Hinweis: Der Redeinhalt enthält nur die tatsächlich gesprochenen Worte des jeweiligen Politikers. Jede Art von Zwischenruf oder Reaktion aus dem Plenum wird aus dem Redeinhalt gelöscht und durch eine Positions-ID im Format ({ID}) ersetzt.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 180. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Müller ({0}) für zwei Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme und Schmücker für zwei Wochen wegen Krankheit.
Ich darf unterstellen, daß diese Urlaubsgesuche genehmigt sind. - Das ist der Fall.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Erler, Dr. Semler, Dr. von Campe, Altmaier.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Goetzendorff, Wittenburg, Fassbender, Agatz, Harig, Vesper, Reimann, Henßler, Wagner, Dr. Preiß.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen.
Der Deutsche Bundesrat hat in seiner Sitzung am 7. Dezember 1951 beschlossen, den nachfolgenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen:
Gesetz über das Paßwesen;
Viertes Gesetz zur Änderung und Überleitung von Vorschriften auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes;
Gesetz über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei;
Gesetz über die Außenhandelsstelle für Erzeugnisse der Ernährung und Landwirtschaft;
Gesetz über die Erhebung von Gebühren durch die Außenhandelsstelle des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten;
Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll und drei Zusatzvereinbarungen;
Gesetz über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der/Republik Österreich über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll;
Gesetz über das Inkrafttreten von Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande;
Gesetz über die Feststellung von Mindestarbeitsbedingungen;
Gesetz zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes.
Hinsichtlich des Gesetzes zur Anpassung der Facharztordnung für die deutschen Ärzte an die Fortschritte der medizinischen Wissenschaft und Praxis hat er die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat die Anfrage Nr. 234 der Abgeordneten Strauß, Dr. Jaeger und Genossen betreffend Einstellungsbedingungen für den öffentlichen Dienst - Drucksache Nr. 2855 - am 1. Dezember 1951 beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2930 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 30. November 1951 die Anfrage Nr. 232 der Abgeordneten Hoffmann ({0}), Frau Wessel und Fraktion betreffend Auszahlung für Wildschäden in den von den BeSatzungsmächten beschlagnahmten Jagdrevieren - Drucksache Nr. 2827 - beantwortet. Die Antwort wird als Drucksache Nr. 2931 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister des Innern hat am 28. November 1951 gemäß dem in der 175. Sitzung des Deutschen Bundestages gefaßten Beschluß über die Regelung der Winterbeihilfe berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2929 vervielfältigt.
Der Herr Bundesminister der Arbeit hat am 28. November 1951 gemäß dem in der 155. Sitzung des Deutschen Bundestages gefaßten Beschluß über die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes berichtet. Sein Schreiben wird als Drucksache Nr. 2928 vervielfältigt.
Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich die Ehre, die Delegation der Türkischen Großen Nationalversammlung in unserem Kreise zu begrüßen.*)
({1})
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Herren! Ich habe die Ehre, Sie namens des Deutschen Bundestages in diesem Hause willkommen zu heißen. Wir sind sehr erfreut, daß Sie unserer
*) Die Ausführungen werden abschnittsweise durch den Dolmetscher ins Türkische übersetzt.
({2})
Einladung zu einem Besuche Deutschlands und seines Parlaments Folge geleistet haben. Der unmittelbare Anlaß zu dieser unserer Bitte, eine Anzahl türkischer Volksvertreter nach Deutschland zu entsenden, war die Teilnahme einer Delegation des Deutschen Bundestages an der Tagung der Interparlamentarischen Union in Istanbul. Wir sind dort von den offiziellen Stellen Ihres Staates, insbesondere von dem Herrn Staatspräsidenten und Ihrer Regierung, aber auch von allen anderen Gliedern Ihres Volkes mit einer Herzlichkeit aufgenommen worden, die uns tief bewegt hat. Wir haben dabei empfunden, daß die alten Bande der Freundschaft zwischen der Türkei und Deutschland durch alle politischen Katastrophen hindurch unverändert geblieben sind.
({3})
Wir verstehen diesen Ihren Besuch als eine erneute Bestätigung dieser uns beglückenden Tatsache.
Bei unserem Aufenthalt in der Türkei sind wir auf tiefste beeindruckt worden von der ungeheuren Aufbauleistung, die Ihr Volk in wenigen Jahrzehnten vollbracht hat. Ihre Nation ist dadurch in einer erstaunlich kurzen Zeit in die Gemeinschaft europäischer Nationen als ein bedeutsames Glied dieser Gemeinschaft hineingewachsen. Darf ich bei dieser Gelegenheit Ihnen meinen besonderen Respekt bezeugen für die eindrucksvollen Leistungen der Soldaten Ihres Volkes, die im Rahmen der Kämpfer der Vereinten Nationen in Korea in der Verteidigung der Freiheit eingesetzt worden sind.
({4})
Sie haben bei Ihrem Besuch in Deutschland nicht nur die parlamentarischen Einrichtungen unseres Staates kennengelernt, sondern auch Stätten der Arbeit, der Wirtschaft und des Handels und werden sie weiter besuchen. Dabei haben Sie gesehen, daß unser Volk auch heute noch große Sorgen bedrücken, die durch alle Erfolge unseres wirtschaftlichen und politischen Aufbaus noch nicht völlig ausgeräumt werden konnten. Wir verstehen unsere politische Aufgabe in diesem Hause und in unserem Volk überhaupt dahin,
({5})
daß wir die Voraussetzungen dafür zu schaffen haben, daß immer mehr die verderblichen Ergebnisse der Vergangenheit überwunden werden und die Bahn freigemacht wird für einen weiteren wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg. Die ganz überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes ist der Überzeugung, daß dieses Ziel nur erreicht werden kann, wenn wir eine entschlossene und dauernde Abkehr von den zerstörerischen Ideologien vollziehen, die die Herrschaft in Deutschland an sich gerissen hatten und in den Zusammenbruch unseres ganzen Volkes geführt haben.
Zu einer solchen Überwindung falscher politischer Zielsetzungen gehört für uns, daß wir in eine echte Gremeinschaft der europäischen Völker hineinwachsen, die auf einer gegenseitigen Achtung und Gleichberechtigung beruht. Wir haben immer wieder mit Freude feststellen können, daß die Vertreter Ihrer Nation und unseres Volkes in der Beratenden Versammlung in Straßburg von den gleichen Überzeugungen geleitet werden. Wir hoffen, daß Ihr Besuch dazu beiträgt, unsere gemeinsame Verantwortung in dieser Frage zu fördern. Wir wünschen, mit Ihrem Volk in einer Überwindung überständiger nationaler Abgrenzungen
und in der Schaffung einer echten Föderation der
freien europäischen Völker zusammenzuarbeiten.
({6})
Eine solche Zusammenarbeit beruht nicht nur auf Ideen, sondern auch auf nüchternen wirtschaftlichen und politischen Tatsachen. Sie haben auf Ihrer Reise manche Werke der deutschen Wirtschaft besucht und werden das auch noch weiter tun. Bei unserem Besuch in der Türkei haben wir mit Freude festgestellt, wie hoch dort die Achtung vor deutscher Arbeit ist. Wir hoffen darum, daß Ihre Eindrücke dazu dienen werden, den gegenseitigen Austausch unserer Erzeugnisse zu fördern, so daß Deutschland und die Türkei wie einst in einem engen und beide Länder fördernden Austausch ihrer wirtschaftlichen Leistungen stehen. Daß unsererseits alle Anstrengungen gemacht werden, um allen Ansprüchen gerecht werdende Leistungen auf wirtschaftlichem Gebiet zu erreichen, haben Sie bei Ihrem Besuch hoffentlich gespürt.
Ich bitte Sie, der Türkischen Großen Nationalversammlung und ihrem Präsidenten, dem ich für sein Grußwort, das er an mich gerichtet hat, herzlich danke, die Grüße des Deutschen Bundestages zu überbringen, verbunden mit aufrichtigen und herzlichen Wünschen für die weitere erfolgreiche Aufwärtsentwicklung Ihres Volkes und Staates.
({7})
Es spricht jetzt der Erste Vizepräsident der Türkischen Großen Nationalversammlung, Landgerichtspräsident von Izmir, Herr Muhlis Tumay.
Muhlis Tumay, Erster Vizepräsident der Türkischen Großen Nationalversammlung ({8})*): Herr Präsident! Verehrte Vertreter der deutchen Bundesrepublik! Ich empfinde es als eine ganz besondere Freude, mich zusammen mit meinen Kollegen, die Ihnen die Grüße der Türkischen Großen Nationalversammlung überbracht haben, unter Ihnen zu befinden. Wir wurden in Ihrem Namen von Ihrem geschätzten Präsidenten, der anläßlich der Tagung der Interparlamentarischen Union die Türkei besucht hat, lieb enswürdigerweise eingeladen. Ich schätze den Sinn und die Bedeutung dieses Besuches und möchte meinen besonderen Dank dafür aussprechen, daß Sie mir die Ehre erwiesen haben, in Ihrem Hause das Wort ergreifen zu können.
Ich möchte Ihnen versichern, daß wir uns heute noch unter dem angenehmen Eindruck dieser Fühlungnahme befinden, die vor einer Woche begonnen hat. Wir sind überzeugt, daß sie weiter zu der Fortentwicklung der kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen beitragen wird, die seit sehr langen Zeiten zwischen unseren beiden Ländern bestehen.
Es drängt mich besonders, vor Ihnen zum Ausdruck zu bringen, daß wir von dem Wiederaufbau sowohl auf rein baulichem als auch auf wirtschaftlichem Gebiet überrascht und erfreut sind. Wir freuen uns darüber um so mehr, als das deutsche Volk dies in einer so kurzen Zeit zustande gebracht hat. Das deutsche Volk, das in diesem Maße dazu beigetragen hat, daß das zerstörte Europa nach dem zweiten Weltkrieg wieder langsam ein zivilisiertes Antlitz bekommt, wird auch - davon bin ich überzeugt - bei der Bewahrung
*) Übersetzung der in türkischer Sprache vorgetragenen Ausführungen durch den Dolmetscher.
({9})
des Friedens und bei der Schaffung einer internationalen Zusammenarbeit ein wertvolles Element sein.
({10})
Daher hoffen wir, daß die Bestrebungen des fleißigen und korrekten deutschen Volkes, die das Ziel haben, den Weltfrieden zu sichern, in Bälde ein glückliches Ergebnis zeitigen werden.
({11})
Die aufrichtigen und von innen kommenden Beziehungen, die zwischen der türkischen und der deutschen Nation bestehen, übertreffen noch die Beziehungen, die sich aus den gleichgearteten materiellen und ökonomischen Interessen ergeben. Wir glauben, diese Interessen werden in Zukunft dazu dienen, unseren beiden Völkern mehr Glück zu schenken und die moralischen und kulturellen Beziehungen zu verstärken.
({12})
Da wir der Meinung sind, daß die offizielle Fühlungnahme unserer Regierungen allein nicht genügen wird, um die raschere Entwicklung dieser Beziehungen zu sichern, halten wir es für notwendig, daß unsere Völker in jeder Schicht und in jedem Beruf jede Gelegenheit ausnützen, diese Fühlungnahme untereinander herbeizuführen.
({13})
Als Delegierte der Türkischen Großen Nationalversammlung, die das türkische Volk repräsentiert, dürfen wir unsere Reise nach Deutschland und unseren Aufenthalt unter Ihnen auch von diesem Standpunkt aus betrachten. Aus diesem Anlaß begrüße ich das Hohe Haus als Vertreter des gesamten deutschen Volkes.
({14})
Ich glaube, mich zum. Dolmetscher der Gefühle des Hauses zu machen, wenn ich dem Herrn Vizepräsidenten Tumay für seine Worte danke. So haben wir den Besuch verstanden: als die Möglichkeit einer Fühlungnahme zwischen den Volksvertretern unseres Volkes und denen der Türkei. Wir hoffen, daß für beide Staaten und Völker Segen daraus erwächst.
({0})
Ich darf Sie einladen, meine Herren, noch einige Zeit an der Sitzung des Bundestags teilzunehmen und freundlichst die Plätze auf der Besuchertribüne im rückwärtigen Teil des Sitzungssaales einnehmen zu wollen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Punkt 1 der heutigen Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Bericht über Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. Darf ich fragen, wer den Antrag begründen wird?
({2})
- Er wird nicht begründet. Wer wünscht zur Aussprache das Wort?
({3})
- Also, meine Damen und Herren, ich stelle fest, daß eine Vereinbarung darüber zustande gekommen ist, den Antrag ohne Begründung und ohne Aussprache anzunehmen.
({4})
- Der Herr Bundesminister für Vertriebene wünscht, Ausführungen zu diesem Tagesordnungspunkt zu machen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Anfrage werde ich Ihnen schriftlich, und zwar sehr ausführlich, beantworten. Ich hätte gewünscht, Ihnen die Antwort schon heute vorlegen zu können. Wenn das nicht möglich war, so liegt das daran, daß ich noch nicht die von mir angeforderten Auskünfte der Länder habe. Sie wissen, daß die Länder von sich aus Einreisegenehmigungen geben können. Diese Zahlen fehlen mir. Das Gebiet halte ich für ungewöhnlich wichtig; denn neben den 7,5 Millionen Heimatvertriebenen - wie wir sagen: echten Heimatvertriebenen, also den Heimatvertriebenen aus dem Gebiet hinter der Oder-NeißeLinie und aus dem Sudetengau usw. - haben wir über 1,5 Millionen Sowjetzonenflüchtlinge, die in das westdeutsche Gebiet kommen, weil sie den politischen Druck drüben nicht mehr ertragen können. Nur eine Zahl: Wenn seit 1949 eine Zuwanderung von allein 255 000 Menschen in die britische Zone erfolgt ist, dann sieht man daran, um welche Größenklasse es sich handelt. Wir bekommen heute über die Aufnahmelager Uelzen und Gießen monatlich etwa 8 000 Zuwanderer. Aber diese monatlich 8 000 machen ja nicht das ganze Problem aus, sondern neben diesen 8 000 müssen wir mit dem Eineinhalbfachen von Zuwanderern rechnen, die sich nicht registrieren lassen.
Aber alle diese Probleme will ich Ihnen in einer sehr ausführlichen Beantwortung darstellen. Ich wäre dankbar, wenn wir dann im Ausschuß über das wirklich drückende Problem, von dem wir nicht wissen, wie es sich in Zukunft noch gestalten kann, beraten und vielleicht eine erneute Änderung des Notaufnahmegesetzes in Erwägung ziehen könnten.
Herr Abgeordneter Müller!
Meine Damen und Herren! Es ist bezeichnend, daß weder ein Vertreter der Regierungsparteien noch auch der Herr Minister selbst auf das Problem im einzelnen eingegangen ist. Ich glaube, es ist notwendig, einmal vor der gesamten Öffentlichkeit den Zwecken nachzugehen, die mit der Propaganda über die sogenannten - wie Sie behaupten - Flüchtlinge aus der Ostzone, also aus der Deutschen Demokratischen Republik, verfolgt werden.
({0})
Ich werde mir mit Genehmigung des Herrn Präsidenten erlauben, in diesem Zusammenhang auf Äußerungen einzugehen, die vor kurzem gemacht worden sind und die die wirklichen Hintergründe dieser Dinge aufzeigen. Wer sind die Leute, vor die Sie sich schützend stellen, wozu verwenden Sie sie, welche Pläne haben Sie mit ihnen?
Am 26. November dieses Jahres fand in Kliems Festsälen in Berlin-Neukölln, also im amerikanischen Sektor, eine öffentliche Versammlung der CDU statt. In dieser Versammlung erklärte der Leiter des Ostbüros der CDU, ein gewisser Herr Werner Jöhren, unter anderem, „daß nach Inkrafttreten des neuen Bundesnotaufnahmegesetzes für
7 474
({1})
die Flüchtlinge jeder als Flüchtling anerkannt werde, auch wenn er nicht an Leib und Leben gefährdet sei. Jeder Flüchtling", so erklärte jener Herr Jöhren, „der nachweisen könne, daß er dem Osten in irgendeiner Weise geschadet und sich strafbar gemacht habe, werde nach diesem Gesetz als politischer Überzeugungstäter anerkannt werden, auch wenn er keiner Partei angehöre und sich nicht", wie er behaupte, „politisch betätigt habe. Denn" - so sagte dieser Herr Jöhren, der Leiter des Ostbüros der CDU - „es gehe jetzt darum, dem Osten in jeder Art und Weise zu schaden. Außerdem habe sich die Bundesregierung bereit erklärt, 80% aller Flüchtlinge zu übernehmen, um sie irgendwo einzusetzen."
Meine Damen und Herren, diese Erklärung eines Sprechers der führenden Regierungspartei stellt wirklich etwas bisher in Deutschland Unübertroffenes dar: einen offiziellen Appell an kriminelle Elemente jeder Art, vom Dieb und Urkundenfälscher bis zum Brandstifter und Mörder.
({2})
Es ist eine offene Ermunterung für den Abschaum der Gesellschaft: Stehlt, was ihr wollt; brecht ein, wo es euch gefällt; zündet an, was ihr wollt; schlagt tot, wen ihr wollt!
({3})
Dann - so ist der Inhalt der Erklärung dieses CDU-Mannes -, dann kommt zu uns, und ihr seid willkommene Bundesgenossen!
({4})
Das ist buchstäblich die Heiligsprechung des Verbrechertums durch diejenigen, die sich als die Apostel der „Freiheit" aufspielen.
Meine Damen und Herren, ich werde sofort Ihre Behauptungen hinsichtlich des Charakters derjenigen, für die Sie sich so einsetzen, mit Äußerungen aus Ihren eigenen Reihen Lügen strafen. Die Fraktion der Freien Demokratischen Partei im Stadtrat in Gießen hat an den Oberbürgermeister der Stadt Gießen geschrieben. In diesem Schreiben wird hinsichtlich des Charakters und der Betätigung der im sogenannten Flüchtlingsauffanglager Gießen Aufgenommenen wörtlich erklärt:
Seit Bestehen dieses Lagers hat sich die Kriminalität wesentlich gesteigert, und es muß mit einem weiteren Anwachsen besonders in den Wintermonaten gerechnet werden. Es ist jetzt
- schon abzusehen, daß die Polizeikräfte der
Stadt Gießen nicht ausreichen, der Bevölkerung den notwendigen Schutz vor Überfällen,
Diebstählen und dergleichen zu gewähren.
Und in einem Bericht des Arbeitsamtes in Gießen, dessen Leiter ja der sozialdemokratischen Fraktion nicht ganz fernstehen wird, heißt es:
Nach den bisherigen Erfahrungen entsprechen
die in den letzten Monaten aus dem Regierungsdurchgangslager .Gießen getätigten Einweisungen von Flüchtlingen- nicht den Erwartungen.
Besonders ein großer Teil der Jugendlichen
muß als :arbeitsscheu mit krimineller Veranlagung : angesprochen werden. Die erlittenen Verluste der Firmen an Arbeits- und Ausrüstungsgegenständen nach erfolgter Einweisung sind beträchtlich. Ein Betrieb, der im Lauf des Berichtsmonats 16 derartige Heimatlose aufnahm, zählte am Monatsende nur noch
fünf beschäftigte; die übrigen 11 waren arbeitsvertragsbrüchig oder in Polizeigewahrsam.
Das ist also der Kreis jener, für die Sie sich hier einsetzen.
({5})
Das sind die Stützen, auf die sich Herr Kaiser und auf die sich die amerikanischen Geheimdienste beziehen. Das sind die Elemente des berüchtigten Kampfbundes, das sind die Leute, die in besonderen Schulen der amerikanischen und englischen Geheimdienste für die Verbrechen gegen die Deutsche Demokratische Republik geschult und dann eingesetzt werden.
({6})
Kommen Sie bitte zum Schluß!
Ich glaube, jeder anständige Deutsche wendet sich mit Abscheu und Verachtung gegen diese Leute, die solche Elemente für ihre Zwecke einsetzen.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Wehner.
Wehner ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die antragstellende Fraktion möchte durch diesen Antrag Drucksache Nr. 2831 erreichen, daß die Regierung eine Übersicht über die Erfahrungen und die Ergebnisse, die mit dem Notaufnahmegesetz erzielt worden sind, vorlegt, damit an Hand dieser Übersicht geprüft werden kann, was zu ändern notwendig ist. Mit den Fraktionen der CDU, der FDP und der DP ist eine Übereinkunft erzielt worden, daß der Antrag heute ohne Debatte hier behandelt wird, damit die Regierung Gelegenheit bekommt, diesen Bericht vorzulegen. Zweckmäßigerweise wird ja dann über den Bericht zu sprechen sein.
Ich möchte noch eine Änderung zu dem Text der Drucksache vorschlagen, nämlich das Wort „schriftlich" hinter dem in der letzten Zeile befindlichen Wort „baldmöglichst" einzufügen, so daß es also heißen würde:
Die Bundesregierung wird beauftragt, dem Bundestag einen Bericht über die Durchführung und Auswirkung des Gesetzes über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet vom 26. August 1950 baldmöglichst schriftlich zu unterbreiten.
Wir haben es nicht nötig, die unglücklichen Menschen, die einem terroristischen Regime entfliehen mußten und hier Hilfe suchen, gegen die Vorwürfe, die wir eben gehört haben, in Schutz zu nehmen. Uns geht es hier um eine sachliche Prüfung.
({1})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Wehner, das Wort „schriftlich" vor „zu unterbreiten" einzufügen, gehört. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
({0})
Ich stelle den Antrag der Fraktion der SPD zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag auf Drucksache Nr. 2831 sind, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
({1})
- Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen ohne Enthaltungen angenommen.
Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung auf: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP, Z betreffend
Bekanntgabe des Bundesjugendplans 1951/52 ({2}).
Das Wort hat der Bundesminister des Innern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und des Zentrums gibt mir erwünschte Gelegenheit, im Namen meines Ministeriums vor dem Hohen Hause einmal über den Stand der Maßnahmen, die auf der Bundesebene für die deutsche Jugend getroffen wurden, ausführlich zu berichten, also über die Durchführung des Bundesjugendplans aus dem, Jahre 1950/51 und, da wir bereits in der Durchführung des zweiten Bundesjugendplans sind, auch aus dem Jahre 1951/52. Daran anschließend will ich zu Ihnen über den Stand der Jugendgesetzgebung sprechen.
Wir können häufig aus der Presse lesen und können es auch manchmal im Rundfunk hören, daß für die deutsche Jugend nichts Maßgebliches geschehe.
({0})
Man muß nun ohne Zweifel bei der durch den Zusammenbruch und den Flüchtlingsstrom hervorgerufenen Jugendnot und bei der staatspolitischen Bedeutung des Jugendproblems die Jugendarbeit auf allen Ebenen mehr intensivieren. Das möchte ich ohne weiteres auch hier von dem Standpunkt des Innenministeriums aus zugeben. Es wird das Bestreben des Ministeriums sein, so viel im Rahmen des Wirkungskreises des Bundesministeriums des Innern als auch im Rahmen der Aufgaben, seiner Koordinierungsmöglichkeiten für Jugendfragen, zu tun, wie in seinen Kräften steht. Wenn aber gesagt wird, daß bisher für die deutsche Jugend noch nichts Nennenswertes geschehen sei, dann hoffe ich, Sie durch meine Ausführungen davon überzeugen zu können, daß eine solche Beurteilung absolut irrig ist und oft an den Tatsachen vorbeigeht.
Man darf sich in. diesem Zusammenhang nicht nur vor Augen halten, was auf der Bundesebene selbst in Angriff genommen worden ist, sondern man muß das Ganze sehen, was nicht nur auf der Bundesebene, sondern darüber hinaus auf der Ebene der Länder und der in ihrem Gebiet liegenden Gemeinden geschieht, was ferner bei den im Bundesjugendring zusammengeschlossenen Organisationen und in anderen Organisationen geschieht. Und schließlich dürfen Sie auch nicht an der Arbeit der karitativen Jugendverbände vorübergehen. Ich denke nicht zuletzt auch an das verdienstvolle Wirken von Organisationen, wie sie etwa durch die Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge repräsentiert werden; und ganz besonders ist in diesem Zusammenhang die Bundesarbeitsgemeinschaft Jugendaufbauwerk zu nennen. Von der letzteren möchte ich als Beispiel sagen, daß sie gestern hier bei ihrer Mitgliederversammlung verkündete, daß 771 Jugendwohnheime an Orten mit offenen Ausbildungs- und Arbeitsplätzen errichtet worden sind.
({1})
Uber 44 000 männliche und weibliche Jugendliche
leben in diesen Jugendwohnheimen und haben vorwiegend durch sie eine geordnete Berufsausbildung und Arbeitsplätze erhalten.
({2})
916 berufsfördernde Kurse, Grundausbildungslehrgänge der Jugendgemeinschaftswerke, sind eingerichtet worden. Um noch mehr Jugendlichen als den genannten 44 000, von denen ich eben sprach, zu helfen, sind weitere 20 000 Jugendliche, die man an sich noch nicht in Arbeits- oder Berufsausbildungsstellen unterbringen konnte, durch berufsfördernde Kurse in jeder Weise vorangebracht worden. Die Träger aller dieser Einrichtungen, die ich eben aufgezählt habe, sind gemeinnützige Organisationen, selbständige Verbände und Vereine, und zwar handelt es sich um katholische, evangelische, sozialistische, freie und kommunale Gruppen.
Ich möchte Ihnen den Bericht einer einzigen Organisation - den der Bundesarbeitsgemeinschaft für das Jugendaufbauwerk - einmal etwas näherbringen. Wenn man bedenkt, was aus dem Etat der Länder für jugendfördernde Maßnahmen zur Verfügung gestellt wird, was im kommunalen Sektor in Stadt und Land geschieht - und ich möchte namentlich einige Großstädte nennen, die sich besonders hervorgetan haben: Nürnberg, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf und Hamburg -, dann muß man sagen, daß alles, was hier getan wird, die höchste Anerkennung verdient. Man muß überhaupt - das betone ich noch einmal - das Ganze sehen und nicht isoliert die eine oder andere Maßnahme kritisieren.
Aus dem Zusammenhang ergibt sich die gesamte Jugendförderung im Bund, in den Ländern und Gemeinden. Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern. Wie ich Ihnen schon gesagt habe, sind im Rahmen des Jugendaufbauwerks 771 Jugendwohnheime entstanden. Davon sind über 200 Jugendwohnheime mit Bundesmitteln unterstützt worden. Der Bund hat dafür im Rahmen des 1. Bundesjugendplans 7 1/2 Millionen DM aufgebracht, und im Rahmen des 2. Bundesjugendplans, der jetzt abläuft, werden nochmals 5 Millionen DM aufgewendet. Aber diese Beträge betreffen nur etwa ein Viertel aller Wohnheime, für die die Finanzierung aufgebracht worden ist. Fast drei Viertel der Jugendwohnheime sind auf andere Weise finanziert worden. Die 200 Jugendwohnheime, die im 1. Bundesjugendplan mit 71/2 Millionen DM finanziert worden sind, haben insgesamt 40 Millionen DM gekostet. Der Bund selber hat also nur ein Fünftel der Finanzierung übernommen; aber ohne dieses maßgebende Fünftel wäre das große Werk der Finanzierung des Ganzen nicht zustande gekommen.
Ein anderes Beispiel! Der Heimatlosen-Lagerdienst des Christlichen Vereins Junger Männer -unter der Abkürzung CVJM Ihnen wohlbekannt - entfaltet in den Flüchtlingslagern eine außerordentlich verdienstvolle Tätigkeit. Er hat vom Bundesministerium des Innern dafür einen Betrag von 100 000 DM erhalten. Nun werden Sie sagen, daß 100 000 DM im Rahmen der Gesamtsumme noch nicht sehr viel sind. Aber Sie mögen bedenken: wenn dieser Zuschuß auch nur ein Fünfhundertstel dessen beträgt, was aus dem Bundesjugendplan für die Jugendarbeit flüssig gemacht worden ist, so ist dadurch doch dem CVJM seine eigentliche Arbeit außerordentlich erleichtert worden. Mir hat eine von einem Mitarbeiter im Heimatlosen-Lagerdienst entworfene zeichnerische Darstellung vorgelegen, die zeigt, wie aktivierend
({3})
sich der Bundeszuschuß für die ganze Arbeit des CVJM ausgewirkt hat. Dieses Beispiel zeigt wieder, daß sich die Zuschüsse des Bundesjugendplans immer wieder jedenfalls als eine geeignete Initialzündung erwiesen haben. Mit diesen Bundesmitteln sind andere Mittel wie Eigenmittel der betreffenden Organisationen, Landesmittel, Soforthilfemittel, Darlehnsmittel und dergleichen verbunden, und dadurch ergibt sich dann infolge der Initialzündung die Gesamtwirkung.
({4})
Auch die Arbeit des Bundesministeriums des Innern für die deutsche Jugend muß ebenso wie die der übrigen Ministerien als Ganzes angesehen werden. Das zur Beratung der Bundesregierung geschaffene Bundeskuratorium für Jugendfragen, in dem zur Zeit wohl alle die deutsche Jugend betreuenden Organisationen zusammengeschlossen sind, ist nicht nur eine außerordentlich wichtige Beratungsstelle für das Bundesministerium des Innern, sondern auch für die übrigen Bundesministerien, die sich mit der Jugendwohlfahrt befassen, wie das Bundesministerium für Wirtschaft, das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, das Bundesarbeitsministerium
({5})
und das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen ebenso wie das Bundesministerium für den Marshall-Plan.
({6})
An den Sitzungen des Bundeskuratoriums für Jugendfragen und des Aktionsausschusses, der die Beschlüsse des Kuratoriums aktiviert und ausführt, nimmt stets auch ein Vertreter des Auswärtigen Amts teil, selbstverständlich nur, soweit es sich um Maßnahmen für die internationale Verständigung auf dem Jugendgebiet handelt.
({7})
Alle Kräfte, die freien und die behördlichen Stellen, sollen sich eben koordinieren und sich gemeinsam über das Bundesjugendkuratorium für Jugendfragen ausrichten.
Ich komme nun auf das Gebiet der Gesetzgebung für die Jugend. Hier interessiert nicht nur beispielsweise das endlich in Kraft getretene Gesetz zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit, das Gesetz über jugendgefährdende Schriften, das zur Vermeidung weiterer Vergiftung der Jugend in seiner Behandlung stärker forciert werden sollte, sondern auch die nunmehr kabinettsreif gewordene Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, also alles Materien, die zur Zuständigkeit des Bundesinnenministeriums gehören; aber ebenso sehr auch die Gesetzgebung zum Schutze der arbeitenden Jugend: das Berufsausbildungsgesetz, die Neufassung des Jugendgerichtsgesetzes usw. An all diesen Gesetzgebungsmaßnahmen wird mit Eifer und mit tatkräftigem Einsatz der beteiligten Stellen gearbeitet. Alles, was den Einsatz von Bundesmitteln angeht, wird nicht nur in Anforderungen des Bundesinnenministeriums an das Bundesfinanzministerium sichtbar, sondern auch die anderen Ministerien - wie z. B. das Bundeswirtschaftsministerium im Hinblick auf das Berufsschulwesen - müssen ihre Anforderungen an den Bundesfinanzminister stellen.
Betrachtet man das Gesamtbild der geplanten Maßnahmen, so muß man zwar zugeben, daß noch nicht endgültig alle notwendigen Mittel zur Verfügung stehen; aber man kann doch schon sagen, daß die Arbeit auf der Bundesebene im Vorjahr beträchtliche Erfolge gehabt hat und in diesem Jahr in ihrem Umfang noch erheblich über das Vorjahr hinauswächst. Das, was für die Bundesebene gilt, gilt durchaus auch für die Arbeit in den Ländern und in den Gemeinden. Man mag zwar über Einzelmaßnahmen im Rahmen des Bundesjugendplans hier und dort verschiedener Meinung sein, aber über eines besteht bestimmt Übereinstimmung: daß der Bundesjugendplan eine stark zündende Wirkung gehabt hat.
({8})
Das ist auch vom Bundesjugendring als Vertretung der deutschen Jugend und von der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge sowie von der Bundesarbeitsgemeinschaft des Jugendaufbauwerks unumwunden in den Sitzungen des Kuratoriums bekundet worden.
({9})
Es haben sich Landeskuratorien gebildet, die in Arbeit und Planung nach dem Muster des Bundesjugendplans zusammenfassend organisieren und durch diese Arbeit auch in der lokalen Ebene fortwirken. Kurz: der gesamte Jugendplan wirkt sich weit über den engeren Aufgabenbereich hinaus bis in die Gemeinden, bis in die örtlichen Stellen hinein aus.
({10})
Bevor ich Ihnen im einzelnen über die Durchführung des Bundesjugendplans berichte, möchte ich Sie noch auf einen Punkt ganz besonders aufmerksam machen. Der Bund muß - das ist eine Selbstverständlichkeit für viele, für viele aber auch nicht - bei seinen Maßnahmen im Rahmen seiner Zuständigkeit bleiben. Er kann also zentrale Maßnahmen fördern und zentrale Organisationen unterstützen. Er kann auch für die notleidenden Grenzgebiete sorgen oder den überbezirklichen Ausgleich beim Arbeitseinsatz von Jugendlichen intensivieren. Er kann Hilfsmaßnahmen für die Jugendlichen unter den Kriegsfolgehilfeempfängern in die Wege leiten, und er kann schließlich auch für die internationale Verständigung auf dem Jugendgebiet bahnbrechende Arbeit leisten. Das alles kann er noch im Rahmen eigener Zuständigkeit. Aber er kann nicht überall - und das wird vielfach in der Öffentlichkeit falsch verstanden - in die lokale und regionale Arbeit auf dem Jugendgebiet fördernd eingreifen. Er kann also, allgemein gesagt, nicht die örtliche Jugendarbeit unterstützen. Ihn geht auch die Arbeit der Landesverbände als solche nichts an, und seine Förderungsmaßnahmen bis zur Ortsebene hinab umfassen nur die Jugend der Kriegsfolgehilfeempfänger und nicht den Kreis der einheimischen Jugend. Nur in den Grenz- und in den Notstandsgebieten kann auch die Förderungstätigkeit durch den Bund weiter gehen. Für alle anderen Aufgaben sind die Länder und die Gemeinden die Träger, nicht der Bund. Das wird oft mißverstanden, und manche Kritik am Bundesjugendplan rührt daher, daß man verkennt, daß die Mittel des Bundes nicht immer da eingesetzt werden können, wo es die örtlichen Jugendverbände gern haben möchten. Den örtlichen Jugendverbänden liegen natürlich ihre eigenen Sorgenkinder am Herzen. Sehr oft kommt das in den Wünschen nach dem Bau örtlicher Jugendheime zum Ausdruck. Aber da, wo wir helfen können,
({11})
namentlich in den Grenzgebieten, geschieht es gern.
Ich möchte nun einen Überblick darüber geben, wie die Mittel des ersten Bundesjugendplans zum Einsatz gekommen sind. Dabei ist immer im Auge zu behalten, daß zwei Hauptziele des Bundesjugendplans verfolgt werden mußten. Einmal stellt der Bundesjugendplan den Beitrag des Bundes zu der Arbeit für die berufs- und arbeitslose Jugend dar, zum zweiten dient er der Aktivierung der Jugendarbeit in den im Bundesjugendring zusammengeschlossenen Organisationen und in dem Ring Politischer Jugend, im Rahmen der Arbeiten der Studentenverbände und im Rahmen der karitativen Jugendorganisation. Die zu unterstützenden Arbeiten liegen auf den Gebieten der staatsbürgerlichen Erziehung, liegen auf den Gebieten des Schrifttums der zentralen Ausbildungsstellen, liegen in der Blickweitung auf Europa hin durch internationalen Jugendaustausch und durch andere Mittel. Um die berufs- und arbeitslosen Jugendlichen möglichst in den Wirtschaftsprozeß einzuführen, wird die Errichtung von Lehrwerkstätten und Jugendwohnheimen gefördert. An zweiter Stelle stehen die Förderungsmaßnahmen für die, die wir nicht sofort in der eben erwähnten Weise in den Wirtschaftsprozeß eingliedern können und die wir dann durch Schaffung einmaliger Einrichtungen und durch Unterstützung laufender Maßnahmen bei Grundausbildungslehrgängen und in Jugendgemeinschaftswerken fördern können.
Vor kurzem war eine Abordnung aus Tirol bei mir, die sich dafür bedankte, daß eine Abordnung unserer Jugend in Verbindung mit internationaler Jugend aus den westlichen Nachbarländern bei den Arbeiten geholfen hat, die durch die ungeheuren Schneemassen notwendig wurden, die im Anfang dieses Jahres in Tirol in einem Umfang niedergegangen sind, wie ihn Tirol seit 400 Jahren nicht erlebt hatte. Diese internationale Jugendgemeinschaft, die sich in Tirol freiwillig zusammenfand, hat Straßen gebaut, hat verwüstete Wälder wieder aufgeräumt, hat Almen von dem Schutt gesäubert und Almenwirtschaften wieder brauchbar gemacht. Ein solcher praktischer Einsatz bringt die internationale Jugend an sich schon wesentlich näher, als es in der Theorie geschehen kann,
({12})
und verbindet ihre Herzen in dem Einsatz für ein gutes Werk.
({13})
Ich gebe Ihnen nun für den ersten Bundesjugendplan einige Zahlen an. Dabei ist zwischen Kreditmaßnahmen und Zuschüssen zu unterscheiden. Wir haben im ersten Bundesjugendplan ein 20-Millionen-Kreditprogramm gehabt. Sie wissen, daß zu Beginn gewisse Anlaufschwierigkeiten vorhanden waren, die aber überwunden worden sind. Dieses 20-Millionen-Kreditprogramm galt der Errichtung von Lehrwerkstätten und Berglehrlingsheimen. Gegenwärtig ist es mitten in seiner Durchführung begriffen. 18 Millionen DM aus diesem 20-Millionen-Programm sind bereits vergeben. An Zuschüssen für Grundausbildungslehrgänge und Jugendgemeinschaftswerke haben wir für laufende Maßnahmen darüber hinaus rund 13 Millionen DM und 2 Millionen DM für einmalige Einrichtungen aufgebracht. Für den Bau von Jugendwohnheimen - ich erwähnte das eingangs - sind 7 1/2 Millionen DM ausgegeben worden. Damit wurde der Beitrag des Bundes zur Einrichtung von 15 000 Wohnplätzen geleistet. Mit einem Betrag von 3 108 000 DM wurde die Jugendpflege in den Grenz- und
Notstandsgebieten einschließlich des Raumes Watenstedt-Salzgitter gefördert. Mit diesen Mitteln wurden vor allem die Heime der Jugendgruppen, die Heime der Offenen Tür und Sportplätze errichtet. Diese Förderung galt den Notstandsgebieten in den Ländern Schleswig-Helstein, den Notstandsgebieten von Niedersachsen, von Hessen und von Bayern. Rund 3 900 000 DM wurden insgesamt an die Jugendverbände, vor allem an den Bundesjugendring, an den Ring Politischer Jugend und an die Studentenverbände ausgezahlt.
({14}) Für Jugendschriften einschließlich des Schrifttums der Verbände wurden rund 1 200 000 DM bereitgestellt,
({15})
und die Jugendfürsorgeorganisationen erhielten für ihre wichtigen Aufgaben vor allem für die heimat- und berufslose Jugend 1/2 Million DM. Die Länder erhielten für den internationalen Jugendaustausch außerhalb der zentralen Jugendorganisation ebenfalls noch einmal 400 000 DM.
Zusammenfassend darf ich vor Ihnen betonen, daß der erste Bundesjugendplan voll durchgeführt worden ist und daß das Bundeskuratorium für Jugendfragen in diesem ersten Bundesjugendplan eine überaus wertvolle Arbeit geleistet hat. Dieser erste Bundesjugendplan vermittelte uns auch die Erfahrungen, die wir bei seiner Durchführung gemacht haben und die bei der Aufstellung des zweiten Bundesjugendplans berücksichtigt werden konnten und noch können. Der vom Bundesjugendkuratorium für Jugendfragen am 6. und 7. Dezember gutgeheißene und von den Jugendorganisationen warm begrüßte zweite Bundesjugendplan wird, soweit er Aufgaben des Bundesministeriums des Innern betrifft - und dazu kommen die Maßnahmen der anderen Ministerien -, in folgender Weise ablaufen: für Jugendwohnheime 5 Millionen DM, für laufende Maßnahmen zugunsten von Kriegsfolgehilfeempfängern 30 Millionen DM, für Einrichtung von gemeinnützigen Lehrwerkstätten, Grundausbildungslehrgängen und Jugendgemeinschaftswerken 3 Millionen DM, für Verbände des Bundesjugendringes 2 400 000 DM, für Verbände des Ringes Politischer Jugend 260 000 DM,
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für studentische Verbände 200 000 DM, für internationalen Jugendaustausch außerhalb des Bundesjugendringes, Ring Politischer Jugend und Studentenverbände 400 000 DM, für das Jugendherbergswerk ebenfalls 400 000 DM, für Jugendschrifttum und Jugendfilm 1 050 000 DM, für die Victor-Gollancz-Stiftung zur Förderung des Nachwuchses 250 000 DM, für Notstandsgebiete 2 Millionen DM, für Einzelanträge 5 050 000 DM, für das Lorelei-Lager 500 000 DM, für karitative Jugendverbände 500 000 DM. Nicht eingeschlossen ist der Verfügungsstock des Ministeriums des Innern für Zwecke der Jugendfürsorge und ähnliche Zwecke.
Ich möchte noch einzelnes hervorheben. Die Weihnachtsbuchaktion mit 100 000 DM soll Jugendlichen in Jugendwohnheimen gute Bücher zur Verfügung stellen. Sie ist der Auftakt zu neuen Formen der Förderung des Jugendschrifttums, die ebenso wichtig sind wie die gesetzliche Bekämpfung von Schmutz und Schund.
Mit Mitteln des neuen Planes wird einer Gruppe von 200 Jungen und Mädeln die Teilnahme als Zuschauer an den Olympischen Spielen in Helsinki ermöglicht.
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({18})
Die Auswahl wird in den Jugendkämpfen in Berlin stattfinden.
In den nächsten Tagen wird mein Haus auch einen Erlaß veröffentlichen, der die Stiftung von Jugendpreisen zur Förderung kultureller Leistungen vorsieht. Um diesen kulturellen Jugendpreis sollen Sing- un Spielgruppen miteinander ringen. Junge Autoren, junge Architekten, Hersteller von Jugendfilmen sollen ihre besten Leistungen zeigen und dann durch Preise gefördert werden.
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Es werden auch Mittel bereitgestellt für die vom Bundesjugendplan im ganzen Bundesgebiet zu veranstaltende Woche der Jugend und für die auf Veranlassung der Gewerkschaftsjugend zusammengestellte Woche des Berufes.
Im neuen Bundesjugendplan werden in besonderer Weise die internationalen Jugendarbeitsgemeinschaftsdienste Beachtung finden, in denen auch junge Europäer aus allen Ländern die gemeinschaftliche praktische Aufbauarbeit beginnen und sich darin zusammenschließen sollen.
Zum Abschluß darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf einen besonders wichtigen Erlaß richten, der unter dem 24. November 1951 an die Länderregierungen ergangen ist und an einen in ähnlicher Weise vorangegangenen Erlaß Anschluß nimmt, der sich mit der Förderung der Erziehung und der Erwerbsbefähigung Jugendlicher im Rahmen der Kriegsfolgenhilfe befaßt. Nach diesem Erlaß sollen nicht nur Maßnahmen ergriffen werden, um bereits eingetretene Störungen der körperlichen, geistigen und sittlichen Entwicklung der Jugendlichen zu beseitigen, sondern sollen auch vorbeugende Fürsorgemaßnahmen getroffen werden, damit Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Jugendlichen erhalten und Störungen der geistigen, körperlichen und sittlichen Entwicklung ferngehalten und verhindert werden.
Der Erlaß stellt Empfehlungen für die zweckmäßige Zusammenarbeit zwischen Arbeitsämtern, Jugendämtern und Bezirksfürsorgeverbänden auf. Er legt fest, daß in den Fällen, in denen von den Sorgepflichtigen selbst die notwendigen Mittel bereitgestellt werden können, zwar eine Hilfsbedürftigkeit nicht vorliegt und öffentliche Mittel dann ausscheiden; aber andererseits ist der Begriff der Hilfsbedürftigkeit sehr weit gefaßt, so daß dann, wenn zwar der sonstige Unterhalt gesichert, aber die Aufbringung der weiteren Mittel für die erforderlichen Maßnahmen der Erziehung und Erwerbsbefähigung nicht gewährleistet ist oder den Erziehungs- und Sorgepflichtigen nicht zugemutet werden kann, auch öffentliche Mittel gewährt werden können.
Auch viele andere Erleichterungen bringt der Erlaß. Ich möchte sie nach diesem umfassenden Bericht hier nicht noch im einzelnen aufzählen. Es sind Erleichterungen, die alle auf die praktische Verwertung der Erfahrungen zielen, die wir nach dem ersten Bundesjugendplan gemacht und deren Beachtung wir als notwendig erkannt haben.
Schließlich regt der Erlaß bei den Ländern an, daß alle Stadt- und Landkreise, die sich der heimat-, berufs- und arbeitslosen Jugend annehmen und damit rechnen müssen, daß diese Vertreter der Jugend bei ihnen besonders zahlreich sind, besondere Planungsausschüsse unter Hinzuziehung des Arbeitsamts, der Industrie, des Handwerks und der Gewerkschaften bilden, die alle Möglichkeiten zur Erziehung und Erwerbsbefähigung Jugendlicher, darüber hinaus aber alle anderen geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der Jugendnot sorgfältig prüfen und rechtzeitig und ausreichend für Hilfsaktionen Sorge tragen sollen. Schließlich stellt der Erlaß noch einmal fest, daß es der Sinn des Bundesjugendplans ist, die Selbsthilfe der Jugend überall, wo sie nur immer wirksam werden kann, zu fördern und anzuregen.
Nachdem der zweite Jugendplan nun im vollen Lauf ist - er ist im ersten Teil des Jahres von uns weitgehend bevorschußt worden-, können wir jetzt unverzüglich an die Vorarbeiten für den dritten Jugendplan, also für das Jahr 1952/53, herangehen. Diese Vorarbeiten werden dadurch erleichtert, daß die Gleise für die Bundesjugendarbeit durch den ersten und durch den in der Durchführung begriffenen zweiten Bundesjugendplan weitgehend gelegt sind und daß, wie wir mit Freude feststellen können, eine immer regere Zusammenarbeit zwischen allen Stellen stattfindet, die die Jugend betreuen.
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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache über den Antrag. Der Altestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 90 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Keilhack.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Auch wir freuen uns, daß durch die Initiative des Bundestages ein Anfang gemacht worden ist, ein Anfang mit dem Bundesjugendplan als - ich möchte einmal sagen - ein Dokument des guten Willens, unserer jungen Generation die Not unserer Zeit zu erleichtern und ihr zu helfen, den Weg zu finden, der ihr innerhalb eines demokratischen Staates die Mitarbeit am staatspolitischen Geschehen ermöglicht und die geistigen und seelischen Voraussetzungen dafür schafft.
Der Anlaß für eine solche Aktion des Bundes sind die akuten Nachkriegsnotstände, die besonders hart die Jugend in unserem Lande getroffen haben. Es ist zuerst - ich betone ausdrücklich: zuerst - die Berufs-, Arbeits- und Heimatlosigkeit unserer Jugendlichen, die heute wie vor einem Jahr, als der Bundesjugendplan hier erörtert wurde, gleich schwerwiegend ist. Insbesondere die Berufsnot wird, bis 1954 ansteigend, immer drückender werden. Man rechnet, wenn nicht einschneidende wirtschaftliche Sondermaßnahmen ergriffen werden, 1954/55 mit einer Zahl von etwa 500 000 jugendlichen Berufs- und Arbeitsanwärtern. Dabei lasse ich die Sonderproblematik der Unterbringung der weiblichen Jugendlichen völlig unerwähnt, über die man sich ganz entschieden mehr den Kopf zerbrechen muß, als man es bisher getan hat.
Neben diesem Kardinalproblem unserer jugendpolitischen Arbeit hier im Parlament steht das .zweite, nämlich die Notwendigkeit einer umfassenden Jugendförderung, die unseren Jungen und Mädchen im Bund ein jugendgemäßes Leben in einer Gemeinschaft sichert, vor allen Dingen ihre Berufsfortbildung fördert und in ihnen den Sinn und die Verantwortung weckt, die sie als Staatsbürger in einem Staat tragen müssen, in dem später ihr Leben und ihre Freiheit gesichert werden sollen.
Unter diesem Gesichtspunkt, meine Damen und Herren, ist der Bundesjugendplan, wie er eben von Herrn Minister Lehr hier erklärt worden ist, wahr({0})
haftig nur ein Anfang, und zwar ein ganz kleiner Anfang,
({1})
und hier setzt auch unsere Kritik an, die Kritik der sozialdemokratischen Fraktion. Denn wir haben zu diesem Plan und zu dieser Auffassung eine völlig andere Grundhaltung, als sie bisher eingenommen worden ist. Unsere Auffassung weicht wesentlich von der Auffassung ab, die bisher in diesem Bundesjugendplan praktiziert wurde.
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Der Mittelpunkt alter Überlegungen des Bundesparlaments und der Bundesregierung muß unserer Meinung nach sein, daß man als Kern alter Arbeit, die wir jetzt zu leisten haben, betrachtet - und wir befinden uns da in voller Übereinstimmung mit allen Persönlichkeiten aus der Jugendarbeit, mit allen Länderministern, die in dieser Sache tätig sind, mit allen Wohlfahrts- und Jugendorganisationen und allen Fachleuten dieses Gebiets - die Behebung der Berufsnot und die Behebung der Arbeitslosigkeit, und zwar so weit, wie es überhaupt nur in den Kräften des Bundes steht.
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Meine Herren und Damen, Herr Minister Lehr hat eben verkündet, daß drei Millionen DM im letzten Bundesjugendplan, der bis zum Ablauf dieses Haushaltsjahres Gültigkeit hat, für Grundausbildung und Jugendgemeinschaftswerke zur Verfügung gestellt worden sind. Es ist sehr schön, daß wir dafür drei Millionen DM bekommen, und es ist auch eine notwendige sozialpädagogische Maßnahme, die zweifellos getroffen werden muß. Aber sie betrifft nur 20 000 Jugendliche, was bei dem Umfang der Berufsnot heute schon nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Jedoch ist es, was ich betonen möchte, nur eine sozialpädagogische Maßnahme, d. h. eine Überbrückungsmaßnahme, keine echte Berufsarbeit und keine echte Arbeitsbeschaffung.
({4})
Es ist ein Hinausschieben eines Zustandes, der in ein, zwei Jahren in voller Schärfe wieder auf uns loskommt. Es ist also völlig falsch, wenn man glaubt, mit diesen drei Millionen DM, die lediglich Grundausbildung und Jugendgemeinschaftswerk umfassen, das Kardinalproblem, die Lösung der Arbeits- und Berufsnot, auch nur annähernd ausreichend angepackt zu haben.
Im letzten Plan, meine Damen und Herren, haben wir, wenn auch unter heftigstem Drängen der Mitglieder des Jugendfürsorgeausschusses und anderer Parlamentsmitglieder, wenigstens noch 20 Millionen Kredit aus Steg-Mitteln zu vergeben gehabt, die das Wirtschaftsministerium leider erst vor einem Vierteljahr und nicht bereits vor einem Jahr freimachen konnte, die aber doch zur Folge gehabt haben, daß zirka 9000 echte zusätzliche Lehrstellen in der Wirtschaft beschafft werden konnten.
Dieses Mal haben wir im Ausschuß nur sehr vage Wünsche der Vertreter des Wirtschaftsministeriums gehört, die auch wahrscheinlich, wie jede Nachtragsforderung, nicht zu realisieren sind, weil offenbar kein zweiter Nachtragshaushalt kommen wird. Der Bundestag hat im April letzten Jahres auf Grund eines Antrags unserer Fraktion unter intensiver Mitarbeit aller Mitglieder des Jugendfürsorgeausschusses sehr brauchbare und sehr durchgreifende Vorschläge für die Behebung der Jugendarbeits- und -berufsnot, d. h. also für die Lösung dieses Kardinalproblems, gemacht. In diesem Jahr hat das Bundesarbeitsministerium sehr gute und sehr eingehende Vorschläge gemacht, die durchaus realisierbar sind. Auch die Arbeitsgemeinschaft Jugendpflege und Jugendfürsorge hat ein Memorandum verfaßt, eine sehr gute Arbeit, die sich auch mit der Behebung der Berufsnot vor allem der 18- bis 25jährigen befaßt. Meine Herren und Damen, hierbei handelt es sich um eine Sonderfrage, an der wir auch nicht ohne weiteres vorübergehen können, die aber in diesem Bundesjugendplan überhaupt keine Berücksichtigung gefunden hat. Wenn die Bundesregierung vor der deutschen Jugend bestehen und dokumentieren will, daß sie es mit der Behebung dieses schwierigen und sehr wichtigen Problems der deutschen Jugend ernst meint, muß sie versuchen, die vorliegenden Vorschläge schnellstens und möglichst völlig zu realisieren. Ich betone noch einmal: es muß zuerst die echte Arbeitsbeschaffung kommen; erst dann können sozialpädagogische Maßnahmen einsetzen, die als Überbrückungsmaßnahmen zweifellos bis zum Jahre 1954, wenn die Zahl der Schulabgänger den Höchststand erreicht haben wird, noch zusätzlich erforderlich sind.
Hinzukommen muß, was ich vorhin schon erwähnte, eine Ausweitung der Hilfsstellung für die Berufsförderung und die Berufsausbildung durch Übernahme der Kosten sowohl für die Unterbringung in einem Jugendwohnheim als auch für die Berufshilfe über den Kreis der bisherigen Empfänger hinaus, über den Kreis der Kriegsfolgenhilfeempfänger, für die zur Zeit nur der Bund zuständig ist. Die Berufsnot geht weit über den Kreis dieser Jugend hinaus. Die- Grundlage für jeden jungen Menschen, gleichgültig, ob er zu dem Kreis der Kriegsfolgenhilfeempfänger gehört oder nicht, ist immer noch die gute Berufsausbildung, die ihn für sein späteres Alter krisenfest macht und die ihm vor allen Dingen auch eine Familienbildung ermöglichen soll.
Es ist sehr bequem, zu sagen: das ist nicht unsere Sache, das ist nicht Sache des Bundes, das ist Sache der Länder! Man kann schließlich von den Ländern nicht verlangen, daß sie angesichts des Ausmaßes der Berufsnot, die eine echte Kriegsfolgenerscheinung ist und die durch die Wirtschaftspolitik des Bundes in keiner Weise gemildert wird,
({5})
in dieser Beziehung leistungsfähig sind, und man darf ihnen nicht aus formalen Gründen noch Lasten aufbürden, die zweifellos echte Lasten des Bundes sind und durch den Bund getragen werden müßten. Auch die Mittel der Arbeitsverwaltung, die man für den Zweck einsetzen will, für den ich eben zusätzliche Mittel forderte, reichen bei weitem nicht aus. Unsere Forderung muß also dahin gehen, die Beihilfen des Bundes auch auf Ländermaßnahmen auszudehnen, was eventuell auf dem Wege einer anderen Gestaltung des Finanzausgleiches ermöglicht werden muß; darüber läßt sich durchaus reden. Wird das nicht gemacht, meine Herren und Damen, bleibt der Bundesjugendplan, wenigstens in diesem Punkte, den wir alle als den Kern unserer Aufgabe ansehen müssen, nichts weiter als eine Proklamation.
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Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch eine andere Sache in den Blickpunkt der Diskussion rücken. Es ist hoffentlich nicht ein zweckbedingtes Vortasten der Regierung über ein Mitglied der Koalitionsparteien, den Kollegen Mende, gewesen, wenn dieser - wie ich im „Heute" gelesen habe ({7})
so ein kleines Interview gegeben hat, worin er wiederum versucht, dem Jugendhilfsdienst ein bißchen auf die Beine zu helfen.
({8})
- Ja, Sie müssen uns schon gestatten, ein wenig mißtrauisch zu sein! Wir haben immer noch einen schlechten Geschmack auf der Zunge von dem FDP-Antrag im Lande Niedersachsen, der dem sogenannten „freiwilligen Arbeitsdienst", der aber in Wirklichkeit doch den Stempel des Zwanges trägt, wieder zum Leben verhelfen wollte.
({9})
Ich betone an dieser Stelle ausdrücklich, daß für uns ein Arbeitsdienst in jeder Form völlig undiskutabel ist,
({10})
und zwar nicht nur aus grundsätzlichen Erwägungen - die kennen Sie -, sondern weil der Arbeitsdienst für den Jugendlichen nicht die Möglichkeit schafft, sich später eine Existenz zu gründen, und weil praktisch ein Arbeitsdienstmann kostenmäßig viel teurer ist als einer, für den eine echte Arbeitsstelle geschaffen wird.
({11})
Wir haben auch die Befürchtung, meine Herren und Damen, daß die Bundesregierung mit Bezug auf die Lösung dieser Berufsnot ein bißchen auf der Stelle tritt, weil sie glaubt, einen Teil der Jugendlichen in den Grenzschutz und alle diese Dinge, die da vor uns liegen, hineinlancieren zu können, ohne daß sie sich dann großes Kopfzerbrechen zu machen braucht.
({12})
Ich fasse also noch einmal zusammen, um unseren Standpunkt ganz klar zu präzisieren: die Voraussetzung aller Maßnahmen für die Jugendarbeit in Deutschland muß die Behebung der Arbeits- und Berufsnot der Jugend sein. Sonst sind alle anderen Dinge, die wir hier machen, kleine Trostpillen, aber keine Heilmethoden.
Nun möchte ich zum anderen Teil des Jugendplans kommen, der zweifellos auch sehr wichtig ist. Das Bundesinnenministerium geht bei der Publizierung des Bundesjugendplans immer davon aus, daß alle Mittel jugendpflegerischer und jugendfördernder Art, die Bundesaufgabe sind, es sind im Sinne des positiven Verfassungsschutzes der Bundesrepublik. Ich denke, im Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes gibt es noch eine weitere Grundlage für diese Bundesaufgabe der Förderung der Jugend auf jugendpflegerischem und jugendpolitischem Gebiet. Wenn also die Leistungen für die deutsche Jugend auch auf diesem Gebiet absolut notwendig sind - und wir halten sie für notwendig, wir halten sie für lebensnotwendig für das Wachsen und für den Bestand dieser Jugend, für den Bestand des künftigen Staates und der Demokratie -, wenn es also von der Bundesregierung so empfunden wird, wie es von uns empfunden wird, so müßte ein Weg gefunden werden, die Leistungen des Bundes über die jetzige Beschränkung hinaus, wie sie uns von Herrn Minister Lehr hier präsentiert worden ist, auf weitere Aufgaben auszudehnen und sie nicht nur mit der Beschränkung auf die „zentralen Aufgaben" anzuerkennen. Die Ausdehnung dieser Bundesaufgabe auf die Länder und auf die Gemeinden ist außerordentlich notwendig, und die Anerkennung dieser Tatsache,
die sich aus dem Problem selbst ergibt, könnte sich, wie ich bereits vorher beim Arbeitsproblem sagte, durchaus schon im Finanzausgleich auswirken, der so gestaltet werden kann, daß die Länder und Gemeinden zusätzliche Aufgaben für die Jugend übernehmen können.
Meine Herren und Damen, Sie wissen alle genau so gut wie wir, daß in der gemeindlichen Selbstverwaltung die demokratische Lebensform wirklich verwurzelt werden kann, daß in den Leistungen des engsten Lebensbezirks des Staatsbürgers sich die Art des freiheitlichen, des sozialen und des demokratischen Staates am sichtbarsten offenbaren kann. Sie alle kennen aber viel zu gut und viel zu genau die Finanzlage unten in den Gemeinden, aber auch in den Ländern, um von der Erklärung des Herrn Ministers Lehr bezüglich der mangelnden Zuständigkeit des Bundes befriedigt zu sein. Von dieser Erklärung hat die Jugend gar nichts. Wenn wir also die Aufgabe der Behebung der Jugendnot auf beiden Gebieten für so ernst halten, wie sie es wirklich ist, dann muß der Bund hier mindestens auch in der Gemeindearbeit unterstützend und helfend eingreifen.
({13})
Ich glaube, wenn der Wille da ist, wird sich eine gesetzliche Möglichkeit ganz zweifelsohne finden lassen. Schließlich liegt ja das Gesetzgebungsrecht beim Parlament, und es wird sich solchen Vorschlägen der Bundesregierung auf keinen Fall verschließen.
Einen kleinen Hinweis auf die Jugendämter. Sie wissen, daß diese in der Nazidiktatur zu einem Torso gemacht worden sind und daß sie nach 1945 alle Mühe hatten, die ungeheure materielle Not recht und schlecht abzufangen. Sie standen außerdem - und stehen auch heute noch - nicht gerade im Mittelpunkt des Interesses der Finanzminister. Wenn wir heute verlangen - und das verlangt eigentlich jeder; der Städtetag hat im vorigen Jahr eine Sonderkonferenz mit diesem Thema abgehalten -, daß die Jugendämter lebendige Jugendämter werden, daß sie also weitestgehend erzieherische und staatsbürgerliche Arbeit an der Jugend zu leisten haben, daß sie mit ihren knapp besetzten Dienststellen neue Bundesaufgaben übernehmen, wie z. B. die Ausführung des Gesetzes zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit und die kommende Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, dann müssen wir ihnen auch helfen, diese Dinge wirklich tun zu können; sonst bleibt alles leeres Gerede. Es ist ein Kopf-in-den-Sand-Stecken, wenn die Bundesregierung sich, wie die Schnecke in ihr Schneckenhaus, auf die Begründung „zentraler Aufgaben" zurückzieht.
Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Einen kleinen Moment bitte; ich bin gleich fertig.
Ich betone also noch einmal: im kleinsten Lebensbezirk wächst schließlich der Staatsbürger heran, der die Erfahrungen, die er dort sammelt, im Verhältnis zu seinem Staat, zu seinem Land dann später auch wirksam macht. Die Stärkung der kommunalen Einrichtungen für die Jugend ist eine absolute Notwendigkeit, der wir uns auch hier im Bund nicht verschließen können.
({0})
Die von dort herangetragenen Wünsche, meine Herren und Damen, sind nur allzu bekannt. Ich will sie nur ganz kurz nennen: Heime der offenen
({1})
Tür, die auch die jungen Menschen erfassen sollen, die noch nicht den Weg in eine Jugendgemeinschaft gefunden haben, die dadurch in der dörflichen, in der gemeindlichen oder auch in ihrer städtischen Heimat den ersten Kontakt bekommen sollen. Ich denke an Jugendbibliotheken und andere Dinge, die noch viel wichtiger sind als ein Gesetz zur Bekämpfung jugendgefährdender Schriften.
Wir wollen dabei nicht die Möglichkeiten von Wohlfahrtsorganisationen einengen. Wir stellen in diesem Zusammenhang aber die Frage - und sie ist mir wichtig genug - ob die Mittel des Steuerzahlers, die doch. öffentliche Mittel sind, nur unter der Voraussetzung, unter der sie bisher gegeben worden sind: der „Verwendung für Jugendzwecke für bestimmte Jahre" - 10 Jahre, ist gesagt -, als verlorene Zuschüsse gegeben werden sollen oder ob man sie nicht durch eine entsprechende dingliche Sicherung der öffentlichen Hand erhalten sollte. Ich glaube, auch dadurch würde vielleicht eine Steuerung der Anforderung von Baukostenzuschüssen für Jugendwohnheime und ähnliche Dinge auf die wirklich notwendigen Objekte bewirkt werden, weil dann durch Bundes-und Länderzuschüsse kein zusätzliches Organisationseigentum mehr entstehen würde. Aus verschiedenen Ländern liegen Erfahrungen über Fehlleitung von Mitteln und nicht immer voll besetzte Jugendwohnheime vor.
In diesem Zusammenhang - und damit komme ich zum Schluß ({2})
möchte ich noch einen Artikel scharf beanstanden, den ein hoher Ministerialbeamter im Bundesinnenministerium als Privatperson verfaßte und auf Kosten der Mittel des Bundesjugendplans in Broschürenform herausgeben konnte, einen Artikel, der unter anderem gegen die Gemeinden und Länder scharfe Angriffe richtete, aber auch Werturteile über die weltanschauliche Arbeit gewisser Jugendverbände ausspricht, die es verbieten, allgemeine Steuergelder für die Verbreitung dieses Artikels in Anspruch zu nehmen.
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Wir hätten vom Herrn Innenminister ferner sehr gern gewußt, von welchen Gesichtspunkten aus, mit wie hohen Mitteln und mit welchem Effekt der vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebene Werbefilm vom Europäischen Jugendlager auf der Lorelei hergestellt worden ist. Ein ähnlicher Fall liegt bei einem Film vor, der für die Jugendorganisationen werben soll, was wir an sich natürlich sehr begrüßen.
Wir begrüßen die Ansätze einer umfassenden staatspolitischen Arbeit für unsere Jugend. Wir begrüßen auch, daß durch die Richtlinien des Bundesinnenministeriums in der Auslegung der Leistungen der Kriegsfolgehilfe eine bessere Sicht hinsichtlich der Notwendigkeit der Hilfsbedürftigkeit in der öffentlichen Fürsorge im Entstehen ist. Nur sind, wie gesagt, die Ansätze viel zu gering; sie sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir werden im Ausschuß für den nächsten Bundesjugendplan mit konkreten Vorschlägen kommen, die selbstverständlich nicht mit 171/2 Millionen DM zu realisieren sind.
Gestatten Sie mir noch einige Minuten!
({4})
Aber selbst ein höherer finanzieller Aufwand ist ohne den erstrebten Effekt, wenn nicht eine planvolle, über mehrere Jahre angesetzte und vor allem eine koordinierte Arbeit aller Stellen erfolgt, die zu einer solchen staatspolitischen Leistung für die Jugend beitragen sollen. Ich denke nur an die Arbeit des Flüchtlingsministeriums, des Soforthilfeamts, des gesamtdeutschen Ministeriums, des Arbeitsministeriums, des Innenministeriums, des Ernährungsministeriums. Die Länder, karitative Organisationen, Hilfsfonds, McCloy-Stiftung und ähnliche Organisationen und Institutionen tragen Gelder zusammen, die in irgendwelche Kanäle fließen, so daß letzten Endes nicht der auch von uns gewünschte Effekt erreicht wird. Ich glaube, selbst der unverbesserlichste Föderalist muß einsehen, daß ein Koordinierungsinstrument vorhanden sein muß. Wir haben Vorbilder z. B. auf dem Gebiete des Gesundheitswesens, wo wir gerade in der letzten Woche einen Beschluß gefaßt haben.
({5})
- Ich glaube, Herr Strauß, wir verstoßen auch nicht gegen Ihre bayerischen Interessen, wenn wir diesen Standpunkt, der durchaus vernünftig ist, hier einmal in die Debatte zu werfen versuchen.
Wir haben ein weiteres Anliegen, das ich Ihnen noch einmal kurz nennen darf - ich höre dann auf -: das ist die Novelle zum Reichsjugendwohlfahrtsgesetz, von der wir hoffen, daß sie jetzt endlich kommt - sie ist uns seit einem Jahr versprochen -, es ist das Jugendarbeitsschutzgesetz, das sehr dringend ist, es ist das Berufsausbildungsgesetz, und es ist vor allen Dingen, Herr Arbeitsminister, das Gesetz, das für die Lehrlinge, die nach Ablauf ihrer Lehrzeit entlassen werden, sicherstellt, daß sie Arbeitslosenunterstützung erhalten. Personalmangel ist bisher als Grund angegeben worden. Ich glaube, die politische Notwendigkeit dieser Dinge gestattet diese Entschuldigung nicht.
Wir werden wie bisher intensiv an der Aufgabe mitarbeiten. Ich glaube, niemand, auch keiner der Herren und Damen der Koalition, kann sich in dieser Hinsicht über uns beschweren. Wir sind uns aber darüber klar, daß eine durchgreifende Lösung nur möglich ist, wenn eine durchdachte wirtschaftliche und wirklich soziale Grundhaltung eingenommen wird, bei der man nicht mit Pflästerchen zu heilen versucht, sondern durch eine Beseitigung der Krankheitsursachen, der Ursachen der Not, die Gesundung betreibt. Diese Regierung vertritt die Parole: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!" Hiernach handelt sie. Danach beurteilen wir ihre Leistungen.
({6})
Wir werden konkrete Vorschläge bringen,
({7})
und wir hoffen, daß sich auch in diesem Bundestag eine Mehrheit dafür findet, die es möglich
macht, daß wir dem Arbeits- und Leistungswillen
unserer Jugend in Deutschland alle Türen öffnen.
({8})
Meine Damen, darf ich an Sie appellieren, daß Sie ihre Forderung nach der Gleichberechtigung auch darin bewähren, daß Sie nicht zu stark an unsere Höflichkeit appellieren.
({0})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch,
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich hoffe, daß ich meine Redezeit nicht überschreite. Ich möchte Ihnen auch einige Worte über den Bundesjugendplan sagen, so wie wir ihn in unserer Fraktion ansehen. Wir freuen uns sehr darüber, daß der diesjährige Bundesjugendplan endlich verkündet worden ist. Wir bedauern, daß es nun Dezember geworden ist, bis wir erfahren haben, daß wir in diesem Jahr leider über die Mittel des Innenministeriums vom letzten Jahr nicht hinauskommen, daß uns wiederum nur 17,5 Millionen DM zur Verfügung stehen. Wir geben jedoch die Hoffnung nicht auf, daß in dem Nachtragshaushaltsplan dieses Geschäftsjahres noch weitere Mittel zugunsten des Bundesjugendplans für besonders dringliche Objekte bereitgestellt werden können. Vor allen Dingen hoffen wir zuversichtlich - und ich möchte das in diesem Augenblick sehr dringend an das Ministerium weitergeben -, daß der neue, der dritte Bundesjugendplan wirklich termingemäß am 1. April 1952 anläuft, damit die Kuratorien in den Ländern eine leichtere Arbeit haben, damit das Bundeskuratorium selber einen Plan aufstellen kann und damit wir nicht in einen solchen Zeitdruck wie bei dem gegenwärtigen Bundesjugendplan kommen, der als Termin für die letzten Anträge den 31. Dezember 1951 festgesetzt hat. Auch die Verlängerung bis Ende Januar 1952 für besonders dringende Fälle hilft nicht darüber hinweg, daß wir mit den Anträgen einfach in eine unliebsame Drängelei hineingekommen sind.
Im einzelnen darf ich folgendes sagen. Wir begrüßen es vor allen Dingen, daß der Bundesjugendplan eine Koordinierung verschiedener Ministerien vorsieht. Es geht also nicht nur darum, daß wir aus dem Haushalt des Bundesinnenministeriums einen gewissen Geldbetrag für die Zwecke des Bundesjugendplans zur Verfügung haben, sondern auch andere Ministerien beteiligen sich daran. Ich möchte nicht versäumen, deutlich zum Ausdruck zu bringen, daß wir uns sehr darüber freuen, daß uns über die Mittel der Kriegsfolgenhilfe aus dem Arbeitsministerium in diesem Jahr nicht 13 Millionen DM, sondern 30 Millionen DM zur Verfügung stehen. Das ist mehr als das Doppelte des letzten Jahres. Wir nehmen an, daß wir damit wesentlich mehr zu Nutz und Frommen unserer Jugend tun können. Gerade auf dem Gebiet, das meine Vorrednerin immer wieder angesprochen hat, auf dem Gebiet der Grundausbildungslehrgänge und der Arbeitsbeschaffung, um die Not der heimst-, berufs- und arbeitslosen Jugend zu lindern, hoffen wir mit diesem mehr als doppelt so hohen Betrag wirksame Abhilfe schaffen zu können.
Eine Neuerung in der Hilfe für die Berufsnot unserer Jugend ist auch darin zu sehen, daß das Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft 2 Millionen DM aus den Mitteln des Marshallplans für einen landwirtschaftlichen Beratungsdienst für die ländliche Jugend zur Verfügung stellt. Auch das ist meines Erachtens eine Sache, die der Berufsertüchtigung unserer Jugend dient. Ich glaube, wir sind uns alle darüber klar, wie wichtig es ist, einen voll ausgebildeten und leistungsfähigen landwirtschaftlichen Berufsnachwuchs unter unserer Jugend zu schaffen. Unsere Ernährungslage und die Abhängigkeit unseres Volkes vom Ausland auf diesem Sektor müssen uns immer und immer wieder veranlassen, der Ausbildung des landwirtschaftlichen Nachwuchses und der Steigerung unseres Ertrages die allergrößte Aufmerksamkeit zuzuwenden. Darum begrüßen wir alle Maßnahmen, mit denen das Landwirtschaftsministerium sich in die Berufsförderung und Berufsausbildung unserer Jugend einschaltet.
Das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen hat im Rahmen des Bundesjugendplans bereits verschiedene wertvolle Einzelaktionen in Berlin durchgeführt. Auch dafür sind wir außerordentlich dankbar; denn der Bundesjugendplan soll sich nicht nur auf das Bundesgebiet erstrecken, sondern soll vor allen Dingen auch der deutschen Jugend in Berlin zugute kommen.
({0})
Das Bundesministerium für Vertriebene hat sich ebenfalls in die Hilfe des Bundesjugendplans mit eingeschaltet und ist mit dabei beteiligt, daß wir die Betreuung der Jugend, die zu uns flüchtet, wirksam durchführen können. Es ist ohne allen Zweifel ganz klar, daß der zweite Jugendplan wesentlich über das hinausgeht, was wir vor einem Jahre im ersten Jugendplan vorgesehen hatten; und ich hoffe sehr, daß wir auch weiterhin den nächsten Bundesjugendplan über den zweiten hinaus entwickeln können.
Im einzelnen haben wir natürlich auch Wünsche. Wenn wir z. B. immer und immer wieder hören, daß die Jugendherbergen in solcher Not sind, dann muß man bedauern, daß der Betrag, den wir dafür einsetzen können, nur 400 000 DM ausmacht. Aber letzten Endes sind wir auf der andern Seite auch wieder dankbar dafür, daß eben diese 400 000 DM eingesetzt werden können. Es ist ja so, wie der Herr Minister vorhin schon ausgeführt hat, daß der Bundesjugendplan nicht eine Regierungsangelegenheit oder eine Angelegenheit der Finanzverwaltung des Bundes ist, die damit die Jugend unseres Volkes wirtschaftlich sanieren will, sondern es soll ja nur eine Unterstützung all der Verbände und Organisationen und freien Vereinigungen sein, die ihrerseits schon längst zum Wohle unserer Jugend bestehen. Gerade in der Zusammenarbeit mit diesen Verbänden und in der Förderung dieser Verbände liegt doch diese Aufgabe.
Ich glaube, allein schon das Wort Jugendaufbauwerk ist uns ein ganz deutliches Zeichen dafür, daß die Jugend selbst aus eigener Kraft etwas geleistet und in Angriff genommen hat. Ich stehe in allerbester Verbindung mit dem Jugendaufbauwerk meiner Heimat und weiß, daß die jungen Menschen immer und immer wieder betonen, aus eigener Kraft und aus eigenen Mitteln und aus eigenen Opfern etwas leisten zu wollen. Sie wollen nicht betteln; sie sind dankbar für jeden Zuschuß, aber sie sind stolz auf das, was sie sich wirklich am Munde absparen.
Ich glaube, das ist auch ein Weg zur Ertüchtigung unserer Jugend, daß wir dies benützen und dankbar dafür sind und daß wir diese Organisationen und Bestrebungen durch freudige Bewilligung der Mittel, die uns bei äußerster Kraftanstrengung zur Verfügung stehen, unterstützen. Das ist ganz klar. Aber, wie gesagt, eine Finanzierung von Jugendverbänden oder gar eine Finanzierung sämtlicher Jugendbestrebungen von Staats wegen - eine Staatsjugend -, das kann für uns nicht in Frage kommen; das wollen wir auch nicht,
({1})
sondern wir wollen nur, daß die Jugend im Rahmen dessen Hilfe bekommt, was in unserem notleidenden Volke möglich ist. Wir wollen vor allen
Dingen, daß die Jugend selbst in ihren Bestrebun({2})
gen hier nicht gehindert wird. Wenn jetzt zu Weihnachten in allen Heimen des Jugendaufbauwerks eine Bücherspende aus Mitteln des Bundesjugendplans verteilt wird, so sehe ich das an als einen Hinweis darauf, daß wir diesen jungen Menschen, die Weihnachten in diesen Heimen verbringen müssen, deutlich zeigen: Wir sind da, und wir denken an euch, und wir helfen euch beim Aufbau und bei der Ausgestaltung eurer Heime, auch wenn die Arbeit zum größten Teil von euch selbst, von den Ländern und von Verbänden getragen wird.
({3})
Wenn die Bundesregierung oder ein Beamter der Bundesregierung eine Broschüre herausgegeben hat, die die ganze Frage des Bundesjugendplans und all das, was damit zusammenhängt, populär machen will, so muß ich sagen, daß wir das begrüßen; denn es ist doch wirklich bedauerlich, daß so wenige Menschen überhaupt etwas davon wissen, was tatsächlich für unsere Jugend getan wird. Das meiste, was wir über den Bundesjugendplan hören können, ist ja doch im höchsten Falle ein Wort der Kritik. Deshalb begrüßen wir es, daß auch von der Regierungsseite ein Weg gesucht wurde, die Jugend darüber aufzuklären, was die Regierung wirklich für die Jugend tut.
({4})
Zum Schluß möchte ich sagen: Ich hoffe und wünsche, daß jeder Abgeordnete dieses Hauses an dem Platze, an dem er zu Hause steht, immer und immer wieder versucht, den Gedanken des Bundesjugendplans dadurch populär zu machen, daß er die Landtage, die Landeskuratorien auffordert, eigene Landesjugendpläne aufzustellen und in diese Landesjugendpläne die Mittel des Bundesjugendplans als Zuschüsse einzubeziehen, und das herunter bis auf die kleinste Ebene in den Verbänden und Vereinigungen und freien Organisationen, so daß wirklich aus diesem Zusammenwirken von Jugendwillen und von finanzieller Hilfe das Bestmögliche zur Behebung der Not und zur Förderung der Ausbildung unserer Jugend geschieht.
Aber nun gestatten Sie mir, noch auf diesen etwas seltsamen Antrag einzugehen, der Ihnen vorliegt. Die Drucksache Nr. 2840 liegt Ihnen nämlich deshalb vor, weil der Jugendfürsorgeausschuß des Bundestages ganz korrekt einen Weg sucht, sich mit dem Bundesjugendplan zu beschäftigen. Er kann das nicht, ehe ihm dieser Bundesjugendplan offiziell überwiesen worden ist. Durch Annahme dieses Antrags und Überweisung an den Ausschuß für Jugendfürsorge erfüllen Sie diesen Wunsch. Ich bitte Sie deshalb, den Antrag dem Ausschuß für Jugendfürsorge zu überweisen.
({5})
Das Wort hat der Abgeordnete Ribbeheger.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Rösch hat soeben richtiggestellt, was mit diesem Antrag an und für sich bezweckt war; und ich glaube, es wäre tunlicher gewesen, wenn die Debatte, die hier bis jetzt über den Bundesjugendplan geführt worden ist, nach der Beratung im Ausschuß für Jugendfürsorge geführt worden wäre.
({0})
Ich will mich deshalb ganz kurz fassen und das, was über den Bundesjugendplan zu sagen ist, dann berichten, wenn es gegeben ist.
Ich möchte nur eines sagen: Ich werde mich im Ausschuß sehr für das zentrale Anliegen des Bundesjugendplans, nämlich die Beseitigung und Linderung der Not unserer arbeits-, berufs- und heimatlosen Jugend einsetzen, in zweiter Linie für die Förderung unserer Jugendverbände, sowohl der organisierten als auch der nichtorganisierten, denen wir in irgendeiner Form helfen wollen. Ich glaube, mich mit diesen Ausführungen kurz gefaßt zu haben. Zu gegebener Zeit werden wir darüber berichten können.
({1})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Dieser Antrag gibt Gelegenheit - und so hat es ja auch der Herr Innenminister getan -, die Ergebnisse des mit so großem Pathos angekündigten Bundesjugendplans einmal zu untersuchen. Diese Gelegenheit bietet sich für uns deswegen, weil seinerzeit gerade von Ihnen, von der Mehrheit des Hauses, über den von unserer Fraktion eingebrachten Gesetzentwurf über Sofortmaßnahmen für die schaffende, lernende und arbeitslose Jugend zur Tagesordnung übergegangen wurde mit der Begründung, daß durch die Verkündung des Bundesjugendplans dieser Gesetzentwurf bereits erledigt sei. Frau Abgeordnete Keilhack hat sehr richtig bemerkt, daß der Bundesjugendplan nichts anderes als eine Proklamation ist.
({0})
Ich glaube, das hat sich auch bestätigt, und ich werde das auch noch an einigen Beispielen beweisen.
Ich möchte hier nur - gerade in bezug auf unseren damaligen Gesetzentwurf - die Frage stellen: was wurde getan, um das Mitbestimmungsrecht der Jugend zu verwirklichen? Das war nämlich eine unserer Forderungen in diesem Gesetzentwurf. Was wurde getan zur Verbesserung der Schulbildung?
({1})
Was wurde getan zur Verbesserung der Berufsausbildung? Was wurde getan zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Jugendlichen und der kulturellen Leistungen für die Jugend? Wenn Sie der Auffassung sind, daß das von der Mehrheit dieses Hauses angenommene Kündigungsschutzgesetz, womit Sie die Jugendlichen unter 20 Jahren vom Kündigungsschutz ausnehmen, Maßnahmen für die Jugend sind, dann überlassen Sie das Urteil der Jugend selbst, die nicht damit einverstanden ist.
({2})
Zum Ergebnis des Bundesjugendplans hat der Herr Bundesminister für Arbeit einige sehr interessante Feststellungen gemacht. Dort heißt es zum Ergebnis des Bundesjugendplans:
Die zahlenmäßigen Auswirkungen für eine Mehrunterbringung Jugendlicher in echt e Ausbildungsstellen im Zuge von Maßnahmen des Bundesjugendplans mußten daher gering bleiben.
({3})
({4})
Das hatte* negative Rückwirkungen in der öffentlichen Meinung zur Folge, da allgemein, insbesondere von der Jugend, primär eine umfangreiche Hilfe zur Linderung materieller Nöte im Zuge des Bundesjugendplans erwartet wurde.
Ich denke, die Jugend hat ein Recht zu ihrer Kritik, ja sie hat ein Recht zu ihrer Empörung; denn sie muß mit Recht materielle Hilfe erwarten. Nichts kann darüber hinwegtäuschen, daß diese so großartig verkündete „Aktion zur Förderung der Jugend" eine völlige Pleite geworden ist, auch nicht die allgemeinen Redensarten, die uns der Herr Bundesinnenminister Dr. Lehr hier geboten hat.
({5})
Von 17,5 Millionen, die in diesem Plan vorgesehen sind, wurden 5 Millionen für sogenannte staatsbürgerliche Erziehung vorgesehen und ausgegeben, d. h. 5 Millionen zur Förderung von Kriegshetze, 5 Millionen zur Förderung von Agentenwesen
({6}) und Schmutzplakaten,
({7})
5 Millionen zur Förderung des BDJ, dem Urheber von Terror und Untergrundarbeit.
({8})
Daß im Grunde genommen gar nicht beabsichtigt ist, die Not der Jugend zu beseitigen, ihr Arbeitsplätze und Berufsausbildung zu geben, geht ebenfalls aus dem gleichen Bericht des Bundesarbeitsministeriums hervor. Hier heißt es nämlich unter dem Abschnitt „Notwendige Maßnahmen zur Berufsnot der Jugend" u. a. - hören Sie gut zu! -:
Durch die Bildung des Bundesgrenzschutzes und dessen eventuelle Erweiterung kann erwartet werden, daß ein Teil der männlichen Jugend dieser Altersgruppen aufgenommen werden kann bzw. dadurch freiwerdende Stellen von diesen besetzt werden können.
({9})
Sehen Sie, Herr Bundesinnenminister Dr. Lehr, so habe ich das verstanden, wie Sie gedachten, die Jugend „zu intensivieren" ; so haben Sie es ja wohl gemeint.
({10})
Da die Jugendfürsorge dem Innenministerium unterstellt ist und damit dem Herrn Bundesinnenminister Dr. Lehr, kann es nicht wundernehmen, daß sich die Lage der Jugendlichen immer mehr verschlechtert, die Not immer größer wird und für viele dann als letzter Ausweg
({11})
der Kasernenhof und der Arbeitsdienst erscheint; denn dieser letzte Ausweg wird organisiert. Wir hatten schon einmal eine solche Parallele vor der Hitlerzeit. Das wird deswegen organisiert, weil inzwischen Dr. Adenauer in Paris die ersten 400 000 jungen Menschen als Söldner zugesagt hat; das wird deswegen organisiert, weil die Koalitionsparteien - das hat Dr. Mende deutlich zum Ausdruck gebracht - bereits einen Gesetzentwurf für den Arbeitsdienst vorliegen haben, den sie einreichen werden.
({12})
Das sind die Maßnahmen, mit denen Sie der Jugend helfen wollen.
Die Gesamtausgaben einschließlich dieses Bundesjugendplans betragen 53 Millionen; das ist kaum ein halbes Prozent des Gesamthaushalts des Bundes. Ein halbes Prozent ist demnach dieser Regierung die Jugend in Westdeutschland wert, während Milliarden für die Rüstung und für die Besatzungskosten ausgegeben werden.
({13})
Die Folge davon ist, daß die Berufs- und Arbeitslosigkeit nicht beseitigt wird, daß keine qualifizierte Ausbildung der Jugend erfolgt. Die Folge ist, daß die Jugendkriminalität in einem erschreckenden Maße steigt.
({14})
Ich möchte Ihnen nur einige Zahlen als Beispiel für die Lage der Jugend in Westdeutschland geben. 20 % aller Arbeitslosen sind Jugendliche, davon der größte Teil Flüchtlinge.
({15})
450 000 Schulentlassene haben keine Lehrstelle; 250 000 Jugendliche sind ohne Obdach; 54 410 Kinder von Flüchtlingen und 33 865 Jugendliche sind noch in Massenlagern, nach einem Bericht des evangelischen Hilfswerks.
({16})
In Hessen haben z. B. 244 000 Jugendliche keinen eigenen Schlafraum. In Nordrhein-Westfalen z. B. fehlen 10 000 Volksschulklassen. Das Landesarbeitsamt Pfalz meldete dem Sozialministerium in Mainz, daß 250 Jugendliche ihre Ausbildung unterbrechen müssen, da die Lehrlingswohnheime in Ludwigshafen geschlossen werden müssen, weil die erforderlichen Zuschüsse, wie sie der Bundesjugendplan vorsieht, nicht bezahlt wurden. 77 % aller Studenten haben Untergewicht, 12,5 % sind an Tuberkulose erkrankt.
Hierzu möchte ich Ihnen noch einige Angaben aus der „Welt" vom 18. 10. vortragen. - Ich nehme an, Herr Präsident, daß Sie mir wenigstens in etwa in ähnlicher Loyalität entgegenkommen werden. - Die Zusammenstellung aus der „Welt" lautet so, daß rund 80 % der 116 000 Studenten und Studentinnen in kümmerlichen und unsicheren Lebensverhältnissen leben. 21 % der Studierenden haben monatlich nur bis zu 50 DM, 37 % zwischen 50 und 100 DM für ihren Lebensunterhalt und für den Kauf von Lehrbüchern zur Verfügung.
({17})
60 % der Studenten haben angegeben, daß sie zur Finanzierung ihres Studiums auf Einkünfte aus Gelegenheitsarbeit angewiesen sind. 38 % von ihnen können sich kein eigenes Zimmer leisten. Das zur Lage der Studenten.
({18})
Wie verzweifelt die Lage der Studenten ist, das sollte uns eigentlich der Tod der Studentin Elisabeth Holzer aus Freising vor Augen führen, die im November vom Münchener Domturm sprang, und zwar deswegen, weil sie kein Stipendium mehr erhielt, obwohl sie die beste Oberschülerin in Freising war. Ich kann Ihnen, wie gesagt, nur stichwortartig und beispielgebend die Lage schildern. Aber dies zeigt ja bereits, wie unzureichend, j a wie bewußt desorientierend die Maßnahmen der Bundesregierung sind.
({19})
Demgegenüber möchte ich Ihnen, da Sie mir
dauernd zurufen: „Ostzone!" und: „DDR!", nur
({20})
einige Zahlen über die Maßnahmen sagen, die dort
zur Förderung der Jugend getroffen worden sind.
({21})
- Ich weiß, daß Ihnen das recht unangenehm ist.
({22})
Darum hören Sie bitte zu! - Im Jahre 1950 wurden 28 Millionen für Schulinventar und Vervollständigung der Bibliotheken, 33,6 Millionen für Berufsund Betriebsschulen, 16,6 Millionen für die Jugendwanderbewegung, 20,7 Millionen für die Sportbewegung und 71,7 Millionen für Stipendien ausgegeben. Seit Erlaß des Jugendgesetzes vom 8. Februar 1951 sind 37 Millionen für Schulneu-, -umund -erweiterungsbauten, 20 Millionen für Unterhaltsbeihilfen für Oberschulen, 32 Millionen für Sportgeräte und Bekleidung und - hören Sie! -400 Millionen für Jugendbauten, Sportanlagen und Förderung des Sportes bereitgestellt worden. 50 % aller Lernmittel sind kostenlos. 19 213 Studierende an Universitäten und Hochschulen erhalten Stipendien, 261 902 Ausbildungsstellen für die Heranbildung qualifizierter Facharbeiter wurden geschaffen, 2500 Lehrwerkstätten mit 10 000 Lehrkräften und 296 Lehrlingswohnheime wurden eingerichtet.
({23})
- Sie mögen noch so viel schimpfen, an diesen Zahlen kommen Sie nicht vorbei. Das sind nämlich die Zahlen, die beweisen, daß die Jugend dort zu lebenstüchtigen Menschen für den friedlichen Aufbau unseres Vaterlandes entwickelt wird, während hier in Westdeutschland alles getan wird, um die Jugend für den Krieg vorzubereiten.
({24})
Aber ich sage Ihnen, und dessen seien Sie gewiß: die Jugend in Westdeutschland ist nicht nur kritisch, sondern sie hat auch erkannt, daß hier wirklich nichts für sie getan wird.
({25})
Sie ist aber andererseits entschlossen - und das haben die unendlich vielen Entschließungen und Beispiele aus Organisationen und der Gewerkschaftsjugend überall gezeigt -, sie ist entschlossen, nicht den Weg Dr. Adenauers, den Weg in die Kasernen, den Weg ins Massengrab zu gehen. Sie ist entschlossen, für friedliche Arbeit zu kämpfen. Das hat auch bereits die Anfrage der Delegation des Evangelischen Jungmännerbundes an Herrn Professor Heuss zum Ausdruck gebracht. Darin befragt sie ihn gerade um diesen Weg der Regierung Dr. Adenauers. Sie wünscht nicht, daß dieser Weg weitergegangen wird.
So ist auch unsere Haltung zum Bundesjugendplan. In diesem Sinne werden wir immer kämpfen, daß der Jugend wirklich großzügige Maßnahmen zugebilligt werden, Maßnahmen, die sowohl der Jugend als auch unserem ganzen Volk helfen.
({26})
Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Meine Damen und Herren! Ich habe das hier schon einmal sagen müssen: mir ist es unverständlich, wie eine menschlich so sympathische Frau sich hier zur Verfechterin so unsympathischer Gedankengänge machen kann.
({0})
Ich möchte nur einiges Ihrer Ausführungen richtigstellen, Frau Kollegin. Glauben Sie, daß es geschmackvoll ist, den Freitod der Münchener Abiturientin hier zu einem Stück Ihrer Propagandamaschinerie zu degradieren?
({1})
- Ich glaube, lieber Herr Kollege Renner, wenn Sie es darauf ankommen lassen, kann ich noch lauter schreien als Sie!
({2})
Ich glaube, auch ein anderes Beispiel zieht nicht, Frau Kollegin Thiele. Sie sagten, daß der Herr Bundesinnenminister den Bundesgrenzschutz als Reservoir für junge Menschen ansehen wolle. Ich möchte Ihnen mal die Rechenaufgabe aufgeben, wo wohl mehr junge Menschen sind, bei den 10 000 Mann Grenzschutz oder den 60 000 Mann der Volkspolizei unter den Generalen von Lenzky, Lattmann und Vincenz Müller, in den sogenannten Volkspolizeidienststellen, die in Wirklichkeit motorisierte, mechanisierte Schützenregimenter sind.
({3})
Es ließe sich auch zu der Frage der Studenten manches sagen. Sie haben die Not der Studenten beklagt. Mich wundert es dann, daß soviel junge Menschen aus der Sowjetzone hierher kommen und bei uns unter diesen Entbehrungen studieren. Anscheinend sind bei Ihnen Zustände, die noch viel schlimmer sind als die Entbehrungen, die sie hier auf sich nehmen müssen.
({4})
- Ja nun, Herr Kollege Renner, ich möchte Ihnen auch noch ein drittes Rechenexempel geben. Vielleicht lösen Sie einmal die Frage: Wie kommt es, daß über 1 1/2 Millionen Menschen aus der Sowjetzone hierher unter das angeblich so ungerechte System des Westens kommen? Warum haben wir keine Gegenbewegung jener Idealisten, die nach der Sowjetzone zu Ihren Idealen gehen?
({5})
Vielleicht sollten wir mal darüber sprechen - aber das gehört nicht zu diesem Thema -, ob nicht ein Ausweisungsgesetz für alle diejenigen beschlossen werden müßte, die die Freiheit des Westens zum Kampf gegen die Demokratie mißbrauchen.
({6})
Nun zu dem Jugendplan. Es ist sehr erfreulich, daß wir heute Gelegenheit hatten, neben einigen demagogischen Formulierungen auch sehr ernsthafte Argumente zu dem Bundesjugendplan zu hören. Der Herr Bundesinnenminister selber hat davon gesprochen, daß vieles nicht ganz in Ordnung war und daß der erste Bundesjugendplan manche Kinderkrankheit hatte. Aber man kann nicht von einer Pleite sprechen. Wenn Sie von einer Pleite sprechen, haben Sie vielleicht an die Kasse Ihrer kommunistischen Partei und Fraktion gedacht.
({7})
Der Jugendplan hat wahrlich manche Hilfe gebracht, und wir hoffen, daß er noch größere Hilfe bringen wird.
Frau Keilhack hat sehr richtig darauf hingewiesen, daß es entscheidend darauf ankommt, der berufslosen, der arbeitslosen und der heimatlosen Jugend zu helfen. Wie wir aus dem Bericht ersehen,
({8})
soll der Schwerpunkt des kommenden Bundesjugendplans gerade in der sozialpolitischen Betreuung der Jugend liegen. Wir haben hier folgende Zahlen: Aus den Schulen werden bis zum Jahre 1956 je 800 000 bis 900 000 14jährige Jungen und Mädel entlassen. Dann sinkt die Zahl rapide ab, und im Jahre 1962 sind es dann nur noch 200 000 bis 300 000 Jungen und Mädel. Wir bekommen jetzt einen unerhörten Ansturm auf Lehrstellen und können diese Lehrstellen nicht schaffen. Hier müssen Mittel und Wege gefunden werden, um jetzt die erforderliche Zahl an Lehrlingen auszubilden und einem späteren Facharbeitermangel vorzubeugen. Weil wir sehen, daß die meisten Industriezweige und die Handwerksmeister bisher nicht in der Lage waren, alle Schulentlassenen aufzunehmen, obgleich sie heute viel mehr Lehrlinge beschäftigen als zu normalen Zeiten, haben wir schon vor eineinhalb Jahren hier den Gedanken in die Debatte geworfen: Sollten wir nicht zu besonderen Maßnahmen greifen, zu Jugendaufbauwerken, zu freiwilligen Jugendhilfsdiensten? Sie haben in der üblichen Gleichmacherei in der Zeit der Begriffsverwirrung wieder einmal Arbeitsdienst und Jugendhilfsdienst gleichgesetzt. Wir sehen, daß bei dem Wort „Arbeitsdienst" immer gleich der Eindruck entsteht, daß es sich hier um mitternächtliche Sonnenkulthandlungen mit Spatengriffen marschierender Bataillone handelt. Das war doch eine Entartung des Arbeitsdienstes. Der Arbeitsdienst in den 30er Jahren hatte doch auch ethische Grundlagen.
({9})
Er wurde von sehr vielen politischen Richtungen
praktiziert. Er wurde aber mißbraucht. Meine
Damen und Herren, was wir wollen, hat nichts mit
einem Arbeitsdienst zu tun. Wir denken uns einen freiwilligen Jugendhilfsdienst in der Art, wie die Jugendaufbauwerke ihn bereits durchführen. Der Herr Minister hat doch sehr deutlich gesagt, was in dieser Selbsthilfe bereits geschaffen worden ist. Wir denken uns, daß in Heimen auf der Basis der Gemeinden, des Landes und des Bundes unter Selbtsverwaltung der Jugendlichen je 100 oder 200 Menschen zusammengebracht werden können, um nach einer Gemeinschaftsarbeit von mehreren Stunden am Vormittag dann am Nachmittag in einem qualifizierten Berufsausbildungsgang durch Meister ausgebildet zu werden, vielleicht sogar mit der Möglichkeit, die Gesellenprüfung in diesen Heimen abzulegen. Wir haben uns jene Umschulungsanstalten zum Vorbild genommen, die z. B. in Pyrmont und anderswo mit sehr gutem Erfolg ins Leben gerufen worden sind.
({10})
- Das kostet natürlich sehr viel Geld, Kollege Renner; aber ich weiß nicht, ob es sonst nicht noch teurer wäre. Wenn wir den Entwurf der FDJ annähmen, dann würde uns das allerdings sehr teuer zu stehen kommen. Ich mag die drei Hohen Kommissare auf dem Petersberg nicht; aber mir sind drei Hohe Kommissare immer noch viel sympathischer als Zehntausende von Kommissaren der Roten Armee und der „Volkspolizei", die Sie uns dann bringen.
({11})
Das ist der Grund, weshalb wir damals zur Tagesordnung übergegangen sind, als Sie uns die Schablone des FDJ-Gesetzentwurfs mit der Mitbestimmung der Jugend hier vorlegen wollten.
Ich muß noch auf ein zweites Problem hinweisen. Nach der Statistik sind etwa 80 000 junge Menschen auf den Straßen. Sie kommen meistens aus Ihrer ({12}) glückseligen Zone hierher, um vor dem Uranbergbau zu flüchten. Ich glaube, hierin liegt eine erhebliche Bedrohung unserer Volksmoral, wenn wir nicht den Menschen ein Heim, eine Erziehung, eine Ausbildung verschaffen. Ich wage die Frage aufzuwerfen, wodurch wohl die Volksmoral mehr bedroht ist, ob durch einen Film von der „ewig unsterblich geliebten Sünderin", deretwegen man demonstriert, oder durch das Problem der 80 000 herumstreunenden Halbwüchsigen. Hier sollte man demonstrieren; hier sollte man den Ruf hören und in allen möglichen Institutionen versuchen, dieses Problem zu lösen, nicht im Arbeitsdienst, aber in den Jugendaufbauwerken, wie man es zum Teil praktisch schon getan hat. Frau Kollegin Keilhack, Ihr Minister Albertz hat in Niedersachsen den FDP-Gesetzentwurf mit ganz geringfügigen Änderungen zu dem seinen gemacht.
({13})
Sie sehen, in Niedersachsen, an der Front, wo man 23 % Heimatvertriebene hat, und in Schleswig-Holstein sieht man das Problem realistischer und nicht so ideologisch wie hier auf der Parlamentstribüne.
({14})
Nun zu dem Problem der vermehrten Lehrlingsausbildung. Wir haben vorgeschlagen, dem Handwerksmeister, der durch die Ausbildung von Lehrlingen in vermehrtem Umfange belastet wird, durch gewisse Sondervergünstigungen einen Anreiz zu geben. Es sind auch andere Gedanken aufgetaucht, z. B. der Gedanke, Abschlagszahlungen zu bestimmen, wenn die Handwerksmeister ein gewisses Soll nicht aufnehmen. Ich glaube, zu diesen Zwangsmaßnahmen sollte man nicht schreiten oder erst dann, wenn alle freiwilligen Maßnahmen keinen oder nicht einen durchschlagenden Erfolg haben.
({15})
Zu dem Problem der Jugendverbände! Man spricht so oft vom Bundesjugendring, und ich bin der letzte, der den Bundesjugendring in seiner Wirksamkeit unterschätzte. Aber, Herr Bundesinnenminister, im Bundesjugendring sind nach optimistischen Schätzungen höchstens 40 %, nach weniger optimistischen höchstens 20 % der deutschen Jugend organisiert. Es gibt auch außerhalb der Verbände sehr viele junge Menschen, die man in den „Heimen der offenen Tür" ebenfalls heranziehen sollte. Es wird oft übersehen, was die politischen Jugendverbände, die Ringe politischer Jugend, in denen sich Jungsozialisten, Jungdemokraten und Junge Union zusammengeschlossen haben, für das staatspolitische Gefüge der Bundesrepublik tun.
({16})
Es ist sehr einfach, heute in dem gigantischen
Kampf zwischen Ost und West sich in die Neutralität zu flüchten und sich in akademischen Erörterungen zu ergehen; es gehört aber Mut dazu,
sich zu den staatspolitischen Prinzipien rechtsstaatlicher demokratischer Ordnung zu bekennen,
({17})
und das tun diese Jugendverbände. Ich glaube, der Zusammenschluß von Sozialisten, von Unionsangehörigen und Jungdemokraten beweist, daß in der staatspolitischen Gesinnung vielleicht die Jungen
({18})
den Älteren, die Jugend den Vätern etwas voraus ist.
({19})
Denn hier zeigt sich eine Zusammenarbeit. Jene Ringe politischer Jugend sind in großen Foren in Heidelberg, Stuttgart, Köln, Wuppertal und Hamburg an die Öffentlichkeit getreten. Herr Bundesminister, es muß eine wesentlich stärkere Unterstützung des Ringes politischer Jugend erfolgen, weil wir in diesen jungen demokratischen Aktivisten das Beste sehen, was sich heute im politischen Nachwuchs Deutschlands zeigt.
({20})
Auch das Jugendherbergswesen ist schlecht weggekommen. Wir wünschten sehr, daß mehr Mittel zur Unterstützung des Jugendherbergswesens zur Verfügung stünden.
Schließlich noch eine Anregung. Man sollte im Rahmen des Bundesjugendplanes in Zusammenarbeit mit dem Bundesjustizministerium auch die Reform des Jugendstrafrechts vorantreiben. Man sollte versuchen, die Einrichtung der Jugendbewährung, die an manchen Gerichten schon eingeführt ist, allgemein auszudehnen. Es ist besser, einem jungen Menschen, der gestrauchelt ist, Bewährung zu geben, als ihn sofort für sein ganzes Leben mit dem Makel einer Gefängnisstrafe zu belasten.
Schließlich noch etwas zur Verteilung der Mittel! Es herrscht heute draußen im Lande eine Manie, nur nach Bonn zu schauen, als wenn von Bonn alles kommen könnte; es wird zu wenig darauf geachtet, daß auch die Länder Verpflichtungen haben. Der Bundesjugendplan kann nicht funktionieren, wenn nicht parallel dazu Landesjugendpläne laufen. Ich möchte manche Kollegin und manchen Kollegen aus diesem Hause doch bitten, mit der gleichen Intensität, mit der sie hier mit uns zusammenarbeiten, auch in ihren Ländern dafür zu sorgen, daß dort in den Landesjugendplänen auch etwas geschieht; denn da sind noch nicht alle Mittel ausgeschöpft.
Ein letztes Wort! Wir haben, Herr Bundesinnenminister, im vergangenen Jahr einige Erfahrungen mit den sogenannten Funktionären der Jugend gemacht. Wir haben festgestellt, daß mancher, nachdem er vom Bundesjugendplan gelesen hatte, gleich hierherkam, wie seinerzeit die Filmleute, als sie von der Filmbürgschaft gelesen hatten, die glaubten, sie könnten sich hier die Subventionen gleich abholen. So einfach ist das nicht! Man muß sehr darauf achten, daß jetzt nicht plötzlich Konjunkturisten in die Jugendarbeit treten. Wir sollten unterscheiden zwischen denen, die von der Jugend leben wollen, und denen, die für die Júgend leben wollen.
({21})
An weiteren Anregungen ist hier genügend gebracht worden. Ich möchte nicht noch Dinge wiederholen. Ich möchte auch nicht auf Ihre Zwischenrufe weiter eingehen. Sie haben ja sogar die „Würde des Hauses" streichen wollen, als wir die Geschäftsordnung berieten, Herr Renner. Mich wundert es nicht, daß Sie auch mit dem Bundesjugendplan nicht einverstanden sind. Sie waren noch niemals mit etwas einverstanden, was hier im Hause geschehen ist.
({22})
Bei der Einbringung unseres Antrages Drucksache Nr. 1030 vor eineinhalb Jahren gab es ein großes Gelächter, als wir die Berufswettkämpfe zur Ausbildung eines qualifizierten Nachwuchses für alle Berufe wieder forderten. Vor wenigen Tagen haben wir die ausgezeichnete Veranstaltung erlebt, in deren Rahmen der Herr Bundespräsident die Sieger des Berufswettkampfes in der Handwerkerschaft geehrt hat. Ich glaube, wir sollten uns ein Beispiel daran nehmen dafür, daß das, was vielleicht noch 1950 belächelt werden konnte, im Jahre 1951 für uns alle durchaus wünschenswert sein kann, auch der Segelflug, meine Herren Kollegen, dessen Freigabe wir betrieben haben. Sie haben uns das damals auch sehr übelgenommen und erklärt, daß das schon nach Jagdfliegern rieche. Heute ist mancher Ihrer Kollegen froh, wenn er einer Hanna Reitsch bei der Einweihung eines Segelflugzeuges in Hannover die Hand reichen kann.
({23})
Man sollte also die Dinge realistisch sehen. In diesen Fragen erwarten wir, Herr Bundesinnenminister, in Zukunft vor allem eine noch stärkere Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Herrn Bundesfinanzminister. Denn entscheidend ist ja beim Bundesjugendplan leider auch der Herr Bundesfinanzminister. Ich glaube, daß man ihm noch manches sagen muß, damit er dieses Problem jugendnäher sieht, als er das im Augenblick tut.
({24})
Der Herr Bundesminister des Innern wünscht das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar kurze Bemerkungen. Zu der Frage von Frau Kollegin Keilhack möchte ich bemerken, daß ich Ihnen in meinen Ausführungen bereits die Möglichkeiten aufgezählt habe, die sich nach den gegenwärtigen Gesetzen als Zuständigkeiten für den Bund ergeben. Darüber hinaus können wir nur in zwei Fällen unmittelbar an die Gemeinden selbst herankommen. Das sind einmal die Kriegsfolgehilfeempfänger. Da können wir bis in die örtlichen Gemeinden gehen. Ferner können wir bei der Not der Grenzlandgemeinden etwas Besonderes tun. Aber Sie wissen auch - und das gilt für alle Fraktionen quer durch das Haus hindurch -, daß die Verfassung und die nach ihr ergangenen Gesetze klar die Zuständigkeiten darlegen und abgrenzen. Der Bund ist nicht berechtigt, die Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Fürsorge zu übergehen.
Die Frage nach der Möglichkeit größerer Mittel beantworte ich zunächst mit dem Hinweis, daß unser ganzer 19 1/2-Milliarden-Haushalt zu 48 % durch soziale Erfordernisse bedingt ist, so daß also auch meine Unterhaltungen mit dem Herrn Finanzminister auf diese harten Tatsachen, die den Mangel der Mittel bedingen, stoßen. Ich will gerne der Anregung von Herrn Kollegen Mende folgen und werde dem Finanzminister auch in der Durchführung des dritten Jugendplanes und bei unseren Vorschlägen soweit wie möglich die Wünsche unterbreiten, die aus dem Kuratorium an mich herangebracht werden. Das gilt insbesondere auch bezüglich der Fürsorge für die politische Jugend. Sie ist im Kuratorium vertreten, wie auch der Bundesjugendring. Ich bitte, daß besonders gute Vorschläge, die für die politische Jugend noch gemacht werden, durch das Kuratorium an mich heran({0})
gebracht werden. Ich werde es mir angelegen sein lassen, diese Fälle mit dem Herrn Bundesfinanzminister besonders zu besprechen.
Zur Frage des Films, den wir aufgenommen haben. Er ist gewiß im Anfang kritisiert worden, und es haben Meinungsverschiedenheiten über Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit bestanden. Aber ich bitte, die staatspolitische Notwendigkeit bei diesem Film freundlichst zu würdigen und nicht übersehen zu wollen. Das internationale Treffen der Jugend auf der Lorelei hat eine hohe staatspolitische Bedeutung. Die Jugend aller zivilisierten Länder hat sich gern an der Vorführung und den Veranstaltungen auf der Lorelei beteiligt.
({1})
Der Film konnte ja nicht so ohne weiteres aufgenommen werden, sondern mußte aus den einzelnen Stufen des Geschehens entwickelt werden. So ist auch dieser Film in den Etappen entstanden, in denen sich das Treffen auf der Lorelei abgespielt hat. Es gab im Anfang auch noch gewisse Meinungsverschiedenheiten über die Art des Films, ob es ein Buntfilm werden sollte, ein abendfüllender Dokumentar-Spielfilm. Man hat sich dann letzten Endes doch dafür entschieden, einen Film aufzunehmen, der ein Dokument des Geschehens darstellt. Er soll in verschiedenen Längen ausgefertigt werden, je nachdem, ob man ihn in der breiteren Öffentlichkeit oder speziell vor den Interessenten, der Jugend selbst, den Verbänden und all denen vorführen will, die an dem Schaffen für die Jugend mitarbeiten. Ich hoffe, daß Sie, wenn ich Ihnen in nächster Zeit den Film vorführe, sagen werden, daß die nicht unerheblichen Mittel für diesen Film durchaus sinnvoll und staatspolitisch wertvoll angesetzt worden sind.
({2})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Überweisung des Antrages an den Ausschuß für Jugendfürsorge einverstanden ist. - Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Haltung des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Mißbilligung der Haltung des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung der beiden Anträge je 15 Minuten, für die Aussprache 90 Minuten vor. - Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung des Antrags der Fraktion der KPD Herr Abgeordneter Paul, bitte!
Paul ({2}) ({3}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! In der 140. Sitzung am 9. Mai hat sich der Bundestag bereits mit den bösartigen Verdächtigungen und Angriffen des Bundesjustizministers Dehler gegenüber den Gewerkschaften und damit der gesamten Arbeiterschaft beschäftigt. Eindeutig wurde damals trotz der Versuche des Herrn Bundesjustizministers, den Inhalt seiner Rede in Uslar zu bagatellisieren, festgestellt, daß er tatsächlich erklärt hat, daß die Arbeiterschaft und ihre Gewerkschaften durch die Urabstimmung über die Durchsetzung des Mitbestimmungsrechts den Weg des Rechts verlassen hätten und zuchthausreif seien. Der Justizminister wurde trotz des heftigen Protests und der Forderung der Arbeiterschaft nach Abtritt, wie nicht anders zu erwarten war, von der Bundesregierung in seiner Haltung gedeckt.
Unserem heutigen Antrag liegt die Rede des Bundesjustizministers vom 16. Oktober 1951 zugrunde. Diese Rede wurde zwar aus taktischen Gründen etwas umgearbeitet und erst dann über den bayerischen Rundfunk gesendet. Aber die aus taktischen Gründen abgeänderte Rede vom 16. Oktober 1951 zeigt, daß der Bundesjustizminister von dem ursprünglichen Text keineswegs abgewichen ist. Seine feindselige Haltung gegenüber der Arbeiterschaft und ihren Gewerkschaften wurde bereits in der 140. Sitzung des Bundestags sichtbar. In der vom Rundfunk verbreiteten Rede wurde gleichfalls klar, daß der Bundeskanzler Dr. Adenauer die ursprüngliche Fassung der Rede seines Ministers Dehler nicht grundsätzlich abgelehnt hat. Der Bundesjustizminister hat nämlich in seiner korrigierten Rede wörtlich gesagt: „Er" - Dr. Adenauer - „bat mich, lange bevor die Reaktion des selbstverständlich prompt unterrichteten Deutschen Gewerkschaftsbundes einsetzte, mit Rücksicht auf die politische Situation des Tages die Rede kurz zu verschieben." Dr. Adenauer deckt also, wie man mit Recht annehmen kann, den Inhalt der ursprünglichen Fassung der Rede seines Justizministers. Der Bundesjustizminister bezeichnet in seiner Rede die Gewerkschaften als „eine bösartige Geschwulst im deutschen Volkskörper". Das ist die Sprache eines Scharfmachers der Kohlenbarone, der Stahlherren, des westdeutschen Bankkapitals. Die Worte Dr. Dehlers sind eine Provokation
({4})
der organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten.
({5})
Wissen Sie, Herr Dr. Dehler, was eine bösartige Geschwulst ist, welches den deutschen Volkskörper vergiftet,
({6}) welches das deutsche Volk in die Gefahr der Vernichtung bringt? Das ist eine Regierung, die durch Remilitarisierung und geheime Militärabkommen unser Volk in ein großes Unglück stürzen will!
({7}) Dieses bösartige Gewächs zu entfernen und damit unser Volk vor neuen Kriegsschrecken zu bewahren, das ist eine der wichtigen Aufgaben der deutschen Arbeiterschaft und ihrer Gewerkschaften.
Herr Dr. Dehler wünscht genau so wie der Chef der Arbeitgeberverbände, Herr Raymond, Gewerkschaftsorganisationen nach dem Muster der amerikanischen Gewerkschaften. Die amerikanischen Gewerkschaften aber unterstützen das Kriegsprogramm des Herrn Truman, sie arbeiten an der Organisierung des Krieges aktiv mit. Herr Bundesjustizminister, Sie wünschen Gewerkschaften, die die Arbeiter vom Kampf um ihre Lebensinteressen, vom Kampf gegen die Remilitarisierung abhalten wollen. Wenn der Bundesjustizminister Dehler auf die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine in der Vergangenheit hinweist, dann möchte ich daran erinnern, daß diese Gewerkvereine Bismarckscher
({8})
Prägung doch nur geschaffen wurden, um die deutschen Arbeiter von der Organisierung in den freien Gewerkschaften abzuhalten und gleichzeitig zu verhindern, daß die Arbeiter den Kampf um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen aufnahmen.
Ich halte es für verfehlt - und mit mir Millionen von Arbeitern -, mit einem Wortführer des westdeutschen Großkapitals über den Marxismus zu diskutieren. Es gab schon vor dem Herrn Dehler Vertreter des kapitalistischen Systems, die vorgaben, den Marxismus überwunden zu haben.
({9})
Der Bundesjustizminister reiht sich nämlich mit seiner Rede nur würdig in jene Ahnengalerie ein, die auch durch Hitler und Göring geziert wird.
({10})
Herr Göring hat sich auf dem sogenannten Parteitag der NSDAP in Nürnberg großspurig hingestellt und gesagt: „In 50 Jahren wird keiner mehr von Marxismus reden!"
({11})
Auch Göring haben die Würmer längst zerfressen, Herr Bundesjustizminister, der Marxismus
gewinnt immer mehr Eingang in die Herzen und
Hirne
({12})
von Millionen ausgebeuteter und unterdrückter Menschen in den kapitalistischen Ländern.
({13}) Die Richtigkeit der Lehren von Marx und Engels kann jeder Arbeiter selbst prüfen, wenn er sich die volksfeindliche Politik dieser Adenauer-Regierung ansieht.
({14})
Der Herr Bundesjustizminister hat in seiner Rede den Versuch unternommen, die deutschen Konzern- und Monopolherren von der Schuld am ersten und zweiten Weltkrieg und an der Entstehung des Hitlerfaschismus reinzuwaschen. Geschichtliche Tatsache aber ist, daß sich mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1928/29 die deutschen Industrieherren auf die Hitlerpartei als ihre Interessenvertreterin orientiert haben.
({15})
Durch politische und wirtschaftliche Manipulationen haben sie die damalige Krise vertieft und verlängert und somit das Massenelend gesteigert. Revanchepolitik und Chauvinismus wurden dadurch vorwärtsgetrieben, und der Hitlerbewegung wurde damit in das Amt verholfen.
Ich möchte weiter den Herrn Bundesjustizminister und alle, die es vergessen haben sollten, daran erinnern, daß es die deutschen Kohlenbarone waren, der Herr Kirdorff, der Herr Thyssen,
({16})
die im Kohlensyndikat durchgesetzt haben, daß pro Tonne Kohle 50 Pfennig an die Hitlerpartei abzuführen waren.
({17})
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß die Thyssen, die Kirdorff, die Krupp, die Männer aus der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie es waren, die die Hitlerbewegung finanziert und gefördert haben. In ihrem Auftrag und in ihrem Interesse
haben SA-Banden die Arbeiterviertel, die Gewerkschaftsversammlungen überfallen und Gewerkschaftshäuser demoliert.
Herr Abgeordneter Paul, ich würde Ihnen vorschlagen, gelegentlich einmal wieder zur Sache zu kommen!
Paul ({0}) ({1}), Antragsteller: Das gehört zur Sache. Das gehört zur Rede des Herrn Justizministers. Darauf hat er Bezug genommen. Das große Versäumnis der deutschen Arbeiterbewegung und ihrer Gewerkschaften besteht darin, daß die Arbeiterschaft und die Gewerkschaften nicht einheitlich gegen den Hitlerfaschismus Front gemacht und die Demokratie und die Arbeiterrechte aktiv verteidigt haben. Aber die deutschen Großkapitalisten sind. die Hauptschuldigen am ersten und zweiten Weltkrieg und an der Entstehung des Hitlerfaschismus in Deutschland.
({2})
Wer aber die Pläne und die Absichten des deutschen Großkapitals und seine Hauptschuld am letzten Krieg leugnet, der macht sich mitverantwortlich für das Unglück, das über unser Volk gekommen ist. Heute sind diese Herrschaften wieder dabei, mit dem amerikanischen Finanzkapital unser
Volk in einen neuen, dritten Weltkrieg zu stürzen.
({3})
Der Bundesjustizminister spricht davon, daß sich die Bundesregierung nicht von Klasseninteressen leiten lassen dürfe. Aber der Bundesinnenminister Lehr hat, wie das „Hamburger Echo" meldet, vor dem Überseeklub in Hamburg ganz deutlich gesagt, daß die Klasseninteressen der Großunternehmer am besten durch die heutige Bundesregierung gewahrt würden.
({4})
Das haben wir als Arbeiter schon längst gewußt. Jeder Arbeiter kann das täglich an der Praxis der Politik der Bundesregierung nachprüfen.
Es ist ganz klar, daß der Bundesjustizminister versucht, die freie Marktwirtschaft seines Ministerkollegen Erhard über den Klee zu loben; aber es ist eine Gemeinheit, eine Frechheit, zu behaupten, die Arbeiterschaft und die Gewerkschaften hemmten die wirtschaftliche Fortentwicklung der Bundesrepublik. Es stimmt, was die Gewerkschaften sagen: Diese Regierung hat die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer gemacht.
({5})
Ich brauche bloß auf die Tatsache hinzuweisen, daß zwei Drittel aller Arbeitnehmer und Angestellten heute ein Monatseinkommen unter 250 DM haben, daß aber die Großunternehmer nach der Währungsreform über 58 Milliarden DM verdienten und zur Errichtung neuer Anlagen investieren konnten. Weiter weise ich darauf hin, daß die Aktien der großen Konzerne der Kohlengruben und der Stahlwerke 1 : 1 umgetauscht wurden, während das Sparkapital, das ersparte Vermögen der kleinen Leute restlos durch die Währungsreform geraubt wurde, bei der die Politiker, die diese Regierung gebildet haben und stützen, wahrlich ihre Finger im Spiele hatten.
({6})
Herr Bundesjustizminister, Sie sprechen davon, daß die Freiheit bei Ihnen am besten gewahrt sei. Die Freiheit, die Sie meinen, das ist die Freiheit der Großkapitalisten zur rücksichtslosen Ausplün({7})
derung der breiten Massen. Die Freiheit, die Sie meinen, das ist die Freiheit der Militaristen, der Revanchepolitiker, die unser Volk in einen neuen Krieg hetzen möchten,
({8})
das ist die Freiheit der Terrororganisationen, der Bombenwerfer, der faschistischen Untergrundbewegung.
({9})
Die Freiheit, die Sie meinen, das ist die ungehemmte Kriegshetze bei gleichzeitiger Unterdrückung der Stimme des Friedens.
({10})
Die Freiheit, die Sie meinen, das ist die Beschneidung des Koalitions- und Streikrechts der Arbeiter, das ist die Aussperrung und die Massenentlassung, wie wir es jetzt bei den Fliesenlegern gesehen haben.
({11})
Die Freiheit, die Sie meinen, das ist der Gummiknüppel, die Bereitschaftspolizei,
({12})
das ist der Wasserwerfer gegen die streikenden Arbeiter.
({13})
Ich sage mit aller Deutlichkeit: die Arbeiterschaft wird diese provozierenden Redensarten
({14})
der Minister Lehr und Dehler nicht einfach Weiter
hinnehmen. Schon zeigt sich in den Streikkämpfen
der Arbeiter, in dem hessischen Metallarbeiterstreik, in dem Streik der Bremer und Hamburger
Hafenarbeiter, daß die Arbeiter jetzt mit der Regierung ein ernstes Wort auf der außerparlamentarischen Ebene reden.
({15})
Herr Minister Dehler, daß Sie mit dem AdenauerKabinett überhaupt noch da sind, dafür können Sie sich nur bei solchen Gewerkschaftsführern wie Christian Fette bedanken. Wenn nach dem Willen der Arbeiter gehandelt würde, wäre die ganze Adenauer-Regierung schon längst nicht mehr da.
Herr Abgeordneter Paul, nur eine Vorwarnung!
Paul ({0}) ({1}), Antragsteller: Ich komme zum Schluß.
Die Lage, in die Sie, Herr Bundesjustizminister, und in die auch die Adenauer-Regierung unser Volk bringen, ist ernst und äußerst gefahrvoll. Möge jeder Arbeiter und jeder Gewerkschaftler aus dieser Lage die notwendigen Konsequenzen ziehen.
({2})
Ich wende mich von dieser Stelle an meine Gewerkschaftskollegen, vor allem an meine sozialdemokratischen Kollegen in den Gewerkschaften.
({3})
Es ist erforderlich, daß sich die Arbeiterschaft zusammenschließt und gegen diese volksfeindliche Regierung, gegen ihre Politik und ihre beleidigenden Redensarten gegen die Gewerkschaften und gegen die Arbeiterschaft Front macht. Die Arbeiterschaft, die Gewerkschaftler verlangen, daß
die Gewerkschaftler, die in *diesem. Hause sitzen,
({4})
eindeutig die provozierenden Worte des Justizministers Dehler mißbilligen. Die Arbeiterschaft
verlangt, Herr Justizminister, daß Sie abtreten.
({5})
Zur Begründung des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion hat das Wort der Herr Abgeordnete Bazille.
Bazille ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister der Justiz erklärte in einer Wahlversammlung in Fürth, daß der wünschenswerte Sozialeffekt der gewaltigen finanziellen Anstrengungen der Bundesregierung, nicht zu erreichen sei, weil ein großer Teil der Sozialleistungen zu Unrecht in Anspruch genommen würde.
({1})
Herr Dr. Dehler bezifferte diesen Teil mit etwa einem Drittel aller Renten.
({2})
Die Organisationen der Kriegsopfer und Sozialrentner haben gegen diese Darstellung des Herrn Bundesjustizministers in aller Form und in aller Schärfe Einspruch erhoben und um eine entsprechende Richtigstellung gebeten. Diesem Wunsche hat Herr Dr. Dehler leider nicht entsprochen,
({3})
er glaubte vielmehr, auf seinem Standpunkt verharren zu müssen.
Unter anderem hat der Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands an den Herrn Bundesminister der Justiz ein Schreiben gerichtet, dessen wesentlichen Inhalt ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten dem Hause bekanntgeben darf, zumal ich sachlich damit übereinstimme. Darin heißt es:
Es ist einfach unmöglich und mit der Stellung eines Bundesministers unvereinbar, die private Meinung eines einzelnen Arztes zum Gegenstand einer Ministererklärung zu machen.
({4})
Wenn auch nicht verkannt werden soll, daß auf manchen Teilgebieten unseres Sozialrechts wegen der Überschneidung der gesetzlichen Bestimmungen gelegentliche Überzahlungen eintreten, so ist doch bei der außerordentlich starken Verflechtung der einzelnen Sozialgesetze diese Tatsache so unvermeidbar geworden, daß in verschiedenen Gesetzen Übergangsregelungen eingeführt werden mußten, nach denen für bestimmte Zeiträume Überzahlungen in Ausgabe belassen werden. Handelt es sich doch bei den Sozialrentenempfängern ausschließlich um einen Personenkreis, der diese meist recht kargen Renten zur Befriedigung des notwendigsten Lebensunterhalts verwendet,
({5})
so daß eine Rückforderung selbst kleinerer Überzahlungen oft einen Fürsorgefall hervorruft. In allen nur möglichen Fällen aber wird eine Rückforderung durchgeführt und eventuelle Nachzahlungen aus anderen Versorgungs({6})
renten in Anspruch genommen. Sofern aus anderen Gründen zu Unrecht eine Rente oder eine nicht entsprechende Rente bezogen wird, ist durch gesetzliche Bestimmungen in laufenden Abständen eine Nachprüfung vorgesehen, die etwaige Irrtümer beseitigt. Fälle, in denen ein Versorgungsanspruch erschwindelt wird, sind nach unseren wirklich sehr großen Erfahrungen außerordentlich selten.
Das Wort eines Bundesministers ist in diesem Zusammenhang von so gewichtiger Bedeutung, daß der VdK nicht darauf verzichten kann, auch aus Ihrem Munde eine entsprechende Richtigstellung der Öffentlichkeit gegenüber zu erbitten.
Diesen Brief der größten deutschen Kriegsopferund Sozialrentnerorganisation beantwortete der
Herr Bundesminister mit folgendem Schreiben: Was mit der Stellung eines Bundesministers vereinbar ist, unterliegt nicht Ihrer Beurteilung.
({7})
Tun Sie Ihre Pflicht, wie ich die meine tue, dann nützen wir unserem Volke. Daß die Rentensucht unseres Volkes eines der größten Übel der Zeit ist,
({8})
sollten Sie auf Grund Ihrer Tätigkeit wissen.
({9})
Wenn der Großteil eines Volkes ein arbeitsloses Einkommen beziehen will, dann ist dieses Volk zum Untergang verurteilt.
({10})
Was ich gesagt habe, stützt sich nicht auf die Äußerung eines einzelnen Arztes. Das Problem beschäftigt mich seit Jahrzehnten.
({11})
Meine These wird von allen einsichtigen Ärzten bestätigt.
({12})
Einer, der es wissen muß, hat mir vor wenigen Tagen erklärt, daß ich zu niedrig gegriffen habe.
({13})
Das Übel sitzt ja noch viel tiefer. Die Renteneinstellung lähmt den Lebenswillen, fördert die Flucht in die Krankheit, mindert den Gesundungswillen.
({14})
Bitte, sprechen Sie mit einem vernünftigen Arzt über die Dinge, und schreiben Sie mir dann, ob Sie die Forderungen Ihres Briefes aufrechterhalten.
({15})
Vielleicht ist Ihnen klar, daß die Vorwürfe, die ich erhebe, sich in erster Linie gegen unsere Ärzte richten - ein ernstes Problem, über das manches zu sagen ist.
Bitte, nehmen Sie dies zur Kenntnis. Ich weise Ihr Verlangen in aller Form und mit aller Schärfe zurück.
({16})
Sie sind dazu nicht legitimiert und verlangen Unrechtes.
({17})
Meine Damen und Herren! Diesen Brief hätte der Bundesjustizminister besser nicht geschrieben.
({18})
Denn wenn es auch zweifellos ehrenhaft sein mag, . einen einmal eingenommenen Standpunkt zu vertreten, so ist es doch sicher nicht minder ehrenvoll, von einer Meinung abzurücken, wenn man erkannt hat, daß sie falsch ist.
({19})
Herr Dr. Dehler hat mit seiner Darstellung Hunderttausende braver deutscher Arbeiter und ihre Familien, die ein Leben lang ihre Pflicht im Arbeitsprozeß erfüllten und jetzt im Alter die Früchte ihres Fleißes in Form bescheidener Sozialversicherungsrenten genießen, diffamiert.
({20})
Er hat Hunderttausende von Kriegsopfern beider Weltkriege, die Leben und Gesundheit hingaben, wie das Gesetz es befahl, kollektiv beleidigt,
({21})
hat die im Rentenwesen tätigen Beamten und Angestellten zu Unrecht verdächtigt, ihre Pflicht zu vernachlässigen.
({22})
Er hat ohne ausreichendes Beweismaterial schwerste Vorwürfe gegen den Berufsstand der, Ärzte gerichtet, die ihre Gutachten nach bestem fachlichem Wissen und Gewissen erstatten. Er hat darüber hinaus sich unerträglich im Ton vergriffen gegenüber einer Selbsthilfeorganisation der Kriegsopfer, die für aas Recht im Mitglieder eintritt und selbst bestrebt ist, Auswächse zu unterbinden,
({23})
indem sie ihre Arbeit immer wieder betont unter das Gesetz der staatspolitischen Verantwortung gestellt hat.
({24})
Wenn Herr Bundesminister der Justiz Dr. Dehler nicht bereit ist, die persönlichen Konsequenzen daraus zu ziehen, dann bedaure ich, dem Hause die Annahme des Antrags meiner Fraktion Drucksache Nr. 2897 empfehlen zu müssen.
Nachdem dieser Vorfall jedoch nicht nur einen unerfreulichen Einzelfall darstellt, sondern Rede und Brief von Herrn Dr. Dehler symptomatisch sind für die immer deutlicher in Erscheinung tretende Methode des Versuchs, einen Keil zwischen Kriegsopfer und Steuerzahler zu treiben, möchte ich dazu auch noch als selbst schwer Kriegsbeschädigter Stellung nehmen. Die Kriegsopfer haben ihre schicksalsmäßige Zugehörigkeit zum deutschen Volke mit dem Verlust von Leben und Gesundheit bezahlen müssen. Um ihre Versorgung in bescheidenstem Umfang zu ermöglichen, entfällt naturgemäß ein Teil der jedem Staatsbürger auferlegten Steuerlast für diesen Zweck. Aber, meine Damen und Herren, dieser Teil steht in keinem Verhältnis zu den Opfern, die den Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen auferlegt sind.
({25})
Was sie verloren haben, kann mit Geld und Gut
auf dieser Welt nicht mehr wettgemacht werden.
({26})
Deshalb sollte jeder in diesem Staate, nicht nur der
Herr Bundesminister der Justiz, auf solche
Methoden verzichten, die an schlechte Instinkte
({27})
appellieren und geeignet sind, die Seele unseres Volkes zu vergiften.
({28})
Wenn man schon den Kriegsopfern ihre Renten neidet, dann sollte man ihnen doch wenigstens nicht die Achtung versagen, auf die sie einen Anspruch haben!
({29})
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
({0})
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich antworte lediglich auf das, was Herr Abgeordneter Bazille hier vorgetragen hat.
({0})
Ich habe aus Anlaß einer Wahlversammlung bei Nachwahlen zum Bundestag in Nürnberg/Fürth die Tatsache festgestellt, daß die wirklichen Invaliden, die wirklich Arbeitsunfähigen ungenügend versorgt sind,
({1})
daß die Rente, die wir ihnen gewähren, nicht ausreicht, ein auch nur einigermaßen anständiges Leben zu führen, und ich habe die Frage aufgeworfen, wie das angesichts der doch enormen Leistungen der Sozialversicherungen sowie des Bundes, der Länder und der Gemeinden möglich ist. Das habe ich getan. Ich habe erklärt, daß einer
der Gründe offensichtlich der Mißbrauch der Renten ist, und habe dabei nicht ein eigenes Urteil abgegeben - ich habe mich gehütet! -, sondern habe gesagt: ein Arzt, der in der Rentenversicherung hervorragend - ({2})
- „Oh feig"? Wenn Sie nur ein Quentchen des Mutes hätten, dann hätten Sie diesen Antrag nicht eingebracht, der doch ein herrlich bequemes Mittel ist, - ({3})
Einer der führenden Ärzte in der Rentenversicherung hat mir erklärt, daß nach seiner Überzeugung
({4})
ein Drittel der Renten zu Unrecht bezogen werden.
({5}) Ich habe keinen Grund, an dieser Tatsache, die belegt ist, irgendwie zu zweifeln.
Nun werden Sie nicht erwarten, daß wir diesen Antrag zum Anlaß nehmen, das ganze Problem der Renten aufzuwerfen. Ich halte es für ein wesentliches Problem, meine Damen und Herren. Ich habe mich gegenüber den Unterstellungen der Verbände, die sich an mich gewandt haben, sehr ablehnend geäußert. Das ist mein gutes Recht. Ich lasse mich von niemandem schulmeistern.
({6})
Ich lasse mich auch nicht vom VdK schulmeistern; alles, was recht ist!
({7})
Glauben Sie denn, ich hinge an meinem Amt?
Glauben Sie, deswegen, weil ich ein Amt habe,
hätte ich nicht das Recht, meine Meinung zu sagen?
({8})
- Alles, was recht und billig ist! ({9})
Nun, ich bin ja auch kein heuriger Base, meine Damen und Herren.
({10})
Ich habe in meinem Antwortbrief an die Leitung des VdK erklärt, daß ich mich mit diesem Problem schon seit Jahrzehnten befasse, und ich könnte wirklich vieles darüber sagen. Aber, Herr Abgeordneter Bazille, wie können Sie aus meinen Ausführungen heraushören wollen, ich wollte einem Invaliden die ihm zustehende Rente nicht gönnen oder wollte sie ihm vorenthalten! Wie können Sie behaupten - ich halte das für ungeheuerlich -, ich wollte den Opfern des Krieges die ihnen zukommende Versorgung nicht zugestehen!
({11})
Das Gegenteil ist richtig! Ich will jedem echten Opfer der Arbeit und jedem echten Opfer des Krieges eine höhere Versorgung gewähren, als sie sie bis jetzt bekommen.
({12})
Meine Damen und Herren, ich habe ja nicht allzuviel Tugenden,
({13})
aber vielleicht die eine, daß ich manchmal wunde Punkte anrühre.
({14})
- Das beweist Ihr Aufheulen.
({15})
Das beweist aber auch ein anderer Umstand: Ich bekomme, seitdem Ihre Aktion gegen mich eingesetzt hat, jeden Tag Briefe, in denen mir gesagt wird: Endlich hat einmal einer, der doch auch mit Verantwortung trägt,
({16})
auf einen Mißstand sondergleichen hingewiesen! Die Menschen wissen, welcher Mißbrauch mit den Renten getrieben worden ist. Dahinter, meine Damen und Herren, steckt doch ein ganz echtes soziales, nach meiner Meinung auch wirtschaftspolitisches Problem: das ist das Problem der Verrentung unseres Volkes.
Wir wissen doch, daß Renten bezogen werden, für die kein echter Bedarf vorliegt, daß Fehler in unseren Gesetzen liegen, daß Renten zu Unrecht bezogen werden, ich will einmal sagen, neben dem Gesetz, und daß Renten zu Unrecht bezogen werden gegen das Gesetz.
({17})
- Soll ich Ihnen wirklich Material vortragen? ({18})
- Dann leben Sie auf dem Mond, meine Damen und Herren! Dann haben Sie keine Ahnung, was hier spielt!
({19})
Ich wiederhole, was ich in meinem Brief an die Leitung des VdK gesagt habe: Das ist doch ein echtes Problem, meine Damen und Herren,
({20})
({21})
daß die Sucht nach Rente am Ende den Willen zum echten Arbeitseinsatz lähmt.
({22})
Das ist das Urteil aller verantwortungsbewußten Ärzte, daß die Rentenpsychose, die nach 1945 eingesetzt hat, viel gefährlicher ist als jene nach dem ersten Weltkrieg, die wir erst sehr spät überwunden haben.
Soll ich Ihnen Ziffern sagen?
({23})
Ich sage sie Ihnen gern. Lassen Sie sich einmal von der Fürsorgestelle in Wetzlar für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene sagen, die eine Statistik über rund 2600 Kriegsbeschädigte aufgestellt hat. Ich sage ausdrücklich: das ist nicht die Feststellung einer Schuld, sondern das ist eine Tatsache. Von diesen rund 2600 Kriegsbeschädigten sind rund 2300 voll erwerbsfähig und voll im Leben tätig, - Gott sei Dank! Sie sind es aber. Das heißt: in unseren Gesetzen bestehen doch Fehler und Mängel.
({24})
Meine Damen und Herren, wenn der Herr Bundespostminister eine Rente bezieht, - ist das in Ordnung? Wenn man ihn beinahe zwingt, eine Rente zu beziehen,
({25})
liegen da nicht Fehler in unserer Gesetzgebung vor mit der Folge, daß die wahrhaft Bedürftigen nicht das bekommen, worauf sie nach meiner Überzeugung Anspruch haben?
({26})
Haben Sie nie etwas von einer Rentenneurose gehört? Haben Sie das nicht erlebt? Ich bin ein Anwalt, der immerhin 25 Jahre im Beruf war; und niemand kennt, glaube ich, das Leben in seinen Hintergründen und in seinen Abgründen besser als der Anwalt. Ich habe Hunderte von Unfallprozessen geführt, meine Damen und Herren, und weiß: Wenn der Prozeß zu Ende war, dann war es auch zu Ende mit dem Zittern und mit dem Schwindel und mit dem Kopfweh.
({27})
- Meine Damen und Herren, Sie wollen mich ja nicht verstehen, wenn Sie sich erregen. Sie wollen - ({28}) Aber es ist ja sinnlos, wenn Sie nicht aufhören, sich über diese Dinge zu erregen.
({29})
Ich kann nicht mehr sagen als: ich empfinde es als ein ganz entscheidendes und wesentliches Problem. Wenn ich in meinem Brief angedeutet habe, welche Schwierigkeiten, will ich einmal sagen, in dem Verhalten der Ärzte liegen, so kann ich Ihnen nur sagen: fragen Sie die Ärzte hier in diesem Hause, welchem Druck sie ausgesetzt sind und welcher Zwang - ({30})
- Nicht zuletzt von den Rentensüchtigen, die die Ärzte unter einen gewaltigen Druck setzen!
({31})
Und, meine Damen und Herren, welche Grenzen der Medizin gesetzt sind, das weiß ja auch derjenige, der den Dingen nahesteht.
Bitte, was wollen Sie mit Ihren Anträgen? Sie wollen mich mißbilligen. Meine Herren von der KPD und von der SPD, ich möchte fast sagen:
({32})
Welche Verwirrung der Gefühle, welche Verkennung der Sachlage!
({33})
Der Grad Ihrer Mißbilligung kann den Grad meiner Mißbilligung nicht erreichen.
({34})
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wönner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur die Absicht, zu der Interpellation zu sprechen, die meine Freunde von der äußersten Linken eingebracht haben.
({0})
- Ja bitte, Freunde! Warten Sie bitte ab; denn meine politischen Freunde haben bewußt darauf verzichtet, eine solche Interpellation einzubringen, weil wir der Meinung sind, daß es sich hier um eine Frage handelt, die zwischen dem Herrn Bundesjustizminister und den Gewerkschaften bzw. der Bundesregierung und den Gewerkschaften abzuhandeln wäre. Nachdem aber diese Interpellation da ist, scheint es mir persönlich ganz besonders reizvoll, einiges dazu zu sagen, und zwar vor allen Dingen deshalb, weil der Interpellationsbegründer ganz besonders deutlich hat werden lassen, wie groß die Gefahren tatsächlich wären, wenn diese Vorstellungen sich innerhalb der Gewerkschaften durchzusetzen vermöchten,
({1})
und weil diese Interpellation aus diesem Grunde eine Möglichkeit gibt, die demokratische Mittelstellung der Gewerkschaften zwischen zwei, ich will jetzt vorsichtig formulieren, nicht allgemein politischen, aber wirtschafts- und gesellschaftspolititischen Extremen aufzuzeigen.
Niemand aus dem Kreise der Gewerkschaften hat irgendeinen Vertreter der Kommunistischen Partei beauftragt, sie hier vor diesem Forum in Schutz zu nehmen. Sie sind stark genug, das selbst zu tun.
({2})
- Aber vor diesem Forum jedenfalls ohne jeden Auftrag!
({3})
Es ist ja nichts weiter und nichts mehr als der immerwährende Versuch, jede sich bietende Gelegenheit zu benutzen, die eigene politische Bedeutungslosigkeit dadurch zu überdecken, daß man sich an die Rockschöße der Gewerkschaften hängt.
({4})
Würden Ihre Vorstellungen innerhalb der Gewerkschaften auch nur die geringsten Chancen haben
- sie haben keine! -, dann würde ich für mein Teil bereit sein, wenigstens einiges von dem, was der Herr Bundesfinanzminister darüber sagte, was er an Gefahren sieht, irgendwie auch mit zu unterstreichen; denn dann wüßten wir, daß die Gewerk({5})
schaften nichts weiter werden sollten als ein politisches Instrument, den Bürgerkrieg herbeizuführen, russische Interventionsmöglichkeiten zu gestalten und dergleichen Dinge mehr: Aber verlassen Sie sich darauf, auch Sie, Herr Bundesjustizminister,
({6})
es sind echte Demokraten, die in den Gewerkschaften agieren, die nicht Ihres Rates bedürfen. Wenn wir heute wenigstens in dieser relativen Ordnung unsere Geschicke gestalten können, dann - das darf ich doch wohl mit gutem Grund feststellen - ist das nicht zuletzt das Verdienst der Gewerkschaften.
({7})
Herr Bundesjustizminister, wir beide hatten mehrfach Gelegenheit, uns vor öffentlichen Foren über die eine oder andere politische Frage zu unterhalten. Ich will Ihnen ein wundervolles Beispiel dafür demonstrieren. Es war in den ersten Monaten des Jahres 1948 - erinnern Sie sich bitte daran -, 75 Gramm Fett pro Monat standen auf der Fettkarte.
({8})
Daher kommt es auch, daß Herr Dr. Dehler den Mut gefunden hat, die besondere „Geistigkeit" der Gewerkschaften darin zu erkennen, daß wir damals dafür eingetreten sind, die Nahrungsgüter zur Gänze zu erfassen, damit nicht noch weniger zur Verteilung käme. Damals haben Sie, Herr Dr. Dehler, uns, nachdem wir einen Tag Arbeitsruhe eingelegt hatten, um dem Willen der arbeitenden Menschen Ausdruck zu verleihen, des Hochverrats geziehen. Dann haben wir Ihnen - und ich lege Wert darauf, das zu sagen - in jener turbulenten Zeit die Möglichkeit gegeben, in einer Vollversammlung der Münchener Betriebsratsvorsitzenden Ihre Auffassungen vorzutragen. Ich darf das wiederholen, Herr Bundesjustizminister, was Sie mir in jener turbulenten Zeit nach dieser Versammlung gesagt haben. Sie haben gesagt, Sie hätten nicht geglaubt, daß es möglich wäre, einen so sicheren demokratischen Ablauf dieser Veranstaltung zu garantieren.
({9})
Jawohl, das wollen wir auch.
({10})
- Das tun wir auch, wenn Sie uns daran nicht hindern.
({11})
Die Rede Dr. Dehlers über den bayerischen Rundfunk hat j a nichts weiter als den Parteitag der FDP in München zur Voraussetzung.
({12})
Dort sind allerdings - das möchte ich mit aller Klarheit aussprechen - von dem Herrn Bundesjustizminister - und ich kann leider nicht darauf verzichten, auch Sie, Herr Euler, zu nennen - Ausführungen gemacht worden, die wir als absolut
maßlos - bezogen auf die Grundhaltung der Gewerkschaften - erkennen mußten.
({13})
Darauf habe ich Sie beide in dem bayerischen Rundfunk angesprochen und habe nicht die ganze FDP in derselben Form diffamiert. Ich für meinen Teil war sehr darüber erstaunt, daß ein Jurist wie der Bundesjustizminister ein so geringes Maß von Abstraktionsvermögen gezeigt hat.
({14})
Denn er hat nicht mit einem Angriff auf mich, nicht mit einer Einschränkung des Themas, sondern mit einem Angriff auf die Gesamtpolitik der Gewerkschaften geantwortet.
({15})
- Nur in Bayern!
({16})
Dabei ist es dem Bundesjustizminister leider passiert - ich glaube hier in diesem Hause keinen Widerspruch zu finden, wenn ich das jetzt sage -, daß er sich einiger Geschichtsklitterungen schuldig machte. Er hat dort erklärt: „Die Gewerkschaften hatten eine große Gelegenheit, zu zeigen, was sie können, als sie nach dem Zusammenbruch der Naziherrschaft die deutsche Wirtschaftspolitik weitgehend beeinflußten." Wer hat denn nach dem Zusammenbruch des Naziregimes die deutsche Wirtschaft beeinflußt? Die deutschen Arbeiter haben sich bemüht, die Wirtschaft aus ihren Trümmern wiederaufzubauen; das ist alles, was sie getan haben.
({17})
Im übrigen sind die maßgeblichen wirtschaftspolitischen Dinge in jener Zeit doch wahrhaftig von ganz anderen als deutschen Kräften gestaltet worden.
({18})
- Habe ich nicht soeben verlesen, daß Herr Dr. Dehler wörtlich erklärt hat, die Gewerkschaften hätten in jener Zeit die Wirtschaftspolitik bestimmt?
Herr Dr. Dehler hat weiter davon gesprochen
- das ist einer der entscheidenden Punkte, auf die es mir ankommt -: „Mit Sorge sehe ich, daß die Bürokratie der Gewerkschaften sich der Bindung durch das Recht zu entziehen versucht." Herr Bundesjustizminister, wenn die Gewerkschaften je die Absicht gehabt hätten, sich der Bindung durch das Recht zu entziehen, sie hätten in der Vergangenheit mehr als einmal Gelegenheit und vielleicht sogar Anlaß dazu gehabt. Wenn es nicht geschah, dann einfach deshalb, weil wir als Gewerkschaftler wissen, daß die Demokratie und die Freiheit die heiligsten Güter sind, die uns überhaupt noch retten können.
({19})
Aber, Herr Bundesjustizminister, ich habe Ihr so großes demokratisches Gewissen noch nie schlagen hören, wenn meinetwegen die Bundesregierung oder der Herr Bundeskanzler die Rechte dieses Parlaments zu beschränken versucht hat.
({20})
({21})
Ich habe, Herr Bundesjustizminister, Ihr Gewissen niemals laut schlagen hören, wenn auch andere Gruppen des deutschen Volkes ihre Ansprüche mit einem, wie mir scheinen will, nicht immer begründeten außerparlamentarischen Nachdruck zu vertreten bereit waren.
({22})
- Es wäre klüger gewesen, Herr Bundesjustizminister, sich zuweilen an die Organisationen und Verbände zu wenden, die ihre Ansprüche in dieser Form nicht nur geltend machen, sondern die schon auf den Amtsstühlen sitzen und sie dort unmittelbar realisieren können.
Dann, Herr Bundesjustizminister, darf ich mir doch einmal die Bemerkung erlauben - dazu hat mich die merkwürdige Begründung von der linken Seite des Hauses veranlaßt -: Sie tun gerade so, als ob der Gegensatz zwischen Staat und Gesellschaft überhaupt nicht mehr bestünde. Wenn es so wäre, dann würden Sie in der Tat das bewirkt haben, was von der linken Seite so wohlbegründet dargestellt worden ist, dann würde die klassenlose Gesellschaft erreicht sein, die Karl Marx einmal geträumt hat. Diese gesellschaftlichen Kräfte sind wirksam.
Daß Sie ein Statiker geworden sind und nur das zu erhalten streben, was ist, das kann uns nicht daran hindern, Dynamiker zu sein,
({23})
und wir werden es bleiben.
Sehen Sie, Herr Dr. Dehler, Sie waren liebenswürdig genug, in Ihrem Rundfunkvortrag auch darauf hinzuweisen: Voraussetzungen der lebendigen Demokratie sind der Wille und der Mut zur eigenen Überzeugung! - Nun, Herr Dr. Thomas Dehler, ich habe Sie vorige Woche sehr aufmerksam auf Ihrem Abgeordnetensitz beobachtet, als es galt, sich im Rahmen der Debatte über die Geschäftsordnung dieses Hauses zur namentlichen Abstimmung zu bekennen. Sie haben nicht den Mut gehabt, sich zu bekennen.
({24})
Zum Schluß, Herr Dr. Dehler, darf ich mir vielleicht einmal eine persönliche Reminiszenz erlauben. Sie sind einen weiten Weg gegangen von der Reichsbanner-Uniform in der „Münchner Post" bis in die Reihen der Reaktion!
({25})
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Vorbemerkung: ich habe nicht geglaubt, daß ich heute in die Lage versetzt werden könnte, mich mit dem Gewerkschaftskollegen Wönner auseinandersetzen zu müssen. Damit konnte man wirklich nicht rechnen.
({0})
- Ja, hätten Sie das nur bei Ihren Ausführungen beachtet, Herr Kollege Wönner!
Er sagt: Wer hat die Kommunisten beauftragt, diesen Antrag zu stellen? - Ja, Herr Kollege Wönner, seit 1914 bezahle ich z. B. Gewerkschaftsbeiträge,
({1})
und ich glaube, daß wir Mitglieder der Gewerkschaften die Gewerkschaften darstellen.
({2})
Die Reden des Herrn Bundesjustizministers sind Mitte Oktober gehalten bzw. bekannt geworden. Jetzt haben wir Mitte Dezember. Zwei Monate hätten Sie also Zeit gehabt, sich hier, auf der gegebenen Plattform, mit dem Herrn Minister auseinanderzusetzen. Sie hätten allen Anlaß dazu gehabt; denn nicht nur in Ihrem offiziellen Verbandsorgan, sondern auch in Tausenden von Resolutionen aus den Kreisen der Gewerkschaften, aus den Betrieben heraus, ist Ihnen die Auffassung zugeleitet worden - wie auch den Parteien -, daß diese Rede des Herrn Ministers Dehler eine ungeheuerliche, unerträgliche Beleidigung der Gewerkschaften ist. Sie haben sich also sehr viel Zeit gelassen, um wach zu werden.
Ich habe aus dem Verhalten des Herrn Dehler heute einmal mehr den Schluß gezogen: Das ist der wohlverdiente Tritt in die Rückseite gewisser Gewerkschaftsführer, der heute hier ausgeteilt worden ist, an die Adresse der Herren, die sagen
- ich zitiere einen Satz aus dem Wahlaufruf der Sozialdemokratischen Partei zu diesem Bundestag -: „Hinter dem Wall der kämpfenden Sozialdemokratie hat die Reaktion ... usw." -, Sie wissen, was ich meine - „ ... das übelste, unsozialste System aufgerichtet!" Heute haben Sie einmal mehr den Dank des Hauses AdenauerPferdmenges für die Feuerwehrdienste erhalten, die Sie dieser Reaktion gelegentlich leisten.
({3})
Ich verwahre mich auch dagegen, daß man in dieser Rede nicht mehr erblicken will als eine auf den engen Rahmen eines Parteitages zugeschnittene Rede, etwa eine Entgleisung. Entgleisungen der Herren Minister lesen wir ja jeden Montag am laufenden Band in der Presse. Aber diese Entgleisungen sind doch nicht falsche Zungenschläge; das sind doch Enthüllungen.
({4})
- Ich war als Minister Kommunist und bin auch heute noch Kommunist.
({5})
- Nein, ich bin als Minister vielleicht gelegentlich auch schon mal entgleist, aber zu meinem Glück nicht hinsichtlich meiner politischen Überzeugung. Ich bin, wenn Sie wollen, gelegentlich mal entgleist, wenn ich z. B. für den Herrn Erzbischof von Köln per Reichsleistungsgesetz ein Auto beordert habe. Das ist mir als Minister auch mal passiert.
({6})
Aber zurück zum Thema. Hier handelt es sich nicht um einen falschen Zungenschlag; hier handelt es sich um die Enthüllung eines Geistes. Hier steht nicht allein der Herr Dehler zur Diskussion; hier steht dieses Kabinett Adenauer zur Diskussion, in dem er ja nur einen Korporal darstellt. Hier ist auch festzuhalten, daß es ja nicht allein der Herr Dehler ist, der als Minister solche Beleidigungen an die Adresse der Sozialberechtigten ausspricht. Da ist sein „wertgeschätzter" - weil er die Werte in der Hand hat - Kollege Schäffer, der noch weit wichtigere, weit gröber Beleidigungen gegen denselben Personenkreis ausgesprochen hat.
({7})
Aber nun zurück zum Herren Minister. Ich finde es für einen Minister immerhin sehr eigenartig, wenn er als Minister spricht, sich dabei aber auf einen „Arzt" beruft, hinter irgendeine obskure anonyme Persönlichkeit zurückzieht. Das ist nicht gerade Mannesmut vor Königsthronen, eine solche Haltung. Der Herr Minister hat es auch heute unterlassen, den Kronzeugen für diese seine Auffassung bekanntzugeben, wonach ein Drittel aller Renten zu Unrecht bezogen werde. Es handelt sich da übrigens nicht um Hunderttausende, sondern wenn schon von einem Drittel geredet wird, dann sind es 3,5 Millionen Menschen, die ihre Renten nach Dehler zu Unrecht beziehen.
Ich war ja nur gelegentlich Minister; ich bin auch kein Jurist. Aber ich bin 1917 als junger Mensch in die Kriegsopferbewegung eingetreten. In Zehntausenden und Aberzehntausenden von Fällen habe ich erlebt, unter welchen Schwierigkeiten ein Rentenberechtigter in den Genuß seiner Rente kommt. Das war damals so, wie es heute ist. Ich habe die Maschine der Bürokratie in den Behörden kennengelernt. Ich habe auch die routinemäßige Behandlung der Antragsteller durch die Ärzte kennengelernt. In Tausenden und Abertausenden von Fällen habe ich begriffen, wie sehr der Rentenberechtigte einfach auf Grund der Tatsache ins Unrecht gesetzt wird, daß er des Geldes wegen nicht in der Lage ist, auf seine eigenen Kosten ein Gegengutachten gegen das entscheidende Gutachten des Amtsarztes oder eines konsultierten Professors in der bestimmten Angelegenheit beizubringen. Ich habe also tausendmal eher begriffen, gesehen und erlebt, welch schweren Kampf der Rentenberechtigte führen muß, ehe sein berechtigter Rentenanspruch erfüllt wird. So liegen die Dinge, und hier stellt sich ein Minister hin und beschuldigt in Bausch und Bogen sowohl die Ärzteschaft wie die Beamtenschaft wie auch die Rentenbezieher selber eines betrügerischen Zusammenspiels;
({8})
denn wenn einer zu Unrecht seine Rente bezieht, dann ist ja nicht nur er dafür verantwortlich, sondern auch der Beamte und der Arzt, der sie ihm zubilligt. Dann haben wir drei Schuldige vor uns stehen, nicht nur einen einzigen.
Was wir aber hier in der Haltung des Herrn Bundesjustizministers erleben, das ist ein Ausschnitt aus dem Generalangriff der Reaktion auf die Sozialgesetzgebung in unserem Lande;
({9})
ein Ausschnitt nur. Leider habe ich nicht die Möglichkeit, die Dinge so zu unterlegen, wie ich das leicht tun könnte, wenn ich fünf Minuten Redezeit mehr hätte. Aber was ist das für eine Konzeption für einen Minister in einer Regierung, die sich sozial und christlich nennt, die Dinge so hinzustellen, als bestünde unser Volk nur aus Rentenpsychopathen, aus Hysterikern, aus Betrügern, die diesen armen Staat betrügen! Was ist das für ein Minister, der solch generelle und ungeheuerliche Beschuldigungen ins Haus und in die Öffentlichkeit hineinschleudern darf! Was wir hier erleben, ist der Generalangriff der Reaktion
({10})
auf den sogenannten „Wohlfahrtsstaat".
({11})
Was wir hier erleben, ist nichts anderes als die Vorbereitung eines großen Rentenabbaus, eines
Generalangriffs auf die gesamte Sozialversicherungsgesetzgebung und auf die Rentenversorgung für die Kriegsopfer.
Kommen Sie bitte zum Schluß.
Lassen Sie mich noch einen Satz sagen, Herr Präsident, dann trete ich ab.
Aber an Ihre Adresse, Herr Kollege Bazille: Wie wäre es, wenn Sie, anstatt hier nur ihre allzu berechtigten Anschuldigungen gegen diesen Minister der Reaktion auszusprechen, einen Schritt weitergingen, wenn Sie auch draußen gegen diesen Minister des Rentenraubs die betrogenen Kriegsopfer wirklich in Kampfaktion brächten? Wie wäre es, wenn Sie Ilse These, die Sie auf dem Bundestag in Trier herausgestellt haben,
({0})
einmal etwas überlegten, wo Sie sagten: Sozialpolitik des Möglichen, nicht Sozialpolitik des Notwendigen; denn das führt in den Radikalismus!
Kommen Sie zum Schluß!
Wie wäre es, wenn Sie aus Ihrer richtigen Erkenntnis eine richtige Konsequenz zögen und mit uns zusammen dafür sorgten, daß dieser Justizminister, der nichts anderes ist als ein Teilchen im Rade der Adenauer-Regierung, zusammen mit Adenauer, dem Wiederaufrüster, dem Kriegsvorbereiter und Verderber unseres Volkes
({0})
aus dem Tempel gejagt wird!
({1})
Ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf.
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Euler.
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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich polemisiere hier nicht gegen die Abgeordneten der Kommunistischen Partei, die ein Regime als Fortschritt bezeichnen, das überall in seinem Bereich die Freiheit und den Wohlstand am gründlichsten vernichtet hat.
({0}) Aber ich möchte ein paar Worte zu den Ausführungen des Kollegen Wönner sagen, die, wie ich glaube, nicht nur infolge stimmlicher Indisposition wesentlich milder geraten sinti, als damals sein Angriff über Radio München. Er hat hier noch einmal die Ausführungen auf unserem Münchener Parteitag zitiert und sie als besonders maßlos bezeichnet. Er ist wohl gründlich falsch unterrichtet über das, was ich vor dem Münchener Parteitag zum Gewerkschaftsproblem gesagt habe. Ich stelle Ihnen, Kollege Wönner, meine damaligen Ausführungen sehr gern zur Verfügung, damit Sie sehen, daß Sie wohl gründlich falsch darüber orientiert waren.
Wir bejahen die Gewerkschaftsbewegung. Sie gehört unerläßlich zum demokratischen Rechtsstaat. Es gilt sogar der Satz, daß nur im demokratischen Rechtsstaat eine unabhängige Arbeiterund Gewerkschaftsbewegung bestehen kann. Je
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mehr der Staat - sei es unter welchen Ideologien - ein totalitäres Gepräge annimmt, um so weniger kann sich die Gewerkschaft dem Beherrschungseinfluß des totalitären Staates entziehen. Wenn Sie heute in die sowjetische Zone blicken, dann, Herr Kollege Wönner, können Sie ja nicht bestreiten, daß wir dort wie überall im sowjetischen Bereich genau dieselbe Entwicklung erlebt haben wie im nationalsozialistischen Staat, nämlich die völlige Abhängigkeit der Gewerkschaft, die dort lediglich ein propagandistisches Mittel für die Verwirklichung der Ideen und Praktiken des totalitären Staates ist.
Nicht also gegen die Gewerkschaft richtet sich unsere Kritik, sondern sie richtet sich gegen ganz bestimmte Tatbestände, gegen ganz bestimmt umrissene Verhaltensweisen, die ich wie auch Kollege Dehler in München genau bezeichnet habe. Wir haben auch in einer Pressekonferenz, die später abgehalten wurde, Wert darauf gelegt, der Presse gegenüber völlige Klarheit zu schaffen, um jegliches Mißverständnis auszuschließen. Ich darf diese vier klaren Tatbestände noch einmal vor diesem Hause scharf umreißen.
Es handelt sich erstens um die Androhung eines rechts- und verfassungswidrigen politischen Generalstreiks, wie wir sie Ende Februar dieses Jahres erlebt haben. Wir halten den politischen Generalstreik im demokratischen Rechtsstaat nur dann für erlaubt, wenn er ein Mittel zur Verteidigung dieses Staates gegen einen Staatsstreich ist.
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Es gibt einen politischen Generalstreik, der erlaubt ist, dann nämlich, wenn es sich um die Abwehr eines rechtswidrigen Angriffs von totalitären, zur Macht strebenden Gruppen handelt. Aber der Generalstreik darf in einem demokratischen Rechtsstaat nicht erlaubt sein, wenn er ein Mittel der Ausübung eines erpresserischen Drucks auf die Legislative sein soll.
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Dann wird er ein Mittel zur Beengung des Rechtsstaates und darüber hinaus zur Gefährdung des Rechtsstaates. Dies gilt insbesondere deswegen, weil die Gewerkschaftsorganisation heute jedenfalls die machtvollste Zusammenfassung gesellschaftlicher Kräfte in der Demokratie ist.
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Dies zum ersten.
Zweitens haben wir den konkreten Tatbestand angesprochen, daß ein Streik der Erntearbeiter proklamiert wurde in einem Augenblick, als in Hessen und Niedersachsen die Ernte auf dem Halm stand. Ein Streik unter derartigen Umständen,
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durch den die ganze Ernte eines Jahres gefährdet und somit ein außerordentlicher volkswirtschaftlicher Schaden unmittelbar verursacht wird, ist ein unverhältnismäßiges Mittel, und unverhältnismäßige Mittel sind in einem Rechtsstaat nicht erlaubt.
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Wir haben zum dritten auf den ganz konkreten Tatbestand des hessischen Metallarbeiterstreiks abgestellt insofern, als damals die hessische Metallarbeitergewerkschaft erklärte, sie werde nun die Massenabwerbung junger Fachkräfte ins Ausland als neuestes gewerkschaftliches Kampfmittel einsetzen.
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Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ich glaube nicht, daß dieses neueste gewerkschaftliche Kampfmittel, das damals proklamiert wurde, von Ihnen als ein Mittel angesehen werden kann, das von einem besonders hohen Stand nationaler und demokratischer Verantwortung zeugt.
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Und zum vierten, meine sehr verehrten Damen und Herren: die Streikfreiheit ist Gott sei Dank in unserer Verfassung gewährleistet, aber nicht der Streikzwang, nicht der Streikterror. Es ist ein außerordentlicher Unterschied zwischen solchen Arbeitern, die sich vor den Fabriktoren als einzelne aufstellen, um ihre Arbeitskameraden auf die Solidarität aufmerksam zu machen, und jenen - und das wurde dann ja auch der Gewerkschaftsleitung bald bekannt - kommunistisch durchsetzten Terrorgruppen, denen gar nicht an einer ordnungsmäßigen Streikabwicklung lag, sondern denen daran lag, Streikterror auszuüben, Streikzwang geltend zu machen und überhaupt nach Möglichkeit einen Aufruhr zu erreichen.
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Es handelt sich also um ganz konkrete Tatbestände, die wir als Beispiele dafür angeführt haben, daß das Verhalten der heutigen Gewerkschaftsleitung leider nicht immer und ausnahmslos von einer so ausgeprägten demokratischen Verantwortung zeugt, wie man sie sich gerade in dieser schweren Entstehungszeit eines demokratischen Rechtsstaates wünschen muß. Sie werden mir zugeben: dieser demokratische Rechtsstaat ist noch nicht fundiert, er ist noch in der Geburt begriffen. Ich glaube, alle Kräfte, denen daran liegt, daß er entsteht, müssen sich in einer gemeinsamen Verantwortung zusammenfinden, um in fairer Diskussion die Mängel zur Sprache zu bringen, die sich bald hier, bald dort zeigen mögen.
Zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Bazille möchte ich das eine sagen. Herr Justizminister Dehler ist von Ihnen gründlich mißverstanden worden,
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ohne daß er dazu einen Anlaß gegeben hätte, wenn Sie sagen, daß er denen, die zu Recht Renten in Anspruch nähmen, dieses Recht bestreiten wolle. Es gilt vielmehr, ihr Recht besser zu gestalten dadurch, daß man es gegen den Mißbrauch der objektiv nicht Berechtigten verteidigt!
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Das Wort hat der Abgeordnete Bazille. Sie haben noch fünf Minuten für Ihre Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesjustizminister hat in seiner Entgegnung auf unseren Antrag versucht, das Problem vom Grundsätzlichen her zu behandeln. Er hat dabei zum Teil auf die Darstellungen seines Briefes an den VdK Deutschlands zurückgegriffen. Herr Minister, diese sind dadurch nicht richtiger geworden. Sie mögen von der allgemeinen Rechtspflege, von der Justiz etwas verstehen; aber ich bedaure, wenn ich Ihnen sagen muß: von diesen Dingen verstehen Sie nichts!
({0})
({1})
Denn in der Versorgung ist es so, daß ein sehr wohlüberlegtes System der verschiedensten Rechtsmittel einen wirksamen Schutz gegen Übergriffe gewährleistet. Indem Sie von den Ärzten behaupten, daß sie mit ihren Gutachten zu Unrecht den Bezug von Renten ermöglichen, sprechen Sie eine Unterstellung aus, angesichts derer man eigentlich hätte erwarten müssen, daß sich der Herr Bundesarbeitsminister Storch in aller Form für seine Ärzte dagegen verwahrt.
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Das Bundesversorgungsgesetz läßt keinen Spielraum für ärztliche Willkür und auch keinen Spielraum für ärztliche Fehlentscheidungen größeren Ausmaßes.
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Es dürfte Ihnen doch bekannt sein, daß der Fiskalvertreter die Pflicht hat, ein Obergutachten anzufordern,
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wenn Gutachten gegeneinander stehen, genau in der gleichen Weise wie in der Justiz,
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durch das dann der Rechtsgehalt ermittelt wird. Wenn im Versorgungsbereich der Vorwurf gemacht werden sollte, daß der so ermittelte Rechtsgehalt in einem Drittel aller Fälle an den Tatsachen vorbeigeht, dann könnte man genau so gut auf dem Spezialgebiet des Herrn Bundesministers der Justiz erklären,
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daß ein Drittel aller Rechtsurteile der deutschen Gerichte nicht auf dem Rechtsboden steht.
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Denn in der Sozialgerichtsbarkeit wird nach genau denselben Grundsätzen vorgegangen wie in .der übrigen allgemeinen Rechtspflege.
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Und nun zu den weiteren Dingen, die der Herr Bundesminister hier ausgeführt hat. Zunächst zu dem in der Öffentlichkeit sattsam bekannten Vergleich zwischen dem rentenempfangenden Minister und dem armen Kriegsbeschädigten. Ich darf dem Herrn Bundesjustizminister dazu folgendes sagen: dieser Vergleich ist völlig abwegig. Wenn Sie vergleichen wollen, müssen Sie den gesunden Minister mit dem kriegsbeschädigten Minister vergleichen! Dann haben Sie eine Grundlage. Der kriegsbeschädigte Minister bekommt seine Rente, weil er im Krieg ein Bein verloren hat und weil er einen Rechtsanspruch auf eine halbwegs angemessene Entschädigung für diesen Verlust hat. Das ist von seinem Einkommen völlig unabhängig.
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Oder würden Sie, Herr Bundesjustizminister, etwa in dem Fall, daß ein Staatsbürger einige Quadratmeter seines Grund und Bodens wegen des Baues einer Eisenbahn abtreten muß, erklären: Der Mann hat ja ein so gutes Einkommen, weshalb soll die Bundesbahn dem Mann eine Entschädigung geben?
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Aber der Verlust eines Oberschenkels soll einem Staatsbürger zugemutet werden, ohne daß man ihm einen entsprechenden Anspruch einräumt!
Es wird den Kriegsopfern draußen sehr interessant sein, daß Sie den Mut gehabt haben, endlich einmal auszusprechen, aus welchem politischen Lager diese dauernden unerträglichen Angriffe gegen das Bundesversorgungsgesetz gestartet werden.
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Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß. Ihre Redezeit ist abgelaufen!
Es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, daß in Wahrheit - und das ist jederzeit zu beweisen - nur in einer ganz verschwindend kleinen Zahl von Fällen eine Rente zu Unrecht bezogen wird.
({0})
Grundsätzlich werden Neurosen nicht berentet, und deshalb müßte man erwarten, daß der Herr Bundesjustizminister für seine Erklärung, die er bei einer Wahlversammlung abgegeben hat, die er in einem Schreiben an die größte deutsche Kriegsopfer- und Rentnerorganisation wiederholt hat und die er jetzt erneut an diesem Rednerpult wieder aufgegriffen hat, den Wahrheitsbeweis antritt.
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Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Schluß!
Wenn` Herr Dr. Dehler nicht in der Lage ist, dafür den Wahrheitsbeweis anzutreten, dann bedaure ich, ihm sagen zu müssen, daß er meiner Überzeugung nach fehl am Platze eines Bundesministers der Justiz ist; denn in einem Rechtsstaat gilt noch immer der Grundsatz: Recht muß Recht bleiben!
({0})
Das Wort hat der Abgeordnete Willenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Justizminister war wirklich schlecht beraten, wenn er sich sagen ließ, ein Drittel der Renten würde zu Unrecht bezogen. Ich weiß nun nicht, ob der Berater in völliger Unkenntnis der Rentenangelegenheiten gehandelt hat oder ob das auch bei dem Herrn Bundesjustizminister der Fall ist; es scheint mir aber bei beiden der Fall zu sein. Jeder, der in der Sozialversicherung zu Hause ist, weiß: wenn ich einen Rentenantrag stelle, muß ich ein ärztliches Gutachten beibringen, wonach ich zu einem bestimmten Prozentsatz erwerbsunfähig bin, und auch dieses Gutachten genügt noch nicht, sondern dann kommt das Spruchverfahren, und in diesem kann der Antrag abgelehnt werden; schließlich kann von beiden Seiten Revision eingelegt werden. So haben wir Rentenkämpfe, Herr Justizminister, die sich Jahre hinausziehen. Wenn hier gesagt wird, ein Drittel der Renten werde zu Unrecht bezogen, dann ist das ein ganz massierter Angriff auch gegen unsere Ärzte und unsere Vertrauensärzte.
({0})
({1})
Ich weise auch im Interesse der Ehre dieser Mediziner diese Angriffe auf das entschiedenste zurück. Wenn man im Licht der Öffentlichkeit steht und wenn man über soziale Mißstände reden will, Herr Bundesjustizminister, dann muß man mit anderen Argumenten kommen, dann muß man etwas anderes Material an die Öffentlichkeit bringen, aber nicht solches, was Sie in der Öffentlichkeit vorgetragen haben; sonst laufen Sie Gefahr, daß Ihr Ansehen in der breitesten Öffentlichkeit in allerstärksten Mißkredit kommt.
Nun zu Ihren Vorwürfen gegen die Gewerkschaften! Herr Bundesjustizminister, seien Sie froh, daß in Deutschlands schwerster Zeit verantwortliche Gewerkschaften und ihre Führer gestanden haben!
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Sie würden heute in Ihren Versammlungen keine geordneten Verhältnisse vorfinden, wenn damals nicht die Gewerkschaften gewesen wären und eine Arbeiterschaft, die sich ihrer Pflicht gegenüber dem Volke bewußt gewesen ist.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren, ich habe noch vier Minuten. Wie ich es fertigbringen soll, in dieser Zeit das Problem „Rente und Gesundheit" einigermaßen klar darzustellen, weiß ich nicht. Ich habe das andernorts schon oft mit Erfolg versucht. Hier kann ich nur das eine ganz kurz feststellen: Die primitive Vorstellung, daß es ein organisch bedingtes Leiden gäbe und daß es außerdem eine Simulation gäbe, reicht nicht aus, um das entscheidende Phänomen der Rentenpsychose zu verstehen.
({0}) - Es gibt auch Schwachsinnige!
({1})
Um diese Frage, „was die Rente für die Volksgesundheit bedeutet" und „was sie als Gefahr für den einzelnen - nicht als Gefahr für den Finanzminister - bedeutet", bemühen sich seit Jahrzehnten' Ärzte, Psychologen und Sozialpolitiker. Diese ringen miteinander um die Wahrheit, und nun ziehen Sie in diesem Augenblick das entscheidende Problem in den Kampf der Straße hinab. Wie kann das einer verantworten?!
({2})
Meine Damen und Herren, sind Sie so primitiv, uns Ärzten zu unterstellen, daß wir Herrn Minister Dehler vorwerfen, er hätte uns beleidigt?
({3})
Ich weiß aus vielen Unterredungen mit meinem
Freund Dehler, daß sich wohl niemand gründlicher
mit dem Problem der Renten beschäftigt hat als er.
({4})
Es ist für den Arzt nicht leicht, eine objektive Entscheidung zu treffen. Sie meinen: so wie er ein gebrochenes Bein diagnostizieren könne, könne er auch eine Neurose diagnostizieren. Haben Sie eine Ahnung von der Subjektivität der Krankheit!
({5})
Krankheit ist nicht nur ein Spiel von Bazillen, sondern ein Lebensschicksal.
({6})
Meine Damen und Herren, ich habe bei einer ähnlichen Diskussion einmal ein hübsches Beispiel aus meinem eigenen Stand erzählt. Man kannte in der Ärzteschaft Deutschlands früher so gut wie keine Invalidität. Etwa um das Jahr 1923 herum haben wir aber eine Invalidenversicherung eingeführt, - und wenige Monate darauf hatten wir eine Invalidität! Dabei war keiner der Antragsteller ein Betrüger, sondern in dem Augenblick, in dem ihm der Weg
({7})
in ein anderes, leichteres Schicksal freigegeben war, hatte seine körperliche Widerstandskraft nachgelassen.
Verzichten Sie doch darauf, diese Dinge der Rente dem parteipolitischen Streitgespräch auszuliefern!
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Ich habe auch einmal mit Ihnen, Herr Bazille, - ({9})
- Ich komme nicht von einer Wahlversammlung, sondern das ist die Antwort darauf, daß Sie das immer und immer wieder versuchen!
({10})
- Herr Kollege Bazille, ich kann mich daran erinnern, daß ich mit Ihnen hier - draußen in der Halle - auf einem schwarzen Kanapee einmal über diese Dinge gesprochen habe und daß wir beide in der Beurteilung sehr weitgehend einig gewesen sind.
({11})
Ich kann in dieser kurzen Zeit das Problem der Renten nicht erschöpfend behandeln. Aber das ist das Problem der deutschen Sozialpolitik überhaupt, und ich hoffe, daß wir bei der Aussprache darüber einmal zu einem guten Ende kommen werden.
({12})
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Das Wort hat der Herr Justizminister.
Ich möchte nicht den Eindruck entstehen lassen, daß ich irgendwelche leichtfertigen Angriffe gegen die Ärzte oder die Rentner erhebe. Herr Kollege Bazille hat die Dinge wieder aufgegriffen, und ich bin es meinem Ansehen schuldig, hier zu widersprechen.
({0})
Es wäre wirklich verantwortungslos von mir, wenn ich leichtfertig eine These von solchem Gewicht aufstellen wollte.
Ich bin seit Jahren in diesen Problemen drinnen. Mir haben es die Unfallverletzten in der US-Zone mit zu verdanken, daß alle, die über 50 % erwerbsbeschränkt waren, von der Entnazifizierung befreit wurden.
({1})
({2})
- Herr Renner, davon können Sie gar nichts verstehen. Darum ist Ihre Heiterkeit vollkommen unbegründet.
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Ich habe erlebt, daß die Betreffenden mit den Bescheinigungen, die die Ärzte in der US-Zone den Verletzten ausgestellt haben, damit sie dem, ich muß schon sagen, Unheil dieses sonderbaren Entnazifizierungsverfahrens entrannen, ihre Kriegsrenten bezogen haben. Sie kennen ja das merkwürdige Verfahren, das man zunächst besonders in Bayern und notgedrungen dann auch in den anderen Ländern der US-Zone glaubte einschlagen zu müssen. Das sind doch Tatsachen! Glauben Sie, daß das Renten sind, die mit echtem Grund bezogen werden? Das sind Ansprüche, die in die vielen Hunderttausende gehen.
Verhalten der Ärzte, ein sehr ernstes Problem. Ich habe einen Bruder, der Arzt ist, ich habe einen Neffen, der junger Arzt ist; meinen Sie, ich stehe außerhalb der Dinge? Mein Neffe kam zu mir, ein junger, empfindsamer Mensch, und war entrüstet über das, was er erleben mußte, über die Mechanik, die sich da entwickelt hat und die dazu führt, daß am Ende sich kaum ein Arzt mehr diesem Druck entziehen kann. Lesen Sie nach! Vielleicht nur ein Beispiel: Einer der erfahrensten Ärzte, die es jemals auf dem Gebiet des Rentenwesens gegeben hat, war der alte Strümpell. Der erzählte mit Stolz, wie er einmal einen Rentenschwindler, nachdem dieser sechs Jahre Rente bezogen hatte, entlarvt hat. Dieser Mann kam nämlich am Vormittag zu ihm mit allen Zügen der schweren Krankheit, japsend, wehklagend, und am Nachmittag sah ihn der Herr Geheimrat Strümpell am Bahnhof quietschvergnügt zigarrenrauchend einhergehen.
({4})
Das sind die Fälle, die es zu behandeln gilt. Wenn Sie nicht den Willen haben, an- die Dinge heranzugehen, dann verletzen Sie eine wesentliche Pflicht. Der Herr Abgeordnete Renner hat doch recht, daß es Milliarden sind, die hier auf dem Spiel stehen.
Der Herr Abgeordnete Bazille hat mir vorgeworfen, ich wollte einen Keil zwischen Rentenberechtigte und Steuerzahler treiben. Ach, Herr Kollege Bazille, wie sehen Sie die Dinge leicht! Ich habe Ihnen dargelegt, aus welchen Erwägungen ich das Problem angeschnitten habe. Es ist ein wesentliches Problem, das am Ende zu den großen Fragen unserer Zeit führt. Sie, meine Herren, die im Sozialismus etwas Wertvolles sehen, haben, glaube ich, etwas mit Grund bekämpft: das arbeitslose Einkommen. Am Ende ist aus dem Sozialismus
({5})
eine Massenpsychose des arbeitslosen Einkommens herausgewachsen, ein Sichdrängen nach Renten, ohne daß sie verdient sind.
({6})
Das ist die Frage unserer Zeit.
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Eine Bemerkung zu meinem Verhältnis zu den Gewerkschaften. Der Herr Vertreter der Sozialdemokratischen Partei hat ihnen dargelegt, daß ich wahrlich diese Frage nicht leicht nehme. Meine
Reden waren keine Reden gegen die Gewerkschaften, sondern waren Reden um die Gewerkschaften.
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Der Herr Abgeordnete Wönner hat Ihnen erzählt, daß ich in Bayern nicht einmal, sondern wiederholt zu den Betriebsräten gegangen bin, die Auseinandersetzung, das Gespräch mit ihnen gesucht habe. Mir geht es nicht um eine Diffamierung der Gewerkschaften, die man mir unterstellt, sondern um eine echte geistige Auseinandersetzung,
({9})
und mir kann niemand absprechen, daß ich den ehrlichen Willen zu dieser Auseinandersetzung habe.
({10})
Der Herr Abgeordnete Wönner hat wieder einmal den Vorwurf hervorgeholt, ich hätte im Januar 1948 die Gewerkschaften als Hochverräter beschimpft, herabgesetzt. Es ist ganz interessant, zur Illustration zu schildern, wie die Dinge waren. Sie wissen doch, Januar 1948: Hochstand der Fehlentwicklung unserer Wirtschaftspolitik, völlige Entartung unserer Wirtschaft. Das war die Situation, und die Frage war doch: Was ist die richtige Wirtschaftspolitik? Ich kann zu meinen Gunsten behaupten, daß ich schon lange vor dem Juni 1948 verlangt habe: Werft das Steuer der Wirtschaftspolitik herum; wir müssen andere Wege gehen! Was hat damals die Gewerkschaft verlangt? Hat damals der bayerische Gewerkschaftsbund - der Deutsche Gewerkschaftsbund war noch nicht gegründet - eine andere, eine richtige Wirtschaftspolitik verlangt, die dem einzelnen die Lebensgrundlage schafft? Nein! Man hat verlangt: Steigerung der verfehlten Wirtschaftspolitik, nämlich restlose Erfassung aller Güter der Landwirtschaft, des Gewerbes und restlose Verteilung dieser Güter durch den Staat.
({11})
Man hat also eine grundsätzlich falsche Wirtschaftspolitik für richtig gehalten und man hat diese falsche Wirtschaftspolitik am Ende noch mit dem Zwang verfochten, genau so wie jetzt im Januar dieses Jahres. Man hat erklärt: Wenn die Regierung diesen Forderungen nicht entspricht, wird man - na, Sie wissen es ja; damals hat man noch nicht den Mut gehabt, von Streik zu sprechen - das Mittel der Arbeitsruhe anwenden. Ich habe damals im Landtag erklärt - und halte das für richtig -, daß das ein Weg war, der vom Recht wegführte, daß niemand im Staate das Recht hat, unter Druck von der Regierung eine Maßnahme zu fordern. Daß das die Haltung des Hochverrats ist, das habe ich gesagt.
Herr Kollege Wönner hat die Liebenswürdigkeit gehabt, am Schluß seiner Rede meinen politischen Weg darzulegen. Er hat daran erinnert, daß ich einmal in der Zeit des Kapp-Putsches als Reichsbannermann das sozialdemokratische Organ von München, die „Münchener Post", gegen Rechtsradikale verteidigt habe.
({12})
- Ja, wir waren schon vorher dran, bevor das Reichsbanner - der Herr Wönner hat sich geirrt - da war. Ich habe schon, bevor es ein Reichsbanner gab, den „Reichsadler", und dazu in München, geschaffen.
({13})
Herr Kollege Baur, ich habe niemals aus meiner
politischen Haltung ein Hehl gemacht und ich
({14})
habe keinen Anlaß, gar keinen Anlaß, meine politische Vergangenheit irgendwie zu beschönigen oder zu verleugnen.
({15})
Die Frage ist nur, wer den richtigen Weg gegangen ist, Herr Abgeordneter Wönner.
({16})
Die Männer, die damals von der Gewerkschaft her mit mir wirkten - abgesehen von so ausgezeichneten Leuten wie Erhard Auer, die meine Vorstellung von Sozialdemokratischer Partei bestimmt haben; das Gesicht, das sich hier bietet, ist wirklich ein grundsätzlich anderes -, die sitzen heute nicht in der Gewerkschaft
({17})
und schreiben mir traurige Briefe über die Entwicklung der deutschen Gewerkschaft.
({18})
Meine Damen und Herren, durch die Rede des Herrn Ministers ist die Aussprache wieder eröffnet. Es haben sich zwei Redner zum Wort gemeldet. Ich schlage vor, daß man in Anbetracht der sehr reichhaltigen Tagesordnung die Gesamtredezeit begrenzt. Ich schlage Ihnen eine Begrenzung der Gesamtredezeit auf 60 Minuten
({0})
für die etwa gewünschten Antworten auf die Rede des Herrn Ministers vor.
({1})
- Ich habe Ihnen 60 Minuten vorgeschlagen. Wird das angenommen? ({2})
- Da kann ich Ihnen keinen Vorschlag machen. ({3}) -Zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Ewers!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die neue Geschäftsordnung soll am 1. Januar in Kraft treten. Ich bitte alle Abgeordneten, insbesondere die Herren Minister, sich wegen der Frage der Wiedereröffnung der Aussprache in der neuen Geschäftsordnung genau umzusehen. Es ist richtig: ab 1. Januar gilt - mit gewissen Kautelen -, wenn der Minister am Schluß der Rednerliste noch einmal spricht, in gewissem Maße die Debatte als wieder eröffnet. Doch gelten diese Bestimmungen erst ab 1. Januar. Bis heute gilt die alte Geschäftsordnung, und die besagt, daß, wenn nach Abschluß der Beratung, bevor die Abstimmung erfolgt ist, ein Minister noch einmal spricht, die Debatte als wieder eröffnet gilt. Die Handhabung war immer so, daß, wenn keine weiteren Wortmeldungen vorlagen, ein Minister - natürlich nur, solange die Beratung noch nicht geschlossen war - in der Tat dann das letzte Wort haben konnte. Das war eine Regelung, die uns im Geschäftsordnungsausschuß nicht sehr gefallen konnte. Daher die neue Regelung, die ab 1. Januar gilt.
In diesem Falle, Herr Präsident - ich müßte mich sehr irren -, hatten Sie noch nicht die Beratung geschlossen, als Dr. Dehler das Wort nahm, und deswegen ist die Rednerliste, da keine weiteren
Wortmeldungen vorliegen, geschlossen und kann nicht wieder eröffnet werden, es sei denn durch einen Mehrheitsbeschluß des Hauses. Das ist natürlich möglich. Ich empfehle anderen Abgeordneten, Schluß der Beratung zu beantragen; ich selber möchte es nicht tun, weil ich bereits zur Geschäftsordnung gesprochen habe.
({0})
Herr Abgeordneter Ritzel zur Geschäftsordnung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es wird gut sein, wenn dieses Hohe Haus zwei Tatbestände auseinanderhält: einmal die Lage nach der heute noch geltenden vorläufigen Geschäftsordnung und zweitens die Lage nach der vom Hause beschlossenen neuen Geschäftsordnung, die mit dem 1. Januar in Kraft treten soll. Nach der heute gültigen Geschäftsordnung ist die Sache so, daß mit der Rede, die der Herr Minister nach Schluß der Wortmeldungen gehalten hat, die Debatte grundsätzlich neu und ohne Grenzen eröffnet ist. So steht die Partie.
({0})
- Es ist vielleicht nützlich, wenn Sie einmal Gelegenheit nehmen, sich mit den Bestimmungen der Geschäftsordnung etwas vertrauter zu machen.
- Das Haus kann aus seiner Souveränität heraus eine Zeitspanne festsetzen. Aber auch dann werden Sie gut beraten sein, wenn Sie - und damit leite ich zu den Bestimmungen der neuen Geschäftsordnung über - die von Ihnen selbst gebilligte Maßnahme hier erstmals praktizieren, daß im Einzelfall dann die Redezeit etwa so lange sein kann, wie sie der Herr Minister für seine eigene Rede beansprucht hat.
({1})
Nun darf ich noch etwas berichtigen, was Herr Kollege Ewers gemeint hat: die Regelung der neuen Geschäftsordnung bezieht sich nicht auf den heutigen Sachverhalt, sondern sie bezieht sich darauf, daß ein Minister mitten in den Verhandlungen, nachdem bereits Fraktionsvertreter gesprochen haben, von sich aus das Wort ergreift. Wenn die vorher rationierte Redezeit der Fraktionen dann bereits abgelaufen ist, dann bekommen die Fraktionen nach der neuen Geschäftsordnung noch einmal ein Viertel der Redezeit, die die Fraktion vorher hatte.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Mellies.
({0})
- Sie verzichten.
Meine Damen und Herren, der § 97 der Geschäftsordnung spricht nicht vom Schluß der Beratung, sondern vom Schluß der Besprechung.
({1})
- Nein, das ist nicht dasselbe.
({2})
Wenn die Rednerliste erschöpft ist und ich das feststelle, ist die Besprechung abgeschlossen. Wenn der Minister spricht, ist die Aussprache wieder eröffnet.
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
({3})
- Mein Vorschlag wurde offenbar nicht zur Kenntnis genommen. Ich hatte 60 Minuten Rede({4})
zeit vorgeschlagen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. ({5})
Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit. Mein Vorschlag ist abgelehnt. Wir haben somit keine Begrenzung der Redezeit.
({6})
Das Wort hat der Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesjustizminister hätte besser getan, hier keine sozialpolitische Rede zu halten; denn er hat den Schaden, den er angerichtet hat, dadurch eher noch vergrößert. In der Öffentlichkeit muß durch seine Rede, zumal sie durch die Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Hammer unterstützt wurde, der Eindruck entstehen, als könne durch eine Korrektur der Richtlinien für die ärztliche Begutachtung tatsächlich die Möglichkeit geschaffen werden, in der Rentenversorgung gewaltige Summen einzusparen. Diese Möglichkeit besteht in Wirklichkeit aber nicht, da die vom Herrn Minister gegebene Darstellung mit den Tatsachen nicht übereinstimmt. Es hat zwar in der Übergangszeit einmal vorkommen können, daß ein Kriegsbeschädigter auf Grund einer ärztlichen Bescheinigung, die er im Chaos des Zusammenbruchs zur Durchführung seines Entnazifizierungsverfahrens bekommen hatte, eine vorläufige Rente bezogen hat. Diese Zeit ist aber längst vorbei; die Renten nach dem Bundesversorgungsgesetz werden nur noch auf Grund einwandfreier ärztlicher Gutachten gewährt. Die Darstellung des Einzelfalles eines zigarrenrauchenden Schwerbeschädigten ist so absurd, daß ich im Rahmen dieser Debatte darauf wohl kaum einzugehen brauche.
({0})
Ich möchte Sie aber darauf aufmerksam machen, daß Ihrer Beschlußfassung über den von uns eingebrachten Antrag nach Abschluß der Aussprache eine außergewöhnliche Bedeutung für die gesamte deutsche Öffentlichkeit zukommt.
({1})
Billigen Sie den von uns eingebrachten Antrag, dann bescheinigen Sie damit, daß der Herr Bundesminister der Justiz mit seiner Darstellung im Unrecht ist. Lehnen Sie unseren Antrag ab, dann erwecken Sie in der gesamten deutschen Öffentlichkeit den Anschein, daß der Bundesjustizminister mit seiner Darstellung recht hat. Die deutschen Kriegsopfer werden aber die Antwort darauf nicht schuldig bleiben.
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Das Wort hat der Abgeordnete Paul.
Meine Damen und Herren! Ich komme auf die Rede des Herrn Bundesministers der Justiz vom 16. Oktober zurück, die er im bayerischen Rundfunk halten wollte, die dann aber auf Grund der Tagessituation auf Empfehlung des Bundeskanzlers abgeändert wurde. In dieser Rede behauptet der Bundesjustizminister, daß die Gewerkschaften mit ihren überspitzten Forderungen, die sie in der Zeit vor der Währungsreform stellten, an dem damaligen Elend und der mangelhaften Versorgung der Bevölkerung schuld gewesen seien. Der Abgeordnete Euler hat heute genau dasselbe behauptet. Das gleiche
wurde auch auf dem FDP-Parteitag in München dargelegt. Jeder Arbeiter weiß aber, wie die Situation war. Während die Arbeiter für lumpige Groschen arbeiten mußten und die Werktätigen mit einem trockenen Stück Brot in die Grube und in die Stahlwerke gingen, häuften die Großkapitalisten ungeheure Warenmengen an. Das wurde von den damaligen Regierungen gedeckt und von jenen Leuten gutgeheißen, die in der Koalition sitzen, die hinter der Adenauer-Regierung steht. Die Arbeiterschaft wurde um den Gegenwert ihrer Arbeitskraft gebracht. Ich frage: Wo kamen denn die 58 Milliarden DM her, die seit der Währungsreform in der Industrie investiert wurden? Sie kamen aus den Währungsgewinnen der Großkapitalisten, der Schieber, die heute von der Regierungskoalition verteidigt werden, indem man die Gewerkschaften beleidigt, angreift und verdächtigt.
In der Rede des Herrn Bundesjustizministers wird weiter gesagt, daß die Bauarbeiter im vergangenen Sommer gestreikt hätten, während für Tausende von Menschen keine Wohnungen da seien. Jeder Arbeiter weiß aber - und vor allen Dingen wissen es die Bauarbeiter -, daß sie wochenlang eine Erhöhung ihrer Löhne vergeblich gefordert haben. Sie haben es wegen der Preispolitik tun müssen, die die Bundesregierung getrieben hat. Und war es bei der Lohnbewegung der Landarbeiter, bei dem Landarbeiterstreik nicht so, daß diese in Niedersachsen mit den Unternehmern, mit den Großgrundbesitzern um die Erhöhung ihrer erbärmlichen Löhne und Deputate schon monatelang rangen. Waren es nicht die Großgrundbesitzer in Niedersachsen, die immer und immer wieder die berechtigten Lohnforderungen der Landarbeiter abgelehnt haben? Jetzt aber kommt so ein Justizminister her und versucht, die Landarbeiter des Abweichens von dem Wege des Rechts zu zeihen, oder er kommt auf die Kämpfe der hessischen Metallarbeiter zurück und sagt: „Der Kampf der hessischen Metallarbeiter war eine machtpolitische Demonstration". In Wirklichkeit war es so, daß die hessischen Metallarbeiter seit Wochen eine Lohnerhöhung forderten, die der Preisentwicklung entsprach. Wenn die Arbeiter infolge der provokatorischen Haltung des Großunternehmertums nun zu dem Mittel der Arbeitsniederlegung greifen, dann wagt man es, die Bauarbeiter und die Metallarbeiter zu bezichtigen, sie wollten die Wirtschaft stören.
Die Angriffe des Herrn Dehler auf die Sozialleistungen, auf die Renten der Witwen und Waisen, der Kriegsbeschädigten, der Altersrentner, der alten Leute, sind nicht irgendwie ein theoretischer Streit, sondern ihnen liegt die Absicht zugrunde, die auch der Bundesfinanzminister Schäffer gegenüber einem Vertreter des „Fränkischen Tag" äußerte: er werde jetzt als Sparkommissar auftreten und dafür sorgen, daß die zu Unrecht bezogenen Renten abgeschafft würden, damit er seinen sogenannten Verteidigungsbeitrag, d. h. die militärisch-kriegerischen Vorbereitungen, bezahlen könne. Das erklärte der Bundesfinanzminister gegenüber einem Reporter des „Fränkischen Tag" noch im vergangenen Monat.
Das hängt eng mit der Preispolitik der Regierung zusammen; das hängt zusammen mit den Angriffen auf die bestehenden Mieten, mit der beabsichtigten Freigabe der Mieten und mit der Lockerung des sogenannten Mieterschutzes. Alle diese Maßnahmen sind Glieder in der Kette einer volksfeindlichen Politik, einer Politik, die nichts
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anderes will, als die ganzen Lasten der verfehlten Politik dieser Regierung auf die Schultern der Werktätigen abzuwälzen, die zum Ziele hat, Geld einzutreiben, aber nicht für soziale Zwecke, nicht für den Wohnungsbau, nicht für die Hebung der Löhne, sondern für die Finanzierung jener Aufträge, die jetzt Herr Adenauer in Paris von seinem amerikanischen Auftraggeber erhalten hat.
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Ich sage Ihnen mit aller Deutlichkeit: Die Arbeiterschaft wird sich diese Politik nicht länger gefallen lassen. Die Herren Adenauer und Dehler haben gesagt, man wolle jetzt die Straße gegen sie mobil machen. Die Regierung kann und wird keine Vernunft annehmen. Infolgedessen muß jetzt die Arbeiterschaft - und sie wird das! - in den Betrieben, auf den Baustellen, in den Kohlengruben ihre berechtigten Forderungen anmelden und den Kampf dafür aufnehmen.
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Die gesamte Bevölkerung - sie bringt es Tag für Tag mehr zum Ausdruck - wird der Politik der Remilitarisierung und der Ausplünderung Widerstand leisten. Sie wird den Kampf gegen diese volksfeindliche Regierung, die die Remilitarisierung betreibt, verstärken, und sie wird erzwingen, daß eine Regierung kommt, die wirklich Verständnis für die breiten Massen aufbringt. Wir brauchen eine Regierung, die die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes vorantreibt und damit unserem Volke die Kosten der Remilitarisierung, neue Blutopfer, neue Leiden erspart. Wir brauchen eine Regierung, die die Wiedervereinigung Deutschlands anstrebt, damit in Europa und in der Welt den Kriegstreibern das Handwerk gelegt wird und den Völkern der Friede erhalten bleibt.
({3})
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krone.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion lehnt den Antrag der SPD ab; sie hat sich an der Debatte in keiner Weise beteiligt, möchte aber auch feststellen, daß sie nicht mit dem einverstanden ist, was der Herr Kollege Bazille aus unserem Schweigen glaubt schließen zu können. Wir sind der Meinung: dieser Antrag auf Mißbilligung spielt in der Praxis der Geschäftsordnung noch eine umstrittene Rolle. Er hat keine Konsequenz. Er bildet das Mittel, um hier eine Debatte heraufzuführen, die, wie wir gesehen haben, ausgeufert ist, ohne in allen Punkten sachlich zu sein.
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Wenn wir den Antrag ablehnen, nehmen wir damit zu der Materie in keiner Weise Stellung.
({1})
Ich bitte, auch sagen zu dürfen, daß wir in keiner Weise eine Haltung gegen unsere Kriegsopfer einnehmen.
({2})
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen. Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 2714 ({0}) der Fraktion der KPD betreffend Mißbilligung der Haltung des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wer für die Annahme des Antrags der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2897 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letzte ist die Mehrheit. Auch dieser Antrag ist abgelehnt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Nachweisungen der Ausführung von Beschlüssen des Bundestages ({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung 10 Minuten und für die Aussprache 40 Minuten vor.
- Kein Widerspruch. Es ist so beschlossen. Wer begründet den Antrag der Bayernpartei? - Es scheint offenbar niemand da zu sein.
({2})
- Dann stelle ich diesen Punkt zurück.
Ich rufe auf Punkt 5 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Abgeordneten Jacobi, Dr. Dresbach, Dr. Becker ({3}), Dr. Reismann und Genossen betreffend Ausschuß für Kommunalpolitik ({4}).
Meine Damen und Herren, ist es notwendig, daß dieser Antrag besonders begründet wird?
({5})
- Soll er begründet werden?
({6})
- Wenn gewünscht wird, daß er begründet wird, muß ich ihn begründen lassen. Wer soll ihn begründen? - Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach.
Dr. Dresbach ({7}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 6. November erschien in der „Bayrischen Gemeindezeitung" ein Artikel: „Wann kommt endlich der kommunalpolitische Ausschuß im Bundestag?". Die Antragsteller konnten sich diesem Notruf aus Bayern nicht verschließen und haben deshalb bereits am 15. November diesen Antrag gestellt, der Ihnen nunmehr vorliegt. Herr Präsident, darf ich Sie jetzt bitten, mir schon unter Bezugnahme auf § 37 der künftigen Geschäftsordnung gütigst zu erlauben, daß ich verlese?
Ja!
Dr. Dresbach ({0}), Antragsteller: Die Antragsteller sind sich bewußt, daß die Gesetzgebung über das Kommunalverfassungsrecht bei den Ländern liegt. Die gleiche Lage ist beim kommunalen Abgabenrecht gegeben, allerdings im Rahmen der Art. 105 Abs. 2 Ziffer 3 und 106 Abs. 2 des Grundgesetzes. Hier ergibt sich das besondere Interesse am materiellen Recht der reinen Kommunalsteuern, das der Bund in seine Gesetzgebung einbezogen hat: Gewerbesteuer und Grundsteuer. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die endgültige Regelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern gemäß Art. 107 des Grundgesetzes ebenfalls stark die Interessen der Gemeinden und Gemeindeverbände treffen wird. Die Bundesgesetzgebung auf dem Gebiete des Beamtenrechts im
({1})
Sinne des Art. 75 Ziffer 1 berührt die Gemeinden nur rahmenmäßig. Soweit die Gemeinden und Gemeindeverbände in Bundesauftragsangelegenheiten tätig werden, sind die Rechte des Bundes gemäß Art. 85 Abs. 2 Satz 2 in der Beamtenrechtsgesetzgebung schon stärker. Die Gesetzgebung zu Art. 131 hat schließlich gezeigt, wieweit der Bund in das innerste Gefüge, d. h. in die Personalhoheit der Gemeinden eingreifen kann.
Zum kommunalen Wirtschaftsrecht kann die Auffassung vertreten werden, daß hier die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes gemäß Art. 74 Ziffer 11 in Frage kommt. Verwiesen sei auf die bedeutsame Rolle der Gemeinden und Gemeindeverbände bei der Energieversorgung, der Wasserwirtschaft, beim Nahverkehr und auch bei der Ernährungswirtschaft, soweit die Schlacht- und Viehhöfe der größeren Städte zur Verfügung stehen.
Die gesamte kommunale Wirtschaft berührt sich wiederum mit den Fragen der Kreditversorgung. Wie stark die Interessen der Gemeinden und Gemeindeverbände von allen Interventionen des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Siedlungs- und Wohnungswesens berührt werden, braucht wohl nicht näher ausgeführt zu werden. Kurz vermerkt sei hier der vom ersten Bundeswohnungsbaugesetz verordnete zehnjährige Grundsteuerausfall.
Die Funktionen des Trägers der öffentlichen Fürsorge bringen die Gemeinden und Gemeindeverbände in enge Berührung mit der Sozialversicherung und damit in den. Bereich der Anrechenbarkeit der übrigen sozialen Leistungen einschließlich derer der Soforthilfe. Der Umstand, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände Betriebseigentümer sind, macht sie zum mindesten zu starken Interessenten an der sozialpolitischen Gesetzgebung, sei es auf dem Gebiet des Mitbestimmungsrechts, sei es auf dem Gebiet des Tarifvertragswesens, des Kündigungsschutzes usw. Die Gemeinden dürfen hier mit gutem Recht eine Sonderstellung gegenüber der Erwerbswirtschaft verlangen. Der Tatbestand des Betriebseigentums ragt in den Komplex des Lastenausgleichs hinein.
Diese Aufzählung von Berührungspunkten zwischen Gemeinden und Bund und dessen Gesetzgebung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Das sogenannte Dritte Reich hat, gestützt auf die Vorarbeiten in der Weimarer Republik, das Kommunalrecht durch Reichsgesetzgebung stark vereinheitlicht. Es darf festgestellt werden, daß die damals geschaffenen Vorschriften über Haushaltsrecht, Kassenrecht, Eigenbetriebe usw. nach wie vor ganz oder teilweise in den Ländern gelten und daß beispielsweise die sogenannte revidierte Gemeindeordnung, die vom britischen Gesetzgeber oktroyiert wurde, das Finanz- und Wirtschaftsrecht der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 fast kopiert hat. Auf dem Gebiet des Kommunalverfassungsrechts haben es sich die Besatzungsgesetzgeber dagegen sehr angelegen sein lassen, das Recht ihrer Heimatländer aufzuzwingen, so daß hier allmählich eine Art babylonischer Sprachenverwirrung entstanden ist. Genannt sei beispielsweise das sinngemäße Auseinanderfallen gleichlautender Dienstbezeichnungen in der britischen Zone einerseits und in den anderen Besatzungszonen andererseits.
Das Interesse des Bundes an einem weitgehend gleichförmigen Kommunalverfassungsrecht ist vor allem im Hinblick auf die Art. 84 und 85 des
Grundgesetzes gegeben, d. h. also in der Ausführung der Bundesgesetze. Der Begriff „nachgeordnete" Behörde in Art. 84 Abs. 3 des Grundgesetzes betrifft nicht nur unmittelbare Landesbehörden, beispielsweise solche der inneren Verwaltung, sondern auch Kommunalbehörden. Der Begriff „alle Behörden" gemäß Art. 85 Abs. 4 des Grundgesetzes erfaßt auch die Gemeinden und Gemeindeverbände.
Mit einer Zunahme der Bundesgesetzgebung und der Bundesaufträge muß gerechnet werden. Unser ganzes Tun und Treiben in diesem Hohen Hause bietet den Beweis. Für die steigenden Aufgaben der Bundessicherheit kommt eine wachsende Verwaltungstätigkeit in Frage, die früher unter der Abkürzung RV verstanden wurde. Wenn aber solche Aufgaben wachsen oder wieder erwachsen, dann hat gerade der Bund ein Interesse daran, die Gemeinden und Gemeindeverbände gleichförmig ansprechen zu können, und er hat ein weiteres Interesse daran, daß die Gemeinden - wie übrigens auch die Länder - über die genügende Verwaltungskraft verfügen.
Die Antragsteller glauben, den Sinn des Grundgesetzes dahin auslegen zu dürfen, daß es besser sei, die Gemeinden und Gemeindeverbände als Unterinstanz in Bundesauftragsangelegenheiten einzuschalten, denn neue vertikale Sonderbehörden des Bundes aufzubauen. So ist beispielsweise den Stadt- und Landkreisen die Errichtung der Soforthilfeämter übertragen worden. Die Gefahr neuer Bundessonderbehörden steht aber offensichtlich vor der Tür, wie die Anträge auf den Drucksachen Nrn. 2852 und 2853 besagen. In diesen Anträgen zur Ergänzung des Art. 87 des Grundgesetzes wird nicht mehr und nicht weniger verlangt als eine bundeseigene Verwaltung für Angelegenheiten der Vertriebenen, und zwar in Form von Mittel- und Unterbehörden. Wenn es nicht zur Errichtung neuer Bundessonderbehörden kommen soll, dann muß der Bund ein wachsames Auge für die Lage der Gemeinden und Gemeindeverbände haben und eine starke koordinierende Stellung einnehmen. Die gegebene Stelle hierfür ist das Bundesministerium des Innern.
Das Interesse der Gemeinden und Gemeindeverbände verlangt auf der andern Seite, daß jegliche Gesetzgebung des Bundes, die neue Aufträge und Ausgaben für die Gemeinden und Gemeindeverbände bringt, durch eine Art von Filter gesiebt werde. Die meisten der Antragsteller sind deshalb auch der Meinung, daß die gegenwärtigen Referate im Bundesministerium des Innern nicht genügen, sondern daß es zu einer regelrechten Kommunalabteilung im Sinne der Abteilung V des früheren Reichsinnenministeriums kommen muß. Die Antragsteller sind sich aber bewußt, daß es bis dahin noch lange Weile haben kann, daß aber dann der besagte Filter zum mindesten in Form eines Ausschusses für Kommunalpolitik des Bundestages eingerichtet werden muß. Die Belange der Gemeinden und Gemeindeverbände können unter dem Gesichtswinkel des Bundes nicht nur dem Bundesrat anvertraut werden, zumal da es auf dem sehr wichtigen Gebiet der sogenannten inneren Finanzausgleiche auch starke Konfliktspunkte zwischen den Ländern einerseits und den Gemeinden und Gemeindeverbänden andererseits geben kann. In kommunalen Dingen muß es eine volle Parität zwischen Bundestag und Bundesrat geben. Deshalb der Antrag. Er trägt den Interessen der Gemeinden Rechnung, aber er legt das Schwergewicht auf
({2})
das Interesse des Bundes an den Gemeinden, und zwar im Sinne genügender Verwaltungskraft zur Erfüllung von Bundesauftragsangelegenheiten.
Der Antrag zielt nicht auf eine Verfassungsänderung; in den Motiven ist sogar einmal angeführt worden, daß er eine Änderung des Grundgesetzes vermeiden will. Deshalb dürfte er für alle Parteien annehmbar sein.
Und nun noch ein Wort der freien Rede: Kommunalpolitiker aller Parteien, vereinigt Euch!
({3})
Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt vor, auf eine Aussprache zu verzichten. - Das Haus ist einverstanden. Ich lasse abstimmen.
({0})
- Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Mende!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundsätzlich stimmen wir diesem Antrag zu. Wir möchten aber doch im Geschäftsordnungsausschuß, da wir ohnehin über die Gesamtstruktur unserer Ausschüsse beraten werden, diesen Antrag noch einmal prüfen, vielleicht mit der Frage, ob es nicht genüge, einen Unterausschuß im Rahmen des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu schaffen. Vergessen wir nicht, daß wir über 40 Ausschüsse haben und versuchen wollen, um einer rationellen Gestaltung unserer Arbeit willen einige Ausschüsse zusammenzulegen. Ich bitte daher um Überweisung dieses Antrages in den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität.
Das Wort hat Herr
Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, eine Überweisung dieses Antrages nicht zu beschließen; denn die Erörterungen, die Herr Kollege Mende eben angedeutet hat, werden sich dort naturgemäß sehr lange hinziehen. Ich fürchte sogar, wir werden vor Abschluß dieses Bundestages zu keinem Resultat kommen; das würde also praktisch bedeuten, daß bis dahin der Ausschuß nicht eingesetzt würde. Wir sind aber wohl alle der Überzeugung, daß angesichts der Gesetzgebung, die bevorsteht, dieser Ausschuß unbedingt notwendig ist. Deshalb sollte das Haus den Antrag heute annehmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse zunächst über den Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität abstimmen. Wer für die Überweisung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; abgelehnt.
Dann lasse ich über den Antrag selbst - Drucksache Nr. 2834 - abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen einige Stimmen angenommen.
Abgeordneter Dr. Etzel ist jetzt hier. Dann rufe ich auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der Bayernpartei betreffend Nachweisungen der Ausführung von Beschlüssen des Bundestages ({0}).
Das Wort zur Begründung des Antrages hat Herr Abgeordneter Dr. Etzel.
Dr. Etzel ({1}) ({2}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag zielt auf die Herstellung einer besseren Ordnung im Verhältnis zwischen dem Parlament und der Exekutive und will die Neigung und Bereitschaft der Bundesregierung stärken, den an ihre Adresse gerichteten Beschlüssen des Bundestages die erforderliche Beachtung zu widmen. Sie soll gehalten sein, ihm von sich aus, unaufgefordert fortlaufend über die Durchführung der Beschlüsse und die Art ihrer Durchführung zu berichten und im Behinderungsfalle die Gründe zu eröffnen, aus denen die Ausführung bzw. die fristgemäße Ausführung der Beschlüsse unterblieben ist, ohne daß es erst einer über die Drucksachen laufenden Anfrage oder der massiveren Mittel einer Interpellation oder der Zitierung eines Kabinettsmitgliedes bedarf.
Ich will davon Abstand nehmen, eine Anzahl von Beschlüssen zu nennen, über deren weiteres Schicksal dem Bundestag von der Regierung nichts mitgeteilt worden ist. Ich darf aber auf eine Anfrage Nr. 235 auf Drucksache Nr. 2898 hinweisen, in der sich die Sozialdemokratische Partei soeben veranlaßt gesehen hat, zwei am 1. März 1950 und am 15. Dezember 1950 vom Bundestag einstimmig gefaßte Beschlüsse zu reklamieren. In Bayern wird dem Landtag von der Regierung fortlaufend Auskunft über die Durchführung der Landtagsbeschlüsse erteilt. Auf schriftlich begründetes Verlangen von 15 Abgeordneten, die mit der Durchführung nicht einverstanden oder zufrieden sind, hat der Präsident den Gegenstand auf die Tagesordnung zu setzen. Das ist eine Regelung, die sich bewährt und als der Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem Parlament förderlich erwiesen hat. Wir wollen nichts anderes als das. Wir wollen gleichzeitig allerdings auch die Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle. Ich glaube, daß das Hohe Haus sich in der Lage sehen kann, unserem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Müller ({0}).
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Bayernpartei betrifft eine Angelegenheit der Geschäftsordnung. Das Verfahren der Auskunfterteilung seitens der Regierung über die Ausführung der Beschlüsse des Bundestags ist in der alten Geschäftsordnung so geregelt, daß der Regierung keine Pflicht auferlegt ist, innerhalb einer bestimmten Frist Auskunft über die Ausführung der Beschlüsse des Bundestags zu geben. Wir haben versucht, in der neuen Geschäftsordnung diesen Mangel einigermaßen zu reparieren, und haben eine Formulierung aufgenommen, die das Hohe Haus vor acht Tagen angenommen hat, nach der die Regierung in einer „angemessenen Frist" über die Ausführung der Beschlüsse des Bundestags zumindest Bericht erstatten soll. Wir haben einen zweiten Satz hinzugefügt: „Der Bundestag kann die Auskunft binnen einer von ihm zu bestimmenden Frist verlangen." Das bezieht sich selbstverständlich auf den Einzelfall, dicht auf eine laufende zusammenfassende Berichterstattung pro Quartal über die laufenden Anträge bzw. Gesetzesvorschläge.
Wir sind grundsätzlich durchaus nicht gegen die Tendenz, die in dem Antrag der Bayernpartei liegt
({0})
und die zum Ziel hat, einen besseren Kontakt zwischen Regierung und Parlament und, vielleicht könnte man sogar sagen, einen besseren Respekt seitens der Bürokratie vor den Beschlüssen des Parlaments zu erreichen, einen besseren Respekt deshalb, weil es, wie die Bayernpartei schon festgestellt hat, kein idealer Zustand ist, daß die Regierung seitens der Fraktionen von Zeit zu Zeit daran erinnert werden muß, Auskunft zu geben, was mit diesem oder jenem Beschluß überhaupt geschehen ist. Wenn man sich eine Liste der Gesetzesvorschläge bzw. Anträge auf Vorlage eines Gesetzes betreffend .diesen oder jenen Gegenstand, die bis heute noch bei der Ministerialbürokratie ruhen, fertigen läßt, so ergibt sich eine ganz respektable Liste von Gesetzentwürfen, die das Haus gewünscht hat und die es bis heute vermißt. Aber, verehrte Kollegen von der Bayernpartei, wir hätten gewünscht, daß Sie diese Angelegenheit bei der vor acht Tagen erfolgten Beschlußfassung über die neue Geschäftsordnung vorgebracht hätten.
({1})
Es wäre eine Kleinigkeit gewesen, diese Frage in einem Abänderungsantrag zu § 113 der Geschäftsordnung anzusprechen. Dann hätten wir die Sache bereits am vorigen Donnerstag erledigt.
({2})
Jetzt hat sich die Situation ergeben, daß wir, nachdem wir in der betreffenden Sitzung um ein halb elf Uhr abends die neue Geschäftsordnung verabschiedet hatten - wenn die Tagesordnung weitergelaufen wäre -, als nächsten Punkt bereits den ersten Antrag auf Abänderung der neuen Geschäftsordnung, die erst am 1. Januar 1952 in Kraft treten soll, hätten beraten müssen. Diese Arbeitsweise müssen wir kritisieren.
({3})
- Selbstverständlich ist das eine Angelegenheit der Geschäftsordnung. Der § 113 der Geschäftsordnung - lesen Sie es nach - spricht deutlich von der Verpflichtung der Regierung, über Beschlüsse des Bundestags Auskunft zu geben. Die Angelegenheit ist klar geregelt. Nur stellen Sie jetzt die zusätzliche Forderung - die wir an und für sich nicht ablehnen wollen -, die Regierung zu verpflichten, alle Vierteljahre eine zusammenfassende Darstellung der Behandlung der Beschlüsse des Bundestags vorzulegen.
Wir stimmen also grundsätzlich für den Antrag der Bayernpartei, müssen jedoch unserem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß der Antrag erst heute vorgebracht worden ist. Wir beantragen die Überweisung dieses Antrages an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität. Ich glaube, dort wird er am besten weiter bearbeitet. Wenn wir uns dort einigen, wird dieser Antrag zwangsläufig zu der ersten Abänderung bzw. Ergänzung unserer neu geschaffenen Geschäftsordnung führen.
Weitere Wortmeldungen? - Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bedauern, das der Herr Vorredner darüber ausgesprochen hat, daß wir diesen Antrag nicht im Verlauf der Debatte über die neue Geschäftsordnung vorgebracht haben, ist, glaube ich, nicht ganz begründet. Nach unserer Auffassung - auch wir haben entsprechende Überlegungen angestellt - kann es sich hier nicht um
eine Bestimmung der Geschäftsordnung handeln, sondern es geht um ein ausdrückliches Ersuchen an die Bundesregierung und eine generelle, über den Einzelfall hinausreichende Regelung. Ich brauche kaum hervorzukehren, daß unser Antrag bereits vom 15. November 1951 datiert ist. Wir hätten ihn in den Zusammenhang der Debatte über die Geschäftsordnung stellen können. Ich glaube aber, es wäre verfehlt gewesen; es steht nicht ein Gegenstand der Geschäftsordnung in Frage. Die Regelung, die sich auf den Einzelfall, von dem der Herr Vorredner gesprochen hat, bezieht, ist eine Sache der Geschäftsordnung. Anders ist es bei einer generellen Regelung, auf die es uns bei unserem Antrag ankommt, um eine systematische, methodische und organische Zusammenarbeit zwischen dem Parlament und der Bundesregierung wenigstens erleichtern zu helfen.
Wir sind selbstverständlich mit der Anregung des Herrn Vorredners, den Antrag an den Ausschuß zu überweisen, einverstanden.
Meine Damen und Herren, ich bitte, sich an dieser Sache keine große Debatte entzünden zu lassen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bayernpartei irrt, wenn sie glaubt, daß diese Materie in der Geschäftsordnung nicht geregelt sei; sie ist geregelt, und zwar wesentlich strenger, als hier vorgesehen ist, daß nämlich die Bundesregierung in jedem Falle und nicht nur im Einzelfalle in angemessener Frist berichten muß. Ob ein Vierteljahr angemessen ist, das ist durchaus nicht gesagt. Wir gehen von wesentlich kürzeren Fristen aus; und wenn die Fristen nach unserer Ansicht unangemessen lang werden, dann kann der Bundestag jederzeit eine Frist von einer Woche setzen, wenn er es für richtig hält.
Deswegen ist dieser Antrag in dieser Form unmöglich anzunehmen, wenn Sie nicht die Geschäftsordnung wieder ändern wollen, und zwar zugunsten der Bundesregierung. Wir haben für jeden Fall vorgeschrieben, daß die Bundesregierung nunmehr in angemessener Frist berichten soll, und es ist keine Rede davon, daß das ein Vierteljahr sei.
Die Überweisung kann geschehen; aber ich glaube, daß das gar nichts mehr ändern wird. Wir werden es, wie ich hoffe, bei den strengeren Vorschriften der neuen Geschäftsordnung belassen.
Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Der Antrag ist gestellt, die Drucksache Nr. 2833 an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Einstimmig angenommen. Dieser Punkt der Tagesordnung ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Beratung der Übersicht Nr. 43 über Anträge von Ausschüssen des Deutschen Bundestages über Petitionen ({0}).
Wer für die Annahme der Vorschläge des Ausschusses ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses ({1}) über die Haushaltsrechnungen der Verwaltung des
({2})
Vereinigten Wirtschaftsgebietes für die
Rechnungsjahre 1947, 1948 und für das
Rechnungsjahr 1949 ({3}) ({4}).
Es handelt sich um die erste Aussprache über eine Rechnungsprüfung im Bundesgebiet. Ich glaube, daß ich auf die Bedeutung dieser Aussprache nicht besonders hinzuweisen brauche.
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Blank als Berichterstatter.
Dr. Blank ({5}) ({6}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jedes moderne privatwirtschaftliche Unternehmen muß, abgesehen von bestehenden gesetzlichen Verpflichtungen, darauf sehen, die Wirtschaftlichkeit des Geschäftsablaufs zu prüfen. Dies wird besonders deutlich bei Kapitalgesellschaften, bei denen die Anteilseigner ein Interesse daran haben, daß rationell gewirtschaftet wird. In einem ähnlichen Verhältnis steht der Steuerzahler dem Staat gegenüber; und so wird sich in einem demokratischen Staatswesen die politische Kontrolle des öffentlichen Haushalts nicht auf die Vorbereitung des Etats beschränken können und daneben auf laufende Überwachung der Durchführung des Haushaltsplanes. Es wird ein gleich starker Akzent auch auf die Abrechnung und die Entlastung nach Vollzug des Haushalts gelegt werden müssen.
Mit der Bilanz eines Geschäftsunternehmens ist eine Haushaltsrechnung natürlich nicht zu vergleichen; denn sie ist nicht eine Erfolgsrechnung, die nach Abschluß des Geschäftsjahres durch Vergleich mit den Vorjahrsergebnissen feststellt, ob sich das Vermögen vergrößert oder vermindert hat, sondern sie stellt dem Voranschlag dessen Vollzug gegenüber, um zu ermitteln, ob das Gleichgewicht gehalten worden ist oder ob die Exekutive über den durch das Parlament bewilligten Haushaltsplan und über die damit erteilten Ermächtigungen hinausgegangen ist bzw., was ja möglich und wünschenswert ist, sogar mit ihren Ausgaben unter dem Voranschlag geblieben ist. Aufgabe der politischen Kontrolle im Rahmen der Haushaltsrechnung ist also nicht nur eine rechnerische Betrachtung, sondern eine Prüfung dahingehend, ob Veränderungen gegenüber dem Voranschlag eingetreten sind, wie sie entstanden sind, d. h. welche Gründe dafür angegeben werden, und ob sie vom Standpunkt des Parlaments aus gebilligt werden können oder nicht. Auf diese Weise prüft man im besonderen auch die Verantwortlichkeit der Bundesregierung hinsichtlich der von ihr getroffenen vom Haushaltsplan abweichenden Maßnahmen.
Wichtig ist die Kontrolle eines abgelaufenen Haushalts für das Parlament selbst, für die Regierung und nicht zuletzt für die Öffentlichkeit.
Für das Parlament ist eine solche Prüfung insofern von besonderer Bedeutung, als festgestellt wird, inwieweit die Exekutive das vornehmste Recht des Parlaments, das Budgetrecht, beachtet oder mißachtet hat, damit gegebenenfalls entsprechende Konsequenzen durch das Parlament gezogen werden können, oder ob von der Regierung Ausgaben über den beschlossenen Haushaltsplan hinaus für Zwecke geleistet worden sind, die nicht die Billigung der gesetzgebenden Körperschaft finden. Außerdem gewinnt das Parlament durch die Kontrolle des Voranschlages und der Abrechnung im Wege der Gegenüberstellung eine wichtige Grundlage für die Gestaltung künftiger Haushalte.
Nun hat in der Vergangenheit die Prüfung der von den Verwaltungen vorgelegten Rechnungen durch den Rechnungshof relativ lange Zeit in Anspruch genommen. Es war regelmäßig so, daß die Bemerkungen und die Denkschrift des Rechnungshofes zur Jahresrechnung erst mehr als 12 Monate später vorlagen als die von der Regierung aufzustellende Jahresrechnung. Das war natürlich sehr unerwünscht; denn je größer die Spanne zwischen dem Abschluß des Haushaltsjahres und der Vorlegung der Jahresrechnung nebst Denkschrift wird, desto mehr verlieren diese Dokumente ihren praktischen Wert, weil in der parlamentarischen Ebene das Interesse an weit zurückliegenden Vorgängen naturgemäß nachläßt. Die Ergebnisse einer so verzögerten Prüfung können nur verspätet und unter Umständen sogar überhaupt nicht mehr für die künftige Haushaltsgebarung nutzbar gemacht werden.
Das trifft leider auch noch bis heute zu. Das Grundgesetz hat aber im Art. 114 zwingend vorgeschrieben, daß die allgemeine Rechnung und Übersicht über das Vermögen und die Schulden dem Bundestag und dem Bundesrat im Laufe des nächsten Haushaltsjahres mit den Bemerkungen des Rechnungshofes zum Zwecke der Entlastung der Bundesregierung vorzulegen sind. Der Bundestag hat durch Gesetz bestimmt, daß die Reichshaushaltsordnung zunächst Grundlage für die Ordnung des Haushaltswesens des Bundes ist, und durch Gesetz über Errichtung und Aufgaben des Bundesrechnungshofes vom 27. November 1950 ist der Rechnungshof nicht nur die oberste Rechnungsprüfungs-Behörde für die Bundesorgane und die Bundesverwaltung geworden, sondern er überwacht gemäß § 4 die gesamte Haushalts- und Wirtschaftsführung der Bundesorgane und Bundesverwaltungen.
Leider konnte durch die bisherige Entwicklung die Bestimmung des Grundgesetzes nicht eingehalten werden. Das vorgelegte Material, das der Drucksache Nr. 2907 beigefügt ist und das die Damen und Herren heute auf ihren Plätzen finden, gibt mit Abschriften zweier Schreiben des Präsidenten des Bundesrechnungshofs vom 8. Juni 1951 und des Bundesministers der Finanzen vom 29. Juni 1951 Aufschluß über den derzeitigen Stand. Dem Material sind außerdem die hier wichtigen Angaben aus der Haushaltsrechnung des Jahres 1947 beigefügt. Diese Haushaltsrechnung hätte seinerzeit dem Wirtschaftsrat des Vereinigten Wirtschaftsgebiets vorgelegt werden müssen. Dazu ist es nicht mehr gekommen. Man hat seinerzeit nur soviele Exemplare gedruckt, wie es der verhältnismäßig geringen Mitgliederzahl des Wirtschaftsrats entsprach. Infolgedessen hat man aus Sparsamkeitsgründen darauf verzichtet, dieses ganze Material noch einmal neu drucken zu lassen. Sie finden, wie gesagt, die wesentlichen Angaben über 1947 in dem Ihnen vorliegenden Material. Für 1948 und die erste Hälfte 1949 sind sämtlichen Mitgliedern dieses Hohen Hauses die verhältnismäßig umfangreichen grünen Hefte zugegangen.
Regierung und Parlament werden dafür sorgen müssen, daß der klaren Bestimmung des Art. 114 des Grundgesetzes künftig Rechnung getragen wird. Je enger die Vorbereitung und Feststellung eines Haushalts, dessen Vollzug, Abrechnung und Prüfung mit der zu erteilenden Entlastung zeitlich zusammengerückt werden, um so deutlicher kommt der Rhythmus des staatlichen Lebens zum Aus508 Deute er Bundestag ({7})
druck, um so mehr wird eine Selbstbeobachtung und Kritik möglich.
Für die Regierung wird das Bewußtsein der wirkenden Kontrolle des abgelaufenen Haushalts und der daran hängenden Entlastung eine ständige Mahnung sein, sich an den Voranschlag zu halten und den Gesichtspunkt der Sparsamkeit laufend zu beachten, so wünschenswert Ausgaben, die über den Haushaltsvoranschlag hinausgehen, im einen oder andern Falle auch sein mögen.
Bis zum Jahre 1933 war ständig gerade in Fragen der Haushaltsgebarung ein gewisser Antagonismus zwischen Parlament und Regierung zu verzeichnen. Zwar kam die Regierung den Wünschen des Parlaments im allgemeinen nach, es gab aber auch Beispiele vom Gegenteil. Es wäre zuviel behauptet, wenn man sagen wollte, daß dieser Gegensatz heute völlig geschwunden wäre.
({8})
Das Parlament muß seine Rechte wahren. Hinsichtlich der Haushaltsgebarung soll die parlamentarische Kontrolle mittels der Rechnungsprüfung dahin führen, daß die Regierung sich nicht etwa angegriffen fühlt oder in einen Gegensatz zum Parlament gerät, sondern im Gegenteil empfindet, daß auch ihr mit der parlamentarischen Überwachung der Haushaltsgebarung ein Dienst erwiesen wird.
Hinsichtlich der Wirkung auf die Öffentlichkeit muß zunächst festgestellt werden, daß die Bestimmung des Volkes über die Finanzgebarung des Staates selbstverständlich die Öffentlichkeit des Budgets erheischt. Die Kontrolle im Wege der Rechnungsprüfung durch das Parlament gibt der Öffentlichkeit die Gewähr dafür, daß die Verwendung der Steuergelder nachgeprüft wird durch die vom Volk gewählten Vertreter mit dem Ziel, festzustellen, daß Ausgaben in der Form und für die Zwecke erfolgt sind, für die das Parlament sie bewilligt hat. Durch dieses Verfahren erhält die Öffentlichkeit auch die Gewähr, daß nicht, wie es in der Vergangenheit vorgekommen ist, mit öffentlichen Geldern Dinge in Angriff genommen werden, die das Volk nicht wollte und die katastrophale Folgen nach sich gezogen haben.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen vorgetragen, daß die Kontrolle der Haushaltsgebarung durch das Parlament in Deutschland vor 1933 noch nicht ganz ausgereift war und nach 1933 die Fortentwicklung unterbunden wurde, weil von diesem Zeitpunkt an eine politische Kontrolle praktisch aufhörte zu bestehen. Seit 1933 enthielt der veröffentlichte Haushalt des Deutschen Reiches nur noch summarische Angaben, und seit 1935 wurden sogar derartige Haushaltspläne, geschweige denn Haushaltsrechnungen, der Öffentlichkeit nicht mehr zur Kenntnis gebracht; die Haushaltsgebarung wurde zu einer Art interner Kassenverwaltung. Am 4. Mai 1944 bemerkte der damalige Präsident des Rechnungshofs des Deutschen Reiches in seiner Denkschrift, daß eine Entlastung wegen der Reichshaushaltsrechnungen der Jahre 1933 bis 1939 nicht erteilt worden ist, und das ist wohl auch in der Folgezeit nicht mehr geschehen. Diese Entlastung hätte zugleich die Genehmigung der nachzuweisenden über- und außerplanmäßigen Ausgaben eingeschlossen. Die parlamentarische Kontrolle war also, wie ich mir erlaubt habe vorzutragen, seit 1933 tot, und sie ist auch seit 1945 nur zögernd wieder aufgelebt.
Eine Rechnungsprüfung durch das Parlament ist für die Haushaltsrechnungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom damaligen Wirtschaftsrat nicht durchgeführt worden. Haushaltsrechnungen lagen bis zur Auflösung der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets, bis zur Überleitung auf den Bund nicht vor. Die Prüfung der Haushaltsgebarung der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes ist dem Bundestag vorbehalten geblieben, da nach Art. 133 des Grundgesetzes der Bund in die Rechte und Pflichten der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets eintritt. Das Hohe Haus wird, abgesehen von der Erledigung dieser aus der Vergangenheit überkommenen Aufgaben, in Zukunft der Rechnungsprüfung den ihr gebührenden Platz einräumen müssen.
Die gegenwärtige Lage stellt sich wie folgt dar. Der Bundesminister der Finanzen übersandte dem Präsidenten des Bundestags mit Schreiben vom 11. Januar 1951, vom 10. April und vom 2. Juli 1951 die Haushaltsrechnungen der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets für die Rechnungsjahre 1947, 1948 und für die Zeit vom 1. April 1949 bis 20. September 1949, d. h. also für die Zeit bis zum Übergang dieser Aufgaben auf den Bund. Es wurde gebeten, gemäß § 83 der Reichshaushaltsordnung einen Beschluß des Deutschen Bundestags über die nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben herbeizuführen. Der Präsident des Bundestags hat den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses zunächst gebeten, die weitere Behandlung zu veranlassen. Dabei tauchte die Frage auf, in welcher Weise verfahren werden soll, da nach fast 19 Jahren dieses Problem zum ersten Male wieder an das deutsche Parlament herangetragen wird. § 83 der Reichshaushaltsordnung lautet:
({9}) Auf Grund der Reichshaushaltsrechnung beschließen Reichrat und Reichstag über die nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben. Die Genehmigung erfolgt vorbehaltlich der späteren Beschlußfassung über die Bemerkungen des Rechnungshofs.
({10}) Durch die Genehmigung
- der über- und außerplanmäßigen Ausgaben - wird den Erinnerungen des Rechnungshofs aus Anlaß der Rechnungsprüfung nicht vorgegriffen.
Nach dem Kommentar von Schulze-Wagner zur Reichshaushaltsordnung ist die in § 83 vorgesehene Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben ein vorbereitender Akt für die nach § 108 der Reichshaushaltsordnung auszusprechende Entlastung, über die ich bereits gesprochen habe. Eine gewisse Übersicht über die geleisteten über-und außerplanmäßigen Ausgaben, soweit sie den Betrag von 10 000 DM im Einzelfall überschreiten, erhält das Parlament durch die gemäß § 33 der Reichshaushaltsordnung vierteljährlich vorzulegenden Nachweisungen des Bundesfinanzministeriums. Die Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben erfolgt nach § 83 der Reichshaushaltsordnung mit Vorbehalt, weil bei der späteren Beschlußfassung über die Bemerkungen des Rechnungshofes zur gesamten Rechnungslegung und gelegentlich der damit verbundenen Entlastung der Bundesregierung unter Umständen die Möglichkeit gegeben sein muß, bei nicht gerechtfertigten über- und außerplanmäßigen Ausgaben die verantwortlichen Personen heranzuziehen.
({11})
Im Reichstag wurde die Beratung der Haushaltsrechnungen zuerst in einem selbständigen Ausschuß und später in einem Unterausschuß des Haushaltsausschusses durchgeführt. Auf Grund des Berichtes des Unterausschusses hat dann der Haushaltsausschuß jeweils über den an die Vollversammlung des Reichstages zu erstattenden Bericht beschlossen. Diese Regelung hat der Ältestenrat des Bundestages auf Vorschlag des Haushaltsausschusses auch für den Bundestag übernommen. Der daraufhin gebildete Unterausschuß, dessen Vorsitzender ich bin, besteht aus sieben Mitgliedern des Haushaltsausschusses. Er hat die vorgelegten Rechnungen zur Vermeidung weiterer Zeitverluste inzwischen vorläufig beraten.
Ich hatte bereits erwähnt, daß bei einer größeren Spanne zwischen dem Abschluß des Haushaltsjahres und der Vorlegung der Jahresrechnung nebst Denkschrift das Interesse an diesen Dingen verhältnismäßig gering sein muß. Im vorliegenden Fall handelt es sich nun um sehr weit zurückliegende Dinge, Dinge, bei denen nur feststeht, daß der Bundestag nicht der Erzeuger dieser Kinder gewesen ist. Solche Kinder sind verhältnismäßig unbeliebt; aber auch sie haben bei ihrem vorgeschrittenen Alter einen Anspruch darauf, legitimiert zu werden. Der Rechnungsunterausschuß war sich von vornherein darüber klar, daß wohl kaum an den geschehenen Dingen noch viel geändert werden kann, zumal es sich ja auch zu einem erheblichen Teil um Reichsmarkhaushalte handelt, bei denen immerhin andere Voraussetzungen bestanden. Diese Einstellung kann aber natürlich kein Maßstab sein für die künftige Arbeit, die der Rechnungsunterausschuß zu leisten hat.
Vom Zeitpunkt der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland an wird die Haushaltsgebarung sehr genau überprüft werden müssen, um so mehr, als es sich dann um Haushaltspläne handelt, die vom Bundestag selbst beschlossen worden sind. Gleichwohl hat der Rechnungsunterausschuß den Haushaltsrechnungen 1947 bis 1949 erste Hälfte seine volle Aufmerksamkeit gewidmet. Soweit Unklarheiten bestanden, sind Auskünfte durch den Bundesrechnungshof von den einzelnen Verwaltungen eingeholt worden. Grobe Verstöße gegen die Reichswirtschaftsbestimmungen und die Reichshaushaltsordnung sind nicht festgestellt worden, wenn auch hier und da vielleicht etwas genauer hätte gearbeitet werden können.
Das Ihnen vorgelegte Material gibt Ihnen, meine Damen und Herren, einen summarischen Überblick über die bei den einzelnen Verwaltungen in den genannten Jahren geleisteten über- und außerplanmäßigen Ausgaben sowie über die erfolgten Haushaltsvorgriffe. Sie ersehen jeweils, in welchem Prozentverhältnis diese über die Ermächtigungen hinausgehenden Ausgaben zum Gesamtausgabevolumen der einzelnen Verwaltungen stehen. Es kann gesagt werden, daß trotz den damals gegebenen Verhältnissen - man denke nur an die turbulente Entwicklung während der Reichsmark-zeit und an die Tatsache, daß die Verwaltungen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes nicht durchweg mit qualifizierten Bediensteten besetzt werden konnten - die eingetretenen Abweichungen überraschend geringfügig sind. Der Rechnungshof des Vereinigten Wirtschaftsgebietes, bei dem die haushaltsmäßigen Grundsätze der Sparsamkeit und der Korrektheit niemals in Vergessenheit geraten waren, hat zu diesem befriedigenden Ergebnis
wesentlich beigetragen. Das gleiche trifft für die damalige Verwaltung für Finanzen zu.
Das Ergebnis der Vorberatungen des Rechnungsunterausschusses ist dem Haushaltsausschuß unterbreitet worden. Dieser hat sich dem Votum des Rechnungsunterausschusses angeschlossen. Ich darf daher namens des Haushaltsausschusses das Hohe Haus bitten, dem Antrag zuzustimmen und die nachträgliche Genehmigung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben für die Jahre 1947 bis 1949 erste Hälfte auszusprechen.
({12})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Die Aussprache ist eröffnet. Der Ältestenrat schlägt vor, eine Gesamtredezeit von 60 Minuten zu vereinbaren.
Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte mir schon vorgenommen, mir den Herrn Bundesfinanzminister und seinen Staatssekretär vorzuknöpfen, als sie es zu Beginn der Beratung über diesen Tagesordnungspunkt vorzogen, nicht anwesend zu sein. Inzwischen ist der Herr Staatssekretär eingetroffen. Ich darf das feststellen und damit die Feststellung verbinden, daß im Bundesfinanzministerium doch auch ein Gefühl dafür lebendig zu sein scheint, daß die Rechnungsprüfung eine wichtige Sache ist.
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- Nun, man kann j a nicht gerade immer erwarten, daß der Minister da ist. Man muß manchmal in diesem Hause schon zufrieden sein, wenn der Staatssekretär zu erreichen ist.
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- Ich bin damit nicht zufrieden, daß es so ist, Frau Kollegin Weber.
Aber nun zur Sache selber. Da es sich hier um die Haushaltsrechnungen der Jahre 1947, 1948 und im Jahre 1949 um die Zeit bis zur Überleitung auf den Bund handelt, brauchen wir über das Zurückliegende wohl kaum etwas zu sagen. Meine Fraktion stimmt dem Antrag des Haushaltsausschusses zu, und ich darf den Kollegen vom Rechnungsprüfungsausschuß dafür danken, daß sie sich dieser mühevollen und - nach den leeren Plätzen zu schließen - offenbar nicht für alle Mitglieder des Hauses gleichermaßen interessanten Aufgabe unterzogen haben, die Vergangenheit zu durchforschen.
Wichtig ist aber in diesem Zusammenhang, einmal festzustellen, daß das, was wir jetzt für einen bestimmten Abschnitt der Vergangenheit abschließen, für uns im Augenblick noch in einem konkreten Sinne sehr lebendige Gegenwart ist, nämlich insofern, als wir Haushalte konsumieren, deren Rechnungsprüfung eine ganz andere Bedeutung haben wird als das, was wir hier heute schwarz auf weiß vor uns haben. Um so bedauerlicher finde ich es, daß gerade dieser wichtige Akt nicht die volle Aufmerksamkeit des Hauses findet;
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denn die Ausschüsse, die sich mit der Haushaltsgesetzgebung des Bundes und mit der Prüfung der Rechnungen befassen, sind gewissermaßen die Wachhunde des Parlaments bei der Wahrnehmung seines Budgetrechts. Es ist für die Wachhunde schwer, ihre Funktion zu erfüllen, wenn der eigentliche Träger der Verantwortung, nämlich das,
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Parlament, sich so desinteressiert an diesen Dingen zeigt.
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Es ist auch nicht leicht, diese Funktion auszuüben, wenn nicht von der andern Seite, nämlich von der Regierungsseite her, alles getan wird, um die Schwierigkeiten, die an sich in der Aufgabe liegen, so gering wie möglich zu gestalten.
In diesem Zusammenhang darf ich doch eine Bemerkung zu unserer Haushaltsgesetzgebung machen. Meine Damen und Herren, auch wir von der Opposition haben ein gewisses Verständnis für die Schwierigkeiten der Übergangsperiode gehabt. 1949 war kein normales Haushaltsjahr. Das haben wir verstanden. 1950 mußte man noch verschiedene Unebenheiten ausgleichen. 1951 ist schon etwas schwieriger zu verstehen, warum die Einbringung der Haushaltspläne so lange gedauert hat, daß wir praktisch mehr als die Hälfte des Haushaltsjahres verstreichen lassen mußten, ehe wir überhaupt einen Haushaltsplan zu Gesicht bekommen haben. Wir haben dann den Versuch gemacht, im Wege der Überrollung-wie der neue terminus technicus lautet - einen Haushaltsplan unter Dach und Fach zu bringen, indem wir alle die Dinge einfrieren ließen, über die wir im Jahre 1950 schon ein gewisses Einverständnis erzielt hatten. Das Resultat, meine Damen und Herren: Man muß heute sagen, daß dieses Bemühen, wieder zu normalen Zuständen auf dem Gebiete der Haushaltsgesetzgebung zurückzukehren, gescheitert ist.
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Leider muß man die Feststellung treffen, daß es auch für 1952 wohl nicht möglich sein wird, den Haushaltsplanentwurf so fristgerecht dem Parlament vorzulegen, daß er bis zum Beginn des neuen Haushaltsjahrs verabschiedet und in Kraft gesetzt werden könnte. Ich finde, das ist nach zweieinhalb Jahren parlamentarischer Arbeit ein schlimmes Zeichen, um nicht zu sagen: ein Armutszeugnis.
Man muß die Frage aufwerfen, ob das alles so sein muß. Gewiß, die Verantwortung liegt nicht allein beim Bundesfinanzministerium; sie hegt auch nicht ausschließlich bei der Bundesregierung. Zum Teil sind da Schwierigkeiten aufgetreten, die in der Konstruktion des Bundes liegen. Aber diese Schwierigke ten sind bestimmt nicht derart gewesen, daß man sie nicht hätte einigermaßen voraussehen und ihnen rechtzeitig begegnen können. Wir haben jetzt noch nicht den ersten Nachtragshaushalt dem Hause vorlegen können. Er blieb ;m Gestrüpp der Zuständigkeiten und des Kampfes um die Quote des Bundes an der Einkommensteuer hängen.
Inzwischen hat sich erwiesen, daß man mit dem ersten Nachtrag wohl so lange brauchen wird, daß es sich als zweckmäßig erwe sen wird, einen zweiten Nachtrag, wie er vorgesehen war, nicht einzubringen. Dadurch werden eine Reihe von Problemen einfach auf das nächste Jahr verlagert, und der erste Nachtrag, der dann der einzige bleiben wird, wird mit einer Fülle von Dingen belastet, die eigentlich nicht in ihn hineingehören.
Alle diese Vorgänge erschweren dem Parlament eine echte Kontrolle über den Haushalt, und sie erschweren auch die Rechnungsprüfung am Ende des Haushaltsjahres; und noch etwas mehr: sie verschleiern die eigentlichen Haushaltsvorgänge, weil es ja doch so ist, daß wir immer wieder auf den Weg der unangenehmen und peinlichen Vorwegbewilligungen gezwungen werden, die völlig
den Überblick vermissen lassen über das, was tatsächlich auf diesem Gebiet geschieht.
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Ich wollte das ausgesprochen haben, weil ich der Meinung bin, daß auch die Öffentlichkeit wissen soll, in welchen Schwierigkeiten sich das Parlament befindet, wenn es die Fragen der Haushaltsgesetzgebung berät, und zwar in Schwierigkeiten, die nicht durch die Schuld des Parlaments entstanden sind.
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Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist zweckmäßig und nützlich, wenn sich das Parlament der Bedeutung des Vorgangs, den wir jetzt erleben, voll bewußt wird. Worum handelt es sich? Es handelt sich darum, daß das Parlament eines der wichtigsten Grundrechte der Demokratie ausübt, nämlich das Recht, die Einnahmen und Ausgaben des Staates zu kontrollieren und zu überprüfen. Um dieses Recht haben sich Generationen gestritten. Es ist sicher nicht zuviel gesagt, wenn wir feststellen, daß aus dem Streit um diese Frage, ob das Volk einen Einfluß auf die Finanzgebarung des Staates haben soll, die Demokratie eigentlich erst herausgewachsen ist. Jedenfalls war das in meinem Lande so.
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In meinem Wahlkreis gibt es ein besonders interessantes Wirtshaus. An diesem Wirtshaus ist, in Stein gehauen, angeschrieben: „In diesem Hause trat am 1. Dezember 1457 der erste württembergische Landtag zusammen".
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Das war 40 Jahre vor der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus.
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Richtig! In der Heimatstadt unseres Kollegen Schoettle befindet sich diese Tafel. Dieser geschichtliche Vorgang liegt also - überlegen wir das wohl - schon sehr lange Jahre zurück. Damals war übrigens Christoph Kolumbus noch Lehrling im kaufmännischen Geschäft seines Vaters in Genua. Damals schon haben sich aber die Bürger meines Landes mit dem damaligen Landesfürsten um die Frage herumgestritten, ob das Volk und ob die Stände dieses Volkes einen Einfluß haben sollten auf die Finanzgebarung des Landesherrn, also auf seine Steuergesetze und auf seine Ausgabenwirtschaft.
({3})
- Über die Erfolge dieser Bemühungen, Herr Kollege Mellies, müssen wir uns noch besonders unterhalten. Aber jedenfalls ist es höchst bedeutsam, zu wissen, daß es sich schon damals um ein Grundrecht des Volkes und der Demokratie handelte.
In Wahrnehmung d i es es Grundrechtes haben wir uns in den letzten Wochen bemüht, nachzuprüfen, was nun in den Jahren 1947, 1948 und 1949 im Vereinigten Wirtschaftsgebiet auf dem Gebiet der Finanzgebarung geschehen ist.
Auch wenn wir alle das Empfinden haben, daß diese Angelegenheit nur noch wenig praktische Bo({4})
deutung hat, so handelt es sich doch insofern um einen höchst wichtigen Vorgang, als wir ja gerade eine Geschichtsepoche erlebt haben, in der ein solches Grundrecht des Volkes nicht bestanden hat, in der niemand in Deutschland eine Möglichkeit hatte, irgendeinen Einfluß auf die Finanzwirtschaft des Staates zu nehmen. Dies aber war wirklich und wahrhaftig nicht zum Segen des Volkes. Nun haben wir diese Rechte wieder. Ich glaube, dafür sollten wir dankbar sein. Im ganzen Volk, in breiten Schichten des Volkes sollte ein lebendiges Bewußtsein dafür bestehen, daß es ein bedeutsames Ereignis ist, das hier vor sich geht. Breite Schichten unseres Volkes sollten dankbar dafür sein, daß wir dieses Grundrecht, das Budgetrecht, wieder besitzen.
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Vor einiger Zeit kam ein Student aus der Ostzone in die Universitätsstadt meines Heimatlandes. Das erste, was er zu seinen Kommilitonen sagte, war: Haben Sie eine Verfassung Ihres Landes? Haben Sie eine Verfassung der westdeutschen Bundesrepublik? Man gab ihm die gewünschte Verfassung. Als er sie studiert hatte, rief er aus: „Welch eine Fülle von Rechten habt ihr hier in Westdeutschland! Was wären wir glücklich, wenn wir im Osten Deutschlands auch solche Rechte hätten!"
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Wieviel Bürger unseres Landes sind dankbar dafür, daß es in unserem Lande Grundrechte des Bürgers gibt? Wieviele Bürger unseres Landes haben das Grundgesetz der Bundesrepublik auch nur einmal angesehen oder es gar gelesen?!
Hier liegt ein Faktum vor, für das wir dankbar sein müssen. Wir müssen mit Befriedigung feststellen, daß wir heute jede Möglichkeit haben, auf die Finanzgebarung unseres Staates Einfluß zu nehmen. Das Volk macht durch seine gewählten Vertreter von dieser Möglichkeit Gebrauch. Ich darf es wohl sagen - und ich hoffe, dabei die Zustimmung des Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses zu finden -: wir haben es uns im Haushaltsausschuß wirklich nicht leicht gemacht. Wir haben uns Mühe gegeben, jede Ausgabe sorgfältigst zu kontrollieren. Wir haben uns Mühe und Arbeit gemacht, zu prüfen, ob die Ausgaben, die von der Regierung vorgeschlagen worden sind, auch gegenüber unserm Volk verantwortet werden können. Wir haben viele nützliche und wertvolle Arbeit in diesem Ausschuß geleistet. Es hat kein Posten in den Haushaltsplänen gestanden, den wir nicht nach allen Richtungen hin unter die Lupe genommen und überprüft hätten.
Was nun mein Herr Vorredner bezüglich der jetzt bestehenden Situation auf dem Gebiet der Haushaltsgebarung gesagt hat, kann ich weithin unterstützen. Es ist bedauerlich, daß es uns trotz aller Bemühungen nicht gelungen ist, mit unserer Haushaltsarbeit aufs laufende zu kommen. Ich habe die große Hoffnung gehabt, es würde möglich sein, von 1951, spätestens von 1952 an mit der Verabschiedung des Haushalts aufs laufende zu kommen und in jedem Fall vor dem 1. April 1952 den Haushaltsplan in diesem Parlament zu verabschieden. Aber es muß anerkannt werden, - und ich glaube, dies muß man zugestehen, wenn man billig und gerecht denkt -, daß die Regierung vor außergewöhnlichen Schwierigkeiten gestanden hat. Die Zusammenarbeit mit dem Bundesrat hat sich
nun einmal noch nicht so eingespielt, wie dies der Fall sein sollte. Es ist bei der verfassungsmäßigen Konstruktion, die für uns verbindlich ist, nun einmal nicht einfach, zu einem guten Zusammenspiel zwischen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung zu kommen. Sodann steht ja .vor der Regierung und vor uns allen immer wieder die Frage, woher wir das Geld nehmen sollen, um einen gedeckten Haushaltsplan verabschieden zu können. Es ist also nicht schlechter Wille, wenn wir unser Ziel noch nicht erreicht haben. Es bedarf dazu offenbar noch einer längeren Zeit. Wir wollen unsere Bemühungen auf allen Seiten dieses Hauses vereinigen, um dieses Ziel, das uns auch mein Herr Vorredner vor die Augen gestellt hat, in aller Bälde zu erreichen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Der Antrag des Ausschusses auf Drucksache Nr. 2907 steht zur Abstimmung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Gegen die Stimmen der kommunistischen Fraktion angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
({0})
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 8 a und b auf:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Außerkraftsetzung der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und des Bundesministers für Wohnungsbau vom 29. November 1951 PR Nr. 71/51 über Maßnahmen auf dem Gebiet des Mietpreisrechts ({0});
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Altbaumieten ({1}).
Begründungszeit: zweimal 15 Minuten; Aussprachezeit: 90 Minuten. - Zur Begründung Herr Abgeordneter Paul!
Paul ({2}) ({3}), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Überraschend für die Öffentlichkeit wurde vor einigen Tagen die Verordnung über die Erhöhung der Geschäftsmieten und über die Umlegung der Wassergebühren usw. der Öffentlichkeit übergeben. Selbst bürgerliche Blätter wie z. B. die Zeitung „Die Rheinpfalz" schrieben, daß es sich dabei um einen politischen Husarenritt der Regierung handele. Noch vor kurzem wurde von seiten der beteiligten Ministerien jede Absicht, die Mietpreise zu erhöhen, bestritten. Noch Mitte November gaben Vertreter der Ministerien Verlautbarungen von sich, daß nicht daran gedacht sei, in Kürze die Mieten zu erhöhen. Statt dessen erlebten wir dann die Verordnung, die heute zur Debatte steht.
Man will also die Mieten für Altwohnungen um durchschnittlich 10% erhöhen. Die Auswirkungen vor allem für die werktätige Bevölkerung sind gewaltig. Sehr schwer werden davon die Wohlfahrtsempfänger, die Rentenbezieher und die Arbeitslosen betroffen. In Düsseldorf wurden durch einen Reporter einige Mieter befragt, wie sich diese Mieterhöhung auf ihre bisherigen Mietverhältnisse auswirken würde. Da kam heraus, daß z. B. eine alte Frau, die 40 DM Rente bekommt und bisher
({4})
15,53 DM Miete bezahlen mußte, nunmehr 17,05 DM zu bezahlen hat. Ein 63jähriger Rentner, der bisher 27,50 DM bezahlte, müßte also 30,25 DM bezahlen.
Mit dieser Verordnung will man auch auf dem Wohnungsmarkt die freie Marktwirtschaft, die so viel gepriesen wurde und die der Bevölkerung so große Erfolge gebracht haben soll,
({5})
zur Durchführung bringen. Aber jeder, der die Wohnverhältnisse unserer Bevölkerung sieht, der die große Wohnungsnot kennt, der wird uns recht geben, wenn wir sagen, daß man auf dem Wohnungsmarkt nicht so verfahren kann wie auf dem Markt für andere Waren, da hier sehr einschneidend die soziale Lage der Bevölkerung betroffen wird.
Der deutsche Mieterverband hat in mehreren Denkschriften nachgewiesen, wie sich diese Verordnungen und die noch weiter geplanten Mieterhöhungen auswirken werden. Nach den einzelnen Paragraphen sollen also die Vermieter die Möglichkeit haben, die Kosten für das Wassergeld auf die Mieter umzulegen. Hinzu kommt, daß man für die Untermieter von seiten der Vermieter in Zukunft einen Zuschlag verlangen kann. Wir sind wahrlich der Meinung, daß es nicht richtig ist, wenn Menschen, die in der Vergangenheit bestimmten Wohnraum an Wohnungsuchende abgeben mußten, in freier Vereinbarung hier und dort höhere Mieten vereinbart haben, als es tragbar gewesen wäre. Aber es geht nicht an, daß man damit generell alle diejenigen Hauptmieter treffen will, die Räume auf Grund der Verordnungen oder freiwillig an Wohnungsuchende abgegeben haben. Aber das wird besonders in den §§ 7 und 8 dieser Verordnung niedergelegt. Nach den Berechnungen bürgerlicher Institute werden davon über 5 Millionen Mieter in Westdeutschland betroffen.
Des weiteren sieht diese Verordnung vor, daß ebenfalls für einen Teil der Geschäftsräume die Mieten freigegeben werden. Ein Teil der Geschäftsräume soll aus dem Geltungsbereich des Mieterschutzgesetzes überhaupt herausgenommen werden. Ich habe hier die Zeitung „Die Rheinpfalz", die .ich bereits anführte. Sie schreibt, daß diese Verordnung mit einer großen Eile fabriziert wurde, anscheinend nur aus politischen Gründen. Die Zeitung sagt, daß in den meisten Fällen die Festsetzung des Aufschlags für solche Geschäftsräume eine Ermessensfrage sei. Die Zeitung schreibt dann wörtlich:
Juristen, die gerade in der Materie des Mietpreisrechts zu Hause sind, haben der Presse
erklärt, daß sie Teile der Verordnung selbst
nach mehrfacher Lektüre nicht verstehen. Wenn es schon Juristen so geht, die sich jahrelang mit Pacht- und Mietverhältnissen beschäftigen, dann wird es erst recht auf der unteren Ebene wild zugehen. Es wird ganz deutlich gesagt, daß dadurch eine Verteuerung der Miete für Geschäftsräume um 10, 15 und mehr Prozent eintreten wird. Betrachtet man die Lage des Mittelstandes, die Lage der kleinen Handwerksmeister, der Schneider, der Schuhmacher, dann wird uns jeder recht geben, der die Lage dieser Leute kennt, daß das eine schwere Belastung für sie darstellt.
Selbst solche Wohnräume werden aus der Mieterhöhung nicht ausgenommen, die als Schneiderwerstatt usw. benutzt werden, Räume, die allerdings mit einer Wohnung zusammenhängen. Auch 1 diese Räume sollen nach der Verordnung unter bestimmten Umständen mit einbezogen werden, d. h. auch sie werden mit einer Mieterhöhung belegt. Nehmen wir an, daß z. B. ein kleiner Gewerbetreibender einen Gewerberaum hat, sagen wir eine Schuhmacherwerkstatt, und er zahlt für diesen Gewerberaum 30 DM. Wenn er nun weiter daneben einen kleinen Wohnraum hat, für den er bisher in einem alten Hause 10 Mark bezahlt, dann fällt auch er unter diese Verordnung, dann muß auch er eine höhere Miete bezahlen.
Wir - und mit uns Tausende von Menschen draußen - sind der Meinung, daß durch die Mieterhöhungen und die Herausnahme von einer gan- zen Reihe von Geschäfts- und Gewerberäumen aus dem Mieterschutz zwangsläufig auch die Bedarfsartikel der breiten Massen wieder teurer werden. Jeder kleine Geschäftsmann, jeder kleine Handwerker, der Schneider, der Schuhmacher, der Klempner, wird nämlich die erhöhten Mietpreise für seinen Gewerberaum wiederum auf seine Ware umzulegen versuchen. Diese Waren werden dann wiederum von den breiten Massen bezahlt werden müssen.
Weiter ist die Frage zu prüfen: ist die Regierung überhaupt rechtlich in der Lage, eine so weitgehende Verordnung zu erlassen? Selbst in bürgerlichen Zeitungen wird die Frage aufgeworfen, ob zu dieser Verordnung nicht zumindest die Zustimmung des Bundesrates erforderlich sei. Wir aber sind der Meinung, daß, da eine solche Verordnung weitgehend in die soziale Lage breiter Schichten unseres Volkes eingreift, auch der Bundestag dazu Stellung nehmen müßte. Das Überfallartige dieser Verordnung zeigt schon das schlechte Gewissen dieser Regierung.
({6})
Wenn sie offen die Probleme diskutieren wollte, dann hätte sie nicht Mitte November erklären dürfen: „Es ist keine Mieterhöhung in Kürze geplant", - und 14 Tage später kommt sie dann mit dieser Verordnung heraus. Das ist doch eine üble Täuschung der Öffentlichkeit!
Meine Damen und Herren, diese Maßnahme - ich sagte es schon bei der Debatte über den Mißbilligungsantrag gegen den Justizminister Dehler - ist nicht von der Gesamtpolitik der Regierung zu trennen, sie, ist ein Teil dieser Politik, ist ein Glied in der Kette des Angriffs auf die soziale Lebenslage der breiten Massen. Sie soll neue Mittel für jenen Zweck eintreiben, der schon sehr oft hier vom Bundesfinanzminister dargelegt worden ist, nämlich die Kosten für den sogenannten Verteidigungsbeitrag zu decken.
({7})
Die Regierung will durch solche Mieterhöhungen auf der anderen Seite den Weg für eine weitere Einsparung von Mitteln für den Wohnungsbau frei machen. Diese Maßnahme steht in engster Verbindung mit jener Empfehlung, die die Marshallplanbehörde dieser Tage an die Bundesregierung und an alle Regierungen der Marshallplanländer gab, nämlich alle nichtmilitärischen Ausgaben des Staatshaushalts rücksichtslos herabzusetzen.
Wir sind der Meinung, daß das Parlament diese Verordnung der Regierung, die eine derart starke Belastung für große Teile unserer Bevölkerung mit sich bringt, durch einen Beschluß außer Kraft zu setzen hat. Die Landesregierung von Hessen hat ebenfalls die Rechtmäßigkeit dieser Verordnung
({8})
angezweifelt und plant, den Weg des Streitverfahrens zu gehen, um diese Verordnung zu Fall zu bringen. Ich glaube, die Abgeordneten, die mit den breiten Massen verbunden sind, die selber aus dem Mittelstand und aus der Arbeiterschaft kommen, sollten sich solchen Methoden der Regierung, weitere Massenbelastungen einzuführen, widersetzen.
Ich möchte Sie ersuchen - das ist auch die Forderung der Menschen, die von diesen Mietpreiserhöhungen betroffen werden -, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
({9})
Zur Begründung des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion Herr Abgeordneter Jacobi.
Jacobi ({0}), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß zunächst unserem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß bei der Beratung dieses Punktes die Regierungsbank so gut wie nicht besetzt ist.
({1})
Es spricht zwar für das Interesse des Herrn Arbeitsministers, daß er hier ausharrt und Zeuge von Darlegungen in einer Frage ist, die auch sozialpolitisch eine erhebliche Bedeutung hat. Es wäre aber wünschenswert gewesen, wenn der Herr Wirtschaftsminister und der Herr Justizminister neben dem Herrn Bundeswohnungsminister Veranlassung genommen hätten, dieser Debatte beizuwohnen.
({2})
Es handelt sich hier um Fragen, die vielschichtiger Natur sind. Über die Anhebung, Angleichung, Erhöhung der Altmieten wird seit Monaten geredet, und wir wollen nicht leugnen, daß es sich hierbei um ein ernstes Problem handelt, das eigentlich nicht polemisch debattiert werden sollte, sondern einer sachlichen und gründlichen Prüfung bedarf. Wir wissen, daß die Bundesregierung wiederholt zum Ausdruck gebracht hat, daß sie in diesen Fragen initiativ zu werden gedenke. Wir entsinnen uns auch, daß es die Koalitionsparteien im Juli dieses Jahres waren, die mit einem Antrag eine Prüfung und Entscheidung der Fragen der Mietangleichung für Althäuser verlangten. Aus diesem Antrag ist offenbar nichts geworden. Wir wissen nicht, wo er blieb; er ist in Ausschüssen nicht behandelt worden.
Es hat ein langes Hin und Her und Diskussionen in der Öffentlichkeit gegeben. Die Bundesregierung hat im März dieses Jahres ihre angedeutete Absicht, eine Entscheidung herbeizuführen, fallen gelassen. November ist es geworden, bis der Herr Bundeswohnungsbauminister plötzlich einer erstaunten Öffentlichkeit mitteilte, nun werde etwas geschehen, und den Plan kundtat, eine 20 %ige Erhöhung der Altmieten einzuführen. Die Hälfte dieses Satzes sollte dem Hausbesitz überlassen, die andere Hälfte dem sozialen Wohnungsbau zugeführt werden. Das hat man dann auch am 8. November in dem Lohn- und Preisausschuß beim Bundeskanzleramt erörtert, und man war sehr verwundert, daß sowohl die Vertreter der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber den Zeitpunkt als verfrüht bezeichneten und den Wunsch zum Ausdruck brachten, erst Anfang nächsten Jahres die Verhandlungen über diese Frage fortzusetzen. Am selben Tage konnte man jedoch schon in der Presse lesen, daß die Entscheidung am Vortage gefallen sei; in der CDU-Fraktion habe man sich bereitgefunden, dem Vorschlag des Bundeswohnungsbauministers beizutreten. Das war so im „Kölner Stadtanzeiger" vom 8. November zu lesen.
({3})
Aus all dem ergibt sich, daß die Bundesregierung offensichtlich bemüht war, sich für die von ihr geplanten Maßnahmen im Parlament eine Rückendeckung zu verschaffen.
Um so verwunderlicher muß es erscheinen, daß sie den ersten Schritt auf dem von ihr angekündigten Wege, nämlich den Erlaß der Preisrechtsverordnung Nr. 71, getan hat, ohne damit den Bundestag und Bundesrat zu befassen. Sollten Sie, in deren Reihen einige Herren keine Gelegenheit vorübergehen lassen, um davor zu warnen, sich einem Druck von außen - der Straße, pflegt man meist düster zu sagen - zu beugen, diesmal selbst einem Druck unterlegen sein? Es ist nicht ohne Delikatesse, feststellen zu müssen, daß zur gleichen Zeit, als das Kabinett die besagte Verordnung beriet, die Organisation der privaten Hausbesitzer in Bonn tagte und daß der Beschluß, die Verordnung zu erlassen, dieser Tagung durch einen besonderen Boten übermittelt worden ist.
({4})
Zu der Verordnung selbst ist zu sagen, daß sie aus einer ganzen Reihe von Gründen rechtsunwirksam ist. Sie ist weder dem Bundestag noch dem Bundesrat zur Zustimmung vorgelegt worden. Da hätte aber geschehen müssen und dies müßte auch hinsichtlich weiterer, zum Teil bereits angekündigter Regelungen geschehen.
Warum ist dies so? Durch die Verordnung Nr. 71 unternimmt die Bundesregierung den Versuch, das geltende Preisrecht für Mieten in einer Weise zu ändern, die für den gesamten Preisstand, ins- D besondere für die Lebenshaltung der Bevölkerung von grundlegender Bedeutung ist. Diese Auswirkungen sind sowohl unmittelbarer als auch mittelbarer Natur.
Nach zuverlässigen und teilweise bereits der Öffentlichkeit zugänglichen Informationen werden im Bundeswirtschaftsministerium weitere Verordnungen auf dem Gebiet des allgemeinen Miet- und auch des Grundstückspreisrechts vorbereitet, durch die, wenn sie wirksam werden sollten, die gleichen Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau und die allgemeinen Lebenshaltungskosten eintreten werden. Mit diesen Maßnahmen überschreitet die Bundesregierung die ihr gesetzes- und verfassungsrechtlich zugestandenen Befugnisse. Es ist festzustellen, daß die bereits erlassene Verordnung Nr. 71 rechtsunwirksam ist und daß die weiteren Verordnungen, wenn sie den bekanntgewordenen Inhalt haben und ohne Befassung von Bundesrat und Bundestag erlassen werden sollten, ebenso rechtsunwirksam sein würden.
Die Bundesregierung beruft sich zu Unrecht auf die in § 2 des Preisgesetzes vom 10. April 1948 enthaltene Ermächtigung. Die sehr allgemein gehaltene Fassung dieser Vorschrift deckt die Verordnung Nr. 71 nicht; denn diese Verordnung ist, wie sich aus ihrem Inhalt und den verfolgten Zwecken eindeutig ergibt und auch durch die amtliche Bezeichnung bestätigt wird, eine echte Rechtsverordnung. Sie hat die Qualität eines Rechtssatzes im materiellen Sinn. Das verfassungsmäßig berufene Rechtsetzungsorgan des Bundes ist aber der Bundestag. Die Exekutive darf Recht nur in Verordnungsform auf Grund wirksamer formell-gesetzlicher Ermächtigung setzen. Die Ermächtigung
({5})
des § 2 des Preisgesetzes, auf welche sich die Regierung beruft, deckt die erlassene Verordnung nicht.
Im übrigen empfehlen wir der Bundesregierung, sich hinsichtlich der Grenzen der Ermächtigung zum Erlaß von Verordnungen doch einmal mit dem Grundgesetz zu beschäftigen und darauf zu achten, daß wir sowohl in Art. 129 als auch in Art. 80 klare Regelungen vorfinden. Art. 129 Abs. 3 des Grundgesetzes stellt fest, daß Ermächtigungen zum Erlaß von gesetzesändernden, gesetzesergänzenden und gesetzesvertretenden Rechtsverordnungen erloschen sind. Die Verordnung Nr. 71 unternimmt es aber, bestehendes Gesetzes- und Verordnungsrecht zu ändern.
Grundlage des Preisnotrechtes war die alle Preissteigerungen verbietende Preisstoppverordnung vom 26. November 1936, Grundlage der Zuständigkeitsregelung im Hinblick auf die Preisbildung und Preisregelung das Preisbildungsgesetz vom Jahre 1936. Dem Preisgesetz des Wirtschaftsrates vom 10. April 1948 kommt lediglich die Bedeutung zu, daß es die Zuständigkeitsregelung des Preisbildungsgesetzes auf die neuen staatsrechtlichen Verhältnisse umstellte und die Befugnisse der Exekutiv- und Legislativorgane der Wirtschaftsverwaltung und des Wirtschaftsrates abgrenzte.
Die Mietpreise sind auf Grund der bisherigen Rechtsetzung noch in vollem Umfange, abgesehen von den durch Sondergesetz zugelassenen Mieten für Neubauten gewisser Art, preisgebunden. Die Bindung beruht auf der Preisstoppverordnung, die ihrer Rechtsqualität nach eine gesetzesvertretende, also gesetzesstarke Verordnung ist. Die Verordnung Nr. 71 versucht, diesen Rechtszustand zu ändern. Das kann sie nicht. Denn gegen die Fortgeltung der Ermächtigung im § 2 des Preisgesetzes spricht über Art. 129 Abs. 3 des Grundgesetzes hinaus die Vorschrift des Art. 80 des Grundgesetzes. Hier heißt es, daß eine Wirksamkeit für Ermächtigungen nur insoweit besteht, als deren Zweck, Inhalt und Ausmaß im Gesetz genau bestimmt sind.
Ich möchte die Bundesregierung in diesem Zusammenhang auf das erste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hinweisen, das hier zu Art. 80, zu seinem Inhalt und 2u seiner Auslegung außerordentlich interessante Ausführungen gemacht hat und das die Bundesregierung offenbar nicht beachtet hat, als sie die erwähnte Verordnung erließ. Es ist also nach dem von mir nur Angedeuteten eine wirksame Ermächtigung der Bundesregierung aus § 2 des Preisgesetzes nicht mehr vorhanden.
Aber auch die Auslegung, die die Bundesregierung dem § 2 des Preisgesetzes gibt, ist unrichtig. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut des zugegebenermaßen vieldeutigen § 2 des Preisgesetzes, sondern aus dessen Zusammenhang mit § 1 desselben Gesetzes einerseits und aus der für Mieten noch geltenden Preisstoppverordnung andererseits. § 1 des Preisgesetzes schreibt vor, daß eine Veränderung der Preise von Waren und Leistungen, die eine grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung, haben, der Zustimmung des Wirtschaftsrates, d. h. also heute des Bundestages, bedarf. Nähere Ausführungen zu der tatsächlichen Frage, ob die Verordnung Nr. 71 eine grundlegende Bedeutung für die allgemeine Lebenshaltung haben wird, erübrigen sich, wenn man an die Auswirkungen
denkt, die mit den Geschäftsraummieten wie mit den Untermieten und anderen Regelungen dieser Verordnung direkt und indirekt verbunden sind.
Die verfassungsrechtliche Frage aber ist, ob die im § 1 des Preisgesetzes geforderte Zustimmung des Bundestages in der Form eines einfachen Beschlusses oder eines förmlichen Gesetzesbeschlusses ergehen muß. Die erste denkbare Möglichkeit wäre ein verfassungsrechtliches Novum, die Zustimmung des Gesetzgebers zu einer auf Grund einer eigenen Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung wäre ein Widersinn. Die Unrichtigkeit einer solchen Ansicht ergibt sich aber auch daraus, daß das Preisgesetz überhaupt nicht den materiellen Rahmen der preisrechtlichen Ermächtigungen, sondern nur die Zuständigkeitsregelung enthält. Da die in materieller Hinsicht bezüglich der Mietpreise noch geltende Stoppverordnung weitergilt, kann das geltende Mietpreisrecht, da in einer gesetzesvertretenden Rechtsverordnung geregelt, nur durch Gesetz des zuständigen Gesetzgebers geändert werden. Die Zustimmung gemäß § 1 des Preisgesetzes kann demzufolge nur durch Bundesgesetz erteilt werden.
Im übrigen ist der Anwendungsbereich der Ermächtigung im § 2 des Preisgesetzes auf die Fälle des rein exekutiven Aufgabenbereichs beschränkt. Aus dieser ausschließlich exekutiven Delegation ergibt sich die praktische Begrenzung ohne weiteres. Auch die Exekutive kann Ausnahmeregelungen nicht zur Regel machen. Die Regel ist der Preisstopp bei Mieten. In ihm wird durch die Preisrechtsverordnung Nr. 71 und die weiteren in Aussicht gestellten Maßnahmen aushöhlend eingegriffen.
Die bisher getroffenen Maßnahmen und die Maßnahmen, die von der Bundesregierung angekündigt wurden, erfüllen uns mit Sorge, weil der von der Bundesregierung beschrittene Weg dem Gesetz und vor allem auch dem Grundgesetz nicht entspricht, weil wir in dieser Praxis einen weiteren Schritt auf dem Wege zu einer Art Notverordnungsrecht und auf dem Wege zu einer Aushöhlung der Rechte und der Pflichten dieses Hauses sehen.
Es gibt in der Öffentlichkeit und auch in Zeitschriften und Zeitungen, die nicht meiner Partei nahestehen, keinen Zweifel darüber, daß die Verordnung und gegebenenfalls auch die weiter angekündigten Maßnahmen sich auf einem rechtlich außerordentlich problematischen Boden aufbauen. In Nr. 49 der Zeitschrift „Der Volkswirt" vom. Dezember 1951 finden sich unter der Überschrift „Erster Schritt zur Mietbereinigung" einige sehr bemerkenswerte Sätze und ein Schlußsatz, den ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen möchte. Er sollte auch Ihnen, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, Anlaß zum Nachdenken darüber sein, ob Sie in diesem Falle die Bundesregierung unter allen Umständen stützen sollten. Hier heißt es nämlich:
Nach den geltenden Vorschriften ist es denkbar, daß das Parlament auf seiner Zustimmung zur Mieterhöhung beharrt, so unsinnig es an sich auch scheint, wirtschaftlich notwendige Preisentscheidungen von demokratischen Mehrheitsbeschlüssen abhängig zu machen.
Das ist eine Einstellung zur parlamentarischen Demokratie, das ist auch eine Bewertung dieses Hauses und seiner Fähigkeit, sachliche Entscheidungen zu treffen, über die man nur verwundert
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den Kopf schütteln kann. Sind wir schon wieder so weit, daß es zur allgemeinen Übung gehört, einem Parlament von vornherein die Fähigkeit abzusprechen, sachlich vielleicht dringliche und gebotene Entscheidungen zu treffen?
Der Antrag meiner Fraktion geht dahin, der Bundestag möge beschließen:
Der Bundestag erwartet, daß die Bundesregierung auf Grund des § 1 des Preisgesetzes eine
Anordnung über die Erhöhung von Altbaumieten, wie sie mit Wirkung vom 1. April 1952
an beabsichtigt sein soll, rechtzeitig dem Bundestag zur Entscheidung darüber vorlegt, ob
der Bundestag seine Zustimmung. gibt.
Ich habe Ihnen dargetan, daß nach Auffassung meiner Freunde die erste bisherige Verordnung auf diesem Gebiet rechtsungültig ist. Daraus ergeben sich selbstverständlich für die Praxis entsprechende Konsequenzen. Ich möchte die Bundesregierung davor bewahrt sehen, daß auch über ihre weiteren Maßnahmen dasselbe zu sagen ist. Der Bundestag aber sollte auf einem Recht bestehen, das ihm nach dem Gesetz und vor allem nach dem Grundgesetz zusteht; er sollte der Regierung heute sagen, daß sie einhalten möge auf einem Wege, der ein Weg sein kann zum Staatsstreich.
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Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau. - Darf ich bei dieser Gelegenheit an Sie appellieren, meine Damen und Herren, das Schlußzeichen nicht nur mit den Worten „Ich komme zum Schluß" zu quittieren, sondern es auch zu tun!
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- Auch für Sie, Herr Abgeordneter Renner, jawohl!
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin etwas überrascht über das schwere Geschütz des Verfassungsrechts, das Herr Kollege Jacobi bei dieser sehr einfachen Preisverordnung aufgefahren hat.
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- Doch, ich lese Zeitungen, mit großer Aufmerksamkeit sogar!
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Aber die Dinge liegen doch so, meine Damen und Herren: Wir haben in den letzten Jahren eine Fülle von Preisverordnungen herausgebracht, die vom Standpunkt der Regierung völlig unbestritten herausgegangen und die nie und in keiner Weise angegriffen worden sind. Nach § 1 des Preisgesetzes vom 10. April 1948 in der Fassung von § 3 des Verlängerungsgesetzes vom 21. Januar 1950 - Bundesgesetzblatt 1950 Nr. 4, Preismaßnahmen des Bundesministers für Wirtschaft gemäß §§ 2 und 3 des Preisgesetzes - ist die Zustimmung des Bundesrates nur dann erforderlich, wenn diese Maßnahmen oder Anordnungen „eine grundlegende Bedeutung für den gesamten Preisstand, insbesondere die Lebenshaltung, haben". Bereits am 18. Januar 1950 hat der Rechtsausschuß des Bundestags - Protokoll Nr. 12 - folgende Auffassung vertreten:
Die grundlegende Bedeutung der Preisänderungen im Sinne des § 1 des Preisgesetzes ist unter Zugrundelegung der konkreten Wirtschaftslage zu beurteilen, in der die Preisveränderung wirksam wird.
Davon ist die Bundesregierung hier ausgegangen, und wenn Sie sich die Verordnung, die jetzt veröffentlicht ist, auf ihre einzelnen Maßnahmen hin ansehen, werden Sie finden, daß man in diesem Falle von einer grundlegenden Änderung des Preisgefüges schlechterdings nicht reden kann.
Was bringt denn die Verordnung? Zunächst verbietet sie in Zukunft eine Herabsetzung der Miete durch die Preisbehörden unter die Miete, die am 17. Oktober 1936 zu entrichten war, die sogenannte Stichtagsmiete. Das war theoretisch möglich. In einzelnen Fällen haben die Preisbehörden davon einen Gebrauch gemacht, der zu großer Verbitterung, und zwar berechtigter Verbitterung beim Hausbesitz geführt hat. Es ist sicher keine grundlegende Änderung des Preisgefüges, wenn diese Verwaltungsmöglichkeit abgeschafft wird.
Dann sieht die Verordnung eine zusätzliche Abwälzungsmöglichkeit von Belastungen auf die Mieter vor, Belastungen, die sich aus der Einführung einer Erhöhung von öffentlichen Abgaben oder öffentlich-rechtlichen Benutzungsgebühren nach dem 1. April 1945 ergeben. Damit wird für das ganze Bundesgebiet ein Zustand nur als Rechtens erklärt, der in einem großen Teil der Länder bis dahin schon bestanden hat. Es handelt sich dabei um Mehrbelastungen an Schornsteinfegergebühren, Deichgebühren sowie Privatbenutzungsentgelte für Fäkalien, Müllabfuhr, Straßenreinigung usw. Hier ändert sich also für den größten Teil des Bundesgebietes an der Rechtslage gar nichts, es ist nur eine Vereinheitlichung des Rechts.
Dann ist die Umlegung des Wassergeldes neu geregelt worden. Die bestehenden Sondervorschriften werden aufgehoben. In Zukunft ist die Umlegung von Wassergeld allgemein auf die Mieter nach dem Verhältnis der anteiligen Leerraummiete zulässig. Das ist im Grunde nur eine Änderung der Berechnung. Damit ist ein Schritt getan, der nur der Feldbereinigung dient und der auch nur eine ganz begrenzte Anzahl von Wohnungen erfaßt.
Von geringer Bedeutung ist auch die Preisfreigabe von Wohnräumen. Nach dem Ersten Wohnungsbaugesetz unterliegt Wohnraum, der in der Zeit nach dem 20. Juni 1948, also nach der Währungsreform, bis zum 31. Dezember 1949 bezugsfertig geworden ist und nicht durch öffentliche Darlehen oder Zuschüsse geschaffen ist - also der freie Wohnungsbau - nicht mehr den Preisvorschriften. Das ist nicht mehr als recht und billig und wird im übrigen an den tatsächlich gezahlten Mieten - es sind ja damals schon im wesentlichen freie oder jedenfalls hohe Mieten gewesen - nichts mehr ändern.
Dann ist als besonders wichtige Vorschrift eine besondere Belastung des Hauptmieters im Untermietverhältnis eingeführt worden. Man hat einen Untermietzuschlag eingeführt, der für die Masse der Wohnungen 5 % der Leerraummieten beträgt und bei Untermietverhältnissen, die nicht auf der amtlichen Miete beruhen, den Hausbesitzer mit 20 % der anteiligen Leerraummiete an der Untermiete beteiligt. Das scheint mir und allen anderen Leuten eigentlich nicht mehr als recht und billig 1 zu sein. Ich möchte aber die Gelegenheit hier be({2})
nutzen, darauf hinzuweisen, daß diese Zuschläge natürlich keineswegs auf den Untermieter abgewälzt werden können.
Vielleicht ist der weitestgehende Schritt folgender: Die Verordnung beseitigt grundsätzlich die Preisbindung bei der Vermietung und Verpachtung von Geschäftsräumen, unbebauten gewerblich genutzten Grundstücken und beim Beherbergungsgewerbe - Gewährung von Übernachtungen - und läßt die Marktmiete zu. In der Praxis geht es in Staffeln vor sich. Für die Mietverhältnisse, die sich ab 1. Dezember lösen oder gelöst werden können, tritt diese gesetzliche Bestimmung schon ein, für die Masse dieser Mietverhältnisse ab 1. April nächsten Jahres.'
Zur Ergänzung ist nun noch ein Gesetz - ein kurzes Gesetz - über richterliche Vertragshilfe in diesen Fällen vorgesehen.
Man könnte vielleicht bei der Geschäftsraummiete die Frage anschneiden, ob eine Erhöhung der Geschäftsraummieten nicht zu einer Erhöhung der Preise und damit zu einer Erhöhung der Lebenshaltungskosten führt. Aber ich glaube, daß davon keine Rede sein kann. Wenn das wäre, müßten wir ja alle haben feststellen können, daß in den Geschäften des Einzelhandels oder des Handwerks oder der anderen Verteilerstellen, die bisher eine billige Altmiete bezahlen, die Ware oder die Leistung wesentlich billiger wäre als in den etwa neu gebauten oder den wiederaufgebauten Läden. Davon ist aber bekanntlich gar keine Rede, sondern die Dinge werden sich so einspielen, daß der Mieter solcher Räume - die Masse der Mieter kann das auch - die angemessene Miete bezahlt. Daß bei dem Übergang von der gebundenen Geschäftsraummiete zur Marktmiete Härten möglich sind, ist nicht zu vermeiden. Aber da hoffe ich, daß das Gesetz über richterliche Vertragshilfe die Möglichkeit bietet, in all den Fälllen, in denen wirkliche Härten vorliegen, zu einem billigen Ausgleich der Interessen zu kommen, etwa da, wo der Mieter seinerseits Aufwendungen für die Geschäftsräume oder Werkstätten gemacht hat.
Die grundsätzlich beschlossene Erhöhung der Mieten um 10 % wird vorbereitet in einer Verordnung, die nach dem Preisgesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf.
({3})
- Des Bundesrates! Mehr ist im Preisgesetz nicht vorgesehen; und damit, glaube ich, brauchten wir uns nicht in die Unkosten großer verfassungsrechtlicher Fragen zu stürzen und brauchten auch nicht ganz grundsätzliche Fragen der Zuständigkeit des Parlaments in großen Entscheidungen hier auf die Hörner zu nehmen. Es handelt sich hier um eine relativ kleine Verordnung, die einige Ungereimtheiten im Mietpreis regelt. Bei der weitergehenden Verordnung, der 10%igen Mieterhöhung, wird, wie ich schon sagte, der Bundesrat seine Zustimmung zu geben haben.
({4})
Ich eröffne die Aussprache im Rahmen der vorgesehenen Aussprachezeit von 90 Minuten, in der Hoffnung, daß sie nicht in Anspruch genommen wird. Das Wort hat der Abgeordnete Fröhlich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts vom 29. November 1951, die wohl als der Vorläufer einer grundlegenden, im Frühjahr zu erwartenden Reform anzusehen ist, ist in weiten Kreisen der Mieter, im besonderen unter den sozial schwachen Schichten, den Vertriebenen, den Bombengeschädigten, den Empfängern von Mindestrenten usw., eine erhebliche Unruhe eingetreten. Sie sehen bereits ihre schwer erkämpften bescheidenen Teuerungszulagen an den Hausbesitz dahinschwimmen und befürchten auf Grund dieser Verordnung neue Auseinandersetzungen mit den Vermietern, unter denen sie in der Vergangenheit neben ihren sonstigen Nöten schon schwer zu leiden hatten. Nach dieser Verordnung kann ab Dezember 1951 der Hausbesitz die sogenannten Richtsatzmieten für den sozialen Wohnungsbau, wenn auch nur nach freier Vereinbarung, zugrunde legen. Gibt der Mieter sein Einverständnis hierzu nicht, so besteht die Möglichkeit, die Miete unter Einschaltung der Preisbehörde wieder herabzudrücken, jedoch nicht unter 110 % der Stichtagmieten vom 17. Oktober 1936. Wenn eine solche Erhöhung auch nur nach freier Vereinbarung möglich ist, so werden im allgemeinen die Mieter, um allen Auseinandersetzungen und den allzu bekannten kleinen Schikanen aus dem Wege zu gehen,
({0}) nolens volens ihre Zustimmung dazu geben müssen. - Natürlich ist es so!
Ähnlich sieht es mit den Zuschlägen für Untermieter aus, die ab Dezember 20 %, bei gesetzlicher Untermiete 5 % der Leerraummieten betragen können.
Besondere Bedenken haben wir jedoch gegenüber der Freigabe der Mieten und Pachten für gewerbliche Räume. Im besonderen die neu errichteten Existenzen der Vertriebenen, die unter den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen in einem außerordentlich harten Existenzkampf stehen, kommen durch die Lockerung der bisher bestehenden gesetzlichen Bestimmungen in sehr ernsthafte Schwierigkeiten. Böwillige Vermieter und Verpächter, vielleicht noch durch Konkurrenzbetriebe aufgestachelt, könnten durch unerfüllbare Überforderungen zur Vernichtung vieler Neuexistenzen führen. Beispiele für einen solchen Mißbrauch liegen bereits vor. Bundesregierung und Länderregierungen sollten dieser Entwicklung ihr besonderes Augenmerk zuwenden; denn in diesen Fällen würden die an solche Betriebe gegebenen Aufbaudarlehen in eine ernste Gefahr gebracht werden. Im übrigen werden die Betroffenen selbstverständlich versuchen, ihre erhöhten Betriebskosten auf die Verbraucher abzuwälzen. Preissteigerungen würden die unausbleibliche Folge sein, und neue, bereits angekündigte Lohnkämpfe würden die immer mehr sichtbar werdenden sozialen Spannungen verschärfen.
({1})
- Hoffentlich wird sie nicht durch die Ereignisse dramatisiert, die kommen können.
({2})
Nach glaubwürdigen Schätzungen dürften etwa 70 % des gesamten Wohnraums als Altwohnraum im Sinne der Verordnung zu betrachten sein und dürfte eine Bevölkerung von 25 bis 30 Millionen Menschen in Betracht kommen. Besonders betroffen werden die sozial schwachen Bevölkerungskreise mit etwa 10 Millionen Menschen. Für sie erscheinen
({3})
die getroffenen Maßnahmen im augenblicklichen Zeitpunkt völlig unverständlich. Man ist außerordentlich bestürzt darüber, daß die Bundesregierung sich bei einer so schwerwiegenden, in die Lebenshaltung des überwiegenden Teiles der Bevölkerung eingreifenden Verordnung der Stellungnahme des Bundestages und des Bundesrates zu entziehen versucht hat. Wir glauben, daß sie sich damit einen sehr schlechten Dienst erwiesen hat. Der BHE hält die Mieterhöhung unter Ausschaltung des Bundesrates in Form einer Rechtsverordnung für mit dem Grundgesetz unvereinbar. Wir begrüßen den Antrag der Sozialdemokratischen Partei und werden ihm unsere Zustimmung geben.
({4})
Im alten Jahr darf man ja nach dem Beschluß des Bundestages noch lesen, im neuen nicht mehr.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Wohnungsbau.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich korrigieren. Mir ist vorhin auf Grund eines Zwischenrufs des Herrn Kollegen Jacobi ein Lapsus passiert. Ich habe erklärt, daß die geplante Mieterhöhung um 10 °/o so vorbereitet wird, daß sie der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Ich muß dahin ergänzen, daß beabsichtigt ist, sie Bundesrat und Bundestag vorzulegen. ich habe die falsche Antwort gegeben. Der alte Streit, wer nun eigentlich Rechtsnachfolger des Wirtschaftsrates ist, ob Bundestag oder Bundesrat oder Bundestag und Bundesrat zusammen, soll auf diese Weise gelöst werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Wirths.
Meine Damen und Herren! Durch die letzte Mitteilung des Herrn Bundeswohnungsbauministers ist der Antrag an sich erledigt. Es steht also nichts im Wege, daß er angenommen wird, und ich kann es mir ersparen, noch längere Ausführungen zu machen. Lediglich der Ordnung halber möchte ich aber beantragen, daß der Antrag der KPD abgelehnt wird.
({0})
Zunächst hat der Abgeordnete Jacobi ums Wort gebeten. Oder hat es sich erledigt?
({0})
- Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Minister, der sich selbst korrigiert, braucht von der Opposition nicht mehr korrigiert zu werden. Wir haben mit Befriedigung von der ausdrücklichen Feststellung des Herrn Bundeswohnungsbauministers Kenntnis genommen, daß die geplante Verordnung der Zustimmung sowohl des Bundestages als auch des Bundesrates bedarf.
({0})
- Über die künftige, die neue. Wir sind allerdings über die Meinung des Herrn Bundeswohnungsbauministers hinausgehend der Auffassung, daß in gleicher Weise auch die Verordnung Nr. 71/51 wegen ihres Zusammenhanges mit § 1 des Preisgesetzes, also wegen ihrer Bedeutung für den allgemeinen Preisstand der Zustimmung beider Gremien bedarf. Wir halten an der von mir dargelegten Auffassung fest, daß diese Verordnung Nr. 71/51 rechtsunwirksam ist. Ich empfehle dem so überraschten Herrn Bundeswohnungsbauminister, meine Ausführungen aus dem Stenogramm einer eingehenden Durchsicht zu unterziehen und sie mit den Juristen seines Hauses und auch mit den Herren des Justizministeriums eingehend zu prüfen, besonders das, was ich über die Bedeutung des Art. 129 und des Art. 80 des Grundgesetzes sowie über Art und Umfang der noch bestehenden Ermächtigungen ausgeführt habe. Ich bin der festen Überzeugung, daß mindestens im Justizministerium keine so fröhliche Miene zur Schau getragen werden wird, wie sie der Herr Bundeswohnungsbauminister hier gezeigt hat, als er der Meinung Ausdruck gab, es lohne sich bei dieser kleinen Verordnung doch eigentlich überhaupt nicht, sich in Unkosten verfassungsrechtlicher Erörterungen zu stürzen. Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, Sie nehmen jede Gelegenheit wahr - und das ist gut so -, darauf hinzuweisen, daß wir alles tun müssen, um den Rechtsstaat zu sichern.
({1})
Er kann auch durch eine kleine Verordnung bedroht sein. Immer dann, wenn etwas geschieht, was mit dem Grundgesetz in Widerspruch steht, haben wir Veranlassung, in diesem Hause aufzubegehren und zu warnen. Wir warnen die Bundesregierung davor, die Dinge leicht zu nehmen und sich auf eine Praxis zu berufen, die einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhält. Wir halten die erlassene Verordnung für verfassungswidrig, und ich habe mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, daß diese Feststellung - von der wir überzeugt sind, daß sie durch die Gerichte bestätigt werden wird - in der Praxis entsprechende Konsequenzen für den einzelnen betroffenen Bürger auslöst.
Hinsichtlich der weiteren Maßnahmen, stellen wir also fest, werden wir in diesem Hause und wird der Bundesrat Gelegenheit zur Prüfung haben. Dann setzen wir zweckmäßigerweise die verfassungsrechtliche Grundsatzdebatte zu diesen Fragen fort.
({2})
Herr Abgeordneter Paul wünscht noch das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich war erstaunt darüber, mit weicher leichten Handbewegung der Wohnungsbauminister über die Erhöhung der Mieten hinweggeht. Er sagt einfach: Die meisten Geschäftsleute können diese Mieten ja tragen. Über die geplante Erhöhung der Mieten für die Wohnungen sagt er: Darüber wollen wir dann noch reden.
Es ist ein gefährlicher Weg, auch auf dem Gebiete der Wohnraumbewirtschaftung und der Vermietung nun die freie Marktwirtschaft durchzusetzen. Damit würde einfach der Ausbeutung der breiten Massen Tür und Tor geöffnet. Wenn man glaubt, nun Mieter gegen Vermieter ausspielen zu können
({0})
oder einen Teil der Geschäftsleute gegen die anderen, dann dürfte dieser Versuch fehl am Platze sein.
({1})
Mieter und Vermieter müssen sich gegen diese Politik der Adenauer-Regierung wenden. Man kann auch den Vermietern bei der Wiederinstandsetzung ihrer Häuser helfen, wenn man nicht dauernd die Steuern erhöhen, sondern wenn man sie senken würde.
({2})
Es ist hier weiter gesagt worden, daß die richterliche Vertragshilfe in äußerst ernsten Fällen in Anwendung kommen könne. Das ist doch nur ein Heftpflaster, um diese Verordnung der öffentlichkeit irgendwie schmackhaft zu machen.
({3})
In Wirklichkeit denkt man gar nicht daran, den kleinen Leuten und Handwerksmeistern zu helfen, sondern sie werden belastet, und sie müssen nun zahlen.
Die rechtliche Seite dieser Verordnung wurde bereits behandelt. Ich bin kein Jurist; aber selbst bürgerliche Zeitungen, selbst Zeitungen, die der Regierung nahestehen, bezweifeln das Recht der Regierung zur Herausgabe solcher Verordnungen. Wir sind der Meinung, daß nicht allein die juristische und die verfassungsrechtliche Seite für die Korrigierung dieses Schrittes maßgebend sein sollte, sondern daß die tatsächliche Belastung der breiten Massen ausschlaggebend sein sollte.
Wer für sich in Anspruch nimmt, für den Mittelstand und für die Bevölkerung einzutreten, der sollte unserem Antrag seine Zustimmung geben, um so die Verordnung aus dem Wege zu schaffen.
({4})
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung zu den beiden Anträgen.
Anträge auf Ausschußüberweisung sind nicht gestellt worden.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD auf Drucksache Nr. 2913 betreffend Altbaumieten. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? ({0})
Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der KPD auf Drucksache Nr. 2887. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrage zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dieser Antrag ist bei Enthaltungen abgelehnt.
({1})
Herr Abgeordneter Jacobi, ich habe offenbar eine richtige Feststellung getroffen, oder wollen Sie sie anzweifeln?
({2})
Damit, meine Damen und Herren, ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf den Punkt 9 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutze der Mutter ({3}) ({4});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik ({5})
({6}).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Rehling. - Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 90 Minuten für die dritte Beratung vor in der Hoffnung, daß sie nicht in Anspruch genommen werden. Bitte schön, Frau Abgeordnete.
Frau Dr. Rehling ({7}), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der 80. Sitzung des Deutschen Bundestages wurde der Antrag der SPD-Fraktion - Entwurf eines Gesetzes zum Schutze der Mutter ({8}), Nr. 1182 der Drucksachen - den Ausschüssen für Sozialpolitik - dieser war federführend - sowie für Arbeit und für Fragen des Gesundheitswesens überwiesen. Diese haben ihn in 18 Sitzungen eingehend beraten. Das Ergebnis dieser Beratungen liegt Ihnen in der Drucksache Nr. 2876 vor.
Schon bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfs war darauf hingewiesen worden, daß § 13 des Entwurfs Drucksache Nr. 1182 eine nach Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht mögliche generelle Ermächtigung an den Bundesarbeitsminister betreffend Erlaß von Durchführungsbestimmungen enthält. Dieser Rechtslage ist Rechnung getragen worden. Die Ausschüsse entschieden sich dafür, statt einer Reihe von Einzelermächtigungen die Durchführungsbestimmungen zum geltenden Mutterschutzgesetz von 1942, soweit sie Rechtsvorschriften enthalten, in das Gesetz selbst einzubauen, und beauftragten das Bundesarbeitsministerium, den Entwurf entsprechend zu erweitern. Aus dieser Verfahrensweise erklärt sich der wesentlich größere Umfang der Ausschußfassung, verglichen mit der des Entwurfs Drucksache Nr. 1182.
Die dem Entwurf der SPD-Fraktion vorangestellte Präambel wurde von den Ausschüssen auf einstimmigen Beschluß hin gestrichen, weil sie die Möglichkeit zu einer unerwünschten Ausweitung des Gesetzes bietet. Ebenfalls gestrichen worden ist § 9 der Entwurfs-Drucksache Nr. 1182 - Kindertagesstätten -, da die Mehrheit der Ausschußmitglieder grundsätzliche Bedenken hatte, eine solche Bestimmung, die zu treffen weitgehend Angelegenheit der Länder bzw. der Gemeinden ist, in das Gesetz aufzunehmen. Die Frage der Kindertagesstätten sollte nach Ansicht der Mehrheit der Ausschußmitglieder in der Gesetzgebung der Jugendwohlfahrt geregelt werden.
Die Ausschüsse stimmten dem Vorschlag des Bundesarbeitsministeriums zu, das Gesetz um der größeren Übersichtlichkeit willen in sieben verschiedene Abschnitte zu unterteilen, deren erster den Geltungsbereich festlegt.
Die in § 1 Abs. 1 des SPD-Entwurfs vorgesehene Ausweitung des Geltungsbereichs - Ausweitung im Vergleich mit dem Mutterschutzgesetz von 1942 - ist sehr eingehend erörtert worden. Eine Reihe von Ausschußmitgliedern hatte starke Bedenken gegen die Einbeziehung der in der Hauswirtschaft tätigen Frauen und hat einer solchen schließlich nur unter der Voraussetzung zugestimmt, daß für diesen Arbeitnehmerinnenkreis in einzelnen Paragraphen jeweils eine Sonderregelung getroffen wird.
Gegenstand sehr ausführlicher, wiederholter Debatten war die von den Antragstellern befürwortete Einbeziehung der Beamtin in das vorliegende Gesetz. Für diese war durch Runderlaß des
({9})
Reichsministers des Innern vom 12. Januar 1944, der die entsprechende Anwendung der §§ 2 bis 5 und des § 8 des Mutterschutzgesetzes von 1942 auf die Beamtin anordnet, im Verwaltungsweg eine Regelung getroffen. Die antragstellende Fraktion wollte sie aber ausdrücklich in dieses Gesetz mit aufnehmen. Für die Ablehnung durch die Mehrheit der Ausschußmitglieder waren im wesentlichen folgende Gesichtspunkte maßgebend:
Der Mutterschutz gehört als Teil des Arbeitsschutzes nach herrschender Meinung in das Gebiet des Arbeitsrechts, dessen Bestimmungen nur für Personen in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gelten. Eine Ausdehnung des Geltungsbereichs des Gesetzes auf die Beamtin, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zu ihrem Dienstherrn steht und nach § 36 des Deutschen Beamtengesetzes Anspruch auf Fürsorge und Schutz durch den Staat hat, ist unnötig. Ferner wurde bezweifelt, daß eine ins einzelne gehende bundesgesetzliche Regelung des Mutterschutzes für die Beamtinnen der Länder, Gemeinden, Gemeindeverbände und sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Rücksicht auf die Art. 33 Abs. 5 bzw. Art. 75 des Grundgesetzes zulässig sei. Übereinstimmend waren alle Ausschußmitglieder der Meinung, daß der Beamtin - hierbei wurde besonders auf die Schutzbedürftigkeit der Beamtin auf Widerruf und der Beamtenanwärterin hingewiesen - der gleiche Schutz zugestanden werden müsse wie den übrigen durch dieses Gesetz geschützten Frauen. Die Einbeziehung der Beamtin wurde mit 12 gegen 9 Stimmen abgelehnt, während die folgende, von einem Vertreter der Mehrheit beantragte Entschließung einstimmig angenommen wurde:
Die Bundesregierung wird beauftragt, im Rahmen des Beamtenrechts dafür Sorge zu tragen, daß die im Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter vorgesehenen Schutzmaßnahmen auch den Beamtinnen in gleicher Weise zugestanden werden.
Diese Entschließung zum § 1 des Ausschußentwurfs wird dem Hause in dritter Lesung zur Beschlußfassung vorgelegt werden.
In § 1 Abs. 2 des SPD-Entwurfs wird dem Arbeitsminister die Ermächtigung zugesprochen, Vorschriften über einen entsprechenden Mutterschutz für die Ehefrauen der Arbeiter, Angestellten, Beamten, Handwerker, Landwirte und sonstigen Gewerbetreibenden sowie der Angehörigen der freien Berufe und deren mithelfende Familienangehörige zu erlassen. Die Mehrheit der Ausschußmitglieder vertrat die Auffassung, daß erstens eine solch umfassende Ermächtigung an den Bundesarbeitsminister nach Art. 80 Abs. 1 des Grundgesetzes nicht möglich sei, und daß zweitens eine derartige Ausweitung im Rahmen dieses Gesetzes schon wegen der finanziellen Auswirkung einer solchen Maßnahme nicht angebracht sei; das Gesetz müsse vielmehr auf weibliche Arbeitnehmer in abhängiger Stellung beschränkt bleiben.
Auf die Mitteilung des Vertreters des Bundesinnenministeriums hin, daß in diesem Ministerium ein Gesetz für Mutter und Kind in Vorbereitung sei, das Bestimmungen für eine erweiterte Fürsorge für werdende Mütter vorsehe, beschlossen die Ausschüsse, dem Hause den Fortfall der Ermächtigung zu empfehlen und ihm für die 3. Lesung die Annahme folgender Entschließung zu § 1 vorzuschlagen:
Der Bundestag gibt der Erwartung Ausdruck, daß der vom Bundesinnenministerium vorbereitete Gesetzentwurf zum Schutz von Mutter und Kind eine über den derzeitigen Stand hinausgehende Fürsorge für solche werdenden Mütter vorsieht, die im Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter nicht erfaßt werden.
Nachdem der Geltungsbereich auf die in abhängiger Stellung tätige erwerbstätige Frau beschränkt
ist, beschloß der Ausschuß, die Überschrift entsprechend zu ändern und die Fassung von 1942
„Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter
({10})" wiederherzustellen.
Nach § 1 Abs. a) gilt das vorliegende Gesetz für Frauen, die in einem „Arbeitsverhältnis" stehen. In den Ausschußberatungen wurde ausdrücklich Wert darauf gelegt, zu betonen, daß Lehrlinge und Anlernlinge einbegriffen sind. Die Formulierung „Arbeitsverhältnis" wurde der in einem früheren Stadium der Beratungen gewählten Fassung „Beschäftigungsverhältnis" vorgezogen, weil in einer Reihe von Gesetzesparagraphen die Rede ist von „Arbeitsverträgen", „Arbeitsverhältnis", „Arbeitsentgelt", „Verdienst", „Kündigung", die auf ein Arbeitsverhältnis hindeuten, während nach Auffassung der überwiegenden Mehrheit der Ausschüsse der Begriff „Beschäftigungsverhältnis" mehrdeutig ist und bei ihm in der Regel an das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis im Sinne der RVO. gedacht wird. Die Ausschüsse legten Wert darauf, ausdrücklich festzustellen, daß durch das Festhalten an der Formulierung „Arbeitsverhältnis" einer späteren Regelung durch ein Berufsausbildungsgesetz nicht vorgegriffen werden soll.
Da das Heimarbeitsverhältnis bisher nicht als echtes Arbeitsverhältnis gilt, ist der durch dieses Gesetz geschützte Kreis der Heimarbeiterinnen in I § 1 Abs. 1 b) gesondert aufgeführt. § 24 der Schlußbestimmungen weist noch besonders auf die unterschiedliche Terminologie hin. Ebenso sind in den einzelnen Paragraphen die sie betreffenden Bestimmungen jeweils in einem besonderen Absatz niedergelegt, unter Bezugnahme auf das inzwischen verabschiedete Heimarbeitsgesetz. Nach § 1 Abs. 1 b gilt das Gesetz für weibliche in Heimarbeit Beschäftigte und ihnen Gleichgestellte nach § 1 Abs. 1 und 2 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951. Ausdrücklich hinzugefügt sind die Worte „soweit sie am Stück mitarbeiten", weil in Heimarbeit Beschäftigte, soweit sie selbst als Arbeitgeber fremder Hilfskräfte auftreten, nicht nach diesem Gesetz geschützt werden sollen.
§ 2 enthält eine Begriffsbestimmung für die im Haushalt mit hauswirtschaftlichen Arbeiten beschäftigten Frauen, die in dieses Gesetz einbezogen werden sollen.
Der Zweite Abschnitt befaßt sich mit den Beschäftigungsverboten vor und nach der Niederkunft. Während nach altem Recht die werdende Mutter in den letzten sechs Wochen „auf ihr Verlangen" - im SPD-Entwurf Drucksache Nr. 1182 heißt es „auf ihren Antrag" - von jeder Arbeit befreit werden mußte, ist nach der Ausschußfassung die Beschäftigung in den letzten sechs Wochen grundsätzlich verboten. Allerdings ist die Möglichkeit, daß sie sich zur Arbeitsleistung bereit erklärt, vorgesehen. Die Ausschüsse hielten es jedoch für notwendig, auch die Möglichkeit jederzeitigen Widerrufs dieser Erklärung in das Gesetz aufzunehmen.
Abweichend von der sonst allgemein geltenden Schutzfrist von sechs Wochen vor der Niederkunft ist diese für Hausgehilfinnen und Tagesmädchen
({11})
in § 3 auf vier Wochen festgesetzt, da die Mehrheit der Ausschußmitglieder der Meinung war, daß leichtere Hausarbeiten ohne Schädigung der Gesundheit von Mutter und Kind bis zu diesem Zeitpunkt verrichtet werden können.
In dem im zweiten Absatz des § 4 aufgeführten Katalog der Beschäftigungsverbote, die im alten Recht in den Durchführungsbestimmungen niedergelegt waren, ist unter 2 c) neu hinzugefügt worden:
... Arbeiten, bei denen sie sich häufig erheblich strecken oder beugen oder bei denen sie dauernd hocken oder sich gebückt halten müssen.
Ferner hat man außer den Maschinen aller Art mit hoher Fußbeanspruchung auch noch die „gleichartigen Geräte" angeführt. Der medizinische Sachverständige des Bundesarbeitsministeriums stellte unter Zustimmung der Ärzte unter den Ausschußmitgliedern fest, daß nach ärztlicher Auffassung die Beschäftigungsverbote erst dann in Kraft träten, wenn das Vorliegen einer Schwangerschaft eindeutig feststellbar sei, was erst nach Ablauf des zweiten Monats möglich sei. Bei der Formulierung des § 4 Abs. 4 ist Rücksicht genommen auf Art. 68 des Grundgesetzes, der an die Ermächtigung einer Exekutivbehörde zum Erlaß von Rechtsvorschriften bestimmte Anforderungen stellt, die in der Fassung des § 13 des SPD-Entwurfs nicht erfüllt waren.
In Abs. 5 ist klargestellt, daß das Gewerbeaufsichtsamt in Abweichung von der bisher geübten Praxis nicht mehr befugt ist, generelle Vorschriften für seinen Bezirk zu erlassen, sondern daß es nur noch zu Anordnungen und Entscheidungen in Einzelfällen berechtigt ist. Die Vorschriften über die Mitteilungspflicht und das ärztliche Zeugnis in § 5 entsprechen inhaltlich dem § 8 im Entwurf Drucksache Nr. 1182 und dem Mutterschutzgesetz von 1942. Die Absätze 1 und 2 sind auf Vorschlag des Bundesarbeitsministeriums umgestellt worden, da der bisherige Abs. 2 eine vom Beginn der Schwangerschaft an zu beachtende Vorschrift aufstellt, während es sich bei dem alten Abs. 1 um eine Spezialanweisung für die Berechnung der Sechswochenfrist handelt. Neu ist in Abs. 1 der Ausschußfassung die Pflicht des Arbeitgebers zur Meldung an das. Gewerbeaufsichtsamt. Wenn dieses eine wirksame Kontrolle über die Durchführung des Gesetzes in Haushalten, landwirtschaftlichen, gewerblichen und industriellen Betrieben ausüben soll, muß es wissen, wo sich werdende Mütter befinden.
In den Ausschüssen ist die Frage ausgiebig erörtert worden, ob man eine Änderung bezüglich des Kostenträgers für das ärztliche Attest treffen solle, indem man die Krankenkassen damit belaste und nur in solchen Fällen, in denen sie nicht zahlten, den Arbeitgeber. Es wurde aber bei der bisherigen Regelung belassen, da es nicht opportun erschien, in dem vorliegenden Gesetz eine Verzahnung mit dem Krankenkassenrecht vorzunehmen.
({12})
Die Bestimmungen über Beschäftigungsverbote nach der Niederkunft in § 6 gelten einheitlich für alle durch dieses Gesetz geschützten Frauen und entsprechen dem bisherigen Recht.
Entsprechend der Meinung der Ausschüsse ist der in § 7 Abs. 1 genannte Begriff „Stillzeiten" abweichend von den Bestimmungen in § 7 des Entwurfs Drucksache Nr. 1182 in Mindeststillzeiten umgewandelt worden, wie sie das Mutterschutzgesetz von 1942 auch vorsah. Zwei Stillpausen werden erst bei mehr als achtstündiger Arbeitszeit gewährt. Die übrigen Bestimmungen sind unverandert. Neu ist die Bestimmung in Abs. 4, durch welche der Heimarbeiterin und den ihr Gleichgestellten eine Stillzeit zugebilligt und dafür ein Entgelt von 75 % eines durchschnittlichen Stundenverdienstes, aber mindestens 0,40 DM zu zahlen ist. Dies wurde damit begründet, daß sie in dieser Zeit größere Schwierigkeiten habe, da sie bestimmte Arbeitsmengen zugeteilt bekomme, bei denen sie an und für sich keine Zeit erübrigen könne. Es wurde geltend gemacht, daß von dem zuständigen Heimarbeitsausschuß die Arbeitsmenge so festgesetzt werden müsse, daß die Stillzeit berücksichtigt sei.
Die in § 8 enthaltenen Verbote, werdende und stillende Mütter mit Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit zu beschäftigen, die dem bisher geltenden Recht entsprechen, machen eine Reihe von Ausnahmen für die Haus- und Landwirtschaft erforderlich. Ein Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit für werdende und stillende Mütter ist in Privathaushalten weder notwendig noch durchführbar. In Abs. 2 ist durch Angabe bestimmter Stundenzahlen eine Höchstarbeitszeit festgelegt, und zwar mit Rücksicht darauf, daß es für viele neuerdings unter das Gesetz fallende Beschäftigte eine gesetzliche Vorschrift über die regelmäßige Arbeitszeit nicht gibt. So fehlen z. B. für die in der Hauswirtschaft Tätigen Rechtsvorschriften über die Arbeitszeit überhaupt. In Abs. 2 a) ist für die im Haushalt mit hauswirtschaftlichen Arbeiten und für die in der Landwirtschaft Beschäftigten die Höchstarbeitszeit auf 9 1/2 Stunden täglich und 108 Stunden in der Doppelwoche festgelegt. Bei der Ausnahme, die wie bisher für die in Gast- und Schankwirtschaften und im übrigen Beherbergungswesen gemacht wird, ist die Grenze von 23 Uhr auf 22 Uhr herabgesetzt worden. Der Beginn des Melkens von Vieh in der Landwirtschaft ist auf 5 Uhr festgesetzt worden.
Eine Verbesserung gegenüber dem alten Recht ist es, daß die Ausnahmeerlaubnis für mehrschichtige Betriebe, in wöchentlichem Wechsel bis 23 Uhr arbeiten zu lassen, nicht aufrechterhalten wurde. Den dringlichen Vorstellungen der Vertreterin des Bundespostministeriums gegenüber waren die Ausschüsse der Auffassung, daß es auch in diesen Betrieben möglich sein müsse, werdende und stillende Mütter nicht zwischen 20 Uhr abends und 6 Uhr früh zu beschäftigen. Es wurde allerdings Wert darauf gelegt, im Gesetz festzuhalten, daß nur in „begründeten Einzelfällen" Ausnahmen vom Gewerbeaufsichtsamt zugelassen werden können.
Zu den Betrieben unter Abs. 4, die werdende und stillende Mütter abweichend von Abs. 1 an Sonn- und Feiertagen beschäftigen dürfen, sind die Badeanstalten neu hinzugekommen, weil diese für große Städte und Kurorte von Bedeutung sind.
Der Dritte Abschnitt befaßt sich in § 9 mit den Kündigungsbeschränkungen, die auf Beschluß des Ausschusses von der Vertreterin des Bundesarbeitsministeriums neu formuliert wurden. Grundsätzlich soll der werdenden Mutter während der Schwangerschaft und für vier Monate nach der
({13})
Entbindung jede Sorge um den Arbeitsplatz ferngehalten werden. Es darf ihr also in dieser Zeit grundsätzlich nicht gekündigt werden. Den Hinweis auf den „wichtigen Grund", der der zuständigen Arbeitsbehörde gestattet, ausnahmsweise die Kündigung zuzulassen, hat man fallen lassen, um alle Anklange an den „wichtigen Grund" im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches und des sonstigen Zivilrechts zu vermeiden. Es handelt sich hier lediglich um die Erteilung einer Erlaubnis durch eine Verwaltungsbehörde, wie es sie auch sonst vielfach gibt und welche Voraussetzung ist für die Zulässigkeit der Kündigung durch den Arbeitgeber. Die für den Arbeitsschutz zuständige Landesbehörde prüft, ob ein „besonderer Fall", der ausnahmsweise die Kündigung rechtfertigt, vorliegt. Sie kann gleichzeitig bestimmen, daß der werdenden Mutter oder Wöchnerin die Leistungen nach § 13 - Wochengeld - zu gewähren sind.
Die Absätze 1 und 2 des § 9 verbieten die Lösung des Vertrags mit der in Heimarbeit beschäftigten schwangeren Frau. Diese Vorschrift ist noch nicht von unmittelbarer praktischer Bedeutung, da allein damit diesen Frauen das Arbeitsentgelt noch nicht gesichert ist. Deswegen wurde in Abs. 3 ergänzend die Bestimmung aufgenommen, daß sie nicht gegen ihren Willen von Heimarbeit ausgeschlossen werden kann.
Für die Hausgehilfinnen und Tagesmädchen hielt die Mehrheit der Ausschußmitglieder eine Sonderregelung für unbedingt erforderlich, und zwar aus der Erwägung heraus, daß hier eine ganz andere Form des Zusammenlebens gegeben ist als im Betrieb. Sie vertraten den Standpunkt, daß es unter Umständen dem Arbeitgeber nach seinen sozialen, familiären oder Wohnverhältnissen nicht zugemutet werden könne, eine schwangere Hausgehilfin zu behalten. Nach lebhafter Diskussion wurde beschlossen, daß nach Ablauf des fünften Monats der Schwangerschaft die Kündigung ausgesprochen werden darf, ohne daß eine Instanz nachprüft und eine besondere Genehmigung erteilt.
Im Vierten Abschnitt - Leistungen - sind unter § 10 die Bestimmungen über das Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten zusammengefaßt. Soweit die Frau infolge krankhaften Verlaufs der Schwangerschaft oder aus ähnlichen Gründen vollständig die Arbeit aussetzen muß, gelten die allgemeinen Vorschriften des BGB, des HGB und der Gewerbeordnung über die Pflicht des Arbeitgebers zur Weiterzahlung des Arbeitsentgelts im Falle unverschuldeter Verhinderung an der Dienstleistung und im Krankheitsfalle. Da es sich hier in der Regel um eine Krankheit handelt, tritt außerdem die gesetzliche Krankenversicherung mit ihren Leistungen ein. Dem Arbeitgeber in diesen Fällen den vollen Lohnausgleich aufzuerlegen, ihn eventuell für viele Monate zur vollen Weiterzahlung des Gehalts zu verpflichten, würde nicht zu rechtfertigen sein. Wenn dagegen die Frau auf Grund' der Beschäftigungsverbote des § 4 - schwere körperliche Arbeit, die jeder schwangeren Frau schädlich ist - mit der Arbeit aussetzen oder mit leichteren Arbeiten beschäftigt werden muß, so soll ihr kein Ausfall in ihren Einnahmen entstehen. Der Arbeitgeber hat vielmehr den bisherigen Durchschnittsverdienst weiter zu zahlen.
Die Ausschüsse haben in § 10 Abs. 2 diejenigen Frauen, die im Haushalt mit hauswirtschaftlichen Arbeiten als Aufwarte- oder Waschfrauen beschäftigt sind, ausdrücklich ausgenommen, da es für den Arbeitgeber als nicht zumutbar angesehen wurde, für solche Frauen unter Umständen monatelang das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen oder sie mit anderen Arbeiten, an deren Erledigung durch eine bezahlte Kraft er nicht interessiert ist, zu beschäftigen.
Die in § 9 Abs. 2 zugestandene Ausnahme vom Kündigungsverbot für die Hausgehilfinnen und Tagesmädchen machte es notwendig, Bestimmungen einzubauen, die sie in den Leistungen den anderen in diesem Gesetz geschützten Frauen gleichstellen. Das ist in § 11 Abs. 1 ausdrücklich geschehen. Es sind eingehende Beratungen darüber gepflogen worden, wie die Zeit von der Entlassung bis zum Beginn der Wochengeldleistungen nach § 13 überbrückt werden kann, damit eine wirtschaftliche Sicherstellung der Entlassenen gewährleistet ist. Die Zahlung von Arbeitslosenunterstützung wurde als nicht ausreichend angesehen und eine Sonderunterstützung beschlossen. Die Bestimmungen darüber sind in § 11 Abs. 2 enthalten. Es wurde davon abgesehen, den Bezug der Sonderunterstützung an die Bedingung zu knüpfen, daß sich die Hausgehilfin nach der Entlassung Arbeit suchend beim zuständigen Arbeitsamt gemeldet hat, da es praktisch unmöglich ist, eine Hausgehilfin in diesem Zustand in eine neue Stelle zu vermitteln.
Der Anregung einzelner Auschußmitglieder, den Kreis der hiernach zu unterstützenden Frauen auf alle während der Schwangerschaft ihren Arbeitsplatz verlierenden Frauen auszudehnen, wurde im Hinblick auf die zu erwartenden Weiterungen abgelehnt.
Die Sonderunterstützung ist von den Krankenkassen zu gewähren. Über den zahlenmäßig in Frage kommenden Personenkreis sind auf Verlangen der Ausschüsse Ermittlungen vom Bundesarbeitsministerium angestellt worden. Die nach der Arbeitsstatistik vom 31. Oktober 1950 in Betracht kommende Zahl konnte naturgemäß nicht exakt festgestellt werden; man mußte sich mit einer Schätzung begnügen. Danach ist jährlich mit rund 7000 Frauen zu rechnen, für welche die Sonderunterstützung in Frage kommt. Es wäre also jährlich ein Betrag von etwa 1,4 Millionen DM erforderlich.
§ 7 des SPD-Entwurfs billigte ebenso wie das Mutterschutzgesetz von 1942 allen Frauen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren, und zwar sowohl den pflicht- wie den freiwillig versicherten, die Zahlung des Wochen- und Stillgeldes zu, während den anderen Frauen das regelmäßige Entgelt vom Arbeitgeber weiter zu zahlen ist. Es tauchten im Ausschuß Bedenken auf, ob diese Trennungslinie richtig gezogen sei und ob sie nicht besser zwischen den pflichtversicherten Frauen einerseits und allen anderen andererseits gezogen werden müsse. Diese Auffassung wurde damit begründet, daß es nicht einzusehen ist, warum der Arbeitgeber, der an der Zahlung der Beiträge der freiwillig versicherten Arbeitnehmerin keinen Anteil hat, zu Lasten der Krankenkasse von seinen Zahlungsverpflichtungen befreit werden soll. Der Ausschuß beschloß mit 9 zu 3 Stimmen die neue Trennungslinie und trug damit auch den im Schreiben des Bundesfinanzministers vom 24. Januar 1951 geäußerten Bedenken Rechnung.
Die Bestimmungen über die Leistungen an Wochen- und Stillgeld an die in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Frauen
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sind wiederholt Gegenstand sehr eingehender und sorgfältiger Beratungen gewesen. Es wurde erwogen, ob eine mißbräuchliche Beanspruchung des Wochengeldes durch die Frauen dadurch ausgeschlossen werden könne, daß die Gesamtbezugszeit von Wochengeld auf zwölf Wochen beschränkt wird. Nach längerer Aussprache hielt der Ausschuß eine solche Sicherung für unmöglich.
Bei Abs. 2 ist an die Fälle der §§ 616 BGB, 63 HGB und 133 c der Gewerbeordnung gedacht, in denen die Frage der Weiterzahlung des Arbeitsentgelts rechtlich zweifelhaft ist. Da hier in vielen Fällen der Arbeitgeber die Weiterzahlung verweigern wird, die hochschwangere Frau aber gerade in diesem Zustand nicht ohne Unterhaltsmittel sein soll, ist vorgesehen, daß, wenn der Arbeitgeber die Zahlung verweigert, zunächst die Krankenkasse leisten soll.
Aus der Diskussion ergab sich ferner die Notwendigkeit, das Verhältnis der Wochengeldleistungen zum Arbeitsentgelt in diesem Gesetz genau zu fixieren. Hier eine allen Anforderungen gerecht werdende Lösung zu finden, hat den Ausschuß sehr viel Kopfzerbrechen gekostet. Es ging vor allem darum, der Frau mit den gesetzlichen Schutzfristen den Anreiz zur Arbeit und damit zum Doppelverdienst vor der Entbindung zu nehmen, ein Grundsatz, der auch international bei den Schutzbestimmungen für die erwerbstätige werdende Mutter vertreten wird. Daher soll ihr Wochengeld in voller Höhe des Arbeitsentgelts gewährt werden. Es soll verhindert werden, daß sich die Frau zwei Einnahmen verschafft, indem sie während der Schutzfristen gegen Entgelt arbeitet. Andererseits besteht weder die Absicht noch die Berechtigung oder Möglichkeit, jede Arbeit, etwa Hilfe in der Nachbarschaft gegen Sachleistungen, zu verbieten. Mit der in Abs. 4 a und b gefundenen Formulierung glaubt der Ausschuß, das Verhältnis zwischen den Leistungen nach § 13 Abs. 1 und 2 und dem Arbeitsentgelt klar zum Ausdruck gebracht zu haben.
Wichtig ist, daß in Abs. 7 auch d e n pflichtversicherten Frauen die Leistungen nach § 13 gewährt werden sollen, die wegen ihrer Schwangerschaft unter Wegfall des Arbeitsentgelts beurlaubt und deshalb aus der Versicherung ausgeschieden sind, während das Arbeitsverhältnis aufrechterhalten wurde.
§ 13 Abs. 9 verhindert, daß gleichzeitig Wochenund Stillgeld gemäß den Bestimmungen der gesetzlichen Krankenversicherung und den Bestimmungen nach § 13 Abs. 1 und 5 gezahlt wird.
Schon in der vom Wirtschaftsrat vorgenommenen Überarbeitung des § 7 des Mutterschutzgesetzes von 1942 waren das Wochengeld auf mindestens 3 DM täglich und das Stillgeld auf 0,75 DM pro Tag festgesetzt worden. Die Ausschüsse haben trotz vorgetragener Bedenken, ob diese Beträge angesichts der eingetretenen Preissteigerung noch ausreichend seien, von einer Erhöhung abgesehen. Im Wirtschaftsrat hatte man bereits den Ländern die Erstattung der Kosten für Wochen- und Stillgeld, soweit sie die Leistungen nach der Reichsversicherungsordnung übersteigen, auferlegt. Bei den Beratungen über diesen Punkt waren die Ausschüsse übereinstimmend der Auffassung, daß man den Personenkreis der in den Krankenkassen Pflichtversicherten die Verpflichtungen keinesfalls allein tragen lassen könne; überdies habe auch ein Teil der unter die Schutzbestimmungen dieses Gesetzes fallenden Personen keinen Anspruch auf
Wochengeldleistungen gegenüber Krankenkassen.
Es wurde weiter geltend gemacht, daß man auch aus dem Grunde den Krankenkassen keine zusätzliche Belastung zumuten könne, da es sich normalerweise nicht um eine Krankheit handle. Unter dem Gesichtspunkt, daß hier eine Aufgabe der Gemeinschaft vorliege, wird in § 14 der Ausschußfassung der Bund erstattungspflichtig gemacht. Mit Schreiben vom 24. Januar 1951 hat sich der Bundesfinanzminister grundsätzlich bereit erklärt, „vom Haushaltsjahr 1951 ab die Mehraufwendungen zu übernehmen, die sich bei Annahme des Gesetzentwurfs der SPD-Fraktion daraus ergeben würden, daß an Frauen, die in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, in der im Entwurf vorgesehenen Höhe und Dauer Wochen-und Stillgeld über die Leistungen der Krankenkassen hinaus gewährt werden".
Für die Regelung von Fällen, in denen Frauen in den letzten 13 Wochen ein geringeres Arbeitsentgelt hatten als in der ganzen Zeit vorher, kann der Bundesarbeitsminister durch Rechtsverordnung Vorschriften über die Berechnung und Auszahlung der Leistungen nach § 11 Abs. 2 und § 13 ({15}) erlassen.
Der Fünfte Abschnitt regelt die Durchführung des Gesetzes. Bei § 17 Abs. 1 hielten es die Ausschüsse für ausreichend, festzulegen, daß das Gesetz in Betrieben und Verwaltungen auszuhängen ist, die mehr als drei Frauen beschäftigen.
Neu eingefügt wurde die Zulassung der unbefristeten Beschwerde. Da andere Arbeitsschutzgesetze eine solche einräumen, erschien es erforderlich, das Mutterschutzgesetz den übrigen Arbeitsschutzvorschriften anzupassen, zumal auch durchaus ein sachliches Bedürfnis nach der Zulassung der Beschwerde besteht.
Die Aufsicht über die in der Haus- und Landwirtschaft tätigen Frauen ist den Gewerbeaufsichtsämtern übertragen worden ebenso wie die in den Betrieben. Ausgenommen von der Aufsicht des Gewerbeaufsichtsamtes sInd in Abweichung vom alten Recht nur noch die bergbaulichen Betriebe. Die zu diesem Punkte vorgetragenen Bedenken verschiedener Ministerien, daß in den sonstigen Arbeitsschutzgesetzen die Aufsicht über ihre Durchführung in den öffentlichen Betrieben und Verwaltungen den vorgesetzten Dienstbehörden übertragen sei und im vorliegenden Falle eine Ausnahme geschaffen werde, wurden von der Mehrheit der Ausschußmitglieder zurückgewiesen.
Der Sechste Abschnitt beschäftigt sich in vier Paragraphen mit den Zuwiderhandlungen. Es wird hierbei unterschieden zwischen „Straftaten"- und „Ordnungswidrigkeiten". Die Strafen sind gegenüber dem alten Recht wesentlich verschärft. Der Entwurf in Drucksache Nr. 1182 bringt nur die allgemeine Formulierung „Geldstrafe oder Haft", während im Mutterschutzgesetz von 1942 die Höchstgrenze für die Geldstrafe mit 150 Mark oder Haft angesetzt war. Nur in besonders schweren Fällen wurden Geldstrafe u n d Gefängnis verhängt.
Der Vertreter des Bundesarbeitsministeriums wies darauf hin, die mit dem alten Mutterschutzgesetz gemachten Erfahrungen hätten eindeutig den Beweis erbracht, daß die bisherigen Strafbestimmungen zu milde seien; wenn man den Erfolg des Gesetzes sicherstellen wolle, so müßten die Strafbestimmungen wesentlich verschärft werden, zumal es sich um ein Delikt handele, durch welches Leben und Gesundheit werdender und stillender Mütter oder ihrer Kinder gefährdet werde. Die
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Strafen im alten Gesetz waren deshalb so niedrig, weil das Gewerbeaufsichtsamt Verfehlungen mit polizeilichen Strafverfügungen belegen konnte. Diese Möglichkeit ist den Verwaltungsbehörden heute allgemein genommen.. Strafen können nur noch durch die Strafgerichte ausgesprochen werden. Die Ausschüsse haben bei der Festsetzung des Strafmaßes jedoch ausdrücklich vermerkt, sie unterstellten nicht, daß es notwendig sei, solch schwere Strafen zu verhängen. Fahrlässige Zuwiderhandlungen gelten nur als „Übertretungen".
Die Tat wird nur auf Verlangen des Gewerbeaufsichtsamtes verfolgt. Der Antrag eines Ausschußmitgliedes, die Tat auch auf Verlangen der betroffenen Frau verfolgen zu lassen, wurde von der Mehrheit des Ausschusses mit der Begründung abgelehnt, daß die Frau selber oft den Tatbestand nicht beurteilen könne und man deshalb dem Gewerbeaufsichtsamt die Möglichkeit der Prüfung überlassen sollte, damit unnütze Anzeigen vermieden werden.
Als „Ordnungswidrigkeiten" gelten Verstöße gegen die Meldepflicht, die Verpflichtung zum Aushang des Gesetzes oder die Verweigerung der geforderten Angaben an das Gewerbeaufsichtsamt. Sie werden mit einer Geldbuße bis zu 200 DM belegt. Hierin hat man sich an die Vorschriften des Wirtschaftsstrafgesetzes angelehnt. Für solche Fälle, in denen Zuwiderhandlungen durch einen Beauftragten des Arbeitgebers begangen werden, ist eine Geldbuße bis zu 500 DM festgesetzt.
§ 25 enthält die übliche Berlin-Klausel.
In § 26 Abs. 3 ist eine ausdrückliche Regelung getroffen für die Ansprüche auf Wochengeld nach § 7 des Gesetzes von 1942. Diese Ansprüche sind nach 1945 von den Krankenkassen überwiegend nicht mehr erfüllt worden, weil ihnen, nachdem das Reich nicht mehr existierte, kein Ersatz für ihre Mehraufwendungen gewährt wurde. Die Rechtsfrage, ob § 7 noch gilt, ist umstritten. Um Klarheit zu schaffen, bestimmt der Abs. 3, daß Ansprüche auf Grund des § 7 für die zurückliegende Zeit nicht mehr erhoben werden können.
Meine Herren und Damen, ich bin am Schluß meiner Berichterstattung angelangt und habe Sie im Namen der Ausschüsse zu bitten, dem vorliegenden Ausschußentwurf Ihre Zustimmung zu geben.
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Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Wir treten in die Einzelberatung ein. Ich rufe auf § 1. Dazu liegt vor ein Abänderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 1 und ein Abänderungsantrag der SPD auf Umdruck Nr. 394 Ziffer 1.
Zur Begründung hat das Wort Frau Abgeordnete Thiele.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich möchte zunächst unserer Freude Ausdruck geben, daß dieses Gesetz nunmehr verabschiedet wird.
Zu § 1 haben wir einen Abänderungsantrag in der Richtung gestellt, daß die Hausangestellten in diesem Gesetz gleichberechtigt behandelt werden. Denn der gleichgestellte Personenkreis umfaßt nicht die Hausangestellten, die sich ja meist im Beschäftigungsverhälnis befinden. Ich bitte daher, unserem Abänderungsantrag zuzustimmen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Albrecht.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach Art. 6 Abs. 4 des Grundgesetzes hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Soll diese Bestimmung des Grundgesetzes durchgeführt und die Gesundheit der Mutter und des Kindes wirklich geschützt werden, so muß auch die Beamtin in dieses Gesetz einbezogen werden. Wir haben gar nicht die Absicht, die Rechte der Beamtin irgendwie zu beschneiden, weder wirtschaftlich noch besoldungsrechtlich. Wenn also die Beamtin ihre Rechte behält, so wünschen wir nur, daß die Regierung so großzügig ist, das Mutterschutzgesetz auf die Arbeiterin ebenso anzuwenden, wie auf die Beamtin.
Im Beamtengesetz selbst sind keinerlei Schutzbestimmungen, keinerlei Rechte für die Beamtin enthalten. Es wird gesagt, im Bundesinnenministerium bestehe die Absicht, eventuell im Wege einer Rechtsverordnung Schutzbestimmungen für die Beamtinnen auszuarbeiten, vielleicht auf dem Wege einer Verordnung, die gesetzliche Bedeutung haben soll. Wir können uns damit nicht einverstanden erklären. Sollte sich die Verabschiedung des Beamtengesetzes noch hinauszögern und die Absicht bestehen, auf Grund des vorläufigen Bundespersonalgesetzes eine entsprechende Durchführungsverordnung zu erlassen, so können wir uns damit ebenfalls nicht einverstanden erklären. Auch dürften gesellschaftliche Gründe nicht maßgeblich sein, die Einbeziehung der Beamtinnen in dieses Gesetz zu verhindern. In einer der letzten Ausschußsitzungen wurden bei der Unterhaltung über diese Frage die verfassungsrechtlichen und auch die wirtschafts- und besoldungsrechtlichen Gründe nicht mehr so in den Vordergrund gestellt wie die Frage, ob gesellschaftliche Gründe maßgeblich sind, die Beamtinnen nicht in das Mutterschutzgesetz einzubeziehen.
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Wir bitten Sie, unseren Antrag auf Einfügung eines Buchstaben c) in § 1: „Auf Beamtinnen finden die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend Anwendung" anzunehmen und damit diese Bestimmung in das künftige Mutterschutzgesetz zum Schutze aller Frauen und Kinder einzuarbeiten.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Arnold.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Entgegen den zuletzt gefaßten Entscheidungen des Sozialpolitischen Ausschusses wird durch den Antrag der SPD zu § 1 des Mutterschutzgesetzes nun wiederum verlangt, das Mutterschutzgesetz auch für Beamtinnen gelten zu lassen. Ich halte dies nach wie vor - und habe das auch im Ausschuß gesagt - aus folgenden Gründen für eine Unmöglichkeit. Der Geltungsbereich dieses Gesetzes erstreckt sich nach § 1 auf Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Sie fallen daher unter das Arbeitsrecht. Das Recht der Gesetzgebung darüber regelt sich nach Art. 74 Ziffer 12 des Grundgesetzes. Die Beamtinnen fallen eindeutig unter das Beamtenrecht. In das Arbeitsrecht kann man aber unmöglich Vorschriften des Beamtenrechts aufnehmen, da das zu Unklarheiten in der Gesetzgebung führen würde. In Wirklichkeit ist die Lage aber so, daß die Beamtinnen und
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zwar auf Grund geltenden Rechts, im wesentlichen den gleichen, wenn nicht einen besseren Mutterschutz genießen, als er im Privatbereich gegeben werden kann. Der Staat ist nämlich im Rahmen seiner allgemeinen Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten ebenfalls zur Wahrung der Gesundheit der Beamtinnen, also auch zur Berücksichtigung der Erfordernisse des Mutterschutzes verpflichtet. So heißt es z. B. in einem Erlaß des Reichsministers für Erziehung vom 18. Februar 1939, der heute noch Geltung hat:
Zur Ausführung der in § 17 des DBG und der dazu erlassen en Durchführungsverordnung ergangenen Vorschriften über die Beurlaubung der Beamten ordne ich hiermit für die einstweilig
- ich betone: einstweilig! und endgültig angestellten Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen folgendes an: Lehrerinnen wird in allen Fällen der Entbindungsurlaub, im allgemeinen sechs Wochen vor und sechs Wochen nach dieser, gewährt. Für weitere sechs Wochen kann ihnen auf ärztliches Zeugnis hin Schonungsurlaub erteilt werden. Auf Verlangen ist ihnen für die Dauer von sechs Monaten nach der Niederkunft zum Stillen bis zu einer Stunde täglich Dienstbefreiung zu gewähren.
Vorhin wurde gesagt, daß nach dem Beamtenrecht für die werdende Mutter nichts getan werde. Aber nach dieser Praxis, über die ich eben vortrug, wird heute noch verfahren. Genau wie bei der Kategorie der Lehrerschaft ist es auch bei anderen Beamtinnengruppen. Alle Beamtinnen erhalten dazu während der Vorbereitung und Nachbereitung für das Kind ihre vollen Gehaltsbezüge weiter, bei den Lehrerinnen auch die außerplanmäßigen Lehrkräfte. Sie sehen also, daß wirklich keine Notwendigkeit vorliegt, die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes auch auf die Beamtinnen zu erstrecken.
Wenn für die Beamtinnen Bestimmungen in das Mutterschutzgesetz aufgenommen würden, müßten die Gewerbeaufsichtsämter die Aufsicht über die Durchführung des Gesetzes hinsichtlich der Beamtinnen und weiblichen Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst ausüben. Die eingehende Prüfung aller zur Zeit geltenden Bestimmungen hat aber ergeben, daß diese Regelung unzweckmäßig und überflüssig ist und für eine Änderung des bisherigen Rechtszustandes kein sachliches Bedürfnis besteht.
Darüber hinaus bestehen gegen diese Regelung auch rechtliche Bedenken. Alle vorgesetzten Dienstbehörden der öffentlichen Verwaltung sind bereits kraft Gesetzes verpflichtet, die Aufsicht über die ordnungsmäßige Durchführung aller Gesetze, also auch des Mutterschutzgesetzes, auszuüben. Die Einschaltung der Gewerbeaufsichtsämter würde deshalb eine Aufsicht über die gesetzmäßige Handhabung der Verwaltung mit sich bringen, die nach dem Grundgesetz den Gerichten übertragen ist. Die reibungslose Durchführung einer solchen Doppelaufsicht wäre in jedem Falle praktisch unmöglich. Eine Doppelaufsicht widerspricht dem Grundsatz der klaren Verteilung der Verantwortung innerhalb der öffentlichen Verwaltung.
Ich bitte also das Hohe Haus, aus den vorgetragenen Gründen von einer Einbeziehung der Beamtinnen in die Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes abzusehen und sich dafür einzusetzen, daß
in das neue Beamtengesetz erweiterte Bestimmungen für den Schutz der werdenden Mütter eingefügt werden. Ich bitte das Hohe Haus, den Antrag der SPD abzulehnen. Dem Ausschußentwurf stimmen wir zu.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Nach den wirklich guten und exakten Ausführungen meiner Vorrednerin kann ich mich sehr kurz fassen.
Auch ich bitte, den Antrag der SPD, Vorschriften für die Beamtinnen in das Mutterschutzgesetz aufzunehmen, abzulehnen. Es bedarf der Unterstellung der Beamtinnen unter das Mutterschutzgesetz nicht. Heute existieren bereits Verordnungen und Erlasse der Regierung, die der Beamtin weitgehenden, j a zum Teil sogar weitergehenden Schutz gewähren, als ihn dieses Mutterschutzgesetz bietet. Ich vermag also nicht einzusehen, warum man eine Änderung vornehmen soll, zumal die Beamtin dem Arbeitsrecht nicht untersteht und ihre Stellung eigener Art ist.
Der Mutterschutz, den wir uns wünschen, ist bereits weitgehend durch die bestehenden Anordnungen gewährleistet. Wie das Innenministerium berichtet hat, ist geplant, eine Verordnung vorzulegen, die alle diese Einzelverordnungen zusammenfaßt, was Frau Kollegin Albrecht ja bereits erwähnt hat. Darüber hinaus weise ich darauf hin, daß das Berufsbeamtengesetz vorliegt, und ich meine, daß es möglich sein wird, in dieses Gesetz auch noch eine Bestimmung einzubauen, die den Schutz der Beamtin, die ein Kind erwartet, gewährleistet.
Es bestehen auch, worauf Frau Albrecht bereits hingewiesen hat, gewisse verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Wirkungsbereiches des Mutterschutzgesetzes. Der Bund hat die Bestimmungen zum Schutze seiner Beamtin, die Mutter ist, bereits erlassen. Dieses neue Mutterschutzgesetz ist mit Rücksicht auf Art. 75 Abs. 1 des Grundgesetzes ja auch wieder nur ein Rahmengesetz, greift also in die Befugnisse der Länder und Gemeinden nicht ein, und die Stellung der Beamtin in den Ländern und Gemeinden wird dadurch in keiner Weise beeinflußt. Ich glaube also, daß wir die Beamtin außerhalb des Geltungsbereiches des Mutterschutzgesetzes lassen können, aber vorsorglich noch dafür eintreten sollten, daß eine entsprechende Bestimmung in das Beamtengesetz aufgenommen wird.
Darf ich noch eines sagen. Ich möchte bitten, auch den Antrag der KPD zu § 1 abzulehnen. Im Ausschuß ist eingehend besprochen worden, was für das Mutterschutzgesetz wichtig ist; auch die einzelnen Formulierungen sind sehr, sehr sorgfältig durchdacht worden. Ich glaube, die KPD hätte damals schon Gelegenheit gehabt, sich an der Diskussion zu beteiligen.
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Wir haben keinen Anlaß, erneut in eine Diskussion über einzelne Formulierungen einzutreten.
Ich bitte also, auch diesen Antrag abzulehnen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Heiler.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Frau Abgeordnete Thiele hat es für nötig befunden, eine Reihe von Abänderungsanträgen zu bringen, aus denen man allzu deutlich ersehen kann, daß sie an den Ausschußberatungen nicht soweit teilgenommen hat, um unseren Erörterungen folgen zu können. Sonst hätte sie zu § 1 nicht diesen Abänderungsantrag gebracht, nachdem wir uns lange über die Formulierung „Arbeitsverhältnis" und „Beschäftigungsverhältnis" auseinandergesetzt haben. Wir haben absichtlich die mehrdeutige Formulierung „Beschäftigungsverhältnis" unterlassen und dafür „Arbeitsverhältnis" eingesetzt, und ich bitte darum, diesen Antrag abzulehnen.
Wenn es der Herr Präsident erlaubt, möchte ich zu den anderen Vorschlägen von Frau Thiele gleich mit Stellung nehmen, weil ich glaube, daß sie aus demselben Motiv heraus gestellt worden sind und darum in gleicher Weise abgelehnt werden können. Das gilt im Zusammenhang mit dem Antrag zu § 1 auch für den Antrag zu § 7, wo sie die Formulierung „in anderen Vorschriften", wie wir sie gebracht haben, durch „gewerbepolizeiliche oder tarifliche Vorschriften" ersetzt wissen will. Es handelt sich hier bei uns um „arbeitsrechtliche" Vorschriften, und darum können wir diese Formulierung, wie sie Frau Thiele vorgebracht hat, nicht akzeptieren.
Wenn wir in bezug auf die Hausgehilfin eine andere Einstellung, und zwar einmütig im ganzen Ausschuß, eingenommen haben, so deswegen, weil wir zwar der werdenden Mutter und der jungen Mutter jeden Schutz und jede Hilfe gewähren wollen, aber nicht so, daß darunter die Familie zu leiden hat,
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bei der sie in Beschäftigung ist. Einmal kann die Hausgehilfin manche Arbeiten ebenso wie die Hausfrau und Mutter verrichten; die generellen Beschäftigungsverbote der §§ 3 und 4 gelten ja für jede werdende Mutter, auch wenn sie in der Hauswirtschaft beschäftigt ist. Soweit ihr also Arbeiten zugemutet werden, die sie leisten kann, sind wir der Überzeugung - und darin haben uns gerade auch die Ärzte des Ausschusses unterstützt -, daß für die Frau diese Arbeiten im Haushalt nur zuträglich sind und daß darum das Beschäftigungsverbot für die in der Hauswirtschaft beschäftigte Frau ausreichend ist, wenn es auf vier Wochen vor der Entbindung beschränkt wird.
Ebenso ist der Kündigungsschutz für die Hausgehilfin, der in § 9 festgelegt ist, von uns festzuhalten, weil wir es nicht einfach gelten lassen
können, daß eine Hausfrau eine Schwangere bei
sich behalten muß, wenn das Verhältnis zwischen
beiden unerträglich wird. Es ist ein großer Unterschied zwischen der Beschäftigung in der gewerblichen Wirtschaft oder in einem größeren Betrieb
und der Beschäftigung in der Hauswirtschaft, wo
ein viel engeres Zusammenleben und Zusammenarbeiten der Hausfrau und der Angestellten besteht und wo außerdem, wie schon Frau Dr. Rehling in ihrem Bericht ausgeführt hat, vielfach aus
wohnlichen, aus sozialen und auch aus erziehlichen
Gründen ein Zusammenbleiben nicht möglich ist.
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Bleibt die Hausangestellte im beiderseitigen Einverständnis, dann ist es etwas anderes.
In § 5 wünscht Frau Thiele die Änderung, daß bei der Einstellung eine schwangere Frau nicht verpflichtet werden solle, dem Arbeitgeber ihren Zustand bekanntzugeben. Wir haben die Formulierung so gefaßt, daß es heißt, sie „solle" dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft mitteilen. Darin liegt auch kein Zwang, und außerdem ist im zivilen Arbeitsrecht längst schon festgelegt, daß ein solcher Zwang nicht ausgeübt werden kann.
Was die nachträgliche Auszahlung des Wochen-und Stillgeldes anlangt, so haben wir uns in § 13 Abs. 5 an die Vorschriften der RVO, der Krankenversicherung, der Lohnauszahlung usw. angeschlossen und sehen gar nicht ein, warum hier nicht dieselbe Form der Auszahlung beibehalten werden soll.
Schließlich noch die Durchführung der Aufsicht unter Mitwirkung der zuständigen Gewerkschaft und des Betriebsrates. Es ist uns nur erwünscht, wenn sich Betriebsrat und Gewerkschaft, soweit sie in einem Betrieb vertreten sind, an dieser Aufsicht mitbeteiligen. Aber das hier im Gesetz festzulegen, halten wir nicht für richtig. Je besser der Betriebsrat und die Gewerkschaft sich dafür verantwortlich fühlen, um so geordneter ist dieser Betrieb.
Im übrigen darf ich wohl sagen: Meine Fraktion begrüßt es sehr, daß wir dieses Gesetz zum Schutze der Mutter jetzt soweit fertiggestellt haben, um es heute hoffentlich verabschieden zu können.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.
Mit Frau Kollegin Heiler begrüße auch ich es, daß dieses Gesetz noch vor den Weihnachtsferien verabschiedet wird; denn wir alle wissen, daß es einen großen Fortschritt auf dem Gebiete des Mutterschutzes bedeutet. Ich glaube, es ist nicht unbescheiden, wenn ich darauf hinweise, daß wir allerdings diese Tatsache lediglich meiner Fraktion verdanken, da die Regierung trotz aller Bitten, ein solches Gesetz einzureichen, die Initiative dazu nicht ergriffen hat.
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- Das können Sie doch nicht bestreiten.
Wenn nun aber in der Frage des Einschlusses der Beamtinnen in dieses Gesetz - und dazu habe ich mich zum Wort gemeldet - von meinen Vorrednerinnen gesagt worden ist: „Das haben wir ja im Ausschuß nun schon reiflich besprochen", so will ich das gern zugeben, bedaure aber um so mehr, daß dieselben Argumente, die wir im Ausschuß gehört haben, trotz unserer Widerlegung auch hier wieder vorgebracht worden sind. Ich möchte darauf hinweisen, daß es sich hier nicht lediglich um ein arbeitsrechtliches Gesetz handelt, sondern um eine ganz bedeutungsvolle, vielleicht die bedeutungsvollste bevölkerungspolitische Frage. Wenn nun gesagt wird: „Ja, für die Beamtin ist das alles schon geregelt", so darf ich meinen verehrten Kolleginnen doch entgegenhalten: Wir haben im Ausschuß nachgewiesen, daß es für die Beamtin nicht geregelt ist. Wir haben im Ausschuß von einzelnen Ministerien - ich erinnere an das Postministerium - Ausführungen gehört, wonach es gar nicht möglich sei, es so zu regeln.
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Ich habe aber - und da bitte ich Sie, mir zu verzeihen, wenn ich einmal darauf hinweise - schon
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vor 25 Jahren an dem damaligen Mutterschutzgesetz mitgearbeitet. Alles, was jetzt gegen den Einschluß der Beamtin gesagt wird, ist damals in anderer Form bereits gegen den Einschluß der Hausgehilfin und der in der Landwirtschaft tätigen Frau gesagt worden. Heute sind wir Gott sei Dank - und ich begrüße das außerordentlich - dazu gekommen, diese Frauen einzuschließen. Herauslassen wollen Sie lediglich die Beamtin. Aber auch da bitte ich um Entschuldigung, wenn ich darauf hinweise, daß die vorhin hier gemachten Ausführungen doch etwas der Logik entbehren. Wenn dieselben Kolleginnen auf der einen Seite erklärt haben, beamtenrechtlich sei ja der Mutterschutz schon geregelt und nach dem Grundgesetz sei es nicht möglich, nun einen Zwang für die Länder zu schaffen, auf der anderen Seite aber gesagt haben, man wolle diese Bestimmungen in das Beamtengesetz aufnehmen, so scheint mir das doch einigermaßen unlogisch zu sein.
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Denn wenn es dort geht, warum dann nicht hier? Aber es ist ja doch auch Tatsache, daß uns das Beamtengesetz ohne diese Mutterschutzbestimmungen vorgelegt worden ist,
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daß wir also deren Aufnahme in dieses Gesetz auch wiederum erst erkämpfen müssen.
Aus diesem Grunde sollten, meine ich, die Fraktionen dieses Hauses, die im Ausschuß trotz mancher Bedenken erfreulicherweise den Weg mitgegangen sind, die Hausgehilfin und die Landarbeiterin in das Gesetz einzuschließen, nun auch noch den letzten Schritt tun und die Beamtin einschließen. Dann haben wir ein wirkliches Mutterschutzgesetz in Deutschland, ein Mutterschutzgesetz, auf das wir stolz sein können, weil es vorbildlich ist auch für andere Länder. Frau Dr. Rehling und ich kommen ja soeben aus Straßburg. Wir wissen, wie notwendig es ist, gerade in der Sozialpolitik, an der ja auch Frau Dr. Weber im Ausschuß mitwirkt, etwas für Europa Vorbildliches zu schaffen.
Ich bitte Sie deshalb dringend: Geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß und schließen Sie die Beamtin ein! Im übrigen darf ich Sie noch auf die Formulierung in unserem Antrag hinweisen, die besagt, daß die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechend Anwendung finden. Was also im einzelnen noch zu regeln ist, kann geregelt werden. Dann aber können wir mit Recht sagen, daß wir für alle berufstätigen Mütter auch den entsprechenden Mutterschutz geschaffen und damit unserer Bevölkerungspolitik, von der wir doch alle der Ansicht sind, daß sie es nötig hat, einen großen Dienst erwiesen haben.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich gebe Frau Kollegin Schroeder durchaus recht, wenn sie sagt, daß es sich bei diesem Gesetz nicht nur um Seine Regelung materieller Art handelt, sondern daß wir auch an Gesichtspunkte bevölkerungspolitischer und ethischer Art denken müssen. Aber gegen den Vorwurf, es sei nicht ganz logisch, wenn ich sagte, man solle vorsorglich noch eine Bestimmung in das Beamtengesetz einbauen, möchte ich mich doch verwahren.
Ich habe damit nicht behauptet, daß durch den Einbau in das Bundesbeamtengesetz für die Beamtin eine weitergehende Fürsorge getroffen wird, als sie bisher schon besteht oder durch das Mutterschutzgesetz getroffen werden könnte. Was wollen wir denn mit dem Mutterschutzgesetz in erster Linie erreichen? Doch wohl das, daß die erwerbstätige Mutter gegen materielle Not gesichert ist. Das ist die Beamtin doch schon auf Grund ihres beamtenrechtlichen Verhältnisses zum Staat. Sie unterliegt, wenn sie Mutter wird, keiner Kündigung. Sie hat Anspruch auf Fürsorgeleistung aus dem für diesen Zweck zur Verfügung stehenden Fonds. Ist sie über die sechs Wochen vor der Entbindung und sechs Wochen nach der Entbindung hinaus krank, so bekommt sie ihr Gehalt weiter und erhält außerdem noch einen Zuschuß aus den für diesen Fall zur Verfügung stehenden Mitteln. Ich weiß also gar nicht, welchen Anlaß wir haben sollten, diese Gruppe von Frauen noch besonders in das Mutterschutzgesetz einzubauen.
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Wozu ein Gesetz weiter ausdehnen, wenn es nicht absolut notwendig ist? Ich bitte deshalb nach wie vor, diesen Antrag der SPD abzulehnen.
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Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Rehling.
Frau Schroeder, Sie haben vorhin, wenn ich Sie recht verstanden habe, gesagt, daß wir dieses Gesetz ganz wesentlich der SPD verdankten. Ich möchte mir doch erlauben, folgendes zu bemerken. Wenn Sie meinen, daß durch Ihre Initiative die Beratungen in Gang gekommen sind, so stimme ich völlig mit Ihnen überein.
({0})
- Wenn Sie das gemeint haben, erübrigen sich meine weiteren Ausführungen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen also zur Abstimmung.
Zu § 1 liegt zunächst der Abänderungsantrag
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- darf ich um Ruhe bitten; sonst ist es unmöglich, eine Abstimmung durchzuführen - der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 1 vor. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Gegen die Stimmen der Antragsteller bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Ich rufe nun zur Abstimmung den Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 394 Ziffer 1 auf. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, um das Handzeichen. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 1 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben.
- Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen?
- Bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 2. Dazu liegen keine Abänderungsanträge vor. Ich bitte diejenigen, die der Aus({1})
schußfassung des § 2 zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Gegen wenige Stimmen angenommen.
Wir kommen zu § 3. Dazu liegt ein Änderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 2 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Zuvor eine Bemerkung zu den Ausführungen von Frau Heiler und Frau Dr. Ilk. Ich glaube, Sie empfinden es selbst als sehr billig, daß man, wenn eine kleine Fraktion 44 Ausschüsse nicht dauernd besuchen kann, deshalb Anträge mit einer solchen Bemerkung abtut. Sie wissen selbst ganz genau, daß es üblich ist, daß Fraktionen, die mit dem Ausschußbericht nicht in allen Fragen einverstanden sind, sich gestatten, auch Abänderungsanträge einzureichen. - Das zu dieser Frage.
Frau Heiler hat schon sehr deutlich gesagt, worum es ihr geht. Es geht ihr nämlich um den Schutz der Familien, in denen Hausangestellte tätig sind, und nicht um den Schutz der Kinder, die zur Welt kommen sollen. Ich glaube, daran müßte man denken, wenn man zu diesem Paragraphen Stellung nimmt. Auch hier geht es um eine einheitliche Schutzfrist für alle werdenden Mütter. Die Schutzfrist beträgt allgemein sechs Wochen, und ausdrücklich ausgenommen sind in diesem Paragraphen Hausgehilfinnen und Tagesmädchen, für die die Schutzfrist nur vier Wochen beträgt. Ich möchte fragen: Sind eigentlich Hausgehilfinnen und Tagesmädchen Menschen anderer Kategorien, zweiter Klasse? Wenn die Schutzfrist auf sechs Wochen festgesetzt ist, dann doch deshalb, damit all die Anlagen, die in diesem Stadium schon ausgebildet sind, sich in Ruhe auch vollständig auswirken können. Es ist doch ein großer Unterschied zwischen einer Hausfrau, die selbst in einem Haushalt ist, und einer Hausangestellten, an deren Arbeit und an deren Kräfte doch andere Anforderungen gestellt werden.
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Ihre physischen Kräfte werden stärker beansprucht als die einer Frau in einem Haushalt, die selbst Mutter wird. Ihre Arbeitszeit ist meistens sehr viel ausgedehnter, oft hat sie sogar Sonntagsarbeit zu leisten. Man kann sie keinesfalls mit einer NurHausfrau gleichstellen. Man muß auch ihr die Sechs-Wochen-Frist zugestehen. Es werden an die Hausangestellte, wenn sie nicht geschützt wird, sehr oft Arbeitsanforderungen gestellt, die sie selbst nicht ablehnen kann, wenn sie sich nicht in große Schwierigkeiten bringen will. Hinzu kommt, daß sie neben der Arbeit in dem Haushalt, in dem sie ist, auch noch persönliche Obliegenheiten hat; daß sie für sich persönlich, manchmal sogar noch für Familienangehörige außerhalb ihrer Arbeitsstelle zu sorgen hat.
Ich möchte Sie bitten, im Interesse der Gleichstellung aller Frauen vor dem Gesetz auch den Hausangestellten und den in Haushalten angestellten Tagesmädchen die gesetzliche Schutzfrist von sechs Wochen zuzugestehen.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 2 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um I die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Der Antrag ist bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 3 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einzelnen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe nun auf § 4. Dazu liegen Abänderungsanträge nicht vor. - Das Wort ist nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem § 4 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 5. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD - Umdruck Nr. 395 Ziffer 3 - vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Auch hier hat bereits Frau Heiler darauf hingewiesen, daß Sie gar nicht daran denken, dem berechtigten Verlangen stattzugeben, daß eine werdende Mutter bei Einstellung in ein Arbeitsverhältnis nicht gezwungen und auch nicht veranlaßt werden soll, ihren Zustand bekanntzugeben. Es ist doch selbstverständlich, daß ein Arbeitgeber, der mit dem Ausfall einer Arbeitskraft in einer bestimmten Zeit zu rechnen hat, eine solche Arbeitskraft in den meisten Fällen nicht einstellen wird. Aus dieser Tatsache muß eine Benachteiligung der werdenden Mutter entstehen, die doch besonders geschützt werden soll. Ich möchte hervorheben, daß auch immer wieder versucht wird, die Frau vor der Niederkunft zu entlassen, entweder bei Bekanntwerden ihres Zustandes oder bei Eintreten in die Schutzfrist. Besonders trifft das bei solchen Frauen zu, bei denen man in einer falschen Anwendung des Begriffes „Doppelverdienertum" jetzt diese Dinge zur Anwendung bringt und die Frauen entsprechend benachteiligt.
Ich bitte also, auch diesem Abänderungsvorschlag Ihre Zustimmung zu geben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 3 zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen abgelehnt.
Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 5 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei einzelnen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf § 6. Dazu liegen Abänderungsanträge nicht vor. Das Wort ist auch nicht gewünscht. Wir können also abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem § 6 zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe auf § 7. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 395 vor: Wird noch einmal zur Begründung das Wort gewünscht? - Auf die Begründung wird verzichtet. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir können also abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag der KPD zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe - Mit
großer Mehrheit abgelehnt.
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Ich bitte nunmehr diejenigen, die dem § 7 in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Bei einzelnen Enthaltungen mit großer Mehrheit angenommen.
Ich rufe § 8 auf. Dazu liegen keine Abänderungsanträge vor. - Das Wort ist nicht gewünscht. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem § 8 zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun § 9 auf. Dazu liegen Abänderungsanträge der KPD auf Umdruck Nr. 395 und der SPD auf Umdruck Nr. 394 vor. Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Frau Abgeordnete Thiele.
Meine Herren und Damen! Durch die Änderung, die wir Ihnen zu § 9 vorschlagen, soll gewährleistet werden, daß die Hausangestellten nicht benachteiligt sind. Gerade hier besteht die Gefahr, daß die werdende Mutter vor der Niederkunft keine Unterkunft hat. Darum bitte ich Sie, diesem Änderungsantrag zuzustimmen.
Wird weiter das Wort gewünscht? - Frau Abgeordnete Albrecht?
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- Sie verzichten. - Dann Frau Abgeordnete Dr. Ilk.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Zu dem Antrag der SPD, dem § 9 einen Absatz 4 hinzuzufügen, möchte ich bemerken, daß dafür weitgehend die Ausführungen gelten, die ich vorhin bei § 1 zu der Frage der Beamtinnen gemacht habe. Was Beamtinnen auf Probe und auf Widerruf sowie Beamtenanwärterinnen anlangt, so unterliegen diese Personengruppen bereits dem Mutterschutz. Es gibt eine Bestimmung des Erlasses vom 12. Januar 1944, der dieselbe Regelung trifft, wie sie in diesem Antrag vorgesehen ist.
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Sie wird aber weiterhin beachtet und wird auch in die Verordnung, die jetzt diese Bestimmungen zusammenfassen soll, wiederaufgenommen werden. Ich halte also auch hier eine Aufnahme in das Mutterschutzgesetz nicht für erforderlich. Abgesehen davon, daß es im Bund nur noch 8 bis 10 Beamtinnen auf Widerruf gibt - für diese eine Sonderbestimmung zu schaffen, würde sich also in diesem Rahmen sicherlich nicht lohnen -, möchte ich darauf hinweisen, daß die Beamtinnen auf Probe und die Beamtenanwärterinnen Angestellte und noch nicht Beamtinnen sind. Sie unterliegen als Angestellte sowieso den Mutterschutzbestimmungen.
Ich bitte also, den Antrag der SPD abzulehnen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 5. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der SPD auf Umdruck Nr. 394 Ziffer 2. Ich bitte
diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte nun diejenigen, die dem § 9 in der Ausschußfassung zustimmen, das Handzeichen zu geben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf die §§ 10, - 11, - 12. Zu den aufgerufenen Paragraphen liegen keine Abänderungsanträge vor, auch keine Wortmeldungen. Infolgedessen ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über die §§ 10, 11 und 12. Ich bitte diejenigen, die diesen Paragraphen zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich komme nun zu § 13. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 6 vor. Das Wort wird nicht gewünscht; wir können sofort abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dem Abänderungsantrag der KPD zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Das letztere ist die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 13 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist wohl einstimmig angenommen.
Ich rufe nun auf die §§ 14, - 15, - 16, - 17, -18. - Zu den aufgerufenen Paragraphen liegen keine Abänderungsanträge vor. Das Wort ist nicht gewünscht. Wir kommen also zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen in der Fassung der Ausschußvorlage zustimmen, die Hand zu erheben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
Ich rufe nun § 19 auf. Dazu liegen zwei Abänderungsanträge der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 7 und Ziffer 8 vor, und zwar zu Abs. 1 und zu Abs. 2. Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Thiele.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wir sind der Auffassung, daß sowohl bei der in Abs. 1 als auch bei der in Abs. 2 vorgesehenen Aufsicht die Mitwirkung der zuständigen Gewerkschaften und der jeweiligen Betriebsräte gesichert sein sollte. Die Aufsicht der Gewerbeaufsichtsämter allein genügt nicht. Dadurch wird auch nicht garantiert, daß dieses Gesetz so durchgeführt wird, wie es im Interesse der werdenden Mütter notwendig ist. Wir verlangen die Einschaltung der Gewerkschaften und der Betriebsräte bei der Durchführung dieses Gesetzes. Wir wollen das weitestgehende Mitwirkungsrecht sowohl der Gewerkschaften als auch der Betriebsräte sichern, weil nur sie allein die internsten Dinge aus den Betrieben und damit der werdenden Mütter kennen. Sie können den Gewerbeaufsichtsämtern dabei helfen, daß ihre Vorschriften nicht bürokratisch, sondern dem Interesse der werdenden Mütter entsprechend durchgeführt werden. Ich möchte in diesem Falle ganz besonders an die sozialdemokratische Fraktion appellieren; ich bin der Ansicht, daß der größte Teil der Frauen kein Verständnis dafür haben wird, wenn sie in diesem Falle nicht zustimmt, daß den Betriebsräten und den Gewerkschaften die Möglichkeit der Mitwirkung bei der Durchführung dieses Gesetzes und bei deren Beaufsichtigung gewährleistet wird. Letzten Endes sind doch die Gewerbeaufsichtsämter Einrichtungen mehr oder weniger bürokratischen Charakters und bekommen erst
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dann Leben, wenn sie von unten, vom Leben aus dem Betriebe selbst gespeist werden und dort die Verhältnisse kennenlernen.
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Keine weiteren Wortmeldungen.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Abänderungsantrag der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 7. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Antrag der KPD auf Umdruck Nr. 395 Ziffer 8. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte ist die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte diejenigen, die dem § 19 in der Ausschußfassung zustimmen, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe nun auf: § 20, - § 21, - § 22, - § 23, -§ 24, - § 25, - § 26, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen also gleich zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
- Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Kipp-Kaule.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich kann mich den Worten meiner Kollegin Frau Schroeder anschließen, die bereits von dieser Stelle aus zum Ausdruck brachte, daß es uns eine große Freude sei, daß nun endlich nach langer Zeit dieses Gesetz am heutigen Tage verabschiedet würde.
({0})
- Darüber läßt sich streiten, Kollege Arndgen! Ich möchte in letzter Minute vor der letzten Abstimmung keinen Streit zwischen uns beiden aufkommen lassen.
({1})
Wie sehr es den verantwortlichen Stellen am Herzen lag, ein solches Gesetz endlich für die deutsche Frau und für die deutschen Kinder zu bekommen, das wissen Sie genau so gut wie ich. Sie wissen, daß Hunderttausende von Frauen seit zwei Jahren auf diese Stunde warten und uns allen dafür dankbar sein werden, daß es nun endlich so weit ist, daß sie nicht den willkürlichen Maßnahmen von Behörden, Krankenkassen und Arbeitgebern ausgesetzt sind.
Ich habe nur noch einige wenige Sätze zu sagen. Wir werden der Entschließung, die bereits im Ausschuß zur Annahme gelangte, unsere Zustimmung nicht versagen, weil wir die Hoffnung haben, daß nun tatsächlich vom Innenministerium ein Gesetz vorgelegt werden wird, nach dem alle die Personenkreise erfaßt werden, die in der Drucksache Nr. 1182, § 1, Ziffer 2 von uns bedacht worden waren.
Wir werden ferner dem Gesetz unsere Zustimmung erteilen, obschon Sie in der zweiten Beratung den Geltungsbereich nicht auf die Beamtin ausgedehnt haben. Wir werden aber, meine Herren und Damen - das kann ich Ihnen heute schon sagen -, unsere Anträge zur gegebenen Zeit wiederholen; und wir hoffen nur, daß das Bundesinnenministerium sich beeilt, das versprochene Gesetz vorzulegen, das uns bereits vor Monaten vom Ministerialdirigenten Hagen zugesagt wurde, damit der erweiterte Personenkreis, der von uns angesprochen wurde, nun endlich den ausreichenden Schutz für die werdende Mutter und für das Kind erhält.
({2})
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Fraktion wird dem Mutterschutzgesetz in der Form, wie es der Ausschuß verabschiedet hat, zustimmen.
Ich möchte nur wegen der hier sehr oft und ein wenig polemisch entstellten Darstellung der Historie dieses Gesetzes sagen: Wir sind glücklich über die Erweiterungen; wir lehnen die Einbeziehung der Beamtin genau so ab, wie es hier zum Ausdruck gekommen ist. Wir meinen, daß die Frage des Mutterschutzes nicht kollektiv für alle gleich, sondern für viele Gruppen nach deren besonderem Bedürfnis geregelt werden sollte.
({0})
Daß das kollektive Arbeitsrecht und eine kollektive Regelung des Mutterschutzgesetzes Ihnen anders vorschwebt als uns, ist bekannt. Trotzdem haben Sie - und das wollte ich hier wie in der ersten Lesung nur nochmals feststellen - Ihre Initiative weitgehend darauf beschränkt, das bestehende Mutterschutzgesetz abzuschreiben - ich sagte es an dieser Stelle schon einmal bei der ersten Lesung - und einige Überschriften zu ändern. Wir haben in gemeinsamer Arbeit im Ausschuß dieses Gesetz dann erweitert.
Zu dem, was hier noch von der Diktatur der Krankenversicherung und darüber hinaus polemisch gesagt worden ist, möchte ich noch feststellen: Unsere deutsche Sozialversicherung hat ihr 70jähriges Bestehen gefeiert. In der Reichsversicherungsordnung ist die Wochenhilfe für die Versicherten wie die Familienwochenhilfe nicht nur geregelt gewesen - wir sind in Deutschland stolz darauf -, sondern auch durchgeführt worden. In keiner Stunde haben diese Leistungen der deutschen Krankenversicherung ausgesetzt.
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die allgemeine Aussprache ist damit geschlossen. Da Abänderungsanträge zur dritten Beratung nicht gestellt sind, kann ich wohl insgesamt alle Paragraphen aufrufen, und zwar von § 1 bis § 26, Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen.
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Wir kommen zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um
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die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Damit ist das Gesetz in dritter Beratung durch einstimmigen Beschluß verabschiedet.
Wir kommen nun zur Abstimmung über die Entschließungen nach der Ausschußvorlage auf Drucksache Nr. 2876 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die den Entschließungen zustimmen, die Hand zu heben. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Einstimmig angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Punkt 10 der Tagesordnung - die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs über das Deutsche Arzneibuch - wird auf Wunsch des beteiligten Ausschusses zurückgestellt.
Entsprechend einer Vereinbarung rufe ich nun Punkt 20 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Deutschen Partei betreffend Ergänzung zur Zwölften AufbauVerordnung der Sozialversicherung ({2}).
Wird das Wort dazu gewünscht? - Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke. - Meine Damen und Herren, vom Ältestenrat sind 10 Minuten für die Begründung und 40 Minuten für die Aussprache vorgesehen. - Ich nehme Ihre Zustimmung an.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der gesunden Aufwärtsentwicklung unserer deutschen Arbeiterschaft wächst in der Praxis sehr oft ein invalidenversicherungspflichtiger Arbeiter in eine angestelltenversicherungspflichtige Tätigkeit hinein. Die Zwölfte Aufbauverordnung und die in der Zeit von 1935 erlassenen Bestimmungen hindern einen Arbeiter, der als Gärtner etwa Gartenmeister, als Arbeiter Werkmeister, als Schiffer Schiffsführer wird, daran, Mitglied seiner bisherigen Krankenkasse zu bleiben, wenn er eine angestelltenversicherungspflichtige Tätigkeit ausübt.
Das typische Beispiel für die Unmöglichkeit und die unzureichende Regelung im Gesetz ist das Beispiel der Rheinschiffer, die, wenn sie bei einer Reederei auf dem Rhein als Schiffsführer beschäftigt werden, angestelltenversicherungspflichtig, aber als Schiffsführer auf der Elbe invalidenversicherungspflichtig sind.
In der Rentenversicherung ist das Wechseln von der Invaliden- zu der Angestelltenversicherung in der Wanderversicherung geregelt. Für die Krankenversicherung ist eine Ergänzung der Zwölften Aufbauverordnung notwendig, damit die nicht durch Berufswechsel, aber durch die Art der Tätigkeit in die Angestelltenversicherung hineinwechselnden Arbeiter die Möglichkeit haben, ihrer alten Krankenkasse anzugehören.
Wir bitten Sie daher, unserem Antrag zur Erweiterung des § 4 Abs. 1 der Zwölften Aufbauverordnung der Sozialversicherung vom 24. Dezember 1935 zuzustimmen und folgenden Satz einzufügen:
Die Mitgliedschaft bleibt bestehen, wenn beim Überwechseln von einer invalidenversicherungspflichtigen Beschäftigung in eine angestelltenversicherungspflichtige der Beruf nicht gewechselt wird.
Wir bitten, den Antrag nach Möglichkeit ohne Aussprache dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen.
Das Wort zur Aussprache ist nicht gewünscht. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Sozialpolitik beantragt. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu heben. - Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 21 der Tagesordnung:, Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht ({0}) über die vor dem Bundesverfassungsgericht erhobene Klage der sozialdemokratischen Fraktion des Bundestages gegen die Bundesregierung betreffend Petersberger Abkommen ({1}).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Dr. Kopf ({2}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages hat beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen die Bundesregierung eingereicht und beantragt, ganz allgemein festzustellen, daß auch Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Alliierten Hohen Kommission der Zustimmung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes bedürfen; weiterhin, daß die Bundesregierung die dem Bundestag nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes zustehenden verfassungsmäßigen Rechte verletzt hat, indem sie es unterließ, die zwischen dem Bundeskanzler und der Alliierten Hohen Kommission getroffenen Abmachungen - das sogenannte Petersberger Abkommen - dem Bundestag in der Form eines Bundesgesetzes zur Zustimmung vorzulegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Klage dem Präsidium des Deutschen Bundestags zur Äußerung übersandt. Der Rechtsausschuß hatte sich mit der Frage zu befassen, ob und in welcher Weise der Bundestag zu dieser Klage Stellung nehmen soll. Zunächst lag nur eine kurze Klagebegründung vor, in der von der Klagepartei ausgeführt wird, daß nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung und Mitwirkung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften bedürfen. Ferner wurde ausgeführt, daß das Petersberger Abkommen ein Vertrag sei, der sowohl Gegenstände der Bundesgesetzgebung berühre als auch Abmachungen politischer Natur enthalte. Eine ausführliche Klagebegründung, die von der SPD-Fraktion inzwischen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht worden ist, lag dem Rechtsausschuß bis jetzt noch nicht vor.
Nach dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht besteht die Möglichkeit, daß auch der Bundestag bei einem derartigen Konflikt zwischen den obersten Bundesorganen dem Verfahren beitreten kann; er muß nicht beitreten, aber er kann beitreten. Daher war die Frage zu prüfen, ob von diesem Beitrittsrecht Gebrauch gemacht werden soll.
Nun hat in der Sitzung des deutschen Bundestags vom 24. und 25. November 1949 nicht nur eine Bekanntgabe des Petersberger Abkommens stattgefunden, sondern es ist damals auch über einen Antrag der Fraktion der SPD abgestimmt worden. Die SPD hat damals beantragt, der Bundestag solle
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es mißbilligen, daß der Herr Bundeskanzler das mit der Hohen Kommission geschlossene Abkommen ohne bundesgesetzliche Ermächtigung gemäß Art. 24 Abs. 1 des Grundgesetzes unterzeichnet hat, obwohl damit eine Übertragung von Hoheitsrechten verbunden war. Weiterhin sollte nach dem Antrag der SPD-Fraktion der Bundestag der Auffassung Ausdruck geben, daß das Abkommen auch bei Außerachtlassung des Art. 24 Abs. 1 des Grundgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes durch Bundesgesetz bedarf. Über diesen Antrag der SPD-Fraktion sowie über einen ähnlich gehaltenen Antrag der kommunistischen Fraktion ist eine Abstimmung erfolgt. Beide Anträge sind damals von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt worden. Diese beiden Anträge haben nicht zu dem behaupteten politischen Inhalt des Abkommens Stellung genommen, sondern in erster Linie zu der Rechtsfrage, ob dieses Abkommen der Genehmigung der zur Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften bedarf oder nicht. Der Bundestag hat damals durch Ablehnung dieser beiden Anträge in seiner Mehrheit zum Ausdruck gebracht, daß er eine derartige Genehmigung nicht für erforderlich hält. Der Bundestag hat somit damals zur Rechtsfrage selbst bereits Stellung genommen.
Nun liegt zu der Frage, ob und inwieweit der Bundestag sich bei Prozessen ähnlicher Art einschalten soll, bereits ein Präzedenzfall vor, nämlich der Prozeß über die Rechtsgültigkeit der beiden Neugliederungsgesetze. In diesem ersten Fall hat der Bundestag beschlossen, zwar nicht dem Verfahren beizutreten, aber von dem Äußerungsrecht, das ihm in dem speziellen Fall der Normenkontrolle zusteht, Gebrauch zu machen; und er hat davon auch Gebrauch gemacht.
Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine Normenkontrolle, sondern um einen Konflikt zwischen den höchsten Bundesorganen. Hier sehen die Bestimmungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht ein bloßes Äußerungsrecht vor. Vielmehr kann die Mitwirkung des Bundestages nur in der Form des Beitritts der einen oder anderen Partei gegenüber erfolgen.
Ich bin nun, nachdem bereits dieser eine Präzedenzfall vorliegt und nachdem der Bundestag zu der in der Klage aufgeworfenen Rechtsfrage durch Ablehnung der beiden Anträge selbst Stellung genommen hat, der Auffassung, daß es sich für den Bundestag empfehlen dürfte, sich auch in diesem Falle durch Beitritt am Verfahren zu beteiligen. Der Beitritt kann meines Erachtens nur in der Weise erfolgen, daß der Bundestag die Stellungnahme, die er damals durch die Ablehnung der beiden Anträge zum Ausdruck gebracht hat, auch heute wieder beibehält, d. h. daß er zu seinem damaligen Mehrheitsbeschluß steht. Ich stelle namens eines Teiles der Ausschußmitglieder den Antrag - einen Antrag, den ich gleich übergeben werden -:
Der Bundestag beschließt, in dem Verfassungsrechtsstreit der sozialdemokratischen Fraktion des Bundestages gegen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung gemäß § 65 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes beizutreten. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht wird beauftragt, über Art und Form des Beitritts dem Bundestag einen -Vorschlag zur Beschlußfassung zu unterbreiten.
Zur Klarstellung sei nochmals bemerkt, daß der Bundestag drei Wahlmöglichkeiten besitzt. Er
könnte erstens davon absehen, sich selbst in irgendeiner Form an dem Verfahren zu beteiligen. Er kann zweitens den Beitritt beschließen und hierbei entweder der Klagpartei, der sozialdemokratischen Fraktion, oder der Beklagten, der Bundesregierung, beitreten.
Aus den Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe, wird von mir im Auftrage eines Teiles der Ausschußmitglieder - eine Abstimmung hat bei uns nicht stattgefunden - der Antrag gestellt, daß der Bundestag der beklagten Partei, nämlich der Bundesregierung, beitreten möge und damit die Stellungnahme der Mehrheit des Bundestages bestätigen wolle. Ferner soll der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht dem Plenum Vorschläge darüber machen, in welcher Art und Form - ob schriftlich oder mündlich, ob durch Entsendung eines Vertreters oder bloß auf schriftlichem Wege - dieser Beitritt vollzogen werden soll.
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Das Wort zur Berichterstattung hat der Abgeordnete Dr. Arndt.
Dr. Arndt ({0}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Rechtsausschuß hat sich eine einheitliche Auffassung nicht herausgebildet. Infolgedessen hat der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht den Herrn Kollegen Dr. Kopf u n d mich beauftragt, die einander widerstreitenden Auffassungen hier darzulegen, und zwar in der Form, daß der Herr Kollege Kopf, wie er es getan hat, beantragen solle, der Bundestag möge der Beklagten, d. h. der Bundesregierung beitreten, und ich beauftragt sei, Ihnen den Antrag zu unterbreiten, das Hohe Haus möge der klagenden Fraktion beitreten.
Im einzelnen habe ich hier folgendes dazu zu sagen. Der Herr Kollege Kopf ist nicht auf die Rechtsfrage eingegangen, ob das Petersberger Abkommen ein Vertrag ist, der nach Art. 59 des Grundgesetzes der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften in der Form eines Gesetzes bedurft hätte. Der Herr Kollege Kopf hat sich darauf beschränkt, darzulegen, daß der Bundestag seinerzeit einen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion abgelehnt hat, in dem gefordert wurde, die Bundesregierung möge dieses Abkommen dem Bundestag in der Form eines Gesetzes zur Entscheidung vorlegen. Daraus folgerte Herr Kollege Kopf, die Entscheidung des Bundestages sei schon gefallen. Erstens sind ja derartige Beschlüsse für den Bundestag selbst nicht bindend. Der Bundestag kann und muß vielmehr erneut in die Prüfung der Rechtsfrage, und zwar in diesem Falle - da ja das Bundesverfassungsgericht die politische Zweckmäßigkeit nicht zu prüfen hat - nur der Rechtsfrage eintreten. Zweitens werden Sie sich an jene heftige Abstimmungsnacht erinnern, in der doch wesentlich mehr um die politische Zweckmäßigkeit als um die formelle Rechtslage gestritten wurde. Der Herr Kollege Onnen hat im Rechtsausschuß sehr klar gesagt, daß die Rechtsfrage damals nicht im Vordergrund stand, sondern die politische Zweckmäßigkeitsfrage. Er hat darauf hingewiesen, in welch eigentümliche Lage sich das Parlament begibt, wenn es hier der Bundesregierung beitritt, um gegen seine eigenen Befugnisse zu kämpfen.
({1})
Wenn das Parlament einen Vertreter nach Karlsruhe entsendet, um vor dem Bundesverfassungs({2})
gericht geltend zu machen, daß es, das Parlament selbst, keine Rechte habe, ist das an sich schon eine absolut paradoxe Lage für ein Parlament.
({3})
Aber darüber hinaus hat der Herr Kollege Onnen mit Recht darauf hingewiesen, was für eine phantastische Folge eintritt, wenn etwa das Bundesverfassungsgericht der Klage entspricht und feststellt, daß der Bundestag mehr Rechte hat, als er selbst für sich in Anspruch nahm, und weiter feststellt, daß der Vertreter des Bundestags in der mündlichen Verhandlung gegen die dem Bundestag vom Bundesverfassungsgericht zugebilligten Rechte Stellung genommen hat. Dieser Situation wird man sich unmöglich aussetzen können.
Schließlich noch eine Nebenbemerkung. Sie wissen ja auch - wenn Sie sich erinnern -, daß jener Beschluß in der heftigen Nacht des Petersberg-Abkommens in Abwesenheit der Opposition gefaßt wurde. Es war damals das einzige Mal, daß von dem gefestigten Grundsatz abgewichen worden ist, einer Fraktion, die sich noch in der Beratung befindet, die Zeit zu gönnen, ihre Beratung zu Ende zu führen. Obgleich damals die sozialdemokratische Fraktion ihre Beratung gerade erst begonnen hatte, ist die Mehrheit des Bundestages erzürnt in die Verhandlung und Abstimmung eingetreten.
In der Sache werden wir also prüfen müssen - und jetzt insoweit sine ira et studio -, ob ein Vertrag im Sinne des Art. 59 des Grundgesetzes vorliegt oder nicht. Ich habe nicht die Absicht, Sie allzu lange damit aufzuhalten. Ich muß aber auf einiges insoweit eingehen und insbesondere darauf hinweisen, daß in der Klagebegründung - die ich Herrn Kollegen Dr. Kopf zur Verfügung gestellt hätte, wenn er sie hätte sehen wollen - der Antrag geändert ist. Die Anträge lauten jetzt:
Festzustellen,
1. daß die Bundesregierung die dem Bundestag nach Art. 59 des Grundgesetzes zustehenden verfassungsmäßigen Rechte verletzt hat, indem sie es unterließ, die vom Bundeskanzler am 22. November 1949 getroffenen Abmachungen - Petersberger Abkommen - dem Bundestag zur Zustimmung in der Form eines Bundesgesetzes vorzulegen;
2. daß das Petersberger Abkommen vom 22. November 1949 ein Vertrag ist, der die politischen Beziehungen des Bundes regelt und daher rechtsunwirksam ist, weil er nicht vom Bundespräsidenten geschlossen wurde und die gesetzgebenden Körperschaften nicht in der Form eines Bundesgesetzes zugestimmt haben.
Zur Begründung darf ich insoweit darauf hinweisen was auch sehr wesentlich ist -, daß nämlich in jener Nacht zu einer Rechtsprüfung seitens des Hohen Hauses überhaupt keine Zeit war. Der Herr Bundeskanzler hat am Nachmittag erstmals das Petersberg-Abkommen b ekanntgegeben. Es trat dann eine kurze Pause ein von ungefähr anderthalb Stunden, in der ein hektographierter Abzug des Abkommens verteilt wurde. Man wunderte sich bei der Mehrheit, daß ich mich bereits im Besitz des französischen und englischen Textes befand, wie Sie aus den im Protokoll festgehaltenen Zwischenrufen sehen können, und daß ich auch das Gutachten des Herrn Bundesjustizministers in der Hand hatte. Anschließend daran ist man gleich in die Debatte eingetreten. Zu irgendeiner Prüfung in verfassungsrechtlicher Hinsicht bestand daher für den Bundestag überhaupt keine Möglichkeit.
Soweit damals in jener Sitzung über Rechtsfragen diskutiert wurde, ging man, soweit man das Ratifizierungserfordernis verneinte, regelmäßig davon aus - das können Sie in den Protokollen nachlesen -, daß es sich um einen Vertrag handele nicht mit auswärtigen Staaten, sondern nur mit der Alliierten Hohen Kommission, und daß es sich um einen Vertrag im Bereich des Besatzungsrechts handle, nicht in der internationalen Sphäre. Wenn Sie heute auf Grund der vorliegenden Materialien an die Sache herangehen, werden Sie bei ruhiger Prüfung sehen, daß diese Auffassungen, wie sie damals insbesondere durch den Herrn Bundesminister der Justiz, durch den Herrn Kollegen von Merkatz und auch durch andere Mitglieder der Regierungskoalition vertreten worden sind, sich in keiner Weise halten lassen. Sie werden bereits aus der Präambel des Vertrags sehen, daß die Hohen Kommissare nicht im eigenen Namen gehandelt haben, sondern - wie es heißt - „bevollmächtigt" und „beauftragt", und zwar von der Konferenz. der Außenminister.
Aber sehr viel bedeutungsvoller ist noch, daß der Herr Bundeskanzler dann selbst in der 18. Sitzung des Bundestags festgestellt hat, das Abkommen trage - und nun zitiere ich wörtlich -: „die Unterschriften der Vereinigten Staaten, Englands und Frankreichs". Dies der eigene Ausspruch des Herrn Bundeskanzlers! Der Herr Bundeskanzler hat in einer späteren Sitzung - in der 68. Sitzung vom 13. Juni 1950 - wörtlich ausgeführt:
Die Bundesregierung ist hier zum ersten Male
als gleichberechtigter Verhandlungspartner mit
den alliierten Regierungen aufgetreten, die
durch ihre Hochkommissare vertreten waren. Also in zwei Sitzungen hat der Herr Bundeskanzler selber das Abkommen dahin interpretiert, wie es auch mit seinem Wortlaut übereinstimmt, daß es ein Abkommen mit den alliierten Regierungen war und die Unterschriften der Vereinigten Staaten, Englands und Frankreichs trägt. Der Herr Bundeskanzler hat deshalb auch in der 18. Sitzung darauf hingewiesen, daß wir, wie er sich ausdrückte, zum ersten Male wieder in die internationale Sphäre eintreten, und er hat in der 68. Sitzung dann auf die alliierten Regierungen als Vertragspartner hingewiesen.
Nun zum Inhalt des Abkommens selbst. Es ist eindeutig, daß es sich um den klassischen Fall eines Vertrages handelt, der im Sinne des Art. 59 des Grundgesetzes ein politischer Vertrag ist. Zu diesem Zwecke darf ich Ihnen doch einiges aus dem Abkommen in das Gedächtnis rufen. Es heißt ausdrücklich darin, daß der Sinn des Vertrages sei, die Republik Deutschland einzufügen in den Kreis der westeuropäischen Mächte; also der typische Freundschafts- und Integrationsvertrag, wie er Herrn von Mangoldt vorgeschwebt hat, als er im Parlamentarischen Rat den Begriff des politischen Vertrages eingeführt hat. Herr Kollege Kiesinger hat das noch ausdrücklich bestätigt, indem er in seiner Rede am 24. November 1949 wörtlich ausrief, daß „von dieser Stunde, von hier und von heute eine neue Epoche der Beziehungen des deutschen Volkes zur Welt beginnt". Ich glaube, pompöser kann man den politischen Charakter des Vertrages wohl kaum zum Ausdruck bringen.
({4})
({5})
Sodann ist noch darauf hinzuweisen, was in dem Vertrag alles enthalten ist. Da bekräftigt die Bundesregierung in Abschnitt V den Entschluß, die Grundsätze der Freiheit, der Toleranz und der Menschlichkeit rückhaltlos zur Achtung zu bringen. In Abschnitt VI ist festgelegt, daß die Bundesregierung auf dem Gebiet der Dekartellisierung und zur Beseitigung monopolistischer Tendenzen gesetzgeberische Maßnahmen treffen wird. In Abschnitt III des Petersberger Abkommens erklärt die Bundesregierung ihre Entschlossenheit, die Entmilitarisierung des Bundesgebiets aufrechtzuerhalten und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln die Neubildung irgendwelcher Streitkräfte zu verhindern.
({6}) Also wenn das kein politische Vertrag mit auswärtigen Mächten ist, dann möchte ich noch den Vertrag sehen, der nach Art. 59 des Grundgesetzes der Zustimmung durch die gesetzgebenden Körperschaften bedarf!
Ich glaube, damit habe ich genug gesagt. Ich könnte noch sehr viel mehr vortragen. Ich habe auch keinen Zweifel daran, wie das Ergebnis der verfassungsgerichtlichen Klage sein wird.
({7})
- Da brauchen Sie nicht „na, na" zu rufen! Ich habe ja hier keine politische Rede zu halten, sondern einen Bericht vorzutragen, und was ich bisher gesagt habe, genügt, glaube ich, um den Antrag zu rechtfertigen, daß der Bundestag .zur Verteidigung seiner Rechte beschließen möge, der klagenden Fraktion beizutreten und geltend zu machen, daß dieses Abkommen in Form eines Gesetzes dem Bundestag zur Zustimmung vorgelegt werden muß.
({8})
Herr Abgeordneter Dr. Arndt, der Antragstext!
({0})
- Er könnte nämlich sonst ungenau werden.
Im Ältestenrat ist vorgesehen, keine Aussprache stattfinden zu lassen, sondern sofort zu einer Beschlußfassung zu kommen. Sie haben den Antrag der SPD-Fraktion, wie Herr Dr. Arndt ihn vorgetragen hat - ({1})
- Jawohl, eines Teiles des Rechtsausschusses. Also ein Teil des Ausschusses für Rechtswesen hat diesen Antrag gestellt, den Herr Abgeordneter Arndt vorhin verlesen hat. Zum zweiten ist von Herrn Abgeordneten Dr. Kopf für einen anderen Teil des Ausschusses beantragt worden - ich glaube, das muß ich noch einmal vorlesen, weil es etwas untergegangen ist -:
Der Bundestag beschließt, in dem Verfassungsstreit der sozialdemokratischen Fraktion des Bundestags gegen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung gemäß § 65 BVGG beizutreten. Der Ausschuß für Verfassungsrecht und Rechtsschutz wird beauftragt, über Art und Form des Beitritts des Bundestags zur - - Ja, ich bin leider nicht in der Lage, das alles genau zu lesen. Ich glaube, Herr Abgeordneter, Sie lesen es am besten selbst einmal vor;
({2}) ich bin leider kein Schriftsachverständiger.
Es soll heißen:
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht wird beauftragt, über Art und Form des Beitritts dem Bundestag einen Vorschlag zur Beschlußfassung zu unterbreiten.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Es ist sehr schwer zu sagen, welches der weitergehende Antrag ist; ich glaube aber, daß es der Antrag der Fraktion der SPD ist - ich bitte um Entschuldigung: der Antrag der Ausschußmitglieder, für die Herr Abgeordneter Dr. Arndt gesprochen hat. Ich lasse also zunächst über diesen Antrag abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das letzte ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommen wir zu dem Ausschußantrag, den der Herr Abgeordnete Dr. Kopf vorgetragen hat. Ich bitte diejenigen, die ihm zustimmen, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen nun zu Punkt 11 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ändernng des Körperschaftsteuergesetzes ({0}).
Die Regierung hat auf eine Begründung verzichtet. Ich darf vielleicht empfehlen, unter diesen Umständen auch auf eine Aussprache zu verzichten und den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen zu überweisen. - Es wird nicht widersprochen; ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
({1})
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 12 auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten ({0}).
Wünscht die Regierung, den Gesetzentwurf zu
begründen? - Der Herr Bundesminister der
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zweck des Gesetzes über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten ist die Neuordnung der Rechtsverhältnisse der überregionalen Aktienbanken. In erster Linie betrifft das Gesetz die früheren Großbanken, die Commerzbank, die Deutsche und die Dresdner Bank und ihre Nachfolgeinstitute. Es betrifft aber auch andere Aktienbanken, die ein Interesse daran haben, über die Grenzen einzelner Länder hinaus Niederlassungen zu unterhalten, wie die Banken für Gemeinwirtschaft oder insbesondere ausländische Banken, soweit sie im deutschen Kreditgeschäft tätig werden wollen.
Durch alliierte Gesetze und Verordnungen ist im Jahre 1947 den Banken die Unterhaltung von Niederlassungen außerhalb der Grenzen eines Landes untersagt worden. Seitdem führen die Niederlassungen der früheren Großbanken, die in erster Linie von diesen Bestimmungen betroffen wurden, ihre Geschäfte in den einzelnen Ländern unter neuer Firmenbezeichnung wie selbständige Bankinstitute.
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, daß eine so weitgehende Aufgliederung wirtschaftlich nicht zweckmäßig ist. Die zum Teil einseitige Wirtschaftsstruktur der Länder gestattet den Banken weder einen Ausgleich der Risiken noch einen Geld- oder Kapitalausgleich, wie er sich früher im Rahmen der größeren Institute von selbst ergab. Einige Nachfolgeinstitute in den kleinen und wirtschaftlich schwächeren Ländern sind, auf sich selbst gestellt, heute nicht in der Lage, der Wirtschaft die notwendigen Kredite zuzuführen und befriedigende Geschäftsergebnisse zu erzielen. Als Geschäftspartner für ausländische Banken kommen die meisten Nachfolgeinstitute in der jetzigen Form mangels einer eigenen Rechtspersönlichkeit und wegen ihres zu geringen Eigenkapitals nicht in Betracht. Unter diesen Umständen besteht eine wirtschaftliche Notwendigkeit, die Bildung größerer, selbständiger und leistungsfähiger Banken wieder zu ermöglichen.
Auf der anderen Seite ist aber nicht beabsichtigt, die Großbanken in ihrer früheren Form wiedererstehen zu lassen. Das Gesetz sieht daher die Bildung von drei Bankräumen im Bundesgebiet vor. Das Land Nordrhein-Westfalen hat infolge der hohen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Industriereviers schon heute wieder leistungsfähige Banken. Es wird daher auch künftig einen Bankbezirk für sich bilden. Den zweiten Bankbezirk bilden die vier nördlichen Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Den dritten Bezirk bilden die übrigen sechs süddeutschen Länder. Diese Bezirke sind groß genug, daß Banken gebildet werden können, die die Finanzbedürfnisse der Wirtschaft auf absehbare Zeit befriedigen können. Den früheren Großbanken ermöglicht
diese Regelung die Zusammenfassung der zur Zeit 30 Nachfolgeinstitute zu neun leistungsfähigen Banken.
Rechtlich allerdings erfolgt die Bildung dieser neuen Banken nicht durch Fusionen der Nachfolgeinstitute, sondern durch Ausgründung neuer Kreditinstitute durch die alten Großbanken. Das liegt daran, daß die alliierten Gesetze und Verordnungen die früheren Großbanken weder aufgelöst noch rechtlich aufgeteilt haben. Die derzeitigen 30 Nachfolgeinstitute haben keine eigene Rechtspersönlichkeit, keine eigenen Gesellschaftsorgane und Aktionäre. Sie sind nach wie vor Vermögensbestandteile der früheren Großbanken. Der Gesetzgeber kann nur von dieser Rechtslage ausgehen. Daher ist das vorliegende Gesetz über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten ein Entflechtungsgesetz.
Dieses deutsche Entflechtungsgesetz kennt keine Treuhänder oder Verwalter, keine Kerngesellschaften und keine längeren Zeiten der Ungewißheit für Gläubiger und Anteilseigner über ihre Ansprüche und Rechte. Grundsätzlich finden die allgemeinen handelsrechtlichen Vorschriften, inbesondere die des Aktienrechts, Anwendung. Das Gesetz beschränkt sich auf die Festlegung der Bankbezirke, auf Vorschriften, die die Ausgründung der Nachfolgeinstitute technisch erleichtern, auf einige Bestimmungen zum Schutze der Gläubiger und Aktionäre und enthält schließlich noch Vorschriften über Steuererleichterungen, damit vermieden wird, daß die Gesellschaften anläßlich der geforderten Aufteilung mit Steuern belastet werden, die ohne diese Teilung nicht entstanden wären. Die Verteilung der Vermögenswerte der Banken und der Forderungen gegen sie auf die einzelnen Nachfolgeinstitute
bleibt der verantwortlichen Entscheidung der gesetzlichen Organe der Banken überlassen. Die Bankaufsichtsbehörden werden dafür Sorge tragen, daß die Ausgründungen unverzüglich durchgeführt werden.
Der Gesetzentwurf ist, da er ein der alliierten Gesetzgebung vorbehaltenes Gebiet regelt, mit der Alliierten Hohen Kommission erörtert worden. Die Alliierten haben dem Entwurf zugestimmt und sich bereiterklärt, mit dem Inkrafttreten des Gesetzes ihre Gesetze und Verordnungen auf diesem Gebiet aufzuheben.
Auch die in erster Linie Betroffenen, die Banken selbst, sind der Auffassung, daß die gefundene Lösung eine geeignete Grundlage für die. Neuordnung ihrer Institute bildet.
Diese Lösung ist nicht etwa dem alliierten Wollen, sondern eigener deutscher Überzeugung, gegründet mit auf die Erfahrungen der Jahre 1930/ 31, entsprungen. Die Lösung hat die Zustimmung der Betroffenen gefunden und der Bundesrat - in allen seinen Ausschüssen einstimmig - hat dem Gesetzentwurf zugestimmt. Ich hoffe, daß der Gesetzentwurf auch Ihre Zustimmung finden wird.
({0})
'Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung gehört. Wünscht jemand das Wort zu nehmen? - Herr Abgeordneter Seuffert! Sie haben mit zwei Fingern gezeigt und werden daher wahrscheinlich nur zwei Minuten reden wollen.
Seuffert: ({0}): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soweit dieses Gesetz anstelle der Einengung, die unser Bankensystem zur Zeit zu tragen hat, eine Ausweitung auf drei Bezirke setzen will, ist es begrüßenswert. Warum diese drei Bezirke eingeführt werden, ist bekannt. Es ist sehr ungewöhnlich, daß außenpolitische Einflüsse die Gesetzgebung eines Landes in der Festsetzung von Niederlassungsbezirken der Kreditinstitute beeinflussen. Trotz der Ausführungen die der Herr Bundesfinanzminister über die Einwilligung deutscher Stellen soeben gemacht hat, glaube ich nicht, daß wir es in dem Augenblick, in dem wir es so machen könnten, Wie wir wollten, in diesem Hause zu der Lösung brächten, die dieses Gesetz vorsieht. Wir werden also bei der Beratung des Gesetzes sehr sorgfältig zu prüfen haben, wieweit wir etwa andere deutsche Gesichtspunkte hierzu zur Geltung bringen können und müssen.
Ich glaube, 'daß auch aus anderen Gründen eine sehr sorgfältige und gründliche Beratung des Gesetzes notwendig sein wird. Es hängt mit einer ganzen Reihe von Gesetzen zusammen, die wir noch nicht haben, z. B. mit dem Notenbankgesetz, zu dem wir bisher nur einige halbe Entwürfe gesehen haben, halbe Entwürfe deswegen, weil überall der Unterbau des Landeszentralbankensystems vorausgesetzt, aber nicht geregelt ist. Es hängt auch mit dem Kartellgesetz zusammen - es ist ein Teil des Kartellrechts - und es hängt auch mit Fragen der 35. Durchführungsverordnung und anderen zusammen.
In diesem Stadium der Beratungen möchte ich nur noch dazu ein Wort sagen, daß die Frage der Ressortzuständigkeit für die Materie dieses Gesetzes sich im jetzigen Regierungsentwurf - man hat auch andere Entwürfe vorher gesehen - schamhaft hinter einer Zuständigkeit ,,der Bundesregierung" verbirgt. Ich möchte dazu nur wiederholt auf mehrere einstimmige Beschlüsse dieses Hauses
({1})
hinweisen, wonach die Ressortzuständigkeit für diese Materie eindeutig dem Bundeswirtschaftsminister zugewiesen ist. Wir glauben, Herr Bundesfinanzminister, daß das keine Frage ist, die damit zusammenhängt, ob und wann ein erster oder ein zweiter Nachtragshaushalt vorgelegt wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Preusker.
Meine Damen und Herren! Es ist bedauerlich, daß ein immerhin sehr wichtiges Gesetz in einer so vorgerückten Stunde hier in die erste Beratung kommt. Auch wir sind seit langem der Auffassung, daß es ein außerordentlich schwerer Schaden für unsere Volkswirtschaft gewesen ist, daß man ihr historisch gewachsenes Kreditsystem zunächst zerschlagen und eine organische, den wirklichen Bedürfnissen der Volkswirtschaft angemessene Lösung so lange verhindert hat. Wir anerkennen die außerordentliche Dringlichkeit, nun endlich wieder zu einer Zusammenfassung, zu einer Sammlung von Sparkapitalien und von Einlagen in einem größeren Bereich zu kommen. Aber auch wir können uns zunächst noch nicht ohne weiteres dem Wunsch des Herrn Bundesfinanzministers anschließen, daß dieses Gesetz, weil mit den Alliierten abgesprochen, wie im Bunderat so auch im Bundestag eine einstimmige Annahme findet. Wir haben eine Reihe von Vorstellungen, die von denen der Alliierten abweichen, und wir werden jedenfalls in den Ausschüssen darum ringen, diese deutschen Notwendigkeiten jeweils in Übereinstimmung mit dem bereits erwähnten Prinzip einer möglichst schnellen Lösung der Rankenfrage zu bringen.
Wenn Sie, Herr Kollege Seuffert, soeben sagten, die Frage der Zuständigkeit habe sich etwas schamhaft hinter dem Wort „Bundesregierung" in § 1 Abs. 3 versteckt, so sind wir der Meinung, .daß das noch nicht einmal der Fall ist. Vielmehr steht sehr offen auf dem Deckblatt im Übersendungstext: Federführend ist der Bundesminister der Finanzen. Ich muß im Namen meiner Fraktion zu unserem Bedauern zum Ausdruck bringen, daß wir am 25. Oktober 1951 hier mit überwältigender Mehrheit nicht nur beschlossen haben, daß in Fragen des Geld- und Kreditwesens in einem eventuellen Nachtragshaushalt die Zuständigkeit ides Bundesministeriums für Wirtschaft vorzusehen ist, sondern daß auch der Auftrag erteilt wurde, die hierzu erforderlichen Gesetzesänderungen vorzubereiten. Wenn man schon bestehende Gesetze in dieser Weise nach einem Beschluß des Bundestags ändern soll, dann sind wir allerdings der Meinung, daß man auch neu einzubringende Gesetze von vornherein entsprechend dem Beschluß des Bundestags vorzulegen hat.
Wir werden bei der Beratung des Gesetzes dafür sorgen, daß nicht nur eine organische und schnelle Lösung für einen wieder funktionsfähigen Bankenapparat zustande kommt, sondern daß auch durch die Zusammenfassung der politischen und wirtschaftspolitischen Leitung die Zuständigkeitsfrage organisch in einem Zuge mit gelöst wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Scharnberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich dem anschließen, was die beiden Herren Vorredner gesagt halben, daß nämlich der seinerzeitige Eingriff
der Militärregierung in das Bankengefüge außerordentlich bedauerlich war. Die Aufteilung der drei Großbanken in insgesamt 33 Einzelinstitute hat einen völlig unhaltbaren Rechtszustand herbeigeführt. Dabei ist entscheidend, daß keines der einzelnen Nachfolgeinstitute die Entscheidungen der anderen beeinflußen darf. Andererseits ist die Rechtslage so, daß für den Fall, daß einmal irgendwo etwas passieren würde, sämtliche Nachfolgeinstitute für das, was sie überhaupt gar nicht beeinflussen und überwachen können, geschlossen einzustehen hätten. Dieses Problem muß so schnell wie möglich gelöst werden, weil wir einen funktionsfähigen Bankenapparat brauchen. Wir brauchen ihn erstens einmal im Inland, wir brauchen ihn noch mehr für die Zukunft im Verhältnis zum Ausland.
In der Frage, ob man zu einer Einer- oder zu einer Dreierlösung kommen sollte, kann man verschiedener Meinung sein. Gewiß, eines ist sicher: wir hätten von uns aus nicht daran gedacht, die Großbanken aufzuteilen, auch nicht daran, sie in eine Dreierkonstruktion hineinzubringen. Nachdem die Aufteilung aber jetzt schon einmal erfolgt ist, kann man vielleicht ernsthaft über diese Frage reden.
Das Wichtigste scheint mir zu sein, daß wir so schnell wie möglich zu einer Lösung kommen, damit wir, wie gesagt, einen funktionsfähigen Bankenapparat erhalten. Ich möchte beantragen, daß das Gesetz zur weiteren Behandlung an den Ausschuß für Geld und Kredit verwiesen wird.
Herr Abgeordneter Seuffert!
Seuffert : ({0}): Ich beantrage .außerdem Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und wegen der Steuerbestimmungen an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen.
Noch weitere Wortmeldungen? - Herr Abgeordneter Preusker.
Ich will schnell ans Rednerpult kommen, sonst muß ich mir wieder sagen lassen, daß mich keiner versteht.
Ich möchte den Herrn Kollegen Seuffert in dem Antrag unterstützen, die Vorlage dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen; denn es spielt ja die Frage der Bewertung für die Festsetzung der Grundkapitalien eine Rolle. Ich bitte aber, von einer gleichzeitigen Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik Abstand zu nehmen. Dieser Ausschuß hat im Augenblick ohnehin sehr viele vordringliche Aufgaben zu erfüllen. Ich glaube, daß die Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit und den Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen ausreicht, zumal es eine wirklich dringende Angelegenheit ist.
({0})
Meine Damen und Herren, Einmütigkeit besteht über die Überweisung an den Ausschuß für Geld- und Kredit, der federführend ist. Ich stelle das fest.
Darf ich fragen: Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik? - Ich bitte um die Gegenprobe. - Das letzte war die Mehrheit. Ist abgelehnt.
Wer ist für die Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen? - Das ist die Mehrheit. Die Überweisung ist erfolgt.
({0})
Damit ist dieser Tagesordnungspunkt erledigt. Ich rufe Punkt 13 auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" ({1});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen ({2}) ({3}). ({4})
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen als Berichterstatter, darf ich bitten!
Dr. Wellhausen ({5}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu unserem Bedauern hat Ihnen der Finanzausschuß heute eine weitere Drucksache „zu Drucksache Nr. 2909" vorlegen müssen. Die Zeitnot, in der wir uns auf verschiedenen Gebieten befinden, und der Umstand, daß dieses Gesetz erst vor einer Woche, glaube ich, dem Ausschuß zugewiesen wurde, hat es leider nicht möglich gemacht, uns mit dem Gesetz abschließend zu beschäftigen. Wir erstatten infolgedessen, worauf ich ausdrücklich aufmerksam machen möchte, einen Teilbericht. Der Finanzausschuß wird sich im Januar mit der Angelegenheit weiter beschäftigen und dann dem Hause einen Schlußbericht vorlegen.
In diesem Teilbericht, der sich also nun auf die Drucksache Nr. 2909 und auf gewisse Änderungen dazu durch die Drucksache „zu Drucksache Nr. 2909" bezieht, erwähne ich als Wichtigstes die Bestimmung über die Verlängerung des Gesetzes; denn wir können selbstverständlich nicht riskieren, am 1. Januar 1952 vor einem gesetzlosen Zustand zu stehen. Zuerst glaubten wir, wir sollten das Ge- setz gleich um ein Jahr verlängern. Man vergleiche dazu die Drucksache Nr. 2909. Jetzt enthält aber die Drucksache „zu Drucksache Nr. 2909" eine Bestimmung über die Verlängerung um nur ein Vierteljahr. Wir sind uns darüber klar, daß es höchstwahrscheinlich zu einer weiteren Verlängerung kommt; aber wir möchten eben mindestens bis zu diesem Termin die Frage entscheiden, ob wir das, was der Gesetzentwurf der Regierung sonst noch enthält, billigen, nicht billigen oder verändern können oder müssen.
Was sonst noch in den beiden Drucksachen steht, sind Kleinigkeiten, wie ich wohl sagen darf, ohne deshalb die Sache herabzumindern, nämlich gewisse Erleichterungen oder Erweiterungen in der Ermächtigung. Bitte, stellen Sie sich unter dieser Ermächtigung ausnahmsweise einmal sehr wenig vor; denn sie beinhaltet ausschließlich eine Erleichterung und Vereinfachung der Arbeit der Finanzämter.
Ich glaube, daß ich mich auf diese Ausführungen beschränken darf.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, zur Einzelberatung rufe ich auf: Art. I des Gesetzes, und zwar die Ziffer 1 und die Ziffern 2 und 3 in der Fassung des Umdrucks zu Nr. 2909 Ziffern 1 und 2, - Art. II, - Einleitung und Überschrift. - Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich komme zur Abstimmung über die aufgerufenen Artikel unter Berücksichtigung des Umdrucks zu Drucksache Nr. 2909, Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Das ist angenommen.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich rufe auf: Art. I, - Art. II, - Einleitung und Überschrift in der Fassung der Beschlüsse zweiter Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. --- Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin". Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in der Schlußabstimmung angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe Punkt 14 auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
über die Angelegenheiten der Vertriebenen
und Flüchtlinge ({0})
({1}).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, eine Aussprache nicht stattfinden zu lassen, auch auf eine mündliche Begründung, da die Begründung schriftlich vorliegt, zu verzichten. Ich möchte ausdrücklich festgestellt haben, meine Damen und Herren, daß diese Art der Behandlung nicht beinhaltet, daß der Bundestag der Auffassung wäre, daß dieses Gesetz nicht wichtig sei oder nicht eine ausgedehnte erste Beratung verdiene. Wenn der Ältestenrat Ihnen vorschlägt, davon abzusehen, dann nur deshalb, um dieses außerordentlich wichtige Gesetz möglichst bald in die Ausschußberatung bringen zu können. Ich habe das ausdrücklich festzustellen.
Herr Abgeordneter Reitzner hat das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Namen meiner Freunde möchte ich dem Vorschlag des Herrn Präsidenten zustimmen, den Gesetzentwurf ohne Aussprache in erster Lesung dem Ausschuß für Heimatvertriebene federführend zuzuweisen.
Der Gesetzentwurf erfaßt in seinen sechs Abschnitten fast alle Probleme unseres sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens. Es wird notwendig sein, daß der Ausschuß sich mit diesem Gesetz sehr gründlich beschäftigt, und es wird sich natürlich im Laufe der Beratungen ergeben, daß wir die Meinung anderer Ausschüsse, des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung oder für Rechtswesen oder für Wirtschaft, anhören. Das ist uns klar. Ich würde daher das Hohe Haus im Namen meiner Freunde bitten, die Überweisung an den Ausschuß für Heimatvertriebene als federführend zu beschließen. Wir werden im Laufe der Beratungen selbstverständlich Besprechungen mit Ausschüssen weiterpflegen müssen, deren Meinung wir aus sachlichen Gründen brauchen.
Meine Damen und Herren! Darf ich Ihnen jetzt vorschlagen, - ({0})
- Herr Minister Lukaschek? - Es sollte keine Aussprache sein.
({1})
- Herr Minister, wir sind so schnell dazu gekommen. Sie haben meine erläuternden Ausführungen dazu nicht gehört. Wir haben dem Gesetz alle Beachtung angedeihen lassen.
({2})
Deutscher Dundestag - 180. Sitzung. Donn, Mittwoch, den 12. Dezember 1951 7587
({3})
Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen vorschlagen, daß wir das Gesetz von vornherein außer dem Ausschuß für Heimatvertriebene als federführendem Ausschuß auch dem Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überweisen, der zweifellos ziemlich vielseitig damit befaßt werden wird? Ist das Ihre Meinung?
({4})
- Sie sind damit einverstanden: Ausschuß für Heimatvertriebene federführend und Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung. Die übrigen Ausschüsse können je nach Notwendigkeit herangezogen werden. Damit ist dieser Punkt ebenfalls erledigt.
Ich darf aufrufen Punkt 15 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Ergänzung des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen ({5}).
Es liegt eine schriftliche Begründung vor. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, das Gesetz dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen.
({6})
- Das Haus ist damit einverstanden. Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 16 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Sortenschutz und Saatgut von Kulturpflanzen ({7}) ({8}).
Auch dieses Gesetz ist schriftlich begründet worden. Eine Aussprache soll nicht stattfinden. Ich
schlage Ihnen Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vor.
({9})
- Das Haus ist einverstanden.
Punkt 17 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des § 7 Abs. 2 des Güterfernverkehränderungsgesetzes ({10}).
Eine besondere Begründung soll nicht erfolgen, da sie schriftlich vorliegt. Meine Damen und Herren, darf ich Ihnen vorschlagen, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen? - Das Haus ist auch damit einverstanden.
Punkt 18 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Börsenzulassung umgestellter Wertpapiere ({11});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit ({12}) ({13}).
({14})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ruhnke. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen!
Ruhnke ({15}), Berichterstatter: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen. Die Begründung zum Gesetz über die
Börsenzulassung umgestellter Wertpapiere liegt Ihnen vor. Namens des Ausschusses beantrage ich Annahme des Gesetzes.
({16})
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seinen vorbildlich kurzen Bericht und rufe auf die §§ 1 bis 4, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. Das ist die Mehrheit; die Paragraphen sowie die Einleitung und Überschrift sind angenommen.
In der
dritten Beratung
darf ich die gleichen §§ 1 bis 4, Einleitung und Überschrift aufrufen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe nun auf den
letzten Punkt der heutigen Tagesordnung, Punkt 19: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldevertrag Atlantic City 1947 ({0});
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Post-und Fernmeldewesen ({1}) ({2}).
({3})
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Ekstrand. Darf ich ihn bitten, das Wort zu nehmen.
({4})
- Herr Abgeordneter Ekstrand wünscht keinen Bericht zu geben. Das war am kürzesten. ({5})
Meine Damen und Herren, ich rufe auf Art. 1 bis 3, - Einleitung und Überschrift. - Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
- Das ist die Mehrheit; das Gesetz ist in zweiter Beratung angenommen.
Ich rufe auf in der
dritten Beratung
die Art. 1 bis 3, - Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich komme zur Schlußabstimmung über den Entwurf eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldevertrag Atlantic City 1947. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Gesetz in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. - Das ist die Mehrheit; das Gesetz ist in der Schlußabstimmung angenommen.
Ich berufe die nächste, die 181. Sitzung, auf Donnerstag, den 13. Dezember, 13 Uhr 30, und schließe die 180. Sitzung.