Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 187. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen um Urlaub für längere Zeit nach die Abgeordneten Dr. Veit für zwei Wochen wegen Krankheit, Feldmann für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Frau Dr. Steinbiß und Imig für drei Wochen wegen Krankheit, Gibbert für vier Wochen wegen Krankheit, Dr. Becker ({0}) für sieben Wochen wegen Krankheit und Dr. Gerstenmaier ab 8. Januar 1952 für acht Wochen wegen Krankheit.
Der Präsident hat für zwei Tage Urlaub erteilt den Abgeordneten Dr. Holzapfel, Dr. Baade, Dr. Brill, Dr. Pfleiderer, Erler, Stahl, Wehner, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Dr. Semler, Paul ({1}), Henßler, Dr. Miessner, Fürst Fugger von Glött, Rademacher, Gockeln, Dr. Bucerius und Frau Dr. Ilk.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Nowack ({2}), Neuburger, Dr. Nölting, Rische, Fisch, Reimann, Vesper, Kohl ({3}), Frau Strohbach, Harig, Albers, Frau Korspeter, Dr. Menzel, Etzenbach, Gengler, Bauknecht, Schmitt ({4}) und Dirscherl, Even, Dr. Wellhausen, Frau Strobel.
Meine Damen und Herren, ich darf annehmen, daß das Haus mit der Erteilung des über eine Woche hinausgehenden Urlaubs einverstanden ist.
Ich habe weiter mitzuteilen, daß Herr Abgeordneter Dr. Suhr mit Wirkung vom 31. Januar 1952 sein Mandat im Bundestag niedergelegt hat. Die Neuwahl durch das Berliner Abgeordnetenhaus wird im Zuge der Neuwahl der Berliner Abgeordneten überhaupt erfolgen, soweit sie jetzt stattfinden muß.
({0})
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 18. Januar 1952 auf die Anfrage Nr. 229 der Fraktion der DP betreffend Wiederaufbau der Insel Helgoland ({1}) einen Zwischenbescheid erteilt, der als Drucksache Nr. 3016 vervielfältigt wird.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat unter dem 12. Januar 1932 die Anfrage Nr. 239 der Fraktion der SPD betreffend Gewährung einer Teuerungszulage ({2}) beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 3004 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 16. Januar 1952 über die Bemühungen der Regierung wegen der Abgeltung von Besatzungsschäden und Besatzungsleistungen gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 139. Sitzung berichtet und sich dabei auch auf die Anfrage Nr. 220 der Fraktion der BP betreffend Abgeltung von Besatzungsschäden ({3}) bezogen. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3017 vervielfältigt.
Der Herr Bundeskanzler hat unter dem 17. Januar 1952 unter Bezugnahme auf den Beschluß des Deutschen Bundestages in seiner 176. Sitzung über die Frage der Reisebeschränkungslisten Bericht erstattet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 3020 vervielfältigt.
Dann habe ich vor Eintritt in die Tagesordnung folgendes zu fragen. Der Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen hat gebeten, ihm den Bericht des Bundesministers für Vertriebene über Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet - Drucksache Nr. 2959 - zur Behandlung zu überweisen. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist, daß kurzerhand so verfahren wird. Also Überweisung auch an den Gesamtdeutschen Ausschuß.
Ferner sind nach § 3 der Geschäftsordnung die Schriftführer des Bundestages auf Grund eines gemeinsamen Vorschlags der Fraktionen in einem Wahlgang zu wählen. Ihnen liegt ein Umdruck Nr. 430 vor, der diesen gemeinsamen Vorschlag der Fraktionen enthält. Im Ältestenrat ist Einverständnis darüber erzielt worden, daß die mit beratender Stimme in den Vorstand zu entsendenden Abgeordneten auch für die Arbeit als Schriftführer herangezogen werden. Ich darf Sie, meine Damen und Herren, fragen, ob Sie mit dem gemeinsamen Vorschlag auf Umdruck Nr. 430 betreffend die Wahl der Schriftführer einverstanden sind, und bitte Sie freundlichst, dies Einverständnis durch Erheben einer Hand zu bekunden. - Wenn ich recht sehe, ist das einstimmig erfolgt. Damit hat die Wahl der Schriftführer stattgefunden.
Ich rufe dann zunächst Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Behandlung Mündlicher Anfragen gemäß § 111 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages ({4}) ({5}).
Nach der Geschäftsordnung ist für die Behandlung dieser Anfragen die Dauer von einer Stunde vorgesehen. Wir werden die Behandlung nach einer Stunde abbrechen, selbst wenn die Anfragen noch nicht erledigt sind. Ich darf, da die Rundfunksender beabsichtigen, diese Fragestunde ob ihrer Neuheit im wesentlichen zu übertragen, mir heute das Recht nehmen, die Herren Abgeordneten, die die Fragen stellen, unter Bezeichnung ihrer Fraktionszugehörigkeit aufzurufen, damit die Hörer, obwohl wir hier noch kein Fernsehen haben, sich auch ein Bild von der Parteizugehörigkeit machen können.
Ich stelle also fest, daß wir 13 Uhr 37 mit der Behandlung der Anfragen beginnen, und rufe zunächst die Frage 1 auf, die der Herr Abgeordnete Ritzel von der SPD zu stellen wünscht.
Meine Damen und Herren, wir haben vorgesehen, daß die linke Reihe von Mikrophonen von den Herren Antragstellern benutzt wird und die rechte von den Mitgliedern der Bundesregierung, die die Fragen beantworten.
Bitte, Herr Abgeordneter Ritzel!
Ritzel ({6}), Anfragender: Ich erlaube mir, eine Frage an den Herrn Bundesfinanzminister zu richten:
Was hat der Herr Bundesminister der Finanzen veranlaßt, um die Auszahlung der Versorgungsbezüge von versorgungsberechtigten Beamten und Angestellten des Saargebietes zu sichern, die im Gebiete der Bundesrepublik außerhalb des Saargebietes wohnen?
Der Herr Bundesminister der Finanzen zur Beantwortung!
Soweit mir bekannt ist, bestehen zur Zeit in der Frage der Versorgung solcher versorgungsberechtigten Beamten und Angestellten, deren Versorgungsansprüche sich gegen Einrichtungen des Saargebietes richten und die im Bundesgebiet außerhalb des Saargebiets wohnen, keine Schwierigkeiten mehr. Soweit sich die Versorgungsansprüche dieser Personen gegen kommun a 1 e Körperschaften im Saargebiet richten, werden seit dem Inkrafttreten des deutsch-französischen Zahlungsabkommens vom 10. Februar 1950 ihre Versorgungsbezüge entweder von der saarländischen kommunalen Körperschaft unmittelbar oder von der Versorgungskasse des Saargebiets oder durch die rheinische Versorgungskasse in Düsseldorf gezahlt. Personen, die ihre Versorgung bei staatlichen Einrichtungen im Saargebiet erdient haben, erhalten, soweit bekannt, keine Versorgungsbezüge aus dem Saargebiet. Diese Personen werden im Bundesgebiet nach den Vorschriften des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes versorgt.
Gelegentlich noch geltend gemachte Beschwerden der in Betracht kommenden Personen beruhen im wesentlichen auf der angeblich ungünstigeren Umstellung der Versorgungsbezüge auf Frank-Währung und auf der Anwendung saarländischer Bestimmungen, die von den Regelungen im Bundesgebiet abweichen. Insoweit hat die Bundesregierung zu ihrem Bedauern keine Möglichkeit zur Abhilfe.
Ritzel ({0}), Anfragender: Darf ich zusätzlich fragen, Herr Minister: Ist es richtig, daß die sogenannte Saarregierung eine gegenseitige Anerkennung voraussetzt? Ist es richtig, daß eine gegenseitige Anerkennung dieser Art zu Schwierigkeiten geführt haben soll, und welche staatsrechtlichen Folgen würden einer derartigen gegenseitigen Anerkennung beigemessen werden?
7912 Deutscher - Bundestag Schäffer, Bundesminister der Finanzen: Von einem Verlangen der Saarregierung auf gegenseitige Anerkennung ist mir bis heute nichts bekannt. Bekannt ist mir, daß die Saarlandregierung wegen der Regelung der Versorgungsbezüge inner halb des Saargebiets inoffiziell an die Bundesregierung herangetreten ist. Ob und wie auf diese Anfragen geantwortet werden soll, muß weiterer Entschließung vorbehalten bleiben.
Ritzel ({1}), Anfragender: Ich danke Ihnen, Herr Minister.
Damit ist die erste Frage erledigt.
Ich rufe auf die Frage Nr. 2 des Herrn Abgeordneten Dr. Mende von der Fraktion der FDP.
Dr. Mende ({0}), Anfragender: Ich frage den Herrn Bundesminister des Innern:
Wann ist mit der Vorlage des Bundesrundfunkgesetzes zu rechnen, und wie erklärt sich die bisherige Verzögerung?
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär Bleek vom Bundesministerium des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage der Vorlage des Rundfunkgesetzes hängt einmal von der Klärung nicht ganz einfacher verfassungsmäßiger Fragen ab; sie hängt aber primär davon ab, inwieweit Klarheit über gewisse besatzungsrechtliche Vorschriften geschaffen wird. Wir durfen die Hoffnung haben, daß nach dem Inkrafttreten des Generalvertrags die deutsche Gesetzgebung in diesem Punkt völlig frei sein wird. Solange das noch nicht der Fall ist, haben wir zunächst dahin zu wirken, daß die entsprechenden alliierten Vorschriften, also das Gesetz Nr. 5 und die entsprechenden britischen und französischen Verordnungen, aufgehoben werden. Verhandlungen wegen der Aufhebung dieser alliierten Bestimmungen schweben seit längerer Zeit. Sie sind nach wie vor im Gange, und wir werden versuchen, ohne Rücksicht auf die Frage des Generalvertrags zu einem Ergebnis zu kommen, da wir der Auffassung sind, daß das Rundfunkgesetz baldmöglichst eingebracht werden sollte.
Es bleibt die Frage der Zuständigkeit des Bundes nach dem Grundgesetz, eine Frage, auf die der Herr Minister des Innern bei der Beantwortung der sozialdemokratischen Interpellation zum Südwestfunk-Vertrag bereits eingegangen ist. Die Erörterungen innerhalb der beteiligten Bundesressorts über die Möglichkeiten der Inanspruchnahme organisatorischer Hoheitsbefugnisse auf dem Gebiet des Rundfunkrechts für den Bund schweben. Wir hoffen, daß sie, nachdem das Kabinett sich bereits zweimal vorbereitend damit beschäftigt hat, in Kürze abgeschlossen werden können.
Dr. Mende ({0}), Anfragender: Darf ich die Zusatzfrage stellen: Ist der Referentenentwurf in Ihrem Ministerium bereits fertiggestellt? Ist er den Rundfunkanstalten bekannt, und besteht die Absicht, ihn auch den Fraktionen des Hauses zuzuleiten?
Man kann, glaube ich, bei der von mir geschilderten Sach- und Rechtslage im Augenblick noch nicht verlangen, daß ein abgeschlossener Referentenentwurf vorgelegt wird. Die Vorlage des Referentenentwurfs hängt einmal von dem Ergebnis der Verhandlungen mit den Besatzungsbehorden ab; sie hängt weiter von der endgültigen Entscheidung der von mir erwähnten verfassungsmaßigen Fragen ab. Ein abschließender Referentenentwurf liegt nicht vor, sondern lediglich Skizzen, so daß die Frage, ob er den Rundfunkanstalten vorgelegt worden ist, schon aus diesem Grunde mit nein zu beantworten ist. Wie bei anderen Gesetzen von Bedeutung - ich darf an das Pressegesetz erinnern - haben wir die Absicht, vor der formellen Vorlage die Fraktionen des Bundestages mit dem Entwurf zu gegebener Zeit bekanntzumachen.
Dr. Mende ({0}), Anfragender: Ich danke, Herr Staatssekretär.
Damit ist diese Frage erledigt.
Ich rufe auf die Frage Nr. 3. Anfragender ist ebenfalls Herr Dr. Mende, FDP.
Dr. Mende ({0}), Anfragender: Ich stelle eine
Frage an den Herrn Bundesminister für Wirtschaft: In welchem Umfang wird der Bund aus den bisher gewährten Filmbürgschaften in Anspruch genommen, und weiche Verluste sind hier bisher eingetreten?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister für Wirtschaft.
Die Bundesregierung hat seit dem 1. August 1950 für 63 Spiel- und Kulturfilme mit Produktionskosten von rund 40,6 Millionen DM Bürgschaften in Höhe von rund 13,8 Millionen DM übernommen. Mit Sicherheit wird der Bund aus diesen Bürgschaften mit rund 3,6 Millionen DM in Anspruch genommen werden. Filme mit Bürgschaften in Höhe von rund 6,7 Millionen DM werden voraussichtlich ihre Herstellungskosten einspielen, so daß daraus eine Inanspruchnahme des Bundes nicht zu erwarten ist.
Hinsichtlich der Bürgschaftssumme von weiteren 3,5 Millionen DM ist ein Überblick noch nicht möglich, weil die Filme entweder noch nicht fertiggestellt oder noch nicht aufgeführt worden sind. Bisher sind völlige Verluste aus erteilten Bürgschaften in Höhe von rund 600 000 DM eingetreten.
Dr. Mende ({0}), Anfragender: Darf ich die Zusatzfrage stellen, Herr Minister: Sind bereits Maßnahmen eingeleitet oder getroffen, um durch Pfändungen der Einspielergebnisse dieser Filme die Verluste irgendwie wettzumachen oder zum mindesten zu verringern?
Es sind jedenfalls alle verwaltungsmäßigen Maßnahmen getroffen, um eine genaue Kontrolle durchzuführen. Was im einzelnen an speziellen Maßnahmen veranlaßt ist, kann ich Ihnen in diesem Augenblick nicht sagen. Aber die Prüfung erfolgt außerordentlich sorgfältig.
Dr. Mende ({0}), Anfragender: Ich danke dem Herrn Bundesminister.
Damit ist diese Frage ebenfalls erledigt.
Die vierte Frage ist ebenfalls eine Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Mende, FDP.
Dr. Mende ({0}), Anfragender: Meine Frage richtet sich an den Herrn Bundesminister für Arbeit. Sie lautet:
Wann ist mit der Vorlage des Schwerbeschädigtengesetzes zu rechnen, und welche Gründe sind für die bisherige Verzögerung ausschlaggebend?
Der hier angeforderte Gesetzentwurf ist fertiggestellt und wird am kommenden Dienstag endgültig vom Kabinett verabschiedet, so daß er dann dem Bundesrat zugeleitet werden kann und das Hohe Haus Ende Februar die Möglichkeit hat, sich mit dem Gesetzentwurf zu beschäftigen.
Dann ist die Frage gestellt worden, warum die Vorlage so lange verzögert worden ist. Dazu muß folgendes gesagt werden. Es handelt sich hierbei um einen Gesetzentwurf, der für ungefähr 700 000 Menschen in Deutschland in der Zukunft sehr maßgeblich auf die Lebenshaltung einwirken wird. Ein derartiges Gesetz hat selbstverständlich sehr weitgehende arbeitsrechtliche, sozialpolitische und wirtschaftspolitische Auswirkungen. Es war nun die Aufgabe des Ministeriums, mit all den in Frage kommenden Gruppen im Volke darüber zu verhandeln, damit ein Gesetzentwurf zustande kam, der auch den berechtigten Interessen aller gerecht wird. Dazu kam, daß eine der Kriegsbeschädigtenorganisationen den Standpunkt vertreten hat, daß es sich hierbei gar nicht um ein Gesetz handelt, das im wesentlichen arbeitsmarktpolitisch zu sehen ist, sondern mehr unter dem Gesichtspunkt seines Fürsorgecharakters. Das hat natürlich auch im Kabinett dazu geführt, daß wir uns über die Grundsätzlichkeit dieser Dinge unterhalten mußten. Das Kabinett hat in der vorletzten Woche die Grundsatzentscheidungen getroffen, so daß uns in der Zwischenzeit die Möglichkeit gegeben war, das Gesetz endgültig fertigzustellen. Es wird, wie ich vorhin schon gesagt habe, nunmehr dem Hohen Hause sehr bald zugeleitet werden.
Dr. Mende ({0}), Anfragender: Eine Zusatzfrage, Herr Minister: Stimmt es, daß auch Kompetenzstreitigkeiten zwischen Ihrem Ministerium und dem Innenministerium für die Verzögerung maßgebend sind, und sind diese Kompetenzstreitigkeiten, falls das stimmt, beseitigt?
Direkte Kompetenzstreitigkeiten haben bei der Frage eine weniger große Rolle gespielt. Es ist ganz klar: wenn man das Gesetz unter arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten sieht, ist es ein Gesetz, das in die Zuständigkeit des Arbeitsministeriums fällt. Wäre man im Kabinett zu der Überzeugung gekommen, daß es sich hierbei um ein Fürsorgegesetz handelt, dann wäre natürlich das Innenministerium zuständig gewesen. Wir haben uns sehr wohl darüber unterhalten, wie die beiden Ministerien hier, wo in Wirklichkeit manchmal Fürsorge- und arbeitsrechtliche Probleme durcheinanderlaufen, zu einer gesunden Zusammenarbeit kommen. Das hat aber zu einer wesentlichen Verzögerung des Gesetzes nicht geführt, denn erstmalig' ist der Gesetzentwurf vor 14 Tagen in der Bundesregierung behandelt worden. Wie ich Ihnen sagte, ist er in der vorigen Woche endgültig in der Grundsätzlichkeit verabschiedet worden.
Dr. Mende ({0}), Anfragender:. Ich danke Ihnen!
Damit ist diese Frage ebenfalls erledigt.
Meine Damen und Herren, ich rufe die fünfte Frage auf. Fragestellender ist Herr Abgeordneter Parzinger von der Föderalistischen Union ({0}).
Parzinger ({1}), Anfragender: Welche Schritte hat die Bundesregierung seit meiner Aussprache mit dem Herrn Bundeskanzler unternommen, um das Predigtstuhlhotel in Bad Reichenhall für den Fremdenverkehr, und zwar entweder für den deutschen oder kombinierten Gebrauch von Deutschen und Amerikanern, frei zu machen.
Das Wort zur Beantwortung hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Die Frage der Predigtstuhlbahn und des Predigtstuhlhotels gehört zu dem allgemeinen Fragengebiet der Freigabe von Wohn- und gewerblichen Gebäuden durch die Besatzungsmächte. Das für dieses Sachgebiet zuständige Bundesministerium der Finanzen ist seit der Übernahme der Besatzungslasten auf den Bund, also seit dem 1. April 1950, ständig bemüht, die Freigabe sowohl von Wohngrundstücken wie auch gewerblichen Grundstücken zu erreichen. Dabei hat es sein besonderes Augenmerk auf die Freigabe von Betrieben des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes gewandt. Schon in einer Note vom 30. Dezember 1950 an den alliierten Unterausschuß für Besatzungskosten ist auf die in vielen Fällen ungenügende Ausnützung und die häufig festzustellende Zweckentfremdung der requirierten Betriebe sowie auch ihre Bedeutung für den Wiederaufbau des internationalen Fremdenverkehrs hingewiesen und der Wunsch ausgesprochen worden, die Frage einer weiteren Freigabe von Hotels, Fremdenheimen, Kuranstalten und Bädern einer Prüfung zu unterziehen. Der alliierte Unterausschuß für Besatzungskosten hat am 24. April 1951 unter Hinweis auf die bereits erfolgten Freigaben mitgeteilt, daß weitere Betriebe derzeit nicht freigegeben werden können. Dieser Auffassung ist der Bundesminister der Finanzen in seinem Memorandum vom 17. August 1951 über die planmäßige Freigabe von requirierten Wohnungen und gewerblichen Gebäuden entgegengetreten; ich verweise auf die Anlage 2 zur Bundestagsdrucksache Nr. 2824. Er hat in diesem Memorandum allgemein eine Überprüfung des zur Zeit requirierten Raumes und die gemeinsame Aufstellung eines Gesamtfreimachungsplanes gefordert. Meiner Erinnerung nach ist dieser Note und allen Noten ein Verzeichnis von besonders vordringlichen Fällen - darunter auch der hier erwähnte Fall - beigegeben. Diese deutschen Vorschläge unterliegen zur Zeit noch der Prüfung durch die Alliierte Hohe Kommission. Es steht zu hoffen, daß eine Grundlage für die Durchführung der Vorschläge gefunden werden kann.
Parzinger ({0}), Anfragender: Herr Minister, ich danke Ihnen.
Damit ist die Frage 5 erledigt.
Ich rufe die Anfrage 6 auf, die der Abgeordnete Wartner von der Fraktion der Föderalistischen Union zu stellen wünscht.
Bitte, Herr Abgeordneter.
Wartner ({0}), Anfragender: Ist es der Bundesregierung bekannt, daß im Landkreis Mallersdorf in Bayern auf Böden bester Bonität ein Truppenübungsplatz oder eine sonstige militärische Einrichtung erstellt werden soll?
Zur Beantwortung der Herr Bundesminister der Finanzen.
Ein offizieller Antrag von HICOG auf Errichtung eines Truppenübungsplatzes oder einer sonstigen militärischen Einrichtung im Landkreis Mallersdorf liegt dem Bundeskanzleramt, Dienststelle Blank, nicht vor. Im Landkreis Straubing befindet sich der ehemalige Exerzierplatz Metting in einer Größe von 156,8 ha. Dieser wird bereits seit 1945 von der Besatzungsmacht benützt. Im Anschluß an dieses Gelände hat die Besatzungsmacht seit 1948 noch rund 850 ha Privatwald in Anspruch genommen, wobei jedoch nur ein Begehungsrecht vereinbart war. Dieses Pachtgelände reicht zu einem Teil in den Landkreis Mallersdorf hinein. Am 16. November 1951 hat der Kommandeur eines Panzerregiments, Colonel Brown, die Landräte von Mallersdorf und Straubing davon unterrichtet, daß das in Anspruch genommene Waldgelände zum größten Teil abgeholzt und zu einem weiteren Teil gelichtet werden müsse, weil das Panzerregiment eine Verbesserung der Schußbahn für notwendig erachte. Auf Vorstellung der zuständigen deutschen Dienststellen hat der Landeskommissar erklärt, daß das Vorgehen des Regimentskommandeurs nicht richtig sei, daß erst die Entscheidung von EUCOM eingeholt werde und es bis dahin bei dem bisherigen Zustand verbleibe. Sollte EUCOM das Gelände im vorgesehenen Sinne in Anspruch nehmen, würden die örtlichen deutschen Stellen auf jeden Fall vorher um ihre Stellungnahme ersucht werden.
An der geschilderten Sachlage hat sich bisher nichts geändert. Eine Entscheidung von EUCOM ist noch nicht bekanntgeworden. Die deutschen Stellen sind entsprechend dieser Mitteilung noch nicht angegangen worden.
Wartner ({0}), Anfragender: Herr Präsident, darf ich noch eine Ergänzung der Anfrage vorbringen?
Eine Zusatzfrage zu dieser Frage! - Herr Abgeordneter Wartner.
Wartner ({0}), Anfragender: Nach bisher unbestätigten Meldungen sollen 2400 Morgen Ackerland, Wiesen, Weiden und kleinere Forstbestände in der Soester Gegend zwischen Arnsberger Chaussee, Niederbergheimer Chaussee, Echtroper Mühle und Haarweg für Zwecke der Besatzungsmacht angeblich als Truppenübungsplatz in Anspruch genommen werden. Ich bitte Sie um Auskunft, 1. ob diese Absicht besteht und 2. ob die Bundesregierung oder irgendeine sonstige Dienststelle ihre Zustimmung zu diesem Projekt gegeben hat.
Herr Abgeordneter Wartner, es handelt sich dabei nicht um eine notwendige Zusatzfrage, sondern um eine neue Frage, die mit der Frist von drei Tagen hätte eingebracht werden müssen. Ich bitte Sie freundlichst, das zur nächsten Fragestunde zu tun.
Zur nächsten Frage, Frage 7, hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Decke: von der Fraktion der Föderalistischen Union.
Dr.-Ing. Decker ({0}), Anfragender: Welche Schritte - und mit welchem Erfolg - hat die Bundesregierung bezüglich der Durchführung des einstimmig angenommenen Antrags Drucksache Nr. 2707 unternommen? Es handelt sich hier um eine Liste der über die Collecting Points restituierten Kunstwerke.
In Vertretung des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts der Herr Staatssekretär des Bundesinnenministeriums.
Staatssekretär Dr. Hallstein ist wegen einer dringenden dienstlichen Verpflichtung leider nicht in der Lage, selbst zu antworten. Ich darf folgendes erklären.
Die bei Beendigung der Feindseligkeiten im Bundesgebiet vorhanden gewesenen und nach den alliierten Rechtsvorschriften gegebenenfalls zu restituierenden Kunstgegenstände sind von den alliierten Besatzungsbehörden in den einzelnen Zonen nach sehr verschiedenen Grundsätzen gesammelt, verwaltet und restituiert worden. Eine einheitliche und erschöpfende Auskunftserteilung, ist daher in hohem Maße erschwert, um so mehr als die Bundesregierung noch nicht die genauen Unterlagen über die bisher erfolgten Restitutionen von den alliierten Stellen erhalten hat. Die Restitution der Kunstgegenstände ist im übrigen noch nicht abgeschlossen.
Bei der Kulturabteilung des' Auswärtigen Amts ist jüngst eine Dienststelle für Restitutionsfragen und für die Verwaltung der in Frage kommenden Kunstgegenstände eingerichtet worden. Die Treuhandverwaltung dieser Bestände, soweit sie sich in der amerikanischen Besatzungszone befinden, ist auf Grund eines Notenwechsels zwischen dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten auf die Bundesregierung übergegangen. Diese Vereinbarung tritt in diesen Tagen in Kraft. Erst nach Bearbeitung der dann der Bundesregierung auszuhändigenden Akten können genauere Angaben gemacht werden.
Die augenblicklich laufenden Verhandlungen im Zusammenhang mit der Ablösung des Besatzungsstatuts sollen zu einer völligen Neuregelung des Restitutionsverfahrens mit Übertragung der gesamten Restitution an die Bundesregierung führen.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Dr.-Ing. Decker ({0}), Anfragender: Aus den Erklärungen geht nicht hervor, ob die Regierung tatsächlich beabsichtigt, diesem Antrag zu entsprechen, nämlich nun unter allen Umständen eine Liste der restituierten Kunstwerke zu erwirken. Es geht hier nicht um die Frage, wie die Restitution vorgenommen werden soll, sondern darum, eine Aufstellung darüber zu haben, was hier alles geschehen ist und wohin die Sachen gegeben worden sind.
Da es sich um einen vom Bundestag angenommenen Antrag handelt, ist es selbstverständlich, daß wir trotz der großen vorhandenen Schwierigkeiten diese Liste beschaffen werden. Wir werden sie bekommen und werden sie dann entsprechend verwerten.
Dr:lng. Decker ({0}), Anfragender: Danke sehr!
Damit ist Frage 7 erledigt.
Ich rufe auf Frage 8. Anfragender ist Herr Abgeordneter Dr. Reismann von der Föderalistischen Union ({0}).
Dr. Reismann ({1}), Anfragender: Ich habe an
den Herrn Bundesinnenminister die Frage:
Sind die alliierten Behörden in der Anerkennung der deutschen Gleichberechtigung schon so weit vorangeschritten, daß in absehbarer Zeit die Verchlorung des Trinkwassers abgeschafft werden kann?
({2})
Zur Beantwortung hat das Wort der Herr Staatssekretär des Bundesministeriums des Innern, diesmal in eigener Zuständigkeit.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um ein Problem, das hauptsächlich in der amerikanischen Besatzungszone akut wird, auch in Godesberg,
({0})
und es ist, glaube ich, unbestritten, daß wir alle uns nicht sehr freuen, wenn morgens das stark chlorierte und entsprechend riechende Wasser aus den Leitungshähnen herausläuft, ebenso wie ja auch die Hausfrauen und wir selber mit Recht darüber klagen, daß Kaffee mit stark chloriertem Wasser nicht gerade an Geschmack gewinnt.
({1})
Die Situation ist nun so, daß die Bundesregierung eine Anordnung über die Chlorierung für öffentliche Trinkwasseranlagen in der Weise wünscht, daß sie wie früher von den Verhältnissen des einzelnen Falles abhängig gemacht wird.
Die amerikanische Besatzungsbehörde, mit der wir seit mehr als anderthalb Jahren verhandeln, vertritt demgegenüber allerdings den Standpunkt, der in der wissenschaftlichen Auffassung in den USA gilt, daß die Chlorierung des in öffentlichen Trinkwasseranlagen gewonnenen Wassers grundsätzlich und mit bestimmten Prozentsätzen erfolgen müsse. Es ist uns bisher leider noch nicht gelungen, die Richtigkeit unseres Standpunktes so überzeugend darzulegen, daß er angenommen worden wäre. Wir haben aber erreicht, meine Damen und Herren, daß die Chlorierung nicht mehr nach den für die Kriegszeit und die erste Nachkriegszeit geltenden Bestimmungen vorgenommen wird., sondern in einem etwas geringeren Grade, wobei die Höhe der Chlorierung immerhin doch in etwa nach den örtlichen Sonderverhältnissen in Zusammenarbeit der deutschen mit den amerikanischen Stellen festgesetzt werden kann.
Ich kann die Frage, ob die deutsche Gleichberechtigung auch schon bezüglich der Chlorierung anerkannt worden ist, leider noch nicht völlig positiv beantworten, muß im Gegenteil befürchten, daß mit einem grundsätzlichen Verzicht auf die Chlorierung in Anbetracht der - das muß zugegeben werden - keineswegs immer befriedigenden Zustände der deutschen Wasserversorgungsanlagen in absehbarer Zeit nicht gerechnet werden kann.
Haben Sie eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Dr. Reismann ({0}), Anfragender: Ich hätte noch eine Zusatzfrage, Herr Staatssekretär. Ist bei den
Verhandlungen darauf aufmerksam gemacht worden, daß es sich nicht bloß um die Qualität von Kaffee und Tee handelt, sondern daß die dauernde, jahrelange Chlorierung des Wassers auch gesundheitsschädlich ist?
Darauf ist aufmerksam gemacht worden. Aber wie bei allen wissenschaftlichen Fragen gehen die Meinungen, ob die Chlorierung tatsächlich gesundheitsschädlich ist oder nicht, auch in diesem Falle auseinander.
({0})
Dr. Reismann ({1}), Anfragender: Ich danke Ihnen!
Damit ist auch Frage 8 erledigt.
Die Frage 9 hat Herr Abgeordneter Dr. Reismann zurückgezogen.
Dr. Reismann ({0}), Anfragender: Die Frage 9 ist durch ein Schreiben erledigt, das an den Herrn Bundestagspräsidenten gegangen ist und das auch diese Frage behandelt.
Infolgedessen braucht Frage 9 heute nicht behandelt zu werden.
Ich rufe auf Frage 10. Anfragender ist Herr Abgeordneter Renner von der Gruppe der KPD.
({0})
Renner ({1}), Anfragender: Ich wollte meine Frage eigentlich an den Herrn Bundeskanzler stellen. Das war bisher der einzige Minister, der sich über den Schumanplan vor dem Bundestag geäußert hat.
({2})
-Na ja! - Aus der Tatsache, daß der Herr Wirtschaftsminister bereit ist, die Anfrage zu beantworten, entnehme ich, daß der Herr Bundeskanzler in der Zwischenzeit auch den Herrn Wirtschaftsminister informiert hat.
({3})
Meine Frage an Sie, Herr Minister, lautet:
Sind der Bundesregierung die Zechen bekannt und um welche Zechen handelt es sich, die nach dem augenblicklichen Stand der Verhandlungen um die Durchführung des Schuman-plans stillgelegt werden sollen?
Herr Bundesminister für Wirtschaft!
Der Bundesregierung sind die Zechen nicht bekannt. Denn für den deutschen Kohlenbergbau liegt im Rahmen des Schumanplans keinerlei Veranlassung vor, eine Stillegung von Zechen in Betracht zu ziehen. Es ist weder bei den Verhandlungen, die zum Abschluß des Vertrages führten an eine Stilllegung deutscher Zechen gedacht worden, noch auch ergibt sich aus der Zielsetzung des Vertrages und seiner Durchführung die Notwendigkeit, solche Maßnahmen zu ergreifen. Der Gemeinschaftsvertrag sieht im Gegenteil eine Ausweitung der Produktion bei Kohle, Eisen und Stahl vor, und es steht deshalb mit Sicherheit zu erwarten, daß aus
({0})
dieser Zielsetzung in erster Linie der deutsche Kohlenbergbau wegen günstiger geologischer Verhältnisse und deshalb auch vorteilhafter Kostenlage Nutzen ziehen wird.
({1})
Haben Sie noch eine Zusatzfrage, Herr Abgeordneter?
Renner ({0}), Anfragender: Ist dem Herrn Wirtschaftsminister bekannt, daß die Stillegung der Zeche Oberhausen/Altstaden mit der Behauptung begründet worden ist, das sei eine der Konsequenzen der Durchführung des Schumanplans?
Es Ist völlig ausgeschlossen, daß irgendeine Zeche stillgelegt worden- ist. Erstens trifft das überhaupt nicht zu, und ganz bestimmt trifft es nicht zu mit einer derartigen Begründung.
({0}) Die Anfrage ist völlig abwegig.
Renner ({1}), Anfragender: Darf ich mir die zweite Frage erlauben, Herr Minister: Wenn die ,absolute Sicherheit" besteht, daß eine Stillegung von Zechen im Rahmen des Schumanplans nicht beabsichtigt ist und nicht in Frage kommt, dann bitte ich Sie, mich darüber aufzuklären, warum im Schumanplan-Vertrag die Bestimmung
({2})
oder der Satz enthalten ist, daß Beihilfen gezahlt werden in solchen Fällen, in denen im Zuge der Durchführung des Schumanplans Betriebe stillgelegt werden sollen, Beihilfen, die den dadurch freiwerdenden Arbeitskräften die Möglichkeit geben sollen, ihre Wiederverwendung abzuwarten. Wie erklären Sie sich, wenn Stillegungen nicht geplant sind, daß im Schumanplan sogar festgelegt worden ist, in diesem Fall an die freiwerdenden Arbeitskräfte Beihilfen zu zahlen, und welche Stelle wird es Ihrer Meinung nach sein, die bei Stillegung von Betrieben im Zuge der Durchführung des Schumanplans diese Beihilfen aufbringen soll?
Herr Abgeordneter Renner, Ihre Frage 10 bezieht sich auf den augenblicklichen Stand der Verhandlungen und nicht auf die Durchführung des Schumanplans. Es handelt sich nicht um eine notwendige Zusatzfrage. Ich bedaure, sie nicht zulassen zu können.
({0})
Renner ({1}), Anfragender: Verzeihung! Ich glaubte, ,der Herr Minister -
Herr Abgeordneter, ich bedaure! - Haben Sie noch weitere notwendige Zusatzfragen zu stellen? - Das ist nicht der Fall; dann ist die Frage 10 erledigt.
({0})
Ich rufe auf Frage 11. Anfragender ist Herr Abgeordneter Gundelach von der Gruppe der KPD.
Gundelach ({1}), Anfragender: Ich frage die Regierung:
Sind in der Dienststelle Blank oder in irgendeiner anderen Dienststelle der Bundesregierung
Vorbereitungen eingeleitet zur Aufstellung von Stammrollen für die Rekrutierung für die geplante Europa-Armee und welcher Art sind diese Vorbereitungen?
Zur Beantwortung hat das Wort der. Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Ritter von Lex.
Weder in der Dienststelle Blank noch in irgendeiner anderen Dienststelle der Bundesregierung sind bisher Vorbereitungen zur Aufstellung von Stammrollen
({0})
für die Rekrutierung für die geplante Europa-Armee eingeleitet, worden. Damit entfällt die Beantwortung des zweiten Teils der Anfrage, welcher Art diese Vorbereitungen sind.
({1})
Gundelach ({2}), Anfragender: Darf ich eine Zusatzfrage stellen, Herr Präsident?
({3})
Ist der Bundesregierung bekannt, ob bei der Hohen Kommission Vorbereitungen getroffen sind für die Durchführung der Rekrutierung und für ein Wehrgesetz?
Herr Abgeordneter Gundelach, Sie haben gefragt, ob in der Dienststelle Blank oder in irgendeiner anderen Dienststelle der Bundesregierung Vorbereitungen getroffen sind. Die Hohe Kommission ist keine Dienststelle der Bundesregierung. Es handelt sich nicht um eine notwendige Zusatzfrage. Ich lasse die Frage nicht zu.
({0})
- Herr Abgeordneter, Sie hab en die Möglichkeit, diese Frage in der Fragestunde gesondert zu stellen. Das wird nicht beanstandet. Um aber die Form der Beantwortung der Anfragen im Sinne des § 111 der Geschäftsordnung sicherzustellen - und künftighin auch zeitlich sicherzustellen -, bitte ich Sie, sich freundlichst an die Bestimmungen der Geschäftsordnung zu halten.
Damit sind sämtliche Fragen der heutigen Fragestunde erledigt, und zwar in einem Zeitraum von nur etwas mehr als einer halben Stunde.
({1})
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Verwaltungszustellungsgesetzes ({2}).
Meine Damen und Herren, die Regierung verweist auf die schriftliche Begründung des Gesetzes. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen. - Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht als federführendem Ausschuß und dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. - Das Haus ist damit einverstanden. Damit ist Punkt 2 der Tagesordnung erledigt.
({3})
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Milch, Milcherzeugnissen und Fetten ({4}) ({5}).
Auch hier verweist die Regierung auf die schriftliche Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch in diesem Falle vor, auf eine Aussprache in der ersten Beratung zu verzichten. - Sie sind damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. - Das Haus ist mit dieser Überweisung einverstanden.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beschränkung der Freizügigkeit für den Raum der Insel Helgoland während der Zeit des Wiederaufbaues ({6});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Wiederaufbau der Insel Helgoland ({7});
c) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Grocer Knechtsand ({8}).
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen als Begründungszeit für die beiden Anträge zu b) und zu c) 15 bzw. 10 Minuten und eine Aussprachezeit von insgesamt 90 Minuten vor.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs hat das Wort der Herr Staatssekretär im Bundesministerium des Innern Ritter von Lex.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Insel Helgoland soll spätestens am 1. März 1952 von der Besatzungsmacht freigegeben werden. Um die rechtlichen Voraussetzungen für den Wiederaufbau der durch den Krieg und die in der Nachkriegszeit erfolgten Sprengungen und Bombardierungen stark betroffenen Insel zu schaffen und um eine klare Grundtage für die künftige Verwaltung zu gewinnen, beabsichtigt die Landesregierung Schleswig-Holstein, im Landtag den Entwurf eines Gesetzes über den Wiederaufbau und die Verwaltung der Insel Helgoland einzubringen.
Wesentliche Voraussetzung für die wirksame Durchführung des Wiederaufbaus ist die Kontrolle des Betretens und des Aufenthaltes auf der Insel während einer gewissen Übergangszeit. Es wird zwar das Bestreben aller am Wiederaufbau beteiligten Stellen sein müssen, die Insel so rasch wie möglich wieder zugänglich zu machen. Andererseits sind jedoch einem ungehinderten Zugang durch den derzeitigen Zerstörungsgrad der Insel und die daraus sich ergebenden Gefahren - ich brauche nur auf die Sprengstoffverseuchung und die ungenügende Trinkwasserversorgung, die völlig ungenügende Abwässerbeseitigung sowie das Fehlen aller Sicherungen gegen Geländegefahren hinzuweisen - natürliche Grenzen gesetzt. Die endgültige Wiederbesiedelung der Insel wird daher nur schrittweise in dem Maße erfolgen können, wie die wirtschaftlichen Existenzgrundlagen für die Bewohner geschaffen werden. Gleichzeitig muß aber aus den von mir bereits angeführten Gründen auch das Betreten der Insel zu vorübergehendem Aufenthalt gesteuert werden.
In dem Gesetzentwurf der Landesregierung Schleswig-Holstein sind daher Bestimmungen vorgesehen, wonach zum Betreten der Insel und zum Aufenthalt auf der Insel eine besondere Erlaubnis erforderlich ist. Der Entwurf des Landesgesetzes beschränkt sich darauf, die näheren Voraussetzungen für die Erteilung dieser Erlaubnis und für das Verfahren festzulegen. Die rechtlichen Voraussetzungen einer solchen Regelung, nämlich der Beschränkung der Freizügigkeit, können nur durch den Bund geschaffen werden, dem gemäß Art. 73 Ziffer 3 des Grundgesetzes das ausschließliche Gesetzgebungsrecht auf dem Gebiete der Freizügigkeit zusteht.
Die zur Durchführung des Gesetzes erforderlichen Rechtsvorschriften werden nach § 2 des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs durch das Land Schleswig-Holstein selber getroffen werden. Die Rechtsgrundlage für diese Ermächtigung des Landesgesetzgebers bietet Art. 71 des Grundgesetzes.
Ich darf abschließend noch bemerken, daß der Gesetzentwurf in vollem Einvernehmen mit dem Lande Schleswig-Holstein formuliert ist.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Begründung des Gesetzentwurfes gehört. Wer wünscht den Antrag Drucksache Nr. 2891 zu begründen? - Herr Abgeordneter Gundelach zur Begründung des Antrages Drucksache Nr. 2891.
Gundelach ({0}) Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die Zerstörung Helgolands durch Bombenabwürfe englisch-amerikanischer Bomber war wiederholt Gegenstand von Beratungen dieses Hauses. Die Bundesregierung hat dann, wenn diese Frage hier zur Beratung stand, jedesmal erklärt, daß sie ihrerseits alles unternommen habe, um die Einstellunag der Bombardierungen in Verhandlungen mit der englischen Besatzungsmacht zu erreichen. Wie bekannt, wurde aber das Zerstörungswerk fortgesetzt, und auch heute, wenige Tage vor dem Termin, an dem die Insel freigegeben werden soil, fallen noch Bomben auf dieses Stück deutschen Gebietes.
Niemand kann bei dieser Sachlage bestreiten, daß es sich hier um einen Willkürakt englischer Politiker und Militärs handelt, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Gegen dieses Verhalten der früheren Labour-Regierung und der heutigen Regierung der Konservativen Englands ist seitens der Helgoländer, unterstützt von allen Deutschen, immer wieder schärfstens protestiert worden. Am wirkungsvollsten waren die Proteste junger deutscher Patrioten, die wiederholt unter Lebensgefahr und unter Entbehrungen auf der grauenhaft zerstörten Insel landeten.
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Diese Proteste und die sich anschließenden Landungen zahlreicher Helgoländer Fischer und anderer ehemaliger Bewohner der Insel haben ein solches Echo in der Öffentlichkeit, ja man kann sagen, in der Welt hervorgerufen, daß die Regierung Englands endlich gezwungen war, eine Erklärung abzugeben, wonach ab 1. März dieses Jahres die Insel freigegeben wird.
Ich stelle nun die Frage: Was wird seitens der Bundesregierung nach Freigabe Helgolands geschehen? Wird mit dem Neuaufbau sofort begonnen? Nach Pressemeldungen will die Bundesregierung als erstes auf der zerstörten Insel einen feierlichen Staatsakt vornehmen. Wir Kommunisten sind der Meinung, daß keinerlei Veranlassung vorliegt, das Ergebnis der Politik der Bundesregierung, die Zulassung der Zerstörung Helgolands, jetzt auch
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noch mit einem Staatsakt abzuschließen. Mit dieser unserer Auffassung stehen wir Kommunisten keineswegs allein. So hat z. B. die „Deutsche Zeitung" - bestimmt kein des Kommunismus verdächtiges Organ - vom 19. Oktober unter der Überschrift: ,,Kein Anlaß zum Feiern" unter anderem folgendes gesagt:
Helgolands trauriger Zustand gibt am allerwenigsten Anlaß zum Feiern. Die Insel ist eine Wüste. Sie gibt ein anschauliches Bild von dem Ergebnis einer Politik ohne Horizont vor dem Krieg, im Krieg und nach dem Krieg, einer elenden, engstirnigen und bösartigen Politik, deren folgerichtiges Ergebnis eben Wüsten sind und sonst nichts.
Weiter schreibt die Zeitung:
Was wollen wir feiern? Etwa den allzu späten
Sieg einer mühsam keimenden Vernunft? Und dann sagt sie:
Dieser Sieg ist noch dazu durch ein schäbiges Feilschen um andere deutsche Bombenziele an der Nordsee beeinflußt, wie etwa um den Großen Knechtsand.
Meine Damen und Herren, das ist eine sehr deutliche Sprache. Hier wird der Bundesregierung eine Abfuhr erteilt, die sie meiner Meinung nach für ihre Politik in der Helgolandfrage verdient hat. Mit vollem Recht sagt dieselbe Zeitung dann:
Man gehe hin und rette von dem Zerstörten,
was noch zu retten ist, man beschütze und erhalte, aber man feiere nicht!
Dieser Meinung sind auch wir Kommunisten: es ist kein Anlaß zum Feiern! Dieser unserer Auffassung entspricht auch der von meiner Fraktion hier eingebrachte Antrag, der im Augenblick zur Beratung steht und der folgenden Wortlaut hat:
Die Bundesregierung wird verpflichtet, dem Bundestag unverzüglich einen Finanzierungsplan des Wiederaufbaus der Insel Helgoland vorzulegen. In diesen Finanzierungsplan sind die Mittel einzusetzen
1. für die Rückführung der früheren Zivilbevölkerung der Insel,
2. für den Bau des erforderlichen Wohnraums und die Beschaffung von Mobiliar,
3. für die Wiederherstellung der kommunalen Einrichtungen wie Straßen, Schulen, Krankenhaus usw.,
4. für die Wiederherstellung des Fischereihafens.
Selbstverständlich, meine Damen und Herren, sollen mit einbezogen sein die Wiederherstellungsarbeiten an den für die Sicherheit der Schiffahrt unbedingt erforderlichen Einrichtungen wie auch die Neuerrichtung von wissenschaftlichen Instituten, soweit Helgoland dafür besonders geeignet ist. eignet ist.
Es ist bekannt, daß die Regierung von Schleswig-Holstein bereits mit einigen Vorarbeiten für die Wiederherstellung von Helgoland begonnen hat. Die Wiederherstellung Helgolands kann aber unserer Meinung nach keineswegs nur eine Angelegenheit des Landes Schleswig-Holstein sein. Diese Wiederaufbauarbeit muß durch Bereitstellung der erforderlichen Mittel in vollem Umfange seitens des Bundes und in jeder Weise gefördert werden. Nach vorsichtigen, keineswegs abgeschlossenen Berechnungen werden nach ersten Schätzungen mindestens 65 Millionen DM für den Neuaufbau von Helgoland benötigt werden. Aber gemessen an den großen und völlig unnützen Ausgaben für Beatzungsbauten, Kasernen, Flugplatzanlagen und für den Unterhalt der zahlreichen Besatzungstruppen hier im Westen wie auch an den gewaltigen Ausgaben für die Remilitarisierung, für die ja, wie uns bekannt ist, Milliarden aufgewandt werden - alles Kosten, die von der Bevölkerung abgelehnt werden -, sind die Mittel, die für den Aufbau von Helgoland notwendig sind, als relativ gering zu bezeichnen.
Zu dem vorliegenden Gesetzentwurf der Regierung über die Beschränkung der Freizügigkeit für die frühere Bevölkerung Helgolands und andere Personen erkläre ich namens meiner Fraktion, daß wir gegen die Beschränkung der Freizügigkeit sind und das Gesetz ablehnen. Wir lehnen das Gesetz auch deshalb ab, weil anzunehmen ist, daß die Bundesregierung die Absicht hat, die erforderlichen Gelder für den Neuaufbau Helgolands auf fünf Jahre zu verteilen. Eine solche Politik entspricht nicht den Interessen der Helgoländer und auch nicht den Interessen unseres Volkes. Aufgabe der Regierung sollte es sein, den ehemaligen Bewohnern von Helgoland sofort die erforderlichen Gelder zum Neuaufbau ihrer Wohnungen und ihrer Existenz zur Verfügung zu stellen, damit durch die Eigeninitiative der Helgoländer unter Heranziehung geeigneter Fachkräfte der Aufbau stark vorangetrieben werden kann. Die zum Schutze der Bewohner erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen, von denen der Herr Regierungsvertreter gesprochen hat, können unserer Auffassung nach durch die Vertreter der Helgoländer in freier Vereinbarung mit der früheren Bevölkerung getroffen werden. Einer Beschränkung der Freizügigkeit bedarf es nicht.
Folgendes ist notwendig: Soll Helgoland baldigst wieder aufgebaut und friedlichen Bestrebungen nutzbar gemacht werden, dann muß mit den kriegsvorbereitenden Maßnahmen auf westdeutschem Boden Schluß gemacht werden.
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Wir Kommunisten erklären immer wieder: dieses Ziel wird nur dann erreicht, wenn alle Deutschen für die Schaffung eines einheitlichen demokratischen Deutschlands und für den baldigen Abschluß eines Friedensvertrages eintreten. Wir Kommunisten sind der Überzeugung, daß die Kräfte eines geeinten Deutschlands auch den Aufbau Helgolands außerordentlich fördern werden. So nur kann und wird die Insel Helgoland mit den neu zu schaffenden vielseitigen Einrichtungen baldigst wieder in den Dienst einer fortschrittlichen Entwicklung unseres Volkes und auch der anderen Völker gestellt werden können.
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Wer wünscht den Antrag auf Drucksache Nr. 2970 zu begründen? - Frau Abgeordnete Thiele!
Frau Thiele ({0}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Am 29. November 1951 ging durch alle Tageszeitungen die Meldung: Der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer hat den Großen Knechtsand bei Cuxhaven der britischen Hohen Kommission als Ersatzbombenziel für Helgoland zur Verfügung gestellt. Er tat dies ohne Zustimmung, ja ohne Befragung des Bundestages, wie er ja auch die ganzen Vorbereitungen für den Krieg, die Wehrmacht und die Unterzeichnung des Generalvertrages ohne Befragen und
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Zustimmung des Bundestages durchführt. Der Kampf der jungen deutschen Patrioten in der Deutschen Bewegung Helgoland, der zum Symbol des Freiheitskampfes für das ganze deutsche Volk wurde, und die Initiative der Aktion Helgoland erreichten die Freigabe der Insel Helgoland zum 1. März 1952. Dr. Adenauer, dem westdeutschen Bundeskanzler, aber blieb es vorbehalten, anderes deutsches Land für anglo-amerikanische Bombenabwürfe preiszugeben. Ihn störte es nicht, daß die Insel Helgoland nach Beendigung des Krieges in einem unvorstellbaren Ausmaß verwüstet wurde. Ihn stört es auch heute nicht, daß gleiche Not die Menschen im Gebiet von Knechtsand treffen wird, daß gleiches Leid unserer ganzen Heimat zugefügt werden soll. Er ist es ja schließlich auch, der darum kämpft, daß ganz Westdeutschland heute schon Ausgangsbasis für den neuen Krieg durch Kasernenbauten, durch Flugplatzbauten und durch Schaffung von Truppenübungsplätzen wird. So ist es auch mit dem Großen Knechtsand, einer im Wattenmeer gelegenen, 16 Quadratseemeilen großen Sandbank zwischen der Elbe- und Wesermündung, an der das Schicksal von Hunderten von Fischerfamilien, die von der Krabbenfischerei leben, hängt. In unmittelbarer Nähe des Bombenziels sind drei große Krankenhäuser, darunter das bekannte Hamburgische Seehospital Nordheimstiftung, eine Heilstätte für Knochentuberkulose, die in ganz Deutschland einmalig ist, und acht Kinderheime, die während des ganzen Jahres belegt sind, hierunter die Görnestiftung mit 800 Betten, außerdem ein Erholungsheim der Post in
Arend beir Cuxhaven. Cuxhaven selbst ist nur 10 Seemeilen von dem Bombenziel entfernt, während der
Großschiffahrtsweg aller einlaufenden und seegehenden Schiffe nur 8 Seemeilen vom Bombenziel entfernt ist.
Das bedeutet, Hamburg und Bremen als Hafen und Umschlagplatz werden zugunsten der Benelux-Häfen und letztlich zugunsten der Kriegsvorbereitungen preisgegeben, weil kein Schiff sich der Gefahr aussetzen wird, in dieses Bombenziel hineinzufahren, weil auch keine Versicherung bereit sein wird, die Gefahrenprämien zu übernehmen. Darum sind alle Beteuerungen, die eine Hilfe für diese Häfen bedeuten sollen, nichts weiter als leeres Gerede. Schon heute muß damit gerechnet werden, daß bei Aufnahme der Bombardierung des Großen Knechtsands der Seeverkehr zwischen den Umschlagplätzen Hamburg und Bremen zum Erlahmen kommt und der Verkehr durch den Nord-Ostsee-Kanal ernstlich behindert wird. Es bedeutet weiter eine Gefährdung der Kleinschiffahrt. Das Gebiet wird im Verkehr mit Holland mit sogenannten Oberländer Kähnen in Größe von 100 bis 800 t befahren. Es wird dafür unbrauchbar. Rund 50 000 Kurgäste und 1 1/2 Millionen Tagesgäste sind während der Saison im Großkurort Cuxhaven Gäste dieses Gebietes. Sie werden selbstverständlich ausbleiben, wenn in unmittelbarer Nähe des Strandes die Bomben fallen; denn sie möchten nicht ihre Erholung durch neue Bombenabwürfe gefährdet sehen. Der Cuxhavener Fremdenverkehrswirtschaft wird dadurch ungeheurer Schaden zugefügt.
Das „Hamburger Abendblatt" veröffentlicht am 1. Dezember 1951 die Planung. Dort heißt es, daß zwei Gebiete als Ziel vorgesehen sind. Bei Ziel A, wenige Kilometer von Cuxhaven, sollen amerikanische Bomberverbände Tages- und Nachtangriffe durchführen. Bei Ziel B sollen britische Bomber nur bei Nacht angreifen. Das hat doch nichts anderes zu bedeuten, als daß die Anflugbedingungen nach Deutschland geübt werden sollen, damit
die Piloten mit der späteren Vernichtung der
deutschen Hafenstädte und Industrieorte im
Hinterland heute schon vertraut gemacht werden.
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Was haben Sie, Herr Dr. Adenauer, dazu zu sagen? Sie erhielten doch von den Dorumer Fischern die Karte über die besten Fanggründe der niedersächsischen Küste, die durch Ihr Angebot an fremde Mächte zur Zerstörung von deutschem Land der Vernichtung preisgegeben werden sollen. 25 % des gesamten Krabbenfangs liegen in dieser Gegend. Herr Dr. Adenauer, Sie wissen doch auch durch Proteste aller Gruppen, aller Stadt- und Gemeindeverwaltungen dieses Gebiets und aller Schichten der Bevölkerung, durch die Proteste aller ehrlichen Persönlichkeiten, die im öffentlichen Leben stehen, daß die erste Bombe, die auf Knechtsand fällt, eine tödliche Bombe für die Existenz der Krabbenfischer bedeutet. Ihre Fanggründe liegen in der Gefahrenzone. Bombensplitter zerreißen die Netze, und Blindgänger zerfetzen Boote und Mannschaften. So sieht doch die Praxis aus. Das wissen schließlich Sie und wir alle aus den Erfahrungen. Würde Knechtsand auch nur für kurze Zeit als Bombenziel denen, so wären die Fanggründe auf Jahrzehnte hinaus verseucht. Bomben, die auf die Deiche oder nur auf die Deichwurzel fallen, führen zur Sprengung der Deiche, unterspülen sie und verwandeln das Wurstener Land in eine Wasserwüste.
Hören Sie, was der Deichgräfe Herr Lübs in einer Protestversammlung in Kappeln-Strich zu den Auswirkungen der Bombardierungen des Großen Knechtsands gesagt hat; er ist schließlich eine Persönlichkeit, die auch Ihnen etwas zu sagen haben dürfte. Er hat zusammengefaßt folgendes gesagt:
Die Bombardierungen würden folgende Auswirkungen haben:
1. Die Verlagerung des Strombettes der Priele bei Sprengung der Sandbankverbindung;
2. die Gefährdung der Deiche durch Stromverlagerung, die mit großem Kostenaufwand gepflegt werden müssen, da während des letzten Krieges kaum an Deichen gearbeitet wurde;
3. durch Versandung der Priele kann Binnenlandwasser nicht ablaufen und damit würde das Binnenland ständig unter Wasser sein.
Herr Deichgräfe Lübs ist schließlich Fachmann auf diesem Gebiet und muß es wissen. Herr Oberkreisdirektor Klemeyer hat in der gleichen Versammlung gegen das Verhalten von Bonn protestiert und wörtlich gesagt, daß Bonn, d. h. Dr. Adenauer, ohne Befragung der Bevölkerung die Bombardierung deutschen Landes beschlossen habe.
Unermeßlich ist der Schaden, der unserer Heimat zugefügt werden soll. und unendlich ist auch das Leid, das wiederum deutsche Menschen in diesem Gebet treffen soll. So ist es auch verständlich, daß eine ungeheure Empörung die ganze Bevölkerung dieses Gebiets erfaßt hat, weit über die Betroffenen selbst hinaus. Im Protest gegen dieses völkerrechtswidrige Beginnen stehen die gesamten Fischer mit den Fischereigenossenschaften, Fischereivereinen und auch mit den Jugend-, Sport- und Gewerkschaftsorganisationen zusammen. Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, so auch Oberbürgermeister Gullasch, haben in Protestversammlungen zum Ausdruck gebracht, daß sie den Kampf
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um den Großen Knechtsand aufnehmen werden. Der Bevölkerung im Gebiet des Großen Knechtsands und auch den Helgoländern ist ebenfalls rasch klargeworden, daß das ganze Gerede über Europa nur der Kriegsvorbereitung dienen soll. Prinz Hubertus von Löwenstein, Experte für die sogenannte Europabewegung, hat nämlich hier versucht, die deutschen Interessen in den Schmutz zu ziehen. Er hat es sogar gewagt, wörtlich zu sagen: .,Als ob die Menschenrechte der Helgoländer und die Verteidigung des Westens nicht wichtiger wären als die Lebensrechte dieser schmackhaften Schalentiere", womit er die Krabben meinte.
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Auf diese schamlose Verhöhnung der Interessen der Dorumer Fischer und der ganzen Bevölkerung hat Professor Dr. Schnakenbeck, der Leiter des Instituts für Seefischerei, in der Zeitschrift „Fischereiwelt" die richtige Antwort gegeben. Er hat dort gesagt:
All denen, die es noch nicht wissen, muß gesagt werden, daß rund 70 % der Erträge der Küstenfischerei an der Nordsee aus Makrelen besteht und daß das Elbe-Weser-Gebiet eines der wichtigsten Fanggebiete ist, aus dem 20 bis 25 % der Fänge stammen. Man sollte also die Bedenken, die die Bundesregierung gegen die Freigabe dieses Gebiets als Bombenziel hat, im Hinblick auf die Küstenfischerei nicht mit einer geringschätzigen Handbewegung abtun.
In der Neujahrsnacht ging eine Flamme von Hand zu Hand entlang der Nordseeküste. Von Helgoland kam sie, Küstenfischer brachten sie auf ihren Kuttern ans Festland, übergaben sie den Sportlern, und junge deutsche Sportler brachten diese Flamme auf den Großen Knechtsand, wo sie lodernde Glut und zum sichtbaren Fanal für den Kampf um den Großen Knechtsand und für den deutschen Freiheitskampf wurde. So kämpfen dort auch die deutschen Menschen um die nationalen Interessen unseres Volkes, kämpfen gegen den Verrat an unserer Heimat. Diese Willenskundgebung wurde allen Parteien und auch dem Bundestag zugeleitet und hat zum Leitspruch im Bewußtsein der Menschen - so brachten ihn auch die Sprecher auf dieser Neujahrsprotestkundgebung zum Ausdruck -: „Gott erhalte uns unsere Heimat!" Und weiter: Der Knechtsand bleibe frei! Dafür wollen wir kämpfen". Es ist erfreulich, daß die Bevölkerung dieses Gebiets für die heutige Beratung eine Delegation hierhergeschickt hat, die sich von der Haltung des Bundestags und der Haltung aller Parteien selbst überzeugen kann.
In Übereinstimmung mit diesem Willen der Bevölkerung hat die kommunistische Bundestägsfraktion den nachfolgenden Antrag gestellt:
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Der Bundesregierung wird untersagt, den britischen Militärbehörden an Stelle der Insel Helgoland den Großen Knechtsand oder irgendein anderes deutsches Gelände als Bombenziel anzubieten bzw. zur Verfügung zu stellen.
Ich möchte ergänzend hinzufügen, daß der Antrag heute lauten muß: Der Bundesregierung wird zur Pflicht gemacht, ihre Zurverfügungstellung sofort rückgängig zu machen. Wir sind der gleichen Auffassung wie Herr Oberkreisdirektor Klemeyer, daß sich alle Parteien einschalten und die Bevölkerung in ihrem gerechten Widerstand unterstützen
müssen. Darum erwartet die Bevölkerung auch die Zustimmung aller Parteien dieses Hauses zu unserem Antrag; denn er ist der Willensausdruck der ganzen Bevölkerung des dortigen Gebietes. Sie
weiß, daß die Überweisung unseres Antrages an einen Ausschuß Ausweichen bedeutet. Sie weiß auch, eine solche Haltung bedeutet, daß Sie nicht bereit sind, hier Farbe zu bekennen. Hier muß man nämlich jetzt Stellung nehmen: für oder gegen Deutschland, in offener und für jeden sichtbarer Abstimmung.
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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die gemeinsame Aussprache über den Gesetzentwurf und die beiden Anträge, die eben begründet worden sind, im Rahmen der Redezeit von 90 Minuten.
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Schröter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Worte zu den Drucksachen, die die Insel Helgoland angehen, also zu den Drucksachen Nrn. 2984 und 2891. Meine politischen Freunde werden für den Gesetzentwurf stimmen, also für die Einschränkung der Freizügigkeit. Die Einschränkung der Freizügigkeit erscheint uns notwendig. Ich brauche in diesem Zusammenhang keine weiteren Gründe anzuführen. Ich glaube, ich darf mich auf die Begründung beziehen, die dem Gesetzentwurf beigegeben worden ist.
Was nun die Drucksache Nr. 2891, den Antrag der KPD-Fraktion, anbelangt, so glaube ich, sagen zu können, daß mit diesem Antrage offene Türen eingerannt werden. Der Antrag ist völlig überflüssig. Die Damen und Herren von der KPD-Fraktion haben das Pech gehabt, daß die schleswig-holsteinische Landesregierung in diesem Falle etwas früher aufgestanden ist als die KPD-Fraktion. Die schleswig-holsteinische Landesregierung hat in schnellem Arbeitstempo einen genauen Wiederaufbau- und Finanzierungsplan ausgearbeitet und der Bundesregierung überwiesen. Dieser Wiederaufbau- und Finanzierungsplan wird zur Zeit im Bundesfinanz- und Bundesinnenministerium beraten, und ich darf der Hoffnung Ausdruck geben, daß in allerkürzester Zeit - hoffentlich vor dem 1. März, dem Datum der Freigabe der Insel Helgoland - dem Deutschen Bundestage eine Vorlage zugeleitet wird. Infolgedessen ist es, glaube ich, überflüssig, heute zu Einzelheiten Stellung zu nehmen. Der Zeitpunkt dafür wird dann gekommen sein, wenn wir eine Vorlage der Bundesregierung haben.
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Meine Damen und Herren! Ich möchte mich infolgedessen heute nur auf einige grundsätzliche
Ausführungen beschränken. Am 1. März soll die
Insel Helgoland freigegeben werden. Ich glaube,
unmittelbar nach der Überführung dieser Insel in
die deutsche Verwaltung sollte mit den Wiederaufbauarbeiten begonnen werden. Die Vorarbeiten
sind von der schleswig-holsteinischen Landesregierung geleistet worden. Wenn ich mich nicht
irre, berät gerade in diesen Tagen der schleswigholsteinische Landtag das Helgoland-Gesetz. Sowohl die Planungsarbeiten als auch die technisch
einwandfreie Durchführung der Arbeiten können
von der schleswig-holsteinischen Landesregierung
garantiert werden; aber es wird angesichts der
({1})
wirtschaftlichen und finanziellen Situation in diesem Flüchtlingslande Schleswig-Holstein für die Landesregierung unmöglich sein, größere Beiträge zur Verfügung zu stellen. Diese Mittel werden vom Bunde kommen müssen, sei es in Form von verlorenen Zuschüssen, sei es in Form von Anleihen.
Diese Notwendigkeit ergibt sich auch aus der gesamtdeutschen Verpflichtung zum Wiederaufbau. Vergessen Sie auch nicht, daß der Bund der Besitzer zahlreicher für den Verkehr wichtiger Anlagen auf der Insel Helgoland ist, daß der Bund der bedeutendste Grundbesitzer dort ist. Ich glaube, aus dieser Tatsache ergibt sich auch eine Verpflichtung zu einer besonderen Leistung.
Darüber hinaus besteht, glaube ich, auch eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Bundes zur Hilfe aus dem einfachen Grunde, weil jene gewaltigen Zerstörungen, die auf der Insel Helgoland angerichtet worden sind, eine einmalige Kriegsfolgeerscheinung von ganz besonderem Ausmaß darstellen. Aus diesem Grunde, weil dieser Zustand weder durch örtliche noch durch regionale Kräfte beseitigt werden kann, scheint mir hier der Art. 120 des Grundgesetzes ganz eindeutig gegeben zu sein.
Die Beseitigung des gegenwärtigen Zustandes ist auch die Voraussetzung für die Rückführung der ehemaligen Bewohner von Helgoland. Wir verhelfen damit einem Menschenrechte, nämlich dem Recht des Menschen auf seine Heimat, zum Durchbruch.
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Möge die Rückführung der Helgoländer vorn symbolhafter Bedeutung sein für das Schicksal aller Heimatvertriebenen in der gesamten deutschen Bundesrepublik.
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Meine Damen und Herren! Helgoland gehört zum Lande Schleswig-Holstein. Schleswig-Holstein ist Grenzland, und so steht die Insel Helgoland im Blickpunkt der Grenzpolitik, der grenzpolitischen, lassen Sie es mich ganz offen sagen: der neudänischen Kulturoffensive. Erfolge oder Mißerfolge werden infolgedessen einen wesentlichen Bestandteil der grenzpolitischen Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Volke und der dänischen Minderheit dort oben bilden.
Und noch eins - die heutigen Anträge, die von der kommunistischen Fraktion gestellt worden sind, beweisen es uns ja -: radikale Elemente richten gespannt ihre Blicke auf die Insel Helgoland. Sie möchten gar zu gern, daß die Unfähigkeit cder die mangelnde Bereitwilligkeit der Bundesregierung gegenüber der Not eines Teiles dieser Flüchtlinge nachgewiesen werden könnte.
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- Meine Damen und Herren, Sie werden sich irren.
Zum Schluß noch eins. Ich glaube, das Ansehen der Bundesregierung gegenüber den Alliierten
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steht hier ebenfalls auf dem Spiele, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil in den zahlreichen Protesten, die von der deutschen Bundesregierung immer und immer wieder an die Militärregierung und die Hohen Kommissare gerichtet werden
mußten, immer wieder auf die Notwendigkeit der Wiederbesiedlung der Insel Helgoland hingewiesen worden ist.
Meine Damen und Herren, mit diesen grundsätzlichen Ausführungen lassen Sie mich heute schließen. Wir werden, wenn die Regierungsvorlage kommt, zu diesem Punkt noch ausgiebig sprechen müssen, und wir werden dazu sprechen. Lassen Sie mich heute nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß unmittelbar nach dem 1. März, der Freigabe der Insel Helgoland, auch sofort mit den Wiederaufbauarbeiten begonnen werden kann.
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Das Wort hat die Frau Abgeordnete Krahnstöver.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner 117. Sitzung am 14. Februar 1951 hat der Bundestag die Freigabe der Insel Helgoland gefordert. Jetzt, fast ein Jahr später, müssen wir die erste Maßnahme beschließen, die notwendig ist, um eine sinnvolle Besiedlung der Insel zu ermöglichen. Es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Einschränkung der Freizügigkeit deshalb gefordert werden muß, weil die Insel sich in einem völlig zerstörten Zustand befindet.
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Vielleicht ist es für den einen oder anderen interessant zu wissen, daß am 18. April 1945 ein einziger Bombenangriff 80 % aller Gebäude zerstörte, daß am 20. April 1945 Frauen, Kinder und Erwerbsunfähige, die sich in den Luftschutzstollen aufgehalten hatten, evakuiert wurden und daß am 12. Mai 1945 nach der Besetzung die übrige Bevölkerung die Insel verlassen mußte. Dann hat es Sprengungen und fortgesetzte Bombardierungen gegeben, und es wird ein ordentliches Stück Arbeit sein, diese Insel wieder aufzubauen.
Auf Helgoland hat immer eine, Sammhevölkerung von 2500 Menschen gelebt; aber der Fremdenverkehr betrug in einem Sommer 90 000 Gäste, und im Touristenverkehr waren es 200 000 in einem Jahre. Sie können sich also vorstellen, welch ein beliebtes Ausflugsziel diese Insel gewesen ist. Für den Fremdenverkehr standen 1500 Betten zur Verfügung.
Ich habe schon in der Sitzung vom 14. Februar vorigen Jahres darauf hingewiesen, welche Bedeutung die Insel mit ihren Laboratorien, Forschungsstellen, mit der Erdbebenstation und der Biologischen Anstalt für Vogelkunde für die Wissenschaft und die Forschung gehabt hat, wieviel Erholungsuchende und Heufieberkranke die Insel aufgesucht haben. Gerade in den Stürmen dieses Winters haben es die Seefahrer besonders bedauert, daß sie den Schutzhafen Helgoland nicht anlaufen konnten; denn von der Südspitze Norwegens bis in den Kanal gibt es keinen Hafen, den die seefahrenden Nationen sicher anlaufen können.
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Nun ist hier von den Kommunisten gesagt worden, daß sie gegen den Staatsakt auf der Insel Helgoland seien. Das ist ihr gutes Recht. Aber wir sind der Meinung, es besteht noch viel weniger Anlaß, kommunistische Demonstrationen auf Helgoland durchzuführen.
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Wir haben den Verdacht, daß ihre scharfe Attacke gegen die Beschränkung der Freizügigkeit, von sachlichen Kenntnissen völlig ungetrübt, hier nur deshalb geritten worden ist, um dort die Demonstrationen durchführen zu können.
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Wir Sozialdemokraten werden dem Gesetz zustimmen, weil es eben notwendig ist.
Es mag vielleicht hier und da im Land jemand fragen: Ist das nicht eigentlich ein wenig viel Aufwand für 2500 Menschen angesichts der Zehntausende von Evakuierten, die wir in der Bundesrepublik haben? Wir wissen, daß diese Zehntausende von Evakuierten, die außerhalb ihres engen Heimatbereichs sitzen, auf die Stunde ihrer Rückkehr warten, sehr bangen Herzens warten und immer wieder warten, ob sie nun in Hamburg oder Nürnberg, in Köln oder Würzburg oder wo immer beheimatet sind. Ihnen kann nur durch verstärkten Wohnungsbau geholfen werden.
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Wir wissen, daß der Wunsch nach Rückkehr immer stärker wird, und wir wollen sie nicht vergessen. So, wie wir heute den Anfang mit der Schaffung der Wiederbesiedlungsmöglichkeit für die Helgoländer machen, sollten wir uns nach Kräften bemühen, alle Evakuierten in ihre Heimat zurückzuführen.
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Dabei geht es uns um jedes einzelne Schicksal dieser hart betroffenen Menschen, die um so schwerer daran tragen, je älter sie werden und je länger es dauert, bis die Rückkehr vollzogen wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Stegner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hinsichtlich dessen, was über Helgoland gesagt worden ist, darf ich mich für meine Freunde vollinhaltlich dem anschließen, was die Vorredner gesagt haben. Ich habe dem nichts hinzuzufügen. Ich glaube, alle Mitglieder dieses Hohen Hauses werden hier der gleichen Meinung sein.
Es bliebe nur noch zu überlegen, wie der Fall „Knechtsand" zu behandeln wäre. Wir wollen den Fall Knechtsand einmal von der psychologischen Seite her kurz beleuchten. Wir haben noch aus der Schumanplan-Debatte hier in deutlicher Erinnerung, wie die Folgen einer Demontagepolitik ganz klar dargestellt wurden und wie die politischen und psychischen Hinderungsgründe für die zukünftige politische Entwicklung dargestellt wurden, die sich aus der Besatzungspolitik ergeben haben. Eine ganz ähnliche Situation, wie sie damals für das Ruhrgebiet geschildert wurde, besteht auch an der niedersächsischen Nordseeküste. Wir wollen doch nicht verkennen, daß dieses Gebiet politisch ganz besonders labil ist. Dieses Küstengebiet ist von den schwersten Kriegsfolgen betroffen, weil ihm durch das Aufhören einer deutschen Reichsmarine weitgehend die wirtschaftliche Basis entzogen wurde und weil Tausende und aber Tausende von Arbeitsplätzen frei wurden. Hinzu kamen die bekannten Hinderungen für die Schiffahrt und für den Schiffbau. Wenn diese Hinderungen auch heute weitgehend beseitigt sind, so sind sie doch für den Schiffbau noch nicht total beseitigt. Sie wissen, daß gerade der Schiffbau noch erhebliche Schwierigkeiten auf dem Rohstoffgebiet zu bewältigen hat.
Also die Nordseeküste ist ein politisch labiles Gebiet. Allein unter diesen Gesichtspunkten sollte man tatsächlich die Frage des Großen Knechtsandes mit aller Nüchternheit sehen. Ich habe mich seinerzeit darüber gewundert, daß die niedersächsische Staatsregierung nicht stärkere Maßnahmen ergriffen hat, um gegen einen Austausch mit Knecht-sand ihre Stimme zu erheben. Meine Damen und Herren, ich bin der letzte, der Übungsnotwendigkeiten der britischen Luftwaffe an irgendeiner Stelle verkennt. Aber wir leben doch heute nicht mehr in einem Zeitalter, das mit technischen Dingen nicht fertig würde. Ich möchte unter allen Umständen die Bundesregierung bitten, noch einmal sehr ernsthaft zu überlegen und dann mit den entsprechenden Behörden der Westalliierten zu verhandeln, ob nicht gänzlich andere Möglichkeiten bestehen, Übungsziele für die britische Luftwaffe zu schaffen. Man braucht dazu nicht eine Untiefe, genannt Knechtsand, man kann vielleicht bei dem heutigen Stand der Technik ganz andere Markierungspunkte finden, und man braucht vielleicht auch keine Übungen mit Explosivbomben in der Nähe der niedersächsischen Küste durchzuführen; denn die Explosionen von Übungsbomben in diesem Gebiet würden tatsächlich radikal-politischen Parteien und Extremisten zugute kommen. Das wollen wir nicht vergessen. Ich fühle mich als niedersächsischer Abgeordneter verpflichtet, Sie darauf hinzuweisen, daß die auch in diesem Hause viel behandelten extrempolitischen Strömungen ja alle von der Küste her kommen. Sie kommen aus der Gegend des Vareler Hafens und der weiteren Umgegend, und das ist ja kein Zufall.
Ich möchte deswegen die Bundesregierung nochmals bitten, Überlegungen mit den zuständigen alliierten Stellen anzustellen, ob nicht eine technisch ganz andere Zielmöglichkeit gefunden werden kann, und zweitens bitte ich, Überlegungen darüber anzustellen, ob nicht überhaupt gänzlich andere Methoden - nämlich nichtexplosive Bomben - dafür angewandt werden können. Diese Dinge sind ja technisch nichts Neues. Früher haben ja in diesem Gelände auch Zielübungen der Deutschen Reichsmarine stattgefunden, ohne daß das zu einer Beunruhigung der Bevölkerung geführt hat. Man sollte also hier weitgehend die Technik einschalten, um politische Entwicklungen von vornherein zu eliminieren, die dem politischen Fundament dieses Staates nicht nützlich sein können und die auch der Zusammenarbeit der europäischen Völker nur hindernd im Wege stehen.
Zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der uns vorliegenden Drucksachen beantrage ich, das Gesetz der Bundesregierung über die Beschränkung der Freizügigkeit dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht, den Antrag der KPD betreffend den Wiederaufbau der Insel Helgoland dem Wirtschaftsausschuß zu überweisen. Wir werden uns ohnehin, wenn die gesetzliche Regelung auf Grund der schleswig-holsteinischen Initiative getroffen werden muß, damit befassen müssen. Drittens schlage ich vor, den Antrag betreffend die Frage Großer Knechtsand dem Bundestagsausschuß für Außenpolitik zur Behandlung zu überweisen, da alle diese Fragen sowieso so viele spezielle Fragen beinhalten, daß hier im Plenum darüber nicht näher entschieden werden kann.
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller-Hermann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir haben allen Anlaß, der Bundesregierung für ihre erfolgreichen Bemühungen dankbar zu sein, Helgoland bis zum 1. März wieder frei zu bekommen. Wir werden uns auch darüber im klaren sein, daß gegebenenfalls gewisse Opfer für diese Freigabe mit in Kauf genommen werden müssen, wenn sichergestellt ist, daß diese Opfer vorübergehender Natur sind und auch wirklich vor der Bevölkerung, die eventuell tangiert werden könnte, verantwortet werden können.
Darf ich Sie darauf hinweisen, daß in der Note, die die Britische Hohe Kommission am 26. Februar 1951 der Bundesregierung zukommen ließ, geschrieben wurde:
Weisungsgemäß teile ich Ihnen mit, daß die Regierung Seiner Majestät sofort bereit ist, anzukündigen, daß Helgoland freigegeben wird, sobald zufriedenstellende anderweitige Vorkehrungen abgeschlossen sind, auf jeden Fall aber bis zum 1. März 1952. Bevor sie dies jedoch tut, ersucht sie um die Zusicherung, daß als Gegenleistung für die Maßnahmen zur Freigabe Helgolands die Bundesregierung die Errichtung eines oder mehrerer Ausweichziele auf einigen Sandbänken an der deutschen Nordseeküste erleichtern wird, falls sich diese für Bombenabwurfübungen als geeignet erweisen.
Nach Rücksprache mit den zuständigen Länderregierungen - vor allem mit der niedersächsischen Regierung - wurde dann von der Bundesregierung der Große Knechtsand als Ersatzziel zur Verfügung gestellt.
Ich glaube, es kann darüber keinen Zweifel geben, daß die Zurverfügungstellung des Knecht-sands bzw. die Forderung der Engländer, es solle ein Ersatzziel für Helgoland angeboten werden, psychologisch in Norddeutschland nicht sehr günstig aufgenommen werden wird, weil man es nicht verstehen wird, daß heute noch, wo so viel von der deutschen Gleichberechtigung gesprochen wird, Bomben - wenn auch für Versuchszwecke - auf deutsches Gebiet abgeworfen werden, wenn sich nach Meinung der breiten Masse der Bevölkerung auch anderwärts, vor allem in dem Land, das diese Forderung stellt, andere Gelegenheiten für solche Bombenabwurfversuche sicherlich finden ließen.
Von Herrn Kollegen Stegner ist bereits darauf hingewiesen worden, wie gerade im norddeutschen Raum, in Niedersachsen, die radikalen Strömungen außerordentlich stark sind und daß diese Strömungen durch solche Maßnahmen zweifellos gefördert werden. Die KPD hat diese Situation bereits weitgehend ausgenutzt,
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und es ist vielleicht auch für das Haus ganz interessant, zu erfahren,
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daß z. B. die Mittel für die Errichtung eines Gedenkkreuzes an der Grabstätte von englischen Fliegern aus Kassen stammen, die Ihnen sehr naheliegen, Herr Renner!
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- Ja, weil man meint, im Augenblick wäre die Errichtung eines solchen Kreuzes für Ihre Zwecke außerordentlich förderlich.
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Abgesehen von den grundsätzlichen und den psychologischen Bedenken, die bei der Zuverfügungstellung des Knechtsands auftauchen, müssen meines Erachtens sehr sorgfältig die Bedenken geprüft werden, die von der Küstenschifferei, den Großschiffahrtslinien und vor allem von der Krabbenfischerei geäußert werden. Mir ist bekannt, daß diese Bedenken von den zuständigen Stellen des Auswärtigen Amtes sorgfältig geprüft worden und gewisse Sicherheitsmaßnahmen vorbereitet worden sind. Mir liegt z. B. ein Schreiben vor, aus dem hervorgeht, daß bei Nachtübungen das Gebiet mit Scheinwerfern abgesucht werden soll, daß bei Tagübungen die Küstenschiffahrtswege von der Weser zur Elbe durch Wachboote abgesperrt werden sollen, daß nur mit Bomben gearbeitet werden soll, die die Gefahr von Blindgängern praktisch ausschließen, daß das Gebiet nach Blindgängern abgesucht werden soll usw. usw. und daß ein enger Kontakt zwischen den militärischen Dienststellen und den örtlichen Behörden hergestellt werden soll. Man will also alles Erdenkliche tun, will Sicherheitsmaßnahmen treffen, um Schädigungen der Bevölkerung zu vermeiden und auch die Erwerbszweige in den dortigen Gebieten nicht zu schädigen. Es ist weiter in dem Vertragswerk vorgesehen, daß bei Unzulänglichkeiten eine Überprüfung des Vertragswerks vorgenommen werden kann; eventuell kann der Vertrag sogar gekündigt werden.
Ich bin ferner der Meinung, daß diese Fragen vom Auswärtigen Ausschuß noch einmal sorgfältig geprüft werden sollten. Dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses liegen die Unterlagen bereits seit einigen Wochen vor. Weiter scheint erforderlich zu sein, daß, sollte ein solcher Vertrag über den Knechtsand tatsächlich zustande kommen und kein anderer Weg offenstehen, dieser Vertrag von vornherein nur befristet abgeschlossen wird. Auf jeden Fall soll der ganze Fragenkomplex in dem zuständigen Ausschuß nicht nur sorgfältig, sondern auch mit äußerster Beschleunigung geprüft werden; denn ich glaube, in dem einen Punkt werden wir uns alle einig sein: unter allen Umständen muß verhindert werden, daß die Freigabe Helgolands zum 1. März irgendwie gefährdet wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Tobaben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der hier anstehende Punkt der Tagesordnung eignet sich absolut nicht zu irgendwelchen parteipolitischen Polemiken. Ich will deswegen auch nicht im einzelnen darauf eingehen, daß gerade wir von der Deutschen Partei eine besondere Freude empfinden, daß nun endlich am 1. März die Insel Helgoland zum Wiederaufbau freigegeben werden soll. Schon einer unserer ersten
Anträge in diesem Hohen Hause hat darauf hingezielt. Ich kann mich auf die Rede, die mein Kollege Walter seinerzeit hier gehalten hat, berufen. Ich weiß aber, daß Abgeordnete aller anderen Fraktionen ebenfalls daran mitgewirkt
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haben daß wir endlich zu diesem Ergebnis kamen. Ich bin darum der Meinung, daß die Insel Helgoland in Zusammenarbeit aller Kräfte, des Landes Schleswig-Holstein und des Bundes, nun möglichst schnell wiederaufgebaut und ihrem alten Zweck - ihrem alten friedlichen Zweck - wieder zugeführt werden muß.
Ich darf meine Freude darüber zum Ausdruck bringen; aber, meine Damen und Herren, in diesen Becher der Freude ist mit der Forderung nach dem Ersatzziel des Großen Knechtsands doch ein erheblicher Tropfen Wermut hineingegossen worden. Ich bin der Meinung, daß auch diese Frage nicht zu irgendwelchen parteipolitischen Polemiken Anlaß geben sollte. Nach meiner Auffassung hat gerade die antragstellende Partei am wenigsten Grund, sich auf den Deichgrafen Lübs und die anderen Herren aus dem dortigen Gebiet zu berufen;
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denn ich glaube, diese Kreise und auch die überwiegende Mehrheit dieses Hauses würden der KPD dankbar sein, wenn sie ihre Freunde bewegen könnte, unsere Freiheit und Sicherheit nicht zu bedrohen; dann würden alle diese Unannehmlichkeiten unterbleiben.
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- Ja, Herr Renner, ich fühle Ihnen das sehr nach, daß Sie sich freuen, wenn Ihnen endlich einmal ein bißchen Wasser auf Ihre immer langsamer werdende Mühle gegossen wird. Aber das dürfte nicht die Absicht der betreffenden Kreise im Wesermünder Gebiet sein. Wie dem auch sein mag, ich glaube, wir haben zu dieser Frage sachlich Stellung zu nehmen und sie im Interesse des betroffenen Gebiets zu untersuchen.
Es ist schon so, meine verehrten Damen und Herren, daß die betroffenen Kreise recht unglücklich über die Angelegenheit sind. Die Angehörigen eines alten Berufszweiges der Fischerei - auch wenn versucht wird, sie zu beschwichtigen - müssen damit rechnen, daß sie ihren Beruf nicht mehr ausüben können, wenn dort in erheblicher Menge Bomben fallen werden. Ich kenne dieses Gebiet aus eigener Anschauung und weiß, daß gerade die Entwässerung der weiten Marschengebiete durch eine Versandung der Priele, womit bei einer Bombardierung gerechnet werden muß, in Frage gestellt wird. Ich weiß, daß die Küstenschiffahrt durch eine eventuelle Versandung des Schiffahrtsweges - von der Weser in die Elbe - gefährdet ist.
Aber, meine verehrten Freunde, ich meine, daß sich das Plenum nicht dazu eignet, diese Fragen in allen Einzelheiten zu untersuchen. Wie schon von Herrn Stegner vorgetragen worden ist, sollten sie den Ausschüssen überwiesen werden, damit dort das Für und Wider erwogen werden kann. Ich glaube, daß wir dort auch über die Suche nach anderen Bombenzielen - sie zu finden, müßte technisch möglich sein, wie das hier bereits dargestellt worden ist - und insbesondere über die Möglichkeiten einer Befragung der betroffenen Kreise sachlich diskutieren können.
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In dem Land hinter den Deichen der Nordsee wird immer wieder die Frage aufgeworfen - und wir sollten diese Frage beachten -: Ist es denn überhaupt vertretbar, daß in einer Zeit, in der nicht mehr über ein Besatzungsdiktat, sondern über die Gleichberechtigung in der Vertretung gemeinsamer Ziele und über gemeinsame Sicherheit auf der Grundlage der Beratung geredet wird, daß für englische Flieger noch deutsche Bombenziele gesucht werden müssen? Man fragt in diesem Lande, und man kann sich der Berechtigung dieser Frage nicht verschließen: Gibt es nicht auch englische Sandbänke und unbewohnte Inseln, die sich für diesen Zweck eignen? Gibt es nicht irgendeine technische Ausweichmöglichkeit, Bombenziele zu wählen, ohne daß irgendwelche Berufszweige geschädigt werden?
Ich glaube, diese Fragen könnten im Ausschuß in aller Sachlichkeit untersucht werden. Es ist ja nicht so, daß die Flieger nur unsere deutsche Sicherheit verteidigen sollen, sondern es handelt sich um die gemeinsame europäische Sicherheit. Es ist eine gemeinsame europäische Frage, in der wir im Ausschuß in sachlicher Beratung zu einem Ergebnis kommen könnten. Ich meine, meine Damen und Herren, daß wir auch im gemeinsamen Interesse - das ist hier schon zum Ausdruck gekommen, und ich kann es abschließend nur noch einmal wiederholen - den radikalen Elementen nicht Wasser auf ihre Mühlen geben sollten. Ich stimme dem Antrag des Herrn Kollegen Stegner zu, diese Anträge dem Ausschuß zu überweisen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Mertins.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da der Große Knechtsand mit zum Bereich meines Wahlkreises gehört, muß ich hier einige Worte zur Klärung der ganzen Angelegenheit sagen. Ich bin der Ansicht, daß sich diese Materie nicht besonders dazu eignet, irgendwelche politischen Suppen daran zu kochen; denn hier steht mehr auf dem Spiel als irgendein politisches Für und Wider. Es handelt sich hier um die Interessen von vielen Tausenden von Menschen.
Ich erinnere daran, daß gerade auch in England der ausschlaggebende Grund für die Freigabe von Helgoland ein praktischer und sehr realer gewesen ist. Ich sehe deshalb nicht ein, weshalb nun nicht auch die Freigabe des Großen Knechtsands durch sachliche Argumente erwirkt werden könnte, wenn man genügend reale und wirtschaftspolitische Gründe ins Feld führt. Ich habe mich schon seit vielen Wochen eingehend mit dieser Frage befaßt. Bereits am 2. Dezember 1951 hat eine Delegiertenkonferenz der SPD in meiner Anwesenheit einen entsprechenden Beschluß gefaßt und ihn an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur weiteren Bearbeitung geleitet. Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich am 5. Dezember 1951 mit dem Antrag befaßt und die Bundesregierung gebeten, die Gründe, die Hintergründe und die Folgen einer Bombardierung von Knechtsand dem Ausschuß vorzutragen. Leider ist das bis jetzt noch nicht erfolgt. Ich kann das nur darauf zurückführen, daß die Verhandlungen bis jetzt noch nicht abgeschlossen sind. Nach meiner Kenntnis der Materie sind bisher nur technische und wirtschaftliche Fragen erörtert worden.
Wie sieht es denn mit den wirtschaftlichen Verhältnissen und den praktischen Fragen beim Großen Knechtsand in Wirklichkeit aus? Die Briten hatten selbst eine 15-Meilen-Grenze um Helgoland herum freigelassen. Beim Großen Knechtsand
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haben wir es nur mit einer Entfernung von 7 Meilen vom Festland zu tun. Wir wissen, daß Helgoland 70 Meilen vom Festland entfernt ist. Wir wissen ferner, daß um das Bombenziel herum die Fanggründe der Küstenfischerei und besonders der 70 % davon betragenden Krabbenfischerei liegen. Wir wissen, daß 25 % dieser Krabbenfischer nur dort fischen können und ihre Existenz - nicht nur vorübergehend, sondern für Jahrzehnte eventuell - verlieren würden, wenn Bomben auf Knechtsand fielen. Es ist ja nicht nur so, daß die Fischer dort nicht mehr ihre Netze auswerfen können, ohne Gefahr zu laufen, sie an den Blindgängern, an den Zementbomben oder an den Splittern schwer zu beschädigen, sondern darüber hinaus wird durch die dauernde Beunruhigung des Wassers das Plankton, die Ernährungsgrundlage der Krabben, auf Jahre hinaus vernichtet und damit auch die Krabbe selbst.
Es gibt noch viel weitergehende wirtschaftliche Schädigungen in diesem Gebiet. Wir wissen z. B., daß im April dieses Jahres Erdölbohrungen gerade zwischen dem Bombenziel und dem Festland stattfinden sollten, wofür die Vorbereitungen schon seit langem in Gang sind. Wir wissen, daß diese Bohrungen nicht stattfinden können, wenn Bomben auf Knechtsand fallen. Darüber hinaus muß die Schiffahrt ganz empfindlich leiden, da der Weg von der Weser- nach der Elbemündung gerade zwischen dem Bombenziel und dem Festland durchführt. Ferner wird durch das Bombardieren und durch eventuelle Notabwürfe, die nicht zu vermeiden sein werden, die Gefahr für den ganzen Landstrich, das reiche, wohlhabende und fruchtbare Wurster Land, sehr groß. Dieses Land liegt wenig mehr als einen Meter über dem Meeresspiegel. Ein Deichbruch würde sich dort ganz be-senders stark bemerkbar machen. Es besteht die Möglichkeit einer Verlagerung der Priele durch die Bombenabwürfe, so daß dadurch auch die ganze natürliche Entwässerung dieses Gebiets außerordentlich gefährdet wird.
Alles uns aber wird vielleicht in cien Schatten gestellt durch andere schwere Schädigungen dieses Gebiets. In dem Gebiet liegen drei große Krankenhäuser mit weit über 1000 Betten. Diese Krankenhäuser kann man nicht einfach verlagern, weil gerade das milde Nordseeklima und die Waldgebiete dieser Gegend in der Wurster Heide, um Nordholz herum, den schwer Tbc-Kranken Gesundung und Linderung ihrer Leiden bringen können. Aus demselben klimatisch bedingten Grund sind dort acht Kinderheime und ein Heim der Postgewerkschaft stationiert. Außerdem erlangt Cuxhaven von Jahr zu Jahr als Badeort eine immer größere wirtschaftliche Bedeutung; wir haben dort im letzten Jahr eine Besucherzahl von 40 000 zu verzeichnen gehabt. Für all diese Erholung und Gesundung suchenden Menschen würden Ruhe und Heilung gestört, wenn Bomben in nächster Näher herniederfielen, wenn die Geschwader der Royal Air Force oder amerikanische Bombengeschwader dort die Stille durch Motorenlärm unterbrächen. Es ist auch gefährlich, in so unmittelbarer Nähe des Bombenzieles Erholungsheime und Krankenanstalten zu unterhalten, weil immer mit der Möglichkeit eines Notabwurfs gerechnet werden muß.
Wenn wir alle diese wirtschaftlichen Gegebenheiten ins Auge fassen, müßte es nach der Ansicht meiner Freunde schon ganz toll zugehen, wenn diese wirtschaftlichen Gründe nicht auch bei den Besatzungsmächten Eindruck erwecken und sie veranlassen würden, sich nach anderen Zielen für die vielleicht wirklich notwendigen Bombenabwurfübungen ihrer Luftflotten umzusehen. Wir haben nichts dagegen, daß die Bundesregierung ihnen dann dabei behilflich ist; aber wir haben sehr viel dagegen, daß man ohne die Würdigung dieser wirtschaftlichen Schwierigkeiten Endgültiges schafft. Wir wissen, daß zum Glück das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Wir glauben daher, daß es richtig ist, diese Dinge im Ausschuß in aller Ausführlichkeit zu besprechen. Es ist auch richtig, dort vielleicht noch einige diese wirtschaftlichen Dinge tangierende psychologische und politische Fragen zu erörtern. Wir hoffen, daß es der Regierung gerade im Zeichen ihrer so oft optimistisch angekündigten Verständigungsfreundschaft und Hoffnung auf Gleichberechtigung innerhalb des europäischen Raumes gelingen wird, die Besatzungsmächte davon zu überzeugen, daß hier nicht der Ort ist, Bomben abzuwerfen, sondern daß man sich da schon eines anderen Ortes bedienen muß, so daß weniger wirtschaftliche und sonstige schwerwiegende Folgen für die Bevölkerung der Bundesrepublik entstehen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schon vor einem Jahr hat die damalige Zentrumsfraktion Anträge bezüglich Helgolands eingebracht und damit der Helgolanddebatte eigentlich erst die Grundlage gegeben.
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- Jawohl, das ist wahr, Herr Kollege! Sehen Sie es doch bitte in den Protokollen von damals nach! Wir haben damals einen Antrag auf Bewilligung von Mitteln für die Wiedereinrichtung der Insel und die Zurückführung der Bewohner von Helgoland gestellt. Also der Streit um die Priorität ist vollkommen nebensächlich; es hat doch keinen Zweck. darüber reden.
Lassen Sie mich aber auf folgendes hinweisen. Wenn jetzt über den Großen Knechtsand gegesprochen wird, scheint es doch notwendig, daß wir auf die Frage aufmerksam machen, wozu denn an solche Dinge, wie sie hier ungeschickterweise von Militärs - die natürlich immer in allen Ländern keine besonders glückliche Hand für solche Dinge haben - durchgeführt werden, immer wieder gerührt wird, die doch nur geeignet sind, radikalen Elementen Propagandagelegenheiten zu bieten.
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Es fragt sich hier: Wird denn nun ausgerechnet ein für die deutsche Wirtschaft und die dortigen Bewohner so wichtiges Gelände deswegen in Anspruch genommen, um etwa zur Hebung des europäischen Gedankens etwas beizutragen, um also etwa die abendländische Solidarität zu betonen, oder glaubt man etwa, auf diese Art und Weise zur Verbesserung der Ernährungsbasis und der wirtschaftlichen Situation einen Beitrag leisten zu können? Es ist absolut unverständlich, daß wir jetzt, im gegenwärtigen Stadium der Überlegungen, wie wir die Glieder Europas einander näher bringen können, mit solchen Forderungen noch bedrängt werden. Es erscheint erforderlich, darauf hinzuweisen, daß die psychologischen Wirkungen, die ein solches Verlangen im deutschen Volke hervorbringt, noch viel schlimmer sind als die materiellen Schäden, über die meine Herren Vorredner
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schon gesprochen haben. Man kann uns doch nicht sagen, daß es militärisch erforderlich ist, ausgerechnet den Großen Knechtsand in der Nähe der deutschen Küste und ausgerechnet jetzt in diesem Zeitpunkt als Zielobjekt zu benutzen. Es ist absolut klar, daß England selber auf den Orkneyinseln und den Shetlandinseln bedeutend bessere Gelegenheiten für solche Zielversuche hat. Wenn es trotzdem geschieht, so drängt sich der Gedanke auf, daß man gerade mit dem deutschen Land, mit der deutschen Küste Erfahrungen sammeln will, als ob unsere deutschen Leute darauf hingewiesen werden sollten: in Zukunft haben wir uns von neuem mit Bombardierungen von dieser Seite her vertraut zu machen.
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- Ja, Herr Kollege Kunze, wir würden es natürlich genau so bedauern wie Sie, wenn es so wäre. - Aber nicht bloß die psychologischen Wirkungen sind es, wie ich sie gerade skizziert habe, sondern wenn man sich hartnäckig darauf beruft, deutsches Land als Bombenzielobjekt jetzt noch, sieben Jahre nach dem Krieg, in Anspruch nehmen zu müssen, so muß man sich darüber klar werden, daß die deutsche Bevölkerung diese Konsequenzen ziehen muß. Ich appelliere deswegen in erster Linie an den gesunden politischen Instinkt auf seiten der brtiischen Besatzungsmacht, daß sie davon absieht, solche Forderungen heute noch zu stellen. Es ist ohnehin für die gegenwärtige Situation absolut untragbar, Helgoland nicht ohne eine solche Bedingung freizugeben. Es paßt nicht in die Zeit und ist unzeitgemäß. Das sollte man einsehen. Daß wir mit dem Vorschlag der Bundesregierung und ihrer Absicht, der Bevölkerung eine Sperre für die Rückkehr auf die Insel Helgoland aufzuerlegen, einverstanden sind, liegt nach der Grundhaltung meiner Fraktion auf der Hand. Wir stimmen dem Antrag zu, die drei vorliegenden Anträge in die entsprechenden Ausschüsse zu verweisen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Herr Kollege Schröter von der CDU hat sich im zweiten Teil seiner Ausführungen selbst geschlagen, nämlich in seinen Angriffen gegen uns. Dort hat er nämlich ganz klar zum Ausdruck gebracht, daß die schleswig-holsteinische Regierung gar nicht in der Lage ist, überhaupt ein Aufbauprogramm durchzuführen, wenn die Bundesregierung und der Bundestag nicht die entsprechenden Summen bewilligen. Es ist notwendig, hier noch einmal auszuführen, daß es darauf ankommt, sofort ausreichende Mittel zum Aufbau der Insel Helgoland zur Verfügung zu stellen. Man muß hier einmal aufzeigen, welche Bedeutung es eigentlich hat, daß man die Zahlungen in Raten vornehmen will und daß man keine volle Freizügigkeit gewähren will. Ich glaube, dahinter stecken ebenfalls noch strategische und mit der sogenannten Verteidigungsgemeinschaft zusammenhängende Gründe, die die Bundesregierung dazu veranlassen. Es kommt jetzt darauf an, daß das Geld für den Aufbau sofort gegeben wird und daß auch volle Freizügigkeit für alle Helgoländer gewährt wird, damit nicht wieder diejenigen die Vorrechte beim Aufbau auf der Insel haben, die das notwendige Geld zur Verfügung haben, und damit nicht alle übrigen Menschen Zuzug nach Helgoland erhalten, wenn sie ausgesucht werden, oder aber, wenn sie die Berechtigung dazu erhalten. Der Kollege Schröter hat davon gesprochen, daß es so aussehen müsse, als ob die Bundesregierung unfähig wäre. Ich glaube, daß man das nicht näher zu bestätigen braucht; das wissen die Deutschen draußen schon von selbst, daß die Bundesregierung unfähig ist, die Probleme in Deutschland mit friedlichen Mitteln zu lösen! Sie denkt nur daran, den Krieg vorzubereiten, damit sie von der Krise, dem Flüchtlingselend und der ganzen Not der Menschen abkommt.
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Der Herr Kollege Schröter hat weiter zum Ausdruck gebracht, es komme darauf an, daß die Bundesregierung das Ansehen gegenüber den Alliierten wahre, das Ansehen stehe auf dem Spiele. Ich denke, daß das sehr bezeichnend ist. Für uns aber steht das Ansehen bei den deutschen Menschen höher als bei den Alliierten. Wir wissen wohl, daß diese Formulierung des Kollegen Schröter mit der gesamten Politik der Bundesregierung übereinstimmt, weil es ihr wichtiger ist, auf den Schlössern und auf dem Petersberg angesehen zu sein als bei den deutschen Menschen in Westdeutschland selbst.
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Frau Abgeordnete Thiele, ich weise diese Äußerungen zurück, weil sie über die sachliche Kritik hinaus eine Beleidigung der Bundesregierung darstellen. Ich rufe Sie zur Ordnung.
Es wurde weiter zum Ausdruck gebracht: man ist nicht darüber erfreut, daß die kommunistische Fraktion den Antrag betreffend den Wiederaufbau Helgolands und den Antrag gegen die Bombardierung des Großen Knecht-sands gestellt hat. Ich möchte alle Fraktionen fragen: Warum haben denn Sie nicht den Antrag gegen die Bombardierung des Großen Knechtsands eingebracht? Sie haben doch alle miteinander die gleichen Proteste, die gleichen Willensäußerungen wie wir erhalten!
Unser Antrag stimmt völlig mit dem Willen der dortigen Bevölkerung überein. Es geschieht nicht zum ersten Mal, daß Sie, wenn Ihnen Dinge unbequem sind, von kommunistischer Propaganda sprechen. Die Menschen draußen haben aber die Gelegenheit, die Dinge selber im richtigen Licht zu sehen.
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- Ich habe jetzt ganz besonders von dem Antrag gegen die Bombardierung des Großen Knechtsands gesprochen.
Der Vertreter der FDP und einige andere Redner haben von den psychologischen Momenten gesprochen, die die britische Regierung nicht beachtet habe. Aber, meine Herren und Damen, Dr. Adenauer hat doch das Ersatzbombenziel zur Verfügung gestellt; er ist es doch, der hier vom Bundestag zur Ordnung gerufen werden muß, und zwar durch direkte Abstimmung über unseren Antrag, der nicht durch ein Begräbnis erster Klasse im Ausschuß erledigt werden darf.
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Ferner wurde hier gefragt: Warum denn ausgerechnet der Große Knechtsand? Auch darauf kann
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ich Ihnen eine Antwort geben, die gleiche Antwort, die die Menschen geben, die dort oben in dem Gebiet wohnen und in den vergangenen Kriegsjahren ihre Erfahrungen gemacht haben: nämlich weil der große Knechtsand das Einfluggebiet für die fremden Bomberverbände zur Zerstörung unserer Heimat war; darum der Große Knechtsand.
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Auch wir sind der Auffassung, die die dortige Bevölkerung zum Ausdruck bringt, daß vor der englischen Küste genügend unbewohnte Inseln liegen, auf denen die englischen Bomber ihre Übungen durchführen können, wenn es ihnen nicht darum geht, deutsches Land und deutsche Ziele für einen kommenden Krieg noch näher kennenzulernen; das ist nämlich die Hauptaufgabe.
Es kommt nunmehr darauf an, daß jetzt hier in einer klaren Entscheidung Stellung genommen wird. Dem Wahlkreisabgeordneten, dem Kollegen von der SPD muß ich sagen, daß eine Anfrage an den Ernährungsausschuß nicht ausreichend sein kann. Sie wissen, daß die Bundesregierung die Politik der vollendeten Tatsachen betreibt. Ich kann ihm auch die Antwort darauf geben, warum bis heute im Ernährungsausschuß noch keine Antwort erteilt worden ist: weil nämlich auch in dieser Frage die Bevölkerung und der Bundestag vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollen, weil am 1. März das Ersatzbombenziel zur Verfügung gestellt werden soll und weil, wenn die ersten Bomben gefallen sind, der Ernährungsausschuß keine Möglichkeit zu einer weiteren Aussprache hat.
So wird es auch kommen, wenn dieser Antrag an den Ausschuß verwiesen wird. Darum haben Sie heute hier die Entscheidung zu fällen, ob Sie dafür sind, daß deutsches Land weiterhin fremden Bomberverbänden zur Bombardierung zur Verfügung gestellt wird, oder ob dieses Land jetzt endlich einmal zum Nutzen unserer deutschen Heimat friedlich wiederaufgebaut werden soll.
Namens der kommunistischen Fraktion
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möchte ich die Erklärung abgeben: wir sind damit einverstanden, daß der Antrag auf Drucksache Nr. 2891 betreffend Wiederaufbau der Insel Helgoland im Wirtschaftsausschuß zur Beratung gelangt.
({5}) Wir sind nicht damit einverstanden, daß der Antrag Drucksache Nr. 2970 betreffend Bombardierung des Großen Knechtsands in den Ausschuß kommt; denn hier braucht man keine Spezialoder Einzelfragen mehr zu behandeln, sondern hier gibt es nur eine klare Stellungnahme. Ich sage Ihnen als Frau ganz offen, Sie wollen diesen Antrag in den Ausschuß verweisen, weil Sie zu feige sind, sich öffentlich dazu zu bekennen,
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daß Sie bereit sind, deutsches Land zur Bombardierung zur Verfügung zu stellen.
Frau Abgeordnete Thiele, es mag sein, daß Sie in den Kategorien denken. Die Beleidigung der Antragsteller durch die Bezeichnung feige weise ich zurück. Ich rufe Sie zum zweiten Mal zur Ordnung.
Meine Damen und Herren, mit diesem Hinweis sind die Redner erschöpft.
({0})
- Ja, es scheint mir so. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Ich möchte meiner Meinung dahin Ausdruck geben, daß der Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung der gegebene Ausschuß ist.
({1})
Ich glaube, daß der Herr Antragsteller auch damit einverstanden ist. - Ist das Haus mit der Überweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung, soweit es sich urn den Gesetzentwurf handelt, einverstanden?
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Des weiteren ist bezüglich der Drucksache Nr. 2891 die Überweisung an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß beantragt. Ich vermag im Augenblick nicht ganz zu sehen, was der Wirtschaftspolitische Ausschuß damit anfangen soll. Ich persönlich würde Ihnen vorschlagen, auch diesen Antrag dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen.
({3})
- Also auch diesen Antrag dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überweisen?
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- Eben, das war mein Vorschlag. - Das Haus ist damit einverstanden.
Dann noch der Antrag betreffend Großer Knechtsand. Wünschen Sie auch da Verweisung an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung oder an den Ausschuß für Besatzungsstatut?
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- Also, meine Damen und Herren, die Mehrheit scheint für Überweisung an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu sein.
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- Also federführend der Außenpolitische Ausschuß und mitberatend Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. - Das Haus ist damit einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ({7}); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit ({8}) ({9}); Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 411, 415, 416, 421;
({10});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Arbeitsplätze für Jugendliche und ältere Angestellte ({11}).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Odenthal. Im Einverständnis mit dem Ältestenrat schlage ich Ihnen eine Aussprachezeit von 120 Minuten und
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eine Höchstbegründungszeit von 15 Minuten für den Antrag zu 5 b) vor.
Darf ich bitten, Herr Abgeordneter!
Odenthal ({13}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bereits mit der Drucksache Nr. 2131 vom 10. April 1951 wurde dem Bundestag der Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zugeleitet. Dieses Gesetz wurde nach Beratung in den Ausschüssen in allen drei Lesungen verabschiedet und gelangte im ersten Durchlauf an den Bundesrat. In diesem ersten Durchlauf rief der Bundesrat den Vermittlungsausschuß an, der auch zu einem Ergebnis kam, das dem Bundestag zugeleitet wurde, aber nicht die Zustimmung des Hauses fand. Damit gelangte das Gesetz in der Fassung der dritten Lesung wieder an den Bundesrat, der nunmehr aus den verschiedensten Gründen diesem Gesetz die Zustimmung versagte. Von der Möglichkeit einer nochmaligen Anrufung des Vermittlungsausschusses machten weder die Bundesregierung noch der Bundestag Gebrauch. Es unterblieb auch eine weitere Beratung in diesem Hause. Dagegen brachten nun die Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP mit der Drucksache Nr. 2875 den uns heute in der zweiten Lesung vorliegenden Entwurf zur Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung ein, der nach Beratung in der ersten Lesung dem Ausschuß für Arbeit überwiesen ward e.
Der Ausschuß für Arbeit hat in zwei Sitzungen den Stoff, der bereits früher eingehend erörtert wurde, behandelt und sich dabei im wesentlichen mit den in dem neuen Entwurf enthaltenen Änderungen und Vorschlägen und den Anträgen der Fraktion der SPD befaßt. Das Ergebnis der Beratungen und die erarbeiteten Vorschläge des Ausschusses für Arbeit liegen Ihnen heute vor.
Abgelehnt wurde zu § 6 ein Antrag der Vertreter der SPD-Fraktion, nicht dem Präsidenten der Bundesanstalt, sondern ihrem Vorstand die Geschäftsführung in die Hand zu geben, der wiederum durch Richtlinien bestimmen sollte, inwieweit der Präsident die Geschäfte zu führen hat.
Dagegen wurde eine Anregung der Vertreter der SPD-Fraktion zu § 12 angenommen. Der Entwurf übernahm aus dem Tarifvertragsgesetz den Hinweis auf die Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Der Ausschuß für Arbeit schloß sich den Anregungen an und war der Auffassung, daß diese Bestimmung, die im Tarifvertragsgesetz auf die Allgemeinverbindlicherklärung abgestellt ist, in diesem Gesetz keinen Raum fin- den sollte, weil das nicht nötig sei. Ich habe Ihnen vorzuschlagen, diese Änderung anzunehmen.
In § 20 des Gesetzes geht es um die Frage, ob die Amtsleiter, also der Direktor des Arbeitsamtes, der Präsident des Landesarbeitsamtes und der Präsident der Bundesanstalt, berechtigt sind, Beschlüsse ihrer Organe oder der nachgeordneten Organe, die gegen das Gesetz oder gegen die Satzung verstoßen, zu beanstanden, oder ob es Sache des Vorsitzenden des Organs ist, das zu tun. Der Ausschuß schloß sich der Auffassung an, daß das zweite möglich und notwendig ist. Er nahm im Interesse der Funktionsfähigkeit der Bundesanstalt die Fassung der Vorlage an und lehnte den Antrag der SPD-Fraktion ab.
Es gelang nicht, in der entscheidenden Fassung des § 27 Einigkeit zu erreichen. Der § 27 regelt in
Abs. 1 die Bestellung des Präsidenten der Bundesanstalt, in Abs. 2 die Bestellung des Präsidenten der Landesarbeitsämter und in Abs. 3 die Bestellung der Direktoren der Arbeitsämter. Der Entwurf sah vor, daß der Präsident der Bundesanstalt und sein ständiger Stellvertreter nach Anhörung des Verwaltungsrates auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten unter Berufung in das Beamtenverhältnis ernannt werden. Die Vertreter der SPD-Fraktion wünschten eine stärkere Betonung des Rechtes der Selbstverwaltungsorgane. die leitenden Persönlichkeiten in eigener Zuständigkeit zu wählen oder vorzuschlagen. Dieses Anliegen wurde von der Mehrheit des Ausschusses abgelehnt. Dagegen wurde aus der Mitte der Vertreter der Regierungsparteien der Vorschlag gemacht, die Fassung zwar zu belassen, aber zu bestimmen, daß die Bundesregierung gegen den Willen oder gegen die Stellungnahme des Verwaltungsrates nur dann anders verfahren kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, daß aber die Feststellung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, ausschließlich Sache der Bundesregierung ist und daß diese Feststellung keiner außergerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Dieser Vorschlag wurde vom Ausschuß für Arbeit mit Mehrheit angenommen. Mit der gleichen Mehrheit wurde auch die Fassung des Abs. 2 des § 27 geändert, während Abs. 3 in der Fassung der Vorlage bestehen bleiben soll.
In § 32 entfällt der letzte Satz des Abs. 3. Die Vertreter der SPD-Fraktion waren der Auffassung, daß der Herr Bundesminister für Arbeit auf Grund der Vorschrift des § 34 befugt ist, zur Verwirklichung seines Aufsichtsrechtes jederzeit alles anzufordern, was dazu gehört; und dazu gehört auch der Rechnungsabschluß. Der Ausschuß für Arbeit trat dieser Auffassung bei und empfiehlt die vorgeschlagene Änderung.
Eine Änderung bringt weiter § 37 Abs. 4. Der Ausschuß für Arbeit schloß sich der Auffassung der Bundesregierung an, daß in die Diensthoheit der Länder nicht eingegriffen werden sollte. Weiterhin bestanden Bedenken dagegen, neben der Versetzung in den Wartestand wahlweise als Vergünstigung auch die Versetzung in den Ruhestand zu gewähren. Ich glaube, daß das neue Beamtenrecht auch in dieser Frage demnächst eine Änderung bringen wird.
Schließlich wurde einer Anregung entsprochen, den Beamten auf Kündigung den Schutz des § 41 Abs. 3 zu gewähren. Danach stellt die Nichtübernahme von Beamten auf Kündigung für den Dienstherrn keinen wichtigen Grund zur Kündigung des Beamten dar.
Die vorgeschlagene Änderung des § 39 trägt dem Umstand Rechnung, daß nicht von einem früheren Beamtenverhältnis gesprochen werden kann, weil das Beamtenverhältnis ja nicht beendet wird. Darum wird vorgeschlagen, das Wort ,.frühere" in der letzten Zeile zu streichen.
Etwas Unbehagen empfanden die Mitglieder des Ausschusses für Arbeit, als sie in der Vorlage noch das Wort „Dienstherr" entdeckten. Wir wissen, daß der Beamte nicht im Vertragsverhältnis zu seiner Behörde steht, sondern in einem Treue- und Gewaltverhältnis, das einseitig gegen ihn gerichtet ist. Der Ausschuß für Arbeit war sich aber darin einig, daß für den Begriff „Dienstherr" im neuen Beamtenrecht kein Raum mehr sein sollte. Ich darf deshalb den Wunsch des Ausschusses aussprechen, daß bei der Neubearbeitung des Beamtenrechts dieser Begriff durch eine zeitgemäßere Bezeichnung
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ersetzt wird. Wenn wir in den Tarifverträgen und im Arbeitsrecht allgemein nicht mehr vom „Brotherrn", sondern vom „Arbeitgeber" sprechen, so könnten wir vielleicht im neuen Beamtenrecht ein passenderes Wort, eventuell das Wort „Dienstgeber", festlegen.
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Die Änderung des § 12 Abs. 1 zwingt schließlich zu einer Änderung des § 50 Abs. 5. Nach der neuen Formulierung dieses Absatzes soll der Präsident des Landesarbeitsamtes neue Beisitzer des Spruchausschusses aus Vorschlagslisten der jeweils für den Bezirk zuständigen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen berufen.
Meine Damen und Herren! Wir wissen heute noch nicht, wann dieses Gesetz verkündet wird und ob es alle Klippen der Zukunft noch glücklich umschiffen wird. Wir sind aber alle einig in der Überzeugung. daß wir aus der Mannigfaltigkeit des Verfahrens und aus der rechtlichen Unsicherheit herausmüssen. Wir glauben, daß der Weg dazu über die Bundesanstalt führt. Auf sie warten nicht nur große Aufgaben in der einheitlichen Gestaltung und Zusammenfassung in der Berufsberatung, Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung, sondern wir sind der Meinung, daß sie auch eine echte Arbeitsmarktpolitik im gesamten Wirtschaftsraum der Bundesrepublik betreiben und dazu mithelfen soll, uns aus der strukturellen Arbeitslosigkeit unserer Zeit herauszuführen. Diesem Bemühen dient der Ausschuß für Arbeit, wenn er mich beauftragt, Ihnen heute die Zustimmung zu dem Gesetz und den vom Ausschuß erarbeite ten Vorschlägen und Änderungen zu empfehlen.
({16})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Einzelbesprechung der zweiten Beratung. Ich rufe zunächst auf die Überschrift des Ersten Abschnitts, - § 1. Dazu liegen keine Wortmeldungen vor. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 1 zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf § 2. Hierzu liegt auf Umdruck Nr. 421 Ziffer 1 ein Änderungsantrag der Herren Abgeordneten Dr. Atzenroth und Genossen vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie werden sich alle der wenig erfreulichen Vorgänge anläßlich der Beratung des ersten Gesetzes über die Frage des Sitzes der Bundesanstalt erinnern. Es sind daran anschließend aus der Öffentlichkeit und noch viel mehr aus der Presse heraus heftige Vorwürfe gegen den Bundestag erhoben worden. Den Abgeordneten wurde vorgeworfen, sie hätten ihre Entscheidungen zum größten Teil aus personlichen Gründen getroffen, allenfalls hätten kleinliche Wahlkreisgesichtspunkte eine Rolle gespielt. Ferner wurde darauf hingewiesen, daß das Interesse der Öffentlichkeit, der Allgemeinheit nicht gebührend berücksichtigt worden sei, insbesondere nicht die Interessen der Kreise, die von diesem Gesetz am meisten betroffen würden., nämlich der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, die die Beiträge aufzubringen hätten. Schließlich wurde der Vorwurf erhoben, der Bundestag habe nicht das Recht, in die
Organisationsgewalt eines Selbstverwaltungsorgans einzugreifen. In Presseveröffentlichungen wurde auch darauf hingewiesen, daß der Bundestag sich eventuell Regressansprüchen gegenübergestellt sehen könne. Auch die Verkündung des, Sitzgesetzes wurde mit rechtlichen Einwendungen- bekämpft; das Sitzgesetz ist bekanntlich in einem Zeitpunkt veröffentlicht worden, in dem es keinen materiellen Hintergrund mehr hatte.
Der vorliegende Antrag soll nun alle diese bedauerlichen und unangenehmen Vorwürfe entkräften. Nach ihm soll die Wahl des Sitzes der Bundesanstalt der zu wählenden Körperschaft, nämlich dem Verwaltungsrat übertragen werden. Kommt dieser Verwaltungsrat zu derselben Entscheidung, die damals der Bundestag getroffen hat, so sind alle Vorwürfe hinfällig geworden, und der Bundestag ist voll und ganz entlastet. Kommt der Verwaltungsrat zu einer andern Entscheidung, dann hat er die Verantwortung übernommen und sie auch zu tragen.
Ich möchte mit einem kurzen Wort noch die Befürchtung zerstreuen, dieser Antrag könne etwa eine neue Städtedebatte heraufbeschwören. Das Gegenteil ist der Fall. Hier im Bundestag soll mit keinem Wort über Städte gesprochen werden. Das soll dem Verwaltungsrat überlassen bleiben. Dessen Entscheidung entlastet auf jeden Fall den Bundestag von allen gegen ihn erhobenen Vorwürfen.
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Es liegt also im Interesse eines jeden einzelnen von uns, daß wir so verfahren. Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Wird dazu das Wort gewünscht? - Herr Abgeordneter Mellies. bitte!
Die sozialdemokratische Fraktion wird den Antrag ablehnen. Damit eine klare Entscheidung erfolgt, beantrage ich im Namen der Fraktion namentliche Abstimmung über den Antrag.
({0})
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. - Wortmeldungen liegen nicht vor; ich schließe die Besprechung. Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist hinreichend unterstützt.
Wir kommen also zur namentlichen Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 421 Ziffer 1. Ich darf unterstellen, daß Sie gleichzeitig damit über den Antrag Umdruck Nr. 421 Ziffer 2 abstimmen, da diese beiden Anträge ja in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Ist das Haus damit einverstanden? - Das ist der Fall.
Meine Damen und Herren, damit kein Zweifel über die Fragestellung besteht: es wird abgestimmt über Umdruck Nr. 421 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die blaue Karte, die ihn abzulehnen wünschen, die rote, und die, die sich enthalten wollen, die weiße Karte zu benutzen, und unterstelle, daß je nach der Annahme oder Ablehnung des Antrags die Ziffer 2 entweder als angenommen oder als abgelehnt gilt.
Ich bitte die Herren Schriftführer, mit der Einsammlung der Karten zu beginnen, und weise, um auch alles gesagt zu haben, darauf hin, daß jeder Abgeordnete nur die mit seinem Namen bezeichnete Karte abgeben darf.
({0})
({1})
Meine Damen und Herren, ich frage: sind noch Abgeordnete vorhanden, die ihre Stimme nicht abgegeben haben? - Ich wäre dankbar, wenn auch die letzten drei Damen ihre Stimme abgeben würden.
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Ich stelle fest, daß kein Abgeordneter da ist, der seine Stimme noch nicht abgegeben hat. Ich schließe die Abstimmung über den Abänderungsantrag. Ich schlage Ihnen vor, daß wir die Abstimmung über § 2 zurückstellen und zunächst zu § 3 übergehen.
§ 3. - Keine Wortmeldungen. Ich komme zur Abstimmung über § 3. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 3 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; § 3 ist angenommen.
Ich rufe auf § 4, - § 5. - Ebenfalls keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit. Die §§ 4 und 5 sind angenommen.
Zu § 6 liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 415 Ziffer 1 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Ludwig. Bitte schön!
Meine Damen und Herren! Unsere Anträge verfolgen das Ziel, der zu bildenden Anstalt den Selbstverwaltungscharakter zu geben. Das kann auch in diesem Punkt nach unserer Auffassung dadurch geschehen, daß der Vorstand die leitende Instanz wird, § 6 also lautet:
Der Vorstand führt die Geschäfte der Bundesanstalt. Er kann durch Richtlinien bestimmen,
inwieweit der Präsident der Bundesanstalt mit
der Führung der Geschäfte beauftragt wird. Vom Vorstand sollen also die Richtlinien und Weisungen für die leitenden Beamten ergehen.
Nachdem Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich schon immer einig waren in dem Willen zur Selbstverwaltung und über deren Bedeutung für die Demokratie und das Verantwortungsbewußtsein, sind wir der Auffassung, daß der Antrag angenommen werden sollte.
Wünscht jemand das Wort? - Herr Abgeordneter Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen .und Herren! Wir haben den Antrag der SPD zu § 6 nochmals eingehend überprüft, glauben aber, daß für eine Änderung im Sinne dieses Antrages kein Bedürfnis vorliegt. Es liegt ja doch in der Hand des Vorstandes, in den zu erlassenden Richtlinien festzulegen, wie weit das Ausmaß der selbständigen Entscheidungen des Präsidenten ist. Der Vorstand kann sich auch die Entscheidung zu bestimmten Fragen vorbehalten. In dem Gesetz ist sein Übergewicht gegenüber dem Präsidenten der Bundesanstalt verankert. Unseres Erachtens würde eine Regelung entsprechend dem Änderungsantrag die Tätigkeit des Präsidenten allzu stark behindern. Dadurch könnten Nachteile in der Verwaltung entstehen. Es kommt hinzu, daß uns eine Geschäftsführung durch ein Gremium von neun Personen unmöglich erscheint.
Wir bitten, dem Änderungsantrag aus Zweckmäßigkeitsgründen nicht zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 415
Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Abänderungsantrag der Fraktion der SPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das letztere war die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den § 6 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 6 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der § 6 ist angenommen.
Ich rufe § 7 auf. - Wortmeldungen erfolgen nicht. Ich bitte die Damen und Herren, die § 7 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; der § 7 ist angenommen.
Zu § 8 liegt ein Abänderungsantrag der Gruppe der KPD auf Umdruck Nr. 416 Ziffer 1 vor. Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Müller.
Meine Damen und Herren! Ungeachtet unserer grundsätzlichen Stellungnahme zu diesem Gesetz sind wir der Meinung, daß die im § 8 festgelegte Amtsdauer zu weitgehend ist. Der Auffassung, daß eine wesentliche Verkürzung der Amtsdauer eintreten muß, sind wir besonders deswegen, weil wir meinen, daß dieses Gesetz gerade in dem nächsten Zeitabschnitt der Durchführung der Politik der Herren Adenauer und Kompanie besondere Bedeutung bekommen wird. Es muß die Möglichkeit geschaffen werden, die Amtsdauer der Mitglieder der Organe zu verkürzen. Die Amtsdauer der erstmals berufenen Mitglieder muß spätestens am 31. März 1954 zu Ende gehen, um dann die Möglichkeit zu haben, auf Grund der Entwicklung eine Überprüfung der Tätigkeit dieser Organe vorzunehmen. Auf diesen Erwägungen beruht unser Antrag. Ich bitte Sie, ihm Ihre Zustimmung zu geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der KPD auf Umdruck Nr. 416 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist außer den Antragstellern niemand; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 8 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; § 8 ist angenommen.
Meine Damen und Herren! Ich kehre zu § 2 zurück. Für den Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Atzenroth und Genossen, Umdruck Nr. 421 Ziffer 1, sind bei vier Stimmenthaltungen 59 Ja-Stimmen, 254 Nein-Stimmen, insgesamt also 317 Stimmen abgegeben worden. Ich weise darauf hin, daß es sich dabei um ein vorläufiges Abstimmungsergebnis*) handelt und daß im einzelnen die Abstimmungskarten listenmäßig überprüft werden müssen, so daß sich also gegebenenfalls noch geringe Veränderungen ergeben können. Damit ist der Abänderungsantrag abgelehnt. Ich darf unterstellen - ich habe es vorhin schon gesagt -, daß damit auch der Änderungsantrag Umdruck Nr. 421 Ziffer 2 abgelehnt worden ist. Darüber besteht Einverständnis.
*) Vergl. das endgültige Ergebnis Seite 7980.
({0})
Ich komme jetzt zur Abstimmung über den § 2 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die § 2 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; § 2 ist angenommen.
Ich rufe § 9 auf. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der KPD vor. Herr Abgeordneter Müller wünscht ihn zu begründen.
Meine Damen und Herren! In § 9 wird entsprechend den bereits beschlossenen Bestimmungen die Verteilung der Mitglieder auf die Organe der Bundesanstalt geregelt: sie sollen sich aus Vertretern der Arbeitgeber, der Arbeitnehmer und der öffentlichen Körperschaften zusammensetzen. Wir gehen bei der Frage, wer die Entscheidung in den Organen der Bundesanstalt zu treffen hat, von der Tatsache aus, daß die Mittel der Bundesanstalt fast ausschließlich von den Arbeitnehmern aufgebracht werden. Sie bringen ja nicht allein ihren eigenen Arbeitnehmeranteil auf, denn das, was formal als Arbeitgeberanteil bezeichnet wird, ist praktisch auch nichts anderes als ein Teil des den Arbeitern und Angestellten vorenthaltenen Lohnes.
Das ist eine nicht zu widerlegende Tatsache, und daraus ergibt sich automatisch die Schlußfolgerung, daß mindestens zwei Drittel der Vertreter in den Organen der Bundesanstalt Arbeitnehmer sein müssen. Das um so mehr, als die Arbeiterschaft daran interessiert ist, maßgebend über die Politik der Bundesanstalt und auch über die Verwendung der von den Arbeitern und Angestellten aufgebrachten Mittel zu entscheiden. Ich glaube, daß - im Zusammenhang mit der Zweckbestimmung, die die Bundesanstalt besonders in der kommenden Zeit haben soll - die Arbeiterschaft sehr stark daran interessiert ist, daß die Mittel nicht für Zwecke verwendet werden, auf die ich im Zusammenhang mit einem anderen Paragraphen noch zu sprechen kommen werde und über die ich bereits
entsprechende Andeutungen bei der ersten Lesung
dieses Gesetzes gemacht habe.
Aus diesen Tatsachen ergibt sich also unsere Forderung, und ich glaube, daß auch die Gewerkschaften dieser Forderung nach einer Vertretung der Arbeitnehmer mit zwei Dritteln in diesen Organen ihre Zustimmung geben müßten.
Ich habe bei diesem Paragraphen noch eine andere Bemerkung, und zwar zu der Ziffer 3 zu machen. Da heißt es, daß bei der Auswahl der Mitglieder der Organe die politischen Bezirke usw. berücksichtigt werden sollen. Nach den von mir gemachten Bemerkungen über die Grundhaltung, von der man an eine Regelung der Vertretung in den Organen herangehen sollte, muß auf die Einschaltung der politischen Bezirke verzichtet werden. Es kommt hier nur darauf an, den Einsatz und die Tätigkeit der Bundesanstalt von den Interessen der Arbeiterschaft, der Arbeiter und Angestellten leiten zu lassen, so daß dabei der Gedanke an die Vertretung anderer Organe ebenso wie an die Berücksichtigung der politischen Bezirke keine Bedeutung haben darf.
Wir bitten also, dem Antrage meiner Fraktion
({0})
zuzustimmen, damit dem Rechte der Arbeiter und Angestellten, über die mit ihren Mitteln aufgebrachten Summen selbst zu entscheiden, in dem Gesetz Rechnung getragen wird.
Den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei Umdruck 411 wünscht Frau Abgeordnete Kalinke zu begründen.
Nach § 14 des alten AVAVG von 1927 waren bei der Bildung der Organe und bei der Auswahl ihrer Mitglieder auch die Frauen gebührend berücksichtigt. Das ist in diesem Gesetz nicht geschehen. lm Ausschuß ist darüber sehr gründlich diskutiert worden. Man ist von der Auffassung ausgegangen, daß nach dem Grundgesetz und dem Satz von der Gleichberechtigung, der in ihm verankert ist, selbstverständlich auch die Frauen in genügender Zahl berücksichtigt werden sollen. Ich will durchaus annehmen, daß diese gute Absicht die Gesetzgeber gelenkt hat, aber als Sprecherin der Frauen bin ich doch der Auffassung, daß diese Absicht für uns noch keine Garantie ist, daß Theorie auch Praxis wird.
Deshalb möchten wir, daß in § 9 Abs. 3 die alte gute und erprobte Bestimmung wieder Platz findet, wonach „die Frauen in gebührender Zahl berücksichtigt werden". Der zuständige Referent der Arbeitsverwaltung im Bundesministerium für Arbeit hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß die Formulierung „sowie die weiblichen Versicherten" im Gesetzestext nicht gut und daß es besser wäre, stattdessen „die Frauen" zu setzen. Wir bitten daher, unseren Antrag wie folgt abzuändern:
({0}) Bei der Auswahl der Mitglieder der Organe sollen die politischen Bezirke, die Wirtschaftszweige und Berufsgruppen und die Frauen angemessen berücksichtigt werden.
Ich bitte das Hohe Haus, diesem unserem Antrage im Interesse einer wirklichen Durchsetzung der Gleichberechtigung und der Heranführung der Frauen an die verantwortlichen Aufgaben der Selbstverwaltung zuzustimmen.
({1})
Meine Damen und Herren! Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung und komme zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der KPD auf Umdruck Nr. 416 Ziffer 2. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Abänderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Die Gegenprobe erübrigt sich wohl. Es haben nur die Antragsteller dafür gestimmt.
({0}).
- Enthaltungen, bitte? - Also bei zahlreichen Enthaltungen! - Nun darf ich korrekterweise die Gegenprobe machen. Wer ist gegen den Antrag der Fraktion der KPD auf Umdruck Nr. 416 Ziffer 2?
({1})
- Meine Damen und Herren, als der Antrag gestellt wurde, war die KPD noch Fraktion!
({2})
Der Antrag ist also abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei auf Umdruck Nr. 411, und zwar in der Form, wie ihn Frau Abgeordnete Kalinke als Sprecherin der Frauen
({3})
abgeändert hat. Es soll nicht heißen: „ ... sowie die weiblichen Versicherten ... ", sondern „ ... und die Frauen ... ". Ist die Abänderung klar?
({4})
Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag der Fraktion der Deutschen Partei sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit, der Abänderungsantrag ist angenommen. ({5}) Enthaltungen? - Das geht quer durch; das hat offenbar etwas mit dem Grundgesetz zu tun.
({6})
Nachdem der erste Abänderungsantrag abgelehnt und der zweite angenommen worden ist, komme ich zur Abstimmung über den so abgeänderten § 9. Ich bitte die Damen und Herren, die dem § 9 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -Das ist die Mehrheit. § 9 ist angenommen.
Ich rufe auf § 10, - § 11, - § 12.
({7})
- Zu § 12 wollen Sie sprechen? - Bitte!
Meine Damen und Herren! Der Entwurf sah im § 12 in der Einleitung eine Formulierung vor, die zum Ausdruck brachte, daß die Vertreter der Arbeitnehmer in den Verwaltungsausschüssen von den jeweils für den Bezirk zuständigen Spitzenorganisationen oder von Gewerkschaften, die einer Spitzenorganisation nicht angehören, vorgeschlagen werden sollen. Diese Formulierung ist in den Beratungen und Vorschlägen des Ausschusses zwar in vereinfachter Form, aber inhaltsgemäß wiederholt worden. Es heißt jetzt, daß die Vertreter der Arbeitnehmer in den Verwaltungsausschüssen von den jeweils für den Bezirk zuständigen Gewerkschaften, soweit sie für die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen wesentliche Bedeutung haben, vorgeschlagen werden.
Ich glaube, daß insbesondere die Gewerkschaftler gegen diese Formulierung ganz erhebliche Bedenken haben werden und haben müssen; denn in diesem § 12 ist nichts anderes zum Ausdruck gekommen als die grundsätzliche Anerkennung auch für solche sogenannten Gewerkschaften, die von irgendwelchen Interessentenkreisen aus Gründen der Spaltung der Arbeiterschaft ins Leben gerufen werden. Wir haben doch schon öfter von maßgebenden Herren sowohl aus der CDU als auch der FDP Äußerungen gehört, die schon immer im Hinblick auf bestimmte Maßnahmen, seien es Streiks oder sonst irgendwelche Aufgaben, die sich die Arbeiterschaft in Verfolgung ihrer Ziele gesetzt hat, damit gedroht haben, eigene Arbeiterorganisationen aufzuziehen. Wir kennen ja die Entwicklung, wie sie bis 1933 gegangen ist. So wie jetzt der Prozeß der Faschisierung im Bereich Westdeutschlands bereits große Fortschritte gemacht hat, waren vor 1933 auch die Nationalsozialisten daran interessiert, durch die Schaffung ihrer Betriebsorganisationen usw. die Arbeiterschaft aufzuspalten. Wir wissen, wie z. B. in Niedersachsen derartige Bestrebungen bereits Fuß gefaßt haben.
({0})
Würde es also so weit kommen, daß von diesen neufaschistischen Kreisen der Versuch unternommen würde, neue Organisationen aufzuziehen, die sie dann als Gewerkschaften deklarieren würden, dann könnten sie ihre Vertreter unter Umständen auf Grund des § 12 dieses Gesetzes auch in die Verwaltungsausschüsse entsenden.
({1})
Ich erwähnte Niedersachsen. Ich muß in diesem Zusammenhang noch einmal mit aller Deutlichkeit darauf hinweisen, daß in Verbindung mit solchen sich in Niedersachsen entwickelnden Bestrebungen u. a. von dem Vorsitzenden des DGB, Herrn Fette, die Behauptung aufgestellt worden ist, es wären zwischen dieser SRP und der Kommunistischen Partei Verhandlungen geführt worden. - Obwohl diese Behauptung schon einmal mit allem Nachdruck als eine Lüge bezeichnet worden ist, hat es Herr Fette neuerdings fertiggebracht, diese Lüge zu wiederholen.
({2})
Ich glaube, das liegt absolut in der Linie dessen, was wir jetzt bei seiner Haltung zu dem sogenannten Verteidigungsbeitrag gesehen haben.
Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, sich zur Sache zu äußern.
Das gehört zur Sache. Ich darf annehmen, meine Damen und Herren, daß sich Herr Fette damit vielleicht eine Anwartschaft auf einen Posten bei dem Kaiser-Ministerium erwerben möchte.
Herr Abgeordneter, ich rufe Sie zum zweiten Male zur Sache und mache Sie auf die Folgen eines dritten Rufes aufmerksam.
Wir sind also der Meinung, daß die Bestimmung des § 12 der Möglichkeit Tür und Tor öffnet, daß solche gelben oder neufaschistischen Organisationen ihre Vertreter in die Verwaltungsausschüsse der Bundesanstalt bringen. Deswegen möchte ich von dieser Stelle aus alle Gewerkschaftler auf die ungeheure Gefahr hinweisen, die in diesem § 12 liegt, und sie auffordern, sich gegen die Durchführung eines Gesetzes mit solchen Bestimmungen zur Wehr zu setzen.
Meine Damen und Herren, Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich hatte aufgerufen die §§ 10, 11 und 12. Sind Sie bereit, über die drei Paragraphen gemeinsam abzustimmen?
({0})
- Das ist der Fall. - Ich bitte die Damen und Herren, die für diese drei Paragraphen sind, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; diese drei Paragraphen sind angenommen.
Ich rufe auf die §§ 13, - 14, - 15, - 16, - 17,
- 18, - 19. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die für diese Paragraphen sind, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
Zu § 20 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 415 Ziffer 2 vor. Bitte schön, Frau Abgeordnete!
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Mein Fraktionskollege Odenthal hat bereits in der ersten Lesung darauf hingewiesen, daß wir größten Wert darauf legen, daß durch dieses Gesetz für die Organe der Bundesanstalt die Grundsätze einer echten Selbstverwaltung zur Geltung kommen. Wir legen Ihnen heute mit Umdruck Nr. 415 einen Änderungsvorschlag für § 20 vor, weil wir der Meinung sind, daß das, was in § 20 der Ausschußfassung - Drucksache Nr. 2875 - vorgesehen wird, keine echte Selbstverwaltung ist. Hier wird nämlich die Bürokratie über die Selbstverwaltung gestellt. In diesem Paragraphen steht ausdrücklich, daß der Präsident
({0})
des Landesarbeitsamtes das Recht haben soll, gegen einen Beschluß, den der Verwaltungsausschuß des Arbeitsamtes gefaßt hat, Einspruch zu erheben, wenn er nach seiner Meinung gegen Gesetz oder Satzung verstößt. Gleichzeitig wird aber gesagt, daß, wenn der Verwaltungsausschuß des Arbeitsamtes dieser Beanstandung nicht Rechnung trägt, den Beschluß also nicht abändert, der Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamtes darüber entscheidet.
Mir scheint, daß dieser Dualismus in § 20 auf jeden Fall verschwinden muß. Denn wenn Sie auf der einen Seite dem Präsidenten dieses Recht zugestehen wollen, vermag ich nicht einzusehen, wie dann auf der anderen Seite der Verwaltungsausschuß des Landesarbeitsamtes entscheiden soll. Deswegen schlagen wir Ihnen vor, daß das Wort „Präsident" in Abs. 1 Satz 1 durch die Worte „Vorsitzende des Verwaltungsausschusses" ersetzt wird, desgleichen in Abs. 2 Satz 1 die Worte „Präsident der Bundesanstalt" durch die Worte „Vorsitzende des Vorstandes". Weiter beantragen wir, in Abs. 3 Satz 1 die Worte „Präsident der Bundesanstalt" durch die Worte „Vorsitzender des Verwaltungsrats" und in Abs. 4 Satz 2 die Worte „Präsident der Bundesanstalt" durch die Worte „Vorsitzende des Vorstandes" zu ersetzen. Die Gründe habe ich Ihnen vorgetragen. Im Auftrag meiner Fraktion bitte ich Sie, unseren Vorschlägen Rechnung zu tragen. Wenn Sie eine echte Selbstverwaltung wollen, müssen Sie den § 20 in unserem Sinne abändern.
({1})
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Abänderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 415 Ziffer 2, den Frau Abgeordnete Kipp-Kaule eben begründet hat. Ich bitte die Damen und Herren, die für diesen Abänderungsantrag sind, eine Hand zu erheben - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 20 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die für § 20 sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf die §§ 21, - 22, - 23, - 24, - 25, - 26. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
Zu dem Abänderungsantrag der Fraktion der SPD zu § 27 auf Umdruck Nr. 415 Ziffer 3 Herr Abgeordneter Preller!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 27 hat sich durch die Entwicklung der Dinge zum Kern der Frage der Selbstverwaltung entwickelt. Wir dürfen wohl feststellen, daß es ein Grundrecht der Selbstverwaltung in allen Selbstverwaltungskörpern ist, ihre entscheidenden Funktionäre selbst auszuwählen. Wir kennen diesen Grundsatz in dem deutschen Gemeinderecht. Wir haben eine entsprechende Bestimmung in der Selbstverwaltung der Sozialversicherung, wo der Geschäftsführer von den Selbstverwaltungsorganen gewählt wird und die Behörde nur teilweise ein
Bestätigungsrecht hat. In diesem Gesetz soll es aber nun nach dem Willen der Regierungsparteien anders sein. Die Präsidenten der Bundesanstalt und der Landesarbeitsämter sollen von der Bundesregierung vorgeschlagen werden. Das Selbstverwaltungsorgan der Bundesanstalt, in diesem Falle also der Verwaltungsrat, braucht nur angehört zu werden.
Nun ist im Ausschuß, worüber ja der Berichterstatter berichtet hat, noch ein Zusatz gemacht worden, nach dem die Bundesregierung von der Stellungnahme des Verwaltungsrates nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abweichen kann oder soll. Aber selbst dieses angebliche Entgegenkommen ist durch die Erklärung eines Mitglieds der Regierungskoalition wieder entwertet worden, daß es Sache der Bundesregierung selbst sein müsse, festzustellen, ob ein wichtiger Grund vorliege. Dies ist noch verschärft worden durch den weiteren Zusatz, daß diese Feststellung der Bundesregierung keiner gerichtlichen Nachprüfung unterliegen dürfe. Der Ausschuß hat dann mit Mehrheit dieser Fassung und dieser Stellungnahme zugestimmt.
Meine Damen und Herren, damit hat die Bundesregierung praktisch freie Hand in der Auswahl des Präsidenten der Bundesanstalt selbst und der Präsidenten der Landesarbeitsämter. Die entscheidende Position der Selbstverwaltung wird dadurch nach unserer Auffassung illusorisch gemacht, und dies, obwohl doch die Bundesregierung im Verwaltungsrat - nachdem wir die Dreiteilung beschlossen haben - nach der Vorlage von den dreizehn Mitgliedern der öffentlicher Körperschaften fünf selbst stellt. Ich glaube, wir sollten hier offen aussprechen, daß dahinter doch ein sehr eindeutiger politischer Wille steht; denn daß sachlich gegen die jetzigen Präsidenten der Landesarbeitsämter etwas einzuwenden ist, kann, glaube ich, nicht behauptet werden.
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haben aber nun dadurch die Möglichkeit, auch die Tätigkeit dieser Herren zu überprüfen. Es wäre begreiflich, wenn es sich um die Besetzung der entscheidenden Stellen der Bundesanstalt nach organisationspolitischen Gesichtspunkten handeln würde, also etwa in der Aushandlung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen. Aber gerade wenn das als Selbstverwaltung angesehen würde, müßte das Selbstverwaltungsorgan - also eben der Verwaltungsrat - die Hauptentscheidung selbst zu fällen haben. Wie dagegen hier die Regelung vorgeschlagen worden ist, kann es sich doch praktisch nur darum handeln, in der Sache bewährte Männer nach anderen Gesichtspunkten noch einmal zu überprüfen.
Dazu kommt noch etwas anderes. Der Vorschlag, wie er nach der Ausschußfassung vorgesehen ist, knüpft insbesondere den Präsidenten der Bundesanstalt viel stärker mit der Bundesregierung zusammen als mit dem Selbstverwaltungsorgan. Die Meinung der Bundesregierung muß für diesen Präsidenten - so, wie die Dinge hier gestaltet sind - wesentlicher sein als die eines - nur anzuhörenden - Verwaltungsrates. Damit bekommt dieser Präsident ein behördliches, ja, ich möchte
fast sagen, ein autoritatives Gesicht. Wenn man die Fassung des jetzigen § 27 ansieht, kann man sich den künftigen Präsidenten in etwa vorstellen. Er wird voraussichtlich eine etwas autoritative Fär({1})
bung haben, und bei aller Qualifikation, die er sicherlich mitbringen wird, wird er doch der Bundesanstalt seinen voraussichtlich sehr eigenwilligen Stempel aufzudrücken versuchen. Gewiß, das Wesen und der Wert der ihm gegenüberstehenden Selbstverwaltung werden damit vielleicht sogar gestärkt. Sie wird sich gegenüber einem solchen Präsidenten noch stärker durchzusetzen versuchen. Aber sollte man nicht besser vorher in der Gesetzgebung selbst eine Übereinstimmung zwischen Verwaltungsrat und Regierung herstellen, anstatt hier im Plenum durch etwas, was doch nur das Ergebnis einer Kampfabstimmung sein kann, die Bundesanstalt sowie ihren Präsidenten von vornherein mit einer, wie wir glauben, nicht leichten politischen Hypothek zu belasten?
Es ist seinerzeit gesagt worden, diese Regelung, wie sie vorgeschlagen worden ist, sei notwendig wegen der erheblichen Hoheitsrechte, die die Bundesanstalt wahrzunehmen habe, und diese Rechte bedingten vor allem, daß der Präsident, der ja ein Beamter sein soll, insbesondere auch mit der Bundesregierung verbunden sein müsse. Meine Damen und Herren, dieses Argument ist erst im Ausschuß geboren worden. Die Bundesregierung hatte bei ihren ersten Vorschlägen an diese Dinge gar nicht gedacht und in diesen ihren ersten Vorschlägen noch die, wie wir glauben, echte Selbstverwaltung auch in diesem Paragraphen vorgesehen.
Hinzu kommt doch noch, daß, wie wir wissen, der Bundesrat gerade auf diesem Gebiet einen eindeutigen Willen hat. Soll nun etwas, das man doch eigentlich nur als ein Satyrspiel bezeichnen kann - nämlich das Spiel zwischen Annahme und Ablehnung durch Bundestag und Bundesrat -, sich noch einmal oder vielleicht sogar mehrere Male wiederholen? Ich glaube, daß die Bevölkerung - also die Gewerkschaftler und auch die Arbeitgeber - wenig Verständnis dafür haben werden. Ich erinnere daran, daß Herr Dr. Erdmann, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, im vorigen Jahr in der Arbeitsrechtszeitschrift ausdrücklich mit Bezug auf diesen § 27 darauf hingewiesen hat, daß bei einer Fassung wie der jetzt vorgeschlagenen ,das Schwergewicht der Verwaltung der künftigen Anstalt letztlich doch wieder auf den Behördenaufbau" fallen würde. Wollen wir tatsächlich durch eine wegen politischer Ziele heraufbeschworenen Entscheidung eventuell die Errichtung der Bundesanstalt noch einmal verzögern? Wollen wir damit eine einheitliche Arbeitsmarktpolitik hinausschieben und wollen wir die sozialpolitische Selbstverwaltung an einer wichtigen Stelle aushöhlen, was meines Erachtens niemand von uns gutheißen kann? Wir Sozialdemokraten jedenfalls können uns mit einer Politik dieser Art nicht einverstanden erklären. Wir haben deshalb den Vorschlag des Vermittlungsausschusses aufgegriffen, der Ihnen ja vorliegt, und möchten an Sie den sehr ernsten Appell richten: Versetzen Sie der sozialpolitischen Selbstverwaltung nicht diesen Schlag, der ihr versetzt würde, wenn der § 27 in der Ausschußfassung angenommen würde. Das Recht der Selbstverwaltung sollte uns allen doch höher stehen als augenblickliche taktische Erfolge.
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Wer wünscht den Antrag der Gruppe der KPD auf Umdruck Nr. 416 Ziffer 3 zu begründen? - Herr Abgeordneter Müller!
Meine Damen und Herren! Die Bedeutung des § 27 geht nach meiner Auffassung viel weiter, als es Kollege Preller hier dargelegt hat. Natürlich wird die Bundesregierung, gestützt auf diesen § 27, eine Überprüfung der Präsidenten der Landesarbeitsämter usw. vornehmen, und daß sie dabei logischerweise die ihr genehmen Leute in diese Funktionen befördern wird, ist genau so selbstverständlich. Aber ich glaube, viel entscheidender ist wohl die Tatsache, daß mit diesem Paragraphen und mit seiner Anwendung, nämlich der Besetzung aller dieser Positionen mit den den Herren Adenauer und Storch wie auch Herrn Dr. Lehr genehmen Herren, die Sicherung dafür gegeben werden soll, daß die Politik der Bundesanstalt entsprechend den Plänen der Bundesregierung durchgeführt wird. Besonders aus diesem Grunde wenden wir uns gegen den § 27 in der jetzigen Formulierung, aber auch aus den schon genannten Gründen. Von Selbstverwaltung kann überhaupt nicht mehr gesprochen werden, da der gesamte Charakter dieser Bundesanstalt lediglich der eines Exekutivorgans für die Politik der Bundesregierung ist.
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In unserem Antrag verlangen wir, daß der Verwaltungsrat einen ehrenamtlichen Vorsitzenden wählt und außerdem das Recht hat, im Einvernehmen mit dem Vorstand der Bundesanstalt einen hauptamtlichen Geschäftsführer zu bestellen. Dasselbe beantragen wir bezüglich der Präsidenten der Landesarbeitsämter.
In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch auf den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion eingehen. Ich glaube, die Einwendungen, die Herr Kollege Preller erhoben hat, werden durch den Antrag der SPD nicht ausgeschaltet; sie bleiben vielmehr bestehen. Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu § 27 besagt, daß der Präsident der Bundesanstalt und sein Stellvertreter vom Verwaltungsrat zu wählen sind; aber er sagt gleichzeitig, daß die Ernennung unter Berufung in das Beamtenverhältnis vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung zu erfolgen hat. Das heißt nichts anderes, als daß genau so, zumindest in ähnlicher Form, wie es die Regierungsvorlage vorsieht, die Entscheidung letzten Endes doch in den Händen der Bundesregierung liegt. Die kommunistische Fraktion wird den Abänderungsanträgen der SPD für den Fall der Ablehnung des Antrags der KPD insoweit ihre Zustimmung geben, als sie jeweils für den ersten Satz stimmen wird. Wir beantragen infolgedessen - ich möchte das gleich hier anmelden, Herr Präsident - bei der Abstimmung über den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion zu § 27 für Punkt 1 und Punkt 2 getrennte Abstimmung jeweils über den ersten Satz.
Bezüglich des dritten Punktes des Änderungsantrags der Fraktion der SPD zu § 27 ist meine Fraktion der Auffassung, daß die Berufung der Direktoren der Arbeitsämter viel klarer und unter Ausschaltung jeglichen möglichen Einspruchs so erfolgen soll, wie es jetzt unser Änderungsantrag zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion besagt. Wir schlagen vor, dem Abs. 3 des § 27 folgende Formulierung zu geben:
Die Direktoren der Arbeitsämter werden durch den Verwaltungsausschuß des Arbeitsamtes gewählt.
Damit legen wir, um hier einen Schritt im Sinne
einer Selbstverwaltung zu tun, die Entscheidung
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über die Wahl der Arbeitsamtsdirektoren in die Hände des Verwaltungsausschusses. Wir sind der Meinung, daß damit nur ein kleiner Schritt in der Richtung getan ist, die Verfügungsgewalt über die Organe der Bundesanstalt der Bundesregierung zu entziehen und sie in die Hände der Organe selber zu legen, die, wie wir ja bereits gefordert haben, zu zwei Dritteln von seiten der Arbeiterschaft zu stellen sind. Wir beantragen also, unserm Abänderungsantrag zuzustimmen, und werden für den Fall der Ablehnung so verfahren, wie ich bereits gesagt habe.
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach unserer Meinung gründet sich die von der SPD vorgeschlagene Änderung auf eine falsche Auffassung, die dahin geht, daß in der Bundesanstalt auch eine volle Selbstverwaltung möglich sei. Wenn es sich hier nur um die Arbeitslosenversicherung handelte, dann hätte, wie ich unumwunden zugebe, Kollege Preller recht. Aber jeder, der die Dinge kennt, weiß, daß es sich im Rahmen der Bundesanstalt neben der Aufgabe, die Arbeitslosenversicherung durchzuführen, um eine Unsumme anderer Aufgaben handelt, die zweifellos, sagen wir ruhig einmal: über den Kreis der Sozialpartner hinausgreifen und letztlich auch im Interesse der übrigen Bürger liegen.
({0})
Es ist eine Unsumme von Hoheitsaufgaben zu erfüllen. Ich will nicht auf die Gutachten eingehen, die dem Ausschuß von der Bundesregierung vorgelegt wurden und die sich auch dahin aussprechen, die Hoheitsaufgaben überwiegen die anderen Aufgaben. Jedenfalls weiß der Sachverständige, daß das Maß der Hoheitsaufgaben viel umfangreicher ist als das der anderen Aufgaben, die man im Rahmen einer echten Selbstverwaltung regeln könnte.
Bei dieser Gelegenheit muß aber wiederum darauf hingewiesen werden, daß auch die materiellen Verpflichtungen nur zum geringeren Teil aus den Beitragsmitteln erfüllt werden. Ich habe mir einmal die Zahlen der Monate Januar bis November des Jahres 1951 zusammengestellt. Danach entfallen bei einem gesamten Unterstützungsaufwand von 1,396 Milliarden DM auf die Arbeitslosenversicherung 542 Millionen DM, also genau 38 %. Das sind die Leistungen, die aus den Beiträgen bestritten werden. Dem stehen nun größere Leistungen aus Steuermitteln gegenüber, und zwar in demselben Zeitraum 854 Millionen DM, also 62 %. Das sind nun einmal Dinge, die über den Aufgabenbereich der so oft genannten „Sozialpartner" hinausgehen, die hochpolitisch sind und bei denen der Bund deshalb etwas mitzureden hat.
({1})
Es wird vielleicht gut sein, die gegenwärtige, vom Ausschuß vorgeschlagene Regelung einmal in Vergleich zu setzen mit der Regelung in der alten Reichsanstalt. Damals war eigentlich der versicherungsrechtliche Charakter eher gegeben, weil dort die Leistungen noch in größerem Ausmaß aus Beiträgen bestritten wurden und weil auch die Summe der Hoheitsaufgaben geringer war. Aber im alten AVAVG war das Recht der Selbstverwaltungsorgane bei der Bestellung der Präsidenten der Landesarbeitsämter und des Präsidenten der Reichsanstalt wesentlich geringer, als wir es heute vom Ausschuß aus dem Hohen Hause empfehlen. Ich darf an den § 34 des alten AVAVG erinnern, in dessen Abs. 1 es heißt:
Den Präsidenten der Reichsanstalt und seine ständigen Stellvertreter ernennt der Reichspräsident nach Anhörung des Verwaltungsrats und des Reichsrats.
Und in Abs. 2 heißt es:
Die Vorsitzenden der Landesarbeitsämter und ihre ständigen Stellvertreter ernennt der Reichspräsident nach Benehmen mit dem Vorstand der Reichsanstalt und der obersten Landesbehörde.
Wenn wir diese damalige Regelung einmal objektiv mit der heute vorgeschlagenen Regelung vergleichen, dann ist doch ohne weiteres zu erkennen, daß man hier dem Organ ein weitergehendes Recht zugebilligt hat.
({2})
- Ja, denn die Einwirkungsmöglichkeit des Verwaltungsrats, Kollege Richter, ist doch beachtlich.
({3})
Ich möchte die Bundesregierung sehen, die die Auffassung des Verwaltungsrats in diesen Fragen ignoriert, wenn nicht ein wichtiger Grund vorhanden ist.
Herr Kollege Professor Preller, ich möchte in aller Deutlichkeit sagen: niemand von uns denkt daran, in der Bundesanstalt autoritär regieren zu wollen. Vielleicht bin ich in den Fragen einer autoritären Regierung nicht so sachverständig wie andere; jedenfalls, wir haben diesen Welten nicht!
({4})
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! herr Prozessor Dr. Preller hat mit Recht darauf hingewiesen, daß der Wortlaut des SPD-Antrags zu § 27 der gleiche ist, wie ihn der Vermittlungsausschuß bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs vorgeschlagen hatte. Er schließt aber etwas vollkommen Falsches daraus. Er schließt daraus, daß ein sachlich eminenter, politisch hochbedeutsamer Gegensatz zwischen dem Ausschußvorschlag und dem SPD-Vorschlag bestünde. Das ist nach den Erklärungen aller Beteiligten im Vermittlungsausschuß einwandfrei nicht der Fall. Diese Fassung ist damals gewählt worden, nachdem insbesondere von Herrn Dr. Arndt von der SPD im Vermittlungsausschuß festgestellt war, daß die Bundesregierung auf Grund der Regeln des allgemeinen Verwaltungsrechts selbstverständlich an die „Wahl" des Verwaltungsrats nicht gebunden und daß es das verfassungsmäßige Recht der Bundesregierung sei, ihre Beamten nach eigenem Ermessen zu ernennen, wenn sie einmal das Recht dazu auf Grund eines Gesetzes habe wie hier, und daß auch der Bundespräsident nicht ohne weiteres gebunden sei. Das ist damals festgestellt worden. Darauf wollten wir anderen, Nichtverwaltungsjuristen, den Wortlaut lieber so haben, daß dem Verwaltungsrat das Vorschlagsrecht zustände, also etwa: „Sie werden vorgeschlagen und ernannt". Das war den Herren nach außen zu schwach. Sie sagten: Das ist ja dasselbe wie „gewählt". Das Wort „gewählt" bedeutet ja nichts anderes als „vorgeschlagen".
({0})
Demgegenüber geht nun aber die Ausschußvorlage weiter, denn sie will ja feststellen, daß nach Anhörung des Verwaltungsausschusses von seinem Vorschlag nur bei einem wichtigen Grunde abgewichen werden kann.
(Abg. Richter ({1})
- Das hat er! Er wird gehört, er soll etwas vorschlagen; denn wenn die Bundesregierung von etwas „abweichen" will, dann muß ihr vorher etwas vorgeschlagen sein. Ein Vorschlag muß also gemacht sein, denn nur wenn jemand, der gehört werden muß, erklärt hat, was er will und vorschlägt, kann von seiner Stellungnahme abgewichen werden; er muß also sachlich Stellung genommen haben.
Deshalb geht die Ausschußvorlage hinsichtlich der Bedeutung des Beschlusses des Verwaltungsausschusses rechtlich wesentlich weiter als der Antrag der SPD. Ich möchte das betonen, weil ich als Jurist der Auffassung entgegentreten muß, daß es sich etwa, wenn der SPD-Antrag angenommen würde, dann von selbst verstünde, daß die Bundesregierung an diese „Wahl" gebunden sei. Daß das Gegenteil der Fall sei, ist im Vermittlungsausschuß damals einstimmig festgestellt worden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir stimmen ab. Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag der KPD Umdruck Nr. 416 Ziffer 3.
({0})
- Die SPD-Fraktion beantragt namentliche Abstimmung über ihren Antrag. Herr Abgeordneter Richter, Sie beantragen namentliche Abstimmung über Ihren Abänderungs antrag?
({1})
Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag der KPD Umdruck Nr. 416 Ziffer 3. Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse weiter abstimmen über den Abänderungsantrag der KPD zum Abänderungsantrag der SPD. § 27 Abs. 3 soll folgende Fassung erhalten:
Die Direktoren der Arbeitsämter werden durch
den Verwaltungsausschuß des Arbeitsamtes
gewählt.
Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Nun lasse ich abstimmen über den Abänderungsantrag der SPD Umdruck Nr. 415 Ziffer 3. Hierzu hat die kommunistische Fraktion beantragt, satzweise abstimmen zu lassen. Habe ich Sie recht verstanden?
({2})
Ich schlage vor, daß wir die satzweise Abstimmung ohne namentliche Abstimmung vornehmen und lediglich über die ganze Ziffer 3 namentlich abstimmen lassen.
Satz 1 des Abs. 1. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit.
Satz 1 von Abs. 2. Auch dafür hat die Fraktion der KPD gesonderte Abstimmung verlangt. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Nun lasse ich über den ganzen Antrag zu § 27 abstimmen. Es ist namentliche Abstimmung beantragt; dieser Antrag ist von der genügenden Zahl von Abgeordneten getragen. Ich bitte die Herren Schriftführer, sich der Urnen zu bemächtigen und die Abstimmungszettel einzusammeln.
({3})
Haben alle Mitglieder des Hauses, die sich an der Abstimmung beteiligen wollen, ihre Karte abgegeben? - Hat jemand noch nicht abgestimmt? - Ich stelle fest, daß sämtliche Mitglieder des Hauses, die sich an der Abstimmung des Hauses beteiligen wollten, ihre Stimme abgegeben haben. Die Abstimmung ist geschlossen. Ich bitte, mit der Auszählung der Stimmen zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, daß wir während der Auszählung in der Diskussion fortfahren.
Ich rufe § 28 auf. Wer für die Annahme dieser Bestimmung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Ist angenommen.
§ 29! Hier sind Abänderungsanträge angemeldet.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Müller zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 416 Ziffer 4.
Meine Damen und Herren! Es entspricht nur der Linie der Bundesregierung, die sie bei diesem Gesetz verfolgt, die Selbstverwaltung auszuschalten, wenn sie in diesem Paragraphen festlegt, daß zwar der Verwaltungsrat die Satzung beschließt, daß sie aber der Genehmigung des Bundesministers für Arbeit bedarf. Das heißt mit anderen Worten: die oberste Instanz für die Gestaltung der Satzung ist und bleibt die Regierung. Damit wird das verwirklicht, wovon ich bereits gesprochen habe: es ist ein Verfügungsorgan der Bundesregierung.
In unserem Antrag fordern wir, daß § 29 ausschließlich aus dem einen Satz besteht: „Der Verwaltungsrat beschließt die Satzung der Bundesanstalt". Ich darf in diesem Zusammenhang noch bemerken, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion inhaltlich dasselbe fordert.
Ich möchte Sie bitten, diesem Antrag die Zustimmung zu geben, damit ein Grundsatz, auf dessen Verwirklichung die Arbeiterschaft Anspruch hat, nämlich der Grundsatz der Selbstverwaltung, in dieser Gesetzesbestimmung zum Ausdruck kommt.
Wer begründet den Antrag der SPD? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Döhring zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 415 Ziffer 4.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der § 29, der die Satzung beinhaltet, bestimmt in seinem ersten Satz: „Der Verwaltungsrat beschließt die Satzung der Bundesanstalt". Das ist nach unsrer aller Auffassung wohl in Ordnung. Wir sind aber nicht der Ansicht, daß die Gültigkeit der vom Verwaltungsrat zu beschließenden Satzung der Bundesanstalt von einer Genehmigung des Bundesarbeitsministers abhängig gemacht werden kann. Eine solche Einschränkung bestand weder früher für die Reichsanstalt für Arbeitslosenversicherung, noch ist dafür heute eine Notwendigkeit gegeben.
Im Interesse der Durchführung einer echten Selbstverwaltung bitte ich Sie namens der SPD-Fraktion, dem vorliegenden Antrag, den Satz 2 in § 29 zu streichen, Ihre Zustimmung zu geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir stimmen ab. Ich glaube, es ist am besten, wir stimmen zunächst über den Antrag der ,SPD ab, den zweiten Satz von § 29 zu streichen. Wer für die Streichung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Es ist danach überflüssig, noch über den Antrag der KPD abstimmen zu lassen.
Ich lasse über § 29 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Bestimmung ist angenommen.
§ 30! - Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 415 Ziffer 5 hat Frau Abgeordnete Döhring.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach der vorliegenden Fassung bedarf der Gesamthaushalt der Bundesanstalt der Genehmigung durch die Bundesregierung. Die SPD-Fraktion kann sich dieser Forderung nicht anschließen. Meine Herren und Damen, wenn Sie hier die Genehmigungspflicht einbauen, müssen Sie sich doch auch darüber klar sein, daß die Selbstverwaltung der Organe nicht mehr gegeben ist, weil einerseits die freie Entfaltung der Organe stark eingeengt wird, andererseits aber die Bundesregierung mit der Genehmigungspflicht die Verantwortung übernimmt.
Wir bitten Sie deshalb, bei Ihrer Entscheidung diese Auswirkungen in Ihre Überlegungen einzubeziehen und in Konsequenz davon unserem Antrag zuzustimmen, in § 30 Abs. 3 den letzten Satz zu streichen.
Die KPD verzichtet auf die Begründung. Der Antrag deckt sich mit dem der SPD. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Abänderungsantrags der SPD ist, den bitte ich, die Hand z& erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer für die Annahme des § 30 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit; ist angenommen.
§ 31, - § 32 -. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Angenommen.
§ 33. Ein Abänderungsantrag Umdruck Nr. 415 Ziffer 6 ist zu begründen. Das Wort hat Frau Abgeordnete Döhring.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach der vorliegenden Fassung des § 33 soll dem Bundesrechnungshof das Recht gegeben werden, nicht nur die Haushaltsführung, sondern auch die Wirtschaftsführung zu prüfen. Die Prüfung der Einnahmen, der Ausgaben und der Belege durch den Bundesrechnungshof halten auch wir für richtig und zweckentsprechend. Wir können uns aber nicht damit einverstanden erklären, dem Bundesrechnungshof darüber hinaus noch Funktionen zu übertragen, für die er weder zuständig ist noch nach unserer Auffassung geeignet erscheint. So zu verfahren, hieße, die elementarsten Voraussetzungen für die Selbstverwaltungsorgane verkennen. Sie werden mir doch alle zugeben müssen, daß diese Einschaltung des Bundesrechnungshofes die gewollte Beweglichkeit der Bundesanstalt zwangsläufig zum Erstarren bringt.
Niemand wird dies ernstlich wollen. Deshalb bitte ich Sie namens der sozialdemokratischen Fraktion, unserem Antrag auf Abänderung des § 33 Ihre Zustimmung zu geben.
({0})
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme dieses Änderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer für die Annahme des § 33 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. § 33 ist angenommen.
Wir kehren zu § 27 zurück. Das vorläufige Ergebnis*) der Auszählung der Stimmen liegt nunmehr vor. Es wurden abgegeben 308 Stimmen. Davon sind Ja-Stimmen 130, Nein-Stimmen 168. 10 Mitglieder des Hauses haben sich der Stimme enthalten. Der Antrag der SPD ist damit abgelehnt.
Ich lasse nunmehr über den § 27 in der Ausschußfassung abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Der Paragraph ist in dieser Fassung angenommen.
Ich rufe auf die §§ 34, - 35, - 36, - 37, 38, - 39, - 40, - 41. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Gegen einige wenige Stimmen angenommen.
§ 42, Antrag angekündigt: Umdruck Nr. 415 Ziffer 7. Das Wort hat Frau Abgeordnete Döhring.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Bei dem von uns vorgeschlagenen Antrag handelt es sich lediglich um eine Übergangsvorschrift. Zum Zwecke der Deckung der Fehlbeträge jener Landesarbeitsämter, in deren Bereich große Arbeitslosigkeit herrscht, bitten wir, dieser Übergangsvorschrift his zum Inkrafttreten dieses Gesetzes Ihre Zustimmung zu geben.
Der Herr Bundesarbeitsminister.
Ich möchte dazu folgendes sagen: Meines Erachtens ist diese Bestimmung nicht notwendig, weil der Herr Bundesfinanzminister die Erklärung abgegeben hat, wenn dieses Gesetz durch dieses Haus und durch den Bundesrat verabschiedet worden sei, trete er in Vorlage und sichere damit unbedingt die Auszahlung der Unterstützungen.
({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab. Wer für die Annahme dieses Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer für die §§ 42, - 43, - 44, - 45, - 46, - 47, - 48, - 49 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich um ein Handzeichen - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
§ 50. Das Wort zur Begründung des Antrags Umdruck Nr. 416 Ziffer 6 hat der Abgeordnete Müller.
*) Vergleiche das endgültige Ergebnis Seite 7980,
Meine Damen und Herren! In § 50 wird festgelegt, daß der Spruchausschuß sich aus dem Direktor des Arbeitsamtes oder seinem Stellvertreter als dem Vorsitzenden und je einem Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter als Beisitzern zusammensetzt. Wenn in Abs. 2 auch gesagt wird:
Den Vorsitz im Spruchausschuß kann nicht führen, wer die angefochtene Entscheidung erlassen hat,
so kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß der aus der Verwaltung des Arbeitsamtes zum Vorsitzenden des Spruchausschusses Bestimmte in jedem Falle Partei sein wird. Deswegen haben wir cien Abänderungsantrag gestellt:
Bei jedem Arbeitsamt besteht ein Spruchausschuß. Er setzt sich zusammen aus einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmervertreter als Beisitzer. Den Vorsitz übernimmt ein von der Gewerkschaft zu bestellender Vertreter.
({0})
Damit schalten wir die von mir erwähnte Möglichkeit aus. Ich denke, Sie werden selbst ein Interesse daran haben,
({1})
den Spruchausschuß so zusammenzusetzen, daß Sprüche gefällt werden, die der Forderung nach Objektivität Rechnung tragen. Andernfalls werden Sie auch in diesen Spruchausschüssen die Politik durchsetzen, wie sie Ihre Regierung schon wiederholt zu erkennen gegeben hat, erst letzthin in der Erklärung des Herrn Justizministers gegenüber den Kriegsopfern bezüglich der angeblich zuviel gezahlten oder nicht berechtigten Renten usw. Auf diese Art und Weise will man Geld sparen, um es dafür an anderer Stelle, nämlich im Interesse Ihrer Politik, zu verwenden. Deswegen stellen wir diesen Antrag, und wir möchten Sie bitten, ihm zuzustimmen.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen ab. Wer für die Annahme dieses Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe!
- Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer für die §§ 50, - 51, - 52, - 53 in der Ausschußfassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen eine kleine Minderheit angenommen.
Zu § 54 ist ein Antrag Atzenroth und Genossen gestellt. Ich glaube, dieser Antrag entfällt wohl, nachdem die Abstimmung zu § 2 gegen die Antragsteller ausgefallen ist. - Der Antrag wird zurückgezogen.
({0})
- Darüber ist schon abgestimmt.
Dann kommen wir zu § 54 in der Ausschußfassung, - Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen. Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung
und eröffne die allgemeine Aussprache. Nach der Vereinbarung im Ältestenrat soll bei der allgemeinen Aussprache zugleich der Antrag zu Punkt 5 b) begründet und besprochen werden. - Wortmeldungen?
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Sie haben sämtliche Anträge der sozialdemokratischen Fraktion abgelehnt. Wir verzichten darauf, sie noch einmal zu stellen, weil die Abstimmungen in der zweiten Lesung gezeigt haben, daß sich eine Mehrheit gegen uns gebildet hat. Ich muß Ihnen aber im Auftrage meiner Fraktion sagen, daß wir die Haltung der Mehrheit dieses Hauses außerordentlich bedauern. Am meisten bedauern wir, daß Sie auf der einen Seite dem Präsidenten der Bundesanstalt und den Präsidenten der Landesanstalten Aufgaben zuweisen, die nach unserer Auffassung den demokratischen Körperschaften zustehen, und daß Sie auf der anderen Seite die Wahl dieser Präsidenten nicht etwa diesen demokratischen Körperschaften zugestehen, sondern daß die Präsidenten durch die Bundesregierung, d. h. praktisch durch die Bürokratie, ernannt werden.
Wir bedauern das ganz besonders deshalb, weil nach unserer Meinung in der Frage der sozialen Sicherung, deren Schaffung uns hier im Bundestag obliegt, die Bundesanstalt vielleicht die größten Aufgaben zu erfüllen hat.
({0})
Die Bundesanstalt soll nicht nur dabei mitwirken, den immer noch zahlreichen, in einzelnen Teilen des Bundesgebietes sogar katastrophal zahlreichen Arbeitslosen zu helfen, sondern sie soll Mittel zur Verfügung stellen für die Arbeitsbeschaffung und soll durch Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung dazu beitragen, den so notwendigen Nachwuchs an Facharbeitern, deren Fehlen sich bestimmt in wenigen Jahren sehr stark bemerkbar machen wird, sicherzustellen. Deshalb sehen wir in der Bundesanstalt eine besonders wichtige Institution, eine Institution aber auch, die ihre Aufgaben nach unserer festen Überzeugung nur dann voll und ganz erfüllen kann, wenn diejenigen Kreise, für die sie geschaffen ist, nämlich Arbeitgeber, Arbeitnehmer und öffentliche Körperschaften, die wir in den Organen auch verankert haben, tatsächlich den ausschlaggebenden Einfluß haben und damit das notwendige Vertrauen zu dieser Anstalt bekommen.
({1})
Ich kann nur nochmals das Bedauern meiner Fraktion darüber zum Ausdruck bringen, daß Sie sich trotz aller Bemühungen unserer Vertreter im Hinblick auf die Bedeutung, die wir dieser Angelegenheit zumessen, nicht bereitgefunden haben, unseren Gedankengängen zu folgen. Aus diesem Grunde können wir dem Gesetz leider nicht zustimmen.
({2})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke. Frau Abgeordnete Kalinke wird gleichzeitig den Antrag ihrer Fraktion - Punkt 5 b) der Tagesordnung - begründen.
Frau Kalinke ({0}), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt es, daß wir das Gesetz zur Wiedererrichtung der Anstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung heute endlich verabschieden können. Auch unsere Wünsche
({1})
sind nicht alle erfüllt. Aber wir glauben, daß mit der Wiedererrichtung dieser Anstalt und mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze und echter Sicherungen für diejenigen, die den Arbeitsplatz vorübergehend nicht einnehmen können, jene Reform eingeleitet wird, die, so hoffen wir, die große Frage, ob man gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit überhaupt versichern kann, einmal vom Grundsätzlichen her anpacken wird. Wir hoffen auch, daß die Trennung zwischen Fürsorge und Versicherung dann einmal in voller Klarheit erfolgen wird. Das soll aber Aufgabe der Novelle zur Arbeitslosenversicherung sein und kann nicht bei der Beratung dieses Gesetzes miterledigt werden. Darum begrüßen wir es, daß wir nach den so langen und mühevollen Verhandlungen dieser Monate heute in der Lage sind, dem Gesetz in dritter Lesung zuzustimmen.
Wenn es auch seltsam ist, daß unser Antrag auf Schaffung von Arbeitsplätzen für Jugendliche und ältere Angestellte zugleich mit diesem Punkt der Tagesordnung behandelt wird, so besteht doch immerhin ein ursächlicher Zusammenhang dieses unseres Antrages mit dem Gesamtproblem. Es wird Ihnen noch erinnerlich sein, daß wir angesichts der großen Not der älteren Angestellten schon im Jahre 1949 in diesem Hause von diesem Platze aus ein Kündigungsschutzgesetz für ältere Angestellte gefordert haben. Wir haben das getan, weil wir wissen, daß die Angestellten als Stand der Mitte, der seine Wurzel im Arbeitertum und seine Spitze im selbständigen Unternehmertum hat, durch die soziologischen Erschütterungen des großen Umbruchs nach zwei Kriegen, die Not der Vertriebenen und die Arbeitslosigkeit wie durch Zerstörung von Arbeitsplätzen ganz besonders gelitten haben und ganz besonders gefährdet sind. Wir wissen auch, daß diese Angestellten an der großen Lohnwelle wie den Lohnerhöhungen und dem Anteil, den der große Kreis etwa der Industriearbeiter an dem wirtschaftlichen Aufbau und Aufschwung gehabt hat, nicht oder nur in ganz geringem Umfang teilhatte.
({2})
Wir sehen mit großer Sorge die drückende Not der vielen Familienväter unter den älteren Angestellten und die drückende Not auch der vielen einzelnen, insbesondere auch der älteren weiblichen Angestellten, die mit Unterhaltsverpflichtungen belastet sind und die in seelische Bedrängnis geraten, indem sie, noch im Vollbesitz der physischen und psychischen Kräfte, aus eigener Kraft mithelfen möchten, um ihre Verhältnisse wieder in Ordnung zu bringen.
Wir haben deshalb mit großer Anerkennung und Genugtuung die Bemühungen begrüßt, denen auch die Ansprachen des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers in der Neujahrsnacht dienten: die Bemühungen, die Öffentlichkeit immer wieder aufzufordern, daß aus Verantwortung Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich bemühen möchten, Arbeitsplätze für ältere Angestellte, aber auch Arbeitsplätze und Lehrstellen für die Jugend zu schaffen. Leider sind alle diese Bemühungen bisher weitgehend Deklamationen geblieben. Ich möchte nicht unterschätzen, daß ein großer Teil von älteren Bilanzbuchhaltern durch die Finanzämter eingestellt worden ist; ich möchte auch feststellen, daß es Länder in Deutschland gibt - wie es mir aus Württemberg berichtet wurde -, in denen Vorzügliches geleistet worden ist, um die älteren Angestellten unterzubringen. Wir haben aber auch mit Erschütterung beobachtet, daß es noch in diesen
Wochen und Tagen möglich war, daß bei der Durchgabe der freien Arbeitsplätze durch den Nordwestdeutschen Rundfunk gesagt wurde: „Bewerber bis zu 40 Jahren" oder „Bewerber unter 40 Jahren mögen sich melden".
({3})
Meine Herren und Damen, die Bewerber über 40 Jahre sind meistens die Menschen mit der größten Berufserfahrung. Sie sind meistens die Menschen, die in einem arbeitsreichen Leben bewiesen haben, daß sie auch in schwerem Einsatz - und ich denke besonders an diejenigen, die in harter Kriegszeit ihre Aufgaben erfüllten -- ihren Beruf - einen gut gekonnten Beruf - so zu leisten in der Lage sind, daß sie ein Anrecht darauf haben, nun nicht etwa schon in einem Augenblick zum alten Eisen geworfen zu werden, wo sie selbst für sich und die Ihren noch im Vollbesitz der geistigen und körperlichen Kräfte wertvolle Arbeit zu leisten imstande sind. Ich glaube, wir können es uns auch volkswirtschaftlich nicht leisten, diese wertvollen Kräfte brachliegen zu lassen.
Noch ein ganz großes Gefahrenmoment ist damit verbunden: nicht nur die Sorge und Not der Jugend, die das Schicksal der älteren kaufmännischen und technischen Angestellten sieht, die auf der Straße sind, sondern auch die grolle Frage, die uns alle bewegt: Ist es unser sozialpolitisches Schicksal, trotz größerer Lebenserwartung in der Not unserer Zeit das Schicksal der Fünfzig- bis
Sechzigjähringen schon darin zu sehen, auf eine
Rente zu drängen, oder ist es nicht unser aller Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Sehnsucht aller Menschen darin gipfelt, so lange als möglich vollwertig arbeiten zu können und Beträge zu leisten, damit diejenigen Renten bekommen, die zu dieser Arbeitsleistung nicht mehr in der Lage sind? Wir glauben aber auch, daß unseren Gewerkschaften hier eine ganz verantwortliche Aufgabe erwachst; nämlich in ihrer Tarifpolitik mit den Arbeitgebern sich ernsthafte Gedanken über neue Wege zu machen! Über Wege, die nicht aus einem falsch verstandenen Denken dazu führen, daß die Gesetzgebung und die Tarifpolitik sich als Bumerang gegen die älteren Angestellten richten.
Deshalb wollten wir auch damals ein Kündigungsschutzgesetz für ältere Angestellte, nicht ein allgemeines Kündigungsschutzgesetz für alle. Wir haben mit großer Sorge gesehen, wie gerade vor dem Inkrafttreten dieses Kündigungsschutzgesetzes unverantwortlich handelnde Arbeitgeber sich noch von älteren Angestellten befreit haben. Wir möchten, daß Wege gefunden werden - da es leider in der freien Vereinbarung bisher nicht möglich war und da alle guten Ratschläge zu so wenig Erfolg geführt haben -, durch eine gesetzliche Regelung den Arbeitgebern einen echen steuerlichen Anreiz zu geben, wenn sie bereit sind, zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen. Wir wissen um die Bemühungen, die Angestelltenversicherungsrenten etwa bei denjenigen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, nun auch nach einheitlichem Recht wieder denen zu geben, die mit 61 Jahren nicht vermittelt werden konnten; aber wir haben auch festgestellt, daß die Zahl derjenigen, die, wenn das Gesetz auch wieder in der britischen Zone gilt, davon betroffen werden, so geringfügig ist, daß bei den 2674 Männern und 152 Frauen, die im Bundesgebiet davon erfaßt würden. nur ein verschwindend kleiner Teil auf diesem Wege befriedigt werden kann.
(Frau Kalinke
Deshalb, meine Herren und Damen, sind wir der Meinung, daß neue Wege gefunden werden müssen, die einmal aus nicht nur psychologischen, sondern höchst verantwortlichen Gründen den Angestellten wie den Arbeitgebern das Gefühl geben, daß sie noch Wertvolles zu leisten haben. Wir möchten, daß nicht nur in Kriegszeiten und in Zeiten der Not der ältere Mensch genau so wie die Frau ein begehrtes Mangelobjekt auf dem Arbeitsmarkt ist, sondern wir möchten, daß auch in Zeiten einer normalen und friedlichen Entwicklung, die wir alle bewahren und fördern wollen, dieses schwere Problem gelöst wird.
Deshalb schlagen wir vor, daß sich die Länderminister, die die Finanzen zu verwalten haben, sehr ernsthaft Gedanken darüber machen, ob es nicht besser ist, Mittel der Fürsorge, die fast in allen diesen Fällen für sechs Monate gegeben werden, zu sparen und die Lohnsteuern, die die Angestellten,. die wieder eingestellt werden, dann entrichten würden, dem Arbeitgeber für eine begrenzte Zeit zur Verfügung zu stellen, wenn er einen Dauerarbeitsplatz schafft. Voraussetzung ist natürlich, daß die so wieder in den Arbeitseinsatz gekommenen älteren Angestellten nicht entlassen werden können. Dafür sorgt ja auch das Kündigungsschutzgesetz.
Wir möchten schließlich wünschen, daß bei den Maßnahmen der Arbeitsmarktpolitik, die mit Mitteln der Arbeitslosenversicherung über die neu errichtete Anstalt eingeleitet werden, ganz besonders sorgfältig darauf geachtet wird, daß aus den Beiträgen, die die Angestellten in der Arbeitslosenversicherung zahlen, Möglichkeiten geschaffen werden, ihnen Lehrstellen und Arbeitsplätze in stärkerem Maße, als es bisher der Fall war, zu schaffen. Darüber hinaus fordern wir alle diejenigen, die die Möglichkeit haben, sich in Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen mit diesem ernsten Problem zu befassen, auf, dafür Sorge zu tragen, daß die gesetzliche Regelung nur den Anstoß gibt, daß aber die vollkommene Lösung aus der Verantwortung gefunden wird, die sie gemeinsam alle tragen. Ich hoffe, Sie alle empfinden mit mir tief im Herzen, daß Menschen, die noch arbeitsfähig sind, Menschen, die auch arbeitswillig sind, unser kostbarstes und wertvollstes Kapital sind und daß wir deshalb alles zu tun haben, um dieses Kapital wahrhaft zinstragend einzusetzen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kemmer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur kurz zu dem Antrag von Frau Kalinke Stellung nehmen. Meine Fraktion begrüßt jeden brauchbaren Vorschlag zur Behebung der Berufsnot unserer Jugend. Der Antrag auf Drucksache Nr. 2977 wird einer eingehenden Beratung in den Ausschüssen bedürfen. Wir stimmen der Grundtendenz dieses Antrages zu, möchten aber darauf hinweisen, daß es sich bei steuerlichen Vergünstigungen oder ähnlichen Maßnahmen für neu einzustellende Lehrlinge wirklich um zusätzliche Lehrstellen handeln muß, weil sonst die Gefahr besteht, daß Einstellungen vielfach nur gegen solche Vergünstigungen vorgenommen werden. Solche steuerlichen Erleichterungen sollten insbesondere dem Handwerk in industriearmen Gegenden und auf dem Lande zugute kommen, besonders wenn der Handwerksmeister den Lehrling in seine Familie aufnimmt und dadurch neben der
Lehre auch Unterkunft und eine gute Erziehung gewährleistet ist. In diesem Falle könnte der Lehrling steuerlich wie das eigene Kind behandelt werden. Das wäre eine einfache Handhabung und würde gesetzestechnisch und auch in der Praxis keine Schwierigkeiten machen.
Durch den Bundesjugendplan der vergangenen zwei Jahre ist eine Reihe von Maßnahmen getroffen worden, die direkt oder indirekt der Schaffung von neuen Lehrplätzen gedient haben. Durch Bereitstellung von Mit Lein für den Jugendwohnheimbau konnten insgesamt 20 000 Jugendliche in modernen Heimen an solchen Orten untergebracht werden, wo zwar Ausbildungsmöglichkeiten, aber keine Unterkünfte vorhanden waren. Durch den 20-Millionen-Kredit, der vorwiegend an die Industrie für neu zu errichtende Lehrwerkstätten gegeben wurde, konnten 13 500 echte Lehrplätze neu geschaffen werden. Durch die Förderung von Grundausbildungslehrgängen wurden in 35 000 Ausbildungsplätzen Jugendliche auf ihren Beruf vorbereitet. In diesen Zahlen sind die Maßnahmen aus dem Bundesjugendplan 1951/52 noch nicht voll berücksichtigt. Das alles aber sollte nur ein Anfang sein.
Ich darf in diesem Zusammenhang an den Herrn Bundesinnenminister die Frage richten, ob er sein Versprechen halten kann, mit dem er angekündigt hat, daß er für die Bereitstellung neuer Mittel sorgen werde, falls die angesetzten Mittel und die bewilligten Beträge aus dem laufenden Bundesjugendplan nicht ausreichten. Wir sind nun tatsächlich an dem Punkt angelangt. wo die Mittel nicht ausreichen und dringende Projekte steckengeblieben s'nd. Wir sind gespannt, ob in dem Nachtragshaushalt die nötigen Mittel für diesen Zweck bereitgestellt werden. Wir möchten uns dabei nicht darauf vertrösten lassen, daß man die Mittel zur Fertigstellung der dringendsten Projekte im Vorgriff auf den kommenden Haushalt bereitstellt. Wenn wir diesen Weg gehen müssen, dann müssen wir ihn ganz sauber gehen, indem wir ab jetzt den dritten Bundesjugendplan beraten und diese Projekte mit hineinnehmen. Das kann aber nur dann geschehen, wenn der Ansatz für den Bundesjugendplan im neuen Haushalt entsprechend hoch erfolgt. Wir bitten den Herrn Bundesinnenminister, wirklich mit ganzer Kraft dafür einzutreten, daß eine für die Jugend befriedigende Lösung gefunden wird. Der Herr Finanzminister wird zweifellos bei seinem weiten Herzen und bei seinem großen Verständnis für die Jugend eine entsprechende Summe bereitstellen, wenn es gut begründet wird. Ich glaube nicht, daß der Haushaltsausschuß oder der Bundestag die Bewilligung dieser Mittel versagen würde. An das Bundeswirtschaftsministerium haben wir in diesem Punkt die Frage, wieweit seine Bemühungen gediehen sind, neue Kredite für die Industrie und diesmal auch für das Handwerk zur Errichtung neuer Lehrstellen bereitzustellen.
Warme Unterstützung findet bei uns der im Ausschuß für Jugendfürsorge vorgeschlagene Plan, Zuschüsse auch an die Berufsschulen zu geben, damit diese in Verbindung mit den Innungen Lehrwerkstätten einrichten, in denen Jugendliche, die noch keine Lehrstelle haben, in Grundausbildungslehrgängen die Zeit, bis sie eine Stelle finden, überbrücken können. Bei dieser Art von Lehrwerkstätten kommen bestimmt keine Fehlinvestierungen vor, weil unsere Berufsschulen, gerade was den praktischen Unterricht anlangt, fast überall mehr als mangelhaft sind und solche Einrichtungen auch
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zu einer Zeit, wo einmal kein Bedarf dafür vorhanden ist, zur Ergänzung des Unterrichts an den Berufsschulen immer wertvoll bleiben.
Wir richten daher auch an den Herrn Bundeswirtschaftsminister die dringende Bitte, diese Pläne mögt chst rasch zu verwirklichen. Die 20-MillionenKreditaktion ist zwar jetzt erst abgeschlossen. Wir möchten aber darauf hinweisen, daß diese Aktion Bestandteil des Bundesjugendplans 1950/51 war und für das Jahr 1951/52, das auch schon abgelaufen ist, von dieser Seite aus nichts Neues mehr geschehen ist. Jetzt ist der Zeitpunkt, wo zur Behebung der Berufsnot schnell und wirksam geholfen werden muß; denn es kommen bald Geburtsjahrgänge aus der Schule, die im Verhältnis zur heutigen Situation sehr schwach sind.
Wir begrüßen den vorliegenden Antrag, weil er Anlaß gibt, dieses Problem erneut und gründlich anzupacken, damit es der deutschen Wirtschaft eines Tages nicht an den nötigen Fachkräften fehlt, ganz abgesehen von den moralischen Schäden, die der Jugend durch Berufs- und Arbeitslosigkeit erwachsen. Ich bitte, den Antrag Drucksache Nr. 2977 dem Ausschuß für Arbeit und. soweit er die Jugend betrifft, auch dem Ausschuß für Jugendfürsorge zu überweisen.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie leider bitten, wieder zur dritten Lesung des Gesetzes über die Bundesanstalt umzuschalten. Auch meine Freunde sind erfreut. daß erneut eine Etappe auf dem ja ziemlich weiten Wege zur Schaffung der Bundesanstalt zurückgelegt wird oder zu werden scheint. Ich möchte zum Ausdruck bringen, daß der 27, der hier als der Angelpunkt des Gesetzes bezeichnet worden ist, in seinen beiden Fassungen d h. in der genehmigten und in der von der SPD vorgeschlagenen, in der Tat nicht die fundamentalen Unterschiede hat, die behauptet worden sind. Ich beziehe mich in dieser Hinsicht auf die Ausführungen meines Kollegen Ewers. Meine Fraktion nimmt für sich in Anspruch, den Zusatz, der über die Regierungsvorlage und auch über den Initiativgesetzentwurf der Parteien hinaus in diesen S 27 hineingekommen ist, im Ausschuß beantragt und mit Mehrheit durchgesetzt zu haben. Wir haben das zwar schon bei unserem ersten Gehversuch gemacht und durchgesetzt, und in dem Repetierkurs, den wir zur Zeit durchmachen, haben wir es wieder durchgesetzt. Ich bitte Sie, zu überlegen, daß es schon ein Angehen für die Bundesregierung sein würde, einem Vorschlag des Verwaltungsrats zu widersprechen. Sie werden nicht annehmen - und Sie werden das von keiner Bundesregierung annehmen -, daß sie das aus persönlichen. parteipolitischen - schikanösen darf man gar nicht sagen - Gründen tun würde.
Also, meine verehrten Damen und Herren von der Sozialdemokratie, wir haben einen erheblichen Schritt zu der auch von uns gewünschten Selbstverwaltung hin getan, und ich würde mich freuen - leider kann ich es nicht endgültig nach den Ausführungen von Frau Schroeder -, wenn diese Einsicht doch auch hei Ihnen einzöge oder sich durch die Praxis der Bundesanstalt als berechtigt erweisen würde. Es ist das Erfordernis der Stunde, wenn ich diesen etwas abgenutzten Ausdruck anwenden darf, daß die Bundesanstalt nun endlich ins Leben tritt.
Ich bitte mir nicht zu verübeln, wenn ich, was vielleicht ungewöhnlich ist, namens der Koalitionsparteien auch einen Appell an den Bundesrat richte. Er kann es uns ersparen, abzulehnen oder auch nur den Vermittlungsausschuß anzurufen, denn wenn er seine Ansichten, die seinerzeit zur Anrufung des Vermittlungsausschusses geführt haben, aufrechterhält - und das wird er -, dann kann er mit Vergnügen feststellen, daß wir in nicht weniger als vier beachtlichen Punkten nunmehr bei dem heute verabschiedeten Gesetz seinen Gedankengängen Rechnung getragen haben - ich spreche in Stichworten oder in Schlagworten -, erstens in bezug auf den Anteil der Länder im Verwaltungsrat, zweitens hinsichtlich der ungeheuer umkämpften Übernahme des Personals der Arbeitsämter und der Landesarbeitsämter, ferner hinsichtlich der Form der Vermögensübernahme und ganz zum Schluß hinsichtlich der Anlage des Vermögens in den Aufbringungsländern. Übrig bleibt also - und so schließt sich der Kreis zu dem, womit ich angefangen habe - der ominöse § 27, und da will ich mich nicht wiederholen. Ich glaube, daß der Bundesrat sich zu der Ansicht bekennen kann - und ich hoffe, daß er es wird -, die ich vorgetragen habe, daß ein in der Praxis wesentlicher und mit Recht wesentlicher Einfluß des Verwaltungsrats bei der Fassung, die wir heute verabschiedet haben, sichergestellt ist.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Mensing.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich begrüße außerordentlich den Antrag der Deutschen Partei und gestatte mir, die Ausführungen meines Fraktionskollegen Kemmer noch durch einige Sätze zu ergänzen. Die Berufsnot der Jugendlichen ist zu einem Problem geworden, das uns noch sehr oft beschäftigen wird. Ich glaube feststellen zu dürfen, daß gerade arbeitslose Jugend für jeden Staat einen Gefahrenherd darstellt. Darüber hinaus wird herumlungernde Jugend auf den Straßen nicht dazu beitragen, die Moral der Jugendlichen zu heben.
({0})
Wie weit wir gerade auf diesem Gebiet gekommen
sind, wird ja doch am besten durch die große Zahl
der Jugendlichen bewiesen, die im Laufe der letzten Jahre durch die Jugendgerichtsbarkeit gegangen sind. Ich glaube, als einer der führenden Männer
des deutschen Handwerks zum Ausdruck bringen
zu dürfen, daß der wiederholt an uns gerichtete
Appell, Lehrstellen bereitzustellen, vom Handwerk befolgt wurde. Die Tatsache, daß von etwa
740 000 Lehrlingen, die wir ausbilden, das deutsche
Handwerk allein etwa 520 000 ausbildet, gereicht
diesem großen Berufsstande wahrhaftig zur Ehre.
({1})
Ich glaube, sagen zu dürfen, daß das Handwerk auch weiterhin seine staatsbürgerlichen Pflichten hinsichtlich der Berufsnot der Jugendlichen erfüllen wird. Ich halte es daher für unbedingt erforderlich, daß wir zu einem Gespräch mit dem Zentralverband des deutschen Handwerks kommen, um mit ihm gemeinsam nach Wegen zu suchen, der Berufsnot zu steuern. Wenn man sich vor Augen führt, daß im letzten Jahre etwa 625 000
({2})
Jugendliche die Schulen verlassen haben und diese Zahl in zwei Jahren voraussichtlich auf über 850 000 steigen wird, dann erkennt man doch, wie erschreckend dieses Problem in Zukunft sein wird, wenn es nicht gelingt, zu einer Lösung zu kommen.
Ich bin kein Freund der Lehrlingswerkstätten, und zwar aus zweierlei Gründen. Einmal werden die Jungen in den Lehrlingswerkstätten mehr oder weniger Schablonenarbeiter, während die individuelle Ausbildung doch tatsächlich
({3})
- ja, das ist Tatsache, Herr Kollege - in der bewährten Handwerkslehre erfolgt.
Dann kommt doch noch ein zweites hinzu: daß nämlich diese Lehrlingswerkstätten außerordentlich viel Geld kosten.
({4})
- Ja, aha, mein lieber Herr Kollege. Bei der Steuermisere, die wir erleben, müssen wir darauf bedacht sein, nicht noch mehr Ausgaben zu bewilligen, sondern wir müssen versuchen, die Lehrlinge auf dem Wege der Freiwilligkeit unterzubringen. Das wollen wir vom deutschen Handwerk.
Ich möchte aber weiter darauf hinweisen, daß allein die Lehrlingswerkstätte in WatenstedtSalzgitter doch einen monatlichen Zuschuß von 20 000 DM erfordert. Bitte, wollen Sie mir einmal sagen, wie hoch der Betrag sein muß, der erforderlich wird, wenn wir diese Werkstätten auf das gesamte Bundesgebiet ausweiten wollen, um alle diese Jungen unterzubringen?
({5})
Ich bleibe daher bei meinem Vorschlage, daß alles getan werden muß, um mit dem Zentralverband des Deutschen Handwerks zu einer Lösung dieses Problems zu gelangen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Horn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, nicht ungeduldig zu werden, wenn ein dritter Sprecher meiner Fraktion hier noch auf der Bildfläche erscheint. Aber ich habe doch das Bedürfnis, soweit sich der vorliegende Antrag mit der Not der älteren Angestellten beschäftigt, noch ein paar Gedanken zum Ausdruck zu bringen.
Meine Freunde stimmen der sachlichen Begründung, die Frau Kalinke zu diesem Thema gegeben hat, in jeder Beziehung zu. Auch wir sind der Meinung, daß diese Frage von allen denen, die sie angeht, gar nicht ernst genug genommen werden kann. Die Älteren unter uns wissen sehr genau, daß wir uns in der Weimarer Zeit schon mit demselben schwierigen Fragenkomplex zu beschäftigen gehabt haben. Auch damals sprachen wir von der Not der älteren Angestellten. Das vom damaligen Reichstag erlassene Gesetz zum Schutze der älteren Angestellten war zwar ein Hilfsmittel, und es hat ja auch heute noch seine gesetzliche Geltung, aber man ist dem Problem mit derlei Dingen damals nicht beigekommen und wird es so in seiner Gesamtheit auch heute nicht zu lösen in der Lage sein. Wir müssen uns darüber klar sein, daß die Dinge heute um dessentwillen noch erheblich schwieriger als damals liegen, weil die Zahl der älteren stellenlosen Angestellten durch den Flüchtlingszustrom noch ganz erheblich vermehrt worden ist. Wir haben heute auch erheblich mehr ältere weibliche Angestellte auf dem Arbeitsmarkt, als es wohl jemals der Fall war.
({0})
Diese Dinge sind nicht zuletzt auch dadurch begründet, daß eben ein erheblicher Teil gerade dieser älteren weiblichen Angestellten deshalb, weil die jungen Männer draußen auf den Schlachtfeldern geblieben sind, nicht zur Eheschließung kommt. Sie erschweren also heute dieses Problem noch mehr.
Ich glaube, daß die Zahlen, die ich hier habe, vielleicht ein Vierteljahr alt oder etwas älter sind. Unter den arbeitslosen Angestellten waren zu diesem Zeitpunkt 48,1 % älter als 45 Jahre. Dieser Prozentsatz überstieg um etwas mehr als 7 % die Zahl der arbeitslosen älteren Arbeiter. Die weiblichen Angestellten waren zu diesem Zeitpunkt mit 22,5 % an diesen Zahlen beteiligt.
Wenn man jetzt weiter abwärts bis zum Lebensalter von 35 Jahren geht - auch diese Grenze spielt, so bedauerlich das ist, bei dem Problem heute schon eine ganz erhebliche Rolle -, dann waren zu ungefähr dem gleichen Zeitpunkt 74 % der arbeitslosen Angestellten älter als 35 Jahre, ebenso 46,6 % der weiblichen Angestellten.
Ich bin durchaus der Meinung, daß sich die Ausschüsse, an die dieser Antrag überwiesen wird, mit allem Ernst die Frage zu Gemüte führen müssen, was hier von Gesetzes wegen getan werden kann. Aber aus den verschiedensten Gründen erscheint mir noch erheblich bedeutsamer als das, was wir zu erarbeiten in der Lage sind, die freiwillige, verantwortungsbewußte Initiative der Sozialpartner als solche,
({1})
der Gewerkschaften in Verbindung mit den Arbeitgeberverbänden. Es ist erfreulich - ich möchte das hier ganz besonders nachdrücklich aussprechen -, daß in Erkenntnis der Bedeutung dieser Probleme auch der Herr Bundeskanzler sich persönlich eingeschaltet und sich in einem Ihnen wahrscheinlich bekannten Schreiben von Mitte Dezember mit einem Appell nach dieser Richtung an die Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände gewandt hat. Ich möchte es auch als eine erfreuliche Tatsache bezeichnen, daß sich in neuerer Zeit die Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels, deren Vorsitzender unser Parlamentskollege Schmitz ist, intensiv und mit Nachdruck, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, dieser Frage angenommen hat, und zwar, soviel mir bekannt ist, speziell auch hier in Bonn, und damit schon positive Ergebnisse erzielt hat. Dieses Vorgehen und dieser Appell des Regierungschefs möchte - das ist mein Wunsch - doch auch in den breitesten Kreisen der Unternehmerschaft die Erkenntnis, soweit sie noch nicht vorhanden ist, wecken und stärken, daß wir durch die eigene freie Initiative, durch die wir unter Beweis stellen, daß uns dieses soziale Problem in der Tat ein Anliegen ist, und die daraus erwachsenden Entschlüsse in erheblichem Maße zur Milderung dieses Problems beitragen können.
({2})
Diesen Appell möchte ich auch von dieser Stelle aus nachdrücklich an die beteiligten Kreise gerichtet haben.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist bereit, sich jedem Appell zur Vernunft anzuschließen. Sie ist mit all den Damen und Herren, die hier gesprochen haben, in dem Wunsche einig, es möchte die Not der älteren Angestellten nicht nur mit Erklärungen am Neujahrsabend, sondern durch praktische Taten
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und durch gesetzgeberische Maßnahmen beseitigt werden. Ich glaube, diese Not ist nicht etwa nur das Resultat fahrlässigen Denkens oder falscher Schlüsse bei den Arbeitgebern, die ihre älteren Angestellten auf die Straße setzen, weil sie glauben, mit jüngeren billiger und, wie es ja meistens heißt, infolge ihrer großen Erfahrung sogar besser wegzukommen. Ich glaube, das ist das Resultat einer gewissen Fehlentwicklung in unserer Wirtschaft und in unserem Wirtschaftsdenken.
({1})
Es ist auch das Resultat einer Wirtschaftspolitik, die geradezu dazu verführt, nur noch das Rationelle, nur noch das Nützliche, nur noch das scheinbar Zweckmäßige ins Auge zu fassen und dabei die weiter wirkenden Dinge völlig zu übersehen.
Meine Damen und Herren, zu dem Antrag auf Drucksache Nr. 2977 habe ich namens meiner Fraktion folgendes zu sagen. Wir sind mit seiner Tendenz völlig einverstanden. Aber nach all den schönen Worten, die wir hier gehört haben, vermögen wir nicht einzusehen, inwiefern eine Überweisung an die Ausschüsse eine Beschleunigung des Tempos in der Sache herbeiführen könnte.
({2})
Wenn wir hier alle einverstanden sind, dann könnten wir durchaus dem Wunsch des Bundestags mit einer erdrückenden Mehrheit Ausdruck geben, die Regierung möge jetzt und heute an die Vorbereitung und Durchführung gesetzgeberischer Maßnahmen herangehen.
({3})
Was können denn die Ausschüsse tun? Sie müssen sich des Rats der Sachverständigen der Bundesregierung und ihrer Ressorts bedienen. Wir fangen j a sozusagen die Arbeit am falschen Ende an. Hier ist ein Antrag, der die Bundesregierung beauftragt. Wir sind bereit, ihm hier zuzustimmen. Machen Sie nicht den Umweg über die Verweisung an die Ausschüsse, sondern fassen Sie heute einen Entschluß!
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Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Ich habe bereits bei der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs am 6. Dezember vergangenen Jahres auf die Bedeutung dieses Gesetzes in den Händen der Bundesregierung und auf die Absichten, die mit diesem Gesetz über die Bundesanstalt verfolgt werden, hingewiesen. Ich denke, daß in der Zwischenzeit einige Entscheidungen gefällt worden sind, die die Bedeutung dieses Gesetzes noch unterstreichen. Ich glaube, daß die Abstimmung über den amerikanischen Kriegswirtschaftsplan, den sogenannten Schumanplan, in diesem
Bundestag - er ist ohne die Befragung der Bevölkerung angenommen worden ({0})
- wenn Sie das nicht verstehen, Herr Kollege, dann lassen Sie es doch bitte sein - nur in engstem Zusammenhang mit diesem Gesetz betrachtet werden kann und darf. Der Abschnitt über die Wirtschafts- und Sozialpolitik in dem Schumanplan hat u. a. die Konsequenz - und muß diese Folgeerscheinung haben -, daß durch den Einsatz von Kohle, Eisen und Stahl für die Rüstungsindustrie unsere Fertig- und Konsumgüterindustrie eingeengt wird und zusammenschrumpfen muß. Durch dieses Gesetz soll dann die Frage des Einsatzes der so frei gewordenen Arbeitskräfte der Regelung entgegengeführt werden.
({1})
- Sie scheinen zu träumen! - ich denke, daß gerade mit diesem Gesetz ein Mittel geschaffen wird, um dem sogenannten Schumanplan, diesem Wirtschaftsplan für die Aufrüstung, zum Durchbruch zu verhelfen bzw. ihn in die Tat umzusetzen. Dieses Gesetz hat auf Grund der Beschlüsse der Mehrheit dieses Bundestages jede Möglichkeit einer Regelung der Frage der Selbstverwaltung beseitigt. Mit diesem Gesetz wird die Arbeitslenkung, so wie es der Schumanplan verlangt, entsprechend der Politik des Herrn Dr. Adenauer und der Herren vom Petersberg durchgeführt werden.
({2}) Mit diesem Gesetz werden die Mittel des Arbeitsstocks zur Verfügung gestellt, wie es der Herr Finanzminister Schäffer und wie es auch Herr Professor Erhard wünschen. Diese mehr als 700 Millionen DM werden auf Grund der Bestimmungen dieses Gesetzes so eingesetzt werden, wie es Herr Erhard möchte, nämlich zur Förderung der sogenannten Grundstoffindustrie, d. h. der Rüstungsindustrie. Sie werden nicht für die Not der Arbeitslosen und für die Erhöhung der Unterstützungssätze der Arbeitslosen Verwendung finden.
Es war ja der Herr Finanzminister Schäffer, der erst in diesen Tagen davon gesprochen hat, daß die Mittel, die für den sogenannten Verteidigungsbeitrag bei der Aufstellung der deutschen Söldnerarmee für die amerikanischen Kriegsziele von deutscher Seite aufgebracht werden müßten, einmal weitgehend durch Abschöpfung der Steueraufkommen der Länder aufgebracht werden sollten, ja sogar der Anteil des Bundes verdoppelt werden solle. Außerdem hat Herr Schäffer angekündigt, daß die Sozialversicherung stärker herangezogen werden solle. In diesem Rahmen werden selbstverständlich auch die Hunderte von Millionen, die der Bundesanstalt zur Verfügung stehen, in derselben Richtung eingesetzt werden.
Ich möchte also feststellen, dieses Gesetz bedeutet in den Händen einer solchen autoritären Regierung - der Regierung, die ja nichts anderes bezweckt, als mit den amerikanischen Milliardären den Krieg vorzubereiten und durchzuführen - sowohl die Regelung des Arbeitseinsatzes für die Kriegsindustrie als auch die Verwendung der Mittel für diese Zwecke. Das sagt der § 42 dieses Gesetzes so eindeutig, daß man darüber, glaube ich, weiter nichts mehr zu sagen braucht.
Ich möchte in diesem Zusammenhang bedauern, daß unser Antrag, der hinsichtlich der Beseitigung der Drittelung in den Organen gestellt worden ist, von der sozialdemokratischen Fraktion nicht unterstützt worden ist.
({3})
Ich denke, ich sollte nun noch ein Wort zu dem Antrag verlieren, den die Deutsche Partei eingebracht hat.
({4})
Ich danke, Frau Kalinke, es gibt wohl kaum einen Antrag, der mehr Schaumschlägerei beinhaltet als gerade dieser Ihr Antrag. Frau Kalinke, wer sind denn diejenigen, die die älteren Angestellten auf die Straße werfen? Das sind die Kreise der Wirtschaft, die Ihnen und den Regierungsparteien nahestehen und in ihren Reihen sitzen.
({5})
- Wer hat denn diese alten Angestellten entlassen?
Wer ist schuld daran, daß unsere Jugend in einer
solchen Not ist, daß keine Lehrstellen zur Verfügung stehen? Das sind doch Sie, die Regierungsparteien! Wer hat denn den Schumanplan, der eine
große Arbeitslosigkeit unter den Angestellten,
unter der Jugend herbeiführen muß, angenommen?
({6})
Das sind Sie doch, meine Herren von den Regierungsparteien!
({7})
Sie sind doch verantwortlich für das, wofür Sie jetzt mit diesem Antrag eine schöne Redensart, ein paar salbungsvolle Worte von sich geben.
({8})
Die Mittel, die Sie benötigen würden, um der Jugend zu helfen, werden praktisch für die Aufrüstung und die Aufstellung einer Armee zur Verfügung gestellt.
({9})
- Frau Kalinke, Sie wollen die Jugend in die Armee der Amerikaner treiben und durch die Not, die Sie selbst erzeugt haben, die Voraussetzungen dafür schaffen, daß sie sich für diese amerikanische Söldnerarmee zur Verfügung stellt.
({10})
Ich bin der Meinung - und wir haben wiederholt als Fraktion schon entsprechende Forderungen gestellt -, daß, wenn überhaupt der Jugend und den älteren Angestellten geholfen werden soll, mit der Politik des Herrn Adenauer und mit der Politik dieser Regierungskoalition schnellstens Schluß gemacht werden muß.
({11})
Es ist die Politik der Kriegsvorbereitung und Remilitarisierung. So wie dieses Gesetz, das jetzt in dritter Lesung zur Verabschiedung kommen soll, keine andere Aufgabe hat, als in der Linie der Herren vom Petersberg und der Herren Adenauer und Kompanie dieselbe Politik durchzuführen, so haben auch alle übrigen Maßnahmen, die im Antrag Kalinke angesprochen worden sind, keinen anderen Zweck, als das zu verbrämen, was in Wirklichkeit die Politik in Westdeutschland ist. Wir werden dieses Gesetz selbstverständlich ablehnen.
({12})
Ich denke, daß draußen in der Öffentlichkeit, ({13})
daß bei der Arbeiterschaft, bei den Angestellten
({14})
schnellstens Klarheit darüber vorhanden sein wird, welches die wahren Absichten sind, die mit diesem Gesetz verfolgt werden.
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Müller: ({0}) ({1}): Ich glaube, aus den Arbeitern heraus wird sich der Widerstand gegen diese Politik,
({2})
der Widerstand gegen die von den Regierungsparteien betriebene Politik zu einer Politik entwickeln, die im Gegensatz zu den Maßnahmen der Vorbereitung des Krieges dem Frieden und der Erhaltung unseres Volkes dienen wird.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Kalinke hat in ihrer menschlich so sympathischen Art
({0})
dieses menschliche Problem angesprochen und hat auch die wirtschaftlichen Gesichtspunkte durchaus genügend und für jedermann begreiflich herausgestellt. Sie hat dargelegt, daß gerade in diesen älteren Angestellten - und es ist ja wohl ein Heer von über hunderttausend arbeitslosen älteren Angestellten - eine Unmenge Kräfte ruhen, die einzuspannen in das Gesamtgeschehen unserer Wirtschaft und das Gesamtgeschehen unserer Verwaltung eine unserer dankbarsten und wichtigsten Aufgaben sein sollte.
Ich muß in diesem Zusammenhang doch dem Kollegen Schoettle sagen, daß er seinen Hieb nicht erschöpfend ausgeteilt hat. Er hat von der Wirtschaft gesprochen, die es eben in sich hätte, daß sie ältere Angestellte auf die Straße werfe. Wie ist es denn? Meine Fraktion hat in den letzten Wochen wiederholt Briefe von älteren Angestellten bekommen, die schon seit längerer Zeit erwerbslos sind. Die Hiebe, die in diesen Briefen ausgeteilt werden, richten sich weniger gegen die Wirtschaft als gegen die Gemeinden, Gemeindeverbände, Länder usw., und diesen wird vorgeworfen - ich möchte das hier nicht untersuchen, aber in Ergänzung Ihrer Darlegungen sagen -, daß sie ihre Pflicht gegenüber den älteren Angestellten nicht erfüllten.
({1})
- Ich kenne das auch. Aber es ist so, daß die älteren Angestellten, lieber Herr Kollege Richter, immer und immer wieder sagen: Nach 1945 ist eine Unmenge von Arbeitsplätzen mit Leuten besetzt worden, die einen andern Beruf hatten und die uns jetzt, nachdem wir aus dem Krieg zurückgekommen sind, diese Plätze nicht mehr freigeben. Auch darüber kann sich der Ausschuß für Arbeit, an den der Antrag verwiesen werden sollte, einmal vergewissern. Er kann die Angestelltenverbände, die es doch gibt, veranlassen, nach dieser Richtung hin eindeutige Untersuchungen anzustellen. Es wird also wohl um eine Ausschußüberweisung nicht herumzukommen sein, damit man im Ausschuß auch den einen oder andern Sachverständi({2})
gen hören kann; denn schließlich ist die Erörterung und die zweckmäßige Durchführung dieses Problems des Schweißes eines Ausschusses durchaus wert. Ich glaube auch, daß wir jetzt bei der Schaffung von Dienststellen im Interesse der europäischen Verteidigung den einen oder andern Angestellten wieder in Arbeit und Brot bringen können.
Frau Kollegin Kalinke hat insbesondere das Steuerproblem angesprochen. Der Finanz- und Steuerausschuß hat ja bei der letzten Gestaltung des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes für die über 60 Jahre alten Angestellten die Sonderausgaben verdoppelt. Er hat also einen, wenn auch ganz bescheidenen Anfang gemacht, dieses Problem anzupacken. Meine politischen Freunde sind für Ausschußüberweisung, um wirklich etwas Vernünftiges herauszubekommen.
({3})
Weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Mühlenfeld.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist selten, daß in diesem Hause wie im vorliegenden Falle von allen Seiten zustimmend zu einem Antrag gesprochen wird. Deswegen ist es nun nicht einzusehen, daß man diese Angelegenheit noch einem Ausschuß überweisen soll. Lieber Herr Kollege, Sie sagen, man solle diese Angelegenheit dem Ausschuß überweisen, damit etwas Vernünftiges herauskomme. Das, was Sie sagen, hätte ich eigentlich von der Opposition erwartet. Wir von der Koalition sind doch wohl der Auffassung, daß die Regierung sehr wohl Vernünftiges leisten kann und auch geleistet hat.
({0})
Deswegen sollten wir auch in diesem Falle, um das
Verfahren abzukürzen, den Antrag sofort der Regierung und nicht dem Ausschuß überweisen. Wir,
d. h. meine politischen Freunde und ich - und ich glaube, auch die Mehrheit des Hauses -, sind der Überzeugung, daß die Regierung sehr schnell etwas Vernünftiges daraus machen wird.
({1})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache zur dritten Beratung ist abgeschlossen, ebenso die Aussprache zu Punkt 5 b der Tagesordnung.
Wir kommen zur Einzelberatung.
({0})
- Es wird schon geklingelt. - Ich nehme an, daß mir gestattet wird, die einzelnen Paragraphen rasch und fortlaufend aufzurufen.
({1})
§ § 1, - 2, - 3, - 4, - 5, - 6, - 7, - 8, -9,- 10, - 11, - 12, -13, - 14, -15, - 16,-17, -18, - 19, - 20, - 21, - 22, - 23, - 24,-25, -26, - 27, - 28, - 29 ,- 30, - 31, - 32,-33, -34, - 35 ,- 36, - 37, - 38, - 39, - 40,-41, -42, - 43, - 44, - 45, - 46, - 47,- 48,-49, - 50, - 51, - 52, - 53, - 54, - Einleitung und Überschrift. - Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, dies durch Erheben von den Sitzen zu bezeugen. - Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 2977 unter Punkt 5 b der Tagesordnung. Es ist beantragt worden, ihn an den Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß, dann an den Ausschuß für Jugendfürsorge und schließlich an den Finanz- und Steuerausschuß zu überweisen. Wer für die Überweisung an diese Ausschüsse ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit. Der Überweisungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 2977 selbst. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen.
({2})
Zur Geschäftsordnung hat das Wort der Abgeordnete Ewers.
Meine sehr geehrten Kollegen, ich wollte noch auf folgendes hinweisen. Wir haben die Geschäftsordnung in wesentlichen Bestimmungen geändert. Nach § 85 schließt sich jetzt in der dritten Beratung eine Einzelberatung nur über diejenigen Bestimmungen an, zu denen in der dritten Beratung Änderungsanträge gestellt werden. Ein Aufrufen der einzelnen Paragraphen ist nach der neuen Geschäftsordnung nicht nötig.
Ich halte es trotzdem für meine Pflicht, die einzelnen Bestimmungen aufzurufen und über sie abstimmen zu lassen. Ob dazu das Wort ergriffen wird, ist eine Sache für sich.
Eine Einzelberatung findet nur noch gemäß § 85 der neuen Geschäftsordnung, also keineswegs zu allen Paragraphen statt.
Ich bedanke mich sehr für die Belehrung.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Horlacher und Genossen betreffend Schädlings- und Seuchenbekämpfung ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der Föderalistischen Union ({1}) betreffend Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche ({2});
c) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Beschaffung von Bekämpfungsmitteln gegen die Maul- und Klauenseuche aus der DDR ({3});
d) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Bereitstellung von Bundesmitteln zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche ({4}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, zu Punkt 6 a eine Begründungszeit von 15 Minuten, für die anderen Punkte eine Begründungszeit von 10 Minuten und für die Aussprache insgesamt 60 Minuten zu beschließen.
Das Wort hat zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe dem Hohen Hause eine Bitte vorzutragen. Herr Minister Niklas hat an mich ein Telegramm gerichtet - er ist wieder({0})
hergestellt -, daß er Gewicht darauf lege, bei den Beratungen auch zugegen sein zu können. Ich habe ihm zurücktelegraphiert, ich wollte mich dafür einsetzen, daß sämtliche Anträge über Maul- und Klauenseuche auf die Sitzung vom 6. Februar, also nach der Pause, vertagt werden, habe aber dabei gebeten, daß die Regierung keine Minute versäumt, die notwendigen Maßnahmen, die aus den Anträgen ersichtlich sind, einstweilen in die Wege zu leiten. Ich bitte das Hohe Haus, dem Vertagungsantrag stattzugeben, zumal ich auch von Kollegen aus anderen Fraktionen gebeten worden bin, diesen Antrag zu stellen, weil noch, wie in der Begründung zum Ausdruck kommt, gewisse Vorbereitungen eine Rolle spielen. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag zuzustimmen.
({1})
Ist das Haus einverstanden?
({0})
Dann wird dieser Punkt abgesetzt.
({1})
- Herr Abgeordneter Renner!
({2})
- Gegen Ihre Stimmen.
Damit ist die Tagesordnung erledigt. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestags, die 188., ein auf Donnerstag, den 24. Januar, 13 Uhr 30, und schließe die 187. Sitzung des Deutschen Bundestags.