnung führen, ohne uns zu versprechen und mit allem Ernst es auch durchzuführen, daß wir diesen Entschluß, wenn wir ihn denn fassen müssen, verbinden mit einer Offensive in der Frage der deutschen Einheit, die es niemandem gestattet, Zweifel an unserem Willen dazu zu hegen.
({19})
Wir 'haben in der Frage, die vor uns steht, keine Summierung der verschiedenen Beweggründe vorzunehmen, sondern wir haben um der inneren Bedeutung dieser Dinge willen zu fragen: aus welchem Grunde kommt der einzelne 'zu seiner Meinung. Ich nehme -- und spreche das hier noch einmal aus - kein Argument und keine innere Not ernster und tiefer als die, die aus der Not eines christlichen Gewissens kommt.
({20}) Und wir sollten das alle tun!
Frau Kollegin Wessel hat gemeint, daß sie mit ihrer Notgemeinschaft die Menschen vor der Propaganda des Kommunismus bewahrt habe.
({21})
Verehrte Frau Kollegin Wessel, ich verstehe dann nicht ganz, warum die Tätigkeit dieser Notgemeinschaft in der Propaganda des Ostens eine so besondere Sympathie genießt.
({22})
Es geht um die Prüfung der Geister, und, meine Damen und Herren, hier wird eine Frage wichtig, die Herr 'Kollege Ollenhauer beiseitegeschoben hat, nämlich die Frage nach dem Wie. Er hat gesagt, es handele sich nur um das Ob und nicht um das Wie. Ich muß sagen: es handelt sich sicher um die Frage des Ob. Aber für mich persönlich ist die Frage des Ob unausweichlich mit der Frage nach dem Wie verbunden.
({23})
Wenn wir dahin kommen, daß wir durch das Wie ein gutes Anliegen und eine rechte Verantwortung gefährden, dann wollen wir diese Verantwortung lieber nicht wahrnehmen.
({24})
Wenn der Geist, den manche Leute, die sich als die patentierten Hüter deutschen Soldatengeistes verstehen, heute schon wieder haben und den sie auch in die Diskussion hineinbringen, durchdringt, dann habe ich die ernste Sorge, ob wir eine deutsche Wiederbewaffnung überhaupt verantworten können.
({25})
Wir erkennen jede echte Sorge an; sie ist die
unsrige. Wir achten jedes Gewissen, weil wir fordern, daß unsere Gewissen geachtet werden. Aber wir lehnen alles ab, was direkt oder auf einem Umwege die deutsche Freiheit stürzt, weil dann nicht nur wir, sondern Europa und vielleicht noch mehr stürzen.
Ich habe in einem Vortrag der Notgemeinschaft den so primitiven Satz gelesen: „Wer nicht schießen will, muß sprechen."
({26})
Meine Damen und Herren, es hat leider noch niemals geholfen, daß man gegen Kanonen und Panzer angeredet hat.
({27})
Ich glaube, daß wir vielmehr in einer sehr bitteren und ernsten Verantwortung genötigt sind, die Entscheidung dahin zu fällen: Wer nicht erschossen werden will, muß nüchtern sein und handeln!
({28})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Fröhlich von der Gruppe BHE. ({0})
Meine Damen und Herren, es ist keine Sitzungspause. Ich bitte, die Unterhaltungen nicht weiter fortzusetzen. Den Redner bitte ich, zu beginnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Partei schließt sich der von verschiedenen Fraktionen dieses Hohen Hauses ausgesprochenen Kritik darüber an, daß die Bundesregierung nicht vor dem Beginn der Verhandlungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag, die seit Januar 1950 im Gange sind, Gelegenheit genommen hat, sich durch eine Besprechung in diesem Gremium die Grundlagen und Richtlinien für die Verhandlungen geben zu lassen. Wir sind der Auffassung, daß manche unerfreulichen Mißverständnisse in diesem Hause vermieden worden wären und daß auch manches Mißtrauen in der Öffentlichkeit auf diese Weise 'hätte beseitigt werden können, wenn das geschehen wäre.
Bei uns - und ich glaube sagen zu können: auch in der großen Öffentlichkeit, im ganzen deutschen Volke - herrscht tiefe Besorgnis darüber, daß die Bundesregierung und die Fraktionen der Regierungskoalition auf der einen und die Opposition auf der anderen Seite in dieser schicksalsschweren Frage bis zum heutigen Tage nicht 'zu gemeinsamen Auffassungen und zu einer neuen Basis der Zusammenarbeit gekommen sind. Ich bitte, es nicht als eine Anmaßung aufzufassen, wenn ich die Bitte ausspreche, trotz der neuerlichen Mißverständnisse auf beiden Seiten den Versuch zu unternehmen, diese Basis gemeinsamer Zusammenarbeit doch noch zu finden.
Meine Damen und Herren! Wir sind uns in der Beurteilung der politischen Lage, wie sie hier an dieser Stelle vom Herrn Bundeskanzler dargestellt worden ist, vollkommen einig. Es ist auffallend, daß es die Sowjetunion gerade in einer Zeit - nach dem Zusammenbruch von 1945 -, in der die westlichen Siegermächte bis auf ein Minimum ihre Streitkräfte abrüsteten, unternommen hat, sich ein militärisches Potential zu schaffen, das nicht nur der Verteidigung dient, sondern ein Überpotential, das nach meiner Auffassung nur den Sinn haben kann, zu gegebener Zeit den kalten Krieg durch einen heißen zu ersetzen. Alle, die der Meinung sind, daß eine solche Gefahr nicht besteht, weil die
({0})
Sowjetunion bisher von dem Mittel des heißen Krieges keinen Gebrauch gemacht hat, irren sich. Ich glaube, wir müssen zu jeder Zeit damit rechnen, daß die Sowjetunion dieses Überpotential einsetzt. Nach unserer Auffassung wäre es unverantwortlich, wenn man dieser Gefahr gegenüber die Hände in den Schoß legen würde.
({1})
Es wäre gegenüber dem, was wir nach 1945 in unsäglichen Mühen und Opfern schon wieder erreicht haben, unverantwortlich!
({2})
Heute ist viel über die Einheit Deutschlands gesprochen worden. Wir Ostdeutsche haben es nicht nötig, hierüber noch irgend etwas zu sagen. Aber eines glaube ich aussprechen zu müssen: Es bilde sich keiner unserer Landsleute aus dem deutschen Osten ein, daß uns die Ostgebiete durch Bitten und Betteln von allein in den Schoß fallen!
({3})
Wenn wir überhaupt den Glauben haben, daß uns diese Gebiete im Frieden zurückgegeben werden, dann nur so, daß die Kräfte der freien Völker des Westens zusammengefaßt werden, um dann in einer gleichstarken Position mit der anderen Seite zu Verhandlungen zu kommen, die uns unserem Ziele eher näherbringen würden als aus einer Phase der Ohnmacht heraus.
({4})
Meine Damen und Herren, wir bedauern es außerordentlich, daß die französische Regierung in einer Zeit, in der es die Bundesregierung und dieses Parlament nicht leicht haben, es unternommen hat, dem Bundeskanzler, der Bundesregierung, dem Parlament und dem gesamten deutschen Volk dadurch in den Rücken zu fallen, daß sie Herrn Grandval zum Botschafter im Saargebiet gemacht hat. Ich glaube, die Franzosen haben sich damit selber einen schlechten Dienst erwiesen.
({5}) Sie kritisieren sonst immer, daß in der Bundesrepublik radikalistische Tendenzen vorhanden sind. Ich muß sagen, daß die Ernennung des Botschafters Grandval dazu angetan ist, diese Radikalisierung nicht zu hemmen, sondern zu fördern.
({6})
Es steht außer Zweifel, daß das Saargebiet immer
deutsch war und deutsch bleiben muß. Wir lehnen
es auch ab, daß das Saargebiet über den Umweg
der Europäisierung auf kaltem Wege von Deutschland losgetrennt wird. Wenn eine solche Europäisierung überhaupt einmal in Frage kommen
kann, kann es erst dann sein, nachdem das Saargebiet zu Deutschland zurückgegliedert ist und
wenn Deutschland es aus freiem Willen europäisiert. Ich glaube, daß es nicht anders geht. Denn,
meine Damen und Herren, können wir mit Recht
die Forderung auf Rückgabe der deutschen Ostgebiete stellen, wenn wir auf der anderen Seite
zulassen, daß vom Westen her ein Teil Deutschlands in einer kalten Annexion weggerissen wird?!
({7})
Das ist eine Unmöglichkeit. Wir können von dieser Stelle aus nur an die französische Regierung appellieren und darum bitten, daß man den Parteien in Deutschland nicht weitere Schwierigkeiten in dieser Angelegenheit macht.
' ({8}) Es wäre nicht gut, wenn auf diese Art und Weise die Integration Europas gehemmt oder auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben würde.
Nun zur Frage des Wehrbeitrags. Es ist eine Tatsache, daß ein großer Teil der deutschen Bevölkerung heute einen Wehrbeitrag ablehnt. Es ist auffallend, daß im besonderen die deutsche Jugend noch nicht eine innere Bereitschaft zeigt, einen Wehrbeitrag zu leisten. Ob uns das angenehm oder unangenehm ist: es ist notwendig, in aller Sachlichkeit diese Feststellung zu treffen. Ich glaube, der Grund für diese Abneigung heute ist zum großen Teil darin zu suchen, daß die Besatzungsmächte nach dem Zusammenbruch von 1945 die deutschen Soldaten und das deutsche Volk bitter enttäuscht haben, daß sie oftmals die gleichen Mittel gegen die Deutschen anwandten, für deren Anwendung Deutsche bitter hart bestraft worden sind. Aus diesem Grunde bestehen tiefe Ressentiments innerhalb unserer deutschen Jugend. Wir haben uns damit abzufinden. Es wird notwendig sein, diese Ressentiments langsam, aber sicher abzubauen.
({9})
- Es ist richtig; der Politiker kann auf der Basis von Ressentiments keine Politik machen. Aber ich glaube, wir würden zuviel verlangen, wenn wir das von allen andern erwarten würden.
({10})
Hierzu sind Aufklärung und Arbeit notwendig.
Ich erinnere auch an die von den Westmächten, unseren zukünftigen Partnern, noch zurückgehaltenen deutschen Kriegsgefangenen. Ich habe die Entschließung der Regierungsparteien hierzu gelesen. Es ist nicht notwendig, hierüber weitere Ausführungen zu machen. Mir ist auch bekannt, daß die Bundesregierung in stiller Arbeit versucht hat, das Los dieser Ärmsten der Armen zu lindern. Es ist vielleicht richtig gewesen, daß man das nicht mit lauten Paukenschlägen getan hat, sondern auf diese Art; man hätte ihnen sonst wenig genützt. Wir können nur hoffen, daß dieser Zustand sehr bald beseitigt wird.
Es sind auch noch andere Dinge, die unsere Jugend davon abhalten, zu dem Wehrbeitrag im Augenblick „ja" zu sagen. Es ist vielleicht gut, daß man einmal über diese Dinge spricht. Ich erinnere mich sehr wohl an die Zeit nach dem Zusammenbruch, als wir Soldaten versucht haben, uns eine neue Existenz zu gründen. Für viele war es um so schwieriger, als sie nach diesem harten Kriegsausgang auch noch ihre Heimat und damit jegliche Unterstützung verloren hatten. Wir haben es damals erlebt, daß die Besatzungsmächte den deutschen Soldaten oft verhöhnt und seine Ehre beschmutzt haben. Es waren aber nicht nur die Besatzungsmächte, sondern bedauerlicherweise auch manche deutschen Dienststellen. Ich habe es selber erlebt, daß mir in dieser Zeit die Besatzungsmacht die einfache Arbeit mit einem Monatsverdienst von 150 Mark für meine fünfköpfige Familie erlaubte, während der Leiter eines Arbeitsamtes erklärt hat: Sie haben kein Recht auf Arbeit, Sie sind ein Militarist.
({11})
Das ist kein Einzelfall. Es ist Hunderttausenden so gegangen. Diese Herrschaften haben nach 1945 Beförderungen erlebt, die es in der deutschen Wehrmacht nie gegeben hat. Bei uns in der Wehrmacht war es nicht möglich, es in fünf Jahren bis zum Stabsoffizier zu bringen. Aber diesen Herrschaften
({12})
ist es gelungen, in fünf Jahren bis zum Regierungsrat zu kommen. Ob sie das verdient haben, ist eine andere Frage.
({13})
- Das kann ich Ihnen nachher gern sagen.
Es kamen dann noch die unglückselige Entnazifizierung und weitere Maßnahmen der Entmilitarisierung hinzu. Ich erinnere mich da an ein Spruchkammerurteil, in dem stand: Er wird zu zwei Jahren Sonderarbeit verurteilt; von einer Geldstrafe wird nur deshalb abgesehen, weil er Heimatvertriebener ist und weil ihm Anschuldigungen nach Paragraph sowieso - als Militarist - nicht nachgewiesen werden können. Das heißt also: Du wirst wegen Diebstahls verurteilt; aber wir können dir nicht nachweisen, daß du gestohlen hast. Diese Dinge spielen heute noch bei unserer Jugend eine. sehr wesentliche Rolle. Es wäre nun gut, wenn in dieser Zwischenzeit alles getan würde, um diese diskriminierenden Dinge irgendwie zu beseitigen.
({14})
Wir haben festgestellt, daß in dem zukünftigen Vertrag über den Wehrbeitrag erfreulicherweise mehrfach festgelegt ist, diskriminierende Maßnahmen gegenüber der Bundesrepublik könnten nicht mehr Anwendung finden. Ich glaube aber, sagen zu müssen, daß das für uns auch die Verpflichtung in sich schließt, alle diskriminierenden Maßnahmen gegen deutsche Soldaten, die heute noch in unseren Gesetzen verankert sind, nunmehr schnellstens zu beseitigen. Diese Bitte richte ich an die Bundesregierung. Wir können nicht auf der einen Seite verlangen, daß wir in der europäischen Verteidigungsgemeinschaft nicht benachteiligt werden; wir müssen daraus aber auch die Konsequenzen ziehen: wir selbst müssen diese Diskriminierungen des deutschen Soldaten in allen Gesetzen beseitigen. Ich erinnere da noch an manches Unerfreuliche, was in dem Gesetz zu Art. 131 steht: Nichtanerkennung von Beförderungen, Nichtanerkennung der Zeit der Gefangenschaft usw.
({15})
- Das hat materielle Gründe; aber, Herr Kollege, wenn man daran denkt, daß wir heute 10 Milliarden für den Wehrbeitrag angeboten haben, dann wäre es damals vielleicht auch möglich gewesen, hier etwas mehr zu tun und diese Dinge wegzulassen.
({16})
Wir sind der Auffassung, daß die bolschewistische Ideologie nicht allein mit Bajonetten, Panzern und Atombomben überwunden werden kann, sondern wir meinen, daß die Lösung der sozialen Fragen vordringlich ist: Wohnungsbau, ein echter Lastenausgleich mit der Eingliederung der Kriegsgeschädigten im Sinne einer sozialen Neuordnung. Lassen Sie mich hierüber in aller Sachlichkeit einige wenige Worte sagen. Die bisherigen Leistungen im Wohnungsbau haben keine spürbare Entlastung gebracht. Das liegt nicht an der Bundesregierung, sondern es liegt in der Natur der Verhältnisse. Wir werden in Zukunft gerade im Hinblick darauf, daß manches freigemacht werden muß, um neue Menschen unterzubringen, in dieser Beziehung wesentlich mehr tun müssen. Es ist eine Tatsache, daß fast 500 000 Menschen heute noch in Lagern vegetieren. Hunderttausende leben noch in Elendswohnungen, und es mag Hunderttausende von Menschen geben, die noch nicht ein eigenes Bett und einen eigenen Tisch haben. Der derzeitige Lastenausgleich ist nach unserer Auffassung keine echte Vermögensumschichtung, und die Leistungen nach diesem Lastenausgleich reichen nicht aus, um eine schnelle Eingliederung dieser Kriegsgeschädigten zu vollziehen. Es war doch so, daß das Bundesfinanzministerium zu Beginn der Verhandlungen um den Lastenausgleich festgestellt hat, der deutsche Steuerzahler könne im Jahre höchstens etwa 2 Milliarden leisten..Wir hatten damals eine Besatzungskostenlast von etwa 4 Milliarden; später wurden es 71/2 Milliarden. Nun hören die Menschen draußen, die seit langem auf den Lastenausgleich, auf die Aufwertung der Ostsparguthaben usw. warten, daß die Bundesregierung für den Wehrbeitrag ein Minimum, möchte ich annehmen, von etwa 10 Milliarden zur Verfügung stellen will.
({17})
Die Frage ist nun, ob es nicht zweckmäßiger gewesen wäre, wenn man bereits vorzeitig die für den Lastenausgleich aufzubringenden Mittel um diese 3 Milliarden erhöht hätte, um dann auf der anderen Seite hart den Standpunkt zu vertreten, daß wir über die bisherige Leistung von 71/2 Milliarden nicht hinausgehen können. Ich muß Ihnen sagen, daß uns draußen in vielen Versammlungen der Kriegsgeschädigten heute entgegengehalten wird, es bestehe der Verdacht, daß die Frage des deutschen Wehrbeitrags bereits zu Beginn der Verhandlungen um den Lastenausgleich eine entscheidende Rolle gespielt habe. Ich selbst enthalte mich hier eines Urteils,
({18})
aber der Verdacht wird sehr, sehr häufig geäußert.
({19})
- Hoffentlich- ist er unbegründet. Hoffentlich bleibt es dabei, daß die Möglichkeiten für eine soziale Neuordnung, wie wir sie alle anstreben, bestehen bleiben werden.
Noch einige wenige Worte zur deutschen Jugend. Die deutsche Jugend hat - das ist eine bitter traurige Feststellung - bisher keine innere Bindung zur parlamentarischen Demokratie und zum heutigen Staat. Das stellen wir bedauerlicherweise in allen Diskussionen immer wieder fest.
({20})
- Sehr mit Unterschied? Die Ausnahme bestätigt immer die Regel.
({21})
- Darin kann ich Ihnen nicht recht geben: aber ich sage: die Ausnahme bestätigt die Regel.
({22})
Der Vorwurf, daß die Jugend die innere Bindung zum Staat noch nicht gefunden hat, trifft nach meiner Auffassung nicht so sehr die Jugend selbst, als uns alle, auch die Regierung. Ich glaube, daß es für die Zukunft unsere Aufgabe sein wird, diese innere Bindung der Jugend zum Staat von uns aus wiederherzustellen. Wenn der verehrte Herr Bundestagspräsident vorhin davon ge({23})
sprochen hat, daß das Gespräch um den Wehrbeitrag nicht mehr abreißen wird, dann glaube ich sagen zu müssen, daß es unser aller Aufgabe sein sollte, im besonderen das Gespräch mit der deutschen Jugend zu führen.
({24})
Lassen Sie mich zusammenfassen. Meine Partei fordert gleiches Recht für alle in der Innen- und Außenpolitik. Als Voraussetzung hierzu sieht sie die Lösung der dringendsten sozialen Fragen wie Wohnungsbau, einen echten Lastenausgleich und die Eingliederung der Vertriebenen und sonstigen Kriegsgeschädigten im Sinne einer sozialen Neuordnung an. Im Zuge solcher Maßnahmen bedarf es eines einmaligen großen materiellen Opfern durch die deutschen Besitzenden und durch alle für die Freiheit kämpfenden Völker. Ohne soziale Befriedung ist eine echte Volksgemeinschaft mit einem gesunden Wehrwillen nicht möglich, und ein Wehrbeitrag darf in keinem Fall die soziale Entwicklung des deutschen Volkes hemmen oder gefährden. Der BHE ist davon überzeugt, daß die Überwindung uns wesensfremder Ideologien nur durch eine bessere soziale Ordnung zu erreichen ist. Er fordert eine völlige außenpolitische Gleichberechtigung mit allen für die Freiheit kämpfenden Nationen. Dazu gehört neben der Wiederherstellung der deutschen Soldatenehre auch die Überstellung der als sogenannte Kriegsverbrecher festgehaltenen Deutschen. Der BHE wehrt sich ferner gegen eine Verknüpfung von Generalvertrag und Wehrbeitrag sowie gegen Beschränkungen in der Produktion, in der Forschung und im Außenhandel. Nur unter diesen Voraussetzungen könnten wir für die Aufstellung eines deutschen Kontingents in der europäischen Verteidigungsgemeinschaft zur Sicherung des Friedens und zum Schutz der Heimat eintreten; nur so können wir unsere Frauen und Mütter, deren unauslöschliche Friedenssehnsucht sich überall kundtut, zur Zustimmung zu einem deutschen Wehrbeitrag bewegen. Der BHE wird sich aber niemals bereit erklären, denen die Hand zu reichen, die in unverantwortlicher Weise, bewußt oder unbewußt, den „Ohne-mich-Standpunkt" propagieren.
({25})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Mühlenfeld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen Ende einer zweitägigen ausgedehnten Debatte über ein und denselben Stoff bleibt nach so zahlreichen eingehenden Ausführungen, vor allen Dingen meiner politischen Freunde aus der Koalition und meines Freundes Merkatz nur wenig zu sagen übrig.
({0})
-- Ach, Rische, lassen Sie man; Ihre Zwischenrufe haben schon keine Wirkung mehr.
Vor allen Dingen bleibt mir zu Beginn meiner Ausführungen die Genugtuung, festzustellen, daß nach wochenlangen Überlegungen mit mir selbst und meinen politischen Freunden die Einstellung zu der Frage, die uns heute bewegt, mit einem klaren Ja zu beantworten, heute bestätigt wird durch die Illusionen der oppositionellen Argumente, wie wir sie heute gehört haben. Wir haben Argumente vorgebracht bekommen mit einer überspitzten juristischen Findigkeit, gespickt von Ideologien und von ideologischen Vorstellungen, die die innere Unsicherheit aller derjenigen zeigen, die ein Verständnis für die brutale Notwendigkeit eines klaren Ja zur Verteidigung unseres eigenen Volkes und Europas nicht aufzubringen vermögen. Hier ist so getan worden, als hätten wir bereits von der Regierung 'einen Vertrag vorgelegt bekommen, den wir zu ratifizieren, zu beschließen hätten. Die Ausführungen des Kollegen Schmid beschäftigten sich mit der Fiktion von Verträgen, beschäftigten sich mit Pressemeldungen und Äußerungen nicht verantwortlicher Persönlichkeiten, mit Postulaten, die gestern oder vorgestern aufgestellt worden sind und heute oder morgen widerrufen wurden und werden.
Die Beweisführung der Opposition bestätigt deutlich die allgemeine Feststellung, die man seit einer Generation im deutschen Volk machen kann, daß unter der Herrschaft der sozialisitischen Ideolagie das deutsche Volk den Maßstab für die Realitäten verloren hat.
({1})
Man tut so, als beginne das deutsche Schicksal und die deutsche Politik erst mit 1945 und vergißt ganz und gar, was vorher gewesen ist. Wir haben nicht nur, Herr Ollenhauer, die Trümmer unserer Städte zu beseitigen, sondern auch die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Trümmer, die diesem jungen Staat als eine ungeheure Hypothek aufgelastet wurden; Trümmer auch außenpolitischer Art sind fortzuräumen. Daher ist die Frage, die wir hier zu entscheiden haben, nicht allein aus dem Gefühl zu entscheiden.
Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, eins ist auch nicht zu verkennen: daß Ihre Argumente, bei deren Anführung in erster Linie mit Unterstellungen und Verdächtigungen gearbeitet wurde, geeignet sind, im deutschen Volke Gefühle zu erzeugen, die es die Wirklichkeit nicht sehen lassen. Ebensowenig können wir unter parteitaktischen Gesichtspunkten an diese Frage herangehen, sondern allein aus der nüchternen Verantwortung vor unserer Zukunft und vor dem, was zu geschehen hat, um sie sicherzustellen.
Parteitaktische Gründe, sagte ich, HerrOllenhauer. Sie erwähnten zunächst Lastenausgleich, Arbeitsbeschaffungsprogramm, Mitbestimmung. Ich will Ihnen nicht unterstellen, daß das ein Angebot zu einem politischen Handel sein soll, aber ich frage Sie und ich frage uns alle: Könnte es nicht in nächster Zeit zu spät sein, so daß wir keine Möglichkeit mehr haben, an den Lastenausgleich oder an das Mitbestimmungsrecht oder 'an das Arbeitsbeschaffungsprogramm heranzugehen, wie es notwendig wäre, weil dann der Schatten aus dem Osten so über uns gekommen ist, daß wir keine Gelegenheit mehr dazu haben werden? Reicht das demokratische Staatsbewußtsein, das Bewußtsein, daß wir alle soziale Wesen sind, wie es Goethe einmal genannt hat, nicht so weit, daß wir bereit wären, für die Freiheit unseres Landes, für die Wiedererlangung seiner vollen Unabhängigkeit das zu tun, was seit Menschengedenken die selbstverständliche Pflicht aller gesunden Völker war und immer sein wird? Vermögen tatsächlich nur Diktatoren und Tyrannen einem Volke die Notwendigkeit seiner Verteidigungsbereitschaft klarzumachen? Es hat den Anschein! Wir müssen an alle, die die unverzügliche Schaffung der Verteidigungsbereitschaft jetzt zu hintertreiben versuchen, die Frage richten: Was setzt ihr für unser aller Schutz dagegen? Was könnt ihr unserem Volke antworten, wenn es zu spät sein sollte und wenn es dann die Frage stellt: Was habt ihr für unseren Schutz und für unsere Sicherheit getan?
({2})
({3})
Herr Kollege Dr. Schmid sagte, man könne auch auf andere Art einen Verteidigungsbeitrag leisten als auf militärische Weise: Durchmarschrecht, Stützpunkte zur Verfügung stellen oder Material liefern. Meine Damen und Herren, das vereinbart sich sehr schlecht mit den Thesen und Bekenntnissen und mit den Postulaten, die Herr Dr. Kurt Schumacher in seinem Buche „Nach dem Zusammenbruch", 1948 in Hamburg verlegt, aufgestellt hat. Auf Seite 73 sagt er:
Wir bejahen ohne Vorbehalt die praktische Zusammenarbeit mit der KPD.
({4})
Auf Seite 70 heißt es:
Wir wünschen keine antikommunistische und noch weniger antirussische Spitze unserer Politik.
({5})
Und auf Seite 97:
Was wir brauchen, sind engere, normale Beziehungen zu Sowjetrußland.
Ich weiß nicht, meine Damen und Herren von der SPD, wie sich diese Thesen mit den Konzessionen vereinbaren lassen, die Sie jetzt den Westmächten zu machen bereit wären, indem Sie ihnen Durchmarschrecht geben oder Material liefern wollen.
Wir alle haben uns auch Rechenschaft abzulegen, und keiner kann dann zu seiner Entschuldigung sagen: Meine Parteifreunde wollten mit dem Verteidigungsbeitrag einen Tauschhandel gegen Neuwahlen machen, bei denen wir zur Macht zu gelangen hofften, um dann das Volk unter unserer Führung erst in Abwehrbereitschaft zu setzen. Und niemand kann zu seiner Entschuldigung anführen. Meine Interessenvertretung wollte für ein Ja das Mitbestimmungsrecht für ihre Funktionäre gegen ihre Zustimmung zur Verteidigungsbereitschaft eintauschen, um so die Hand am wirtschaftlichen Hebel zu haben. Solches parteipolitisches und interessenvertretendes Paktieren wird heute und in Zukunft niemand aus seiner Verantwortung vor dem Volk entlassen können. Wer sich berufen fühlt, die Geschicke der Gemeinschaft auf Grund des Vertrauens, das ihm seine Landsleute geschenkt haben, zu gestalten, der muß den Mut zur Tat mitbringen und den Mut zur Verantwortung, zum Wohle der Gemeinschaft, des Volkes und des einzelnen. Der muß sich in diesem Sinne auch für die notwendigen Maßnahmen entscheiden, selbst dann, wenn sie noch nicht in diesem Augenblick von allen als dringend anerkannt werden. Wer dagegen gegenwärtig mangelndes Einsichtsvermögen noch weiter nährt, wer sich vor allem dadurch beliebt machen will und parteipolitisch Kapital aus dieser Unverantwortlichkeit zu schlagen versucht, der ist nicht wert, daß ihm auch nur seine nächsten Angehörigen, seine Frau und seine Kinder ihre Stimme in die Wahlurne werfen. Bei unserer Entscheidung geht es nicht um Krieg und Angriff, sondern hier geht es um Frieden und Verteidigung.
Meine Damen und Herren, die Einstellung, die van der Opposition hier gezeigt wird - gewollt oder ungewollt --, und die Einstellung, wie sie uns Frau Kollegin Wessel predigt, führt bestimmt zu dem, was man im Osten gern möchte: Zur Neutralisierung Deutschlands.
({6})
Neutralisierung Deutschlands! - Ein verführerisches Wort, das uns die Möglichkeit vorgaukelt, in
Ruhe und Frieden unserer Arbeit nachzugehen, für
unsere Familie und für unsere Kinder und auch
für die Zukunft Deutschlands zu sorgen. Diese Neutralität ist in dem Zustande, in dem sich die westdeutsche Bundesrepublik befindet,eine Fiktion. Nur eine bewaffnete Neutralität hat Aussicht auf Verwirklichung. Und unsere Neutralität würde deshalb auch nur so lange dauern, als keine Konflikte zwischen West und Ost eintreten. Man berufe sich nicht auf das Beispiel der Schweiz! Ihre geographische Lage und ihre gute Wehrmacht und andere politische Gründe erhalten ihr die Selbständigkeit.
An dieser Stelle mächte ich, weil ich weiß, daß mein deutsches Volk allzu sehr bereit ist zu vergessen, was gewesen ist, an einige historische Ereignisse erinnern, die für uns eine sehr ernste Mahnung sein sollten. Ich erinnere an die Neutralität Belgiens 1914 und 1939, ich 'erinnere an die Neutralität der Niederlande und Dänemarks 1940, die feierlich verbrieft und besiegelt war, und ich erinnere an die Situation Polens 1939, das mit Deutschland einen Nichtangriffspakt geschlossen hatte und wenige Monate später von Hitlerdeutschland und von der anderen Seite von Sowjetrußland überrannt wurde; und ich erinnere an das Schicksal der Tschechoslowakei nach 1945, wo gute tschechische Patrioten des Glaubens waren, durch eine Neutralität, durch ein freundnachbarliches Verhalten zu Sowjetrußland ihr Vaterland, die Existenz ihres Volkes erhalten zu können. Benesch verschwand in der Versenkung, Masaryk besiegelte den Bankrott seines patriotischen Wollens mit dem Freitod, und die Tschechoslowakei als Nation und Volk wurde zum Satellitenstaat.
Es hat einmal ein guter Deutscher, Heinrich von Kleist, gesagt: „Es bricht der Wolf, Europa, in deine Hürden ein, und deine Hirten streiten um eine Handvoll Wolle." Haben wir Deutschen und Europäler noch die Zeit, uns um diese Handvoll Wolle zu streiten? Das Zeitmotiv gehört nicht, wie Herr Ollenhauer behauptet, zum alten Eisen. Seit August 1950 Mindestens, also seit 18 Monaten, erörtern wir in Europa und anderswo das Thema der Verteidigungsgemeinschaft Europas und des Verteidigungsbeitrags Deutschlands. Wieviel Monate und vielleicht Jahre werden noch weiterhin vergehen, bis wir den Schutzwall um Deutschland und um Europa vollendet haben?
Man kann auch nicht mit dem Einwand kommen, daß eine Mitgliedschaft Deutschlands in der Verteidigungsgemeinschaft Europas die Spaltung Deutschlands verhärten würde. Warum sollen wir denn nicht ehrlich gestehen, daß die wahre Demokratie der Bundesrepublik, ihre weit besseren sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Vergleich zur Sowjetzone weit eher zu dieser Verhärtung der Spaltung geführt haben. Wir glauben vielmehr, daß mit der Schaffung der Bundesrepublik als Rechtsstaat, als Staat des sozialen und wirtschaftlichen Aufstiegs, die Wiedervereinigung erst dann eine echte Chance erhält, wenn wir der europäischen Verteidigungsgemeinschaft angehören.
Meine Damen und Herren, wir sollten uns auch nicht durch das, was von Frankreich in der Saarfrage gegen den Geist der europäischen Gemeinschaft provoziert worden ist, zu Entschlüssen verleiten lassen, die einigen Kreisen in Frankreich sehr angenehm wären. Wir können uns auch nicht dazu bereit finden, für das Saargebiet eine Volksabstimmung zu fordern. Hier gibt es keine Volksabstimmung. Das Saarvolk hat 1935 endgültig und abschließend seine Zugehörigkeit zum deutschen
({7})
Staate und zum Deutschen Reiche bekundet, und an diesem Zustand, an diesem Rechtszustand hat sich bis heute nichts geändert.
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Für meine politischen Freunde und für -mich ist daher die Volksabstimmung an der 'Saar nicht diskutabel. Wir wollen Europa nicht mit einem Unrecht beginnen, und dieserhalb möchte ich hier an Frankreich eine ernste Mahnung richten, in Erinnerung ernster historischer Stunden für das europäische Schicksal im 17. Jahrhundert, als die Türken vor Wien standen und eine kurzsichtige französischle Politik es sich glaubte leisten zu können, der gesamteuropäischen Verteidigung unter Führung Österreichls in den Rücken zu fallen, indem es den Vormarsch über den Rhein begann.
({9})
Meine Damen und Herren, es ist für uns, für meine politischen Freunde, der Beitritt zur Verteidigungsgemeinschaft - ({10})
- Ach Gott, Herr Loritz, Sie sind doch .nur noch medizinisch interessant!
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- Nachher!
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Deutschlands Lage zwischen Ost und West zwingt uns zu einer klaren Entscheidung. Um die Zukunft des deutschen Volkes' in Frieden und Freiheit zu sichern, muß Deutschland seinen Beitrag zur 'europäischen Verteidigungsgemeinschaft leisten; und Deutschland kann diesen Beitrag nach Auffassung meiner Freunde nur dann leisten, wenn folgende Voraussetzungen gewährleistet sind,
({13})
die ich 'hier im Auftrage meiner Fraktion bekanntzugeben habe:
1. Ein wirksames Mitsprache- und Mitbestimmungsrecht für die Bundesrepublik in allen Gremien, insbesondere beim Atlantikpakt, von dessen politischen und strategischen Entscheidungen die Bundesrepublik stärker als andere europäische Länder betroffen wird;
2. eine befriedigende Lösung des Problems der noch im westlichen Gewahrsam befindlichen sogenannten Kriegsverbrecher;
3. die Anerkennung der besonderen Belastungen der Bundesrepublik bei Bemessung des finanziellen deutschen Verteidigungsbeitrages und Festsetzung dieses Beitrages in einer Form, die es der Bundesrepublik gestattet, eine der Lösung der bestehenden Spannungen dienende Wirtschafts- und Sozialpolitik fortzusetzen;
4. Fortfall sämtlicher die Bundesrepublik beschränkenden, insbesondere aller sie diskriminierenden alliierten Bestimmungen. Nur solche Sonderregelungen, die zum Schutze Deutschlands mit Rücksicht auf seine geographische und politische Lage unerläßlich sind, sind auch tragbar.
5. Die endgültige Lösung des Saarproblems ist sofort in Angriff zu nehmen. Eine befriedigende Behebung der durch die französischen Schritte hervorgerufenen Besorgnisse bezüglich der Saar als
Beweis einer Gesinnung der europäischen Solidarität ist für einen wirksamen Verteidigungsbeitrag unerläßliche Voraussetzung. Insbesondere ist zu fordern, daß das politische Leben an der Saar von allen die Meinung der Bevölkerung verfälschenden polizeistaatlichen Beschränkungen befreit wird. Eine erneute Volksabstimmung über die staatliche Zugehörigkeit der Saar kann nicht erwogen werden, weil diese Frage zu Gunsten Deutschlands 1935 von der Saarbevölkerung abschließend entschieden worden ist.
In der brutalen Wirklichkeit, die sich uns aufzwingt, können wir die Augen nicht vor dem verschließen, was uns nottut. Nicht mit Begeisterung, sondern mit tiefem Ernst bekennen wir uns dazu, daß unter diesen Bedingungen, wie ich sie eben genannt habe, ein Verteidigungsbeitrag unseres Volkes geleistet werden muß zur Sicherung unserer deutschen Zukunft. Und die deutschen Männer, die einst bereit waren, für Deutschland zu sterben, sie mögen jetzt bereit sein, für Deutschland zu leben und zu arbeiten.
({14})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Frommhold.
Frommhold ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich im Zusammenhang mit den gestrigen ausgezeichneten Ausführungen des Herrn Professors Dr. Wahl einiges sage. Man muß sich meines Erachtens im Zusammenhang mit der gestrigen und heutigen Aussprache nicht nur aus psychologischen Gründen mit einem Überbleibsel aus dem Zeitalter der Okkupationspolitik auseinandersetzen, nämlich mit den Prozessen, die als Folge eines verlorenen totalen Krieges gegen deutsche Soldaten geführt worden sind. Es erscheint mir unumgänglich, einige Betrachtungen über die Beziehungen von Befehl und Gehorsam und über den vielzitierten Begriff des neuen Soldatentyps in einer künftigen Europa-Armee anzustellen.
Es gibt Leute, die der Auffassung sind, aus politischem Taktgefühl sollte die Frage der Kriegsverbrecher nicht angeschnitten werden. Aber der Takt hört dann auf, wenn vielleicht in absehbarer Zeit deutsche Kompanien am Zuchthaus Werl vorbeimarschieren sollten, hinter dessen Mauern, mit polnischen Kriminellen unter einem Dach,
({1})
der Feldmarschall von Manstein sitzt, der von vielen Seiten als einer der größten lebenden Strategen bezeichnet wird und dessen soldatische Ehrenhaftigkeit selbst von seinen früheren Gegnern nicht bestritten wird.
Es ist hier viel davon gesprochen worden, daß es keine Diskriminierung des deutschen Soldaten mehr geben soll. Aber wir kommen über die Tatsache nicht hinweg, daß diese Diskriminierung so lange bestehen bleibt, wie auf der Siegerrechtsbasis von Nürnberg verurteilte Soldaten stellvertretend für das deutsche Heer im Gefängnis sitzen. Es geht nämlich dann um die Ehre der Nation. Montgomery sagte einmal: „Männer müssen lernen, Befehlen zu gehorchen, auch wenn alles in ihnen nach Nichtbefolgung schreit." Dieses Fundament aller Armeen der Welt hat man zerstört, um nach dem Zusammenbruch deutsche Soldaten zu verurteilen. Man kann bei solchen absoluten Werten jeder Armee
({2})
nicht mit Konjunkturgesichtspunkten arbeiten. Man kann nicht sagen: damals hättest du ungehorsam sein müssen; heute mußt du gehorchen. Es gibt nur eine unbedingte Gehorsamspflicht des Soldaten gegenüber dem höheren Befehl und gegenüber dem Staat. Auf unbedingtem uneingeschränktem Gehorsam beruhen Manneszucht und Schlagkraft jeder Armee. Ohne diesen Gehorsam wird die Armee zur Gefahr für den Staat.
Dann noch etwas anderes. Wir sind im Laufe unserer Diskussionen des öfteren Überlegungen über ein Wehrgesetz in Deutschland begegnet. Überlegungen über ein Wehrgesetz in unserer Lage dürften nicht primär sein. Die Dinge sind bei uns sogar auf den Kopf gestellt. Strategische Erwägungen, die Beurteilung der Lage unter operativen Gesichtspunkten sind die Basis für das Wehrgesetz. Was wir brauchen, meine Damen und Herren, ist die hochqualifizierte Feuerwehr, von der so oft schon gesprochen worden ist, eine Feuerwehr, die jederzeit eingesetzt werden kann. Der Kalte Krieg kann binnen Stunde zum Heißen Krieg werden, und in Deutschland vor allem kommt es dann darauf an, daß man Minuten nutzt. Wenn man an die Aufstellung deutscher Verbände nur unter dem Gesichtspunkt herangeht, wie man die Zahl der westlichen Divisionen vermehren kann, dann sollte man lieber die Hände davonlassen. Die Forderung nach deutschen Verbänden kann nur aus strategischen und operativen Überlegungen kommen. Aus diesen Gründen schon brauchen wir ein Heer neuen Typs.
Man redet von der Demokratie unter den Soldaten. Ein Mann, der wohl über allen Zweifel erhaben ist, nicht Demokrat zu sein, nämlich der Generalstabschef der schweizerischen Armee, der Oberstkorpskommandeur von Sprenger, sagte:
Fürs erste gilt es zu sagen und offen zu bekennen, daß das moderne Heerwesen und so
auch das schweizerische eine Anstalt ist, die
mit irgendwelchen demokratischen Ideen nichts
zu schaffen hat, die sich gar nicht damit verträgt, j a geradezu die Negation aller Demokratie und Selbstbestimmung darstellt.
Und wenn Herr Lenz davon sprach, daß wir auch einen solchen Soldaten neuen Typs brauchten, so glaube ich, die Alliierten werden weniger den Wunsch nach dem neuen Soldaten nach dem Typ des Herrn Lenz haben, als den Wunsch nach dem alten deutschen Soldaten von Tobruk, El Alamein, Tscherkassy, Wolchow und Moskwa, der zu einem Begriff der Tapferkeit, der Zähigkeit, des Angriffsgeistes und der Standfestigkeit wurde.
Man polemisiert viel über die Frage, ob wir einen Parademarsch brauchen oder nicht. Wir wollen eins nicht vergessen, die Grenadiere Friedrichs des Großen waren wegen ihres Parademarsches berühmt; aber darauf kam es nicht an, sie konnten auch den Friedhof von Leuthen in einem großartigen Sturmangriff nehmen.
({3})
- Ich sage ja, darauf kommt es nicht an. Ich will damit nur sagen, daß man hier über Nebensächlichkeiten diskutiert, auf die es nicht ankommt. Das friderizianische Heer konnte das, und es war gleichzeitig ein Heer, wie es selten in der Geschichte gewesen ist.
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- Ja, nicht deswegen.
Wenn man darüber sinniert, wie man wohl neue demokratische Ausbildungsvorschriften zusammenstellen kann, sollte man einmal daran denken, daß sich die Türken im Korea-Krieg bestens bewährt haben. Sie sind im Angriff vorbildlich gewesen und sie sind diejenigen gewesen, die als letzte zurückgingen.
({5})
Die äußere Form des deutschen Heeres hat sich ständig geändert. Geist und Haltung des deutschen Soldaten aber waren stets soldatisch anständig. In diesem Zusammenhang ist das Wesentliche, daß die Bevölkerung das sichere Gefühl hat, sich auf seine Armee im Ernstfall verlassen zu können.
Ich darf im Anschluß an das, was mein Freund von Thadden heute früh ausgeführt hat, noch folgendes sagen. Wir sehen in dem Recht eines Volkes, seine Unabhängigkeit mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, also selbstverständlich auch mit der Waffe, zu verteidigen, die historische Grundlage der Existenz freier Völker. Auch in Deutschland ist die Ausübung dieses Rechts auf der Basis der allgemeinen Wehrpflicht erfolgt. Nach beiden Weltkriegen wurde die Ausübung dieses Rechts für Deutschland durch gewaltsamen Eingriff von außen unterbrochen. Das ändert jedoch nichts an der Existenz dieses Naturrechts. Infolgedessen wäre ein souveränes Deutschland in der Lage, dieses Recht jederzeit wieder auszuüben, wozu es keiner umständlichen verfassungsändernden Prozedur bedürfte. Ob und in welcher Form, unter welchen vertraglichen Bindungen an andere Staaten Deutschland dieses Recht auf Selbstverteidigung mit der Waffe praktisch ausüben soll, ist eine rein politische Entscheidung, die mit dem Gesamtkomplex der Außenpolitik unlöslich verbunden ist. Die Entscheidung kann nur j a oder nein lauten. Unsere Entscheidung wird ein Ja sein, wenn die Änderungen der außenpolitischen Gesamtlage so weitreichend sind, wie sie in den vorliegenden Anträgen, deren Annahme ich hiermit befürworten möchte, gefordert werden.
Meine Damen und Herren! Da nach der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers die Abgeordneten und Fraktionen, die ihre Redezeit verbraucht haben, noch ein Viertel ihrer Redezeit in Anspruch nehmen können, hat der Herr Abgeordnete Loritz eine Redezeit von 21/2 Minuten.
Loritz ({0}): Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen kurz noch folgendes sagen: Der Herr Bundeskanzler hat auf die entscheidenden Fragen heute und gestern nicht die geringste Antwort gewußt. Die entscheidenden Fragen, um die es sich hier dreht, sind folgende; Gewinnt Deutschland und unser deutsches Volk dadurch, daß es noch zuwartet, oder ist es gut, daß wir wiederum denjenigen darstellen, der vorangeht, seine Knochen hinhält und bluten muß, während die anderen den Vorteil davon haben? Zweitens - und diese Frage ist ebenso entscheidend -: Ist die weltpolitische Situation so, daß eine deutsche Wiederaufrüstung uns mehr Sicherheit geben wird, oder aber ist die Lage so, wie ich es behaupte, daß gerade durch eine deutsche Wiederaufrüstung im jetzigen Moment die Kriegsgefahr ungeheuer vergrößert wird?
({1})
- Sie schreien jetzt nein.
({2})
({3})
Sie wissen anscheinend nicht, daß die russische Regierung leider erklärt hat, daß jede deutsche Aufrüstung von ihr niemals geduldet wird und also den Krieg bedeutet. Sie haben uns nicht erklärt, Herr Dr. Adenauer, ob die russische Regierung diese ungeheuere Drohung für unser deutsches Volk zurückgenommen hat. Die russische Regierung hat diese Drohung keineswegs zurückgenommen!
({4})
Sie tun heute trotz dieser Drohung etwas, was unser ganzes Volk in eine neue Katastrophe hineinstürzen kann, statt zu warten! Der Herr Bundeskanzler hat das Warten leider nicht gelernt. Ich habe ihm schon einmal vorgehalten, daß er unreife Äpfel im Juni essen will, statt zu warten, bis sie reif sind!
({5})
Die Geschichte beweist immer wieder aufs neue, daß man in solchen Gefahren, wenn zwei große Gegner gegeneinander stehen, als kleiner schwacher Mann, was Deutschland heute ist, durch Abwarten mehr und hundertmal mehr erreichen kann, als wenn man sich einem der beiden Großen bedingungslos an den Hals wirft und den Jackele macht, der für einen der beiden Großen vorangeht.
Diese Fragestellung hat uns leider der Herr Bundeskanzler heute nicht beantwortet.
({6})
- Ja, rufen Sie nur Schluß! Sie nehmen die Demokratie anscheinend nur für sich in Anspruch. Als wahre Demokraten müßten Sie über diese für Deutschland entscheidende Frage unser deutsches ) Volk in geheimer Abstimmung sprechen lassen.
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Herr Abgeordneter Loritz, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Loritz ({0}): Es ist leider eine sehr kurze Redezeit. Ich habe heute schon einmal gesagt: In keinem anderen Parlament der Welt würde es so sein, daß Abgeordnete nur ein paar Minuten Redezeit haben, weil sie nicht einer der großen Fraktionen angehören.
({1})
- Sie von den Regierungsparteien, die immer wieder dazwischenschreien, können anscheinend die Wahrheit nicht hören!
Ich rufe unserem guten, braven deutschen Volk nochmals zu: Laßt Euch nicht durch die Sirenenklänge verführen, die Ihr heute von seiten der Regierungsparteien gehört habt! Seid gegen diese Wiederaufrüstung, die nichts anderes als Unglück und die Gefahr einer neuerlichen fürchterlichen Demütigung Deutschlands bringen kann! Weg mit dieser Wiederaufrüstung, und weg mit dieser Regierung Adenauer!
({2})
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löfflad von der Gruppe Deutsche Partei. Bayern in der Fraktion Deutsche Partei.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als der jüngste Abgeordnete des Deutschen Bundestages bin ich meiner Fraktion dankbar, daß sie mir die Möglichkeit gegeben hat, im Rahmen der Wehrbeitragsdebatte noch einige Ausführungen zu machen.
Im Laufe ihrer Ausführungen haben kommunistische Redner erklärt, wenn Abgeordnete dieses Bundestags zur Zeit der Bundestagswahlen einen Wehrbeitrag Westdeutschlands gefordert hätten, würde es heute keine Regierung Adenauer geben. Dazu sage ich: wenn die Westmächte schon bis zum Mai 1945 die Gefahr des Kommunismus erkannt hätten, brauchten wir heute wohl kaum über einen Wehrbeitrag zu diskutieren. Denn dann gäbe es wahrscheinlich keine bolschewistische Gefahr mehr,
({0})
dann könnte die Welt in Ruhe und Frieden, frei und ohne Gefahr Pläne für die sozialen und wirtschaftlichen Verbesserungen verwirklichen zum Wohle aller Völker. Aber leider wurde die Gefahr des Bolschewismus zum damaligen Zeitpunkt verkannt, er wurde sogar teilweise noch unterstützt, sei es, weil man sich zu sehr in die Idee des Morgenthauplans verbohrt hatte, sei es aus anderen Gründen. Es ist ein offenes Geheimnis, daß Roosevelt ein- eifriger Kämpfer für diesen Vernichtungsplan Deutschlands war. Aber ein ebenso offenes Geheimnis ist es, daß es in Amerika schon damals Männer gab, die sich mit ihrer ganzen Kraft gegen die Verwirklichung dieses Vernichtungsplans einsetzten. Diesen Männern haben wir es zu verdanken, daß jene in Zusammenarbeit mit Moskau geplante systematische Vernichtung Deutschlands verhindert werden konnte.
Freilich hat die verfehlte Politik Amerikas und Englands Not und Elend und Tod über Deutschland gebracht. Wenn der Westen heute das deutsche Volk über die Gefahr des Ostens aufzuklären versucht, so können wir auf diese Aufklärung verzichten; denn wir haben diese Gefahr schon längst erkannt und den Kommunismus stets klar abgelehnt. Unsere Rußlandkämpfer, unsere Heimkehrer aus Rußland, die 13 Millionen Heimatvertriebenen sprechen eine deutlichere Sprache als jegliche Propaganda. Bedauern können wir nur, daß der Westen den Kommunismus erst in Korea kennengelernt zu haben scheint. Es ist nicht notwendig, daß das deutsche Volk über die Gefahr des Ostens aufgeklärt wird, sondern es ist viel notwendiger, das deutsche Volk stark zu machen gegen den Bolschewismus, den es kennt und den es nicht will.
({1})
Wenn Sie die Entscheidung über den Wehrbeitrag dem deutschen Volke überlassen, wird es nach einer genauen Aufklärung des Für und Wider nicht so entscheiden, wie die SPD behauptet, sondern sich dafür und für Europa aussprechen. Leider aber wurde das Volk vor dieser Debatte nur mit Propaganda einseitiger Art durch die Propaganda der Ohne-mich-Vertreter überfüttert. Ich erlaube mir an die SPD die Frage, ob sie nur aus Verantwortungsbewußtsein zum Wehrbeitrag nein sagt oder ob nicht auch propagandistische Momente mit eine Rolle spielen. Warum denn sonst die fortgesetzte Forderung nach Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt? Sie wissen nicht, ob sich Ihr heutiges Nein in anderthalb Jahren nicht zu Ihrem Schaden und Nachteil auswirken wird. Würden Sie die Verantwortung auch dann tragen und übernehmen und nein sagen, wenn Sie nicht wüßten, daß trotz Ihres
({2})
Neins doch ja gesagt wird, weil im Interesse unseres Volkes j a gesagt werden muß?
({3})
Nun befürchte ich nicht, daß Ihr Propagandafeldzug beim Volk allzusehr einschlägt, denn ein zu großer Teil des deutschen Volkes steht jeder Propaganda, die von marxistischer Seite kommt, sehr skeptisch gegenüber.
({4})
Ich glaube, mit Recht feststellen zu können, ({5})
daß niemand behaupten kann, wir stimmten einem
Wehrbeitrag um jeden Preis zu, wenn die Ihnen
vorliegenden Anträge, die sämtlich Forderungen
unseres Volkes enthalten, zur Abstimmung kommen und angenommen werden. Es wird leider keine
Möglichkeit geben, die Folgen festzustellen, die
ausgelöst würden, wenn die Mehrheit dieses Hauses den Wehrbeitrag ablehnte. Fest steht auf jeden
Fall, daß sie gegenüber den Risiken des Ja für
Deutschland furchtbar und untragbar sein würden.
({6})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rische von der Gruppe der Kommunistischen Partei.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte hat es - das haben Millionen miterleben können - für diejenigen, die sie inszeniert haben, einige Pannen gegeben. Es ist jetzt doch ganz klar, was der Sinn dieser Debatte ist, und es ist auch ganz klar, wie die Kräfte aussehen, die unserem deutschen Volk das Elend eines neuen Krieges und unserer Jugend eine neue Kasernenhofzukunft bringen wollen.
({0}) Man hat sich, um dieses schändliche Werk zu vollbringen, nicht gescheut, alle Gefühle, sogar die religiösen Gefühle unseres deutschen Volkes rücksichtslos in die Debatte zu werfen. Das zeigt nur den großen Ernst der Lage auf, in der wir uns hier in Westdeutschland heute befinden.
Ich bin gezwungen, zu einigen Fragen Stellung zu nehmen,
({1})
die in Zusammenhang stehen mit der „Kontroverse", die hier zwischen Herrn Schmid und dem Herrn Bundeskanzler geführt wurde. Mein Kollege Reimann hat gestern unserem deutschen Volke in aller Offenheit die Bedingungen des Generalvertrags und der diskriminierenden Zusatzverträge unterbreitet. All das hat heute der Sozialdemokrat Carlo Schmid mit seinen Worten - spät jedoch, aber doch! - bestätigt. Ich stelle darum die Frage: Warum die SPD-Führung so lange? Warum unterrichtete sie nicht die eigene Partei und unser eigenes Volk von den Vorgängen, die in den Geheimverhandlungen der letzten Wochen auf der Tagesordnung standen?
({2})
Das waren die Lebensfragen unseres deutschen Vol-kes: Generalvertrag und ein neues Wehrgesetz. Es
ist also erwiesen - was wir immer gesagt haben -,
daß die sozialdemokratische Parteiführung in diesen Geheimverhandlungen mit dem Herrn Bundeskanzler über jede Frage der offiziellen Politik in Westdeutschland, also der Adenauer-Regierung, genauestens, bis in alle Einzelheiten unterrichtet wurde.
({3})
Wer so lange schweigt, wer dies nicht einmal seinen eigenen Parteigenossen und seiner eigenen Fraktion gegenüber offen zum Ausdruck bringt, ist nicht ohne Schuld an all den fürchterlichen Gefahren, die die Adenauer-Regierung mit ihrer Politik der Remilitarisierung und der Versklavung unseres deutschen Volkes heute auf sich lädt.
({4})
Herr Schmid kennt also den Wortlaut des Generalvertrages und der Zusatzverträge, und Herr Ollenhauer ebenfalls!
({5})
Was denkt unser deutsches Volk darüber, unser deutsches Volk, das heute Gelegenheit hat, die Debatte über diese Schicksalsfrage mit anzuhören und das sich - darüber kann kein Zweifel bestehen - eine eigene Meinung bildet - von der Politik der sozialdemokratischen Parteiführung gar nicht erst zu reden - über die Politik der Militarisierung und Faschisierung durch das Adenauer-Kabinett?
({6})
Was ist also los?
({7})
Der Sozialdemokrat Schmid wurde von Dr. Adenauer unterrichtet. Herr Carlo Schmid und Herr Ollenhauer zogen es jedoch vor, nicht einmal die eigene Partei zu unterrichten. Das ist ein neues Eingeständnis der Adenauerschen Geheimpolitik gegen unser Volk, das von seiner Regierung Klarheit, Sauberkeit und Offenheit verlangt.
({8})
Das Vorenthalten so unerhörter Tatsachen, wie sie im Generalvertrag und in den Zusatzverträgen unserem Volke aufgezwungen werden sollen, bedeutet doch, daß die Position dieser Regierung Adenauer gegenüber dem einmütigen Willen unseres deutschen Volkes heute unhaltbar geworden ist. Das ist die einzige logische Schlußfolgerung, die jeder anständige Mensch aus dem Ergebnis der heutigen Debatte
({9})
und aus den Enthüllungen, die sie gebracht hat - das war nicht vorgesehen! -, zu ziehen hat.
({10})
Herr Adenauer aber stellte sich gestern hierhin und sagte, alle Angaben meines Kollegen Reimann über den Inhalt des Generalvertrags, über seine diskriminierenden Bestimmungen, über seine Einschränkungen und über seine Verbote seien falsch. Herr Adenauer hat es also vorgezogen, wider besseres Wissen hier in diesem Parlament öffentlich, angesichts unseres ganzen deutschen Volkes, die Unwahrheit zu sprechen. Herr Adenauer hat also
({11})
das Parlament und unser deutsches Volk erneut bewußt falsch unterrichtet.
({12})
Der Herr Bundeskanzler wußte auf die Charakterisierung des Generalvertrags durch meinen Kollegen Reimann nur zu sagen, alle diese Angaben seien nicht richtig, sie seien falsch.
Diese Methode der Dementis und Abschwörungen ist typisch für die Politik Dr. Adenauers. Als die Spatzen von allen Dächern die Remilitarisierung in Westdeutschland verkündeten,
({13})
als .die Presse des In- und Auslandes spaltenlang über diese Remilitarisierung berichtete, antwortete der Herr Bundeskanzler auf eine konkrete Frage meiner Fraktion fünfmal mit einem entschiedenen Nein. Nun frage ich alle einfachen Menschen unseres Volkes: Was soll man von einem solchen Kanzler halten, der auf konkrete Fragen, die einen offensichtlich Wahrheitsgehalt haben, nur die stereotype Antwort hat: Nein, nein und nochmals nein!?
Das traurige, schäbige Vertuschungsspiel mit der sogenannten Dienststelle Blank ist ein weiterer Beweis für die Tatsache, daß Dementis aus Bonn als Eingeständnis der bestrittenen Tatsache zu werten sind. Herr Blank sollte - das ist doch wohl bekannt, und das weiß auch unser Volk - angeblich Wohnräume für alliierte Truppenverbände beschaffen. Was aber tut diese famose Dienststelle heute? Über 30 Hitler-Offiziere arbeiten bereits den Mobilmachungsplan für die neue Wehrmacht aus. Sie sind dabei, den Herren Industriellen die Aufträge für die Errichtung einer neuen deutschen Wehrmacht schon zuzuschieben.
I Der Bundeskanzler hat in seinen Regierungserklärungen sehr richtig darauf hingewiesen, daß eine Einheit besteht zwischen Schumanplan, Generalvertrag und diesem Wehrgesetz, das man so oder so der deutschen Jugend oktroyieren will. In der Tat, so ist es. Warum aber verschweigt er dem deutschen Volke den Inhalt dieser Verträge?
({14})
Der Inhalt der Artikel des Generalvertrages wird durch die heutige Debatte bestätigt. Die einzelnen Artikel beschäftigen sich in der Hauptsache mit den militärischen Verpflichtungen gegenüber den drei Besatzungsmächten. Damit wird von vornherein der Verzicht auf die Souveränität durch die Adenauer-Regierung klar umrissen festgelegt. Das bedeutet die Fortsetzung der Einmischung durch die westlichen imperialistischen Staaten in alle innerdeutschen Angelegenheiten, insbesondere in solche Fragen, die die deutsche Einheit, also die Wiederherstellung unseres deutschen Vaterlandes betreffen. In Art. 3 Abs. 3 wird beispielsweise erklärt, daß die Bundesrepublik ein untrennbarer Bestandteil in der Gemeinschaft europäischer Völker sei; aber in Art. 4 Abs. 4 wird gesagt, daß die Bundesrepublik sich in Anbetracht ihrer besonderen Lage feierlich zum Verzicht auf gewisse souveräne Rechte, die in dem Zusatzabkommen zu diesem Vertrag festgelegt sind, verpflichte.
({15})
Das heißt, daß sich die alliierten Regierungen in
vollem Einverständnis mit der Bundesregierung -im
Falle der Notwendigkeit das Recht der Einmischung
und der Rücknahme der Macht vorbehalten. Das ist
genau das, was mein Kollege Reimann gestern über
den Inhalt dieses Generalvertrags auseinandergesetzt und woraus er die Schlußfolgerung gezogen hat, daß dies die offene Vorbereitung einer faschistischen Militärdiktatur zur Vorbereitung eines Krieges bedeutet.
({16})
Unser deutsches Volk verlangt nach der Rede von Carlo Schmid und den Ausführungen Adenauers die sofortige Offenlegung des im geheimen ausgearbeiteten Generalvertrags und seiner Zusatzverträge.
({17})
Das deutsche Volk hat ein Recht darauf. Wenn die ganzen Debatten überhaupt einen Sinn haben sollen, dann muß das deutsche Volk endgültig Klarheit haben über alle die Absichten, die heute seitens der Adenauer-Regierung und auch einiger Führer der sogenannten Opposition im Hinblick auf die Versklavung unseres deutschen Volkes und insbesondere der deutschen Jugend bestehen. Herr Acheson erklärte, wie Herr Carlo Schmid heute vorgetragen hat: Generalvertrag - ja, aber nur gegen deutsche Soldaten! - Da haben Sie doch die Frage der Gleichberechtigung! Damit ist doch erwiesen, daß es im System der imperialistischen Staaten des Westens überhaupt keine Gleichberechtigung geben kann. Der Krieg wird von den amerikanischen Imperialisten auf westdeutschem Boden vorbereitet. Hier wird man die Ausgangsbasis für ein neues imperialistisches Abenteuer gegen die Völker des Ostens schaffen wollen. Das heißt: kommt es dazu, was sich die Herren Acheson, Truman und die anderen Imperialisten vorgenommen haben, dann wird Deutschland zur Wüste, dann wird unsere Heimat in eine Landschaft der Born- benkrater verwandelt werden. Und das wollen wir nicht. Darum sind wir gegen den Generalvertrag. Darum sind wir gegen seine Zusatzverträge. Darum ist unsere deutsche Jugend gegen ein Wehrgesetz.
({18})
Nun noch ein weiteres zur Haltung der SPD. Die SPD-Haltung läuft im Endresultat darauf hinaus, für die deutschen Imperialisten nur alle Rechte, und ich möchte sagen: sogar alle Vorrechte auszuhandeln. Das ist das gleiche Spiel, das bereits in der Frage des Schumanplans hier in diesem Bundestag von den SPD-Führern gespielt wurde. Da sagt man: Gleiche Opfer,
({19})
gleiche Chancen, gleiche Rechte! Wo gibt es denn die im System der Vorbereitung eines Krieges? Ein Krieg wird von vornherein alle gleichen Rechte, alle gleichen Chancen und alle gleichen Opfer unmöglich machen; denn die amerikanischen Imperialisten wollen unsere deutschen Jungen für ihre blutigen Geschäfte in einem neuen Weltkrieg nur mißbrauchen.
({20})
Das Nein der sozialdemokratischen Partei ist darum nicht nur im Grunde genommen ein Ja, sondern weit mehr. Dieses Nein ist die Politik der deutschen Imperialisten, die darauf hinstreben, die Führung im europäischen politischen Konzert zu erhalten.
({21})
Dr. Schmid fordert die Erfüllung der Voraussetzungen für den Wehrbeitrag. Was sind das aber für Voraussetzungen? Er fordert mehr Truppen an der Elbe, um dann den Stoß, wie -er bereits früher er({22})
klärte, über die Elbe hinaus, über die Weichsel und den Njemen gegen die Völker des Ostens vortragen zu können.
({23})
Wenn ich den Kollegen Schmid richtig verstehe, dann fordert die SPD die Beteiligung in diesem militärischen Verteidigungsbeirat, in diesem Dreierausschuß. Das will unsere deutsche Jugend nicht. Unsere deutsche Jugend will nirgendwo beteiligt sein, wo es darum geht, den Krieg vorzubereiten. Die sozialdemokratische Parteiführung will, daß Deutschland, daß die deutschen Imperialisten die Führung im Kampfe gegen die Sowjetunion vorbehaltlos übernehmen können.
({24})
Das ist die blutige Konsequenz der von der sozialdemokratischen Führung betriebenen Antisowjethetze. Herr Schmid hat hier ein böses Wort .gebraucht, eine Beleidigung der Völker. Er sprach davon, daß die Völker, die heute um ihre nationale Freiheit und Unabhängigkeit kämpfen, deklassierte Völker seien. Eine solche Beleidigung der Völker ist unzulässig;
({25})
denn die Völker kämpfen in Ägypten, Vietnam, Indonesien und in Tunis für ihre demokratischen Rechte und Freiheiten.
({26})
Das sind jene Argumente, mit denen Hitlers SS gegen das französische Volk und gegen die Völker des Ostens getrieben wurde.
Kommen Sie bitte zum Schluß, Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich möchte schließen. Unser deutsches Volk hat aus dieser Debatte eine Lehre gezogen. Diese Lehre besteht darin, daß es kein Vertrauen zu der Politik der Adenauer-Regierung mehr hat,
({0}) daß es dieses Mißtrauen gegen diese Politik ummünzt in die Forderung: Fort mit Adenauer und seiner Kriegspolitik!({1})
Das Wort hat der Abgeordnete von Brentano von der Fraktion der ChristlichDemokratischen/Christlich-Sozialen Union.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aussprache, die gestern morgen hier im Bundestag begonnen hat, war durch zwei Anfragen veranlaßt. Ich glaube, der Herr Bundeskanzler hat zu Beginn -seiner Ausführungen mit Recht darauf hingewiesen, daß diese beiden Anfragen an sich den Rahmen der Diskussion bestimmen sollten. Ich habe aber den Eindruck, daß wir einerseits den Rahmen, der uns gesteckt war, nicht einmal ausgefüllt haben, daß wir andererseits aber zuweilen auch über Dinge gesprochen haben, über die wir sicherlich noch Weiter sprechen müssen, da sie für eine endgültige Diskussion doch wohl noch nicht reif sind.
({0})
Ich bin aber durchaus der Meinung, daß der
Fragenkomplex, den wir hier diskutieren, nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern daß er in dem gesamten großen Zusammenhang der politischen Gegebenheiten, der politischen Beziehungen und der politischen Spannungen gesehen werden muß. Darum, glaube ich, sollten wir nicht etwa den Generalvertrag diskutieren, und wir sollten nicht darüber diskutieren, ob die Bundesrepublik diesen Generalvertrag demnächst ratifizieren soll oder ob die Bundesrepublik sich in irgendeiner Weise ah den Bemühungen der freien Völker der Welt beteiligen soll.
Ich glaube, es ist erforderlich, zunachst einmal über die Ziele und die Aufgaben der deutschen Politik schlechthin zu sprechen und dann erst in Erörterungen darüber einzutreten, ob der Weg, auf dem wir diese Ziele zu erreichen versuchen, der richtige ist. Wir können nicht darauf verzichten - und mein Kollege Schäfer hat es gestern schon getan -, doch noch einmal in Gedanken den Weg zurückzugehen, den das deutsche Volk seit dem Jahre 1945 zurückgelegt hat, seit der Stunde, als das deutsche Volk zusammenbrach, nachdem es eine frevelhafte Führung mit einer bewundernswerten Beharrlichkeit wirklich bis an den Rand des Abgrunds geführt hatte. Am Ende dieses schweren Weges des deutschen Volkes stand die Kapitulation, standen die Potsdamer Beschlüsse, die Beschlüsse, die ja in einem untrennbaren inneren Zusammenhang auch mit den vorangegangenen Beschlüssen von Teheran und Yalta stehen.
Niemand von uns, meine Damen und Herren, hat bezweifelt, daß Deutschland auch durch diese Entwicklung nicht seine Eigenschaft als Staat und als Volk verloren hat. Die Forderung nach der Wiederherstellung der deutschen Einheit innerhalb der Grenzen des Jahres 1937, diese unverzichtbare und unabdingbare Forderung, zu der sich jeder Deutsche aus dem Verantwortungsgefühl gegenüber dem ganzen deutschen Volk bekennt und die jeder Deutsche mit der ganzen Leidenschaft seines Herzens und mit dem ganzen politischen Wollen verfolgen muß, ist ein Ausdruck dieser gemeinsamen Überzeugung eines großen Volkes von 70 Millionen Menschen. Aber ich meine doch, wir haben Anlaß, mit einer' gewissen Befriedigung festzustellen, daß in der Entwicklung dieser letzten Jahre etwas erreicht worden ist, worüber wir vor Jahren noch nicht hätten sprechen können,
({1})
daß nämlich die freie Welt diesen legitimen Anspruch Deutschlands anerkannt hat, ja sogar, daß die freien Völker der Welt diesen Anspruch nun zu ihrem eigenen gemacht haben.
({2})
Ich habe es mir zur Ehre angerechnet, daß ich vor den Vereinten Nationen diesen Standpunkt des deutschen Volkes vertreten durfte. Ich möchte mit allem Ernst feststellen, daß ich mich, als ich dort in Paris vor dem ad-hoc-Ausschuß der UN sprach, wirklich als Vertreter des ganzen deutschen Volkes fühlte, weil ich glaube, daß die deutsche Delegation, die aus dem Regierenden Bürgermeister der Stadt Berlin, Professor Reuter, unserem Bundestagskollegen Schäfer, Herrn Dr. Gradl ({3}) und mir bestand, damals das deutsche Volk zu 95 % hinter sich hatte.
({4})
Aber dieser Weg von Potsdam nach Paris scheint
mir auch in einer recht eindrucksvollen und überzeugenden Weise die Ziele der deutschen Politik
aufzuzeigen. Aufgabe der deutschen Politik war
({5})
und wird es bleiben, mit allen Kräften, die uns zur Verfügung stehen, an der Erhaltung und an der Sicherung des Friedens mitzuarbeiten. Aufgabe wird es sein und bleiben, allen anderen, die die Segnungen der Freiheit genießen, diese Freiheit zu sichern. Aufgabe wird es sein, die Einheit unseres deutschen Volkes wiederherzustellen und auch die 18 Millionen Menschen, die heute noch von uns getrennt sind, mit uns - aber auch, mit allen anderen, die guten Willens sind - instand zu setzen, in dem gesicherten Frieden und in echter Freiheit zu leben.
({6})
Es ist manchmal beängstigend, zu spüren, wie die Begriffe Frieden, Freiheit und Einheit, die doch eigentlich absolute Werte ausdrücken, im Bewußtsein nicht nur der deutschen Öffentlichkeit, sondern auch der Welt entwertet worden sind.
({7})
'Einer meiner Freunde hat gestern schon von der Notgemeinschaft gesprochen, und auf die Gefahr hin, daß Frau Kollegin Wessel mir den Vorwurf macht, daß ich Propaganda für sie triebe,
({8})
möchte ich doch noch einmal darauf zurückkommen. Gibt es denn im deutschen Volke - abgesehen von ein paar Verbrechern oder Hasardeuren - wirklich irgendeinen, der erst einer solchen Notgemeinschaft zur Erhaltung des Friedens beitreten müßte?
({9})
Ich empfinde es wirklich als Ausdruck einer beispiellosen Anmaßung,
({10})
wenn einige Wanderredner diesen Anspruch für sich monopolisieren.
({11})
In Deutschland leben heute noch Millionen von Menschen, denen wir trotz der größten Anstrengungen nicht das geben konnten, was der Mensch über das karge Existenzminimum hinaus braucht.
({12})
Wir haben Millionen von Kindern in Deutschland, deren Väter nicht zurückgekehrt sind,
({13})
wir haben Millionen von Frauen, deren Männer
nicht zurückgekehrt sind, und wir haben Millionen
von Eltern, deren Söhne draußen geblieben sind.
({14})
Es bedarf aber keines Appells an unser soziales Gewissen, meine Damen und Herren, uns daran zu erinnern, daß hier noch manches getan werden muß. Vielleicht sollte man an diejenigen appellieren, die ihre 'Staatsgesinnung und ihre Staatstreue manchmal von der Erfüllung berechtigter, häufig auch unberechtigter Ansprüche abhängig machen.
Für meine Freunde und für mich nehme ich in Anspruch, daß wit den unschätzbaren Wert eines Friedens für ein Volk erkennen, das Jahre und Jahrzehnte brauchen wird, um die Wunden zu heilen, die ihm dieser Krieg geschlagen hat. Aber ich finde, es ist eine gewollte oder ungewollte- Unaufrichtigkeit, zu verschweigen, daß die schauerlichste Form der Friedlosigkeit die Unfreiheit ist!
({15})
Ich kann nur hoffen, daß ein gütiges Schicksal und der Herrgott unser deutsches Volk davor bewahren mögen, spät die gesetzmäßige Affinität zwischen diesen Begriffen von Frieden und Freiheit zu erkennen.
({16})
Ich habe gesagt, es muß das Ziel der deutschen Bundesrepublik sein, den Frieden zu sichern und die Freiheit zu wahren. Wir sind zutiefst davon überzeugt, daß wir dieses Ziel nur zu erreichen vermögen, wenn wir uns ohne jeden Vorbehalt und in vollkommener innerer Aufrichtigkeit mit denjenigen zusammenschließen, die mit uns die gleichen Lebenswerte bejahen.
({17})
Daher hat auch die Politik der Bundesregierung unsere Zustimmung. Ich glaube, es ist wirklich nicht richtig, hier von einer Geheimpolitik zu sprechen;
({18})
denn diese Politik, hinter der ja nicht etwa nur die 'Bundesregierung, sondern hinter der auch die Koalition der Bundesregierung steht, wird, wie ich glaube,
({19})
nicht nur von uns, sondern im Grundsätzlichen von der großen Mehrheit des deutschen Volkes vorbehaltlos bejaht.
({20})
Ich 'gehe nicht mehr auf den Vorwurf ein - er ist auch nicht mehr erhoben worden -, als seien diese Ziele der deutschen Politik von irgendwelchen außerdeutschen Mächten oder Kräften bestimmt.
({21})
- Wenn Sie von nationaler Würde und Ehre sprechen als so armselige Handlanger einer fremden Macht, dann erspare ich mir die Auseinandersetzung mit Ihnen.
({22})
Das deutsche Volk hat uns diese Auseinandersetzung in den Wahlgängen seit 1946 in überzeugender Weise abgenommen!
({23})
Aber, ich glaube, das scheint mir auch ein Grund vieler Mißverständnisse zu sein, daß wir. uns über die Begriffe, über die wir diskutieren, erst einmal verständigen sollten. Ich habe manchmal den Eindruck, daß sich Meinungsverschiedenheiten am Wort entzünden und nicht am Sinngehalt der Äußerung, vielleicht weil manchmal dieser Sinngehalt nicht maßvoll und klug genug erläutert wird. Ich halte das für um so notwendiger, als ich doch glaube, daß wir, wenn wir eine solche Lebensfrage unseres deutschen Volkes diskutieren, ungeachtet aller sachlichen Meinungsverschiedenheiten gemeinsam mit dem letzten Ernst und mit letztem Verantwortungsgefühl darum ringen sollten, eine richtige Entscheidung zu finden.
({24})
Der Begriff des Friedens bedarf wohl keiner Erläuterung mehr. Aber was die Freiheit angeht, meine ich, bedürfen wir der Erkenntnis des
({25})
Wesensgehalts der Freiheit, wenn wir sie begehren. Wir bedürfen des Bewußtseins des Genusses der Freiheit, wenn wir sie schützen wollen.
({26})
Es gibt, glaube ich, viele, die die Freiheit nur in der Anarchie kennen. Es gibt eine echte Freiheit! Wir sind, weil wir ein junger Staat sind, noch nicht so weit, sie im letzten verwirklicht zu haben. Es gibt eine echte Freiheit innerhalb der staatlichen Ordnung, und diese Freiheit . ist nicht bestimmt vom Katalog des Grundgesetzes, der ja nur den Versuch unternimmt, einen Ausdruck für das zu geben, was gewollt ist. Diese Freiheit ist eine tiefe sittliche Idee, und über diese tiefe sittliche Idee sollten wir uns, glaube ich, verständigen können. Es kommt nicht auf die Formulierungen an! Wie wenig es darauf ankommt, zeigt ein Blick in die sowjetzonale Verfassung, die man wie eine schöne Lyrik lesen kann und von der man weiß, daß sie zur Verfassungswirklichkeit in einem so grauenvollen Widerspruch steht.
({27})
In der Verfassungswirklichkeit, wie ich sie sehe und wünsche, muß der Mensch im Mittelpunkt des politischen Geschehens stehen, und die Achtung vor der Würde des Menschen muß der staatlichen Gewalt eine unüberbrückbare Grenze ziehen. Darum geht es, wenn wir von Freiheit sprechen, die wir dem deutschen Volke erhalten wollen.
({28})
Ich gebe dem Herrn Kollegen Ollenhauer ohne Einschränkung recht, wenn er sagt, daß eine echte Freiheit nur innerhalb einer gerechten sozialen Ordnung bestehen kann. Das wissen wir so gut wie er. Aber ich meine, auch er weiß so gut wie wir, daß der Erfüllung dieser Forderung bisher noch Grenzen gezogen waren, Grenzen, die nicht aus dem bösen Willen gezogen waren, sondern aus der Macht der Verhältnisse, die wir noch nicht zu ändern vermochten. Ich meine, ein Blick in die Gesetzgebung der letzten Jahre, ein Blick in die Haushalte des Bundes und der Länder zeigt, daß wir uns - und, wie ich glaube, mit erstaunlichem Erfolg - bemüht haben, unsere sozialen Aufgaben zu erfüllen,
({29})
manchmal das Volk vielleicht sogar über die Grenze der Leistungsfähigkeit beansprucht haben um der Erfüllung dieser Pflicht willen.
({30})
Vielleicht werden wir uns über die Wege, die wir gehen müssen, mit Ihnen, Herr Kollege Ollenhauer, nicht verständigen können; aber über das Ziel sollten wir uns verständigen. Ich meine auch, wir sollten uns doch gegenseitig - und das schien mir nicht ads allen Reden, die gestern und heute hier gehalten wurden, mit der nötigen Klarheit herauszuklingen - nicht die anständige Gesinnung bezweifeln.
({31})
Wir sollten doch für einander in Anspruch nehmen, daß sich jeder von uns bemüht - mindestens so lange sollten wir das von jedem annehmen, bis er das Gegenteil bewiesen hat -, in solchen Fragen, ich wiederhole: in solchen Fragen, von deren Beantwortung nicht nur das Schicksal des deutschen Volkes, sondern vielleicht auch das von Europa abhängt, die letzte Entscheidung vor dem
eigenen Gewissen und in dem Gefühl der Verantwortung vor dem gesamten deutschen Volk zu finden.
({32})
Meine Damen und Herren, ich sagte, wir wollen nicht darüber diskutieren, was im einzelnen im Generalvertrag steht, was im einzelnen in einem andern Vertrag, in einem Annexvertrag oder sonstwo steht; der Zeitpunkt scheint mir noch nicht gekommen zu sein. Das, was wir bisher von diesem Vertrag wissen, befriedigt auch uns nicht etwa so, daß wir sagen könnten, der heutige Stand würde es uns ermöglichen, ein Ja zu diesen Verhandlungen auszusprechen.
({33})
Wir werden auch - die Drucksachen liegen vor Ihnen - der Bundesregierung eine Reihe von Wünschen mit auf den Weg geben, von denen wir hoffen, daß sie auch von unseren ausländischen Gesprächspartnern richtig verstanden werden.
({34})
Wir wollen, daß das Besatzungsstatut wirklich ein
Ende findet. Das bedeutet, daß man dem deutschen
Volk mit dem Vertrauen, das es nunmehr in Anspruch nehmen kann, auch wieder die Rechtsstellung einräumt, die einem freien Volk zukommt.
({35}) Das bedeutet, daß man ihm grundsätzlich die Regelung seiner inneren und äußeren Angelegenheiten überläßt.
({36})
Wir wollen mit der neu zurückgewonnenen Souveränität keinen Mißbrauch treiben. Wir sind sogar bereit und haben es schon oft gesagt, diese neugewonnene Souveränität in dem Augenblick, in dem sie uns gegeben wird, in die Gemeinschaft einzubringen, wenn und soweit auch die andern bereit sind, das gleiche zu tun.
({37})
Es ist aber der Ausdruck eines unguten und gefährlichen Mißtrauens, wenn man glaubt, noch irgendwelche Relikte aus der Zeit des Besatzungsstatuts in einem solchen Vertrag verewigen zu müssen. Ich meine auch, wenn man eine echte Partnerschaft sucht, die so weit gehen soll, daß man sich gemeinsam bemüht, den Frieden und die Freiheit zu verteidigen, dann sollte man an den Partner nicht mit dem Mißtrauen herangehen, daß er innerhaltb seiner eigenen Gesetzgebung aus Unrecht Recht und aus Recht Unrecht machen würde.
Auch die anderen Beschränkungen, etwa auf dem Gebiet der industriellen Produktion sind unerträglich und müssen in Wegfall kommen. Ich brauche gar nicht hinzuzufügen, daß, was heute schon gesagt worden ist, 'Beschränkungen, wie sie etwa in der Äußerung eines belgischen Offiziers zum Ausdruck gekommen sind, für uns indiskutabel sind. Es ist ein Irrtum, wenn gesagt wird, es sei der belgische Verteidigungsminister gewesen. Nach der Notiz meiner Zeitung war es ein belgischer Oberst. Es soll ja auch in Belgien Obersten geben, die nicht sehr klug sind. Dieser hat gesagt, daß ein Deutscher nicht Armeekommandeur werden könne. Ich glaube, wir brauchen über solche- Dinge gar nicht zu sprechen; denn es wird hier im ganzen Hause - davon bin ich überzeugt - niemand geben, der einem Vertrag zustimmt, der solche Bedingungen enthält.
'({38})
({39})
Wir stellen keinen deutschen Soldaten, wenn wir keine deutschen Generäle stellen dürfen.
Ein besonderes Anliegen ist - das ist auch schon ausgesprochen worden - folgendes. Die Stadt Berlin ist de facto ein Bestandteil der Bundesrepublik Deutschland. Wir lassen an diesem Zustand nicht rütteln. Wenn heute - zum Teil im wohlverstandenen Interesse der Stadt Berlin - noch ernste Bedenken dagegen bestehen, diesen defacto-Zustand in den de-jure-Zustand zu überführen, dann wollen wir das anerkennen, und ich glaube, daß ich darin mit unseren Freunden aus Berlin vollkommen einig bin. Aber die faktische Einheit sollte nicht bestritten und ihre praktische Anwendung auch nicht erschwert werden.
({40})
Mit allen diesen Forderungen - ich sage es erneut und mit großem Nachdruck - verfolgen wir keine primitiven nationalistischen oder egoistischen oder von irgendeinem Prestigebedürfnis diktierten Ziele. Wir erwarten das Verständnis der anderen dafür, daß es hier um Lebensfragen geht und daß eine echte vertrauensvolle Lebensgemeinschaft, wie wir sie zwischen den freien Völkern schaffen wollen, undenkbar ist, wenn auf solchen Gebieten, wie ich sie nur andeutungsweise nannte - Sie finden ja den Niederschlag unserer Auffassungen in den Resolutionen, die Ihnen vorliegen -, noch Meinungsverschiedenheiten aufrechterhalten werden, die für den einen oder anderen Partner unerträglich, untragbar sind.
Ich möchte nicht über die Frage des Junktims sprechen; darüber ist schon gesprochen worden. Ich bin nicht der Meinung, die hier von der Opposition vertreten worden ist, daß dieses Junktim für uns nicht tragbar ist. Ich persönlich bin der Meinung - ich mag mich irren -, daß wir dieses Junktim sogar begrüßen sollten. Ich sehe in diesem Junktim die praktische Verwirklichung der Sicherheitsgarantie von Washington. Wir können eine solche Sicherheitsgarantie ja nur erwarten, wenn wir zu einer vertraglichen Vereinbarung kommen. Es kommt mir im Interesse des deutschen Volkes sehr entscheidend darauf an, daß wir durch solche Verträge eine Vereinbarung mit den anderen dahin herbeiführen, daß sie nicht nur da sind, um die deutsche Grenze zu sichern, sondern 'daß sie da sind, um sich mit uns und uns mit sich gemeinsam verteidigen.
({41})
Das scheint mir die Frage zu sein, die wir diskutieren sollten, wenn wir das Ob behandeln, wenn wir nämlich die Frage stellen, ob wir uns an einer solchen Verteidigung beteiligen können, dürfen und müssen. Ich bin mir bei dieser Fragestellung der inneren Not sehr wohl bewußt, in der sich Millionen von Menschen befinden. Ich habe dem, was auch mein Freund Ehlers hier darüber gesagt hat, gar nichts hinzuzufügen. Es gibt Hunderttausende von Menschen, die wirklich mit sich selbst ringen und noch nicht entschlossen sind, die noch aus der Erkenntnis, aus dem Erleben der Vergangenheit heraus mit einem Trauma belastet sind. Diese Menschen sollen wissen, daß wir mit dem gleichen Ernst, mit der gleichen Leidenschaft und mit dem gleichen Verantwortungsgefühl auch versuchen, ihren Vorstellungen Rechnung zu tragen, ihre Bedenken zu verstehen, und daß niemand von uns bereit oder gar entschlossen ist, solche Bedenken beiseite zu schieben.
Ich unterstreiche deswegen auch, was mein Freund Ehlers gesagt hat: Die Frage einer Verweigerung des Kriegsdienstes, die wir im Grundgesetz ausdrücklich ausgesprochen haben, muß so beantwortet werden, wie es dem Willen des Gesetzgebers damals entsprach. Es kann und darf kein Gewissenszwang ausgeübt werden. Aber, meine Damen und Herren, es war kein Mitglied der Bundesregierung, das am 20. November 1950 in München den Satz ausgesprochen hat: „Wenn wir ein Wehrgesetz machen, gibt es keine Kriegs- dienstverweigerer". Das war Herr Dr. Kurt Schumacher.
({42})
Herr Kollege Schmid hat heute in seinen Ausführungen, auf die ich noch kurz eingehen muß, einiges gesagt, was meines Erachtens nicht unwidersprochen bleiben kann, wie ich überhaupt zugeben muß, Herr Kollege Schmid, daß ich das meiste von Ihren Ausführungen heute schlechthin nicht verstehen konnte. Es mag an mir liegen.
({43})
Sie haben gesagt, Herr Kollege Schmid, als Sie zunächst über die Frage der Legitimation des Gesetzgebers sprachen, man habe sich über diese Dinge im Parlamentarischen Rat nicht unterhalten. Herr Kollege Schmid, ich war auch im Parlamentarischen Rat. Darf ich Sie daran erinnern - und ich glaube, Herr Kollege Wagner wird es Ihnen bestätigen können, ich werde ihn nämlich wörtlich zitieren -, daß in 'der 12. Sitzung des Zuständig- keitsausschusses der Antrag gestellt wurde, in dem damaligen Artikel 76, glaube ich, bei den Worten „auswärtige Beziehungen" die Worte aufzunehmen „und den Schutz des Bundes nach außen". Daraufhin erklärte Herr Abgeordneter Wagner, SPD, Mitglied des Parlamentarischen Rates und Jurist:
Wir stehen auf dem Standpunkt, daß man das
nicht bringen soll und auch nicht bringen kann
und nicht zu bringen braucht, weil „auswärtige
Angelegenheiten" das deckt.
({44})
Wir sollten doch nicht so tun, als ob wir i Parlamentarischen Rat damals in einem Vogelkäfig gesessen und die Welt nicht gesehen hätten. Damals war die Zeit der Luftbrücke nach Berlin. Ich habe die Gefahr damals erkannt; ich glaube, Herr Kollege Schmid, auch Sie!
({45})
Wenn es damals politische Gründe gab, die uns veranlaßt haben, nicht expressis verbis
({46})
diese Frage in das Grundgesetz aufzunehmen, dann sind Ihnen diese Gründe genau so gut bekannt wie mir und wie dem Herrn Kollegen Wagner.
({47})
Ich habe aber noch anderes nicht verstanden. Herr Kollege Schmid hat gesagt, es sei unsere Aufgabe, dieses Provisorium nicht durch Statusverträge in irgendeiner Weise zu ändern oder zu stabilisieren; wir hätten nur einen modus vivendi zu finden. Herr Kollege Schmid, Sie selbst und Ihre gesamte Fraktion haben am 26. Juli 1950 hier im Bundestag eine Entschließung auf Abschluß eines europäischen Bundespaktes zur Schaffung einer übernationalen Bundesgewalt angenommen. Ist das kein Statusvertrag?
({48})
Wenn überhaupt der völkerrechtliche Status der
Bundesrepublik einmal geändert, und zwar entscheidend geändert werden könnte, dann durch den
({49})
Beschluß, den Sie angenommen und hier von der Tribüne des Hauses aus befürwortet haben.
({50})
Ich muß sagen, ich finde das auch nicht sehr überzeugend, daß Sie vom Kolonialstatut sprachen, als Sie vom Besatzungsstatut gesprochen haben. Herr Kollege Schmid, ich bitte Sie: Mäßigen Sie sich ein wenig! Ich weiß nicht, ob Sie mit diesem Nachdruck vom Kolonialstatut gesprochen haben, als Sie Staatspräsident in Württemberg-Hohenzollern waren.
({51}) Man sollte solche Dinge heute nicht brauchen, nachdem man doch auch einmal in der Erkenntnis gelebt hat, - ({52})
- Sie haben es hier ausgesprochen.
({53})
- Heute in der Rede.
({54})
- Herr Kollege, wir werden dann auch Ihr korrigiertes Manuskript erhalten.
({55})
- Nein, das geht Sie gar nichts an.
({56})
Ich komme jetzt noch einmal auf das zurück, was Herr Kollege Ollenhauer ausgeführt hat, und möchte ihm sagen: Er hat mit Recht - ich wiederhole es - an den Anfang seiner Ausführungen die Bemerkung gestellt, wir sollten weniger das Wie als das Ob besprechen. Ich stimme ihm zu. Aber Herr Kollege Ollenhauer, ich möchte Ihnen eines sagen: damit, daß man die Unzuständigkeit des Bundestages hier behauptet - ich will die Frage hier offenlassen -, können Sie und Ihre Freunde sich nicht einer klaren Antwort auf eine klare Frage entziehen.
({57})
So geht es nicht, daß man sich hier hinstellt - wie es geschehen ist -, ein grundsätzliches Ja sagt und schließt: Wir bleiben beim Nein.
({58})
Meine Damen und Herren! Sie verlangen vom deutschen Volke, Sie verlangen von jedem Wähler eine Entscheidung über das Ob, Sie verlangen sogar Neuwahlen, damit das deutsche Volk das Ob legitimieren kann. Und Sie wagen es nicht, hier von der Tribüne des Deutschen Bundestages aus in einer klaren Form zu sagen, ob ja oder ob nein.
({59})
- Sie können, wenn Sie zu Ihrem Ja oder Nein etwas sagen können, Ihre Einwendungen und Vorbehalte bringen, wie wir das auch tun. Aber ich fürchte, es geschieht hier etwas, was Sie sehr schwer verantworten können. Es geschieht hier etwas aus rein parteitaktischen Erwägungen,
({60})
daß der eigene innere Standpunkt vernebelt wird, daß eine Verwirrung im Volk angerichtet wird. Und sie wird angerichtet werden, wie ich Ihnen sagte. Lesen Sie heute die Schlagzeilen in den Zeitungen! In den Überschriften der Zeitungen lesen Sie nicht das, was Sie über die Notwendigkeit der Verteidigung gesagt haben - das ist etwas, was das Volk wissen will -, sondern Sie lesen die Schlagzeile: „SPD sagt nein". Das ist eine, wie ich glaube, gefährliche Methode.
Für genau so gefährlich halte ich Ihre Methode, die Legitimation dieses Bundestags zu bezweifeln. Meine Damen und Herren, auch Sie rechnen damit - das ist verständlich -, einmal die Regierungsgewalt und die Regierungsverantwortung zu tragen. Bereiten Sie sich heute schon auf die Antwort vor, wenn die Minderheit, der Ihre Politik nicht gefällt, Ihnen die Legitimation bestreitet, irgendein Gesetz zu erlassen, und sagt: Das ist ja ,im Wahlkampf nicht diskutiert worden!
({61})
Ich wiederhole und stelle diese klare Frage erneut auch an Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei. Sagen Sie hier vor dem deutschen Volk unmißverständlich, ob Sie Deutschland, ob Sie die Freiheit Deutschlands verteidigen und ob Sie den Frieden Deutschlands sichern wollen oder nicht.
({62})
Sie werden sich, Sie werden Ihren Wählern und Sie werden der deutschen Öffentlichkeit damit einen guten Dienst tun, und Sie werden, wie ich meine, nicht nur Ihre politische Pflicht als Abgeordnete, Sie werden Ihre politische Pflicht als Deutsche erfüllen!
({63})
Das Wort hat der Abgeordnete Preusker von der Fraktion der Freien Demokratischen Partei.
Meine Damen und Herren! Wenn ich am Schluß dieser Debatte die Ihnen vorliegenden Resolutionen der Regierungsparteien kurz begründen darf, dann erhält diese Begründung ihre Berechtigung daraus, daß die Diskussion hat klarwerden lassen, daß die Frage des deutschen Verteidigungsbeitrags nicht von uns aufgeworfen, sondern aus der Entwicklung der Weltlage an uns gestellt worden ist: Seid ihr bereit, gemeinsam mit den andern freien Völkern
({0})
für die Freiheit, für den Frieden einen Beitrag und ein Opfer zu leisten? Wir haben alle unter dem Eindruck gestanden, daß für uns die Frage nicht so gestellt war: Wollt ihr einen Verteidigungsbeitrag leisten oder überhaupt nicht?, sondern daß sie nur so gestellt war: Wollt ihr für die Freiheit und den Frieden Opfer bringen, oder wollt ihr euer ganzes Volk und darüber hinaus die ganze freie Welt in der Sklaverei versinken lassen?
({1})
Einzig und allein aus diesen Überlegungen haben wir vor dieser Gewissensfrage gestanden und haben uns in diesen zwei Tagen geprüft. Wir haben in diesen zwei Tagen in diesem Hause die Voraussetzungen dargelegt, die wir als gegeben annehmen müssen, wenn dieses Opfer für die Freiheit und den
({2})
Frieden der Welt einen Sinn haben soll. Das deutsche Volk soll wissen, unter welchen Voraussetzungen die Vertreter der Regierungsparteien im Deutschen Bundestag bereit sein werden, dieses Opfer des deutschen Verteidigungsbeitrags im Rahmen der freien Völker zu bringen.
Sie haben die Drucksachen vorliegen. Ich spreche zunächst über die Drucksache Nr. 3075. Sie fordert von der Bundesregierung, daß sie alles tut, um die Mitwirkung Deutschlands bei den Entscheidungen über den Einsatz deutscher Soldaten, deutscher Verteidigungskräfte sicherzustellen in dem geeigneten Rahmen und mit den geeigneten Mitteln, die keinerlei deutsche Diskriminierung in dieser entscheidenden Frage zulassen.
Sie haben weiter vorliegen die Drucksache Nr. 3078, die davon ausgeht, daß es nicht gut vorstellbar ist, daß es einen deutschen Verteidigungsbeitrag gibt, wenn unter der Beschuldigung des Kriegsverbrechens noch Deutsche festgehalten werden, die nach den Begriffen des für alle gültigen internationalen Rechts keine kriminellen oder sonsticen Verbrechen auf ihre Schultern geladen haben. Diese deutschen Soldaten aller Dienstgrade - dahin geht der Wunsch des Deutschen Bundestags
- müssen vorher frei sein, oder es muß einwandfrei erwiesen sein, daß sie wegen wirklicher Verbrechen dieser Freiheit nicht würdig sind, ehe Deutsche im Rahmen der Verteidigung der freien Welt wieder Soldaten sein können.
Weiter haben wir Ihnen die Drucksache Nr. 3077 unterbreitet, die von der klaren Vorstellung ausgeht, daß es in dieser ernsten Frage notwendig ist
- um es einmal mit den Worten zu sagen, die von der Tribüne des Bundestags von dem früheren belgischen Außenminister und Präsidenten des Europarates, Henri Spaak, gesprochen worden sind -, „Kanonen und Butter" zu haben; d. h. den sozialen Frieden, die sozialen Chancen und Lebensvoraussetzungen und damit die inneren Lebensmöglichkeiten zu sichern und zu erhalten,
({3})
um auch im Kalten Krieg bestehen zu können. Deshalb darf Deutschland, wenn es zu diesem Opfer herangezogen wird, mit keinem anderen finanziellen Beitrag belastet werden, als dies für die arideren freien Völker gilt. Im Rahmen dieses Heranziehens müssen auch die Sonderlasten berücksichtigt werden, die Deutschland nun einmal durch die 9 Millionen Heimatvertriebenen und durch die Sorge für Berlin auferlegt worden sind.
Weiter haben wir Ihnen die Drucksache Nr. 3076 vorgelegt, die an die bedauerlichen Vorgänge anknüpft, die sich an der Saar vollzogen haben; denn die Vertreter der Regierungsparteien im Bundestag sind der Auffassung, daß die Ernennung eines französischen Botschafters an der Saar den Ab-. machungen, die als Bestandteil des SchumanplanVertrags am 18. April 1951 in einem Notenwechsel zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem französischen Außenminister niedergelegt worden sind, in klarer Weise widerspricht. Frankreich hat durch die deutsche Ratifizierung des Schumanplans die Sicherheit bekommen, daß die Kohle und der Stahl der deutschen Saar ihm im Rahmen der freien europäischen Völker genau so zur Verfügung stehen, wie es für alle übrigen Gebiete der Montanunion der Fall ist. Frankreich sollte damit in seinen Wünschen befriedigt sein und - das ist die besondere Bitte an die Bundesregierung - jetzt den Deutschen an der Saar die selbstverständlichen politischen Freiheiten geben, die die Voraussetzung dafür sind, daß die Freiheit im ganzen überhaupt für unsere Menschen verteidigungswert erscheinen kann.
Schließlich haben wir in der Drucksache Nr. 3079 noch eine Reihe von sehr ernsten Voraussetzungen formuliert, die alle davon ausgehen, daß nun einmal die Freiheit unteilbar ist und daß sie nicht minder und nicht mehr gestaltet werden kann, je nachdem, ob es sich um das eine oder das andere Volk handelt. Hierauf ist eben schon Herr Dr. von Brentano eingegangen.
Dazu gehört das wirkliche Ende des Besatzungsregimes. Dazu gehört auch, daß die hier dann als Verteidigungstruppen bleibenden fremden Kontingente in ihrer Rechtsstellung genau so behandelt werden, wie sie im Rahmen der NATO-Verträge bei verbündeten Staaten behandelt sind. Jede hierüber hinausgehende Überlassung von Befugnissen kann eben nicht mehr dem Grundsatz der gleichen Rechte und Pflichten entsprechen.
Ebenso darf die Souveränität der Bundesrepublik nicht eingeschränkt werden, ohne daß dies aus zwingenden deutschen Anliegen im Hinblick auf die uns schmerzlicherweise noch vorenthaltene deutsche Einheit in Freiheit geboten ist.
Ebenso ist unvereinbar mit dem Gedanken des Opfers, das wir auf, uns nehmen sollen, daß in irgendeiner Form die Gesetzgebungsbefugnis des Deutschen Bundestags durch irgendwelche Besatzungsregelungen aus dem Besatzungsrecht der vergangenen Jahre beeinträchtigt wird. Alle diese Dinge müssen ein Ende haben. Sie müssen abgewickelt sein. Von jetzt ab muß draußen das Vertrauen vorhanden sein - das man ja in uns setzt, wenn wir die Gemeinschaft der freien Völker mit-bilden sollen, sogar mit den äußersten Opfern -, daß wir auch in kleineren Dingen zu den Grundsätzen der Freiheit und der Demokratie stehen.
Weiter gehört dazu, daß nicht aus diesem Anlaß im Generalvertrag oder in den Annexverträgen irgendwelche Vorwegnahmen erfolgen, die bei den Friedenvertragsverhandlungen unsere Position erschweren könnten, seien es Fragen der Reparationen oder Fragen irgendwelcher anderen Art.
Der Punkt 5 der Entschließung geht dahin, daß irgendwelche Einschränkungen unserer industriellen Produktion, unserer Forschung, irgendwelche Aufrechterhaltung von Sicherheitsämtern und sonstigen Instanzen, welche Entscheidungen treffen, wie sie kürzlich noch hinsichtlich Watenstedt-Salzgitter und der August-Thyssen-Hütte ergehen konnten, nicht mehr möglich sein dürfen.
Punkt 6 befaßt sich noch einmal mit der Frage des finanziellen Beitrags. Hier muß ich Ihnen noch eine kurze Änderung des Wortlauts verlesen und Sie bitten, diese Korrektur vorzunehmen. Sie ist leider durch die vorzeitige Vervielfältigung unterblieben. Es heißt dort am Schluß:
Die Gesamtsumme des deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrags muß nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik unter angemessener Berücksichtigung der besonderen Lasten erfolgen, die sie durch die Fürsorge für 9 Millionen Vertriebene
- an dieser Stelle müssen die Worte „und durch
die Unterstützung Berlins" gestrichen werden, und
es geht weiter zu tragen hat.
Der nächste Satz erfährt infolgedessen eine Änderung:
({4})
Aus diesem Gesamtbetrag müssen die Kosten für
- und hier wird eingefügt Berlin und der Beitrag an die europäische Verteidigungsgemeinschaft gedeckt werden, aus letzterem die Kosten für
- und dann heißt der Text weiter die im Gebiet der Bundesrepublik stationierten Truppen.
Das heißt, wir sind der Meinung, daß der Charakter der Verteidigungstruppen der nicht zu einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft gehörenden Nationen am deutlichsten dadurch zum Ausdruck kommt, daß die Kosten aus dem gemeinsamen vorgesehenen gesamteuropäischen Topf und nicht aus irgendeinem deutschen Beitrag genommen werden sollen.
In Punkt '7 wünschen wir, daß die Bundesregierung alles unternimmt, damit, wenn ein solcher Vertrag zustande kommt, wirklich unparteiische und paritätische Schiedsgerichte gebildet werden, um eine irgendwie geartete Diskriminierung der deutschen Anliegen von vornherein auszuschalten.
In Punkt 8 tragen wir dann noch ein Anliegen vor, das hier immer wieder aufgeklungen ist: daß hinsichtlich Berlins die möglichst schnelle Einbeziehung in die Rechtsverhältnisse, wie sie hinsichtlich der Bundesrepublik gelten, auch innerhalb eines Generalvertrags und eines Verteidigungsbeitrags erfolgt, daß hier gewissermaßen im Innenverhältnis die anderen Vertragspartner alle nur denkbaren Unterstützungen angesichts der nun einmal nicht zu bestreitenden Tatsache geben, daß Berlin ein Teil Deutschlands ist und immer bleiben wird.
Die in den vorgelegten Resolutionen niedergelegten Forderungen beantworten gleichzeitig die uns von den übrigen freien Nationen gestellte Frage: Wollt ihr oder wollt ihr nicht? in ganz eindeutiger Weise, indem wir sagen: Gut, wenn wirklich die Freiheit, die für alle eine gleiche ist, wenn wirklich der Frieden und die soziale Sicherheit, die für alle freien Völker das gleiche Ideal darstellen, gemeinsam verteidigt werden sollen, und wenn wir die gleichen Rechte erhalten, dann wollen wir auch als Deutsche in diesem Rahmen die gleichen Pflichten übernehmen und die gleichen Opfer bringen und uns nicht ausschließen. Wir meinen, wenn wir jetzt dem Deutschen Bundestag die Frage der Entscheidung über diese Resolutionen stellen, müßte die Antwort unter diesen Voraussetzungen, so wie wir unser Gewissen geprüft haben, für das ganze deutsche Volk eine positive sein.
({5})
Herr Abgeordneter Preusker, darf ich um die Hergabe der Abänderung des Antrags bitten? - Das Wort hat Herr Abgeordneter Ollenhauer von der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich am Schluß dieser zweitägigen Debatte nicht mit allen Argumenten auseinandersetzen, die hier gegen die sozialdemokratischen Auffassungen vorgebracht worden sind. Aber es scheint mir doch notwendig, einige Punkte in dieser Debatte zu behandeln, damit sie nicht unwidersprochen so stehenbleiben, wie sie hier aufgeworfen wurden.
Das Thema, vor das wir gestern und heute gestellt waren, war eine konkrete Frage. Es war die konkrete Frage: Kann die Politik der Bundesregierung zu einer sinnvollen und vertretbaren Mitwirkung der Bundesrepublik an einer europäischen Verteidigung führen? Wenn wir jetzt die Debatte in ihrer Gesamtheit übersehen, müssen wir zu der Feststellung kommen, daß diese Frage nicht befriedigend beantwortet ist,
({0})
weder vom Herrn Bundeskanzler noch von den Sprechern der Koalition. Statt dessen haben wir hier eine große Anzahl von Bekenntnissen und allgemeinen Betrachtungen über den Wert der Freiheit, über die Bedeutung ihrer Verteidigung, über ihre Bedrohung gehört.
({1})
- Nur zum kleinen Teil, Herr Kollege Euler; und ich finde nicht, daß besonders in Ihrer Rede dieser Anteil sehr ausgewachsen war.
({2})
Aber auch diese allgemeinen Betrachtungen haben zum Teil Tendenzen erkennen lassen, die aufschlußreich sind für die Einstellung, mit der die Vertreter der Regierungsparteien in diese Aussprache gegangen sind. Fürchten Sie nicht, daß ich jetzt in dieser späten Stunde auf alle diese Dinge eingehe.
({3})
- Dann ist es gut! - Aber einiges möchte ich doch hier erwähnen. Zum Beispiel hat sich Herr Dr. Ehlers in einer Passage seiner Rede auch polemisch mit der sozialdemokratischen Fraktion auseinandergesetzt. Er hat als ein polemisches Argument gegen uns den Hinweis auf die Leistungen Amerikas für Europa und Deutschland herausgestellt. Ich weiß nicht, was dieses Argument in dieser Diskussion, in der Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie eigentlich soll.
({4})
Denn über die Bedeutung der amerikanischen Leistungen nach 1945 für den europäischen und deutschen Wiederaufbau gibt es jedenfalls in der Sozialdemokratischen Partei nicht die geringste Meinungsverschiedenheit,
({5})
und es ist nicht wahr, daß z. B. mein Freund Arndt in seiner Rede davon gesprochen hat, wir wollten die amerikanische Kraft oder die amerikanischen Möglichkeiten in irgendeiner egoistischen Weise ausnutzen. Darum geht es überhaupt nicht. Es ist offensichtlich, daß das Schicksal der europäischen und internationalen Demokratie steht und fällt mit ihrer Verbundenheit mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
({6})
Welche kritischen Einstellungen wir immer zu dem
demokratischen Regime in Amerika haben mögen,
was wir hier behandelt haben oder - ich möchte
sagen - was wir hier behandeln sollten, ist die
konkrete Frage: Wie sollen sich die Beziehungen
zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten
Staaten auf einem bestimmten Gebiet gestalten,
({7})
nämlich auf dem Gebiet der Zusammenarbeit in bezug auf die gemeinsame Verteidigung, und zwar auf der Basis der Partnerschaft? Das ist die Frage. Wenn wir den Grundsatz akzeptieren, daß das Verhältnis zwischen den beiden Völkern auf dieser Basis gefunden werden muß, dann ergibt sich dar({8})
aus für jeden der beiden Partner das Recht, klarzustellen, unter welchen Voraussetzungen ihm eine effektive und wirkungsvolle Zusammenarbeit für den gemeinsamen Zweck möglich erscheint. Ich habe dazu in meiner Rede - es tut mir leid, es wieder in Erinnerung rufen zu müssen - ausdrücklich erklärt: es gibt keine Politik der Verteidigung, die jedes Risiko ausschließt. Es ist nicht unsere Meinung, daß wir mit den Händen in den Hosentaschen beiseitestehen sollten, wenn es um die Verteidigung von Werten geht, die auch uns angehen. Aber - und das ist der Punkt - in dieser Lage, in diesem weltumspannenden Konflikt gibt es nur eine sinnvolle und aussichtsreiche Konzeption: die Konzentration aller Kräfte, das gleiche Risiko und die gleiche Chance für alle. Es hilft nicht, daß wir hier unsere aufrichtige und ehrliche Sympathie gegenüber dem amerikanischen Volk zum Ausdruck bringen.
Ehe wir die Frage einer sinnvollen Verteidigung der Bundesrepublik bejahen können, müssen wir von diesem befreundeten amerikanischen Volk wissen, nach welcher strategischen Vorstellung und Auffassung es Deutschland und Westeuropa zu verteidigen gedenkt.
({9}) Das ist der einzige Punkt.
({10})
- Herr Preusker, Sie haben eben gesprochen. Lassen Sie mich ausreden; ich habe Sie auch nicht unterbrochen. - Ich möchte feststellen, daß Sie in Ihren Erklärungen auf diese Frage keine eindeutige Antwort geben konnten, weil es bis heute eine verantwortliche und verbindliche Erklärung der amerikanischen Politik in dieser Frage nicht gibt.
({11})
Diesen Tatbestand festzustellen, ist doch wohl eine Notwendigkeit, wenn wir uns hier über die Moglichkeiten und Chancen eines deutschen Verteidigungsbeitrages unterhalten wollen.
Dann möchte ich noch eine andere Bemerkung zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Ehlers machen, der sich, wieder im Laufe einer Auseinandersetzung mit unseren Argumenten, hier auf Debatten im Deutschen Reichstag der Weimarer Republik bezogen hat. Das war außerordentlich interessant.
({12})
Ich glaube nämlich, daß der Versuch, mit Zitaten eine bestimmte These zu beweisen, wie z. B. mit dem Zitat aus der Rede unseres ermordeten Freundes Rudolf Breitscheid im Jahre 1930, überhaupt kein echtes Argument in dieser Diskussion darstellt.
({13})
Denn wir können doch hier, jedenfalls in diesem
Hause, die Tatsache nicht ignorieren, daß die Wemarer Republik vom Jahre 1930 etwas völlig anderes war als die Bundesrepublik vom Jahre 1952.
({14})
Herr Dr. Krone, ich bin erstaunt, daß Sie dieses Argument aus Ihren Erfahrungen im Reichstag der Weimarer Republik nicht anerkennen. Damals hatten wir erstens einen Friedensvertrag,
({15})
zweitens war die Weimarer Republik nicht besetzt,
drittens war Deutschland nicht gespalten, und viertens gab es damals nicht eine internationale Situation mit den Spannungen, die heute die ganze Welt belasten.
({16})
Es ist unmöglich, aus einer Situation von damals Schlußfolgerungen für eine Politik zu ziehen, die im Jahre 1952 in der Bundesrepublik Deutschland getrieben wird. Außerdem habe ich auch den Eindruck, daß dieses Zitat gerade von Ihrem Standpunkt nicht sehr glücklich war.
({17})
Denn schließlich war die Rede, die damals mein Freund Breitscheid hielt, ja nicht zuletzt gegen einen erheblichen Teil der Menschen und Gruppen im Deutschen Reichstag gerichtet, die heute innerhalb der Regierungskoalition ihre politische Heimat gefunden haben.
({18})
-- Herr Wuermeling, ich möchte hier die polemische Note nicht verschärfen; sonst könnte ich noch etwas anderes in diesem Zusammenhang sagen.
({19})
-- Gut, dann möchte ich Sie daran erinnern, daß wir in bezug. auf die Auseinandersetzung um die Erhaltung der Weimarer Demokratie etwas vorsichtiger in diesem Hause sein sollten. Denn es sind ja die Parteien sehr maßgeblich vertreten, deren Vorgänger im Deutschen Reichstag im März 1933 für das Ermächtigungsgesetz gestimmt haben.
({20})
- Sie können das Argument für schäbig halten oder für armselig, Herr Bausch; vielleicht hören Sie es sich genau so ruhig an, wie wir uns ja auch einige sogenannte armselige Argumente Ihrer Seite anhören mußten.
Aber ich komme jetzt zu einem anderen Punkt.
({21})
- Es ist ein ganz anderes Gebiet; Sie kommen im Augenblick nicht dran. Ich meine jetzt meinen Kollegen Herrn Dr. Mühlenfeld, der es für richtig gehalten hat, obwohl seine Partei mit diesem Versuch schon einmal auf die Nase gefallen ist, aus einer Schrift von Vorträgen und Artikeln meines Freundes Kurt Schumacher Zitate zu bringen, die den Nachweis erbringen sollen, daß wir als kommunistenfreundlich verdächtigt werden können. Ich glaube, am meisten überrascht von dieser Feststellung sind die Mitglieder der kommunistischen Fraktion in diesem Hause. Wenn es hier in diesem Hause überhaupt eine freundschaftliche Beziehung zu Kommunisten gibt, dann ist es wohl die des Herrn Bundeskanzlers zu Herrn Renner.
({22})
Diese Art der Zitierung mag ja in Versammlungen ganz schön sein, Herr Mühlenfeld; vielleicht klappt es in Niedersachsen manchmal auch. Aber hier sollten Sie es lassen. Ich kenne Sie gut genug, um zu wissen, daß Sie es nicht mit gutem Gewissen getan haben. Denn Sie haben auch die Stellen gelesen, aus denen hervorgeht, daß alles das, was Sie hier hineinlesen möchten, in vollem Widerspruch - ich muß sagen, selbstverständlich - zu den Grundauffassungen steht, die mein Parteifreund Dr. Schumacher mit der gesamten Sozialdemokratischen Partei seit 1945 -und früher vertreten hat. Wir haben ja schließlich mit der Kom({23})
munistischen Partei schon im offenen Kampf gestanden, als andere deutsche Parteien noch in „Blockbildung" begriffen waren.
({24})
Damit Sie auch noch das Gegenzitat haben, Herr Dr. Mühlenfeld, will ich hier nur einen Satz zitieren, der eine grundsätzliche Bemerkung ist, nämlich den Satz von Dr. Schumacher: „Wir sehen grundsätzlich in der KP nicht eine deutsche Klassen-, sondern eine fremde Staatspartei". Ich meine, das genügt. Der Kommentar zu dieser Feststellung wird durch unser praktisches Verhalten gegenüber allen kommunistischen Infiltrationsversuchen gegeben.
Die Bemerkung des Herrn Kollegen Mühlenfeld veranlaßt mich noch zu einer anderen Anmerkung. Ich bedaure, daß in dieser zweitägigen und, wie Sie alle wissen, außerordentlich kritischen Debatte die antibolschewistische Note eine außerordentlich starke Rolle gespielt hat. Verstehen Sie mich nicht falsch; ich meine es sehr ernst. Ich meine nämlich, daß auch diejenigen unter Ihnen, die auch unter den heutigen Umständen für einen Verteidigungsbeitrag sind, es sich wegen der nationalpolitischen Gesamtkonsequenzen sehr überlegen sollten, ob es richtig ist, die Debatte über einen deutschen Verteidigungsbeitrag auf diesem Niveau zu führen.
({25})
Ich will Ihnen genau sagen, was ich meine. Ich bedaure es sehr, daß einen wesentlichen Beitrag dazu der Herr Bundeskanzler selbst durch die fast wörtliche Verlesung seines Memorandums vom August 1950 mit all den Passagen über die angebliche oder tatsächliche Massierung militärischer Kräfte der Sowjetunion in der Sowjetzone geleistet hat. Die Daten stammen aus dem Jahre 1950.
({26})
In ihrer Häufung sind sie natürlich, wenn sie echt sind, ein Element, das eine außerordentliche Beunruhigung in das Volk tragen muß. Meine Mei- nung ist, die schlechteste Politik, welche Sie, die Sie anscheinend den Verteidigungsbeitrag wollen, machen können, ist die, daß Sie ihn in der Stimmung des Volkes durchzusetzen versuchen, indem Sie an die Furcht appellieren.
({27})
Seien Sie damit sehr vorsichtig! Ich muß offen sagen, és gibt in diesem Augenblick - Herr Bundeskanzler, verzeihen Sie, daß ich es ausspreche; aber ich glaube, es ist eine Pflicht des Parlaments, das am Ende dieser Debatte auszusprechen, nachdem Sie den Inhalt der Denkschrift in dieser massiven Weise vor der Öffentlichkeit ausgebreitet haben -, es gibt nach Ihrer und nach meiner Kenntnis der Situation in der gegenwärtigen Lage keinen Anhaltspunkt dafür, daß wir das Volk mit einer solchen Unruhe erfüllen.
({28})
Mir lag daran, das hier ausdrücklich festzustellen. Ich bedaure, daß es von dem Vertreter der Opposition in diesem Hause geschehen muß und nicht von den Repräsentanten der Regierung geschieht.
Ich möchte nun noch einige kleine Berichtigungen bringen, damit sie hier ebenfalls festgehalten werden. Herr Bundeskanzler, eine Bemerkung! Sie haben es im Laufe dieser Debatte, zum zweiten Male in den letzten Monaten, für richtig gehalten, sich in Auseinandersetzungen mit der Opposition auf einen Hohen Kommissar der Besatzungsmächte zu berufen. Sie taten es im Zusammenhang mit der Schumanplan-Debatte. Sie haben es gestern getan mit Ihrer Bemerkung über angebliche Äußerungen, die Kurt Schumacher gegenüber Mr. McCloy über die Zahl der amerikanischen Divisionen gemacht haben soll. Meine Damen und Herren, ich bin nicht bereit, über diese Frage mit dem Herrn Bundeskanzler zu diskutieren,
({29}) weil ich es eines deutschen Bundeskanzlers für unwürdig halte, daß er Hohe Kommissare der Besatzungsmächte in innerdeutsche Auseinandersetzungen hineinzieht.
({30})
Eine zweite Bemerkung. Herr Bundeskanzler, Sie haben heute während der Rede _meines Freundes Carlo Schmid, als er den Versuch machte, eine Rede des Herrn Hohen Kommissars für die britische Zone Mr. Kirkpatrick zu zitieren, in der dieser die These aufgestellt hat, Gleichberechtigung heiße nicht gleiche Behandlung, den Zwischenruf gemacht: „Diese Erklärung ist dementiert!" Herr Bundeskanzler, hier ist der volle Wortlaut der Erklärung von Sir Kirkpatrick in der „Englischen Rundschau", mit allen Einzelheiten nicht nur dieser Feststellung, sondern mit einer umfassenden Erläuterung dieser Feststellung, mit Dutzenden von Beispielen, die ich Ihnen hier nicht vorzulegen brauche, weil Sie sie selbst nachlesen können. Herr Bundeskanzler, bemerkenswert ist: das Dementi, von dem Sie sprechen, ist hier nicht veröffentlicht!
({31})
Es gibt kein Dementi dieser Erklärung.
({32})
Nun, meine Damen und Herren, ich möchte auf eine Feststellung oder eine Redewendung - vielleicht war es nicht mehr, aber ich möchte sie nicht untergehen lassen - zurückkommen, die der Herr Bundeskanzler, ich glaube, gestern vormittag - ja - in seiner einführenden Erklärung gebraucht hat. Er hat da die Worte gebraucht:
Wir werden sicher zunächst anfangen mit Freiwilligen. Aber es wird der Zeitpunkt kommen, wo der Frage eines deutschen Wehrgesetzes nähergetreten werden muß.
Herr Bundeskanzler, Sie verstehen, daß wir außerordentlich mißtrauisch sind, und ich möchte nicht, daß diese Bemerkung unwidersprochen aus diesem Saale geht, damit Sie sich eventuell später darauf berufen könnten, wir hätten nichts dagegen eingewendet. Ich möchte Ihnen sagen, Herr Bundeskanzler: zunächst werden wir in der Bundesrepublik überhaupt nicht anfangen,
({33})
auch nicht mit Freiwilligen
({34})
und auf keinen Fall ohne gesetzliche Regelung.
({35})
Kein einziger Deutscher kann und darf rekrutiert
werden ohne vorherige parlamentarische Entscheidung!
({36})
- Einverstanden! Sehen Sie, Herr von Brentano, ich verstehe Ihren Optimismus und Ihre Gutgläubigkeit nicht ganz.
({37})
({38})
Aber es gibt ja noch eine These, die mindestens im Schoße der Regierung schon erörtert wurde, man könne den Aufbau des deutschen Kontingents einer Europa-Armee, wenn es auf freiwilliger Basis geschieht, so organisieren, daß man dem Bundestag ähnlich wie beim Schumanplan-Vertrag einen internationalen Vertrag über die europäische Verteidigungsorganisation vorlegt, der dann mit einfacher Mehrheit angenommen werden kann, so daß man auf diesem kalten Wege zu den ersten entscheidenden Schritten kommt. Meine Damen und Herren, hier nur die Feststellung: wir warnen davor! Sie werden auf den entschiedensten Widerstand der Sozialdemokratie stoßen, falls dieser Versuch gemacht werden sollte.
({39})
Und nun komme ich zum Schluß, und zwar zu einem Schluß, den ich mir für den Herrn Bundeskanzler und für Sie etwas freudiger, etwas positiver vorgestellt hätte.
({40})
Aber ich glaube, daß der heutige Tag nicht nur ({41})
- Das wird sich später zeigen! Wissen Sie, .es ist in der Politik wie beim Skatspiel; unten wird gerechnet!
({42})
- Ja, ja, Sie spielen ja Tarock!
({43})
Heute hat der französische Außenminister vor dem gemeinsamen auswärtigen Ausschuß der französischen Nationalversammlung zu den Fragen Stellung genommen, die die Kardinalfragen unserer Diskussion und unserer Entscheidung sind, nämlich zu dem Verhältnis zwischen Generalvertrag und Verteidigungsvertrag, zum Verhältnis von europäischer Gemeinschaft und deutscher Mitbestimmung und zum Verhältnis von NATO und der Mitgliedschaft der Bundesrepublik in NATO. Der Herr Bundeskanzler hat gestern geglaubt, in seiner Erwiderung auf meine Rede sagen zu müssen, meine Feststellung, daß die Pariser Konferenz am vorletzten Wochenende abgebrochen worden sei, sei nicht richtig, entspreche nicht den Tatsachen. Nun, was hat der Herr Außenminister Schuman heute vor dem französischen Parlament in diesen drei Fragen erklärt? Erstens, zur Frage der Ablösung des Besatzungsstatuts durch vertragliche Vereinbarung mit der Bundesrepublik: Diese vertragliche Vereinbarung sei mit der eines Abkommens über den deutschen Verteidigungsbeitrag verbunden, es werden keine vertraglichen Vereinbarungen mit der Bundesregierung abgeschlossen werden, ehe das Problem der Europaarmee gelöst ist.
({44})
Da ist die Frage des Junktims heute zum zweiten Male, nach Mr. Acheson auch durch M. Schuman, in aller unzweideutigen Klarheit aufgezeigt.
({45})
Sie haben zuerst zu entscheiden über den Verteidigungsbeitrag.
({46})
- Sie müssen nicht hineinlesen, was Sie wünschen, sondern was die Realität ist!
({47})
- Bitte, Herr von Rechenberg, wir werden uns wiedersprechen.
Zweiter Punkt war die Stellung der Bundesrepublik in der NATO-Organisation. Danach hat M. Schuman heute erklärt: Ein Staat, der verlorengegangenes Gebiet beanspruche oder einen abgetrennten Bevölkerungsteil wiedergewinnen wolle; könne nicht dem Atlantikpakt beitreten.
({48})
Ohne den Sinn des Atlantikpakts zu ändern, wäre es nicht möglich, daß Staaten dem Pakt beitreten, die territoriale Ansprüche vorzubringen haben. „Das würde für uns das Risiko bedeuten, in einen Angriffskrieg verwickelt zu werden." ({49})
Das ist Punkt zwei.
Was sagte M. Schuman über die Stellung Deutschlands in bezug auf die Europaarmee im Fall eines Angriffs auf Deutschland? Da sagte M. Schuman, über ein Eingreifen der europäischen Armee hätte der Ministerrat der europäischen Verteidigungsgemeinschaft einstimmig Beschluß zu fassen. Auf die Frage, was geschehen würde, wenn eine der nationalen Gruppen der Europaarmee in einen Grenzzwischenfall verwickelt werde, antwortete Schuman, dies werde nicht automatisch zu einem Krieg führen, da der Ministerrat der europäischen Verteidigungsgemeinschaft an die Einstimmigkeit gebunden sei.
({50})
Meine Damen und Herren, stellen Sie diese drei Erklärungen des französischen Außenministers mit dem Katalog Ihrer Voraussetzungen und Bedingungen gegenüber! Ein klareres und eindeutigeres Bild des Fiaskos der Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers am Schluß dieser Debatte ist überhaupt nicht möglich.
({51})
Herr von Brentano hat gemeint, man solle diese Frage nicht unter parteitaktischen Überlegungen behandeln.
({52})
Nun, Sie hatten vorhin behauptet, man müsse jedem, unterstellen, er habe sachliche Gründe. Ganz haben Sie diese gute Absicht in Ihrer Rede uns gegenüber nicht durchgehalten.
({53})
Aber, Herr von Brentano, Sie haben die Frage gestellt, was denn die deutsche Sozialdemokratie praktisch tun wolle. Ich habe diese Frage ebenso wie mein Freund Carlo Schmid und mein Freund Dr. Arndt, glaube ich, beantwortet.
({54})
- Nun, ich sage es Ihnen noch mal; die Sache ist
nämlich sehr einfach. Über das Prinzip der Ver({55})
teidigung der Freiheit und Demokratie gibt es keine Meinungsverschiedenheiten.
({56})
Die Meinungsverschiedenheit liegt darin, daß wir
deutschen Sozialdemokraten nicht bereit sind, die
jetzt von der Bundesregierung verfolgte Politik
der Verteidigung Deutschlands und seiner Eingliederung in eine europäische und internationale Gemeinschaft mit zu unterstützen. Wir lehnen sie ab,
({57})
weil wir überzeugt sind, daß auf diesem Wege eine
effektive, auf dem Grundsatz der Gleichwertigkeit
und Gleichberechtigung der Deutschen gegründete
deutsche Position nicht geschaffen werden kann.
({58})
Das ist klar und das ist für jeden verständlich, der
versteht, mit der deutschen Sprache umzugehen.
({59})
Lassen Sie mich nun noch an den Herrn Bundeskanzler ein letztes Wort richten. Meine Damen und Herren, Sie wissen, wir haben in dieser Diskussion in aller Form die Forderung erhoben, einen Weg zu finden, damit das deutsche Volk die Möglichkeit hat, einen neuen Bundestag auch unter Abwägung und Berücksichtigung der Probleme zu wählen, die uns heute hier auf das tiefste berühren. Wir haben nicht damit gerechnet, daß Sie auf diese Forderung mit sachlichen Argumenten eingehen.
({60})
- Nun komme ich auf diesen Punkt, Herr Wuermeling; deswegen mache . ich diese Bemerkung. Herr Bundeskanzler, Sie haben in einer ähnlichen Situation, d. h. auch in einer Diskussion über sehr schwerwiegende Fragen, nämlich bei der Beratung des Schumanplan-Vertrags, hier auch das Beispiel des englischen Parlaments in bezug auf das Verhältnis von Regierung und Opposition gebracht. Sie haben damals erklärt, welch außerordentlich tiefen Eindruck dieses Beispiel vor allem auch während Ihres Besuchs in England auf Sie gemacht hat. Herr Bundeskanzler, wenn das Ihre ehrliche Überzeugung war, wollen Sie nicht auch einmal überlegen, ob in dieser Frage - völlig unabhängig von dem sachlichen Standpunkt des einzelnen - nationalpolitisch eine Gelegenheit gegeben ist, bei der Sie, der Sie nach dem Grundgesetz die Richtlinien der Politik bestimmen, zu dem Schluß kommen sollten: Im Interesse der Sicherung der Demokratie, im Interesse der Fundierung der Entscheidung über diese Frage, wie immer sie ausfallen möge, folge ich dem Beispiel englischer Regierungen, die bei Anlässen von viel weniger weittragender Bedeutung' das Mandat an das Volk zurückgegeben haben!?
({61})
Herr Bundeskanzler, Sie haben von dem Grundsatz, den wir gemeinsam mit Ihnen im Grundgesetz
beschlossen haben: „Der Bundeskanzler bestimmt
die Richtlinien der Politik", reichlich Gebrauch gemacht. Sie haben die Position, die Ihnen das
Grundgesetz gab, in vollem Umfange ausgenutzt.
({62})
- Pflichtgemäß! Das ist kein Vorwurf. Aber, meine
Damen und Herren, ein solches Recht schließt auch
eine hohe Pflicht ein, nämlich die Pflicht der Prüfung, wann es Zeit ist, Raum zu geben, damit das Volk
({63})
in freier Entscheidung seinen Willen neu bekunden kann.
({64})
Meine Damen und Herren, wir nähern uns dem Schluß der Debatte mit den restlichen Redezeiten. Der Abgeordnete Dr. von Brentano hat das Wort.
Dr. von Brentano ({0})): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Bemerkungen. Vielleicht darf ich zunächst dem Kollegen Ollenhauer eines antworten. Es ist sicherlich nicht unsere Aufgabe und unser Wunsch, eine Angstpsychose zu erzeugen. Aber Sie werden sich vielleicht daran erinnern, daß durch Ihre Fraktion und Partei der Herr Bundeskanzler gezwungen wurde, das Memorandum vorzulesen, das er sonst nicht vorgelesen hätte.
({1})
Ein zweites Wort. Ich glaube, es ist nicht gut, daß ausgerechnet Sie dem Herrn Bundeskanzler vorwerfen, er habe einen Hohen Kommissar zitiert. Waren Sie es nicht, Herr Kollege Schmid, der hier Kirkpatrick zitierte?
({2})
- Ich finde, der Unterschied ist nicht vorhanden.
({3})
Ein Drittes. Meine Damen und Herren, ich hatte erwartet, - ({4})
--- Ich hatte erwartet, daß Herr Kollege Ollenhauer noch auf diese Mitteilung aus Paris eingehen werde. Sie liegt mir auch vor. Sie ist gar nicht so überraschend, wie er glaubte. Ich weiß nicht, ob es immer richtig ist, auf Grund einer solchen Meldung schon zu diskutieren, in der es heißt, daß der Außenminister Schuman vor dem Außenpolitischen Ausschuß eine Erklärung abgegeben habe und ein Mitglied dieses Ausschusses teile mit, daß er das da- und damit begründet habe. Meine Damen und Herren, es soll auch in Bonn schon vorgekommen sein, daß solche Informationen - -({5})
- Ich habe Ihren Wortlaut nicht verfolgt.
({6})
Aber ich möchte folgendes sagen. Herr Außenminister Schuman hat nach der Meldung erklärt, die Mitgliedschaft Deutschlands in der NATO sei unmöglich, sagen wir es kurz: weil eine Gefahr der Aggression bestehe, weil ein Land wie Deutschland ja Ansprüche auf territoriale Änderungen anzumelden habe. Ich glaube, eines hat diese Diskussion hier im Bundestag klar ergeben: Wir haben Ansprüche anzumelden. Aber niemand - ich glaube, Herrn Richter ausgenommen, vielleicht noch Herrn Rische; sie haben ja denselben Anfangsbuchstaben -,
({7})
({8})
niemand hat erklärt, daß Deutschland territoriale Ansprüche jemals im Wege der Aggression verfolgen will.
({9})
Das hat niemand aus der Koalition und niemand aus der Opposition erklärt, und ich stelle nochmals eindeutig und unmißverständlich fest: Was wir hier wollen, was wir wünschen, ist nicht mehr und nicht weniger als die Erhaltung des Friedens,
({10})
und ich lehne es ab, über das Wort Krieg zureden.
({11})
Herr Außenminister Schuman hat ein Zweites gesagt. Er hat das Junktim zwischen beiden Verträgen betont; aber er hat nicht gesagt, Herr Kollege Ollenhauer, daß das Abkommen über einen deutschen Verteidigungsbeitrag der Vereinbarung über die Ablösung des Besatzungsstatuts vorangehen müsse.
({12})
- Verzeihen Sie! Es heißt: „ehe das Problem der Europa-Armee gelöst sei".
({13})
Das bedeutet, glaube ich, für jeden normalen Menschen das, was ich ja sagte, ein echtes Junktim, für das ich Verständnis habe und das ich persönlich mir sogar wünsche.
({14})
Und noch ein Drittes. Er hat nach der Meldung davon gesprochen, daß die Intervention der Europagemeinschaft nach dem Vertrag, den wir heute diskutiert haben, keine Intervention, keine Hilfeleistung ohne einstimmigen Beschluß des Ministerrats auslöse. Aber ich glaube, Sie haben vergessen zu zitieren, Herr Kollege, daß Herr Schuman sagte - ich glaube, Sie haben es sogar gesagt -: In einem Grenzzwischenfall.
({15})
Im übrigen steht fest - und das darf ich Ihnen jetzt sagen -, daß nach dem Entwurf des Vertrags zur europäischen Verteidigungsgemeinschaft jeder Angriff auf deutsches Bundesgebiet die automatische Beistandspflicht der fünf anderen Staaten und die automatische Beistandspflicht der NATO nach sich zieht. Ich glaube, daß diese vertragliche Festlegung wichtiger und bedeutungsvoller ist als das, was angeblich Herr Schuman gesagt haben soll, um so mehr, als der Vertrag, wie Sie wissen, ja noch nicht einmal paraphiert ist.
({16})
- Ich sagte ja: im Fall eines Angriffs die automatische Intervention der fünf Länder, die sich an diesen Vertragsverhandlungen beteiligen, und der gesamten Streitkräfte der NATO.
({17})
Aber, meine Damen und Herren - lassen Sie mich damit zum Schluß kommen -, ich möchte Ihnen noch die Entschließung vortragen, die ich im Auftrage und im Namen der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP dem Bundestag vorgelegt habe. Die Entschließung lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Der Deutsche Bundestag hat am 26. Juli 1950 mit überwältigender Mehrheit seine Bereitschaft zum Abschluß eines europäischen Bundespaktes und zur Schaffung einer übernationalen Bundesgewalt bekundet. Wir bekennen uns erneut zur Vereinigung Europas in einem Bund, der alle freien europäischen Völker mit gleichen Rechten und Pflichten zusammenschließt.
({18})
Angesichts der Weltlage kann sich die werdende europäische Gemeinschaft der Pflicht nicht entziehen, in Zusammenarbeit mit den anderen Völkern der freien Welt die Grundrechte der Freiheit und der Demokratie zu verteidigen.
({19}) Ausschließliches Ziel der gemeinsamen Anstrengungen muß es sein, den Frieden zu sichern und jede Bedrohung dieses Friedens abzuwehren.
({20})
An dieser Aufgabe wird Deutschland als gleichberechtigter Partner mitwirken in der Erkenntnis, daß es gegenüber den Feinden der Freiheit keine Neutralität gibt. In Frieden und in Freiheit wollen wir das ganze Deutschland wieder vereinigen.
Meine Damen und Herren, damit wir uns über den Inhalt dieser Entschließung restlos klar werden, beantrage ich namens meiner Freunde namentliche Abstimmung.
({21})
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Ewers wünscht, die restlichen Minuten der Redezeit der Fraktion der Deutschen Partei auszunutzen.
({0})
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fürchten Sie nicht, daß ich den vielen Argumenten, die wir mittlerweile - wohl 18 Stunden - gehört haben, noch neue hinzufügen will. Ich habe nur den Wunsch, am Schluß der Beratung als eines der älteren Mitglieder zur Gesamtdebatte einige kurze Bemerkungen von meinem, meiner Freunde und, ich glaube, der Koalition Standpunkt aus zu machen.
Diese Debatte, die hier über eine Schicksalsfrage von vitalster Bedeutung für das deutsche Volk geführt wurde, behandelt einen Stoff, der mitten in diplomatischen Verhandlungen steht. Man kann zweifeln, ob es richtig ist, in dieser Weise einen Stoff zu behandeln, der international seit Monaten besprochen wird und wohl noch Wochen besprochen werden muß. Dennoch schien mir die Debatte vom Standpunkt der Befürworter des grundsätzlichen Ja aus sehr fruchtbar.
Ich frage mich nur: was hat bei einer solchen Situation die Opposition für eine Aufgabe? Bedenken Sie, meine Herren von der Opposition - und an Sie richte ich das Wort -: auch in unseren Reihen bestehen durchaus lebhafte Zweifel, wie Sie aus den Resolutionen entnehmen, die man Ihnen vorlegt. Auch bei uns ist es keineswegs so, daß wir mit Begeisterung wieder zu den Waffen eilen wollen. Neben allen andern Bedenken, die von der
({0})
Politik der Besatzungsmächte ausgehen, kommen noch psychologische Momente hinzu. Wir wollen unsere Jugend, die heute - vielleicht um 1930 geboren - etwa 22 Jahre ist, zu den Waffen rufen. Sie hat am Krieg nicht teilgenommen, aber sie hat mit wachen Sinnen den fürchterlichen Zusammenbruch nach dem letzten Krieg erlebt. Sie hat erfahren, daß die Heimkehrer - nicht nur vom Ausland, auch von den eigenen Landsleuten - als „Militaristen" beschimpft worden sind. Und be-. denken Sie - und das ist bei der Jugend unzweifelhaft der Fall -: eine große Zahl unserer jungen Menschen hat ihre jugendlichen Ideale und Hoffnungen infolge einer falschen Propaganda vertan. Sie haben alles verloren, an was sie geglaubt und was sie erhofft haben. Daher kommt diese gewaltige Mißstimmung im gesamten Volk, die die Kommunisten weidlich für sich ausnutzen möchten.
Aber nun die Opposition! Ich hätte erwartet und gehofft, daß wir einerseits noch weitere Argumente in demselben Sinne erführen - ich habe keines gehört --und daß die Opposition andererseits der Regierung, die ja nach außen in schwerem Kampf steht, bei den Verhandlungen beispringen würde in dem Sinne und mit der Wirkung, daß es sich unsere Verhandlungspartner überlegen müßten, auch unseren Wünschen Rechnung zu tragen. Aber was tun Sie? Sie sagen zwar zur Verteidigung grundsätzlich j a, Sie sagen grundsätzlich ja zur Freundschaft mit Amerika, aber Sie sagen nein zum Bundeskanzler. Auf diese Weise, mit diesem vorbehaltlosen Nein zum Bundeskanzler verbunden mit der Erklärung, daß Sie - ich zitiere Herrn Ollenhauer - „die Konzentration aller Kräfte und die Offenbarung der strategischen Konzeption" stattdessen in Vorschlag brächten, können Sie keine Funktion der Opposition ausüben. Die „Konzentration aller Kräfte" soll doch jetzt vorgenommen werden durch den Verteidigungsvertrag und in der NATO; den „Verrat der strategischen Konzeption" werden Sie von niemandem erwarten können. Dieser „positive Beitrag" der SPD ist also nullwertig.
Und nun darf ich mich persönlich an den von mir so hochverehrten Herrn Dr. Carlo Schmid wenden. Er ist leider nicht da. Ich stehe nicht an zu erklären, daß seine Rede mit Abstand die schlechteste Rede war, die er je im Bundestag gehalten hat.
({1})
Aber ich sage offen: auch dann bleibt es noch eine brauchbare Rede, denn er ist ein sehr großer Redner und eine Zierde des Bundestags.
({2})
Er hat mir oft vorgehalten, wir verstünden uns nicht wegen des Generationsunterschiedes.
({3}) Meine sehr geehrten Damen und Herren, was er uns heute neben einigen juristischen Bonbons an Scheingründen vortrug, das war aus irgendeiner Mottenkiste entnommen.
({4})
Und ich gebe ihm zu: ich komme mir jetzt neben ihm wie ein Enkel vor;
({5})
ich möchte ihm daher für die heutige Rede die
Worte zurufen: „Weh Dir, daß Du ein Opa bist!"
({6})
Meine Damen und Herren, ich hoffe, daß daraus keine Katastrophen erwachsen, daß zum Schluß die Juristen das Wort haben!
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn eines völlig ungerechtfertigt war, dann die Feststellung, die Herr Kollege Ollenhauer treffen zu können glaubte, daß hier Politik mit Furcht getrieben werde! Es handelt sich nicht um Furcht, solange wir wissen, daß vornehmlich die USA mit starken Divisionen in der Bundesrepublik vertreten sind und ihre Anwesenheit die Sowjetunion mit einem Risiko belastet, das sie unter keinen Umständen eingehen wird, nämlich mit dem Risiko eines dritten Weltkriegs, für den der Verlauf der beiden ersten Weltkriege einem zukünftigen Angreifer eine sehr entschiedene Mahnung ist, nämlich die Mahnung, es nicht auf die ersten Wochen, sondern auf den späteren Ablauf und auf das Ende abzustellen.
({0})
Es ist also völlig abwegig zu meinen, wir hätten Anlaß, eine Politik mit Furcht zu betreiben. Das eine ist allerdings gewiß: Gegenstand unserer ernsten Sorge muß sein, die Gemeinschaft mit den westlichen Demokratien nicht zu verlieren, sondern im Gegenteil enger zu knüpfen.
Dazu lassen Sie mich das eine Wort sagen: Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, sich Sorge machen um die rechte Gründung des Partnerschaftsverhältnisses zwischen der Bundesrepublik und den westlichen Ländern, dann kann das nicht auf der Grundlage erfolgen, daß wir I alles fordern und nichts zu geben bereit sind. Gleiches Recht und gleiche Pflicht hängen für uns am selben Strange. Aus dieser Verbindung heraus stellen Verteidigungsgemeinschaft und Generalvertrag für uns ein einheitliches Ganzes dar, das wir nicht getrennt verabschieden werden - nicht das eine vor dem anderen -, sondern gemeinsam oder gar nicht.
({1})
Meine Damen und Herren! Als letzter wünscht Herr Abgeordneter Dr. Reismann einen Hinweis auf die Begründung des Antrages Drucksache Nr. 3084 zu geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab mit zwei Sätzen das Resümee
({0})
- mit zwei Sätzen! - geben, das die Föderalistische Union für die Beantwortung des Antrags Nr. 3074 aus der Debatte von heute zieht.
Die Fragen der Föderalistischen Union - Bayernpartei und Zentrum - zu dem Generalvertrag und dem Verteidigungsbeitrag sind von der Bundesregierung nicht beantwortet worden. Die erbetene Aufklärung ist nicht gegeben worden.
({1})
Die ernsten Bedenken sind nicht zerstreut worden. Daraus bestimmt sich unsere Haltung gegenüber dem dem Bundestag vorliegenden Antrag Drucksache Nr. 3074.
({2})
Habe ich Wort gehalten?
({3})
Dem Hohen Hause liegt der Antrag Drucksache Nr. 3084 vor, der sich aus dem ergibt, was ich eben verlesen habe. In Punkt 1 beantragen wir, die Bundesregierung zu ersuchen, unmißverständlich und jeden Zweifel ausschließend zu erklären, daß sie einen Versuch, einen deutschen Verteidigungsbeitrag auf der Grundlage der allgemeinen Wehrpflicht zu erreichen, ablehnt. Dazu ist von einem der Herren Diskussionsredner gesagt worden, so weit seien wir ja noch gar nicht. Gerade deswegen stellen wir diesen Antrag; denn der Sinn dieser Debatte ist es, Richtung zu geben für die kommenden Verhandlungen. Ich will auf die Argumente nicht weiter eingehen. Aber wenn Sie sagen, daß die Gewissensfreiheit gemäß Art. 4 des Grundgesetzes gewahrt werden muß, dann muß ich sagen: Es gibt keinen anderen Weg als den, die Freiheit auch auf diesem Gebiet zu respektieren.
Punkt 2 unseres Antrages verlangt, daß ein 15köpfiger Ausschuß des Bundestages für Verteidigungsfragen bestellt wird. Die Verhandlungen dieses Ausschusses sollen vertraulich sein, und die Bundesregierung soll beauftragt werden, diesem Ausschuß alle Unterlagen über die bisherigen Verhandlungen und das Material für die kommenden zur Verfügung zu stellen und die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Notwendigkeit eines solchen Bundestagsausschusses für diese Fragen ergibt sich gerade aus der heutigen Debatte. Es kann nicht so weiter gehen, daß das Hohe Haus über die wichtigsten Fragen des deutschen Volkes in so großen Abständen und unter Umständen verspätet informiert wird. Wir müssen uns eingeschaltet halten; das ist unsere Verpflichtung gegenüber unserem Volke.
In Punkt 4 unseres Antrages Drucksache Nr. 3084 verlangt die Föderalistische Union, daß die Bundesregierung alsbald die Frage der Notwendigkeit der Zustimmung anderer staatsrechtlicher Organe als des Bundestages einer endgültigen Klärung zuführt. Es ist in keiner Weise vom Herrn Kanzler widerlegt worden,
({4})
daß nach den bisherigen Grundlagen unseres Staatsrechts der Bund auch durch Verfassungsänderung nicht in den Stand gesetzt werden kann, über diese Fragen zu entscheiden. Es bedarf einer „Nachgründung" im echten Sinne des Wortes, eines Vertrages unter den Ländern, weil sie allein bisher im Besitz dieser Zuständigkeit, soweit überhaupt, geblieben sind.
Im weiteren verlangt die Föderalistische Union, daß die Bundesregierung vor allen Dingen auch versucht, durch Verhandlungen mit allen in Betracht kommenden Stellen den völkerrechtlichen Status der eventuellen deutschen Soldaten eindeutig vorher zu klären, insbesondere zu klären, ob sie überhaupt und, wenn ja, welchen völkerrechtlichen Schutz sie gegenüber allen Alliierten genießen. Ich verweise hier auf die in mehreren Nummern der „Juristischen Wochenschrift" eingehend besprochenen Schanghaier Urteile, mit welchen im Jahre 1947 21 Deutsche von einem amerikanischen Gericht in Schanghai wegen Kriegsverbrechen verurteilt worden sind, weil sie trotz der Kapitulation am Kampf gegen die Alliierten - auch gegen die Sowjetunion - teilgenommen haben. In diesem Verstoß gegen die Kapitulation hat man ein Kriegsverbrechen erblickt. Dieses Urteil eines amerikanischen Gerichtes ist trotz Revision nicht aufgehoben worden. Einer der höchsten Richter der Vereinigten Staaten, Jackson, hat es noch in letzter Zeit verteidigt. Sie ersehen daraus, wie notwendig es ist, diese Dinge zu klären. Man kann trotz aller Erregung. die sich breit machte, als Herr Kollege Etzel das erörterte, nicht an der Erkenntnis vorbeikommen, daß es dringend notwendig ist und daß wir es nicht verantworten können, deutsche Soldaten dieser Gefahr auszusetzen, auch im Interesse derer, glaube ich, die die Gefahr selber heraufbeschworen haben, weil sie das Kontrollratsgesetz mit gemacht haben, das bis heute nicht aus der Welt geschafft ist.
Endlich verlangen wir,
({5})
daß die Bundesregierung die den eventuellen Verteidigungsbeitrag betreffenden Abmachungen erst paraphiert, wenn der Generalvertrag auf der Basis der deutschen Souveränität zuvor - zuvor! - ratifiziert worden ist.
Wir haben vom Herrn Bundeskanzler verschiedentlich gehört, daß die Gleichberechtigung erreicht sei; zum ersten Mal sei er als Gleichberechtigter und dann wieder als Gleichberechtigter empfangen worden. Das sind alles nur in Teilen sich ausdrückende Gleichberechtigungserscheinungen. Aber so etwas wie Gleichberechtigung in Etappen und Gleichberechtigung nur in Teilen gibt es nicht; es gibt nur eine einheitliche und unteilbare Gleichberechtigung.
({6})
Darauf legen wir Wert, daß die Bundesregierung diesen Zustand zuvor herbeiführt.
Abschließend beantrage ich noch, daß die Abstimmung über diesen Antrag getrennt nach den einzelnen Ziffern vorgenommen wird.
Meine Damen und Herren! Zur Begründung der Stellungnahme der sozialdemokratischen Fraktion zur Abstimmung in einzelnen Punkten wird Herr Abgeordneter Schoettle das Wort nehmen. Damit ist dann die Aussprache geschlossen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der von Herrn Kollegen von Brentano im Namen der Regierungsparteien gestellte Antrag, über die vorliegenden Anträge namentlich abzustimmen,
({0})
- schön - kommt unseren Wünschen durchaus entgegen. Wir hatten ebenfalls die Absicht, namentliche Abstimmung zu beantragen
({1})
- nein, wir brauchten gar nicht hellseherisch zu sein, Herr Kollege Albers -, weil wir klarstellen wollten, wo die Verantwortung liegt.
Im übrigen habe ich zu den Anträgen folgende Erklärung meiner Fraktion abzugeben.
Erstens. Die sozialdemokratische Fraktion betrachtet die von den Fraktionen der Regierungsparteien eingebrachten Anträge als eine Einheit. Sie sind dem vom Bundeskanzler in seiner gestrigen Rede zum Ausdruck gebrachten Wunsch entsprungen, die hier geführte Debatte über einen Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik mit einem Vertrauensvotum für seine bisherigen und weiteren Verhandlungen abzuschließen.
({2})
Zweitens. Die sozialdemokratische Fraktion lehnt einen Verteidigungsbeitrag unter den gegenwärtigen Voraussetzungen ab.
Drittens. Die sozialdemokratische Fraktion lehnt die Verhandlungsmethoden der Bundesregierung ab, da sie in erster Linie auf dem bedingungslosen Angebot des Bundeskanzlers vom 29. August 1950 für einen Beitrag in Gestalt eines deutschen Kontingents im Rahmen einer internationalen westeuropäischen Armee beruhen.
Viertens. Die sozialdemokratische Fraktion bestreitet die Kompetenz dieses Bundestages zur Beschlußfassung über alle mit einem deutschen Verteidigungsbeitrag zusammenhängenden Fragen.
Fünftens. Die Schaffung einer Wehrverfassung verstößt gegen das Grundgesetz.
Sechstens. Die sozialdemokratische Fraktion wird als Ausdruck ihrer eindeutigen Ablehnung der Politik der Bundesregierung gegen alle von den Fraktionen der Regierungsparteien eingebrachten Anträge - ungeachtet des sachlichen Inhalts - stimmen.
({3})
Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Schoettle hat im Rahmen der der sozialdemokratischen Fraktion zustehenden Redezeit gesprochen. Ich verweise darauf, daß im übrigen Erklärungen zur Abstimmung, soweit keine namentliche Abstimmung stattfindet, schriftlich zur Aufnahme ins Protokoll eingereicht werden können.
Ich schließe die Besprechung über die Regierungserklärung vom gestrigen Tage.
Ich darf Ihr Einverständnis damit erbitten, daß ich über die Anträge Drucksachen Nrn. 3075, 3076, 3077, 3078, 3079 und 3084 zunächst einzeln abstimmen lasse - beim Antrag Drucksache Nr. 3084 entsprechend dem Wunsche der Herren Antragsteller über die einzelnen Ziffern - und daß ich an den Schluß die namentliche Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3074 stelle. Sind Sie mit diesem Verfahren einverstanden? - Das ist offenbar der Fall.
Meine Damen und Herren, zunächst komme ich zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3075. Haben Sie die Anträge vor sich? - Das ist der Fall. Ich stelle fest, daß zur Abstimmung rechtzeitig geklingelt ist. Das Haus ist ohne Frage beschlußfähig. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP Drucksache Nr. 3075 sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Dieser Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP Drucksache 3076 betreffend Montan-Union und Saarfrage. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das ist die gleiche Mehrheit. Dieser Antrag ist angenommen.
({0})
- Meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß
es eine größere Mehrheit war durch eine gewisse
Verschiebung im hinteren Teil des Saales, die hier durch die Scheinwerfer nicht recht zu erkennen ist.
({1})
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 3077, bei dem es sich um den finanziellen Verteidigungsbeitrag handelt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen ebenfalls mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Drucksache Nr. 3078. Es handelt sich um die Überprüfung der Beschuldigungen wegen Kriegsverbrechens. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. ({2})
Ich bitte um die Gegenprobe. -({3})
Enthaltungen, bitte? - Dieser Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich appelliere an Sie, die Abstimmung doch nicht durch Kundgebungen Ihres Beifalls oder Mißfallens zu unterbrechen.
({4})
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP, DP auf Drucksache Nr. 3079. Ich darf unterstellen, daß Sie die Ziffer 6 dieses Antrags in der von Herrn Abgeordneten Preusker vorgetragenen abgeänderten Form vorliegen haben. - Das ist der Fall. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. -, Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Föderalistischen Union.
({5}) - Bitte!
Hierzu beantrage ich Verweisung an den Ausschuß.
Es ist beantragt worden, diesen Antrag - Drucksache Nr. 3084 - dem Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die dieser Ausschußüberweisung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Die Überweisung ist mit Mehrheit erfolgt.
Dann komme ich zur Abstimmung über die Entschließung Drucksache Nr. 3074, die von dem Abgeordneten Dr. von Brentano verlesen worden ist.
({0})
Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, die Ja-Karte, die gegen diesen Antrag sind, die Nein-Karte in die Urnen zu werfen. Sie wissen, daß Sie sich, wenn Sie sich der Stimme enthalten wollen, der weißen Karte bedienen können.
({1})
Meine Damen und Herren, darf ich die Frage stellen: Wünschen Sie, daß - wie bei der Abstimmung über die Frage der gesamtdeutschen Wahlen - die Berliner Abgeordneten ihre Stimme abgeben, ohne daß sie gezählt werden?
({2})
-Das ist die gemeinsame Überzeugung des Hauses. Ich bitte einen der Herren Schriftführer, die Stimmen der Berliner Abgeordneten, die nicht gezählt werden, einzusammeln. Vielleicht sind die Abgeordneten so freundlich, diese besonders repräsentative Urne zu benutzen, die der Herr Abgeordnete Matzner eben hat.
Ich bitte die Herren Schriftführer, mit der Einsammlung zu beginnen.
({3})
Meine Damen und Herren, ich mache noch einmal darauf aufmerksam, daß die Berliner Abgeordneten, die ihre Stimme abzugeben wünschen - ohne daß sie gezählt wird -, die, wenn ich recht sehe, Messingurne hier vorn benutzen möchten.
({4})
Sind noch Abgeordnete im Saal, die ihre Stimme abzugeben wünschen? - Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses!
({5})
Meine Herren Schriftführer, ich hatte die Abstimmung noch nicht geschlossen. Es würde sich empfehlen, mit der Auszählung so lange zu warten. - Darf ich fragen, ob noch weitere Abgeordnete ihre Stimme abzugeben wünschen? - Das ist nicht der Fall. Ich schließe die namentliche Abstimmung.
({6})
Darf ich folgende kurze Mitteilung machen: Die Herren Abgeordneten werden gebeten, vor dem Verlassen des Hauses die in den Fächern beim Tagungsbüro hinterlegten Briefe mit den Einladungen für die Sitzungen der nächsten Woche in Empfang nehmen zu wollen. Sie erleichtern uns die Versendung und die ganze Arbeit, wenn Sie das freundlicherweise tun.
Der Vorsitzende des Geschäftsordnungsausschusses hat mich gebeten, darauf hinzuweisen, daß die Sitzung des Geschäftsordnungsausschusses morgen um 9 Uhr, wie vorgesehen, stattfindet. - Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über die Drucksache Nr. 3074 bekannt.
'Es haben 366 stimmberechtigte Abgeordnete und 8 Abgeordnete aus Berlin teilgenommen. Ein größerer Teil der Berliner Abgeordneten ist - das darf ich ausdrücklich sagen - infolge der Teilnahme an den Sitzungen des Abgeordnetenhauses in Berlin entschuldigt. Es handelt sich um das vorläufige Ergebnis*), das im einzelnen noch überprüft wird. Wenn sich im Endergebnis Änderungen ergeben sollten, werden sie im Protokoll vermerkt werden.
Mit Ja haben 204 Abgeordnete, mit Nein 156 Abgeordnete gestimmt. Enthalten haben sich 6 Abgeordnete; ungültig war keine Stimme. Von den Berliner Abgeordneten haben mit Stimmen, die nicht gezählt werden, mit Ja 5 Abgeordnete, mit Nein 3 Abgeordnete gestimmt.
({7})
Der Antrag Drucksache Nr. 3074 ist damit angenommen.
Meine Damen und Herren, ich gebe nunmehr Herrn Abgeordneten Dr. Etzel das Wort zu einer persönlichen Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Dr. Jaeger hat in der heutigen Debatte den Versuch unternommen, mich und meine Ausführungen in die Nähe des Kommunismus zu rücken. Seine Absicht war, mich dadurch vor dem Bundestag und der Öffentlichkeit zu diffamieren. Das Motiv, das ihn dazu trieb, liegt klar zutage. Er tat es aus dem Wahlkampfbedürfnis für die bevorstehende Gemeindewahl in Bayern.
({0})
Ich kann darauf verzichten, seinen Denunzierungsversuch hier in diesem Hause zurückzuweisen.
({1})
Meine Damen und Herren, Sie haben die Erklärung des Herrn Abgeordneten Dr. Etzel gemäß § 36 der Geschäftsordnung gehört.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste, die 192. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Mittwoch, den 13. Februar, 13 Uhr 30, und schließe die 191. Sitzung.