Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 185. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Abgeordneter Mayer ({0}) sucht für drei Wochen um Urlaub wegen Krankheit nach.
Der Präsident hat Urlaub erteilt den Abgeordneten Ritzel, Margulies, Dr. Becker ({1}), Dr. Oesterle, Gockeln, Fürst zu Oettingen-Wallerstein, Imig, Löfflad, Wallner, Loritz, Nellen und Bahlburg.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Meyer ({2}), Dr. Baur ({3}), Kuhlemann, Dr. Orth, Lenz, Dr. Henle, Dr. Nowack ({4}), Fisch, Rische, Agatz, Reimann, Vesper, Harig, und für -zwei Tage Abgeordneter Neumann.
Meine Damen und Herren! Ich darf unterstellen, daß das Haus mit der Erteilung des Urlaubs für den Abgeordneten Mayer ({0}) einverstanden ist - Das ist der Fall.
Die weiteren amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung in das Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundeskanzler hat in Erledigung des Beschlusses des Deutschen Bundestages in seiner 157. Sitzung unter dem 9. Januar 1952 über den Verkehr mit Fahrrädern mit Hilfsmotoren berichtet. Die entsprechende Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ist als Drucksache Nr. 2993 vervielfältigt worden.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat in Erledigung des Beschlusses der 155. Sitzung des Deutschen Bundestages eine Ubersicht über die Beschäftigung Schwerbeschädigter bei den Bundesdienststellen erstellt. Sein Schreiben vom 9. Januar 1952 wird als Drucksache Nr. 2995 vervielfältigt.
Zur heutigen Tagesordnung habe ich Ihnen mitzuteilen, daß die Punkte 1 a)., b) und 2 bis etwa 15 Uhr zurückgestellt werden, so daß wir beginnen würden mit dem Punkt 3 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesbeamtengesetzes.
Ich darf weiter darauf hinweisen, daß der Abgeordnete Dr. Richter gegen den Ausschluß für die Dauer von drei Sitzungstagen Einspruch erhoben hat. Der Einspruch ist in der Vervielfältigung begriffen. Ich darf Ihnen vorschlagen, diesen Einspruch entsprechend der Geschäftsordnung heute noch auf die Tagesordnung zu setzen. Ich werde ihn herannehmen, sobald der Umdruck verteilt worden ist.
Weiterhin wünscht zur Tagesordnung Herr Abgeordneter Euler das Wort zu nehmen.
Euler ({1})': Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namens der Freien Demokraten beantrage ich zu Punkt 5 der Tagesordnung, der ersten Beratung des von den Abgeordneten Hilbert und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aussetzung des Vollzugs von Bestimmungen des Zweiten Neugliederungsgesetzes ({2}), gemäß § 93 der Geschäftsordnung, die Fristen zwischen der ersten und zweiten Beratung aufzuheben, so daß, falls es nachher überhaupt zur ersten Beratung des Gesetzes kommen sollte, die zweite Beratung unmittelbar noch in der heutigen Sitzung angeschlossen werden kann.
Herr Abgeordneter Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Antrag des Herrn Kollegen Euler nicht willfahren zu wollen. Es liegt uns an einer sachlichen Erörterung dieser Frage im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht. Wir bitten, dem Rechnung tragen zu wollen.
Meine Damen und Herren! Sie haben -den Antrag des Herrn Abgeordneten Euler und die Stellungnahme des Herrn Dr. Krone gehört. - Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor. Gemäß § 93 der Geschäftsordnung besteht die Möglichkeit, daß die Fristen zwischen der ersten und zweiten Beratung bei Feststellung der Tagesordnung aufgehoben werden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Herrn Abgeordneten Euler, zum Punkt 5 der Tagesordnung heute auch die zweite Beratung stattfinden zu lassen, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Es ist beschlossen, die zweite Beratung dieses Gesetzentwurfs heute auf die Tagesordnung zu setzen.
Ich rufe zunächst auf Punkt 3, der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Bundesbeamtengesetzes ({0}).
Der Bundesminister des Innern wünscht, zur Begründung das Wort zu nehmen. Bitte, Herr Minister!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, zu diesem außerordentlich wichtigen Entwurf zunächst ein paar Worte über seine Entstehungsgeschichte zu Ihnen zu sprechen. Wenn seit dem Inkrafttreten des vorläufigen Bundespersonalgesetzes Mitte Juni 1950 sehr viel Zeit vergangen ist, so bedauert das die Regierung und insbesondere mein eigenes Haus aufrichtig. Die Gründe für die lange Dauer der gesetzgeberischen Vorarbeiten sind Ihnen bei der zweimaligen Verlängerung des vorläufigen Bundespersonalgesetzes hier vorgetragen worden. Ich beschränke mich darauf, an diese Gründe zu erinnern.
Trotz der Fülle der zu behandelnden Fragen und der zeitraubenden Verhandlungen mit den Bundes- und Landesressorts, mit den Gewerkschaften und mit den Verbänden der Beamten selbst war schon im Januar vorigen Jahres der Entwurf in den großen Umrissen fertiggestellt und im Juli vorigen Jahres in das Kabinett gebracht worden. Aus der geringen Zahl der Abänderungsvorschläge, die der Bundesrat zu machen hatte, ersehen Sie, daß sich diese sorgfältig vorbereitete Arbeit durchaus gelohnt hat, und dabei betrachteten die Länder diesen Gesetzentwurf schon unter dem Gesichtspunkt eines kommenden und für sie verbindlichen Rahmengesetzes. Wir haben auch mit den Gewerkschaften weitgehende Einigkeit hergestellt. So sind manche Streitfrager, die beim vorläufigen Bundespersonalgesetz noch eine Rolle spielten, heute schon gegenstandslos geworden. - Soviel zur Entstehungsgeschichte dieses wichtigen Gesetzes.
Lassen Sie mich zweitens noch etwas sagen zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen des Beamtenrechts und zu dem Kreis der Aufgaben der Beamten. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen für dieses Bundesbeamtengesetz finden Sie in
({0})
Art. 33 des Grundgesetzes, und zwar in seinen Absätzen 4 und 5, die ja Ihnen allen bekannt sind. Sie kennen die dort niedergelegte Vorschrift, daß hoheitsrechtliche Aufgaben für Dauer in der Regel von Personen vorgenommen werden sollen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Der zweite wichtige Grundsatz ist der, daß die Rechtsbeziehungen dieser Personen nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums geregelt werden müssen. Die Frage der Notwendigkeit des Berufsbeamtentums ist damit vom Gesetzgeber eindeutig bejaht.
Was die den Berufsbeamten zu übertragenden Aufgaben anlangt, so brauchen sie sich nicht auf die im Grundgesetz hervorgehobenen Hoheitsverwaltungen schlechthin und ohne Einschränkung zu beziehen, sondern ich darf sagen, daß auch andere Aufgaben hierunter fallen. Die Erweiterung des Aufgabenkreises muß sich auf das durch das öffentliche Interesse Gebotene beschränken. Die Militärregierung hat früher einen anderen Standpunkt vertreten. Sie hat schlechthin eine Zweiteilung vorgenommen, und zwar dergestalt, daß alles, was nicht körperliche Tätigkeit betraf, von Beamten ausgeübt werden mußte; die anderen waren eben nicht Beamte. Wir sind bei dem Gesetz zu dem altbewährten Grundsatz der Dreiteilung zurückgekehrt. Der Entwurf erklärt dementsprechend eine Berufung in das Beamtenverhältnis außer zur Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Auf- gaben, nur für zulässig zur Durchführung von Aufgaben, die aus Gründen der Sicherheit des Staates oder des öffentlichen Lebens nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen. Das bedeutet, daß Beamte auch für Aufgaben verwendet werden können, die zwar nicht nach ihrer Eigenart, aber wegen der Notwendigkeit, neben Angestellten oder Arbeitern auch Beamte zur Verfügung zu haben, deren Einsatz erfordern. Ein solches Bedürfnis besteht insbesondere bei den großen Betriebsverwaltungen des Bundes, der Eisenbahn und der Post.
Meine Damen und Herren, ich sprach zu Ihnen bisher von der Entstehungsgeschichte des Entwurfs, und ich fügte Äußerungen an über die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Beamtenrechts und über den Kreis der Aufgaben des Beamten. Ich komme zu einem dritten tragenden Gesichtspunkt, zum persönlichen Geltungsbereich des Entwurfs. Der Entwurf bezieht sich nur auf Bundesbeamte, - einschließlich der Beamten der bundesunmittelbaren Körperschaften, der Stiftungen und der Anstalten des öffentlichen Rechts. Der Erlaß von Rahmenvorschriften - die ich bei der Entstehungsgeschichte erwähnte - für die Beamten der Länder und der übrigen Dienstherren auf Grund der Kompetenz, die Art. '75 des Grundgesetzes uns gibt, bleibt aus Zweckmäßigkeitsgründen einem besonderen Gesetz vorbehalten.
In diesem Zusammenhang noch ein besonderes Wort über den § 178 des Gesetzentwurfs. Die Regelung der Rechtsverhältnisse der im Bundesdienst stehenden Angestellten und Arbeiter überläßt der Entwurf gemäß dem Herkommen seit der Weimarer Verfassung einer Tarifvereinbarung der Sozialpartner. Bis zum Abschluß einer solchen Tarifvereinbarung der Sozialpartner müssen wir eine Übergangsregelung haben. Diese findet sich in § 6 des vorläufigen Bundespersonalgesetzes, das bis zu dieser Tarifvereinbarung weiter gelten soll. Neu ist lediglich die Bestimmung, daß gewisse allgemeine Grundsätze nicht nur für die Beamten, sondern für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes, auch für Angestellte, zu gelten haben und damit der freien Vereinbarung unter den Tarifpartnern entzogen sind.
Ich füge der Betrachtung über den § 178 des Gesetzentwurfs eine weitere über den § 177 hinzu; denn außerhalb des Geltungsbereiches des Entwurfs stehen außerdem die Bundesrichter. Das Grundgesetz zählt die Bundesrichter nicht mehr zu den Beamten, sondern behandelt sie als eine Gattung öffentlich-rechtlicher Amtsträger eigener Prägung, und deshalb sollen ihre Rechtsverhältnisse nicht in diesem Gesetz, sondern in einem besonderen Richtergesetz geregelt werden. Nun dürfen wir allerdings auf gewisse beamtenrechtliche Vorschriften auch in diesem Richtergesetz nicht verzichten. Aber es erscheint zunächst einmal zweckmäßig, eine-gewisse Übergangslösung für die Zeit zu schaffen, bis das Richtergesetz kommt.
Diese Übergangslösung wollten wir nicht in dieses Gesetz hineinbringen; sondern wollten der Vereinfachung der Gesetzgebung halber das vorläufige Bundespersonalgesetz für die Bundesrichter weitergelten lassen und nur die Versorgungsvorschriften und Personalverwaltungsvorschriften, die in ihrer bisherigen Gestalt natürlich nicht bleiben können, nicht als Übergangsvorschrift weiterbestehen lassen.
Viertens spreche ich jetzt zu Ihnen über das Verhältnis dieses Entwurfs zum Reichsbeamtengesetz und zum Deutschen Beamtengesetz. In seinen sachlichen Regelungen hält sich der Entwurf gemäß dem Auftrag des Grundgesetzes im Rahmen des Hergebrachten. Er geht dabei zum Teil auf Grundzüge des Reichsbeamtengesetzes vom 31. März 1873 bzw. vom 17. Mai 1907 zurück, die im Deutschen Beamtengesetz vom 26. Januar 1937 zu Unrecht verlassen worden waren. Andere Regelungen des deutschen Beamtenrechts können unbedenklich übernommen werden, da sie keinerlei nationalsozialistisches Gepräge tragen und lediglich eine Fortentwicklung des Reichsbeamtenrechts darstellen und bereits vor 1933 ihren Niederschlag in verschiedenen Gesetzentwürfen gefunden hatten.
Im übrigen enthält der Entwurf eine Reihe von Reformgedanken, die einer modernen Ausgestaltung des Berufsbeamtengesetzes dienen. Eine solche Reform läuft in keiner Weise den Vorschriften des Art. 33 Abs. 5, den ich vorhin bereits zitierte, zuwider. Das ergibt sich schon aus deren Wortlaut, nach dem nur eine Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze angeordnet ist. Die verfassungsmäßige Garantie des Berufsbeamtentums bedeutet keineswegs eine Konservierung auch jeder einzelnen Regelung der bisher übernommenen Beamtenrechte.
Ich komme als fünftem Hauptgesichtspunkt zu den Arten der Beamten. An der Spitze der Vorschriften in dem neuen Gesetz stehen die Beamten auf Lebenszeit. „Beamte auf Lebenszeit" will nicht bedeuten, daß diese Beamten nur an die Dauer jeweils übertragener Aufgaben gebunden sind, sondern es will bedeuten, daß diese Beamten für eine dauernde Beschäftigung vorgesehen sind, und deshalb werden auch an die Qualifikation für das erstrebte Amt und an eine vielseitige Verwendbarkeit besondere Anforderungen gestellt; denn wenn wir einmal Beamte auf Lebenszeit anstellen, dann wollen wir es nicht nur mit einseitig verwendbaren Spezialisten zu tun haben, sondern mit allgemein brauchbaren und einsatzfähigen Beamten. Darin
({1})
liegt der wesentliche Unterschied des Laufbahnbeamten gegenüber dem für einen bestimmten Aufgabenbereich ausgewählten Beamten des angelsächsischen Rechts.
Wir haben neben dem Beamten auf Lebenszeit den Begriff des Beamten auf Zeit zu erörtern, den wir in den Entwurf nicht übernommen haben, da er für den Bundesdienst im allgemeinen keine Bedeutung hat. Sollte sich im Gegensatz zu dieser Auffassung später ein Bedürfnis dazu ergeben, dann müssen wir eben hier im Hohen Hause eine spezialgesetzliche Regelung vornehmen. Ich darf mir ein solches Spezialgesetz bei aufkommendem Bedürfnis vorbehalten.
Im späteren Rahmengesetz für die Länder und Gemeinden das ich schon wiederholt erwähnte, wird es den Ländern und Gemeinden zu überlassen sein, den Begriff des Beamten auf Zeit für ihre Zwecke zu verwenden.
Ich komme neben den Begriffen des Beamten auf Lebenszeit und des Beamten auf Zeit zu den Begriffen des Beamten auf Probe und des Beamten auf Widerruf. Meine Damen und Herren, diese Aufteilung hat sich wegen der innerlich grundverschiedenen Begriffe als notwendig erwiesen. Der Beamte auf Probe, der für den dauernden Dienst und für eine dauernde Anstellung voll ausgebildet und vorbereitet ist, hat sich in der Probezeit nur zu bewähren. Diesem Beamten geben wir Sicherungsmaßnahmen zur Seite. Er ist in seiner Probezeit nicht schutzlos und nicht etwaiger Willkür preisgegeben, sondern er braucht, wenn er sich sonst in seiner Probezeit bewahrt, nur mit Entlassungsgründen zu rechnen, die neben etwaigem dienststrafwürdigem Verhalten in Tatumstanden seiner Betatigung zu sehen sind, die einer Übertragung des Amtes auf Lebenszeit nicht entsprechen würden. Ich darf aber auch sagen, daß auch der Beamte auf Widerruf in bezug auf die Entlassungstatbestände geschützt ist. Es müssen auch bei ihm bestimmte Fristen eingehalten werden, die sich nach der Dauer der Beschäftigungszeit richten.
Ich komme zum sechsten Punkt, den ich Ihnen vorzutragen habe, zu den bedeutsamen Vorschriften über Laufbahnbewerber und freie Bewerber. Das traditionelle Laufbahnsystem des deutschen Rechts schließt keineswegs aus, daß zur Laufbahn auch Bewerber zugelassen werden, die nicht die vorgeschriebene oder übliche Vorbildung besitzen, sondern die eine besondere Befähigung durch ihre Lebens- und Berufserfahrung innerhalb oder außerhalb des öffentlichen Dienstes ausweisen. Das war auch schon im deutschen Beamtenrecht in der ursprünglichen Fassung angedeutet und durch das vorläufige Bundespersonalgesetz, das Sie ja noch in Erinnerung haben, ergänzend geregelt. Diese Möglichkeiten sind in unserem jetzigen Entwurf, der Ihnen vorliegt, schärfer herausgearbeitet. Er stellt den Laufbahnbewerber dem freien Bewerber gegenüber und regelt für diesen auch die für die Berufung in das Beamtenverhältnis wesentlichen Fragen der Befähigung und der Erprobung sowie des Eintritts in die Laufbahn. Dabei ist im Gegensatz zum Deutschen Beamtengesetz in seinen verschiedenen Fassungen klar zum Ausdruck gebracht, daß auch der freie Bewerber, um in das Beamtenverhältnis berufen zu werden, hierfür die erforderliche Befähigung durch Lebens- und Berufserfahrung erworben haben muß, und zwar nicht nur die Befähigung für ein bestimmtes Amt.
Nach dem Entwurf ist auch die Befähigung der freien Bewerber durch den Bundespersonalausschuß oder einen von ihm zu bestimmenden unabhängigen Ausschuß festzustellen, während bisher in dieser Hinsicht keinerlei Vorschriften bestanden. Vom Eintritt in die Laufbahn an müssen an. den früher freien Bewerber die gleichen Anforderungen wie an den Laufbahnbewerber selbst gestellt werden.
Ich komme im siebenten Punkt meiner Ausführungen auf die Laufbahngrundsätze selbst zu sprechen. Im Gegensatz zum Deutschen Beamtengesetz, das lediglich eine allgemeine Ermächtigung fur die damalige Reichsregierung enthielt, die Vorbildung und Lautbahn der Beamten zu regeln, sieht dieser Entwurf vor, daß gewisse Grundsatze fur die von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung zu erlassenden Laufbahnvorschriften im Gesetz selbst verankert werden. Das erschien uns wünschenswert, um die Grundlagen der Laufbahnvorschriften nicht verwaltungsmaßigem Ermessen zu überlassen. Ich erwähne jetzt hier besonders den § 19 Abs. 2 des Gesetzentwurfs. Von den Laufbahngrundsätzen, meine Damen und Herren, sind hervorzuheben: die Gleichstellung des Studiums der Staatswissenschaften, des Studiums der Finanzwissenschaften mit dem juristischen Studium als Voraussetzung für den Eintritt in den höheren allgemeinen Verwaltungsdienst, die bereits erwähnte Feststellung der Befahigung des freien Bewerbers durch ein unabhängiges Gremium, die Zulassung des Aufstiegs in eine höhere Laufbahn und die Vornahme von Beförderungen nur nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung.
Ich muß Ihnen nun ein Wort über die Pflichten der Beamten sagen. Wie nur ein Bewerber in das Beamtenverhältnis berufen werden darf, der die Gewähr dafür bietet, daß er jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung eintritt, so ist der Beamte während seiner Amtszeit verpflichtet, sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen.
({2})
Diese selbstverständliche Pflicht, die auch durch das vorläufige Bundespersonalgesetz aufgenommen wurde, legt der Entwurf ausdrücklich fest. Für den Ruhestandsbeamten und den früheren Beamten gilt Betätigung gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung als Dienstvergehen.
Aus der ersten Durchführungsverordnung zum vorläufigen Bundespersonalgesetz ist die auch schon früher stets anerkannte, aber nicht kodifizierte Verpflichtung des Beamten ausdrücklich aufgenommen, sich bei politischer Betätigung
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- meine Damen und Herren, ich glaube, daß dies das Hohe Haus sehr lebhaft interessieren wird - diejenige Mäßigung und die Zurückhaltung aufzuerlegen, die sich aus seiner Stellung als Diener der Gesamtheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten seines Amtes ergeben.
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Gegen diese Fassung, meine Damen und Herren, sind von keiner Seite des Hohen Hauses Bedenken erhoben worden. Dagegen wurde eine weitere, ursprünglich von uns vorgesehene Regelung abgelehnt, nach der Beamte in der Öffentlichkeit nicht als aktive Anhänger einer politischen Partei hervortreten sollten. Das wurde von Ihnen und auch vom Bundesrat als eine zu starke Einschränkung allgemeiner staatsbürgerlicher Rechte der Beamten
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angesehen. Die Bundesregierung hat sich diesen Bedenken angeschlossen und das Problem in den Ihnen vorliegenden Entwurf nicht mehr aufgenommen. Wir glauben dabei, daß der allgemein ausgesprochene Grundsatz der Mäßigung des Beamten im Hinblick auf seine Stellung und insbesondere die Pflichten seines Amtes ausreichen werden, um den Beamten, auch wenn er glaubt, sich stärker politisch betätigen zu müssen, zu veranlassen, sich die nötige Zurückhaltung aufzuerlegen.
Zu der Frage, ob und inwieweit der Beamte ein parlamentarisches Mandat annehmen darf, sagt der Entwurf, daß wir uns heute zu diesem Grundsatz bekennen, ihn also bejahen und nicht mehr verlangen, daß ein Bundesbeamter etwa mit der Aufnahme in einen Wahlvorschlag für ein Landtagsmandat sein Bundesamt niederlegen müßte. Das Prinzip der Inkompatibilität zwischen der Ausübung des Mandats eines Bundestagsabgeordneten und der Bekleidung des Amtes eines Bundesbeamten halten wir allerdings für erforderlich. Die Bundesregierung bittet Sie daher, dem Vorschlag des Bundesrats in dieser Hinsicht zuzustimmen.
Stark unterstrichen sind in unserem Entwurf das Prinzip der Leistung und die sich aus dem Leistungsprinzip ergebenden Pflichten des Beamten. Die Auslese der grundsätzlich durch Stellenausschreibung zu ermittelnden Bewerber ist nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Abstammung, Geschlecht, Rasse, Glauben, religiöse oder politische Anschauungen vorzunehmen. Dabei soll nur der Beste den Vorzug erhalten.
Das gleiche Prinzip gilt für Beförderungen; und nun komme ich auch zu einem in der Offentlichkeit viel besprochenen Gesichtspunkt: der Beamte ist verpflichtet, seine Leistungen stets auf der erforderlichen Höhe zu halten, um unter allen Umständen den an ihn zu stellenden Anforderungen zu entsprechen. Sollten ungenügende Leistungen zutage treten, so sind nach dem Entwurf verschiedene Möglichkeiten vorgesehen, z. B. das Versagen des Aufsteigens in eine höhere Gehaltsstufe, unter Umstanden die Zurücksetzung in eine niedrigere Gehaltsstufe, unter Umständen die Versetzung in ein Amt mit geringerem Endgrundgehalt, um dem Beamten durch die Kürzung seiner Dienstbezüge sein Versagen- drastisch vor Augen zu führen und ihn zu einer Steigerung seiner Leistungen anzuhalten. Dieser Paragraph ist unter der Bezeichnung „Trottelparagraph" etwas mehr populär geworden als andere Bestimmungen dieses umfangreichen Gesetzgebungswerks. Aber ein Schutz der Staatskasse vor ungerechtfertigt hohen Gehaltszahlungen ist eben auch immer wieder in der Öffenlichkeit gefordert worden. Das Militärregierungs-Gesetz Nr. 15 hatte ebenfalls derartige Vorschriften vorgesehen und darüber hinaus eine Dienstentlassungsmoglichkeit gefordert; dieser Forderung haben wir uns nicht angeschlossen. Wenn eben das Zurückbleiben der Leistungen trotz anderer vorhergehender Maßnahmen immer weiter fortdauert und von dem Beamten schuldhaft verursacht ist - und darauf kommt es an -, dann wird sich der Beamte unter Umständen wegen schuldhafter fortgesetzter Minderleistungen einem disziplinarischen Vorgehen aussetzen müssen; denn ein Beamter, der schuldhaft in seinen Leistungen zurückbleibt, macht sich in unseren Augen eines Dienstvergehens schuldig.
Der Kreis der übrigen Beamtenpflichten ist vom Entwurf ohne wesentliche weitere Änderungen und sachliche Abweichungen vom bisherigen Recht übernommen und formuliert worden. Neu aufgenommen ist im Interesse der Klarstellung das sich aus der Natur des Beamtenverhältnisses ergebende Streikverbot. Der Beamte hat kein Streikrecht. Insofern ist er auch in seinen Verbänden schlechter gestellt als der Arbeiter.
Ich komme auf den Bundespersonalausschuß zu sprechen, eine vielumstrittene Einrichtung, die ich persönlich durchaus bejahe, weil ich in der Zeit meiner Amtstätigkeit in keinem Falle feststellen konnte, daß im Zusammenhang mit der Tätigkeit dieser unabhängigen Körperschaft irgendein Konfliktstoff entstanden ist. Diese Einrichtung hat sich nach meiner Auffassung in der Zeit ihres Bestehens bestens bewährt, und es ist ihr der Vorzug zu geben vor einer selbständigen Kontrollbehörde, etwa in der Form eines umfassenden Bundespersonalamtes. Jede derartige Behörde neigt ja erfahrungsgemäß dazu, gesetzlich vorgeschriebene Machtbefugnisse zu erweitern und in Gebiete überzugreifen, die ihr aufgabenmäßig verschlossen sind. Die Eigenverantwortlichkeit der Bundesminister für die Personalpolitik in ihren Verwaltungen würde dadurch beeinträchtigt, und das darf nicht sein.
Ich spreche jetzt zu § 95. Der Aufgabenbereich des Bundespersonalausschusses ist wesentlich erweitert, so daß er einen wirklich umfassenden Überblick über das Personalwesen erhält. Er hat das Recht, Mißstände in der Handhabung des Bundesbeamtengesetzes festzustellen. Er kann Vorschläge für die Beseitigung solcher Mißstände machen. Er kann zur Durchführung seiner Aufgaben Beweise erheben. Er kann auch verlangen, daß ihm alle Dienststellen Amtshilfe gewähren. Alle Dienststellen haben auf Verlangen Auskunft zu erteilen und Akten vorzulegen. Die Person des Vorsitzenden ist identisch mit dem Vorsitzenden des Bundesrechnungshofs. Schon das bürgt für eine objektive Handhabung der Personalkontrolle. Ich verweise darauf und bitte Sie, es bei dem Studium des Gesetzes und in den Ausschußberatungen zu beachten, daß neben dem Präsidenten amtieren wie bisher die Leiter der Personalrechtsabteilung im Bundesministerium des Innern und der Finanzen als ständige Mitglieder und daß daneben vier nichtständige Mitglieder - davon drei von den Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften - präsentiert werden, die auf Vorschlag der beiden Minister durch den Bundespräsidenten ernannt werden.
Sowohl die Unabhängigkeit des Personalausschusses als auch die seiner Mitglieder - die sämtlich Bundesbeamte sein müssen - ist gesetzlich verankert. Der Bundespersonalausschuß wird auch weiterhin in Angelegenheiten der Richter sowie der Angestellten und der Arbeiter tätig, und dabei treten an die Stelle der vier nichtständigen Beamtenmitglieder vier Richter, vier Angestellte oder vier Arbeiter. Ich bitte Sie, diese wichtigen Bestimmungen bei Ihrer Nachprüfung unseres Entwurfs besonders beachten zu wollen.
Ich komme zu dem wichtigen Abschnitt der einstweiligen Versetzung in den Ruhestand und den sonstigen Ruhestandsregelungen. Den durch das deutsche Beamtengesetz neu geschaffenen Rechtsstand des Wartestands haben wir nicht übernommen. Es ist eine Zwitterstellung: aktiver Status ohne Amt und Versorgungsbezüge. Das ist nach unserer Auffassung keine praktisch brauchbare
({6}) Konstruktion. Der Entwurf hat sie beseitigt. An die Stelle der Versetzung in den Wartestand tritt bei sogenannten „politischen" Beamten die einstweilige Versetzung in den Ruhestand, wie es auch früher im Reichsbeamtengesetz vorgesehen war. Der so herbeigeführte Ruhestand ist ein echter Ruhestand. Es wird kein Wartegeld, sondern das erdiente Ruhegehalt mit gewissen Mindestbezügen für eine Übergangszeit von fünf Jahren gewährt. Eine Verpflichtung zum Wiedereintritt in den öffentlichen Dienst besteht nur bei Angebot eines mindestens gleichwertigen Amtes. Der Betroffene kann also eine private Beschäftigung aufnehmen, ohne eine Einberufung zur vorübergehenden Verwendung oder die Übertragung eines Amtes minderen Rechtes befürchten zu müssen.
Kein Ersatz für den Wartestand ist vorgesehen bei der Auflösung von Behörden und dieser gleichgestellten organisatorischen Änderungen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß es in solchen Fällen möglich sein müßte, den Beamten unter Belassung seiner bisherigen Bezüge in einer anderen Stellung unterzubringen, notfalls in einer Stellung mit geringerem Endgrundgehalt. Die bisher nicht bestehende Möglichkeit einer solchen Versetzung ist etwas Neues in diesem Gesetz.
Für die Beendigung des Beamtenverhältnisses durch Eintritt in den Ruhestand hält der Entwurf an der Altersgrenze fest, und ich bitte Sie, meine Damen und Herren, auch 'Ihrerseits an dieser Altersgrenze festzuhalten. Im Interesse der Unterbringung des Nachwuchses und der verdrängten Beamten sehen wir von einer Änderung ab, trotz der hinausgerückten Lebenserwartung.
Aus dem gleichen Grunde beschränken wir uns im Einzelfall auf mögliche Hinausschiebung der Altersgrenze bis zum vollendeten 68. Lebensjahr.
Neu ist die Regelung, daß ein wegen Dienstunfähigkeit vor Erreichung der Altersgrenze in den Ruhestand versetzter Beamter bei der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit verpflichtet ist, einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis unter Angebot einer mindestens gleichwertigen Stelle Folge zu leisten. Damit wird die dringend notwendige Möglichkeit eröffnet, Fehlbeurteilungen bezüglich der Dauer der Dienstunfähigkeit zu revidieren.
Ich komme zur Regelung der Versorgung und beschränke mich darauf, zu sagen, daß die Entwicklung der finanziellen Verhältnisse des Bundes und das auf verschiedenen Ursachen, insbesondere der ständig gestiegenen Lebenserwartung beruhende Anwachsen der Versorgungslasten eine sorgfältige Prüfung der Frage erforderte, ob das bisherige System der Altersversorgung des Beamten aufrechtzuerhalten sei. In der Öffentlichkeit wird vielfach behauptet, daß die Beamtenversorgung unverhältnismäßig hoch sei und daher verringert werden müsse. In Verbindung damit stehen Vorschläge, die laufenden und künftig neu zu gewährenden Pensionen nicht mehr nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen,, sondern nach den Grundsätzen der Rentenversicherung zu regeln. Es haben sich auch zahlreiche Stimmen für die Errichtung von Versorgungskassen an Stelle der Versorgung durch den Dienstherrn ausgesprochen. Meine Damen und Herren, bei diesen Änderungsvorschlägen wird nach Auffassung der Bundesregierung übersehen, wie eng das bisherige System der Altersversorgung der Beamten mit dem zur
Zeit geltenden ganzen Besoldungssystem zusammenhängt.
({7})
Die Besoldung ist gerade mit Rücksicht auf die die
Beendigung des Beamtenverhältnisses überdauernde Alimentation in Form der Versorgung
wesentlich niedriger bemessen als die vergleichbaren Gehälter und Löhne in der freien Wirtschaft.
({8})
Die Beamten sind daher nicht in der Lage, irgendwelche Beiträge zu ihrer Versorgung zu leisten, und die Besoldung kann nicht zu diesem Zweck erhöht werden, insbesondere auch dann nicht, wenn es den Beamten freigestellt sein soll, den Mehrbetrag zur freien Verfügung zu entnehmen oder sich mit einer geringeren, lediglich auf Beiträgen des Dienstherrn aufgebauten Versorgung zu begnügen. Eine solche Lösung wäre auch deswegen wenig erwünscht, weil im Interesse der Aufrechterhaltung eines unabhängigen Berufsbeamtentums Wert darauf gelegt werden muß, die Versorgungsbezüge gegenüber den Aktivbezügen nicht allzusehr absinken zu lassen.
Im einzelnen muß die für den Bundesdienst zur Zeit geltende Versorgungsregelung des deutschen Beamtengesetzes weitgehend reformiert werden. Bei der Schaffung des vorläufigen Bundespersonalgesetzes war diese Regelung einstweilen übernommen worden, da das Versorgungsrecht der Bizone selbst reformbedürftig war und die erforderliche Neugestaltung einer sorgfältigen Regelung bedurfte. Vor allem galt es, die vorhandenen Überspitzungen des Alimentationsgrundsatzes zu beseitigen. Genau so, wie dieser das Beamtenverhältnis beherrschende Grundsatz auf dem Gebiet der Besoldung nicht ohne Rücksicht auf das in der Dienststellung sich verkörpernde Leistungsprinzip durchgeführt werden kann, muß auch auf dem Gebiet der Versorgung die Alimentation in ein richtiges Verhältnis zum erdienten Gehalt und zur Dauer der im öffentlichen Dienst verbrachten Zeit gebracht werden.
({9})
Der stärkeren 'Betonung dieses sogenannten Rücklageprinzips dient die Regelung des Entwurfs: die Wiedereinführung der zehnjährigen Wartezeit des Reichsbeamtengesetzes, die Beschränkung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit auf Zeiten, die im Beamtenverhältnis abgeleistet worden sind, für die Wahrnehmung von Beamtenaufgaben förderlich oder unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs eines Verzögerungsschadens oder der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts zu berücksichtigen sind.
Im Zusammenhang mit der Wiedereinführung der zehnjährigen Wartezeit steht die Änderung der Pensionsskala, die der des Reichsbeamtengesetzes mit der Maßgabe angeglichen ist, daß sie mit der Vollendung des 21. Lebensjahres beginnt und daß der Höchstsatz des Ruhegehalts einheitlich 75 v. H. beträgt.
Ich möchte Sie auch auf § 122 Abs. 2 hinweisen, der eine Neuerung grundsätzlicher Art enthält, nämlich die versorgungsrechtliche Besserstellung der schuldlos geschiedenen Ehefrau und die Einführung einer Versorgungsberechtigung für den Witwer oder den schuldlos geschiedenen Ehemann einer Beamtin oder Ruhestandsbeamtin. Ein Teil dieser Änderung des geltenden Versorgungsrechts ist in Vorschau auf das Bundesbeamtengesetz be({10})
reits in Art. 131 des Grundgesetzes verwirklicht worden.
Der Beschwerdeweg und der Rechtsschutz. Ein eigener Abschnitt des Entwurfs ist dem Schutz des Beamten gegenüber ihn beeinträchtigenden behördlichen Maßnahmen gewidmet. Während er bei Anträgen und Beschwerden grundsätzlich den Dienstweg einzuhalten hat, ist er nach dem neuen Entwurf berechtigt, Eingaben unmittelbar an den Bundespersonalausschuß zu richten. Zur Entscheidung über Beschwerden - um das klarzustellen - ist der Bundespersonalausschuß nicht berechtigt; er kann sich lediglich eingehend unterrichten und kann dann seine Stellungnahme in Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung zur Entscheidung bringen. Eine Entscheidungsbefugnis für ihn selbst würde mit der im Grundgesetz vorgesehenen parlamentarischen Kontrolle gegenüber den Maßnahmen der Regierung im Widerspruch stehen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch ausführen, daß im Hinblick auf die Vorschriften des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes im Entwurf keine Entscheidung einer obersten Dienstbehörde oder irgendeiner sonstigen Behörde für endgültig erklärt wird. Überall ist der Rechtsweg zugelassen, und zwar für vermögensrechtliche Ansprüche der ordentliche Rechtsweg vor den Zivilgerichten und sonst, soweit keine abweichende Regelung besteht, wie z. B. in Dienststrafsachen, der Verwaltungsrechtsweg. Dem Vorschlag des Bundesrats, den Verwaltungsrechtsweg auch für vermögensrechtliche Fragen und Ansprüche vorzusehen, ist die Bundesregierung nicht gefolgt. 'Sie werden sich schlüssig machen, ob Sie der Bundesregierung oder der Auffassung des Bundesrats zuzustimmen wünschen.
Die Einrichtung von Personalvertretungen der Beamten, die einem hergebrachten Grundsatz entspricht - ich verweise hier auf Art. 130 der Weimarer Verfassung -, bedarf als Sondermaterie einer spezialgesetzlichen Regelung. Der Entwurf beschränkt sich darauf, diese Notwendigkeit vor Ihnen festzustellen. Zur Klarstellung ausdrücklich aufgenommen ist eine Vorschrift, daß die Spitzenorganisationen der zuständigen Gewerkschaften bei der Vorbereitung allgemeiner Regelungen des beamtenrechtlichen Verhältnisses zu hören sind.
Ich komme zum Schluß noch einmal auf die Beamtin zu sprechen. Alle noch unter dem vorläufigen Beamtengesetz bestehenden Sondervorschriften zu Lasten der Beamtin sind im Hinblick auf Art. 3 des Grundgesetzes beseitigt, und zwar sowohl auf staatsrechtlichem wie auf versorgungsrechtlichem Gebiet. Es gibt künftig nicht mehr die Möglichkeit einer Entlassung verheirateter Beamtinnen bei Sicherung ihrer wirtschaftlichen Versorgung. Andererseits erhält, wie bereits erwähnt, auch der Witwer einer Beamtin oder einer Ruhestandsbeamtin eine Pension.
Meine Damen und Herren, ich bin damit am Ende meiner Ausführungen. Der Entwurf wird nun im Beamtenrechtsausschuß noch einmal Gegenstand Ihrer eingehenden Prüfung sein. Ich hoffe, daß die Beratungen, für die mit der Erörterung von Grundsatzfragen zwischen Ihnen und uns bereits wertvolle Vorarbeit geleistet ist, sich so gestalten lassen, daß sie bald abgeschlossen werden können. Mit der Verkündung des Gesetzes wird das Deutsche Beamtengesetz, das vielumstrittene, aber bisher nicht entbehrliche Erbe einer überwundenen Epoche, der Vergangenheit angehören.
({11})
Meine Damen und Herren, ich eröffne die allgemeine Besprechung der ersten Beratung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Besprechungszeit auf 120 Minuten zu begrenzen.
({0})
- Meine Damen und Herren, es steht Ihnen frei, andere Zeiten zu beschließen. Ich habe Ihnen den Vorschlag des Ältestenrats weiterzugeben.
({1})
- 120 Minuten, hatte ich gesagt.
({2})
- Ich höre das Wort „60".
({3})
- Meine Damen und Herren, es ist darauf hingewiesen worden, daß man bei dem wichtigen Gesetz - das war auch der Gesichtspunkt des Ältestenrats - die Besprechungszeit nicht zu sehr begrenzen sollte. Es steht ja den Rednern aller Fraktionen frei, die Redezeit nicht auszunutzen. Ich darf Ihnen also vorschlagen: 120 Minuten.
Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Pannenbecker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte namens meiner politischen Freunde der Föderalistischen Union folgendes zu dem vorgelegten Gesetzentwurf sagen: der Gesetzentwurf hat bei den Beteiligten vielfach Enttäuschung, zum Teil tiefgreifende Enttäuschung hervorgerufen. Auch die Organisationen, die die Beteiligten vertreten, haben dieser Enttäuschung in ihren Zeitschriften Ausdruck gegeben. Es wird im Ausschuß zu prüfen sein, inwieweit den Wünschen der Beteiligten Rechnung getragen werden kann. Ich möchte mich bei der ersten Beratung darauf beschränken - das ergibt sich schon zwangsläufig aus der 'Kürze der mir zur Verfügung stehenden Redezeit -, einige wenige Punkte der Gesetzesvorlage herauszugreifen.
Beamtenrechtlich wichtig ist da zunächst der § 75, der sogenannte „Trottelparagraph". Die Regierung scheint sich hier die Sache doch etwas leicht gemacht zu haben. Im Abs. 1 des § 75 wird zunächst die oberste Dienstbehörde als entscheidend angesetzt. In Abs. 3 ist dann die Rede davon, daß 'in zwei Fällen auch andere Behörden die Entscheidung treffen können, ob der Beamte seine Dienstpflichten usw. vernachlässigt. Mir scheint, daß hier eine andere Regelung unter allen Umständen erforderlich ist. Zunächst ist es notwendig
- darauf hat auch der Herr Bundesinnenminister hingewiesen -, einmal festzustellen, daß es sich um eine schuldhafte Vernachlässigung der Dienstpflichten handelt. Diese Feststellung müßte meines Erachtens im Wege des förmlichen Dienststrafverfahrens getroffen werden und nicht durch einen einfachen Verwaltungsakt.
Bei § 87 gefällt uns nicht, daß die Personalakten künftig nur insoweit eingesehen werden können, als es sich nicht um dienstliche Urteile über die Person des Beamten, seine Kenntnisse oder Leistungen handelt. Ich glaube, hier ist so ein bißchen nazistische Schlacke hängengeblieben.
Das Verbot des Beamtenstreiks wird von uns gebilligt.
In finanzieller Hinsicht gestatten Sie mir folgenden Hinweis. Die Angehörigen der höheren Lauf({0})
bahn erreichen nicht immer das Höchstgehalt und sind infolgedessen bei der Zurruhesetzung finanziell benachteiligt. Es wird zu prüfen sein, ob hier nicht wenigstens eine teilweise Anrechnung der Studienzeit in Frage kommt.
Staatsbürgerlich gesehen würden wir uns entschieden dagegen wehren, daß der Beamte nicht als aktiver Anhänger einer politischen Partei hervortreten darf. Der Herr Innenminister hat darauf hingewiesen, daß diese Bestimmung dank der Anregung des Bundesrats gefallen ist. Soweit ich den Herrn Innenminister eben verstanden habe, hat er gesagt, der Bundesrat sei der Meinung, das gehe zu weit oder sei zu hart. Wir sind der Meinung, meine Damen und Herren, daß es sich hier um eine Beschränkung der staatsbürgerlichen Rechte der Beamten gehandelt hätte.
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Das wäre ein Verstoß gegen die hergebrachten Grundsätze des Beamtenrechts gewesen. Auch der Beamtenschaft ist die Freiheit der politischen Gesinnung gewährleistet. Dann aber muß sich der Beamte auch entsprechend betätigen können. Ich glaube, die Regierung hat hier die Vorschriften einer gewesenen Militärregierung etwas eilfertig kopiert.
Ich verzichte, wie ich schon eingangs sagte, darauf, weitere Einzelheiten vorzutragen, z. B. hinsichtlich des Verbots der Sprungbeförderung. Dieses Verbot, meine Damen und Herren, steht im Gegensatz zum Leistungsprinzip. Ich verzichte darauf, vom Festhalten an der Altersgrenze von 65 Jahren zu sprechen, von der Frage der Vorbildung und anderen Dingen mehr.
Meine Damen und Herren, man wird, wie gesagt, D im Beamtenrechtsausschuß sich eingehend mit all diesen Dingen noch befassen müssen, und ich darf, da ich zufällig als erster Redner spreche, die Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß beantragen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Kühn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als die Bundesrepublik seinerzeit ins Leben trat, mußte selbstverständlich für die Beamten, die ihr dienten, eine Übergangsregelung geschaffen werden. Das geschah damals in dem sogenannten Bundespersonalgesetz. Nun liegt ein neues Bundesbeamtengesetz vor, und wir haben vorhin von dem Herrn Bundesinnenminister gehört, warum jetzt dieser Unterschied gemacht worden ist, warum man nicht mehr ein gemeinsames Bundespersonalgesetz schaffen kann, sondern wieder zu den alten Grundsätzen eines allgemeinen Beamtengesetzes zurückkehrt. Das damalige Gesetz, das nur ein vorläufiges sein sollte, mußte so schnell wie möglich durch ein endgültiges Beamtengesetz ersetzt werden, und es mußte in kontinuierlicher Folge von dem Reichsbeamtengesetz von 1873 über 1907 und über 1937 fortentwickelt werden.
Die Bestimmungen, die dieser Entwurf des neuen Beamtengesetzes enthält, angesichts der wenigen zur Verfügung stehenden Minuten hier im einzelnen zu behandeln, ist völlig unmöglich. Ich möchte deshalb auch nur einige uns besonders wichtig erscheinende Punkte herausgreifen. Wenn wir nachher im Beamtenrechtsausschuß die Paragraphen - es sind immerhin im ganzen 189, es handelt sich also um ein sehr umfangreiches Gesetz - durchgehen werden, dann werden wir sehen, daß eine große Anzahl der Bestimmungen unangefochten angenommen werden kann.
Aber einige Bestimmungen sind da, die unter allen Umständen einer sehr eingehenden Betrachtung bedürfen werden. Die Bestimmungen, die hier wahrscheinlich besonders erörtert werden, beziehen sich auf das Außenseiterproblem, sie beziehen sich auf die Laufbahngrundsätze, auf den schon mehrfach heute hier erwähnten Trottel-Paragraphen, auf die zehnjährige Wartezeit, auf die Zahl der Beförderungen, auf die politische Betätigung der Beamten und nicht zuletzt auch auf den sogenannten Personalausschuß.
Wer sich den Gesetzentwurf schon einmal genauer angesehen hat, der hat feststellen können, daß bereits eine große Anzahl von Neuerungen darin enthalten sind, die es früher im Beamtengesetz nicht gab: die Besserstellung der schuldlos geschiedenen Ehefrau, die Kürzung des Witwengeldes bei großem Altersunterschied der Ehegatten, die Versorgungsberechtigung des Witwers, die Neugestaltung der Unfallfürsorge, die Abfindung für freiwillig ausscheidende Beamte, das Ruhen der Versorgungsbezüge, der doppelte Rechtsweg und schließlich die Gleichstellung der Beamtin, wie sie Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes fordert. Heute in der ersten Lesung kann man selbstverständlich alle diese Probleme nicht behandeln, und ich möchte mich zunächst einmal auf vier Punkte beschränken.
Meine Damen und Herren, als das Bundespersonalgesetz erlassen wurde, mußte es noch im Frühjahr 1950 auf dem Petersberg zur Vorlage gebracht werden. Aber wir dürfen feststellen, daß heute eine völlig veränderte Situation in den Beziehungen zwischen den Alliierten und der Deutschen Bundesrepublik entstanden ist. Ich möchte aber ausdrücklich hier heute betonen, daß wir angesichts dieser veränderten Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und den Alliierten unter allen Umständen eine Einflußnahme der Alliierten auf dieses Beamtengesetz ablehnen. Wir haben seinerzeit das Militärregierungsgesetz Nr. 15 für die Bizone gehabt, und wir haben damals schon bei der Lesung des vorläufigen Bundespersonalgesetzes Um Ausdruck gebracht, daß wir eine Reihe von Grundsätzen, die nicht auf unserem deutschen Boden gewachsen sind, ablehnen und nicht in unser Beamtenrecht übernommen haben wollen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es richtig ist, unter allen Umständen den Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes zur Grundlage dieses neuen Beamtenrechts zu machen.
Das Recht des öffentlichen Dienstes
- so heißt es dort ist unter Berücksichtigung der hergebrachten
Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln.
Und, meine Damen und Herren, die geschichtliche Entwicklung unseres Beamtenrechts durch all die Jahrzehnte und, man kann ja beinahe sagen: seit den Zeiten etwa Friedrich Wilhelms I., durch Jahrhunderte hindurch, brauchen wir, weiß Gott, nicht zu verleugnen.
Ich darf vielleicht in dem Zusammenhang ein paar Worte zur Kenntnis bringen, die der Universitätsprofessor Schoeps in seiner Schrift „Die Ehre Preußens" gerade über diese Frage gesagt hat, und darf vielleicht diese kurzen Worte mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen.
Es wird doch auch jetzt noch soviel vorgelesen, Herr Abgeordneter, daß es hier auch geschehen darf.
Er sagt dort:
Das Preußen, das wir durch Erziehung und Geschichte kennenlernten und dem zu dienen als Offizier, Beamter und schlichter Zivilist eine große Auszeichnung bedeutete, ist ein Rechtsstaat gewesen. Der Beamte, wie er von diesem Staate gemeint war und den es Jahrhunderte hindurch tatsächlich auch gegeben hat, biß sich eher den kleinen Finger ab, als daß er eine Unterschlagung begangen hätte. Preußisch war uns gleichbedeutend mit sauber, anständig, gerecht und pflichtgetreu; „travailler pour le Roi de Prusse" nannten selbst die Franzosen es - mindestens in späterer Übertragung -, wenn sie ausdrücken wollten, daß einer eine Sache um ihrer selbst willen tat. Ich glaube nicht, daß der neue deutsche Bundesstaat ohne dieses Erbe, das aus dem echten preußischen Ethos stammt, wird existieren können.
Auf diesem Erbe gilt es aufzubauen. Aus diesem Grunde gerade erwarten wir, daß irgendwelche Einflüsse von alliierter Seite vermieden werden.
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Ein zweiter Punkt ist das Außenseiterproblem. Auch dazu einige wenige Worte. Die Außenseiter werden in dem Gesetzentwurf als „freie Bewerber", d. h. also als Bewerber ohne die Laufbahnprüfungen, bezeichnet. Wir haben im preußischen Beamtentum schon immer freie Bewerber gehabt. Bereits 1936 ist das in den Reichsgrundsätzen festgelegt worden. Auch in der preußischen Monarchie 1 haben wir immer wieder solche Außenseiter gehabt. Es hat sich da aber um Experten, um Fachkundige auf Spezialgebieten gehandelt, die praktisch nur im höheren Dienst vorkamen. Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist bisher sehr selten vorgekommen, daß wir Außenseiter in den unteren, mittleren oder gehobenen Beamtengruppen hatten. Wenn wir Wirtschaftler, Wissenchaftler, Techniker oder andere Spezialisten, die über jahrelange Berufserfahrung verfügen, haben wollen, die wir zum besonderen Nutzen des Staates einsetzen können, wollen wir diese Einsetzung als Beamte auch vornehmen.. Es wird sich in der Hauptsache oder überhaupt nur um Stellen des höheren Dienstes handeln. Wir müssen uns auf durch Berufserfahrung fachkundige Personen beschränken. Die Lebenserfahrung allein, meine Damen und Herren, genügt nicht. Deshalb sind wir der Meinung, daß wir diesen Begriff der Außenseiter oder der „freien Bewerber" recht eng auslegen müssen, damit auch nicht die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums verletzt werden. Was wäre denn die Folge einer sehr weiten Auslegung des Begriffes? Die Folge wäre eine Entwertung des Ausbildungswesens, eine Beeinträchtigung des Leistungsstandes, eine Zunahme der Nur-Parteileute im öffentlichen Dienst. Wir wollen keine parteipolitische Patronage.
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Ich darf noch ein Wort zu dem so viel erörterten „Juristenmonopol" sagen. Meine Damen und Herren, wir haben kein Juristenmonopol gehabt. Das ist ein Schlagwort, dessen Richtigkeit man durch nichts beweisen kann; denn jeder, der in der Verwaltung Bescheid weiß, kennt ganz genau die Verteilung von Juristen, von Volkswirtschaftlern, von Technikern, von Bauleuten, von Ingenieuren usw.
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Man muß aber, glaube ich, diesem hier einmal Rechnung tragen und muß Bestimmungen einführen,
die einen schon bestehenden Zustand legalisieren.
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Ich empfehle in diesem Zusammenhang, doch einmal zu lesen, was unser früherer preußischer Innenminister Severing in seinen Memoiren über das Außenseitertum gesagt hat. Das sind außerordentlich kluge Worte.
Ich möchte zu einem weiteren Punkt kommen. Dieser betrifft die zehnjährige Wartezeit, um den Pensionsanspruch zu erwerben. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß wir bis 1937 die zehnjährige Wartezeit hatten. Dann verschwand sie aus dem Beamtengesetz. In dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes ist die Bestimmung wieder eingefügt worden. Man kann sehr viel an Gründen anführen, ob es sich empfehle, die zehnjährige Wartezeit wieder einzuführen oder nicht. Es widerstreiten hier das Alimentationsprinzip und das Rücklageprinzip. Der Herr Bundesinnenminister ist vorhin auf diese Frage ja auch eingegangen. Im Beamtenrechtsausschuß wird sehr eingehend geprüft werden müssen, ob man den Forderungen der Beamtenverbände, die schon aus alter Zeit stammen, Rechnung tragen, d. h. diese zehnjährige Wartezeit fallen lassen soll oder ob man die Wartezeit von zehn Jahren beibehält, vielleicht auch eine Wartezeit von nur fünf Jahren festlegt. Ich möchte die Frage für den Augenblick offenlassen und ihre Beantwortung dem Beamtenrechtsausschuß anheimstellen.
Noch ein letzter, besonderer Punkt. Das ist die politische Betätigung der Beamten. In § 53 des Entwurfs sind die dafür geltenden Grundsätze enthalten. Der Bundesrat hat dazu Abänderungsvorschläge gemacht. Die Bundesregierung hat dieser Empfehlung des Bundesrats zugestimmt. Man kann die politischen Rechte der Beamten nach den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht so beschränken, wie es der Entwurf ursprünglich getan hat.
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Ich kann Ihnen hier ohne weiteres erklären, daß meine Fraktion den Abänderungsvorschlägen des Bundesrats, denen, wie ich schon sagte, die Bundesregierung zugestimmt hat, auch die Zustimmung gibt. Es ist natürlich unmöglich, daß ein Bundesbeamter, der, sagen wir einmal, im Bundestag sitzt, seinem Minister das Mißtrauen ausspricht. Es ist auch unmöglich, daß sich ein Bundesbeamter etwa bei der Beratung des Haushaltsplans beteiligt und ihn mit verabschiedet, aus dem er letzten Endes selber bezahlt wird. Diese Dinge liegen völlig klar.
Jedenfalls sind wir in diesen beamtenpolitischen Fragen - das kann ich für die Freien Demokraten in Anspruch nehmen - immer nach einer klaren Linie gegangen;
({5})
diese klare Linie werden wir fortsetzen.
({6})
Meine Damen und Herren, wir treten für das echte Berufsbeamtentum ein, das wir selbstverständlich demokratisch, fortschrittlich entwickeln wollen. Den Berufsbeamten soll die fachliche, oftmals so zeitraubende und mühevolle Vorbildung kennzeichnen.
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Weiter sollen ihn die grundsätzlich lebenslängliche Anstellung, der lebensberufliche öffentliche Dienst, die wechselseitige Treuepflicht, aber auch der Schutz der wohlerworbenen Rechte kennzeichnen. So bekennen wir uns nach wie vor zu den Grundsätzen des echten deutschen Beamtentums.
Ein gut ausgebildetes, verfassungstreues, in seiner wirtschaftlichen Existenz gesichertes, nur dem Dienst an Volk, Recht und Gesetz verpflichtetes Berufsbeamtentum ist besonders in der Demokratie eine staatspolitische Notwendigkeit.
({9})
Bejahen wir aber diese Notwendigkeit, so ist es
unsere Aufgabe, ein Beamtenrecht zu schaffen, das
ins Wanken geratene Rechtsgrundsätze wiederherstellt, damit eine unzerstörbare Säule gebaut wird,
die die junge Bundesrepublik entscheidend trägt.
({10})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Menzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Resonanz, die die Vorlage der Bundesregierung über das Beamtenrecht in der Öffentlichkeit gefunden hat, ist auffallend gering. Wahrscheinlich kommt das mit daher, daß diese Wochen der großen außen- und innenpolitischen Entscheidungen - Schumanplan, Ost-West-Gespräche und jetzt die Frage der Wehrgesetze - die Materie des Beamtenrechts als nicht erstrangig, zum Teil als zweitklassig erscheinen ließen. So erklärt es sich, daß zwar in den Fachzeitschriften des Verwaltungsrechts, in den Zeitungen der Gewerkschaften und der Beamtenverbände die Bestimmungen dieses Beamtengesetzes lebhaft diskutiert wurden, daß aber die Tagespresse über einige Notizen hinaus von den politischen Grundlagen, von der politischen Bedeutung dieses Gesetzes leider keine Notiz genommen hat. Nirgends - und das gilt auch von der Presse der Beamtenvereinigungen - ist man auf die Grundfrage eingegangen, die bei einer ersten Lesung erörtert werden müßte - und ich muß sagen, ich hätte es sehr begrüßt, wenn der Herr Bundesinnenminister darauf eingegangen wäre -: die Rolle des Beamtentums in einem demokratischen Staat und seine Entwicklung gegenüber den Zuständen der früheren Jahrhunderte des Polizeistaates, der absoluten Monarchie und der Weimarer Republik.
Diese Kritik gilt mit einer Ausnahme. Der Stuttgarter Juristentag des Jahres 1951 hat sich mit zwei wichtigen Fragen dieses Gesetzes befaßt, und zwar einmal mit den Richtlinien, die das Grundgesetz durch Art. 33 Abs. 5 für das künftige Beamtenrecht gegeben hat, und zum andern mit der wichtigen Frage, ob der Beamte in erster Linie Diener des Staates oder Repräsentant der Demokratie sein soll. Beide Fragen sind nicht etwa Angelegenheiten fachsimpelnder Juristen oder juristische Finessen. Wie man sich in diesen Fragen entscheidet, so entscheidet man sich zugleich entweder für ein modernes, den Notwendigkeiten der neuen staatlichen Demokratie angepaßtes Beamtentum oder für eine Beamtenhierarchie, die sich in alten Vorurteilen abseits von Volk und Staat in einer Isolierung entwickeln würde und könnte und damit die Gefahr in sich schlösse, sich, wie es unsere Generation nun bereits zweimal hat erleben müssen, zu leicht wieder gegen die demokratischen
Freiheiten und die demokratische Grundordnung zu stellen.
Wenn man aber bedenkt, daß nicht weniger als 1 200 000 Menschen in den öffentlichen Verwaltungen beschäftigt sind, und wenn man dann die dazugehörigen Familien hinzurechnet, dann wird jeder an dieser Materie zunächst vielleicht nicht Interessierte feststellen, welche Bedeutung dieses Gesetz hat.
Daher begrüßen wir es, daß die Bundesregierung dieses Gesetz endlich vorgelegt hat. Es war uns bereits für das Jahr 1950 versprochen. Wir schreiben heute 1952, und die Verspätung ist gewiß reichlich. Aber wir wollen die Schwierigkeiten einer sorgfältigen Durcharbeitung dieses Stoffes nicht verkennen. Wir erkennen an, daß die Bundesregierung in diesem Entwurf einer Reihe von Beanstandungen, die bei den damaligen Lesungen des vorläufigen Beamtengesetzes vorgebracht werden mußten, in der Vorlage Rechnung getragen hat. Wir begrüßen das.
Die Stabilität der deutschen Beamtentradition spiegelt sich in der Stabilität der deutschen Beamtengesetze. Das erste deutsche Beamtengesetz stammt von 1873 und hat sich, von einer Novelle im Jahre 1907 abgesehen, bis 1937, d. h. also fast 64 Jahre, gehalten. 1937 brachte dann ein Beamtengesetz, das für Reich, Länder und Gemeinden galt.
Die Versuche der SPD, im Parlamentarischen Rat dem Bunde wieder die Befugnis zu einer allgemeinen Beamtengesetzgebung zu geben, um wenigstens auf diesem Gebiete eine Einheitlichkeit der öffentlichen Verwaltung zu ermöglichen, sind damals leider an dem Widerstand der heutigen Regierungsparteien - mit Ausnahme der FDP - gescheitert; und wie auf anderen Gebieten, können wir auch hier feststellen, daß diese überspitzte föderalistische Angstlichkeit sich nicht bewährt hat. Denn es gibt heute auf dem kleinen Gebiet der deutschen Bundesrepublik nicht weniger als acht Beamtengesetze.
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Im Parlamentarischen Rat ist lange um den auch vom Herrn Innenminister zitierten Art. 33 des Grundgesetzes gerungen worden, und wie nicht anders zu erwarten war, gerieten die Schriftgelehrten alsbald über den rechtlichen Inhalt und die politische Substanz dieses Artikels in Streit. Der Juristentag hat sich auch mit diesen Fragen befaßt. Denn es erhebt sich die Frage, ob jener Art. 33 des Grundgesetzes eine Reform des Beamtenrechts zuläßt und in welchem Maße. Das hat der Deutsche Juristentag - und wir schließen uns dieser Meinung an - mit aller Klarheit bejaht. Er hat zum Ausdruck gebracht, daß mit jenem Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes in erster Linie die Beibehaltung, die Aufrechterhaltung der Institution des Beamtentums, garantiert werden sollte, daß damit aber nicht die Weimarer Verfassung und die Rechtsprechung des damaligen Reichsgerichts und die Rechte der einzelnen Beamten gesetzlich fundiert sein sollten. Dazu würde es einer besonderen Gesetzgebung, wie sie uns hier vorgelegt wird, bedürfen. Ich freue mich, daß der Herr Bundesinnenminister dieser Interpretation des Deutschen Juristentages beigetreten ist.
Hierbei spielt auch das andere Problem eine Rolle, das ich vorhin schon angedeutet habe, die Frage: Ist der Beamte in erster Linie Diener dieses Staates, oder ist er Repräsentant der Demokratie? Ich könnte das, was wir dazu zu sagen haben, nicht
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besser zusammenfassen als in dem Beschluß, den der Juristentag auch hierzu gefaßt hat und den ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten verlesen möchte:
Der Versuch, im Beamten in erster Linie den Repräsentanten der Staatsidee zu sehen und das Beamtenrecht demgemäß von der Repräsentationsfunktion des Beamten her zu konstruieren, ist in der heutigen geschichtlichen und verfassungsrechtlichen Situation nicht geeignet, das Wesen des Berufsbeamtentums zu treffen. In einem demokratischen Staatswesen ist nicht der Beamte in erster Linie zur Repräsentation der Staatsidee berufen.
Dem entspricht, daß in unseren Verfassungen seit jeher - auch im Grundgesetz - der Satz steht, daß die Staatsgewalt vom Volke ausgeht.
Herr Kollege Nowack hat in der Sitzung vom 24. November 1949 in Erwiderung auf meine Rede zum vorläufigen Beamtengesetz erklärt, der Berufsbeamte in seiner modernen Form sei gerade gegen die Fürstenwillkür entstanden als der unabhängige Mann, der der Diener der Allgemeinheit sein sollte. Als ich das bestritt, hat er mich aufgefordert, dem nachzugehen. Ich habe das getan. So möchte ich Ihnen einen Satz aus dem wohl klassischsten Lehrbuch des deutschen Staats- und Verwaltungsrechts von Otto Mayer vorlesen.
Er sagt:
So steht der Beamte
- das ist aus der Situation vor 1914 gesehen - dem Untertan tatsächlich gegenüber wie ein Fürst im Kleinen. Der Untertan hat sich auch seinen Maßregeln schlechthin zu fügen.
Ich glaube, hierin ist von einem unabhängigen Beamten, der sich gegen die Fürstenwillkür richten sollte, nichts zu merken. Bei diesen Worten erinnern wir uns daran, daß die Einrichtung des Berufsbeamtentums aus dem Verhältnis des Lehnsherren zum Lehnspflichtigen, des Untertans zum absoluten Monarchen, entstanden ist, verbunden mit der Verpflichtung zum unbedingten Gehorsam.
Die Weimarer Republik war großzügiger. Die Beamtenartikel in der Weimarer Verfassung waren etwas Einzigartiges in einem modernen Verfassungsstaat. Sie waren aber - und das haben wir später erkennen müssen - in doppelter Hinsicht ein Fehler. Denn jene Artikel legten der jungen Weimarer Demokratie von Anfang an erhebliche Fesseln an und verbauten ihr den Weg zu einem guten Start. Die Beamten der Weimarer Republik - ich meine nicht alle, aber sehr viele und zum Teil die wichtigsten Funktionäre - haben der Republik das nicht gedankt. In dem gleichen Maße, in dem sehr viele von ihnen dieser jungen Republik alle Schwierigkeiten in den Weg gelegt haben, die sie ihr in den Weg legen konnten, sind sie später bereit gewesen, dem Ungeist der nationalsozialistischen Bewegung zu folgen. Den Art. 130 der Weimarer Verfassung, der ihnen die Freiheit ihrer politischen Betätigung und auch die Vereinigungsfreiheit gab, hielten sie für einen ausreichenden Grund, um Gegner der damaligen demokratischen Regierungsform zu werden und zu bleiben. So war es für viele - wir sollten über diese geschichtliche Tatsache bei der ersten grundsätzlichen Lesung eines Beamtengesetzes nicht hinweggehen - kein großer Sprung, Hitler zu folgen und den guten Ruf, den das deutsche Beamtentum auch im Ausland hatte, gründlich zu zerstören. Natürlich - und das erkennen wir heute aus der Sicht der Entfernung von mehreren Jahren nach 1945 - kann manches zum Verständnis für die Haltung der deutschen Beamten auch nach 1933 gesagt werden. Nicht alle haben sich absichtlich in den Zustand der Knechtschaft begeben; die meisten von ihnen glitten allmählich hinein, weil sie zum Teil politisch zu passiv waren und weil zunächst der Schein der Legalität des Hitler-Regimes ihnen die Hände band. Andere Beamte haben sicherlich unter den schwierigsten Verhältnissen einen anerkennenswerten Mut gezeigt. Aber all das führt doch nicht an der Tatsache vorbei, daß mit dem Zusammenbruch 1945 die Vorstellung über das deutsche Berufsbeamten-turn in der Außenwelt mit den Vorstellungen von Opportunismus und autoritärer Gesinnung verknüpft war.
Das ist das eine, was wir bei den Debatten über das Beamtengesetz zu berücksichtigen haben.
Nun noch ein anderes. Das verehrte Mitglied dieses Hauses, Herr Kollege Gockeln, hat vor einiger Zeit in einem Artikel über das Wesen des Beamtentums den Satz geschrieben:
Niemand täusche sich darüber, daß die Staatsgewalt bis zum Augenblick noch von der Bürokratie ausgeht.
Ich glaube, er hat recht. Der Zug zur Spezialisierung ist nicht mehr - zum mindesten seit einem Jahrhundert - beschränkt auf das Gebiet dès Technischen, der ärztlichen oder der Naturwissenschaft; es ist ein ganz allgemeiner Zug, eine ganz allgemeine Erscheinung unseres gesamten geistigen, gesellschaftlichen und politischen Lebens.
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Man kann das bedauern. Aber wir kommen über die Tatsache, daß es so ist, leider nicht hinweg. Sicherlich ist ein Mann wie Alexander von Humboldt im vorigen Jahrhundert einer der letzten universalen Männer gewesen, die wir hatten. Seitdem ist das sogenannte Spezialisten- und Sachverständigentum immer mehr in den Vordergrund gerückt. So haben sich auch in einem kaum vorstellbaren Maße die Aufgaben der öffentlichen Hand und damit die Zuständigkeit. und - meine Damen und Herren, das ist für das Beamtengesetz entscheidend - die Machtmöglichkeit des Beamtenapparates vermehrt. Vergleichen Sie bitte einmal die Aufgaben, die der Staat vor hundert oder sogar noch vor fünfzig Jahren zu erledigen hatte, mit der Fülle der Aufgaben, die er heute bewältigen muß.
Drängte bereits der erste verlorene Weltkrieg den Staat in immer stärkerem Ausmaß in den Lebensbereich des einzelnen und vor allem des sozial schwachen Staatsbürgers hinein, so war jene Machterweiterung des Staates und seiner Bürokratie noch gar nichts gegenüber den neuen Aufgaben, die nach 1945 auf uns hereingestürzt sind, und zwar nicht nur für die Politik, sondern auch für die Verwaltung. Die Betreuung der Flüchtlinge, die Probleme des Lastenausgleichs, die Kriegsopferversorgung, der Wiederaufbau sind nur einige dieser wichtigsten Dinge.
So ist die Unübersichtlichkeit der Verwaltung leider ein Kennzeichen unserer Zeit geworden, und es scheint, daß der Prozeß fortschreitender Bürokratisierung alles öffentlichen Lebens fast unausweichlich ist.
Es erhebt sich für die Demokratie die wirklich beängstigende Frage, ob wir insoweit vor den Grenzen der demokratischen Kontrollmöglichkeiten und damit zugleich auch vor bestimmten Grenzen der Demokratie überhaupt stehen. Denn allzu({3})
leicht - und das ist allzu menschlich - wird die Machtfülle, die einem gegeben ist und die der einzelne Beamte zwangsläufig bekommen hat, mißbraucht. Sein Verhandlungspartner, d. h. der Verhandlungspartner des Beamten, seine ihn kontrollierenden Instanzen können sein fachliches Wissen selbst nicht haben; sie sind ihm in der Sachkenntnis einfach nicht mehr gewachsen. Und so erhält das Problem des Treuebandes einen neuen zusätzlichen Inhalt. Es ist die Treue gegenüber dem Staate, gegenüber den politischen Kontrollinstanzen, dahin, daß er sein Fachwissen in vollem Umfang ' und objektiv ausgewogen zu vermitteln hat und nicht einseitig berichten und verwerten darf.
Die Möglichkeiten des Mißbrauchs, die zweifellos in dieser bedauerlichen Entwicklung liegen, werden immer wieder zu Spannungen zwischen Bürokratie und Politik führen müssen. Das ist kein Vorwurf - ich darf das ausdrücklich feststellen - gegenüber den Beamten, sondern die einfache Feststellung eines Sachverhalts auf Grund einer Entwicklung des letzten Jahrhunderts, mit dem sich auseinanderzusetzen eine immer vordringlichere Pflicht der politischen Instanzen wird, und zwar gleichgültig, ob es sich um die Fragen der Bundes-, der Länderpolitik oder um die Gemeindeverwaltung handelt.
Es lohnt sich übrigens, einen kurzen Blick jenseits der Grenzen zu werfen. England und die Vereinigten Staaten haben die gleichen Sorgen, aber zur Zeit herrschen dort immer noch - dank einer alten, guten Tradition - Politik und die politisch gewählten Organe gegenüber der Bürokratie vor. Daß wir hier die Besatzungsmächte anders erleben, d. h. in der Form ihrer Bürokratie, hat zwar manche bedauerliche Fehlentwicklung in Deutschland zur Folge gehabt, darf uns aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Dinge in den Heimatländern selbst etwas anders liegen. Und gerade weil diese Erfahrung mit der Bürokratie der Besatzungsmächte, daß jahrelang nicht der Wille amerikanischer und britischer Politiker, sondern die politisch fast gar nicht kontrollierten Maßnahmen einer Bürokratie der Besatzung entschieden haben und die deutsche Politik haben beeinflussen wollen, gerade das zeigt uns doch, wie notwendig die Unterstellung der Bürokratie unter die politische Kontrolle ist. Anstatt also zu einem Übergewicht der Politik über die Verwaltung zu gelangen, stehen wir vor der Gefahr der Bürokratisierung der Politik.
Daran sind wir in der letzten Zeit auch mehrfach erinnert worden durch das Verhalten der Bundesregierung und die politische Rührigkeit einiger ihrer Staatssekretäre. Unter dem Hinweis nämlich, daß Staatssekretäre politische Beamte seien, hat man ihnen gestattet, Politik auf eigene Faust zu machen.
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Ich denke an die Rundfunksendung des Herrn Staatssekretärs Hallstein über das Ergebnis der Washingtoner Konferenz, die anschließend noch Gegenstand einer besonderen Aussprache im Bundestag sein wird. Ich meine als weiteres Beispiel aber auch die Rede des Herrn Staatssekretärs Tiedeck am 11. Januar dieses Jahres über den hessischen Rundfunk zu den gesamtdeutschen Wahlen. Ich beanstande hier nicht so sehr die Stellungnahme in der Sache, sondern die Form und den Gebrauch von Kraftausdrücken, die für einen westdeutschen Politiker nicht üblich sein sollten.
Immerhin will ich eins zugeben: Diese Rundfunkreden hatten auch ein Gutes. Denn durch diese Rundfunkreden haben die Abgeordneten des Bundestages endlich einmal erfahren, welche Stellung die Bundesregierung in wichtigen außen-und innerpolitischen Fragen hat.
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Uns ist auch nicht entgangen - und das wird nachher noch weiter zu erörtern sein -, daß die Debatten bei dem wichtigsten Gesetz seit 1945, nämlich dem Gesetz über die Montan-Union - von zwei Reden des Herrn Bundeskanzlers abgesehen - gegenüber dem Parlament nur und allein von dem Herrn Staatssekretär des Auswärtigen, also von einem Beamten geführt worden sind.
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Hätte es denn nicht bei den so schwierigen Problemen unseres Wirtschaftslebens nahegelegen, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister einige Worte dazu gesagt hätte?
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Hätte es nicht nahegelegen, daß bei der schwierigen Rechtsauslegung dieser Verträge sowohl der Herr Justiz- als auch der Herr ,Verfassungsminister hier auf dieser Rednertribüne erschienen wären?
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Das haben wir vermissen müssen. Oder war es vielleicht so, daß die Herren Bundesminister ein Redeverbot hatten?
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Staatssekretäre, meine Herren von der Bundesregierung, heißen politische Beamte deswegen, weil sie aus politischen Gründen jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können. Aber sie sind nicht politische Beamte, weil sie Politik machen dürften!
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Andererseits - und hier stimme ich meinem Herrn Vorredner und auch dem Herrn Bundesinnenminister durchaus zu - wollen wir natürlich keine politischen Eunuchen, weil das in eine Isolierung und dazu führt, daß der Staat von dem einzelnen Bürger nicht als Helfer, sondern als eine ihm gegenüberstehende Gewalt empfunden wird, der er sich persönlich nicht gewachsen fühlt und von der er erdrückt wird.
Nun noch zu einigen Einzelfragen aus dem Gesetz.
4 besagt, daß Beamter nur werden könne, wer hoheitsrechtliche oder solche Aufgaben erfüllt, die aus Gründen der Sicherheit des Staates nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen. Dabei bleibt nach wie vor die Grenzziehung zwischen Beamten und Angestellten zu flüssig. Praktisch wird damit auch die Regelung des Gesetzes von 1937 wiederholt, die sich weder in der Praxis bewährt hat noch in der Praxis hat durchgeführt werden können. Diese Regelung bringt die Gefahr mit sich, daß nur der höhere Dienst durch Beamte wahrgenommen werden kann und daß die Männer und Frauen der einfacheren Schichten und der niederen Funktionen nicht in den Genuß der beamtenrechtlichen Sicherungen kommen.
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Uns erscheint der Vorschlag des Sozialausschusses
des Bundesrates richtiger, der fordert, Beamte für
solche Aufgaben zu bestellen, die nach ihrer Art,
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Dauer oder Bedeutung zur Sicherung der Unabhängigkeit bei ihrer Erfüllung eine enge Bindung zum Dienstgeber erfordern.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige Worte zu den Laufbahnrichtlinien sagen. Es mag zweifelhaft sein, ob es richtig ist, sie in das Gesetz hineinzunehmen; das mag der Ausschuß entscheiden. Eingehen muß ich jedoch auf folgendes: Auch für den einfachen Dienst wird als Mindestanforderung der Besuch einer achtklassigen Schule vorgeschrieben. Meine Damen und Herren, das ist neu. Damit schließen Sie zunächst einmal die Hunderttausende von Kindern der Dorfgemeinden und der kleinen Städte aus, die sich mangels einer genügend großen Zahl von Kindern eine achtklassige Schule nicht leisten können. Und in dem gleichen Augenblick, in dem die Bundesregierung hier auch für den einfachsten Staatsdienst den Besuch einer achtklassigen Schule fordert, legt sie durch ihre politischen Freunde in Nordrhein-Westfalen ein Schulgesetz vor, in welchem vorgeschlagen wird, leistungsfähige achtklassige Schulen aus konfessionellen Gründen in minderklassige Schulen zu zerschlagen.
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Unseren politischen Freunden in Düsseldorf ist wiederholt erklärt worden, die Aufteilung von Volksschulen aus konfessionellen Gründen bedeute keinen Nachteil für die pädagogische Entwicklung und keinen Nachteil für die Berufsentwicklung und die Berufsauswahl der Kinder. Die Bundesregierung, die doch aus dem gleichen politischen Holz geschnitzt ist, straft diese Erklärung Lügen, indem sie gleichzeitig festlegt: auch Schrankenwärter oder Briefträger kann nur werden, wer eine achtklassige Schule besucht hat.
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Meine Damen und Herren, ich sehe, daß meine Redezeit leider ausgeschöpft ist. Ich kann daher zu meinem Bedauern einige Dinge, die - erfreulicherweise - im Gesetzentwurf enthalten sind und zu denen ich noch einige Anregungen geben wollte, hier nicht mehr vorbringen.
Zum Schluß nur noch eines: wir begrüßen es, daß der Herr Bundesinnenminister hier noch einmal mit aller Deutlichkeit die Verfassungstreue der Beamten gefordert hat, wobei ein Lippenbekenntnis nicht ausreicht. Sie muß durch die aktive Arbeit der Beamten bewiesen werden. Nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte könnte die Demokratie sehr skeptisch sein. Aber wir wollen uns davon nicht leiten lassen.
Wir Sozialdemokraten wünschen, daß die Demokratie sich schützend vor jeden Beamten stellt, der nicht nur ihr Diener, sondern ihr Mitstreiter zu sein bereit ist. W i r sind dazu bereit. An den Beamten wird es nun liegen, zu beweisen, daß nicht nur ihre Aktenarbeit, sondern auch ihre Liebe zur Freiheit dieser Demokratie gehören. Aber auch hier ist es wie in allen Dingen des Lebens: Das Wort ist nichts, die Tat ist alles!
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Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister des Innern hat darauf hingewiesen, daß von der Fertigstellung dieses Entwurfes bis zu seiner Vorlage an den Bundesrat und Bundestag fast ein Jahr vergangen ist. Ich hebe das deshalb hervor, weil ich vor etwa einem Jahr hier erklärt habe, mir sei gesagt worden, der Entwurf des Bundesbeamtengesetzes sei fertiggestellt. Wir haben die Regierung damals nicht ohne Grund verteidigt; ich muß das deshalb nochmals unterstreichen. Der Gesetzentwurf mußte j a nicht nur die Verhandlungen mit den Ressorts des Bundes und der Länder und mit den Beamtenverbänden durchlaufen, sondern es mußten auch andere Klippen umschifft werden, die Sie alle kennen.
Das Gesetz ist in erster Linie ein Gesetz für die Verwaltungsbeamten des Bundes, und zwar - nach der ganzen Verteilung der Zuständigkeiten - von Verwaltungszweigen, die eine Spezialaufgabe erfüllen, während die beamtenrechtliche Regelung für die Beamten der allgemeinen Verwaltung, die der Länder und Gemeinden, den Landesbeamtengesetzen obliegt. Es ist schon ein gewisser Unterschied zwischen den Aufgaben der Beamten gegeben; denn gerade die Beamten der allgemeinen Verwaltungen kommen in Erfüllung ihrer Verpflichtungen am vielseitigsten mit der Bevölkerung in Berührung,. wenn auch zugegeben werden muß, daß sich in den Ländern leider auch eine ständige Zersplitterung der allgemeinen Verwaltung in Sonderverwaltungen - ohne Grund - durchsetzt.
Der Herr Kollege Menzel hat bedauert, daß über die Rolle der Beamten, namentlich der Verwaltungsbeamten, in unserem Staate zu wenig gesagt worden ist. Meine Damen und Herren, die Repräsentanten des Staates sind seine obersten Organe; die Beamten sind die Diener des demokratischen Staates. Das Wort „Staatsdiener" ist ja ein Begriff, der das ganze Beamtenrecht und die gesamte Verwaltung seit 150 Jahren durchlaufen hat. Ich glaube, daß der Begriff des Staatsdieners nie in einem anderen Sinne, wenn auch unter anderen Verfassungen, aufgefaßt worden ist. Der Beamte hat die Gesetze des demokratischen Staates zu vollziehen, er hat das Recht zu wahren, er hat die Belange der Bevölkerung wahrzunehmen und er hat die aktiven, die schöpferischen Aufgaben anzuregen, einzuleiten und vorzuschlagen. Er ist also in jeder Hinsicht Diener des demokratischen Staates.
Ich glaube, daß die Bestimmungen über das Beamtenrecht in der Weimarer Verfassung kaum den Nationalsozialismus gefördert haben. Ich habe ja die Zeit selber in einer gehobenen Stellung der Verwaltung durchlebt. Die Verhältnisse waren in den deutschen Landesteilen sicher etwas verschieden. Aber es waren doch Ausnahmen, daß sich Beamte des gehobenen und des höheren Dienstes vor 1933 dieser Bewegung angeschlossen haben. Im großen und ganzen war es ein Teil der Militäranwärter, die auf ganz anderem Wege zu dieser Bewegung gestoßen sind. Die meisten Verwaltungsbeamten sind erst 1937 in die Partei eingetreten, als die Repräsentanten des Staates längst kapituliert hatten und als sich eine Konsolidierung des Gewaltstaates durchgesetzt hatte.
Nun sind die Voraussetzungen für die Berufung zum lebenslänglichen Beamten behandelt worden. Auch ich glaube, daß die Hoheitsaufgaben und die Aufgaben der Wahrung der Sicherheit des Staates und des öffentlichen Lebens die Tätigkeit des Beamten nicht erschöpfen. Die Aufgaben des Staates sind viel größer geworden. Vor allem sind auch noch die finanziellen Interessen, die Vermögensinteressen des Staates und die Individualrechte des Staatsbürgers zu wahren. Wir werden uns im Aus({0})
schuß über eine richtige Fassung dieses Paragraphen zu unterhalten haben.
Bei den Beamtenpflichten steht naturgemäß die Rechtmäßigkeit der Amtshandlungen an der Spitze, nicht in dem Sinne, daß es sich hier um eine neue Verpflichtung handelt. Die Rechtmäßigkeit der Verwaltung und die Rechtmäßigkeit des Handelns der Beamten ist eine ganz alte Pflicht des Beamtentums, ich darf wohl sagen, seit 150 Jahren. Aber es hat seine Bedeutung, daß diese Bestimmung im vorläufigen Bundesbeamtengesetz ausgebaut worden ist, nach den Eingriffen in die Verwaltung, die die NSDAP vorgenommen hat, und nachdem die NSDAP durch ihre Gewaltmaßnahmen über Gesetz und Verordnung - je nach der Willkür einzelner Gewalthaber - hinweggeschritten ist.
Neben dieser Verpflichtung muß man vor allem auch eines betonen, was gerade seit 1933 und bis heute in die öffentliche Erfahrung getreten ist. Es handelt sich nicht nur um Kenntnisse der Verwaltung und des Verwaltungsrechts, sondern es handelt sich auch um eine allgemeine Haltung, die dem Einzelinteresse, das draußen in der Wirtschaft maßgebend ist, gegenübersteht. Das Interesse des Staates, das Gemeinwohl des Staatsbürgers muß an erster Stelle stehen. Diese Haltung muß durch Vorbildung und Erziehung schon vom Eintritt in den Staatsdienst an anerzogen und erworben werden.
({1})
Vieles von dem, was heute beanstandet werden muß und zu Erregungen Anlaß gibt, rührt nur davon her, daß Personen mit einer ganz anderen Berufsauffassung, die anderswo berechtigt ist, in den Staatsdienst eintreten, in dem das Gegenteil von dem, was draußen im Wirtschaftsleben maßgebend ist, vorherrschen muß.
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Nun hat gerade Herr Kollege Menzel mit Recht darauf hingewiesen, daß sich der öffentliche Einfluß auch auf finanziellem Gebiete durch die Ausbreitung der Aufgaben des Staates aufs äußerste ausgeweitet hat und daß das eine Entwicklung ist, die angesichts unserer Schwierigkeiten vorerst gar nicht abzusehen ist. Eben deshalb muß neben der Kenntnis der öffentlichen Aufgaben auch diese innere Haltung und diese innere Verpflichtung gegenüber_ dem demokratischen Staat und gegenüber dem Gemeinwohl als eine vordringliche Aufgabe des Beamtentums herausgestellt werden. Wir werden uns überlegen müssen, ob wir das im Gesetz nicht noch festlegen können.
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Eine weitere Aufgabe ist in der letzten Zeit bei den Pflichten des Beamten hervorgetreten, die der Amtsverschwiegenheit. Wir alten Beamten waren uns über diese Verpflichtung vollkommen im klaren. Auch sie hat eine gewisse Auflockerung erfahren. Wenn im Gesetzentwurf steht: Amtsverschwiegenheit ist zu wahren, wenn es ein Gesetz bestimmt, wenn es eine dienstliche Anweisung fordert, so ist das klar. Aber wenn es heißt: ... wenn es dem Wesen nach erforderlich ist, dann läßt das doch der subjektiven Auffassung einen außerordentlichen Spielraum.
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Wir müssen eine Fassung finden, die für die Beamten aller Dienstgrade und für die Angestellten verständlich ist, damit diese Verpflichtung einwandfrei klargestellt wird. Die Bestimmungen des
Strafrechts müssen damit abgestimmt werden, die ja jetzt auch umstritten sind.
Dazu gehört dann die Informationspflicht gegenüber der Presse, die eigentlich nur der Amtsleiter oder der von ihm Beauftragte erfüllen kann. Ich sehe darin eine besondere Aufgabe bezüglich der Bestimmung über die Amtspflichten, die erst jetzt nach Fertigstellung des Entwurfs durch bestimmte Vorkommnisse akut geworden ist und der wir Rechnung tragen müssen.
Über die Gleichstellung von Mann und Frau ist bereits gesprochen worden. Diese Gleichstellung ist eine Verpflichtung gegenüber dem Grundgesetz, die jetzt eingelöst werden muß. Der Termin der Erfüllung dieser Verpflichtung rückt immer näher. Da es sich hier um ein endgültiges Beamtengesetz handelt, muß sie durchgeführt werden. Über Einzelheiten der Versorgung der Frau und, wie Sie ja alle wissen, über die an uns herantretenden Fragen betreffend die um mehr als 15 Jahre jüngere Witwe, über das Wiederaufleben des Versorgungsanspruchs bei wiederverheirateten Witwen werden wir dann im Ausschuß noch im einzelnen sprechen.
Die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften ist immer schon erfolgt, wenigstens bei uns im Süden, schon vor 1914. Wenn das nun im Gesetz festgelegt wird, so entspricht das dem Fortschritt in der Anerkennung dieser Verbände und der Bereitschaft der obersten Bundesbehörden zur Zusammenarbeit mit ihnen.
Der Bundespersonalausschuß hat sich nach dem Urteil der Bundesministerien bewährt. Wir begrüßen es, daß er sich bewährt hat, und wir begrüßen es, daß der Bundespersonalausschuß infolgedessen auch in das Gesetz eingebaut ist, nachdem er vorerst 'nur auf dem Verordnungswege geschaffen worden ist.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, daß das Gesetz auch Beziehungen zu anderen Gesetzen hat. Ich habe schon das Strafrecht und Presserecht hervorgehoben. Dis Beamtenrecht, das Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes und die Bestimmungen über die Voraussetzungen für den Zugang zum Beamtentum betreffen oder streifen mindestens auch die Frage der Vorbildung. Wir wollen durch dieses Gesetz die Grundlagen für ein allgemein gebildetes und fachlich hochgebildetes Beamtentum schaffen, das in der Lage, befähigt und gewillt ist, allen neu auftretenden Aufgaben gerecht zu werden, sich mit wissenschaftlicher Überlegung auf sie einzustellen und auch die Beamten des gehobenen und des unteren Dienstes für diese Aufgaben zu interessieren, auszubilden und zu gewinnen. Diese Aufgaben sind durch die großen wirtschaftlichen Umbildungen gestellt; sie werden allein schon durch die völkerrechtlichen Lösungen gestellt sein, die wir anstreben und die wir angebahnt haben. Denken Sie nur an die Beziehung der Verwaltung zu den internationalen Institutionen, denken Sie nur an die Grundrechte, die ja nun international gesichert werden sollen. So ergeben sich für das Beamtentum Aufgaben in einer Fülle und in einem Ausmaß, wie sie früher nicht gestellt worden sind. Dazu bedürfen wir eines allgemein gebildeten und eines fachlich durchgebildeten aufgeschlossenen und zu jedem Fortschritt bereiten Berufsbeamtentums. ({5})
In dieser Absicht wollen wir an das Gesetz herangehen. In dieser Absicht darf ich bitten, den Gesetzentwurf dem Ausschuß zu überweisen.
({6})
Dass Wort hat der Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf findet in seiner gesamten Konzeption und vor allen Dingen in seiner guten technischen Durcharbeitung die Zustimmung der Fraktion der Deutschen Partei, da er vor allem gemäß Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gestaltet worden ist. Er bekennt sich zur überkommenen deutschen Rechtsgestaltung, zur sogenannten personellen Dreigleisigkeit, so daß genau unterschieden wird zwischen Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes.
Mit dieser Zustimmung ist natürlich nicht gesagt, daß wir nicht zu einzelnen Bestimmungen Vorbehalte haben. Mit der getroffenen Regelung des Außenseiterproblems sind wir nicht einverstanden. Es bedarf noch einer gründlichen Beratung der Paragraphen, die dieses Problem behandeln, um hier eine Lösung zu finden. Ebenso haben wir Bedenken gegen ,die Voraussetzung ,der zehnjährigen Dienstzeit, gegen die Verschlechterung der Ruhegehaltsskala und gegen die Form, in der man die Zeiten der Nichtbeschäftigung berücksichtigt. Wir hätten auch noch einiges einzuwenden gegen den Personalausschuß und vor allen Dingen gegen die Regelung bei Nichterfüllung von Pflichten. Uns genügen bei Nichterfüllung von Pflichten die Disziplinargerichte. Wenn wir ein Beamtentum bekommen, das wieder aus einer Laufbahn mit Vorbildung und Fachkenntnissen hervorgeht, haben wir auch die Sicherheit, daß wir keine Beamten bekommen, die ihren Pflichten und ihren Aufgaben nicht gewachsen sind.
Mit Genugtuung haben wir festgestellt, daß man auch an die Gleichberechtigung der männlichen Beamten gedacht hat. Denn die Männer haben nicht überall die Gleichberechtigung, und die Frauen sind in der Ehe bestimmt meistens bevorrechtigt.
({0})
- Ich spreche nicht von meiner Erfahrung, ich glaube, das ist eine allgemeine Erfahrung. Aber wir sind ja auch gar nicht böse darüber, Herr Kollege Mellies.
({1})
Es bestand die Gefahr, daß man in diesem Gesetz aus der Gleichberechtigung eine Bevorrechtigung machte. Die Gleichberechtigung der Männer ist doch betreffs der Witwerpension und betreffs der Abfindung reichlich theoretisch. Ich glaube, wir Männer müssen aufmerksam werden, damit wir auch hier gewissermaßen auf unserer Seite die Gleichberechtigung halten.
({2})
Der Kollege Menzel hat ausgesprochen, daß auf der Grundlage 'dieses Gesetzes vielleicht wieder eine Beamtenhierarchie entstehen könnte. Ich möchte dazu bemerken, daß wir eigentlich seit 1945 keine guten Erfahrungen mit den Versuchen einer modernen Entwicklung ohne Rücksicht auf die herkömmliche Entwicklung gemacht haben. Ich glaube hier das 'Gegenteil feststellen zu können. Wenn Herr Kollege Menzel befürchtet, daß die Beamten weiter in Gegensatz zum Volke selbst geraten könnten, so glaube ich, dieser Gefahr ist nur zu begegnen, wenn wir die Entwicklung, die wir besonders seit 1945 gehabt haben, abstoppen und
endlich wieder - sagen wir - in die herkömmliche Entwicklung hineinmünden. Denn nur eine
Modernisierung, aus dem Herkömmlichen entwickelt, wird eine wirkliche Modernisierung sein
({3})
und nicht 'zu dem führen, was Kollege Menzel meint.
Meine Damen und Herren, ich höre eben das Wort „Quatschkopp". Ich unterstelle, 'daß das eine nachbarliche Unterhaltung war.
({0})
Kollege Menzel meinte weiter, die
Beamten seien in der letzten Vergangenheit anfällig gewesen. Nun, es ist ja immer sehr schwer,
in einem totalitären System von Anfälligkeit zu
reden. Ich glaube, sie waren nicht anfälliger als
andere Berufskreise auch. Ich habe nur die Befürchtung, daß der Kollege Menzel und vielleicht
auch seine Freunde jetzt eine Anfälligkeit nach der
entgegengesetzten Seite wünschen, vielleicht nach
der demokratischen Auffassung, wie sie speziell
von der SPD vertreten wird. Das möchten wir
auch nicht. Wir möchten überhaupt keine Anfälligkeit in Richtung auf irgendeine politische Gruppe.
({0})
- Nein, Herr Mellies, Sie irren sich! - Wir möchten grundsätzlich ein fachlich vorgebildetes Berufsbeamtentum, so wie wir es früher gehabt haben. Dazu bietet die Gesetzesvorlage die Grundlage, und sie gibt auch die Möglichkeit, der modernen Entwicklung Rechnung zu tragen.
({1})
Für den Rest der Redezeit der Fraktion der Deutschen Partei Frau Abgeordnete Kalinke, im Verhältnis der Redezeit 7 zu 3.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir begrüßen dieses Bundesbeamtengesetz nicht nur, weil es die staatspolitische Notwendigkeit des Berufsbeamtentums bejaht. Für die Beamtinnen und für die berufstätigen Frauen ist die Anerkennung ides Berufsbeamtentums noch mehr als eine staatserhaltende und staatstragende Notwendigkeit. Herr Professor Dr. Nöll von der Nahmer hat das Wort vom „Berufsidealisten" geprägt. Ich glaube, daß gerade unter den Beamtinnen und unter den berufstätigen Frauen diese Berufsidealistinnen in ganz großer Zahl vertreten sind. Für die Frauen im Beruf ist es außerordentlich wichtig, daß der Staat mit diesem Gesetz eine Verpflichtung übernimmt, das Ethos des Berufs anzuerkennen, eines frei gewählten Berufs, für den die Beamtinnen im eigenen Interesse wie in dem des Berufs gut ausgebildet sein sollen. Denn für eine Frau ist ein Beruf nur zum Zwecke des Erwerbs eine Unmöglichkeit und ein Beruf als Lebensaufgabe die notwendige Voraussetzung der Leistung.
Daher resultieren auch eine Reihe von Forderungen der Beamtinnen zu diesem Gesetz. Wir hoffen hinsichtlich der Laufbahngrundsätze, nach denen, wie der Herr Minister gesagt hat, die Zulassung des Aufstiegs in eine höhere Laufbahn und die Vornahme der Beförderung nur nach fachlicher Eignung und Leistung erfolgen soll, daß die Frauen in Zukunft, nämlich bei der praktischen Durchführung des Gesetzes, auch in der Zahl mehr
({0})
als bisher berücksichtigt werden. Bei der Auslese für den Vorbereitungsdienst und für die Ablegung der Prüfungen bedauern wir außerordentlich, daß das trotz aller Deklamationen noch nicht der Fall ist.
Auch wir bejahen und begrüßen das Fallen der Zölibatsklausel.
Auf die einzelnen Punkte, die im Ausschuß noch diskutiert werden sollen, ist schon von den Rednern, die vor mir gesprochen haben, hingewiesen worden. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß die Regelung, die hinsichtlich des Sterbegeldes in § 119 getroffen ist, auch für die Hinterbliebenenabfindung getroffen werden sollte, daß nämlich zu den Hinterbliebenen nicht nur der Ehemann und die Kinder gehören, sondern im Zeichen der großen Verschiebung der sozialen Struktur und der Unterhaltsverpflichtungen der Beamtinnen auch die Angehörigen in aufsteigender Linie, die von ihnen unterhalten werden.
Herr Kollege Menzel hat auf die „politische Anfälligkeit" der Beamten hingewiesen, und mein Kollege Farke hat darauf schon geantwortet. Als Frau habe ich den Wunsch, daß unsere Beamtinnen endlich nach dem Terror der vergangenen Jahre auch befreit werden von dem sehr oft leider vorhandenen Terror der Gegenwart, von dem Zwang zu einer Koalition, die sie nicht aus der Freiheit wählen. Deshalb möchten wir, daß nicht nur unter Mitwirkung der Spitzenorganisationen der Gewerkschaften, sondern unter Mitwirkung a 11 e r Organisationen, in denen sich die Beamtinnen wie die Beamten frei zu koalieren wünschen, die Interessen der Beamtinnen vertreten werden. Wir wünschen nicht, daß Beamtinnen erst Mitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes oder der SPD werden müssen, so wie sie früher Mitglied der DAF und der NSDAP werden mußten,
({1})
um ihre Befähigung für die Beförderung unter Beweis zu stellen. Das echte Berufsbeamtentum wird eine Säule des Staates nur dann sein, wenn Beamtinnen und Beamte nebeneinander verantwortungsbewußt in ihrem Beruf den Staat tragen werden.
({2})
Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Als im Mali 1950 das Gesetz zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Beamten im Bundestag beraten wurde, habe ich im Namen der kommunistischen Fraktion bereits darauf hingewiesen, daß damals schon grundlegende Reformen an dem Beamtengesetz vom Jahre 1937 durchgeführt werden müßten. Die Regierung und die Regierungsparteien haben sich damals gegen diese meine Auffassung gewandt mit der Begründung, notwendige Reformen könnten bei dem „baldigst" zu erwartenden neuen Beamtengesetz vorgenommen werden. Heute, meine Damen und Herren, nach mehr als anderthalb Jahren, liegt nunmehr der Entwurf eines neuen Beamtengesetzes vor. Bei Durchsicht dieses Gesetzes mit seinen 189 Paragraphen gelangt man zu der Feststellung, daß dem Beamten zwar ein volles Maß an Pflichten auferlegt wird, daß aber auf der anderen Seite, wo es um die Rechte der Beamtenschaft geht, den Beamten Rechte genommen werden, die nach dem Grundgesetz jedem anderen Staatsbürger zustehen.
Wir Kommunisten sprechen der Regierung und auch dem Parlament das Recht ab, willkürlich durch das Beamtengesetz den Beamten wichtige Teile der Grundrechte zu nehmen, um sie damit zu Staatsbürgern zweiter Klasse zu stempeln, wie dies ganz besonders durch den § 53 des vorliegenden uesetzentwurfs geschieht. Sowohl im ersten wie im zweiten Absatz des § 53 werden den Beamten wesentliche politische Rechte genommen. Im letzten Halbsatz des ersten Absatzes des § 53 wird gesagt:
er
- der Beamte darf ... nicht als aktiver Anhänger einer politischen Partei hervortreten.
Im Absatz 2 des § 53 wird gesagt, daß der Beamte aus seinem Amte ausscheiden muß, wenn er ein durch Wahl zu besetzendes öffentliches Amt antritt oder die Aufstellung als Bewerber für die Wahl zum Abgeordneten des Bundestages oder eines Landtages annimmt.
Wir Kommunisten lehnen eine derartige Beschränkung wie überhaupt .jede Beschränkung des passiven Wahlrechts und der politischen Betätigung der Beamten mit aller Entschiedenheit ab. Wir sind vielmehr der Meinung: ein Beamter kann nur dann seine Pflichten dem Volke gegenüber voll erfüllen, wenn er selbst persönlich aktiven Anteil am politischen Leben hat, und es muß unserer Meinung nach Schluß gemacht werden mit der politischen Entrechtung der Beamten, die in keiner Weise, wie ich bereits gesagt habe, mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Die große 'Mehrzahl der Beamten wehrt sich mit vollem Recht gegen eine solche verfassungswidrige Behandlung. Diese Beamten kommen bei der Ablegung des von ihnen geforderten Eides in sehr ernste Gewissenskonflikte. Sie sind nämlich nach § 58 des neuen Beamtengesetzes verpflichtet, einen Diensteid folgenden Inhalts zu leisten:
Ich schwöre, das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und alle in der Bundesrepublik geltenden 'Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe.
Das ist der genaue Text, wie er im Beamtengesetz vorgesehen ist. Ich stelle die Frage: Wie kann ein Beamter einen solchen Eid mit voller Überzeugung leisten, wenn er selbst erfahren muß, daß ihm durch das Beamtengesetz Grundrechte abgesprochen werden, die das 'Grundgesetz allen anderen Staatsbürgern zubilligt?
Ich habe bereits davon gesprochen, daß dem Beamten ein volles Maß an Pflichten auferlegt wird. Betrachtet man demgegenüber einmal die wirtschaftliche Situation, insbesondere die der unteren und mittleren Beamten, dann kommt man allerdings zu der Feststellung, daß der größte Teil der Beamten keineswegs entsprechend der von ihnen geforderten Leistung und der zu tragenden hohen Verantwortung entlohnt wird. Diese -Tatsache ist der Regierung sehr wohl bekannt; sie hat aber, wie das Haus ja weiß, bisher nichts Entscheidendes unternommen, den berechtigten Forderungen der Beamten auf Erhöhung ihrer Bezüge Rechnung zu tragen. Sie hat die Beamten auf eine neue Gehaltsordnung vertröstet. Nach Lage der Dinge werden
({0})
die Beamten - das habe ich früher schon gelegentlich hier zum Ausdruck gebracht - aber noch sehr lange auf die Neuregelung ihrer Gehälter warten müssen, da die Regierung in diesem Hause erklärt hat, daß die Besoldungsreform erst in Angriff genommen werden soll, wenn das zur Beratung stehende Beamtengesetz verabschiedet sein wird. Abgesehen davon, daß das neue Beamtengesetz wahrscheinlich erst in Monaten zur Verabschiedung gelangen wird, wird nach den Erfahrungen der letzten zwei Jahre eine neue Besoldungsordnung für Beamte vielleicht erst in Jahren Wirklichkeit werden. Mit vollem Recht - das kann man immer wieder sagen - erheben die Beamten durch ihre Organisationen die berechtigte Forderung auf eine Entlohnung, die den gegebenen Verhältnissen entspricht und die Existenz ihrer Familien sichert.
Wie katastrophal die wirtschaftlichen Verhältnisse insbesondere bei den unteren und mittleren Beamten sind, geht aus einer Denkschrift des Deutschen Gewerkschaftsbundes hervor. Darin wird gesagt, daß der großte Teil der unteren und mittleren Beamten in großem Ausmaß verschuldet ist, und es wird ein Beispiel aus einer süddeutschen Großstadt gebracht, wonach bereits im Jahre 1949 an Beamte und Angestellte Unterstützungen und Beihilfen in Höhe von über 171 000 DM gezahlt werden mußten. Wer in der Geschäftswelt einmal nach der Verschuldung der Beamten fragt, wird zur Antwort bekommen, daß in einem fast nicht mehr tragbaren Umfang Abzahlungsgeschäfte getätigt werden müssen und daß in den Kundenlisten vieler Geschäftsleute das Konto zahlreicher Beamten offensteht.
Was die Stellung der weiblichen Beamten betrifft, so sind wir Kommunisten für die uneingeschränkte Gleichstellung der Beamtin mit ihrem mannlichen Kollegen. Wenn nun heute der Herr Innenminister zum Ausdruck gebracht hat, daß diese Stellung der Beamtin mit dem neuen Gesetz erreicht werden soll, so mag das vielleicht auf dem Papier für die kommende Zeit Gültigkeit haben; wer aber in solchen Fragen Erfahrung hat, der muß sehr wachsam sein, damit dann auch später dieses Gesetz gerade in dieser Frage restlos innegehalten wird, und da bestehen bei mir heute noch sehr große Zweifel.
Zum 'Schluß bringe ich zum Ausdruck, daß die kommunistische Fraktion die Forderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf eine Personalvertretung der Beamtenschaft unterstützt. Wir sind dafür, daß der Beamtenschaft das volle Mitbestimmungsrecht innerhalb eines allgemeinen Betriebsverfassungsgesetzes auch gesetzlich zugesichert wird. Ebenso unterstützen wir die Forderung des Deutschen Gewerkschaftsbundes auf Beteiligung der Gewerkschaften an der weiteren Gestaltung des Beamten- und Besoldungsrechts und auf Heranziehung der Gewerkschaften bei Entscheidungen über grundsätzliche Beamtenfragen.
Der vorliegende Entwurf eines neuen Beamtengesetzes entspricht den berechtigten Interessen und Forderungen der Beamtenschaft keineswegs in vollem Maße. Nach den bisherigen Erfahrungen ist auch kaum damit zu rechnen, daß, wenn dieses Gesetz nach monatelangen Beratungen im Ausschuß dem Hause wieder vorliegt, etwas wesentlich anderes daraus geworden ist.
({1})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Miessner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Frage des Außenseitertums pflegt gelegentlich das Wort „Frischer Wind in die Amtsstuben!" in die Debatte geworfen zu werden. Ich möchte, noch bevor die Ausschußberatungen beginnen - und wir werden uns ja vermutlich wochenlang über diesen Punkt unterhalten -, nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß wir eine erhebliche Anzahl von Menschen haben, die zweifellos diesen frischen Wind in die Amtsstuben bringen könnten und dennoch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht gefährden. Sie werden schon ahnen, welche Gruppe ich meine. Es ist die Gruppe derjenigen, die nach 1945 ihre Ämter verloren haben, da sie als Beamte aus dem Osten hierher gekommen oder damals aus ihren Stellungen herausgeworfen worden sind. Das sind Menschen, die einerseits die notwendigen Fachvoraussetzungen mitbringen und die sich andererseits den rauhen Wind des Lebens in äußerster Not als Arbeitslose oder in den verschiedensten Berufen in ganz besonderem Maße haben um die Nase wehen lassen. Sie verfügen über eine einwandfreie fachliche Berufserfahrung und zusätzlich über eine besondere Lebenserfahrung außerhalb des öffentlichen Dienstes.
Darum der Appell an alle diejenigen, die sich gerade von der Einstellung von Außenseitern so viel versprechen: Meine Damen und Herren, sorgen wir dafür, daß zunächst diese „Außenseiter", nämlich die 131er, den frischen Wind in die Amtsstuben bringen!
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk als letzte Rednerin in der Aussprache.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie können sich denken, wie sehr ich erfreut darüber bin, daß in dem neuen Beamtengesetzentwurf die Gleichberechtigung der Frau in der Form, wie es geschehen ist, verankert wurde. Aber da ich ein gerechter Mensch zu sein glaube, muß ich feststellen, daß die Gleichberechtigung des Mannes in dem Beamtengesetzentwurf leider nicht vollkommen verankert ist.
({0})
Wenn auch der Herr Innenminister berichtet hat, der Witwer einer Beamtin sei auch pensionsberechtigt, so sind doch die Pensionsansprüche des Ehemannes einer Beamtin absolut nicht etwa im Sinne der Gleichberechtigung ebenso wie die Pensionsansprüche der Ehefrau eines Beamten geregelt.
({1})
Ich wäre doch sehr dafür, daß man auch in diesem Falle bei der Ausschußberatung den Art. 3 des Grundgesetzes berücksichtigt.
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Darüber hinaus bitte ich, in das Beamtengesetz auch eine Arbeitsschutzbestimmung zugunsten Jugendlicher und eine Schutzbestimmung entsprechend dem Mutterschutz aufzunehmen. Bei der Besprechung des Mutterschutzgesetzes haben wir auf diese Möglichkeit und auf unsere Wünsche in dieser Beziehung bereits hingewiesen.
({3})
Nachdem bereits auf die Forderungen verschiedener Frauen, insbesondere der Witwen, die 15 Jahre jünger als der verstorbene Ehemann sind, hingewiesen worden ist, möchte ich mich darauf beschranken, zu erklären, daß ich die Forderungen dieser Frauen unterstütze und bitte, bei der Ausschußberatung zumindest - wenn es aus finanzpolitischen Gründen nicht möglich sein sollte, im Grundsatz von dem System abzuweichen - Ausnahmen für besondere Härtefälle, insbesondere bei Vorhandensein zahlreicher noch unversorgter Kinder oder bei plötzlichem Unglücksfall des Mannes oder für Frauen, die unter anderem Recht die Ehe geschlossen haben usw., zuzulassen.
'Sehr begrüße ich die in dem Gesetzentwurf vorgesehene Regelung der Abfindungsrente, die vielleicht mancher Frau, die mit Rücksicht auf häusliche Verpflichtungen aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden muß, diesen Entschluß erleichtert, weil sie weiß, daß sie beim Wegfall der Versorgung bei Vollendung des 65. Lebensjahres oder dauernder Arbeitsunfahigkeit eine Rente zu erwarten hat.
Sodann möchte ich noch auf ein anderes Moment hinweisen: die Versorgung des unehelichen Kindes eines Beamten. Auch da bitte ich, bei der Ausschußberatung zu überlegen, ob man im Hinblick auf die an sich schon recht schwierige Lage eines unehelichen Kindes den Unterhaltsbeitrag in Höhe des Kinderzuschlags nicht in ein Waisengeld umwandeln sollte, das für das uneheliche Kind in der Höhe zu zahlen ist, in der der Vater einen Unterhaltsbeitrag zu leisten hatte.
({4})
Den Ausführungen meiner Vorrednerin bezüglich der gleichberechtigten Behandlung der Beamtinnen bei Stellenbesetzungen und Beförderungen stimme ich durchaus zu, und ich möchte sie noch unterstreichen.
({5})
Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft. Ich schließe die allgemeine Aussprache der ersten Beratung.
Ich darf Ihre Zustimmung unterstellen, daß dieser Gesetzentwurf dem Ausschuß für Beamtenrecht überwiesen wird.
({0})
Nunmehr rufe ich auf den Punkt 1 der Tagesordnung:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beantwortung von Fragen, die anläßlich der Beratung des Haushalts des Auswärtigen Amtes gestellt wurden ({1});
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten ({2}) über die Entschließung der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951, hier: Einzelplan IV a - Haushalt des Auswärtigen Amtes ({3}).
Ich darf zunächst Herrn Abgeordneten Ollenhauer das Wort zur Begründung der Großen Anfrage geben und Ihnen vorschlagen, entsprechend dem Vorschlag des Ältestenrats für die Begründung der Großen Anfrage 20 Minuten und für die
Gesamtaussprache über den Punkt 90 Minuten vorzusehen. - Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Ollenhauer ({4}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Große Anfrage - Drucksache Nr. 2773 - nimmt Bezug auf die Debatte, die wir hier im Plenum des Bundestags über den Haushalt des Auswärtigen Amtes am 16. Oktober gehabt haben. Wir haben uns gezwungen gesehen, diese Große Anfrage einzubringen, weil nach unserer Überzeugung der Herr Bundeskanzler in seiner Antwort auf unsere Etatrede nicht auf die konkreten Fragen eingegangen ist, die wir ihm in dieser Rede gestellt hatten. Wir sind der Auffassung, daß Etatdebatten unter anderem und nicht zuletzt die Aufgabe haben, die Regierung zu veranlassen, auf Fragen aus der Mitte des Parlaments unmittelbar zu antworten.
({5})
Wir bedauern, daß gerade in diesem Falle der Herr Bundeskanzler jede Antwort auf unsere Fragen in seiner Rede am 16. Oktober verweigert hat. Er hat nicht zur Sache gesprochen; er hat sich auf unsere Forderung nach mehr Informationen lediglich auf eine Unterhaltung bezogen, die meine Freunde Schumacher und Schmid und ich selbst mit Herrn McCloy gehabt hatten.
Ich glaube, daß diese Beantwortung eine unmögliche Art der Auseinandersetzung zwischen Regierung und Parlament ist.
({6})
Wir möchten deshalb diese Große Anfrage benutzen, um in diesem Punkt unseren Standpunkt völlig klarzumachen und den Herrn Bundeskanzler nun durch die Aufstellung der einzelnen Fragen zu veranlassen, seiner Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament nachzukommen. Wir glauben, daß diese Anfrage heute insofern noch eine besondere aktuelle Bedeutung dadurch gewonnen hat, daß bei der dritten Lesung des Ratifizierungsgesetzes zum Schumanplan auch die Frage der Beziehungen zwischen Regierung und Opposition vom Herrn Bundeskanzler erneut zur Diskussion gestellt wurde.
Ich habe schon am letzten Freitag darauf hingewiesen, daß die erste Voraussetzung für jede Unterhaltung über dieses Kapitel ist, daß die Regierung, in diesem Fall der Herr Bundeskanzler und Außenminister, die SPD laufend und ausführlich über alle wichtigen Vorgänge auf dem Gebiet der Außenpolitik unterrichtet, und zwar nicht erst im Stadium vorgeschrittener Verhandlungen. sondern am Beginn derartiger Verhandlungen.
({7})
Abgesehen von diesem Punkt: wir sind der Meinung, daß die Regierung in Erfüllung ihrer Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament viel mehr tun sollte, als sie bisher getan hat, und zwar noch aus einem anderen Grunde. Wir haben seit der Konstituierung der Bundesrepublik die Erfahrung gemacht, daß in der deutschen Bürokratie - in den Ländern und auch hier im Bund - bis zum heutigen Tage sehr oft jedes Verständnis für das Verhältnis zwischen Bürokratie und Parlament in der Demokratie fehlt.
({8})
Ich glaube, jede Regierung kann in der Erziehung
der Bürokratie zum Respekt vor dem Parlament
({9})
sehr viel beitragen, wenn sie selbst ihr Verhältnis zum Parlament auf dieser Basis der Respektierung des Parlaments als der höchsten verantwortlichen Instanz in einer Demokratie regelt.
Wir sind der Überzeugung, daß das Verhalten des Herrn Bundeskanzlers gegenüber dem Parlament in diesem konkreten Fall, über den ich heute spreche, aber auch bei anderen Gelegenheiten sehr viel dazu beiträgt, daß die notwendige Umerziehung der Bürokratie im Sinne der Demokratie nur sehr langsame Fortschritte macht.
({10})
Ich meine, es sollte das Anliegen des ganzen Hauses sein, hier den Standpunkt zu vertreten: wenn von diesem Platz aus ein Abgeordneter des Hauses an die Regierung oder an einzelne Mitglieder der Regierung Fragen richtet, dann sollte die Regierung in jedem Falle auf diese Fragen antworten.
({11})
Nur so kann klargemacht werden, daß jeder Minister jeder Regierung jedem Abgeordneten, als dem Repräsentanten des Volkes für sein Tun und Lassen hier verantwortlich ist.
({12})
Es ist unser Wunsch, daß der Herr Bundeskanzler in dieser Beziehung den Mitgliedern seiner Regierung mit gutem Beispiel vorangeht,
({13})
dies um so mehr, als wir ja - und zwar in meiner Rede zum Etat des Auswärtigen Amtes - eine Reihe von Fragen gestellt haben, die nun wirklich keine Lappalien betreffen. Wir haben sie nicht zum Vergnügen gestellt, und wir haben sie nicht gestellt, um unserer Kritik am Auswärtigen Amt und seiner Politik noch einige Lichter aufzustecken, sondern wir haben sie gestellt, weil wir glauben, daß das Parlament und das Volk, die deutsche Öffentlichkeit einen Anspruch darauf haben, Antworten auf diese Fragen von sehr weittragender Bedeutung für unser Geschick und für unsere auswärtige Politik zu erhalten.
Ich will heute bei der Begründung dieser Interpellation in der Sache nicht auf alle Einzelheiten eingehen; aber ich will die Fragen noch einmal stellen und ich will unterstreichen, welche Überlegungen uns bei den einzelnen Fragen geleitet haben.
Die erste Frage unserer Großen Anfrage bezieht sich auf die Saar. Wir haben in der letzten Woche im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Schumanplans eine Diskussion über diese Angelegenheit gehabt. Wir müssen aber leider feststellen, daß wir in der Sache selbst in bezug auf die Pläne und Absichten der Regierung auch durch diese neuerliche Debatte um keinen Schritt vorangekommen sind. Es genügt nicht - und ich glaube, es ist wirklich für niemanden befriedigend -, wenn der Herr Bundeskanzler in dieser Frage seinen Optimismus erneut unterstreicht und der Zuversicht Ausdruck gibt, daß in absehbarer Zeit eine befriedigende Regelung erfolgen würde. Wir möchten wissen - und deshalb wiederhole ich heute die Frage noch einmal -, was der Herr Bundeskanzler und Außenminister zu tun gedenkt, wenn in der nächsten Sitzung des Ministerrats in Straßburg der Herr Bundeskanzler diese Frage, wie er zugesagt hat, zur Diskussion stellt. Welches sind seine Vorstellungen über den Inhalt seiner Intervention, welches sind seine Pläne für die Behandlung der Angelegenheit in diesem Gremium?
({14})
- Herr Wuermeling, es handelt sich nicht darum, daß wir hier im einzelnen eine Auskunft darüber wunschen, in welcher Form der Herr Bundeskanzler diese Verhandlungen fuhrt. Aber die Vorstellungen, von denen er ausgeht, bilden doch eine so wichtige politische Angelegenheit, daß das Parlament ein Recht darauf hat oder erheben kann, sie vorher kennenzulernen. Wir koenen doch unmöglich in der Praxis fortfahren, daß das Parlament immer erst am Ende öder nach Abschluß von Verhandlungen über deren Richtung und Inhalt informiert wird.
({15})
Zu der zweiten Frage möchte ich folgendes sagen. Ich finde, das ist eine Frage, von der man geradezu sagen könnte, sie könnte von der Regierung bei der Opposition bestellt sein; denn sie gibt der Negierung die Moglichkeit, in einer sehr entscheidenden Angelegenheit die Initiative zu ergreisen. Sie wissen, mit welchem Nachdruck wir bei der Debatte über den Haushalt des Auswärtigen Amtes die Frage der Zuständigkeit, die Frage der Kompetenz der Bundesrepublik behandelt haben. Ich will nichts von unseren Argumenten aus der damaligen Debatte wiederholen; aber ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, wie merkwürdig die Situation ist, in der wir uns zur Zeit als Bundesrepublik befinden.
Die Bundesregierung verhandelt seit Wochen, ja, seit Monaten, über einen Generalvertrag. Dieser soll nach dem Willen der Alliierten und sicher auch nach den Erwartungen der Bundesregierung das Besatzungsstatut ablosen und für die Bundesrepublik eine Ordnung schaffen, die bis zu einem endgültigen Friedensvertrag gültig bleiben soll, d. h. es ist ein Dokument von außerordentlicher Tragweite. Was wir wissen möchten, ist folgendes. Verhandelt die Regierung mit den Alliierten über diesen Vertrag auf der Basis unserer gemeinsamen Auffassung, daß die Bundesregierung stellvertretend für das ganze deutsche Volk spricht, so wie es die Alliierten im Herbst vorvorigen Jahres selber anerkannt haben? Oder aber betrachten die Verhandlungspartner die Bundesregierung nur, wie es in der Note vom 29. Mai 1951 heißt, als Partner für das Gebiet Deutschlands, in dem heute das Grundgesetz Gültigkeit hat?
Meine Damen und Herren, es kann doch niemand darüber im Zweifel sein, daß es sich um eine Frage von elementarster Bedeutung handelt. Was wir wissen möchten, ist: Hat die Bundesregierung bei Beginn dieser Verhandlungen die Alliierten vor die Frage gestellt, welches Mandat sie der Bundesregierung in diesen Verhandlungen zubilligen, welcher ihrer Standpunkte der maßgebende für die Verhandlungen ist? Gibt es irgendeine Stellungnahme, eine Note, irgendeine Intervention der Bundesregierung in dieser Angelegenheit gegenüber den Verfassern der Note vom 29. Mai 1951? Ich muß sagen, wir sind außerordentlich darüber beunruhigt, daß bis heute keine verantwortliche Erklärung der Regierung dazu vorliegt. Ich meine, es ist Zeit, daß wir die Auffassung des Herrn Bundeskanzlers kennenlernen und jetzt insbesondere erfahren: Hat der Herr Bundeskanzler zu diesem Punkt der Note offiziell Stellung genommen, ist ein Schritt bei den Alliierten erfolgt, und wie ist
({16})
die Lage im Zusammenhang mit den Verhandlungen über den Generalvertrag? Das ist ein Punkt, der unter allen Umständen geklärt werden muß, ehe wir hier in eine Debatte über den materiellen Inhalt der jetzt zur Verhandlung stehenden Verträge eintreten können.
Nun, meine Damen und Herren, zu dem dritten Punkt unserer Interpellation. Wir haben uns da mit gewissen Aktivitäten des Herrn Staatssekretärs Professor Hallstein beschäftigt. Ich habe nicht die Absicht, ebenso wenig wie mein Freund Walter Menzel, der hier bei der Beratung des Beamtengesetzes dieses Thema auch schon kurz erwähnt hat, sie gehabt hat, eine persönliche Attacke gegen den Herrn Staatssekretär zu reiten. Was wir an seiner politischen Haltung auszusetzen haben, kann Gegenstand von Auseinandersetzungen bei anderen Gelegenheiten und an anderer Stelle sein. Sie wissen, daß wir allerlei auszusetzen haben. Wir haben diesen Punkt vielmehr wiederum aus der Überlegung heraus aufgegriffen, daß es notwendig ist, das Verhältnis der politischen Beamten der Bundesregierung zur Regierung und zum Parlament zu klären: Das System der Kommissare, das System der politisierenden Staatssekretäre ist einfach unerträglich;
({17})
denn, meine Damen und Herren, es verschiebt die Verantwortlichkeit zugunsten der Bürokratie in bedenklicher Weise.
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Wir können uns über die Frage der Staatssekretäre unterhalten. Ich bedauere, daß eine solche Unterhaltung nicht bei der Konstituierung der Bundesrepublik und bei der Bildung ihrer ersten Regierung stattgefunden hat. Wenn die Regierung der Meinung ist, daß sie Staatssekretäre braucht, und zwar nicht nur als jeweils ersten Mann in der Verwaltung, sondern als die politischen Stellvertreter der Minister, dann, bitte, schaffen Sie das System der parlamentarischen Staatssekretäre, von denen dann jedermann weiß, daß sie wie Minister dem Parlament für ihr Tun und Lassen verantwortlich sind.
({19})
Sie sind diesen Weg nicht gegangen. Sie haben eine Art von Mittelding geschaffen. Ich weiß nicht, ob es in der Absicht gelegen hat oder ob es sich durch die Aktivitäten der Staatssekretäre so entwickelt hat. Das Parlament bringen Sie damit in die Position, daß es diesen Typ des Beamten bei wichtigen politischen Fragen hier nicht zur Verantwortung ziehen kann, weil der Staatssekretär vom Parlament natürlich nicht in der Form wie ein Minister behandelt werden kann.
({20})
- Der Minister hat seine Verantwortlichkeit für seine Beamten im Gebiet der Verwaltung; aber es ist eine völlig andere Sache, wenn wir immer wieder erleben, daß Staatssekretäre dieser Regierung völlig selbständig neben dem verantwortlichen Minister öffentlich agieren.
({21})
- Lesen Sie die Reden und hören Sie den Rundfunk, dann werden Sie wahrscheinlich auch darauf kommen, daß das eine Eigenmächtigkeit ist, die doch wohl nicht in Übereinstimmung ist mit den Grundsätzen, die in der parlamentarischen Demokratie angewendet werden sollen.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie die Dinge nicht leicht. Wohin dieses System führt, haben wir mit aller Klarheit und Eindeutigkeit in der vergangenen Woche gesehen. Das Verhalten der Regierung in der Schumanplan-Debatte war mit das Erstaunlichste, was man in einer parlamentarischen Demokratie erleben konnte.
({22})
Wir haben erlebt, daß der Herr Bundeskanzler, der selbstverständlich in dieser entscheidenden Frage der Wortführer der Regierung sein mußte, völlig allein die Sache der Regierung vertreten hat.
({23})
- Ich habe j a gar nicht gesagt, daß er es schlecht gemacht hat!
({24})
- Die Situation war die, daß der Staatssekretär, sicherlich aus seiner intimen Kenntnis der Vertragsverhandlungen und des Vertragswerkes, in jedem speziellen Falle der einzige Sprecher neben dem Bundeskanzler für die Regierung war. Es wäre sehr interessant für das Haus gewesen, z. B. zu den wirtschaftspolitischen Fragen den Herrn Wirtschaftsminister zu hören,
({25})
der ja doch sonst auch sehr redegewandt und redefreudig ist; es wäre sehr interessant gewesen, zu hören, was der Herr Justizminister zu den außerordentlich wichtigen verfassungsrechtlichen Fragen zu sagen hat,
({26})
und es war doch bemerkenswert, daß zu dem Komplex der Sozialpolitik der Herr Arbeitsminister hier nicht ein einziges Wort vorgebracht hat,
({27})
so daß wir tatsächlich die einzige Mitwirkung der Mitglieder der Regierung bei diesem wichtigen Vertragswerk sich darin erschöpfen sahen, daß sie bei der Abstimmung auch mit Ja stimmten. Ich meine, das ist eine ungenügende Erfüllung der Aufgabe, und es ist vor allem auch eine absolut ungewöhnliche und, glaube ich, untragbare Herausstellung des verantwortlichen Staatssekretärs, der ja hier im Parlament nicht als Repräsentant der Regierung agieren und nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
Diese Frage möchten wir ebenfalls hier aufgebracht haben, mit der Bitte, daß der Herr Bundeskanzler über seine Auffassung und seine Vorstellungen von der Abgrenzung dieser Funktionen eine klare und eindeutige Antwort gibt. Wir bringen das heute vor, weil wir noch nicht am Ende dieser Entwicklung sind. Ich will späteren Debatten nicht vorgreifen; aber, meine Damen und Herren, finden Sie nicht auch, daß wir in eine unmögliche Position kommen, wenn _das deutsche Volk z. B. wichtige Einzelheiten über die Pariser Verhandlungen über den sogenannten deutschen Wehrbeitrag nicht etwa aus dem Munde eines verantwortlichen Ministers in einer Erklärung gegenüber dem Parlament erhält, sondern durch den Leiter eines Spezialamtes, der dort in einer technisch-politischen Funktion eine konkrete Aufgabe zu erfüllen hat, der aber doch nicht der Sprecher der Regierung in einer solchen Lebensfrage sein kann?
({28})
Sie wissen so gut wie wir, welche großen Spannungskomplexe in diesem Problem stecken. Die sachlichen Meinungsverschiedenheiten sind ungeheuer groß. Aber wir warnen Sie in diesem Sta({29})
dium, in der Methode, die Sie jetzt eingeschlagen haben, fortzufahren.
({30})
Stellen Sie die Dinge hier vor dem Parlament durch die verantwortlichen Träger der Regierungspolitik zur Debatte, dann können wir sie hier austragen, so wie es sich in einer parlamentarischen Demokratie gehört. Es geht hier, wie gesagt, gar nicht um das Urteil über den einen oder den anderen Ihrer Mitarbeiter oder um seine Wertschätzung, Herr Bundeskanzler; es geht um das Prinzip der klaren, eindeutigen politischen Verantwortlichkeit der Regierung und ihrer Mitglieder gegenüber dem Parlament und die, ich möchte sagen, Zurückweisung aller Versuche, aus Beamtenfunktionen oder beamtenähnlichen Funktionen heraus eine politische Aktivität zu entfalten.
In bezug auf die Frage 4 kann ich mich kurz fassen; sie ist Gegenstand von Verhandlungen. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir hier wiederum vor einem Punkt stehen, in dem wir glauben, daß die Regierung ihrer Verpflichtung gegenüber dem Parlament nicht nachkommt. Der Bundestag hat am 14. Februar vorigen Jahres auf Antrag der sozialdemokratischen Fraktion - ich glaube, fast einstimmig - einen Beschluß gefaßt, in dem gefordert wurde, eine Gesamtaufstellung über Kriegsgefangene, festgehaltene oder verurteilte Zivilpersonen, verschleppte Zivilpersonen, vermißte Zivilpersonen und Wehrmachtvermißte zu machen. Wir haben darüber hinaus beschlossen, daß alle Maßnahmen auf diesem Gebiet in einer Hand konzentriert werden sollen. Das war vor fast einem Jahr. Das Kabinett hat bis heute diesen Beschluß des Bundestags nicht durch einen Kabinettsbeschluß realisiert. Es mag sein, daß es dafür Gründe gibt. Ich glaube nicht, daß sie ausreichend sind. Aber es geht nicht an, selbst wenn man solche Gründe hat, Beschlüsse des Bundestags einfach in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Ich hoffe, daß die Fragen, die ich heute, gezwungen durch die ausweichenden Antworten des Herrn Bundeskanzlers oder durch die Verweigerung seiner Antwort bei der Debatte über den Haushalt, hier noch einmal stellen mußte, den Herrn Bundeskanzler veranlassen, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen und uns Klarheit darüber zu verschaffen, wie die Regierung in den einzelnen Fragen zu handeln beabsichtigt, insbesondere auch darüber, in welcher Form sie die Verantwortlichkeiten in der Regierung gegenüber dem Parlament in der Zukunft festzulegen gewillt ist, ob sie gewillt ist, dafür zu sorgen, daß politische Stellungnahmen, politische Entscheidungen dieser Regierung nur durch ihre Mitglieder und niemand anderen und in erster Linie vor diesem Parlament zur Kenntnis der Abgeordneten und des Volkes gebracht werden.
({31})
Als Berichterstatter zu Punkt 1 b der Tagesordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Altmaier.
Altmaier ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der hier zur Beratung aufgerufene Antrag der FDP auf Drucksache Nr. 2838 ist ein Ausschnitt aus dem Kapitel Personalpolitik des Auswärtigen Amtes, mit dem sich der 7. Ausschuß seit Jahr und Tag immer wieder beschäftigt hat. Es handelt sich hier darum, die Bundesregierung zu ersuchen, darüber Bericht zu erstatten, wie und wieweit sie einen Auftrag erfüllt hat, den ihr der Haushaltsausschuß und zugleich der Bundestag seinerzeit erteilt haben.
In dem vom Parlament bewilligten Etat für 1950 waren insgesamt 129 höhere Beamtenstellen für das Auswärtige Amt vorgesehen. Zu der Zeit, als der vorliegende Antrag der FDP den Auswärtigen Ausschuß beschäftigte, waren jedoch nur 23 Stellen planmäßig besetzt. Auf allen anderen Stellen versahen Angestellte oder kommissarische Beamte den Dienst, über denen täglich das Damoklesschwert hing, wieder entlassen zu werden. Was das für das Arbeitsverhältnis und für den Geist bedeutet, in dem der Dienst geleistet wird, braucht nicht besonders dargelegt zu werden. Prozentual besser, wenn auch immer noch sehr ungenügend, war es bei den im Ausland zu besetzenden Stellen. Von 27 im Etat bewilligten Generalkonsulatsposten I. Klasse waren nur 19 besetzt, von 16 bewilligten Generalkonsulatsposten II. Klasse gar nur 6. Die so wichtigen Abteilungen für Handelspolitik und Kulturpolitik befinden sich immer noch in embryonalem Zustand. Sollte sich in den seitdem verflossenen zwei Monaten etwas zum Besseren geändert haben, so würden wir es dankbar begrüßen.
({1})
- Ich bin beauftragt,
({2})
- ohne Tendenz die Tatsachen zu berichten, was ich hier tue. Da drei Monate vergangen sind, seitdem der Ausschuß sich damit beschäftigt hat, darf ich wohl erklären, daß, wenn sich etwas zum Besseren geändert hat, der Ausschuß das dankbar begrüßt. Ich glaube, daß das zur Berichterstattung gehört.
({3})
Der Ausschuß ist der Ansicht, daß bei aller Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die sich beim Neuaufbau eines auswärtigen Dienstes ergeben, die Anlauffrist zum Wiederaufbau überschritten ist und das bisherige Schneckentempo nicht weitergehen darf, wenn nicht wichtige politische, ökonomische und kulturelle Interessen der Bundesrepublik Schaden nehmen sollen.
Der Ausschuß bittet deshalb die Regierung, dem Hohen Hause Bericht zu erstatten, weshalb es ihr nicht möglich gewesen ist, die bewilligten Posten in diesem Etatsjahr zu besetzen.
Wir treten nunmehr in die Aussprache ein.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Der Herr Abgeordnete Ollenhauer hat seine Ausführungen, die er weit über die Interpellation ausgedehnt hat, damit begründet, daß ich die Antwort auf die Fragen, die seinerzeit bei Beratung des Haushaltsplans des Auswärtigen Amtes gestellt worden seien, verweigert hätte oder jedenfalls diese Fragen nicht beantwortet hätte. Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren, daß diese Fragen in jener Sitzung vom Herrn Abgeordneten Luetkens gestellt worden sind, in jener Sitzung, die infolge der Ausführungen des Herrn Abgeordneten Luet({0})
kens einen völlig anderen Lauf genommen hat, als ursprünglich beabsichtigt war,
({1})
und daß in jener Sitzung wirklich kein Platz dafür gewesen ist, auf diese Fragen einzugehen.
({2})
Wenn mir unterstellt wird, daß ich absichtlich nicht auf diese Fragen eingegangen sei, so ist das" ein Irrtum; ich bin gern bereit, auf die Fragen einzugehen.
Herr Abgeordneter Ollenhauer hat zuerst gefragt, was hinsichtlich der Vorstellungen geschehen sei, die ich im Ministerrat des Europarates erheben will. Wie Sie wissen, meine Damen und Herren, habe ich am 29. Mai eine Note an die Alliierte Hohe Kommission gerichtet, in der ich die drei Regierungen, die in der Hohen Kommission vertreten sind, gebeten habe, die geeigneten Schritte zu unternehmen, damit im Saargebiet die Grundrechte geachtet würden. Die Antwort auf diese Note habe ich am 3. August erhalten, als ich an einer Sitzung des Ministerrats des Europarates teilnahm. Seit der Zeit hat keine Sitzung des Ministerrats des Europarats stattgefunden. Voraussichtlich wird die nächste Sitzung stattfinden, sobald die Tagung der Atlantikpaktstaaten in Lissabon stattgefunden hat, d. h. wie man heute annehmen kann, in der zweiten Hälfte oder Ende Februar.
Herr Abgeordneter Ollenhauer hat dann die Frage gestellt, in welcher Richtung ich dort vorstellig werden wolle. Nun, die Richtung ist ganz klar: Im Ministerrat des Europarats dürfen nach dem Statut des Europarats politische Fragen nicht erörtert werden. Dagegen hat auch die Saarregierung die Konvention über die Grundrechte unterschrieben, und auf Grund dieser Konvention werde ich die Angelegenheit im Ministerrat zur Sprache bringen.
Zu der zweiten Frage darf ich folgendes sagen: In der Interpellation geht man davon aus, daß ein Widerspruch zwischen der Note der westalliierten Regierungen vom 3. August 1951, der Antwort auf unsere Saarnote und der Stellungnahme der Alliierten in ihrer Note vom 23. Oktober 1950 bestünde. Ich bin der Auffassung, daß kein Widerspruch besteht. Die Annahme, daß ein solcher Widerspruch bestehe, geht von einer nicht zutreffenden Übersetzung der Saarnote aus.
({3})
- Ja, die haben Sie nicht richtig übersetzt, meine Damen und Herren, nicht wir.
({4})
Wir haben der Presse den französischen Text gegeben, und in der französischen Note
({5})
heißt es, daß die „juridiction", die Jurisdiktion der Bundesrepublik an ihren Grenzen haltmache. Jurisdiktion ist aber nicht identisch mit Zuständigkeit, sondern Jurisdiktion heißt „Regierungsgewalt". Daß die Regierungsgewalt der Bundesrepublik tatsächlich an ihren heutigen Grenzen haltmacht, das ist doch eine Feststellung, die nicht bestritten werden kann.
In der Note vom - - entschuldigen Sie einen Augenblick! Haben Sie ({6}) die Note da? - Ich werde Ihnen, meine Damen und Herren, den Passus - ich habe ihn jetzt, danke sehr - der Note vom 23. Oktober 1950 vorlesen. Darin heißt es:
Die drei Regierungen sehen in der Bundesrepublik die einzige deutsche Regierung, die für Deutschland sprechen und das deutsche Volk bis zur. Wiedervereinigung Deutschlands in internationalen Angelegenheiten vertreten kann.
Ich bin der Auffassung, daß es sich in der Saarfrage nicht um eine internationale Angelegenheit handelt, in der wir die Saar international zu vertreten haben." Denn Sie wissen, daß nach unserer Auffassung die Saar zu dem Gebiet des früheren Deutschen Reiches gehört, dessen Grenzen auch von den Westalliierten als zur Zeit bestehend anerkannt sind, und daß die endgültige Regelung dieser ganzen Fragen erst im Friedensvertrag erfolgen soll. Ich bin also zu Ziffer 2 der Interpellation der Auffassung, daß ein Widerspruch zwischen diesen beiden Noten der Westalliierten nicht besteht und ich daher auch keine Veranlassung hatte, in einer Note auf einen unseres Erachtens nicht vorhandenen Widerspruch aufmerksam zu machen.
Zu Nr. 3, meine Damen und Herren. Da darf ich zunächst eins vorausschicken: In der Interpellation ist darauf Bezug genommen, daß ich in der Sitzung des Bundestages vom 16. Oktober erklärt habe, man solle bei schwebenden internationalen Verhandlungen darüber nicht in der Öffentlichkeit sprechen. Ich habe aber noch etwas Weiteres gesagt. Ich habe gesagt, daß man über Verhandlungen nicht in einem Stadium sprechen solle, in dem das Sprechen darüber schädlich sei.
Meine Damen und Herren, nun ein Wort zu den allgemeinen Ausführungen des Herrn Abgeordneten Ollenhauer über die Stellung der Staatssekretäre. Ich bin der Auffassung - und ich glaube, ich gebe Ihnen damit auch die Auffassung aller meiner Ministerkollegen wieder -, daß für den Staatssekretär und für die Äußerungen, die er als solcher macht, der zuständige Minister die Verantwortung hat.
({7})
Sie haben also, wenn Sie der Auffassung sind, daß ein Staatssekretär in dieser seiner Funktion politische Äußerungen gemacht habe, in dem zuständigen Minister die Persönlichkeit, die verantwortlich ist und an die Sie sich halten können.
({8})
Daß ein beamteter Staatssekretär - dieser Ausdruck ist in der Interpellation wiederholt gebraucht worden, und er ist ja auch richtig; nur lassen Sie mich hier doch einfügen, daß der Staatssekretär ein politischer Beamter ist und als solcher auch ausdrücklich gekennzeichnet ist -, also, meine Damen und Herren, daß ein Staatssekretär befugt sein muß, mit Zustimmung seines Ministers innerhalb seines Ressorts Ausführungen zu machen über die Stellungnahme seines Ministers, über die Stellungnahme der Bundesregierung, ist nach meiner Meinung absolut selbstverständlich.
({9})
Es wird immer davon gesprochen, in einer parlamentarisch regierten Demokratie dürfe so etwas nicht der Fall sein. Es ist in allen parlamentarisch regierten Demokratien der Fall! Daher kann ich nicht anerkennen, daß Herr Staatssekretär Hallstein bei diesen seinen Äußerungen, die nichts anderes beinhalteten als eine Wiedergabe der Absichten
({10})
der Bundesregierung, über den Umfang der Tätigkeit eines Staatssekretärs hinausgegangen ist,
({11})
wobei, wie ich nochmals betone, in allen solchen Fällen der zuständige Ressortminister die politische Verantwortung gegenüber dem Parlament zu übernehmen hat.
In der Interpellation ist dann tadelnd erwähnt worden, der Staatssekretär habe hierbei Beschlüsse des Bundesrates außer acht gelassen. Meine Damen und Herren, hier scheint mir die Interpellation doch einen gewissen Widerspruch zu enthalten. Wenn man dem Staatssekretär vorwirft, er habe .bei seinen Ausführungen Beschlüsse des Bundesrates außer acht gelassen, dann konzediert man ihm doch, daß er das Recht habe, diese Ausführungen zu machen;
({12})
und dann wirft man ihm doch vor, daß er diese Ausführungen unvollständig gemacht habe.
({13}) Aber ich kann auch nicht anerkennen, daß es bei den Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Hallstein in den beiden Fällen - ich kenne diese Ausführungen - nötig gewesen wäre, von diesen Beschlüssen des Bundesrates zu sprechen, um ein wirklich zutreffendes Bild der ganzen Sachlage zu geben.
Ich komme nun zu Ziffer 4 der Interpellation. Auch hier wird der Vorwurf erhoben, die Bundesregierung habe nicht den Auftrag des Parlaments erfüllt. Mir scheint, meine Damen und Herren, daß der Herr Abgeordnete Ollenhauer das Urteil über die Bundesregierung etwas vorschnell gefaßt' hat. Ich meine, man sollte auch über einen politischen Gegner erst dann urteilen, wenn der Tatbestand vorliegt.
({14})
- Das ist doch wohl ein anerkannter Grundsatz, gegen den Sie nichts einwenden können!
({15}) Deswegen, meine Damen und Herren, möchte ich Ihnen den Tatbestand mitteilen. Dann bleibt es Ihnen ja überlassen, ein Urteil zu wiederholen oder das Urteil abzuändern.
In Ausführung dieses Bundestagsbeschlusses vom 21. Februar, eines Beschlusses, meine Damen und Herren, dem schon umfangreiche Arbeiten der Bundesregierung auf demselben Gebiet vorangegangen waren, sind diese Arbeiten intensiv fortgeführt worden, um eine Gesamtdokumentation aller kriegsgefangenen und verschleppten Personen fertigzustellen. An der Durchführung dieser ungeheuer schwierigen und umfangreichen Aufgabe hat sich, soweit es sich um die Kriegsgefangenen und Wehrmachtvermißten handelt, das. Deutsche Rote Kreuz in München beteiligt. Das Deutsche Rote Kreuz in Hamburg erstellt die Gesamtdokumentation der verschleppten und festgehaltenen Zivilpersonen. Teilgebiete werden vom Evangelischen Hilfswerk in München und vom Kirchlichen Suchdienst bearbeitet. Die Ermittlungen über die Kriegsgefangenen und Wehrmachtvermißten sind im großen und ganzen abgeschlossen. Wenn ich sage „im großen und ganzen" - und das gilt auch für die Ziffern, die ich Ihnen weiter noch geben werde -, müssen Sie sich immer vor Augen halten, daß alle diese Ziffern nur annähernde Ziffern sind; im einen Falle werden sie der Wahrheit näherkommen, im anderen Falle werden sie voraussichtlich hinter der Wirklichkeit zurückbleiben. Das liegt eben in der Schwierigkeit des ganzen Gebietes. Hinsichtlich der verschleppten Zivilpersonen ist j a die Arbeit besonders schwierig, und hier kann ich Ihnen erst vorläufige Ergebnisse mitteilen.
Die Wehrmachtvermißten-Kartei weist zur Zeit noch 1,3 Millionen vermißte Wehrmachtangehörige aus. Wieviel davon tot sind, wieviel davon - ich spreche jetzt zunächst von Sowjetrußland - noch von Sowjetrußland entgegen den von Sowjetrußland abgegebenen offiziellen Erklärungen dort zurückgehalten werden, können wir nicht irgendwie genau sagen. Aber, meine Damen und Herren, entgegen den offiziellen Erklärungen Sowjetrußlands besitzen wir die Namen von 106 000 noch lebenden, in Sowjetrußland zurückgehaltenen Kriegsgefangenen.
({16})
Wir haben allen Anlaß zu der Annahme, daß diese Zahl von 106 000 - ich wiederhole: das sind Namen von noch lebenden Kriegsgefangenen in Sowjetrußland, in deren Besitz wir sind ({17})
noch übertroffen wird. Wir haben allen Anlaß zu der Annahme, daß eine weit größere Zahl von deutschen Kriegsgefangenen in Sowjetrußland zwangsweise zurückgehalten wird.
({18})
Verschleppt wurden nach Sowjetrußland 700 000 deutsche und volksdeutsche Zivilpersonen,
({19}) eine erschreckend hohe Ziffer, hinter der ein furchtbares Elend steckt.
({20})
Davon leben zur Zeit nach unseren Feststellungen mindestens noch 170 000 und werden in Sowjetrußland zurückgehalten.
({21})
Wir haben weiter ermitteln können, daß in der Tschechoslowakei noch mehr als 12 000 Zivilpersonen in Haftanstalten festgehalten werden. Wir besitzen die Namen von 5679 in der Tschechoslowakei in Haft gehaltenen Zivilpersonen.
({22})
In Polen werden rund 20 000 Zivilpersonen zurückgehalten; wir besitzen die Namen von 7265 in Polen zurückgehaltenen Deutschen.
Die Bundesregierung wird dieses gesamte Material bei den bevorstehenden Besprechungen mit dem Kriegsgefangenenunterausschuß der Vereinigten Nationen vorlegen und dem Bundestag dann so schnell wie möglich das endgültige Ergebnis ihrer Ermittlungen mitteilen.
({23})
Zu 1 b Herr Staatssekretär Hallstein!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe vornehmlich einige statistische Mitteilungen zu machen, die die Ausführungen des Herrn Berichterstatters zu dem Punkt 1 b der Tagesordnung ergänzen sollen. Der Sachstand, wie ihn der Herr Berichterstatter dem Hohen Hause dargelegt
({0})
hat, und die Zahlen, die er erwähnt hat, waren, soweit ich das im Augenblick übersehen kann, für den Stichtag, den er genannt hat, im wesentlichen richtig. Dieser Stichtag liegt aber, wie der Herr Berichterstatter zu erwähnen nicht unterlassen hat, etwa drei Monate zurück, und seit diesem Zeitpunkt ist die Aufbauarbeit im Auswärtigen Amt stärker vorangeschritten.
Ich möchte vor allem darauf hinweisen, daß das Auswärtige Amt im Gegensatz zu allen anderen obersten Bundesbehörden zum ersten Mal im Jahre 1950 einen selbständigen Haushaltsplan erhalten hat. Dieser Haushaltsplan ist aber erst am 30. Juni 1951 in Kraft getreten, so daß mit der Einweisung der Beamten und Angestellten in die in diesem Haushalt vorgesehenen Planstellen erst in der zweiten Hälfte 1951 begonnen werden konnte. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es nur einen provisorischen Haushalt der Dienststelle für Auswärtige, Angelegenheiten, und dieser Haushalt sah für das Inland 25 Beamtenplanstellen des höheren und 44 Beamtenplanstellen des mittleren und gehobenen Dienstes vor. Diese 69 Beamtenplanstellen sind heute ohne Ausnahme besetzt.
Erst der am 30. Juni 1951 in Kraft getretene Haushalt des Auswärtigen Amtes brachte eine Vermehrung der Planstellen im Inland für den höheren Dienst von 25 auf 129, für den übrigen Dienst von 44 auf 201. Von den 129 Planstellen des höheren Dienstes sind zur Zeit 105 Planstellen tatsächlich besetzt oder verwaltet. 40 Beamte des höheren Dienstes sind inzwischen in ihre Planstellen übernommen worden; bei 25 weiteren läuft das Ernennungsverfahren, so daß noch bis zum Ende dieses Monats mehr als die Hälfte der im Haushalt 1950 bewilligten Planstellen des höheren Dienstes ordnungsgemäß besetzt sein werden.
Bei den übrigen 40 Beamten oder Angestellten des höheren Dienstes handelt es sich im wesentlichen um kommissarische Beamte oder um Angestellte, deren Bewährung zunächst abgewartet werden muß. Einer sofortigen endgültigen Übernahme dieser Beamten und Angestellten stehen die Bestimmungen des Beamtengesetzes entgegen, nach denen ein kommissarischer Beamter erst mindestens ein Jahr bei einer obersten Bundesbehörde tätig gewesen sein soll, bevor er endgültig übernommen werden kann, während die Probezeit bei Angestellten im allgemeinen drei Jahre betragen soll.
Bei den Beamten des gehobenen, mittleren und unteren Dienstes ist das Verhältnis von endgültig übernommenen zu kommissarisch tätigen Beamten und Angestellten noch wesentlich günstiger. Von den insgesamt für das Inland bewilligten 201 Planstellen waren am 15. Januar dieses Jahres 104 planmäßig besetzt, während für rund 30 weitere Beamte das Ernennungsverfahren läuft. Hier ergibt sich also das Bild, daß heute, d. h. also sechs Monate nach Inkrafttreten des Haushaltsplans, über 50 % der Stellen planmäßig besetzt sind.
Ich darf diese Gelegenheit benutzen, auch den Stand des Aufbaues der Auslandsvertretungen kurz zu skizzieren. Es sind eingerichtet und arbeitsfähig die Botschaften in Athen, Belgrad, Brüssel, Buenos Aires, den Haag, Kopenhagen, Ottawa, Rio de Janeiro, Rom und Santiago. Diesen Botschaften zuzurechnen sind die drei diplomatischen Vertretungen in London, Paris und Washington, so daß wir insgesamt auf eine Anzahl von 13 Botschaften kommen..
Es sind ferner eingerichtet und arbeitsfähig die Gesandtschaften in Dublin, Luxemburg, Montevideo, Oslo, Pretoria, Stockholm, die Generalkonsulate in Amsterdam, Basel, Bombay, Chicago, Istanbul, Mailand, Marseille, New York, San Franzisko, Zürich, die Konsulate in Atlanta und New Orleans.
Für die nächsten Monate ist die Eröffnung einer großen Anzahl von weiteren Auslandsvertretungen vorgesehen. Eine Anzahl davon wird im Monat März oder April ihre Tätigkeit aufnehmen können. Auch die Vorbereitungen für die Einrichtung von Gesandtschaften in Südamerika, nämlich in Caracas Bogotá, Quito, Lima, La Paz, Asunción und in Mittelamerika sind so weit gediehen, daß die Mehrzahl dieser Gesandtschaften noch im Frühjahr 1952 eröffnet werden kann.
({1})
Mit Ägypten, Australien und Japan sind Besprechungen über die Form der gegenseitig zu errichtenden Vertretungen im Gange.
Insgesamt hat der Haushaltsausschuß dieses Hohen Hauses im Dezember 1951 der Errichtung von 107 deutschen Auslandsvertretungen, darunter 35 Konsulaten, zugestimmt. Es ist das Ziel des Auswärtigen Amtes, diese sämtlichen 107 Vertretungen noch im Laufe des Jahres 1952 einzurichten.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die gemeinsame Besprechung über die Punkte 1 a) und 1 b) im Rahmen der vereinbarten Redezeit von 90 Minuten.
Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Dr. Pünder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht ganz fünf Stunden her, da haben wir im Auswärtigen Ausschuß unter dem Vorsitz meines verehrten Herrn Kollegen Schmid beiläufig auch die Saarangelegenheiten erörtert; und wir haben übereinstimmend - es ist kein Vertrauensbruch, wenn ich das hier sage - beschlossen, den Herrn Bundeskanzler zu bitten, möglichst schon in der nächsten Sitzung des Auswärtigen Ausschusses über die Haltung der Bundesregierung zum gesamten Saarproblem zu uns zu sprechen. Wir haben keinerlei Veranlassung anzunehmen, daß der Herr Bundeskanzler diesem einstimmig gefaßten Beschluß des Auswärtigen Ausschusses nicht Rechnung tragen wird. Ich hatte mir im Auswärtigen Ausschuß auch den Hinweis erlaubt, ob es unter diesen Umständen wohl sehr zweckmäßig wäre, heute nachmittag im Plenum in extenso über die Saarfrage zu sprechen. Es wurde mir zwar auch zugegeben, daß es nicht ganz zweckmäßig wäre, aber immerhin stehen wir doch jetzt in dieser Debatte. Mir persönlich und auch meinen politischen Freunden wäre es richtiger erschienen, wenn vielleicht die nächste Sitzung des Auswärtigen Ausschusses mit den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers abgewartet worden wäre. Nun. das ist nicht geschehen. Zu dem, was der Herr Bundeskanzler zu der Interpellation des Herrn Kollegen Ollenhauer gesagt hat, wenige Worte:
Es ist völlig zutreffend, was der Herr Bundeskanzler sagte, daß er überhaupt noch gar nicht in der Lage war, im Sinne der Interpellation vorzugehen, in welcher Weise er nämlich inzwischen im Ministerrat des Europarats zum Durchsetzen der Ansprüche unserer deutschen Note tätig gewesen
({0})
wäre; denn es hat inzwischen noch gar keine Ministerratssitzung des Europarats stattgefunden. Die nächste Sitzung - das haben wir eben gehört - ist zweifellos erst frühestens Ende des nächsten Monats.
Auf die sachliche Seite ist der Herr Bundeskanzler eben eingegangen. Von uns aus möchten wir keinen zusätzlichen Beitrag zu den sachlichen Auseinandersetzungen bezüglich des Saarproblems liefern, denn es scheint uns, daß gewisse Dinge besser voranschreiten und vorangetrieben werden, wenn man nicht in jedem passenden und namentlich unpassenden Augenblick über die Dinge redet.
({1})
Wir haben durchaus die Auffassung, daß eine mündliche Aussprache im Ministerrat einem weiteren Notenaustausch weit vorzuziehen ist, der sich dann unter einem Feuerwerk vor der ganzen Weltöffentlichkeit vollziehen würde.
Was die sachliche Seite des Saarproblems angeht, so haben wir nur diesen einen Satz hinzuzufügen, daß nach dem, was wir eben gehört haben und was wir aus der Vergangenheit wissen, der deutsche Standpunkt von der Bundesregierung und dem Herrn Bundesaußenminister auch weiterhin in Würde und mit Energie vertreten werden wird.
Auf den zweiten Punkt, der zwar nicht gedruckt in der Interpellation steht, den aber Herr Ollenhauer auch berührt hat, ist der Herr Bundeskanzler nicht eingegangen. Ich weiß nicht, warum, vielleicht aus Versehen, vielleicht mit Absicht. Jedenfalls sehe ich nicht ein, warum wir das nicht kurz streifen sollten. Herr Ollenhauer hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir jetzt in die zweifellos sehr schwierigen Verhandlungen über die Ablösung des Besatzungsstatuts und über den etwa kommenden Verteidigungsbeitrag, über den Generalvertrag usw. eintreten werden. Herr Ollenhauer hat wörtlich gesagt: „Wir sind sehr beunruhigt, daß wir in dieser Hinsicht noch keine Erklärung der Regierung zu hören bekommen haben."
Auch hierzu, Herr Ollenhauer, muß ich doch in allem Freimut feststellen, daß nach unserer Meinung zu diesem Mißtrauen kein Anlaß vorliegt. Wir haben selber im Plenum seinerzeit für gut befunden, gerade für diese Fragen einen Sonder-Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses zu bestellen, den bekannten Sechserausschuß, der auch unter dem Vorsitz des verehrten Kollegen Schmid steht, dem auch zwei Herren Ihrer Fraktion angehören und dem anzugehören auch ich die Ehre habe. In diesem Sechserausschuß stehen uns der Herr Bundeskanzler und das Auswärtige Amt, wie Sie bestimmt zugeben werden, laufend in vollem Freimut und zu voller Erschöpfung der Probleme zur Verfügung. Eine solche Sitzung haben wir gerade gestern morgen um 8 Uhr wieder gehabt. Sie werden - bei aller Vertraulichkeit darf ich darauf hinweisen - doch auch wissen, daß die Dinge eben im Augenblick noch nicht so weit sind, daß abschließende offizielle Erklärungen über die Pläne - nicht über das fertige Werk; das ist überhaupt noch gar nicht vorhanden - abgegeben werden könnten. Obschon also der Herr Bundeskanzler dazu nicht gesprochen hat, glaubte ich mich doch im Interesse der Wahrheit und der Orientierung der Öffentlichkeit verpflichtet, auch auf diesen Punkt hinzuweisen.
Die nächste Frage bezieht sich auf die Haltung des Herrn Staatssekretärs Hallstein. Auch hierzu muß ich sagen, daß ich in vollem Umfange dem beistimme, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat. Ich bin vielleicht - es ist hoffentlich nicht unbescheiden, wenn ich das sage - mit in erster Linie berufen, eine solche Erklärung abzugeben, da ich ja aus der Weimarer Zeit über sehr reichliche Erfahrungen gerade äuf diesem Gebiet verfüge.
({2})
- Manches war in der Weimarer Zeit falsch; aber in bezug auf die Geschäftsordnung der Reichsregierung und die Position der Staatssekretäre hat das sehr gut geklappt, und es wäre nur zu begrüßen, wenn sich diese alte Tradition wieder mehr und mehr einbürgerte. Da war es genau so, wie der Herr Bundeskanzler eben sagte, daß der zuständige Minister auch verantwortlich war für die Erklärung, die sein Staatssekretär abgab.
Herr Staatssekretär Hallstein steht naturgemäß im Augenblick besonders im Blickwinkel der Öffentlichkeit. Wir haben bekanntlich keinen hauptamtlichen Bundesaußenminister. Die Gründe sind bekannt. Der Herr Bundeskanzler hat selber gesagt, daß er im passenden Augenblick - als solchen bezeichnete er seinerzeit die Verabschiedung des eben von mir skizzierten großen weiteren Gesetzgebungswerks - unter allen Umständen dem Herrn Bundespräsidenten einen hauptamtlichen Bundesaußenminister zur Berufung vorschlagen würde. Augenblicklich sind wir aber noch in dem Übergangszustand, und es ist selbstverständlich, daß dann der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes stärker in den Vordergrund rücken muß als jeder andere Staatssekretär. Ich bin der Überzeugung - ich muß das klar aussprechen und bin überzeugt, daß die Mehrheit des Hauses dem beitritt -, daß Herr Staatssekretär Hallstein diese seine besonders schwierige Aufgabe mit großem Takt und mit Geschicklichkeit erfüllt hat.
({3})
Ich kann nicht zugeben, daß er bei den verschiedenen Fällen, die in der Interpellation angezogen sind, seine Grenzen und Aufgaben überschritten hätte.
Was nun die Debatte fiber den Schumanplan angeht, so hat auch der Herr Bundeskanzler in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß Herr Hallstein hier gerade auch seine Auffassung zum Ausdruck gebracht hätte. Das kann ich nur unterstreichen. Rein äußerlich trat das auch dadurch in Erscheinung, daß der Herr Bundeskanzler fast regelmäßig in den langen Tages- und Nachtsitzungen auf seinem Stuhl saß, während gerade Herr Hallstein von diesem Pult mehrfach das Wort ergreifen mußte. Dadurch trat ganz evident in Erscheinung, daß das, was vom Staatssekretär gesagt wurde, die Auffassung des Regierungschefs war.
Wenn Sie. Herr Ollenhauer, kritisiert haben, daß z. B. die Herren Minister Erhard, Dehler und Storch nicht gesprochen haben, und dann glauben, das sei früher anders gewesen, so muß ich leider aus meiner Kenntnis der Dinge betonen, daß das auch nicht stimmt. Ich kenne sehr, sehr viele entscheidend wichtige Verhandlungen des Reichstages aus der Weimarer Zeit von 1926 bis 1932, in denen auch nur der jeweilige Reichskanzler gesprochen hat, weil es lebenswichtige Fragen deutscher Zukunft waren. Damals waren eben die Ausführungen des Reichskanzlers getragen von einem völlig übereinstimmenden Kabinettsbeschluß. Und so ist es - wir haben keinen Anlaß, daran zu zweifeln
({4})
- offenbar auch im vorliegenden Fall gewesen. Jedenfalls liegt nach meiner Kenntnis der Dinge, die wohl recht genau ist, keine Erklärung nach der Richtung vor, daß z. B. die Herren Minister Erhard, Dehler und Storch in bezug auf den Schumanplan anderer Meinung gewesen wären, als der Herr Bundeskanzler sie dargelegt hat. Ich kann also nicht anerkennen, daß es bedauerlich ist, daß nicht auch die Minister hier gesprochen haben.
Was den vierten Punkt, die Kriegsgefangenen, angeht, so müssen auch wir feststellen, daß die Bundesregierung diesem unserem Beschluß vom 21. Februar vorigen Jahres entsprochen hat. Wir haben sehnsüchtig auf diesen Bericht gewartet. Insofern ist es, dankbar zu begrüßen, daß gerade dieser Punkt in die große Interpellation eingebettet war. Dadurch gerade werden die Zahlen, die wir soeben aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers gehört haben, der ganzen Weltöffentlichkeit bekannt. Es sind schaurige Zahlen, die so richtig die Tragödie des deutschen Volkes, ausgelöst durch den Zusammenbruch des Hitler-Regimes, umreißen. Diese verschleppten Personen und Kriegsgefangenen sind eine Herzenssache des ganzen deutschen Volkes.
({5})
Wir können die Bundesregierung nur ermuntern und immer wieder bitten, auf diesem Wege mit äußerstem Nachdruck voranzugehen. Dieser Appell muß auch von uns als den Vertretern des ganzen deutschen Volkes in die Welt hinausschallen an alle, die hier mitarbeiten können und müssen, an alle Völker der Erde im Westen und namentlich auch im Osten. Wenn es ernst ist mit einer wahren Befriedung der Welt, der muß dazu beitragen, daß die Sorge um die verschleppten deutschen Zivilpersonen und die armen tapferen Kriegsgefangenen endlich befriedigend behoben wird.
({6})
Also auch in dieser Frage findet die Beantwortung der Interpellation der SPD durch die Bundesregierung unsere volle Billigung.
({7})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann in das Lob, das mein verehrter Vorredner der Bundesregierung gespendet hat, nicht voll einstimmen. Ich hätte es gern getan; aber die Antwort der Bundesregierung hat mich nicht voll befriedigt, nicht so sehr deswegen, weil uns der Herr Bundeskanzler zu Punkt 1 der Interpellation nicht mitteilen konnte, daß er in der Sitzung des Ministerkomitees des Europarats diese Aspekte der Saarfrage angesprochen habe. Ich gebe zu, daß es in der ersten Sitzung schwer war, dies zu tun. Ich glaube aber, der Herr Bundeskanzler hätte schon in dieser ersten Sitzung offiziell anmelden können, daß er es in der nächsten Sitzung tun werde.
(
Habe ich ja getan!)
- Haben Sie es getan? Dann bedauere ich, daß Sie es uns nicht gesagt haben.
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Ich wäre dann um eine Enttäuschung ärmer gewesen.
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In diesem Falle, meine Damen und Herren, wäre die Unterrichtung des Parlaments wirklich sehr einfach gewesen.
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Der Bundeskanzler hätte nichts anderes zu tun brauchen, als uns vollständig zu sagen, was er getan hat.
Aber es wäre mir recht lieb gewesen, wenn uns der Herr Bundeskanzler hätte sagen können, daß diese nächste Sitzung des Minister-Komitees auch in bezug auf die Saarfrage jetzt schon und ausreichend diplomatisch vorbereitet wird.
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Er hätte uns vielleicht sagen können, ob den Regierungen, die in diesem Minister-Komitee vertreten sind, Noten zugestellt worden sind. Er hätte uns sagen können, ob diplomatische Sondierungen stattgefunden haben, ob man eine Dokumentation zusammengestellt und ob man diese Dokumentation den Regierungen übermittelt hat, deren Außenminister im Minister-Komitee zusammenkommen werden. Denn schließlich kann man ja nicht gut ein gutes Ergebnis dieser Intervention erwarten, wenn die einzelnen Außenminister nicht vor ihrer Zusammenkunft ausreichend und ausgiebig unterrichtet worden sind.
Wir stehen heute im Zeitalter der Konferenzdiplomatie - das mag eine gute Methode sein -, aber auch die Konferenzdiplomatie beginnt nicht erst im Konferenzsaal, sondern sie muß durch eine direkte diplomatische Fühlungnahme mit den einzelnen Regierungen, die sich in diesen Konferenzen konfrontieren, vorbereitet werden. Es mag sein, daß man auch hier wieder sagen wird: Gut, aber man darf doch das Werden Europas durch solche Sondierungen, durch solche diplomatischen Aktionen nicht stören. Ich habe mich gefreut, daß der Herr Bundeskanzler in aller Klarheit gesagt hat, daß er in der nächsten Sitzung des Minister-Komitees die Zustände an der Saar ansprechen wird. Er hat das mit aller Deutlichkeit gesagt, und ich bin überzeugt, daß er mit der gleichen Deutlichkeit in Straßburg sprechen wird.
Damit stellt er sich auf einen andern Standpunkt als den, den ein deutscher Delegierter im Europarat vertreten hat: solange er die Hoffnung auf die Verwirklichung Europas nicht verloren habe, werde er sich weigern, die Saarfrage auch nur anschneiden zu lassen ...
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Das scheint mir keine gute Methode zu sein. Wir meinen, daß man gerade um Europas willen die Saarfrage anschneiden muß; denn Europa beginnt zu Hause!
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Und Europa kann man zunächst nur so schaffen, daß man uneuropäische Zustände beseitigt und das Recht verwirklicht, wo es gekränkt wurde! Die Saarbevölkerung wartet darauf, daß man die Saarfrage anschneidet, und sei es nur, um bei den Wahlen dieses Jahres sich frei entscheiden zu können. Das kann sie a heute nicht, wo sie nur staatlich konzessionierte Parteien wählen darf; das kann sie heute nicht, wo man ihr die freie Presse verweigert, die sie haben will; und das kann sie nicht, solange das Polizeiregime dauert, das man an der Saar eingerichtet hat. Da muß etwas anders werden, und es kann nur anders werden, wenn sich der Europarat in Straßburg um diese An({6})
gelegenheiten kümmert; und wir meinen, daß diese Sache in dem Organ des Europarats angesprochen werden sollte, in dem man nicht nur reden, sondern auch handeln kann, und dieses Organ ist das Minister-Komitee.
Zum zweiten Punkt der Interpellation. In dem Dokument, das für die Auffassung der Besatzungsmächte über den Status Deutschlands entscheidend ist, nämlich der Erklärung vom 5. Juni 1945, ist dort, wo vom deutschen Staatsgebiet geredet wird, ausdrücklich gesagt, daß Deutschland innerhalb der Grenzen vom 31. Dezember 1937 in Zonen aufgeteilt wird. Es ist weiter gesagt, daß die Übernahme der obersten' Gewalt in allen Teilen dieses Gebietes durch die Alliierten keine Annexion bedeute. Das steht wörtlich dort! Ich glaube, daß damit die Frage, was deutsches Staatsgebiet ist, auch von alliierter Seite klar und eindeutig beantwortet ist.
Man sollte aber nicht vom früheren „Deutschen Reich" sprechen, obwohl ich weiß, daß der Herr Bundeskanzler damit nicht sagen wollte, daß wir jetzt einen andern Staat hätten. Ich nehme an -j a ich bin sicher, daß er auch auf dem Standpunkt der Identität steht -: der Staat, der früher einmal „Deutsches Reich" hieß, ist mit den Grenzen, in denen er legal bestanden hat, Staat geblieben.
Nun ist uns in der Note vom 22. Oktober des Jahres 1950 gesagt worden - in der Note, in der es sich um die Frage der deutschen Vorkriegs- und Nachkriegsschulden handelte -, daß die Bundesregierung die einzige Stelle sei, die Deutschland international vertreten könnte. Gemeint war damit ganz offenbar die einzige Stelle, die für Deutschland, die für Gesamtdeutschland sprechen
könne. Das ist richtig. In der Note vom 29. Mai heißt es aber, daß die Jurisdiktion der Bundesrepublik sich nur auf das Anwendungsgebiet des Grundgesetzes erstrecke, und der Herr Bundeskanzler sagte, daß er in diesen beiden Noten keinen Widerspruch sehen könne. Ich hoffe, daß er recht hat; aber immerhin kann man doch Zweifel haben, und ich habe den Eindruck, daß in der Note vom 29. Mai nicht so sehr gemeint war, daß die Bundesregierung nicht obrigkeitliche Gewalt im Saargebiet ausüben könne, sondern daß ihr dort vielmehr das Recht abgesprochen werden sollte, für die Saarbevölkerung zu sprechen.
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Das ist der Sinn dieser Note, und das sollte damit gesagt werden.
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- Aber gemeint war, was ich sagte. Der zitierte Satz ist doch niedergeschrieben worden als Antwort auf das Anliegen der Bundesregierung, und die Bundesregierung hat ja nicht verlangt, hoheitliche Gewalt im Saargebiet auszuüben, sondern hat nur für sich das Recht in Anspruch genommen, auf Vorgänge hinzuweisen, die sich im Saargebiet ereignen,
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und es ist ihr durch die Note dieses Recht bestritten worden. Ich meine, daß es richtig gewesen wäre, wenn die Bundesregierung dagegen protestiert hätte und wenn sie erklärt hätte, daß sie für sich das Recht in Anspruch nimmt - nicht obrigkeitliche Gewalt im Saargebiet auszuüben, aber für die Saarbevölkerung zu sprechen, weil es sich um Deutsche handelt und weil die Bundesregierung für die Interessen aller Deutschen sprechen kann, mögen diese Interessen betroffen werden wo auch immer.
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Ich glaube, daß auf diese Note hin den beteiligten Regierungen gegenüber eine deutliche Erklärung am Platze gewesen wäre und daß diese noch nachgeholt werden könnte und nachgeholt werden sollte.
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Zu Ziffer 3 der Interpellation. Ein Staatssekretär ist ein politischer Beamter; das ist richtig. Auch ein Regierungspräsident ist ein sogenannter politischer Beamter. Aber das bedeutet doch nicht, daß das Beamte sind, die Politik zu machen haben!
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Zwischen politischen Beamten im Sinne des Beamtenrechts und jemandem, der, wenn auch in beamteter Stellung, Politik zu machen hat, besteht doch ein Unterschied. Nun meinen wir, daß Beamte die Aufgabe haben, die Aufträge der Regierung in ihrem Dienst zu erledigen, daß sie aber nicht die Aufgabe haben, draußen Politik zu machen und die Politik ihrer Regierung zu verteidigen. Das ist eine ganz wesentlich politische Funktion und nicht eine Funktion, die einem Beamten ansteht. Wie soll denn sonst in einem parlamentarischen Regime das Prinzip der Kontinuität der Beamtenschaft gewahrt werden, wenn man den Beamten hinausschickt, um die Politik der jeweiligen Regierung zu verteidigen? Er soll in seinem Amt gemäß den politischen Aufträgen seiner Regierung als Beamter handeln; er soll sich aber nicht draußen auf die Tribüne stellen und eine bestimmte Politik verteidigen. Gewiß, der Minister, der Kanzler kann dafür die Verantwortung übernehmen und muß dann für das, was der Beamte draußen gesagt hat, in diesem Saal geradestehen. Aber ich stelle die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines solchen Verhaltens. Ist es denn zweckmäßig, aus einem beamteten Staatssekretär, aus einem Beamten also, etwas wie einen Ersatzminister zu machen? In den alten parlamentarischen Demokratien scheidet man mit aller Schärfe zwischen civil service, also zwischen der spezifischen Beamtenfunktion, und den Männern, deren Aufgabe es ist, politische Ziele aufzustellen oder bestimmte politische Ziele und Methoden zu vertreten und zu verteidigen. Wir sollten das auch tun, und ich hielte es für gar keine schlechte Sache, wenn wir darangingen, parlamentarische Staatssekretäre zu schaffen.
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Man hat Herrn Staatssekretär Hallstein in der Schumanplan-Debatte meinem Dafürhalten nach überstrapaziert. Man hätte ihn nicht dazu bestellen sollen, auf wirtschaftspolitische Kritiken mit wirtschaftspolitischen Argumenten zu antworten und ähnliches mehr. Wir glauben, daß in einem solchen Falle der Fachminister sprechen sollte; denn auch dann, wenn über einen internationalen Vertrag debattiert wird - den natürlich der Außenminister politisch zu vertreten hat -, müssen doch die Fachminister die fachliche Verantwortung für den Inhalt des Vertrags, der ihr Fachgebiet betrifft, übernehmen. Sie hätten dazu sprechen sollen; denn
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es genügt nicht, daß man von der Ministerbank zweimal „Hört! Hört!" gerufen hat.
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Ich halte es auch für eine unmögliche Sache, daß ein Staatssekretär vor Besatzungsbeamten politisch und polemisch spricht. Wenn man ihn eingeladen hätte, den Besatzungsbeamten Ratschläge für ihre Amtsführung zu geben, - gut. Aber dazu hat man ihn ja nicht gerufen. Es sollten ja diese Beamten nicht bewogen werden, ihr Amt in einer bestimmten Weise zu führen! Politische Prognosen vortragen, wie Staatssekretär Hallstein es getan hat, ist aber politische Stellungnahme; und so etwas wirkt doch, wenn auch ungewollt - denn ich bin überzeugt, daß Herr Hallstein das nicht wollte -, objektiv als ein Anreiz für die Besatzungsmächte, sich in innenpolitischen Auseinandersetzungen der Deutschen gewissermaßen als Streitgenossen zu fühlen, und das ist eine Situation, die man nicht schaffen sollte.
Zum vierten Punkt. Der Bundeskanzler hat sich darüber beklagt, daß man über die Regierung geurteilt habe, ohne den Tatbestand zu kennen. Nun, man hat ja die Bekanntgabe des Tatbestands schon vor etwa Jahresfrist durch einen Beschluß dieses Hauses angefordert. Wir meinen, daß in der Zwischenzeit Gelegenheit gewesen wäre, uns diese Dinge mitzuteilen. Schließlich müssen ja Aufträge innerhalb eines tempus utile, innerhalb einer nützlichen Zeit,. ausgeführt werden, sonst hat es keinen Sinn, an die Regierung Aufträge zu beschließen. Immerhin: die Art, wie diese Anfrage beantwortet ist, scheint mir ein Muster dafür zu sein, wie Große Anfragen im allgemeinen beantwortet werden sollten, nämlich durch schlichte_ Bekanntgabe einwandfreien Materials; und das ist geschehen.
Der Herr Bundeskanzler hat weiter erklärt, daß man ihm zu Unrecht vorwerfe, daß die erbetenen Antworten nicht schon während der Etatdebatte gegeben worden seien, und er hat daran erinnert, dais in dieser Debatte eine Situation entstanden sei, die die Aufmerksamkeit auf etwas anderes als das Gefragte gelenkt hätte. Ich erinnere mich an diese Debatte, und ich gebe zu: das ist ein Einwand. Aber schließlich hätte man ja die Antworten, die man in der Debatte nicht gegeben hat, später nachholen können. Man hätte ja nicht unbedingt zu warten brauchen, ob man einige Monate später erneut gefragt werden würde. Denn die Beantwortung von Fragen, die im Parlament gestellt werden, ist doch die erste Verpflichtung einer parlamentarisch verantwortlichen Regierung, und zwar auch dann, wenn diese Fragen von der Opposition oder von irgendeiner Minderheit gestellt werden; denn auch wenn eine Minderheit fragt, fragt durch sie hindurch das ganze Parlament, und Sache der Mehrheit ist es nur, aus den Antworten, die auf diese Fragen gegeben werden, die geeigneten politischen Konsequenzen zu ziehen.
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Aber darüber hinaus hat die Regierung unseres Erachtens die Verpflichtung, das Parlament von sich aus, ohne besonders gefragt zu werden, zu unterrichten, und zwar zu einem Zeitpunkt, an dem die Auffassung des Parlaments sich noch auf die Tätigkeit der Regierung auswirken kann. Die französische Regierung hat hier eine gute Lehre gegeben. Sie hat jüngst die Vertagung der Lissaboner NATO-Konferenz erbeten mit dem Hinweis darauf, sie wolle vorher die Meinung des französischen Parlaments zur Frage der Europaarmee einholen und brauche deswegen noch die Zeit für eine parlamentarische Debatte. Ich glaube, daß es gut für die Demokratie in Deutschland wäre, wenn die Bundesregierung sich ähnlich verhalten wollte. Der Herr Bundeskanzler hat neulich darauf hingewiesen, wie so anders als in Deutschland in England das Verhältnis zwischen Opposition und Regierung sei. Aber hat er sich denn dabei auch überlegt, ob e r sich der Opposition gegenüber so zu verhalten pflegt wie die englische Regierung ihrer Opposition gegenüber?
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Unterrichten heißt ja nicht, nachträglich mitteilen, daß der Zug angekommen ist. Unterrichten heißt auch nicht mitteilen, daß die Geleise schon liegen, auf denen der Zug fahren soll. Unterrichten heißt doch, das Parlament, und zwar alle Seiten des Parlaments, schon an der Fragestellung zu beteiligen; denn die Fragestellung bedingt doch schon die halbe Antwort! Wenn so verfahren wird, dann, meine Damen und Herren, ist eine Diskussion mit uns über die Grundlage einer gemeinsamen Außenpolitik möglich. Wenn nicht so verfahren wird, dann ist diese Diskussion nicht möglich, und zwar wird sie dann durch Verschulden der Regierung nicht möglich sein. Wir wären um Deutschlands willen sehr froh, wenn es möglich wäre, Voraussetzungen - echte, tragfähige Voraussetzungen - für eine gemeinsame deutsche Außenpolitik zu schaffen.
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Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schmid hat gesagt, daß Herr Staatssekretär Hallstein gesprochen habe, unaufgefordert - ({0})
- Dann habe ich Sie falsch verstanden.
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- Gut, dann habe ich Sie falsch verstanden. Ich wollte nur erklären und darf das auch so tun, daß der amerikanische Hohe Kommissar Herrn Staatssekretär Hallstein gebeten hat, vor seinen Beamten einen Vortrag über den Schumanplan zu halten. Ich glaube, wenn Herr Staatssekretär Hallstein das abgelehnt hätte, wäre das nicht sehr klug gewesen.
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Er hat diesen Vortrag ohne jede Polemik gehalten; er hat einfach einen Vortrag gehalten, wie ihn ein Staatssekretär, der zugleich Professor ist, hält.
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Dann noch ein Wort zu einem weiteren Vorwurf des Herrn Kollegen Schmid. Diese Interpellation der sozialdemokratischen Fraktion trägt das Datum des 6. November, und ich glaube, es wäre wohl auch nicht in der Intention der sozialdemokratischen Fraktion gewesen, wenn wir die Antwort auf diese Fragen vorher schriftlich gegeben hätten. Es war doch offenbar mit der Interpellation der
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Wunsch verbunden, hier zu einer öffentlichen Aussprache zu kommen.
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Noch ein letztes Wort. Ich habe mich bei der dritten Beratung des Schumanplans hier im Saale an die sozialdemokratische Opposition gewandt. Ich habe später gehört, daß die Frage aufgeworfen worden sei, ob diese Apostrophierung tatsächlich von mir ernst gemeint gewesen sei. Ich kann nur sagen, meine Damen und Herren: wenn etwas von. mir ernst gemeint ist, dann waren es diese Ausführungen, die ich da gemacht habe. Es liegt mir als Deutschem ganz außerordentlich viel daran, daß das deutsche Volk durch seine gewählten Vertreter in den wichtigen nationalen Fragen eine Meinung hat und eine Meinung äußert. Wenn gesagt wird, erst müssen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, dann würde ich nach meiner Meinung nicht richtig handeln, wenn ich jetzt eine Untersuchung darüber anstellen würde: sind sie geschaffen oder sind sie durch die Schuld dessen oder jenes nicht gegeben? Das hat keinen Zweck, meine Damen und Herren, da sollte man nicht nachkarten, sondern man sollte lieber in die Zukunft sehen. Ich möchte nochmals Ihnen gegenüber, meine Damen und Herren, wiederholen: wenn ich mich an Sie -gewandt habe, war das absolut ernst von mir gemeint. Ich kann es durchaus verstehen, daß Sie nur dann bereit sein können, auf einen derartigen Vorschlag einzugehen, wenn Sie die Gewißheit haben, daß Sie dabei in absolut fairer Weise von der Bundesregierung und von mir behandelt werden, und Sie können sich darauf verlassen, daß das geschehen wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.
Meine Damen und Herren! Der Versuchung, dieses Haus in eine Halle der Wiederholungen zu verwandeln, widerstehe ich, indem- ich mich darauf beschränke, nur einige wenige Punkte aus dem ziemlich umfangreichen Gemisch der Erörterungsgegenstände herauszugreifen und zu ihnen die Meinung meiner politischen Freunde zu sagen.
Ich darf dabei zurückgreifen und auf das verweisen, was mein Kollege Pfleiderer in der 68. Sitzung ausgeführt hat, indem er, glaube ich, umfangreicher und gründlicher, als es je von einem anderen hier geschehen ist, die Problematik einer neuen deutschen Außenpolitik in bezug auf ihre gedanklichen, ihre organisatorischen, ihre institutionellen und ihre personellen Voraussetzungen dargestellt hat. Ich verweise also darauf.
Aber weil ich an diese Dinge erinnere, muß ich auch kritisch an das anknüpfen, was der Herr Staatssekretär Hallstein vorhin gesagt hat. Er hat etwas leichthin von , der Gestaltung der Institutionen im deutschen Auswärtigen Amt gesprochen, als er von den Planstellen berichtet hat, die man nun besetzt habe, und von der Erwartung, bis Ende des Jahres 1952 zu endgültigen Ergebnissen zu kommen. Ich weiß nicht, ob man diese Dinge so mit der normalen Betrachtungsweise eines Aufbaues politischer Organisationen und Einrichtungen ansehen kann. Denn dies Auswärtige Amt und die deutsche auswärtige Politik stehen im Augenblick vor einer Fülle von Aufgaben und Verpflichtungen, die weit über das normale Maß der Tätigkeit eines Auswärtigen Amtes hinausgehen.
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Wir haben in der vorigen Woche den Schumanplan verabschiedet. Ja, da ist nun ein internationales Vertragswerk, von einer großen Verwickeltheit zustandegekommen. Aber das Entscheidende beginnt erst, wenn die institutionellen und die personellen Entscheidungen zu treffen sind, die sich nicht in einem Moment vollziehen. Hier wird eine große Entwicklung eingeleitet, eine Entwicklung, die doch zu noch tieferen Wirkungen - Breitenwirkungen - führen soll, als das zunächst in der Begrenztheit dieses Vertragswerkes vorgesehen scheint.
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Darf ich darauf aufmerksam machen, was es bedeutet, wenn sich nun diese Schumanplan-Länder auf einem bestimmten Zweige des wirtschaftlichen Geschehens gleichsam als Urkantone einer europäischen Föderation erstmalig zusammenfinden, und was sich daraus an Folgerungen und Folgen ergeben kann und ergeben mag? Ich darf auch darauf hinweisen, daß danach noch die ganze Fülle der übrigen Verträge kommt: alles, was mit der Ablösung des Besatzungsstatuts zusammenhängt, alles, was zusammenhängt mit den Fragen der Schuldenregelung, und dann alles, was zusammenhängt mit der Angelegenheit des Verteidigungsbeitrags, - lauter Entschlüsse und Entscheidungen, die ungeheuer verwickelte politische Untersuchungen verursachen. Man vermag sie nur mit einem vielgestaltigen Reservoir auch von Personen und Einsichten zu bewältigen, also lauter Erfordernisse, die uns vor ganz ungewöhnliche Aufgaben und Verpflichtungen in der deutschen Außenpolitik stellen. Ich darf auch darauf hinweisen, daß andere Verpflichtungen noch weit rückständig behandelt sind, etwa, wenn wir sehr wenig bisher tun, um die Tatsache der UNO-Tagung in Paris zu nutzen. Es gilt hier, Zusammenhänge herzustellen, gerade die politischen Entscheidungen, die sich dort in weltweitem Rahmen abspielen, mit unseren Überlegungen, mit unseren Einsichten, j a mit den ach, so unbekannten und unverstandenen Tatbeständen unseres politischen Lebens vertraut zu machen. Alle diese Vorgänge stellen also Verpflichtungen für ein deutsches Auswärtiges Amt dar und ergeben eine solche Fülle der Aufgaben, daß man sich, glaube ich, nicht mit alltäglichen Erwägungen über den Aufbau der üblichen Ämter und mit Planstellen und mit dem üblichen Ablauf der Maßnahmen selbstzufrieden begnügen sollte.
Es kommt aber etwas Weiteres hinzu, nämlich daß zu allem Gelingen in einer Außenpolitik zweierlei gehört: eine Resonanz bei den übrigen Völkern, mit denen man seine Außenpolitik, seine Lebensformen, seine internationalen Beziehungen entwickeln muß; und auf der andern Seite gehört auch zum Erfolg dieser Politik - und davon ist eben vor mir auch vom Herrn Bundeskanzler gesprochen worden - die Konsonanz im eigenen Land und im eigenen Volke, vor allen Dingen die Konsonanz zwischen den widerstrebenden und rivalisierenden 'Gruppen im Parlament innerhalb des Rahmens der außenpolitischen Entscheidungen.
Ich darf da doch, was die Unterrichtung angeht, den Herrn Bundeskanzler einmal darauf aufmerksam machen, daß sich die Abgeordneten, auf
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welcher Seite des Hauses sie auch sein mögen, sehr oft in seltsamer Lage befinden,
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wenn sie auf amtliche Weise über Absichten und Phasen der zwischenstaatlichen Vorgänge nicht ausreichend unterrichtet sind. Da und dort geraten sie in Unterhaltungen oder Auseinandersetzungen oder Reden in die Verlegenheit, als Abgeordnete ungenügend oder überhaupt nicht über Dinge unterrichtet zu sein, die weithin in der Presse, in öffentlichen Einrichtungen, im Rundfunk oder auch in Organisationen und Verbänden erörtert werden. Das schafft keine glückliche Voraussetzung für die Stellung des Abgeordneten, der als wichtiges Instrument für die Übermittlung des Verständnisses für die außenpolitischen Maßnahmen gegenüber der Bevölkerung wirken möchte, wenn er, schlecht unterrichtet, immer wieder in neue Verlegenheiten gebracht wird.
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Also: die Maße und die Mittel einer schnelleren und besseren Unterrichtung des Parlaments, der Abgeordneten und der zuständigen Ausschüsse sollten stärker beachtet und stärker berücksichtigt werden. Es ist eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen einer Außenpolitik, wenn man die Konsonanz im Inneren herstellt, um die Resonanz nach außen zu verstärken.
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In diesem Zusammenhang dann noch ein paar Bemerkungen über den Personenkreis, den wir für diese auswärtigen Aufgaben brauchen und den wir nötig haben, um die gekennzeichnete Fülle der außenpolitischen Aufgaben durchzuführen. Ich will heute nicht wieder auf die Frage der Personalunion eingehen. Seit dem Frühjahr 1950 hat sich in dieser Hinsicht die Auffassung meiner politischen Freunde nicht geändert. Wir- haben auf unserem letzten Parteitag ganz klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, daß wir für den Zusammenhang zwischen Parlament und außenpolitischer Leitung und auch in anderem Zusammenhang das Institut eines parlamentarischen Staatssekretärs für dringend erforderlich halten. Ich glaube, wenn man das durchgeführt hätte, wäre die heutige Unterhaltung über die Kompetenzbegrenzung des beamteten Staatssekretärs nicht nötig gewesen. Man ist vielleicht in diesem Fall von seiten der Opposition etwas gouvernantenhaft an die Beurteilung der Dinge herangegangen. Ich bin der Meinung, daß auch ein beamteter Staatssekretär in der Lage sein muß, politische Einrichtungen und Gestaltungen sachlich aufzuklären und zu kennzeichnen. Das gilt nicht nur für den Staatssekretär des Auswärtigen, der einen Vortrag über eine Neukonstruktion hält, wie sie der Schuman-plan darstellt, sondern das gilt auch für andere. Man hat es bisher nicht beanstandet, wenn etwa ein Staatssekretär über den Wohnungsbau in einer Wohnungsbaugenossenschaft geredet hat oder wenn ein anderer in einer wirtschaftlichen Organisation über bestimmte Steuermaßnahmen und dergleichen mehr gesprochen hat. Es ist zwar mit Recht gesagt worden, daß es hier eine Grenze gibt, die nicht überschritten werden darf, wenn wir nicht in die Gefahr kommen wollen, daß bei einem etwaigen Wechsel der politischen Kräfteverhältnisse und bei Kabinettsumbildungen jedesmal eine große Garnitur von Ministerialbeamten mit ausgewechselt wird; das wäre verhängnisvoll und gefährlich für die staatliche Ordnung.
Der Hinweis auf diesen Zusammenhang mag ganz gut sein. Auf der andern Seite darf man aber auch nicht zu eng auslegen. So erschien mir der Zwischenruf, der die Ausführungen ides Herrn Berichterstatters beanstandete, unberechtigt; denn ein Berichterstatter muß doch schließlich, ohne daß ihm daraus der Vorwurf des Polemisierens gemacht werden kann, die Motive zum Ausdruck bringen können, die für die Mehrheit - in diesem Falle handelt es sich sogar um einen einstimmigen Beschluß -, also für diejenigen bestimmend gewesen sind, die einen Beschluß gefaßt haben. Also ich weiß nicht, ob wir von dieser gouvernantenhaften Betrachtungsweise nicht etwas loskommen sollten, die immer gleich kleine Überschreitungen von Grenzen und dergleichen irgendwie zu rügen geneigt ist. Man kann solche Dinge ruhig etwas großzügiger behandeln.
Aber noch eins zu den personellen Frauen. Es gibt ida zwei Aufgaben: Auslese und Ausbildung. Einmal handelt es sich um die Auslese eines Beamtenkörpers. Das ist ein sehr schwieriges Beginnen, weil auf diesem Gebiet nicht alles, was sich anbietet, zu gebrauchen ist. Die Kenntnis fremder Sprachen reicht bestimmt noch nicht aus, auswärtige Politik zu machen oder im Rahmen des auswärtigen Dienstes verantwortliche Funktionen auszuüben.
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Zum zweiten ist eine bestimmte Ausbildung notwendig. Auslese und Ausbildung hängen aufs innigste zusammen. Ich glaube allerdings, man darf sich bei dieser Ausbildung nicht darauf beschränken, in einer etwas kleinstädtischen Weltabgeschiedenheit einfach bloße Kenntnisse zu vermitteln, sondern man sollte Wert darauf legen, die Anwärter für diese Tätigkeiten dort in den unmittelbaren Zusammenhang mit idem Weltgeschehen zu bringen, wo sich dieses auch bei uns sichtbar macht, nämlich in den Formen des Außenhandels und der Außenwirtschaft. Von da aus öffnet sich nämlich der Weg zu den psychologischen Einsichten, die wesentlich sind, auch in den Fragen des internationalen Nachrichtenwesens, der Bildung der öffentlichen Meinung, der Geschmacksbildung und was damit alles zusammenhängt, - eine ungeheure Fülle von Einsichten, die auf diese Weise sehr viel besser zu gestalten sind als lediglich über Vorträge, Vorlesungen und Seminare. Da wird, glaube ich, einiges geschehen müssen.
Ferner, meine Damen und Herren, zu einer Frage, in der zweifellos nicht mit der notwendigen oder wünschenswerten Schnelligkeit oder Beschleunigung gewirkt worden ist; das ist die Erweiterung des Kreises unserer ausländischen Missionen. Es ist kein gutes Bild, wenn wir bei uns Missionen fremder Länder haben, aber in das entsprechende Land von uns keine Mission entsandt ist und wenn dieser Zustand von Monat zu Monat bestehen bleibt. Da muß auch rasch das Notwendige geschehen.
Auch für die angemessene wirtschaftliche Sicherstellung der Personen, denen wir zumuten, unser Land draußen zu vertreten, muß etwas getan werden. Wenn man sie materiell und geistig in Kümmernis und Dunkelheit vegetieren läßt, kann man auf die Dauer nicht von ihnen verlangen, daß sie mit Phantasie, mit Wendigkeit und mit Einfallsreichtum wirken.
Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist nun zu Ende. Ich habe besonderen Anlaß, mich der
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Mahnung durch die Laterne sehr fügsam zu erweisen; infolgedessen gehe ich.
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Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Uns kommt es bei der heutigen Debatte im Unterschied zu der Absicht der Herren Ollenhauer und Carlo Schmid weniger darauf an, über die Formen und Methoden der Politik des Herrn Bundeskanzlers als über die Richtung und den Inhalt seiner Politik in ' den aufgeworfenen Fällen zu diskutieren.
Warum so kompliziert, Herr Bundeskanzler, wenn es einfach geht? Washington und McCloy haben gar kein Interesse daran, daß von dieser Stelle aus eine Saar-Debatte geführt wird. Seit 1945 ist das Saargebiet für die Amerikaner ein Faustpfand. Wir haben im Jahre 1944, als in Paris die Verhandlungen über die Abtrennung des Saargebietes geführt wurden, erlebt, welches Spiel getrieben wurde. Was haben die Beauftragten der amerikanischen Monopolisten jenen Kräften gesagt, die an der Abtrennung der Saar interessiert waren? Wir besitzen Protokolle darüber. Damals sagte man wörtlich: Wenn Frankreich unsere Politik hinsichtlich Deutschlands und gegen die Sowjet-Union und den Osten macht, dann sind wir bereit, die Saar Frankreich zur Verfügung zu stellen;
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oder wir können auch anders! Das ist doch der wahre Inhalt der Politik der Amerikaner in der Saarfrage.
So sind doch auch Ihre Worte zu verstehen, Herr Bundeskanzler, die Sie vor kurzem von dieser Stelle aus sagten: „Man kann nicht alle fünf, sechs Wochen eine Saardebatte führen". Sie haben heute andere Sorgen: unter welchem Kommando die Saarbevölkerung bereit ist, für die Amerikaner zu sterben. Das ist eine unnütze Sorge, Herr Bundeskanzler; denn die Saarbevölkerung ist nicht bereit zu sterben für Herrn Schuman, nicht für Herrn Adenauer, aber auch nicht für Washington.
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Das Saarvolk und die deutsche Bevölkerung haben andere Interessen als Washington und als Herr Bundeskanzler Adenauer. Diese Interessen stehen für die Saarbevölkerung im Vordergrund. Deshalb will ich einiges zur Saar sagen, was man hier heute nicht gesagt hat.
Die Ausweisungen im Saargebiet gehen frischfröhlich weiter. Ständig wird den Menschen mit Ausweisung gedroht. Hunderten von Saarbewohnern wurden in den letzten Tagen die Pässe entzogen, damit sie nicht mehr nach Deutschland reisen können. Im Amtsblatt Nr. 52/51 des Saarlandes wurde jetzt das Gesetz zum Schutze des saarländischen Arbeitsmarktes veröffentlicht. Das Gesetz ist ein Ausnahmegesetz gegen die deutschen Arbeiter im Grenzgebiet der Pfalz. Mit diesem Gesetz will man verhindern, daß diese Arbeiter im Saargebiet für die Rechte des deutschen Volkes eintreten. Mit diesem Gesetz will man die Arbeiter davon abzuhalten suchen, dort den Kampf für höhere Löhne und bessere Lebensbedingungen zu unterstützen.
Davon sind nicht nur Kommunisten bedroht, sondern auch Sozialdemokraten und Gewerkschaftler.
Das Treiben der separatistischen Saarregierung verwundert uns nicht; aber uns verwundert, daß deutsche Behörden die Hoffmann-Regierung, die separatistische Regierung an der Saar, unterstützen. Ich habe einen Brief in der Tasche - es ist nicht der einzige - von einem Bergarbeiter aus dem Grenzgebiet, dem eine deutsche Behörde mitgeteilt hat, daß sie ihm auf Wunsch der Saarbehörde den Grenzpaß entzieht. Was haben Sie dazu zu sagen, Herr Bundeskanzler, daß deutsche Behörden die separatistische Regierung im Saargebiet unterstützen? Das Brief- und Telefongeheimnis im Saargebiet wird nach wie vor täglich verletzt. Zeitungs und Flugblattverbote sind an der Tagesordnung. Laufend werden Versammlungen, Kundgebungen und Sitzungen verboten. Fortgesetzt werden Anhänger des Friedens und der Einheit Deutschlands verhaftet, Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Befehl durchgeführt. Wir erleben im Saargebiet genau dasselbe wie auch hier im Bundesgebiet. Es gibt in dieser Frage keinen Unterschied zwischen dem Bundeskanzler Adenauer. Herrn Dr. Lehr und Johannes Hoffmann an der Saar.
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Der Herr Bundeskanzler erklärte in der letzten Schumanplan-Debatte, Frankreich habe nur wirtschaftliche Interessen an der Saar. Seit dieser Feststellung sind nur wenige Tage vergangen, und was ist heute? Nachdem uns durch die Saarkonvention die Saargruben, die Saarkohle genommen wurden, ist man letzt - in den Tagen während der Beratung des Schumanplans - dazu übergegangen, die Reserve-Kohlenfelder des Saargebiets an Frankreich zu verschachern. Und nicht nur das: seit Jahr und Tag und insbesondere während der Schumanplan-Debatte waren es Beauftragte der französischen Schwerindustrie, die im Saargebiet herumgereist sind, um die Unternehmer unter Druck zu setzen, ihre Aktien an Frankreich abzustoßen. Dabei hat man die schurkischsten Methoden angewandt. Ich erinnere daran, daß es im Saargebiet eine Völklinger und eine Neuenkirchener Hütte gibt. Diese beiden Hütten sind unter Sequesterverwaltung, und sie sollen nach dem Wunsch dieser Beauftragten der französischen Schwerindustrie so lange unter Sequester gehalten werden, bis die Franzosen 60 % der Aktien in ihrer Tasche haben. Das alles im Zeichen des Schumanplans. von dem der Herr Staatssekretär Professor Hallstein uns erzählte. daß sich die Staaten der politischen Einflußnahme zu enthalten hätten und daß das Eigentumsrecht unberührt bleibe.
Herr Bundeskanzler, Sie haben am 9. Januar von dieser Stelle aus erklärt: „Die französische Regierung hat zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen über den Schumanplan irgendwelche Forderungen hinsichtlich der Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar an die Bundesregierung gestellt". Ich habe in dieser Hinsicht den Herrn Bundeskanzler bereits am vergangenen Donnerstag widerlegt.
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Aus dem, was ich heute gesagt habe, geht ganz klar hervor, daß vor und während der Schumanplan Debatte Maßnahmen im Saargebiet getroffen wurden, um den jetzigen Zustand an der Saar zu verewigen.
Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Abgeordneter!
Ich bin gleich fertig. - Im Kampf gegen diese Politik des Herrn Bundeskanzlers und im Kampf gegen das Treiben der amerikanisch-französischen Monopolisten an der Saar wissen wir uns eins mit den fortschrittlichen Kräften in der ganzen Welt.
Und nun zu dem vierten Punkt.
Nein, Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Abgeordneter Niebergall. Ich bitte Sie, zu schließen.
Ich möchte noch eine Erklärung meiner Partei zur Kriegsgefangenenfrage abgeben. Ist mir das gestattet?
Herr Abgeordneter, auch Sie haben einé Redezeit. Sie haben erlebt, daß alle Fraktionen sich an die Redezeit gehalten haben.
Ich danke für diese Demokratie!
Herr Abgeordneter, daß Sie die Wahrung der Beschlüsse des Hauses dadurch beanstanden, daß Sie sagen: „Ich danke für diese Demokratie!", scheint mir eine Kritik zu sein, die unangemessen ist. Ich rufe Sie zur Ordnung!
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- Herr Abgeordneter Renner, ich habe nicht die Absicht, darüber Debatten zu führen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Besprechung beendet. Zur Interpellation sind keine Anträge gestellt worden. Es liegt vor zu Punkt 1 b). der Antrag des Auswärtigen Ausschusses, Drucksache Nr. 2838. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Dieser Antrag ist angenommen.
Damit ist Punkt 1 a) und b) erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Bekenntnis des Bundesministers Dr. Seebohm zum HakenkreuzSymbol ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung eine Zeit von höchstens 20 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Dr. Arndt ({2}), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister für Verkehr, Herr Dr. Seebohm, hat am 2. Dezember 1951 auf dem Bundesparteitag der Deutschen Partei in Kassel eine Rede gehalten. Mit Genehmigung des Herrn Präsidenten darf ich daraus nach der Bandaufnahme des Nordwestdeutschen Rundfunks die folgenden Sätze wörtlich zitieren - ich nehme an, daß sie in der Presse richtig wiedergegeben sind -:
Wir sollten uns aber auch klar darüber sein,
daß Menschen, die auf dieser Tradition stehen,
zu den Symbolen des Volkes eine klare und
eindeutige Beziehung haben. Wir neigen uns in Ehrfurcht vor jedem Symbol unseres Volkes - ich sage ausdrücklich: vor jedem! -, unter dem deutsche Menschen ihr Leben für ihr Vaterland geopfert haben. Und wir sind der Auffassung, daß alle Auszeichnungen, die sich ein Mensch durch persönlichen Einsatz und persönliche Tapferkeit erworben hat, mit Blut und mit dem Einsatz seines ganzen Menschen, daß solche Auszeichnungen sein persönlicher Besitz sind und daß niemand das Recht hat, an diesen Auszeichnungen herumzudeuteln.
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Die Rede des Herrn Bundesministers für Verkehr stand in Zusammenhang mit einem unmittelbar vorangegangenen Streit zwischen der Christlich-Demokratischen Union und der Deutschen Partei wegen der Waffen-SS. Soweit der Herr Bundesminister für Verkehr sagen wollte, daß jeder Gefallene - und der gefallene Mann der Waffen-SS nicht minder als jeder andere deutsche Soldat - ein unbedingtes Anrecht auf unser aller Ehrfurcht hat, bringt seine Rede eine Selbstverständlichkeit zum Ausdruck. Ruhm und Ehre der Toten sind über unsere Meinungen erhaben.
In gleicher Weise aber sollten wir uns in der Überzeugung einig sein, daß das Hakenkreuz ein uns und Europa aufgezwungenes Schandmal des Mordes ist.
({4})
In einer später von ihm der Presse übergebenen Erklärung hat der Herr Bundesminister für Verkehr ausgeführt, für -ihn sei das von ihm als „Swastika" bezeichnete Hakenkreuz eindeutig kein Symbol des deutschen Volkes, sondern ein Parteiabzeichen gewesen. Er habe es also mit seiner Rede nicht gemeint. Mit dieser nachträglichen Sprachregelung zu seiner Rede hat der Herr Bundesminister für Verkehr aber nicht mehr auslöschen können, daß seine Worte weithin in der Offentlichkeit als Bekenntnis zum Hakenkreuz verstanden wurden und verstanden werden mußten. Man ist auch für Mißverständnisse verantwortlich, die man hervorruft,
({5})
zumal diese Ausführungen von der sinnlosen Behauptung begleitet waren, das deutsche Volk habe niemals die Grenzen von 1937 anerkannt, eine Wendung, die in Frankreich als Anspruch auf Elsaß-Lothringen aufgefaßt wurde.
Meine Damen und Herren, erwarten Sie bitte von mir keine Auseinandersetzung mit jener Rede. Diese alldeutsche Spielart der neu-europäischen Rhetorik noch zu dramatisieren, hieße die Bedeutung des Herrn Dr. Seebohm übertreiben.
({6})
Ich kann mich in aller Trockenheit mit zwei Feststellungen begnügen. Erstens: Sie wissen, daß die Wirkung der Rede - und für ihre Wirkung hat der Redner einzustehen - dem deutschen Volk geschadet hat. Zweitens: Sie wissen, daß jene Entgleisung nicht die erste des Herrn Bundesverkehrsministers war. Unsere Frage richtet sich nicht an den Herrn Bundesminister für Verkehr, sondern an den Herrn Bundeskanzler.
({7})
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Die Frage, die die sozialdemokratische Fraktion an mich gerichtet hat, geht dahin, ob ich dem Herrn Bundespräsidenten die Entlassung des Herrn Bundesministers für Verkehr wegen seiner in Kassel auf dem Parteitag der Deutschen Partei gehaltenen Rede vorschlagen werde. Es ist eine Bandaufnahme dieser Rede gemacht worden, und der Begründer dieser Anfrage, Herr Dr. Arndt, hat aus dieser Bandaufnahme verlesen. Nach der Bandaufnahme, wie ich sie habe, sind doch zwei kleine Dinge - klein, weil es wenige Worte sind -, die aber doch den Sinn etwas verändern, hervorzuheben. Nach meiner Bandaufnahme - es ist auch die vom Nordwestdeutschen Rundfunk - hat der Bundesminister Seebohm gesagt:
Wir sind der Auffassung, daß Auszeichnungen,
die sich ein Mensch durch persönlichen Einsatz
und persönliche Tapferkeit erworben hat, . . . während Herr Dr. Arndt ausgeführt hat, Herr Seebohm habe gesagt, daß alle Auszeichnungen, die sich ein Mensch durch persönlichen Einsatz und persönliche Tapferkeit erworben habe usw. Weiter hat nach dem mir vorliegenden Text der Bundesminister Seebohm gesagt, daß solche Auszeichnungen sein persönlicher Besitz sind und daß niemand das Recht hat, an_ diesen Auszeichnungen „herumzudeuteln ,und herumzudrehen'". Das ist nicht ganz ohne Bedeutung.
Herr Bundesminister Seebohm hat - ebenfalls
nach der Bandaufnahme - weiter folgendes gesagt: Und so stehen wir auch klar und eindeutig zu den Fragen, die sich mit anderen Symbolen unseres Volkes beschäftigen, gerade mit jenem Symbol, das den Menschen dazu bringt, sich wirklich als Deutscher zu bekennen. Wir haben heute soviel Diskussionen darüber, ob es eine Nationalhymne geben und ob der erste Repräsentant unseres Staates irgend etwas zu einer Nationalhymne erklären soll.
Meine Damen und Herren! Ich halte es für richtig, auch diese Sätze zu Ihrer Kenntnis zu bringen, damit Sie dem ganzen Duktus der Ausführungen des Herrn Ministers Seebohm folgen können.
Zu diesen Ausführungen, die in der Öffentlichkeit auch außerhalb Deutschlands Aufsehen erregt haben, hat Herr Dr. Seebohm in einer Rundfunkerklärung am 4. Dezember 1951 Stellung genommen. In seiner Rundfunkerklärung heißt es folgendermaßen:
An einer anderen Stelle
- zum Verständnis muß ich hier hinzufügen, daß
auch noch eine weitere Stelle der Rede des Herrn
Dr. Seebohm zu Erörterungen Anlaß gegeben hat habe ich darauf hingewiesen, daß Menschen, die auf einer echten deutschen Tradition stehen, auch eine klare und eindeutige Beziehung zu den Symbolen ihres Volkes haben. Ich habe gesagt, daß wir uns in Ehrfurcht vor allen deutschen Symbolen neigen, unter denen deutsche Menschen ihr Leben für ihr Vaterland geopfert haben. Ich habe das Wort „Symbol" besonders unterstrichen im Hinblick auf die Anwesenheit zahlreicher sudetendeutscher Landsleute, die ich einleitend besonders begrüßt hatte. Ich wollte damit sicherstellen, daß für sie auch die Symbole des österreichisch-ungarischen Reiches und seiner Kronländer ausdrücklich eingeschlossen sein sollten.
({0}) Dabei ist es für mich eindeutig, daß die Swastika kein Symbol des deutschen Volkes ist, sondern ein internationales, viel verbreitetes Zeichen, das eine Partei in Deutschland als Parteiabzeichen benutzt hat. Zu den nationalen Symbolen des deutschen Volkes habe ich die Swastika nie gezählt. Wenn ich weiter darauf hingewiesen habe, daß Auszeichnungen, die durch persönlichen Einsatz und persönliche Tapferkeit erworben worden sind, der persönliche Besitz des ausgezeichneten Menschen sind, so habe ich damit keinesfalls gesagt, daß ich Form und Gestalt jeder dieser Auszeichnungen billige. Unmißverständlich werden diese Ausführungen dadurch, daß ich sodann als weiteres nationales deutsches Symbol das Lied der Deutschen herausgestellt habe.
Herr Dr. Seebohm hat mir weiter ergänzend erklärt, daß nach einem Beschluß seiner Fraktion auch die Farben Schwarz-Weiß-Rot als historische Farben Deutschlands zu betrachten seien. Ich glaube daher, daß Herr Dr. Seebohm mit seinen Ausführungen in Kassel diese Farben gemeint und dabei nicht an das Hakenkreuz gedacht hat.
({1})
- Augenblick! Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, daß er seinerzeit im Parlamentarischen Rat für die Farben Schwarz-Rot-Gold gestimmt hat.
({2})
- Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, er hat wohl für die Farben Schwarz-Rot-Gold gestimmt.
({3})
Ich darf zur Erläuterung folgendes sagen: ({4})
Im Parlamentarischen Rat war - das kann ich wohl sagen - Einigkeit darüber, daß die Farben der Bundesrepublik Deutschland Schwarz-Rot-Gold sein sollen. Es bestand eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob die Farben in dieser Form, wie es dann mit Mehrheit beschlossen worden ist, 'sein sollten, wie unsere Fahne sie zeigt, oder ob, wie es von der CDU vorgeschlagen war, ein liegendes Kreuz ähnlich wie bei der dänischen Fahne mit in die Bundesflagge hineingesetzt werden solle. Das war die Meinungsverschiedenheit, über die im Parlamentarischen Rat gesprochen worden ist. Aber ich muß das nun im Interesse des Herrn Bundesministers Seebohm doch ausdrücklich erklären, daß er sich im Parlamentarischen Rat für die Farben Schwarz-Rot-Gold und nicht etwa für schwarzweißrot ausgesprochen hat.
({5})
Daß ich über die Rede des Herrn Bundesministers Seebohm nicht sehr glücklich war, werden Sie verstehen.
({6})
Sie hat mir zunächst eine Note des französischen. Hohen Kommissars und weiter die heutige Interpellation eingetragen.
({7})
Beides wäre vielleicht nicht nötig gewesen, wenn Herr Bundesminister Seebohm in seiner Formu({8})
lierung ganz klar und deutlich gewesen wäre. Also das, meine Damen und Herren, konzediere ich Ihnen ohne weiteres. Man hätte vom Herrn Bundesminister Seebohm verlangen können und müssen, daß er seine Formulierung klarer und deutlicher gewählt hätte.
({9})
Ich habe aber nun über den Verlauf und über die Rede des Herrn Dr. Seebohm einen Herrn gefragt, der beruflich in dieser Versammlung anwesend gewesen ist,
({10})
der politisch tätig ist. - Sie wittern immer Polizei; Sie haben gar nichts anderes im Kopf, Herr Renner. ({11})
Ich habe einen Herrn gefragt, der politisch tätig ist und der nicht zur Partei des Herrn Dr. Seebohm gehört.
({12})
Und dieser Herr - er gehört auch nicht zu meiner Partei, nota bene,
({13})
auch nicht zu Ihnen ({14}) -,
({15})
und dieser Herr, der nach seiner ganzen Tätigkeit und nach seiner ganzen Persönlichkeit wirklich in der Lage ist, sich ein Urteil über eine Rede zu bilden, hat mir sehr entschieden erklärt, ihm sei während der Rede des Herrn Dr. Seebohm auch nicht der Gedanke gekommen, daß Herr Dr. Seebohm das Hakenkreuz damit gemeint habe.
({16})
Ich bedaure, meine Damen und Herren - ich möchte das nochmals sagen -, daß Herrn Dr. See. bohms Rede in Kassel Anlaß zu diesen Mißverständnissen gegeben hat. Ich hoffe, daß durch seine Erklärungen, denen man Glauben schenken muß
({17})
und die bestätigt werden durch das Zeugnis dieses Mannes, den ich gefragt habe,
({18})
die nötige Aufklärung gegeben ist.
Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, dem ganzen Haus und der ganzen Öffentlichkeit zum Schluß folgendes sagen: Für einen Mann, der sich in Ehrfurcht vor dem Hakenkreuz neigt, würde in einem unter meiner Leitung stehenden Kabinett kein Platz sein.
({19})
Damit ist die Interpellation beantwortet. Ich frage das Haus, ob eine Debatte gewünscht wird.
({0})
- Wird das von mehr als 30 Abgeordneten unterstützt? - Das ist der Fall.
Damit ist die Debatte eröffnet. Der Ältestenrat hat dafür eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herren Interpellanten haben die Interpellation auf ein Mißverständnis begründet, für das man auch verantwortlich sein müsse, und sie haben sie ferner darauf begründet, daß die Wirkung dieses Mißverständnisses geschadet habe. Ich darf in aller Kürze auf diese beiden Behauptungen antworten.
Erstens: Es handelte sich um eine umfassende Rede, die der Herr Bundeskanzler in ihren wesentlichen Grundzügen, soweit es den beanstandeten Text betrifft, analysiert hat. Es ist immer ein mißliches oder böswilliges Unterfangen, aus einer so langen Rede, die auch einen stark philosophischen Gehalt gehabt hat,
({0})
Einzelheiten herauszuziehen. - Ihr Gelächter, meine Herren - ich möchte diese Frage wirklich in Ruhe und Gelassenheit behandeln -, beweist mir immer wieder: von dem ganzen Parteitag, auf dem soviel Positives, entscheidend Positives vorgetragen worden ist, ist so gut wie nichts Wesentliches gewürdigt worden, aber diese eine Stelle, bei der man, wenn man nicht nachdenken wollte, ein Mißverständnis konstruieren konnte, ist herausgezogen worden!
({1})
Der Herr Bundeskanzler hat die Gründe, die bei genauem Nachdenken gegen ein solches Mißverständnis sprechen sollten, sehr deutlich gemacht. Nach der gesamten Tätigkeit von Herrn Dr. Seebohm im Parlamentarischen Rat kann ich sagen - und ich bin durch viele Monate hindurch sein enger Mitarbeiter gewesen -, daß nur eine völlige Verkennung seines Denkens die Handhabe zu einem solchen Mißverständnis bietet. Wenn im Ausland nach solchen Mißverständnissen gesucht wird, dann hat das ja oft eine sehr leicht begreifbare Begründung. Es sollte in unserem parlamentarischen und politischen Leben zum Anstand gehören, daß man die dem Aufbau verpflichtete Gesinnung als selbstverständlich jedem unterstellt, der in unserem schwergeprüften Vaterland politisch tätig ist.
({2})
Durch Jahre hindurch haben wir dafür gekämpft. Ich möchte einmal ein indisches Sprichwort zitieren zu all diesen Fragen, die heikel sind und die das Gefühl verletzen, wenn man überhaupt noch von ihnen spricht. Das indische Sprichwort lautet: Der Edle wird das Schlechte nicht ausspucken und auch nicht sein Herz vergiften lassen, sondern er wird es verdauen. Das heißt, er wird stärker sein als das Schlechte. Ich glaube, es gehört zu unseren deutschen Aufgaben, das Schlechte zu verdauen, um stärker zu sein, um etwas Gutes und konstruktiv Neues aufzubauen.
Die Herren Interpellanten haben auf die Wirkung im Ausland hingewiesen. Ich darf nur kurz erwähnen, daß der holländische Verkehrsminister, Herr Wemmer, der der Bundesrepublik einen Besuch abgestattet hat - und das geschah nach der Rede des Herrn Dr. Seebohm -, dem deutschen Botschafter im Haag erklärt hat, daß er mit dem Ergebnis der Verhandlungen und mit der persönlichen Haltung des Herrn Dr. Seebohm, der eine
({3})
wahrhaft europäische Sprache gesprochen habe, äußerst zufrieden sei.
({4})
Gerade dieses Urteil, wenn Sie schon auf die Wirkung abgestellt haben, Herr Kollege Arndt, gerade dieses Urteil des Ministers eines Landes, in dem neben Norwegen doch wohl noch besondere Schwierigkeiten zu überwinden sind, dürfte von besonderer Bedeutung sein.
Ich glaube, wir würden uns im politischen Leben .einen guten Dienst erweisen, wenn wir nicht in eine ausländische Pressekampagne, die irgend etwas Hergesuchtes auf den Plan bringt, einstimmten und damit den Eindruck erweckten, als gebe es in diesem Lande überhaupt noch maßgebliche Leute, die eine solche Äußerung tun könnten, wie sie dem Herrn Bundesverkehrsminister unterschoben worden ist.
({5}) Meine Damen und Herren, das ist doch nichts anderes als die Fortsetzung einer alten Erscheinung, die wir kennen.
({6})
Früher war es einmal üblich, daß man die Linke im Hinblick auf ihre nationale Zuverlässigkeit diffamierte. Das war eine sehr böse und schlechte Sache.
({7})
Heute ist es üblich, in jeder konservativen Richtung eine Wiederkehr reaktionärer Grundgedanken zu finden. Es sollte doch nun langsam klargeworden sein, daß zwischen einer Gesinnung des Radikalismus, wie sie vom Nationalsozialismus vertreten worden ist, und der alten konservativen Gesinnung, die in einer politischen Richtung wie der unsrigen zum Ausdruck kommt, ein Abgrund von Unterschieden besteht. Eine Welt trennt uns! Diese Erkenntnis sollte sich allmählich durchsetzen.
Ich darf von seiten meiner politischen Freunde aus sagen, wir bedauern es sehr, daß dieser Vorfall wiederum in einer Weise aufgebauscht worden ist, die unseren gesamten deutschen Interessen abträglich ist. Ich glaube - ich habe vermieden, mit Retourkutschen aufzufahren - das ist absolut ungut. Wir sollten so viel Vertrauen und gegenseitige Achtung haben, daß gewisse grundsätzliche Dinge, die die Lebensinteressen unseres Landes betreffen, die die Grundlagen unserer politischen Haltung betreffen, als selbstverständlich bei allen deutschen Parteien vorausgesetzt werden. Dann sind solche Mißverständnisse nicht mehr möglich!
({8})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler, ich hatte gehofft, daß Ihre Ausführungen es mir ersparen würden, in der Diskussion noch einmal das Wort zu dieser skandalösen Rede des Herrn Bundesverkehrsministers zu ergreifen.
({0})
Ihre Ausführungen jedoch, mit denen Sie sich nicht so eindeutig von dem Inhalt der Rede des Herrn Bundesverkehrsministers abgesetzt haben, wie wir es gewünscht hätten, zwingen uns, noch einmal auf das einzugehen, was am 4. Dezember 1951 in Kassel gesagt worden ist.
Herr Bundeskanzler, es handelt sich ja hier gar nicht um Schwarz-Weiß-Rot, es handelt sich nicht um Schwarz-Rot-Gold, sondern es handelt sich darum, daß der Herr Dr. Seebohm gesagt hat: „Wir neigen uns vor jedem Symbol, unter dem Deutsche gefallen sind. Ich betone ausdrücklich: vor jedem Symbol." Daß diejenigen, die anwesend waren, zu ihrem überwiegenden Teil darunter auch das Hakenkreuz verstanden haben, kann gar keinem Zweifel unterliegen.
Herr Bundeskanzler, eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede. Sie haben nur eines Mannes Rede zitiert. Ich will Ihnen aus einer Zuschrift an eine Zeitung vorlesen, was ein anderer Zuhörer des Herrn Dr. Seebohm dazu geäußert hat. Er hat gesagt:
Ich war selber bei seiner Rede anwesend, als er den Ausspruch tat: „Wir beugen uns vor jedem Symbol, unter dem Deutsche gekämpft haben." - Nachdem die Deutschen sechs Jahre unter dem Hakenkreuz als der Flagge des deutschen Reiches gekämpft haben, war das so eindeutig, daß ich unter Protest den Saal verließ.
Herr Bundeskanzler, ich glaube, das ist die Meinung der Mehrzahl der Zuhörer von Herrn Dr. Seebohm gewesen, und nicht das, was Ihr politischer Mittelsmann Ihnen gesagt hat. Ich weiß nicht, was der überhaupt unter Politik versteht! Wenn er das nicht verstanden hat, was Herr Dr. Seebohm hier sagen wollte,
({1})
dann sollte er lieber auf einem anderen Gebiete tätig werden, aber nicht auf dem Gebiete der Politik.
({2})
Nun ist es ja nicht so, daß wir so ohne weiteres über diese Angelegenheit hinweggehen können; denn Herr Dr. Seebohm sitzt auch heute noch auf der Bank der Regierungsmitglieder. Wenn das, was er gesagt hat, schon ein Skandal war, dann ist es ein noch größerer Skandal, daß er heute noch Mitglied der Bundesregierung ist.
({3})
Herr Bundeskanzler, wir verkennen nicht, welche Gründe Sie veranlaßt haben, nicht das zu tun, was Sie mit Ihrem letzten Satz zum Ausdruck gebracht haben. Das Knistern im Gebälk Ihrer Koalition
({4})
ist ja allmählich schon so hörbar, daß es Ihnen - ({5})
- Ach Gott, meine Herren, wenn Sie keine Ohren
haben, zu hören, können wir doch nichts dafür!
({6})
Daß es Ihnen, Herr Bundeskanzler, natürlich nicht leicht gefallen wäre, den Herrn Bundesverkehrsminister Dr. Seebohm am 5. oder 6. Dezember 1951 oder nach Ihrer Rückkehr aus London auszubooten, kann ich mir denken. Ich will hier mit aller Deutlichkeit sagen, Herr Bundeskanzler: ich glaube schon daran, daß Sie persönlich am liebsten dem Herrn Bundespräsidenten vorgeschlagen hätten, Herrn Dr. Seebohm zu entlassen. Aber Sie sind halt auf die Deutsche Partei angewiesen, um nicht noch mehr Schwierigkeiten mit Ihren Mehrheitsverhältnissen hier in diesem Hause zu bekommen.
({7})
({8})
- Frau Kalinke, Sie haben nachher Zeit, Ihr wohltönendes Organ hier erklingen zu lassen!
({9})
- Stören Sie mich bitte nicht! Welche Zwischenrufe ich mache, müssen Sie mir schon überlassen, Herr Dr. Mühlenfeld. Wenn Sie keine machen können, dann fragen Sie mich vielleicht das nächste Mal, was Sie für Wünsche haben.
({10})
Meine verehrten Anwesenden, es ist ja nicht so - der Herr Bundeskanzler hat es mit aller Deutlichkeit gesagt -, daß hier etwas geschehen wäre, das keinen Nachhall gefunden hat. Die Demokratie hat schon wieder Schaden genommen! Das deutsche Volk ist hier in einer Art und Weise diskreditiert worden, wie es unter dem Hakenkreuz der Fall gewesen ist. Wenn sich Herr Dr. Seebohm schon verneigen wollte, dann hätte er sich vor den Millionen Opfern verneigen sollen, die uns das Hakenkreuz gebracht hat!
({11})
Das wäre eine Verneigung gewesen!
({12})
Aber das liegt ja, glaube ich, nicht in der politischen Linie des Herrn Dr. Seebohm und seiner
Partei. Haben Sie schon einmal etwas davon gehört,
daß sich Herr Dr. Seebohm und seine politischen
Freunde fur Schwarz-Rot-Gold in dem Sinne eingesetzt haben, wie es notwendig ware? Haben Sie
schon einmal etwas davon gehört, daß Herr Dr.
Seebohm und seine politischen Freunde die Opfer
des Nationalsozialismus in der Weise respektierten,
wie es in Deutschland angesichts der Schuld, die
wir auf uns geladen haben, getan werden sollte?
({13})
Nein! - Sie sind ja gar nicht gemeint! Ich rede ja nicht von Ihnen persönlich, Herr Hellwege, ich rede von der Deutschen Partei!
({14})
- Das ist keine Klitterung der Geschichte, Herr Dr. Mühlenfeld, wie Sie sie heute schon wieder betreiben. Das kann ich Ihnen am besten an einem Plakat illustrieren, das zu einem „Deutschen Abend" am 12. Januar 1952 in Braunschweig einlud.
({15})
- In Braunschweig ist es gewesen! Am Eingang des Lokals hing ein Plakat in schwarz-weiß-roter Umrandung - Herr Bundeskanzler: nicht schwarz-rotgold, sondern schwarz-weiß-rot! - mit der Balkenüberschrift: „Der große Zapfenstreich". Dann hieß es weiter: „Deutscher Abend, veranstaltet von der Deutschen Partei, Sonnabend, 12. Januar 1952, unter der Stabführung von Herrn Kapellmeister Pinkernelle mit seinem großen Blasorchester in den Uniformen des Infanterieregiments Nr. 92 Braunschweig."
({16})
Meine Damen und Herren! Das ist der Geist, unter dem Reden zustande kommen wie die des Herrn Dr. Seebohm am 4. Dezember 1951!
({17})
Es ist ja leider so, daß Herr Dr. Seebohm und die ihm geistesverwandten politischen Freunde sich überhaupt nicht mehr in der Kontrolle darüber haben, was sie eigentlich sagen.
({18})
So glaube ich schon, Herr Bundeskanzler, daß Sie Ihre Sorgen haben, und ich beneide Sie nicht.
({19})
Nur, Herr Bundeskanzler, die Folgerungen, die Sie daraus gezogen haben, sind nicht richtig. Wir bedauern es außerordentlich; daß wir in diesem Falle mit Ihnen nicht einig gehen können. Sie hätten Herrn Dr. Seebohm entlassen lassen müssen.
({20})
Sie hätten Herrn Dr. Seebohm entlassen müssen,
({21})
weil Sie zum Schluß gesagt haben: „Ein Mann, der sich vor dem Hakenkreuz verbeugt, hat keinen Platz in einer Bundesregierung unter meiner Führung!"
Nun, es kann keinem Zweifel unterliegen, daß Herr Dr. Seebohm das gesagt hat, was mein Freund Arndt hier zum Ausdruck gebracht hat. Ihnen machen andere Herren genug Schwierigkeiten, Herr Bundeskanzler, ich weiß es! Aber glauben Sie nicht, daß der Schaden, der dadurch angerichtet wird, daß Sie derartige Herren weiter in Ihrer Bundesregierung behalten, auf die Dauer ein größerer ist, als wenn Sie jetzt die Schwierigkeiten in Kauf nähmen, die Ihnen möglicherweise durch den Austritt der Deutschen Partei aus Ihrer Regierung erwüchsen? Die Deutsche Partei würde Ihnen allerdings vielleicht Dank dafür wissen, wenn Sie das taten, weil sie dann die Möglichkeit hätte, in die Opposition zu gehen.
({22})
Sie ist ja schon Opposition innerhalb der Regierung.
({23})
Warum soll sie da nicht Opposition außerhalb der Bundesregierung sein? Wir haben keine Furcht vor einer schwarz-weiß-roten Opposition mit Hakenkreuz am Stahlhelm.
({24})
- Ach, Frau Kalinke, Sie sollen ja auch gar keinen Stahlhelm tragen!
({25})
Behalten Sie ruhig weiter ,das auf, was Sie bisher auf dem Kopfe haben.
({26})
Meine Damen und Herren! Männer, die nichts weiter im Kopfe haben, als derartige Reden zu halten und wieder zu singen: „Es braust ein Ruf wie Donnerhall" und „Siegreich woll'n wir Frankreich schlagen", sind keine Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland!
Herr Bundeskanzler, Sie haben selbst gesagt: Leute, die solche Reden halten, gehören in den politischen Orkus! Wenn Herr Dr. Seebohm von Ihnen nicht in den politischen Orkus geschickt wird, dann sind Sie mit für das verantwortlich, was Herr Dr. Seebohm gesagt hat, und zwar dadurch, daß Sie es nachträglich decken und daß Sie nicht die Konsequenzen daraus ziehen, die Ihnen als Regierungschef zukommen.
Herr Bundeskanzler, ziehen Sie die Konsequenzen aus dem letzten Satz, den Sie eben gesagt haben. Entlassen Sie Herrn Dr. Seebohm, oder empfehlen Sie dem Herrn Bundespräsidenten die Entlassung des Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm! Das wird uns im Ansehen unserer Entschei({27})
dungen in aller Welt einen gewaltigen Schritt weiterbringen.
({28})
- Sie ({29}) wissen ja gar nicht, wie es draußen aussieht. Sie haben keine Ohren, zu hören, und keine Augen, zu sehen, weil Sie nicht hören und sehen wollen! Sie können doch allen Ernstes nicht das verteidigen, was Herr Dr. Seebohm hier gesagt hat! Unser Appell richtet sich an den Herrn Bundeskanzler. Eine Diskussion mit dem Herrn Bundesverkehrsminister erübrigt sich angesichts der Tatsache, daß er einer Diskussion über solche Fragen mit uns einfach nicht würdig ist.
({30})
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich könnte meine Antwort mit dem Bedauern beginnen, daß ich die politische Auseinandersetzung, die nun leider nötig ist, ausgerechnet mit einem Manne beginnen muß, der im allgemeinen seine Meinungsverschiedenheiten durch Prügel und dergleichen auszutragen pflegt.
({0})
Wir haben Erinnerungen an niedersächsische Auseinandersetzungen dieser Art. Ich bedaure das. Aber auch ich spreche nicht zu Herrn Dr. Greve, sondern ich muß ja der sozialdemokratischen Fraktion antworten, und das will ich im Geiste der vollen Verantwortung besorgen, von , der Sie als Sprecher Ihrer Fraktion und als Hüter der Demokratie so besorgt gesprochen haben, indem Sie darauf hinwiesen, wie Sie sich die Repräsentanten der Bundesrepublik im In- und Auslande vorstellen.
Meine Herren und Damen! In meiner Fraktion sitzt neben unserem Freunde, dem Bundesverkehrsminister, kein einziger Mann und keine Frau, die sich etwa zu irgendeiner Zeit in Reden und Aufsätzen mit dem Nationalsozialismus und dem Führer des Nationalsozialismus so identifiziert haben, wie sich maßgebliche Vertreter Ihrer Fraktion in diesem Hause „mit der ingeniösen Staatskunst des herrlichen Führers noch 1940 lobend identifizierten".
({1})
Ich will es Ihnen schriftlich geben; ich will Ihnen
das vorlesen und vorlegen, wenn Sie das wünschen.
({2})
- Wollen Sie das, dann will ich es Ihnen vorlesen, was der maßgebliche Sprecher Ihres neuen Sozialprogramms, Herr Professor Preller, noch 1940 geschrieben hat:
({3})
Wofür wir kämpfen.
- Ich könnte mit der Genehmigung des Herrn Präsidenten sehr viel vorlesen. Wenn der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, so schließen diese Mittel für die ingeniöse Staatskunst des Führers jedenfalls diplomatisches und wirtschaftliches Vorgehen nicht aus ...
({4})
Da Sie so entzückt sind von der Berichterstattung der Presse, meine Herren, muß ich sagen: Ich bedaure es als deutsche Frau aufs tiefste, daß wir Deutschen unsere schmutzige Wäsche miteinander immer im Lande waschen müssen. Ich bedaure aber noch viel mehr, daß wir sie im Auslande waschen müssen.
({5})
Meine Herren, wer schon Sorge um das Ansehen des deutschen Volkes im Ausland hat - und wir haben nach den vergangenen Jahren diese Sorgen gemeinsam zu tragen -, der sollte sich doppelt hüten, als Träger der Repräsentanz einer großen politischen Partei diese Sorge nicht immer und in jeder Stunde zu empfinden.
Der Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, in dem ich gewählt bin, hat im Herbst des vorigen Jahres als „Ehren-Schlesier" eine große und sehr nationale - ich will nicht sagen: nationalistische - Rede gehalten. Aber das war ein SPD-Mann. Nationalsozialistische Töne sind immer verdächtig, auch für mich, meine Herren, aber nationalistisch-sozialistische Töne sind etwas anderes, jedenfalls in der Berichterstattung und in der Art, wie sie bei Ihnen wirken.
Ich möchte jetzt aber auf die außenpolitischen Gefahren eingehen. Ich möchte schweigen von dem, was ich als Abgeordnete in Amerika von der außerordentlichen Aufklärung gesehen habe, die gerade Ihre Partei im Auslande zuungunsten des Ansehens der Bundesrepublik dort drüben treibt.
({6})
Ich möchte auch von den vielen kleinen Dingen schweigen, über die sehr viel zu sagen wäre. Ich möchte nur einige einzelne, ganz erschütternde Fälle .der letzten Tage hier einmal vortragen.
Meine Herren, daß Herr Reuter, der der Generalsekretär der Kommunistischen Partei war, ein großer Sachkenner des Marxismus und des Kommunismus ist, möchte ich ihm nicht abstreiten. Daß er aber ein Sachkenner der demokratischen Kräfte in dieser Regierung ist - und mit dem Angriff sind alle Regierungsparteien angegriffen -, das möchte ich ihm ganz entschieden absprechen.
({7})
Ich möchte aber erklären, daß es der Gipfel der Verantwortungslosigkeit ist, wenn ein deutscher Sozialdemokrat im Ausland in einer so ernsten Stunde wie der, in der sich die deutsche Delegation, als es um gesamtdeutsche Fragen ging, im Ausland befand, sich in einem Interview dann so etwas leistet! Dabei sträubt sich alles in mir, es überhaupt in diesem Hause darzustellen.
({8})
- Nicht „O Gott, o Gott!" Herr Mellies! Sie sollten sich sehr ernsthaft Gedanken über die Folgen solcher unverantwortlichen außenpolitischen Handlungen machen! Nicht etwa, daß der Sprecher der Sozialisten, Herr Reuter, gefragt worden wäre, wie er über die Deutsche Partei im besonderen oder die Regierungsparteien im allgemeinen- dächte - nein, ihm ist vom „Franc Tireur" eine Frage vorgelegt worden, wie er sich- denn die Vereinigung Deutschlands vorstelle. Und wörtlich ist er gefragt worden, unter welchen Bedingungen seine, die Sozialdemokratische Partei dieser Vereinigung zustimmen würde und worin sich diese Bedingungen von denen der Regierungsparteien unterscheiden. Darauf hat Herr Reuter geantwortet - und so können Sie es im „Franc Tireur" vom 11. Dezember
({9})
1951 im Original lesen, ich sage es in der deutschen Übersetzung, frei übersetzt -, man, brauche nicht davon zu sprechen, daß sich besondere Differenzen ergäben; denn alle Parteien hätten ja im Bundestag diesem Willen zur Einheit Deutschlands zugestimmt. „Alle demokratischen Parteien", sagte er, „- und wenn ich sage: die demokratischen Parteien, dann denke ich nicht an die Partei von Herrn Dr. Seebohm, sondern allein an die Sozialisten, an die christlichen Demkoraten, an die Liberalen, die sich damit identifizieren."
({10})
- Sie rufen „Sehr richtig!", meine Herren und Damen. Damit haben Sie die gesamte Bundesregierung und die Koalition, die diese Regierung verantwortlich trägt, im Ausland diffamiert. Und Sie wollen sprechen von der Verantwortung der Deutschen im Ausland? Sie wollen sprechen von der demokratischen Verantwortung, das Ansehen der Deutschen zu stützen?
Kein Geringerer als Herr Professor Carlo Schmid, ein sehr gelehrter Jurist, ein Justizminister - nicht wahr? -,
({11})
ein Mann, der auch als praktizierender Jurist - er war Kriegsgerichtsrat in Frankreich ({12})
einiges von der Gefahr solcher Dinge weiß, - Herr Carlo Schmid hat vor kurzem in Straßburg ebenfalls in einer außenpolitisch sehr ernsten Stunde, als dieses schandbare Unglück mit dem Verbrecher Halacz in Nienburg geschah, auf -dem Boden der internationalen Auseinandersetzung geäußert, daß man solche Attentate doch mit politischen Zielen und mit nazistischen Aktivs in Verbindung bringen müsse.
({13})
Meine Herren, ich könnte zu diesen Dingen noch eine ganze Fülle hinzufügen. Der Sprecher der Sozialdemokratischen Partei hat hier mit Ausdrücken, die ich nicht wiederholen möchte, davon gesprochen, daß die Deutsche Partei etwa in ihrer Haltung zum Recht an irgendeinem Punkt angreifbar wäre. Meine Herren, wir haben es weder nötig, Ihnen unsere demokratische Haltung noch unseren Charakter zu beweisen. Das lehne ich ganz entschieden ab.
({14})
Aber, Herr Dr. Greve, ich weiß nicht, in welcher Partei Sie damals saßen. Sie haben Ihre Gesinnung ja gewechselt!
({15}) Als wir - und auch mein Kollege und Freund Dr. Seebohm - im Niedersächsischen Landtag dem Gesetz über die Entschädigung für die Opfer des Nazismus zustimmten - ich weiß allerdings nicht, in welcher Partei Sie damals waren, Herr Dr. Greve -, da haben wir uns für - ({16})
- Ich führe kein Buch über Ihre verschiedenen Gemütsbewegungen.
({17})
- Herr Dr. Greve, wir haben uns für die Geschädigten des Naziregimes mit demselben Ernst und
Eifer verantwortlich eingesetzt, wie wir uns gegen
die Verfolgung der Entnazifizierten eingesetzt haben, und keiner von uns hat jene Stunden im Niedersächsischen Landtag vergessen, in denen Ihre Fraktion Zurufe machte, die ich in dieser Stunde um des Rechts und der Demokratie willen nicht wiederholen möchte. Ich möchte nicht, daß die Wellen der Erregung höher gehen. Ich möchte nämlich nicht, daß es sich wiederholt, daß aus Reden, in denen deutsche Männer und Frauen frei sprechen, besonders aus Reden, in denen deutsche Männer und Frauen als Vertriebene zu Heimatvertriebenen sprechen, dann einzelne Sätze herausgerissen werden und daß dann sinnentstellende Sätze dazu beitragen, Unfrieden und Haß zu säen. Wir haben bei Gott in Deutschland alle gemeinsam die Verpflichtung, von diesem Unfrieden endlich zur gemeinsamen Verantwortung zu kommen.
({18})
Einer solchen gemeinsamen Verantwortung dienen weder Ihre Interpellationen noch der Ton, mit dem Sie mich hier gezwungen haben, so zu Ihnen zu sprechen.
({19})
Ich warne Sie!
({20})
Sie werden demnächst, wenn Sie nicht mit uns einen Weg gemeinsamer Verantwortung finden, nämlich den der Verantwortung für unser Vaterland, uns noch öfter herausfordern, so daß wir Ihnen hier leider - ich bedauere das - Vorlesungen halten müssen, die ich lieber verschweigen möchte.
({21})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Wir hatten nicht die Absicht, einen Redner ins Treffen zu schicken, aber der Verlauf dieser Aussprache veranlaßt uns, doch etwas zu sagen. Eine Vorbemerkung an die Frau Kollegin Kalinke: den „Kommunisten und Kenner des Marxismus Reuter alias Friesland" schenken wir Ihnen.
({0})
Wir haben ihn nämlich rechtzeitig aus unserer Partei ausgeschlossen.
({1})
- Das ist der Tatbestand.
Nun zur Sache selber. Ein ernstes Thema - aber ich frage mich, ob wir in den sechs Jahren des Bestehens dieser Zone keine ernsteren Anlässe gehabt hätten, uns mit der Frage auseinanderzusetzen, ob in Westdeutschland die Elemente und die Träger des Faschismus politisch und wirtschaftlich ausgeschaltet sind.
({2})
Sehen Sie, meine lieben Freunde von der SPD,
({3})
ich freue mich über jedes Anzeichen der Besserung. Aber ich hätte gerne ,gesehen, wenn Sie sich mit der Konsequenz, mit der Sie sich heute auf Herrn Seebohm gestürzt haben, seit 1945 auf alle faschistischen Überbleibsel und auf die heute wieder
({4})
regierenden Stützen und Träger des Faschismus gestürzt hätten. Es sähe dann heute in Westdeutschland anders aus, wenn Sie mit dieser Konsequenz gegen etwas - um einen Namen zu nennen, gegen den Herrn Pferdmenges,
({5})
den Finanzier auch der Nazis - gekämpft hätten. Es sähe besser in Westdeutschland aus.
({6})
Ich kann mich erinnern, daß Leute, die der SPD nahe stehen, das Wort vom „Recht auf den politischen Irrtum" geprägt haben. Nun, er hat von seinem Recht zum zweiten Mal Gebrauch gemacht.
({7})
Was er uns heute erzählen will, er sehe in seinen Auszeichnungen nicht das Hakenkreuz - in diesen Auszeichnungen, die er als sein Eigentum betrachtet -,
({8})
das ist nicht glaubhaft. Ich kann mir doch nicht vorstellen, daß er etwa schon unter dem Alten Fritz gedient und sich dort ausgezeichnet und seine Kriegsauszeichnungen bekommen hat.
({9})
Die Auszeichnungen, die er trägt - wenn in den nächsten Tagen nichts dabeikommen sollte -,
({10})
hat er sich unter den Nazis erdient; die tragen das Hakenkreuz, und nur die kann er gemeint haben. Das ist für mich ganz selbstverständlich.
Nun ist der Herr Oberbürgermeister, - ({11})
- der Herr Bundeskanzler, ich bitte um Verzeihung, in einer unangenehmen Situation. Ich erinnere mich, daß er einmal gesagt hat, daß er jeden Montagmorgen in Sorgen aufsteht und die Zeitungen abwartet, ob nicht irgendeiner seiner jungen Männer
({12})
ähnliche Dummheiten gemacht hat wie Herr
Seebohm. Nun, er hat uns heute gesagt, er sei
über dessen Rede nicht besonders glücklich gewesen. Wir haben von ihm in den letzten Wochen und Monaten des öfteren gehört, daß er über gewisse Ereignisse glücklich war, z. B. über das Ereignis der Ratifizierung des Schumanpaktes. Ich bin der Meinung, die Elemente, die in Deutschland die Ratifizierung des Schumanpaktes so forciert haben und in deren Auftrag der Herr Bundeskanzler die Sache gemanagt hat, das sind doch die alten Wehrwirtschaftsführer,
({13})
die alten Großbankiers und die alten Kohlenkönige und Stahlbarone, die schließlich auch Hitler an die Macht gebracht haben.
({14})
Mir und doch auch Ihnen allen ist bekannt, daß der Herr Bundeskanzler geradezu entouriert ist von ehemaligen Größen der SS-Formationen, von abgetakelten nationalsozialistischen, von Hitler-Generälen. Daß er auch diesen Herrn Seebohm noch trägt und erträgt, das scheint mir ihm durchaus zumutbar zu sein.
({15})
Ich habe Verständnis dafür, daß er ihn trägt. Er
trägt ja so viel; er trägt ja die ganzen Reste des
alten nationalsozialistischen Systems und seine' Träger. Und er trägt sie mit Würde,
({16})
dieser „Kämpfer gegen den Faschismus", der so heftig gekämpft hat, daß er in all den Jahren zähneknirschend die Pension in die Tasche gesteckt hat, die ihm die Nazis gezahlt haben.
({17})
- Das ist gar nicht geschmacklos, er mindestens hat es sehr geschmackvoll gefunden.
({18})
- Ich komme jetzt auch zur Grenze. - Machen Sie ({19}) das Licht aus, bei den andern haben Sie es auch nicht eingeschaltet!
Herr Abgeordneter Renner, das stimmt nicht.
Sie haben den Vertretern der Deutschen Partei insgesamt 19 Minuten gegeben.
Nein! Damit aber Mißverständnisse ausgeschlossen sind: die Vertreterin der Deutschen Partei, die gesprochen hat, hat die Redezeit von der CDU erhalten, die dieser zustand.
Egal! - So, das ist ja herrlich interessant.
({0})
Solche „Kompensationsgeschäfte" macht die CDU mit uns natürlich nicht.
({1})
Nur einen letzten Satz! Ich habe mit Freuden gehört, daß die Sozialdemokraten festgestellt haben, daß der Herr Seebohm noch niemals ein Wort der Anerkennung und des Dankes gefunden hat für die wirklichen, die Tausende und aber Tausende von Opfern des Nationalsozialismus.
({2})
Eine herrliche Erkenntnis, daß man ihm das ankreidet.
({3})
Aber ich bin verpflichtet, auch an dieser Stelle auszusprechen, daß man auch seitens der sozialdemokratischen Länderminister allen Opfern des antifaschistischen Kampfes dieselbe Ehrerbietung entgegenbringen sollte, daß man nicht z. B. den VVN-Mitgliedern - dieser größten aller Organisationen der Opfer des Faschismus - verbietet, ihrer, unserer Toten zu gedenken.
({4})
Der Meinung bin ich, daß das eine Konsequenz sein müßte; und ich bin, um zum Schluß zu kommen, der Meinung,
({5})
daß, wenn man wirklich die Reste des Faschismus bei uns in Westdeutschland beseitigen will, man sich nicht auf den einen -kleinen Minister Seebohm beschränken darf, sondern daß man an der Spitze anfangen soll. Neben dem Herrn Adenauer steht ein weit gefährlicherer Herr, der Herr Lehr.
({6})
Der Herr Lehr, der Türöffner der Nazis,
({7})
({8})
und mit dem Herrn Adenauer gehen müßte auch der Herr Lehr, der prominenteste
({9})
Erbe und neue Verfechter des neuen Faschismus!
({10})
Das muß die Konsequenz sein, meine Freunde aus der SPD, die wir aus der Situation ziehen sollten. Ja, ich denke, es gibt noch wirkliche Antifaschisten in der SPD.
({11})
Herr Abgeordneter Renner, Ihre Redezeit ist weit überschritten!
Kämpfen wir - ({0})
Kämpfen wir gemeinsam gegen die Träger der neuen Diktatur, repräsentiert in der Gestalt des Herrn Adenauer!
({1})"
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, in derselben Art und Weise mich hier von der andern Seite der beiden Geschlechter zu betätigen, wie Fr au Kalinke das getan hat.
({0})
- Nein, das kann ich auch nicht; da haben Sie ganz recht! Diese Art fehlt mir!
({1}) Aber wenn Sie das wünschen, könnte ich Ihnen auch dafür ein Beispiel geben, meine Damen und Herren. Ich halte es aber nicht für angebracht, diese Angelegenheit zu bagatellisieren oder ins Lächerliche zu ziehen.
({2})
Meine Damen und Herren, wovon hat Frau Kalinke gesprochen? Von allen möglichen Dingen, nur nicht von der Rede des Herrn Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm, die hier allein zur Erörterung steht.
({3})
Frau Kalinke, wir brauchen uns doch gar nicht darüber zu unterhalten, ob der eine meiner Parteifreunde oder der andere Ihrer Parteifreunde mal in der NSDAP gewesen ist. Wissen Sie, bei Ihnen wimmelt es ja von ehemaligen Nazis, und was Ihr Herr Dr. Ehrich sich im letzten niedersächsischen Wahlkampf geleistet hat, hat ja alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt.
({4})
Ich glaube, ich brauche Sie nur daran zu erinnern, was damals wirklich vorgegangen ist; das weiß jeder hier im Hause. Das war eine Schande genau so wie das, was Herr Dr. Seebohm gesagt hat.
Herr Dr. Seebohm hat sich gegenüber einem Journalisten aus Dortmund, als es sich um den Hedler-Prozeß handelte, aufgeregt, daß er mit Herrn Hedler verwechselt worden war, und hat diesem Journalisten aus Dortmund gegenüber zum Ausdruck gebracht, daß man solche Journalisten als „journalistische Schmutzfinken, die in der deutschen Demokratie nicht geduldet werden dürften", bezeichnen müßte. Nun, meine Damen und Herren, das ist die Sprache, die Herr Dr. Seebohm zu verstehen 'scheint. Ich will nur an Stelle des Wortes „journalistisch" „bundesministeriell" setzen - weiter will ich nicht sprechen -, um Ihnen zur Kenntnis zu bringen, wie man die Ausführungen eines solchen Ministers bezeichnen muß.
({5})
- Das ist nicht unerhört! Das ist die Sprache, ({6})
die diejenigen, die so etwas sagen, allein zu verstehen scheinen.
({7})
- Ach, meine Herren, regen Sie sich doch nicht auf! Sie hätten sich lieber aufregen sollen, als Herr Seebohm diese Rede gehalten hat!
({8})
Da wäre es Zeit gewesen und nicht jetzt. Schließlich sind wir noch diejenigen, die wegen der Rede von Herrn Dr. Seebohm hier angegriffen werden. Nein, meine Damen und Herren:
({9})
Wenn Sie glauben, wir ließen uns auf diese Art der Auseinandersetzung ein, dann sind Sie im Irrtum. Sie können sich mit uns auseinandersetzen. Hier aber steht nur ein einziger zur Diskussion, der schuldig ist: das ist Herr Dr. Seebohm! Und der Herr Bundeskanzler wird sich nach unserer Auffassung politisch mitschuldig machen, wenn er dem Herrn Bundespräsidenten nicht unverzüglich die Entlassung des Herrn Bundesverkehrsministers Dr. Seebohm vorschlägt.
({10})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Da keine Anträge zur Interpellation vorliegen, ist damit dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die im Ausland lebenden Angehörigen des öffentlichen Dienstes ({0}).
({1})
Wer begründet? - Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Merle Damen und Herren! Das am 11. Mai 1951 verkündete Gesetz zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes begrenzt den von ihm erfaßten Personenkreis auf die Geschäd gten, die am 23. Mai 1949 ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet oder in West-Berlin hatten oder die wegen besonderer Voraussetzungen ihn später dort -begründet haben. Für die aus der Emigration noch nicht zurückgekehrten Geschädigten ist in § 4 des Gesetzes &ne besondere Regelung vorgesehen. Diese zu schaffen, bezweckt der Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf. Er ist im Benehmen mit den Inlands- und Auslandsorganisationen der Verfolgtenverbände ausgearbeitet worden und hat deren Zustimmung gefunden.
Der Entwurf geht von der grundsätzlichen Gleichstellung der im Inland und Ausland lebenden Ge({0})
schädigten aus und regelt nur die durch die Emigration bedingten Besonderheiten. Als wiedergutmachungsberechtigt erkennt er entsprechend dem Stichtagerfordernis des Inlandgesetzes die Geschädigten an, die am 23. Mai 1949 ihren Wohnsitz oder dauernden Aufenthalt im Ausland hatten, wobei unter Ausland alle Gebiete jenseits der Grenzen des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 zu verstehen sind. Voraussetzung ist dabei für die Gewährung von Wiedergutmachung, daß der Staat, in dem sich der Geschädigte aufhält, die Bundesrepublik Deutschland anerkannt hat. Von dieser Voraussetzung kann die Bundesregierung Ausnahmen erlassen.
Während das Inlandgesetz den durch vorzeitige Beendigung ihres Dienst- oder Arbeitsverhältnisses Geschädigten, die noch dienstfähig sind und noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben, Wiedergutmachung durch Wiedereinsetzung in den öffentlichen Dienst gewährt, läßt das .Auslandsgesetz den Betroffenen die Wahl, ob sie wieder in den Dienst eingestellt werden oder ob sie ihre Entlassung in den Ruhestand beantragen wollen. Diese abweichende Regelung beruht auf der Erwägung, daß bei vielen Emigranten im Hinblick auf die lange Dauer ihres Aufenthalts im Ausland - eines erzwungenen Aufenthalts im Ausland - eine so starke Entfremdung gegenüber deutschen Verhältnissen eingetreten sein wird, daß ihnen der Wiedereintritt in den deutschen öffentlichen Dienst - oft nur für wenige Jahre - nicht mehr zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit im Einzelfall von hier aus zu prüfen, erweist sich aus praktischen Gründen als unmöglich.
Eine weitere bemerkenswerte Regelung des Entwurfs besteht darin, daß - abweichend von den allgemeinen versorgungsrechtlichen Vorschriften - der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nicht als Grund für ein Ruhen der Versorgungsbezüge angesehen wird. Es ist dabei berücksichtigt, daß der Verlust meist im Wege der Aberkennung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen eingetreten ist und auch dort, wo der Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit der Grund des Verlustes war, nur eine Folge des erzwungenen Auslandsaufenthalts darstellt.
Das Gesetz soll, ebenso wie das Inlandsgesetz, mit Rückwirkung vom 1. April 1951 in Kraft treten. Es werden also bei rechtzeitiger Antragstellung die Versorgungsbezüge von diesem Zeitpunkt an nachgezahlt. Daneben wird auch die im Inlandsgesetz vorgesehene Entschädigung für das Haus haltsjahr 1950 gezahlt.
Die Bundesregierung hofft, daß die Ausschußberatungen über den Gesetzentwurf, dem der Bundesrat mit ganz geringfügigen Änderungsvorschlägen zugestimmt hat, in kurzer Zeit beendet sein können, so daß das Gesetz noch im Laufe des Februar 1952 verkündet werden kann. Mit dem Gesetz wird die Bereitschaft der Bundesrepublik, das nationalsozialistische Unrecht wiedergutzumachen, in einem weiteren wesentlichen Punkt unter Beweis gestellt.
Damit, meine Damen und Herren, ist der Gesetzentwurf begründet. Wir treten in die Aussprache der ersten Beratung ein. Ich darf entsprechend dem Vorschlag des Ältestenrats eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorschlagen. - Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei Verabschiedung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für die Angehörigen des öffentlichen Dienstes hat der Bundestag am 5. April des vergangenen Jahres einhellig beschlossen, daß die Bundesregierung dieses Gesetz bis zum 30. Juni des vorigen Jahres vorlegen möge. Ich kann zunächst der Bundesregierung den Vorwurf nicht ersparen, daß sie dieses Gesetz mit einer außerordentlich großen und durch nichts entschuldigten Verspätung bei den gesetzgebenden Körperschaften eingebracht hat.
({0})
- Ja, es war sehr eilig, weil es immer. noch als Schande für uns alle empfunden wird, daß hochverdiente Beamte aus Deutschland sich in allen Ländern der Welt in tiefstem Elend befinden. Darum war dieses Gesetz besonders eilig, Herr Kollege Pelster. Ich kann Ihnen z. B. eine Reihe von Reichsgerichtsräten nennen, die in Paris oder in Amerika durch Brötchenverkauf und ähnliches leben, Männer, die wir als Ehrenbürger der Nation ansehen sollten und denen wir - zwei Jahre nach Zusammentreten des Bundestags - noch nicht ihre Rechte bewilligt haben.
({1})
Darum kam es hier auf jeden Tag an. Ich sehe nicht ein, welche Schwierigkeiten es gemacht haben sollte, diese 10 Paragraphen zusammenzuschreiben. Das ist der erste Punkt.
Der zweite Punkt ist der: In § 5 und § 9 des Gesetzentwurfs findet sich wiederum das Wort „Bundesgebiet". „Bundesgebiet" ist nach den Verhandlungen des Parlamentarischen Rates und im Sinne des Grundgesetzes das deutsche Gebiet in den Grenzen von 1937. Ich muß zum wiederholten Male hier feststellen, daß z. B. Saarbrücken und Breslau sich immer noch im Bundesgebiet befinden.
({2})
Man sollte also hier zu der von uns gewünschten Sprachweise übergehen und vom „Geltungsbereich des Grundgesetzes" sprechen. Aber das scheint ein kleiner Fehler zu sein.
Nun kommt ein wesentlich größerer. Herr Bundesminister des Innern, wenn Sie mir einen Augenblick Gehör schenken würden: ich muß Ihnen von dieser Tribüne aus erklären, ich verstehe nicht, was sich die Bundesregierung darunter vorstellt, daß sich nach § 3 Ziffer 2 der Geschädigte in einem Staat aufhalten muß, der die Bundesrepublik Deutschland anerkannt hat. Die Bundesrepublik Deutschland existiert seit dem Jahre 1871. Sie hat lediglich ihren Namen gewechselt und sonst nichts.
({3})
Die Bundesrepublik Deutschland ist identisch mit dem fortbestehenden deutschen Staat, der keine weitere Anerkennung braucht. Es kann sich also höchstens darum handeln, daß die Geschädigten in Staaten leben müssen, die die Bundesregierung anerkannt haben. Das ist aber völkerrechtlich etwas vollkommen anderes. Ich hoffe, daß ein derartig kardinaler Schnitzer, wie er hier im Entwurf steht, bald daraus verschwindet.
Nun noch ein letztes Wort, und zwar über den Geist, in dem dieses Gesetz auszuführen ist. Über diesen Geist ist einiges zu sagen, denn wir haben schon Äußerungen, die uns zu großer Besorgnis Veranlassung geben. Im Bundesrat hat für den
({4})
Finanzausschuß des Bundesrats der bayerische Finanzminister Zietsch in der 73. Sitzung vom 23. November vorigen Jahres zu § 4 den Wunsch geäußert, die Regelung dahingehend vorzunehmen, daß diejenigen Beamten, die noch dienstfähig und unter 60 Jahren sind, zurückkehren müssen, um überhaupt in den Genuß der ihnen zustehenden Versorgung zu kommen. Dem ist damals bereits Herr Minister Renner entgegengetreten mit dem richtigen Bemerken, daß es nicht ein Ruhmesblatt sei, gerade hier von Sparsamkeit reden zu wollen.
Der Herr Bundesminister des Innern hat nun heute gesagt, dieses Wahlrecht, sich in den Ruhestand versetzen zu lassen, sei darin begründet, daß bei den Emigranten doch eine so große Entfremdung zu ihrer Heimat eingetreten sei, daß ihnen eine Rückkehr nicht zugemutet werden könne, bzw. daß es von hier sachlich nicht beurteilbar sei. Diese Erklärung kann mich nicht befriedigen. Ich will es hier mit aller Deutlichkeit sagen: den meisten dieser früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes kann doch eine Rückkehr deshalb nicht zugemutet werden, weil ein Großteil ihrer Verwandten, ihrer leiblichen Angehörigen in Deutschland er m o r de t worden ist. Das ist doch der einzige Grund dafür, weshalb wir davon absehen müssen, auch nur im geringsten daran zu denken, daß irgendetwas nur dann gezahlt werden kann, wenn der Geschädigte nach Deutschland zurückkommt.
Wir sehen aber allerorten in Deutschland - auch in der Ausführung der Wiedergutmachungsgesetze der Länder durch alle Landesbehörden -, wie hier nicht verstanden wird, um was es sich bei der Wiedergutmachung moralisch handelt. Ich nehme dabei kein Land aus, auch nicht mein eigenes. Wir erleben überall Fälle, die geradezu schandbar sind. Wir erleben, wie hier aus fiskalischen Gründen mit advokatorischen Kniffen die Geschädigten und Verfolgten um die ihnen zustehenden Wiedergutmachungsbeträge und Gebührnisse und Rechte gebracht werden. Ich muß deshalb von vornherein sagen, daß wir hoffen, dieses Gesetz von der Bundesverwaltung und allen Verwaltungen in einem anderen Geiste ausgeführt zu sehen, als es bisher bei der Wiedergutmachung der Fall war. Denn man wird uns im Auslande nach dem Geiste beurteilen, den wir in diesen Angelegenheiten an den Tag legen.
Ich schließe mich zum Schluß dem Wunsche des Herrn Bundesministers des Innern an, daß dieses kleine Gesetz vordringlich in kürzester Zeit verabschiedet werden möge.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Arndt, Sie hatten die Freundlichkeit, mich anzuziehen. Ich möchte Ihnen nur sagen, daß ich mit Ihnen - und mit mir auch meine Freunde - der gleichen Meinung bin, daß Unrecht wieder gutgemacht werden müßte. Sie brauchten sich nicht zu ereifern. Ich hätte mich aber gefreut, wenn auch Sie einmal ein Wort gefunden hätten für diejenigen, die ebenfalls schwerstes nationalsozialistisches Unrecht ertragen mußten und für die bis heute noch gar nichts geschehen ist.
({0})
Das sind die Leute vom 20. Juli,
({1})
das sind auch die Leute, die in den Organisationen der Landwirtschaft, des Handels, des Handwerks, in den Organisationen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer ihre Pflicht getan haben und für den Staat von Weimar eingetreten sind, die im April oder im März 1933 Amt und Stellung verloren haben und die heute teilweise noch von Unterstützung und von einer ganz kleinen Rente leben. Da wär's auch mal Zeit!
({2})
Ich möchte den Herrn Minister bitten, auch möglichst bald ein Bundesrahmengesetz vorzulegen, damit endlich auch in diesen Fällen, die in der amerikanischen Zone, in der französischen Zone durchweg, im Norden aber nicht geregelt sind, nationalsozialistisches Unrecht wieder gutgemacht wird. Nur das meinte ich mit meinem Zwischenruf.
({3})
- Ich wünsche, daß auch hier eine Lösung erfolgt.
Die Rednerliste ist erschöpft. Es ist der Antrag gestellt, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Beamtenrecht zu überweisen. - Kein Widerspruch; das Haus hat so beschlossen.
Dann rufe ich Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Erste und zweite Beratung des von den Abgeordneten Hilbert und Genossen eingebrachten Entwurfs eines' Gesetzes über die Aussetzung des Vollzugs von Bestimmungen des Zweiten Neugliederungsgesetzes ({0}).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Dr. Kopf.
Dr. Kopf ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zweifellos ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn eine größere Anzahl von Antragstellern im Deutschen Bundestag beantragt, ein Gesetz in seinem Vollzug zu hemmen, das derselbe Deutsche Bundestag vor wenigen Monaten erlassen hat. Dieser Vorgang mag ungewöhnlich sein, aber er wird gerechtfertigt durch Voraussetzungen, die auch ihrerseits wohl als ungewöhnlich angesprochen werden müssen.
Die am 9. Dezember vorigen Jahres erfolgte Volksabstimmung hat in Gesamtbaden eine Mehrheit von 52,2 % und im Lande Baden eine Mehrheit von 63 % für die Wiederherstellung des Landes Baden ergeben. Im Lande Baden haben 383 000 Stimmen für die Wiederherstellung und nur 233 000 Stimmen für den Südweststaat gestimmt. Es liegen daher in beiden Fällen eindeutige Mehrheiten für die Wiederherstellung des alten Landes Baden vor. Trotzdem muß der Südweststaat gebildet werden, weil das Zweite Neugliederungsgesetz dies dekretiert. Das ist eine Folge des merkwürdigen Abstimmungsmodus, der in § 10 des Zweiten Neugliederungsgesetzes festgelegt worden ist. Wir haben immer und immer wieder in diesem Hohen Hause und außerhalb dieses Hauses darauf hinge({2})
wiesen, daß wir diesen Abstimmungsmodus als undemokratisch und unfair empfinden.
({3})
Es wird uns entgegengehalten, daß das höchste deutsche Gericht diesen Abstimmungsmodus nicht beanstandet, daß es ihn als nicht verfassungswidrig bezeichnet habe. Wir möchten da eine Unterscheidung machen, die durchaus nicht eine sophistische und postume Erfindung der Badener ist, sondern die auf ganz andere Ursprünge zurückgeht. Es ist von keinem Geringeren als von Immanuel Kant unterschieden worden zwischen dem, was „Rechtens" ist im Sinne des positiven Rechts, und dem, was „Recht" ist im Sinne des überpositiven und des moralischen Rechts.
({4})
So konnte sich auch das Bundesverfassungsgericht nur über das aussprechen, was Rechtens ist; aber es hat in seinem Urteil und in seinen Leitsätzen erfreulicherweise ein Bekenntnis zu dem überpositiven Recht, dem es sich verpflichtet fühlt, abgelegt. Die Berufung auf dieses überpositive Recht, das auch vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich als eine Rechtsquelle anerkannt worden ist, gibt uns das Recht - auch wiederum vom Gesichtspunkt dieses überpositiven Rechtes aus -, das Urteil selbst zu messen und uns zu fragen, wieweit es eben nicht nur Rechtens, sondern auch Recht in diesem Kantschen Sinne ist und Recht in diesem Sinne geschaffen hat.
Es ist wohl der schwächste Punkt dieses Urteils, daß darin gesagt wird, es bestehe tatsächlich eine Ungleichheit der Chancen. „Ein Abstimmungsgesetz" heißt es, „das willkürlich den Abstimmungsmodus so wählt, daß ein Teil der Stimmberechtigten benachteiligt oder der Ausgang der Abstimmung in einem bestimmten Sinne gesichert wird, ist nichtig.," Aber diese Nichtigkeit wird trotzdem nicht angenommen, weil, wie gesagt worden ist, nicht festgestellt werden könne, daß der Bundesgesetzgeber sich von diesem Vorhaben, die Chancenungleichheit zu schaffen, habe leiten lassen. Wenn dem nicht so wäre, dann möchte ich doch die Frage stellen, warum damals in diesem Hohen Hause, als wir die Abänderungsanträge gestellt und die Durchzählung in den alten Ländern Baden und Württemberg verlangt haben, uns in vereinter Weise so stark entgegengetreten worden ist, warum ein anderes Abstimmungsprinzip verlangt und gewählt worden ist, durch welches der - nach unserer Auffassung beabsichtigte - Abstimmungserfolg der Mehrheit in drei von vier Abstimmungsbezirken herbeigeführt werden sollte.
Die Frage nach der Wiederherstellung der alten Länder bedeutet auch nicht „nur", wie das Gericht meinte, „eine psychologisch und abstimmungspolitisch bedeutsame Aufklärung für die Bevölkerung"; die Beantwortung dieser Frage ist vielmehr eine fundamentale politische Entscheidung. Ebenso ist die Entscheidung darüber, ob ein Land wie das Land Baden seine staatliche Existenz aufgeben soll, nicht nur eine Nebenfolge eines etwaigen Bekenntnisses zum Südweststaat, sondern gleicherweise wiederum eine fundamentale politische Entscheidung. So ist sie auch von dem badischen Volk, dessen Befragung nach Art. 118 des Grundgesetzes vorgesehen ist, verstanden worden. Dieses badische Volk aber; das es rechtlich wirklich gibt - es ist j a in der Verfassung ausdrücklich anerkannt -, ist das Staatsvolk des Landes Baden und nicht die
Bevölkerung des gesamten Südwestraumes. Das ist der Grund dafür, daß wir - wiederum gemessen an den Grundsätzen des überpositiven Rechts - ein Durchzählungsprinzip im gesamten Südwestraum für ebenso unzulässig gehalten hätten, wie wir den Abstimmungsmodus, der in § 10 des Zweiten Neugliederungsgesetzes eingeführt worden ist, für unzulässig gehalten haben. Eine Mehrheit kann aber in der Demokratie nach der ausdrücklichen Erkenntnis des Gerichtes „nur innerhalb des Kreises derjenigen entscheiden, die zur Antwort auf eine und dieselbe Frage aufgerufen sind." Diese Frage war eine und dieselbe im alten Land Baden und im alten Land Württemberg. Im alten Baden und im Lande Baden haben sich doppelte Mehrheiten ergeben, die infolge der Anwendung des von uns beanstandeten § 10 des Neugliederungsgesetzes eben leider nicht respektiert werden können.
Es sind hohe und große Grundsätze, die vom Gericht anerkannt worden sind. Wir bedauern nur, daß nicht auch die Folgerungen aus diesen Grundsätzen gezogen worden sind. Wir fürchten sehr wohl, daß, wenn dieser Abstimmungsmodus, den wir beklagen müssen, Schule macht, andere Länder die nächsten Opfer dieser Art der demokratischen Abstimmung sein werden.
({5})
Es ist ein einfaches Spiel, jedes kleine Land wie etwa Hamburg und Bremen mit einem großen Nachbarland wie Niedersachsen und Schleswig-Holstein in einen Abstimmungsraum zusammenzulegen und die Mehrheit der Gesamtstimmberechtigten über das Schicksal dieses kleinen Landes entscheiden zu lassen.
Das Ergebnis des Abstimmungskampfes hat auch in der Presse, und zwar in der Auslandspresse, eine äußerst kritische Beurteilung gefunden.
({6})
In der Abstimmung
- schreibt eine Schweizer Zeitung an unserer Nordgrenze
- ich bitte das verlesen zu dürfen hat das anorganische Prinzip der Zusammenstückelung von Territorien über das organische Prinzip eines historisch gewachsenen Föderalismus gesiegt . . . Es rächt sich nun, daß nach der Besetzung Deutschlands die Besatzungsmächte ihre Zonengrenzen ohne Rücksicht auf die historischen Ländergrenzen gezogen haben und damit eine Revision provozierten, die heute nach rein utilitaristischen Grundsätzen vom Stärkeren, nämlich von Württemberg, zu seinen Gunsten entschieden wurde.
- Zitat vom 11. Dezember 1951. Ich glaube aber auch, wenn man dieses Abstimmungsergebnis würdigt und wenn man sich die Bedeutung unseres heutigen Antrages vergegenwärtigt, dann sollte man auf jenes echt demokratische Beispiel hinweisen, das in unserem Nachbarland, der Schweiz, vor wenigen Jahren gegeben worden ist. Als damals die beiden Kantone Basel Stadt und Basel Land darüber abstimmten, ob sie sich zu einem Gesamtkanton vereinigen sollten, wurde in beiden Kantonen eine Mehrheit - in dem einen eine größere, im anderen eine geringere - für den Zusammenschluß erzielt. Der Schweizer Bundesrat hatte die Zustimmung zu diesem Zusammenschluß zu geben; und er hat sie verweigert, weil er sagte, daß in einer Frage von so lebenswichtiger Bedeutung für
({7})
das Schicksal dieser beiden Kantone diese schwache Mehrheit nicht genüge und nicht entscheidend sein solle und daß nur ein Bekenntnis einer über die gesetzliche Mindestzahl hinausgehenden Mehrheit genügen sollte, um. diese Lebensentscheidung über die Zukunft der beiden Kantone zu fällen.
Eine ganz ähnliche Lage. liegt bei uns vor, und das ist der Anlaß dafür, daß wir diesen Antrag eingebracht haben. Es ist mit Recht gesagt worden, daß das neue Bundesland in Ehren beginnen muß und daß es nicht im Anfang mit einem Makel behaftet sein darf. Wir erblicken in diesem Abstimmungsmodus in der Tat einen Makel, der der Bildung des neuen Bundeslandes bedauerlicherweise anhaftet. Wir wünschen daher, daß der Wille des badischen Volkes, wie er in beiden Mehrheiten zum Ausdruck gekommen ist, berücksichtigt wird und daß nicht, wie eine Zeitung geschrieben hat, ein unverdienter Strafvollzug am Lande Baden vollzogen wird. Das ist der Grund für unseren Antrag auf Aussetzung bis zur Vornahme der allgemeinen Neugliederung.
Die badische Landesregierung hat sich grundsätzlich - und mit vollem Recht - entschlossen, der Anwendung des Zweiten Neugliederungsgesetzes im Anschluß an die Volksabstimmung keine Obstruktion entgegenzusetzen, sondern an den Arbeiten des Ministerrats in loyaler Weise teilzunehmen. Dies hat nicht die Rechtsverwahrung ausgeschlossen, die von der badischen Landesregierung eingelegt werden mußte, und schließt nicht aus, daß von den demokratischen Mitteln, die uns die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages verleiht, Gebrauch gemacht wird und daß aus den dargelegten Motiven heraus auch dieser Antrag gestellt worden ist.
Gestatten Sie, meine Damen und Herren der demokratischen Fraktion, daß ich in diesem Augenblick ein Wort an Sie richte - nicht ein Wort des Streites, sondern ein Wort des Verständnisses und auch der Verständigung. Ich glaube, daß man das Anliegen, das uns im Lande Baden beseelt hat, vielfach nicht richtig verstanden hat. Ich möchte es ganz eindeutig nochmals sagen: Uns hat an den Fragen, die hier zur Entscheidung gekommen sind, nur in zweiter Linie die wirtschaftliche Auswirkung interessiert, nur in zweiter Linie die Frage der angeblichen Staatsverbilligung, die von uns bestritten worden ist. Für uns hat es sich um die grundsätzliche, um die elementare und fundamentale Frage gehandelt, ob auch im Rahmen eines Bundesstaates dasselbe Lebensrecht der kleinen Staatsvölker gilt, das im internationalen Recht immer gerade von demokratischer Seite anerkannt worden ist.
({8})
Ich glaube daher, daß es nicht richtig ist, wenn von einer sehr maßgebenden Seite - und damit komme ich zur psychologischen Seite unserer Lage - gesagt worden ist: „Die über die angetane Schmach selbst vergossenen Tränen sind dicke, altbadische Krokodilstränen." Es ist weiter von derselben Seite, die ich persönlich sehr hoch schätze und deren konziliante Verhandlungsführung ich kennengelernt habe und durchaus anerkennen möchte, auf dem Stuttgarter Parteitag gesagt worden:
Unser Gegner wird offensichtlich mehr und
mehr in die Enge getrieben. Er kämpft nicht
mehr,
- nun kommt ein Ausdruck, der mir fremd ist - er strafelt nur noch! Wir werden mit ihm fertig
gemäß dem erprobten schwäbischen Rezept: „Will er net fürsche rei, so muß er hintersche nei!"
({9})
Ich weiß nicht, ob es glücklich ist, diese zweifellos in manchen Lebenslagen erprobte Lebensregel anzuwenden, wenn es sich darum handelt, die Herzen der Menschen zu gewinnen, die nichts anderes getan haben, als daß sie das Lebensrecht und die Freiheit ihres Volkes - allerdings wie wir sie auffassen - verteidigt haben und um deren seelische Gewinnung es sich jetzt eben doch handelt.
Ich möchte beantragen, daß unser Antrag zunächst dem Rechtsausschuß zur Prüfung überwiesen wird. Dieser Antrag wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Hohe Haus zu Beginn dieser Sitzung bereits beschlossen hat, daß die zweite Lesung heute noch stattfinden soll; denn dieser Beschluß konnte ja nur unter der Voraussetzung gefaßt werden, daß nicht in irgendeiner anderen Form im Anschluß an die erste Lesung eine Entscheidung getroffen wird. Aber weil ich mit der Möglichkeit rechne, daß gegen die Zulässigkeit unseres Antrages und gegen seine Begründetheit vielleicht auch rechtliche Bedenken erhoben werden könnten, halte ich es für richtig, kurz auf diese möglichen oder doch zu erwartendem rechtlichen Bedenken noch einzugehen.
Der Antrag, den wir gestellt haben, enthält keineswegs eine Finanzvorlage. Er berührt nicht die Bundesfinanzen. Wir haben auch immer bestritten, daß durch die Neugliederung im Südwestraum wirkliche Ersparnisse gemacht werden können. Wir befanden uns hierbei in Übereinstimmung mit einem Gutachten des württembergbadischen Städteverbandes. Unser Antrag betrifft lediglich die Frage der Neugliederung und nicht die Frage der Einwirkung auf die Finanzen. Der § 94 der Geschäftsordnung kann hier nicht Anwendung finden.
Unser Antrag ist aber auch mit Art. 118 des Grundgesetzes vereinbar. Die Regelung der Neugliederung kann - und das Hohe Haus hat sich ja diese Auffassung in einem früheren Zeitpunkt selber zu eigen gemacht - nicht nur durch e i n Bundesgesetz, sondern auch durch mehrere Bundesgesetze erfolgen. Der Bundesgesetzgeber ist so souverän, daß er die Hand, die er geboten hat, wieder zurückziehen kann und daß er das Gesetz, das er erlassen hat, in seinem Vollzug hemmen kann. Er kann dies auch dann, wenn er bereits von der Ermächtigung Gebrauch gemacht hat, dieses -Gesetz zu erlassen. Er kann dies auch dann, wenn diesem Gesetz bereits die Volksbefragung gefolgt ist. Er ist nicht gebunden, das Ergebnis gerade dieser Volksbefragung zur Ausführung zu bringen. Aber wenn er daran gebunden wäre, so würde gerade das Ergebnis dieser Volksbefragung dafür sprechen, die doppelte Mehrheit, die sich im Lande Baden und in Gesamtbaden für die Erhaltung des Landes Baden ergeben hat, zu respektieren. Der Gesetzgeber würde daher, wenn er unserem Antrag stattgäbe, gerade in Übereinstimmung mit dem vom badischen Volk bekundeten Willen handeln.
Es liegen also keine Rechtsgründe vor, die die Behandlung unseres Antrages hindern könnten. Aber da diese rechtlichen Bedenken zu erwarten sind, wird die Überweisung des Antrags an den Rechtsausschuß beantragt. Sollte über den Antrag selber eine sachliche Entscheidung gefällt werden,
({10})
so stelle ich schon jetzt den Antrag auf namentliche Abstimmung.
Wenn Sie unserem Antrag zustimmen, bringen Sie Ihre hohe Achtung gegenüber dem Gedanken der Selbstbestimmung zum Ausdruck, die die Grundlage unseres demokratischen und föderalen Staatswesens ist und bei deren Durchführung das badische Volk im großen und im kleinen sich eindeutig zur Erhaltung seines badischen Landes als eines Staates, als eines Gliedes der Bundesrepublik Deutschland bekannt hat.
({11})
Der Gesetzentwurf ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die erste Beratung.
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat soeben darzulegen versucht, es bestünden keine Bedenken dagegen, das Neugliederungsgesetz dieses Hohen Hauses nun, nachdem die Volksabstimmung stattgefunden hat, aufzuhalten und auf unabsehbare Zeit seiner Wirkung zu berauben. Nun, dieses Gesetz des Bundestages hat ja einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterlegen. Dabei wurden nicht nur alle nur irgend denkbaren, von den Antragstellern erhobenen Bedenken positivrechtlicher Art überprüft, sondern auch gerade die Gesichtspunkte des sogenannten überpositiven Rechts, von denen mein Herr Vorredner gesprochen hat. Wenn die sehr gründlichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts, die zu dem Ergebnis geführt haben, daß das antragstellende Land Baden abgewiesen wurde, nun nicht anerkannt werden, heißt das einfach, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Zweifel ziehen.
({0})
Daß es nicht klug ist, die Autorität des Bundesverfassungsgerichts Mer vor diesem Hause zu schwächen, indem einer der ersten Sprüche dieses Gerichts in 'Zweifel gezogen wird, darüber kann man wohl nicht streiten.
Wir erblicken in jeder Hemmung, die das Gesetz infolge der Annahme des Gesetzentwurfs der Kollegen Hilbert und Genossen erleiden würde, einen Verfassungsverstoß, einen Verstoß gegen den demokratischen Grundgehalt, gegen die demokratische essentia des Grundgesetzes. Das Gesetz über die Neugliederung im Südwestraum ist doch auf Grund einer besonderen verfassungsrechtlichen Möglichkeit ergangen, die der Parlamentarische Rat mit dem Art. 118 des Grundgesetzes geschaffen hat. Dieser Art. 118 ist damals im Parlamentarischen Rat aus dem Wissen hervorgegangen, wie sehr dringlich die Neuordnung im Südwestraum ist. Die Dringlichkeit trat damals so stark hervor, daß sich sogar die Militärgouverneure dem nicht entziehen konnten und bei ihrem Vorbehalt, den sie gegen den Art. 29 des Grundgesetzes erhoben haben, eine Ausnahme für die Neuordnung im Südwestraum gemacht haben. Gegen den Art. 118 haben sie nicht denselben Vorbehalt geltend gemacht wie gegen den Art. 29.
Nun sind es seltsamerweise Deutsche, die die Dringlichkeit dieser Neuordnung bestreiten, die schon damals dazu geführt hat, daß der Art. 118 überhaupt geschaffen wurde. Da das Gesetz über die Neuordnung im Südwestraum aus einer besonderen Möglichkeit hervorgegangen ist, die der
Verfassunggeber geschaffen hat, da ferner die Volksabstimmung, die nach dem Bundesgesetz das konstitutive Element für die Begründung des Südweststaates ist, stattgefunden hat, wäre es eine unheilbare Schädigung des demokratischen Gedankens in Deutschland, wenn sich nun herausstellen würde, daß außer der früheren Volksbefragung auch die letzte Volksabstimmung vom 9. Dezember ohne die Folgen bleiben sollte, die die ganz überwältigende Mehrheit der Bevölkerung im Südwestraum gewünscht hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz davon abgesehen, daß eine Verfassungswidrigkeit dieses neuen Gesetzentwurfes unter dem soeben von mir behandelten Gesichtspunkt vorliegt, - es handelt sich auch darum, daß eine Verfassungswidrigkeit gegeben ist, weil der Art. 118 damit praktisch annulliert wird. Der Art. 118 wurde geschaffen als Ausdruck eines besonderen, auch von den Militärgouverneuren damals anerkannten vordringlichen Bedürfnisses.
Nicht zuletzt sollten wir nicht außer acht lassen, daß sich der Gesetzesantrag, der uns heute vorliegt, gegen das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts wendet insofern, als das Urteil des Verfassungsgerichts bedeutungslos würde in der Sanktion, die es dem Neugliederungsgesetz für den Südwestraum gegeben hat. Das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts würde auf eine sehr entschiedene Weise gemindert, wenn ohne zureichende Gründe dieses Hohe Haus heute das Gesetz praktisch aufhöbe, das es vor einigen Monaten hier verabschiedet hat und das zur Volksabstimmung nur über eine Nachprüfung und Sanktion des Bundesverfassungsgerichts führen konnte.
Diese Gründe sind meines Erachtens dagegen geschützt, durch irgendwelche Scheineinwände verwirrt zu werden, und sie müssen wohl bei der heutigen Beratung nicht nur stehenbleiben, sondern sie 'sollten eine hinreichend starke Mehrheit dieses Hohen Hauses zu der Überzeugung führen können, daß es nur eine Notwendigkeit geben kann, nämlich den Gesetzentwurf der Kollegen Hilbert, Kopf und anderer heute hier zum Erliegen zu .bringen.
Ich habe vorhin den Antrag gestellt, die erste und zweite Lesung nacheinander stattfinden zu lassen, damit wir die Bevölkerung im Südwestraum von der Beunruhigung freistellen, es könnte dieses letzte Störmanöver Erfolg haben wie viele andere, die ihm vorausgegangen sind.
Die Bildung des Südweststaates vollzieht sich inzwischen nach den Etappen, die wir, an bestimmte Fristen gebunden, im Gesetz von vornherein vorgesehen haben! Es darf nicht sein, daß, nachdem das konstitutive Element für den Südweststaat, nämlich die Volksabstimmung, stattgefunden hat, die stufenweise Ausrüstung dieses neuen Staates mit den Staatsorganen nun deshalb gehemmt wird, weil Herr Wohleb den letzten Versuch macht, weiterzukämpfen. Heute und hier muß entschieden werden, daß am 9. März die Verfassunggebende Versammlung des neuen Landes gewählt wird.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Drei Jahre lang ist in den Ländern Südwestdeutschlands die Frage debattiert worden, die heute noch einmal auf der Tagesordnung des
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Bundestages erscheint. Es ist nicht nur viel darüber geredet und geschrieben worden; es sind auch tiefe Gräben aufgerissen worden; es sind menschliche Beziehungen zerrissen und vergiftet worden, und es will uns scheinen, als ob es Zeit wäre, dieses grausame Spiel zu beenden.
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Meine Damen und Herren, ich und meine Freunde bedauern, daß dieser Gesetzentwurf überhaupt eingebracht worden ist. Man kann die Vertretung des Rechtsstandpunktes auch zu weit treiben, Herr Kollege Kopf. Ich habe Verständnis für Ihre Argumente aus Ihrer besonderen Position heraus. Aber ich glaube nicht, daß der Bundestag diesen Argumenten folgen kann, wenn er sich nüchtern die Entstehungsgeschichte des Zweiten Neugliederungsgesetzes und das vergegenwärtigt, was inzwischen geschehen ist.
Der Bundestag hat entsprechend den Vorschriften des Art. 118 des Grundgesetzes von seinem Recht der Gesetzgebung Gebrauch gemacht, nachdem alle Versuche, im Wege einer Vereinbarung zwischen den drei südwestdeutschen Ländern zu einer Regelung zu kommen, als gescheitert angesehen werden mußten. Der Bundestag hat ein Gesetz geschaffen, das Zweite Neugliederungsgesetz, das die Vorschriften enthält, nach denen eine Volksbefragung mit bindender Wirkung durchgeführt und die weiteren Schritte in diesem Raume unternommen werden sollten. Die badische Regierung hat gegen dieses Gesetz den Bundesverfassungsgerichtshof angerufen. Der Bundesverfassungsgerichtshof hat das Gesetz mit Ausnahme einiger unwesentlicher Bestimmungen für verfassungsmäßig erklärt. Auf Grund dieses Beschlusses, dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtshofes hat am 9. Dezember 1951 eine Volksabstimmung stattgefunden, die eine Mehrheit für den Südweststaat in drei Abstimmungsbezirken ergeben hat.
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Ich glaube nicht, meine Damen und Herren, daß auf dem Boden des geltenden Rechts das Argument möglich ist; eine Gesamtauszählung nur in dem alten Lande Baden könne die Wirkung der Mehrheit, die sich in den drei Abstimmungsbezirken ergeben hat, aufheben.
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- Nein, nein, Herr Kollege Hilbert. Ich glaube, Sie können uns ein solches Argument nicht unterschieben.
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Es ist einfach so, daß sowohl der Bundesgesetzgeber wie der Bundesverfassungsgerichtshof von dem Recht ausgehen mußten, das sich die Bevölkerung in den drei Ländern durch ihre eigene Verfassunggebende Versammlung gesetzt hat.
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- Meine Damen und Herren, ich will dieses Argument nicht vertiefen, sondern nur noch auf ein weiteres Argument eingehen.
Herr Kollege Kopf hat davon gesprochen, daß die badische Regierung nach der Abstimmung vom 9. Dezember feierlich Rechtsverwahrung eingelegt
habe. Aber vielleicht darf ich den Herrn Kollegen Kopf daran erinnern, wie diese feierliche Rechtsverwahrung zustande gekommen ist. Es ist ja keineswegs so, daß die Anhänger der Wiederherstellung des alten badischen Landes nach der Abstimmung durchaus einer Meinung gewesen sind. Sie kennen ja auch den Konflikt in der badischen Landesregierung. Schließlich mußte eine Mehrheit für die Rechtsverwahrung dadurch herbeigeführt werden, daß man die Abstimmung im schriftlichen Umlaufverfahren durchführte, um damit auch noch die Stimme des sehr kranken Herrn Justizministers Dr. Fecht zu bekommen. Das ist nicht gerade ein Beweis dafür, daß alle maßgebenden früheren Verfechter der Wiederherstellung des Landes Baden nach der Abstimmung die Auffassung geteilt haben, der Kampf müsse in der Weise weitergeführt werden, wie es jetzt offenbar geschehen soll.
Meine Damen und Herren, ich glaube, der Bundestag muß nach Prüfung aller Umstände zu dem Ergebnis kommen, daß die Voraussetzungen erfüllt sind, die das zweite Neugliederungsgesetz aufgestellt hat. Und dieses Gesetz muß jetzt vollzogen werden. Der Bundestag sollte sich nicht dazu hergeben, diesen Vollzug noch weiter zu hemmen.
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Der Gesetzentwurf, den die Herren Hilbert und Genossen dem Hause vorgelegt haben, steht aber auch in klarem Widerspruch zu Art. 118 des Grundgesetzes. Man kann nicht einfach sagen: der Vollzug des Gesetzes soll solange aufgeschoben werden, bis Art. 29 zum Zuge kommt. Ich glaube, das ist eine Unmöglichkeit. Denn der Art. 118 ist ausgesprochenermaßen zu dem Zwecke geschaffen und ins Grundgesetz eingefügt worden, damit die Bereinigung der staatsrechtlichen Verhältnisse im südwestdeutschen Raum vorweggenommen werden kann. Das ist schon aus dem Wortlaut dieses Art. 118 klar zu erkennen. In diesem Artikel ist weiter gesagt: man kann von den Vorschriften des Art. 29 abweichen, wenn eine Vereinbarung der beteiligten Länder erfolgt. Und es heißt weiter:
Kommt eine Vereinbarung nicht zustande, so wird die Neugliederung durch Bundesgesetz geregelt, das eine Volksbefragung vorsehen muß.
Wollen Sie, meine Herren, behaupten, daß die Voraussetzungen, die der Art. 118 aufgestellt hat, nicht erfüllt sind? Wollen Sie das Gesetz in seinem Vollzug hindern? Dann setzen Sie den Art. 118, also einen Teil des Grundgesetzes, außer Kraft!
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Sie haben nicht die Möglichkeit, sich auf einen Zeitpunkt zu beziehen, in dem der Art. 29 etwa in Kraft tritt. Denn dieser Art. 29 ist noch weiterhin suspendiert, und niemand weiß, wann er praktisch durchgeführt werden kann, ganz abgesehen von den sachlichen Schwierigkeiten, die seiner Durchführung wahrscheinlich im Wege stehen.
Und nun darf ich vielleicht eine Frage an den Herrn Bundesinnenminister als den Verfassungsminister des Bundes richten. Ich behaupte: das Gesetz widerspricht dem Grundgesetz.
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Ich möchte den Hüter des Grundgesetzes, der Bundesverfassung, bitten, uns seine authentische Interpretation seines eigenen Standpunktes zu dieser wichtigen Frage zu geben. Ich glaube, das würde
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dem Bundestag vielleicht helfen, seine eigene Meinung zu finden.
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- Wir ändern hier kein Gesetz, Herr Kollege Wuermeling, sondern wir heben praktisch die Wirkungen eines Gesetzes auf, das der Bundestag beschlossen hat, aus guten Gründen beschlossen hat.
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- Ja, ich möchte jetzt vom Politikum reden, Herr Kollege Hilbert! Es ist in der Tat ein Politikum. Was ist denn geschehen, meine Damen und Herren? Der Bundestag hat ein Gesetz beschlossen. Die Bundesregierung hat das Gesetz verkündet. Der Bundespräsident hat es durch seine Unterschrift in Kraft gesetzt. Der Bundesverfassungsgerichtshof hat auf eine Verfassungsklage hin das Gesetz für verfassungsmäßig erklärt. Die Wähler haben gesprochen. Ja, glauben Sie denn, meine Damen und Herren, daß eine glatte Inhibierung des Vollzugs dieses Gesetzes im Bewußtsein der Mehrheit derjenigen, die am 9. Dezember für den Südweststaat gestimmt haben, nicht einen Schaden anrichten wird, der weit über das hinausreicht, was Sie vielleicht an Nutzen ins Auge fassen könnten, wenn Ihre Absichten erfüllt würden?
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Ich glaube, man muß die Frage unter einen höheren Gesichtspunkt stellen. Das, was Sie, Herr Kollege Hilbert, als ein Politikum bezeichnen, ist in Wahrheit von so großer politischer Bedeutung, daß der Bundestag unter keinen Umständen seine Hand dazu bieten darf, unserer demokratischen Entwicklung diesen Schaden zuzufügen, der entstehen würde, wenn man den Wählern sagen würde: was ihr beschlossen habt, ist ungültig und wertlos, weil eine Minderheit es so will. Ich glaube, das geht nicht.
Und nun, meine sehr verehrten Herren Kollegen, darf ich Sie vielleicht persönlich anreden, Herr Kollege Hilbert und Herr Kollege Kopf. Ich weiß, daß die Auseinandersetzungen um diese Frage in der Vergangenheit zwischen den Beteiligten viel Bitternis hervorgerufen haben, und ich kann sagen: die Bitternis ist auf der anderen Seite nicht viel geringer als auf Ihrer Seite, denn die Argumente sind manchmal so gewesen, daß man darauf ohne große Zurückhaltung sehr scharf, viel schärfer hätte antworten müssen, als es in der Praxis geschehen ist.
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- Herr Kollege Hilbert, Sie sind ja auch Mitglied des Haushaltsausschusses gewesen, und ich glaube, ich habe Ihnen da einige Beispiele für meine Zurückhaltung geliefert. Aber vielleicht lassen Sie sich jetzt von dem einigermaßen beeindrucken, was ich sage.
Ich kann zu der Frage, die ich jetzt berühre, mit einiger Autorität sprechen; denn ich bin nicht nur Mitglied dieses Hohen Hauses, ich bin auch Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei in Württemberg/Baden, und ich werde in der politischen Entwicklung, die nun einsetzen soll, auch einen gewissen Einfluß haben und nehmen, Herr .Kollege Hilbert. Und da darf ich doch für die Zukunft einiges sagen, was auch für unsere heutige Entscheidung von Bedeutung ist.
Sehen Sie, meine Damen und Herren, man kann eine solche politische Auseinandersetzung mit der Absicht führen, auf der einen Seite Sieger zu haben und auf der anderen Seite zu Boden Geschlagene. Ich glaube, das wäre ein falscher Ausgangspunkt.
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Ich bin der festen Überzeugung, daß die einzige Möglichkeit einer wirklichen Bereinigung und Befriedung in diesem Raum eine vernünftige Politik im neuen Südweststaat ist,
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eine Politik, die beweist, daß es keine Sieger und Besiegten gibt, eine Politik, die beweist, daß die größeren Möglichkeiten in einem zusammengefaßten Staate allen zugute kommen.
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- Herr Kollege Hilbert, ich kann nicht auf alle Ihre Zwischenrufe eingehen; denn ich verstehe nicht so gut südbadisch, wie Sie es sprechen!
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die- nerr Jaeger, warum Sie sich ausgerechnet in Auseinandersetzung einmischen, ist mir immer nicht ganz klar gewesen; aber vielleicht haben
Sie Ihre eigenen Gründe!
Jedenfalls sprechen die Mergentheimer und die Tauberbischofsheimer ein gemeinsames ähnliches Idiom.
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- Ganz unten nach der Grenze zu zwischen Baden und der Schweiz, nicht wahr? Da spricht man alemannisch!
Meine Damen und Herren! Was ist denn in Wahrheit der Ausgangspunkt für diejenigen, die positiv zum Südweststaat eingestellt waren? Ist es etwa die Absicht der Vergewaltigung eines kleinen Landes?
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- Nein, Herr Kollege Hilbert, ich glaube, hier interpretieren Sie in die Haltung derer, die Sie Ihre Gegner nennen, etwas hinein, was ihnen nicht im mindesten in den Sinn gekommen ist! Der Ausgangspunkt derer - ich kann das für mich und meine Freunde in Anspruch nehmen -, die sich positiv für den Südweststaat eingesetzt haben, ist die Überwindung der staatlichen Zersplitterung, damit die Kräfte, die in diesen drei Ländern vorhanden sind, so organisiert und so entwickelt werden können, daß sie allen, auch den zurückgebliebenen, auch den in wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Landesteilen, in vollem Umfange zugute kommen.
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- Ich habe nie beansprucht, ein Engel zu sein, also kann das auch nicht auf mich zutreffen, was Sie eben sagten! Ich glaube, Herr Kollege Hilbert, man kann heute, nachdem der Abstimmungskampf vorüber ist, auch vom Standpunkt der Württemberger, die in diesen Fragen sehr zurückhaltend waren,
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- ja, sehr zurückhaltend waren! - mit viel größerer Offenheit von dem reden, was in der sechsjährigen Zusammenarbeit zwischen den beiden
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nördlichen Landesteilen praktisch für beide Teile herausgekommen ist.
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- Das badische Volk hat sich offenbar nicht so sehr beleidigt gefühlt, da sich sonst nicht eine Mehrheit für den Südweststaat in Nordbaden gefunden hätte!
Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Ich weiß, ich muß nur noch einen Satz sagen!
Zum Schluß möchte ich also sagen, meine Damen und Herren: Wenn wir die heutige Debatte dazu benützen würden, einmal ernsthaft darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten der Versöhnung in der praktischen Politik in diesem neuen Südweststaat und seinem zu wählenden Parlament liegen, dann würden wir vielleicht auch bei denen, die in dieser Auseinandersetzung politisch verloren haben, ein Gefühl dafür entwickeln können, daß es sich mehr lohnt, in die Zukunft zu blicken und gemeinsam, miteinander zu arbeiten, als jetzt noch einmal das Kriegsbeil auszugraben und den Versuch zu machen, eine Entwicklung zu hemmen, die nicht zu hemmen ist!
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht nicht darum, auf die Beziehungen der beiden Nachbarstaaten Baden und Württemberg irgendwie einzuwirken. Den Initiatoren des Südweststaat-Gedankens soll auch nicht die Bona fides abgesprochen werden. Vielmehr geht es daraum, diejenigen, die das Neugliederungsgesetz beschlossen haben, davon zu überzeugen, daß sie einen verhängnisvollen und folgenschweren Fehler gemacht haben, der irgendwie zu korrigieren ist. Der falsche Abstimmungsmodus hat dazu geführt, daß der echte Volkswille - ich sage: der echte Volkswille -, der sich im Abstimmungsergebnis durch absolute Mehrheitszahlen ausdrückt, nicht verwirklicht werden kann. Das mathematisch und wahlgeometrisch geleitete Denken der Zentralisten bei der Schaffung des Neugliederungsgesetzes wurde durch die Abstimmung der Badener für alle klar und warnend erkennbar ad absurdum geführt. Es wurde bewiesen, daß durch das Gesetz das Parlament - richtiger: die betreffende Mehrheit des Parlaments - eine demokratische Fehlentscheidung getroffen hat,
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und ich glaub&, daß eine politische Fehlentscheidung in einem Gesetz auch korrigiert werden kann und daß die Korrektur einer solchen politischen Fehlentscheidung eines Gesetzes_ noch lange nicht verfassungswidrig zu sein braucht.
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Aber man muß schon den Mut zur Korrektur haben, wenn man eine Fehlentscheidung getroffen hat.
Meine Damen und Herren! Wir sind uns doch darüber im klaren, daß der Inhalt und die Methodik des Neugliederungsgesetzes und deren praktische Auswirkung in der Mehrheit des badischen Volkes und darüber hinaus auch in anderen Ländern der Bundesrepublik den Glauben und das Vertrauen zur jungen Demokratie erschüttert haben.
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Was hat denn dem deutschen Volke nach dem völligen Zusammenbruch und der Kapitulation die Kraft gegeben, den Wiederaufbau und die Rettung des deutschen Vaterlandes mit solcher Schwungkraft in Angriff zu nehmen? Doch nicht die Erinnerung an die Methoden eines autoritären Staatssystems, doch nicht die verfehlte Besatzungspolitik, doch nicht all die bedrückenden und deprimierenden Folgen jeder Besatzungszeit, doch nicht die zusätzliche Beschwernis durch das kaum zu lösende Flüchtlingsproblem und doch nicht das ganze Weh und Ach eines zweiten verlorenen Krieges, sondern allein der elementare Existenzwille, der unmittelbar in den kleinsten Zellen des Staates, den Gemeinden und dann in den Ländern, erhalten blieb, und die Sehnsucht nach Freiheit und Recht, die das Volk durch die Demokratie zu verwirklichen hoffte.
Nun hat eine Mehrheit dieses Hauses genau in dem Zeitpunkt, als diese Kraftquellen der Demokratie zum ersten Male zum Tragen kommen sollten und als ein Volksteil bestätigt erhalten sollte, daß das lange entbehrte Recht und die Sehnsucht nach Freiheit ihre Verwirklichung finden sollten, diese Hoffnung und diese Sehnsucht zerschlagen. Das reale Abstimmungsergebnis demonstriert darüber hinaus, daß es eine Knebelung des echten Volkswillens war, im Neugliederungsgesetz die willkürliche Gebietseinteilung der Besatzungsmächte als Abstimmungsbezirke zugrunde zu legen.
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Mit Recht wird in einem uns zugegangenen Schreiben die Frage gestellt, wem es in ganz Deutschland auch nur im Traume eingefallen ware, bei einer in Friedenszeiten ohne Anwesenheit fremder Truppen stattfindenden Abstimmung in anderer Weise als durch die alten Länder mit ihren alten Grenzen abstimmen zu lassen.
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Ferner wurde der Gesamtwille der heimattreuen Badener dadurch verfälscht und unterdrückt, daß man die Willenskundgebung der Badener im übrigen Bundesgebiet ausgeschlossen hat. Ein freizügiges Bekenntnis für Freiheit und Recht, das unserem ganzen demokratischen Denken einen ungeheueren Auftrieb gegeben hätte wie dem unterdrückten Deutschland nach 1918 z. B. die Abstimmung in Schlesien, hat man sich wegen falscher Erwägungen entgehen lassen.
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Mit der Zusammenlegung von Baden und Württemberg nach solchen Abstimmungsergebnissen wird ein Schritt unternommen, der in Europa schon öfter versucht worden ist. Ich erwähne die Versuche zur Eingliederung der Tiroler, der Schotten, der Iren und Finnen usw. in die Nachbarstaaten entgegen der ausdrücklichen Willensmeinung dieser Völker. Daß diese Versuche falsch waren, zeigte die Geschichte im Sinne einer rückläufigen Bewegung solcher Einigungen. Überall entstanden Freiheitsbewegungen. Diese Volksteile kämpften und kämpfen teils jetzt noch um die Wiedererlangung ihrer Eigenstaatlichkeit und Freiheit. Wertvolle Kräfte werden durch reinen Machtmißbrauch gebunden. Selbst große und mächtige Reiche konnten
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diesen Freiheitswillen nicht unterdrücken und mußten vor der Kraft eines solchen Volkswillens kapitulieren.
Man hätte also erwarten müssen, daß ein solcher kapitaler Fehler von den Politikern nicht nochmals gemacht würde. Man kann ihn nur verstehen, wenn man sich an das resignierende Wort Mommsens erinnert, der gesagt hat: „Das traurigste an der Weltgeschichte ist, daß man aus ihr nichts lernt."
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Sie können sich dieser Erkenntnis nicht verschließen. Die brutale Gewalt des totalitären Staates hat in unserem Volke die Hoffnung und Sehnsucht auf Recht und Freiheit und das Vertrauen und den Glauben auf unsere Demokratie gemehrt und gestärkt und damit die ideellen Aufbaukräfte nach dem Zusammenbruch Gott sei Dank entstehen lassen. Eine Mehrheit dieses Hauses hat diese Hoffnung, dieses Vertrauen und diesen Glauben im ersten sichtbaren Verwirklichungsfall gelähmt, wenn nicht zerstört, indem sie den unmittelbaren Volkswillen durch das Neugliederungsgesetz durch Verankerung unglücklicher Methoden in seiner echten Auswirkung unterbunden hat.
Herr Abgeordneter, die Redezeit ist abgelaufen.
Einen Satz noch! - Meine Damen und Herren! Seien Sie sich auch darüber im klaren, daß Sie den Wert und die Wirkung ei-Gefahr bringen. Ich meine Ihre Parole „Einheit in ner großen Parole auf die Millionen Deutscher, die in Unterdrückung hoffen und glauben, dadurch in Freiheit". Weil wir Einigkeit in Freiheit wirklich
wollen, stimmen wir dieser Vorlage zu und beantragen Überweisung an den Rechtsausschuß. Wir unterstützen auch den Antrag auf namentliche Abstimmung.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unter den Rednern, die bisher zu dem Thema gesprochen haben, waren sowohl leidenschaftliche Vertreter der Gedanken des Südweststaates als auch Verteidiger ihrer Heimat, so wie sie 'sie in ihrer Jugend erlebt und wie sie darin aufgewachsen waren. Lassen Sie mich nun einmal als einen von Norddeutschland zu der Sache sprechen; lassen Sie mich einmal schildern, mit welchen Gedanken ich das angesehen habe, wenn ich mir vorstelle, daß nun über meine eigene Heimat so verfügt würde 'Wie hier.
({0})
Es ist in der Tat richtig, darauf hinzuweisen, daß es in normalen Zuständen niemandem eingefallen wäre, nach Besatzungsgrenzen, wie sie uns jetzt beschert worden sind, abzustimmen. Es ist in der Tat auch notwendig, darauf hinzuweisen, daß es sich erst nachträglich ergeben hat, daß die Einwohner des früheren Baden mit mehr als 50 % der Stimmen für den Fortbestand dieses Landes gestimmt haben. Das ist eben ein Umstand, der uns jetzt nach dem Erlaß dieses Gesetzes doch nachträglich noch zu denken geben müßte.
Aber lassen Sie mich zunächst einmal daran erinnern, daß wir im Augenblick ja nur über die Frage sprechen, ob dem Antrage Kopf stattzugeben ist, diese Gesetzesvorlage an den Ausschuß zu
überweisen. Es ist an Argumenten pro und contra so viel vorgetragen worden, daß man dem Hohen Hause nicht zumuten kann, jetzt um 8 Uhr abends ohne Vorbereitung mit diesen Argumenten fertig zu werden.
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- Nein, ich nicht. Aber ich merke aus der Unruhe im Hause, daß das Haus weder willens noch bei der vorgeschrittenen Zeit in der Lage ist, sich diesen Fragen mit der gebotenen Eindringlichkeit zu widmen, eben weil es nicht über die dazu nötige Zeit verfügt.
Wenn Herr Kollege Schoettle eben den Herrn Bundesinnenminister als Verfassungsminister bat, er möge seine Meinung dazu sagen, dann darf ich Sie, lieber Kollege Schoettle, daran erinnern, daß die SPD im allgemeinen die Auskünfte der Regierung in Rechtsfragen keineswegs blindlings zu akzeptieren geneigt ist.
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Wenn also diese Frage der notwendigen juristischen Prüfung unterzogen werden soll, dann ist dazu kein anderer als das Haus selber in der Lage, d. h. also der Rechtsausschuß des Hauses.
Nun aber die Frage: Was ist denn an dieser Gesetzesvorlage, die uns hier vorliegt, angeblich rechts- oder gar verfassungswidrig? Es soll nicht ein Verfassungsgesetz abgeändert werden, sondern diese Vorlage richtet sich gegen ein ganz einfaches Gesetz, das ebenso aufgehoben werden kann, wie es geschaffen wurde. Sollte also so beschlossen werden, daß das Gesetz abgeschafft wird, dann wird es abgeschafft, bevor es in Kraft getreten ist. Und da bestehen verfassungsrechtlich ganz ohne Zweifel nicht die geringsten Bedenken. Wenn Sie aber welche haben, lieber Herr Kollege Schoettle, dann, bitte, fragen wir doch den Rechtsausschuß, und da wird selbst der energischste Gegner dieser Vorlage nicht bestreiten können, daß sie rechtmäßig ist.
Dann aber wird gesagt, man desavouiere das Bundesverfassungsgericht. Nein, durchaus im Gegenteil, sein Spruch wird als Recht anerkannt. Denn davon ausgehend hat man ja erst die Grundlage, diesen Antrag einzubringen.
. Weiter heißt es: Ja, aber der Art. 118 des Grundgesetzes sei dann nicht bloß desavouiert, sondern gegen ihn werde verstoßen. Das ist auch nicht wahr. In Art. 118 des Grundgesetzes steht mit keinem Wort, daß das Gesetz s o f o r t erlassen werden müsse. Da steht nur drin,
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wenn eine Vereinbarung nicht zustande kommt, dann regelt ein Gesetz das weitere. Und selbst ein erlassenes Gesetz könnte man sehr einfach ändern; man könte etwas anderes beschließen.
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- Herr Kollege Schoettle und meine sehr verehrten Damen und Herren des Hauses überhaupt, es kommt doch vorläufig gar nicht in Betracht, daß das Gesetz geändert wird, sondern das, was verlangt wird, ist ja nur eine Hinausschiebung des Vollzugs des Gesetzes,
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und dann soll es überprüft werden im Zusammenhang mit dem Art. 29 überhaupt, im Zusammenhang mit der Neuregelung en bloc, der Neuregelung des Bundesgebiets, der des Art. 29.
Ich meine, daß gerade diese Bitte nicht unbillig ist, nachdem sich ergeben hat, daß die Mehrheit
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der davon betroffenen Bevölkerung, die Mehrheit des Landes, das hier geschluckt werden soll, gegen die Regelung ist.
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- Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie kommen nicht darum herum, daß es alle Betroffenen so auffassen. Gerade das ist über den Rahmen unseres eigenen Landes hinaus ein böses Omen. Wir sollten diese Sitte auch international ebenso bekämpfen, wie wir es nicht zulassen können, daß sie hier durchgeht. Denn wir sind im internationalen Zusammenleben darauf angewiesen, daß man gegen uns nicht unter Umständen dieselbe Methode anwendet, die Sie hier befürworten.
Herr Abgeordneter Reismann, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich bedauere das, Herr Präsident; aber lassen Sie mich noch darauf hinweisen, daß, wenn jemand hier gesagt hat - und damit will ich schließen-, es drohe eine unheilbare Schädigung des demokratischen Gedankens, wenn dieses Gesetz nicht durchgeführt wird, ich im Gegenteil der Ansicht bin, daß das nationale Interesse und das über ganz Deutschland hinaus es verlangt, daß wir diese Methode nicht praktizieren. Der demokratische Gedanke und vor allen Dingen auch der föderale Gedanke, der im Bundesgrundgesetz niedergelegt ist, verlangt es, daß wir auch nach Sinn und Inhalt verfahren, daß wir also die betroffene Bevölkerung nicht gegen ihren Willen einem anderen Land zuweisen. Sonst können die .Länder wie Bremen, wie Hamburg, wie Schleswig-Holstein das Ende ihrer Tage ausrechnen.
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Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Jaeger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der geschätzte Herr Kollege Schoettle hat vorhin gesagt, er wundere sich, warum ich als Bayer mich immer in die badisehen Angelegenheiten eingemischt hätte.
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Ich kann ihn nun fragen, warum er als Württemberger sich eigentlich in die badische Frage eingemischt hat.
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Oder ich könnte daran erinnern, daß ja auch der Parteivorsitzende der Freien Demokraten, der Herr Vizekanzler, in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender in den Abstimmungskampf in Baden eingegriffen hat,
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längst bevor ich dort gesprochen habe. Ich glaube, er ist weder Württemberger noch Badener noch Bayer. Ich kann Ihnen, Herr Kollege Schoettle, genau sagen, warum ich hier heute zum siebten Male in dieser Frage auf der Tribüne des Bundestages stehe.
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Einfach deshalb, weil ich als Abgeordneter der Christlich-Sozialen Union die Verpflichtung und den Auftrag habe, mich um den bundesstaatlichen Aufbau Deutschlands zu kümmern, der durch die Gestaltung der deutschen Länder wesentlich beeinflußt wird, was auch Sie mir nicht werden bestreiten können. Wenn ich heute noch einmal an die höhere Einsicht dieses Hauses, an seinen Gerechtigkeitssinn und an sein politisches Verständnis
appelliere, dann hoffe ich, daß es doch nicht ganz umsonst geschieht. Jedenfalls habe ich noch nie mit so guten Gründen sprechen können wie heute. Denn durch die Volksabstimmung vom 9. Dezember ist nun zum zweiten Male in klarer Weise vor aller Welt der Beweis geführt worden, daß das badische Land im ganzen mit eindeutiger Mehrheit für die Wiederherstellung seiner historischen Einheit eintritt und daß das Land Südbaden sogar mit überwältigender Mehrheit gegen seine Auflösung stimmt.
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Nur ein gekünstelter Abstimmungsmodus, nur ein manipulierter Abstimmungsmodus, der in scheindemokratischer Weise den Willen des badischen Volkes verfälscht hat,
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läßt es legal erscheinen, daß man nun den Südweststaat schafft, gegen den das badische Volk gestimmt hat.
Wenn man den jahrelangen Kampf und die Widerspenstigkeit der badischen Braut beobachtet hat, dann kann man sich nur über den württembergischen Freier und seine Hartnäckigkeit wundern, und man muß sich fragen, ob nicht vielleicht der Besitz der Braut allein nicht das Ziel ist, das er anstrebt, sondern der Besitz der Mitgift!
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Wenn Sie die Bedeutung des Rheines als des großen Mittelstromes Europas in den Vereinigten Staaten von Europa, die kommen werden, sehen und wenn Sie die Bedeutung des Schluchsee-Werkes sehen, dann werden Sie darüber kaum einen Zweifel haben. Nun weiß ich: nach der zweiten Abstimmung in der Frage des Südwestens haben auch im Lande Württemberg manche, die sachlich für den Südweststaat waren, ihre Bedenken bekommen. Sie können sogar da und dort in der Presse, soweit sie südweststaatlich ist, lesen, daß der Südweststaat mit einem Schönheitsfehler behaftet sei, weil die Mehrheit des badischen Volkes im alten Staatsgebiet sich gegen ihn ausgesprochen habe. Hier ist kein Schönheitsfehler. Wenn wir Demokraten sind, so ist es ein Kardinalfehler, über den Willen des badischen Volkes hinwegzugehen. Wenn das badische Volk sich heute klar zu seinem alten Lande und damit gegen den Südweststaat bekennt, dann ist das ein Ergebnis der Abstimung und damit eine neue Tatsache, die den Bundestag veranlassen kann, ein Gesetz, das er beschlossen hat, zu ändern oder zu suspendieren.
Man sagt: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden. Meine Damen und Herren, Sie werden aus meinem Munde kein Wort unsachlicher Kritik über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gehört haben und Sie werden es auch heute nicht hören, wenn ich persönlich als Jurist auch nicht mit allen Schlußfolgerungen dieses Urteils einverstanden bin. Aber ich erkenne es an. Ich erkenne an, daß nunmehr nach dem geltenden Recht dieses Gesetz mit dem Grundgesetz übereinstimmen mag, aber ob es mit überpositiven Rechtsgrundsätzen, ob es mit der Gerechtigkeit in einem höheren Sinne übereinstimmt, ist eine andere Frage. Dies um so mehr, als sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zwar einleitend für die Anwendung überpositiver Rechtsgrundsätze ausgesprochen hat, in diesem besonderem Falle praktisch aber nur die Verfassungsmäßigkeit untersucht hat.
Ich vertrete die Auffassung,
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wenn der rechtliche Fehler nicht beim Neugliederungsgesetz gemacht worden ist, dann ist er eben bei der Schaffung des Art. 118 des Grundgesetzes begangen worden. Meine Freunde von der CSU haben gut gewußt, warum sie dieses Grundgesetz als nicht hinreichend föderativ und nicht hinreichend demokratisch abgelehnt haben.
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Aber Sie, meine Damen und Herren, sollten nicht versäumen, den Fehler nun dadurch gutzumachen, daß Sie eine andere Form des Gesetzes beschließen, die sich auch im Rahmen des Grundgesetzes hält. Außerdem haben ja die Folgen im Lande Baden bewiesen, daß es politisch im äußersten Maße unzweckmäßig ist, dieses Gesetz gegen die erregte Bevölkerung Badens durchzusetzen. Dem sollte der Bundestag auch Rechnung tragen. Wenn man in der Schweiz - wie Herr Dr. Kopf gesagt hat - bei den noch nicht ein halbes Jahrhundert alten Kantonen Basel-Land und Basel-Stadt nicht einmal eine knappe Mehrheit als für die Durchführung der Wiedervereinigung ausreichend angesehen hat, sollte man hier, wo sich die Mehrheit gegen die erstmalige Vereinigung ausgesprochen hat, erst recht Bedenken haben. Wir können in unserer jungen Demokratie immerhin von andern Demokratien, auch von der Schweiz, noch einiges lernen.
Ich habe immer die größten Bedenken, wenn Länder mit Zirkel und Lineal geplant werden, wie es die neuen und alten Raumplaner tun, von denen einer am letzten Samstag im Ausschuß für innergebietliche Neuordnung dem Vorsitzenden erklärt hat: Für unsere Arbeit müssen wir zuerst wissen, wieviel Länder in Deutschland der Ausschuß überhaupt will!
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Als ob man Länder von oben dekretieren könnte, von oben dekretieren in einem Land, das eine lange Geschichte hat mit vielen historischen Traditionen! - Ich warte bei diesem Wort auf Ihren Beifall, Herr Kollege Schoettle; denn ich habe jetzt aus Ihrer Rede zitiert, die Sie zum Schumanplan gehalten haben. Wenn die verehrten Kollegen der Sozialdemokratischen Partei ihre starken Bedenken gegen die freiwillige größere europäische Einheit zu einem gewissen Teil gegen die oktroyierte kleinere Einheit des Südweststaates anwendeten, dann ständen sie jedenfalls nicht im Ruf logischer Inkonsequenz.
({11})
Der Rationalismus der Raumplaner, die selbst - oder ihre Vorgänger - sich einst von den Pyrenäen bis zum Ural getummelt haben und heute ihre verdienstvolle Arbeit leider auf das Gebiet zwischen Saar und Elbe beschränken müssen, erfüllt mich mit größter Sorge für das Schicksal einer gesunden, organischen Demokratie in unserem Vaterland. Man hat gesagt - ès ist sogar einmal in diesem Hause ausgesprochen worden -, die Badener hätten die Instinkte aufgeputscht, und dem sei das Ergebnis der Volksabstimmung zuzuschreiben. Was heißt Instinkte aufgeputscht? Ist die Heimatliebe ein Instinkt? Ich glaube, sie ist eine Tugend; denn ohne die Liebe zur engeren Heimat kann man keine Liebe zur gesamten deutschen Heimat, zum deutschen Vaterland erwarten.
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- Ich werde Ihnen das im Hinblick auf die badische
Heimatliebe kaum beweisen können, denn da ist
ein Teil von Ihnen vielleicht voreingenommen, und
meine bayerische Heimat betrachtet man als Sonderfall.
Lassen Sie mich deshalb ganz kurz mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einige Worte eines württembergischen Patrioten über Württemberg vorlesen, eines Mannes, den Sie alle kennen.
({13})
Dieser Mann hat einmal gesagt - es ist noch gar nicht lange her -:
Unser schönes Württemberg, das uns so liebe,
wird durch eine militärische Demarkationsgrenze durchgezogen ... Es hat uns so bitter weh getan, weil Württemberg für uns nicht ein bloßer Verwaltungsbezirk, ein Sprengel, eine Provinz ist, sondern unser engeres Vaterland. Es ist für uns keine bloße Gewohnheit, kein Gebilde, das wir eben hingenommen hätten, weil es irgendwann in der Geschichte zu ganz bestimmten politischen Kuhhandeln gekommen sein mochte, - nein, dieses Land an Neckar und Donau ist uns eine lebendige Wirklichkeit, eine unteilbare Quelle vieler Ströme, die durch unsere Seele wogen,
({14}) - es kommt noch viel besser es ist für uns gerade in seiner ungebrochenen Ganzheit ein Element, dessen Versehrung uns mehr als arm zurücklassen würde, nämlich als andere, als wir vom Wesen her sind und sein wollen, wir alle, die vom Bodensee so gut wie die aus dem Frankenland .. .
Und er hat geschlossen: „Hie gut Württemberg allwege!"
({15})
Schöner hätte es auch ein badischer Heimatredner nicht sagen können! Sie werden es an der Logik der Sprache gemerkt haben, daß es ein Mitglied dieses hohen Hauses ist, das diese Worte gesprochen hat, und an der poetischen Sprache werden Sie gemerkt haben, daß es unser verehrter Kollege Herr Professor Carlo Schmid ist, der diese Worte gesprochen hat,
({16})
- im Jahre 1945 auf einer Landräteversammlung und dann geschrieben im Jahre 1946 in seinem leider vergriffenen, aber sehr lesenswerten Buch: „Die Forderung des Tages".
({17})
Ich nehme gerne an, daß der Herr Kollege Schmid inzwischen, da er ja ein eifriger Verfechter des Südweststaats geworden ist, eine politische Konversion erlebt hat, die wir achten wollen; denn sonst müßte ich mich fragen, ob er nicht vielleicht im Südweststaat nur ein um das annektierte Baden vergrößertes Württemberg sieht und darum heute erst recht rufen könnte: „Hie gut Württemberg allwege!"
({18})
Im Jahre 1866 hat Preußen mit dem Schwerte das Königreich Hannover erobert und annektiert,
({19})
und noch im Jahre 1945 war die reichstreue, aber antipreußische Irredenta im Lande Niedersachsen so stark, daß sie ihren politischen Ausdruck in der Bildung dieses Landes gefunden hat und heute noch ihre Minister in der Bundesrepublik stellt.
({20})
({21})
Was mit dem Lande Baden geschehen ist, ist in demokratischer, in scheindemokratischer Form gar nichts anderes als eine dürftig getarnte Annexion moderner Art. Ich garantiere Ihnen, in 80 Jahren wird es auch noch so heimattreue Badener geben, wie es heute heimattreue Hannoveraner gibt, und ich fürchte, wir können uns heute keine innerdeutsche Irredenta leisten.
Dann sagt man uns immer wieder: Die napoleonische Landkarte muß bereinigt werden; denn sie ist dem deutschen Volke aufgezwungen worden. Ich will Ihnen in wenigen Worten sagen, was der Unterschied ist zwischen dem, was Napoleon getan hat, und dem, was jetzt getan wird. Gewiß, im Zeitalter Napoleons hat man das Volk ignoriert und nicht gefragt.
({22})
In unserm Zeitalter hat man das badische Volk gefragt; man hat es sogar zweimal gefragt - und dann das Gegenteil von dem getan, was das Volk entschieden hat.
({23})
Das ist der ganze sogenannte Fortschritt des zwanzigsten Jahrhunderts! Das nennt man dann noch Demokratie!
({24}) Hier ist eine Wunde des Unrechts.
({25})
Nach allem, was geschehen ist, wollen wir in unserm Vaterland keinen Bundesstaat, keinen Gliedstaat und auch sonst nichts auf dem Boden des Unrechts aufbauen.
Deshalb fordere ich Sie auf, den Antrag heute dem Rechtsausschuß zu überweisen und alsbald endgültig anzunehmen.
({26})
Das Wort hat der Abgeordnete Freudenberg. Ihre Fraktion hat noch zwei Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich habe schon einmal von diesem Platz aus gesagt, daß es neben den Südbadenern auch Nordbadener gibt.
({0})
Immerhin muß das Haus, ehe es in dieser Frage endgültig entscheidet, wissen, daß wir in Nordbaden uns nicht nur einmal, sondern zwei- und dreimal ganz klar dahin ausgesprochen haben, daß wir den Weg in einer gemeinsamen Verwaltung mit dem benachbarten Württemberg gehen wollen.
({1})
Ich glaube, daß selbst Herr Jaeger, der die badischen Verhältnisse ja so überaus gut kennt, nicht abstreiten kann, daß Heidelberg immer eine badische Stadt gewesen ist. Es muß Ihnen daher zu denken geben, daß sich in Heidelberg über 70 % für das Zusammengehen mit Württemberg ausgesprochen haben.
({2})
Noch ein Wort zum Schluß. Ich glaube, daß es wirklich an der Zeit ist, daß wir nicht mehr rückwärts blicken, sondern alle Energien einsetzen, um das Land, das sich durch Volksabstimmung zusammengefunden hat, nunmehr wirklich konstruktiv aufzubauen.
({3})
Die Rednerliste ist
erschopft. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
({0})
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist zunächst über den Antrag auf Überweisung an den Rechts- und Verfassungsausschuß abzustimmen. Wer für die Überweisung des Entwurf an den Ausschuß ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
({1})
- Wenn das Präsidium feststellt - und es hat dies einmütig festgestellt -, was die Mehrheit ist, dann gilt das für das Haus.
({2})
Wir kommen damit zur
zweiten Beratung.
Ich rufe auf § 1. - Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des § 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
({3})
- Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Sind 50 Mitglieder des Hauses dafür? Ich bitte um ein Handzeichen. - Es sind 50-Mitglieder dieses Hauses vorhanden, die den Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützen. Ich schlage Ihnen vor, daß wir die namentliche Abstimmung so durchführen wie neulich die Abstimmung über den Montanpakt, also so, daß die Herren Schriftführer mit den Urnen durch den Saal gehen, ohne daß ein besonderer Namensaufruf vorgenommen wird.
({4})
- Es scheinen Zweifel darüber aufgetaucht zu sein, worüber abgestimmt wird. Wir stimmen ab über § 1.
({5})
Haben alle Anwesenden an der Abstimmung teilgenommen? - Dann ist die Abstimmung geschlossen.
Meine Damen und Herren, während der Auszählung bitte ich mir zu gestatten, den
Einspruch des Abgeordneten Dr. Richter ({6}) gegen den Ausschluß für die Dauer
von 3 Sitzungstagen ({7}) aufzurufen. Nach § 43 der Geschäftsordnung wird ohne Beratung über den Einspruch entschieden. Ich bitte die Damen und Herren, die den Einspruch für begründet erklären wollen, die Hand zu ererheben. - Eine Stimme. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einigen Enthaltungen mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. Damit ist auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, vielleicht kann ich gleich Punkt 7 aufrufen - dazu soll nach dem Vorschlag des Ältestenrats keine Aussprache stattfinden
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung der Zweiten Durchführungs({8})
verordnung zum Bremischen Übergangsgesetz zur Regelung der Gewerbefreiheit ({9}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, ohne Aussprache zu entscheiden. Ich glaube, daß das Haus auch auf die Entgegennahme einer besonderen Begründung verzichten könnte. Erhebt sich Widerspruch? - Das Haus ist einverstanden: ohne Besprechung und Begründung.
Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens zu überweisen. Ist das Haus einverstanden?
({10})
- Dann ist so beschlossen.
Bei Punkt 6:
Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland ({11}),
hat der Ältestenrat ebenfalls zu empfehlen, ohne Aussprache zu entscheiden. Es handelt sich hier um einen Gesetzentwurf, den der Bundesrat eingereicht hat. Ist auch hier das Haus damit einverstanden, daß auf die Begründung verzichtet wird?
({12})
Von seiten des Bundesrats wird nicht darauf bestanden, eine besondere Begründung zu geben? - Es ist anscheinend niemand anwesend.
Dieser Entwurf soll an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen werden. Ist das Haus damit einverstanden?
({13})
- Dann ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, das vorläufige Ergebnis*) der namentlichen Abstimmung zu § 1 des Entwurfs eines Gesetzes über die Aussetzung des Vollzugs von Bestimmungen des Zweiten Neugliederungsgesetzes ist: Ja 120 Stimmen, Nein 190, 15 Enthaltungen. Damit ist § 1 abgelehnt.
Ich rufe § 2 auf. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das ist die überwiegende Mehrheit; § 2 ist abgelehnt.
Einleitung und Überschrift. Ich bitte um Abstimmung. - Gegenprobe! - Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Damit sind sämtliche Paragraphen des Entwurfs mit Einleitung und Überschrift abgelehnt. Der § 84 Abs. 3 der Geschäftsordnung lautet:
Sind in der zweiten Beratung alle Teile eines
Gesetzentwurfes abgelehnt worden, so unterbleibt jede weitere Beratung und Abstimmung.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik ({14}) über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Freigabe von Lebensmitteln ({15}).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Povel als Berichterstatter.
*) Vgl. das endgültige Ergebnis Seite 7908.
Dr. Povel ({16}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Drucksache Nr. 2809 hat die KPD beantragt, Lebensmittel, die Anfang November 1951 in die Bundesrepublik eingeführt worden sind, freizugeben. In seiner Sitzung vom 8. Dezember 1951 hat der Wirtschaftspolitische Ausschuß diese Frage behandelt. Der Tatbestand ist folgender: Anfang November sind drei Waggons Lebensmittel aus der Ostzone importiert worden. Der Absender war ein Konsumverein im Ostsektor Berlin; Empfänger war ein Privatmann in Offenbach. Die Lebensmittel wurden, da sie keinen Begleitschein hatten, keine Zulassungsgenehmigung hatten und auch keine Ausnahmegenehmigung beantragt worden war, beschlagnahmt, und es wurde ein Strafverfahren eingeleitet.
Der Wirtschaftspolitische Ausschuß hat zunächst die Frage geprüft, ob es vielleicht möglich ist, die Lebensmittel zu verwenden, um sie notleidenden Volksgenossen in der Ostzone zur Verfügung zu stellen. Die Nachprüfung ergab, daß eine solche Lösung nicht möglich war, weil einmal nicht klar war, ob die Lebensmittel überhaupt in die Ostzone hineingelassen werden würden, andererseits auch die inzwischen entstandenen Kosten nicht gedeckt werden konnten. Der Ausschuß hat sich deshalb entschlossen, in die Angelegenheit nicht weiter einzugreifen und Ihnen den auf Drucksache Nr. 2923 gestellten Antrag zur Annahme zu empfehlen. Dieser Antrag lautet dahin, den Antrag der Fraktion der KPD „für erledigt zu erklären, da die Abwicklung der' Angelegenheit auf Grund der gesetzlichen Vorschriften erfolgt".
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Brökelschen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Im Namen einer ganzen Anzahl Abgeordneter meiner Fraktion stelle ich folgenden Antrag:
Der Erlös aus dem Verkauf der Lebensmittel - Drucksache Nr. 2809 - ist den Flüchtlingslagern Uelzen und Gießen zur Verfügung zu stellen.
Ich glaube, einer Begründung dieses Antrags braucht es nicht; er spricht für sich selber. Ich bitte, dem Antrag zuzustimmen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Es gibt ein ehernes, unumstößliches Gesetz in der Geschichte der Arbeiterbewegung: das Gesetz der Solidarität. Als die hessischen Metallarbeiter, eine Anzahl von etwa 80 000, im Hinblick auf die Preisentwicklung und wegen der ihnen bis dahin verweigerten Lohnerhöhungen in den Streik traten, um ihre Forderungen durchzusetzen - dieser Streik hatte eine Bedeutung weit über den Rahmen Hessens hinaus -, da waren es die Unternehmer der hessischen Metallindustrie, aber auch die Arbeitgeberverbände der gesamten Industrie, die im Hinblick auf die Bedeutung des Kampfes der hessischen Metallarbeiter und seiner Ausstrahlungen auch auf die Metallindustrie in Nordrhein-Westfalen solidarische Erklärungen abgaben und die hessischen Metallindustriellen ihrer Unter({0})
stützung im Kampf gegen die hessischen Metallarbeiter versicherten.
Es wäre nun eine Notwendigkeit gewesen, auch seitens des Hauptvorstandes der IG. Metall entsprechende Maßnahmen einzuleiten, um diesen Kampf der hessischen Metallarbeiter zu einem vollen Erfolg zu führen. In dieser Situation hat der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund der Deutschen Demokratischen Republik gerade aus Gründen der solidarischen Unterstützung eine Sammlung eingeleitet und von dem Ergebnis dieser Sammlung die Lebensmittel besorgt, um so der Solidarität - und zwar nicht nur mit den hessischen Metallarbeitern, sondern auch mit den streikenden Hamburger Hafenarbeitern - praktischen Ausdruck zu verleihen. Es war uns klar, daß nicht nur die Unternehmerverbände, sondern logischerweise auch die Regierung - im Hinblick auf die Befürchtungen, die sich sowohl aus dieser Solidaritätsaktion als auch angesichts der Solidarität der gesamten Arbeiterschaft Deutschlands ergeben mußten - eingreifen würden, um diese Solidaritätsaktion zu verhindern.
Ich möchte auf die Maßnahmen, die von der Zollbehörde eingeleitet worden sind, und auch auf das Spiel zwischen den einzelnen Ministerien, zum Teil auch zwischen der hessischen Regierung und der Bundesregierung, nicht im einzelnen eingehen, aber an die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion die Frage richten, ob sie ihre Stellungnahme, die sie im Ausschuß bezogen haben, hier noch aufrechterhalten können, wenn ich sie an das Grundgesetz der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung, nämlich an die Solidarität erinnere. Die Unternehmer haben in der Geschichte bereits unter Beweis gestellt, daß sie nicht nur im nationalen, sondern sogar im übernationalen Rahmen einander unterstützen. Hier handelt es sich nun um eine Angelegenheit, bei der es darum geht, daß deutsche Arbeiter und deutsche Gewerkschaften den Kampf der Arbeiter unterstützen. Ich frage- die Kollegen der sozialdemokratischen Fraktion, ob sie angesichts dieser Tatsache noch wagen, den Antrag abzulehnen, wie es im Ausschuß geschehen ist.
Infolge der Notwendigkeit, den Angehörigen der im Streik gewesenen Metallarbeiter diese Lebensmittel zur Verfügung zu stellen, beantragen wir, den Antrag des Ausschusses abzulehnen, und bitten, unseren Antrag anzunehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich habe zunächst über den Abänderungsantrag abstimmen zu lassen, den Frau Dr. Brökelschen begründet hat, den Erlös aus dem Verkauf der Lebensmittel den Flüchtlingslagern Uelzen und Gießen zur Verfügung zu stellen.
({0})
- Die Redezeit Ihrer Fraktion ist abgelaufen.
({1})
- Der Antrag ist gestellt worden, bevor Ihr Redner das Wort hatte.
({2})
- Nein, ich habe zunächst über den Abänderungsantrag abstimmen zu lassen.
({3})
- Nein, das ist ein Abänderungsantrag. - Wer für die Annahme dieses Abänderungsantrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Damit ist der Abänderungsantrag angenommen und auch dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
({4})
Meine Damen und Herren, es ist die Anregung an mich herangetragen worden, jetzt Punkt 13 der Tagesordnung zu behandeln:
Beratung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ({5}) betreffend Durchführung der Bestimmung des § 132 Abs. 2 der Geschäftsordnung ({6}).
Es handelt sich um die Festsetzung der Fraktionsund Gruppenstärken usw. Man hat mich gebeten, diesen Punkt vorzuziehen, weil offenbar eine Anzahl von Damen und Herren dieses Hauses später verhindert sind.
({7})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner!
({8})
Wir widersprechen diesem Vorschlag. Wir sind der Auffassung; daß auf der heutigen Tagesordnung Punkte von weitaus größerer Bedeutung stehen.
({0})
- Ja, eben weil ich auch eine Auffassung habe, vertrete ich sie. Wir sind der Auffassung, daß auf der Tagesordnung weit wichtigere Punkte stehen und daß es deshalb richtiger ist, sich an die festgelegte Tagesordnung zu halten.
Ich frage das Haus. Wer mit dem Vorziehen dieses Punktes einverstanden ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Die überwältigende Mehrheit des Hauses hat beschlossen, diesen Punkt vorzuziehen.
({0})
- Herr Abgeordneter Reismann zur Geschäftsordnung.
Ich möchte nur bitten, Herr Präsident, diese Änderung der Tagesordnung durch den Lautsprecher im Restaurant und überhaupt im Hause bekanntgeben zu lassen, damit die Abwesenden sich darauf einrichten können.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Bromme als Berichterstatter.
Bromme ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir drei Bemerkungen zu der Drucksache Nr. 2987, die einige, und zwar die wichtigsten Fragen behandelt, die gemäß § 132 Abs. 2 der neuen Geschäftsordnung vom Bundestag zu entscheiden sind.
Erstens: Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat, wie Sie in den Ziffern 1 bis 3 der vorliegenden Drucksache sehen, darauf verzichtet,
({1})
Zahlen einzusetzen, weil dabei politische Gesichtspunkte sowie Erwägungen der Zweckmäßigkeit ausschlaggebend sind und darüber allein vom Bundestag entschieden werden kann. Der Ausschuß, der sich mit diesen Fragen sehr ausführlich befaßt hat, hat den Stellungnahmen der einzelnen Fraktionen mit Absicht nicht vorgreifen Wollen.
Zweitens: Die Ausschußvorsitzenden sind, da die Bestimmung des § 12 als zwingend anzusehen ist, gemäß § 69 Abs. 1 von den Ausschüssen nach den Vereinbarungen im Ältestenrat zu bestimmen.
Drittens: Im Ausschuß bestand Einmütigkeit darüber, daß die Besetzung der Ausschüsse, wie sie sich neuerdings ergeben wird, bis zum Ablauf der Wahlperiode des Bundestages beibehalten werden sollte, auch wenn sich Änderungen in den Fraktionsstärken ergeben; es sei denn, diese Änderungen sind - vom Standpunkt des Bundestages aus - von erheblicher Bedeutung.
Im übrigen glaube ich auf eine weitere Begründung verzichten zu "können, zumal die Fraktionen des Bundestages jetzt die Aufgabe haben, die Lücken auszufüllen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Gengler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Berichterstatter hat soeben ausgeführt, daß der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität es mit Absicht unterlassen hat, in seinem Bericht bestimmte Zahlen über die Stärke der Fraktionen, Gruppen usw. zu nennen. .Es ist daher Aufgabe des Hauses selbst, diese Zahlen heute festzusetzen. Es liegt Ihnen hierzu Umdruck 1 Nr. 422 vor, unterzeichnet von den Fraktionen der Christlich-Demokratischen Union und CSU, von Euler und Fraktion, Ewers, Dr. Mühlenfeld und Fraktion. Darin wird beantragt, daß für die Fraktionsstärke eine Mitgliederzahl von 15 Abgeordneten, für die Gruppenstärke eine Mitgliederzahl von fünf Abgeordneten festgesetzt wird.
Weiter wird beantragt, daß der Ältestenrat aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und 15 Mitgliedern besteht; ergänzend sollen diejenigen Fraktionen und Gruppen, die nach der zahlenmäßigen Verteilung im Ältestenrat nicht vertreten sind, ebenfalls je einen Vertreter stellen.
Zu Ziffer 3 des Antrages darf ich bemerken, daß in Ergänzung der Bestimmung über die 21 Schriftführer noch hinzugefügt wird:
Die nicht in den 21er Ausschüssen vertretenen Fraktionen und Gruppen entsenden je einen Vertreter.
Das ist im Grunde dasselbe, was wir in Ergänzung
der Bestimmung über den Ältestenrat vorschlagen.
Ich bitte namens der Antragsteller um die Zustimmung des Hauses.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir halten es nicht für richtig, daß während der Legislaturperiode dieses Bundestages, deren größerer Teil ja bereits abgelaufen ist, durch eine Änderung der Fraktionsstärke eine Bruchstelle in der Kontinuität des Gesamtbildes hervorgerufen wird. Gleichzeitig wird hierdurch eine Benachteiligung der Minderheiten bewirkt,
hinter denen immerhin große Wählerzahlen stehen. Besonders bedenklich finden wir es, daß die Heraufsetzung der Fraktionsstärke die Bildung der Vertretung von Landesparteien beim Bundestag äußerst erschwert, d. h. von Parteien, die innerhalb ihrer Länder zu den größten gehören und nur durch die Beschränkung auf ein Land im Bundestag wenige Abgeordnete haben. Diese Parteien sind durchaus echter Ausdruck des Wählerwillens. Wir stehen daher auf dem Standpunkt, daß nach wie vor von die Fraktionsstärke zehn und die Gruppenstärke fünf richtig ist.
In unserem Antrag sind wir dafür eingetreten, daß im Ältestenrat auch die Gruppen und Fraktionen vertreten sind, die nach dem normalen Auszählverfahren nicht teilnehmen würden. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß für den Ältestenrat die Auszählung nach dem Verfahren beim 21erAusschuß die richtige ist, und haben deshalb diesen Antrag gestellt, dem wir zuzustimmen bitten.
Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
({0}) Das Wort hat der Abgeordnete Gengler.
Ich kann bekanntgeben, daß die Antragsteller den Antrag Umdruck Nr. 417 zurückgezogen haben.
Ergänzend zu dem, was ich vorhin zu Umdruck Nr. 422 Ziffer 3 gesagt habe, darf ich bemerken, daß in dem Satz in Ziffer 3: „Die nicht in den 21er Ausschüssen vertretenen Fraktionen und Gruppen entsenden je einen Vertreter" noch hinzugesetzt werden muß: „mit beratender Stimme". Das ist deswegen wichtig, weil es sich hier um die Zusammensetzung des Vorstandes des Bundestags selbst handelt, bei dem wir natürlich durch die Hinzuzählung sonst nicht Stimmberechtigter ein völlig anderes Bild erhalten würden. Es wird aber Wert darauf gelegt, daß auch im Vorstand des Bundestages die sonst nicht vertretenen Fraktionen oder Gruppen eine Vertretung erhalten.
Im übrigen darf ich bemerken, daß durch die von uns in Ziffer 2 beantragte Änderung den Wünschen, die Herr Kollege Dr. Decker vorhin geäußert hat, Rechnung getragen ist.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe im Namen meiner Fraktion bei der Besprechung der neuen Geschäftsordnung bereits den Standpunkt vertreten, daß es undemokratisch ist, Bestimmungen in die Geschäftsordnung hineinzuarbeiten, durch die verschiedenes Recht für die Abgeordneten dieses Hohen Hauses geschaffen wird. Ich bin der Meinung, daß ein Abgeordneter, der hierher geschickt worden ist, die gleichen Rechte auszuüben in der Lage sein muß
({0})
wie die Abgeordneten, die hier größere Rechte haben nur auf Grund der Tatsache, daß sie größeren Gruppierungen angehören.
({1})
Wenn das Ihre Auffassung ist, daß jeder Abgeordnete das gleiche Recht haben soll, dann geben
Sie mir einmal eine Antwort auf meine Feststellung: Wenn es so ist, wie es in der Geschäftsordnung vorgesehen ist, haben ja nur Fraktionen das
Recht, Anträge zu stellen. Gruppen und Einzelab({2}) .
geordnete haben ja nur das Recht, zu gestellten Anträgen Abänderungsanträge zu stellen. Sie nehmen also dem einzelnen Abgeordneten und den Gruppen das Recht, sich mit eigenen Anträgen an den Bundestag zu wenden. Darauf kommt es Ihnen im Effekt ja auch an, Sie wollen die Fraktionen, die das Recht haben, Anträge zu stellen, in ihrer Zahl reduzieren. Uns trifft Ihre Änderung nicht.
({3})
Nein, sie trifft uns nicht.
({4})
Sie trifft uns nicht. Sie haben mit Ihrem Widerspruch verraten, was Sie wollen. In Wirklichkeit wollen Sie nämlich uns allein damit treffen. Es war sehr unklug, ja sehr dumm von Ihnen, die Katze aus dem Sack zu lassen.
({5})
({6})
Gegen diese Pläne, das sage ich Ihnen hier von dieser Stelle, werden wir das Bundesverfassungsgericht in Bewegung setzen, damit Sie im Bilde sind. Also Ihre Pläne gegen uns gehen nicht durch, das kann ich Ihnen heute schon verraten. Ich lasse mich auf eine Diskussion in dieser Sache nicht ein. Wir sind der Auffassung - und haben das bei der Beratung der neuen Geschäftsordnung zum Ausdruck gebracht -, daß der Begriff Fraktion an und für sich beseitigt werden sollte. Wir sind der Auffassung, daß jeder einzelne Abgeordnete, auch jede Gruppe das Recht haben sollte, das Sie als echte „Demokraten" - in Gänsebeine gesetzt - nur davon abhängig machen, wie groß die Partei ist, die hier auftritt. Darum stimmen wir gegen diesen Vorschlag.
({7})
Wir stimmen für den Vorschlag, den Fraktionsbegriff überhaupt aufzuheben und 'das Recht auf Stellung von Initiativanträgen jedem Abgeordneten zuzubilligen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Gengler.
Wir freuen uns zunächst über das hohe Vertrauen, das der Herr Kollege Renner dem Bundesverfassungsgericht entgegenbringt.
Zur Berichtigung dessen, was der Herr Kollege Renner soeben ausgeführt hat, darf ich folgendes bemerken. In den Geschäftsordnung ist nicht vorgesehen, daß nur Fraktionen Anträge stellen können. Es ist vielmehr vorgesehen, daß Anträge die Zahl von Unterschriften in der Fraktionsstärke haben müssen. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Es ist dem Herrn Kollegen Renner unbenommen, wenn er seine Fraktion in der erforderlichen Zahl hier nicht auftreten lassen kann, die entsprechende Anzahl von Unterschriften anderwärts zu sammeln. Ob er auf Gefälligkeit stößt, ist natürlich eine andere Frage.
({0})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Löbe.
Herr Kollege Renner, in diesem Punkte irren Sie sich in jeder Ihrer Ausstellungen.
({0})
Die kommunistische Fraktion ist, nachdem die Mandatsniederlegung des Abgeordneten Müller von dem Bundestag nicht anerkannt worden ist, 15 Mann stark.
({1})
Schade, daß Sie das selber nicht gewußt haben.
({2}) - Da ist gar keine Frage.
({3})
- Auch wenn das erfolgt wäre; wir brauchten bloß von dem Notiz zu nehmen, was der Abgeordnete Müller selber dem Hause mitgeteilt hat. Die anderen Mitteilungen sind vom Hause nicht anerkannt worden, weil der Abgeordnete in Ostdeutschland verschollen und nicht erreichbar ist. Also behält die Fraktion ihre alte Stärke. Es ist auch ganz wünschenswert, daß sie sie behält; denn der Herr Abgeordnete Renner hat im Ältestenrat immer eine sehr positive und unsere Arbeit fördernde Stellung eingenommen.
({4})
Aber, Herr Kollege Renner, kein Parlament der Welt kommt aus, ohne daß es für bestimmte Handlungen eine Mehrzahl von Abgeordneten zur Bedingung macht. Wenn wir jetzt jedem Abgeordneten des Bundestags genau das gleiche Recht gäben, würden ja doch 402 Abgeordnete ununterbrochen Anträge stellen können. Das würden 400 nicht machen, aber ich könnte mir denken, daß 15 oder 20 Abgeordnete, die die Arbeit des Parlaments aufhalten wollen, alle besondere Anträge stellen. Das Haus müßte sie alle behandeln. Also ist es sowohl in den Volkskammern wie in den anderen Parlamenten üblich, daß man für die Stellung von Anträgen und für andere Tätigkeiten eine Mehrzahl von Unterschriften braucht.
Im übrigen bedeutet auch die heutige Handhabung eine sehr starke Bevorzugung der Angehörigen der kleinen Parteien. Bedenken Sie einmal, wie oft der Abgeordnete Renner an diesem Rednerpult erscheint. Welcher Abgeordnete der CDU oder der SPD könnte von sich sagen, daß er die Möglichkeit hat, als einzelner Abgeordneter hier so mitzuwirken. Wir sind in großem Nachteil; denn auf uns entfällt nur der zehnte Teil der Rechte, die auf Sie entfallen, weil 'Sie bei jeder Angelegenheit sprechen können und Ihre Tätigkeit unter 10 oder 15 Abgeordnete verteilen, während 140 oder 130 Abgeordnete nie in diesem Grade zum Zuge kommen. Also bei aller Gerechtigkeitsliebe: Sie sind stark bevorzugt, und ich glaube, Sie hatten zu dieser Opposition keinen Anlaß.
({5})
Herr Abgeordneter Gengler wünscht, noch eine Erklärung abzugeben.
Zu dem, was soeben der Herr Kollege Löbe gesagt hat, ist hinzuzufügen, daß die Frage, ob die kommunistische Fraktion heute noch 15 Mitglieder hat, in erster Linie davon abhängt, ob sie den verschwundenen Abgeordneten Kurt Müller lebend oder tot hier beibringt.
({0})
Meine Damen und Herren, ich möchte diese Debatte nicht weiterführen.
({0})
Sonst müßten wir uns noch darüber unterhalten, ob ein toter Abgeordneter Mitglied einer Fraktion sein kann. Also das geht wirklich zu weit.
({1})
Ich schließe die Besprechung.
({2})
Ich darf annehmen, daß der Antrag der Fraktion der FDP Umdruck Nr. 420 durch den Antrag Umdruck Nr. 422 erledigt ist. Der Antrag Umdruck Nr. 417 ist zurückgezogen. Es liegen also vor die Anträge Umdruck Nr. 419 und Umdruck Nr. 422.
Ich lasse über den Mündlichen Bericht des Geschäftsordnungsausschusses Drucksache Nr. 2987 nach Ziffern abstimmen. Zu Ziffer 1 a lautet der Antrag auf Umdruck Nr. 422 auf die Zahl von 15 Abgeordneten; ich brauche Ihnen den Text nicht im einzelnen vorzulesen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Gegen die Stimmen der Kommunisten - und darf ich fragen: waren hinten im Saal auch einige Gegenstimmen?
({3})
- Enthaltungen bitte? - Bei wenigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen ist dieser Antrag angenommen worden.
Zu Ziffer 1 b liegt der Antrag auf Umdruck Nr. 422 vor, der es auf fünf Abgeordnete abstellt. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag zu 1 b zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Zu Ziffer 2 liegt der Antrag auf Umdruck Nr. 422 vor:
Der Ältestenrat besteht aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und 15 Mitgliedern ... und der Antrag Umdruck Nr. 419:
... besteht aus 21 Mitgliedern.
Ich vermute, daß man 'sich auf den Standpunkt stellen kann, daß 21 mehr sind als 15 und das infolgedessen der weitergehende Antrag ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 419 der Föderalistischen Union zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit ganz überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 422 Ziffer 2: 15 Mitglieder usw. Ich bitte die Damen 'und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses. Dieser Antrag ist angenommen.
({4})
- Ich sehe zu Ziffer 2 keine Ergänzung. Haben Sie eine auf Ihrem Zettel?
({5})
- Vielleicht regelt sich das, wenn wir zu Ziffer 3 kommen, Herr Kollege Trischler.
({6})
Ich komme jetzt zu Ziffer 3. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Umdruck Nr. 422 zu
Ziffer 3, der nach den mir vorliegenden Notizen um folgende Worte ergänzt ist:
Die nicht in dem 21er-Ausschuß vertretenen
Fraktionen und Gruppen entsenden je einen
Vertreter mit beratender Stimme, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die 'Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Damit sind die Anträge, die die Lücken in dem Antrag des Geschäftsordnungsausschusses ausfüllen, erledigt.
Ich komme nach dieser Erledigung zu der Abstimmung über den Gesamtantrag ides Ausschusses Drucksache Nr. 2987 Ziffern 1 bis 6. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen bei wenigen Enthaltungen angenommen. - Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Punkt 9 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ({7}) über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Einfuhrprogramm zur Deckung lebenswichtigen Bedarfs an Grundnahrungsmitteln ({8}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Höchstaussprachezeit von 60 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden. Berichterstatter ist Abgeordneter Dr. Glasmeyer. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Dr. Glasmeyer ({9}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat in seiner Sitzung vom 13. Dezember 1951 das von der Bundesregierung vorgelegte Einfuhrprogramm für die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln einer eingehenden Prüfung unterzogen und dabei folgendes festgestellt:
Das Einfuhrprogramm der Bundesregierung gliedert sich in Handelsvertragseinfuhren, d. h. Einfuhren aus solchen Herkunftsländern, mit denen Handelsverträge abgeschlossen sind, und Einfuhren gegen Dollars aus solchen Ländern, mit denen keine Handelsverträge bestehen. Das Einfuhrprogramm sieht vor, die Einfuhren an Grundnahrungsmitteln soweit wie möglich aus Handelsvertragsländern sicherzustellen. Jedoch sind die Möglichkeiten der Einfuhr hier beschränkt, da diese Länder größtenteils ihrerseits auf die Einfuhr von Grundnahrungsmitteln angewiesen sind, und da traditionelle Exportländer, besonders für Getreide, die Höhe ihrer Exporte erheblich reduzieren mußten, sei es auf 'Grund zurückgegangener Ernteflächen, teilweise ungünstiger Witterungsbedingungen und daher niedrigerer Ernten oder aber auf Grund gestiegener Bevölkerungszahl und höheren Verbrauchs je Kopf.
Bei dem wichtigsten Grundnahrungsmittel, dem Getreide, sind die USA in den Nachkriegsjahren Hauptlieferant der westlichen Welt und besonders der Bundesrepublik geworden. Im laufenden Wirtschaftsjahr vom 1. Juli 1951 bis zum 30. Juni 1952 sieht das Einfuhrprogramm mehr als 75 % der Einfuhren an Brotgetreide sowie 50 % der Einfuhren. an Futtergetreide, zusammen also rund zwei Drittel der gesamten Getreideeinfuhr, aus den USA vor.
({10})
Die Bereitstellung der hierfür notwendigen Dollarbeträge ist das ernsteste Problem bei der Nahrungsmittelversorgung der Bundesrepublik, nachdem im Gegensatz zu den Vorjahren nur noch mit einem verhältnismäßig bescheidenen Betrag aus Marshallplanmitteln gerechnet werden kann.
Die Getreideversorgung hat im Rahmen der gesamten Nahrungsmittelversorgung die Schlüsselstellung, wobei dem Futtergetreide praktisch dieselbe Bedeutung wie dem Brotgetreide zukommt. Bei der weitgehenden Austauschbarkeit von Futter- und Brotgetreide bedeutet fehlendes Futtergetreide Abfließen von Brotgetreide in den Futtertrog, d. h. Mangel an Brotgetreide und ein Emporschnellen der Preise. Daher sind zur Aufrechterhaltung der notwendigen Fleischproduktion die geplanten Futtergetreideeinfuhren unentbehrlich. - Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich davon überzeugt, daß der Getreideeinfuhr im Rahmen des Einfuhrprogramms die Priorität zuerkannt ist.
Bei Zucker hat sich die Einfuhrabhängigkeit vom Dollarraum, d. h. die Notwendigkeit der Einfuhr von Kubazucker im laufenden Wirtschaftsjahr erheblich vermindert, und zwar infolge einer höheren eigenen Ernte und einer bisher günstigen Entwicklung der Einfuhren aus Handelsvertragsländern. Bei Nahrungsfetten hofft die Bundesregierung, im laufenden Jahr auf Einfuhren aus dem Dollarraum nahezu vollständig verzichten zu können.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat sich davon überzeugt, daß die Vorratslage und die Versorgungsaussichten bei den Grundnahrungsmitteln verhältnismäßig günstig sind und daß die Bundesregierung alles ihr Mögliche zur Deckung des Lebensmittelbedarfs und damit zur Sicherung eines erträglichen Preisniveaus getan hat und weiterhin zu tun gedenkt. Er empfiehlt daher dem Bundestag, dem Antrag des Ausschusses, der Ihnen in Drucksache Nr. 2948 vorliegt, zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache.- Keine Wortmeldung. Ich schließe die Aussprache.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Druckrache Nr. 2948. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Post- und Fernmeldewesen ({0}) über den Antrag der Fraktion der BP und den Änderungsantrag der Fraktion der SPD betreffend Inlandsporto im Brief- und Postkartenverkehr zwischen europäischen Staaten ({1}).
Die vom Ältestenrat vorgesehene Aussprachezeit beträgt 40 Minuten, die aber wohl auch nicht in Anspruch genommen werden wird.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Siebel. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Siebel ({2}), Berichterstatter: Herr "Präsident! Meine Damen und Herren! In seiner Sitzung am 6. Dezember 1951 hat der Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen einen Antrag der Fraktion der Bayernpartei und einen Änderungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei beraten.
Nach diesen beiden Anträgen soll die Bundesregierung beauftragt werden, durch Anträge beim Ministerrat des Europarates eine Vereinheitlichung und Vereinfachung des Postverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates zu erstreben. Auf Einzelheiten will ich aus Gründen der Zeitersparnis nicht eingehen.
Am 5. Dezember hat die Beratende Versammlung des Europarates eine Empfehlung beschlossen, in der der Ministerrat des Europarates aufgefordert wird, ähnliche Ziele wie die der beiden eben genannten Anträge zu verfolgen. Es hätte nun der Gedanke auftauchen können, daß das Anliegen der beiden Anträge, des Antrages der Fraktion der Bayernpartei und des Änderungsantrages der sozialdemokratischen Fraktion, überflüssig geworden sei. Aber, meine Damen und Herren, der Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen war der Ansicht, daß vielleicht gerade jetzt durch eine Initiative der Bundesregierung diese Empfehlung der Beratenden Versammlung des Europarates im Ministerrat des Europarates gefördert werden könne. Infolgedessen hat er den Antrag formuliert, der Ihnen auf Drucksache Nr. 2912 vorliegt. Dieser Beschluß wurde vom Ausschuß einstimmig gefaßt. Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten, dem die beiden zu Anfang meiner Ausführungen genannten Anträge zur Beratung überwiesen wurden, hat sich dem Antrag des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen angeschlossen.
Im Auftrage des Ausschusses für das Post- und Fernmeldewesen bitte ich Sie, seinen Antrag auf Drucksache Nr. 2912 anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich eröffne die Aussprache im Rahmen einer Redezeit von 40 Minuten.
Herr Abgeordneter Dr. Decker!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben mit unserem Antrag Drucksache Nr. 2705 die Initiative ergriffen, durch die Niederlegung von Grenzpfählen auf postalischem Gebiet einen wesentlichen und tatkräftigen Schritt zur Verwirklichung eines geeinten Europas zu tun. Die von uns geforderte Maßnahme, als Ausdruck gesamteuropäischer Solidarität das sogenannte Auslandsporto im Brief- und Postkartenverkehr aufzuheben, wird durch den Antrag des Ausschusses angestrebt. Wir stimmen deshalb in der Hoffnung auf eine baldige Verwirklichung dieser auf dem Postgebiet möglichen Schritte zur europäischen Einigung dem Ausschußantrag zu. ({0})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 2912. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Bekanntgabe des „Generalvertrags" und Einstellung der Verhandlungen der Bundesregierung um die Einbeziehung der Bundesrepublik in den Atlantikpakt ({0}).
Zur Begründung hat Herr Abgeordneter Renner das Wort.
Renner ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Montag hat der sogenannte Sicherheitsbeauftragte des Bundeskanzlers, der Herr Abgeordnete Theodor Blank, der im November 1950 als „Leiter des Amtes für die Unterbringung der alliierten Truppenverstärkungen" mit dem Rang eines Staatssekretärs eingesetzt wurde - so bescheiden hat die Sache einmal angefangen! -, endlich den Schleier über einen Teil des Inhalts des Generalvertrags ein wenig gelüftet. Was wir aus der Presse wissen, sind einige der militärtechnischen Bestimmungen des Generalvertrags. Nach wie vor kennen wir nicht die schwerwiegenden politischen Bestimmungen, die dieser Generalkriegsvertrag enthält. Sie werden uns nach wie vor bewußt durch den Herrn Bundeskanzler vorenthalten.
Was hat Herr Blank erzählt? Ich halte mich notgedrungen an die Meldungen in den einzelnen Zei
tungen. Die „Neue Zeitung" vom 14. Januar 1952:
... hofft man, die Pläne für die 43 Divisionen
umfassende Armee im Februar fertigstellen zu
können.... Als Arbeitsgrundlage hat man die
Aufstellung von 14 französischen, von je 12
deutschen und italienischen, 31/2 belgischluxemburgischen und 21/2 holländischen Divisionen genommen. Hinzu kommen Führungsstäbe, Versorgungseinrichtungen und Ausbildungseinheiten, ... Die Bundesrepublik wird
weiter an der Aufstellung einer taktischen
Luftwaffe beteiligt sein, deren Umfang noch
nicht eindeutig bestimmt ist. Sie wird außerdem Küstenstreitkräfte für die Nord- und
Ostsee erhalten.
Wer kommandiert nun 'diesen „deutschen Beitrag zur Sicherheit"?
({2})
- Nein! Ich, wenn ich hier zu kommandieren hätte in dieser amerikanischen Kolonie, würde manchem auf die Beine helfen! Wer kommandiert also diese Armee? - „Stuttgarter Nachrichten" vom 15. Januar 1952: Die Truppen der Europaarmee werden dem atlantischen Oberkommando unterstellt. Eisenhower kommandiert diese Atlantikarmee, Eisenhower kommandiert also auch die Europaarmee!
Wer löst .die Kriegsmaschine aus? Ebenfalls der Herr General Eisenhower!
({3})
Die amerikanischen Imperialisten bestimmen, wann, unter welchen Umständen und wo unsere deutsche Jugend eingesetzt werden soll, um diesen dreckigen geplanten amerikanischen Krieg durchzuführen.
„Aachener Nachrichten" vom 15. Januar 1952: Blank erklärte, daß zwischen der europäischen Verteidigungsgemeinschaft und der Atlantikpaktorganisation - NATO - eine vertragliche Vereinbarung getroffen werden soll, die die militärische Zusammenarbeit der beiden Armeekörper sichert. Aus 'dieser vertraglichen Regelung zwischen NATO und europäischer Verteidigungsgemeinschaft werde sich auch das künftige Verhältnis zwischen den europäischen Kontingenten auf deutschem Boden und den britisch-amerikanischen Truppen ergeben.
Also „Stuttgarter Nachrichten" vom 15. Januar 1952: Die Truppen der Europaarmee werden dem atlantischen Oberkommando unterstellt. Auf diesem kalten Wege also schlüpft der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer in den von ihm erträumten und ersehnten Atlantikkriegspakt hinein!
„Stuttgarter Nachrichten" vom 15. Januar 1952: Blank: Der deutsche Vorschlag eines ... Verteidigungskommissariats sei so gut wie akzeptiert. Eines dieser Kommissariatsmitglieder werde weitergehende Befugnisse haben als die anderen.
Wer ist das? Bestimmt nicht das westdeutsche Mitglied des Kommissariats!
Die „Neue Zeitung" vom 14. Januar 1952: Bezüglich der politischen Konstruktion der Verteidigungsgemeinschaft heißt es, daß die Mitglieder des Kommissariats, also der übernationalen Exekutivbehörde, für drei Jahre durch die Regierungen der Mitgliedsstaaten,
- also nicht durch die Parlamente der Mitgliedsstaaten! bestellt werden sollen.
Dieselbe Zeitung:
Der militärische Aufbau der europäischen Verteidigungsgemeinschaft werde einmal durch die Tätigkeit dieses Kommissariats und zum andern durch die nationalen Verteidigungsminister bestimmt werden.
Also wir bekommen einen Kriegsminister!
„Stuttgarter Nachrichten" vom 15. Januar 1952: Der Verteidigungskommissar werde bestimmte Richtlinien erlassen, beispielsweise über die Ausbildungszeit, das Wehrsystem und andere, da es ja hier keine Unterschiede zwischen den Partnern geben könne.
Also dieses internationale Exekutivkomitee, dieses Kommissariat, legt uns die Dauer der Ausbildungszeit auf, bestimmt, nach welchem System diese Wehrmacht aufgestellt werden soll, ob auf der Basis der Freiwilligkeit oder auf der Basis der allgemeinen Dienstpflicht, nicht der Bundestag.
Dieselbe Zeitung:
Es sei damit zu rechnen, daß ein gemeinsames Budget erst vom 1. Januar 1953 ab aufgestellt werde.
Nun etwas über die Kompetenzen dieses Ministerrats:
Die Zustimmung des Ministerrats werde in einigen wenigen grundsätzlichen Fragen einstimmig erfolgen müssen, in der Mehrzahl mit Zweidrittelmehrheit und bei unwesentlichen Dingen mit einfacher Mehrheit. Es handle sich dabei um Fragen wie Zustimmung zum Budget, Rüstungsprogramm, Vergebung der führenden Stellen und andere.
Der Katalog
- so sagt Herr Blank sei noch offen und einem ständigen Wechsel unterworfen.
„Stuttgarter Nachrichten" vom 15. Januar 1952:
Es sei eine Rekrutenausbildung in besonderen Truppenausbildungsteilen vorgesehen, die auf dem Gebiet des Heimatlandes liegen.
Und nun zurück zu der Erklärung der amerikanischen Beamten vom vergangenen Sonntag! Vorübergehend
- so hieß es in dieser Erklärung werden amerikanische Offiziere und Unteroffiziere zur Ausbildung dieser deutschen Truppenkontingente herangezogen werden.
({4})
Wir erhalten also an Stelle des deutschen Barras den amerikanischen Barras! Aber das ist der einzige Unterschied. Doch es soll ja diesmal „niedlicher" werden bei den Preußen.
So stellt uns die „Deutsche Zeitung" vom 16. Januar in Aussicht, die neue Wehrverfassung sollte nicht von reinen Wehrtechnikern abgefaßt werden; sie müsse von Philosophen - fallen Sie nicht um, meine Herren! - erdacht und geschrieben werden. Es müsse zur Abfassung der Wehrverfassung ein Ausschuß des Bundestags aus Leuten der ersten Garnitur der Parteien gebildet werden, die politischen Weitblick und Sinn für das Grundsätzliche mit gesetzgeberischem Talent vereinigten. In diesen Ausschuß sollten auch einige der hervorragenden militärischen Fachleute mit staatspolitischen Talenten und sozialer Aufgeschlossenheit einbezogen werden.
Heute nachmittag hat man mir gesagt, daß einer der beiden Generale Adenauers - ich weiß im Augenblick nicht, wer - sogar diese Voraussetzungen mitbringe. Eines müsse sichergestellt werden: die Vormacht der zivilen politischen Staatsgewalt vor den militärischen Autoritäten, wie das entgegen aller kleinbürgerlichen Legende der besten Tradition Preußens entspreche. Das müsse gesichert werden. - Da muß doch ein ernsthafter Mensch wirklich lachen. Man stelle sich vor: Die „Tradition Preußens", dieser militärische Ungeist, diese Armee, die auf blindem Kadavergehorsam aufgebaut war, das soll das Vorbild sein, nach dem diese neue deutsche Armee aufgebaut werden soll.
Man fragt sich: Wer wird in dieser Zusammenstellung stärker sein, der Herr Minister, der Zivilist, oder der General? - Einmal mehr wird es sich erweisen, daß der Zivilist der ewige Untertan sein wird und daß der General die Kompetenzen an sich reißen wird.
„Stuttgarter Nachrichten" vom 15. Januar 1952: Natürlich werde der militärische Dienst auch dann durch Befehl und Gehorsam bestimmt sein.
Also bekommen wir doch einen neuen Unteroffizier Himmelstoß.
({5})
- Ja, Himmelstoß, Ihr Ideal!
Ich erinnere mit, daß Otto Reuter nach der Skandalaffäre von Zabern ein Couplet geschrieben hat, überschrieben „Großmutter erzählt eine nette Geschichte". In diesem Couplet hieß es:
Und dann am Abend zum Schluß
gibt der Unteroffizier dem Soldaten noch einen
Kuß!
So soll es anscheinend in der neuen Armee nach der Auffassung dieser „Stuttgarter Nachrichten" aussehen.
Ich bin der Auffassung, daß, nachdem in diesem Vertrage auch steht, daß ein „europäisches Militärstrafrecht" und „eine europäische Militärdisziplin" - ohne jede Möglichkeit des Eingreifens des Bundestages - geschaffen werden soll, der einzige Unterschied gegenüber der Methode unseres alten preußischen Barras darin bestehen wird, daß in Zukunft der bekannte Befehl heißen wird: Hinlegen, please, du Hund! Das dürfte der einzige Unterschied sein, mit dem unsere Jungens zu rechnen haben.
Nach der Rekrutenausbildung kommen dann die Soldaten in die Divisionen-Groupements. - Diese werden national-homogen zusammengesetzt, aber unter den Befehl integrierter Stäbe gestellt werden, d. h. also unter den Befehl der Herren amerikanischen und französischen Offiziere. Sie können auch auf dem Territorium eines anderen Landes stationiert werden, so daß z. B. eine französische Division aus Nancy nach Koblenz verlegt werden darf, natürlich auch umgekehrt - natürlich auch umgekehrt. Welch herrliche Aussichten für unsere Jungens, wenn sie statt auf dem Heimatboden irgendwo draußen in Südfrankreich oder irgendwo in Süditalien oder in irgendeiner Kolonie ihre Dienstpflicht erledigen müssen.
Und warum diese Methoden? - Um unsere deutschen Jungens von ihrem deutschen Volke, von der deutschen Arbeiterschaft, von den Feinden dieser Pläne zu trennen, um sie jeder Beeinflussungsmöglichkeit zu entziehen; darum macht man diese Methode!
Eine Ausnahme ist vorgesehen: Bei „Gefährdung der inneren Ordnung" bekommt der Herr Bundeskanzler seine Divisionen wieder zurück, und sie werden dann unter dem Kommando des bewährten Verteidigers unserer Verfassung, des Herrn Innenministers Lehr, für die innere Ordnung sorgen. A propos: innere Ordnung! Es heißt in dem uns bisher verschwiegenen Teil dieses Generalkriegsvertrages, daß im Falle der Störung der inneren Ordnung die Besatzungsmächte befugt sind, alle Befehlsgewalt wieder an sich zu ziehen, so daß wir also wieder den derzeitigen und bisherigen Zustand ohne jede Umänderung bekommen werden. Also falls etwa Arbeiter in einem Streik den Versuch machen, ihre elenden Löhne aufzubessern, dann kann der Amerikaner wieder auf seine alten Rechte zurückgreifen, und diese deutsche Armee, diese deutschen Soldaten werden dann auf deutsche, auf unsere westdeutschen Arbeiter gehetzt werden.
Die Bundesrepublik bekommt außerdem das Recht, die bisher verbotene Waffenproduktion wieder aufzunehmen. Welch herrliche Zeit also für die rechtzeitig entlassenen Kriegsverbrecher, für die Herren Krupp und Konsorten! Jetzt wissen wir auch, warum sie in die Freiheit entlassen worden sind. Sie sollen im Rahmen des Schumanplans erneut zur Steigerung der deutschen Kriegsproduktion eingesetzt werden.
Blank, „Stuttgarter Nachrichten" ,vom 15. Januar 1952:
Mit der Ratifizierung des Vertrags begäben sich die Teilnehmerstaaten bestimmter Souveränitätsrechte. Auch der Bundestag werde dann, sobald der Vertrag ratifiziert und damit Rechtens sei, auf bestimmte Befugnisse verzichten.
Damit kommen wir zu einer sehr einschneidenden und wichtigen Frage, nämlich zu der des Art. 26, ob nur die „Ratifizierung dieses internationalen Vertrages" erfolgen muß, oder ob wir die Abmachungen des Herrn Adenauer mit den Westmächten hier im Bundestag wie ein Gesetz zu behandeln haben. Art. 26 ist der Artikel mit dem Verbot des Angriffskrieges und der Herstellung von Kriegsmaterial auf dem Boden der Bundesrepublik. Ich habe bei der Lektüre dieser Bemerkungen an den Parlamentarischen Rat zurückgedacht, an die Diskussionen, die damals darüber geführt worden sind, in welcher Weise neben dem allgemeinen Verbot der friedenstörenden Handlungen jegliche Kriegsvorbereitung untersagt werden soll. Gegen ein direkt verfassungsrechtliches Verbot, gegen unsere Forderung auf Ächtung des Krieges wandte sich damals der Herr Kollege
({6})
Carlo Schmid mit der Behauptung, das im Grundgesetz vorgesehene Verbot der Kriegsvorbereitungen ginge wesentlich weiter. Eine Reihe von Staaten, so sagte er damals, die dem Kriegsächtungspakt beigetreten wären, hätten nicht daran gedacht, ihre Wehrmacht abzuschaffen, während der Text des Grundgesetzes über negative Maßnahmen wesentlich hinausginge. Auf meine damalige Gegenfrage an ihn, ob damit die Bildung eines Heeres für Westdeutschland ausgeschlossen sei, entgegnete mir der Herr Kollege Schmid:
Diese Fassung geht noch weiter. Sogar sogenannte Wehrsportvereine sind damit ausgeschlossen.
({7})
Das hat der sehr kluge Herr Carlo Schmid damals vor knapp drei Jahren gesagt. Bei einer anderen Gelegenheit sagte er - und das ist auch sehr aufschlußreich -, daß Handlungen denkbar seien, die in dem Augenblick, in dem sie geschehen, nicht geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker wirksam zu stören, und trotzdem in ihrer Tendenz daraus angelegt sind, die Führung eines Krieges vorzubereiten. Es sagt dann weiter an einer anderen Stelle seiner Ausführungen:
Die Geschichte zeigt, daß bisher niemand zugegeben hat, er betreibe Kriegsvorbereitungen,
um einen Angriffskrieg zu machen. Letzten
Endes
- sagte Carlo Schmid damals ist der Unterschied zwischen Angriffskrieg und Verteidigungskrieg weitgehend zu einer Flause geworden.
Er hat also damals mindestens begriffen, was es mit der Formel vom sogenannten „Verteidigungskrieg" auf sich hat. Er hat damals mindestens begriffen, daß der angeblich nur beabsichtigte Verteidigungscharakter dieser Armee nichts anderes ist als eine Kaschierung des tatsächlichen Charakters, des Charakters einer Präventivkriegsarmee.
Ich habe leider wegen der kurzen Redezeit keine Möglichkeit, die Geschichte der Remilitarisierung Westdeutschlands, die ja schon seit Sommer 1950 läuft bzw. aktivst betrieben worden ist, hier aufzuzeigen Das ist sehr bedauerlich. Es wäre für unser Volk außerordentlich lehrreich, die verschiedenen Phasen dieser Entwicklung, die Dementis, die Meinungsberichtigungen, das ganze verwirrende Hin und Her der verschiedenen Adenauerschen Erklärungen zu diesem Problem genau zu kennen. Das Ende aber beweist ja schließlich alles. Bundeskanzler Dr. Adenauer hat von Anfang an bewußt auf dieses Ziel hingearbeitet. Das eigene Kabinett wurde gelegentlich in Unkenntnis gelassen, Beweis: der Fall Heinemann! Selbstherrlich hat Adenauer diese Politik gemacht, dieser, wie ihn die „Aachener Nachrichten" mit Recht bezeichnen, „konstitutionelle Diktator". Der Bundestag wurde systematisch ausgeschaltet. All unsere Bemühungen im Bundestag, den Bundeskanzler zu zwingen, seine Karten auf den Tisch zu legen, scheiterten daran, daß der vielversprechende CSU-Abgeordnete Herr Strauß einen Antrag auf Übergang zur Tagesordnung stellte. Diesem Antrag stimmte dann das gesamte Haus einschließlich der sozialdemokratischen Fraktion ständig zu.
({8})
Wir haben also das Recht und die Pflicht, zu behaupten und auszusprechen, daß, wenn Adenauer es bisher fertiggebracht hat, seine Politik
der Remilitarisierung, die zwangsläufig in einem neuen Krieg enden muß, hinter dem Rücken des Volkes zu betreiben, im Sinne einer absoluten Kriegspolitik, mit den Methoden einer Geheimpolitik, einer Kabinettspolitik, daß dann dafür auch die sozialdemokratische Fraktion mitverantwortlich ist.
({9})
- 'Krieg wollen nur die Verbrecher, die an ihm verdienen, denen die Not und das Elend, das Bluten und das Sterben der Völker gleichgültig sind, deren oberstes Gesetz der Profit ist. Frieden will unser Volk, vor allen Dingen auch unsere deutsche Jugend. Das hat Ihnen die Tagung der von Ihnen doch sicher sorgfältig zusammengestellten Delegierten des Landes-Jugendringes für Nordrhein-Westfalen auf ihrer Konferenz am vergangenen Sonntag bewiesen,
({10})
wo diese jungen Delegierten den Arbeitsdienst als Vorstufe zum Militärdienst abgelehnt haben,
({11})
wo sie das Mitbestimmungsrecht bei der Frage der Remilitarisierung gefordert haben, also Volksentscheid, wo sie gesagt haben - wörtlich nach Ihren eigenen Zeitungen -, daß die soziale Sicherheit des Volkes unbedingt vor einer Remilitarisierung rangieren müsse. Solange noch 27 % der Bevölkerung mit einem Monatseinkommen von unter 100 Mark vegetieren müßten, könnten die Ausgaben von Milliardenbeträgen für die Remilitarisierung nicht gerechtfertigt werden. Das ist eine andere Sprache als die, die die „Jugend" in diesem Fackelzug am vergangenen Freitag im KanzlerPalais gesprochen hat. Das ist aber die Jugend, die hinter der CDU und hinter der SPD steht. Das ist die deutsche Jugend, die zusammen mit der von Ihnen verbotenen, aber doch lebenden und kämpfenden Freien Deutschen Jugend für das große und herrliche Ziel unserer deutschen Jugend kämpft: Frieden und Wiederherstellung der Einheit Deutschlands.
Der Herr Ollenhauer hat sich gestern einmal mehr gegen die ,.hektische Wehrpropaganda" - so wörtlich - Adenauers erklärt. Er hat einmal mehr Vorbehalte auf der Ebene der politischen und militärischen Führung der Europa-Armee angemeldet. Einmal mehr hat Ollenhauer erklärt. man habe über die strategischen Absichten der Westmächte weniger Klarheit als je zuvor. Das sagte Herr Ollenhauer, der zweite Vorsitzende der Partei, die bei anderen Gelegenheiten ganz ohne jeden Rückhalt ausgesprochen hat, daß sie für die Schaffung eines Sicherheitsbeitrages ist, daß sie nur als Bedingung die vorherige Gleichberechtigung und die Garantie dafür stellt, daß der Krieg, also der Präventivkrieg jenseits der deutschen Grenzen in Polen ausgelöst werden müsse. Glauben Sie. meine Herren von der Sozialdemokratie, daß Sie mit dieser Haltung noch länger Ihre eigenen Wähler hinter sich halten können? Glauben Sie das?
({12})
- Ja, Sie haben große Sorgen. Es sieht in Ihrer Fraktion und in Ihrer Partei, es sieht in Ihren Mitgliederkreisen, den Kreisen Ihrer arbeitenden Mitglieder, anders aus, als das aus diesen Erklärungen hervorgeht.
({13})
({14})
Das ganze deutsche Volk will den Frieden, das ganze deutsche Volk lehnt die Kriegspolitik eines Adenauer ab, und darum fordern wir, daß Sie den Herrn Adenauer heute zwingen, dem Bundestag den gesamten Inhalt dieses gegen die Interessen unseres Volkes gerichteten Kriegspaktes bekanntzugeben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man dem Kollegen Renner objektiv ohne- jede Aufregung zuhört, dann muß man sagen: es ist bewundernswert, mit welchem ostzonalen Begeisterungsfluß er die Vehemenz seiner Rede hinaufsteigern kann, um dem Agitationsbedürfnis der dortigen Kreise Rechnung zu tragen.
({0})
Es ist das eine ausgezeichnete Leistung. Ich gratuliere Ihnen dazu.
({1})
Aber Ihr Antrag eilt den Tatsachen voraus. Man kann die Sachen nicht behandeln, weil sie erst im Werden sind.
Ich beantrage Übergang zur Tagesordnung.
({2})
Sie haben, wenn Sie gegen den Übergang zur Tagesordnung sind, das Recht, das Wort zu nehmen, Herr Abgeordneter Renner. Sie wünschen, das zu tun? - Bitte!
Einmal mehr haben wir heute erlebt, daß der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung gestellt wurde, nur mit dem Unterschied, daß der Antragsteller dieses Mal statt des Herrn Strauß der Herr Horlacher ist. Herr Horlacher, Sie als alter Mensch, Sie, der Sie sich der Verantwortung unserem Volke gegenüber bewußt sein sollten, Sie sollten sich doch wirklich überlegen, ob Sie noch länger dem das Wort reden, daß der Bundeskanzler den Bundestag im unklaren lassen kann über den Inhalt dieses für unser Volk tödlichen Vertrags. War es nicht so, daß in Ihren eigenen Zeitungen stand, es sei jetzt langsam Zeit, daß der Bundestag den Inhalt des Generalvertrags erführe? Waren es nicht Sie selber, die dafür gesorgt haben, daß der Herr Blank wenigstens vor der eigenen Fraktion einen Teil des Inhalts bekanntgab, und waren es nicht die Herren Sozialdemokraten, die sich bei der Behandlung des Schumanplans auch darüber beklagten, daß der Herr Bundeskanzler geruht habe, nur zwei der angeblichen Paragraphen des Generalvertrags bekanntzugeben? Waren Sie es nicht selber, die gefordert haben, daß es hohe Zeit ist, daß das Volk kennenlernt, was gegen seine Interessen geplant ist?
Und nun kommen Sie mit einem Antrag auf Übergang zur Tagesordnung. Herr Horlacher, setzen Sie sich nicht der Gefahr aus, daß einmal unser Volk Sie mit verantwortlich macht für die Konsequenzen dieser Politik? Diese Konsequenzen bedeuten Krieg, sind Krieg; und ich sage Ihnen, Herr Horlacher: Sie genau wie ich wissen, daß die überwältigende Mehrheit unseres Volkes, auch des bayerischen Volkes, auch Ihrer eigenen Wähler genau so wie wir Kommunisten die Remilitarisierung ablehnen. Das wissen Sie genau so gut wie ich.
Herr Abgeordneter Renner, ich empfehle Ihnen, dazu zu kommen, gegen den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung zu sprechen.
Und darum haben Sie auch dafür gesorgt, daß die Stimme des Volkes nicht in einer Volksabstimmung zum Durchbruch kommen konnte. Ich mache Sie auf die Bedeutung dieser Stunde aufmerksam. Es geht um Leben und Sterben für unser Volk.
({0})
- Machen Sie sich nicht lächerlich mit solchen einfach wahnsinnigen Bemerkungen, ich spräche im Auftrag der SED oder irgendeiner anderen Gruppe.
({1})
Ich spreche im Auftrag unseres deutschen Volkes!
({2})
Ich habe gegen Hitler gekämpft; ich kämpfe gegen Adenauer, weil er in Erfüllung des Auftrags derselben Kräfte, die Hitler gestützt haben, dieselbe Politik betreibt, wie sie Hitler betrieben hat. Überlegen Sie sich also Ihre Abstimmung! Sie haben die Abstimmung vor unserem Volk zu verantworten.
({3})
Meine Damen und Herren, es ist formell nach der Geschäftsordnung möglich, doß noch jemand für den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung spricht; aber ich glaube, Herr Abgeordneter Strauß verzichtet.
({0})
- Frau Abgeordnete Brökelschen auch. Keine weiteren Wortmeldungen dazu?
({1})
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag auf Übergang zur Tagesordnung. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Antrag auf Übergang zur Tagesordnung angenommen.
({2})
- Ich habe das Gefühl, Herr Abgeordneter Renner, daß sich unsere verhältnismäßig guten Beziehungen laufend verschlechtern.
({3})
Ich .rufe auf Punkt 12 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Verhinderung von Landbeschlagnahmung für militärische Zwecke ({4});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Flugplatz in Freiburg ({5});
c) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Flugplatzbau in Söllingen-Stollhofen ({6}).
({7})
Wer wünscht den Antrag der Fraktion der KPD zu begründen?
({8})
Bitte! - Ich nehme an, daß das Haus mit der vorgesehenen Redezeit von 40 Minuten einverstanden ist.
({9})
Begründungszeit 10 Minuten.
Niebergall ({10}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unserem Antrag Drucksache Nr. 2922 liegt folgende Tatsache zugrunde: Im Bereich der Gemeinde Sehnde - Kreis Burgdorf ({11}) - sollen 800 Morgen wertvolles Acker- und Siedlungsgelände von den Besatzungsmächten für militärische Zwecke beschlagnahmt werden. Der Gemeinderat und die gesamte Bürgerschaft haben sich in Versammlungen, Kundgebungen und Erklärungen mit . Empörung gegen die Absichten der Besatzungsmächte gewandt, und das mit Recht. Wir haben mittlerweile zu verzeichnen, daß im Bundesgebiet seit 1. Januar 1950 500 000 ha wertvolles Acker- und Wiesenland der Ernährung entzogen wurden. Das ist nicht nur eine Bedrohung des Friedens, das ist auch eine Bedrohung der Existenz unserer Landwirtschaft. Wir rufen die Bevölkerung von dieser Stelle aus auf, sich weiter gegen diese Maßnahmen der Besatzungsmächte zu wenden.
Wir bitten Sie, unserem Antrag zuzustimmen.
Eine vorbildlich kurze Begründung.
Herr Abgeordneter Maier wünscht den zweiten Antrag unter diesem Tagesordnungspunkt, den Antrag der Fraktion der SPD, zu begründen. Bitte!
Maier ({0}) ({1}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit einigen Wochen ist die Öffentlichkeit in Südbaden stark beunruhigt, weil von alliierter Seite im Rahmen der Atlantikverteidigungsmaßnahmen die Ausführung einer Reihe von Flugplatzprojekten begonnen wurde, ohne daß man zuvor mit zuständigen Landesstellen, kommunalen Organen oder gar mit den vom Flugplatzbau direkt Betroffenen Fühlung genommen hätte.
Dieses Vorgehen, das wieder einmal deutlich macht, daß trotz allem Gerede um die Gleichberechtigung die alten Besatzungsmethoden noch immer praktiziert werden, hat zu zahlreichen heftigen Protestaktionen in Gemeindeparlamenten, in Bürgermeisterversammlungen, in Bauernversammlungen, in öffentlichen Kundgebungen in Stadt und Land und nicht zuletzt auch am 9. Januar in einer Sitzung der badischen Volksvertretung geführt. In zwei Entschließungen hat der badische Landtag seiner Entrüstung darüber Ausdruck gegeben, daß bei der Neuanlage von Flugplätzen wie in Söllingen-Stollhofen oder bei Erweiterungsbauten in Lahr oder Freiburg wertvollstes Gelände der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen und damit die Existenz zahlreicher bäuerlicher Betriebe gefährdet wird.
Ausgangspunkt für den heute zur Beratung stehenden Antrag auf Drucksache Nr. 2941 war das Flugplatz-Erweiterungsprojekt in Freiburg, wo man auch ohne Anhörung zuständiger deutscher Stellen mit Vorarbeiten zum Ausbau des für militärische Zwecke völlig ungeeigneten Flugplatzes begonnen hat. Um die Unsinnigkeit eines solchen Beginnens zu verstehen, muß man wissen, daß der jetzige Flugplatz hart an das Gelände der Universitätskliniken grenzt, die erst in jüngster Zeit unter großen finanziellen Opfern wiedererbaut worden sind und die Tausende von Kranken beherbergen, welche dort Heilung suchen. Ganz abgesehen davon, daß bei Aufrechterhaltung dieses Erweiterungsprojektes später durch Düsenjäger und andere Militärflugzeuge eine solche Lärmentwicklung entstünde, daß man Kranke in einer solchen Umgebung nicht belassen könnte, würde das Flugplatzprojekt dem Land Baden zusätzliche Kosten von etwa 8 Millionen auferlegen und für die Stadt Freiburg eine Menge baulicher Auflagen im Gefolge haben, die die finanziell stark belastete Stadt nicht tragen könnte. Es war deshalb die Stadtverwaltung, die durch ihren Bürgermeister Schieler die Protestschritte einleitete. Aber die für das Land Südbaden zuständigen französischen militärischen Dienststellen blieben trotz dieser Proteste allen Einwendungen gegenüber taub. Selbst als sich der französische zivile Landeskommissar einschaltete, blieben die Aktionen ohne Erfolg. Das seitens der badischen Regierung erreichte einzige Ergebnis war, daß man die Entscheidung über das Projekt bis nach dem 9. Dezember, dem Abstimmungstag für den Südweststaat, verschob, aber dann am 10. Dezember den Wechsel präsentierte.
Seit der Einreichung unseres Antrags auf Drucksache Nr. 2941 sind außer dem Freiburger Flugplatzprojekt die vorhin genannten so vorangetrieben worden, daß heute im Lande Südbaden Fakten geschaffen sind, die nur noch durch energische Interventionen der Bundesregierung rückgängig gemacht oder in ihrer Auswirkung weitgehend gemildert werden können. Aus diesem Grunde bitten wir das Hohe Haus, unsern Appell an die Bundesregierung zu unterstützen, damit durch einen raschen Schritt bei- den zuständigen alliierten Stellen eine dem Völkerrecht hohnsprechende unsinnige Maßnahme aufgehalten und dem Gedanken der Völkerverständigung nicht größter Schaden zugefügt wird.
Wer wünscht den Antrag zu c) zu begründen? - Herr Abgeordneter Kohl, bitte!
Kohl ({0}) ({1}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wir haben uns erlaubt, mit dem Antrag Drucksache Nr. 2961 den Bundestag zu ersuchen, dafür einzutreten, daß der Bau eines Flugplatzes in Söllingen-Stollhofen unterbleibt. Ich bin der Meinung, daß die Dinge, die in Südbaden gegenwärtig in Erscheinung treten, vom Bundestag außerordentlich stark beachtet werden müssen. Wenn man beispielsweise weiß, daß - und ich zitiere hier nur die „Badische Illustrierte Zeitung" - in Baden-Baden der Bau eines Düsenjägerflugplatzes geplant war - aber es bestand die Gefahr, daß der Kurbetrieb dadurch behindert worden wäre, und Baden-Baden ist j a keine Kurstadt der Arbeiterschaft -, dann erscheint es immerhin bedenklich, daß auch dort bereits eine Kölner Baufirma - ich glaube, die Strabag - mit außerordentlicher Schnelligkeit versucht hat, mit diesem Rüstungsgeschäft ihr Schäfchen ins Trockene zu bringen. Inwieweit dieselbe Firma nun das Ausweichziel, nämlich Söllingen-Stollhofen, erreicht hat, um dort ihren Gewinn einzuheimsen, muß erst noch untersucht werden.
Wer die Verhältnisse kennt, der weiß, daß dort
in Söllingen-Stollhofen durch den Bau des Flugplatzes weit über 100 Bauernexistenzen vernichtet
({2})
werden. Die Leute, deren Existenzen damit vernichtet werden, haben keine Garantie, sondern nur einige platonische Versprechungen, die in einer Entschließung des badischen Landtags niedergelegt worden sind, daß sie aus dem Domänenbesitz des Landes oder vielleicht aus dem Waldbesitz etwas bekommen werden, damit sie eine neue Existenzgrundlage erhalten. Begreifen denn die verantwortlichen Herren hier in Bonn - und das wäre das Quartierbüro Blank, das für diese Dinge verantwortlich zeichnet - wirklich nicht, daß es den Bauern dort gar nicht um die Umsetzung geht, sondern daß es diesen Menschen darauf ankommt, auf dem Ackerboden zu bleiben, auf dem ihre Urgroßväter schon gesessen haben?
Meine Damen und Herren, die Bauern haben das begriffen. Und wenn wir Kommunisten das sagen, so können wir das mit besonderer Berechtigung hier vertreten, weil wir in den Ortschaften, die von dem Antrag berührt werden, keine Organisation haben. Dort haben die Bauern - und das konnten Sie in den Versammlungen erleben - erkannt, daß das, was dort in Söllingen-Stollhofen und in einer Reihe weiterer Ortschaften Südbadens geschieht, lediglich eine der Konsequenzen der Politik ist, wie sie die Bundesregierung durch die Unterschrift zum Generalvertrag betreibt. Die Jugend dieser Ortschaften, die nicht Soldat werden will und die noch viel weniger ihr Erbe hergeben will, hat begreifen gelernt, daß das deutsche Volk nur glücklich sein kann, wenn es nicht der Konzeption Herrn Eisenhowers folgt, nämlich eine tiefgestaffelte Verteidigungslinie vom Rhein bis zur Elbe aufzubauen, sondern wenn es sich dafür einsetzt, die Einheit Deutschlands herzustellen und den Frieden zu erkämpfen. Die Bauern sind nicht bereit, kampflos ihren Grund und Boden herzugeben, und sie sind nicht bereit, auch nur einen Schippenstiel anzufassen, um mitzuhelfen, diesen Flugplatz Wirklichkeit werden zu lassen.
Wir sind der Auffassung, daß eine Überweisung dieses Antrags an den Ausschuß nicht notwendig ist, sondern daß der Bundestag sich hier in einfacher Beschlußfassung hinter diesen Antrag stellen soll. Das zu tun, darum bitte ich Sie im Interesse der Bauern von Söllingen-Stollhofen.
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mir erlauben, namens des Herrn Bundesministers der Finanzen und zugleich im Namen des Herrn Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen die drei Anträge im Zusammenhang zu beantworten.
Zunächst also zum Antrag Drucksache Nr. 2922. Der Beauftragte des Bundeskanzlers hat erstmals im November 1951 Kenntnis von der Absicht der britischen Besatzungsmacht erhalten, Übungsgelände für kanadische Truppen im Raum Hannover in Anspruch zu nehmen. Es handelte sich dabei unter anderem um das Übungsgelände im Kreis Burgdorf „Altwarmbüchener Moor". Gegen die Auswahl dieses Geländes hat die Landesregierung von Niedersachsen erhebliche Bedenken geltend gemacht. Es hat infolgedessen vor wenigen Tagen, am 8. Januar 1952, eine Besprechung zwischen sämtlichen beteiligten deutschen und alliierten Stellen stattgefunden. Man hat sich in dieser Besprechung darauf geeinigt, ein anderes Gelände auszuwählen,
das von Hannover weiter entfernt ist, und zwar im Raum von Schwarmstedt - Marktendorf - Jeversen - Sprockhof - Lindwedel, und zwar immer ausschließlich der genannten Orte, d. h. die Orte fallen nicht in das Gelände. Dieses Ersatzgelände, das überwiegend im Kreis Fallingbostel liegt, fand insbesondere auch die Zustimmung der hinzugezogenen deutschen land- und forstwirtschaftlichen Stellen.
Hinzu kommt folgendes. Das Ersatzgelände wird nicht requiriert, sondern nur mit beschränkten Manöverrechten belegt, so daß niemand aus seiner Wohnung oder seinem landwirtschaftlichen Besitz evakuiert wird. Die Bauern werden in der Lage sein, ihren Boden in der üblichen Weise zu bestellen. Sie werden für etwaige Manöverschäden in einem beschleunigten Verfahren entschädigt werden.
Ich möchte mir jetzt erlauben, auf den dritten Antrag- Drucksache Nr. 2961 - einzugehen. Der Sachverhalt ist folgender. Die französische Hohe Kommission hatte am 3. November 1951 die Bereitstellung eines Geländes für einen neuen Flugplatz westlich der Stadt Baden-Baden gefordert. Gegen dieses Vorhaben bestanden von deutscher Seite die stärksten Bedenken; da das Wasserwerk der Stadt Baden-Baden, das in den Sommermonaten den Wasserbedarf der Stadt zu 85 % deckt, sich innerhalb des Flugplatzbereiches in unmittelbarer Nähe der Startbahn befunden hätte. Nach dem Urteil deutscher Sachverständiger wäre mit Sicherheit zu erwarten gewesen, daß bei Niederschlägen die mit Benzin und Öl vermischten Ablaufwässer der Startbahn die Brunnen des Wasserwerks verunreinigt und dadurch die Wasserversorgung der Stadt ernstlich gefährdet hätten.
Auf die dieserhalb bei der französischen Hohen Kommission erhobenen Vorstellungen der Bundesregierung ist das Projekt um etwa 5 km nach Süden in den Raum Söllingen-Stollhofen verlegt worden. Die dort erforderliche Inanspruchnahme landwirtschaftlichen Bodens ist für die betroffene Bevölkerung ebenfalls sehr schwerwiegend. Im ganzen gesehen sind jedoch die Folgen an dieser Stelle etwas weniger erheblich als bei dem ersten Projekt.
Nun zu dem zweiten Antrag, Drucksache Nr. 2941. Die französische Hohe Kommission hat am 14. November 1951 mitgeteilt, daß beabsichtigt sei, den in unmittelbarer Nähe der Stadt Freiburg befindlichen ehemaligen Wehrmachtflugplatz zu vergrößern. Das Bundeskanzleramt hat im Einvernehmen mit der badischen Landesregierung am 13. Dezember 1951 ein Schreiben an das französische Hohe Kommissariat gerichtet, das im wesentlichen diejenigen Punkte enthält, die vorhin der Herr Begründer des Antrags hier dargelegt hat. Darin wird darauf hingewiesen, daß die südliche Grenze des geplanten Flugplatzes nur 100 m von den sehr großen wiederhergestellten Kliniken der Stadt Freiburg entfernt ist, daß der Flugplatz eingerahmt sein würde von bedeutenden Wohnsiedlungen, in denen bereits 3000 Menschen wohnen, und daß diese Bevölkerung schon im Jahre 1944 durch Luftangriffe sehr schwer gelitten hat. Die Benutzung dieses Flugplatzes würde für die ganze Stadt Freiburg erhebliche Nachteile mit sich bringen, insbesondere für die zahlreichen Universitätskliniken, die durch den Lärm des Flugplatzes empfindlich beeinträchtigt werden würden.
Auf dieses Schreiben hat die französische Hohe Kommission mitgeteilt, daß beabsichtigt sei, diesen Flugplatz nur von Sanitätsflugzeugen benutzen zu
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lassen, und daß die Start- und Landebahnen mit dem Kennzeichen des Internationalen Roten Kreuzes versehen werden sollten. Trotzdem bleibt es dabei, daß der Klinikbetrieb durch die Motorengeräusche empfindlich gestört würde und daß die anderen Nachteile, die ich mir eben darzulegen erlaub le, keineswegs behoben sein würden. Außerdem ist die flugtechnische Lage des Platzes außerordentlich ungünstig, da er wegen der Berge des Schwarzwaldes nur von einer Seite, und zwar von der flugungünstigen Westseite, angeflogen werden könnte. Die für den Ausbau des Flugplatzes vorgesehenen 8 Millionen DM, die aus deutschen Steuergeldern für den Besatzungskosten- und Auftragsausgaben-Haushalt aufzubringen wären, würden somit fehlinvestiert sein.
Die Bundesregierung wird weiterhin energische Vorstellungen gegen diesen Plan erheben, und sie würde sich bei diesen Vorstellungen durch eine Annahme dieses Antrags durch das Hohe Haus in sehr starkem Maße unterstützt sehen.
Ich entnehme aus der Darlegung des Herrn Staatssekretärs, daß sich der Antrag Drucksache Nr. 2922 inzwischen sachlich erledigt hat. Wird der Antrag aufrechterhalten?
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- Wird aufrechterhalten, schön! Wünscht jemand, zu diesem Antrag das Wort zu nehmen? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich vorschlagen, zunächst den Antrag Drucksache Nr. 2941 betreffend Flugplatz in Freiburg zu besprechen.
Herr Abgeordneter Dr. Kopf wünscht, dazu das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Pie Gründe, die gegen die Erweiterung des Flugplatzes Freiburg vorgetragen worden sind, bestehen in der Tat zu Recht. Es bestehen begründete Bedenken, ob dieses Projekt wirklich Förderung verdient, ob es durchgeführt werden soll und kann. Der Flugplatz Freiburg liegt, wie bereits gesagt wurde, in der nächsten Nähe der Kliniken, die in den letzten Jahren nach dem Krieg mit einem Kostenaufwand von 18 Millionen wiederhergestellt worden sind. Er liegt in nächster Nähe des Industriegeländes; er behindert die Fortführung der Betriebe in dem Industriegelände und er verhindert auch den Ausbau, die Vergrößerung und Erweiterung des Industriegeländes. Er liegt schließlich in allernächster Nähe der Stadt Freiburg, und es sollte im allgemeinen doch versucht werden, Flugplätze nicht in allernächster Nähe einer Großstadt von über 100 000 Einwohnern anzulegen.
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Wir sind daher der Bundesregierung sehr dankbar, daß auch sie diese Bedenken geteilt und sie den alliierten Dienststellen mitgeteilt hat. Wir möchten die Bundesregierung bitten, ihre Bemühungen fortzusetzen und auch künftighin dahingehend zu wirken, daß von einer Erweiterung des Freiburger Flugplatzes abgesehen wird.
Ich möchte vorschlagen, dem Antrag der Fraktion der SPD eine kleine Änderung zuteil werden zu lassen, und zwar würde ich - nachdem wir gehört haben, daß die Bundesregierung bereits entsprechende Schritte im Sinne dieses Antrags unternommen hat - beantragen, den Antrag wie folgt zu fassen:
. . . die Bundesregierung zu ersuchen, ihre Bemühungen bei den Hohen Kommissaren dahingehend fortzusetzen, daß das Freiburger Flugplatzprojekt aufgegeben und die vorbereitenden Arbeiten eingestellt werden.
Ich werde die schriftliche Formulierung noch nachreichen.
Meine Damen und Herren, liegen zu diesem Antrag weitere Wortmeldungen vor? ({0})
- Zu allen dreien, jetzt sofort? - Herr Abgeordneter Mellies, bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es handelt sich bei den Anträgen um ein Problem, das in seiner Gesamtheit einmal in den zuständigen Ausschüssen besprochen werden muß. Wenn die Herren Vertreter der Regierung der Ansicht sind, daß über den zweiten Antrag, soweit der Flugplatz bei Freiburg in Frage kommt, heute bereits entschieden werden kann, können wir das sicher in der eben hier vorgetragenen Form tun.
Ich glaube aber doch, daß man die beiden anderen Anträge dann in die Ausschüsse für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten und für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überweisen sollte, damit von diesen beiden Ausschüssen dem Hause einmal Vorschläge gemacht werden können, in welcher Form hier in Zukunft verfahren werden soll.
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Zu dem Antrag Drucksache Nr. 2961 wünschte Herr Abgeordneter Schill das Wort, wenn ich recht verstanden habe.
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- Ja, Söllingen-Stolihofen. - Herr Abgeordneter Morgenthaler, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Materie des Antrags der kommunistischen Fraktion haben sich rechtzeitig alle Instanzen des Staates, des Kreises und der Gemeinden, aber auch die Volksvertreter befaßt, und zwar zu einer Zeit, zu der die Kommunistische Partei noch nicht den Weg gefunden hatte, hier ihre Interessen zu vertreten.
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Die Gemeinde Söllingen ist wirklich sehr schwer betroffen. Sie verliert 121 Hektar Wald und 209 Hektar bestes Feld. Wir haben alles getan, um zu versuchen, daß der Flugplatz nicht in dieses mittelbadische Gelände hineinkommt, wo bester Boden vorhanden ist, wo sich auf kleinsten Parzellen von 21/2 bis 3 Hektar eine Familie ernähren kann. Wir sind aber nicht durchgedrungen. Der badische Staat hat Ausweichmöglichkeiten genannt; die Militärs haben diese aber nicht angenommen. Deshalb ist nun vor allen Dingen dafür zu sorgen, daß die Bundesregierung alles tut, um den betroffenen Landwirten so weit zu helfen, als dies nur irgend möglich ist. Es muß versucht werden, in natura zu helfen, und zwar in unmittelbarer Nähe. Dazu ist Gelegenheit geboten durch Domänenwald und. durch Feld, das dem Staate gehört.
Ich möchte nur die Bitte aussprechen, daß die Bundesregierung rasch und großzügig an die Entschädigungsfrage herangeht, um damit den schwerbetroffenen Landwirten von Söllingen und Stoll({1})
hofen das zu geben, was im gegenwärtigen Moment gegeben werden kann.
Wenn aber der Herr Abgeordnete Kohl angesichts der Tatsache, daß derartige Dinge vorkommen, von der Konsequenz der Politik der Bundesregierung spricht, dann bin ich anderer Meinung. Ich bin der Meinung, daß es die Konsequenz jener russischen Aufrüstung ist,
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daß es die Konsequenz der militärischen Aufrüstung in der Ostzone ist, die uns letzten Endes in diese Situation hineingebracht hat.
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Ich möchte den Herren zurufen: Haben Sie mehr Mut zur Wahrheit, dann werden die Anträge, wie Sie sie jetzt gestellt haben, nicht mehr gestellt werden.
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Das Wort hat der Abgeordnete Schill.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie auch mir zu diesem Punkt einige wenige Ausführungen. Wir mögen Flugplätze oder andere Verteidigungsanlagen anlegen wo wir wollen, - wir treffen überall mehr oder weniger wertvolles landwirtschaftliches Gelände. Wenn man daran denkt, daß bei den geplanten Flugplätzen in Baden etwa 3000 ha Land verloren gehen, so mag man wohl sagen, daß diese Fläche im Hinblick auf die Gesamtfläche nicht groß erscheint; aber der Verlust dieses Landes ist für die Betroffenen außerordentlich einschneidend. Es geht hier um Sein oder Nichtsein vieler Existenzen. Aus diesem Grunde können wir die Sorgen der betroffenen Landwirte schon verstehen. Zum Glück ist unser Bauerntum noch stark mit Grund und Boden verwachsen; das ist ja das Fundament, auf dem Bauerntum und Volk ruhen.
Wenn man schon Flugplätze oder Verteidigungsanlagen bauen muß, so sollte man in der Durchführung vernünftig vorgehen. Ich war vor drei Tagen auf dem Gelände des geplanten Flugplatzes in Mittelbaden bei Lahr. Ich habe dort Dinge festgestellt, die nicht in Ordnung sind und der Öffentlichkeit bekannt sein müssen. Deutsche Stellen haben den Vorschlag gemacht, den geplanten Flugplatz etwas zu verlegen, auf ein nicht so wertvolles Wiesengelände. Nachdem die militärischen Stellen zunächst einverstanden waren, wurde dieser Vorschlag doch abgelehnt, weil das Wiesengelände etwas entwässert werden müßte und infolgedessen die Fertigstellung des Flugplatzes sich um einige Wochen verzögern würde. Es ist völlig unverantwortlich, daß durch diese Ablehnung wertvoller Gemeindewald ausgerottet wird und wertvollste Obstanlagen verloren gehen. Es ist ebenso unverantwortlich, daß durch diese Ablehnung die betroffenen Bauern, die sowieso meist Kleinbauern sind, mehr als die Hälfte ihres Besitzes verlieren.
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Es ist auch interessant festzustellen, daß man bei Festlegung des Platzes nicht gewagt hat, die notwendigen Probelöcher in diesem Gelände am Tag zu machen, sondern daß man die Dunkelheit abgewartet hat,
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was nicht von einem guten Gewissen zeugt. Wenn man den betroffenen Bauern sagt: das war beim Bau des Westwalles auch nicht anders, dann
halten sie einem entgegen, damals war eine Hitlerdiktatur, aber heute haben wir eine Demokratie. In einem demokratischen Staat aber gehören die Menschen anständig behandelt, sonst müßten sie an der Demokratie verzweifeln.
Was nun die Frage der Entschädigung angeht, so möchte ich dazu einen Ausspruch bekanntgeben, den mir ein befreundeter Bürgermeister aus einer schwer betroffenen Gemeinde entgegengehalten hat. Er sagte: Zunächst schneidet man uns den Kopf ab und dann will man uns entschädigen.
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Ich bin der Meinung, daß, wenn schon entschädigt werden muß, dann die Entschädigung großzügig erfolgen muß, möglichst in Land oder in Wald und nur dort, wo landwirtschaftliches Tauschgelände nicht vorhanden ist, in Geld. Außerdem bin ich der Meinung, daß die Entschädigung nicht Landesangelegenheit sein kann, sondern eine Angelegenheit des Bundes sein muß. Dieser Grundsatz muß auch Geltung haben für alle in Zukunft sich ergebenden Belastungen.
Abschließend will ich sagen, wenn schon der Bau von Flugplätzen und sonstigen Verteidigungsanlagen nicht abgewendet werden kann, so müssen wir die Durchführung solcher Maßnahmen nach dem Grundsatz von Recht und Gerechtigkeit gestalten.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Kollegen Morgenthaler und die des Herrn Staatssekretärs zwingen mich, doch einiges zu sagen.
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- Ob es Ihnen genehm ist oder nicht, das interessiert mich hier nicht.
Der Herr Staatssekretär war so liebenswürdig, zu befürworten, daß über den sozialdemokratischen Antrag abgestimmt wird. Der Herr Kollege Mellies hat ihn noch unterstützt, indem er einer klaren Entscheidung über unsere Anträge auswich, nämlich in dem Sinne, daß er eine klare Entscheidung über diese Anträge in diesem Hause verhindern will. Das stelle ich eindeutig fest. Sie können ja -das Problem des Baues von Flugplätzen unabhängig von diesen Anträgen einmal behandeln; aber in diesem Augen-blick, Herr Kollege Mellies, geht es darum, daß der Bundestag eine Entscheidung treffen muß, weil die Arbeiten bereits in Angriff genommen sind. Der Bundestag muß dazu Stellung nehmen und darf im Interesse der dortigen Bevölkerung die mit unserem Antrag aufgeworfene Frage nicht mit einem „Staatsbegräbnis" erledigen. So kann man die Dinge nicht behandeln.
Zweitens. Herr Kollege Morgenthaler, wir sind in dieses Gebiet gekommen, als die Bauern an jede Fraktion des Bundestages geschrieben haben, vorher nicht. Ich stelle das ausdrücklich fest. Wenn das Ihr Wahlkreis ist, war es 'Ihre verdammte Pflicht, sich um die Angelegenheit zu kümmern.
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Sie haben das nicht getan,
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d. h., Sie haben es in einer Form getan, daß die
Bauern Ihnen im „Badischen Tagblatt" das sagen
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mußten, was Sie hier als Schlußwort ausgesprochen haben: „mehr Mut!"
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Ich will den Aufsatz zitieren; ich habe ihn hier, Herr Kollege Morgenthaler; ich habe auch Ihre Antwort hier. Ihre Erwiderung bezieht sich auf ein Eingesandt „Mehr Mut". Die Antwort ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Nur eine Ausrede zitieren Sie, um Ihren „Mut" als Abgeordneter unter Beweis zu stellen und den Bauern dort nicht sagen zu müssen: Jawohl, ich vertrete eure Interessen, ich trete dafür ein, daß euch der Boden und eure Häuser erhalten bleiben. Da haben Sie in Ihrer Erwiderung einen wunderbaren Ausweg gefunden. Sie sagen wörtlich - Herr Präsident, gestatten Sie, daß ich ein paar Zeilen zitiere -: „Heute haben wir noch das Besatzungsstatut, das den Alliierten jede Möglichkeit, insbesondere in militärischen Dingen, gibt.
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Das Bestreben Dr. Adenauers geht ja dahin, von allen diesen Fesseln frei zu werden und die deutsche Unabhängigkeit wieder zu erlangen."
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Ich würde Ihnen empfehlen, Herr Kollege Morgenthaler, doch einmal sehr genau zu untersuchen, was Ihnen Ihr „Quartiermeister" Blank in Ihrer Fraktion über die Aufstellung der zwölf deutschen Divisionen und über die technischen Einzelheiten erzählt hat. Ich würde Ihnen empfehlen, auch darüber nachzudenken, was Sie den Bauern sagen wollen, wenn nach dem Verlust des Geländes, nach dem Verlust von 'Grund und Boden ihre Jungens nun auch noch die Ehre haben, auf Grund Ihrer klugen Politik, die Sie mit „mehr Mut" bezeichnen, Soldat zu spielen.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Für die Anträge Drucksachen Nrn. 2922 und 2961 ist Überweisung an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten als federführendem Ausschuß und an den Ausschuß für innere Verwaltung beantragt. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Überweisungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Zu dem Antrag der Fraktion der SPD ist von dem Abgeordneten Dr. Kopf ein Abänderungsantrag gestellt worden. Darf ich unterstellen, daß der Antrag in dieser abgeänderten Form gestellt wird, die Ihnen bekannt ist? Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag Drucksache Nr. 2941 in der abgeänderten Form zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist offenbar einstimmig. Der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse ({0}).
Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Ich erteile das Wort 'dem Herrn Abgeordneten Preller zu einer persönlichen Erklärung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sprecherin der Deutschen Partei hat es für richtig befunden, in der Debatte heute nachmittag um die Rede des Herrn Dr. Seebohm einen Satz aus einem Artikel von mir aus dem Jahre 1940 zu zitieren. Ich erkläre dazu:
Diese Äußerung in der Zeitschrift: „Soziale Praxis" wie auch andere, die in einem mir heute übermittelten, anonym versandten Pamphlet, aus dem Zusammenhang gerissen, zusammengestellt sind, waren Auflagenachrichten, wie sie jeder Zeitschrift im nationalsozialistischen Reich auferlegt wurden. Diese Auflagenachrichten wurden von der damaligen Redaktion in einleitenden Aufsätzen verarbeitet, um damit in den Darstellungen des übrigen Teils der Zeitschrift freie Hand zu haben. Wer die Haltung der Zeitschrift „Soziale Praxis" und damit auch meine eigene Haltung während der Nazizeit verfolgt hat, weiß, daß es nur auf diese 'angezeigte Weise möglich war, der Zeitschrift den sozialpolitischen Inhalt zu geben, der auch damals ihren Ruf begründete. Das Ausland hat seinerzeit verstanden, was heute einige Demagogen im Inland offenbar nicht begreifen wollen. Daß in der heutigen Debatte diese Tarnartikel für das Propagandaministerium und nicht die den eigentlichen Inhalt der Zeitschrift ausmachenden Beiträge herangezogen wurden, kennzeichnet meines Erachtens die Absicht derer, die offenbar nicht sachlich, sondern nur mit persönlicher Polemik zu kämpfen verstehen.
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Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 17. Januar, 13 Uhr 30, und schließe die 185. Sitzung.